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German Pages 193
Beiträge zum Parlamentsrecht
Band 1
Die parlamentarische Verhandlung Von
Norbert Achterberg
Duncker & Humblot · Berlin
NORBERT ACHTERBERG
Die parlamentarische Verhandlung
Beiträge zum Parlamentsrecht Herausgegeben von Norbert Achterberg
Band 1
Die parlamentarische Verhandlung
Von
Norbert Achterberg
DUNCKER & HUMBLOT/BERLIN
Alle Rechte vorbehalten
@ 1979 Duncker & Humblot, Berlin 41
Gedruckt 1979 bei Buchdruckerei Bruno Luck, Berl1n 65 Prlnted in Germany ISBN 3 428 04453 3
Geleitwort Die seit elnIger Zeit bemerkbare Aufarbeitung des Rückstands an parlamentsrechtlicher Forschung rechtfertigt die Begründung einer Schriftenreihe, in der einschlägige Untersuchungen zusammengefaßt werden sollen. Sechzig Jahre nach Inkrafttreten der Verfassung eines demokratischen Deutschen Reiches, dreißig Jahre nach Erlaß des Grundgesetzes ist das zunehmende Interesse an dem Staatsorgan, durch welches das Volk repräsentiert wird, als erfreuliches Zeichen gesteigerten Demokratiebewußtseins zu werten. Daß dieses Feld nicht mehr vor allem der Politischen Wissenschaft überlassen bleibt, kann bei allem Respekt vor deren Erkenntnissen mit Genugtuung vermerkt werden. Die neue Schriftenreihe mit einer Abhandlung über die parlamentarische Verhandlung zu eröffnen, erscheint deshalb naheliegend, weil es sich bei der sie betreffenden Normierung um den Kern des Parlamentsrechts handelt, wenn man Volksvertretung nicht nur als Institution, sondern vor allem als Aktion betrachtet. Selbst das Verfahren anderer Kollegialorgane - bis in den Universitätsbereich - orientiert sich nicht selten hilfsweise an den Regelungen über die parlamentarische Verhandlung. Die Einbeziehung des Rechts des Bundestags wie desjenigen der Landesparlamente in die nachfolgende Darstellung war unerläßlich, um ein umfassendes Bild des in seinen Grundzügen zwar auch insoweit übereinstimmenden, in Einzelheiten mitunter aber voneinander abweichenden Parlamentsrechts des Bundes und der Länder zu geben. Daß der Schwerpunkt vom Darstellungsumfang her trotz des erheblichen Anteils der Ausschüsse an der parlamentarischen Arbeit eher beim Plenum liegt, kann dabei nicht verwundern: Die Geschäftsordnungen pflegen das Verfahren in der Vollversammlung nun einmal ausführlicher zu regeln als dasjenige in den Ausschüssen, für das mitunter sogar ausdrücklich die Vorschriften über die Plenarverhandlungen in Bezug genommen werden, und die folgenden Untersuchungen geben trotz der unübersehbaren Verschränkung von Sein und Sollen gerade im Parlamentsrecht - in erster Linie die Rechtslage der parlamentarischen Verhandlung wieder. Für die Begründung der neuen Schriftenreihe gilt Herrn Ehrensenator Ministerialrat a. D. Professor Dr. Johannes Broermann mein besonderer Dank. Ich verbinde hiermit den Wunsch, daß die "Beiträge zum Parlamentsrecht" der Vertiefung und Verbreitung der Parlamentswissenschaft zu dienen vermögen. Münster, im März 1979
Norbert Achterberg
Inhaltsverzeichnis ETsteT Teil
Verhandlungs grundsätze I. Vorbemerkung
15
U. Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 16 1. Theoretische Grundlagen (18). - 2. Geschichtliche Entwicklung (21). - 3. Öffentlichkeit und Nichtöffentlichkeit im geltenden Parlamentsrecht (22). - a) Öffentlichkeit (22). - b) Nichtöffentlichkeit (26).
ur.
Unmittelbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 31 1. Unmittelbarkeit im geltenden Parlamentsrecht (32). - 2. Mittelbarkeit im geltenden Parlamentsrecht (32). - a) Einfache Mittelbarkeit (32). - b) Doppelte Mittelbarkeit (33).
IV. Mündlichkeit ...................................................... 1. Bedeutung der Mündlichkeit (34). - 2. Verwirklichung der Mündlichkeit (36). - 3. Mündlichkeit und Redezeitbegrenzung (37). - 4. Einschränkungen der Mündlichkeit (39).
34
V. Mehrheitsprinzip .................................................. 40 1. Bedeutung der Mehrheit (40). - 2. Theoretische Grundlagen (41). 3. Geschichtliche Entwicklung (42). - 4. Systemfunktionalität der Ausgestaltungsformen (44). - 5. Mehrheitsarten (45). VI. Minderheitenschutz ................................................ 1. Bedeutung und Begriff (49). - 2. Folgerungen aus dem Minderheitsprinzip (50). - 3. Insbesondere: Minderheitenschutz im Untersuchungsverfahren (52). - Minderheitsprinzip und verfassunggestaltende Grundentscheidungen (53). - 5. Gerichtliche Durchsetzung von Minderheitenrechten (55). - 6. Gescbäftsordnungsmäßige Absicherung der Minderheitenrechte (55).
49
ZweiteT Teil
Das Verfahren in der Vollversammlung I. Allgemeines ................ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 57 1. Einberufung des Parlaments (57). - a) Erste Einberufung (57). b) Spätere Einberufungen (58). - 2. Bedeutung der Tagesordnung (62). - 3. Festsetzung der Tagesordnung (64). - a) Aufstellung der Tagesordnung (65). - b) Feststellung der Tagesordnung (66). - 4. Ablauf der Tagesordnung (68). - a) Begriff (68). - b) Gestaltung (69). - 5. Schluß der Sitzung und verwandte Institute (73). - a) Schluß der Aussprache (73). - b) Schluß der Beratung (74). - c) Vertagung eines Beratungsgegenstands (75). - d) Vertagung der Sitzung (77). - e) Schluß der Sitzung (77).
8
Inhaltsverzeichnis
11. Redeordnung; Bemerkungen, Erklärungen; Anträge................ 77 1. Redeordnung (77). - a) Wortmeldung, Worterteilung (77). - b) Reihenfolge der Redner (81). - c) Redezeit (82). - 2. Bemerkungen, Erklärungen (84). - a) Bemerkungen zur Geschäftsordnung (84). b) Persönliche Bemerkungen (86). - c) Persönliche Erklärungen (88). - d) Tatsächliche Erklärungen (89). - e) Erklärungen zur Abstimmung (90). - 3. Anträge (91). - a) Interne Anträge zur Sache (91). - b) Interne Anträge zur Geschäftsordnung (96). - c) Externe Anträge (96). - d) Dringliche Anträge (97). III. Abstimmungen .................................................... 97 1. Bedeutung der Beschlußfähigkeit (97). a) Rechtsgrundlagen (97). - b) Bezweifelung der Beschlußfähigkeit (100). - c) Rechtsfolge der Beschlußunfähigkeit (101). - d) Unanwendbarkeit der Regelungen über die Beschlußunfähigkeit (101). - e) Reformvorschläge (101). - 2. Fassung und Reihenfolge der zur Abstimmung gestellten Fragen (102). - a) Fassung der Fragen (102). - b) Teilung der Frage (104). - c) Reihenfolge der Fragen (105). - 3. Abstimmungsarten (109). - a) Allgemeines (109). - b) Offene Abstimmung (109). - c) Geheime Abstimmung (111). - d) Namentliche Abstimmung (112). - e) Stimmenzählung (114). - f) Pairing (115). - 4. Wiederholung der Abstimmung (116). - a) Berichtigung der Stimmabgabe (116). - b) Abstimmungswiederholung (119). IV.Ordnungsmaßnahmen ............................................ 120 1. Rechtsgrundlagen (120). - 2. Ordnungsmaßnahmen gegenüber Abgeordneten (122). - a) Sachruf (122). - b) Ordnungsruf (123). - c) Wortentziehung (127). - d) Ausschluß von der Sitzung (129). - 3. Ordnungsmaßnahmen gegenüber anderen Sitzungsteilnehmern und Zuhörern (131). - 4. Ordnungsmaßnahmen gegenüber allen anwesenden Personen (132). - 5. Rechtsbehelfe gegen Ordnungsmaßnabmen (133). - a) Ordnungsmaßnahmen mit Rechtsbehelfsmöglichkeit (133). - b) Ordnungsmaßnahmen ohne Rechtsbehelfsmöglichkeit (135). c) Rechtsbehelfe gegen Hausrechtswahrnehmung (135). V. Niederschrift und Beurkundung .................................... 136 1. Der stenographische Bericht (136). - a) Anfertigung und Inhalt der Niederschrift (136). - b) Berichtigung der Niederschrift (138). 2. Das amtliche Protokoll (139). - 3. Benutzung des Sitzungsberichts und des Protokolls (141). - a) Sitzungsbericht (141). - b) Protokoll (143).
Dritter Teil Das Verfahren in den Aussmüssen I. Das Verfahren in den ständigen Ausschüssen ................ , ..... 144 1. Die Aufgaben der Ausschüsse (144). - a) Vorbereitung der Gesetzgebung (145). - b) Kontrolle (146). - c) Kreation (151). - 2. Die Befassung der Ausschüsse (152). - a) Vorbereitung und Entscheidung (152). - b) Beauftragung und Selbstbefassung (156). - 3. Die Ausgestaltung des Verfahrens (158). - a) Vorbereitung der Ausschußsitzung (159). - b) Teilnahme an der Ausschußsitzung (159). - c) Bestellung der Berichterstatter (160). - d) Beratung (160). - e) Abstimmung (161). - f) Niederschrift und Protokoll (162). - g) Herbeirufung und Auskunfterteilung (162). - h) Anhörung (163). - i) Zusammenarbeit von Ausschüssen (165). - 4. Der Abschluß des Verfahrens (165). - 5. Besondere Verfahrensregeln für ständige Ausschüsse (167). - a) Petitionsausschüsse (167). - b) Wahlprüfungsausschüsse (170). - c) Wahlmännerausschüsse (172).
Inhaltsverzeichnis
9
II. Das Verfahren in den Untersuchungsausschüssen .................. 174 1. Die Empfehlungen der Parlamentspräsidentenkonferenz (174). 2. Die gegenwärtige Ausgestaltung des Verfahrens (175). - a) Einsetzung eines Untersuchungsausschusses (176). - b) Beschlußfähigkeit (176). - c) Vorbereitende Untersuchung (176). - d) Sitzungsöffentlichkeit (176). - e) Beweiserhebung (177). - f) Rechts- und Amtshilfe durch andere Organe (177). - g) Stellung des Betroffenen (178). - h) Berichterstattung an das Plenum (179). - 3. Die Reformvorschläge der Enquete-Kommission Verfassungsreform (179). a) Prämissen (179). - b) Vorschläge im Mehrheitsvotum (180). c) Vorschläge im Sondervotum (183). Sachverzeichnis
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 185
Abkürzungsverzeichnis Abg. abgedr. ABI. a.M. Anh. Anm. AnnDR AöR ARSP Art. AufI. bad. BayGO BayHO BayUAG BayV BayVBI. BayVerfGH Bd. BerlGO BerlPetG BerlRHG BerlUAG BerlV BFH BGB BGBI. BGH BK BPetAusschG
BremGO
Abgeordnete(r) abgedruckt Amtsblatt anderer Meinung Anhang Anmerkung Annalen des Deutschen Reiches (Jahr, Seite) Archiv des öffentlichen Rechts (Band, Jahr, Seite) Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie (Band, Jahr, Seite) Artikel Auflage badisch Geschäftsordnung für den Bayerischen Landtag v. 1. 10. 1974 (GVBI. 587) i. d. F. v. 26.4. 1978 (GVBI. 334), 30. 10. 1978 und 13. 12. 1978 (GVBI. 1979, 8) Haushaltsordnung des Freistaates Bayern (Bayerische Haushaltsordnung BayHO) v. 8. 12. 1971 (GVBI. 433) Gesetz über die Untersuchungsausschüsse des Bayerischen Landtags v. 23. 3. 1970 (GVBI. 95) Verfassung des Freistaates Bayern v. 2.12.1946 (GVBI. 333) Bayerische Verwaltungsblätter (Jahr, Seite) Bayerischer Verfassungsgerichtshof Band Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin v. 4.7.1974 (GVBI. 1684) Gesetz über die Behandlung von Petitionen an das Abgeordnetenhaus von Berlin (Petitionsgesetz) v. 25.11. 1969 (GVBI. 2511) = Gesetz über den Rechnungshof von Berlin (Rechnungshofgesetz - RHG) v. 21. 7.1966 (GVOBl. 1145) Gesetz über die Untersuchungsausschüsse des Abgeordnetenhauses von Berlin v. 22. 6. 1970 (GVBI. 925) Verfassung von Berlin v. 1. 9. 1950 (VOBI. I 433) Bundesfinanzhof Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Kommentar zum Bonner Grundgesetz (Bonner Kommentar), Hamburg 1950 ff. Gesetz über die Befugnisse des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages (Gesetz nach Artikel 45 c des Grundgesetzes) v. 19.7.1975 (BGBI. I 1921) Geschäftsordnung der Bremischen Bürgerschaft i. d. F. v. 26. 5. 1977 (GBI. 257)
Abkürzungsverzeichnis
11
BremLHO
Haushaltsordnung der Freien Hansestadt Bremen (Landeshaushaltsordnung - LHO) v. 25. 5. 1971 (GBl.
BremV
Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen v. 21. 10. 1947 (GBl. 251) Bundestag Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Gesetz über das Bundesverfassungsgericht i. d. F. der Bekanntmachung v. 3.2.1971 (BGBl. I 105) Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Geschäftsordnung des Landtags von Baden-Württemberg i. d. F. v. 7.6.1972 (LT-Dr. 6/7700), 12.5.1975 (GBl. 1976, 80), 5.3. 1976 (GBl. 247), 2.6. 1976 (LT-Dr. 7/18), 7.12.1978 (GBl. 1979, 59), 31. 1. 1979 (GBl. 86) Landeshaushaltsordnung für Baden-Württemberg (LHO) v. 19. 10. 1971 (GBl. 428) (Baden-Württembergisches) Gesetz über Einsetzung und Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Landtags v. 3.3. 1976 (GBl. 194) Verfassung des Landes Baden-Württemberg v.
BT BVerfG BVerfGE BVerfGG BVerwG BVerwGE BWGO
BWLHO BWUAG
BWV BWahlprüfG bzgl. Cap. D
ders. Diss. DÖV Dr. DV DVBl. ebda. ed. ESVGH
f.
ff. G GBl. GG
GOBT GORT 1876 GOVA
GS GVBl. GVG GVNW GVOBl.
143)
11. 11. 1953 (GEl. 173)
Wahlprüfungsgesetz v. 12. 3. 1951 (BGBl. I 166) bezüglich Kapitel Digesten derselbe Dissertation Die Öffentliche Verwaltung (Jahr, Seite) Drucksache Deutsche Verwaltung (Jahr, Seite) Deutsches Verwaltungsblatt (Jahr, Seite) ebenda edited Entscheidungen des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes BadenWürttemberg mit Entscheidungen der Staatsgerichtshöfe beider Länder folgende(r) folgende Gesetz Gesetzblatt Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland v. 23. Mai 1949 (BGBl. 1) Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages v. 6. 12. 1951 i. d. F. v. 9.7. 1975 (BGBl. I 1948) Geschäftsordnung des Deutschen Reichstags v. 10. 2.1876 (AnnDR 1877, 490) Gemeinsame Geschäftsordnung des Bundestages und des Bundesrates für den Ausschuß nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) v. 19. 4. 1951 (BGBl. 11 103) Gesetz-Sammlung für die Kgl. Preußischen Staaten Gesetz- und Verordnungsblatt Gerichtsverfassungsgesetz i. d. F. v. 9. 5. 1975 (BGBl. 11077)
Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen Gesetz- und Verordnungsblatt
12 Hamann - Lenz HambGO HambLHO HambV hess. HessGO HessLHO HessStGH HessStGHG HessV h.M. hrsg. i. d. F. insb. i. V. m. JöR JR JuS JZ KanAbt. kgl. kurhess. LAG m. v. Mangoldt - Klein Maunz - Dürig Herzog - Scholz MDR nds. NdsGO NdsLHO NdsStGH NdsStGHG NdsV NJW Nr. NWGO NWLHO NWV o.
Abkürzungsverzeichnis Hamann - Lenz, Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949, 3. Aufl., Neuwied - Berlin 1970 Geschäftsordnung der Hamburgischen Bürgerschaft v. 13.3. 1963 m. Änderungen v. 5. 10. 1966, 12. 2. 1971, 17.10.1973 Haushaltsordnung der Freien und Hansestadt Hamburg (Landeshaushaltsordnung-LHO) v. 23.12.1971 (GVOBl. I 261) Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg v. 6. 6. 1952 (GVBl. 117) hessisch Geschäftsordnung des Hessischen Landtags v. 31. 1. 1973 (GVBl. I 63) geändert durch G v. 3. 12. 1974 (GVBl. I 688), Beschluß v. 1. 12. 1978 (GVBl. I 694) Hessische Landeshaushaltsordnung (LHO) v. 8.10. 1970 (GVBl. I 645) Staatsgerichtshof des Landes Hessen (Hess.) Gesetz über den Staatsgerichtshof v. 12. 12. 1947 (GVBl. 1948, 3) Verfassung des Landes Hessen v. 1. 12. 1946 (GVBl. 229) herrschende Meinung herausgegeben in der Fassung insbesondere in Verbindung mit Jahrbuch des öffentlichen Rechts (Band, Seite) Juristische Rundschau (Jahr, Seite) Juristische Schulung (Jahr, Seite) Juristenzeitung (Jahr, Seite) Kanonistische Abteilung königlich kurhessisch Landesarbeitsgericht mit = v. Mangoldt - Klein, Das Bonner Grundgesetz, 2. Aufl., Berlin - Frankfurt/Main 1966 - 1974 Maunz - Dürig - Herzog - Scholz, Grundgesetz, München 1978 Monatsschrift für Deutsches Recht (Jahr, Seite) niedersächsisch Geschäftsordnung für den Niedersächsischen Landtag der Achten Wahlperiode (LT-Dr. 8/125) Niedersächsische Landeshaushaltsordnung (LHO) v. 7.4.1972 (GVBl. 181) Niedersächsischer Staatsgerichtshof (Nds.) Gesetz über den Staatsgerichtshof v. 31. 3. 1955 (GVBl. Sb. I 17) Vorläufige Niedersächsische Verfassung v. 13.4. 1951 (GVBl. 103) Neue Juristische Wochenschrift (Jahr, Seite) Nummer Geschäftsordnung des Landtags Nordrhein-Westfalen i. d. F. v. 7.7.1976 (PlPr. 8/26, S. 1292 B) (Nordrhein -Westfälische) Landeshaushai tsordnung (LHO) v. 14. 12. 1971 (GVNW 397) Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen v. 28. 6. 1950 (GVNW 127) oben
Abkürzungsverzeichnis o.J. OLG Ophoff OVG OVGE
p.
phil. PIPr. PrVerf 1850 PVS RdNr. RGSt RhPfGO RhPfLHO RhPfRHG RhPfV Ri tzel - Koch Röhring - Sontheimer RT RV 1871 RV 1919 RVerf 1849 S. s. sächs. Sb. Schäfer SchmollersJb SGO SHGO
SHLO SHV SLO SLTG
=
13
ohne Jahresangabe Oberlandesgericht Ophoff, Geschäftsordnung des Landtags NordrheinWestfalen, Düsseldorf 1966 Oberverwaltungsgericht Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster sowie für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein in Lüneburg mit Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes Nordrhein-Westfalen und des Niedersächsischen Staatsgerichtshofes page philosophische Plenarprotokoll Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat v. 31. 1. 1850 (GS 17) Politische Vierteljahresschrift (Band, Jahr, Seite) Randnummer Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Geschäftsordnung des Landtags Rheinland-Pfalz i. d. F. v. 26.5.1977 (PlPr. 8/33, LT-Dr. 8/130/2058/ 2126) Landeshaushaltsordnung für Rheinland-Pfalz (LHO) v. 20. 12. 1971 (GVOBI. 1972, 2) Landesgesetz über den Rechnungshof RheinlandPfalz (RHG) v. 20. 12. 1971 (GVOBI. 1972, 33) Verfassung für Rheinland-Pfalz v. 18.5. 1947 (VOBI. 209) Ritzel- Koch, Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, Frankfurt/Main 1952 Röhring - Sontheimer, Handbuch des deutschen Parlamentarismus, München 1970 Reichstag Verfassung des Deutschen Reichs v. 16.4. 1871 (RGBI. 64) Die Verfassung des Deutschen Reichs v. 11. 8. 1919 (RGBI. 1383). Entwurf der Reichsverfassung v. 28. 3. 1849 Seite siehe sächsisch Sonderband Schäfer, Der Bundestag, 2. Aufl., Opladen 1975 Schmollers Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich (Band, Jahr, Seite) Geschäftsordnung des Saarländischen Landtags v. 20. 6. 1973 (ABI. 529) Geschäftsordnung des Schleswig-Holsteinischen Landtags i. d. F. v. 28.4.1971 (GVOBI. 225), 7.12. 1971 (GVOBI. 472), 30. 1. 1973 (GVOBI. 26), 26. 5. 1975 (GVOBI. 126) Landeshaushaltsordnung Schleswig-Holstein (LHO) v. 22.4. 1971 (GVOBI. 162) Landessatzung für Schleswig-Holstein v. 13. 12. 1949 (GVBI. 1950,3) G Nr. 938 betreffend Haushaltsordnung des Saarlandes v. 3. 11. 1971 (ABI. 733) G Nr. 970 über den Landtag des Saarlandes v. 20. 6. 1973 (ABI. 517)
14
Sp. Staat StenBer. StGH SV SVerfGH
Abkürzungsverzeichnis
vgl. VOBl. Vorbem. VwGO
Spalte Der Staat (Band, Jahr, Seite) Stenographische Berichte Staatsgerichtshof Verfassung des Saarlandes v. 15. 12. 1947 (ABI. 1077) Verfassungsgerichtshof des Saarlandes Teil Trossmann, Parlamentsrecht und Praxis des Deutschen Bundestages, Bonn o. J. Trossmann, Parlamentsrecht des Deutschen Bundestages, München 1977 Textziffer unten von, vom Verfassungsgericht Sammlung von Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs mit Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, des Bayerischen Dienstgerichtshofs für Richter und des Bayerischen Gerichtshofs für Kompetenzkonflikte vergleiche Verordnungsblatt Vorbemerkung Verwaltungsgerichtsordnung v. 21. 1. 1960 (BGBL I
VwVfG
Verwaltungsverfahrensgesetz v. 25.5.1976 (BGBL I
WehrbeauftragtenG
Gesetz über den Wehrbeauftragten des Bundestages v. 26.6.1957 (BGBL I 652) weitere Wahlperiode württembergisch zum Beispiel Zeitschrift für Beamtenrecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für Politik (Band, Jahr, Seite) Zivilprozeßordnung i. d. F. v. 12.9. 1950 (BGBL 533) Zeitschrift für Parlamentsfragen (Band, Jahr, Seite) Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte (Band, Abteilung, Jahr, Seite) Zeitschrift für Rechtspolitik (Jahr, Seite)
T
Trossmann I Trossmann II Tz. u.
v.
VerfG VGHE
weit. WP württ. z.B. ZBR ZfP ZPO ZParl. ZRG ZRP
17)
1253)
Erster Teil
Verhandlungsgrundsätze I. Vorbemerkung Die Frage nach den Grundsätzen der parlamentarischen Verhandlung zu stellen, bedarf der Begründung. Unzweifelhaft lassen sich zwar ähnlich wie für den Verfassungsprozeß, den Verwaltungsprozeß, den Zivilprozeß oder den Strafprozeß, aber auch für das Verwaltungsverfahren - Verhandlungsmax,imen ausmachen, die das parlamentarische Verfahren beherrschen. Gleichwohl bedarf es der Darlegung, weshalb es sinnvoll ist, von Geschäftsordnungsvorschriften abstrahierte Verhandlungsgrundsätze zu erörtern. Dies ist deshalb der Fall, weil sich auf diese Weise Prinzipien darstellen lassen, an denen sich die Funktionalität durch Verfassung, Gesetz oder Geschäftsordnung vorgenommener Verfahrensregelungen messen läßt. Aus sozialwissenschaftlicher Sicht 1 wurde versucht, als Grundsätze der parlamentarischen Verhandlung Effizienz, Transparenz und Partizipation abzuleiten. Auf "KurzformeIn" gebracht, soll Effizienz den "Wirkungsgrad im Sinne technisch-rationeller Wirtschaftlichkeit .. , gemessen an der Zeit-Kosten-Nutzen-Relation", Transparenz "den Grad an Nachvollziehbarkeit durch Offenlegung und Durchschaubarkeit", Partizipation "den Grad an Mitwirkung im Rahmen der in Wechselbeziehung zueinander stehenden Wirkungsstufen der teilnehmenden Beobachtung, Mitberatung und Mitentscheidung" bezeichnen; mit Recht wird ausgeführt, daß es sich hierbei um weitgehend formale Kriterien handelt, die der Konkretisierung bedürfen. Ebenso mögen eindimensionale Effizienzmaximierung als technokratisches Postulat, eindimen1 Vgl. Steffani, Parlamentarische Demokratie Zur Problematik von Effizienz, Transparenz und Partizipation, in: Parlamentarismus ohne Transparenz, hrsg. Steffani, Opladen 1971 (= Kritik Bd. III), S. 17 (20); Thaysen, Parlamentsreform in Theorie und Praxis, Opladen 1972, S. 82 ff., der S. 97 ff. - von seinem Standpunkt aus konsequent - die Möglichkeit positiver und negativer Korrelation sowie von "Insich-Konflikten" der Kriterien beschreibt und im übrigen S. 118 ff. die Gesetzentwürfe, Anträge und Vorlagen zur Parlamentsreform der 5. Wahlperiode des Bundestags darauf untersucht, welches der im folgenden genannten drei Kriterien "primäre Reformkategorie" des jeweiligen Vorhabens ist. Kritisch hierzu Achterberg, Rezension zu Thaysen, Parlamentsreform in Theorie und Praxis, Staat 14 (1975), 281 (283).
16
1. Teil: Verhandlungsgrundsätze
sionale Partizipationsmaximierung als solches eines verkürzten Demokratieverständnisses, eindimensionale Transparenzmaximierung als übersteigerte Kommunikationsforderung begriffen werden können; während multidimensionale Optimierungsmodelle solche sind, bei denen mehrere Zielvariable zueinander in Beziehung gesetzt werden um zu untersuchen, welche Konsequenzen die Maximierung eines Ziels auf diejenige der anderen Ziele ausübt. Indessen bleibt fragwürdig, ob die erwähnten Grundsätze in der Tat als Essentialia der parlamentarischen Verhandlung verstanden werden können: Hinsichtlich der Transparenz kann dies im Prinzip - wenn auch nicht derartig pauschal, wie es hiernach den Anschein hat - bejaht werden. Bezüglich der Effizienz enthält die zuvor erwähnte Aussage demgegenüber nicht mehr als eine Binsenweisheit: Zum einen ist Effizienz keineswegs parlamentsspezifisch, da es kein Staatsorgan gibt, das sein Handeln nicht auch an ihr ausrichtet - wenn sie auch durch andere Handlungskriterien, wie die Legalität, ergänzt wird - , zum anderen ist es unvorstellbar, daß das Parlament sich selbst der Ineffizienz verschreibt. Die Hervorhebung der Partizipation schließlich ist mehrdeutig: Soll mit ihr ausgesagt sein, daß das Parlament an der Ausübung der Staatsgewalt teilnimmt, so ist auch dies nicht parlamentsspezifisch, sondern trifft wiederum ebenso auf die anderen Staatsorgane zu, soll mit ihr festgestellt sein, daß das Volk am parlamentarischen Handeln partizipiert, so gilt dies nur für die Bildung des Parlaments durch Wahl, soll mit ihr schließlich beschrieben sein, daß das Volk durch das Parlament an der Ausübung der Staatsgewalt teilhat, so bedeutet Partizipation nichts anderes als Repräsentation. Als Maximen der parlamentarischen Verhandlung sind demgegenüber Öffentlichkeit, Unmittelbarkeit, Mündlichkeit, Mehrheitsprinzip und Minderheitenschutz zu erörtern2 •
11. Uffentlichkeit Die Öffentlichkeit der parlamentarischen VerhandlungS - zu einem großen Teil übereinstimmend, wenn auch nicht völlig deckungsgleich mit dem zuvorgenannten sozialwissenschaftlichen Begriff der Transparenz, die auch anders vermittelt werden kann - ist eine zentrale, 2 Zu eng Schäfer, S. 71, der nur den Grundsatz der mündlichen Verhandlung und die Öffentlichkeit als Verfahrensmaximen nennt. 3 Schrifttum: Appoldt, Die öffentlichen Anhörungen ("Hearings") des Deutschen Bundestages, Berlin 1971; Dobiey, Die politische Planung als verfassungsrechtliches Problem zwischen Bundesregierung und Bundestag, Berlin 1975, S. 64 ff.; Habermas, Strukturwandel der öffentlichkeit, 4. Aufl., Neuwied - Berlin 1969; Haftendorn, Die politische Funktion der Parlamentsberichterstattung, (phil.) Diss., FrankfurtlMain 1960; Hereth, Die öffentlichkeitsfunktion des Parlaments, PVS 11 (1970), 29; Jäger, Öffentlichkeit und
II. Öffentlichkeit
17
allerdings nicht lückenlos verwirklichte parlamentarische Verfahrensmaxime. Parlamentarische Öffentlichkeit als solche reicht über diese im übrigen weit hinaus4, weil sie auch die sonstige - nicht nur verfahrensmäßige - Durchsichtigkeit des parlamentarischen Handeins umgreift und zwar sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht. Daß Öffentlichkeit nur formell gewährleistet ist, wenn die parlamentarische Debatte nicht auch materiell öffentlich, transparent, einsichtig ist, reicht nicht aus: Der Bürger muß in der Lage sein, Positionen und Gegenpositionen zu erkennen, um zwischen ihnen abwägen zu können. Dazu dienen Reden nicht, deren Verständnis Expertenwissen erfordert, und ebenso solche nicht, in denen kontroverse Standpunkte, anstatt im Dialog ausgetragen zu werden, durch eine "amicabilis compositio" verschleiert werden, die in der Monarchie vertretbar gewesen sein mochte, in der das Parlament als Block der Exekutive gegenübertrat5, nicht aber dem modernen, pluralistischen Verfassungsstaat angemessen ist, in dem unterschiedlichen Meinungen Entfaltungsfreiheit und damit auch Äußerungsfreiheit zu geben ist; das arcanum als Bestandteil politischer Strategie verstößt gegen das Prinzip der Demokratie, in der alle Staatsgewalt vom Volk ausgeht6• Parlamentarismus. Eine Kritik an Jürgen Habermas, Stuttgart 1973; Kißler, Die Öffentlichkeitsfunktion des Deutschen Bundestages, Berlin 1976; H. H. Klein, Mehr geheime Abstimmungen in den Parlamenten!, ZRP 76, 81; Linck, Die Öffentlichkeit der Parlamentsausschüsse aus verfassungsrechtlicher und rechtspolitischer Sicht, DÖV 73, 513; Marcic, Die Öffentlichkeit als Prinzip der Demokratie, in: Festschrift für Adolf Arndt, hrsg. Ehmke - SchmidScharoun, Frankfurt/Main 1969, S. 267; Martens, Öffentlichkeit als Rechtsbegriff, Bad Homburg v. d. H. - Zürich - Berlin 1969, insb. S. 59, 68 ff.; Merg, Die Oeffentlichkeit der Parlamentsverhandlung, Berlin 1920; Morscher, Die parlamentarische Interpellation, Berlin 1973, S. 243 ff.; Oberreuter, Scheinpublizität oder Transparenz? Zur Öffentlichkeit von Parlamentsausschüssen, ZParl. 6 (1975), 77; ders., Die Öffentlichkeit des Bayerischen Landtags, in: aus politik und zeitgeschichte, 1970, B 21, S. 3; ders., Parlamentsberichterstattung, in: Röhring - Sontheimer, S. 354; Peschel, Die Publizität der Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Bulletin 1955, Nr. 76, S. 631; Steiger, Zur Funktion der Öffentlichkeit parlamentarischer Verhandlungen heute, Studium Generale 23 (1970), 710; Strickrodt, Zur Gewährleistung der Öffentlichkeit bei der Ausübung des Petitionsrechts gegenüber Volksvertretungen, ZRP 73, 300; Trautmann, Öffentlichkeit, in: Röhring - Sontheimer, S. 308; Trossmann I, S. 198 ff. , Signifikant Kißler, passim, der bei seiner Darstellung der Öffentlichkeitsfunktion des Bundestages weit über die parlamentarische Verhandlung hinausgeht und alle möglichen parlamentarischen Institute der Organisation und Funktion des Parlaments in sie einbezieht, Parlamentarismus gerade sub specie Öffentlichkeit betrachtet. Vgl. auch Morscher, S. 243 ff., der Öffentlichkeit auch als Funktion der Interpellation begreift, sowie Strickrodt, ZRP 73, 300, zur Gewährleistung der Öffentlichkeit bei Ausübung des Petitionsrechts. 5 Zur Spezialistensprache Hereth, PVS 11 (1970), 36 (zur amicabilis compositio und zu ihrer historischen Verankerung im Westfälischen Frieden 32 ff.). B Vgl. zu den staatstheoretischen und verfassungsgeschichtlichen Wurzeln des arcanum vor allem in der Staatsraison des absolutistischen Staats (Arnol2 Achterberg
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1. Teil: Verhandlungsgrundsätze
Die rechtstheoretische Fundierung der Öffentlichkeit der parlamentarischen Verhandlung setzt voraus zu erklären, was denn eigentlich unter dieser Öffentlichkeit zu verstehen ist. Sie gliedert sich in die Sitzungsöffentlichkeit (auch "Verfahrensöffentlichkeit" genannt) und in die Berichterstattungsöffentlichkeit (auch als "Erklärungsöffentlichkeit" bezeichnetp. Beide Formen der Parlamentsöffentlichkeit sind zu unterscheiden, weil mit dem Ausschluß der Öffentlichkeit von der Teilnahme an der parlamentarischen Verhandlung noch nicht indiziert ist, daß über diese oder zumindest die in ihr gefundenen Ergebnisse nicht berichtet werden darf. Auch die Berichterstattungsöffentlichkeit begründet eine - wenn auch nur mittelbare, eben durch den Berichterstatter vermittelte - Öffentlichkeit und entspricht damit gleichfalls dem demokratischen Transparenzerfordernis. Doch mag diese Unterscheidung zunächst auf sich beruhen. Im folgenden soll der Begriff Ver handlungsöffen tlichkei t im Sinne der Sitzungsöffentlichkei t verstanden werden. 1. Theoretiscl1e Grundlagen
Der rechtstheoretische Ausgangspunkt der Parlamentsöffentlichkeit ist das Repräsentationsprinzip. Seit Beginn des 19. Jahrhunderts gilt als gemeineuropäischer Rechtsgrundsatz, daß die Verhandlungen der Volksrepräsentation öffentlich sein müssen. Bereits für Jeremy Bentham war die Öffentlichkeit der Parlamentsverhandlungen für die Oberaufsicht der Staatsbürger unerläßlich: "Ohne Öffentlichkeit sind alle anderen Kontrollen bedeutungslos, im Vergleich zur Öffentlichkeit sind sie belanglos", und auch von den von Walter Bagehot dem Parlament zugeschriebenen fünf Funktionen standen drei - expressive function, teaching function, informing function - mit der Öffentlichkeit in Zusammenhangs. dus Clapmarius, Niccola Machiavelli, Paolo Sarpi) und ihrer Ablösung durch
das seit der Aufklärung in den Vordergrund getretene (mitunter -
vgl.
Welcker, Öffentlichkeit, in: v. Rotteck - Welcker, Das Staatslexikon, Bd. 10,
2. Aufl., Altona 1848, S. 246 [269] mit dem Rang naturrechtlichen Charakters umkleidete) Publizitätserfordernis Kißler, S. 52 ff.; Marcic, S. 287 ("In dubio semper pro modo publico, semper intra limites iuris, semper contra arcana imperii."); Morscher, S. 243 ff.; C. Schmitt, Die Diktatur, 3. AufI., Berlin 1964, S. 14 ff. Zugestimmt werden kann der These von Agnoli, in: Agnoli - Brückner, Die Transformation der Demokratie, S. 7 (50 f.), daß die Abschirmung von Beschlußgremien vor der Öffentlichkeit dem sozialen Frieden zu dienen vermag, wenn auch dieser nicht immer das einzige Ziel parlamentarischen HandeIns zu sein braucht. 7 s. z. B. Kißler, S. 314, 317 ff.; Merg, S. 1; Oberreuter, in: aus politik und zeitgeschichte, S. 3 f., der aktuelle Öffentlichkeit (= Sitzungsöffentlichkeit), vermittelte Öffentlichkeit (= Berichterstattungsöffentlichkeit) und mittelbare Öffentlichkeit (= Offenheit des Parlaments für Information von außen) unterscheidet; Steiger, Studium Generale 23,716.
H. Öffentlichkeit
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Entsprechend hat später earl Schmitt das Öffentlichkeitserfordernis dahin umrissen, daß die ratio des Parlaments in einem Prozeß der Auseinandersetzung von Gegenständen und Meinungen liege, aus denen schließlich der staatliche Wille resultiere. "Das Wesentliche des Parlaments ist also öffentliches Verhandeln von Argument und Gegenargument, öffentliche Debatte und öffentliche Diskussion9." Diesem Ansatz folgen auch noch Gerhard Leibholz und Hans J. W oljj, beide freilich mit der Relativierung, daß die Repräsentation nur zu einer grundsätzlichen Tendenz zur Öffentlichkeit zwinge lO • Nach Jürgen Habermas beruht dies auf der Entstehung einer auf Besitz und Bildung beruhenden, solchermaßen prästabilierte Harmonie verkörpernden bürgerlichen Gesellschaft, in der das aufgeklärte, urteilsfähige räsonnierende Publikum in der öffentlichen parlamentarischen Verhandlung als Teil umfassender Öffentlichkeit und Diskussion, gleichsam als deren repräsentative Spitze erschienl l . Die inzwischen immer deutlicher in Erscheinung getretene Pluralisierung der Gesellschaft, in der die das Publikum ausmachenden Individuen - wie bereits Georg Wilhelm Friedrich Hegel konstatierte - Interessen zwar als allgemeine ausgeben, obwohl hinter diesen spezifische Bedürfnisse stehen - nach Leibholz mit dem Effekt eines "Gestaltwandels der Demokratie" - hat nach Habermas einen "Strukturwandel der Öffentlichkeit" dergestalt zur Folge, daß das Ziel des politischen Räsonnements und damit der parlamentarischen Öffentlichkeit nicht mehr der Erzeugung von Gerechtigkeit und Wahrheit, sondern der Wahrnehmung und möglichst Durchsetzung von Gruppen- und Individualinteressen dient1 2 • In einem etwas anderen Ansatz hat darüber hinaus Heinhard Steiger darzulegen versucht, daß die parlamentarische öffentliche Debatte gegenwärtig den Sinn hat, Regierung und Opposition zu zwin8 Bentham, Taktik und Theorie des Geschäftsganges deliberierender Ständeversammlungen, Erlangen 1817, S. 10; Bagehot, The English Constitution, ed. Cross mann, London 1964, p. 150 ff. Vgl. auch Glum, Begriff und Wesen der Repräsentation, in: Zur Theorie und Geschichte der Repräsentation und Repräsentativverfassung, hrsg. Rausch (= Wege der Forschung CLXXXIV), Darmstadt 1968, S. 105 (107); Merg, S. 2 f.; Oberreuter, S. 6; Steiger, Studium Generale 23, 710. 9 C. Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, 3. Aufl., Berlin 1961, S. 43. Vgl. auch ders., Verfassungslehre, 3. Aufl., Berlin 1957, § 16 IH, S. 208 ff. 10 Vgl. Leibholz, Das Wesen der Repräsentation und der Gestaltwandel der Demokratie im 20. Jahrhundert, 2. Aufl., Berlin 1960, S. 176 f., und ihm zustimmend H. H. Klein, ZRP 76, 81 (82); H. J. Wolff, Organschaft und juristische Person, 2. Bd., Berlin 1934, S. 83. U Habermas, §§ 6, 7, S. 55 ff., §§ 10, 11, S. 86 ff. Vgl. auch Steiger, Studium Generale 23, 711 f. 12 Habermas, §§ 16 ff., S. 157 ff. Vgl. auch Martens, S. 45 ff.; Steiger, Studium Generale 23, 714 f., 723 ff. - Kritisch zu Habermas: Jäger, passim, insb. S. 10 ff., S. 76 f.; Kißler, S. 93 ff.
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1. Teil: Verhandlungsgrundsätze
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gen, ihre Politik vor der Wählerschaft zu legitimieren. Parlamentarische Diskussion bezwecke damit nicht mehr Wahrheitssuche, sondern solle Begründung und Verantwortung herbeiführen13 • Damit ist in der Tat ein wichtiger Aspekt öffentlicher parlamentarischer Verhandlung umschrieben; hinzukommt aber eben doch die Bedeutung der öffentlichen Debatte als der "sichtbare Austrag der politischen Meinungsgegensätze in einem bestimmten Personenkreis und die Information der Öffentlichkeit hiervon"l4, die für den modernen Parlamentarismus essentiell sind. Das Bundesverfassungsgericht15 ergänzt diesen Aspekt noch darum, daß die Entscheidung aller grundsätzlichen Fragen, die den Bürger unmittelbar betreffen, durch Gesetz erfolgen muß, dem nicht nur die unmittelbare demokratische Legitimation zukomme, sondern das in einem gegenüber dem Verwaltungsverfahren ein höheres Maß an Öffentlichkeit der Auseinandersetzung und Entscheidungssuche und damit auch größere Möglichkeiten des Ausgleichs widerstreitender Interessen gewährleistenden Verfahren beschlossen wird; hier werden mithin die grundsätzliche Bedeutung des Regelungsgegenstands und die Öffentlichkeit in Beziehung gesetzt. In der Tat zeigt sich insofern ein beachtlicher Bedeutungswandel der Parlamentsöffentlichkeit. Während die Ableitung der Öffentlichkeit aus den Prinzipien der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit als in dieser Form noch unreflektierte Argumentation erscheint, weil die Blankettnatur und die Komplexität der Staatsform- und Staatszielbestimmungen zur Deduktion konkreter Postulate nur wenig geeignet, im parlamentarischen Bereich aber immerhin noch möglich ist18, tritt Transparenz in Beziehung zur Freiheit - des mündigen Bürgers gegenüber den Staatsorganen mit dem Ziel "kontinuierlicher" Partizipation und zur Gleichheit - mit demjenigen, allen unterschiedlichen Interessen Gehör zu verschaffen. Parlamentsöffentlichkeit wächst damit in Grundrechtsdimensionen hinein17 • Aber auch abgesehen davon lassen 725 ff. des parlamentarischen Regierungssystems in der Gegenwart, in: Festschrift für Adolf Arndt, hrsg. Ehmke - SchmidScharoun, Frankfurt/Main 1969, S. 385 (391). 15 BVerfGE 40, 237 (249), und dazu H. H. Klein, ZRP 76, 82. 18 Zum Blankettcharakter des Demokratie- und des Rechtsstaatsprinzips Achterberg, Antinomien verfassunggestaltender Grundentscheidungen, Staat 8 (1969), 159 (160 ff.); zur beschränkten Eignung des Demokratie- und Rechtstaatsprinzips für die Begründung der Öffentlichkeit Martens, S. 51 ff., 59 ff., 68 ff. 17 Der Aktivbürger hat ein Recht darauf, über das Handeln der Volksvertretung informiert zu werden, da er nur bei weitestgehender Öffentlichkeit seine Wahlberechtigung sachgerecht auszuüben vermag. Die grundgesetzliche Informationsfreiheit erhält daher in diesem Bereich den Charakter nicht nur eines negativen, sondern denjenigen eines positiven Statusrechts (ohne daß die Modalität der Öffentlichkeit allerdings mitgewährt wäre, 13
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Steiger, Studium Generale 23, Scheuner, Entwicklungslinien
II. Öffentlichkeit
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sich Repräsentation, Partizipation, Kommunikation, Integration, Information, Legitimation und letztlich Kontrolle als Funktionen parlamentarischer Öffentlichkeit angeben18• Repräsentation bedeutet dabei, daß die Repräsentanz des Volkes auf dem Wege über die Parlamentsöffentlichkeit sich wiederum diesem darstellt, der Abgeordnete zugleich seinen Wählern. Partizipation besagt in diesem Zusammenhang, daß das Volk - und mit ihm wiederum auch der Wähler - durch die Öffentlichkeit an der Parlamentsarbeit teilhat. Kommunikation hat zum Inhalt, daß Repräsentanten und Repräsentierte durch die Öffentlichkeit zur Gemeinsamkeit kommen, sie führt zugleich zu beider Annäherung und damit zur Integration. Öffentlichkeit hat ferner die Wirkung der Information der Repräsentierten über die Tätigkeit der Repräsentanten, die sich diesen gegenüber legitimieren. Kontrolle schließlich bedeutet, daß die Öffentlichkeit die Entstehung einer öffentlichen Meinung19 fördert, die ihrerseits der Überwachung des Parlaments dient. 2. Geschichtliche Entwicklung
Die geschichtliche Entwicklung der Sitzungsöffentlichkeit in Deutschland 20 läßt folgendes erkennen: Schon im 18. Jahrhundert aufgrund der zunehmenden Abneigung gegen die geheime Kabinettspolitik gefordert, war die Öffentlichkeit der parlamentarischen Verhandlungen durch die neueren landständischen Verfassungen des Frühkonstitutionalismus in der (hier allein interessierenden21 ) Abgeordnetenkammer zu einem großen Teil bereits eingeführt22 • Die Berichterstattungsöffentlichkeit so daß allein hieraus noch kein Anspruch auf Zulassung von Presse, Rundfunk und Fernsehen ableitbar ist [im Ergebnis ebenso Martens, S. 70], sich auch noch nicht ergibt, ob dem Informationsbedürfnis [nur] durch Berichterstattungsöffentlichkeit oder [auch] durch Sitzungsöffentlichkeit zu genügen ist). 18 Verschiedene dieser Funktionen nennen auch Dobiey, S. 64 f.; Kißler, S. 304 ff.; Linck, DÖV 73, 515 f., die Integration auch Maunz - Dürig - HerzogScholz, Art. 42 RdNr. 1, die Partizipation Hereth, PVS 11 (1970), 30, Kommunikation, Integration und Kontrolle Oberreuter, in: Röhring - Sontheimer, S. 355. Vgl. ferner Haftendorn, passim; Steiger, Organisatorische Grundlagen des parlamentarischen Regierungssystems, Berlin 1973, S. 87 f.; Trautmann, S. 308; Versteyl, in: Grundgesetz-Kommentar, hrsg. v. Münch, Bd. 2, München 1976, Art. 42 RdNr. 7. 19 Zum Thema: Luhmann, Öffentliche Meinung, PVS 11 (1970), 2; Mangold, Öffentliche Meinung, in: Evangelisches Staatslexikon, hrsg. KunstHerzog - Schneemelcher, 2. Aufl., Stuttgart 1975, Sp. 1649; Trautmann, Öffentliche Meinung, in: Röhring - Sontheimer, S. 305. 20 Zur Entwicklung in England, Frankreich, USA Kißler, S. 299 ff.; Merg, S. 5 ff., zu derjenigen in Deutschland Kißler, S. 301 ff.; Merg, S. 14 ff.; Trautmann, S. 310. 21 Dazu Achterberg, Grundzüge des Parlamentsrechts, München 1971, S. 11 f. 22 Öffentlichkeit, die Art. 59 der Wiener Schluß-Acte v. 15. 5. 1820 (abgedr. bei Zachariä, Die deutschen Verfassungsgesetze der Gegenwart, Göttingen 1855) für möglich hielt, war vorgesehen in § 135 (Sächs.) Verfassungsurkunde
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1. Teil: Verhandlungsgrundsätze
war dagegen im allgemeinen noch unbekannt. Erst die in den Jahren nach 1848 in Kraft getretenen Verfassungen verwirklichten jedoch die Sitzungsöffentlichkeit durchgehend, und die durch das preußische Gesetz über die Presse v. 1851 eingeführte Auflockerung der Zensur eröffnete nun auch den Weg für die freie Berichterstattung über die parlamentarischen Beratungen und ihre Ergebnisse 23 • Demgemäß schrieb Art. 22 I RV 1871 die Öffentlichkeit der Reichstagssitzungen vor, und nach Art. 2211 RV 1871 blieben wahrheitsgetreue Berichte über Verhandlungen in öffentlichen Sitzungen von jeder Verantwortlichkeit frei; die verfassungs rechtliche Zulässigkeit des § 36 GORT 1876, nach dem der Reichstag auf Antrag des Präsidenten oder von zehn Mitgliedern zu einer geheimen Sitzung zusammentrat, in der zunächst über den Antrag auf Ausschließung der Öffentlichkeit beschlossen wurde, war umstritten 24 • Ähnliche Regelungen trafen Art. 29, 30 RV 1919, wobei hier allerdings verfassungs rechtlich vorgesehen war, daß die Öffentlichkeit auf Antrag von fünfzig Abgeordneten mit Zwei-DrittelMehrheit ausgeschlossen werden konnte und die freie Berichterstattung auch auf Ausschußsitzungen ausgedehnt war. 3. Offentlicbkeit und Nichtöffentlichkeit im geltenden Parlamentsrecbt
Im geltenden Parlamentsrecht bestehen hinsichtlich der Öffentlichkeit und der Nichtöffentlichkeit im wesentlichen übereinstimmende Regelungen. a) Öffentlichkeit Für die Öffentlichkeit gilt folgendes: (1) Sitzungsöffentlichkeit besteht für die Verhandlungen in der Vollversammlung. Sie ist verfassungsrechtlich zwingend und unverzichtbar vorgeschrieben25 , hat aber gleichwohl nur den Rang eines Reflexes, so v. 4.9. 1831 (ebda., S. 159), § 167 (Württ.) Verfassungsurkunde v. 25. 9. 1819 (ebda., S. 295), § 78 (Bad.) Verfassungsurkunde v. 22. 8. 1818 (ebda., S. 331), §§ 99, 100 (Großherzoglich Hess.) Verfassungsurkunde v. 17. 12. 1820 (ebda., S.400). 23 Vgl. Z. B. Art. 13 II, III (Bay.) G, den Geschäftsgang des Landtages betreffend, v. 25.7. 1850 (abgedr. bei Zachariä, S. 141), § 88 ff. (Hannoversche) Geschäftsordnung für die allgemeine Ständeversammlung v. 7.2.1850 (ebda., S. 271), § 17 (Kurhess.) Geschäfts-Ordnung für die Landstände v. 13. 4. 1852 (ebda., S. 384). - Auf den Zusammenhang zwischen Pressefreiheit und Parlamentsöffentlichkeit weist zutreffend auch Steiger, S. 86, hin. 24 Vgl. zu dieser Streitfrage Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, 5. Aufl., 1. Bd., Tübingen 1911, § 36, S. 346 f.; Merg, S. 22 f.; v. Seydel, Commentar zur Verfassungs-Urkunde für das Deutsche Reich, 2. Aufl., Freiburg - Leipzig 1897, Art. 22 Anm. I m. weit. Hinweisen. 25 Art. 42 I 1 GG; 33 I 1 BWV; 22 I 1 BayV; 30 III BerlV; 91 I BremV; 21 1 HambV; 89 1 HessV; 9 I 1 NdsV; 42 1 NWV; 86 1 RhPfV; 74 I SV; 11 I 1 SHV;
H. Öffentlichkeit
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daß ihr kein subjektives öffentliches Recht auf Zugang zur Plenarsitzung gegenübersteht. Insbesondere besteht auch kein Hinderungsgrund, die Öffentlichkeit nur im Rahmen vorhandener Plätze, möglicherweise durch Ausgabe einer beschränkten Zahl von Eintrittskarten zuzulassen. Das Parlament braucht nicht in Räumen zu tagen, die eine größere Zahl von Zuhörern zulassen. Bei der Ausgabe von Eintrittskarten muß jedoch die Gleichheit der Chance eines jeden Interessierten gewahrt sein, eine solche zu erhalten. Die Massenmedien brauchen dabei nicht anders behandelt zu werden als jeder Staatsbürger; insbesondere räumt die als Grundrecht gewährte Informationsfreiheit weder ihnen noch anderen Interessenten einen Anspruch auf Zutritt ein26 • Die mitunter anzutreffende gegenteilige Auffassung 27 verkennt, daß es sich bei der Informationsfreiheit um ein Abwehr-, nicht aber um ein Leistungsrecht handelt. Daß die Erstreckung der Sitzungsöffentlichkeit auf die Massenmedien die Kontrolle der Öffentlichkeit intensiviert und zugleich auch den erwähnten übrigen Öffentlichkeitsfunktionen dient, darf nicht übersehen werden, nur wird man auch hierdurch nicht den Brauch einer regelmäßigen Erteilung der Erlaubnis zur Teilnahme an öffentlichen Verhandlungen zu einem Recht hierauf umdeuten können - und dies selbst dann nicht, wenn man den Standpunkt einnähme, daß hierdurch bezüglich der Informationsmöglichkeit gegen ein "Untermaßverbot" verstoßen würde: Auch ein solcher Verstoß führte noch nicht zu einem subjektiven Recht auf Anwesenheit. Obwohl die Vorschriften über die Öffentlichkeit zwingender Natur sind, bewirkt ihre Nichteinhaltung im übrigen noch nicht die Nichtigkeit unter Ausschluß der Öffentlichkeit gefaßter parlamentarischer Beschlüsse28 ; es gibt keine Rechtsnorm, die diese Folge anordnete.
Ausschußsitzungen finden nur im Bayerischen Landtag generell, im Berliner Abgeordnetenhaus mit Ausnahmen öffentlich statt. Neben den nichtöffentlichen Ausschußsitzungen gibt es jedoch öffentliche Anhörungssitzungen. Im übrigen ist die Öffentlichkeit der Ausschußverhandlung auf die Berichterstattungsöffentlichkeit beschränkt29 • (2) Berichterstattungsöffentlichkeit ergänzt Sitzungsöffentlichkeit, stellt mitunter aber auch deren - freilich unvollkommenes - Surrogat in den Geschäftsordnungsbestimmungen wird dies mitunter wiederholt. Vgl. hierzu Maunz - Dürig - Herzog - Scholz, Art. 42 RdNr. 1. 28 Ebenso v. Mangoldt - Klein, Art. 42 Anm. IH 2; Maunz - Dürig - HerzogScholz, Art. 42 RdNr. 3, 4. 27 Bei Kißler, S. 316. 28 A. M. allerdings v. Seydel, Art. 22 Anm. I. 29 Synopse der Regelungen über die Öffentlichkeit der Ausschußsitzungen: Kontroll- und Minderheitenrechte in den Parlamenten von Bund und Ländern - Materialien zur Diskussion um die Stärkung der Oppositionsrechte, ZParl. 6 (1975), 9 (zu 2).
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1. Teil: Verhandlungsgrundsätze
dar 30 • Sie bedeutet die konsequente Durchführung des Grundsatzes der Öffentlichkeit, wobei sie eine enge Beziehung zur Informationsfreiheit aufweist und insofern frühliberalistischem Gedankengut zuzurechnen ist. Die Berichterstattungsöffentlichkeit besitzt im übrigen nicht nur ihre notwendige Ergänzung, sondern auch ihre institutionelle Voraussetzung in der Verantwortungsfreiheit wahrheitsgetreuer Berichte aus dem Parlament - nicht nur zufällig findet sie ihre geschichtliche Parallele in den bereits erwähnten Instituten der Pressefreiheit und des Zensurverbots. Die Berichterstattungsöffentlichkeit wird ausgeformt durch die amtliche und die nichtamtliche Berichterstattung31 : Die amtliche Berichterstattung liegt vor allem in der Hand der Stenographischen Dienste der Parlamente. Ihre Berichte über die parlamentarischen Verhandlungen werden gesammelt und veröffentlichtS2 • Sie enthalten kurze Situationsschilderungen, geben sowohl die gehaltenen Reden als auch die begleitenden Kundgebungen, insbesondere die Zwischenrufe, wieder und erweisen sich damit vor allem als für die Gesetzesinterpretation unentbehrliche Motive. Da ihre Auflagenzahl begrenzt ist33 - die Bezieher sind insbesondere Ministerien, Abgeordnete, Verbände und ähnliche Institutionen, wissenschaftliche Dienste der Parlamente, wissenschaftliche Einrichtungen und Pressezentren34 - , folgt hieraus allerdings eine nur beschränkte Berichterstattungsöffentlichkeit. Auf Bundesebene dient deren Erweiterung das - dem Presseund Informationsamt der Bundesregierung vergleichbare - Presseund Informationszentrum des Bundestags35, das durch Kontaktschluß mit den Journalisten eine bessere und intensivere Parlamentsberichterstattung in Presse, Rundfunk und Fernsehen ermöglichen will und durch Herausgabe der Schriftenreihe "Zur Sache" über Themen parlamentarischer Beratung informiert. Bedeutsam in dem hier behandelten 30 Mit Recht beklagt Hereth, Die Reform des Deutschen Bundestages, Opladen 1971, S. 28 f., die Verarmung der öffentlichen Debatte im Parlament und hebt hervor, daß die Massenmedien hierfür deshalb keinen vollwertigen Ersatz bieten, weil sie in der Regel Mitteilungen amtlicher Stellen über den Inhalt der Parlamentssitzungen veröffentlichen; in der Tat wird hierdurch die Struktur der Mitteilung verändert. 31 Vgl. zum folgenden Kißler, S. 320 ff. a2 Vgl. dazu u. Zweiter Teil V sowie Peschel, Bulletin 1955, Nr. 76, S. 63!. 33 Nach einer auf eine Mitteilung des Presse- und Informationszentrums des Bundestags gestützten Angabe bei Kißler, S. 321, belaufen sich die stenographischen Berichte der Plenarsitzungen auf 3340 Exemplare. Peschel, Bulletin 1955, Nr. 76, S. 632, nennt die Zahl von 4000, die er ausländischen Auflagenzahlen gegenüberstellt (Frankreich/Nationalversammlung: 12000; Großbritannien/Unterhaus: 14000). 34 Dazu Kißler, S. 321 m. Anm. 92; Peschel, Bulletin 1955, Nr. 76, S. 631. 35 Hierzu Kißler, S. 321; Schindler, Presse- und Informationszentrum des Deutschen Bundestages. Mitteilungen, ZParl. 1 (1970), 123.
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Zusammenhang ist vor allem die Arbeit des Referats Parlamentskorrespondenz, in dem ein Redaktionsstab während der Sitzungswoche permanent mehrmals täglich in hektographierter Form ähnlich einer Nachrichtenagentur über die im Bundestag eingegangenen Gesetzesvorlagen und sonstigen Anträge, die Sitzungen der Ausschüsse, einschließlich der vorgenommenen öffentlichen Anhörungen, und andere parlamentarische Ereignisse berichtet. Materialien (statistischen Charakters) über die Arbeit des Bundestags werden von den Wissenschaftlichen Diensten des Bundestags herausgegeben. Die nichtamtliche Berichterstattung erfolgt durch die Massenmedien. Anders als bezüglich der ständigen und ausführlichen Berichterstattung über die Reichstagssitzungen während der Reichsverfassung von 1871 38 gibt es seit denjenigen während der Reichsverfassung von 1919 keine ständig dem Bericht aus den Parlamenten gewidmeten Zeitungsspalten. Ebenso bestehen keine hierfür eröffneten festen Sendezeiten37 • Detaillierte Berichte über die Arbeit des Bundestags finden sich jedoch in der Zeitschrift "Das Parlament"38; im übrigen erfolgt die Berichterstattung eingebettet in die sonstigen Nachrichten und Kommentare der Massenmedien. Deren Interesse richtet sich dabei im allgemeinen eher auf die Arbeit der Vollversammlung als der Ausschüsse39, da vor allem in ihr parlamentarische Debatten geführt und parlamentarische Entscheidungen gefällt werden40 , der Zugang der 38 Oberreuter, in: Röhring - Sontheimer, S. 355 f. Die führende Stellung bei der Debattenberichterstattung nahm zunächst das Nachrichtenbüro des Vereins deutscher Zeitungsverleger ein. Es lieferte über die Plenarsitzungen des Reichstags eine Pressemitteilung, einen mittleren und einen großen Bericht, der von allen großen lind vielen mittleren und kleineren Zeitungen abonniert wurde. Vgl. hierzu näher Peschel, Bulletin 1955, Nr. 76, S. 632. 37 Gleichwohl erreichten wie Oberreuter, in: Röhring - Sontheimer, S. 356, mitteilt - die Fernsehsendungen über die Beratung der Rechtsnormen für den Verteidigungsfall im Jahre 1968, mit denen ein Viertel der einschlägigen Plenarsitzungen sowie alle Ausschußsitzungen übertragen wurden, immerhin noch bis zu 8 Millionen Zuschauer. 38 Jahrgang 1/1951 ff. Vgl. auch Hoherz, "Das Parlament", in: RöhringSontheimer, S. 114. 38 Aufschlußreich ist die quantitative Analyse von Oberreuter, ZParl. 6 (1975), 89: Hiernach besitzt die Parlamentsberichterstattung insgesamt in Nordrhein-Westfalen den vierfachen Umfang gegenüber derjenigen in Bayern, diejenige der Ausschußberichterstattung sogar den dreißigfachen Umfang. Während jedoch die Ausschußberichterstattung in Bayern immerhin 50 % der Gesamtberichterstattung aus dem Parlament ausmacht, erreicht sie in Nordrhein-Westfalen nur 6 0/0. 40 Die Unrichtigkeit der verbreitet (vgl. Steffani, Amerikanischer Kongreß und Deutscher Bundestag - ein Vergleich, in: Parlamentarismus, hrsg. Kluxen, Köln - Berlin 1967, S. 230 [235]; ders., Arbeitsparlament, in: Röhring - Sontheimer, S. 33; ders., Redeparlament, ebda., S. 418 ff.; sowie Morscher, S. 274 ff.; Pietzner, Bundestag, in: Evangelisches Staatslexikon, Sp. 265 [2871; Rausch, Parlamentsreform. Tendenzen und Richtungen, ZfP XIV [19671, 259 ff.) anzutreffenden Bezeichnung plenarintensiver Parlamente als
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1. Teil: Verhandlungsgrundsätze
Massenmedien zu den Ausschüssen überdies begrenzt ist, weil diese in der Regel nichtöffentlich verhandeln. Dennoch sind auch die Ausschüsse den Massenmedien nicht schlechthin verschlossen. In einigen Geschäftsordnungen werden die Beziehungen der Ausschüsse zu ihnen unmittelbar angesprochen, wenn es in diesen heißt, daß die Öffentlichkeit der Ausschußsitzungen hergestellt ist, wenn der Presse und sonstigen Zuhörern im Rahmen der Raumverhältnisse der Zutritt gestattet ist wobei mitunter vorgesehen ist, daß die Parlamentsberichterstatter der Presse und des Rundfunks besonders zu berücksichtigen sind41 - oder daß über die Ausschußverhandlungen ohne Angabe der Redner Mitteilungen in der Presse zulässig sind oder auf Beschluß eines Ausschusses Pressekonferenzen durchgeführt werden42 • b) Nichtöffentlichkeit
Von der Öffentlichkeit ist die Nichtöffentlichkeit zu unterscheiden, die entweder in einfacher Form als schlichte Nichtöffentlichkeit oder in qualifizierter Form als Vertraulichkeit oder sogar Geheimhaltung erscheint. (1) Schlicht nichtöffentLich sind Plenarsitzungen insoweit, wie für sie die Öffentlichkeit ganz oder teilweise ausgeschlossen ist. Der Ausschluß ist im Bundestag auf Geschäftsordnungsantrag eines Zehntels der gesetzlichen Mitgliederzahl oder auf denjenigen der Bundesregierung durch einen mit Abstimmungsmehrheit von zwei Dritteln gefaßten Beschluß möglich; über den Antrag wird in nichtöffentlicher Sitzung entschieden43 • In den Landtagen bestehen entsprechende Regelungen44 : In Baden-Württemberg kann der Antrag von zehn Abgeordneten oder einem Regierungsmitglied, in Bayern von fünfzig Abgeordneten oder der Staatsregierung, in Berlin von einem Fünftel der Abgeordneten oder dem Senat, in Bremen von einem Viertel der Abgeordneten oder dem Senat, in Hamburg von einem Zehntel der Abgeordneten oder dem "Redeparlamente", ausschußintensiver als "Arbeitsparlamente" wurde bereits an anderer Stelle dargelegt: Achterberg, Das Parlament im modernen Staat, DVBl. 74, 693 (705). Aber selbst für die Vollversammlung wird beklagt, daß sich die Massenmedien ihrer zu wenig annehmen, statt daß die öffentliche Debatte vor ihnen geführt wird, diese ihre Information eher vermittelt durch Presse- und Informationsämter - von den Regierungen und Parteien erhalten, Hereth, S. 27 ff. 41 §§ 73 I! GOBT, 26 V BerlGO, 64 IV HambGO, 93 I! NdsGO, 82 II! RhPfGO, 18 III SGO. 42 Vgl. § 31 V NWGO sowie §§ 32 III BWGO, 32 IV BayGO, 26 V BerIGO. 43 Trossmann I, S. 199. 44 Art. 42 I 2, 3 GG; 33 I 2, 3 BWV; 22 I 2 - 4 BayV; 30 IV BerlV; 91 II BremV; 21 2 HambV; 89 2, 3 HessV; 9 I 2, 3 NdsV; 42 2, 3 NWV; 86 2 RhPfV; 74 II SV; 11 I 2 SHV i. V. m. § 43 I SHGO. Auch insoweit finden sich Wiederholungen mitunter in den Geschäftsordnungsbestimmungen.
H. Öffentlichkeit
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Senat, in Hessen und Nordrhein-Westjalen von zehn Abgeordneten oder der Landesregierung, in Niedersachsen von einem Zehntel der Abgeordneten oder der Landesregierung, in Rheinland-Pjalz von zehn Abgeordneten, einer Fraktion oder der Landesregierung, im Saarland von fünf Abgeordneten oder der Landesregierung, in Schleswig-Holstein von dem Landtagspräsidenten, von fünfzehn Abgeordneten oder der Landesregierung gestellt werden. In Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen ist dabei keine qualifizierte Mehrheit für die Beschlußfassung erforderlich. Der Beschluß über die Ausschließung der Öffentlichkeit bedarf keiner Begründung, zum al durch eine solche deren Zweck gefährdet werden kann45 • Für die Ausschußverhandlungen ist anders als für die Plenarverhandlungen - mit den bereits erwähnten Ausnahmen - im allgemeinen Nichtöffentlichkeit vorgeschrieben. Die Verfahren in den Ausschüssen fast aller deutscher Parlamente sind nichtöffentlich46 • Als innerer Grund hierfür wird üblicherweise vorgetragen47 , nur unter dem Ausschluß der Öffentlichkeit könne ein Ausschuß sachgerecht tätig werden, weil eine unbefangene, freimütige Diskussion nur möglich sei, wenn die Ausschußmitglieder nicht im Blickfeld der Öffentlichkeit ständen, sie insbesondere auch nicht der Beobachtung durch ihren Wahlkreis unterlägen. Das Beispiel des Bayerischen Landtags, in dem die Ausschüsse prinzipiell, und des Berliner Abgeordnetenhaus, in dem sie mit Ausnahmen öffentlich tagen48 , zeigt indessen die Fragwürdigkeit 45 Ebenso v. Mangoldt - Klein, Art. 42 Anm. IH 5 b; Maunz - Dürig - Herzog - Scholz, Art. 42 RdNr. 11. - A. M. Kißler, S. 360. 48 §§ 73 H GOBT, 32 I BWGO, 63 V BremGO, 64 IV 1 HambGO, 21 I 1 HessGO, 93 I NdsGO, 31 I NWGO, 82 I, 11 RhPfGO (wo die Öffentlichkeit für bestimmte Beratungsthemen zwingend ausgeschlossen ist, so daß nichts Gegenteiliges beschlossen werden kann), 18 111 SGO, 16 SHGO. Vgl. zum Thema auch Loewenberg, Parlamentarismus im politischen System der Bundesrepublik Deutschland, Tübingen 1969, S. 390; Steffani, Ausschüsse, in: Röhring- Sontheimer, S. 37. 47 So z. B. von Brüggemann, Parlamentarismus im Wandel, Zeitwende! Die neue Furche 40, 289 (290 f.); Frost, Die Parlaments ausschüsse, ihre Rechtsgestalt und ihre Funktionen dargestellt an den Ausschüssen des Deutschen Bundestages, AöR 95 (1970), 38 (61, 85); Linck, DÖV 73, 519 f. (520 Anm. 88 mit Hinweisen auf einschlägige Äußerungen von Eschenburg und Sternberger, die beide gleichfalls gegen die Öffentlichkeit von Ausschußsitzungen sind); nach Nahrendorf, Hearings im Deutschen Bundestag, in: Die Neue Gesellschaft 15 (1968), 254 (254), gehört Nichtöffentlichkeit von Ausschußsitzungen zu den "kaum diskutierten Grundsätzen parlamentarischer Willensbildung". Kritisch jedoch Kißler, S. 329 f.; Versteyl, Art. 42 RdNr. 5 m. weit. Hinweisen. 48 §§ 32 I BayGO (allgemeine Ausnahme von der Öffentlichkeit beschließt der Landtag auf Antrag einer Fraktion, von zwanzig Abgeordneten oder eines Ausschußvorsitzenden, solche im Einzelfall der Ausschuß selbst; Sitzungen des Ausschusses zur Information über Bundesangelegenheiten und für Sicherheitsfragen sind prinzipiell nichtöffentlich [§ 33 11 BayGOj), 26 V BerlGO (mit Ausnahmen bezüglich bestimmter, dort benannter Ausschüsse
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1. Teil: Verhandlungsgrundsätze
dieser Argumentation49 • Selbstverständlich steht nichts im Wege, bei grundsätzlicher Öffentlichkeit diese im Einzelfall auszuschließen oder sogar die Vertraulichkeit oder Geheimhaltung zu beschließen. Wo die Ausschußsitzungen nichtöffentlich stattfinden, kann die Öffentlichkeit im Rahmen des verfügbaren Raums beschlossen werden, um dem Informationsanspruch der Staatsbürger gerecht zu werden. Insbesondere pflegen auch Anhörungen öffentlich stattzufinden50 • Im übrigen können Abgeordnete - es sei denn, es handele sich um geschlossene Ausschüsse, in denen nur die Ausschußmitglieder zugegen sein dürfen - im allgemeinen als Zuhörer, mitunter auch beratend - also mit dem Recht zur Begründung eines Antrags und zur Teilnahme an der AusspracheSt - an den Verhandlungen teilnehmen52 • Zur beratenden Teilnahme an den Ausschußsitzungen, auch der geschlossenen Ausschüsse, ist überdies der Parlamentspräsident befugt53 • Erfolgt nicht - wie in der Regel sowie Abs. VI). - Steigers, S. 144, These, eine generelle Öffentlichkeit der Ausschußsitzung sei unmöglich, ist hiernach kaum haltbar (richtig nur, wenn man hinzunimmt, daß die Öffentlichkeit im Einzelfall ausgeschlossen werden mag). 49 Sie findet sich bereits bei Hatschek, Das Parlaments recht des Deutschen Reiches, Berlin - Leipzig 1915, S. 233, der im übrigen hervorhebt, daß aus dem Bedürfnis der Vertraulichkeit der Verhandlungen im englischen Parlamentsrecht das "Komitee des ganzen Hauses" (Committee of the whole house [so dazu Dechamps, Macht und Arbeit der Ausschüsse, Meisenheiml Glan 1954, S. 11]) entstanden ist. Allerdings läßt sich die von Kißler, S. 330, beschworene Gefahr nicht übersehen, daß das "informative Gespräch" bei Öffentlichkeit der Ausschußsitzungen in andere Gremien des vorparlamentarischen Raums hineinverlagert wird und es damit zu einem Funktionsverlust der Ausschüsse und zugleich des Parlaments selbst kommt. Für weitestgehende Öffentlichkeit Oberreuter, ZParl. 6 (1975), 77 ff. (Plenum "notifiziert" weitgehend nur Ausschußarbeit, so daß "entscheidungsträchtigster Teil" der parlamentarischen Arbeit der Öffentlichkeit und damit der Kontrolle durch die Wähler entzogen bleibt), weitere Argumente S. 88. 50 Unzutreffend ist die These von Appoldt, S. 111, die ermessensmäßige Zulassung der Öffentlichkeit durch § 73 II 1 GOBT sei mit Art. 42 I GG unvereinbar, weil hierdurch die Öffentlichkeit nur für die Vollversammlung vorgesehen sei und daraus per argurnenturn e contrario das Verbot öffentlicher Ausschußsitzungen folge: Dies ist deshalb falsch, weil Art. 42 I GG über die Ausschußsitzungen überhaupt nichts aussagt, sondern nur die Vollversammlung betrifft (BVerfGE 1, 144 [152]; v. Mangoldt - Klein, Art. 42 Anm. III 1; Maunz - Diirig - Herzog - Scholz, Art. 42 RdNr. 4 f.). 51 Ebenso Trossmann I, S. 30. 5! §§ 73 X GOBT (ausschließlich zur Begründung des Antrags kann ein Antragsteller, auch wenn er nicht Ausschußmitglied ist, an der Sitzung eines geschlossenen Ausschusses teilnehmen), 19 IV BWGO, 32 III BayGO, 25 V BerlGO, 66 BremGO (hiernach können an den Sitzungen der Präsident der Bürgerschaft und die nicht dem Ausschuß angehörenden Vorsitzenden der in diesem vertretenen Fraktionen teilnehmen, ebenso ein von den Antragstellern hierzu beauftragter Abgeordneter), 64 V HambGO, 20 I, 21 I 2 HessGO, 94 NdsGO, 30 NWGO, 82 I 2 RhPfGO (Anwesenheitsrecht der hauptamtlichen Fraktionsgeschäftsführer, sofern nicht Vertraulichkeit beschlossen ist), 18 VIII, IX, XI SGO (ähnlich wie § 73 X GOBT). Vgl. auch Frost, AöR 95 (1970), 61; Trossmann I, S. 30.
!I. Öffentlichkeit
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allerdings der Fall - schriftliche, sondern mündliche Berichterstattung an das Plenum, so ist die Öffentlichkeit insoweit im übrigen in diesem Stadium wiederhergestellt54 • Zu nichtöffentlichen Sitzungen haben auch die Massenmedien keinen Zugang55, doch hängt die Berichterstattungsöffentlichkeit hiervon nicht ab; sie kann auch bei solchen eröffnet sein58 • Ihr wird dadurch Rechnung getragen, daß beispielsweise über nichtöffentliche Ausschußsitzungen durch den Ausschuß selbst, seinen Vorsitzenden oder sein Sekretariat Pressemitteilungen herausgegeben werden, die von den Massenmedien verbreitet werden können. Unzweifelhaft ist im übrigen zwischen vorbereitenden und entscheidenden Ausschüssen zu unterscheiden. Werden Rechtsnormen, in denen die öffentliche Verhandlung des Parlaments vorgeschrieben wird, so verstanden, daß sie diejenige in der Vollversammlung meinen, so folgt hieraus zwanglos, daß die Verhandlungen der entscheidenden - und damit für das Parlament als Ganzes nicht nur vorbereitend, sondern stellvertretend handelnden - Ausschüsse öffentlich sein müssen. Ausschüsse solcher Art sind "der Bundestag" oder "der Landtag" im Sinne der Vorschriften über die Öffentlichkeit der Verhandlungen57 • (2) Mit der schlichten Nichtöffentlichkeit - und auch mit der Geschlossenheit eines Ausschusses nicht identisch ist die im Grunde nur für Ausschußberatungen bedeutsame Vertraulichkeit. Sie verpflichtet Dritten - auch den Massenmedien - gegenüber zum Stillschweigen über den Inhalt der Beratungen58 • Bei durch Ausschußbeschluß begründeter Vertraulichkeit reicht die Zustimmung allein desjenigen, der die vertrauliche Erörterung im Ausschuß gewünscht hat, zu ihrer Aufhebung nicht aus 59, weil sie den Beschluß des Ausschusses nicht abzuändern vermag. Mitunter ist für bestimmte Beratungsgegenstände normativ Vertraulichkeit angeordnet, so hinsichtlich der Beratungen des Wahlmännerausschusses für die Wahl der Mitglieder des 53 Vgl. hierzu §§ 7 I 2 GOBT, 9 III BWGO, 13 III BayGO, 14 III BerlGO, 66 II BremGO, 7 I 4, 5 HessGO (dasselbe ist dort ausdrücklich für die Vizepräsidenten gesagt), 94 !II NdsGO, 10 I 3 NWGO, 4 3 RhPfGO, 15 III SHGO. 5i Schon in der Praxis des Reichstags nach der RV 1871 galt jedoch, daß bei "vertraulichen" (was damals soviel bedeutete, wie: nichtöffentlichen) Sitzungen die Namen der Ausschußmitglieder, die sich im Ausschuß geäußert hatten, auch dem Plenum gegenüber nicht genannt wurden, Hatschek, S. 236. 55 Steffani, Ausschüsse, in: Röhring - Sontheimer, S. 39, hebt hervor, daß die Ausschußarbeit im Bundestag bis 1966 fast gänzlich unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattgefunden hat, die Möglichkeiten öffentlicher Anhörungen und des Beschlusses der Öffentlichkeit der Beratungen inzwischen jedoch dazu beigetragen haben, auch die Ausschußarbeit transparenter zu machen. 58 So ausdrücklich § 93 !II 2 NdsGO. 57 Ebenso Linck, DÖV 73, 518. 58 Zum Begriff Trossmann I, S. 276. 59 A. M. Trossmann I, S. 277.
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1. Teil: Verhandlungsgrundsätze
Bundesverfassungsgerichts sowie hinsichtlich derjenigen der niedersächsischen Ausschüsse zur Vorbereitung der Wahl der Mitglieder des Staatsgerichtshofs und der Zustimmung des Landtags zur Ernennung des Präsidenten und der Mitglieder des Rechnungshofs 60 ; im übrigen kann für einen Beratungsgegenstand oder einen seiner Teile Vertraulichkeit durch den Ausschluß beschlossen werden61 • Im Bundestag muß dies geschehen, wenn vertrauliche Angelegenheiten im Sinne der Geheimschutzordnung beraten werden. Sie kann darüber hinaus erforderlich werden, wenn ein Gegenstand nur einem begrenzten Personenkreis bekannt werden soll. Nach der Geheimschutzordnung des Bundestags62 werden Verschlußsachen (VS) - das sind Angelegenheiten aller Arten und aller Formen, die durch besondere Sicherheitsrnaßnahmen gegen die Kenntnis durch Unbefugte geschützt werden müssen - als "VS - Vertraulich" eingestuft, wenn ihre Kenntnis durch Unbefugte den Interessen oder dem Ansehen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder abträglich oder für einen fremden Staat von Vorteil sein könnte; allerdings kommt dies nur in Betracht, wenn nicht schon die Einstufung als "VS - Nur für den Dienstgebrauch" ausreicht. In der, von der herausgebenden Stelle (Bundestagspräsident, Ausschußvorsitzende, vom Bundestagspräsidenten ermächtigte Stellen) vorzunehmenden Einstufung von Verschlußsachen in den möglichst niedrigsten Geheimhaltungsgrad spiegelt sich das Verhältnismäßigkeitsprinzip wider. über den Inhalt einer "VS - Vertraulich" darf nicht umfassender oder früher berichtet werden, als aus Gründen parlamentarischer Arbeit erforderlich; andere Personen als Abgeordnete dürfen nur informiert werden, sofern sie zum Umgang mit Verschlußsachen ermächtigt und zur Geheimhaltung förmlich verpflichtet sind. Auch Ferngespräche über solche Angelegenheiten sind mit entsprechender Vorsicht zu führen. In Ausschußberatungen dürfen "VS - Vertraulich" nur in der Sitzung für höchstens deren Dauer ausgegeben werden; eine entsprechende Beschlußfassung über die Vertraulichkeit der Beratung muß durch den Vorsitzenden unverzüglich herbeigeführt werden. In der Öffentlichkeit dürfen "VSVertraulich" nicht gelesen oder erörtert werden; ihre Registratur erfolgt in der Geheimregistratur63 • GO
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§§ 6 IV BVerfGG, 93 IV NdsGO. §§ 73 VIII, IX GOBT, 32 IV BWGO, 33 BayGO, 53 IV BerlGO, 66
HambGO, 93 111, IV NdsGO (wo bestimmte Sitzungen auch ohne besonderen Beschluß für vertraulich erklärt werden), 31 11 NWGO, 82 VII RhPfGO, 18 X SGO, 16 SHGO. 82 Vgl. zum folgenden Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages v. 26.4.1975 (BGBL I 992), abgedr. in: Recht und Organisation der Parlamente, S.090661.
II!. Unmittelbarkeit
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(3) Noch über die Vertraulichkeit geht die Geheimhaltung hinaus. Soweit sie geheime Abstimmungen betrifft, wird auf sie an späterer Stelle einzugehen sein64 • Nach der Geheimschutzordnung des Bundestags werden als "Geheim" solche Verschlußsachen eingestuft65 , deren Kenntnis durch Unbefugte die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährden, ihren Interessen oder ihrem Ansehen schweren Schaden zufügen oder für einen fremden Staat von großem Vorteil sein würde, als "Streng geheim", solche, deren Kenntnis durch Unbefugte den Bestand der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährden würde. Auch diese Einstufungen unterliegen unter sich und im Verhältnis zu den zuvor genannten dem Gebot des geringsterforderlichen Grades. Verschlußsachen der Einstufungsgrade "Geheim" und "Streng geheim" unterfallen zumindest den Geheimhaltungsmaßnahmen von "VS- Vertraulich". Darüber hinaus dürfen bei Beratungen entsprechender Beschlußsachen nur die Beschlüsse protokolliert werden. Die Verpflichtung zur Vertraulichkeit und sogar Geheimhaltung besteht im übrigen für die Sitzungsteilnehmer auch ohne entsprechenden Beschluß bei solchen Angelegenheiten, die ihrer erkennbar bedürfen68 • 111. Unmittelbarkeit Zu den Grundsätzen der parlamentarischen Verhandlung zählt ferner die Unmittelbarkeit. Gemeint ist damit, daß das Verfahren prinzipiell - von noch zu erwähnenden Ausnahmen abgesehen - vor der Vollversammlung stattfindet67 • Als Repräsentanz des Volkes ist vor allem sie die legitime Institution, um dieses abzuwickeln. Gleichwohl zeigt sich vielfältig, daß die parlamentarische Verhandlung außer vor dem Plenum auch vor anderen Einrichtungen - insbesondere den Ausschüssen - abläuft. Auf die verfassungsrechtliche Zulässigkeit solcher Delegationen soll hier nicht eingegangen werden; in diesem Zusammen63 Wegen der Vertraulichkeit in den Landtagen vgl. §§ 32 IV BWGO, 53 BerIGO, 5 BremGO, 66 HambGO, 21 II! HessGO, 93 111 NdsGO, 31 11 NWGO, 18 X SGO, 16 3, 4 SHGO. 84 s. u. Zweiter Teil 111 3 c. Vgl. aber auch schon H. H. Klein, ZRP 76, 81 H., der in der geheimen Abstimmung das Instrument erblickt, mit dem sich ein Abgeordneter von Partei- und Fraktionsdisziplin befreien kann. 65 Wegen der Geheimhaltung in den Landtagen vgl. §§ 32 IV, V BWGO, 33, 34 BayGO, 54, 55 BerIGO, 18 X SGO. 66 Trossmann I, S. 277. 67 Vgl. zum folgenden vor allem Berg, Zur übertragung von Aufgaben des Bundestages auf Ausschüsse, Staat 9 (1970), 21; Kewenig, Staatsrechtliche Probleme parlamentarischer Mitregierung am Beispiel der Arbeit der Bundestagsausschüsse, Bad Homburg v. d. H. - Berlin - Zürich 1970; Kreuzer, Zuständigkeitsübertragungen bei Verfassungsrichterwahlen und Immunitätsentscheidungen des Deutschen Bundestages, Staat 7 (1968), 183.
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1. Teil: Verhandlungsgrundsätze
hang - der Darstellung der Verfahrensgrundsätze - geht es darum, aus vorhandenen Normen, vor allem solchen der Geschäftsordnungen, und bestehender Praxis Handlungsmaximen abzuleiten. Wegen der Verfassungsmäßigkeit vor allem der übertragung entscheidender Funktionen auf Ausschüsse muß auf an späterer Stelle gemachte Ausführungen Bezug genommen werden88• 1. Unmittelbarkeit im geltenden Parlamentsredlt
Die Unmittelbarkeit der parlamentarischen Verhandlung gilt immer, sofern nicht normmäßig anderes bestimmt ist. Als Verhandlung sollen dabei in diesem Zusammenhang nur Beratung und Abstimmung verstanden werden, so daß nicht jedes parlamentarisches Organhandeln auf seine Unmittelbarkeit oder Mittelbarkeit befragt zu werden braucht; in einem so verstandenen Sinne wäre im übrigen jede Organtätigkeit als mittelbar zu begreifen. Hier dagegen geht es eben gerade darum festzustellen, inwieweit Repräsentation nicht durch das Plenum, sondern durch andere Institutionen wahrgenommen wird. Unmittelbarkeit steht insoweit in enger Beziehung zur Öffentlichkeit, obwohl keine denknotwendige Verknüpfung zwischen beiden Maximen besteht: Auch die mittelbare parlamentarische Verhandlung findet - wie das Beispiel der Ausschüsse des Bayerischen Landtags zeigt - mitunter öffentlich statt. Dennoch bewirkt Unmittelbarkeit größere Transparenz - und zwar nicht allein parlamentsextern, sondern vor allem parlamentsintern: Sie gibt allen Abgeordneten gleichermaßen die Möglichkeit, am parlamentarischen Geschehen nicht nur passiv teilzunehmen, sondern auch aktiv mitzuwirken. Das ist bei Ausschüssen nicht der Fall: Hier mag die Parlamentsöffentlichkeit offener Ausschüsse noch die passive Teilnahme solcher Abgeordneten ermöglichen, die nicht Ausschußmitglieder sind, die aktive Mitwirkung bleibt ihnen jedoch versagt. 2. Mittelbarkeit im geltenden Parlamentsreeht
Mittelbar ist die parlamentarische Verhandlung, wenn sie nicht vor der Vollversammlung, sondern vor einem der parlamentarischen Organe stattfindet. Je nachdem, ob dessen Beratungs- und Abstimmungsergebnisse dem Plenum unmittelbar oder erst mittelbar über ein anderes Organ zugeleitet werden, lassen sich die einfache und die doppelte Mittelbarkeit unterscheiden.
a) Einfache Mittelbarkeit Einfach mittelbar ist das Verfahren im Ältestenrat, soweit dieser für die Vollversammlung tätig wird. Dies trifft beispielsweise für die Beraes s. u. Dritter Teil I 2 a.
III. Unmittelbarkeit
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tung des Arbeitsplans und der Tagesordnung des Parlaments, aber auch für die Verteilung der Stellen der Ausschußvorsitzenden und ihrer Stellvertreter auf die Ausschüsse sowie für die Ausschußüberweisung von Anträgen zu. Bei allen diesen Gegenständen handelt es sich um solche, deren Beratung der Sache nach der Vollversammlung zusteht. Der Ältestenrat handelt an ihrer Stelle, und dem entspricht es auch, daß das Plenum die im Ältestenrat getroffenen Vereinbarungen fast regelmäßig respektiert 69 , obwohl es rechtlich nicht an sie gebunden ist. Einfach mittelbar sind ferner die Ausschußverhandlungen, wobei es in diesem Zusammenhang unerheblich ist, ob die Ausschüsse das Verfahren in der Vollversammlung lediglich vorbereiten oder ob sie an deren Stelle entscheiden. Wie an früherer Stelle dargelegt, gibt es prinzipiell beide Möglichkeiten, und beide gleichen sich bezüglich der Verfahrensmaxime, daß die Verhandlungen nicht unmittelbar vor dem Plenum stattfinden. Da die Unmittelbarkeit größere Transparenz gewährleistet, die zu den Demokratieprinzipien überhaupt zu rechnen ist, ergibt sich hieraus aber auch, daß das Verfahren, soweit nur irgend möglich, unmittelbar sein sollte70 - wenn auch nicht verkannt werden darf, daß es Gründe gibt - wie die Erfordernisse der Effektuierung des Sachverstands und der Arbeitsteilung - die hiergegen abzuwägen sind. Im übrigen ist hervorzuheben, daß Mittelbarkeit um der Systemfunktionalität willen institutionelle und prozedurale Approximation an das Plenum gebietet, beispielsweise dessen politische Kräfteverhältnisse sich in dem Organ widerspiegeln sollten, vor dem das Verfahren abläuft. b) Doppelte Mittelbarkeit Doppelte Mittelbarkeit besteht bezüglich einiger Fälle der Verhandlung in Ausschüssen. Grundsätzlich erfolgt diese zwar vor dem Ausschuß selbst, nicht aber vor dem Ausschußvorsitzenden oder dem Ausschußberichterstatter. Ausnahmen bestehen jedoch insofern, als beispielsweise der Petitionsausschuß des Bundestags die Ausübung seiner Befugnisse im Einzelfall auf eines oder mehrere seiner Mitglieder übertragen kann71 , die Anhörung in einem Ausschuß auf einzelne Mitglieder delegiert sein kann oder die Beratung des Ausschusses durch 89
Trossmann I, S. 9.
In diesem Sinne kann Berg, Staat 9 (1970), 34, darin zugestimmt werden, daß die übertragung von Aufgaben stets auf der Stufe vorzunehmen ist, welche die Rechte der Vollversammlung möglichst wenig vermindert und die Rechte anderer nicht verletzt, wenn dieses Ziel allein auch noch keine sichere Abgrenzung ermöglicht, sondern weitere topoi hinzuzunehmen sind. 71 § 6 BPetAusschG. Das mit der Wahrnehmung solcher Aufgaben vertraute Ausschußmitglied erhält hierdurch eine dem Ombudsmann des skandinavischen Rechts ähnliche Stellung und Aufgabe, Achterberg, Parlamentsreform - Themen und Thesen, DOV 75, 833 (840). 70
3 Achterberg
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1. Teil: Verhandlungsgrundsätze
Unterausschüsse vorbereitet wird. Auch insoweit bleibt die einfache Mittelbarkeit aber zumindest eingeschränkt noch gewahrt, weil die überweisung eines Gegenstands vom Parlament nicht unmittelbar an den Unterausschuß, sondern an den Ausschuß erfolgt und auch nicht der Unterausschuß, sondern der ihm übergeordnete Ausschuß der Vollversammlung berichtet72 . Das zuvor herausgestellte Erfordernis institutioneller und prozeduraler Approximation ist in solchen Fällen weniger verwirklicht als bei einfacher Mittelbarkeit; allgemein läßt sich vielmehr eine mit zunehmender Entfernung von der Unmittelbarkeit der Verhandlung abnehmende institutionelle und prozedurale Approximation konstatieren, die abermals zu einer möglichst unmittelbarkeitsnahen Verhandlungsführung mahnt. IV. Mündlicbkeit Das Verfahrensprinzip der Mündlichkeit gilt sowohl für Plenar- als auch für Ausschußverhandlungen; es hängt eng mit dem Institut der Debatte zusammen 73, die im parlamentarischen Regierungssystem sowohl die Aufgabe hat, die unterschiedlichen politischen Standpunkte darzulegen und erforderlichenfalls zu korrigieren, als auch die Funktion besitzt, im Kampf um die politische Anerkennung durch die Repräsentierten die öffentliche Meinung zu beeinflussen74 . Dementsprechend hat die Debatte parlamentsinterne und parlamentsexterne Bedeutung. 1. Bedeutung der Mündlicbkeit Die Einschätzung des Rangs der Debatte hat in der Parlamentsgeschichte immer wieder geschwankt. Dies kommt schon in der oft anzutreffenden Unterscheidung von "Redeparlament" und "Arbeitsparlament"75 und in dem Bestreben zum Ausdruck, den einen oder den anderen Charakter zu akzentuieren. überdies hängt die institutionelle Bedeutung der Debatte von heterogenen Determinanten ab 76 : Zu einer 72 über Ausnahmen in der Parlamentspraxis berichtet kritisch Trossmann
I, S. 256 f., der hieraus den Schluß zieht, daß es sich in einem solchen Falle
in Wirklichkeit nicht um einen Unterausschuß, sondern um einen Sonderausschuß des Bundestags gehandelt habe. 73 Vgl. aus dem Schrifttum vor allem Hoherz, Verhandlungen des Deutschen Bundestages, in: Röhring - Sontheimer, S. 484; Loewenberg, S. 455 ff.; Sontheimer, Debatte, in: Röhring - Sontheimer, S. 114; Vonderbeck, Regelung der Debattendauer im Deutschen Bundestag, ZParl. 8 (1977), 404; Wette, Modus und Stil der parlamentarischen Diskussion im Bundestag, ZfP XV (1968), 181.
74 Ebenso Sontheimer, S. 114. 75 s. dazu o. Anm. 40. 78 Zu den Hindernissen bei der freien Rede Loewenberg, S. 455 f.; SontheimeT, S. 114 f. Das Bedauern von Loewenberg, S. 456, daß die tempera-
IV. Mündlichkeit
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Zeit, in der das Parlament als Block der Regierung gegenüberstand, kam es weniger darauf an, die unterschiedlichen politischen Standorte von Regierungsfraktion(en) und Oppositionsfraktion(en) sichtbar zu machen, als den Gesamtwillen des Parlaments kundzutun; hier überwog die parlamentsexterne Funktion der Debatte. In einer Zeit stark aufgespaltener politischer Richtungen - wie sie im Vielparteienstaat unter der Geltung der Reichsverfassung von 1919 anzutreffen warenwirkt die parlamentarische Debatte auf die Öffentlichkeit eher verwirrend, weil sie kontroverse Standpunkte weniger deutlich in Erscheinung treten läßt; hier kommt ihr vor allem parlamentsinterne Bedeutung zu. Erheblich ist weiterhin die Verteilung der Organkompetenzen zwischen den obersten Staatsorganen und innerhalb des Parlaments: Liegt die Befugnis zur Bestimmung der Richtlinien der Politik beim Regierungschef und nicht beim Parlament, so ist demgemäß insoweit auch die Bedeutung der parlamentarischen Debatte begrenzt; liegt das Schwergewicht der parlamentarischen Arbeit in den Ausschüssen, so beschränkt sich die Plenardebatte auf die nochmalige Verdeutlichung kontroverser Standpunkte mit Wirkung nach außen, ohne aber zum Prozeß innerparlamentarischer Kompromißfindung und parlamentarischer Willensbildung noch Entscheidendes beizutragen. Bedeutsam für die Debatte sind weiterhin instrumentale und prozedurale Determinanten: Die Mitgliederstärke des Parlaments und die Sitzordnung vermögen die Tendenz zum Monolog statt zum Dialog zu begünstigen, Verkürzungen der Redezeiten - denen, wie noch darzulegen sein wird, im übrigen Grenzen gesetzt sind - eher die umgekehrte Wirkung zu fördern. Schließlich spielen Sachverstand und rhetorische Begabung der Abgeordneten eine Rolle: Beide stellen wesentliche Voraussetzungen einer effizienten Debatte dar, sind für die Beteiligung hiermit weniger ausgestatteter Abgeordneter dagegen geradezu kontraindiziert. Vor der Mandatsübernahme kann dem durch einen sorgfältigen Ausleseprozeß bei der Aufstellung und bei der Wahl der Abgeordnetenkandidaten gesteuert werden, während der Mandatsausübung stellt dieses Phänomen - psychologisch und soziologisch noch nicht hinreichend erforschte - Anforderungen an die Motivation beispielsweise von "Hinterbänklern" zur Beteiligung an der Debatte - wobei freilich nicht zu verkennen ist, daß auch deren Initiativen begrenzt sind, wenn die Redner durch die Fraktionen bestimmt und die Inhalte ihrer Äußerungen durch diese überwacht werden77 • mentvollen Debatten im Weimarer Reichstag und früher auch im Bundestag einer "neuen Sachlichkeit" zum Opfer gefallen sind, wird man nicht teilen können. Der Würde der Volksrepräsentation entspricht ein Verhandlungsstil, wie er etwa in den bei Wette, ZfP XV (1968), 181, enthaltenen Zitaten zum Ausdruck kommt, kaum. 77 Statistische Angaben über die Häufigkeit der Beteiligung an Debatten bei Loewenberg, S. 457, 459. Vgl. auch Wette, ZfP XV (1968), 187.
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1. Teil: Verhandlungsgrundsätze
2. Verwirklichung der Mündlichkeit
Der Verfahrensgrundsatz der Mündlichkeit ist dadurch verwirklicht, daß die Redner - gemeint sind dabei die Abgeordneten, nicht aber die Mitglieder der Regierung, über deren Vortragsweise in der parlamentarischen Geschäftsordnung nichts ausgesagt werden kann78 - nach geltendem Parlamentsrecht grundsätzlich im freien Vortrag sprechen, wobei sie Aufzeichnungen benutzen dürfen, im Wortlaut vorbereitete Reden dagegen nur nach mit Gründen versehener Anmeldung bei dem Parlamentspräsidenten und mit dessen Genehmigung verlesen werden dürfen. Ein Verstoß hiergegen hat üblicherweise die Mahnung durch den Präsidenten zur Folge; nach einer weiteren Mahnung soll dieser dem Abgeordneten das Wort entziehen79 • Demgemäß dürfen zwar Reden im Wortlaut vorbereitet werden, jedoch nicht ohne Genehmigung abgelesen werden; ebenso ist es nicht verboten, daß die Redner bei ihrem Vortrag Notizen benutzen8o • Nach im Bundestag gebildeter Auffassung wird angenommen, daß der Bundestagspräsident - von Ausnahmefällen (zu denen beispielsweise das Verlesen von Zahlenkolonnen gehören kann) abgesehen - in die Verlesung einwilligt, wenn sie von einer Fraktion angemeldet ist; dabei geht es zumeist um Reden, in denen gerade deren Stellungnahme vermittelt wird81 • Im allgemeinen unbedenklich ist auch das Verlesen von Zitaten, das schon um der Zitiergenauigkeit willen geboten sein kann; üblicherweise wird solches von dem Redner mit der Floskel "Mit Genehmigung des Präsidenten" eingeleitet, um diesem Gelegenheit zum Einspruch zu geben, bei dessen Unterbleiben die Einwilligung zum Verlesen des Zitats unterstellt wird 82 • Die Wortentziehung als Sanktion allein des Verlesens eines Schriftstücks läuft im übrigen deshalb leer, weil sie gegen das zum verfassungsrechtlichen Status des Abgeordneten zählende Rederecht ver78 Leerlaufend infolgedessen § 64 V 3 BerlGO, nach dem die dort vorgesehene Rededauer auch von Senatsmitgliedern nicht überschritten werden soll. 7. Vgl. §§ 37 GOBT, 83 BWGO, 109 BayGO, 63 VI BerlGO, 43 II, III BremGO, 21 V HambGO, 67 HessGO, 72 NdsGO, 63 NWGO, 32 RhPfGO, 43 SGO, 49 I SHGO. 80 Ebenso Trossmann II, § 37 RdNr. 2.3. 81 s. dazu BT-Dr. V/4373, S. 7, und Trossmann II, § 37 RdNr. 4.1, 4.2. Zu weitgehend ist die Auffassung ebda. RdNr. 4.3, die Bestimmung über das Einwilligungsrecht des Präsidenten in § 37 I 3 GOBT liefe leer, weil die Präsidenten keinen Anhaltspunkt hätten, wann die Verlesung zu versagen sei. Vielmehr ist davon auszugehen, daß gerade dies im allgemeinen zu geschehen hat, weil der Vortrag grundsätzlich frei zu halten ist. Daher ist nur ausnahmsweise, nach pflichtgemäßem Ermessen in die Verlesung einzuwilligen. 82 Hierzu Trossmann II, § 37 RdNr. 6.1, mit Hinweis auf die insoweit zunächst großzügige übung unter der Geltungszeit der GORT 1876. s. hierzu auch Jungheim, Die Geschäftsordnung für den Reichstag, Berlin 1916, S. 139.
IV. Mündlichkeit
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stieße, das durch Geschäftsordnungsregelung nicht beschränkbar ist; nur im Interesse des geordneten parlamentarischen Geschäftsgangs, der Wahrnehmung der Aufgabe des Parlaments, "Forum für Rede und Gegenrede" zu sein - die allerdings durch Verlesen überlanger Schriftstücke beeinträchtigt werden kann - ist daher eine solche Maßnahme gestattet83 • Da sich die Bestimmung über die freie Rede auf die parlamentarische Debatte bezieht, unterfallen ihr nicht Antragsbegründungen, Ausführungen von Berichterstattern, Erklärungen im Namen einer Fraktion, persönliche Bemerkungen, persönliche und tatsächliche Erklärungen sowie Erklärungen zur Abstimmung 84 • 3. Mündlichkeit und Redezeitbegrenzung
Das zum verfassungsrechtlichen Status zählende Rederecht des Abgeordneten ist auch der Grund, weshalb der geschäftsordnungsmäßigen Beschränkung der Redezeit Grenzen gesetzt sind; auch sie ist nur um des geordneten Geschäftsgangs willen zulässig. Im Bundestag wird die (gesamte) Zeitdauer für eine Aussprache in der Regel nach Vorschlag des Ältestenrats durch die Vollversammlung festgesetzt; sie kann während der Beratung eines Gegenstands geändert werden. Der einzelne Redner soll nicht länger als fünfzehn Minuten sprechen, doch kann jede Fraktion für einen ihrer Redner eine Redezeit von fünfundvierzig Minuten beanspruchen. Im übrigen kann der Präsident die Redezeit auch noch darüber hinaus - auf Antrag verlängern; auf solchen einer Fraktion oder, falls dies vom Gegenstand oder Verlauf der Aussprache - beispielsweise wegen häufiger Zwischenfragen - nahegelegt ist, soll er dies tun. Bei überschreitung der Redezeit - bei der mitzuberücksichtigen ist, ob Zwischenfragen zu beantworten waren - und einmaliger Mahnung ist die Entziehung des Worts mit der Folge möglich, daß der Redner es in derselben Aussprache zu demselben Gegenstand nicht mehr erhält. Abweichungen bestehen in den Landtagen: In Bayern soll die Rededauer für einen Abgeordneten eine Stunde nicht überschreiten, nach eineinhalb Stunden muß der Präsident mahnen; die Zeitdauer für die Beratung eines Gegenstands kann jedoch gemäß Vorschlag des Ältestenrats begrenzt werden; dann kann auch die Redezeit für den einzelnen Abgeordneten beschränkt werden; Fraktionen erhalten gleiche Grundredezeiten (Abgeordnetengruppen die Hälfte davon), darüber hinaus erfolgt die Zuteilung der Redezeiten nach Fraktionsstärke. In Berlin sind besonders detaillierte Regelungen anzutreffen: Bei der Be83
Vgl. dazu BVerfGE 10, 4 (13 f.). Im Ergebnis ebenso Trossmann H, § 37
84
Trossmann H, § 37 RdNr. 7.
RdNr.5.
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1. Teil:
Verhandlungsgrundsätze
ratung von Vorlagen zur Kenntnisnahme und derjenigen Großer Anfragen beträgt die Gesamtredezeit fünfzehn Minuten je Fraktion, bei derjenigen von Anträgen und Vorlagen zur Beschlußfassung und von Berichten dreißig Minuten je Fraktion, für Bemerkungen zur Geschäftsordnung und für persönliche Bemerkungen fünf Minuten für jeden Abgeordneten; diese Redezeit steht auch fraktionslosen Abgeordneten zu; verschiedene Gegenstände unterliegen überhaupt keiner Beschränkung der Redezeit; diese kann unter bestimmten Umständen im übrigen verlängert werden. In Bremen darf die Redezeit in der Regel eine halbe Stunde nicht überschreiten; sie kann im Einzelfall von der Bürgerschaft verlängert oder verkürzt werden. In Hamburg gilt dasselbe; bei Anfragen an Abgeordnete, Bemerkungen zur Geschäftsordnung und persönlichen Bemerkungen beträgt sie jedoch nur fünf, bei der Besprechung von Anfragen an Abgeordnete und Großen Anfragen in der Regel zehn Minuten. In Hessen soll im allgemeinen zu einem Tagesordnungspunkt der erste Redner aus einer Fraktion nicht länger als fünfzehn, jeder weitere Redner aus einer Fraktion nicht länger als zehn Minuten sprechen; die Redezeit für eine Fraktion soll zusammen in der Regel nicht mehr als sechzig Minuten betragen. In Niedersachsen ist nur bestimmt, daß der Landtag für die allgemeine Aussprache den Fraktionen und fraktionslosen Abgeordneten Redezeiten zuteilen und für die Einzelberatung die Dauer der einzelnen Reden beschränken kann; eine ähnliche Regelung besteht in Nordrhein-Westfalen. In Rheinland-Pfalz darf ein Redner, sofern nichts anderes beschlossen ist, nicht länger als dreißig Minuten sprechen; ähnliches gilt im Saarland. In Schleswig-Holstein soll ein Redner nicht länger als eine Stunde sprechen85 • Die Aussprachezeit kann dabei auf die Fraktionen nach deren Stärke verteilt werden. Das erscheint sowohl deshalb als sachgerecht, weil die stärkeren Fraktionen über eine größere Zahl potentieller Redner verfügen, als auch deshalb, weil den stärkeren Fraktionen ein größeres politisches Gewicht zukommt. Als Nachteil einer solchen Aufteilung ist dagegen anzuführen, daß über verbrauchte Redezeiten Buch geführt werden muß und dabei auch noch die Zeiten berücksichtigt werden müssen, die durch Zwischenfragen und deren Beantwortung verloren gehen, sowie daß innerhalb der Fraktion Absprachen über die Rededauer der Abgeordneten getroffen werden müssen, die dessen Bindung an die Fraktion verstärken. Gleichwohl erlangen die Fraktionen auch hierdurch kein uneingeschränktes Verfügungsrecht über die Redezeit, weil der Parlamentspräsident das Wort erteilt und - wie erwähnt die Redezeit verlängern kann86 • 85 Vgl. §§ 39 GOBT, 110, 111 BayGO, 64 BerlGO, 45 BremGO, 22 HambGO, 68 HessGO, 71 NdsGO, 64 NWGO, 33 RhPfGO, 44 SGO, 49 11 SHGO.
IV. Mündlichkeit
39
Die Praxis der Redezeitverteilung im Bundestag hat geschwankt: Nach einer an der Fraktionsstärke orientierten Auf teilung der Redezeit - mitunter mit "Aufschlag" für den Antragsteller -, einer späteren Auf teilung auf Koalitionsfraktionen und Regierung zu sechzig Prozent einerseits und Oppositionsfraktion zu vierzig Prozent andererseits wurde später eine Gesamtredezeit für bestimmte Tagesordnungspunkte beschlossen87 • Ministerreden brauchen weder auf die Redezeiten der Koalitionsfraktionen angerechnet zu werden, noch müssen sie zu einer Verlängerung derjenigen der Oppositionsfraktionen führen, sofern nicht die Grenze des Mißbrauchs gegeben ist. Allerdings muß das Regierungsmitglied zu erkennen geben, daß es in dieser Eigenschaft und nicht als Abgeordneter spricht88 • Redezeitverlängerungen durch den Präsidenten wirken sich auch noch aus, wenn ein anderer die Sitzung leitet. Die gegenteilige Auffassung 89 verkennt, daß die Verlängerungsmöglichkeit durch den Präsidenten auf diesen als Organ abstellt, nicht aber auf den jeweils amtierenden Organwalter. Der Mündlichkeit dient auch die Installierung von Saalmikrofonen, von denen aus Zwischenfragen gestellt und Zwischenrufe abgegeben werden können9o • Um lebhaftere Debatten zu ermöglichen - ein auch der Einführung der Fragestunde und der Aktuellen Stunde zugrunde liegendes Ziel -, wird als Maßnahme von Parlamentsreformen im übrigen die weitere Verkürzung der Redezeit diskutiert. Hier sind indessen Grenzen gesetzt, damit eine inhaltliche Aussage möglich ist und deren Wert nicht auf den eines Zwischenrufs zurückgeschraubt wird. 4. Einschränkungen der Mündlichkeit
Der Grundsatz der Mündlichkeit ist insofern eingeschränkt, als die mündliche Verhandlung durch Drucksachen vorbereitet wird. Als solche werden vor allem die Vorlagen der Regierung - im Bundestag auch des Bundesrats -, die keineswegs nur Gesetzentwürfe zu sein brauchen, die Anträge von Abgeordneten, Große und Kleine Anfragen sowie Ausschußberichte hergestellt. Die Bundestagsdrucksachen werden an die Mitglieder des Bundestags und des Bundesrats sowie an die BundesBVerfGE 10,4 (14 ff.); Trossmann II, § 39 RdNr. 2. Die geschichtliche Entwicklung wird erkennbar z. B. in StenBer. BT, 3. WP, 21. Sitzung v. 25.3.1958, S. 1057 B-I059 C; 6. WP, 172. Sitzung v. 24.2.1972, S. 9334 D-9335 C; 7. WP, 247. Sitzung v. 3.6.1976, S. 17505 A. Vgl. auch Trossmann H, § 39 RdNr. 1.1 - 1.3; Vonderbeck, ZParl. 8 (1977), 405 ff. 88 Vgl. des näheren BVerfGE 10, 4 (17 ff.). 89 Bei Trossmann 11, § 39 RdNr. 10. 90 Vgl. § 37 GOBT. 88
87
40
1. Teil: Verhandlungsgrundsätze
ministerien verteilt; für die Landtage bestehen entsprechende Bestimmungen91 . Die Mündlichkeit ist ferner durchbrochen, sofern die Ausschußberichte dem Plenum schriftlich erstattet werden. Im Bundestag werden die Berichte über Gesetzentwürfe und Grundsatzfragen schriftlich, im übrigen mündlich vorgelegt; die schriftliche Berichterstattung ist jedoch zur Regel geworden92 • In den Landtagen erfolgt gleichfalls zumeist schriftliche Berichterstattung, doch kann der Ausschuß die mündliche beschließen; mitunter ist aber auch das Gegenteil vorgesehen93 . Im übrigen können die Vollversammlungen neben oder anstatt mündlicher schriftliche Berichterstattung verlangen.
v.
Mehrheitsprinzip
1. Bedeutung der Mehrheit
Das Erfordernis einer Verfahrensregel, nach der ein Kollegialorgan zu einer Entscheidung kommt, beruht auf dem Umstand, daß Einstimmigkeit zumindest bei mitgliederstarken Organen nur ausnahmsweise erzielbar ist. Infolgedessen sind Kriterien erforderlich, mit deren Hilfe eine Auswahl unter den Mitgliedern des Kollegialorgans getroffen wird, deren Stimmen für die Entscheidung ausschlaggebend sein sollen, und es muß übereinstimmung herrschen, daß diese dem Organ selbst zugerechnet werden, als dessen Wille gelten sollen. Die möglichen Anknüpfungspunkte hierfür sind vielfältig - in Betracht kommt beispielsweise das Alter oder auch die Zahl der Abstimmenden -; überdies sind unter ihnen Kombinationen denkbar. Parlamentarische Demokratien pflegen das numerische Prinzip anzuwenden und die Zahl der abgegebenen Ja-Stimmen mit einer Bezugsgröße zu vergleichen. Als gemeinsamer Wille gilt ein Abstimmungsergebnis dann, wenn sie diese überschreitet oder ihr zumindest entspricht. Für diesen Vorgang hat sich der Begriff "Mehrheitsprinzip"94 durchgesetzt9s . 91 §§ 76 I GOBT (die dort anzutreffende Aufzählung ist allerdings nicht abschließend, Trossmann II, § 76 RdNr. 1.1 i. V. m. § 75 RdNr. 2), 39 II, 103 BWGO, 54 BayGO, 29 BerlGO, 72 BremGO, 36 HessGO, 19 NdsGO, 75, 110 NWGO, 16 III, 55 I RhPfGO, 31 SGO, 22 I SHGO. 92 Trossmann II, § 74 RdNr. 1. 93 Hierzu §§ 74 GOBT, 27 28 BWGO, 41 BayGO, 27 BerlGO, 72, 73 HambGO, 24 HessGO, 29 NWGO, 80 RhPfGO, 19 SGO, 18 SHGO. Vgl. zum Thema auch Schäfer, S. 113, 120, 124 (124 ff. Beispiel eines schriftlichen Berichts [BT-Dr. IV!3508]). 94 Vgl. zum Mehrheitsprinzip vor allem Fach, Demokratie und Mehrheitsprinzip, ARSP 61 (1975), 201; Häberle, Das Mehrheitsprinzip als Strukturelement der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, JZ 77, 242; ders., Öffentlichkeitsarbeit der Regierung zwischen Parteien- und Bürgerdemokratie, JZ 77, 362 (363ff.); Herzog, Mehrheitsprinzip, in: Evangelisches Staatslexikon, Sp. 1547; Höpker, Grundlagen, Entwicklung und Problematik des
v. Mehrheitsprinzip
41
2. Theoretische Grundlagen
Für die rechtstheoretische Fundierung dieses Grundsatzes 96 ist erheblich, daß zu seiner Legitimation im wesentlichen folgende Argumente vorgebracht werden: Das absolute lautet, die Mehrheit verkörpere den Gesamtwillen, das relative geht dahin, es sei gerechter, daß die Mehrheit der Minderheit ihren Willen aufnötige statt umgekehrt, ein prozedurales schließlich besagt, daß die Mehrheitsentscheidung nur das Surrogat der - wie zuvor dargelegt - selten erzielbaren Einstimmigkeit ist, die übrigens durch dieses auch nicht verdrängt wird, daß jedoch die Chance eines jeden gewahrt bleiben muß, mit seiner Stimme die Entscheidung zu beeinflussen, wobei eine relativ große Anzahl von Stimmen diese schließlich trägt. Von diesen Argumenten erweist sich das erste ohne weiteres als nicht tragfähig, da die Mehrheit als solche das Organ selbst noch nicht zu verkörpern vermag, sondern - wie erwähnt - zusätzlich noch eine Zurechnung zu diesem erforderlich ist, damit sie als Organwille selbst gelten kann. Aber auch das zweite Argument ist unbrauchbar, weil die Gerechtigkeit als solche noch nichts darüber aussagt, ob der Wille der Mehrheit oder der Minderheit verbindlich sein soll: Immerhin kann es gerechter sein - möglicherweise aus sozialen Gründen -, gerade deren Willen für ausschlaggebend zu erachten. Allein tragfähig ist mithin das dritte Argument, wobei der soziologische Effekt des Fehlerausgleichs kraft Gruppengröße noch mit hinzuzunehmen ist97 : Der Umstand, daß die Mehrheit unter sich gleicher Stimmberechtigter98 die zahlenmäßig größere Gruppe bilMehrheitsprinzips und seine Stellung in der Demokratie, Diss., Köln 1957;
Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie, 2. Aufl., Tübingen 1929, S. 8 ff., 53 ff.; Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl., Stuttgart 1965, § 20 I 3, S. 283 ff.; Laun, Mehrheitsprinzip, Fraktionszwang, Zweiparteiensystem,
in: Forschungen und Berichte aus dem öffentlichen Recht, Gedächtnisschrift für Walter Jellinek, hrsg. Bachof - Drath - Gönnenwein - Walz, München 1955, S. 175 (176 ff.); Rausch, Mehrheit, Mehrheitsprinzip, in: RöhringSontheimer, S. 279; Scheuner, Das Mehrheitsprinzip in der Demokratie, Opladen 1973; Schwarz - Liebermann v. Wahlendorf, Mehrheitsentscheid und Stimmenwägung, Tübingen 1953, insb. S. 30 ff.; Starosolskyj, Das Majoritätsprinzip, Wien - Leipzig 1916; Trossmann I, S. 171 ff.; Varain, Die Bedeutung des Mehrheitsprinzips im Rahmen unserer politischen Ordnung, ZfP XI (1964), 239 (m. weit. Hinweisen Anm. 2). 95 Auf die defizitäre Behandlung des Mehrheitsprinzips im Schrifttum abgesehen von den in der vorigen Anmerkung erwähnten, sowie einigen weiteren literarischen Äußerungen - weisen zutreffend Häberle, JZ 77, 242; Krüger, S. 283, hin. 98 Vgl. hierzu Baltzer, Der Beschluß als rechtstechnisches Mittel organschaftlicher Funktion im Privatrecht, Diss., Marburg 1964, S. 212 ff.; Krüger, S. 283; Rausch, S. 279 f.; Starosolskyj, S. 35 ff.; Varain, ZfP XI (1964), 240 ff. 97 Vgl. hierzu Hofstätter, Gruppendynamik, Hamburg 1957, S. 31 ff. Dieser Effekt bildet das letzte Glied der Argumentationskette, das nach Krüger, S. 284, noch für den Nachweis erforderlich ist, daß das Mehrheitsprinzip richtigere Entscheidungen erwarten läßt als andere vergleichbare Lösungen.
1. Teil: Verhandlungsgrundsätze
42
det, bietet - sieht man einmal nur das Verhältnis von Mehrheit und Minderheit und läßt man andere, allerdings wichtige Faktoren, die im übrigen auf bei den Seiten auftreten können, wie den Sachverstand, außer Acht - die größere Gewähr für die Richtigkeit der gefundenen Entscheidungen, wodurch sich die pars maior zugleich als die pars sanior erweist. Im übrigen ist hervorzuheben, daß das der Kompromißfindung dienende Mehrheitsprinzip in hohem Maße dem ebenfalls auf diese, auf den Ausgleich angelegten parlamentarischen Regierungssystem entspricht99 , wenn auch nicht seine denknotwendige Konsequenz ist, weil dieses auch andere Instrumente der Kompromißfindung zuläßt1oo . 3. Geschichtliche Entwicklung
Die geschichtliche Entwicklung des Mehrheitsprinzipslol reicht bis in die Antike zurück. Sowohl die Griechen als auch die Römer wandten das Majoritätsprinzip - trotz vereinzelter Kritiker - auf ihre Versammlungsbeschlüsse an102 ; nach den römischen Rechtslehrern sollte die Entscheidung der Mehrheit als solche der Gesamtheit gelten: "Quod maior pars curiae effecit, pro eo habetur, ac si omnes egerint"103 oder "Refertur ad universos, quod publice fit per maiorem partem"104. Germanischem Rechtsdenken entsprach es demgegenüber, Einstimmigkeit anzustreben; die Mehrheitsentscheidung war als Rechtsinstitut unbekannt. Praktisch wurde allerdings auch sie insofern geübt, als die Akklamation eines nicht genau abgrenzbaren Teils einer Versammlung als deren einstimmiger Wille gedeutet wurde, ohne daß allerdings der Dissident gezwungen gewesen wäre, sich diesem Beschluß unterzuord98 Das Mehrheitsprinzip kann nur legitimierende Wirkung haben, wo unter den Stimmberechtigten Gleichheit besteht - ebenso Scheuner, S. 9; Starosolskyj, S. 97 ff. -; gerade diese Prämisse hängt ihrerseits eng mit dem Demokratieprinzip zusammen - so auch Fach, ARSP 61 (1975), 201; Herzog, Sp. 1549 - ; auch wenn das Mehrheitsprinzip als solches nicht notwendigerweise mit einer bestimmten Staatsform verknüpft ist - so auch Herzog, Sp. 1547; Scheuner, S. 13 - gehört dieses zu den fundamentalen Prinzipien der Demokratie, BVerfGE 29, 154 (165); 44, 125 (141 f.); HäberIe, JZ 77, 242, 244; Scheuner, S. 42. Statt der Beziehung zur Gleichheit stellt Kelsen, S. 9 f., die Verankerung in der Freiheit heraus (möglichst wenige Menschen sollen mit ihrem Willen in Widerspruch zum allgemeinen Willen geraten). 99 Dies hebt bereits Kelsen, S. 57 f., hervor. 100 Zur Möglichkeit, daß auch die Mehrheit ihre Rechte mißbrauchen kann, BVerfGE 30, 1 (31). 101 Vgl. hierzu vor allem Baltzer, S. 186 ff.; Elsener, Zur Geschichte des Majoritätsprinzips (Pars maior und Pars sanior), insbesondere nach schweizerischen Quellen, ZRG 73 Kan. Abt. XLII (1956), 73 ff.; v. Gierke, über die Geschichte des Majoritätsprinzipes, SchmollersJb. 39 (1915), 7 ff. 102 Baltzer, S. 187 f.; Elsener, ZRG 73 Kan. Abt. XLII (1956), 76 f.; v. Gierke, SchmollersJb. (1915), 8 f.; Starosolskyj, S. 1 f. 103 104
Scaevola, D L 1, 19. Ulpian, D L 17, 160, 1.
V. Mehrheitsprinzip
43
nen. Dieses Verfahren galt - selbst auf den Reichstagen - bis in das Mittelalter hinein105 • Nach einigen Vorläufern (insbesondere dem Schwabenspiegel [1275] und dem Weistum über die Königswahl des Kurvereins von Rhense [1338]) kam das Mehrheitsprinzip mit der Goldenen Bulle (1356) zum Durchbruch106 • Am Ende des Mittelalters hatte es sich außer in anderen Institutionen - wie Gilden, Zünften, Gerichten - auch in den ständischen Versammlungen durchgesetzt und bildete nunmehr nicht nur eine Aussage über das Abstimmungsverhältnis, sondern äußerte auch die Konsequenz, daß die Minderheit sich dem Willen der Mehrheit zu unterwerfen habe - "minor pars sequatur maiorem" - , womit die Zurechnung des Mehrheitswillens zum Organ selbst vollzogen war. Damit hatte sich auch das Verständnis des Verbandes grundlegend geändert: Die tr;idierte Vorstellung von der Genossenschaft als Versammlung der ihr angehörenden Individuen wurde unter maßgeblichem Anteil der kanonistischen Korporationstheorie 107 abgelöst durch diejenige von einer über einen eigenen Willen verfügenden juristischen Person108 ; entsprechendes galt für das Kollegialorgan. Der Gesamtwille war damit nicht mehr lediglich Summe der Einzel willen109.
105 Baltzer, S. 188 ff.; Ebener, ZRG 73 Kan. Abt. XLII v. Gierke, SchmollersJb. 39 (1915), 9 ff.; Starosolskyj, S. 2 f.
(1956), 80 ff.;
106 Vgl. Cap. II (De electione Romanorum regis), 3 - 5, des Nürnberger Gesetzbuchs vom 10. 1. 1356 (abgedr. bei Zeumer, Die goldene Bulle Kaiser Karls IV., 2. T., Weimar 1908, S. 1 (14 ff.). s. dazu auch Elsener, ZRG 73 Kan. Abt. XLII (1956), 88 f.; v. Gierke, SchmollersJb. 39 (1915), 10 m. Anm. 2. 107 Gleichwohl ging sie insofern einen anderen Weg als das spätere parlamentarische Mehrheitsprinzip, als für sie seit dem Dritten Laterankonzil (1179) - dazu Ebener, ZRG 73 Kan. Abt. XLII (1956), 87 f. - die pars maior nicht auch schon per se die pars sanior war, sondern eine pars maior et sanior gefordert wurde, die nicht schon durch Quantität, sondern erst durch Qualität der abgegebenen Stimmen ermittelt wurde, wenn auch die größere Zahl immerhin schon die Vermutung der Richtigkeit für sich hatte, die allerdings durch Widerspruch nur eines einzelnen widerlegt werden konnte, über dessen Begründetheit der Superior entschied (im Stichentscheid bei Stimmengleichheit hat sich dieser Gedanke der pars sanior übrigens bis heute erhalten). Vgl. dazu Baltzer, S. 199 f.; Elsener, ZRG 73 Kan. Abt. XLII (1956), 104 ff. (109 mit dem Hinweis darauf, daß die Kanonistische Theorie jedoch nie zu einer letzten Klarheit über das Verhältnis der pars maior zur pars sanior gelangt ist); v. Gierke, SchmollersJb. 39 (1915), 17. 108 Hierzu v. Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. II, Berlin 1875, S. 482 f., 573 ff., 829 ff.; deTS., SchmollersJb. 39 (1915), 13 ff.; Starosolskyj, S. 109 ff., 139 ff. 109 übrigens eine Erkenntnis, die schon in der Antike zumindest erahnt war, wie sich aus der römischen Parömie "Senatores boni viri, senatus autem bestia mala" ergibt (dazu Starosolskyj, S. 50 f.).
44
1. Teil: Verhandlungsgrundsätze
4. Systemfunktionalität der Ausgestaltungsformen
über die rechtstheoretische Fundierung und die geschichtliche Entwicklung hinaus wirft das Mehrheitsprinzip, zumal im parlamentarischen Raum, das Problem der Systemfunktionalität seiner Ausgestaltungsformen auf. Dabei ist zu beachten, daß das Abstimmungsergebnis entscheidend von der Bezugsgröße und einem mit ihr möglicherweise verbundenen Qualifizierungskoeffizienten abhängt. Als solche Bezugsgrößen kommen die abstimmenden Abgeordneten ("Abstimmungsmehrheit"), die Mitglieder des Parlaments ("Mitgliedermehrheit") oder auch die während der Abstimmung im Sitzungssaal anwesenden Abgeordneten ("Anwesenheitsmehrheit")110 in Betracht. Der mitunter anzutreffende terminologische Dualismus "absolute Mehrheit" für "Mitgliedermehrheit" und "relative Mehrheit" für "Abstimmungsmehrheit" erschöpft die Varianten der Mehrheit nicht, weil er die Anwesenheitsmehrheit nicht erfaßt, die ebenfalls eine absolute Mehrheit darstellt wenn auch nicht der überhaupt im Parlament befindlichen, da in dieses hineingewählten, sondern der bei der Abstimmung im Parlament anwesenden Abgeordneten. Um qualifizierte Mehrheiten handelt es sich, wenn die Bezugsgröße mit einem Qualifizierungskoeffizienten (beispielsweise 2/3) verbunden ist. Doppelt qualifiziert ist eine Mehrheit dann, wenn sie mehrere verschiedene Bezugsgrößen überschreiten oder zumindest erreichen muß. Je höher die Bezugsgröße - möglicherweise unter Verwendung eines Qualifizierungskoeffizienten - angesetzt ist, um so schwerer werden positive Abstimmungserfolge erreicht werden und umgekehrt. Für die Systemfunktionalität folgt hieraus, daß solche Mehrheiten vorzusehen sind, wenn sich eine Hemmschwelle gegen allzu leicht zu erreichende derartige Ergebnisse als angebracht erweist, beispielsweise bei Entscheidungen mit verfassungsrechtlichen Auswirkungen, die um der Bestandskraft der Verfassung willen in engen Grenzen gehalten werden müssen. Die Abstimmungsmehrheit Der begrenzte Wert dieser Unterscheidung wird von v. Mangoldt Art. 42 Anm. IV 2 a, hervorgehoben: Wird die Mitgliedermehrheit erreicht, so sind zugleich Anwesenheits- und Abstimmungsmehrheit erfüllt, wird die Anwesenheitsmehrheit erzielt, so ist damit zugleich die Abstimmungsmehrheit erreicht. Fach, ARSP 61 (1975), 202, erweitert diese Überlegung mit Recht dahin, daß absolute Majoritäten immer auch relative sind, und falls nur zwei Alternativen zur Verfügung stehen, auch das Umgekehrte gilt. - Die abweichende Terminologie von W. Jellinek, Kabinettsfrage und Gesetzgebungsnotstand nach dem Bonner Grundgesetz, DÖV 49, 381 (381: "volle absolute Mehrheit" für Mitgliedermehrheit, "gesteigerte absolute Mehrheit" für Anwesenheitsmehrheit, "schlichte absolute Mehrheit" für Abostimmungsmehrheit) hat sich nicht durchgesetzt. - Der mitunter statt "Mitgliedermehrheit" gebrauchte Begriff "Abgeordnetenmehrheit" (beispielsweise bei Maunz - Dürig - Herzog - Scholz, Art. 42 RdNr. 17; Versteyl, in: Grundgesetz-Kommentar, hrsg. v. Münch, Bd. 2, München 1976, Art. 42 RdNr. 21), ist deshalb unpräzise, weil er auch .,anwesende" und/oder "abstimmende" Abgeordnete umfaßt. 110
Klein,
V. Mehrheitsprinzip
45
birgt demgegenüber die Gefahr einer nur schmalen Legitimationsbasis in sich - diese in soziologisch-politischem Sinne gemeint, da es für die legitimierende Wirkung der parlamentarischen Entscheidung rechtlich nicht auf die Größe der Mehrheit ankommt, weil deren Willensäußerungen in jedem Fall dem Kollegialorgan als Ganzem zugerechnet werden. Allerdings kann diese Gefahr in Grenzen gehalten werden, wenn die Abstimmung von der Beschlußfähigkeit des Parlaments (einem "Quorum") abhängig gemacht wird. Bei der Anwesenheitsmehrheit und auch bei der Mitgliedermehrheit haben im übrigen Enthaltungen die Folge, daß sie wie Nein-Stimmen gewertet werden111 ; bei der Anwesenheitsmehrheit kann diese Folge jedoch dadurch verhindert werden, daß ein Abgeordneter, der nicht mit "Ja" zu stimmen, seine Willensäußerung aber auch nicht zu den Nein-Stimmen gerechnet zu haben wünscht, für die Dauer der Abstimmung den Sitzungssaal verläßt. Stimmengleichheit wirkt sich bei der Abstimmung über eine mit "Ja" oder "Nein" zu beantwortende Frage so aus, daß die gestellte Frage nicht bejaht ist; in diesem Fall kommt es für den positiven Abstimmungserfolg mithin entscheidend auf die Art der Fragestellung an112 • Als Partei in einem Organstreit vor dem Bundesverfassungsgericht kann die "Mehrheit" nicht auftreten, da sie losgelöst von der Beschlußfassung - und in diesem Fall identifiziert (nicht "identisch") mit dem Bundestag - überhaupt nicht existiert, so daß sie keine beteiligtenfähige Institution zur Wahrnehmung von Rechten des Bundestags ist113 • Entsprechendes gilt für die Landtage. 5. Mehrheitsarten
Die einzelnen Abstimmungsarten lassen sich durch die nachstehenden Formeln wiedergeben, wobei die verwandten Zeichen folgende Bedeutung haben: J = Ja-Stimmen
N
= Nein-Stimmen 111
Bei der Abstimmungsmehrheit ist dies nicht der Fall, h. M. vgl. z. B.
v. Mangoldt - Klein, Art. 42 Anm. IV 2 b; Maunz - Dürig - Herzog - Scholz,
Art. 42 RdNr. 18. 112 Die mitunter vertretene These vgl. hierzu Fach, ARSP 61 (1975), 206 -, würden mehrheitliche Entscheidungen mit "richtigen" gleichgesetzt, so setzten sich Minderheiten zwangsläufig ins Unrecht, was nur durch Abschwächung in eine "Vermutung" der Richtigkeit und Bewahrung prinzipieller Offenheit gegenüber Abweichlern als Konsequenz des bleibenden Unsicherheitsrests vermieden würde, ist schon von der Prämisse her falsch: Die Entscheidung auf rein numerischer Basis schneidet jede weitere Frage nach ihrer Richtigkeit oder Unrichtigkeit ab, so daß auch die Minderheit weiterhin von der Richtigkeit ihrer Auffassung auszugehen vermag. 113 Im Ergebnis ebenso BVerfGE 2, 143 (160 ff., insb. 163).
1. Teil:
46
Verhandlungsgrundsätze
n = Zahl der stimmberechtigten114 Mitglieder des Parlaments a = Zahl der anwesenden Abgeordneten
b = Zahl der abstimmenden Abgeordneten
x
=
Qualifizierungskoeffizient
Dann gilt: (1) Abstimmungsmehrheit:
J>N
(2) Mitgliedermehrheit:
J >..!!..
(3) Anwesenheitsmehrheit:
J>~
(4) Qualifizierte Abstimmungsmehrheit:
J~xb
(5) Qualifizierte Mitgliedermehrheit:
J~xn
(6) Qualifizierte Anwesenheitsmehrheit:
J~xa
(7) Doppelt qualifizierte Abstimmungsmehrheit: qualifizierte Mehrheit der abgegebenen Stimmen, die zugleich Mitgliedermehrheit ist.
J~xb
2
2
n
>
2
(8) Doppelt qualifizierte Mitgliedermehrheit: (a) Abstimmungsmehrheit, die zugleich Mitgliedermehrheit ist:
J>N>
(b) Abstimmungsmehrheit, die nicht zugleich Mitgliedermehrheit erreicht:
J>N~ ~
~
Das Vorkommen der zuvor genannten Mehrheitsarten sei im folgenden lediglich exemplarisch belegt: (1) Abstimmungsmehrheit gilt im Bundestag stets, sofern das Grund-
gesetz nichts anderes bestimmt (Art. 4211 GG). Ausnahmen kann die Geschäftsordnung nur für die zum Bundestag vorzunehmenden Wahlen vorsehen. Im übrigen aber kann weder durch einfaches Gesetz noch durch die Geschäftsordnung Abweichendes vorgeschrieben werden und zwar weder in der Hinsicht, daß eine Erleichterung vorgesehen wird, indem auf die Mehrheit verzichtet wird, noch in
114 Diese Einschränkung ist zu machen, weil es Abgeordnete gibt, die nicht stimmberechtigt sind, so in zahlreichen Fragen die Berliner Abgeordneten im Bundestag (Jäckel, Berliner Abgeordnete, in: Röhring - Sontheimer,
S. 50 [51]).
V. Mehrheitsprinzip
47
derjenigen, daß eine Erschwerung vorgenommen wird, indem andere Mehrheitsarten angeordnet werden. (2) Mitgliedermehrheit wird insbesondere verlangt für die Wahl des
Bundeskanzlers in der ersten und der zweiten Wahlphase (Art. 63 II, III GG), für das Mißtrauensvotum (Art. 67 I 1 GG), für die Zustimmung zu dem Antrag des Bundeskanzlers, ihm das Vertrauen auszusprechen (Art. 68 I 1 GG), für die Überwindung eines mit einfacher Mehrheit beschlossenen Einspruchs des Bundesrats gegen ein vom Bundestag beschlossenes einspruchsfähiges Gesetz (Art. 77 IV 1 GG), für das Verlangen der Aufhebung von Maßnahmen für den Spannungsfall (Art. 80 a III 2 GG), für die Bildung neuer bundeseigener Mittel- und Unterbehörden (Art. 86 III 2 GG).
(3) Anwesenheitsmehrheit wird für die Schlußabstimmung im Wahl-
prüfungsverfahren vor dem Bundestag gefordert. Dies ist zwar nicht ausdrücklich ausgesprochen, ergibt sich aber daraus, daß bei dieser Abstimmung Stimmenthaltung als Ablehnung gilt (§ 10 III BWahlprÜfG). Hierdurch wird nicht auf die Mehrheit der abgegebenen Stimmen, sondern auf die Anwesenheit der Abgeordneten abgestellt, statt der Abstimmungs- die Anwesenheitsmehrheit verlangt. Im Hinblick auf die oben erwähnte verfassungsrechtliche Bestimmung, daß - sofern im Grundgesetz nichts anderes angeordnet ist - Abstimmungsmehrheit gilt, bestehen gegen diese Regelung des Wahlprüfungsrechts mithin verfassungsrechtliche Bedenken.
(4) Qualifizierte Abstimmungsmehrheit mit einem Qualifizierungskoef-
fizienten von 2/3 der abgegebenen Stimmen als Bezugsgröße wird gefordert für den Ausschluß der Öffentlichkeit in Bundestagssitzungen (Art. 42 I 2 GG)115, für die Feststellung des Spannungsfalls und für die besondere Zustimmung zu Dienstverpflichtungen vor dem Verteidigungsfall (Art. 80 aI 2 GG)118.
(5) Qualifizierte Mitgliedermehrheit mit einem Qualifizierungskoeffi-
zienten von 2/3 der Mitglieder des Bundestags als Bezugsgröße wird für den Beschluß auf Erhebung der Anklage des Bundespräsidenten vor dem Bundesverfassungsgericht verlangt (Art. 61 I 3 GG) sowie für den Beschluß eines verfassungsändernden Gesetzes (Art. 79 II GG). - Qualifizierte Mitgliedermehrheit mit einem Qualifizierungskoeffizienten von 8 der 12 Mitglieder des Wahlmännerausschusses als Bezugsgröße wird für die Wahl der durch den Bundestag zu wählenden Richter des Bundesverfassungsgerichts verlangt (§ 6 V BVerfGG). Auch hiergegen könnten aus den bereits
115 v. Mangoldt - Klein, Art. 42 Anm. !II 5 b; Maunz - Dürig - Herzog Scholz, Art. 42 RdNr. 11. m Vgl. dazu Maunz - Dürig - Herzog - Scholz, Art. 80 a RdNr. 43.
48
1. Teil: Verhandlungsgrundsätze
erwähnten Gründen verfassungsrechtliche Bedenken bestehen. Hält man die Wahl der Richter durch den Wahlmännerausschuß statt durch den Bundestag für verfassungsgemäß, so bleibt zu beachten, daß dieser Ausschuß als stellvertretender tätig wird. Demgemäß müßte man davon ausgehen, daß der Ausschuß auch den Verfahrensregeln der Vollversammlung unterfällt. Indessen bestehen hier aus sachnotwendigen Besonderheiten - das Verfahren vor dem Wahlmännerausschuß ist beispielsweise nicht öffentlich, obwohl dies für das Plenum vorgeschrieben ist - gegen die qualifizierte Mitgliedermehrheit ebensowenig Bedenken wie gegen die Institution des Wahlmännerausschusses überhaupt; diese Mehrheit dient zur Verbreiterung der Legitimationsbasis. Art. 4211 GG ist insoweit teleologisch zu reduzieren117 •
(6) Qualifizierte Anwesenheitsmehrheit wird für Abweichungen von der Frist für den Beginn der Beratungen nach Verteilung der Drucksachen, falls Einspruch erhoben wird (§ 77 11 2 GOBT), sowie für Abweichungen von der Geschäftsordnung im Einzelfall verlangt, die einem Qualifizierungskoeffizienten von 2/3 anwesenden Abgeordneten als Bezugsgröße unterfäIIt (§ 127 GOBT) - eine systemfunktionale Erschwerung, weil der Qualifizierungskoeffizient vorschnellen Abweichungen von der Geschäftsordnung vorbeugt. Beide Fälle der Anwesenheitsmehrheit sind verfassungsmäßig, weil das Grundgesetz prinzipiell nur eine Bestimmung über die Mehrheit bei Sachentscheidungen, nicht aber bei Verfahrensentscheidungen trifft118, deren Regelung vielmehr der Geschäftsordnung überläßt. (7) DoppeZt quaZifizierte Abstimmungsmehrheit wird für die Zurückweisung eines vom Bundesrat mit einer Mehrheit von zwei Dritteln beschlossenen Einspruchs gegen ein vom Bundestag beschlossenes einspruchsfähiges Gesetz verlangt. Sie bedarf einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen, die zugleich mindestens die Mehrheit der Mitglieder des Bundestags ausmachen muß (Art. 77 IV 2 GG)119; dasselbe gilt für die Feststellung des Verteidigungsfalls (Art. 105 aI 2 GG)120. 117 Dabei muß angemerkt werden, daß nicht kurzerhand alle unterrangigen Abweichungen vom Grundgesetz unter Bezugnahme auf eine solche Reduktion Verfassungskonformität erhalten können, sondern daß strenge Anforderungen an eine solche anzulegen sind, die hier gerade noch erfüllt sein mögen. Um Zweifel solcher Art auszuräumen, wäre es jedoch erwünscht, daß de constitutione ferenda solche Abweichungen im Grundgesetz selbst verankert würden. 118 Ebenso Rausch, in: Röhring - Sontheimer, S. 280 f.; Trossmann I, S. 173. 119 Ebenso v. Mangoldt - Klein, Art. 77 Anm. V 14 a (allerdings insofern mißverständlich, als es dort heißt: "Zweidrittelmehrheit der Anwesenden oder Abstimmenden"; wegen der erwähnten unterschiedlichen Auswirkung
VI. Minderheitenschutz
49
(8) Doppelt qualifizierte Mitgliedermehrheit wird für den Zwang zur Ernennung des in der dritten Wahlphase gewählten Bundeskanzlers gefordert. (a) Vereinigt der mit Abstimmungsmehrheit Gewählte zugleich die Stimmen der Mitgliedermehrheit auf sich, so muß der Bundespräsident ihn ernennen (Art. 63 IV 2 GG). (b) Erhält der Gewählte zwar die Abstimmungsmehrheit, ohne aber zugleich die Mitgliedermehrheit zu erreichen, so tritt das Auswahlermessen des Bundespräsidenten ein, ihn gleichwohl zu ernennen oder den Bundestag aufzulösen (Art. 63 IV 3 GG).
VI. Minderheitenschutz 1. Bedeutung und Begriff
Wo es Mehrheiten gibt, sind zwangsläufig Minderheiten vorhanden; beide sind korrelierende Begriffe. Damit ist allerdings noch nicht gesagt, daß diesen auch Rechte zustehen, daß sie einem Schutz durch die Rechtsordnung unterliegen121 • Doch ist dies vielfältig der Fall; Minderheitenrechte und Minderheitenschutz122 sind weit über das Parlamentsrecht hinausreichende Institute123 • der Stimmenthaltung ist hier nur auf die Abstimmungsmehrheit abzustellen); Maunz - DUrig - Herzog - Scholz, Art. 77 RdNr. 19; Nawiasky, Die Grundgedanken des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart - Köln 1950, S. 59; Schneider, Die Gesetzgebung des Bundes, DV 43, 324 (326).
120 Vgl. hierzu Maunz - DUrig - Herzog - Scholz, Art. 115 a RdNr. 43. Dasselbe Qualifikationserfordernis besteht, wenn der Gemeinsame Ausschuß an die Stelle von Bundestag und Bundesrat getreten ist (Art. 115 a II GG). 121 Zum Verhältnis von Mehrheits- und Minderheitsprinzip v. Gierke, SchmollersJb. 39 (1915), 22 ff. - Die extreme Auffassung von Fichte, Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre [1796], Hamburg 1960 (= Phi!. Bibliothek Bd. 256), S. 11 ff., 15 f., 190 f., 211 ff., 219 ff., der die rechtliche Bedeutung des Mehrheitsprinzips überhaupt verneinte und allenfalls in gewissen Fällen der Mehrheit das Recht zum Ausschluß der Minderheit zugestand, hat sich nicht durchgesetzt. 122 G. Jellinek, Das Recht der Minoritäten, Wien 1898; v. Kleist- Retzow, Das Problem des parlamentarischen Minderheitenschutzes im Deutschen Reiche, Diss., Göttingen 1932; Lamp, Das Problem der negativen Parlamentsmehrheit, Diss., Mainz 1950; Lehmann, Das Recht der parlamentarischen Minderheiten, Berlin 1933; Lewald, Das Minderheitsrecht, in: ders., Recht und Humanität, München - Berlin 1962, S. 53 ff.; Linck, Ausbau der Minderheitenposition im Recht der Untersuchungsausschüsse, ZParl. 3 (1972), 470; Lörken, Die Rechte der parlamentarischen Minderheiten nach dem Geschäftsordnungsrecht des Deutschen Bundestages, Diss., Köln 1963; Morstein-Marx, Beiträge zum Problem des parlamentarischen Minderheitenschutzes, Hamburg 1924; Oestmann, Rechte und Schutz der parlamentarischen Minderheit in Deutschland, Diss., Hamburg 1931; Paul, Parlamentarischer Minderheitenschutz. Eine rechtsvergleichende Betrachtung an Hand der geltenden Verfassungs- und Geschäftsordnungsnormen in Deutschland, Frankreich und
4 Achterberg
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1. Teil: Verhandlungsgrundsätze
Im parlamentarischen Bereich werden mitunter absolute und relative Minderheitenrechte unterschieden. Absolute (unbeschränkte) sollen vorliegen, wenn einer Minderheit das Recht zusteht, etwas zu verlangen, ohne daß die Mehrheit dies zu verhindern vermag; relative (beschränkte) sollen darin bestehen, daß einzelne Abgeordnete das Plenum veranlassen können, sich mit von ihnen gestellten Anträgen zu befassen, wobei jedoch ein Mehrheitsbeschluß erforderlich ist; hierzu wird insbesondere das Recht auf die Einbringung von Gesetzentwürfen gerechnet1 24 • Der Erkenntniswert solcher Unterscheidungen ist indessen gering. 2. Folgerungen aus dem Minderheitsprinzip
Aber auch im übrigen gibt es eine Reihe mit dem Minderheitenschutz verknüpfter Thesen, die Anlaß zu Mißverständnissen geben können und daher der Klarstellung bedürfen: Zum ersten gehört hierzu die Auffassung, Minderheitenrechte rechtfertigten sich aus dem Umstand, daß die "Minderheit von heute" die "Mehrheit von morgen" sein kÖnne125 • Dabei schwingt eine überlegung mit, welche die Minderheit mit der Opposition identifiziert, was - wie sogleich darzulegen sein wird - nicht zutrifft. Minderheiten können so heterogener Natur sein, so wechselnd zusammengesetzt und damit so labil, daß eine Minderheit keineswegs später die Mehrheit zu sein braucht. Im übrigen kommt es für den Schutz der Minderheit nicht darauf an, ob diese in mehr oder weniger absehbarer Zeit mit mehr oder weniger großer Sicherheit zur Mehrheit wird. Minderheiten sind um ihrer selbst willen geschützt, nicht unter dem Blickwinkel möglichen "Machtwechsels". Gerade unter diesem wäre für den MinderheitenItalien, Diss., Göttingen 1953; Sackers, Das parlamentarische Minderheitenrecht in Deutschland, Diss., Freiburg 1933; Schäfer, S. 73 ff.; Teichmann, Die Obstruktion parlamentarischer Minderheiten, Diss., Göttingen 1958; Trossmann I, S. 175 ff.; Vonderbeck, Die Minderheitenrechte im Deutschen Bundestag, ZParl. 6 (1975), 150 ff.; WoZlmann, Die Stellung der Parlamentsminderheiten in England, der Bundesrepublik Deutschland und in Italien, Den Haag 1970; ders., Minderheit, Minderheitsrechte, in: Röhring - Sontheimer, S. 284. 123 Sie spielen insbesondere auch im Nationalitätenrecht eine Rolle, dazu Raschhofer, Minderheiten, Minderheitenschutz, in: Evangelisches Staatslexikon, Sp. 1562 ff. m. weit. Hinweisen. 124 H. P. Schneider, Opposition und Information. Der Aktenvorlageanspruch als parlamentarisches Minderheitsrecht, AöR 99 (1974), 628 (629 f.); Trossmann I, S. 175, 178; Vonderbeck, ZParl. 6 (1975), 150; Wollmann, in: Röhring - Sontheimer, S. 286. 125 So z. B. Häberle, Das Mehrheitsprinzip als Strukturelement der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, JZ 77, 241 (244). Daß - gerade im parlamentarischen Bereich - Mehrheit und Minderheit wechseln können und dies der Theorie und Praxis einer offenen pluralistischen Gesellschaft entspricht, wird damit nicht in Abrede gestellt. s. dazu BVerfGE 2, 1 (13); 5,85 (199).
VI. Minderheitenschutz
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schutz weit weniger Anlaß als ohne ihn, denn die Minderheit würde durch den Machtwechsel ohnedies in den Stand versetzt, jene Vorstellungen durchzusetzen, deren Realisierung ihr zuvor versagt blieb. Zum zweiten trifft es nicht zu, daß Minderheitenrechte gerade dem Schutz der Opposition dienen sollen 126 • Diese These resultiert aus der
überlegung, daß die Regierungskontrolle im modernen parlamentarischen Regierungssystem weniger dem Parlament als Ganzem als vielmehr der Opposition zukommt. Realtypisch mag dies zutreffen, idealtypisch - und hiervon geht das geltende Parlamentsrecht aus gilt dies indessen nicht. Aber auch in der Parlamentswirklichkeit folgt hieraus noch nicht, daß Opposition und Minderheit identifiziert werden dürfen. Minderheitenrechte können zwar auch Fraktionen ausüben, ohne daß diese aber Oppositionsfraktionen sein müssen; im übrigen stehen sie zumeist einem Bruchteil oder einer Anzahl von Parlamentsmitgliedern zu, ohne daß es sich bei solchen um Angehörige derselben Fraktion zu handeln braucht. Zum dritten können aus der Korrelation von Mehrheit und Minderheit nur begrenzt Folgerungen abgeleitet werden. Allerdings ist es
richtig, daß die Minderheit bis zu einem gewissen Grade an der Vielfalt der Mehrheitsarten teilnimmt: Wie Abstimmungs-, Mitglieder- und Anwesenheitsmehrheit lassen sich auch entsprechende Minderheiten unterscheiden. Demgegenüber ist die Unterscheidung von einfacher und qualifizierter Mehrheit auf der Seite der Minderheit nicht nachvollziehbar. Vielmehr kann die Minderheit zwischen minimal einem Abgeordneten und maximal einer Stimme unter der erforderlichen Mehrheit jede nur erdenkliche Größe haben127 • Ebenso kann aus der Korrelation von Mehrheit und Minderheit nicht gefolgert werden, bei nicht erreichter Zwei-Drittel-Mehrheit wirke sich die Minderheit als Sperrminorität aus128 • Hier geht es vielmehr nur darum, daß die erforderliche qualifizierte Mehrheit nicht zustandegekommen ist, wobei die Minderheit untätig geblieben sein kann. Die Sperrminorität beruht dagegen darauf, daß eine bestimmte Minderheit gerade durch Stimmabgabe ein Organhandeln negativ beeinflußt. Zum vierten ist die These, Mehrheitsentscheidungen bezögen sich auf Sachfragen, Minderheitsentscheidungen dagegen auf Verfahrensfragen 129 , in dieser Allgemeinheit unzutreffend. Vielmehr ist es möglich, 128 Zu stark heben hierauf Schäfer, S. 77, 79; Wollmann, in: Röhring - Sontheimer, S. 285, ab. Dasselbe Mißverständnis könnte H. P. Schneider, AöR 99 (1974), 628 ff., auslösen. 127 So mit Recht auch Wollmann, in: Röhring - Sontheimer, S. 285. 128 Schäfer, S. 81 f. (der aber immerhin ausführt, daß Vetorechte keine "eigentlichen Minderheitenrechte" sind); Trossmann I, S. 178; Vonderbeck, ZParl. 6 (1975), 151.
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1. Teil: Verhandlungsgrundsätze
auch Sachfragen von einer Minderheit, Verfahrensfragen von der Mehrheit entscheiden zu lassen. Der Minderheitenantrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses stellt ein Beispiel für den ersten Fall dar; hier geht es nicht nur um eine Verfahrensfrage, sondern auch um eine Sachfrage, denn es wird von der Minderheit, ohne daß die Mehrheit diese überstimmen könnte, über Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit einer parlamentarischen Untersuchung abschließend befunden. Die sogar nur mit einer qualifizierten Mehrheit von zwei Dritteln zulässige Abweichung von der Geschäftsordnung bildet ein Beispiel für den zweiten Fall. Gerade die Möglichkeit der Einsetzung von Untersuchungsausschüssen ohne oder auf Minderheitenantrag durch Mehrheitsbeschluß zeigt die Variabilität der Verwendbarkeit von Mehrheits- und Minderheitsprinzip. 3. Insbesondere: Minderheitenschutz im Untersuchungsverfahren
Zu beachten ist ferner die Gefahr eines "prozeduralen" Leerlaufs des Minderheitenrechts, wenn zwar die Antragsbefugnis selbst als solches ausgestattet ist, die in Ausführung des Antrags zu treffenden Maßnahmen jedoch ausschließlich in der Hand der Mehrheit liegen. Dies hat vor allem für das parlamentarische Untersuchungsrecht zu der überlegung geführt, daß nicht nur die Initiative zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, sondern auch das Verfahren in diesem unter einem Minderheitenschutz stehen muß. Auch die Enquete-Kommission Verfassungsreform hat demgemäß eine Verstärkung des Minderheitenrechts im Untersuchungsverfahren dergestalt vorgeschlagen, daß jedes Mitglied des Untersuchungsausschusses zusammen mit einem weiteren Beweisanträge, für sich allein sonstige Anträge stellen, Fragen an Auskunftspersonen richten, seine Auffassungen über Ablauf und Ergebnis des Verfahrens im Schlußbericht an den Bundestag niederlegen darf, ein Viertel der stimmberechtigten Mitglieder der Änderung eines Beweisbeschlusses, ein Viertel der Mitglieder des Ausschusses der Aussetzung, ein Viertel der Abgeordneten des Bundestags der Einstellung des Verfahrens widersprechen können soll. In der Tat muß das Minderheitenrecht in das Verfahren selbst hineingezogen werden, um effizient wahrgenommen werden zu können1SO• 12U So Schäfer, S. 74, 77. Unter dem Aspekt, daß in der Demokratie zumindest eine Vermutung für die Mehrheit spricht, wird sich das Mehrheitsprinzip allerdings vor allem bezüglich Sachfragen, das Minderheitsprinzip dagegen mehr bei Verfahrensfragen auswirken, doch steht es dem Verfassungsgesetzgeber und auch dem unterrangigen Normgeber frei, statt des Mehrheitsprinzips im Einzelfall das Minderheitsprinzip vorzusehen. Vgl. auch Vonderbeck, ZParl. 6 (1975), 150; WoHmann, in: Röhring - Sontheimer, S. 285. 18G Die Empfehlungen der Enquete-Kommission Verfassungsreform ergeben sich insoweit aus ihrem Zwischenbericht BT-Dr. VI/3829, S. 15 ff., und
VI. Minderheitenschutz
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4. Minderheitsprinzip und verfassunggestaltende Grundentscheidungen
Der Versuch der Festlegung des Mehrheitsprinzips auf Sachfragen, des Minderheitsprinzips auf Verfahrensfragen resultiert aus der Überlegung, daß nicht sowohl das Mehrheits-, als auch das Minderheitsprinzip gleichermaßen aus der verfassunggestaltenden Grundentscheidung für die Demokratie abgeleitet werden können. Dabei wird jedoch die Mehrpoligkeit der verfassunggestaltenden Grundentscheidungen131 übersehen: Sie zeigt sich auch bezüglich derjenigen für den Bundesstaat, für die Rechtsstaatlichkeit und für die Sozialstaatlichkeit: Die verfassunggestaltende Grundentscheidung für den Bundesstaat umfaßt den Zentralstaat einerseits und die Summe der Gliedstaaten andererseits. Verschiebungen im Verhältnis der Staatsebenen sind vielfältig denkbar. Stets lassen sie sich jedoch auf das Ergebnis einer Stärkung des Zentralstaats oder einer Stärkung der Gliedstaaten zurückführen, wie sie insbesondere durch "zentralstaatsfreundliche" oder "gliedstaatsfreundliche" Gesetzgebungsakte bewirkt werden132 • Sowohl die erstmalige Regelung des Verhältnisses zwischen dem Zentralstaat und der Summe der Gliedstaaten als den Polen der Bundesstaatlichkeit durch die Verfassungsgebung als auch jede spätere Änderung sieht sich also einer "inneren Antinomie" der Bundesstaatlichkeit gegenüber, die sie im Wege eines Kompromisses zu bewältigen suchen muß. - Ähnliches gilt für die RechtsstaatZichkeit. Die in ihr beschlossene Antinomie wird deutlich, wenn man die Beziehungen ihrer materiellen Elemente - Gerechtigkeit und Rechtssicherheit - zueinander betrachtet133 • Bei der Anspruchsverjährung und dem Ablauf von Rechtsmittelfristen tritt die materielle Gerechtigkeit zugunsten der Rechtssicherheit, bei der Hemmung und der Unterbrechung der Verjährung sowie der Wiederaufnahme des Verfahrens der Rechtsfrieden zugunsten der materiellen ihrem Schlußbericht BT-Dr. 7/5924, S. 54 ff. s. auch Achterberg, Parlamentsreform - Themen und Thesen, DÖV 75, 833 (837 f.); ders., Parlamentarische Kontrollrechte. Zum Schlußbericht der Enquete-Kommission Verfassungsreform, DÖV 77,548 (549 f.); Linck, ZParl. 3 (1972), 473 ff. 131 Achterberg, Antinomien verfassunggestaltender Grundentscheidungen, Staat 8 (1969), 159 (163 ff.). 132 Als Beispiel sei nur die Erweiterung der Bundeskompetenzen durch die Einführung der Art. 87 bund d GG erwähnt. 133 Zu den inneren Antinomien der Rechtsstaatlichkeit Radbruch, Rechtsphilosophie, 8. Aufl., Stuttgart 1973, § 9, S. 164 ff. Nach ihm widerstreiten Zweckmäßigkeit und Gerechtigkeit einander insofern, als die Gerechtigkeit Gleichheit und mithin Generalisierung fordert, während die Zweckmäßigkeit Individualisierung verlangt; ebenso widersprechen sich Rechtssicherheit einerseits und Gerechtigkeit sowie Zweckmäßigkeit andererseits insofern, als die Rechtssicherheit Positivität des Rechts verlangt, das positive Recht aber ohne Rücksicht auf seine Gerechtigkeit und Zweckmäßigkeit gelten will. Vgl. ferner BVerfGE 2, 380 (403); BFH, NJW 59, 71 f.
1. Teil: Verhandlungsgrundsätze
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Gerechtigkeit zurück. Weiterhin wird beispielsweise die Rücknahme fehlerhafter Verwaltungsakte nicht allein unter dem Aspekt der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, sondern auch unter demjenigen der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens beurteilt134 . - Pole der Sozialstaatlichkeit sind Gemeinwohl und Individualwohl; zwischen ihnen ist im Spannungsfeld der Sozialstaatlichkeit der Ausgleich zu suchen135 . Dabei hat nicht nur die Gesellschaftsordnung in Gestalt des Solidaritätsprinzips und des Subsidiaritätsprinzips Grundsätze entwickelt, die diesem dienen; auch die Rechtsordnung selbst besitzt Instrumente, die im Dienste dieses Ausgleichs stehen. Nicht zuletzt werden die überlegung, daß eine "gesellschaftliche Leistung"136 dem Einzelnen nicht gewährt zu werden braucht, wenn sie sogar die Kräfte der Allgemeinheit überstiege, wie umgekehrt der zu einem festen Bestandteil der Rechtsordnung gewordene Satz, daß die überobligationsmäßige individuelle Leistung nicht erbracht zu werden braucht, zur Lösung dieser Antinomie relevant. Ebenso lassen sich Mehrheitsprinzip und Minderheitenschutz als Pole der Demokratie verstehen, die eine "innere Antinomie" dieser verfassunggestaltenden Grundentscheidung ausmachen und hinsichtlich deren ein sachgerechter Ausgleich zu suchen ist. Das ist indessen nichts Ungewöhnliches, sondern entspricht - wie dargelegt - auch bei den anderen Staatsformvorschriften und Staatszielbestimmungen anzutreffenden Phänomenen. Im übrigen aber besteht für das Mehrheitsprinzip und den Minderheitenschutz noch nicht einmal das Erfordernis ihres gemeinsamen Rückbezugs auf den Demokratiegrundsatz. Wie an früherer Stelle dargelegt, ist der Minderheitenschutz vielmehr eher aus dem Rechtstaatsprinzip ableitbar137, aus dem auch die Gebote umfassenden Rechtsschutzes wie des Vertrauensschutzes folgen; das "Schutzelement" ist mithin in ihm auch sonst verkörpert. Minderheitenschutz ist ein sowohl der Gerechtigkeit als auch dem Rechtsfrieden und damit der Rechtssicherheit dienendes Anliegen.
Dazu BVerwG, JZ 61, 234. Ähnlich E. R. Huber, Rechtsstaat und Sozialstaat in der modernen Industriegesellschaft, in: Nationalstaat und Verfassungsstaat, Stuttgart 1965, S. 249 (249), nach dem der Rechtsstaat die Einzelfreiheit, der Sozialstaat das Gesamtwohl gewährleistet. 18G Begriff bei Krüger, S. 811. Ebenso weitgefaßt jedoch für die umgekehrte Richtung vom Staatsbürger zum Staat formuliert - Fechner, Freiheit und Zwang im sozialen Rechtsstaat, Tübingen 1953, S. 14. 137 Achterberg, Grundzüge, S. 44. In diese Richtung zielt auch Kelsen, S. 53, der den Minderheitenschutz in den Grundrechten verankern will (worin ihm allerdings nicht zugestimmt werden kann, weil Grundrechte Bürgerrechte, nicht aber Organwalter-[Gruppen-]Rechte sind). 134 135
VI. Minderheitenschutz
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5. Gerichtliche Durchsetzung von Minderheitenrechten
Minderheitenrechte können, soweit es sich um bei der Abstimmung sich ergebende Minderheiten handelt, gerichtlich nicht geltend gemacht werden; für sie gilt dasselbe wie für die korrelierende Mehrheit: Auch die Minderheit ist losgelöst von dem jeweiligen Antrag als solche nicht vorhanden, mithin auch kein mit eigenen Rechten ausgestatteter Beteiligter138 • Demgegenüber sind Rechtsschutz eröffnende Minderheitenrechte anzunehmen, wenn die Minderheit - in der Verfassung oder in der Geschäftsordnung - bereits normmäßig vorgesehen ist. Das gilt für die in Art. 39 III, 42 I, 44 I, 79 II GG vorgesehenen, ebenso für die in §§ 74 aI 2, 98 II, 103 II GOBT erwähnten Minderheiten139 • Der mögliche Einwand, sofern es sich nicht um institutionalisierte Abgeordnetengruppen (wie Fraktionen) handele, ergäben sich auch diese nur ad hoc, steht dem nicht entgegen. Denn anders als Abstimmungsminderheiten entstehen und bestehen sie nicht ausschließlich durch den konkreten Akt der Abstimmung, sondern verfolgen sie ihre Ziele - etwa die Durchführung einer parlamentarischen Untersuchung - in zeitlicher und verfahrensmäßiger Ausdehnung, die eine solche Integration bewirkt, daß die Minderheit zumindest vorübergehend als selbständige, eigene Rechte wahrnehmende Institution erscheint. Sie kann im verfassungsgerichtlichen Verfahren infolgedessen als eine - der "AbstimmungsMehrheit nicht vergleichbare - Abgeordnetengruppe auftreten14o • U
6. Geschäftsordnungsmäßige Absicherung der Minderheitenrechte
Unzulässig ist es, in der Geschäftsordnung eröffnete Minderheitenrechte durch Mehrheitsbeschluß, von der Geschäftsordnung im Einzelfall abzuweichen, auszuschalten141 • Solange die Geschäftsordnung unverändert in Kraft ist - ihre Abänderung wird dadurch nicht gehindert - muß die Mehrheit solche Minderheitenrechte respektieren, auch 138 BVerfGE 2, 143 (163 f.); Lechner, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 3. Aufl., München 1963, § 13 Ziff. 5 Anm. I 2 c aa, d bb. 139 Lechner, § 13 Ziff. 5 Anm. I 2 c aa, d bb; Maunz - Schmidt-Bleibtreu Klein - Ulsamer, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, München 1976, § 63 RdNr. 10. Die mitunter gemachte Einschränkung nur (Trossmann I, S. 178, einschränkend: "jedenfalls") solche Minderheitenrechte könnten wahrgenommen werden, die im Grundgesetz selbst eingeräumt sind (so WoHmann, in: Röhring - Sontheimer, S. 286), ist irrig. Richtig ist nur, daß Organstreitigkeiten "die Auslegung des Grundgesetzes" betreffen müssen (Art. 93 I Nr. 1 GG, § 13 Nr. 5 BVerfGG), dies ändert aber nichts daran, daß es in einem solchen Streit auch um die Rechte oder Pflichten einer Minderheit gehen kann, die durch die Geschäftsordnung mit eigenen Rechten ausgestattet ist. Beides muß begrifflich unterschieden werden. 140 Aus den zuvor genannten Gründen widersprüchlich Maunz - SchmidtBleibtreu - Klein - Ulsamer, § 63 RdNr. 10 einerseits, RdNr. 12, 13 andererseits. 141 Dies hebt mit Recht Trossmann I, S. 178 f., hervor.
1. Teil: Verhandlungsgrundsätze
56
wenn sie formal befähigt wäre, sie in der genannten Weise zu überspielen. Dies wäre ein Verstoß gegen den als Konsequenz des Rechtsstaatsprinzips142 auch das Parlamentsrecht durchziehenden und damit vorrangigen Grundsatz von Treu und Glauben.
142
Ebenso BVerwG, DÖV 64, 276 (277).
Zweiter Teil
Das Verfahren in der Vollversammlung I. Allgemeines 1. Einberufung des Parlaments
Hinsichtlich der Einberufung des Parlaments, die seinem Zusammentritt logisch und rechtlich vorangeht - dieser ist weder ein Spontanakt, noch wird er unmittelbar durch (Verfassungs-)Gesetz ausgelöst -, ist zwischen der ersten Einberufung nach Beginn und den weiteren Einberufungen im Laufe der Wahlperiode zu unterscheiden. a) Erste Einberufung
Grundgesetz und Landesverfassungen bestimmen den Zeitpunkt des ersten Zusammentritts nicht auf den Tag genau: Spätestens tritt der Bundestag am 30. Tage nach der Wahl, treten die Landtage in BadenWürttemberg am 16. Tag nach Beginn der Wahlperiode, in Bayern am 15. Tag nach der Wahl, in BerZin zwei Wochen nach Feststellung des Wahlergebnisses, in Bremen einen Monat nach Ablauf der Wahlperiode, in Hamburg drei Wochen nach der Wahl, in Hessen am 18. Tag nach der Wahl, in Niedersachsen am 30. Tag nach Beginn der Wahlperiode, in Nordrhein-Westfalen am 20. Tag nach der Wahl, in Rheinland-Pfalz am 17. Tag nach der Wahl, im Saarland und in Schleswig-Holstein am 30. Tag nach der Wahl zusammen; mitunter ist dabei ausdrücklich vorgesehen, daß dies jedoch nicht vor Ablauf der alten Wahlperiode geschehen darf, sondern frühestens am Tag danach1• Im Hinblick auf die formelle Diskontinuität ist es auch nicht möglich, daß das vorhergehende Parlament den Zeitpunkt des Zusammentritts des nachfolgenden Parlaments bestimmt. Hier wirkt sich die "Gewaltenteilung in der Zeit"2 aus: Kein Parlament kann das spätere durch parlamentsinterne 1 Art. 39 II GG, § 1 GOBT; Art. 30 III 1 BWV, § 1 BWGO; Art. 16 I 2 BayV, § 1 BayGO; Art. 28 I BerlV, § 10 BerIGO; Art. 81 1 BremV; § 1 HambGO; Art. 83 II HessV; Art. 6 III NdsV; Art. 37 NWV, § 1 NWGO; Art. 83 IV RhPfV, § 1 RhPfGO; Art. 69 II SV; Art. 10 II SHV, § 1 SHGO. 2 Vgl. dazu Kägi, Von der klassischen Dreiteilung zur umfassenden Gewaltenteilung, in: Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit, Festschrift für Hans Huber, Bern 1961, S. 151 (167 f.). Kritisch dazu Achterberg, Probleme der Funktionenlehre, München 1970, S. 110 m. Anm. 11. - Zum
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2. Teil: Das Verfahren in der Vollversammlung
Regelungen binden, wie sich schon allein daraus ergibt, daß zwischen dem früheren und dem späteren Parlament deshalb kein Rechtsverhältnis (hier: Inter-Organ-Verhältnis) bestehen kann, weil beide nicht zu derselben Zeit als Rechtssubjekte vorhanden sind, welche die Endpunkte dieses Rechtsverhältnisses bilden könnten. Gewohnheitsrechtlich beruft der Parlamentspräsident des vorhergehenden Parlaments das nachfolgende Parlament ein; verfassungsrechtlich ist lediglich in Bremen vorgesehen, daß die Einberufung durch den Vorstand, in Hamburg durch den Präsidenten der bisherigen Bürgerschaft erfolgt3• Rechtstheoretisch läßt sich dies dadurch begründen, daß die formelle Diskontinuität bezüglich des Parlamentspräsidenten insoweit (punktuell) suspendiert ist, bis diese Regelung getroffen ist; der vorhergehende Parlamentspräsident wird - ohne Rücksicht darauf, wann die Einberufung vorgenommen wird - (ausschließlich) in Ansehung dieser Maßnahme noch als Organwalter des nachfolgenden Parlaments tätig. Seine (parlamentsextern) durch Wahl zum Abgeordneten und (parlamentsintern) durch solche zum Parlamentspräsidenten begründete Legitimation erstreckt sich gewohnheitsrechtlich auch noch darauf, die Einberufung des nachfolgenden Parlaments vorzunehmen. Dagegen bezieht sich diese Legitimation nicht mehr darauf, auch noch dessen erste Sitzung zu leiten; sie steht vielmehr unter der Leitung des Alterspräsidenten4 • b) Spätere Einberufungen
Im übrigen beruft sich das Parlament selbst ein, indem es den Wiederbeginn seiner Sitzungen bestimmt, auch wenn die Geschäftsordnungen ungenau oftmals von der Einberufung durch den Präsidenten sprechen. Diese Befugnis wird als Selbstversammlungsrecht bezeichnets. Sie gilt gegenwärtig für alle deutschen Parlamente6 und kann als BeAspekt der Zeit im Verfassungsrecht Häberle, Zeit und Verfassung, ZfP XXI (1974), 111, auch in: Probleme der Verfassungsinterpretation, hrsg. DreierSchwegmann, Baden-Baden 1976, S. 293 ff. a Art. 81 2 BremV, 12 I 2 HambV. 4 Vgl. dazu Bleek, Alterspräsident, in: Röhring - Sontheimer, S. 27; Trossmann I, S. 13. 6 Maunz - Dürig - Herzog - Schotz, Art. 39 RdNr. 23; Trossmann I, S. 84, 229, der allerdings der Auffassung ist, das Selbstversammlungsrecht sei durch die Einberufung (sc. Einberufungsbefugnis des Parlamentspräsidenten) durchbrochen. Indessen liegt hierin dann keine Durchbrechung des Prinzips, wenn man davon ausgeht, daß der Parlamentspräsident nicht originär tätig wird (anderenfalls wäre er insoweit übrigens den obersten Bundesorganen zuzurechnen), sondern nur als Organ und damit in dessen Namen, wie im folgenden ausgeführt wird. 'Zur Einberufung des Parlaments die Verfassungsbestimmungen o. Anm. 1, sowie §§ 25 GOBT, 9 I! 1, 77 II! - V BWGO, 97 I! - 100 BayGO (hier besteht eine Einberufungsfrist von 2 Tagen), 56 I, 57 I BerlGO (ebenso), 16 BremGO, 14 I HambGO, 55 I, I! HessGO (hier ist die Einhaltung einer Einberufungsfrist von 6 Tagen vorgeschrieben), 63 I NdsGO, 37 I NWGO
I. Allgemeines
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stand teil der Parlamentsautonomie begriffen werden, die ihrerseits aus der Volkssouveränität folgt7: Während in der Monarchie der Monarch das Parlament einzuberufen pflegte8 , ist in der Demokratie hierin eine Funktionenverschränkung zwischen Exekutive und Legislative zu erblicken, die - falls verfassungsrechtlich vorgesehen - zwar noch keinen verfassungswidrigen Verstoß gegen die Funktionentrennung bedeutete, immerhin jedoch dysfunktional wäre. Entsprechende Exekutivkompetenzen haben sich allerdings rudimentär dann erhalten, wenn der Parlamentspräsident auf Verlangen von Organwaltern der Exekutive ohne eigenen Ermessensspielraum gehalten ist, die Einberufung vorzunehmenD. In der Parlamentspraxis gibt der Parlamentspräsident im allgemeinen vor Schluß jeder Sitzung den durch Vereinbarung im Ältestenrat oder Beschluß der Vollversammlung festgelegten Termin der nächsten Sitzung bekannt. Das Plenum kann den Parlamentspräsidenten aber auch ermächtigen, den Wiederbeginn der Sitzungen von sich aus zu bestimmen; in unaufschiebbaren Fällen oder wenn das Parlament beschlußunfähig istl° oder aber aus einem anderen Grunde nicht entscheiden kann, ist er mitunter auch von Geschäftsordnungs wegen hierzu befugtl l • Die auf Ermächtigung gegründete oder aus anderem Grunde erfolgende Einberufung liegt beispielsweise nahe, wenn in der folgenden Sitzung des Bundestags der Bundeskanzler zu wählen, aber nicht absehbar ist, wann der in der ersten Wahlphase hierzu erforderliche (hier ist die Einhaltung einer Frist von 14 Tagen vorgesehen), 20 I RhPfGO, 27 I SGO, 14 I SHGO. 7 Ebenso Maunz - Dürig - Herzog - Scholz, Art. 38 RdNr. 23, die zutreffend den engen Zusammenhang des Art. 39 III mit Art. 40, 41 GG hervorheben. 8 Vgl. z. B. § 104 RVerfE 1849, Art. 77 I PrVerf 1850, Art. 12 RV 1871. D z. B. ist der jeweilige Parlamentspräsident verpflichtet, den Bundestag auf Verlangen eines Drittels seiner Mitglieder, des Bundespräsidenten oder des Bundeskanzlers (§ 25 II GOBT), den Bayerischen Landtag auf Verlangen eines Drittels der Abgeordneten oder der Staatsregierung (§ 99 BayGO), das Berliner Abgeordnetenhaus auf Verlangen eines Fünftels seiner Mitglieder oder des Senats (§ 56 I BerIGO), den Niedersächsischen und den NordrheinWestfälischen Landtag auf Verlangen eines Viertels der Abgeordneten oder der Landesregierung (§§ 63 III NdsGO, 37 II NWGO), den RheinlandPfälzischen Landtag auf Verlangen der Landesregierung oder von 34 Abgeordneten (§ 20 II RhPfGO), den Saarländischen Landtag auf Verlangen eines Drittels der Abgeordneten oder der Landesregierung (Art. 70 3 SV) einzuberufen. In Bremen hat der Vorstand der Bürgerschaft eine außerordentliche Versammlung einzuberufen, wenn die Bürgerschaft dies beschließt, der Senat es für erforderlich hält oder ein Viertel der gesetzlichen Mitgliederzahl der Bürgerschaft dies beantragt (§ 16 BremGO). 10 Im Bundestag gilt für die Beschlußunfähigkeit § 24 IV 1 GOBT: Der Bundestagspräsident kann dann nur für denselben Tag mit derselben Tagesordnung eine Sitzung einberufen. s. dazu StenBer. BT, 2. WP, 172. Sitzung v. 15.11.1956, S. 9522 C, 173. Sitzung v. 16.11. 1956, S. 9539 D 9542 D, sowie Trossmann II, § 24 RdNr. 22. 11 s. hierzu ausdrücklich §§ 25 I GOBT, 77 IV, V BWGO, 28 II SGO.
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Vorschlag des Bundespräsidenten vorliegen wird. Dasselbe gilt immer dann, wenn am Sitzungsende der Vollversammlung noch nicht erkennbar ist, zu wann die erneute Einberufung des Parlaments sinnvollerweise möglich ist - beispielsweise, weil eine Regierungsvorlage oder ein Ausschußbericht noch aussteht. Die mitunter diskutierte Frage, ob der Parlamentspräsident bei der Einberufung als Organ nur dessen Selbstversammlungsrecht wahrnimmt oder ob er ein eigenes Einberufungsrecht ausübt12 , ist praktisch ohne Bedeutung. Auch wenn dem Präsidenten eine eigene Kompetenz zustände - er in dem Rechtsverhältnis, in dem die Einberufung erfolgt, also nicht als Zurechnungszwischen-, sondern als Zurechnungsendsubjekt aufträte t3 - , besäße er diese nur subsidiär. Vorrangig ist die Einberufungsbefugnis der Vollversammlung, und diese geht nur auf den Parlamentspräsidenten über, wenn er zur Einberufung ermächtigt wird oder in den beiden zuvor genannten Fällen der Beschlußunfähigkeit des Parlaments oder der Unaufschiebbarkeit der Einberufung. Daraus folgt auch, daß der Parlamentspräsident vor dem Schluß der Sitzung solange es also dem Plenum noch möglich ist, die Einberufung vorzunehmen - nicht befugt ist, diese auszusprechen. Entsprechendes gilt für das Einberufungsverlangen einer Abgeordnetenminderheit oder von Exekutivorganen. Solange die Sitzung noch andauert, vermag die Mehrheit noch über die Einberufung des Parlaments zu befinden und ist es daher nicht möglich, daß an ihrer Stelle der Parlamentspräsident auf Minderheitsverlangen oder Exekutivorganwalter-Verlangen die Einberufung vornimmt1'. Der Parlamentspräsident kann während dieser Zeit von keinem Antragsteller hierzu verpflichtet werden, weil er - wie dargelegt - die Einberufungsbefugnis noch gar nicht auszuüben vermag, diese vielmehr allein bei der Vollversammlung liegt. Indessen ist es ohne rechtstheoretische Schwierigkeiten möglich, das Selbstversammlungsrecht des Parlaments auch bei seiner Einberufung durch den Parlamentspräsidenten als gewahrt zu betrachten: Das gilt sowohl dann, wenn der Präsident aufgrund Ermächtigung des Parlaments die Einberufung vornimmt, als auch dann, wenn dies wegen Beschlußunfähigkeit oder Unaufschiebbarkeit der Einberufung geschieht. 12 Im ersten Sinne Groß, Betrachtungen, DVBl. 54, 422; Maunz - DüTig Herzog - Scholz, Art. 39 RdNr. 24, im zweiten Sinne v. Mangoldt - Klein, Art. 39 Anm. V 1 c, wohl auch Trossmann II, § 25 RdNr. 6. 13 Zur Zurechnungszwischen- und -endsubjektivität Achterberg, Die Be-
deutung des Rechtsverhältnisses für die Grundrechtssubjektivität von Organisationen, in: Gedächtnisschrift für Friedrich Klein, München 1977, S. 1 (31 f.); ders., Rechtsverhältnisse als Strukturelemente der Rechtsordnung. Prolegomena zu einer Rechtsverhältnistheorie, Rechtstheorie 9 (1978), 385 (404 f.). 14 Ebenso Trossmann I, S. 84.
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Diese beiden letzten Fälle lassen sich dann entweder als vorausgehende, verfassungsrechtlich oder zumindest geschäftsordnungsmäßig vorgenommene Ermächtigung erklären15 oder aber als stillschweigende, bei Zusammentritt des Parlaments erteilte nachträgliche Ermächtigung deuten16 . Mitunter ist geschäftsordnungsmäßig sogar ausdrücklich vorgesehen, daß der Parlamentspräsident bei selbständiger Anberaumung einer Sitzung die Genehmigung des Parlaments einholen muß17 - Bestätigung dafür, daß das Parlament auch insoweit Herr des Verfahrens bleibt. Aus der verfassungsrechtlichen Vorschrift18, daß der Bundestagspräsident den Bundestag früher einberufen kann, als der Bundestag dies durch Beschluß über den Wiederbeginn seiner Sitzungen bestimmt hat, folgt die Originarität der Einberufungsbefugnis durch den Bundestag jedenfalls noch nicht; die Bestimmung läßt sich unter Berücksichtigung der zuvor angestellten Überlegungen vielmehr durchaus im Sinne der Organtätigkeit des Bundestagspräsidenten für das Plenum deuten. Mit der Parlamentsautonomie und damit letztlich der Volkssouveränität steht nur dieses Verständnis der Einberufungsbefugnis des Parlamentspräsidenten in Einklang. Vorschriften über den Sitzungsort sind verfassungsrechtlich oder geschäftsordnungsmäßig nicht vorgesehen. Seine Bestimmung folgt derjenigen der Zeit der neuen Sitzung 19 • Ohne abweichende Regelung ist davon auszugehen, daß Sitzungsort das Parlamentsgebäude ist. 15 Zumindest im Bundestag ist eine solche, anders als im Reichstag, nicht mehr üblich, Trossmann II, § 25 RdNr. 2.3. 16 Ähnlich nehmen auch v. Mangoldt - Klein, Art. 39 Anm. V 2 b, eine konkludente Zustimmung des Bundestags an, wenn der Bundestagspräsident am Schluß der Sitzung den Zeitpunkt ihres Wiederbeginns bekannt gibt. 17 §§ 25 III GOBT, 20 III RhPfGO. Trossmann I, S. 85, ders. II, § 25 RdNr. 6, bezeichnet diese Vorschrift der Bundestagsgeschäftsordnung als gegenstandslos, weil der Bundestagspräsident das verfassungsmäßige Recht habe, das Parlament früher einzuberufen. Hieraus ergibt sich indessen noch nicht, daß der Parlamentspräsident damit das Selbstversammlungsrecht des Parlaments überspielen kann. Doch wird man, wenn von der Möglichkeit sofortiger Vertagung nicht Gebrauch gemacht wird, hierin eine stillschweigende Genehmigung der Einberufung zu erblicken haben. Ebenso wohl auch Szmula, Einberufung des Bundestages, in: Röhring - Sontheimer, S. 122 (123). 18 Art. 39 IH 2 GG. Trossmann H, § 25 RdNr. 4, erörtert ausführlich die Frage, ob der Bundestagspräsident das Einberufungsrecht auch hat, wenn eine Sitzung geschlossen wird, ohne daß der Termin für die nächste Sitzung festgelegt ist. Er bejaht dies mit der Begründung, daß anderenfalls das parlamentarische Leben gelähmt wäre, weil niemand zur Einberufung des Parlaments befugt wäre. Dem ist zuzustimmen, und auch die zuvor dargelegte Auffassung, daß der Parlamentspräsident in jedem Fall nur als Organ des Parlaments tätig wird, steht dem nicht entgegen. 10 Ebenso v. Mangoldt - Klein, Art. 29 Anm. V 3; Maunz - Dürig - Herzog Scholz, Art. 39 RdNr. 27.
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2. Teil: Das Verfahren in der Vollversammlung
2. Bedeutung der Tagesordnung
Ist das gesamte Parlamentsrecht nicht nur normativ, sondern auch durch die Parlamentspraxis geprägt, die ein das geschriebene Geschäftsordnungsrecht ergänzendes oder sogar abwandelndes Gewohnheitsrecht zu schaffen vermag, so gilt dies in besonderem Maße für denjenigen Teil des Parlamentsrechts, den man als das Recht der Tagesordnung20 bezeichnen kann. Die Parlamentspraxis kennt eine Fülle von Beispielen, in denen geschäftsordnungsmäßig nicht voraussehbare oder zumindest nicht vorausgesehene Besonderheiten bei der Festsetzung und dem Ablauf der Tagesordnung zu Abweichungen von der Geschäftsordnung geführt haben21 , die erst später auch kodifikatorisch berücksichtigt worden sind. Das unterschiedliche Ausmaß der die Tagesordnung betreffenden Vorschriften in den Geschäftsordnungen der deutschen Parlamente 22 indiziert im übrigen eine komplementäre Reichweite parlamentspraktischer Ausfüllung von Normlücken. Die Tagesordnung hat die Bedeutung eines imperativen Plans, also eines verbindlichen "Entwurfs, in dem eine beabsichtigte Handlung bzw. eine Mehrheit von Handlungen sowie das damit verfolgte Ziel gedankl. vorweggenommen werden, um den gewünschten Erfolg möglichst sicher, leicht und rasch zu erreichen"23. Die beabsichtigten Handlungen und das mit ihnen verfolgte Ziel sind die Beratung von Gegenständen und die Beschlußfassung über sie; verbindlich ist dieser Plan deshalb, weil er nicht nur Orientierungsdaten setzt, sondern seine Einhaltung zwingend ist, soweit nicht die Geschäftsordnung Abweichungen zuläßt. Die Tagesordnung ist hinsichtlich ihres planenden Charakters dem Haushaltsplan vergleichbar. Wie dieser wird sie für einen bestimmten Zeitraum aufgestellt, nämlich entweder für den betreffenden Sitzungstag oder - wie sich dies in der Parlamentspraxis zumindest des Bundestags durchgesetzt hat - als "verbundene" oder auch "durchlaufende" für die Sitzungstage einer gesamten Sitzungswoche24 . Außer der Praktikabilität stände nichts im Wege, sie auch über eine längere Zeit20 Vgl. zum folgenden insb. Loewenberg, Parlamentarismus im politischen System der Bundesrepublik Deutschland, Tübingen 1969, S. 254 ff.; Szmula, Tagesordnung, in: Röhring - Sontheimer, S. 462, Trossmann I, S. 237 ff. 21 Beispiele hierfür bei Trossmann II, § 24 RdNr. 1 - 3, 5, 8 - 13. 22 §§ 24 GOBT, 19 BWGO, 102 BayGO, 59 BerlGO, 18 - 22 BremGO, 15 HambGO, 55 II - V, 61 HessGO, 63 - 66 NdsGO, 39 - 41, 45 NWGO, 21 - 24 RhPfGO, 28, 29 SGO, 30, 39, 45 SHGO. 23 So die Definition des Plans bei Herzog, Planung, in: Evangelisches Staatslexikon, hrsg. Kunst - Herzog - Schneemelcher, 2. Aufl., Stuttgart 1975, Sp. 1818 (1818); ähnlich Wolff-Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Aufl., München 1974, § 47 IX a, S. 397. 24 Vgl. Trossmann I, S. 238, Anm. 4; ders. II, § 24 RdNr. 1 (die dort gebrauchte Bezeichnung "überlaufende" Tagesordnung ist nicht geglückt).
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spanne durchlaufen zu lassen. Anders als der Haushaltsplan, in dem die zeitliche Folge der zu leistenden Ausgaben offen bleibt, enthält die Tagesordnung dagegen eine Planung in sachlicher und in zeitlicher Hinsicht: Sie legt für die gesamte Tagesordnungsperiode die Beratungsgegenstände fest und bestimmt zugleich die Reihenfolge ihrer Behandlung. Gerade dieser zeitliche Aspekt ist von erheblicher Bedeutung. Ihm entspricht es auch - da die Tagesordnung möglichst innerhalb der Tagesordnungsperiode erledigt werden soll -, daß in ihr die Beratungsdauer der einzelnen Tagesordnungspunkte und Redezeitbegrenzungen vorgesehen sowie Zahl und Reihenfolge der von den Fraktionen benannten Redner festgelegt werden. Detaillierte Planungen solcher Art vermögen in erheblichem Maße den periodengerechten Ablauf von Tagesordnungen zu fördern, dürfen andererseits den parlamentarischen Handlungsspielraum nicht unzuträglich verengen. Die Beratungsgegenstände brauchen im übrigen nicht in der Reihenfolge ihrer Anmeldung auf die Tagesordnung gesetzt zu werden, sondern es können nach pflichtgemäßem Ermessen dabei andere Kriterien zugrunde gelegt werden: Als solche kommen vor allem rechtliche Gründe in Betracht - wie die Wahrung (verfassungs-)gesetzlich vorgegebener Fristen25 - , aber auch sachliche Aspekte - wie die Dringlichkeit oder der Sachzusammenhang mit anderen Beratungsgegenständen oder das Erfordernis und die Möglichkeit der Anwesenheit von Regierungsmitgliedern - oder sogar politische - Anordnung der Tagesordnungspunkte unter taktischen Erwägungen26 • Der politische Handlungsstil bei der Aufstellung von Tagesordnungen ist ein bisher noch unerforschtes Feld für empirische politikwissenschaftliche Forschungen, die freilich zu berücksichtigen hätten, daß bereits die Aufstellung der Tagesordnung insofern einem Kontrollmechanismus unterliegt, als bei ihr unterschiedliche politische Kräfte zusammenwirken, und die Feststellung der Tagesordnung insofern ebenfalls einem solchen, als hierbei die Vollversammlung die Aufstellung überprüfen und ändern kann. Wie hinsichtlich des Haushaltsplans von einem Budgetkreislauf, läßt sich schließlich hinsichtlich der Tagesordnung von einem Verhandlungskreislauj sprechen: Aufstellung der Tagesordnung, Eröffnung der Beratung, Feststellung der Tagesordnung, Ablauf der Tagesordnung, Schluß der Beratung. Diese fünf Phasen bilden zumindest logisch den Verhandlungskreislauf. Rechtlich können freilich modifizierende Regelungen vorgesehen sein: So verkündete im Reichstag nach der Reichsverfassung 1919 der Reichstagspräsident die Tagesordnung der folgenden Sitzung27 • Das führte zu einer abweichenden Reihenfolge dergestalt, 25 S. 28 !7
dazu u. 3 a.
Ebenso Trossmann H, § 24 RdNr. 2. Szmula, S. 462.
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2. Teil: Das Verfahren in der Vollversammlung
daß noch vor dem Schluß der Beratung die Aufstellung, möglicherweise sogar Feststellung der nächsten Tagesordnung erfolgte. Im Grunde ist aber auch dies nichts Besonderes, sondern entspricht dieser Sachverhalt dem abermals aus dem Haushaltsrecht geläufigen Phänomen, daß die Kreisläufe sich nicht aneinanderreihen, sondern ineinander übergehen. Mit der Bezeichnung als Plan ist die Rechtsnatur der Tagesordnung indessen noch nicht abschließend bestimmt, da der Plan sich anerkanntermaßen den Formtypen der Hoheitsakte entzieht28 und seine Rechtsnatur in jedem einzelnen Fall besonders geklärt werden muß. Zu trennen sind dabei die Aufstellung (der vorläufigen) und die Feststellung (der endgültigen) Tagesordnung. Beide stellen innerparlamentarische Rechtsakte dar, unterscheiden sich jedoch darin, daß die Aufstellung zumeist durch interfraktionelle Vereinbarung erfolgt211 - durch die übrigens auch die Reihenfolge der Redner und die Länge ihrer Reden festgelegt werden können -, die Feststellung dagegen einen Beschluß darstellt. Die aufgestellte (vorläufige) Tagesordnung unterliegt im übrigen der Schriftform: Die Geschäftsordnungen bestimmen, daß die Tagesordnung als Drucksache hergestellt wird und rechtzeitig vor Beginn der Sitzung allen Abgeordneten sowie den Ministern, im Bund auch dem Bundesrat, zugestellt wird. An dieser Drucksache orientiert sich die Feststellung der Tagesordnung30 einschließlich dabei vorgenommener Änderungen, die ihrerseits keiner Schriftform bedürfen. Ebenso kommt es zu keiner schriftlichen Tagesordnung, wenn ausnahmsweise über diese keine Vereinbarung erzielt werden konnte und auch kein Fall gegeben ist, in dem der Parlamentspräsident die Tagesordnung selbständig festsetzen darf. Dann sind Anträge zur Tagesordnung in der Sitzung ad hoc zu stellen31 • 3. Festsetzung der Tagesordnung
Unter dem Oberbegriff "Festsetzung" sollen im folgenden die beiden zuvor genannten Verhandlungskreislaufphasen "Aufstellung" und "Feststellung" der Tagesordnung zusammengefaßt werden. 28 H. M., ebenso ETichsen - MaTtens, Das Verwaltungshandeln, in: Allgemeines Verwaltungsrecht, hrsg. Erichsen - Martens, 3. Aufl., Berlin 1978, § 22, S. 223; FOTsthojj, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd. I, 10. Aufl., München 1973, § 16, S. 310; Wolff - Bachoj, § 47 IX a, S. 397. 29 Vgl. Dammholz, Die interfraktionelle Vereinbarung, Diss., Marburg 1972, S. 6 f., mit zahlreichen Beispielen für die Gegenstände tagesordnungsrelevanter Vereinbarungen im Ältestenrat; LoewenbeTg, S. 154; Szmula, S. 463; TTossmann H, § 24 RdNr. 1. 30 über mögliche Abweichungen von der aufgestellten Tagesordnung s. u. 3, 4. 31 Ebenso TTossmann H, § 24 RdNr. 4.
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a) Aufstellung der Tagesordnung Die Aufstellung der Tagesordnung erfolgt im "präplenaren Raum"32. Anträge auf Aufnahme von Beratungsgegenständen auf die Tagesordnung kann die Regierung, ein Ausschuß, eine Fraktion, eine sonstige Abgeordnetengruppe, aber auch jeder Abgeordnete stellen. Die Anträge werden gesichtet und unter thematischen Gesichtspunkten geordnet. Danach wird der sich über mehrere Wochen erstreckende Arbeitsplan des Parlaments erstellt, innerhalb dessen die Tagesordnungen aufgestellt werden. Die Aufstellung geschieht durch die Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktionen in Absprache mit ihren jeweiligen Fraktionsvorständen durch Vereinbarung im Ältestenrat, falls das Parlament nicht vorher darüber beschließt oder der Parlamentspräsident sie selbständig aufstellt, was bei Ermächtigung durch das Parlament, mitunter auch dann geschehen kann, wenn das Parlament nicht entscheiden kann: Im Bundestag besteht ein selbständiges Aufstellungsrecht des Bundestagspräsidenten, wenn das Plenum aus anderen Gründen als dem der Beschlußunfähigkeit nicht entscheiden kann, also wenn der Bundestag sich vertagt hat, ohne einen neuen Sitzungstermin zu bestimmen oder wenn die Sitzung wegen störender Unruhe aufgehoben wird und eine Vereinbarung im Ältestenrat über Termin und Tagesordnung der nächsten Sitzung nicht zu erzielen ist38 • Bereits vor der Feststellung der Tagesordnung im Plenum kann im übrigen die Aufsetzung, Umstellung oder Absetzung von Tagesordnungspunkten beantragt werden, über die das Plenum dann durch Mehrheitsbeschluß entscheidet. Im Bundestag kann nach Eröffnung der Plenarsitzung, aber vor Eintritt in die Tagesordnung, jeder Abgeordnete deren Änderung - also die Aufsetzung, Umstellung oder Absetzung von Tagesordnungspunkten - beantragen, wenn er diesen Antrag bis spätestens 18.00 Uhr des vorhergehenden Tags dem Bundestagspräsidenten vorgelegt hat. Sinnvoll ist dies vor allem hinsichtlich solcher Tagesordnungspunkte, über deren Aufsetzung im Ältestenrat keine Vereinbarung erzielt werden konnte. Durch die Fristsetzung sollen Überraschungsanträge vermieden werden, durch die Möglichkeit des Änderungsantrags überhaupt aber - gerade bei "verbundenen" Tagesordnungen - erreicht werden, daß für jeden Sitzungstag die Tagesordnung noch ergänzt werden kann, auch ohne daß dies zuvor im Ältestenrat vereinbart wurde. Dies trägt der Aktualität der Tagesordnung und zugleich dem Minderheitenschutz Rechnung und läßt erkennen, daß selbst bei verbundenen Tagesordnungen jeder Sitzungstag als 32 Szmula, S. 264. Allerdings wird das Plenum auch nicht gehindert, sie selbst vorzunehmen, was sich schon allein per argumentum a maiore ad minus aus der Befugnis zur Feststellung der Tagesordnung ergibt. 33 § 24 I i. V. m. § 25 I GOBT.
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2. Teil: Das Verfahren in der Vollversammlung
eine Einheit betrachtet wird. Auf interfraktionellen Vereinbarungen beruhende Anträge sind noch später zulässig34 • b) Feststellung der Tagesordnung
Die Feststellung der Tagesordnung erfolgt durch das Plenum selbst und zwar entweder durch ausdrücklichen, mehrheitlich gefaßten Beschluß oder durch Stillschweigens6 • Sie gilt als festgestellt, wenn die Vollversammlung sich widerspruchslos zum ersten Punkt der Tagesordnung (bei durchlaufenden Tagesordnungen: des betreffenden Sitzungstags) eingelassen hat. Die gedruckte und verteilte Tagesordnung bedeutet demgegenüber erst die aufgestellte, noch nicht aber die festgestellte Tagesordnung. Auch dies läßt den Unterschied zwischen Tagesordnungsperiode und Sitzungstag bei durchlaufenden Tagesordnungen erkennen: Während sich die Aufstellung auf die gesamte Tagesordnungsperiode erstreckt, bezieht sich die Feststellung nur auf den jeweiligen Si tzungstag38 • Bei der Festsetzung der Tagesordnung sind sowohl verfassungsrechtliche, als auch gesetzliche oder geschäftsordnungsmäßige Vorgaben zu beachten. Im Bundestag gilt dies bei der Wahl des Bundeskanzlers beispielsweise für die Wahrung von Fristen bei der zweiten Wahlphase, für die Verpflichtung zur unverzüglichen Anberaumung der dritten nach Erfolglosigkeit der zweiten Wahlphase sowie bei der Abstimmung über die Vertrauensfrage und der Verabschiedung einer nach Erklärung des Gesetzgebungsnotstands abgelehnten und erneut eingebrachten Gesetzesvorlage. Zu beachten ist hier ferner, daß der Einspruch eines Abgeordneten gegen einen Ordnungsruf oder den Ausschluß von der Sitzung auf die Tagesordnung der nächsten Plenarsitzung, der Ausschußbericht - falls es zu einem solchen innerhalb der zweiwöchigen Beratungsfrist nicht kommt: die Vorlage selbst - über als dringlich bezeichnete Zoll vorlagen auf die Tagesordnung der nächsten Plenarsitzung nach Ablauf dieser Frist zu setzen ist, eine Große Anfrage 34 § 24 II GOBT. Die Fristsetzung in der Bundestagsgeschäftsordnung stellt eine Erschwerung gegenüber der Parlamentspraxis des Reichstags nach der RV 1919 dar, in dessen 400. Sitzung v. 22.2. 1924 beschlossen worden war, daß bei beabsichtigten Abweichungen von dem im Ältestenrat vereinbarten Geschäftsplan die betreffende Fraktion "möglichst vorher" den Reichstagspräsidenten und die anderen Fraktionen zu verständigen habe; eine entsprechende Bestimmung enthielt § 14 II GOBT bis zur Parlamentsreform von 1969. - Auch bei Nichteinhaltung der Frist - die demnach nicht als Ausschluß-, sondern nur als Ordnungfrist betrachtet wird - pflegt der Bundestagspräsident nicht rechtzeitig angemeldete Anträge nicht von Amts wegen, sondern nur auf Rüge aus der Mitte des Hauses zurückzuweisen. Vgl. hierzu Trossmann 11, § 24 RdNr. 10 - 12. 35 Bis zur Feststellung bedeutet die aufgestellte Tagesordnung lediglich einen Vorschlag oder Entwurf, ebenso Trossmann I, S. 241. 36 Vgl. dazu Trossmann 11, § 24 RdNr. 6 - 8, 11.
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nach Eingang der schriftlichen Beantwortung auf die Tagesordnung gesetzt wird, eine solche bei Ablehnung der Beantwortung überhaupt oder für die nächsten drei Wochen auf Minderheitenantrag auf die Tagesordnung gesetzt werden muß, ein Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses auf Änderung oder Aufhebung eines vom Bundestag beschlossenen Gesetzes alsbald auf die Tagesordnung des Bundestages zu setzen ist37 • Die in den Landtagsgeschäftsordnungen enthaltenen Vorschriften über die Festsetzung der Tagesordnung weichen von denen in der Geschäftsordnung des Bundestags mitunter scheinbar ab38• Dennoch wird man auch trotz anderen Wortlauts der einschlägigen Bestimmungen nicht annehmen können, daß sich die auf die parlamentarische Tagesordnung beziehende Rechtslage in Bund und Ländern grundlegend voneinander unterscheidet. Auch insoweit wirkt sich vielmehr der bereits erwähnte Umstand aus, daß gerade das Recht der Tagesordnung durch seine Handhabung in der Parlamentspraxis wesentlich mitgeprägt ist, und die hierbei auftretenden Sachgesetzlichkeiten stimmen in den Parlamenten von Bund und Ländern nun einmal zum großen Teil überein. Im einzelnen gelten für die Landtage folgende abweichende Bestimmungen: In Baden-Württemberg ist ausdrücklich vorgesehen, daß dringliche Anträge vor anderen auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung gesetzt werdens9 sowie daß der Landtagspräsident die Tagesordnung mündlich bekannt gibt, wenn für denselben Tag eine weitere Sitzung anberaumt wird. Dies entspricht der Praktikabilität, da es kaum möglich sein wird, in der Kürze der Zeit noch eine Tagesordnung als Drucksache erstellen und verteilen zu lassen. In Berlin ist vorgeschrieben, daß die Verhandlungsgegenstände in der Reihenfolge ihres Eingangs auf die Tagesordnung gesetzt werden, sofern das Abgeordnetenhaus nichts anderes beschließt; dies ist insofern geschehen, als folgende Reihenfolge festgelegt ist: Fragestunde - Aktuelle Stunde Lesung von Gesetzen - Große Anfragen - Anträge. Bis zum Redaktionsschluß eingegangene Gesetzesanträge und Gesetzesvorlagen werden auf die Tagesordnung der übernächsten Sitzung gesetzt, jedoch bereits bis zur nächsten Sitzung zugestellt. Auf einstimmige Empfehlung des 37 Art. 63 III, IV 1, 68 II, 81 II 2 GG, §§ 43, 96 a, 106, 108 GOBT, 10 I 1 GOVA. 38 s. o. Anm. 22. 39 § 56 BWGO. Dringlich sind hiernach entweder solche von Geschäftsordnungs wegen oder solche auf Erklärung: Zur ersten Gruppe zählen diejenigen auf Aufhebung der Immunität eines Abgeordneten, auf Entzug des Vertrauens gegenüber dem Ministerpräsidenten, auf Entlassung eines Ministers, auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, zur zweiten Gruppe solche, die im Ältestenrat durch einmütigen Beschluß oder durch den Landtag für dringlich erklärt werden, sofern sie drei Tage vor der Plenarerörterung eingereicht werden.
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Ältestenrats kann das Abgeordnetenhaus jedoch beschließen, daß ein Gesetzesantrag oder eine Gesetzesvorlage bereits in der gleichen Sitzung behandelt wird. Auch in Bremen ist vorgesehen, daß der Vorstand der Bürgerschaft die Tagesordnungspunkte in der Regel in der Reihenfolge ihres Eingangs auf die Tagesordnung setzt, Mitteilungen des Senats jedoch mit Rücksicht auf die Teilnahme seiner Mitglieder an der Verhandlung voranstellt. Spätestens eine Stunde vor Sitzungsbeginn eingehende Anträge sind in der Versammlung vor Beginn der Beratungen anzuzeigen; die Vollversammlung kann beschließen, als dringlich bezeichnete Anträge nachträglich auf die Tagesordnung zu setzen. In Hessen wird die Tagesordnung in der Regel vom Ältestenrat, bei Dringlichkeit durch den Landtagspräsidenten festgelegt; im zweiten Fall sind hinsichtlich bestimmter Beratungsgegenstände Fristen einzuhalten. In Niedersachsen ist eine ähnliche Reihenfolge der Tagesordnungspunkte wie in Berlin vorgesehen; nach der Aktuellen Stunde ist hier die Beratung der Eingaben eingeschaltet. In Nordrhein-Westfalen kann der Landtag vor Eintritt in die Tagesordnung - mithin: vor Feststellung der Tagesordnung - die Aufsetzung oder Absetzung von Tagesordnungspunkten sowie die Verbindung der Beratung gleichartiger oder verwandter Gegenstände beschließen. In Schleswig-Holstein setzt der Landtagspräsident die Tagesordnungspunkte fest, was indessen nichts anderes bedeuten kann, als daß nicht der Ältestenrat, sondern er sie aufstellt. Die Beratungsgegenstände müssen dabei im allgemeinen vierzehn Tage vorher angemeldet werden, für Ausschußberichte kann diese Frist auf neun Tage verkürzt werden, wenn sie spätestens vierzehn Tage vor der Tagung angekündigt werden; wird die Frist von neun Tagen unterschritten, so kann die Beratung nicht erfolgen, wenn vier Abgeordnete widersprechen. Die Festsetzung der Tagesordnung obliegt auch hier dem Parlament. 4. Ablauf der Tagesordnung a) Begriff
Unter dem Begriff "Ablauf der Tagesordnung" sollen im folgenden alle tagesordnungsrelevanten Vorgänge zusammengefaßt werden, die nach Feststellung der Tagesordnung erfolgen. Dazu gehören insbesondere die Aufsetzung, die Umstellung und die Absetzung von Beratungsgegenständen. Sie können zwar auch schon in der Aufstellungsphase erfolgen und dann die interfraktionelle Vereinbarung über die Tagesordnung modifizieren. Im folgenden geht es jedoch noch um diejenigen, die nach der Feststellung der Tagesordnung vorgenommen werden und hierbei, infolge der erwähnten Natur der Tagesordnung als imperativer Plan, erschwerten Voraussetzungen unterliegen.
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b) Gestaltung
Für den Ablauf der Tagesordnung gilt allgemein,' daß die Tagesordnungspunkte in der Reihenfolge, in der sie auf der Tagesordnung stehen, aufgerufen und beraten werden. Verschiedene Fragen können allerdings auch ohne Aufsetzung auf die Tagesordnung behandelt werden: Dies gilt für amtliche Mitteilungen des Parlamentspräsidenten, Erörterungen und Beschlüsse zur Änderung der Tagesordnung, tatsächliche und persönliche Erklärungen, Äußerungen von Mitgliedern der Regierung - im Bundestag auch von Bundesratsmitgliedern sowie die überweisung keiner Beschlußfassung bedürftiger Regierungsvorlagen an Ausschüsse 40 • Bis zur Abstimmung über einen Beratungsgegenstand kann im übrigen noch der übergang zur Tagesordnung beantragt werden. Wird diesem - anderen Anträgen vorgehenden41 Antrag durch Beschluß des Parlaments stattgegeben, so wird der betreffende Tagesordnungspunkt nicht weiter behandelt, sondern es wird zum nächsten Tagesordnungspunkt übergegangen; für einzelne Beratungsgegenstände (Regierungsvorlage, Aktuelle Stunde, Große Anfrage) ist ein solcher Antrag mitunter ausdrücklich ausgeschlossen42 • Im Falle des Widerspruchs gegen den übergang zur Tagesordnung ist üblicherweise je ein Redner für und gegen den Antrag zu hören43 • Zulässig ist im allgemeinen auch der Beschluß, im Sachzusammenhang stehende Beratungsgegenstände einer gemeinsamen Aussprache zu vgl. z. B. §§ 36, 47, 48 III, 76 II GOBT. Trossmann II, § 29 RdNr. 4. 42 Allgemein gilt folgendes: Unzulässig ist der übergang zur Tagesordnung bei verfassungsrechtlichen Handlungspflichten des Parlaments (z. B. der Wahl des Regierungschefs rso darf der Bundestag nicht über den Vorschlag des Bundespräsidenten zur Wahl des Bundeskanzlers zur Tagesordnung übergehen, um sich damit die zweite Wahlphase zu eröffnen], der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses auf Minderheitenantrag), bei geschäftsordnungsmäßigen Handlungspflichten (z. B. der Entscheidung über einen Ordnungsruf) oder sonstigen Anträgen (auch Geschäftsordnungsanträgen), mit denen Minderheitenrechte geltend gemacht werden. Zulässig ist der Antrag auf übergang zur Tagesordnung im Bundestag bezüglich Vorschlägen des Vermittlungsausschusses, die damit als abgelehnt gelten; allgemein zulässig ist er bezüglich des konstruktiven Mißtrauensvotums. Vgl. hierzu auch Trossmann II, § 29 RdNr. 7.2 -7.8. 43 s. dazu Szmula, S. 463; Trossmann II, 29 RdNr. 3. - Die Frage, ob zu Anderungsanträgen Antrag auf übergang zur Tagesordnung gestellt werden kann, ist - da in der Geschäftsordnung nicht ausdrücklich geregelt - im Bundestag umstritten. Sie wurde im Reichstag nach der RV 1871 (StenBer. RT, X. Legislaturperiode, II. Session, 215. Sitzung v. 13.11. 1902, S. 6377 B 6379 D, 6386, 6392 - 6394, 216. Sitzung v. 14.11. 1902, S. 6405 C, 219. Sitzung v. 21. 11. 1902, S. 6512 B, 6515 A) und im Reichstag nach der RV 1919 (StenBer. RT, III. WP, 117./118. Sitzung v. 10.8.1925, S. 4378 C - 4385 D) für zulässig gehalten; vgl. hierzu auch noch Trossmann II, § 29 RdNr. 7.9. Mit Recht wird der Rückgriff auf die Rechtslage nach der RV 1871 wegen der sessionsweisen Sitzungen und des durch die Diskontinuität ausgelösten Zeitdrucks nicht für zulässig gehalten, sondern stattdessen in den Vordergrund gestellt, 40
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unterziehen44 • Wird der Antrag auf übergang zur Tagesordnung abgelehnt, so darf er im Laufe der Beratung desselben Beratungsgegenstands nicht wiederholt werden46 • (1) Im Bundestag gelten im übrigen folgende Einzelregelungen: (a) Andere als auf der Tagesordnung stehende Gegenstände dürfen nur beraten werden - und dies bedeutet die Aufsetzung als neuer Tagesordnungspunkt auf die Tagesordnung - , wenn nicht fünf anwesende Abgeordnete widersprechen oder die Geschäftsordnung die Beratung außerhalb der Tagesordnung zuläßt48 • Der Widerspruch kann auch erhoben werden, wenn die Aufsetzung eines Tagesordnungspunkts auf die Tagesordnung versehentlich unterblieben ist. Dies kann dadurch eintreten, daß die aufgestellte Tagesordnung den Tagesordnungspunkt noch enthielt, er aber bei der Feststellung der Tagesordnung übersehen wurde; auch dann kann durch einen Widerspruch die Aufsetzung noch verhindert werden, weil für den Tagesordnungsablauf nicht die aufgestellte, sondern die festgestellte Tagesordnung maßgebend ist. Um eine Sonderregelung hierzu handelt es sich bei der Vorschrift, daß die dritte Beratung eines Gesetzentwurfs unmittelbar nach Abschluß der zweiten Beratung erfolgt, wenn in dieser keine Änderungen beschlossen worden sind. Ob dies zutrifft, ist bei Feststellung der Tagesordnung daß das verfassungsrechtlich verbürgte Rederecht des Antragstellers hierdurch verkürzt werden könnte (Trossmann, ebda.). Indessen ist auch dies nicht schlüssig, wenn der Änderungsantrag wenigstens noch begründet werden kann. Unter dieser Voraussetzung bestehen gegen den Antrag auf übergang zur Tagesordnung auch bei Änderungsanträgen keine Bedenken. 44 Vgl. § 28 GOBT. Auch wenn geschäftsordnungsmäßig nur die gemeinsame Beratung beschlossen werden kann, wird man dies auf die Abstimmung erstrecken dürfen, die also ebenfalls en bloc zulässig ist, sofern kein Abgeordneter widerspricht (vgl. dazu StenBer. BT, 7. WP, 48. Sitzung v. 13.9. 1973, S. 2807 D - 2808 D, sowie Trossmann H, § 28 RdNr. 4, 5 m. weit. Hinweisen). 45 Vgl. hierzu § 29 GOBT. Der Antrag auf übergang zur Tagesordnung kann - dies entspricht auch der Parlamentspraxis - als Geschäftsordnungsantrag mündlich gestellt werden, obwohl er materielle Auswirkungen insofern hat, als damit die weitere Behandlung des Beratungsgegenstands abge~ lehnt wird, was im Bundestag zugleich das Problem des Stimmrechts der Berliner Abgeordneten aufwirft (dazu Trossmann H, § 29 RdNr. 5). Zum übergang zur Tagesordnung bei Vorschlägen des Vermittlungsausschusses, der zulässig ist, weil in ihm zugleich die Ablehnung in der Sache liegt, Trossmann H, § 29 RdNr. 7.2. Bis zur Abstimmung über den Beratungsgegenstand kann der Antrag jederzeit gestellt werden, also auch sofort nach Aufruf des Tagesordnungspunkts, bevor noch seine Beratung begonnen hat, doch darf durch ihn eine gewünschte Begründung, die aus dem Rederecht des Abgeordneten folgt, nicht verhindert werden (ebenso Trossmann H, § 29 RdNr.2). 48 § 24 IH GOBT. Der Widerspruch hindert bei durchlaufender Tagesordnung nur die Aufsetzung für den betreffenden Sitzungstag (so auch Trossmann I, S. 238), nicht also für einen späteren Sitzungstag derselben Tagesordnungsperiode.
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nicht absehbar; tritt diese Situation jedoch ein, so ist der unmittelbare Anschluß der dritten Beratung vorgeschrieben, ohne daß er durch den sonst möglichen Widerspruch von Abgeordneten verhindert werden könnte47 • Die noch zu erörternde Möglichkeit der Absetzung von der Tagesordnung wird hierdurch jedoch nicht berührt. - Die Beratung von Tagesordnungspunkten außerhalb der Tagesordnung ist geschäftsordnungsmäßig insoweit erlaubt, wie es sich um selbständige Anträge ohne Gesetzentwurf handelt. Sie können besprochen - jedoch nicht der Abstimmung unterzogen - werden, sofern nicht fünf Mitglieder des Bundestags dem widersprechen48 • (b) Anträge auf Umstellung von Tagesordnungspunkten sind demgegenüber auch nach Feststellung der Tagesordnung zulässig 49 und können mit Mehrheit der anwesenden Mitglieder beschlossen werden. Die Vorschrift, daß Änderungen der Tagesordnung - zu denen auch die Umstellung gehört - bis spätestens 18.00 Uhr des Vortags dem Bundestagspräsidenten angezeigt werden müssen, steht dem nach ihrem W ortlaut zwar entgegen, doch wird sie im Bundestag mit Recht auf die Umstellung nicht angewandt, weil sie ihrem Zweck nach nur überraschende Aufsetzungen verhindern will. Umstellungen können sich im Ablauf der Tagesordnung beispielsweise als zweckmäßig erweisen, wenn bei der Behandlung eines Tagesordnungspunkts Fragen berührt werden, die erst Gegenstand eines späteren Tagesordnungspunkts sind. (e) Absetzungen von der Tagesordnung können - soweit die Geschäftsordnung nichts Gegenteiliges bestimmt - jederzeit von der Vollversammlung beschlossen werden, so daß die Änderung der Tagesordnung nicht nur in der Festsetzungsphase, sondern noch in der Ablaufphase möglich ist. Will der Bundestagspräsident die Absetzung eines Beratungsgegenstands erzielen, so kann er dies der Vollversammlung nur vorschlagen, den Beschluß hierüber faßt allein sie50 • Anträge auf Absetzung unterliegen wie solche auf Umstellung von Tagesordnungspunkten nicht der Einschränkung, daß sie unter der für Anträge auf Änderung der Tagesordnung genannten Frist gestellt werden müßten. Geschäftsordnungsmäßig ausgeschlossen ist die Absetzung von Tagesordnungspunkten hinsichtlich selbständiger Anträge, die in Fraktionsmindeststärke gestellt werden, des Einspruchs gegen einen Ordnungsruf oder den Ausschluß von der Sitzung, einer ZollvorVgl. dazu § 85 I b GOBT und dazu Trossmann Ir, § 85 RdNr. 3.2. IrI i. V. m. § 99 Ir GOBT. 4' Vgl. z. B. StenBer. BT, 7. WP, 103. Sitzung v. 22.5.1974, S. 6893 D - 6894 B; Trossmann Ir, § 24 RdNr. 15. 60 Ebenso Trossmann Ir, § 24 RdNr. 21. Der Bundestagspräsident ist im übrigen ermächtigt, bei Beschlußunfähigkeit für denselben Tag mit derselben Tagesordnung eine neue Sitzung einzuberufen (§ 24 V 1 GOBT). s. dazu auch Trossmann I, S. 239. 47
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§ 24
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lage ohne Ausschußbericht, eines in Fraktionsmindeststärke gestellten Antrags auf Beratung einer Großen Anfrage, deren Beantwortung die Bundesregierung überhaupt oder für die nächsten drei Wochen abgelehnt hat, beschränkt - nämlich nur einmal - möglich ist die Absetzung einer als dringlich bezeichneten Gesetzesvorlage der Bundesregierung nach Erklärung des Gesetzgebungsnotstands. In solchen Fällen korrespondiert mit dem Aufsetzungsgebot ein Absetzungsverbot. (2) In den Landtagen gelten für den Ablauf der Tagesordnung folgende ergänzende oder abweichende Regelungen51 : In Bayern kann die Tagesordnung während der Sitzung nur geändert werden, sofern nicht eine Fraktion oder zwanzig Abgeordnete dem widersprechen; hier ist also eine verhältnismäßig große Sperrminorität erforderlich. Umstellungen von Tagesordnungspunkten können mit Abstimmungsmehrheit beschlossen werden. In BerUn ist die Aufsetzung von Beratungsgegenständen auf die Tagesordnung ohne Antragsfrist auf Beschluß des Abgeordnetenhauses möglich; im Einvernehmen mit dem Ältestenrat kann der Präsident Gegenstände der Tagesordnung außer der Reihe behandeln, das Abgeordnetenhaus kann auch die Umstellung von Tagesordnungspunkten beschließen. Dringliche Senatsanträge sind hier - wie auch in Hamburg - vor allen anderen Gegenständen zu verhandeln. Dort sollen ferner Nachträge nur im Einvernehmen mit dem Ältestenrat auf die Tagesordnung gesetzt werden; ohne einen solchen Nachtrag können sie nicht verhandelt werden. In Hessen ist ausdrücklich vorgesehen, daß dringliche Initiativen auch noch nach Feststellung der Tagesordnung auf diese gesetzt werden können, sofern diese noch nicht erledigt ist; dringlich sind hier Anträge, dem Ministerpräsidenten das Vertrauen auszusprechen oder zu versagen, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, aus der Mitte des Landtags eingebrachte Gesetzentwürfe, sofern sie von den Initiatoren als dringlich bezeichnet sind und der Landtag die Dringlichkeit bejaht, sowie unter denselben Voraussetzungen Anträge mit dem Verlangen, sie zunächst im Landtag und nicht in einem Ausschuß zu erörtern. In Niedersachsen ist der Präsident ermächtigt, eine vom Landtag beschlossene Tagesordnung zu erweitern; die Aufsetzung von Beratungsgegenständen auf die Tagesordnung ist hier auf Vorschlag des Präsidenten oder auf Antrag einer Fraktion oder von zehn Abgeordneten nur möglich, sofern nicht zehn Abgeordnete widersprechen; Umstellung und Absetzung haben die gleichen Voraussetzungen, ohne daß jedoch eine Sperrminorität vorgesehen ist. In N ordrhein-Westfalen darf die Tagesordnung während der Sitzung nicht ergänzt werden, wenn fünf anwesende Abgeordnete widersprechen, in Rheinland-Pfalz ist eine 51
s. o. Anm. 22.
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Sperrminorität von acht Abgeordneten vorgesehen. Im Saarland kann die Absetzung nur auf Antrag einer Fraktion oder von mindestens fünf Abgeordneten erfolgen und gegen den Widerspruch des Einbringers des betreffenden Beratungsgegenstands lediglich, wenn dieser das Wort zur Begründung seiner Vorlage erhalten hat. In Schleswig-Holstein ist die Aufsetzung eines Tagesordnungspunkts nur möglich, wenn der Landtag mit Zwei-Drittel-Mehrheit der Abgeordneten dessen Dringlichkeit bejaht. 5. Schluß der Sitzung und verwandte Institute
Dem Umstand entsprechend, daß das Parlament selbst Herr seines Verfahrens ist, bestimmt dieses auch den Schluß der Sitzung. Von dieser zu unterscheiden sind jedoch der Schluß der Aussprache, der Schluß der Beratung, die Vertagung eines Beratungsgegenstands sowie die Vertagung der Sitzung52 : a) Schluß der Aussprache Der Parlamentspräsident erklärt infolge seiner Leitungsgewalt den Schluß der Aussprache, sofern die Rednerliste erschöpft ist oder sich niemand mehr zu Wort meldet; in Bayern können Anträge auf Schluß der Aussprache nach Schluß der Rednerliste oder Verkürzung der Redezeit mit Unterstützung von fünfzig Abgeordneten gestellt werden. Bestehen Zweifel an der Erschöpfung der Rednerliste, so hat der Parlamentspräsident eine "aussprachefreundliche" Entscheidung zu treffen, um das zum verfassungs rechtlichen Status des Abgeordneten zählende Rederecht53 nicht zu schmälern. Mitunter ist vorgesehen, daß der Schluß der Aussprache erst zulässig ist, wenn mindestens ein Abgeordneter oder sogar ein Abgeordneter jeder Fraktion die Möglichkeit hatte, das Wort zu nehmen. Nach Schluß der Aussprache ist keine Worterteilung mehr zulässig, falls nicht die Vorschrift eingreift, daß bei der Beratung von Anträgen auch nach Schluß der Aussprache - das bedeutet also: nach einer entsprechenden Erklärung des Parlamentspräsidenten 52 Vgl. zum folgenden Art. 39 III 1 GG, §§ 30, 31 GOBT; Art. 30 IV 1 BWV, §§ 81, 85, 86 BWGO; Art. 17 III BayV, §§ 101, 102 IV, 106 III BayGO; §§ 62 II - V BerlGO; Art. 92 I BremV, §§ 38 II, III, 39 II BremGO; § 20 IV, V HambGO; Art. 83 IV HessV, §§ 57, 58, 60 HessGO; Art. 6 IV 1 NdsV, §§ 74, 78 II, III NdsGO; §§ 46, 47 NWGO; Art. 83 VI RhPfV, §§ 25, 26 RhPfGO; Art. 702 SV, §§ 27 I, III, 29 IV SGO; §§ 44 I, 45 IV SHGO.
53 BVerfGE 2, 143 (171: "Angelpunkt einer demokratisch-parlamentarischen Verfassung"); 10, 4 (12), dort auch Ausführungen zur gleichwohl bestehenden Zulässigkeit der Verkürzung von Redezeiten, um die parlamentarische Verhandlung nicht zu gefährden (13 ff.). - Im britischen Parlamentsrecht dienen dem gleichen Zweck sowohl die "closure" (Antrag, "daß nun zur Abstimmung geschritten wird") als auch die "guillotine" (Aufstellung eines genauen Zeitplans für die Verabschiedung eines umstrittenen Gesetzes), vgl. dazu Jennings - Ritter, Das britische Regierungssystem, 2. Aufl., KölnOpladen, 1970, S. 186 ff. s. zur Redezeit des näheren u. II 1 c.
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Antragsteller und Berichterstatter das Wort ergreifen könnens4 • Die Worterteilung in diesem Sinne erfolgt nur zu einem Schlußwort. Demgemäß wird mit ihr nicht wieder die Beratung eröffnet, was der Antragsteller oder Berichterstatter bei seinen Formulierungen berücksichtigen muß; ein weiterer Redner, der zu dem Schlußwort etwa noch Stellung nehmen will,darf das Wort nicht mehr erhalten. In der dritten Beratung eines Gesetzentwurfs hat die Erteilung des Schlußworts nach Schluß der Aussprache im übrigen keine Bedeutung mehr, wenn - wie es der Praxis des Bundestags entspricht - noch im Rahmen der Aussprache alle Fraktionen Gelegenheit zur abschließenden Stellungnahme hatten55 • b) Schluß der Beratung
Der Schluß der Aussprache bedeutet zugleich Schluß der Beratung, wenn auf diese nicht noch eine Abstimmung folgt. Anderenfalls gehört diese noch zur Beratung des betreffenden Gegenstands. Schluß der Aussprache bedeutet ferner dann nicht Schluß der Beratung, wenn nach dieser noch ein Mitglied der Regierung - im Bundestag auch: des Bundesrats - das Wort ergreift. Dies ist möglich, weil Regierungsmitglieder von Verfassungs wegen im Parlament jederzeit gehört werden müssen58 • In einem solchen Fall ist es sinnvoll und geschäftsordnungsmäßig auch vorgesehen, daß danach die Aussprache wieder aufgenommen wird; sie ist kraft ausdrücklicher Bestimmungen ipso iure wieder eröffnet, ohne daß es dazu eines besonderen Antrags oder gar Beschlusses bedürfte. Mitunter ist bestimmt, daß Schluß der Beratung nur beantragt werden kann, wenn alle Fraktionen und Gruppen zur Darlegung ihres Standpunkts Gelegenheit hatten. Ebenso ist mitunter ausdrücklich vorgeschrieben, daß ein entsprechender abgelehnter Antrag erneut gestellt werden kann, wenn mindestens ein weiteres Mitglied gesprochen hat. Das dient der Konzentration des Verfahrens. 54 Bedenken gegen die Regelung des. § 33 III 2 GOBT bei Trossmann II, § 30 RdNr. 3, § 33 RdNr. 18, weil nicht erkennbar sei, in welcher Phase der Beratungen (ob etwa nur vor der Sachentscheidung oder auch vor der Ausschuß überweisung [so StenBer. BT, 1. WP, 40. Sitzung v. 23.3. 1950, S. 1353 C, 1354 D]) das Schlußwort verlangt werden kann. Da nach hier vertretener Auffassung die Beratung (d. h. die Behandlung eines Beratungsgegenstands) sowohl Aussprache als auch Abstimmung umschließt, wird man § 33 III 2 GOBT ohnedies restriktiv im Sinne "nach Schluß der Aussprache" zu interpretieren haben (im Ergebnis ebenso Trossmann I, S. 224; ders. II, §33 RdNr.19). 65 Ausführlich hierzu Trossmann II, § 33 RdNr. 19. 51 s. dazu des näheren BVerfGE 10, 17 f. (die Grenze des jederzeitigen Rederechts stellt hiernach lediglich das Mißbrauchsverbot dar, gegen das jedenfalls verstoßen ist, wenn die parlamentarische Verhandlung hierdurch lahm gelegt wird; divergierende Auffassungen hierüber können - freilich nur mit Wirkung pro futuro - im Organstreit vor dem Bundesverfassungsgericht geklärt werden).
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Vor dem Schluß der Aussprache kann bereits auf Minderheitenantrag - der im Bundestag der Unterstützung einer Abgeordnetengruppe in Fraktionsstärke, beispielsweise in Hamburg derjenigen einer Abgeordnetengruppe von zehn Abgeordneten, in Rheinland-Pjalz derjenigen einer Abgeordnetengruppe von acht Abgeordneten bedarf und als Geschäftsordnungsantrag durch Zuruf gestellt werden kann - der Schluß der Beratung beschlossen werden. Bei der Beratung von Gesetzentwürfen ist ein solcher Antrag erst zulässig, wenn nach dem Antragsteller oder Berichterstatter mindestens ein Abgeordneter das Wort hatte; dies gilt für sämtliche Beratungen des Gesetzentwurfs. c) Vertagung eines Beratungsgegenstands
Auf Minderheitenantrag kann ferner die Vertagung eines Beratungsgegenstands beschlossen werden. Dieser wird dann in der betreffenden Sitzung nicht weiter behandelt, sondern in einer späteren wieder aufgegriffen. Im allgemeinen bleibt dabei offen, wann dies geschehen soll; doch ist es auch zulässig, mit dem Geschäftsordnungsantrag auf Vertagung denjenigen auf Weiterbehandlung in einer bestimmt bezeichneten Sitzung zu koppeln; dann kann auf Beschluß des Plenums über beide Anträge getrennt oder auch gemeinsam abgestimmt werden 57 • Auch der Antrag auf Vertagung ist Geschäftsordnungsantrag; über ihn wird, wie über jeden derartigen, nach einer etwaigen Geschäftsordnungsdebatte sofort abgestimmt58 • Der Vertagungsantrag kann erst nach Eintritt in die Beratung gestellt werden, nicht dagegen sofort nach Aufruf des Tagesordnungspunkts und vor Eröffnung der Beratung. Dann ist nicht er, sondern ein Absetzungsantrag, der keiner Unterstützung bedarf, das richtige und mögliche Mittel, um die Beratung des Tagesordnungspunkts zu verhindern. Hat die Beratung dagegen schon begonnen, so ist kein Absetzungsantrag, sondern nur noch ein Vertagungsantrag zulässig, der dann die erwähnte Unterstützung durch eine Abgeordnetengruppe benötigt. Sollte ein Abgeordneter durch eine auf den Aufruf des Tagesordnungspunkts zu schnell folgende Erklärung des Parlamentspräsidenten, die Aussprache zu eröffnen, an der Stellung des Absetzungsantrags gehindert sein, so muß der Parlamentspräsident ihm auch noch sofort nach Eröffnung der Aussprache die Möglichkeit hierzu einräumen. Anderenfalls wäre die Antragsbefugnis des Abgeordneten unzulässig beschränkt, da dieser dann nur noch einen - überdies von der erwähnten Unterstützung durch eine Abgeordnetengruppe abhängigen - Vertagungsantrag stellen könnteS8 • 57 58 59
Ebenso Trossmann 11, § 30 RdNr. 14. Trossmann 11, § 30 RdNr. 5. So auch Trossmann 11, § 30 RdNr. 6.
2. Teil: Das Verfahren in der Vollversammlung
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Für die Zulässigkeit des Vertagungs antrags kommt es hiernach entscheidend darauf an, wann die Beratung eröffnet ist. Dies ist noch nicht der Fall, wenn der betreffende Tagesordnungspunkt aufgerufen ist, sondern erst wenn dem Antragsteller, dem Berichterstatter oder einem sonstigen Redner das Wort zur Sache erteilt ist; bezüglich eines Regierungsrnitglieds wird dies angenommen, wenn es das Wort zum Beratungsgegenstand und nicht außerhalb der Tagesordnung erhalten hat. Hiergegen sind freilich insofern Bedenken zu erheben, als es um die Beratung des Parlaments und damit der Abgeordneten geht, so daß die Rede eines Regierungsmitglieds nicht Beratung des Parlaments bedeutet. Noch keine Eröffnung der Beratung sind auch amtliche Mitteilungen des Parlamentspräsidenten oder Anträge und Bemerkungen zur Geschäftsordnung 60 • Der Vertagungsantrag ist im übrigen in einigen Fällen unzulässig: Zum ersten gilt dies, wenn ein Minderheitenrecht auf Aussprache besteht; dann ist er erst gestattet, wenn zumindest ein Redner das Wort gehabt hat61 • Zum zweiten ist der Antrag nicht zulässig, nach Einzelberatung der Vorschriften eines Gesetzentwurfs die Abstimmung hierüber zu vertagen. Das ergibt sich nicht nur daraus, daß es sinnwidrig ist, die Verhandlungen über die Bestimmungen eines Gesetzentwurfs derart aufzuspalten, sondern folgt schon allein daraus, daß Aussprache und Abstimmung gleichermaßen Bestandteile desselben Tagesordnungspunkts sind und nur dessen Vertagung insgesamt, nicht aber allein eines seiner Teile beantragt werden kann62 • Zulässig ist demgegenüber die Vertagung der Aussprache über eine Regierungserklärung 83 • Ein zulässiger Antrag auf Schluß der Beratung geht - da weiterreichend - dem Vertagungsantrag bei der Abstimmung vor, ein - beispielsweise deswegen, weil noch kein Redner zur Sache gesprochen hat -, unzulässiger ist demgegenüber nachrangig, weil die Geschäftsordnung nicht gebietet, mit der Abstimmung über einen VertagungsTTossmann!I, § 30 RdNr. 7. Beispiele hierfür bilden §§ 48 !II 1, 78 1, 80 I 2, 85 2, 106 3, 108 2, 116 !II 2, 3 GOBT. 12 Dem steht nicht entgegen, daß nach § 88 3 GOBT die Schluß abstimmung bei der Änderung der Beschlüsse der zweiten in der dritten Beratung ausgesetzt werden kann: Hier handelt es sich um eine ausdrückliche Regelung für einen Sonderfall, der ausdehnender Auslegung nicht fähig ist (insoweit bestehen Bedenken gegen die bei TTossmann II, § 88 RdNr. 2, vertretene wenn auch sicherlich praktischen Bedürfnissen Rechnung tragende - Auffassung). 83 TTossmann II, § 30 RdNr. 16. Das bedeutet allerdings nicht, daß die Regierungserklärung selbst vertagt werden darf; insoweit steht das verfassungsgesetzliche Recht der Regierungsmitglieder auf jederzeitiges Gehör vor dem Parlament entgegen. 10
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H. Redeordnung; Bemerkungen, Erklärungen; Anträge
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antrag solange zu warten, bis ein zulässiger Antrag auf Schluß der Beratung vorliegt 64 • d) Vertagung der Sitzung
Sind noch nicht alle Beratungsgegenstände außer einem einzigen erschöpft, so kann auch eine Vertagung der Sitzung, also aller noch nicht erledigten Beratungsgegenstände, beantragt werden. Im Bundestag bedarf dies eines Beschlusses der Vollversammlung auf Vorschlag des Parlamentspräsidenten oder auf Antrag einer Abgeordnetengruppe in Fraktionsmindeststärke. Der Vorschlag oder Antrag kann mit dem~ jenigen verbunden werden, die nächste Sitzung zu einem bestimmten Termin einzuberufen65 • e) Schluß der Sitzung
Der Schluß der Sitzung66 wird gleichfalls entweder durch das Parlament selbst beschlossen oder im Rahmen seiner Leitungsgewalt durch den Parlamentspräsidenten erklärt. Zu einer solchen Erklärung kommt es, wenn sämtliche Tagesordnungspunkte behandelt sind, ohne daß ein Vertagungsantrag gestellt worden ist. Die Erklärung wirkt konstitutiv, und zwar ohne daß das Parlament hierüber Beschluß zu fassen hätte. Seine Funktion als Herr des Verfahrens wird hierdurch nicht berührt, weil der Parlamentspräsident insoweit kraft der ihm verfassungsrechtlich eingeräumten Befugnis als Organ des Parlaments mit Wirkung für dieses tätig wird.
11. Redeordnung; Bemerkungen, Erklärungen; Anträge 1. Redeordnung
a) Wortmeldung, Worterteilung
Grundregel der Redeordnung1 ist, daß niemand das Wort ergreifen darf, bevor der Parlamentspräsident in Ausübung seiner Leitungsbefugnis es ihm erteilt hat!. Das gilt von Geschäftsordnungs wegen für Ebenso Trossmann H, § 30 RdNr. 17.3. § 31 GOBT. - Vgl. dazu Trossmann II, § 30 RdNr. 11, § 31 RdNr. 3, 4. es Vgl. dazu v. Mangoldt - Klein, Art. 39 Anm. V 2 b; Maunz - Dürig - Herzog - Scholz, Art. 39 RdNr. 26; Trossmann I, S. 224. 1 Vgl. dazu Mielke, Wortmeldung, Worterteilung, Wortentziehung, in: Röhring - Sontheimer, S. 542; Trossmann I, S. 299 ff. 2 §§ 32 I 1 GOBT, 82 I BWGO, 104 I BayGO, 63 I BerlGO, 43 I BremGO, 62 III 1 HessGO, 69 III NdsGO, 58 I NWGO, 27 I 1 RdPfGO, 38 I SGO, 46 I SHGO. s. dazu auch Trossmann II, § 32 RdNr. 1. - Will der Parlamentspräsident sich selbst an der Aussprache beteiligen, so muß er während dieser Zeit den Vorsitz abgeben. M
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2. Teil: Das Verfahren in der Vollversammlung
die Abgeordneten. Für im Parlament anwesende Regierungsmitglieder kann eine derartige Bestimmung dagegen nicht aus der Geschäftsordnung abgeleitet werden 3 , weil diese das Inter-Organ-Verhältnis zwischen Parlament und Regierung nicht zu regeln vermag; sie ist hier daher nur aus Gewohnheitsrecht ableitbar. Das Recht auf jederzeitiges Gehör wird dadurch insofern nicht verletzt, als der Parlamentspräsident wegen dieser Befugnis zur Worterteilung verpflichtet ist. Die Worterteilung erfolgt im allgemeinen aufgrund schriftlicher Wortmeldung bei dem Schriftführer, der die Rednerliste führt, mitunter auch bei einem sonstigen Vorstandsmitglied. Nur dann besteht Anspruch auf Worterteilung in der Zeit zwischen der Eröffnung und dem Schluß oder der Vertagung der Beratung. Auch Wortmeldungen durch Zuruf oder auf Zeichen werden in der Parlamentspraxis durch die Schriftführer oder den Parlamentspräsidenten oftmals berücksichtigt; dann ist der Formmangel der Wortmeldung geheilt. Anders als bei schriftlicher Wortmeldung besteht in diesem Fall aber kein Anspruch auf die Worterteilung, der im übrigen als Rederecht des Abgeordneten zu dessen verfassungsrechtlichem Status gehört'. Mitunter ist die Möglichkeit der Abtretung von Wortmeldungen an andere Abgeordnete vorgesehen6 • Durch Zuruf sind Wortmeldungen zulässig zu Bemerkungen zur Geschäftsordnung und zu persönlichen Bemerkungen. In der Parlamentspraxis werden sie überdies bei Geschäftsordnungsanträgen - die nicht dasselbe sind wie Bemerkungen zur Geschäftsordnung - gestattet, so beispielsweise bei der Bezweifelung der Beschlußfähigkeit, dem Antrag auf Teilung der Frage sowie demjenigen auf namentliche Abstimmung6 • Durch Zeichen erfolgt die Wortmeldung zu Zwischenfragen. Nach den hierfür im Bundestag geltenden Richtlinien geschieht dies dadurch, daß der betreffende Abgeordnete an das nächstgelegene Mikrofon tritt und gegen den Parlamentspräsidenten gewandt die Hand hebt. Sodann unterbricht dieser den Redner, sobald er den Satz beendet hat, mit den Worten: "Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage?" Dieser beantwortet bejahend mit: "Bitte, Herr Präsident", verneinend: "Herr Präsident, ich bedauere." Im ersten Fall ist die Antwort des Redners zugleich Leerlaufend daher § 82 III BWGO. §§ 32 I 3 GOBT, 82 I BWGO, 104 III BayGO, 63 I BerlGO, 40 I BremGO (Wortmeldung durch Erheben vom Sitz), 21 I HambGO, 62 I HessGO, 69 II NdsGO, 58 I NWGO, 27 12 RhPfGO, 38 II SGO, 46 II SHGO. s. dazu Trossmann II, § 32 RdNr. 2, 3. 5 §§ 105 BayGO, 63 III 2 BerlGO, 21 III HambGO. e Vgl. als Beispiele §§ 49 II 1, 53 1, 57 1 GOBT und dazu TrQssmann II, § 32 RdNr. 4. 3
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H. Redeordnung; Bemerkungen, Erklärungen; Anträge
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die auf ihn delegierte Worterteilung durch den Präsidenten7 , wobei der Redner aber auch dann noch die Beantwortung der gestellten Frage ablehnen kann. Im zweiten Fall ist bereits die Fragestellung ausgeschlossen; der betreffende Abgeordnete hat sich dann ohne weitere Bemerkungen wieder auf seinen Platz zu begeben. Bleibt der Abgeordnete nach erteilter Antwort auf seine Zwischenfrage am Mikrofon stehen und hebt er erneut die Hand, so bedeutet dies, daß er eine Zusatzfrage zu stellen wünscht. Sie wird mit den Worten eingeleitet: "Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zusatzfrage?", auf die der Redner antwortet: "Bitte" oder "Ich bedauere"8. Diese Einräumung der Zusatzfrage bedeutet keine erneute Worterteilung, sondern wird von der bereits erfolgten umschlossen. Zwischenfragen sind nur während der Aussprache zulässig, nicht vor ihrer Eröffnung oder nach ihrer Beendigung. Als vor der Aussprache liegend sind sie demgemäß unzulässig während der Begründung eines selbständigen Antrags mit oder ohne Gesetzentwurf. Weiterhin sind sie nicht erlaubt während der Berichterstattung über einen an einen Ausschuß überwiesenen Gegenstand. Als nach der Aussprache liegend sind Zwischenfragen nicht gestattet, wenn das Wort zu einer persönlichen Bemerkung, einer persönlichen Erklärung oder einer tatsächlichen Erklärung erteilt ist. Bei letzterer besteht freilich die Grenze, daß die Wahl tatsächlicher Erklärungen statt kontrovers geführter Aussprachen, wie sie mitunter durch interfraktionelle Vereinbarungen erfolgt, nicht der Ausschaltung von Zwischenfragen dienen darf; in solchen Fällen sind sie zulässig, weil die tatsächlichen Erklärungen hier nicht solche "außerhalb der Tagesordnung" - und damit der Aussprache -, sondern solche anstelle der Aussprache sind 9 • Zwischenfragen dürfen ferner nicht gestellt werden, sofern eine Aussprache über einen Gegeristand überhaupt unzulässig ist. Das gilt beispielsweise bei der Wahl des Bundeskanzlers oder der Abstimmung über den Einspruch des Bundesrats gegen ein vom Bundestag beschlossenes Gesetz10 • Unzulässig sind Zwischenfragen in Fragestunden - insoweit gehen die Richtlinien für die Fragestunde als speziellere Regelungen vor -, unzulässig sind sie auch in Aktuellen 7 Die Erteilung des Worts in der Vollversammlung steht dem Parlamentspräsidenten aufgrund seiner Leitungsbefugnis zu, nicht aber einem Redner, so daß in diesem Fall die Annahme einer Delegation dogmatisch unerläßlich ist. 8 s. dazu die auf Vereinbarung im Ältestenrat vom 26. 1. 1955 beruhenden Richtlinien über die Handhabung der Zwischenfragen in den Plenarsitzungen, abgedr. in: Recht und Organisation der Parlamente, S. 090657, sowie bei Trossmann H, Anhang zu § 32. Vgl. auch Trossmann I, S. 312 f.; ders. H, § 32 RdNr. 6, 7. Ausdrückliche Bestimmungen über Zwischenfragen finden sich in §§ 118 BayGO, 44 BremGO, 24 HambGO, 69 HessGO, 65 NWGO, 34 RhPfGO. g Trossmann H, Anhang zu § 32, Anm. A 2 - 2.7. 10 Art. 63 I GG, § 92 GOBT.
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2. Teil: Das Verfahren in der Vollversammlung
Stunden, was aus der für diese geltenden strengen Redezeitbegrenzungen zu folgern ist. Sofern Zwischenfragen unzulässig sind, kann sich der Redner nicht bereit erklären, sie gleichwohl zu beantwortenl l ; das Recht zur Zwischenfrage ist nicht dergestalt disponibel, daß der Redner hierüber verfügen könnte. Nur soweit Zwischenfragen erlaubt sind, steht es im Ermessen des Redners sie zuzulassen, sie zu beantworten oder nicht. Zwischenfragen müssen im übrigen Fragecharakter haben; Bemerkungen lediglich feststellenden oder wertenden Charakters erfüllen diese Voraussetzung nicht und stellen daher schon begrifflich keine Zwischenfragen dar12 • Auf Zwischenfragen sind im allgemeinen Zusatzfragen zulässig, diese aber nur in begrenzter Zahl. Zusatzfragen sind solche, deren Gegenstand im Sachzusammenhang mit der gestellten Hauptfrage steht; nur sie sind also beschränkt gestattet. Demgegenüber besteht kein Hindernis, daß sich derselbe Fragesteller an denselben Redner erneut mit Zwischenfragen zu einem anderen Sachverhalt wendet; auch auf sie können dann in der erwähnten Weise Zusatzfragen gestellt werden13 • Mitglieder der Regierung unterliegen, sofern sie zugleich Abgeordnete sind und als solche sprechen oder als solche Zusatzfragen stellen, in vollem Umfang den zuvor erwähnten Regeln; treten sie dagegen als Regierungsmitglieder auf, so können sie über das Recht auf jederzeitiges Gehör auch mit einer Zwischenfrage zu Wort kommen; sie unterfallen dann nicht den zuvor genannten Beschränkungen bezüglich Zusatzfragen. Ist der Abgeordnete nicht anwesend, wenn ihm das Wort erteilt wird, so erlischt seine Wortmeldung, doch kann er sich im allgemeinen erneut zum Wort melden, solange die Aussprache über den betreffenden Beratungsgegenstand nicht geschlossen ist14 • Dann besteht sogar die Möglichkeit, daß er noch vor einem Redner zu Wort kommt, der sich bereits früher zum Wort gemeldet hat, weil die Reihenfolge der Redner nicht allein nach derjenigen der Wortmeldungen festgelegt wird, sondern sich - wie sogleich darzulegen sein wird - auch nach anderen Kriterien richtet. 11 Trossmann H, Anhang zu § 32 Anm. A 3. Vgl. dazu auch StenBer. BT, 6. WP, Sitzung vom 13.126. 11. 1969, S. 481 A. 12 Trossmann H, Anhang zu § 32 Anm. A 8 mit zahlreichen Beispielen aus der Praxis des Bundestags. 13 Trossmann H, Anhang zu § 32, Anm. A 6, 7. In der Praxis des Bundestags wird nur eine Zusatzfrage zugelassen, so daß in demselben Zusammenhang nur zwei Fragen gestellt werden können. Vgl. z. B. StenBer. BT, 6. WP, 98. Sitzung vom 5. 2. 1971, S. 5523 D - 5524 D. U Trossmann H, § 32 RdNr. 4. § 104 IV BayGO verbietet dagegen ausdrücklich, die Wortmeldung zu demselben Punkt zu erneuern.
II. Redeordnung; Bemerkungen, Erklärungen; Anträge
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b) Reihenfolge der Redner
Die Reihenfolge der Redner wird durch den Parlamentspräsidenten bestimmt15 • Die Rednerliste bindet ihn dabei hinsichtlich des "Ob", nicht aber hinsichtlich des "Wie" der Worterteilung. Mit anderen Worten: Der Parlamentspräsident muß jede Wortmeldung berücksichtigen, ist aber nicht an deren Reihenfolge gebunden. Diejenige der Worterteilungen kann vielmehr von derjenigen der Wortmeldung abweichen. Der Parlamentspräsident hat bei ihr von der sachgemäßen Erledigung und zweckmäßigen Gestaltung der Beratung, der Rücksicht auf die verschiedenen Parteirichtungen, auf Rede und Gegenrede und die Stärke der Fraktionen auszugehen16 • Der Bedacht auf die sachgemäße Erledigung und zweckmäßige Gestaltung der Beratung setzt dabei voraus, daß sich der Parlamentspräsident über den Inhalt der Reden im klaren ist. Das ist möglich, soweit er von im Ältestenrat getroffenen Vereinbarungen über die Reihenfolge der Redner Mitteilung erhalten hat; im übrigen kann er sich allenfalls an der Sachkenntnis und dem Interessengebiet des jeweiligen Redners orientieren. Alles andere bleibt weithin spekulativ und begründet die Gefahr dieses Kriteriums. Verschiedene Parteirichtungen, Rede und Gegenrede zu berücksichtigen17, dient der Lebendigkeit der Debatte, in der nicht über längere Zeitspannen hinweg dieselbe politische Ausrichtung verfestigt werden soll, sondern alternative und kontroverse Standpunkte sichtbar gemacht werden sollen. Die Aufeinanderfolge von Erklärungen von Regierungs15 s. dazu §§ 33 I GOBT, 82 II BWGO, 104 I 2, 3 BayGO, 63 II BerlGO (mit umfassenden Einzelregelungen über die Sprecher der Fraktionen bei verschiedenen Typen von Beratungsgegenständen), 40 I BremGO, 21 II HambGO, 62 II HessGO, 70 I 2 NdsGO, 59 I NWGO, 28 I RhPfGO, 39 I SGO, 46 III SHGO. 16 Ausdrücklich ist in §§ 33 III GOBT, 62 II HessGO, 28 II 1 RhPfGO vorgeschrieben, daß bei der Beratung von Anträgen der erste Redner nicht der Fraktion des Antragstellers angehören soll. § 82 IV BWGO sieht ausdrücklich vor, daß nach einer Rede des Ministerpräsidenten in der Aussprache anschließend den Vorsitzenden der Oppositionsfraktionen auf ihr Verlangen das Wort erteilt werden muß; ähnliches gilt nach §§ 59 II NWGO, 39 I 2 SGO. In Niedersachsen muß der Vorsitzende der Oppositionsfraktion jederzeit gehört werden demnach eine dem Recht auf jederzeitiges Gehör der Regierungsmitglieder vergleichbare Bestimmung - wobei dieses Recht aber nur ihm persönlich zusteht, also nicht übertragbar ist (§ 70 I 3 NdsGO). 17 Keine Zustimmung verdient die These von Trossmann II, § 33 RdNr. 8, auch dies sei Konsequenz des Rederechts des einzelnen Abgeordneten; wenn schon nicht allen Abgeordneten, so müsse doch allen politischen Richtungen - und damit den Fraktionen - das Rederecht zugestanden werden. Dem Ergebnis ist beizupflichten, die Begründung geht jedoch fehl, weil das Rederecht nur dem Abgeordneten, nicht aber der Fraktion zusteht. Daher erscheint es zutreffend, das - unmittelbar aus der verfassunggestaltenden Grundentscheidung für die Demokratie abzuleitende - Gebot auf Gleichbehandlung der parlamentarischen Fraktionen hierfür als Rechtsgrundlage anzusehen.
6 Achterbeil:
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2. Teil: Das Verfahren in der Vollversammlung
mitgliedern sowie solcher von diesen und von Abgeordneten der Koalitionsfraktionen läßt sich wegen des Rechts auf jederzeitigen Gehörs der Regierungsmitglieder auch hierdurch nicht verhindern. Die Fraktionsstärke zu berücksichtigen, ist schließlich deshalb angezeigt, um nicht Disproportionalitäten unter den politischen Gewichten der Aussagen zu fördern; dennoch ist dieser Aspekt das letzte unter den zuvor genannten Kriterien. Im Bundestag soll nach der Rede eines Mitglieds oder Beauftragten der Bundesregierung eine abweichende Meinung zu Wort kommen sowie bei der Beratung von Anträgen aus der Mitte des Hauses der erste Redner nicht der Fraktion des Antragstellers entnommen werden; ähnliches ist in einigen Landtagsgeschäftsordnungen vorgesehen. Auch dies dient der Offenlegung alternativer Standpunkte. Berichterstatter - nicht aber auch Ausschußvorsitzende - haben im übrigen das Recht, jederzeit das Wort zu ergreifen. Nach ausdrücklichem Schluß der Aussprache durch den Parlamentspräsidenten - also nicht schon nach seiner Mitteilung, die Rednerliste sei geschlossen - hat einer der Antragsteller eines selbständigen Antrags aus der Mitte des Hauses im übrigen Anspruch auf das Schlußwort vor der Sachentscheidung oder der Ausschußüberweisung. Das Schlußwort darf kein kontroverser Diskussionsbeitrag mehr sein, die Aussprache also nicht der Sache nach wiedereröffnen, sondern muß sich auf eine abschließende Stellungnahme beschränken. Ein Mitglied der Regierung kann das Schlußwort nicht erhalten, weil nach dessen Wortergreifung die Aussprache wiedereröffnet ist, so daß es sich in einem solchen Fall bereits begrifflich um kein Schlußwort handelt1 8 • Im Ältestenrat getroffene Vereinbarungen über die ReihenfoZge der Redner sind für deren Bestimmung durch den Parlamentspräsidenten im übrigen hilfreich, aber nicht bindend. c) Redezeit
Die Redezeit kann durch Parlamentsbeschluß begrenzt werden19, mitunter ist sie auch schon durch Geschäftsordnungsbestimmungen oder 18 Zum Schlußwort § 33 III GOBT und dazu Trossmann II, § 33 RdNr. 16 -19. lU §§ 39 GOBT, 106 II, 110 I, 111 BayGO, 64 BerlGO, 45 BremGO, 22, 23 HambGO, 68 HessGO, 71 I NdsGO, 64 I NWGO, 33 RhPfGO, 44 I SGO, 49 II, IV SHGO. Auch wo eine entsprechende Begrenzungsmöglichkeit geschäftsordnungsmäßig nicht vorgesehen ist, wird man eine solche für zulässig halten müssen: Dann liegt eine Ergänzung der Geschäftsordnung durch autonomes Parlamentsrecht für den Einzelfall vor. Mit der Redezeitbegrenzung sollen Phänomene· verhindert werden, die der im US-Parlamentarismus anzutreffenden Möglichkeit des "filibuster" entsprechen; vgl. dazu Fraenkel, Das amerikanische Regierungssystem, 3. Aufl., Opladen 1976, S. 295 f., 331; Hennis, Clöture im Bundestag, AöR 91 (1966), 254.
II. Redeordnung; Bemerkungen, Erklärungen; Anträge
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interfraktionelle Vereinbarungen beschränkt. Die Beschränkung kann sich dabei sowohl auf die dem einzelnen Redner zustehende als auch auf die jeder Fraktion zukommende Gesamtredezeit20 beziehen21 • Um einen Anhaltspunkt fifr die Möglichkeit einer Redezeitverlängerung zu erhalten, kann der Parlamentspräsident die Redner bitten, ihre Redezeiten anzugeben. Die Aufteilung der Redezeit gemäß dem Stärkeverhältnis der Fraktionen ist zulässig22 • Redezeiten der Regierungsmitglieder im Bundestag auch der Bundesratsmitglieder - brauchen sich die Fraktionen nicht anrechnen zu lassen. Voraussetzung hierfür ist allerdings, daß Regierungsmitglieder als solche, nicht aber als Abgeordnete sprechen - mithin die Stellungnahme der Regierung zum Ausdruck bringen, jedoch keine kontroverse parlamentarische Debatte führen 2S • Innerer Grund für diese Redezeitverteilung ist derjenige, daß die Regierung mehr ist als nur der Exponent der Parlamentsmehrheit, die Reden der Regierungsmitglieder also nicht nur als Vertretung des Mehrheitsstandpunkts verstanden werden können24 • Spricht ein Abgeordneter über die vereinbarte Redezeit hinaus, so kann ihm der Parlamentspräsident nach Mahnung das Wort entziehen; die von ihm zur Beantwortung von Zwischenfragen benötigte Zeit wird dabei berücksichtigt. Der Redner darf das Wort dann in derselben Aussprache zu demselben Gegenstand nicht mehr erhalten25 • Vgl. hierzu BVerfGE 10,4 (15 f.). Redezeitbegrenzungen stehen mit dem zum verfassungsrechtlichen Status jedes Abgeordneten zählenden Rederecht in Einklang, sofern und soweit sie dem Erfordernis des ungestörten Verhandlungsablaufs dienen (BVerfGE 10, 12, 14); sie unterfallen also dem Gebot der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit. 22 Beispiele für die Redezeitverteilung bei BHschke, Verfahrensfragen des Bundestags im Jahre 1972, Staat 12 (1973), 65 (67 Anm. 4); Schindler, Zum Streit um die gerechte Redezeitverteilung, ZParl. 2 (1971), 253 (254 ff.). 23 Vgl. BVerfGE 10, 17 ff.; BHschke, Staat 12 (1973), 66. 24 Modelle der Redezeitverteilung sind beispielsweise: Regierung: Parlament (= Regierungs- und Oppositionsfraktionen zusammen) = 1: 1 (wobei die Staatsfunktionen zwar als gleichgewichtig behandelt werden, aber nicht hinreichend zum Ausdruck kommt, daß es um die Debatte im Parlament geht, in der die Regierungsmitglieder nicht mit dem Rechtsstatus des Abgeordneten auftreten, sondern [nur] in Ausübung ihres Rechts auf jederzeitiges Gehör [nach Wilke - Schulte, Der Bundestag als Forum des Bundesrates, Bemerkungen zum Rederecht nach Art. 43 Abs. 2 GG, in: Gedächtnisschrift für Friedrich Klein, München 1977, S. 575, durch "Gastspiele auf fremder Bühne"]); Regierung und Regierungsfraktionen : Opposition = 1 : 1 (wobei das Gewicht von der Prämisse einer "neuen Gewaltenteilung" aus, bei der sich nicht Parlament und Regierung, sondern Regierung und Koalitionsfraktionen einerseits sowie Oppositionsfraktionen andererseits gegenüberstehen, zugunsten der Opposition verschoben wird); Regierung : Regierungsfraktion : Opposition = 1: 1 : 1. Vgl. insb. zu dem letzten Modell Schindler, ZParl. 2 (1971), 254. - Zu den Maßstäben kontingentierter Debatten ausführlich Lipphardt, Die kontingentierte Debatte, Berlin 1976, S. 1 ff., der im Ergebnis selbst dem o. genannten zweiten Modell zuneigt (S. 130 f.). 20
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2. Teil: Das Verfahren in der Vollversammlung
Wegen des Prinzips der freien Rede ist auf die Ausführungen zu den Grundsätzen der parlamentarischen Verhandlung zu verweisen26 • 2. Bemerkungen, Erklärungen
Die Bemerkungen und Erklärungen der Abgeordneten lassen sich untergliedern in Bemerkungen zur Geschäftsordnung, persönliche Bemerkungen, persönliche Erklärungen, tatsächliche Erklärungen sowie Erklärungen zur Abstimmung. a) Bemerkungen zur Geschäftsordnung
Bemerkungen zur Geschäftsordnung 27 sind von den noch zu behandelnden Geschäftsordnungsanträgen zu unterscheiden: Sie enthalten keinen Antrag - setzen die Stellung eines solchen auch nicht voraus -, sondern nur Ausführungen zur Geschäftsordnung. Ihr Gegenstand ist der Verhandlungsablauf. Dazu gehören sowohl der Arbeitsplan des Parlaments als auch die Tagesordnung der betreffenden Sitzung. Der Begriff "Geschäftsplan" oder "Arbeitsplan" - beide Bezeichnungen haben dieselbe Bedeutung - umschließt als der weitere auch die Tagesordnung, so daß die unterschiedliche Behandlung von Bemerkungen, die sich auf jene und auf diese beziehen, nicht zulässig ist. Im übrigen sind Bemerkungen zur Geschäftsordnung im allgemeinen nur erlaubt, sofern sie den Gegenstand angehen, der gerade verhanddt wird oder zuvor verhandelt wurde; auch dann dürfen sie freilich nicht allein sachlichen Gehalt haben, sondern müssen die geschäftsordnungsmäßige Behandlung des Beratungsgegenstands betreffen, anderenfalls wären die begrifflichen Voraussetzungen einer Bemerkung "zur Geschäftsordnung" nicht erfüllt. Dabei darf allerdings nicht verkannt werden, daß Bemerkungen zur Geschäftsordnung oftmals nur dann verständlich werden, wenn auch auf die Sache selbst eingegangen wird. Dies ist nicht ausgeschlossen; nur darf der sachliche Gehalt der Bemerkung keinen Selbstzweck darstellen, sondern muß sich auf die Erläuterung des die Geschäftsordnung betreffenden Themas beschränken. Die erforderlicheAnknüpfung an den verhandelten Gegenstand bewirkt, daß nur während oder unmittelbar nach seiner Verhandlung, nicht aber auch noch nach Ubergang zu einem anderen Beratungsgegenstand Geschäftsordnungsfragen zu ihm aufgegriffen und erörtert werden können. 25 Vgl. §§ 39 III GOBT, 110 BayGO, 64 VII BerIGO, 47 I BremGO, 68 II HessGO,71 II NdsGO, 64 II, 111 NWGO, 44 11 SGO, 49 111 SHGO. 28 s. o. I 4. Zum Stil der Verhandlung Wette, Modus und Stil der parlamentarischen Diskussion im Bundestag, ZfP XV (1968), 18I. 27 §§ 34 GOBT, 84 BWGO, 107 BayGO, 63 IV BerlGO, 41 BremGO, 29 HambGO, 64 HessGO, 75 NdsGO, 60 NWGO, 29 RhPfGO, 40 SGO, 47 SHGO.
11. Redeordnung; Bemerkungen, Erklärungen; Anträge
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Zur Geschäftsordnung wird das Wort mitunter (so im Bundestag) nach Ermessen des Parlamentspräsidenten erteilt, mitunter (so in Baden-Württemberg und in Bayern) hat der einzelne Abgeordnete dagegen Anspruch auf die Worterteilung. Das zu seinem verfassungsrechtlichen Status gehörende Rederecht wird auch bei Ermessensentscheidung deshalb nicht beeinträchtigt, weil sich dieses nur auf Bemerkungen zur Sache, nicht aber zur Geschäftsordnung erstreckt. Diese Auslegung des Rederechts - ausdrücklich besagen weder Verfassungsnormen noch Geschäftsordnungsbestimmungen etwas über seinen Inhalt - entspricht langer parlamentsrechtlicher Tradition. Nachdem noch die Geschäftsordnung des Deutschen Reichstags von 1876 ein Recht auf Worterteilung zur Geschäftsordnung eingeräumt hatte, wurde diese Bestimmung 1902 in eine Ermessensvorschrift umgewandelt. In dieser Form findet sie sich seitdem im deutschen Parlamentsrecht28 - Beweis für die "quasikontinuierliche" Wirkung von Geschäftsordnungsnormen. Das Ermessen muß freilich auch in diesem Zusammenhang pflichtgemäß ausgeübt werden. Es steht also unter dem Vorbehalt der gerechten und unparteiischen Amtsführung29 , die als Maxime der Leitungsbefugnis des Parlamentspräsidenten zu begreifen ist. Das Wort zur Geschäftsordnung darf im übrigen nicht erteilt werden, wenn die Worterteilung geschäftsordnungsmäßig überhaupt nicht (mehr) zulässig ist: Dies gilt nach Eröffnung der Abstimmung oder wenn die Sitzung unterbrochen, aufgehoben oder geschlossen ist. Sonst aber erfordert die ordnungsgemäße Leitungsbefugnis des Parlamentspräsidenten, daß er sich bei einer Wortmeldung zur Geschäftsordnung vergewissert, ob diese zur Stellung eines Geschäftsordnungsantrags oder zu einer Bemerkung zur Geschäftsordnung erfolgt30 • Nur im zweiten Fall liegt es nämlich - falls überhaupt - in seinem Ermessen, das Wort nicht zu erteilen; eine AntragsteIlung kann er dagegen nicht hindern. Die Redezeit ist bei Bemerkungen zur Geschäftsordnung im allgemeinen auf fünf (in N ordrhein-Westfalen: auf drei) Minuten beschränkt; Verlängerungen oder Verkürzungen durch den Parlamentspräsidenten sind nicht vorgesehen. Wird bei einer Geschäftsordnungsdebatte Schluß der Aussprache beantragt, so ist dies nur als unverbindliche Anregung zu betrachten. Um einen abstimmungsfähigen Antrag handelt es sich nicht, sofern (und dann: weil) ihm das Ermessen des Parlamentspräsidenten entgegensteht, das Wort zur Geschäftsordnung zu erteilen. Über diese geschäftsordnungsmäßig eingeräumte Befugnis 28 29 30
Trossmann H, § 34 RdNr. 2. Ebenso Trossmann 11, § 34 RdNr. 3.2. Ebenso Trossmann H, § 34 RdNr. 9.
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2. Teil: Das Verfahren in der Vollversammlung
kann sich das Parlament auch nicht durch Mehrheitsbeschluß hinwegsetzen31 • Regierungsmitgliedern kann das Wort zur Geschäftsordnung nicht erteilt werden32 • Sie müssen und können Bemerkungen zur Geschäftsordnung jedoch im Rahmen ihres Rechts auf jederzeitiges Gehör vorbringen. b) Persönliche Bemerkungen
Persönliche Bemerkungen sind solche, mit denen der Abgeordnete Äußerungen zurückweist, die in der Aussprache - und zwar möglicherweise auch in Zwischenfragen oder Zwischenrufen - in Bezug auf seine Person vorgekommen sind oder mit denen er eigene Ausführungen richtig stellt33 • Anlaß persönlicher Bemerkungen können also sowohl die Rede eines anderen als auch diejenige des betreffenden Abgeordneten selbst sein. In beiden Fällen - die zusammentreffen können - müssen die persönlichen Bemerkungen im Zusammenhang mit der parlamentarischen Aussprache selbst stehen. Der Abgeordnete darf im Rahmen der persönlichen Bemerkung nicht zur Sache sprechen, sondern ist auf die beiden zuvor genannten Inhalte beschränkt. Da die persönliche Bemerkung an die Aussprache anknüpft, muß sie sich auf diese beziehen, so daß beispielsweise Ausführungen bei der Begründung eines selbständigen Antrags, als noch vor der Aussprache liegend, nicht zum Gegenstand einer persönlichen Bemerkung gemacht werden können34 • Für persönliche Bemerkungen wird das Wort erst nach Schluß oder Vertagung der Beratung erteilt. Zu dieser zählt in diesem Zusammenhang auch ein Schlußwort, nicht aber noch die Abstimmung 35 • Nicht zutreffend wäre es, das Wort zu einer persönlichen Bemerkung erst nach Abwicklung der gesamten Tagesordnung zu erteilen oder die Verschiebung auf diesen Zeitpunkt in das Ermessen des Parlamentspräsidenten zu stellen. Wenn es geschäftsordnungsmäßig heißt, daß das Wort zur persönlichen Bemerkung erst nach Schluß oder Vertagung der Beratung erteilt wird, so ist hierbei die Vertagung eines Tagesord31 Etwas anderes gilt nur in den Parlamenten, in denen ein Anspruch auf Erteilung des Worts zur Geschäftsordnung besteht. Ebenso Trossmann II, § 34 RdNr. 11. 32 Ebenso Trossmann II, § 34 RdNr. 12. 33 §§ 35 GOBT, 88 BWGO (dort wird der Begriff "Persönliche Erklärung" gebraucht),. 112 BayGO, 65 BerlGO, 42 II BremGO, 30 HambGO, 65 HessGO, 76 NdsGO, 61 NWGO, 30 RhPfGO, 41 SGO, 48 I SHGO. Vgl. dazu auch Trossmann I, S. 201. 34 Ebenso Trossmann II, § 35 RdNr. 2. 35 Vgl. dazu Trossmann II, § 35 RdNr. 4.2, 4.3, sowie StenBer. BT, 1. WP, 78. Sitzung vom 21. 7.1950, S. 2786 A - C, 5. WP, 199. Sitzung vom 28.11.1968, S. 10752 B, C (wo entgegen der hier vertretenen Ansicht das Wort zur persönlichen Bemerkung noch nach der Abstimmung erteilt wurde).
H. Redeordnung; Bemerkungen, Erklärungen; Anträge
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nungspunkts gemeint, nicht aber diejenige der gesamten Sitzung36 • Nach deren Vertagung ist vielmehr überhaupt keine Worterteilung mehr zulässig. Wird der Zeitpunkt versäumt, unmittelbar nach Vertagung der Beratung das Wort zu einer persönlichen Bemerkung zu verlangen, so ist diese .Befugnis erloschen. Die Geschäftsordnungen wollen verhindern, daß zu bereits länger zurückliegenden Vorfällen noch persönliche Bemerkungen gemacht werden37 • Hinsichtlich der Frage, ob und gegebenenfalls inwieweit bei der Beratung eines Tagesordnungspunkts mehrere Aussprachen geführt werden können, nach deren Abschluß jeweils das Wort zur persönlichen Bemerkung begehrt werden kann, werden im übrigen differenzierende Meinungen vertreten38 • Die Worterteilung zur persönlichen Bemerkung stellt im allgemeinen (anders in Hamburg) einen Anspruch des Abgeordneten dar. Der Parlamentspräsident kann sich im Zweifelsfall allerdings durch Rückfrage vergewissern, ob der Inhalt der Wortmeldung tatsächlich eine persönliche Bemerkung darstellt, wenn er auch seinerseits keinen Anspruch darauf hat, daß ihm die persönliche Bemerkung im Wortlaut vorgelegt wird. Die Redezeit ist bei persönlichen Bemerkungen mitunter geschäftsordnungsmäßig auf fünf Minuten begrenzt. Erfüllt der Abgeordnete diese Voraussetzung nicht, so kann der Parlamentspräsident Ordnungsmaßnahmen ergreifen. Erwiderungen auf persönliche Bemerkungen sind geschäftsordnungsmäßig nicht vorgesehen; sie sind infolgedessen als unzulässig zu betrachten, sofern ihre Zulässigkeit nicht im Einzelfall (möglicherweise stillschweigend durch Unterlassen eines Widerspruchs hiergegen) beschlossen wird39 • Regierungsmitgliedern steht das geschäftsordnungsmäßig eingeräumte Recht zur persönlichen Bemerkung aus den bereits erwähnten Gründen nicht zu. Auch insoweit greift aber ihr Recht auf jederzeitiges Gehör ein, wobei sie nicht den Beschränkungen unterliegen, denen der Abgeordnete hinsichtlich persönlicher Bemerkungen untersteht.
Zum Unterschied o. I 5 c, d. Eine spätere Zulassung ermöglicht nur § 30 RhPfGO. Vgl. im übrigen Trossmann H, § 35 RdNr. 4.1. - Nach der Praxis des Bundestags werden spätere persönliche Bemerkungen nur zugelassen, wenn ein Abgeordneter sich für eine Äußerung entschuldigt oder eine solche zurücknimmt und damit zur Bereinigung einer Kontroverse beiträgt. 38 Dazu näher Trossmann H, § 35 RdNr. 4.6. Die Frage wirkt sich insb. bei Haushaltsplänen aus. 39 So Trossmann H, § 35 RdNr. 8. SI
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2. Teil: Das Verfahren in der Vollversammlung
c) Persönliche Erklärungen
Persönliche Erklärungen 40 - die nicht in allen, aber doch in den meisten deutschen Parlamenten vorgesehen sind - umfassen im Bundestag die zuvor erwähnten Bemerkungen, gehen in ihrem möglichen Inhalt über diese jedoch insofern hinaus, als sie nicht nur solche darzustellen brauchen, mit denen der Abgeordnete Äußerungen zurückweist, die in der Aussprache in Bezug auf seine Person vorgekommen sind oder mit denen er eigene Ausführungen richtig stellt41 • Sie können sich vielmehr auch auf Vorgänge außerhalb der Tagesordnung beziehen, die mit der betreffenden Aussprache und sogar mit der parlamentarischen Tätigkeit überhaupt nicht zusammenhängen, sondern den Abgeordneten sonst betreffen. Voraussetzung ist nur, daß der Gegenstand das Interesse des Parlaments berührt. Hierzu zählen beispielsweise politische Angriffe gegen einen Abgeordneten. Die Erörterung von Veröffentlichungen in der Presse ist im Bundestag nicht mehr üblich, doch wird man hieraus noch nicht folgern können, daß sie geradezu unzulässig ist4!. Da die persönliche Bemerkung einen engeren Inhalt hat als die persönliche Erklärung, wird man dieser im übrigen nur subsidiären Charakter zubilligen können. Sofern andere Möglichkeiten bestehen, Bemerkungen oder Erklärungen abzugeben, kommt eine persönliche Erklärung mithin nicht in Betracht, sie ist auch - wie erwähnt - nicht in allen Geschäftsordnungen vorgesehen43 • In der Rechtsfolge unterscheidet sich die persönliche Erklärung von der persönlichen Bemerkung dadurch, daß der Parlamentspräsident das Wort zu ihr nach seinem Ermessen erteilt, so daß auf sie kein Rechtsanspruch besteht. Demgemäß ist die starre Auffassung, die persönliche Erklärung dürfe nicht dazu benutzt werden, "versäumte Gelegenheiten" zu einer Äußerung nachzuholen, unzutreffend. Die gegenständliche Subsidiarität der persönlichen Erklärung zieht auch nicht ihre Verwirkung nach sich4 4, wenn der Abgeordnete - aus welchen Gründen 40 §§ 36 GOBT, 113 BayGO, 66 BerlGO (hier wird auch insoweit der Begriff "Persönliche Bemerkung" gebraucht), 42 III BremGO (hier hat die persönliche Erklärung denselben Inhalt wie die persönliche Bemerkung, unterscheidet sich von ihr jedoch dadurch, daß die Wortmeldung zu ihr erst nach Schluß der Beratung des betreffenden Tagesordnungspunkts erfolgt), 77 NdsGO, 62 NWGO, 31 RhPfGO, 42 SGO, 48 II SHGO. Vgl. dazu auch Trossmann I, S. 93. 41 In § 88 BWGO bedeutet "persönliche Erklärung" dasselbe wie im Bundestag "persönliche Bemerkung". 42 So Trossmann II, § 36 RdNr. 2. 43 Sinngemäß ebenso Trossmann II, § 36 RdNr. 3. Beispiele hierfür bilden Tagesordnungspunkte, bei denen mangels Aussprache eine persönliche Bemerkung unzulässig ist, wie bei der Beratung von Vorschlägen des Vermittlungsausschusses oder Einsprüchen des Bundesrats (§ 91 GOBT i. V. m. § 10 II 2 GOVA, § 92 1 GOBT). 44 A. M. Trossmann II, § 36 RdNr. 4.
11. Redeordnung; Bemerkungen, Erklärungen; Anträge
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auch immer - von der Möglichkeit einer Bemerkung oder Erklärung keinen Gebrauch gemacht hat. Insoweit liegt es im Ermessen des Parlamentspräsidenten, ob er das Wort zu einer persönlichen Erklärung erteilen will. Die Möglichkeit flexibler Handhabung der Worterteilung durch den Parlamentspräsidenten anstelle einer schlichten Verwirkung trägt den Interessen des Abgeordneten im Einzelfall eher Rechnung, ohne daß die parlamentarische Arbeit hierdurch Schaden erleidet. In dieselbe Richtung geht die Parlamentspraxis45 • Die Worterteilung zu einer persönlichen Erklärung ist auch im Anschluß an eine Fragestunde zulässig46 • Unzulässig ist sie dagegen, wenn die Aussprache noch im Gange ist, weil sich die parlamentarische Verhandlung dann noch innerhalb der Tagesordnung bewegt47, der Parlamentspräsident aber nur außerhalb dieser das Wort zu einer persönlichen Erklärung erteilen darf. Für die Erteilung des Worts zu einer persönlichen Erklärung gilt im übrigen dasselbe, was bereits zur Bemerkung zur Geschäftsordnung ausgeführt wurde. Der Parlaments.,. präsident muß auch insoweit sein Ermessen pflichtgemäß, also gerechter und unparteiischer Amtsführung entsprechend, ausüben. Diesem Zweck dient es, daß auf sein Verlangen persönliche Erklärungen vorher schriftlich mitzuteilen sind. Auch dieses Begehren stellt seinerseits eine Ermessensentscheidung dar und mag in Einzelfällen zu der Gefahr von Ungleichbehandlungen führen. Gleichwohl dient es der Ausübung des Ermessens bei der Worterteilung, weil durch die schriftliche Mitteilung offenkundig wird, ob die persönliche Erklärung sich in den für sie bestehenden Grenzen hält. Daß dabei die Angabe des Zwecks der Erklärung ausreichen dürfte48 , wird damit nicht in Abrede gestellt. d) Tatsächliche Erklärungen
Tatsächliche Erklärungen49 haben den Zweck, das Parlament auf bestimmte Sachverhalte aufmerksam zu machen. Wie persönliche Bemerkungen brauchen sie nicht mit einem bestimmten Beratungsgegenstand zusammenzuhängen; im Gegenteil erweist die Vorschrift, Trossmann H, § 36 RdNr. 4. Ebenso Trossmann H, § 36 RdNr. 3, 7. Vgl. auch StenBer. BT, 6. WP, 198. Sitzung vom 21. 9. 1972, S. 11691 A, B. 47 Ebenso Trossmann H, § 36 RdNr. 8.1. Die Parlamentspraxis ist insoweit nicht stets konsequent, sondern kennt auch die Worterteilung innerhalb der Aussprache (vgl. z. B. StenBer. BT, 5. WP, 201. Sitzung vom 4. 12. 1968, S. 10861 A, B), wodurch die Subsidiarität der persönlichen Erklärung gegenüber der persönlichen Bemerkung indessen nicht berücksichtigt wird. 48 So Trossmann H, § 36 RdNr. 13.3. 49 §§ 36 GOBT, 113 BayGO, 66 BerlGO, 42 1 BremGO (hier wird jedoch ein Zusammenhang mit dem Verhandlungsgegenstand gefordert), 66 HessGO, 77 NdsGO, 62 NWGO, 31 RhPfGO, 42 SGO. Vgl. dazu Trossmann 1, S. 93. 45
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daß auch das Wort zur tatsächlichen Erklärung außerhalb der Tagesordnung erteilt wird, deren Unabhängigkeit von der Beratung. Erforderlich ist lediglich, daß der Inhalt der tatsächlichen Erklärung für das Parlament von Interesse ist5o • Selbst von dem Standpunkt aus, daß bei Versäumung einer persönlichen Bemerkung die persönliche Erklärung wegen deren Subsidiarität verwirkt ist, kann für eine tatsächliche Erklärung Entsprechendes nicht angenommen werden. Für diese ist vielmehr anerkannt, daß kein Subsidiaritätsverhältnis besteht5 t, so daß tatsächliche Erklärungen in jedem Fall zulässig sind - und zwar ohne Rücksicht darauf, ob auch eine andere Art der Bemerkung oder Erklärung gestattet ist. Im übrigen gilt für die tatsächliche Erklärung dasselbe, was bereits zu der persönlichen Erklärung ausgeführt wurde. Insbesondere steht auch die Erteilung des Worts zur tatsächlichen Erklärung im Ermessen des Parlamentspräsidenten. e) Erklärungen zur Abstimmung
Erklärungen zur Abstimmung52 - die nicht in allen Parlamentsgeschäftsordnungen vorgesehen sind - müssen sich auf das Verhalten bei einer bevorstehenden Abstimmung, mit der die Beratung eines Gegenstands abgeschlossen wird, nicht aber die abschließende Entscheidung nur vorbereitet wird53, beschränken; sie sind erst nach Schluß der Aussprache - falls eine solche nicht stattgefunden hat, aber wenigstens zulässig war: ohne Rücksicht hierauf - erlaubt; in einigen Parlamenten sind sie erst nach Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses zulässig. Die Erklärung kann schriftlich, mitunter - so im Bundestag auch mündlich erfolgen. Sie darf keinen Diskussionsbeitrag enthalten54 ; eine Aussprache über sie findet nicht statt. Um eine Erklärung zur Abstimmung handelt es sich auch, wenn ein Abgeordneter erläutert, daß und weshalb er nicht an der Abstimmung teilnehmen werde oder - falls die Erklärung nach der Abstimmung abzugeben ist - teilgenommen hat. Sofern eine Erklärung vor der Abstimmung abzugeben ist, kann eine solche nach dieser allenfalls als persönliche Erklärung 50 51
Trossmann H, § 36 RdNr. 9. Trossmann H, § 36 RdNr. 9. Vgl. auch StenBer. BT, 5. WP, 153. Sitzung
vom 18. 2. 1968, S. 7860 C - 7861 B. 52 §§ 59 GOBT, 100 BWGO, 141 BayGO, 72 BerIGO, 86 HessGO, 85 NdsGO, 57 NWGO, 53 RhPfGO, 52 SGO. In Schleswig-Holstein ist nur die Erklärung eines Abgeordneten zulässig, daß und warum er sich der Abstimmung enthalten hat (§ 55 II SHGO), in Bremen ist die Erklärung zur Abstimmung überhaupt für unstatthaft erklärt (§ 57 V 2 BremGO). Vgl. dazu auch Trossmann I, S. 94. 53 Trossmann 11, § 59 RdNr. 2, 5. 54 Trossmann 11, § 59 RdNr. 6.
H. Redeordnung; Bemerkungen, Erklärungen; Anträge
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gewertet und behandelt werden. In der Parlamentspraxis werden im übrigen nicht nur Erklärungen zur Abstimmung für zulässig gehalten, die ein Abgeordneter für sich selbst abgibt, sondern auch solche, die er für seine Fraktion oder für sich und andere namentlich benannte Abgeordnete - also eine Abgeordnetengruppe - vornimmt55 • Schriftliche Erklärungen werden in die stenographischen Berichte, mitunter auch in die Protokolle aufgenommen. 3. Anträge
Unter den Anträgen sind interne - solche aus dem Parlament (also von Abgeordneten oder Abgeordnetengruppen) - und externe solche von anderen Organen - zu unterscheiden. Differenziert werden kann weiterhin nach Anträgen zur Sache und zur Geschäftsordnung56 • Besondere Bestimmungen gelten für dringliche Anträge. a) Interne Anträge zur Sache
Interne Anträge zur Sache sind selbständige Anträge, Änderungsanträge und Entschließungsanträge. (1) Selbständige Anträge57 gliedern sich in solche mit und solche
ohne Gesetzentwurf. Im ersten Fall unterliegt ihre Behandlung den für das Gesetzgebungsverfahren bestehenden Vorschriften, auf die in diesem Zusammenhang verwiesen werden muß. Im zweiten Fall werden selbständige Anträge in der Regel in einer einzigen Beratung erledigt oder an einen Ausschuß verwiesen58 • Im übrigen sind auf sie die Vorschriften über Gesetzesvorlagen sinngemäß anzuwenden. Für selbständige Anträge im Bundestag gilt folgendes: Solche mit einem Gesetzentwurf als Inhalt müssen, solche ohne einen solchen können mit einer kurzen Begründung versehen sein. Finanzvorlagen aus der Mitte des Bundestags, die keinen Gesetzentwurf enthalten, sollen neben einer Begründung eine schriftliche Darlegung der finanziellen Auswirkungen enthalten59• Über selbständige Anträge ohne Gesetzentwurf kann im Bundestag abgestimmt werden, auch ohne daß sie verteilt sind oder auf 55 Vgl. dazu Trossmann H, § 59 RdNr. 8, sowie z. B. StenBer. BT, 7. WP, 35. Sitzung vom 23. 5. 1973, S. 1992 B, 2009 C - 2010 B. 58 s. dazu Bleek, Anträge, in: Röhring - Sontheimer, S. 31; Trossmann I, S. 15, sowie S. 9 ff., 91 ff., 125 ff., 226 ff. 57 §§ 97 GOBT, 52 - 54 BWGO, 65 BayGO, 39 BerIGO, 31 I BremGO, 26 I HambGO, 46 HessGO, 38 NdsGO, 87 NWGO, 71, 72 RhPfGO, 30 SGO, 29 SHGO. 68 Vgl. §§ 99 GOBT, 54 III BWGO, 66 BayGO, 39 H BerIGO, 46 IV HessGO, 88 NWGO, 32 I SGO, 23 H SHGO. 59 § 96 IV GOBT. Bei Finanzvorlagen mit Gesetzentwürfen ist die Begründungspflicht vorgeschrieben (§ 96 III GOBT). Die Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift bejaht BVerfGE 1, 144 (154).
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der Tagesordnung stehen, sofern nicht fünf Abgeordnete widersprechen. Die Behandlung selbständiger Anträge erfolgt im übrigen in der Regel folgendermaßen: Sofern nichts anderes vorgeschrieben ist 60 , bedürfen sie im Bundestag der Unterzeichnung von so vielen Abgeordneten, wie sie der Fraktionsmindeststärke entsprechen; in den Landtagen bestehen insofern unterschiedliche Regelungen61 • Die dabei früher vorgenommene Unterscheidung zwischen Antragstellern und "Unterstützern" ist bedeutungslos, weil das Parlamentsrecht hieran keine Konsequenzen knüpft. Man kann daher in diesen Fällen davon ausgehen, daß die Unterzeichnung durch eine Abgeordnetengruppe erforderlich ist. Die Vorschrift, daß dem Erstunterzeichner eines selbständigen Antrags die Tagesordnung des betreffenden Ausschusses zu übermitteln ist, damit er - falls er nicht dessen Mitglied ist - die Rechte des Antragstellers wahrnehmen kann, hebt lediglich den Erstunterzeichner heraus, trifft aber sonst gleichfalls keine Unterscheidung zwischen Antragstellern und Unterstützern. Nach der Parlamentspraxis reicht es bei einem von einer Fraktion gestellten Antrag im übrigen aus, daß die Unterschrift durch den Fraktionsvorsitzenden oder einen seiner Stellvertreter mit dem Zusatz "und Fraktion" erfolgt, ohne daß alle Fraktionsmitglieder zu unterzeichnen brauchen. Im Falle des Ausschlusses von Abgeordneten von den Sitzungen ist infolgedessen zu differenzieren: Bei der namentlichen Unterschrift kommt es nur darauf an, daß die erforderliche Zahl nicht ausgeschlossener Abgeordneter unterzeichnet hat; bei einer Unterschrift mit dem Zusatz "und Fraktion" ist demgegenüber die Antragstellung nur möglich, wenn die Fraktion nicht etwa durch Ausschluß von Abgeordneten unter die Fraktionsmindeststärke abgesunken ist; es kommt also auf die tatsächliche Verfügbarkeit der Abgeordneten, s. dazu Trossmann II, § 97 RdNr. 5. Soweit nichts anderes bestimmt ist, bedürfen selbständige Anträge ohne Gesetzentwurf in Baden-Württemberg der Unterschrift von fünf Abgeordneten oder einer Fraktion (§ 54 I BWGO). In Bayern können sie von einzelnen Abgeordneten oder Fraktionen gestellt werden (§ 65 I BayGO), in Berlin sofern nichts anderes vorgeschrieben ist - von einer Fraktion oder zehn Abgeordneten (§ 39 I BerlGO), in Bremen von einer Abgeordnetengruppe in Fraktionsmindeststärke (§ 31 I BremGO). In Hamburg ist die Zahl der Antragsberechtigten durch Beschluß der Bürgerschaft festzusetzen (§ 26 I HambGO); in der Sitzung vom 17.4.1974 ist sie auf fünf Abgeordnete festgelegt worden (vgl. Recht und Organisation der Parlamente, S. 094107, Anm. 1). In Hessen ist die Unterschrift durch eine Fraktion oder fünf Abgeordnete erforderlich (§ 46 I HessGO), in Niedersachsen durch eine Fraktion oder zehn Abgeordnete (§ 38 I NdsGO), in Nordrhein-Westfalen durch drei Abgeordnete (§ 87 I NWGO), in Rheinland-Pfalz durch eine Fraktion oder acht Abgeordnete (§ 54 II RhPfGO), in Schleswig-Holstein reicht bereits die Unterschrift eine~ einzigen Abgeordneten aus (§ 29 I SHGO). 80
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II. Redeordnung; Bemerkungen, Erklärungen; Anträge
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nicht aber auf die nominelle Fraktionsstärke an62 • Selbständige Anträge müssen im übrigen die Eingangsformel "Der Bundestag/Landtag wolle beschließen ... " enthalten. Der Parlamentspräsident hat das Recht und die Pflicht festzustellen, ob der selbständige Antrag den formellen Voraussetzungen entspricht. Eine inhaltliche Prüfungspflicht hat er dagegen nicht; vielmehr braucht er auch einen Antrag mit verfassungswidrigem Inhalt nicht zurückzuweisen, sondern kann ihn der Beratung und Abstimmung durch das Parlament unterstellen. Dagegen wird man ihm nicht zumuten können, an der Drucklegung und Verteilung von Anträgen mitzuwirken, die einen strafbaren Inhalt haben oder einen solchen, der eine Ordnungsmaßnahme nach sich ziehen müßte; dasselbe gilt für Anträge, die offenkundig nur scherzhaft gemeint sind 63 • Hier die richtige Abgrenzung zu finden, muß dem Parlamentspräsidenten für jeden Einzelfall überlassen bleiben. Dabei hat er einerseits das wie das Rederecht zum verfassungsrechtlichen Status des Abgeordneten zählende Initiativrecht, andererseits die Grenze des MIßbrauchverbots zu berücksichtigen. Die weitere Behandlung selbständiger Anträge erfolgt so, daß einer der Antragsteller den Antrag begründet und sich hieran die Aussprache und die Abstimmung anschließen, wobei vor dieser wiederum einer der Antragsteller Anspruch auf das Schlußwort hat. Noch im Rahmen der Aussprache kann an ihrer Stelle die überweisung an einen Ausschuß erfolgen. Grundlage für die weitere Beratung in der Vollversammlung ist dann der Ausschußbericht64 • Bis zur Eröffnung der Abstimmung sind die Antragsteller befugt, den selbständigen Antrag zurückzuziehen. (2) Anderungsanträge 65 können sich auf selbständige Anträge mit oder ohne Gesetzentwurf sowie auf Entschließungsanträge - beispielsweise Anträge zu Großen Anfragen - beziehen. Zu selbständigen Anträgen, die einen Gesetzentwurf enthalten, sind Änderungsanträge in der ersten Beratung im allgemeinen unzulässig. Dagegen können solche in der zweiten Beratung von jedem einzelnen Abgeordneten in schriftlicher Form gestellt werden; sie sollen mit einer kurzen Erläuterung ihres Inhalts versehen sein, soweit sich dieser Trossmann II, § 97 RdNr. 3, 6. Vgl. dazu Trossmann II, § 97 RdNr. 9. 84 Zu der Frage, ob schriftliche Anträge außer angenommen und abgelehnt auch - wie Petitionen - der Regierung als Material überwiesen werden können, (bejahend) Schmidt-Bleibtreu, Zur geschäftsordnungsmäßigen Erledigung parlamentarischer Anträge im Bundestag, NJW 62, 1377 ff. 85 §§ 78 3, 81, 86, 100 GOBT, 43 II, 45 II, 47 II BWGO, 57 I 3, 60 BayGO, 34 4, 40 BerlGO, 31 II BremGO, 26 I, 43 2 HambGO, 39 IV 3, 40 III 2, IV 2, V, 43 HessGO, 23, 38 IV NdsGO, 78 III, 79 III, 80 III 2, 88 III NWGO, 66 RhPfGO, 37 SGO. 62
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2. Teil: Das Verfahren in der Vollversammlung
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nicht schon aus dem Antrag selbst ergibt. In der dritten Beratung sind Änderungsanträge gleichfalls zulässig, bedürfen hier aber der Unterstützung durch eine Abgeordnetengruppe - im Bundestag in Fraktionsmindeststärke, mitunter jedoch in geringerer Zahl -, mitunter durch eine Fraktion. Änderungsanträge zu Anträgen ohne Gesetzentwurf erfordern im Bundestag die Unterzeichnung durch eine Abgeordnetengruppe in Fraktionsmindeststärke; in den Landtagen können sie mitunter von jedem einzelnen Abgeordneten gestellt werden. Änderungsanträge sind zulässig, bis die Aussprache über einen Beratungsgegenstand - der in der zweiten Beratung eines Gesetzentwurfs die jeweils beratene Einzelvorschrift darstellt - geschlossen ist. Dies gilt auch dann, wenn bis zur Abstimmung noch Zeit für einen Änderungsantrag bestände. Zu Anderungsanträgen sind - außer in Bremen88 - Änderungsanträge zulässig. Wie über Änderungsanträge zu selbständigen Anträgen zuerst abgestimmt wird, gilt dies auch für Änderungsanträge zu Änderungsanträgen. Voraussetzung ist jedoch, daß durch einen Änderungsantrag der Wortlaut eines Änderungsantrags geändert werden soll; anderenfalls handelt es sich um einen konkurrierenden Änderungsantrag. Im übrigen sind verschiedene Arten von Änderungsanträgen zu unterscheiden, die in der Abstimmung unterschiedlich zu behandeln sind: Konkurrierende Anträge sind solche, die sich auf denselben Gegenstand beziehen; in ihrem Falle ist über den weitergehenden zunächst abzustimmen. Ergänzende Anträge oder Zusatzanträge lassen den Änderungsantrag demgegenüber unverändert und fügen ihm nur etwas hinzu. Über sie wird erst abgestimmt, wenn über den Änderungsantrag selbst abgestimmt worden ist. Eventualanträge werden hilfsweise für den Fall gestellt, daß der Hauptantrag abgelehnt wird. Über sie kann daher erst nach diesem abgestimmt werden67 • Da Änderungsanträge oftmals schon von einem einzigen Abgeordneten, selbständige Anträge dagegen nur von einer Abgeordnetengruppe gestellt werden können, ist deren exakte Abgrenzung erforderlich. Wird ein Änderungsantrag zu einem selbständigen Antrag erhoben, indem er von dem in dem ursprünglichen Antrag enthaltenen Begehren gelöst wird, so kann er nur noch unter der erschwerten Voraussetzung gestellt werden, daß er von Antragstellern in der hierfür erforderlichen Zahl unterstützt wird. Geschäftsordnungsmäßig zulässig sind auch verfassungswidrige Änderungsanträge. Über sie muß das Plenum entscheiden. 31 II 2 BremGO. Hierzu auch Tross mann I, S. 10 f.
ee § 67
H. Redeordnung; Bemerkungen, Erklärungen; Anträge
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(3) Entschließungsanträge 68 werden zu einem bestimmten Tagesordnungspunkt eingebracht und bezwecken, daß die Vollversammlung zu diesem ihre Auffassung zum Ausdruck bringt, ohne daß damit eine bindende Entscheidung getroffen wird. Im Gegensatz zu selbständigen Anträgen besitzen sie mithin akzessorischen Charakter, da sie - wie auch Änderungsanträge - im Zusammenhang mit dem Beratungsgegenstand stehen müssen. Entschließungsanträge sind zu allen selbständigen Anträgen, auch zu Großen Anfragen, zulässig. Ihr akzessorischer Charakter reicht allerdings nicht so weit, daß ein Entschließungsantrag beispielsweise mit dem Scheitern eines Gesetzentwurfs gleichfalls hinfällig würde; vielmehr ist in einem solchen Fall über ihn gleichwohl abzustimmen69 • Antragsteller können im allgemeinen Fraktionen oder sonstige Abgeordnetengruppen, mitunter auch Ausschüsse sein, die in ihrem Ausschußbericht eine Entschließung vorschlagen können. Gegenstand der Entschließung kann die Regierung, aber auch jedes andere Staatsorgan, können sogar fremde Staaten sein7o, da der Entschließungsantrag keine rechtliche, sondern nur eine politische Wirkung äußert. Politisches Einfühlungsvermögen gebietet es indessen, daß das Parlament sich nicht durch Einmischung in fremde Angelegenheiten seiner politischen Reputation beraubt, insbesondere nicht die Grenzen staatlicher Eigenverantwortung mißachtet.
Entschließungsanträge können bis zum Abschluß der Aussprache über den betreffenden Beratungsgegenstand gestellt werden. Auch zu ihnen sind Änderungsanträge zulässig, die hinsichtlich der Antragsteller - sofern nichts anderes bestimmt ist - derselben Voraussetzung unterliegen, wie Änderungsanträge zu selbständigen Anträgen, da sie sich von diesen nicht inhaltlich, sondern lediglich hinsichtlich ihres akzessorischen Charakters unterscheiden71. Wann Entschließungsanträge beraten werden, liegt in der Verfahrensautonomie des Parlaments. Die Bundestagsgeschäftsordnung schreibt lediglich vor, daß über solche zu Gesetzentwürfen und zu Gesetzen, mit denen die Zustimmung zu Verträgen erteilt werden soll, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, in der Regel nach der Schlußabstimmung abgestimmt werden solL Wie sich aus der Formulierung "in der Regel" ergibt, bedeutet ein anderer Abstimmungszeitpunkt keine Abweichung von der Geschäftsordnung, so daß ein solcher nicht nur mit Zwei-Drittel-Mehrheit, son68 §§ 89 GOBT, 49 a BWGO, 40 IBerlGO, 31 111, IV BremGO, 23, 38 IV NdsGO, 86 NWGO, 67 RhPfGO. 89 Ebenso Trossmann H, § 98 RdNr. 9. Vgl. auch StenBer. BT, 2. WP, 204. Sitzung vom 11.4. 1957, S. 11608 A, B, 11609 D. 70 Gleicher Ansicht Trossmann H, § 89 RdNr. 1. 71 Ebenso Trossmann H, § 89 RdNr. 6.1, 6.2.
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2. Teil: Das Verfahren in der Vollversammlung
dern mit einfacher Mehrheit beschlossen werden kann. Die Bundestagsgeschäftsordnung sieht ferner vor, daß die Abstimmung über Entschließungen zu Teilen des Haushaltsplans schon während der dritten Beratung erfolgen kann. b) Interne Anträge zur Geschäftsordnung
Interne Anträge zur Geschäftsordnung 72 können sich auf den Arbeitsplan des Parlaments unter zeitlichen und/oder inhaltlichen Aspekten, aber auch auf die Tagesordnung der jeweiligen Sitzung sowie auf die Art und Weise der Behandlung eines Tagesordnungspunkts beziehen. Sie zielen nicht auf eine Entscheidung in der Sache ab, können aber mittelbar auf diese erheblichen Einfluß ausüben und insofern als taktisches Instrument verwandt werden. Geschäftsordnungsanträge können im Verlauf der Aussprache von jedem Abgeordneten zu jedem geeigneten Zeitpunkt gestellt werden; sie sind an keine Form oder Frist gebunden und können auch durch Zuruf erfolgen. Nach Eröffnung der Abstimmung können durch Geschäftsordnungsantrag jedoch nur noch die Teilung sowie die Verlesung der Frage begehrt werden. Beispiele für Geschäftsordnungsanträge sind Anträge auf Herbeirufung eines Regierungsmitglieds, Durchführung einer Aussprache im Anschluß an die Beantwortung einer Großen Anfrage, Aufsetzung einer solchen auf die Tagesordnung, weil ihre Beantwortung abgelehnt wurde, Feststellung der Beschlußfähigkeit durch deren Bezweifelung, Verschiebung der Schluß abstimmung bis zur Verteilung des Wortlauts der Beschlüsse der dritten Beratung eines Gesetzentwurfs, namentliche Abstimmung, Übergang zur Tagesordnung, Vertagung oder Schluß der Beratung oder Sitzung. Das Recht zur Stellung eines Geschäftsordnungsantrags umschließt im übrigen noch nicht dasjenige zu seiner Begründung. Der Parlamentspräsident erteilt das Wort zu einer Bemerkung zur Geschäftsordnung, um die es sich auch bei der Begründung eines Geschäftsordnungsantrags handelt, vielmehr nach pflichtgemäßem Ermessen. c) Externe Anträge
Externe Anträge sind insbesondere von der Regierung - im Bundestag auch vom Bundesrat - eingebrachte Gesetzentwürfe, aber auch sonstige Anträge oder Vorlagen der Regierung, eines Ministers, des Präsidenten des Rechnungshofs oder der Staatsanwaltschaft in Immunitätsangelegenheiten. Auch der Vertrauensantrag des Regierungschefs 12 Ausdrückliche Vorschriften speziell über Geschäftsordnungsanträge gibt es kaum. Vgl. jedoch §§ 107 BayGO, 26 II HambGO. Im einzelnen dazu Tross-
mann I, S. 125 f.
111. Abstimmungen
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sowie der Antrag eines Exekutivorgans auf vorzeitige Einberufung des Parlaments zählen hierzu. Die Geschäftsordnungen der Parlamente vermögen als parlamentarische Innenrechtssätze über die Befugnis zur Stellung externer Anträge nichts auszusagen, insbesondere keine Bestimmungen über Geschäftsordnungsanträge, Änderungsanträge und Entschließungsanträge anderer Organe oder Organwalter als Abgeordnete zu treffen. Soweit keine entsprechenden Verfassungsvorschriften oder Gesetzesbestimmungen hinsichtlich externer Anträge bestehen, sind solche daher nicht zulässig73 • d) Dringliche Anträge Dringliche Anträge74 werden unverzüglich - mitunter nur: bevorzugt - auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung gesetzt. Im Bundestag gehören dazu Gesetzesvorlagen der Bundesregierung, die im Rahmen des Gesetzgebungsnotstands als dringlich bezeichnet oder nach dessen Erklärung dem Bundestag erneut vorgelegt werden; sie müssen auf Verlangen der Bundesregierung auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung gesetzt werden. In den Landtagsgeschäftsordnungen sind folgende Fälle ausdrücklich erwähnt: In Bayern kann von einer Fraktion oder von zwanzig Abgeordneten die sofortige Behandlung einer dringlichen Angelegenheit verlangt werden, die keine Gesetzesvorlage enthält, wobei im Zweifelsfall über die Dringlichkeit der Ältestenrat entscheidet. Tagt die Vollversammlung zu diesem Zeitpunkt nicht, so überweist der Parlamentspräsident den Antrag unverzüglich den Ausschüssen. Vertagungen von Dringlichkeitsanträgen können nur mit einer Abstimmungsmehrheit von zwei Dritteln beschlossen werden. In Nordrhein-Westfalen gelten als dringlich Mißtrauensvoten, Richteranklagen, Anträge auf Einsetzung von Untersuchungsausschüssen sowie auf Aufhebung der Immunität sowie Anträge und Anfragen, die vom Ältestenrat für dringlich erklärt sind.
BI. Abstimmungen 1. Bedeutung der Beschlußfähigkeit
a) Rechtsgrundlagen
Die Beschlußfähigkeit! des Parlaments folgt entweder aus Rechtsnorm oder aus Vermutung. (1) Das Parlament ist kraft Rechtsnorm - nämlich von Verfassungs, mitunter von Geschäftsordnungs wegen - beschlußfähig, wenn mehr 73 74
Vgl. dazu auch Trossmann I, S. 15 f. s. hierzu §§ 102 GOBT, 66 11 - IV BayGO, 93 NWGO.
7 Achterberg
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2. Teil: Das Verfahren in der Vollversammlung
als die Hälfte der Mitglieder im Sitzungssaal anwesend ist2 • Maßgebend ist mithin die Anwesenheit der Abgeordneten, nicht aber ihre Beteiligung an der Abstimmung. Bei der Berechnung der erforderlichen Mitglieder kommt es auf die gesetzliche, nicht aber auf die tatsächliche Zahl an: Durch Ausschluß oder durch Krankheit an der Anwesenheit verhinderte Abgeordnete werden von der erforderlichen Mitgliederzahl also nicht abgezogen3 • Im Bundestag schwankt die für die Beschlußfähigkeit notwendige Zahl der Abgeordneten im Einzelfall danach, ob die Berliner Abgeordneten stimmberechtigt sind oder nicht. Trifft dies nicht zu, so bedeutet die Beschlußfähigkeit die Anwesenheit von 496 : 2 + 1 = 249 Abgeordnete; trifft dies zu, so ist sie bei einer solchen von (496 + 22) : 2 + 1 = 260 Abgeordneten gegeben. Für die Stimmberechtigung der Berliner Abgeordneten ist der in dem Genehmigungsschreiben der Militärgouverneure zum Grundgesetz enthaltene, im Deutschland-Vertrag aufrecht erhaltene Vorbehalt maßgebend, daß Berlin "keine abstimmungsberechtigte Mitgliedschaft im Bundestag" besitzt. Die Berliner Abgeordneten sind demgemäß nicht stimmberechtigt bei der Beschlußfassung über Gesetzentwürfe - sei es bei der vorbereitenden Einzelabstimmung, sei es bei der Schlußabstimmung, sei es über Vorschläge des Vermittlungsausschusses oder die Zurückweisung eines Einspruchs des Bundesrats gegen ein beschlossenes Gesetz -, bei der Zustimmung zu oder der Aufhebung von zustimmungsbedürftigen Rechtsverordnungen, bei der Wahl des Bundeskanzlers oder der Beschlußfassung über ein Mißtrauensvotum oder eine Vertrauensfrage. In allen übrigen Fällen sind die Berliner Abgeordneten stimmberechtigt. Das gilt sowohl für Organwahlen und auch Organeinsetzungen im Intra-Organ-Verhältnis des Bundestags - so für die Wahl des Bundestagspräsidenten, die Einsetzung von Ausschüssen einschließlich Unterausschüssen sowie die Wahl sonstiger Organe und Unterorgane des Parlaments, wie des Wehrbeauftragten, der Mitglieder des Richterwahlausschusses und des Wahlmännerausschusses für die Wahl der Richter des Bundesverfas1 Dazu Jäckel, Beschlußfähigkeit, in: Röhring - Sontheimer, S. 52; Trossmann I, S. 57 ff. 2 § 49 I GOBT; Art. 23 II BayV, § 130 I BayGO; Art. 31 I BerlV, § 73 I 1 BerlGO; Art. 89 I 1, II BremV, § 55 I, II BremGO (hier ist im Falle der
Dringlichkeit auch mit einer geringeren Zahl von Abgeordneten eine gültige Beschlußfassung möglich); Art. 20 I 1 HambV, § 17 I, II HambGO (hier ist die Bürgerschaft bei der Regelung von Fragen der Geschäftsbehandlung in jedem Fall beschlußfähig); Art. 87 I HessV; § 79 I NdsGO; Art. 44 I NWV, § 48 NWGO; Art. 88 2 RhPfV, § 43 RhPfGO; Art. 76 2 SV; Art. 12 III SHV, § 51 I 1 SHGO. - In den Geschäftsordnungen, in denen über die für die Beschlußfähigkeit erforderliche Zahl anwesender Mitglieder nichts ausgesagt ist, wird stillschweigend von der Anwesenheit der Mehrheit ausgegangen. 3 Trossmann II, § 49 RdNr. 2.
IU. Abstimmungen
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sungsgerichts - als auch für solche sonstigen Abstimmungen, denen der Vorbehalt der Militärgouverneure nicht entgegensteht - so für solche über selbständige Anträge ohne Gesetzentwurf und Entschließungsanträge einschließlich solcher zu Großen Anfragen, die Aufhebung der Immunität, die grundsätzliche Auslegung der Geschäftsordnung sowie schließlich über Geschäftsordnungsanträge4 • Soweit die Berliner Abgeordneten hiernach nicht stimmberechtigt sind, dürfen sie bei der Berechnung der für die Beschlußfähigkeit erforderlichen Anzahl anwesender Abgeordneten nicht mitgezählt werden. (2) Das Parlament ist kraft (widerleglicher) Vermutung beschlußfähig, wenn seine Beschlußfähigkeit ohne Rücksicht auf die Zahl der anwesenden Abgeordneten nicht bezweifelt wird 5 • Die Bezweifelung hat unmittelbar vor der Abstimmung zu geschehen, wobei über den Begriff der Unmittelbarkeit allerdings Unklarheit herrscht. Sicher ist nur, daß die Beschlußfähigkeit nicht schon während der Aussprache und nicht mehr während der Abstimmung bezweifelt werden kann. Der exakte Zeitpunkt ist demgegenüber unsicher. Das unmittelbare Bevorstehen der Abstimmung ist jedenfalls noch nicht mit der Erklärung des Parlamentspräsidenten indiziert, daß die Aussprache geschlossen ist oder daß zur Abstimmung gekommen wird. Im ersten Fall bleiben beispielsweise noch Erklärungen des Parlamentspräsidenten oder von Abgeordneten möglich, im zweiten Fall handelt es sich erst um die Ankündigung, aber noch nicht um den Beginn der Abstimmung; mit Recht wird auch hervorgehoben, daß nicht schon jede Erklärung des Parlamentspräsidenten, in der das Wort "Abstimmung" vorkommt, bereits deren Eröffnung bedeutet6• Auch die Fassung der zur Abstimmung gestellten 4 Vgl. hierzu Nr. 4 des Genehmigungsschreibens der Militärgouverneure zum Grundgesetz v. 12. Mai 1949, Art. 2, 6 Deutschlandvertrag v. 26. Mai 1952 i. d. F. v. 23. Oktober 1954 (BGBl. 1955 II 305) und des Schreibens der drei Hohen Kommissare an den Bundeskanzler v. 23. Oktober 1954 (BGBl. 1955 II 500). s. auch Jäckel, Berliner Abgeordnete, in: Röhring - Sontheimer, S. 50; Trossmann I, S. 54 ff.; ders. II, § 49 RdNr. 2, § 54 RdNr. 10.1 - 10.3; ferner Drath, Die gesetzliche Mitgliederzahl des Bundestages, in: Festschrift der Juristischen Fakultät der Freien Universität Berlin zum 41. Deutschen Juristentag in Berlin vom 7. -10. September 1955, Berlin 1955, S. 79 ff., zu der (von ihm bejahten) Spezialfrage, ob die Berliner Abgeordneten von der gesetzlichen Mitgliederzahl im Sinne Art. 93 I 2 GG umfaßt werden. S Vgl. zum folgenden § 49 II GOBT; Art. 33 II 3 BWV, § 80 I BWGO; § 131 I, 11 BayGO; Art. 89 I 2 BerlV, § 73 12, 3, 11 BerlGO; § 55 I BremGO; Art. 20 II 2 HambV, §§ 17 I 2,18 HambGO; §§ 76, 77 HessGO (hier stellt der Parlamentspräsident zu Beginn jeder Sitzung die Beschlußfähigkeit des Landtags fest); § 79 11, III NdsGO; § 49 NWGO; § 44 RhPfGO; § 47 SGO, § 51 I 2, II SHGO. Zur Verfassungsmäßigkeit der Beschlußfähigkeit kraft Vermutung BVerfGE 44, 308 (314 ff.), mit zustimmender Anm. Kühne, Gerichtliche überprüfung parlamentarischer Beschlußfähigkeit, ZParl. 9 (1978), 34. 6 s. hierzu des näheren Trossmann II, § 49 RdNr. 4. Die Auffassung, es genüge jede Erklärung, in der das Wort "Abstimmung" vorkommt, wurde
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2. Teil: Das Verfahren in der Vollversammlung
Frage bedeutet noch nicht den Beginn der Abstimmung. Als dieser ist vielmehr die Äußerung des Parlamentspräsidenten zu betrachten: "Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen." Der "überfallartige" Charakter der Bezweifelung der Beschlußfähigkeit, der hiernach notwendig ist, erscheint freilich im Interesse sowohl der Rechtsklarheit als auch der Würde des Parlaments als unerwünscht. Infolgedessen ist de lege ferenda eine Klarstellung in den Parlamentsgeschäftsordnungen zu empfehlen. b) Bezweifelung der Beschlußfähigkeit
Wird die Beschlußfähigkeit - im Bundestag von mindestens fünf anwesenden Abgeordneten - bezweifelt, so kommt es - und zwar ohne daß über die Berechtigung der Bezweifelung eine Geschäftsordnungsdebatte geführt werden dürfte - zu unterschiedlichen Rechtsfolgen je nach dem, ob der Parlamentspräsident (mitunter: Sitzungsvorstand einmütig) die Beschlußfähigkeit bejaht oder nicht: Im ersten Fall ist die Entscheidung unanfechtbar; sie ist ohne Diskussion hinzunehmen7 und für das weitere Verfahren bindend. Im zweiten Fall muß die Beschlußfähigkeit durch Zählung der Stimmen festgestellt werden, falls nicht eine namentliche Abstimmung stattfindet, bei der sie sich auf diesem Wege ermitteln läßt. Zum Zweck der Stimmenzählung kann die Abstimmung auf kurze Zeit ausgesetzt werden. Ohne Auszählung kann der Parlamentspräsident/Sitzungsvorstand jedoch die Beschlußunfähigkeit feststellen, wenn die Zahl der anwesenden Abgeordneten offenkundig unter der Hälfte der Mitglieder liegt. Im übrigen ist die verneinende, anders als die bejahende Entscheidung über die Beschlußfähigkeit nicht bindend. Der Parlamentspräsident/ Sitzungsvorstand kann diese vielmehr feststellen, sobald der Sitzungssaal sich so gefüllt hat, daß die Beschlußfähigkeit wiederhergestellt ists. Die Bezweifelung der Beschlußfähigkeit ist vor jeder Abstimmung zulässig, mithin also nicht nur bei einer solchen über Sach-, sondern auch bei einer solchen über Geschäftsordnungsanträge9 •
1924 von dem Reichstagspräsidenten vertreten, StenBer. RT, 1. WP, 400. Sitzung v. 2. 2. 1924, S. 12446 D. 7 Ebenso Trossmann II, § 49 RdNr. 8. Die Feststellung der Beschlußfähigkeit umschließt jedoch nicht die Entscheidung über das verfassungsmäßige Zustandekommen des so beschlossenen Gesetzes, BVerfGE 2, 143 (Leitsatz 13). 8 So Trossmann II, § 49 RdNr. 9. e So auch Trossmann II, § 49 RdNr. 10.
III. Abstimmungen
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c) Rechtsfolge der Beschlußunfähigkeit
Rechtsfolge der - sei es aufgrund ihrer Bezweifelung festgestellten, sei es durch Stimmenzählung zu Tage getretenen - Beschlußunfähigkeit, aufgrund deren die Abstimmung wiederholt werden muß, ist die Verpflichtung des Parlamentspräsidenten, die Sitzung - üblicherweise unter Verkündung von Zeitpunkt und Tagesordnung der nächsten Sitzung - sofort aufzuheben. Da das Parlament nicht mehr beratungsfähig ist, darf das Wort nicht mehr erteilt werden; der Parlamentspräsident allein kann noch sprechen, beispielsweise um für denselben Tag eine neue Sitzung mit derselben Tagesordnung einzuberufen. Ergibt sich die Beschlußunfähigkeit bei einer namentlichen Abstimmung, so bleibt der Antrag auf diese Abstimmungsart aufrechterhalten; er braucht bei der Wiederholung der Abstimmung also nicht erneut gestellt zu werden10 • d) Unanwendbarkeit der Regelungen
über die Beschlußunfähigkeit
Die Vorschriften über die Beschlußunfähigkeit und deren Rechtsfolge sind nicht anwendbar, wo es nicht allein auf die normative und schon gar nicht auf die vermutete Beschlußfähigkeit ankommt, weil nicht die Abstimmungs-, sondern die Mitgliedermehrheit verlangt wird. Dies gilt beispielsweise bei der Wahl des Bundeskanzlers, dem Mißtrauensvotum oder der Bejahung der Vertrauensfragell. e) Reformvorschläge
Die Enquete-Kommission Verfassungsreform hat sich mehrheitlich dafür ausgesprochen, daß die Bestimmung über die Beschlußfähigkeit kraft Rechtsnorm - gemäß der also die Mehrheit der Abgeordneten im Sitzungssaal anwesend sein muß - bei Gesetzesbeschlüssen regelmäßig Anwendung findet mit der Maßgabe, daß der Bundestagspräsident zu Beginn der Schlußabstimmung über Gesetze die Beschlußfähigkeit von Amts wegen festzustellen hat. In einem Minderheitsvotum ist dem entgegen gehalten worden, die parlamentarische Arbeit dürfe nicht durch Präsenzpflichten in der Vollversammlung leiden, zumal die Redner sich in ihr ohnedies nicht an das Haus selbst wendeten, so daß "leere Bänke" 10 §§ 49 III GOBT, 80 II BWGO, 131 II BayGO (hier wird die Sitzung zunächst nur auf bestimmte Zeit unterbrochen und erst vertagt, falls die Beschlußfähigkeit auch dann noch nicht wiederhergestellt ist), 73 III BerlGO, 78 HessGO, 79 IV NdsGO, 50 NWGO, 45 RhPfGO, 47 SGO, 51 III SHGO. 11 Vgl. dazu Trossmann II, § 49 RdNr. 13. Nach § 130 II BayGO hat der Parlamentspräsident bei Beschlüssen, die der Mitgliedermehrheit oder einer Zwei-Drittel-Mehrheit bedürfen, durch ausdrückliche Erklärung festzustellen, daß die erforderliche Mehrheit der Abgeordneten zugestimmt hat.
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2. Teil: Das Verfahren in der Vollversammlung
unschädlich seien, sondern an die Öffentlichkeit12 • Dieser These kann insofern nicht gefolgt werden, als es bei der Abstimmung nicht um die Rede, sondern um die Willensbildung geht und es in der Tat wünschenswert ist, einen Gesetzesbeschluß auf eine möglichst breite Basis zu stellen. Andererseits ist zu beachten, daß die parlamentarischen Aufgaben arbeitsteilig nicht nur in der Vollversammlung, sondern auch in Fraktionen und Ausschüssen erfüllt werden, in welche die Repräsentation insoweit "vorverlagert" wird, was im allgemeinen auch unbedenklich ist, solange die dort ablaufenden Entscheidungsprozesse institutionell in das Parlament eingefügt sind13 • Empfehlenswert wäre demgemäß ein Mittelweg dergestalt, daß die Anwesenheit der Mehrheit der gesetzlichen Mitglieder nur, aber auch immer bei Beschlüssen über grundlegende oder weittragende Gesetzentwürfe verlangt wird. 2. Fassung und Reihenfolge der zur Abstimmung gestellten Fragen
Der Parlamentspräsident hat die zur Abstimmung zu stellenden Fragen zu formulieren und im allgemeinen auch ihre Reihenfolge zu bestimmen14• a) Fassung der Fragen
Die Fragen werden so gestellt, daß sie sich mit "Ja" oder "Nein" beantworten lassen. Sie bedürfen also einer klaren Fassung, die eine eindeutige Entscheidung der Abstimmenden ermöglicht; Stimmenthaltungen sind gleichwohl nicht ausgeschlossen, sollen aber nicht durch eine unklare Fassung der zur Abstimmung gestellten Frage veranlaßt werden15 • Nicht gestattet ist im übrigen die Verbindung mehrerer sachlich nicht zusammengehörender Fragen in derselben Fragestellung. Durch sie würden die Mitglieder des Parlaments zu einem Abstimmungsverhalten genötigt, das mit ihrem aus dem verfassungsrechtlichen Status des Abgeordneten folgenden Recht auf freie Willens bildung nicht vereinbar wäre. Der Abgeordnete darf nicht gezwungen werden, durch eine solche Verbindung gleichzeitig mehrere Fragen einheitlich zu bejahen oder zu verneinen, obwohl er bei getrennter Fragestellung mit differenzierten 11 Vgl. dazu BT-Dr. 7/5924, S. 84 ff. (die Verankerung in der Geschäftsordnung wurde für ausreichend, diejenige - ähnlich Art. 28 II RV 1871 in der Verfassung dagegen für entbehrlich gehalten) und dazu das Minderheitsvotum Arndt, Engelhard, Klein, S. 85 ff. 13 BVerfGE 44, 318 f. 14 Zum Thema: Trossmann I, S. 112 f. 15 §§ 52 I 1 GOBT, 96 I 2 BWGO, 132 1 BayGO, 67 I 2 BerlGO, 52 II BremGO, 31 I HambGO, 79 1 HessGO, 81 II NdsGO, 51 NWGO, 46 I 1 RhPfGO, 48 I SGO, 53 II SHGO.
III. Abstimmungen
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Willenskundgebungen reagieren würde16 • Sollte eine Frage im übrigen teilbar sein und der Wunsch nach Teilung bestehen, so kann eine solche begehrt werden. Auch dies dient dem Ziel, daß der Abgeordnete seinen Willen möglichst unverfälscht zum Ausdruck bringt. Der hieraus ableitbare Grundsatz simplexer Fragestellung kennt allerdings Ausnahmen: So kann bei der Schluß abstimmung über einen Gesetzentwurf nur dieser als Ganzer zur Abstimmung gestellt werden, weil nicht mehr über die Einzelvorschriften abzustimmen ist - was in der zweiten Beratung geschieht -, sondern das Gesetz als Ganzes zu beschließen ist. So kann ferner in dem Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses, falls in ihm mehrere Änderungen des Gesetzesbeschlusses vorgesehen werden, bestimmt werden, ob und inwieweit im Bundestag über Änderungen gemeinsam abzustimmen ist. Auch wenn über mehrere Vorschläge eine Einzelabstimmung erfolgt, ist aber noch über den Einigungsvorschlag im ganzen eine Schlußabstimmung erforderlich. Diese Fälle sind mithin solche komplexer Fragestellung. Die Fragen werden im allgemeinen so gefaßt, daß danach gefragt wird, ob die Zustimmung erteilt wird, nicht aber, ob die Ablehnung erfolgt. Sie werden also positiv ("affirmativ"), nicht dagegen negativ formuliert17 • Dieser Grundsatz ist allerdings üblicherweise durch die Formel "in der Regel" oder "tunlich" eingeschränkt. Der Parlamentspräsident ist demnach nicht gehindert, ausnahmsweise auch zu fragen, ob ein gestellter Antrag abgelehnt wird. In einem Ausnahmefall so zu verfahren - was dadurch nahegelegt sein kann, daß sich auf diese Weise schneller ein eindeutiges Abstimmungsergebnis erzielen läßt -, bedeutet also keine Abweichung von der Geschäftsordnung. Entstehen im Parlament Zweifel, ob der Ausnahmefall gegeben ist und damit die in der Formel "in der Regel" liegende Beschränkung noch gewahrt ist, so erfordern diese keine Interpretation der Geschäftsordnung, über die der Parlamentspräsident im Rahmen seiner Auslegungskompetenz entscheiden könnte, sondern eine Subsumtion. Insoweit sehen die Geschäftsordnungen vor, daß bei Widerspruch gegen die vorgeschlagene Fassung einer Frage das Parlament mit einfacher Mehrheit der anwesenden Abgeordneten entscheidet18• Das gilt allerdings nur, sofern hierin nicht zugleich auch eine Auslegungsfrage liegt, über die dann und insoweit der Parlamentspräsident entscheidungsbefugt ist. s. dazu Trossmann II, § 52 RdNr. 3. §§ 52 I 2 GOBT, 132 2 BayGO, 67 I 3 BerlGO, 79 2 HessGO, 81 I NdsGO, 46 I 2 RhPfGO. Vgl. dazu auch Trossmann II, § 52 RdNr. 3. lS So §§ 52 4 GOBT, 96 I 4 BWGO, 132 4 BayGO, 67 II 2 BerlGO, 31 II 2 18
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HambGO, 79 4 HessGO, 51 II 2 NWGO, 46 I 4 RhPfGO, 48 II 2 SGO, 53 III 2 SHGO.
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2. Teil: Das Verfahren in der Vollversammlung
über die Fassung der Frage kann das Wort zur Geschäftsordnung verlangt werden. Bei diesem handelt es sich nicht um einen Antrag, sondern um eine Bemerkung zur Geschäftsordnung. Während zu einer solchen das Wort - wie dargelegt - sonst nur nach Ermessen des Parlamentspräsidenten erteilt wird, besteht in diesem Fall dagegen ein Rechtsanspruch des Abgeordneten auf Worterteilung19 • b) Teilung der Frage
Die Teilung der zur Abstimmung gestellten Frage20 kann von jedem Abgeordneten beantragt werden; bei diesem Antrag handelt es sich um einen solchen zur Geschäftsordnung. Der Parlamentspräsident muß diesem Antrag stattgeben, sofern die Teilung zulässig ist. Wegen des erwähnten Grundsatzes simplexer Fragestellung, der sich auch hier auswirkt, trifft dies im allgemeinen zu. Anders ist dies indessen, wenn komplexe Fragestellung vorgeschrieben ist. Das wichtigste Beispiel hierfür bildet - wie erwähnt - die Schlußabstimmung über einen Gesetzentwurf21 • Falls über die Zulässigkeit der Frageteilung Zweifel bestehen, so entscheidet das Parlament, im Bundestag und im Landtag von Rheinland-Pfalz bei Anträgen der Antragsteller22 • Im einzelnen ist dazu festzustellen: Anträge, bezüglich deren den Antragstellern das Entscheidungsrecht zusteht, sind sowohl selbständige Anträge ohne Gesetzentwurf, als auch Entschließungsanträge unter Einschluß solcher zu Großen Anfragen, als auch Änderungsanträge23 • Handelt es sich bei dem Antrag um einen Ausschußantrag, so wird mitunter vorgebracht, die Entscheidung über die getrennte Ab19 §§ 52 3 GOBT, 96 I 3 BWGO, 132 3 BayGO, 67 II 1 BerlGO, 31 II 1 HambGO, 79 3 HessGO, 51 II 1 NWGO, 46 I 3 RhPfGO, 48 II 1 SGO, 53 III 1 SHGO. 20 §§ 53 GOBT, 96 II BWGO, 133 BayGO, 67 III BerIGO, 52 II 1 BremGO, 80 HessGO, 52 NWGO, 47 RhPfGO. - In Hamburg gehen bei einer aus mehreren Teilen bestehenden Vorlage der Gesamtabstimmung Einzelabstimmungen voraus, falls über diese Teile Einzelberatungen erfolgten (§ 31 III HambGO). 11 Vgl. nur § 88 GOBT. 12 Das bedeutet, daß mit der Antragstellung die Entscheidung bereits getroffen ist, weil diese die Zustimmung impliziert. So auch Jungheim, Die Geschäftsordnung für den Reichstag, Berlin 1916, S. 186; Perels, Das autonome Reichstagsrecht, Berlin 1903, S. 59 m. Anm. 328 f.; Trossmann II, § 53 RdNr.6. n So auch Trossmann II, § 53 RdNr. 6, unter ausführlicher Behandlung der Parlamentspraxis seit dem Reichstag unter der RV 1871. Zumindest bezüglich der Änderungsanträge liegt inzwischen eine Wandlung des Parlamentsrechts vor: War zur Entscheidung über die Zulässigkeit der Teilung von Änderungsanträgen der Reichstag selbst befugt, so entscheidet auch hierüber nunmehr der Antragsteller. Der weite Wortlauf des § 53 GOBT läßt diese Auffassung zu; ihr entspricht die Praxis des Bundestags (z. B. StenBer. BT, 4. WP, 69. Sitzung v. 27. 3. 1963, S. 3114 A, B).
111. Abstimmungen
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stimmung läge dann bei demjenigen Antragsteller, der den Antrag im Ausschuß eingebracht hat. Das entspricht indessen nicht dem Wortlaut der Geschäftsordnung: Hiernach kommt es nicht auf den Antragsteller an, der den Antrag im Ausschuß, sondern auf denjenigen, der ihn im Parlament eingebracht hat24 • Das aber ist der Ausschuß selbst, nicht dagegen der Antragsteller im Ausschuß und auch nicht der Ausschußberichterstatter, da dieser lediglich den Willen des Ausschusses vorträgt. Demgemäß kann der Antrag auf Teilung der Frage allein durch den Ausschuß gestellt werden, in dem er mehrheitlich beschlossen werden muß. Der Antragsteller, der den Antrag im Ausschuß eingebracht hat, ist in diesem Stadium nicht mehr Herr des Verfahrens, dem sein Antrag unterliegt. Haben mehrere Abgeordnete oder mehrere Fraktionen gemeinsam einen Antrag eingebracht und besteht unter ihnen keine Einigkeit darüber, ob Teilung der Frage beantragt werden soll, so ist ein solcher gleichwohl wirksam gestellt, da hierzu bereits ein einzelner Abgeordneter befugt ist25 • Antragsteller können im übrigen nur solche aus dem Parlament selbst sein, nicht aber Regierungsmitglieder oder im Bundestag Bundesratsmitglieder26 • Dies ergibt sich daraus, daß die Geschäftsordnung als parlamentarischer Innenrechtssatz Extra-Organ-Verhältnisse nicht zu regeln vermag. Die Teilung der Frage kann bis zum Beginn der Abstimmung begehrt werden, dagegen nicht mehr, wenn diese bereits im Gange ist. Mitunter ist ausdrücklich vorgesehen, daß unmittelbar vor der Abstimmung die Frage auf Verlangen vorzulesen ist27 • Vor der Teilung der Frage dient dies dazu, um den Abgeordneten Klarheit zu verschaffen, ob sie eine solche begehren wollen; nach ihr hat dies den Zweck, den Inhalt der nunmehr geteilten Frage nochmals zu verdeutlichen, um den Abgeordneten eine sichere Grundlage für ihr Abstimmungsverhalten zu bieten. c) Reihenfolge der Fragen
Die Reihenfolge der zur Abstimmung gestellten Fragen ist mitunter normativ vorgeschrieben28• So wird über den Antrag auf übergang zur So aber Trossmann II, § 53 RdNr. 7. Dem entspricht auch die Parlamentspraxis (vgl. z. B. StenBer. BT, 1. WP, 204. Sitzung v. 3./4.4.1955, S. 8799 B, C). A. M. Trossmann 11, § 53 RdNr. 7, allerdings widersprüchlich, weil er die Zulässigkeit des Antrags für den Fall bejaht, daß "die Mehrheit der Antragsteller den Antrag auch ohne die Widersprechenden hätte einbringen können". Da die Teilung der Frage bereits von jedem einzelnen Abgeordneten begehrt werden kann, ist dieser Fall stets gegeben. 28 Ebenso Trossmann 11, § 53 RdNr. 7. 27 So §§ 53 GOBT, 133 BayGO, 52 NWGO, 46 11 RhPfGO. Zum Zeitpunkt des Antrags auf Teilung der Frage auch Trossmann 11, § 53 RdNr. 10. !B Die Geschäftsordnungen verfahren insoweit nicht einheitlich: Die im folgenden erwähnten Regeln über die Reihenfolge der zur Abstimmung zu 24
25
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2. Teil: Das Verfahren in der Vollversammlung
Tagesordnung vor allen anderen Anträgen abgestimmt und geht der Antrag auf Schluß der Beratung demjenigen auf Vertagung vor. Ferner wird über den weitergehenden Antrag zuerst abgestimmt. Auch soweit dieses Prinzip nicht ausdrücklich kodifiziert ist, folgt es aus parlamentarischem Gewohnheitsrecht. Anders vorzugehen, bedeutete mithin eine Abweichung von der Geschäftsordnung, die nicht mit einfacher Mehrheit, sondern nur mit Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen werden kann29 • Bestehen Zweifel, welcher von mehreren Anträgen der weitergehende ist, so stellen diese keine Interpretationsfrage dar, über die der Parlamentspräsident im Rahmen seiner Auslegungskompetenz entscheiden könnte; er kann vielmehr nur eine Abstimmungsreihenfolge vorschlagen. Dann kommt es darauf an, ob dieser durch Geschäftsordnungsantrag widersprochen wird. In einem solchen Fall wird über den Geschäftsordnungsantrag und damit inzidenter über die Reihenfolge der zur Abstimmung gestellten Fragen abgestimmt. Jede andere Praxis, durch die der Parlamentspräsident die Kompetenz zur Bestimmung der Reihenfolge weitergehender Anträge für sich in Anspruch nähme, wäre parlamentsrechtswidrig3o • Gewohnheitsrechtlich besteht ferner die Regel, daß der Antrag auf überweisung eines Gegenstands an einen Ausschuß jedem anderen Antrag vorgeht, ausgenommen demjenigen auf übergang zur Tagesordnung 31 • Bei der zweiten Beratung eines Gesetzentwurfs wird der Reihenfolge nach über jede einzelne Bestimmung und danach über Einleitung und überschrift abgestimmt. Mitunter ist jedoch vorgesehen, daß auf Beschluß des Parlaments diese Reihenfolge geändert werden kann und über mehrere oder alle Teile des Gesetzentwurfs auch gemeinsam abgestimmt werden kann32 • Ist bei einem selbständigen Antrag, insbesondere einem solchen mit Gesetzentwurf, über einen Behördensitz zu entscheiden, so ist mitunter ausdrücklich vorgesehen, daß über diesen zuerst abzustimmen ist3 3 • Liegen mehrere konkurrierende Anträge vor, von denen keiner als der weitergehende zu betrachten ist, so liegt die Bestimmung der Abstellenden Fragen sind in ihnen teilweise ausdrücklich verankert, teilweise dagegen nicht, obwohl sie gleichwohl angewandt werden. Ausdrückliche Vorschriften für die Abstimmungsreihenfolge finden sich in §§ 97 V, VI BWGO, 134 I - III BayGO, 68 BerlGO, 51 BremGO, 31 III HambGO, 81 III NdsGO, 46 III - VI RhPfGO. 29 Ebenso Trossmann II, § 52 RdNr. 5.3.1. Bezüglich einer Abweichung im Verhältnis von Streichungsantrag und Änderungsantrag s. u. letzter Absatz dieses Abschnitts. 30 Ausführlich hierzu Trossmann II, § 52 RdNr. 5. 3. 2. Die Bezeichnung "Tatfrage", die hier für diesen Vorgang gewählt wird, ist allerdings nicht geglückt. 31 Trossmann II, § 52 RdNr. 5. 3. 2. 32 Vgl. z. B. §§ 80 II, III, 83 GOBT. 33 So §§ 55 I, III GOBT, 98 I, II BWGO.
III. Abstimmungen
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stimmungs reihenfolge im pflichtgemäßen Ermessen des Parlamentspräsidenten; die Reihenfolge der Antragsteller ist dabei ein mögliches Kriterium. Wegen der Reihenfolge bei Änderungsanträgen, Zusatzanträgen und Eventualanträgen ist auf die bereits hierzu gemachten Ausführungen zu verweisen34 • Bei mehreren Anträgen zu demselben Gegenstand ist auch eine Verbindung der Fragestellung dergestalt zulässig, daß mit der Annahme eines Antrags die anderen Anträge als erledigt gelten 35 • Erheben sich im Parlament hiergegen Bedenken, so sind diese durch Geschäftsordnungsantrag geltend zu machen. Geschäftsordnungswidrige Anträge 36 werden von dem Parlamentspräsidenten nicht zur Abstimmung gestellt. Vielmehr liegt es in seiner Leitungskompetenz, welche die Auslegung und die Anwendung der Geschäftsordnung umschließt, diese zurückzuweisen. Bei ihnen handelt es sich nicht nur um solche, mit denen gegen die Geschäftsordnung verstoßen wird, sondern auch um solche, die in der Verfassung oder einem Gesetz enthalten sind und sich auf den Geschäftsgang des Parlaments beziehen. Geschäftsordnung ist in diesem Zusammenhang also nicht im formellen, sondern im materiellen Sinne zu verstehen. Dagegen ist der Parlamentspräsident nicht befugt, Anträge von der Abstimmung auszunehmen, die nicht gegen die Geschäftsordnung, sondern gegen sonstige (verfassungs-)gesetzliche Bestimmungen verstoßen. Dies läge außerhalb seiner Leitungsbefugnis. Vielmehr müssen auch solche Anträge zur Abstimmung gestellt werden. Der Parlamentspräsident kann also nicht aus eigener Machtvollkommenheit verhindern, daß das Parlament ein verfassungswidriges Gesetz beschließt37 • Schwieriger zu beantworten ist die Frage, wann Streichungsanträge zur Abstimmung zu stellen sind. Bei der zweiten Beratung eines Gesetzentwurfs darf dies nicht geschehen, weil mit der Entscheidung über eine Vorschrift diese in der ursprünglichen Fassung abgelehnt, in der vers. dazu o. II 3. Bei nicht nur im Inhalt, sondern auch im Wortlaut übereinstimmenden Anträgen kann über diese gemeinsam abgestimmt werden (vgl. z. B. StenBer. BT, 6. WP, 174. Sitzung v. 1. 3. 1972, S. 10048 B), getrennt muß dies jedoch geschehen, falls nur inhaltliche und nicht auch wörtliche übereinstimmung vorliegt (vgl. z. B. StenBer. RT, 3. WP, 127. Sitzung v. 27. 1. 1925, S. 4655 D). s. hierzu ferner Trossmann II, § 52 RdNr. 6.7. 38 Dazu des näheren Trossmann II, § 52 RdNr. 6.8.1. Falls der Parlamentspräsident lediglich Zweifel an der Geschäftsordnungsmäßigkeit eines Antrags hat, gilt ähnliches, was zuvor zu Zweifeln über die Natur eines Antrags als weitergehender ausgeführt wurde. Handelt es sich um eine Frage der Geschäftsordnungsauslegung, so entscheidet der Parlamentspräsident, anderenfalls muß er den Antrag zur Abstimmung stellen, und es ist dann Aufgabe der Abgeordneten, gegebenenfalls durch Geschäftsordnungsantrag zu verhindern, daß der Sachantrag mangels Geschäftsordnungsmäßigkeit zur Abstimmung gestellt wird. 37 So auch Trossmann II, § 52 RdNr. 6.8.2. 34
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2. Teil: Das Verfahren in der Vollversammlung
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änderten angenommen ist; die Entscheidung über einen dann noch gestellten Streichungsantrag wäre eine erneute Befassung mit der Sache, der das Prinzip der Unverrückbarkeit gefaßter Beschlüsse entgegensteht38 • Werden mehrere Bestimmungen eines Gesetzentwurfs in einem einzigen Artikel zusammengefaßt, so gelten· diese als einzelne der Beratung und Abstimmung zu unterziehende Vorschriften39 • Insofern kommt es also auf den inneren Gehalt einer Vorschrift, nicht dagegen darauf an, in welches Gewand diese gekleidet ist. "Selbstständige Bestimmung" bedeutet also nicht dasselbe wie "Artikel" oder "Paragraph". In der dritten Beratung, in der eine Einzelberatung nur noch über diejenigen Vorschriften erfolgt, zu denen jetzt noch Änderungsanträge gestellt werden, muß demgegenüber ein Streichungsantrag gestellt und zur Abstimmung gebracht werden, falls eine andere Bestimmung entfallen soll40. Im übrigen, also bezüglich selbständiger Anträge und Entschließungsanträgen, sind Anträge auf Streichung in ihnen enthaltener Teile ihrem Wesen nach Änderungsanträge und in der Abstimmung wie solche zu behandeln. Konkurrieren Streichungsanträge und Änderungsanträge, so müßte nach dem bereits erwähnten Grundsatz, daß zunächst über den weitergehenden Antrag abzustimmen ist, der Streichungsantrag zur Abstimmung gestellt werden. Insoweit wird parlamentsrechtlich indessen umgekehrt verfahren, um eine optimale Sachentscheidung zu ermöglichen. Dies ist auch deshalb möglich, weil mit der Entscheidung über den Änderungstrag zugleich der Streichungsantrag erledigt ist41 . Werden Eventualanträge für den Fall der Ablehnung eines Streichungsantrags gestellt, so ist wesensgemäß zuerst über den Streichungsantrag abzustimmen42 .
38 Ebenso Trossmann 11, I 53 RdNr. 7.3. Zum Prinzip der Unverrückbarkeit s. u. 4. 39 So auch Trossmann 11, § 52 RdNr. 7.6., § 80 RdNr. 16 - 16.3. Vgl. als Beispiele aus der Parlamentspraxis StenBer. BT, 6. WP, 170. Sitzung v. 4.2. 1972, S. 9698 C, 7. WP, 64. Sitzung v. 8.11. 1973, S. 3787 A. 40 So auch Trossmann 11, § 52 RdNr. 7.2. 41 Hierzu ausführlich Trossmann 11, § 52 RdNr. 7.4. Anders wird nur verfahren, wenn Anträge auf Streichung von Teilen einer selbständigen Bestimmung gestellt werden. Über solche Streichungsanträge wird - ihrem Charakter als Änderungsanträge entsprechend - zuerst abgestimmt, Trossmann 11, § 52 RdNr. 7.7, sowie StenBer. BT, 7. WP, 230. Sitzung v. 7.5.1969, S.
12795 C. 42
Ebenso Trossmann 11, § 52 RdNr. 7.5.
III. Abstimmungen
109
3. Abstimmungsarten
a) Allgemeines
Die Abstimmungsarten43 lassen sich systematisch nach der Form und der Offenkundigkeit des Abstimmungsverhaltens untergliedern. Der Form nach gibt es die mündliche Abstimmung (durch Namensaufruf und Erklärungsantwort)44, durch Zeichen - insbesondere durch Handzeichen oder Aufstehen und Sitzenbleiben - sowie die schriftliche Abstimmung. Der Offenkundigkeit nach lassen sich offene und geheime Abstimmungen unterscheiden. Mündliche Abstimmungen und Abstimmungen durch Zeichen sind dabei notwendigerweise offen, Abstimmungen mit "verdeckten Stimmzetteln" demgegenüber stets geheim, während umgekehrt geheime Abstimmungen nicht nur in dieser Form durchführbar sind. An Abstimmungen jeglicher Art dürfen im Bundestag Berliner Abgeordnete dann nicht mitwirken, wenn sie bei der Abstimmung nicht stimmberechtigt sind. Festzustellen, daß sie der Abstimmung fern geblieben sind, kann auf verschiedene Weise geschehen, beispielsweise dadurch, daß sie während der Auszählung der Stimmen im Saal verbleiben. Haben sie irrtümlich mitgestimmt, so braucht die Abstimmung nur wiederholt zu werden, falls ihre Stimmabgabe das Abstimmungsergebnis beeinflußt haben kann45 ; ähnlich wie bei der Wahlprüfung ist also Kausalität zwischen Abstimmungsfehler und Abstimmungsergebnis erforderlich. b) Offene Abstimmung Im Regelfall wird durch Handzeichen oder Aufstehen und Sitzenbleiben abgestimmt46 • Im Bundestag, in den Landtagen von Niedersachsen und RheinZand-PfaZz ist die zweite Abstimmungsform für die Schluß abstimmung bei Gesetzentwürfen vorgeschrieben, dennoch braucht die Abstimmung nicht wiederholt zu werden, wenn sie irrtümlich durch Handzeichen erfolgte; mit Verkündung des Abstimmungsergebnisses ist der Formfehler vielmehr geheilt47 • Falls eine Ge4S Vgl. zum folgenden Oberreuter, Abstimmungen, in: Röhring - Sontheimer, S. 23; H. Schmitt, Das legislative Votum. Eine parlamentsrechtliche Untersuchung über die Beratung und Abstimmung der gesetzgebenden Körperschaften, Diss., Bonn 1960; Trossmann I, S. 1 ff., 123, 195 ff.; L. Weber, Die Beschlußfassung in der Volksvertretung, Diss., Würzburg 1951. 44 Vorgesehen in § 84 I, H NdsGO für Beschlüsse, die einer Mehrheit bedürfen, welche nach der gesetzlichen Zahl der Abgeordneten zu berechnen ist. 45 Dazu des näheren Trossmann H, § 52 RdNr. 11. 48 §§ 54 1 GOBT, 97 I BWGO, 135 1 BayGO, 70 1 BerlGO, 57 1 BremGO, 32 1 HambGO, 82 1 HessGO, 83 I NdsGO, 53 I NWGO, 48 I RhPfGO, 54 I SHGO. 47 Trossmann H, § 54 RdNr. 1.
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2. Teil: Das Verfahren in der Vollversammlung
genprobe erfolgt, wird sie in derselben Form vorgenommen. Schriftliche Abstimmungen sind demgegenüber nur ausnahmsweise vorgesehen; im Bundestag gilt dies für Wahlen und für die Auswahl des Sitzes einer Bundesbehörde. Hieran knüpft sich die Frage, ob und inwieweit geheime Abstimmungen durch Geschäftsordnungsänderung oder Abweichung von der Geschäftsordnung im Einzelfall eingeführt werden können. Die Verfassungen hindern dies nicht. Zwar umschließt das Gebot der "öffentlichen Verhandlung" auch die Abstimmung; doch bedeutet Öffentlichkeit lediglich freien Zugang für jedermann zum Verhandlungsraum, nicht aber Anspruch auf Zugang zu Parlamentsinterna'8. Insoweit besteht eine der Informationsfreiheit vergleichbare Rechtslage: Auch sie stellt nur das Recht dar, sich aus jedermann zugänglichen Quellen zu unterrichten, enthält aber nicht den Anspruch auf Eröffnung von geheimen Angelegenheiten. Eine ganz andere Frage ist es, ob geheime Abstimmungen einen Arkanbereich bedeuten, der dem aus der Demokratie abzuleitenden Transparenzgebot widerstreitet. Insoweit muß auf die Ausführungen zum Öffentlichkeitsprinzip Bezug genommen werden: Auch in diesem Zusammenhang gilt, daß das arcanum - und damit auch die Geheimheit von Abstimmungen - nicht zum Bestandteil politischer Strategie gemacht werden darf. Dabei kommt es gar nicht so sehr darauf an, daß Parlamentsexterne von dem Abstimmungsverhalten Kenntnis erlangen - insoweit kann auf sich beruhen, ob die Öffentlichkeit sich nur auf die Debatte oder auch auf die Abstimmung bezieht -, erheblich ist vielmehr, daß die Demokratie mit allen ihren Konsequenzen eine auch das Intra-Organ-Verhältnis durchziehende Auslegungsmaxime ist und damit vor den Toren des Parlaments nicht Halt macht. Gleichwohl ist das aus ihr folgende Transparenzgebot nicht einzige Leitmaxime parlamentarischen HandeIns. Vielmehr mag es im Einzelfall zwingende Gründe für geheime Abstimmungen geben, doch sollte generell der Geheimheit nicht das Wort geredet werden49 • Stimmenthaltungen sind auch bei Abstimmungen durch Zeichen zulässig. Insofern ist es Aufgabe des Parlamentspräsidenten, durch entsprechende Frage auf eine Zeichengebung - Handzeichen oder Aufstehen - hinzuwirken, die Aufschluß über den Enthaltungswillen gibt50 • 48 Ebenso Hamann - Lenz, Art. 42 Anm. B 1; v. Mangoldt - Klein, Art. 42 Anm. III 4; Maunz - Dürig - Herzog - Scholz, Art. 42 RdNr. 5. 4g Bedenken bestehen demgegenüber gegen die These von H. H. Klein, Mehr geheime Abstimmungen in den Parlamenten!, ZRP 76, 81, wie aber auch gegen die Auffassung von Buschmann - Ostendorj, Die geheime Abstimmung im Parlament - Postulat oder Relikt?, ZRP 77, 153, die sich für die offene Abstimmung sogar bei Personalentscheidungen einsetzen.
III. Abstimmungen
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c) Geheime Abstimmung
Geheime Abstimmung - die mitunter durch Verwendung verdeckter, amtlicher Stimmzettel erfolgt, aber nicht erfolgen muß - findet bei Wahlen statt, sofern dies durch (Verfassungs-)Gesetz oder in der Geschäftsordnung vorgeschrieben ist51 ; mitunter ist vorgesehen, daß stattdessen durch Handzeichen oder sogar Zuruf gewählt werden kann, sofern kein Abgeordneter widerspricht (in Schleswig-Holstein: sofern nicht fünfzehn Abgeordnete widersprechen). Der innere Grund hierfür besteht darin, daß persönliche Beziehungen nicht durch ein bei der Wahl zu Tage tretendes Abstimmungsverhalten belastet werden sollen. Soziologische Phänomene werden hier rechtsnormativ berücksichtigt, wenn auch die geheime Abstimmung bei einer Wahl kein parlamentsrechtliches apriori darstellt. Im Bundestag beispielsweise erfolgt die Wahl des Bundestagspräsidenten sowie seiner Stellvertreter und ebenso diejenige des Bundeskanzlers mit verdeckten Stimmzetteln, diejenige des Wehrbeauftragten geheim, ohne daß eine solche durch verdeckte Stimmzettel vorgeschrieben ist - so daß sie auch mit Hilfe einer Abstimmungsanlage vorgenommen werden könnte - , diejenige der Mitglieder des Richterwahlausschusses ohne besondere Formvorschriften - so daß sie auch offen erfolgen könnte - ; für letztere hat sich lediglich gewohnheitsrechtlich inzwischen die geheime Wahl mit verdeckten Stimmzetteln herausgebildet. In den Landtagen werden beispielsweise in Baden-Württemberg auch der Präsident und die Mitglieder des Staatsgerichtshofs geheim gewählt; entsprechendes gilt dort für die Zustimmung zur Ernennung des Präsidenten und des Vizepräsidenten des Rechnungshofs 52 • Sofern geheime Wahlen weder ausdrücklich, noch gewohnheitsrechtlich vorgesehen sind, muß sich das Parlament jeweils entscheiden, in welcher Form eine Wahl oder sonstige Abstimmung durchzuführen ist. Für Wahlen insbesondere gibt es mitunter interfraktionelle Vereinbarungen darüber, daß sie offen vorgenommen werden53 • Geschäftsordnungsbestimmungen dürfen dabei freilich nicht umgangen werden: So gab es den Fall, daß entgegen der Bundestagsgeschäftsordnung interfraktionell vereinbart worden war, die Stellvertreter des Bundestags50 Infolgedessen ist es nicht erforderlich, daß derjenige, der sich bei solchen Abstimmungen der Stimme enthalten will, den Saal verläßt, ebenso Trossmann II, § 54 RdNr. 9. 51 Vgl. §§ 54 a GOBT, 97 a BWGO, 74 11 BerlGO, 58 III BremGO, 28 I HambGO, 87 HessGO, 86 I NdsGO, 49 RhPfGO, 53 SGO, 54 111 SHGO. 52 Vgl. §§ 2 I, 4 11 GOBT, 13 WehrbeauftragtenG, 65 GOBT und dazu Trossmann II, § 54 a RdNr. 3, sowie StenBer. BT, 2. WP, 51. Sitzung v. 21. 10. 1954, S. 2509 C, D (seither ist die Wahl mit verdeckten Stimmzetteln praktiziert worden); § 97 a 111 BWGO. 53 Dazu Trossmann 11, § 54 a RdNr. 5.
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2. Teil: Das Verfahren in der Vollversammlung
präsidenten in offener Abstimmung zu wählen. Da dies der Geschäftsordnung widerspricht, konnte eine entsprechende Abweichung von ihr nur mit Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen werden. Auch das ist aber nur möglich, wenn die geheime Wahl lediglich in der Geschäftsordnung vorgeschrieben ist; anderenfalls kann sie auch nicht durch einen Beschluß über die Abweichung von der Geschäftsordnung umgangen werden54 • Geheime Wahl hindert nicht, die Namen derjenigen Abgeordneten bekanntzugeben, die an ihr teilgenommen haben. Sie verbietet vielmehr nur, das "Wie", nicht aber, das "Ob" der Abstimmung offenzulegen66 • d) Namentliche Abstimmung
Bis zur Eröffnung der Abstimmung kann namentliche Abstimmung beantragt werden; mitunter ist eine solche für bestimmte Beratungsgegenstände vorgeschrieben: so in Baden-Württemberg für Verfassungsänderungen, in Bayern bei der Schlußabstimmung über Gesetzentwürfe56 • Im übrigen muß sie im: Bundestag stattfinden, wenn der Antrag von einer Abgeordnetengruppe in Fraktionsmindeststärke gestellt wird; in den Ländern bestehen bezüglich der erforderlichen Zahl der Antragsteller unterschiedliche Regelungen57 • Die zur AntragsteIlung befugten Abgeordneten müssen in der Vollversammlung anwesend sein. Die namentliche Abstimmung erfolgt im Bundestag in der Weise, daß verschiedenfarbige Karten, auf denen der Name des Abgeordneten und die Worte "Ja", "Nein" oder "Enthalte mich" aufgedruckt sind, von den Schriftführern in Urnen eingesammelt werden. Die Verwendung anderer als der amtlich hergestellten Stimmkarten sowie auf diese angebrachte Zusätze oder Abänderungen machen die Abstimmung ungültig. Ungültig ist die Stimme eines Abgeordneten auch, wenn er zwei sich widersprechende Stimmkarten abgegeben hat; bei gleichlautenden Stimmkarten wird nur eine gewertet58 • - Mitunter erfolgt die namentDazu Trossmann II, § 54 a RdNr. 7, 10. Gleicher Ansicht Trossmann II, § 54 a RdNr. 8 m. weit. Hinweisen auf die Praxis des Bundestags. 58 §§ 99 II BWGO, 137 I BayGO. 57 § 57 GOBT. Vgl. ferner (die erforderliche Zahl der Antragsteller im folgenden in Klammern) §§ 99 I, IV, V BWGO (5 Abgeordnete), 137 BayGO (Fraktion oder 20 Abgeordnete), 71 I, II BerlGO (Fraktion), 57 III - V BremGO (Abgeordnetengruppe in Fraktionsmindeststärke), 33 HambGO (6 Abgeordnete), 84 HessGO (Fraktion), 84 NdsGO (10 Abgeordnete), 54 NWGO (Fraktion oder ein Viertel der Abgeordneten), 51 RhPfGO (Fraktion oder 8 Abgeordnete), 51 SGO, 54 II SHGO (15 Abgeordnete). 58 Gleicher Ansicht Trossmann I, S. 196. 54
55
III. Abstimmungen
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liche Abstimmung durch Aufruf der Namen der Abgeordneten, worauf diese mit "Ja" oder "Nein" oder "Enthalte mich" antworten. Sind alle Stimmkarten eingesammelt, so erklärt der Parlamentspräsident die Abstimmung für geschlossen. Nach dieser Erklärung der üblicherweise die Frage vorausgeht, ob alle Abgeordneten ihre Stimmkarten abgegeben haben - ist keine Stimmabgabe mehr zulässig59 • Nunmehr beginnt die Auszählung, während deren keine Korrektur der abgegebenen Stimme mehr möglich ist. Mitunter wird die Auffassung vertreten, eine solche sei erst dann nicht mehr gestattet, wenn auf eine Manipulation des Abstimmungsergebnisses abgezielt werden kann, weil aus der Höhe der aufgestapelten Stimmkarten sich schon ein bestimmtes Abstimmungsergebnis ablesen läßt6o • Hierauf kommt es jedoch nicht an. Vielmehr sind Stimmabgabe und Stimmauszählung zwei getrennt aufeinander folgende Verfahrensteile. So wie die Auszählung erst beginnt, wenn alle Stimmen abgegeben sind, dürfen solche nicht mehr abgegeben werden, wenn sie bereits begonnen hat. Korrekturen des Abstimmungsverhaltens sind nur während der Stimmabgabe, also bis zu demjenigen Zeitpunkt möglich, in dem der Parlamentspräsident die Abstimmung für geschlossen erklärt6t • Das Abstimmungsergebnis wird zunächst nur als vorläufiges bekanntgegeben und steht - was besonders bei knappen Abstimmungsmehrheiten bedeutsam ist - bis zur Eröffnung des endgültigen unter dem Vorbehalt eines abweichenden Ergebnisses aufgrund einer kontrollierenden Zählung, durch die das vorläufige Ergebnis berichtigt werden kann. Unterbleibt der Hinweis auf die Vorläufigkeit des Abstimmungsergebnisses, so ist gleichwohl das endgültige maßgebend6!. Namentliche Abstimmung ist mitunter kraft ausdrücklicher Bestimmung, mitunter aus inneren Gründen unzulässig: Für unzulässig erklärt ist sie in der Bundestagsgeschäftsordnung über die Stärke eines Ausschusses, die Abkürzung von Fristen, die Sitzungszeit und Tagesordnung, die Vertagung der Sitzung, die Vertagung oder den Schluß der Beratung, die Teilung der Frage sowie die überweisung an einen Ausschuß 63 • Die enumerative Aufführung dieser Gründe ergibt ihre abschließende Natur, was ihrer ausdehnenden Auslegung oder analogen Anwendung unter den für solche bestehenden Voraussetzungen allerdings nicht entgegensteht64 • Die generelle Unzulässigkeit namentlicher Ebenso Trossmann II, § 57 RdNr. 6. So Trossmann II, § 57 RdNr. 13. 11 Ebenso Trossmann I, S. 196. B! Trossmann II, § 57 RdNr. 7. Vgl. aus der Parlamentspraxis z. B. StenBer. BT, 7. WP, 39. Sitzung v. 7.6.1973, S. 2176 B, C. 83 § 58 GOBT. Vgl. ferner §§ 99 III BWGO, 138 BayGO, 71 V BerlGO, 57 VI BremGO, 33 I 3 HambGO, 55 NWGO, 52 RhPfGO, 54 II 2 SHGO. 68
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8 Achterberg
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2. Teil: Das Verfahren in der Vollversammlung
Abstimmung über Geschäftsordnungsfragen kann nicht angenommen werden; da sie in der Geschäftsordnung des Bundestags nicht vorgesehen ist, wird man sie dort vielmehr für zulässig zu halten haben. Anders ist dies dagegen, wo eine entsprechende Unzulässigkeit namentlicher Abstimmung über Geschäftsordnungsfragen ausdrücklich vorgeschrieben ist 65 • Bedenklich ist die Auffassung, auch über die Abweichung von der Geschäftsordnung könne namentlich abgestimmt werden66 • Zwar ist einzuräumen, daß hierfür das argumentum a fortiori spricht: Wenn schon über den Erlaß einer neuen Geschäftsordnung namentlich abgestimmt werden kann, müßte dies erst recht auch für die Abweichung von der Geschäftsordnung gelten. Indessen könnte damit die gesamte Aufzählung jener Gegenstände, über die eine namentliche Abstimmung unzulässig ist, unterlaufen werden: indem nämlich durch Beschluß über die Abweichung auch von dieser Geschäftsordnungsbestimmung, die möglicherweise sogleich mit der betreffenden Sachfrage verknüpft wird, in namentlicher Abstimmung eine Erweiterung oder Verminderung des Kreises jener Gegenstände, über die namentliche Abstimmung von Geschäftsordnungs wegen nur zulässig ist, vorgenommen wird. - Aus inneren Gründen ist die namentliche Abstimmung unzulässig, wenn eine nicht namentlich durchgeführte Abstimmung wiederholt wird, weil sie wegen Beschlußunfähigkeit ergebnislos geblieben war, weil sie auf einem Irrtum beruhte oder weil sie ungültig war: In allen diesen Fällen muß verhindert werden, daß durch Veränderung der Abstimmungsart das Abstimmungsergebnis verändert wird. e) Stimmenzählung
Ist in der Sitzung der Vorstand über das Abstimmungsergebnis nicht einig, so wird die Gegenprobe gemacht. Ergibt auch sie keine Klarheit, so werden die Stimmen gezählt67 • Die Zählung kann so erfolgen, daß die Abgeordneten auf Anordnung des Parlamentspräsidenten den Sitzungssaal verlassen, worauf dessen Türen bis auf drei geschlossen werden. Dann stellen sich an jeder dieser Türen, die mit "Ja", "Nein" oder "Enthalte mich" bezeichnet werden, Schriftführer auf und zählen 114 Vgl. hierzu unter Hinweis auch auf die Praxis des Reichstags der RV 1919 - Trossmann 11, § 58 RdNr. 1 - 1.3. 85 Vgl. dazu Trossmann 11, § 58 RdNr. 1.1. In den Landtagen ist eine entsprechende Unzulässigkeit ausdrücklich vorgeschrieben in §§ 138 Nr. 9 BayGO, 57 VI BremGO, 33 13 HambGO, 84 111 2 NdsGO, 54 11 2 SHGO. 88 So aber Trossmann 11, § 58 RdNr. 2.6. Richtig ist daran nur, daß die Auffassung, namentliche Abstimmungen seien bei Geschäftsordnungsanträgen unzulässig, für die Beantwortung dieser Frage unerheblich ist (insoweit zutreffend Trossmann 11, § 58 RdNr. 2.7). 87 Vgl. dazu §§ 56 GOBT, 136 BayGO, 70 11 BerlGO, 32 111 HambGO, 83 HessGO, 83 1II NdsGO, 53 II NWGO, 50 RhPfGO, sowie Trossmann I, S. 46.
III. Abstimmungen
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die durch diese Türen den Sitzungssaal wieder betretenden Abgeordneten. Zur Beendigung der Abstimmung gibt der Parlamentspräsident das Zeichen; später eintretende Abgeordnete werden nicht mehr mitgezählt. Dieses Auszählungsverfahren, das auch als "Hammelsprung" bezeichnet wird, kommt nur unter den zuvor dargestellten Vorsetzungen in Betracht. Aber auch jedes andere Zählverfahren erfordert die Uneinigkeit des Sitzungsvorstands über das Abstimmungsergebnis, kann dagegen nicht beantragt werden68 • In Bayern ist vorgesehen, daß unmittelbar nach Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses von einer Fraktion oder von zwanzig Abgeordneten beantragt werden kann, die Abstimmung in der nächst strengeren Form zu wiederholen. Wird dies von der Vollversammlung beschlossen, so tritt an die Stelle der Abstimmung durch Zeichen die Auszählung, an deren Stelle die namentliche Abstimmung69 • Diese ersetzt - soweit sie vorgesehen ist generell überhaupt die Auszählung70. f) Pairing
Zwar nicht ein mit den zuvor genannten Abstimmungsarten vergleichbares, wohl aber auf Beeinflussung des Abstimmungsergebnisses abzielendes Abstimmungsverhalten stellt das Pairing dar71 • Man versteht darunter die Absprache darüber, daß Abgeordnete einer Fraktion bei derselben Abstimmung abwesend sein werden, wenn auch solche anderer Fraktionen nicht anwesend sind, so daß sich ihre mangelnde Abstimmungsteilnahme gegenseitig neutralisiert. Pairing ist ein "generelles Abkommen der Fraktionen, die Abwesenheit von Abgeordneten der einen Seite durch Nichtbeteiligung der entsprechenden Zahl von Abgeordneten der Gegenseite auszugleichen", eine "generelle Absprache zwischen mindestens zwei Parlamentsfraktionen mit politisch gegensätzlichen Standorten ... , getroffen für eine unbestimmte Zahl zukünftiger Fälle, in denen die Mehrheit überstimmt zu werden droht, weil sie nicht ... alle ihre Mandatsträger versammeln kann"72. Pairing hat also den Zweck, durch Vereinbarung die Mehrheitsverhältnisse im Parlament aufrecht zu erhalten, wenn Abgeordnete verhindert sind, an der parlamentarischen Verhandlung, insbesondere der Abstimmung 68 Trossmann II, § 56 RdNr. 3.4. Vgl. hierzu auch Jäckel, Hammelsprung, in: Röhring - Sontheimer, S. 189. 69 § 140 BayGO. 70 So auch Trossmann I, S. 46. 71 Dazu Röttger, Forum: Die parlamentarische Stimmrechtsbeschränkungsvereinbarung ("Pairing"), JuS 77, 7; Trossmann II, § 54 Anh. B. 72 Definitionen bei Schmidt-Bleibtreu - Klein, Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 4. Aufl., Neuwied - Darmstadt 1977, Art. 121 RdNr. 3; Röttger, JuS 77, 8.
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2. Teil: Das Verfahren in der Vollversammlung
teilzunehmen. Absprachen solcher Art sind sowohl der ausländischen als auch der deutschen Parlamentspraxis bekannt; ausdrückliche Rechtsnormen hierüber gibt es zumindest im deutschen Parlamentsrecht jedoch nicht. So sehr das Pairing politisch sinnvoll sein mag - im Bundestag besteht ein solches bezüglich der Mitglieder des Europäischen Parlaments73 - , so ist doch unübersehbar, daß es auf einer Reihe parlamentsrechtlich und sogar verfassungsrechtlich höchst fragwürdiger Prämissen beruht: Zum ersten gründet es sich auf die implizite für unbedenklich gehaltene Durchbrechung der Anwesenheitspflicht im Parlament. Wird sie nämlich ernst genommen, so sind Doppelmandate jeder Art - seien es solche in nationalen, seien es solche in supranationalen Parlamenten - ausgeschlossen. Zum zweiten basiert sie auf der ebenso implizite für zulässig erachteten Fraktionsdisziplin: Nur auf deren Grundlage vermag sich überhaupt mit einiger Sicherheit auszuwirken, daß die unterbleibenden Abstimmungen von Abgeordneten verschiedener Fraktionen sich gegenseitig neutralisieren". Pairings beruhen auf interfraktionellen Vereinbarungen im Ältestenrat; sie pflegen der Kündigungsmöglichkeit zu unterliegen, sobald die betreffenden Abgeordneten wieder in der Lage sind, ihrer Anwesenheitspflicht im Parlament zu genügen75 • Ist für ein bestimmtes Abstimmungsergebnis die qualifizierte Mehrheit - sei es auch nur die Mitgliedermehrheit - erforderlich, so kann das Pairing im übrigen seinen Zweck nicht erfüllen, weil es hier nicht auf das Verhältnis der "Ja"zu den "Nein"-Stimmen ankommt, sondern allein auf das Erreichen der vorgeschriebenen Mehrheit7 6 • 4. Wiederholung der Abstimmung
Die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Abstimmung außer im Falle der Beschlußunfähigkeit wiederholt werden kann, zählt zu den schwierigsten Problemen des Abstimmungsrechts77 • a) Berichtigung der Stimmabgabe
Ihr vorgelagert ist diejenige, ob der Abgeordnete seine Stimmabgabe berichtigen kann. Das ist bei jeder Abstimmungsart solange anzuerkenTrossmann II, § 54 Anh. B RdNr. B. 5.4, 6. Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des Pairings auch bei Röttger, JuS 77, 8 f. 75 Röttger, JuS 77, 7; Tros.smann II, § 54 Anh. B RdNr. B 4, 6. 78 So auch Trossmann II, § 54 Anh. B RdNr. B 4. 77 Zusammenhängend zum Thema Trossmann I, S. 3 ff.; ders. II, § 54 Anh.A. 73
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111. Abstimmungen
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nen, wie die Abstimmung nicht geschlossen ist. Die Zäsur bildet die entsprechende Erklärung des Parlamentspräsidenten, auf die aus Gründen der Rechtsklarheit nicht verzichtet werden darf; eine derartige Feststellung sollte selbst bei Abstimmung durch Zeichen erfolgen. Nach ihr ist die Berichtigung nicht mehr zulässig. Infolgedessen ist es keineswegs zweifelhaft, ob einem Abgeordneten zugestanden werden kann, seine Abstimmung noch im Laufe einer Auszählung zu ändern, die Frage ist vielmehr eindeutig zu verneinen. Wegen der erforderlichen Rechtsklarheit als besonders problematisch erweist sich die Berichtigung bereits gefaßter Gesetzesbeschlüsse. Sie muß sich auf offenbare Schreibfehler beschränken78, die sich auf Wörter, Zahlen oder Zeichen beziehen, wobei die Zulässigkeit der Berichtigung unter der doppelten Voraussetzung steht, daß sowohl die fehlerhafte als auch die richtige Fassung offenkundig sind. Bei Wörtern und auch bei Verweisungen auf andere Paragraphen, in denen die in Bezug genommene Regelung gar nicht enthalten ist, mag dies oft unschwer erkennbar sein. Bei Zahlen kommt es dagegen darauf an, ob sie überhaupt keinen Sinn ergeben, anderenfalls ist die Berichtigung nicht erlaubt79• Durch sie darf insbesondere keine inhaltliche Veränderung einer Vorschrift erfolgen; der "materielle Normgehalt darf durch die Berichtigung nicht angetastet werden"80. Um eine inhaltliche Veränderung der Norm herbeizuführen, ist wegen der Unverrückbarkeit des Gesetzesbeschlusses vielmehr eine neue Gesetzesinitiative erforderlich, selbst die Wiederholung der Schlußabstimmung reicht hierzu nicht aus 81 . Dabei läßt sich allerdings nicht ausschließen, daß eine solche zum 78 Vgl. dazu Schack, Redaktionsfehler, formelle Verfassungswidrigkeit und Irrtum und Täuschung des Gesetzgebers, DÖV 64, 469 (470); Trossmann 11, Anh. zu § 88 RdNr. A 4. - Die Offenkundigkeit ist auch hier mit der gesamten rechtstheoretischen Problematik der Evidenz als Argumentationssurrogat belastet, vgl. dazu Achterberg, Die Evidenz als Rechtsbegriff, DÖV 63, 331. 79 Trossmann 11, Anh. zu § 88 RdNr. A 4. 80 BVerfGE 48, 1 (19); Kirn, Die "Berichtigung" von beschlossenen noch nicht ausgefertigten und verkündeten Gesetzen, ZRP 73, 49 (50 f.); Staats, Zur Berichtigung von Gesetzesbeschlüssen des Bundestages wegen Redaktionsversehen, ZRP 74, 183 (der [184] - wie Kirn - mit Recht keine Bedenken hat, daß der Parlamentspräsident offenbare Unrichtigkeiten selbst berichtigt [hierin liegt entgegen Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, 5. Aufl., 2. Bd., 1911, S. 58 ff., in der Tat keine Rechtswidrigkeit allerdings nicht deswegen, weil insoweit "verfassungsrechtliches Gewohnheitsrecht" entstanden wäre, so aber Staats, ZRP 74, 185, sondern weil der Parlamentspräsident bei der Berichtigung nicht gesetzgeberisch tätig wird], der [184 f.] die Praxis des Verfahrens von "Direktor zu Direktor" [sc. des Bundestags und des Bundesrats] mitteilt und schließlich [186] Vorschläge für eine Verbesserung des Verfahrens macht, die auf die Beibehaltung der Berichtigungsbefugnis durch den Parlamentspräsidenten, jedoch die Publizierung der Berichtigung als Parlaments drucksache hinauslaufen); Trossmann 11, Anh. zu § 88 RdNr. A 5.2. 81 Ebenso Trossmann 11, Anh. zu § 88 RdNr. A 9.
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2. Teil: Das Verfahren in der Vollversammlung
Anlaß genommen wird, auch weitere Teile des Gesetzes der Änderung zu unterziehen, doch läßt sich dies nicht verhindern und ist dies auch sonst bei Gesetzesinitiativen möglich. Bei der entsprechenden Anwendung prozeßrechtlicher Grundsätze über die Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten ist insofern Zurückhaltung geboten, als das im Prozeßrecht im Vordergrund stehende Prinzip der Prozeßwirtschaftlichkeit und damit auch der Vermeidung weiterer Verfahren im Parlamentsrecht demjenigen der Gesetzesklarheit weichen muß82 • Hinsichtlich des Verfahrens bei der Berichtigung von Gesetzesbeschlüssen trifft die Bundestagsgeschäftsordnung die Regelung, daß bei einer Feststellung von Druckfehlern oder anderen offenbaren Unrichtigkeiten nach der Schlußabstimmung, aber vor der Übersendung des beschlossenen Gesetzes an den Bundesrat, der Bundestagspräsident die Berichtigung im Einvernehmen mit dem federführenden Ausschuß vornehmen kann, aber nicht muß. Danach macht der Bundestagspräsident nach Einwilligung dieses Ausschusses den Bundesratspräsidenten auf die entsprechende Unrichtigkeit aufmerksam mit der Bitte, sie im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu berichtigen. Von dieser Bitte ist dem Bundeskanzler und dem federführenden Bundesminister Mitteilung zu machen83 • Die präsidentielle Kompetenz ist deshalb unbedenklich, weil es sich insoweit um keinen legislativen Akt handelt. Der dem Bundestagspräsidenten eingeräumte Ermessensspielraum dient im übrigen dazu, einer zu weiten Auslegung des Berichtigungsbegriffs durch den betreffenden Ausschuß entgegenwirken zu können. Berichtigungen unter Mißachtung der zuvor genannten Grenzen stellen Verfahrensfehler dar, die zur formellen Rechtswidrigkeit des beschlossenen Gesetzes führen 84 • 82 Gleicher Ansicht Trossmann 1I, Anh. zu § 88 RdNr. A 5.2. Insbesondere ist die extensive Anwendung, die bezüglich §§ 118 VwGO, 319 ZPO aus Gründen der Prozeßwirtschaftlichkeit befürwortet wird (LAG Frankfurt/ Main, MDR 74, 77; OLG Hamm, MDR 75, 765; Baumbach - Lauterbach - Albert - Hartmann, Zivilprozeßordnung, 36. Aufl., München 1978, § 319 Anm. C; Eyermann - Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, 7. Aufl., München 1977, § 118 RdNr. 4), in diesem Zusammenhang nicht angebracht; ebenso dürfte es nicht möglich sein, daß geradezu eine Inhaltsumkehrung erfolgt, wie sie bei der Berichtigung des Tenors einer gerichtlichen Entscheidung für zulässig gehalten wird (Baumann - Lauterbach - Albert - Hartmann, § 319 Anm. 2 A; Kopp, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl., München 1979, § 118 RdNr. 5; Thomas - Putzo, Zivilprozeßordnung, 10. Aufl., München 1978, § 319 Anm. 1; Wieczorek, Zivilprozeßordnung, Bd. lI/I, Berlin 1957, § 319 RdNr.
B III e 1).
83 § 123 GOBT. Unabhängig davon besteht auch die Möglichkeit, daß die Regierung eine Berichtigung vornimmt, vgl. hierzu BVerfG, DÖV 78, 728. 84 Ebenso Schack, Richterliche Textkritik und formelle Verfassungswidrigkeit, in: Festschrift für Rudolf Laun, hrsg. Forschungsstelle für Völkerrecht und ausländisches öffentliches Recht der Universität Hamburg, Göttingen 1962, S. 383 (387); ders., DÖV 64, 470; Trossmann 1I, Anh. zu § 88 RdNr. A 6.
Hr. Abstimmungen
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b) Abstimmungswiederholung
Die Möglichkeit der Abstimmungswiederholung wird im übrigen mit dem gewohnheitsrechtlich, mitunter sogar verfassungsrechtlich geltenden Prinzip der Unverrückbarkeit der Parlamentsbeschlüsse in Zusammenhang gebracht85 • überzeugend ist dies indessen nicht, denn dieses Prinzip behielte auch dann Gewicht, wenn man beispielsweise die Wiederholung der Abstimmung wegen Irrtums zuließe; es bedeutete dann eingeschränkt, daß nur eine fehlerfrei vorgenommene Abstimmung nicht wiederholt werden kann 86 • Demgemäß ist es sachgerecht zu unterscheiden, ob die Abstimmung wegen Willensänderung oder wegen Irrtums wiederholt werden soll. (l) Bei der Abstimmungswiederholung wegen Willensänderung ist weiterhin danach zu untergliedern, ob die Unverrückbarkeit des Parlamentsbeschlusses (verfassungs-}gesetzlich oder geschäftsordnungsrechtlich begründet ist. Im ersten Fall - so bei der Schluß abstimmung über einen Gesetzentwurf, der Wahl des Regierungschefs oder dem Mißtrauensvotum - unterliegt die Abweichung von der Unverrückbarkeit nicht der parlamentarischen Geschäftsordnungsautonomie, vielmehr muß es bei dem gefaßten Beschluß bleiben, falls keine neue Initiative ergriffen wird. Im zweiten Fall dagegen ist davon auszugehen, daß die erneute Abstimmung eine Abweichung von der Geschäftsordnung darstellt, die vom Parlament mit Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen werden kann87• (2) Bei der Abstimmungswiederholung wegen Irrtums ist vorab festzustellen, daß die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über den Irrtum hier nicht anwendbar sind, weil sie auf den Abschluß zivilrechtlicher Rechtsgeschäfte zugeschnitten sind; schon auf das Verwaltungsrecht sind sie nicht übertragbar. Im übrigen gilt hinsichtlich der geschäftsordnungsrechtlich begründeten Unverrückbarkeit das soeben Gesagte. Das ergibt sich per argumentum a maiore ad minus: Kann die Abstimmung unter den erwähnten Voraussetzungen selbst dann wiederholt werden, wenn eine Willens änderung vorliegt, so muß dies erst recht bei Irrtum gelten. Aber auch darüber hinaus wird die Wiederholung der Abstimmung für zulässig erachtet, wenn es sich um einen Irrtum in der Sache oder über die Auswirkung der Abstimmung, nicht dagegen nur um einen solchen im Verhalten oder im Mittel handelt88 • Darüber hinVgl. dazu Trossmann H, § 54 Anh. A RdNr. A 3. In diesem Sinne sieht § 70 IH BerlGO vor, daß eine Abstimmung wiederholt werden kann, wenn nach einstimmiger Meinung des Abgeordnetenhauses ein offensichtlicher Irrtum vorliegt. 87 Ebenso Trossmann H, § 54 Anh. A RdNr. A 11. 88 Dazu im einzelnen Trossmann H, § 54 Anh. A RdNr. A 12.2. 85
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2. Teil: Das Verfahren in der Vollversammlung
aus muß es bei dem einmal gefaßten Beschluß bleiben, falls der Irrtum nicht sogar dessen Ungültigkeit bewirkt hat - beispielsweise, weil durch ihn zwei sich widersprechende Anträge angenommen wurden. Von den zuvor behandelten Sachanträgen sind auch in diesem Zusammenhang Geschäftsordnungsanträge zu unterscheiden. Abstimmungen über solche können zwar nicht sofort wiederholt werden, und zwar auch nicht bei übernahme des Antrags durch einen anderen Antragsteller. Möglich ist dies jedoch, wenn der Geschäftsordnungsantrag inhaltlich verändert wird, beispielsweise indem ein gegenüber dem ersten engerer Antrag gestellt wird. Auch die Anzweifelung des Abstimmungsergebnisses kann nicht zur Wiederholung der Abstimmung führen; dasselbe gilt für die Unterstellung von Unregelmäßigkeiten im Abstimmungsverfahren89 • Die Wiederholung der Abstimmung ist demgegenüber erforderlich, wenn verfassungsrechtliche Vorschriften außer acht geblieben sind - beispielsweise, indem bei einer Abstimmung, welche eine qualifizierte Mehrheit erfordert, die Feststellung unterblieben ist, daß diese vorgelegen hat, und sich auch nicht mehr feststellen läßt, ob dies der Fall gewesen ist, oder wenn es an der erforderlichen Mehrheit fehlen kann, weil irrtümlicherweise nicht stimmberechtigte Berliner Abgeordnete an der Abstimmung teilgenommen habenDo • Unerheblich für die Zulässigkeit der Abstimmungswiederholung ist es, ob der Irrtum durch die Fragestellung verursacht wurde und/oder ein anderes Abstimmungsergebnis zu erwarten ist, da hierüber präzise Prognosen nicht immer möglich sind. Wohl aber kommt es darauf an, ob der Irrtum das Abstimmungsergebnis beeinflußt haben kann, also nicht nur das Abstimmungsverhalten bestimmt hat - es kommt mithin, ähnlich wie bei Wahlfehlern, auch insoweit auf die Kausalität zwischen Abstimmungsirrtum und Abstimmungsergebnis an. IV. Ordnungsrnaßnahmen 1. Recl1tsgrundlagen
Die dem Parlamentspräsidenten zustehenden Ordnungsmaßnahmenl lassen sich nach den Adressaten untergliedern in solche gegenüber einzelnen Abgeordneten, solche gegenüber anderen Sitzungsteilnehmern So auch Trossmann II, § 54 Anh. A RdNr. A 17.4. Der Grund hierfür liegt darin, daß ein entsprechender Beschluß nichtig ist und deshalb wiederholt werden muß. Um ein Irrtumsproblem geht es dabei nicht. So auch Trossmann II, § 54 Anh. A RdNr. A 15.2., 15.3. 1 Vgl. zum folgenden Nelamischkies, Die Disziplin im Deutschen Bundestag, Diss., Kiel 1964; Pechmann, Die Ordnungsgewalt des Parlamentspräsidenten, Diss. Würzburg 1956; Trossmann I, S. 200; Wette, Modus und Stil der parlamentarischen Diskussion im Bundestag, ZfP XV (1968), 181. 88
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IV.Ordnungsmaßnahmen
121
und Zuhörern sowie solche gegenüber allen im Parlament anwesenden Personen. Zumindest die erste Gruppe der Ordnungsmaßnahmen folgt dabei aus der seine Leitungsbefugnis ergänzenden Ordnungsbefugnis2 • Ordnungsmaßnahmen gegenüber einzelnen Abgeordneten sind der Sachruf, der Ordnungsruf, die Wortentziehung sowie der Ausschluß von der Sitzung, solche gegenüber anderen Sitzungsteilnehmern und Zuhörern entsprechende Akte bis zur Entfernung aus dem Sitzungssaal; solche gegenüber allen im Parlament anwesenden Personen die Unterbrechung oder Aufhebung der Sitzung. Die Rechtsgrundlagen dieser Ordnungsmaßnahmen finden sich überwiegend in den Geschäftsordnungen, im Saarland beruhen sie auf Gesetz. In ihnen sind die Ermächtigungsvorschriften für Ordnungsmaßnahmen zu erblicken, wenn auch zu berücksichtigen ist, daß das Prinzip des Gesetzesvorbehalts für belastendes Verwaltungshandeln, das im Organisations-Organisationsmitglied-Verhältnis zwischen dem Staat und seinen Organen einerseits sowie dem Staatsbürger andererseits gilt, im Intra-Organ-Verhältnis zwischen dem Parlament und dem Parlamentspräsidenten einerseits sowie den Abgeordneten andererseits nicht eingreift3 • Man wird daher keine auf den Gesetzesvorbehalt gegründete Bedenken zu haben brauchen, wenn ein Parlamentspräsident eine geschäftsordnungsmäßig nicht vorgesehene Ordnungsmaßnahme trifft4 • Demgegenüber vermögen die Geschäftsordnungen als parlamentarische Innenrechtssätze keine Ordnungsmaßnahmen in Extra-OrganVerhältnissen - also gegenüber anderen Sitzungsteilnehmern und Zuhörern - zu rechtfertigen. Die entsprechenden Vorschriften in den Geschäftsordnungen laufen mithin leer. In allen deutschen Parlamenten außer dem saarländischen Landtag, in dem eine hinreichende gesetzliche Ermächtigung besteht, können derartige Ordnungsmaßnahmen daher nur aus dem verfassungsrechtlich begründeten Hausrecht des Parlamentspräsidenten abgeleitet werden5 • Ob neben diesem auch das 2 s. dazu Achterberg, Grundzüge des Parlamentsrechts, München 1971, S.17. 3 Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, Tübingen 1965, S. 60 ff., 70, hat hinsichtlich des Gesetzesvorrangs nachgewiesen, daß dieser im Innenrecht nicht gilt, so daß die Transformation von Außenrechtsnormen in das Innenrecht mit einem "Rangverlust des Außenrechts" verbunden ist (vgl. dazu auch Achterberg, Probleme der Funktionenlehre, München 1970, S. 57). Daraus folgt zugleich, daß auch der Gesetzesvorbehalt im Innenrecht nicht gelten kann, weil dieser mangels Gesetzesvorrangs ohne weiteres unterlaufen werden könnte. 4 Im Ergebnis ebenso StGH Bremen, DÖV 1971, 164 (164). Als solche Ordnungsrnaßnahmen kommen beispielsweise die Rüge (hierzu Jäckel, Ordnungsruf, in: Röhring - Sontheimer, S. 321; vgl. auch StenBer. BT, 7. WP, 250. Sitzung v. 10.6. 1976, S. 17757 D) und die Unterbrechung eines Redners (hierzu StGH Bremen) in Betracht.
2. Teil: Das Verfahren in der Vollversammlung
122
übliche bürgerlich-rechtliche Hausrecht besteht und dieses die Grundlage für Maßnahmen gegen andere Sitzungsteilnehmer und Zuhörer darzustellen vermag oder ob es nach der Kollisionsregel "lex superior derogat legi inferiori" von dem verfassungsrechtlichen Hausrecht verdrängt wird, mag dabei auf sich beruhen. Die Unterbrechung oder Aufhebung der Sitzung als Ordnungsmaßnahme gegenüber allen im Sitzungssaal anwesenden Personen schließlich gründet sich, soweit Abgeordnete von ihr betroffen sind, auf die Geschäftsordnung, in Ansehung anderer Personen gleichfalls auf das Hausrecht. 2. Ordnungsmaßnahmen gegenüber Abgeordneten a) Sachruf
Der Sachruf6 dient der Rückführung eines Redners zum Beratungsthema. Der Parlamentspräsident kann Abgeordnete, die in ihrer Rede vom Verhandlungsgegenstand abschweifen, zur Sache verweisen. Demgegenüber steht der Sachruf nicht zur Verfügung, wenn der Redner weitschweifig wird; hier bietet allein die Möglichkeit der Wortentziehung wegen überschreitung der Redezeit eine Eingriffsmöglichkeit7. Mithin dient er nicht der Konzentration der parlamentarischen Verhandlung, sondern allein dem Verbleiben bei dem Beratungsgegenstand. Der Sachruf steht im Ermessen des Parlamentspräsidenten; dieser ist also aucl;l bei einer Abschweifung des Redners von der Sache nicht gehalten, eine solche zu rügen, sondern kann sie durch Schweigen billigen. Das wird insbesondere dann naheliegen, wenn es sich um kürzere Abschweifungen handelt, so daß insoweit eine Verbindung zwischen der sachlichen und der zeitlichen Redeweise besteht. Konkurriert mit der Abschweifung vom Verhandlungsgegenstand ein anderes Verhalten, das die Verpflichtung des Parlamentspräsidenten zum Einschreiten auslöst, so steht dieses möglicherweise nicht mehr allein im Ermessen, sondern wird zur Pflicht des Parlamentspräsidenten; beispielsweise kommt dies bei Bemerkungen zur Geschäftsordnung in Betracht, wenn der Redner über das erforderliche Maß der auch bei einer solchen möglicherweise notwendigen Berührung der Sache hinausgeht. Ähnlich ist es, wenn bei der ersten Beratung eines Gesetzentwurfs, in der nur die Grundsätze der Vorlage behandelt werden, bereits auf Einzelfragen eingegangen wird8 • So zutreffend auch Trossmann I1, § 45 RdNr. 2.2. 40 1 GOBT, 90 BWGO, 119 I 1 BayGO, 76 I BerlGO, 46 I BremGO, 47 I 1 HambGO, 70 I HessGO, 66 NWGO, 37 I RhPfGO, 71 I SLTG, 56 SHGO. Nicht ausdrücklich vorgesehen ist der Sachruf in Niedersachsen. s. hierzu auch Trossmann I, S. 220. 7 Ebenso Trossmann I1, § 40 RdNr. 1. 5
8
§§
IV. Ordnungs maßnahmen
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Der Sachruf ist an keine bestimmte Form gebunden. Insbesondere erfolgt er anders als der Ordnungsruf nicht unter Nennung des Namens des betreffenden Redners. Im Einzelfall kann es daher zweifelhaft sein, ob der Parlamentspräsident einen Sachruf vornehmen oder den Redner nur mahnen will, sich enger an das Thema zu halten, oder ob er ihm nur den Beratungsgegenstand in Erinnerung zurückrufen will. Die Abgrenzung zwischen dem Sachruf und derartigen Mahnungen ist indessen deshalb erforderlich, weil der mehrfache Sachruf - wie noch zu zeigen sein wird9 - die Voraussetzung für die Wortentziehung bildet. Trotz mangelnder Formvorschrift ist daher aus Gründen der Rechtsklarheit eine unmißverständliche Formulierung des Sachrufs angezeigt. Der Wortlaut: "Herr Abgeordneter, ich rufe Sie zur Sache" beispielsweise würde diesem Erfordernis genügen. b) Ordnungsruf
Der Ordnungsruf10 erfolgt bei Verletzung der Ordnung im Parla~ ment durch einen Abgeordneten. Seine repressive Aufgabe besteht in der Rüge, seine präventive in der Verhinderung weiterer Ordnungsverletzungen. Der Begriff der Ordnung in diesem Sinne ist in den Geschäftsordnungen nicht entfaltet; er bedarf mithin als unbestimmter Rechtsbegriff der Auslegung im konkreten Einzelfall. Anders als der Sachruf ist der Ordnungsruf nicht nur gegenüber einem Redner, sondern gegenüber jedem Abgeordneten zulässig. Sofern der Sachruf sich gegen einen Redner richtet, trifft er hierbei auf dessen verfassungsrechtlichen Gegenrechte: nämlich sowohl auf das Grundrecht der freien Meinungsäußerung, das auch im Abgeordnetenverhältnis gilt, als auch auf das zum Abgeordnetenstatus zählende Rederechtl l . Wie hoch die Bedeutung der Meinungsfreiheit im demokratischen Staat eingeschätzt wird, kann dabei auf sich beruhen1!. Sie 8 D
Vgl. dazu §§ 34 2, 78 2 GOBT, sowie Trossmann 11, § 40 RdNr. 2.
s. u. c.
10 §§ 40 2, 3 GOBT, 91 I BWGO, 120 I BayGO (hiernach erfolgt bei Wortergreifung ohne Worterteilung zunächst eine Rüge, im Wiederholungsfall ein Ordnungsruf), 121 I BayGO (hiernach erfolgt bei persönlich verletzenden Ausführungen oder Zwischenrufen oder gröblicher Störung der Ordnung zuerst eine Rüge und im Wiederholungsfall ein Ordnungsruf), 76 11, 111 BerIGO, 46 11, 111 BremGO, 47 I 1, 11 HambGO, 70 11 HessGO, 88 I NdsGO, 67 11 NWGO, 37 11, 111 RhPfGO, 71 11 SLTG, 57 I SHGO. - s. hierzu auch Jäckel, S. 320 f.; Trossmann I, S. 200 f. 11 Art. 5,38 GG. Vgl. dazu Trossmann 11, § 40 RdNr. 6. 12 Zumindest ist es nicht erforderlich, die (zutreffende, auf Cardozo zu rückgeführte) These des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 5, 85 [205]), heranzuziehen, daß die Meinungsfreiheit die freiheitliche demokratische Grundordnung mitkonstituiert, weil erst sie die ihr Lebenselement bildende ständige geistige Auseinandersetzung ermöglicht. - Zum Rederecht
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2. Teil: Das Verfahren in der Vollversammlung
zählt jedenfalls zu den Grundrechten und unterliegt nur den im Grundgesetz selbst eröffneten Einschränkungsmöglichkeiten ins besondere durch die allgemeinen Gesetze und durch das Recht der persönlichen Ehre. Um ein Gesetz in diesem Sinne handelt es sich bei Ordnungsbestimmungen des autonomen Parlamentsrechts nicht, weil sie keine Gesetze im formellen Sinne darstellen, die für die Einschränkung der Meinungsfreiheit erforderlich sind l3 • Zu berücksichtigen ist indessen, daß die Würde des Parlaments - zumal in öffentlichen Verhandlungen - Formwahrung gebietet. Werden Formverstöße durch Ordnungsruf gerügt, ohne daß hierbei der Inhalt der Meinungsäußerung berührt wird - beispielsweise ein zu lauter Ton des Redners oder Schläge gegen das Rednerpult -, so ist hierin weder eine Beschränkung der Meinungsfreiheit noch eine solche des Rederechts zu sehen; beide sind insoweit teleologisch reduziert. Im übrigen bleibt Raum für den Ordnungsruf bei beleidigenden Äußerungen des Redners insbesondere gegenüber anderen Abgeordneten. Er wird in solchen Fällen auch nicht durch seine Indemnität vor Ordnungsrufen geschützt, denn diese hindert nur, daß er außerhalb des Parlaments zur Verantwortung gezogen wird. Darüber hinaus ist der Ordnungsruf in allen anderen Fällen zulässig, in denen die Meinungsfreiheit des Abgeordneten dadurch eingeschränkt wird, daß er mit seiner Rede einen Straftatbestand verwirklicht, weil dann in jedem Fall die Schranke des allgemeinen Gesetzes überschritten ist. Dies kann sowohl durch Tatsachenbehauptungen als auch durch Werturteile geschehen l4 • Im ersten Fall steht der Parlamentspräsident möglicherweise vor der schwierigen Situation zu entscheiden, ob die Tatsachenbehauptung erweislich wahr ist oder nicht und in diesem zweiten Fall den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllt. Hier kann man nicht ohne weiteres so argumentieren, daß es zu Lasten des Redners gehe, wenn er seine Ausführungen "so anlegt, daß er zunächst Werturteile fällt, ohne ... wenigstens klar erkennen zu lassen, daß er seine als Bestandteil des verfassungsrechtlichen Status des Abgeordneten und zu seinen Grenzen BVerfGE 10, 4 (12 f., 20); StGH Bremen, DÖV 71, 164. 13 Vgl. dazu Hamann - Lenz, Art. 5 Anm. B 10; v. Mangoldt - Klein, Vorbem. Grundrechte B XV 3 b, S. 131, Art. 5 Anm. IX 3 a. 14 Fallen beide zusammen, so soll ausschlaggebend sein, ob die Tatsachenbehauptung oder das Werturteil überwiegt (so Trossmann II, § 40 RdNr. 9.2): Im zweiten Fall sei eine Ordnungsmaßnahme nur gerechtfertigt, wenn der beleidigende Charakter des Werturteils aus seiner Form oder aus den Umständen folge. Die sich auf dem Boden dieser These ergebenden Abgrenzungsschwierigkeiten sind beträchtlich. Erleichtert werden sie, wenn demgegenüber davon ausgegangen wird, daß in keinem Fall - auch nicht im Zusammenhang mit Tatsachenbehauptungen - Beleidigungen vorgenommen werden dürfen (es sei denn, sie seien im strafrechtlichen Sinn gerechtfertigt, so daß dahinstehen kann, welche Komponente einer Äußerung überwiegt).
IV. Ordnungsmaßnahmen
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Äußerungen mit Tatsachen belegen werde"15. Die allgemeinen Gesetze schränken nur dann die Meinungsfreiheit ein, wenn ihr Tatbestand erfüllt ist; Zweifel hierüber können nicht zu Lasten des Grundrechtssubjekts gehen. Man wird das Problem indessen so lösen können, daß bereits bei Unklarheit über den Wahrheitsgehalt einer Meinungsäußerung das gleichfalls eine Schranke der Meinungsfreiheit darstellende Recht der persönlichen Ehre berührt ist. Damit wird auch der für den Parlamentspräsidenten bestehenden Schwierigkeit Rechnung getragen, sich während der laufenden Verhandlung ein Bild über den Wahrheitsgehalt einer Behauptung zu verschaffen: Nicht nur, wenn er von der Wahrheit überzeugt ist, sondern auch schon bei Zweifeln an der Wahrheit darf er keinen Ordnungsruf vornehmen. Auch in diesem Zusammenhang wirkt sich im übrigen aus, daß eine Ehrverletzung gerechtfertigt ist, wenn sie lediglich durch ein tadelndes Urteil oder in Wahrnehmung berechtigter Interessen vorgenommen wird, zu denen nicht nur diejenigen des Redners selbst, sondern auch solche der Wähler oder überhaupt der Allgemeinheit zählen16, sofern sich nicht die Beleidigung aus der Form der Äußerung ergibt: Verbalinjurien durch den Gebrauch von Schimpfwörtern sind hierdurch also nicht gedeckt. Auch der Ordnungsruf steht - abgesehen von der zuvor erwähnten, durch die Meinungsfreiheit gezogenen Grenze - im Bundestag sowie in verschiedenen Landtagen im Ermessen des Parlamentspräsidenten; in anderen Landtagen ist kein Ermessensspielraum eingeräumt. Im Falle des Ermessensspielraums wird sich der Parlamentspräsident sowohl von den Interessen eines geordneten Geschäftsgangs leiten lassen müssen, der beispielsweise durch fortgesetztes Lärmen oder unverhältnismäßig häufige Zwischenrufe gestört sein kann, als auch von der Wahrung des Ansehens des Parlaments in der Öffentlichkeit, das durch Beleidigungen und Beschimpfungen beeinträchtigt werden kann17 • Das unmittelbar aus der Rechtsstaatlichkeit folgende Prinzip der Erforderlichkeit des Mittels begrenzt das Ermessen im übrigen auch in diesem Zusammenhang. Der Ordnungsruf ist zeit- und formgebunden: Der Zeit nach ist er nur unmittelbar nach dem ordnungswidrigen Vorgang zulässig18. Dies ergibt sich aus seinem bereits erwähnten Zweck, nicht nur repressiv, sondern auch präventiv zu wirken. Die Vorbeugung gegen weiteres So aber Trossmann II, § 40 RdNr. 9.2. So die h. M., s. insb. Schönke - Schröder, Strafgesetzbuch, 19. Auf!., München 1978, § 193 RdNr. 13, sowie (allerdings differenzierend) DreherTröndle, Strafgesetzbuch, 38. Auf!., München 1978, § 193 RdNr. 10 ff. Vg!. dazu auch Trossmann II, § 40 RdNr. 12. 17 s. hierzu die Beispiele bei Jäckel, S. 321; Trossmann II, § 40 RdNr. 13; Wette, ZfP XV (1968), 181. 18 Im Ergebnis ebenso Trossmann II, § 40 RdNr. 16. 15
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ordnungswidriges Verhalten in derselben Aussprache ist nur bei sofortigem Ordnungsruf möglich. Damit fällt das Problem in sich zusammen, ob nur der gegenwärtig oder auch der später amtierende Parlamentspräsident den Ordnungsruf noch vornehmen kann19 ; die Frage ist im ersten Sinne zu beantworten. Lediglich für dem Parlamentspräsidenten entgangene, aber aus dem stenographischen Bericht ersichtliche Zwischenrufe ist mitunter vorgesehen, daß diese auch noch in der nächsten Sitzung gerügt werden können20 ; wegen der eindeutigen Beschränkung auf Zwischenrufe kommt die analoge Anwendung dieser Vorschrift auf Ausführungen eines Redners nicht in Betracht. Für sie besteht auch kein Bedürfnis, weil es unwahrscheinlich ist, daß dem Parlamentspräsidenten eine ordnungswidrige Formulierung des Redners entgeht, wenn er dessen Rede mit der gebotenen Aufmerksamkeit verfolgt. Der Form nach setzt der Ordnungsruf im Bundestag voraus, daß der Name des betreffenden Abgeordneten genannt wird, an den er sich richtet bedeutsam vor allem, wenn nicht der Redner, sondern ein anderer Abgeordneter aus der Mitte des Hauses sein Adressat ist -, und daß er ausdrücklich den Ruf "zur Ordnung" enthält. Ohne diese Formulierung stellt er nur eine nach parlamentarischem Gewohnheitsrecht zulässige Rüge dar21 und erfüllt er als solche die Voraussetzungen für eine spätere Wortentziehung nicht. In den Landtagen bestehen oft weniger strenge Formvorschriften. Mitunter - so im Bundestag - ist vorgeschrieben, daß der Ordnungsruf und sein Anlaß von dem nachfolgenden Redner nicht behandelt werden dürfen, und zwar auch nicht im Wege einer persönlichen Bemerkung oder einer persönlichen oder tatsächlichen Erklärung 22 • Dieses Erfordernis steht im Einklang mit dem Verbot der Kritik an der Amtsführung des Parlamentspräsidenten in der Verhandlung, die ihrerseits gleichfalls eine Ordnungswidrigkeit darstellt23 • Dazu Trossmann H, § 40 RdNr. 20. Vgl. §§ 120 H GOBT, 37 IV RhPfGO. 21 Ebenso Trossmann H, § 40 RdNr. 17. Ausdrücklich als Ordnungsmaßnahme vorgesehen ist die Rüge im übrigen in § 67 I 2 NWGO. 22 Dazu Trossmann H, § 40 RdNr. 19, mit der Mitteilung, daß diese Vorschrift in der Parlamentspraxis streng gehandhabt wird. Vgl. dazu auch StenBer. BT, 5. WP, 229. Sitzung v. 25.4. 1969, S. 12685 B. 23 Ebenso Trossmann H, § 40 RdNr. 13, der freilich darauf hinweist, daß gerade insoweit Ordnungsmaßnahmen häufig unterbleiben (vgl. z. B. StenBer. BT, 7. WP, 155. Sitzung v. 13.3.1975, S. 10848 C). Man wird dies als großzügige Zurückhaltung der Parlamentspräsidenten werten dürfen, von Ordnungsmaßnahmen gegenüber der Kritik an der eigenen Amtsführung abzusehen. Soweit die Erteilung des Ordnungsrufs im Ermessen des Parlamentspräsidenten steht, ist dies ohne rechtliche Bedenken zulässig, anderenfalls aber muß der Parlamentspräsident die Geschäftsordnung auch insofern beachten, die eine Kritik an seiner Amtsführung untersagt, und ist er um der Ordnung im Parlament willen verpflichtet, derartiger Kritik, die 19
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Die Zahl der Ordnungsrufe ist zumindest im Bundestag während seiner Wahlperioden deutlich rückläufig24 • c) Wortentziehung
Die Wortentziehung25 ist nur während der Aussprache zulässig. Das ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus den einschlägigen Bestimmungen der Geschäftsordnungen, wird aber im Bundestag aus deren Formulierung abgeleitet, daß das einmal entzogene Wort "in derselben Aussprache zum selben Gegenstand" nicht mehr erteilt werden darf2 6 ; dasselbe wird man für die Landtage auch dann annehmen können, wenn in den Geschäftsordnungen lediglich gesagt ist, daß der Redner das Wort zu demselben Beratungsgegenstand nicht mehr erhält. Infolgedessen ist die Wortentziehung nicht zulässig, wenn keine Aussprache stattfindet, beispielsweise also nicht bei der Begründung eines selbständigen Antrags - zum Beispiel eines Gesetzentwurfs - , die der Aussprache vorangeht, oder bei einer persönlichen Bemerkung oder einer persönlichen oder tatsächlichen Erklärung, die ihr nachfolgt. Mitunter wird die Auffassung vertreten, bei einer Überschreitung des zulässigen Inhalts einer persönlichen Bemerkung sei die Wortentziehung sofort, also ohne deren formelle Voraussetzungen zulässig27 • Hiergegen bestehen indessen insofern Bedenken, als die Freistellung von den Voraussetzungen der Wortentziehung bei Überschreitung des zulässigen Inhalts einer persönlichen Bemerkung nirgends vorgesehen ist. Man kann daher allenfalls annehmen, daß es sich bei einer derartigen Wortentziehung dann nicht um eine solche im technischen Sinne einer Ordnungsmaßnahme handelt, sondern um eine andersgeartete, auf parlamentarisches Gewohnheitsrecht gestützte. Nicht vergleichbar mit der Wortentziehung als Ordnungsmaßnahme ist ferner die besonders geregelte bei Überschreitung der Redezeit28 • Dasselbe gilt für entspreeinen Verstoß gegen die Geschäftsordnung enthält, mit einer Ordnungsmaßnahme zu begegnen. 24 Wie Jäckel, S. 321, mitteilt, wurden in den ersten vier Wahlperioden des Bundestags 141, 30, 36, 5 (zum Vergleich: während sechs Reichstagssitzungen zwischen Oktober 1930 bis Februar 1931: 135) Ordnungsrufe erteilt. 25 §§ 41 GOBT, 91 III, IV BWGO, 119 BayGO (hier folgt die Wortentziehung nur auf dreimaligen Sach-, nicht aber Ordnungsruf), 122 BayGO (sofortige Wortentziehung bei besonders schweren Verstößen gegen die Ordnung), 77 BerlGO, 47 II - IV BremGO, 47 I 2, 3 HambGO, 71 HessGO, 67 III i. V. m 64 III NWGO, 38 II - III RhPfGO, 71 III SLTG, 58 SHGO. In Niedersachsen ist die Wortentziehung nicht vorgesehen; hier ist der Ausschluß von der Sitzung möglich. - Vgl. auch Trossmann I, S. 299. 28 Trossmann II, § 41 RdNr. 1 - 1.2. 27 So Trossmann II, § 41 RdNr. 1.2. 28 Vgl. dazu §§ 39 III GOBT, 110 I 2, 3 BayGO, 64 VII BerlGO, 47 I BremGO, 68 II HessGO, 71 I NdsGO, 64 II, III NWGO, 38 I RhPfGO, 44 II SGO, 49 III SHGO.
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2. Teil: Das Verfahren in der Vollversammlung
chende Maßnahmen bezüglich Bemerkungen zur Geschäftsordnung sowie hinsichtlich Zusatzfragen. Da im parlamentarischen Innenrecht anders als im Außenrecht kein Gesetzesvorbehalt gilt, sind hiergegen ohnedies keine rechtlichen Bedenken zu erheben. Die Wortentziehung setzt voraus, daß ein Redner während einer Rede dreimal zur Sache oder dreimal zur Ordnung gerufen und beim zweiten Mal auf die Möglichkeit der Wortentziehung als Folge eines dritten Rufs zur Sache oder zur Ordnung hingewiesen worden, in Berlin einmal erfolglos zur Ordnung gerufen ist. Erforderlich ist dabei, daß die zuvor genannten formellen Voraussetzungen des Sachrufs oder des Ordnungsrufs eingehalten, also nicht nur entsprechende Mahnungen vorgenommen worden sind; solche würden die Voraussetzungen eines Sachrufs oder Ordnungsrufs nicht erfüllen und reichten nicht aus, um an sie die spätere Folge der Wortentziehung zu knüpfen. In den Geschäftsordnungen nicht ausdrücklich geregelt ist die Frage, ob Rufe unterschiedlicher Art - beispielsweise also zwei Sachrufe und ein Ordnungsruf - zusammengefaßt werden dürfen, um hieran die Wortentziehung zu knüpfen. Im Schrifttum wird sie verneint mit der Begründung, hierfür spreche der Wortlaut der Geschäftsordnungsbestimmungen, daß beim zweiten Mal auf die Folge eines dritten Rufs zur Sache oder zur Ordnung hingewiesen werden muß; hiernach müßten dem dritten Ruf zwei gleichgeartete Rufe vorausgegangen sein29 • Zwingend ist diese philologische Interpretation indessen nicht. Bei teleologischer Auslegung kommt man vielmehr zu dem entgegengesetzten Ergebnis: Hat sich ein Redner dreimal ordnungswidrig verhalten, indem er entweder Anlaß für Sachrufe oder Ordnungsrufe gegeben hat, so zeigt dies seine mangelnde Bereitschaft an, sich während der Aussprache geschäftsordnungsgemäß zu verhalten, und rechtfertigt dies daher die Wortentziehung. Sind die zuvor dargestellten Voraussetzungen erfüllt, so hat der Parlamentspräsident von der Befugnis zur Wortentziehung Gebrauch zu machen; diese ist also nicht in sein Ermessen gestellt; in Bayern beschließt der Landtag auf entsprechende Frage des Parlamentspräsidenten hierüber. Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit dürfen dann nicht geprüft werden. Der Redner darf (in Hessen: soll) hierauf das Wort zu demselben Beratungsgegenstand - der nicht mit demselben Tagesordnungspunkt identisch ist - nicht mehr erhalten. Im Bundestag ist freilich - wie erwähnt - vorgesehen, daß der Abgeordnete das Wort in derselben Aussprache zu demselben Beratungsgegenstand nicht mehr erhalten darf. Mithin darf es dort erteilt werden, wenn zu demselben Beratungsgegenstand eine andere Aussprache statt29
So Ritzel - Koch, § 41 Anm. 1; Trossmann I, S. 299.
IV. Ordnungsmaßnahmen
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findet. Das bedeutet beispielsweise bei der Beratung von Gesetzentwürfen, daß ein für die allgemeine Aussprache entzogenes Wort hinsichtlich derjenigen über die Einzelbestimmungen wieder erteilt werden darf, daß dies sogar innerhalb der allgemeinen Aussprache zulässig ist, wenn sie sich von einem Sachkomplex zu einem anderen fortbewegt hat, weil dann nicht mehr derselbe Beratungsgegenstand behandelt wird, und daß dies schließlich gestattet ist, wenn bei der Einzelberatung der Bestimmungen eines Gesetzentwurfs von einer Vorschrift zu einer anderen fortgeschritten ist. Im Bundestag ist die erneute Worterteilung nach allem nur unzulässig, wenn es sich um die Kumulation derselben Aussprache und desselben Beratungsgegenstands handelt. Hat die eine oder der andere gewechselt, so darf das Wort wieder erteilt werden. Das Recht auf AntragsteIlung und Antragsbegründung wird durch die Wortentziehung nicht berührt, da beide nicht Bestandteile der Aussprache sind30 • d) Ausschluß von der Sitzung
Der Ausschluß von der Sitzung31 ist an die gröbliche Verletzung der Ordnung in der Sitzung geknüpft, er erfordert keinen vorhergehenden Ordnungsruf; mitunter ist der Ausschluß für den Fall vorgesehen, daß ein Ordnungsruf oder eine Wortentziehung wegen der Schwere der Ordnungswidrigkeit nicht ausreicht. Der Begriff der Ordnung ist dabei auch insoweit nicht geschäftsordnungsgemäß definiert; daher ist auf die Ausführungen zum Ordnungsruf zurückzuverweisen. Beschimpfungen, Behinderungen von Rednern in ihrer Rede - beispielsweise durch unverhältnismäßig schnelle Abfolge von Zwischenrufen, welche das Rederecht des Redners und/oder den Geschäftsgang des Parlaments beeinträchtigen - oder des Parlamentspräsidenten bei seinen Amtshandlungen, das Verharren auf der Rednertribüne nach Wortentziehung oder auch Gewalttätigkeiten können gröbliche Verletzungen der Ordnung darstellen. Sowohl weil die "gröbliche Verletzung der Ordnung" unbestimmte Rechtsbegriffe enthält als auch weil ihre Sanktionierung durch Ausschluß von der Sitzung in der Regel im Ermessen des Parlamentspräsidenten steht, ist die sorgfältige Berücksichtigung des Erforderlichkeitsund des Verhältnismäßigkeitsprinzips durch den Parlamentspräsidenten unerläßlich32 ; dies ergibt sich expressiv verbis, wenn der Ausschluß Zum vorhergehenden Trossmann 11, § 41 RdNr. 5. 42 GOBT, 92 BWGO, 122, 125 BayGO, 78, 79 BerlGO, 48 BremGO, 49 HambGO, 72 HessGO, 88 11, 111 NdsGO, 68 NWGO, 39, 40 11 RhPfGO, 72 SLTG, 59 SHGO. 32 Zumindest retrospektiv erscheint das Verhältnismäßigkeitsprinzip nicht eingehalten zu sein, als der Abgeordnete Dr. Schumacher (SPD) wegen des 30
31
§§
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an die Voraussetzung geknüpft ist, daß eine andere Ordnungsmaßnahme wegen der Schwere der Verfehlung nicht ausreicht. Infolge der Schwere der Sanktion kommt der Ausschluß von der Sitzung nur als ultima ratio in Betracht; die Frage, ob durch sie nicht in den Abgeordnetenstatus eingegriffen wird und daher ihre verfassungsrechtliche Absicherung erforderlich ist, muß immerhin gestellt werden und bedarf noch der wissenschaftlichen Erforschung. Der Ausschluß erfolgt für die Dauer der laufenden Sitzung. Bis zu ihrem Schluß muß der Parlamentspräsident bekanntgeben, für wieviele Sitzungstage der Betroffene ausgeschlossen ist; im Bundestag ist dies im Höchstfall für dreißig Sitzungstage, in den Landtagen mitunter für zehn, in Bremen für drei, in RheinZand-Pjalz für sechs oder in schweren Fällen durch mit Zwei-Drittel-Mehrheit gefaßten Beschluß des Ältestenrat für zwanzig Sitzungstage möglich; in RheinZand-PjaZz kann der Landtag auf Vorschlag des Ältestenrats die Dauer des Ausschlusses auch abkürzen. Wird die Sitzung unterbrochen, so kann die Bekanntgabe des Ausschlusses von der Sitzung nach der Wiedereröffnung erfolgen 33• Auch das Ausmaß des Ausschlusses steht unter dem Erfordernis der Verhältnismäßigkeit. Sitzungstage sind solche der Vollversammlung, doch umschließt der Ausschluß von ihren Sitzungen auch denjenigen von den Ausschußsitzungen. Der Sitzungstag, an dem der Ausschluß erfolgt, wird in die Zahl der Sitzungstage eingerechnet34 • Der Ausschluß wird mit der Verkündung wirksam. Der betroffene Abgeordnete hat daraufhin unverzüglich den Sitzungssaal zu verlassen. Geschieht dies nicht, so kann der Parlamentspräsident - im allgemeinen, nachdem er auf diese Möglichkeit hingewiesen hat - den Ausschluß verlängern und/oder Maßnahmen des Hausrechts und/oder solche der Polizeigewalt treffen. Mitunter ist auch vorgesehen, daß die Sitzung dann unterbrochen und damit ohne weiteres ein Ausschluß für mehrere Sitzungstage vorgesehen ist. In diesem Rahmen liegt es auch, den Ausschluß auf die Vorhallen des Parlamentsgebäudes oder die Zuhörertribünen zu erstrecken. Weigert sich ein Abgeordneter, den Sitzungssaal zu verlassen, so erfüllt er damit den Tatbestand des Hausfriedensbruchs 35 • Ausgeschlossene Abgeordnete können während des Ausschlusses keine Anträge stellen oder unterstützen. Sofern der Antrag von einer Fraktion gestellt werden kann, ist auch dies nicht möglich, wenn diese Gebrauchs der Bezeichnung "Bundeskanzler der Alliierten" am 24. 11. 1949 für zwanzig Sitzungstage ausgeschlossen wurde, vgl. Jäckel, S. 321. 33 Trossmann II, § 42 RdNr. 6. 34 Ebenso Trossmann II, § 42 RdNr. 13. 35 RGSt 47, 270 (277). Vgl. zum Vorstehenden ferner Trossmann II, § 42 RdNr. 16, 17.
IV.Ordnungsmaßnahmen
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durch Ausschluß von Abgeordneten unter die Fraktionsmindeststärke abgesunken ist. Weiterhin kann einem ausgeschlossenen Abgeordneten kein Urlaub erteilt werden, und der Ausschluß hat schließlich, da der ausgeschlossene Abgeordnete sich nicht wirksam in die Anwesenheitsliste einzutragen vermag, Konsequenzen bezüglich des Sitzungstagegelds36 • 3. Ordnungsmaßnahmen gegenüber anderen Sitzungsteilnehmern und Zuhörern
Auch andere Sitzungsteilnehmer sowie Zuhörer unterstehen der Ordnungsbefugnis des Parlamentspräsidenten37, die sich allerdings wie dargelegt - nicht auf Geschäftsordnungsbestimmungen, sondern nur auf das Hausrecht stützen lassen. Den Vorschriften der Geschäftsordnungen lassen sich insoweit jedoch Anhaltspunkte für die Art und Weise der Ausübung des Hausrechts gegenüber Parlamentsexternen entnehmen38, ohne daß in diesem 'Zusammenhang dem rechtstheoretischen Problem nachgegangen werden kann, ob und inwieweit die für ein bestimmtes Rechtsverhältnis geltenden Rechtsnormen - hier diejenigen der auf Intra-Organ-Verhältnisse beschränkten Geschäftsordnungsbestimmungen - zur Interpretation von andere Rechtsverhältnisse beherrschenden Rechtsnormen herangezogen werden können39 • Um Mißdeutungen zu vermeiden, ist es allerdings empfehlenswert, daß der Parlamentspräsident die Formulierung seiner Ordnungsmaßnahmen gegenüber anderen Sitzungsteilnehmern deutlich von denjenigen gegenüber Abgeordneten abhebt. Sitzungsteilnehmer sind die Mitglieder der Regierung - im Bundestag auch diejenigen des Bundesrats und ihre Beauftragten sowie der Wehrbeauftragte -, nicht dagegen die im Sitzungssaal diensthabenden Organwalter der Parlamentsverwaltung40 • Hausrechtlich wird es für 38 37
So auch Trossmann 11, § 42 RdNr. 19, 21. §§ 45 GOBT, 95 BWGO, 81, 83 BerlGO, 52 HambGO, 75 HessGO, 89 11,
111 NdsGO, 71 NWGO, 42 RhPfGO, 75 11 SLTG, 61 SHGO. -
mann I, S. 303 f.
s. auch Tross-
38 Nach parlamentarischem Brauch bereits des Reichstags kann der Parlamentspräsident gegenüber einem anderen Sitzungsteilnehmer auch feststellen, daß die entsprechende Äußerung eines Abgeordneten mit einem Ordnungsruf geahndet würde, Ritzel - Koch, § 40 Anm. 4. 38 Das Problem der "Gesetzmäßigkeit der Verfassung" dazu (kritisch) Leisner, Von der Verfassungsmäßigkeit der Gesetze zur Gesetzmäßigkeit der Verfassung, Tübingen 1964, passim; ders., Die Gesetzmäßigkeit der Verfassung, JZ 64, 201 (insb. 204 ff.), wo allerdings mehr die praktische Konsequenz solcher Interpretationsumkehr als ihre rechtstheoretische Bewältigung aufgezeigt wird - erfaßt die Gesamtproblematik nur zu einem geringen Teil. Sie stellt sich darüber hinaus zwischen allen Rechtserzeugungsstufen und nicht nur zwischen diesen, sondern auch für die Gültigkeit aller relationsbezogenen Normen in anderen Rechtsverhältnissen. 40 So auch Trossmann 11, § 45 RdNr. 1.
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unzulässig gehalten, daß andere Sitzungsteilnehmer Verfahrensregeln außer acht lassen, Kritik an der Amtsführung des Parlamentspräsidenten vornehmen, die Würde des Hauses verletzende Äußerungen tun, Ausdrücke gebrauchen, die bei Abgeordneten Anlaß zu Ordnungsrufen geben, Zwischenrufe machen, unter sich störende Unterhaltungen führen41 • Zu beachten ist dabei jedoch, daß sie diesen Beschränkungen nur in ihrer Eigenschaft als andere Sitzungsteilnehmer unterliegen. Wechselt also ein Regierungsmitglied, das zugleich Abgeordneter ist, von der Regierungsbank in die Mitte des Hauses, um als Abgeordneter an der parlamentarischen Verhandlung teilzunehmen, so nimmt er die Rechte eines solchen wahr, ist er beispielsweise zu Zwischenrufen befugt, untersteht er aber auch der sich auf die Abgeordneten beziehenden Ordungsbefugnis des Parlamentspräsidenten. Zuhörern gegenüber sind die Bestimmungen der Geschäftsordnung bedeutsam, nach denen der Parlamentspräsident denjenigen, der auf den Tribünen Beifall oder Mißbilligung äußert oder Ordnung und Anstand verletzt, sofort entfernen lassen kann. Unzulässig sind damit Äußerungen störender Art, die dem Parlamentspräsidenten zur Kenntnis kommen. Die Begriffe Ordnung und Anstand sind unbestimmte Rechtsbegriffe. Zum einen umfassen sie den üblichen, ihnen auch außerhalb des Parlaments zukommenden Inhalt, zum anderen gehen sie insofern darüber hinaus, als sie auch die spezifisch innerhalb des Parlaments erforderliche Ordnung umgreifen: Jedes, auch hinter der Äußerung von Beifall oder Mißbilligung zurückbleibende, den parlamentarischen Geschäftsgang beeinträchtigende Verhalten fällt hierunter. Die Entfernung erfolgt auf Anordnung des Parlamentspräsidenten durch die Organwalter des Ordnungsdienstes. Der Parlamentspräsident kann darüber hinaus die Tribünen wegen störender Unruhe räumen lassen. Auch bei diesen Ermessensentscheidungen wird er durch die Prinzipien der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit begrenzt; insbesondere hat er zu beachten, daß die Räumung der Tribünen als Eingriff in den Verhandlungsgrundsatz der Öffentlichkeit nur ultima ratio sein kann. 4. Ordnungsmaßnahmen gegenüber allen anwesenden Personen
Als Ordnungsmaßnahmen gegenüber allen im Sitzungssaal anwesenden Personen wirken sich unmittelbar die Unterbrechung und die oftmals auch vorgesehene - Aufhebung der Sitzung aus 42 • Die den Parlamentspräsidenten hierzu ermächtigenden Normen haben ihre systeu Trossmann 11, § 45 RdNr. 2.5. §§ 44 GOBT, 94 BWGO, 82 BerlGO, 47 111 BremGO (hier ist diese Möglichkeit für den Fall vorgesehen, daß ein zur Ordnung gerufener Abgeordneter bei seinem Verhalten verharrt), 74 HessGO, 89 1 NdsGO, 70 NWGO, 41 RhPfGO, 75 1 SLTG, 60 SHGO. - Dazu auch Trossmann 1, S. 20, 258. 42
IV. Ordnungsmaßnahmen
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matische Stellung in den Geschäftsordnungen denn auch unter den Ordnungsmaßnahmen gefunden. Der Parlamentspräsident kann die Sitzung im allgemeinen für bestimmte Zeit unterbrechen oder sie aufheben, wenn im Parlament störende Unruhe entsteht, die den Fortgang der Sitzung in Frage stellt. Auch diese Ermessensentscheidungen stehen unter der Begrenzung durch die Erforderlichkeit und die Verhältnismäßigkeit, wobei zu berücksichtigen ist, daß die Aufhebung gegenüber der (befristeten) Unterbrechung der Sitzung die schärfere Maßnahme darstellt und infolgedessen nur vorgenommen werden darf, wenn diese nicht ausreicht. Im Falle der Unterbrechung braucht deren Dauer nicht von vorneherein bekanntgegeben zu werden; der Wiederbeginn der Sitzung kann auch durch Klingelzeichen oder in anderer geeigneter Form angezeigt werden. Die Sitzung wird dann in dem Stadium wieder aufgenommen, in dem sie sich vor der Unterbrechung befunden hatte. Im Falle der Aufhebung sind Termin und Tagesordnung der neuen Sitzung im Ältestenrat zu vereinbaren. Kann sich der Parlamentspräsident kein Gehör verschaffen - und zwar nicht einmal für die Bekanntgabe der Unterbrechung oder Aufhebung der Sitzung -, so verläßt er den PräsidentenstuhL Die Sitzung ist damit durch konkludentes Handeln vorläufig beendet; die Geschäftsordnungen knüpfen an dieses die Rechtsfolge, daß die Sitzung hierdurch - in Baden-Württemberg und Niedersachsen für eine halbe Stunde, in Berlin für eine Stunde - unterbrochen, nicht aber aufgehoben wird. In diesem Fall bestimmt der Parlamentspräsident, und zwar möglicherweise nach Beratung im Ältestenrat - jedoch ohne dessen zwingende Mitwirkung43 - den Zeitpunkt, in dem die Sitzung fortgesetzt wird. Bei störender Unruhe ist im übrigen, falls der Parlamentspräsident von seiner zuvor genannten Befugnis keinen Gebrauch macht, ein Geschäftsordnungsantrag auf Vertagung oder Schluß der Sitzung zulässig, über den dann das Parlament abzustimmen hat. 5. Rechtsbehelfe gegen Ordnungsmaßnahmen
a) Ordnungsmaßnahmen mit Rechtsbehelfsmöglichkeit Geschäftsordnungsmäßig ist als Rechtsbehelf gegen Ordnungsmaßnahmen lediglich der Einspruch vorgesehen", der gegen einen OrdTrossmann II, § 42 RdNr. 2. §§ 43 GOBT, 93 BWGO, 123, 124 BayGO, 80 BerIGO, 49 BremGO, 50 HambGO, 73 HessGO, 88 V NdsGO, 69 NWGO, 40 I RhPfGO, 74 SLTG, 57 II, III, 59 II SHGO. Vgl. dazu auch Trossmann I, S. 89 f. - Die Möglichkeit der Anfechtungsklage besteht nicht, was allerdings - selbst wenn man der überkommenen Unterscheidung von Grund- und Betriebsverhältnis folgt 43
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nungsruf - im Saarland auch gegen einen Sachruf -, mitunter ferner gegen die Wortentziehung oder gegen den Ausschluß von der Sitzung erhoben werden kann; im letzteren Fall kann er auf die Dauer des Ausschlusses beschränkt werden45 • über den Einspruch entscheidet im allgemeinen das Parlament, in Bayern der Ältestenrat, falls der Einspruch sich gegen eine Rüge oder gegen einen Ordnungsruf richtet, dagegen der Landtag, falls er sich auf eine sofortige Wortentziehung oder den Ausschluß bezieht, in BerZin der Landtag, falls ihm nicht bereits der Präsident des Abgeordnetenhauses stattgibt, in Bremen der Vorstand der Bürgerschaft, in Hessen und in Nordrhein-Westfalen der Ältestenrat. Der Einspruch ist frist- und formgebunden: Er muß im allgemeinen zum nächsten Plenarsitzungstag, in BerZin innerhalb von zwei, in Bremen innerhalb von drei Tagen eingelegt werden; nur ausnahmsweise - so in Bayern - wird in bestimmten Fällen über ihn sofort entschieden. Er bedarf der Schriftform, im Bundestag und in Rheinland-Pfalz darüber hinaus auch der schriftlichen Begründung. Einspruch und Begründung werden als Drucksache an die Abgeordneten verteilt. In der Parlamentspraxis wird diese Regelung deshalb als unbefriedigend empfunden, weil auf diese Weise auch Behauptungen, die Vorwürfe gegen den Parlamentspräsidenten enthalten, ohne die Möglichkeit einer Gegenäußerung stehen bleiben46 • Der Umstand, daß das Parlament ohne Aussprache über den Einspruch entscheidet, macht indessen gleichwohl und gerade deshalb den Abdruck der Begründung unerläßlich, weil die Abgeordneten nur auf diese Weise nochmals darüber ins Bild gesetzt werden, worüber sie denn eigentlich abstimmen. Kann der schriftlich erhobene und begründete Einspruch in der Sitzung nicht mehr verteilt werden, so darf dies nicht zu Lasten des Einspruchsführers gehen, der die bestehenden Frist- und Formerfordernisse erfüllt hat. Dann kann der Einspruch verlesen werden, und zwar ohne daß dies eine besonders zu beschließende Abweichung von der Geschäftsordnung bedeutet, weil diese allenfalls die schriftliche Begründung des Einspruchs, nicht aber dessen Verteilung als Drucksache erfordert. Auch bei Verlesen des Einspruchs schließt sich hieran jedoch keine Aussprache an47 •
(die seit BVerfGE 33, 1 H., zunehmenden Zweifeln unterliegt) - dann bedenklich ist, wenn mit dem Ausschluß in die persönliche Rechtsstellung eingreifende (beispielsweise diätenrechtliche) Folgen verbunden sind. 45 Trossmann II, § 43 RdNr. 1. 46 Ausführlich dazu Trossmann II, § 43 RdNr. 2. 47 Dazu Trossmann II, § 43 RdNr. 6.
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Findet keine Aussprache statt, so sind hierdurch nicht Anträge und Bemerkungen und Erklärungen gehindert, die außerhalb der Aussprache gestattet sind: So sind sowohl Geschäftsordnungsanträge zur Abstimmung, als auch persönliche Bemerkungen sowie persönliche und tatsächliche Erklärungen zulässig. Dasselbe gilt für Erklärungen zur Abstimmung48 • Die Vorschrift, daß solche erst nach der Aussprache erlaubt sind, darf nicht so verstanden werden, daß solche nicht gestattet wären, wenn überhaupt keine Aussprache stattgefunden hat, sondern ist ihrem Sinne und Zweck nach so zu deuten, daß solche nicht bereits während der Aussprache zulässig sind. Der Einspruch hat im übrigen keine aufschiebende Wirkung. b) Ordnungsmaßnahmen ohne Rechtsbehelfsmöglichkeit
Geschäftsordnungsmäßig und auch sonst sind oftmals - beispielsweise im Bundestag - keine Rechtsbehelfe gegen einen Sachruf oder die Wortentziehung vorgesehen. Das mag gerade bei derartig schwerwiegenden Maßnahmen befremdlich erscheinen. Indessen ist zu bedenken, daß diese Sanktionen nur dann effizient sind, wenn sie sofort vollzogen werden; demgemäß ist auch für den Einspruch gegen einen Ordnungsruf ausdrücklich vorgesehen, daß er keine aufschiebende Wirkung besitzt. Dann aber ist die parlamentarische Debatte bis zur Entscheidung über den Einspruch gegen einen Sachruf oder gegen eine Wortentziehung in der Regel ohnedies entweder bereits abgeschlossen oder doch soweit fortgeschritten, daß eine sinnvolle Beteiligung an ihr durch den von der Ordnungsmaßnahme betroffenen Redner nicht mehr möglich ist. c) Rechtsbehelfe gegen Hausrechtswahrnehmung
Keine besonderen Rechtsbehelfe sind ferner gegenüber der Wahrnehmung des Hausrechts vorgesehen. Spricht man diesem verfassungsrechtliche Natur mit der Folge der Verdrängung des zivil rechtlichen Hausrechts zu, so bleibt die ausschließliche Möglichkeit des Organstreitverfahrens vor dem Verfassungsgericht; erkennt man ihm dagegen auch zivil rechtlichen Charakter zu, so kommt gegen die Berufung auf das Hausrecht die Einwendung der Duldungspflicht in Betracht49 •
48 49
Teilweise a. M. Trossmann II, § 43 RdNr. 9, 10. § 1004 II BGB.
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v.
Niederschrift und Beurkundung 1. Der stenographische Bericht
a) Anfertigung und Inhalt der Niederschrift
über jede öffentliche Sitzung des Parlaments wird eine wörtliche Niederschrift ("stenographischer Bericht", "Plenarprotokoll", "Sitzungsbericht") aufgenommen l • Für ihn gilt das Prinzip der Vollständigkeit2 ; es dürfen also keine Äußerungen von der Niederschrift ausgeschlossen werden. In zunehmendem Maße wird die Niederschrift durch Tonbandaufnahmen unterstützt oder sogar ersetzt3 • Auch dann wird der stenographische Dienst aber nicht überflüssig, sondern behält er seine Bedeutung und seine Kompetenzen bei der Übertragung der Bandaufnahmen in die Niederschrift; die auch durch diese nicht zu vermeidenden sprachlichen Mängel bedürfen der Korrektur, und zusätzlich können bei Bandaufnahmen auch noch technische Mängel auftreten, die eine Verbesserung erfordern. Die Aufnahme erfolgt nach Anweisung des Parlamentspräsidenten durch den der Parlamentsverwaltung angehörenden Stenographischen Dienst, der für die Richtigkeit der Aufnahme und Wiedergabe verantwortlich ist. Bei Unregelmäßigkeiten und Unrichtigkeiten ist die Klärung durch den Parlamentspräsidenten als Behördenleiter der Parlamentsverwaltung erforderlich; dieser kann hierbei erforderlichenfalls auch disziplinarrechtliche Maßnahmen treffen. Keinem Stenographen kann jedoch abverlangt werden, gegen seine überzeugung von der Richtigkeit des Inhalts einer stenographischen Niederschrift diese zu ändern4 • Korrekturen dürfen von den Stenographen von sich aus vorgenommen werden, um redaktionelle Verbesserungen zu erzielen, beispielsweise um Sprechfehler zu beseitigen5 • Der stenographische Bericht gibt den Ablauf der Sitzung wörtlich wieder. In ihn werden sowohl die mündlichen amtlichen Mitteilungen und geschäftsleitenden Anordnungen des Parlamentspräsidenten aufgenommen als auch alle Äußerungen der Abgeordneten und anderen 1 §§ 117 I GOBT, 101 BWGO, 144 I BayGO, 85 BerlGO, 60 I, 61 I BremGO, 53 I HambGO, 88 I HessGO, 90 I NdsGO, 104 NWGO, 112 I RhPfGO, 54 SGO, 62 SHGO. - Vgl. aus dem Schrifttum: Hoherz, Verhandlungen des Deutschen Bundestages, in: Röhring - Sontheimer, S. 484; Trossmann I, S. 230 ff. 2 Ebenso Trossmann H, § 117 RdNr. 7. 3 Ophoff, Erl. zu § 103; Ritzet - Koch, § 117 Anm. 2. 4 Trossmann H, § 117 RdNl".-l. 5 Trossmann H, § 117 RdNr. 4, wo mit Recht aber auch hervorgehoben wird, daß die Stenographen kein weitergehendes Korrekturrecht haben können als die Abgeordneten, so daß auch für sie beispielsweise die Schranke gilt, daß die Berichtigung den Sinn der Rede oder ihrer Teile nicht ändern darf.
V. Niederschrift und Beurkundung
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Sitzungsteilnehmer, seien es Reden, Bemerkungen, Erklärungen, Anträge, Fragen, Zwischenfragen oder Zwischenrufe. Ein im stenographischen Bericht festgehaltener Zwischenruf insbesondere bleibt dessen Bestandteil, sofern er nicht mit Zustimmung des Parlamentspräsidenten und der Beteiligten gestrichen wird. Der stenographische Bericht enthält ferner an den betreffenden Stellen des Verhandlungsablaufs Angaben wie "Beifall", "Heiterkeit" oder "Unruhe", aus denen sich die Reaktion des Hauses auf gemachte Ausführungen ergibt und die zur Hintergrundaufhellung auch für die Benutzer der stenographischen Berichte von Interesse sind. Dem Sitzungsbericht wird eine Übersicht über den Sitzungsablauf vorangestellt; bei den einzelnen Tagesordnungspunkten werden ferner die einschlägigen Drucksachen und Redner genannt, bei Fragestunden auch die Fragen, bei namentlichen Abstimmungen die Abstimmungslisten. Da der stenographische Bericht auch den Charakter eines Mitteilungsblatts haben soll, enthält er ferner amtliche Mitteilungen, auch wenn solche nicht verlesen worden sind; beispielsweise werden die vom Parlamentspräsidenten von sich aus vorgenommenen Ausschußüberweisungen mitgeteilt8 • In den Anhang zu den steno graphischen Berichten wird die Liste der beurlaubten Abgeordneten aufgenommen. Auch die nicht als Drucksache verteilten Anträge und schriftlichen Antworten auf mündliche Fragen werden hier bekanntgegeben sowie sonstige schriftlich formulierte, aus Zeitmangel jedoch nicht mündliche vorgetragene Ausführungen wiedergegeben7 • Bei nichtöffentlichen Sitzungen - beispielsweise solchen, in denen die Öffentlichkeit aus Geheimhaltungserfordernissen ausgeschlossen ist - entscheidet das Parlament durch Beschluß, ob und in welchem Umfang eine Niederschrift erfolgt. Allein die Tatsache, daß die Sitzung • Vgl. dazu Trossmann I, S. 230 f.; ders. H, § 117 RdNr. I, 2. - Mitunter enthalten die Geschäftsordnungen ausdrückliche Angaben des (Mindest-)Inhalts der stenographischen Berichte: vgl. insoweit §§ 88 I 2 HessGO (möglichst wortgetreue Wiedergabe des Sitzungsablaufs sowie Aufnahme der gefaßten Beschlüsse, der Namen des sitzungsleitenden Präsidenten, der auf der Regierungsbank anwesenden Mitglieder und Beauftragten der Landesregierung sowie der abwesenden Abgeordneten), 104 NWGO (Inhaltsübersicht, Wiedergabe alles Gesprochenen nach der kurzschriftlichen Aufnahme, Namen der Redner, die zu den einzelnen Gegenständen gefaßten Beschlüsse in ihrem Wortlaut mit dem Abstimmungsergebnis, alle ausdrücklich zur Niederschrift abgegebenen Erklärungen, die Abstimmungslisten bei namentlicher Abstimmung), 54 SGO (Inhaltsübersicht, Wiedergabe alles Gesprochenen nach kurzschriftlicher Aufnahme, die Ergebnisse der namentlichen Abstimmung, Angaben über Beginn, etwaige Unterbrechung und Schluß der Sitzung), 62 SHGO (Tagesordnung nebst Beginn und Schluß der Sitzung, Wiedergabe alles Gesprochenen nach der Kurzschriftaufnahme). 7 Trossmann H, § 117 RdNr. 2.
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2. Teil: Das Verfahren in der Vollversammlung
nichtöffentlich ist, führt noch nicht zwingend dazu, daß jede stenographische Aufnahme des Sitzungsablaufs zu unterbleiben hat 8 • Dem Erfordernis von Vertraulichkeit oder Geheimhaltung kann vielmehr auch dadurch genügt werden, daß die Niederschrift unter Verschluß gehalten wird. b) Berichtigung der Niederschrift
Nach der Anfertigung des stenographischen Berichts erhält jeder Abgeordnete eine Niederschrift seiner Rede, die er prüfen und berichtigen kann; geschieht dies innerhalb einer bestimmten Zeit nicht, so wird die Niederschrift unberichtigt vervielfältigt9 • Bei der Berichtigung darf der Sinn der Rede weder insgesamt noch teilweise geändert werden; die Berichtigung darf sich also lediglich auf den Stil der Rede erstrecken und selbst auf ihn nur insoweit, wie er nicht zugleich Auswirkungen auf den Redeinhalt hat. Form und Inhalt der Rede können nicht stets getrennt werden; die moderne Sprachtheorie hat entsprechende Zusammenhänge längst erkannt lO • Vor der Berichtigung der Niederschrift einer Rede darf diese einem anderen als dem Parlamentspräsidenten nur mit Zustimmung des Redners zur Einsicht überlassen werden. Geht der Redner über den zulässigen Umfang der Berichtigung hinaus, so kann diese zeitlich unbegrenzt beanstandet werden. Beanstandungsbefugt ist der Stenograph, der die Rede aufgenommen hat; ihm obliegt die überwachung, daß der Sitzungsbericht den Sitzungsablauf zutreffend widergibt. Insbesondere darf der Wortlaut einer Redewen8 Zum stenographischen Bericht bei nichtöffentlichen Sitzungen §§ 103 II BWGO (hiernach bedarf es zur Drucklegung und Veröffentlichung des Sitzungsberichts einer nichtöffentlichen Sitzung der Zustimmung einer Zwei-Drittel-Mehrheit), 53 I 1, II HambGO (ausdrückliche Einschränkung des Verhandlungsberichts auf öffentliche Sitzungen und Befugnis der Bürgerschaft zum Beschluß, ob und inwieweit über eine geheime Sitzung ein Bericht aufzunehmen und zu vervielfältigen ist), 90 I 2, II NdsGO (stenographische Berichte über nichtöffentliche Sitzungen werden nicht verteilt, sofern der Landtag nichts anderes beschließt; Einsichtsrecht Dritter nur in stenographische Berichte über öffentliche Sitzungen), 112 IH RhPfGO (auf Verlangen von 10 Abgeordneten, einer Fraktion oder der Landesregierung kann der Landtag mit Zwei-Drittel-Mehrheit beschließen, daß auch der Bericht über eine Geheimsitzung gedruckt oder verteilt wird; bei Geheimheitsverlangen der Landesregierung kann der Sitzungsbericht nur mit deren Zustimmung veröffentlicht werden). 9 §§ 118, 119 GOBT, 102 BWGO, 145 BayGO, 86 BerlGO, 62 BremGO, 54 HambGO, 89 HessGO, 91 NdsGO, 105, 106 NWGO, 113, 114 RhPfGO, 55 SGO, 63 SHGO. 10 Vgl. zum Thema nur Haft, Recht und Sprache, in: Einführung in Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, hrsg. Kaufmann - Hassemer, Heidelberg - Karlsruhe 1977, S. 112 ff.; Podlech, Rechtslinguistik, in: Rechtswissenschaft und Nachbarwissenschaften, hrsg. Grimm, Bd. H, München 1976, S. 105 ff.; Schreckenberger, Rhetorische Semiotik, Freiburg - München 1978, passim.
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dung dann nicht geändert werden, wenn ein nachfolgender Redner auf sie eingegangen ist, weil dessen Äußerungen dann nicht mehr verständlich wären. Beanstandungsbefugt sind aber auch andere Abgeordnetel l . Gerade dies gewinnt dann Bedeutung, wenn deren Rede in Zusammenhang mit derjenigen Äußerung steht, die berichtigt werden soll. Die vorstehenden Ausführungen gelten auch für Zwischenrufe; hinsichtlich solcher, aber auch in anderen Fällen, werden Abgeordnete an der Tilgung ihres Namens interessiert sein, um nicht in ihrer Ehre durch Anlastung einer Ordnungswidrigkeit berührt zu werden. Gerade diese Fälle bedürfen besonders sorgfältiger Klärung; im Zweifel wird dabei zu Gunsten des betreffenden Abgeordneten zu entscheiden sein12 • Beharrt der Redner Beanstandungen gegenüber auf seiner Berichtigung, so entscheidet in diesem Konflikt der Parlamentspräsident, der die betreffende Sitzung geleitet hatte - möglicherweise also anstelle des Parlamentspräsidenten auch ein Vizepräsident -; ihm stehen dafür alle Beweismittel zur Verfügung. Beispielsweise kann er also eine Tonbandaufnahme der Sitzung verwerten oder andere Abgeordnete anhören13 • Werden Beanstandungen von dritter Seite erhoben - beispielsweise von anderen Sitzungsteilnehmern -, so sind die vorstehend genannten Regelungen entsprechend anzuwenden. Offensichtliche Unrichtigkeiten kann der Stenographische Dienst darüber hinaus von sich aus richtig stellen14 • 2. Das amtliche Protokoll
Durch die Niederschrift wird zwar der Sitzungs ablauf wiedergegeben; um eine Beurkundung handelt es sich bei ihr jedoch nicht. Ihrem Zweck dient das amtliche (Beschluß-)Protokoll, das über jede Sitzung geführt wird und in das die gefaBten Beschlüsse, aber auch beispielsweise die Arbeitsübernahme durch den Parlamentspräsidenten, die Vereidigung der Regierungsmitglieder sowie Regierungserklärungen aufgenommen werden. Dem Protokoll werden die entsprechenden Drucksachen mit den von den Schriftführern darauf vermerkten Beschlüssen als Bestandteile angeheftet15 • So ausdrücklich § 88 IV 1 HessGO. Zur Aufnahme von Zwischenrufen in den stenographischen Bericht §§ 120 GOBT, 146 BayGO, 115 RhPfGO. - Trossmann II, § 120 RdNr. 6, erwägt überhaupt, ob es Sinn hat, Zwischenrufe in den stenographischen Bericht aufzunehmen, welche der Parlamentspräsident nicht gerügt hat, weil möglicherweise erst jetzt die Aufmerksamkeit auf sie gelenkt wird. 13 Vgl. Ophoff, Erl. zu § 105; Trossmann II, § 119 RdNr. 3. 14 So auch Trossmann II, § 119 RdNr. 5. Vgl. auch StenBer. BT, 3. WP, 54. Sitzung vom 12. 12. 1958, S. 2994 A, B. 15 Die geschäftsordnungsrechtlichen Regelungen sind insoweit lückenhaft. Vgl. aber immerhin §§ 121, 122 GOBT, 147 BayGO, 87 BerlGO, 61 III 11
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2. Teil: Das Verfahren in der Vollversammlung
Nach Geschäftsordnungsrecht ist zur Protokollierung der Parlamentspräsident mit dem diensttuenden Schriftführer befugt; im Bundestag erfolgt die Protokollierung nach der Parlamentspraxis durch die Parlamentsverwaltung18 • Das Protokoll wird durch den Parlamentspräsidenten und einem der oder durch die amtierenden Schriftführer unterzeichnet; es wird an die Mitglieder des Parlaments verteilt und gilt als genehmigt, wenn bis zu dem auf die Verteilung erfolgenden Sitzungstag kein Widerspruch erhoben wird. Wird das Protokoll durch (mitunter auch als "Einspruch" bezeichneten) Widerspruch beanstandet17 und dieser nicht durch die Erklärung des Schriftführers behoben, so hat der Parlamentspräsident die Vollversammlung darüber entscheiden zu lassen, ob dem Widerspruch/Einspruch stattgegeben werden soll; mitunter entscheidet er auch selbst, wobei gegen seine Entscheidung der Ältestenrat angerufen werden kann. Die Abstimmung bewegt sich in keinem Ermessensbereich, weil die Frage der Richtigkeit des Protokolls nicht auf der Rechtsfolgen-, sondern auf der Tatbestandsseite der Problematik angesiedelt ist. Das wirft die Frage auf, ob die Richtigkeit des Protokolls überhaupt abstimmungsfähig ist18• Man wird sie deshalb bejahen können, weil abstimmungsfähig nicht nur Willens-, sondern auch Erkenntnisvorgänge sind, was abermals die längst erkannte Tatsache belegt, daß kognitives und volitives Handeln nicht in einen disjunktiven Gegensatz gebracht werden können19 • Jeder Kognition liegt vielmehr auch ein volitives Element zugrunde, wie jeder volitive Akt Kognition voraussetzt. Abgestimmt wird hier eben gerade darüber, wie viele Abgeordnete die Erkenntnis von der Unrichtigkeit des Protokolls haben. Ergibt sich die Fehlerhaftigkeit des Protokolls, so hat der Parlamentspräsident die Zustimmung des Parlaments zur Berichtigung einzuholen, falls er hierzu nicht selbst befugt ist. Die neue Fassung der beanstandeten Stelle ist dann dem nächsten Sitzungsprotokoll beizufügen; in der Parlamentspraxis wird dies extensiv so ausgelegt, daß die berichtigte Fassung bereits demselben amtlichen Protokoll anzufügen BremGO, 90 HessGO, 107 NWGO, 116 RhPfGO, 64 SHGO. -
mann I, S. 205 f. 18 Trossmann 11, §
Dazu Tross-
121 RdNr. 1. Nach Mitteilung von Trossmann 11, Er!. zu § 122, ist im Bundestag bisher hiervon noch kein Gebrauch gemacht worden. 18 Nach Trossmann 11, Erl. zu § 122, besteht nicht "viel Spielraum" für eine Willensentscheidung des Hauses, weil über Tatsachen nicht abgestimmt werden könne, so daß eine Entscheidung nur darüber in Betracht komme, wie verfahren werden solle, wenn nicht zweifelsfrei feststehe, ob ein Beschluß, wie protokolliert, gefaßt worden sei. 19 Vgl. hierzu des näheren Achterberg, Die Entscheidung über das Bedürfnis für die Bundesgesetzgebung (Art. 72 Abs. 2 GG), DVBl. 67, 213 (215 f. m. Anm. 28). 17
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ist 20 • Möglich ist dies freilich nur, solange die Verteilung an die Abgeordneten noch nicht erfolgt ist. Gerade dies aber wird in vielen Fällen zutreffen, weil sich oftmals erst aufgrund der Kenntnisnahme von der verteilten Kopie des Sitzungsprotokolls Beanstandungen durch die Abgeordneten ergeben. Das genehmigte Protokoll ist beweiskräftige Urkunde über die Beschlüsse des Parlaments, während der stenographische Bericht lediglich informatorischen Charakter hat. Weichen Protokoll und stenographischer Bericht voneinander ab, so bleibt bis zum Beweis des Gegenteils das Protokoll, nicht aber der stenographische Bericht maßgebend21 • 3. Benutzung des Sitzungsberichts und des Protokolls a) Sitzungsbericht
Die stenographischen Sitzungsberichte werden gedruckt und an die Abgeordneten verteilt; darüber hinaus ist jedermann in der Lage, die Sitzungsberichte von dem sie druckenden Verlag zu beziehen 22 • Die Sitzungsberichte des Bundestags werden gebunden als "Verhandlungen des Deutschen Bundestages. Stenographische Berichte" veröffentlicht. Bis zum Ende der 7. Wahlperiode sind 99 Bände erschienen. Jedem Band der Sitzungsberichte wird ein als "Inhaltsverzeichnis" bezeichnetes Sachverzeichnis vorangestellt, das sich in die folgenden Rubriken gliedert: Regierungserklärungen, Gesetzentwürfe, Fraktionsanträge, Anträge der Bundesregierung, Verordnungen der Bundesregierung, Vorlagen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft usw., Große Anfragen, Kleine Anfragen, Fragestunden, Aktuelle Stunden, Sonstiges, Berichtigungen. Danach folgen die Niederschriften der einzelnen Sitzungen in chronologischer Folge. Die Bände der stenographischen Berichte werden nach Seiten und Randbuchstaben zitiert: Jede Seite ist zur genaueren Zitiermöglichkeit quadratweise mit den Randbuchstaben A - D versehen. Die stenographischen Berichte des Bundestags werden durch Anlagebände ergänzt, die neben jenen mit eigener Zählung herausgegeben werden. Bis zum Ende der 7. Wahlperiode sind 227 Bände erschienen. Unter den Anlagen werden Drucksachen veröffentlicht, welche die Abgeordneten vor den Plenarsitzungen erhalten müssen. Der Umfang So Trossmann II, Er!. zu § 122. Ebenso Trossmann II, § 121 RdNr. 2. 2! §§ 117 II GOBT, 144 II BayGO, B5 BerlGO, BB III HessGO (Verteilung auch an die Mitglieder der Landesregierung), 90 I 1 NdsGO (wie Hessen), 104 I 2 NWGO (Verteilung auch an die Fraktionen, die Mitglieder der Landesregierung und den Präsidenten des Landesrechnungshofs), 112 II RhPfGO, 62 III SHGO. 20
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2. Teil: Das Verfahren in der Vollversammlung
der als Anlage zu den stenographischen Berichten veröffentlichten Drucksachen übersteigt deren Umfang beträchtlich. Die Bezeichnung "Drucksache" tragen alle Materialien, die dem Plenum und damit den Abgeordneten zur Behandlung, insbesondere - wenn auch nicht nur zur Beschlußfassung vorgelegt werden. Zu ihnen gehören vor allem die Vorlagen der Bundesregierung und des Bundesrats, Anträge und Anfragen von Abgeordneten sowie Ausschußberichte. Zu den Regierungsvorlagen können dabei sowohl Gesetzentwürfe als auch Berichte über bestimmte Aufgaben zählen. Der Umfang der Drucksachen schwankt beträchtlich23 • Als dritte Veröffentlichung erscheint das Register zu den Verhandlungen und zu den Anträgen, das aus zwei Teilen - dem Sachregister und dem Sprechregister - besteht: Das Sachregister dokumentiert die parlamentarische Arbeit nach sachlichen Gesichtspunkten, im Bundestag unter Einschluß der im Zusammenhang mit seiner Arbeit stehenden Dokumente des Bundesrats. Die Sachkomplexe werden dabei durch Schlagworte aufbereitet, unter denen zugleich auf verwandte Gegenstände hingewiesen wird. Unter dem Hauptschlagwort, das sich nach dem inhaltlichen Schwerpunkt eines Behandlungsgegenstands richtet, wird dessen vollständiger Behandlungsablauf chronologisch dargestellt. Als Anhang zum Sachregister gibt es im Bundestag neuerdings eine alphabetisch geordnete Fallsammlung über die Anwendung der Geschäftsordnung während der betreffenden Wahlperiode, die einen umfassenden Überblick über alle Verfahrensfragen, die während dieses Zeitraums entstanden sind, und zugleich Aufschluß über ihre Lösung und damit die Fortbildung des autonomen Parlamentsrechts gewährt. - Das Sprechregister enthält die Sprechstellen der Abgeordneten und anderen Sitzungsteilnehmer, die während der Wahlperiode im Parlament das Wort ergriffen haben, sowie bei schriftlichen Initiativen die Namen der im Kopf einer Drucksache genannten Abgeordneten, wobei die Gegenstände der Äußerungen stichwortartig mitgeteilt werden. In chronologischer Reihenfolge werden dabei zum einen die Redestellen und Initiativen, zum anderen die Fragen in den Fragestunden genannt. In den Landtagen besteht bezüglich der stenographischen Berichte eine ähnliche Rechts-und Sachlage wie im Bundestag.
23 Nach Hohen, S. 486, reichen sie im Umfang von 1 bis 300 Seiten (bei dem von ihm gewählten Beispiel des Jahresgutachtens des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung). Aber auch die den Schlußbericht der Enquete-Kommission Verfassungsreform enthaltene BT-Dr. 7/5924 umfaßt 292 Seiten. In einer Wahlperiode des Bundestags erscheinen durchschnittlich 4000 Drucksachen, Hohen, S. 486.
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b) Protokoll
Das Protokoll wird an die Mitglieder des Parlaments verteilt. Dies geschieht dadurch, daB diesen seine Kopien zugeleitet werden. Beschlossene Gesetze werden im Bundestag vom Bundestagspräsidenten unverzüglich dem Bundesratspräsidenten übersandt; je einen Abdruck des Beschlusses erhalten der Bundeskanzler und der federführende Bundesminister. In Bayern werden über die von den Landtagen gefaBten Beschlüsse durch den Landtagspräsidenten Ausfertigungen erteilt, die der Staatsregierung und, sofern es sich um Gesetze handelt, auch dem Senat zugestellt werden. In Berlin werden die Protokolle den Fraktionen zugestellt, Gesetze auch dem Regierenden Bürgermeister. In Hamburg erteilt der Parlamentspräsident dem Senat alsbald eine Ausfertigung der von der Bürgerschaft gefaBten Beschlüsse. In Hessen wird das Protokoll unverzüglich an alle Abgeordneten und Mitglieder der Landesregierung verteilt. In Nordrhein-Westfalen werden die Beschlüsse, soweit sie Gesetzentwürfe oder Angelegenheiten aus dem Zuständigkeitsbereich der Landesregierung betreffen, dem Ministerpräsidenten zugestellt. In Rheinland-Pfalz übersendet der Parlamentspräsident beschlossene Gesetze und, wenn es ihr Inhalt erfordert, auch sonstige Beschlüsse dem Ministerpräsidenten und dem Minister der Justiz. In Schleswig-Holstein werden die vom Landtag gefaBten Beschlüsse der Landesregierung zugeleitet24 •
24 Vgl. §§ 123 I, II GOBT, 147 I BayGO, 87, 88 BerlGO, 55 HambGO, 90 II HessGO, 109 NWGO, 116 II, III RhPfGO, 64 SHGO.
Dritter Teil
Das Verfahren in den Ausschüssen I. Das Verfahren in den ständigen Ausschüssen 1. Die Aufgaben der Ausschiisse
Die Aufgaben und Verfahren der ständigen Ausschüsse im Bundestag und in den Landtagen1 können gemeinsam dargestellt werden, obwohl mitunter auf zwischen Bundestag einerseits und Landtagen andererseits bestehende systemimmanente Verschiedenheiten hingewiesen wird, die auf der unterschiedlichen Wahrnehmbarkeit überregionaler und regionaler Staatsinteressen beruhen. Sie mögen in der Tat als "reduzierte Plenarfunktion" der Landesparlamente umschrieben werden können2 , doch darf hieraus keine "expandierte Ausschußfunktion" gefolgert werden: Denn auch die Ausschüsse der Landesparlamente sind in die durch die Landesgesetzgebungskompetenz umrissene Vorberatung von Gesetzentwürfen sowie die Regierungskontrolle einbezogen, ohne weitergehende Befugnisse zu haben, als die Ausschüsse des Bundestags. Allerdings läßt sich auch nicht sagen, daß sie vor allem die Aufgabe der "Beratung" der Regierung hätten und sich mehr zu deren Beratungsund Kontrollinstrumenten entwickelt hätten3 • 1 Vgl. zum folgenden Achterberg, Die ständigen Ausschüsse der Parlamente, in: Deutsche öffentlich-rechtliche Landesberichte zum X. Internationalen Kongreß für Rechtsvergleichung in Budapest, hrsg. Madlener, Tübingen 1978, S. 133 (165 ff.); Frost, Die Parlamentsausschüsse, ihre Rechtsgestalt und ihre Funktionen dargestellt an den Ausschüssen des Deutschen Bundestages, AöR 95 (1970), 38; Pietzner, Bundestag (IV C 4), in: Evangelisches Staatslexikon, hrsg. Kunst - Herzog - Schneemelcher, 2. Aufl., Stuttgart 1975, Sp. 265 (283 ff.); Schäfer, Die Ausschußberatung im Deutschen Bundestag, in: Form und Erfahrung. Ein Leben für die Demokratie. Zum 70. Geburtstag von Ferdinand A. Hermens, Berlin 1976, S. 99; Steffani, Ausschüsse, in: Röhring - Sontheimer, S. 35; Steiger, Organisatorische Grundlagen des parlamentarischen Regierungssystems, Berlin 1973, S. 119; Trossmann I, S. 24 ff., 232 f.; ders. H, Erl. zu §§ 60 ff. 2 So Friedrich, Zur Kritik und Reform der Ausschußarbeit in den Landesparlamenten der Bundesrepublik, ZParl. 2 (1971), 70 (74). 3 Infolgedessen kann Friedrich, ZParl. 2 (1971), 75, nicht in der problemverkürzenden These zugestimmt werden, die Landesparlamente seien "reine Abstimmungsmaschinerien, die den Ausschüssen die Arbeitsaufträge zuweisen, deren Berichte entgegennehmen und dort deren Beratungsergebnisse zu rechtsverbindlichen Akten machen und sie mit einigen für die Öffentlichkeit bestimmten Erklärungen ausstatten, wo dies rechtliche, politische
I. Das Verfahren in den ständigen Ausschüssen
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a) Vorbereitung der Gesetzgebung Zu den wichtigsten Aufgaben der ständigen Ausschüsse zählt deren Mitwirkung an der Gesetzgebung. Im Bundestag und in einigen Landtagen werden Gesetzentwürfe in drei Beratungen behandelt; in Bayern, BerZin, Bremen, Hamburg, Nordrhein-WestjaZen, RheinZand-Pjalz, SchZeswig-Holstein finden dagegen im allgemeinen nur zwei Lesungen statt4 • Am Schluß der ersten Beratung, in der eine allgemeine Aussprache nur ausnahmsweise erfolgt, wird der Gesetzentwurf üblicherweise an einen Ausschuß oder auch an mehrere Ausschüsse überwiesen, von denen einer als federführend bestimmt wird. Die zweite Beratung beginnt dann mit der Berichterstattung durch den (federführenden) Ausschuß. Hat dieser eine Änderung des Gesetzes vorgeschlagen, so ist dessen ursprüngliche Fassung damit verdrängt. Abstimmungsgrundlage ist dann der Entwurf in der vom Ausschuß geänderten Fassung; zur Wiederherstellung der ursprünglichen bedarf es eines darauf abzielenden Änderungsantrags. Nur bei einer auf unveränderte Annahme oder auf Ablehnung gerichteten Empfehlung des Ausschusses bleibt der ursprüngliche Gesetzentwurf Abstimmungsgrundlage. Der Ausschuß hat mithin beachtliche Einwirkungsmöglichkeit auf dessen Gestaltung. An die Berichterstattung schließt sich auf Wunsch eine allgemeine Aussprache an, nach der die Einzelberatungen und Einzelabstimmungen erfolgen. Solange nicht die letzte Einzelabstimmung vorgenommen ist, kann der Entwurf - auch hinsichtlich bereits erledigter Teile - ganz oder teilweise an den mit ihm befaßt gewesenen oder auch einen anderen Ausschuß (zurück-)verwiesen werden°. Die Beschlüsse der zweiten bilden den Gegenstand der dritten Beratung, in der Einzelaussprachen nur noch über diejenigen Bestimmungen stattfinden, zu denen noch Änderungsanträge gestellt werden; oder sonst welche praktische Gründe verlangen". Unterschiede zwischen Bundestag und Landtagen hinsichtlich des Verhältnisses von Plenum und Ausschüssen sowie des Interesses der Öffentlichkeit (Friedrich, 76: "kopflastiges System des deutschen Föderalismus", durch das den Landesparlamenten "die Flügel für politischen Höhenflug gestutzt" wird) beruhen auf der bundesstaatlichen Struktur und nehmen bei weitem nicht die Dimension ein, wie es hiernach den Anschein hat. s. auch noch ders., S. 80, ders., Landesparlamente in der Bundesrepublik, Opladen 1975, S. 107 f., wo gerade die Auffassung vertreten wird, nicht mehr durch das Plenum, sondern nur durch die Ausschüsse sei das Parlament zur effizienten Verwaltungskontrolle befähigt. 4 s. dazu Achterberg, Grundzüge des Parlamentsrechts, München 1971, S. 51 f. 5 Die Möglichkeit der Zurückweisung bereits erledigter Teile eröffnet diejenige ihrer Korrektur noch in der zweiten Beratung, während sie anderenfalls erst in der dritten möglich wäre. - Werden Änderungsanträge als selbständige Anträge gestellt, was mitunter geschieht, so können sie allein an einen Ausschuß verwiesen werden, ohne daß die Verweisung eines Teils oder sogar der gesamten Vorlage nötig wäre. Hierzu Trossmann I, S. 219. 10 Achterberg
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3. Teil: Das Verfahren in den Ausschüssen
auch jetzt kann eine Zurückverweisung an einen Ausschuß erfolgen. Die dritte Beratung endet mit der Abstimmung über den Gesetzentwurf als Ganzen. Haushaltsvorlagen und Finanzvorlagen werden im Bundestag erst nach Vorberatung durch den Haushaltsausschuß behandelt6 ; entsprechendes gilt für die Landtage. In Bayern ist im übrigen vorgeschrieben, daß alle Gesetzesvorlagen durch den Ausschuß für Verfassungs-, Rechts- und Kommunalfragen auf ihre Verfassungs- und Gesetzmäßigkeit geprüft werden. In BerUn können Vorlagen und Anträge, deren beschleunigte Erledigung wünschenswert ist, vom Präsidenten des Abgeordnetenhauses einem Ausschuß schon überwiesen werden, bevor sie auf der Tagesordnung stehen und beraten werden; die Zustimmung des Parlaments ist dann in der nächsten Sitzung einzuholen. In Niedersachsen besteht eine ähnliche Regelung7 • b) Kontrolle Aus dem umfangreichen Arsenal parlamentarischer Kontrollinstitute - Untersuchung und Enquete, Petitionsbehandlung, Herbeirufung von Regierungsmitgliedern, Anfragen und Entschließungen, Mißtrauensvotum, Organwalteranklage - stehen den Ausschüssen lediglich die Herbeirufungsbefugnis und (wenn auch oft nur vorbereitend) die Petitionsbehandlung sowie Kontrollaufgaben über besondere Zweige der Exekutive in Form der Haushaltskontrolle und der Wehrkontrolle durch den Verteidigungsausschuß des Bundestags zu. - Da Interpellationen nur von Abgeordnetengruppen in bestimmter Stärke gestellt werden können, vermögen denkmöglicherweise auch alle Mitglieder eines Ausschusses eine solche einzubringen. Doch handelt es sich dann nur um eine zufällige übereinstimmung, jedoch um kein originäres Recht des Ausschusses. (1) Die Befugnis zur Herbeirufung von Regierungsmitgliedern8 steht nicht nur dem Parlament als Ganzem, sondern auch den Ausschüssen zu; die entsprechenden verfassungs rechtlichen Bestimmungen pflegen in den Geschäftsordnungen - da diese keine Wirkung im InterOrgan-Verhältnis zur Regierung äußern, dort nur deklaratorisch wiederholt zu werden9 • Aufgrund des Herbeirufungsrechts können die 8 Vgl. §§ 94, 95 GOBT. § 94 GOBT ermöglicht zwar, daß der Bundestag die Haushaltsvorlage auch einem anderen Ausschuß überweist; nach parlamentarischem Brauch kommt ein solcher aber nur für die Mitberatung in Betracht, Trossmann I, S. 162. 7 §§ 57 III BayGO, 32 IV BerlGO, 24 II NdsGO. 8 Zum folgenden Kröger, Die Ministerverantwortlichkeit in der Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt/Main 1972, S. 142 ff.; Schäfer, S. 227 f.; Thaysen, Zur Praxis eines grundlegenden parlamentarischen Kontrollrechtes: Die Herbeirufung von Regierungsmitgliedern durch das Parlament, ZParl. 5 (1974), 459; Trossmann I, S. 163 f., 310 ff.
I. Das Verfahren in den ständigen Ausschüssen
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Ausschüsse des Parlaments die Anwesenheit des Regierungschefs und jedes Regierungsmitglieds - mag es für eine Angelegenheit verantwortlich sein oder nicht - begehren, nicht dagegen auch diejenige eines Organwalters eines sonstigen obersten Staatsorgans 10 • Die Ausschüsse dürfen die Herbeirufungsbefugnis nach mitunter vertretener Auffassung nur hinsichtlich solcher Gegenstände geltend machen, die ihnen vom Plenum überwiesen oder die sie im Zusammenhang hiermit von sich aus aufzugreifen befugt sind, was sich aus der von der Plenarentscheidung abhängigen Aufgabenumschreibung und Aufgabenerfüllung der Ausschüsse ergeben soll, deren Annex die Herbeirufung darstellel l ; diese Einengung ist indessen - wie sich an späterer Stelle ergeben wird nicht zutreffend. Das Herbeirufungsverlangen wird durch einfachen Mehrheitsbeschluß geäußert, der auch auf Minderheitenantrag gefaßt werden kann12 • Mit dem Herbeirufungsrecht korreliert das Zutrittsrecht lS • Mitglieder der Regierung, zum Bundestag auch des Bundesrats, sowie ihre Beauftragten - nach Parlamentspraxis üblicherweise Staatssekretäre, mitunter auch sonstige hohe Organwalter der Ministerien - haben zu allen Sitzungen der Ausschüsse Zutritt14 und müssen jederzeit gehört 9 Vgl. Art. 43 I GG, § 46 GOBT; Art. 34 I BWV, §§ 31, 38 BWGO; Art. 24 BayV, § 127 BayGO (hier auch Herbeirufung der Staatssekretäre möglich); Art. 34 I BerlV, § 84 BerlGO; Art. 98 II BremV, § 26 I BremGO; Art. 23 I HambV; Art. 91 HessV, § 34 HessGO; Art. 10 I NdsV; Art. 45 II NWV, § 72 I NWGO; Art. 89 I RhPfV, § 35 I RhPfGO; Art. 78 II SV; Art. 16 I SHV (die Anwesenheit des Ministerpräsidenten kann nur der Landtag, nicht auch ein Ausschuß begehren), §§ 15 V, 42 II SHGO. 10 v. Mangoldt - Klein, Art. 43 Anm. III 1, 5. Nach § 6 WehrbeauftragtenG können der Bundestag und der Verteidigungsausschuß auch die Anwesenheit des Wehrbeauftragten verlangen. 11 Kröger, S. 143; v. Mangoldt - Klein, Art. 43 Anm. III 4; Maunz - Dürig Herzog - Scholz, Art. 43 RdNr. 3; Schäfer, S. 228. 12 z. B. kann jedes Bundestagsmitglied die Herbeirufung beantragen; der Antrag bedarf der Unterstützung so vieler anwesender Mitglieder, wie sie einer Fraktionsstärke entsprechen (§ 46 GOBT), in Baden-Württemberg bedarf der Antrag der Unterstützung durch 5 Abgeordnete (§ 38 II BWGO), in Bayern durch eine Fraktion oder 20 Abgeordnete (§ 127 I BayGO), in Berlin durch eine Fraktion oder 10 Abgeordnete (§ 84 BerlGO), in Hessen muß der Antrag im Landtag von einer Fraktion, in einer Ausschußsitzung von allen anwesenden Vertretern einer Fraktion gestellt werden (§ 34 HessGO), in Nordrhein-Westfalen ist jeder Abgeordnete antragsberechtigt (§ 72 I NWGO), in Rheinland-Pfalz ist die Unterstützung durch 8 anwesende Abgeordnete nötig (§ 35 I RhPfGO), auch in Schleswig-Holstein ist jeder Abgeordnete antragsberechtigt (§ 42 II SHGO). 13 Art. 43 II GG, § 47 GOBT (zur Einschränkung des Zutrittsrechts beim Wahlprüfungsausschuß und beim Wahlmännerausschuß, Trossmann I, S. 311 f.); Art. 34 II BWV; Art. 24 II BayV, § 128 I BayGO; Art. 34 III BerlV; Art. 98 III BremV, § 26 II BremGO; Art. 23 I HambV, § 81 I, II HambGO; Art. 91 HessV; Art. 10 II NdsV; Art. 45 I NWV, § 72 II NWGO; Art. 89 II RhPfV, § 35 II RhPfGO; Art. 78 I SV; Art. 16 II SHV; §§ 15 IV, 42 I SHGO. 14 v. Mangoldt - Klein, Art. 45 Anm. IV 2; Maunz - Dürig - Herzog - Scholz, Art. 43 RdNr. 13. Nach § 80 SLTG erstreckt sich das Zutrittsrecht auch auf
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3. Teil: Das Verfahren in den Ausschüssen
werden. Das gilt auch für nichtöffentliche Sitzungen15 • Da im Bundestag und in den meisten Landesparlamenten Minister zugleich Abgeordnete sind und sie schon als solche den Sitzungen der offenen Ausschüsse beiwohnen können, entfaltet das Zutrittsrecht seine volle Wirkung erst bei geschlossenen Ausschüssen, zu denen die Regierungsmitglieder hiernach gleichfalls Zutritt haben. Das Recht auf jederzeitiges Gehör bedeutet allerdings nicht, daß laufende Reden oder Abstimmungen zu unterbrechen wären 16 • Redezeitbeschränkungen bestehen für Regierungsmitglieder im allgemeinen nicht17, doch darf von der Redebefugnis nur in einer Weise Gebrauch gemacht werden, die nicht - beispielsweise durch überlange Ausführungen - als mißbräuchlich erscheint. Kommen Regierungsmitglieder der Herbeirufung nicht nach oder verweigert ein Ausschuß ihnen den Zutritt, so bedeutet dies eine Verfassungsverletzung 18, die zum Gegenstand des Organstreits gemacht werden kann. (2) In die Haushaltskontrolle sind auch die Haushaltsausschüsse der Parlamente eingeschaltet, die den Staatshaushaltsplan vorbereiten und denen alle Haushalts- und Finanzvorlagen überwiesen werden19 • Dies kann noch aus der zweiten oder dritten Lesung heraus bezüglich eines später als Finanzvorlage erscheinenden Gesetzentwurfs geschehen20 • In eiligen Fällen handelt der Haushaltsausschuß anstelle des Plenums; vor allem gilt dies bei der Zustimmung des Bundestags zur Freigabe gesperrter Mittel durch den Bundesminister der Finanzen. In den jährlichen Haushaltsgesetzen pflegen vielfältige Mitwirkungsmöglichkeiten des Haushaltsausschusses statt des Plenums vorgesehen zu sein.
So bestimmte das Haushaltsgesetz von 1976, daß der Bundesminister der Finanzen Mitglieder des Rechnungshofs. - Das verfassungsrechtlich gewährleistete Zutrittsrecht kann durch Geschäftsordnungsbestimmungen für einzelne Ausschüsse nicht ausgeschlossen werden, NdsStGH, OVGE 12, 470. Beschränkungen des Zutrittsrechts müssen vielmehr in der Verfassung selbst angeordnet sein (so in Art. 10 III NdsV). 15 v. Mangoldt - Klein, Art. 43 Anm. IV 3; Maunz - Dürig - Herzog - Scholz, Art. 43 RdNr. 18. 18 v. Mangoldt - Klein, Art. 43 Anm. IV 4; Maunz - Düng - Herzog - Scholz, Art. 43 RdNr. 21. 17 s. aber § 84 5 i. V. m. § 64 I c, II BerIGO. 18 v. Mangoldt - Klein, Art. 43 Anm. III 3, IV 3; Maunz - Dürig - Herzog Scholz, Art. 43 RdNr. 24. 19 Zu diesen Begriffen Trossmann I, S. 100 ff., 162 f. Vgl. zum folgenden ausführlich auch Frost, AöR 95 (1970), 74 ff. 20 Zum Haushaltsausschuß §§ 94, 96 GOBT, 24 II Nr. 2 BayGO, 36, 37 BerIGO, 10 I Nr. 3 NdsGO, 69, 74 I Nr. 4 RhPfGO, vgl. ferner Frost, AöR 95 (1970), 74 ff.; GoUz, Mitwirkung parlamentarischer Ausschüsse beim Haushaltsvollzug, DÖV 65, 605; Loewenberg, Parlamentarismus im politischen System der Bundesrepublik Deutschland, Tübingen 1969, S. 187 m. Beispielen für bindende Entscheidungen Anm. 30; Sontheimer, Haushaltsausschuß, in: Röhring - Sontheimer, S. 193; Trossmann I, S. 153 f.
I. Das Verfahren in den ständigen Ausschüssen -
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ermächtigt ist, mit Einwilligung des Haushaltsausschusses des Bundestags innerhalb des Einzelplans des Bundesministers für Verteidigung die Deckungsfähigkeit bestimmter Ausgaben anzuordnen, falls dies aufgrund später eingetretener Umstände zweckmäßig erscheint, vor Aufhebung der Sperre von einem Sperrvermerk unterliegenden Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen oberhalb einer bestimmten Grenze die Einwilligung des Haushaltsausschusses einzuholen hat, in Sonderfällen mit Einwilligung des Haushaltsausschusses unter bestimmten Voraussetzungen zusätzliche Plan- und sonstige Stellen ausbringen oder bestimmte Planstellen heben darf, mit Zustimmung des Haushaltsausschusses Richtlinien für die Bewirtschaftung von Planstellen im Öffentlichen Dienst erlassen darf, mit Einwilligung des Haushaltsausschusses in besonderen Fällen zulassen kann, daß bei Rückkehr mehrerer Beamter in den Bundesdienst nur jede zweite freiwerdende Planstelle hierfür in Anspruch zu nehmen ist, den Haushaltsausschuß unverzüglich über Änderungen, die sich aufgrund von Haushaltsmaßnahmen der Europäischen Gemeinschaften ergeben, zu unterrichten hat
sowie daß die Ermächtigungsrahmen des Haushaltsgesetzes, innerhalb deren der Bundesminister der Finanzen Gewährleistungen für bestimmte Zwecke übernehmen darf, mit Einwilligung des Haushaltsausschusses auch für andere Zwecke verwendet werden dürfen. In fast allen diesen Fällen entsteht das Problem, ob anstelle des Plenums ein Ausschuß statt mit lediglich vorbereitender mit entscheidender Tätigkeit betraut werden darf. Die Frage stellt einen Ausschnitt aus der weiteren dar, ob Ausschüssen anstelle der Vollversammlung Entscheidungsfunktionen übertragen werden dürfen, wobei eine differenzierende Auslegung derjenigen Normen zu empfehlen ist, die vom "Parlament" im Sinne des "Plenums" zu sprechen scheinen. Da eine ausdrückliche Vorschrift, wonach Maßnahmen im Haushaltsvollzug allein von der Vollversammlung getroffen werden dürfen, im Grundgesetz nicht enthalten sind, bleibt der Weg der Interpretation. Beachtliche topoi sind dabei, daß häufig keine Fragen besonderer politischer Bedeutung im Haushaltsvollzug zu entscheiden sind, die sachgerechte Beurteilung finanzrelevanter Fragen mitunter eher in einem Ausschuß zu erfolgen vermag sowie daß wegen der fachspezifischen Kompliziertheit der zu erörternden Probleme auch die Öffentlichkeit der Ausschuß sitzungen nicht immer notwendig ist. Aus solchen Gründen kann die Entscheidung durch den Haushaltsausschuß - die oftmals punktuelle Bedeutung hat - nicht als schlechthin dysfunktional bezeichnet
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3. Teil: Das Verfahren in den Ausschüssen
werden. Hinsichtlich der Finanzkontrolle ist erheblich, daß der Haushaltsausschuß des Bundestags einen von dem Rechnungsprüfungsausschuß als seinem Unterausschuß vorbereiteten Bericht über die Entlastung der Regierung an das Plenum erstattet21 , bei dem er sich ohne Kommentar den Bemerkungen des Bundesrechnungshofs anschließen kann. Die Rechtslage in den Ländern stimmt mit derjenigen im Bund im wesentlichen überein22 • Auch hier ist im übrigen vorgesehen23 , daß der Rechnungshof das Parlament berät und auf Ersuchen des Landtags mitunter seiner Ausschüsse - Gutachten über Fragen mit Bedeutung für die Haushalts- und Wirtschaftsführung abgibt sowie diesem über Angelegenheiten von besonderer Bedeutung jederzeit berichtet. Besonders ausführlich ist in Rheinland-Pfalz das Verhältnis zwischen Parlament und Rechnungshof geregelt. Dort hat der Rechnungshofspräsident oder ein von ihm beauftragtes Rechnungshofsmitglied nicht nur zu allen Sitzungen des Landtags Zutritt, sondern Mitglieder des Rechnungshofs können im allgemeinen auch an Ausschußsitzungen teilnehmen, und der Landtag und seine Ausschüsse können die Anwesenheit von Rechnungshofsmitgliedern verlangen. Solche haben das Recht und auf Verlangen eines Landtagsausschusses die Pflicht, sich in den Sitzungen im Rahmen der Zuständigkeit des Rechnungshofs zu äußern. Bei dieser Vorschrift handelt es sich demgemäß um eine solche, die der Norm über das Herbeirufungs- und Zutrittsrecht bezüglich Regierungsmitgliedern nachgebildet ist und die auch für die übrigen Landtage als richtungweisend gelten kann. Da die Geschäftsordnung als Innenrechtssatz keine Verpflichtung im Inter-Organ-Verhältnis zu begründen vermag, erscheint die geschäftsordnungsmäßige Regelung, wie sie in Rheinland-Pfalz besteht, allerdings nicht als ausreichend. (3) Die Wehrkontrolle obliegt außer dem Wehrbeauftragten des Bundestags vor allem dem Verteidigungsausschuß, der anders als sonstige Ausschüsse auch ohne entsprechenden Auftrag des Bundestags tätig werden kann. Die Einleitung einer Untersuchung im Verteidigungsbereich bedarf lediglich eines Beschlusses der Mehrheit seiner eigenen 21 Hierzu Trossmann I, S. 206 i., sowie zur Tätigkeit des Rechnungsprüiungsausschusses ausführlich S. Hojfmann, Die Kontrolle der Regierung durch parlamentarische Rechnungsprüiung im Deutschen Bundestag, Göttingen 1970, S. 62; Pelny, Die legislative Finanzkontrolle der Bundesrepublik Deutschland und in den Vereinigten Staaten von Amerika, Berlin 1972, S. 39 i.; Schäfer, S. 268 ff. 22 Art. 83 BWV, 80 BayV, 82, 83 BerlV, 133 BremV, 70, 71 HambV, 144 HessV, 53 NdsV, 86, 87 NWV, 120 RhPfV, 109 SV, 48 SHV. 23 Vgl. zum folgenden auch: §§ 88 III, 99 BWLHO, 88 III, 99 BayHO, 10 I, II BerlRHG, 88 II, 99 BremLHO, 88 III HambLHO, 88 III HessLHO, 88 III, 99 II NdsLHO, 88 II, 99 NWLHO, 88 III, 99 RhPfLHO, 12 RhPiRHG, 117 RhPiGO, 99 SLO, 88 IV, V SHLHO.
I. Das Verfahren in den ständigen Ausschüssen
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Mitglieder24 • Der Verteidigungs ausschuß hat die Rechte eines Untersuchungsausschusses, doch sind die Vorschriften über die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen und die prinzipielle Öffentlichkeit ihrer Verhandlungen nicht anwendbar25 • Da der Verteidigungsausschuß auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht hat, eine Angelegenheit zum Gegenstand seiner Untersuchungen zu machen, vermag auch die Opposition auf dem Weg über dieses Minderheitenrecht Kontrollen innerhalb der Streitkräfte auszulösen26 • Das sonst bestehende Minderheitenrecht der Bundestagsmitglieder auf Einsetzung eines Untersu-' chungsausschusses setzt sich hier als solches der Ausschußmitglieder auf Einleitung der ,Wehrkontrolle fort 27 , wobei die Mehrheit - um dieses Minderheitenrecht nicht zu unterlaufen - in den Antrag nicht sachlich verändernd eingreifen darf28 • Da der Verteidigungsausschuß die "Rechte eines Untersuchungsausschusses" hat, besteht im übrigen kein Anlaß, seine Kontrollbefugnisse wie diejenigen eines Untersuchungsausschusses auf einzelne und abgeschlossene Tatsachen zu beschränken und die ständige Wehrkontrolle durch ihn für schlechthin unzulässig zu halten29 • Ob der Verteidigungs ausschuß auf Verlangen des Bundestags diesem über seine Verhandlungen und Beweisergebnisse zu berichten hat, war lange Zeit umstritten, ist nun aber geschäftsordnungsmäßig in positivem Sinne festgelegt 30 • c) Kreation
Kreationsfunktion wird wahrgenommen, indem die Mitglieder der Verfassungsgerichte durch Wahlmännerausschüsse gewählt werden, die 24 Ebenso Abg. Schwarzhaupt, BT-Dr. II/2150, S. 3; Roemer, Die neue Wehrverfassung, JZ 56, 193 (194); Willms, Parlamentarische Kontrolle und Wehrverfassung, Diss., Göttingen 1959, S. 35. 25 Ob in dieser "Ausschlußklausel" der übergeordnete Sinn liegt, die gesamte Verteidigungskontrolle aus dem Plenum herauszuhalten - so MaunzDürig - Herzog - Schotz, Art. 45 a RdNr. 10; Willms, S. 37 - muß freilich bezweifelt werden. Hiergegen spricht, daß der Verteidigungsausschuß und der Wehrbeauftragte dem Plenum berichten. 2& Jaeger, Die wehrrechtlichen Vorschriften des Grundgesetzes, BayVBl. 56, 329 (330), hält dies für den "Kern der parlamentarischen Kontrolle über die Armee". Bedenken gegen diese Pointierung bei Maunz - Dürig - HerzogSchotz, Art. 45 a RdNr. 8. 27 Vgl. hierzu Willms, S. 38 ff. 28 So auch Willms, S. 44; seine hieraus gefolgerte These, der Minderheitenschutz verpflichte die Mehrheit auch zur Mitwirkung bei der durchzuführenden Untersuchung und damit beispielsweise zur Anwesenheit in den Sitzungen, geht allerdings zu weit. 29 So aber Willms, S. 81 ff., der hierbei zu Unrecht die Kriterien des (allgemeinen) Untersuchungsrechts anlegt, auf die sich auch die von ihm S. 82 Anm. 5 - 7 genannten Belegstellen beziehen. 30 § 116 b II GOBT. Bejahend Hamann - Lenz, Erl. zu Art. 45 a; verneinend Maunz - Dürig - Herzog - Schotz, Art. 45 a RdNr. 10; Willms, S. 70 f.
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3. Teil: Das Verfahren in den Ausschüssen
hierbei nicht nur als vorbereitende, sondern als weisungsfrei handelnde, entscheidende Organe der Parlamente tätig werden. Dies gibt ihnen eine Sonderstellung, da die Ausschüsse die Entscheidungen der Vollversammlung im allgemeinen lediglich vorbereiten. 2. Die Befassung der Aussdliisse
a) Vorbereitung und Entscheidung Die Ausschüsse werden in den Geschäftsordnungen zumeist ausdrücklich als "vorbereitende Beschlußorgane" bezeichnetSI. Als solche haben sie das Recht und die Pflicht, dem Parlament bestimmte Beschlüsse zu empfehlen. Mittelbar - mitunter auch durch den Wortlaut der Geschäftsordnungsbestimmungen hiermit in Verbindung gebracht - hängt damit zusammen, ob sich die Ausschüsse nur mit ihnen von der Vollversammlung überwiesenen Gegenständen beschäftigen dürfen oder ob sie ein Selbstbefassungsrecht haben. - Der vorbereitende Charakter der Tätigkeit der Unterausschüsse für die übergeordneten Ausschüsse wird mitunter gleichfalls ausdrücklich hervorgehoben32 • Die Herausstellung der vorbereitenden Tätigkeit der Ausschüsse darf indessen nicht als Ausschluß entscheidender Aufgaben verstanden werden. Mitunter wird ausdrücklich hervorgehoben, daß die Ausschüsse das Recht haben, über Eingaben und Beschwerden zu entscheiden, oder daß ihnen weitere Aufgaben übertragen werden können, die nicht in der Vorbereitung von Beschlüssen für das Plenum bestehen, oder daß sie sogar zur abschließenden Erledigung eines bestimmten Gegenstands ermächtigt werden können, soweit nach der Verfassung nicht die Entscheidung des Parlaments erforderlich istS3 . Hieraus ist zu folgern, daß darunter auch die Aufgabe der Entscheidung fällt. Aber auch wo solche ausdrücklichen Hinweise fehlen, ist die entscheidende Tätigkeit von Ausschüssen nicht unzulässig, weil die Aufgabe vorbereitender Tätigkeit nicht als abschließend zu begreifen ist. Demgemäß gibt es mannigfache Beispiele für die Wahrnehmung von Entscheidungsfunktionen durch Ausschüsse: So entscheidet im Bundestag über die Aufhebung der Immunität von Abgeordneten der für Immunitätsangelegenheiten zuständige Ausschuß, bei der Wahl der Richter 31 §§ 60 II 2 GOBT, 18 I BWGO, 25 BayGO, 21 I 1 BerlGO, 61 I HambGO, 14 I HessGO, 12 I1NdsGO, 22 I 1 NWGO, 79 I 2 RhPfGO, 37 SLTG, 14 I 1 SGO, 9 I SHGO und dazu BVerfGE 44, 308 (318), wo die "der Sache nach" entscheidende Tätigkeit der Ausschüsse als verfassungsrechtlich unbedenklich bezeichnet wird, solange der Entscheidungsprozeß institutionell in den Bereich des Parlaments eingefügt bleibt; Steiger, S. 130; Pietzner, Sp. 285 f. 32 §§ 12 II 1 NdsGO, 22 II NWGO. 33 Vgl. dazu §§ 21 I 3 BerlGO, 14 I 2 SGO sowie § 25 III BWGO.
I. Das Verfahren in den ständigen Ausschüssen
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zum Bundesverfassungsgericht der Wahlmännerausschuß34 sowie bei der Zustimmung zur Freigabe gesperrter Mittel durch den Bundesminister der Finanzen der Haushaltsausschuß35; mitunter - beispielsweise in Berlin können über Petitionen die Petitionsausschüsse selbst entscheiden36 . In allen diesen Fällen entsteht die Frage nach der Funktionalität oder Dysfunktionalität der übertragung von Entscheidungsbefugnissen auf Ausschüsse, die ihrerseits eine Reihe von topoi aufweist, welche als solche für die Ausfüllung der insoweit bestehenden Regelungslücken in den Geschäftsordnungen relevant werden. In der Rechtslehre ist vorgebracht worden, die Ausschüsse könnten nicht an die Stelle des Plenums treten; vielmehr beziehe sich ihre Arbeitswirkung grundsätzlich auf das Parlament, dem sie intern Hilfestellung leisteten37 ; die U Stejjani, S. 38, zählt den Wahlmännerausschuß nicht zu den ständigen Ausschüssen, weil er - aus den dargelegten Gründen zu Unrecht - von der Prämisse ausgeht, daß diese keine Entscheidungsaufgaben wahrnehmen dürften und überdies weisungsgebunden seien. 35 Ermächtigungen hierfür finden sich in den Haushaltsgesetzen, aber auch in Einzelplänen, vgl. hierzu Trossmann II, § 60 RdNr. 5.7. Zur Entscheidungskompetenz des Haushaltsausschusses GoUz, DÖV 65, 505 ff.; Loewenberg, S. 187 m. Anm. 30; Trossmann I, S. 153. S8 Zur Entscheidungsfunktion des Petitionsausschusses vorgesehen in Bayern (falls nicht auf Minderheitenantrag Beratung im Plenum verlangt wird: §§ 85, 87 BayGO), Betlin (ebenso: Art. 32 VI 1 BerlV, § 4 II BerIPetG), Nordrhein-Westfalen (§ 100 II NWGO), Rheinland-Pfalz (§ 104 RhPfGO) , während im Saarland und in Schleswig-Holstein die Beschlüsse der Petitionsausschüsse durch den Landtag zu bestätigen sind -, wobei zumindest in Berlin die Entscheidungsfunktion des Petitionsausschusses die Regel ist: Mielke, Reform des Petitionswesens in den Bundesländern, ZParl. 2 (1971), 419 (422). Sofern der Petitionsausschuß selbst entscheidet, richtet sich der Anspruch des Petenten auf Bescheidung (BVerfGE 2, 225 [230]; 13, 54 [90]; BVerwGE 7,180 [187]; Frost, AöR 95 [1970],79) gegen ihn. S7 Ebenso Trossmann II, § 60 RdNr. 4. Besonders deutlich ferner Berg, Zur übertragung von Aufgaben des Bundestages auf Ausschüsse, Staat 9 (1970), 21 (34), der hieraus zwei Prinzipien ableitet: "a) Das Plenum ist allein zuständig in allen politisch wesentlichen Punkten; diese sind im Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln; dabei sind insbes. die Verfassungsentscheidungen für oder gegen übertragungen zur Zusammensetzung und Wirkung des Plenums ete. zu berücksichtigen. b) Wenn die Auslegung im Einzelfall nicht zu einem übertragungsverbot führt, dann kann der Bundestag Aufgaben auf Hilfsorgane weiterübertragen. Er muß die übertragung jedoch stets auf der Stufe vornehmen, die seine Rechte möglichst wenig vermindert und die Rechte anderer überhaupt nicht verletzt." Anhand dieser Kriterien bejaht Berg die Zulässigkeit der übertragung von Immunitätsentscheidungen auf den für Immunitätsangelegenheiten zuständigen Ausschuß - bei der das Parlament im Innenbereich bleibt -, und verneint er demgegenüber diejenige zur Wahl von Richtern des Bundesverfassungsgerichts durch den Wahlmännerausschuß (§ 6 BVerfGG) sowie zur Mitentscheidung beim Haushaltsvollzug (dazu Trossmann I, S. 154). - Vgl. hierzu auch Steiger, S. 133 ff., sowie zu speziellen Fragen in diesem Zusammenhang Kreuzer, Zuständigkeitsübertragungen bei Verfassungsrichterwahlen und Immunitätsentscheidungen des Deutschen Bundestags, Staat 7 (1968), 183 (der beide für verfassungswidrig hält).
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3. Teil: Das Verfahren in den Ausschüssen
Außenwirkung ihrer Tätigkeit3B sei dagegen dysfunktional. Die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Delegation von Aufgaben auf Ausschüsse beurteilt sich dabei weniger nach dem "Gewaltenteilungsprinzip"39 als nach der Delegationsbefugnis: Die Verfassungen pflegen die Übertragung von Aufgaben des Plenums auf Ausschüsse ausdrücklich weder zu erlauben noch zu verbieten; nur in einigen Fällen ergibt sich aus ihnen mittelbar ein Delegationsverbot40 • Mit dem mitunter vorgebrachten Argument, nur das Parlament als Ganzes repräsentiere das Volk, ist wenig auszurichten. Da nach traditioneller und noch heute gültiger Vorstellung des Parlamentarismus jeder einzelne Abgeordnete das gesamte Volk repräsentiert4t, kommt es nicht darauf an, ob seine Meinungsäußerung in der Vollversammlung oder in einem Ausschuß erfolgt. Gleichwohl kann nicht in allen jenen Fällen, in denen nicht ausdrücklich die Kompetenz des Plenums vorgesehen ist - da die Verfassung im allgemeinen dieses meint, wenn sie vom Parlament spricht42 , gilt dies beispielsweise für das Mißtrauensvotum, die Wahl des Regierungschefs, die Bildung von Hilfsorganen, nach mitunter 38 Beispiele für solche Außenwirkung bei Trossmann II, § 60 RdNr. 5: Herbeirufungsbefugnis nach Art. 43 I GG, Ausübung der Rechte eines Untersuchungsausschusses durch den Verteidigungsausschuß gemäß Art. 45 all GG, der Petitionsausschüsse nach den Petitionsgesetzen, der Wahlprüfungsausschüsse nach den Wahlprüfungsgesetzen und der Haushaltsausschüsse nach den Haushaltsgesetzen. - Sofern solche Befugnisse in Normen mit Außenwirkung' (Verfassung, Gesetz), statt in der Geschäftsordnung begründet sind, ist von der Rechtsquelle her hiergegen nichts einzuwenden. 38 Dieser Grundsatz wird zu Unrecht von Kewenig, Staatsrechtliche Probleme parlamentarischer Mitregierung am Beispiel der Arbeit der Bundestagsausschüsse, Bad Homburg v. d. H - Berlin - Zürich 1970, S. 16 ff., in den Vordergrund gestellt. Ihm ist entgegenzuhalten, daß die parlamentarische Kontrolle der Regierung als solche ein Problem der Funktionentrennung ist, die Tätigkeit der Ausschüsse anstelle des Plenums dagegen insoweit keine zusätzliche Fragen aufwirft. Die Großzügigkeit, mit der Kewenig mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der Funktionentrennung umgeht, das er S. 23 zu einem "selbstgenügsamen Konstruktivismus" abwertet, gibt im übrigen zu verfassungsrechtlichen Bedenken Anlaß. 40 Dies gilt hinsichtlich aller Aufgaben, deren Erfüllung von der Mehrheit der Mitglieder des Parlaments abhängt (z. B. hinsichtlich der Wahl des Bundeskanzlers durch den Bundestag, Art. 63 H 1 GG), ebenso Kewenig, S.45. 41 Die Diskreditierung dieses Grundsatzes als liberalistisch ist zwar beliebt (vgl. z. B. Kewenig, S. 48), ändert jedoch an der ihm noch immer entsprechenden Konzeption des Grundgesetzes nichts. 42 Nach Berg, Staat 9 (1970), 23, gilt dies uneingeschränkt, wobei sich von dieser Prämisse aus dann beispielsweise die Verfassungswidrigkeit des § 6 H, V BVerfGG, gemessen an Art. 94 I 2 GG, ergibt. Wie Berg wohl auch Jekewitz, Das Abgeordnetenmandat berührende richterliche Entscheidungen und parlamentarisches Wahlprüfungsrecht, DÖV 68, 537 (540); Maunz - Dürig - Herzog - Scholz, Art. 41 RdNr. 14, Art. 42 RdNr. 2, Art. 43 RdNr. 2. Richtiger dürfte es sein, eine differenzierende Betrachtungsweise anhand bestimmter Kriterien vorzunehmen, die als topoi für die Auslegung der jeweiligen Normen herangezogen werden können, in denen vom Parlament ("Bundestag"/"Landtag") die Rede ist.
I. Das Verfahren in den ständigen Ausschüssen
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vertretener Auffassung auch für die Gesetzgebung 43 - , der Umkehrschluß gezogen werden, im übrigen sei die Übertragung der Aufgaben der Vollversammlung auf Ausschüsse gestattet. Zu berücksichtigen ist vielmehr, daß sich das Plenum und die Ausschüsse in der Zusammensetzung, im Arbeitsziel, im Arbeitsverfahren und in der Arbeitsauswirkung erheblich voneinander unterscheiden44 , sodaß die funktionale Richtigkeit der Übertragung von Entscheidungsbefugnissen des Plenums in jedem einzelnen Fall anhand dieser Kriterien zu prüfen ist: In der Zusammensetzung entsprechen die Ausschüsse den politischen Kräfteverhältnissen des Plenums nur annähernd. Kleinere Fraktionen können einerseits überhaupt von ihnen ausgeschlossen sein, andererseits sogar ein überproportionales Gewicht im Ausschuß haben; auch die Frage, welcher Partei der Ausschußvorsitzende angehört, ist bedeutsam. Jedenfalls aber müßten Ausschüsse eine bestimmte Mitgliederstärke haben, von der an sich in ihnen die politischen Kräfteverhältnisse des Plenums widerzuspiegeln vermögen. Reformvorschläge, die um der Entlastung der Vollversammlung willen die Verstärkung von Ausschußkompetenzen befürworten, müssen dies als Mindestvoraussetzung berücksichtigen. Hinsichtlich des Arbeitsziels ist zu beachten, daß das Plenum weitaus stärker als die Ausschüsse die Aufgabe hat, zum Kompromiß zwischen divergierenden Willensrichtungen zu kommen; hierin liegt nicht zuletzt seine Integrationsaufgabe. Mit dem Arbeitsziel korrelieren das Arbeitsverfahren und die Arbeitsauswirkung: Das Plenum tagt öffentlich, die Ausschüsse beraten dagegen im allgemeinen nichtöffentlich. Das wird deshalb weithin als sachgerecht angesehen, weil sich hierdurch die Möglichkeit ergibt, nicht sogleich ergebnisgerecht erwägen zu müssen, sondern ohne Gefahr einer Beunruhigung der Öffentlichkeit, ohne Rücksicht insbesondere auf politische Taktik oder Strategie, approximierend nachdenken zu können. Demnach können die Ausschüsse nicht ohne weiteres an die Stelle des Plenums treten; ihre Tätigkeit muß sich vielmehr grundsätzlich auf das Parlament selbst beziehen, das sie in der Erfüllung seiner Aufgaben unterstützen. Die Außenwirkung ihrer Tätigkeit wäre demgegenüber - zumindest ohne normmäßige Veränderung der zuvorgenannten Daten -, von den zuvor genannten Ausnahmen abgesehen, dysfunktionaL 43 Während die Verfassungen selbst keine Kataloge übertragbarer und unübertragbarer Aufgaben aufgestellt haben, findet sich eine entsprechende Aufstellung bei Berg, staat 9 (1970), 25 f. (4 So aber Berg, Staat 9 (1970), 27 ff., und ihm folgend Ossenbühl, Welche normativen Anforderungen stellt der Verfassungsgrundsatz des demokratischen Rechtsstaats an eine planende staatliche Tätigkeit, dargestellt am Beispiel der Entwicklungsplanung?, in: Verhandlungen des 50. Deutschen Juristentages, Hamburg 1974, Bd. I/B, München 1974, S. B 103.
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Aus allem folgt, daß die übertragung von Entscheidungsaufgaben, also die Delegation von Plenarzuständigkeiten, nicht schlechthin verboten ist, sondern sich durch Auslegung jener verfassungsrechtlichen Vorschriften, die von der Kompetenz des Parlaments handeln, dann als erlaubt erweist, wenn ein demjenigen vor der Vollversammlung möglichst ähnelndes Verfahren garantiert ist und sich die Entscheidungskompetenz eines Ausschusses derjenigen des Plenums als überlegen erweist, ohne dabei jedoch die parlamentarische Repräsentanz wesentlich zu verkürzen. Hier kann nur die für jeden Einzelfall erforderliche Abwägung der unterschiedlichen und teilweise gegenläufigen topoi zur Klärung führen. b) Beauftragung und Selbstbefassung
Die Ausschüsse werden in aller Regel 46 aufgrund eines gemäß Geschäftsordnungsantrag - möglicherweise ohne auf der Tagesordnung zu stehen, durch interfraktionellen Sammelantrag46 - erteilten Auftrags des Plenums tätig, die ihnen übertragenen Aufgaben zu erledigen47 • Eine überweisung unmittelbar an Unterausschüsse findet nicht statt48 • Die Ausschüsse haben nur die sich auf die überwiesenen Vorlagen und Anträge beziehenden oder - falls zu diesen Empfehlungen notwendig werden - mit solchen in unmittelbarem Sachzusammenhang stehenden Fragen zu behandeln49 - eine Einschränkung, die des45 Ausnahmsweise kann insbesondere der Verteidigungsausschuß des Bundestags nach eigenem Ermessen tätig werden (als verfassungsrechtlich geregelter Ausschuß unterliegt er nicht geschäftsordnungsmäßigen Beschränkungen). Vgl. dazu Kewenig, S. 13 (der S. 30 zutreffend hervorhebt, daß sich dies allerdings noch nicht per argumentum a maiore ad minus aus der Befugnis ergibt, die Rechte eines Untersuchungsausschusses wahrzunehmen [mißverständlich: sich als Untersuchungsausschuß zu "konstituieren"]); Loewenberg, Parlamentarismus im politischen System der Bundesrepublik Deutschland, Tübingen 1969, S. 186. Ähnlich steht dem Geschäftsordnungsausschuß ein beschränktes Initiativrecht bezüglich seines Geschäftsbereichs (Anregungen zur Geschäftsordnung) zu, Frost, AöR 95 (1970), 81. Ohne besonderen Antrag überweist der Parlamentspräsident Haushalts- und Finanzvorlagen sowie Petitionen den zuständigen Ausschüssen, Trossmann I, S. 35 f. 40 Trossmann I, S. 35. Zum Begriff des Sammelantrags der übrigens voraussetzt, daß nicht ein Antragsteller widerspricht - ders., S. 220 f. 47 Die These von Loewenberg, S. 184, die Geschäftsordnung sehe mitunter (bezüglich Finanzvorlagen, Petitionen, Immunitätsangelegenheiten) eine "automatische Überweisung" an die Ausschüsse vor, ist mißverständlich. Auch hier bedarf es eines Überweisungsbeschlusses oder der überweisung durch den Parlamentspräsidenten (vgl. §§ 96 II, 112 I 2, 114 I GOBT). Freilich werden zumindest im Bundestag alle Gesetzentwürfe und Anträge mit Auswirkung auf den Haushalt dem Haushaltsausschuß, solche mit Verfassungsänderungen federführend dem Rechtsausschuß überwiesen, Schäfer,
S.115. 48
Trossmann I, S. 35.
Dasselbe galt schon für den Reichstag nach der RV 1871, wurde aber nicht strikt durchgehalten, so unter Anführung von Beispielen Hatschek, Das Parlamentsrecht des Deutschen Reiches, Berlin - Leipzig 1915, S. 242. - Letzt49
I. Das Verfahren in den ständigen Ausschüssen
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halb gemacht wurde, weil sich in der Parlamentspraxis herausstellte, daß Ausschüsse mitunter nicht überwiesene oder innerhalb überwiesener sachfremde Gegenstände zur Änderung empfohlen haben, wodurch sowohl die Befugnis der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe als auch diejenige anderer Ausschüsse verkürzt werden konnten50 • Die Ausschüsse können aber auch von sich aus andere Gegenstände aus ihrem Geschäftsbereich beraten, doch sind insoweit keine Empfehlungen an die Vollversammlung zulässig. Schließlich ist mitunter vorgesehen, daß ihnen weitergehende Befugnisse durch Verfassung, Gesetz, Geschäftsordnung oder Beschluß übertragen werden können51 • Ohne besonderen Auftrag kann mitunter der zuständige Ausschuß Fragen der Geschäftsordnung behandeln und dem Parlament Vorschläge machen52 • Mit inhaltlichen Weisungen darf die überweisung nicht verbunden werden, da solche der Ausschußautonomie widerstritten53• Das Recht der Gesetzesinitiative steht den Ausschüssen nicht ZUM; dieses ist vielmehr verfassungsrechtlich abschließend geregelt. Das soll nach mitunter vertretener Auffassung nicht ausschließen, daß der Bundestag einen Ausschuß beauftragt, einen Gesetzentwurf auszuarbeiten55 , der sodann von einem der möglichen Gesetzesinitiatoren im Parlament eingebracht wird. Hiergegen bestehen indessen Bedenken: Der Bundestag kann einem Ausschuß nicht mehr Befugnisse übertragen, als ihm selbst zustehen. Er kann daher keinesfalls einen Ausschuß beauftragen, einen Gesetzentwurf vorzubereiten, der von der Bundesregierung lich geht die Regelung auf Verfahrensregeln in der Nationalversammlung von 1848 zurück, die ihrerseits an das englische Parlamentsrecht anknüpfen, Dechamps, Macht und Arbeit der Ausschüsse, MeisenheimJGlan 1954, S. 57; LoewenbeTg, S. 183. so TTossmann II, § 60 RdNr. 7.2., unter Bezugnahme auf BT-Dr. V/4373. 51 §§ 60 II GOBT, 26 I BWGO, 21 I, V BerIGO, 18 IV HessGO, 12 I NdsGO, 26 I, III NWGO, 79 I, 11 RhPfGO, 14 I SGO, 13 I SHGO. In Hamburg können sich die Ausschüsse nach Zustimmung der Bürgerschaft (PlPr. VII/91, S. 4984) zu dem Bericht des Verfassungsausschusses über die "Behandlung nicht überwiesener Angelegenheiten in Ausschüssen" (Dr. VII/2877) auch ohne ausdrückliche Regelung in der Geschäftsordnung mit solchen Gegenständen befassen, die ihnen vom Ältestenrat oder aufgrund einer Abstimmung zwischen den Fraktionsvorsitzenden mit dem Präsidenten der Bürgerschaft überwiesen worden sind, sie haben auch für diese Angelegenheiten ein unmittelbares Berichtsrecht an das Plenum. Vgl. dazu R. Hoffmann, Zentralisiertes Selbstbefassungsrecht der Parlamentsausschüsse in Hamburg, ZParl. 4 (1973), 467. 52 §§ 26 IV BWGO, 21 V BerlGO. 53 So auch TTossmann I, S. 37. 54 So ausdrücklich §§ 25 BayGO, 63 V BremGO, für den Bundestag ebenso TTossmann 11, § 60 RdNr. 7.4. 55 So TTossmann 11, § 60 RdNr. 7, unter Hinweis auf einen entsprechenden - allerdings an einen Sonderausschuß - gerichteten Antrag, BT-Dr. 7/4333.
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3. Teil: Das Verfahren in den Ausschüssen
oder vom Bundesrat eingebracht wird - Ausschüsse sind nicht wissenschaftliche Dienste dieser Organe56 - , und selbst wenn der Auftrag aus der Mitte des Bundestags kommt, gilt nichts anderes, da der Ausschuß auch nicht für eine Fraktion oder Abgeordnetengruppe entsprechende Rechte wahrnehmen kann, der Bundestag als solcher aber kein eigenes Initiativrecht besitzt - er ist nicht gleichzeitig Initiator und Adressat der Gesetzesinitiative57 • Hinsichtlich Verordnungen ist im übrigen zu beachten, daß Verordnungsgebung nur delegierte Normsetzung ist. Der Gesetzgeber kann infolgedessen in der Ermächtigung zur Verordnungsgebung auch festlegen, daß er von dieser unterrichtet wird; unabhängig hiervon kann ein Ausschuß aber auch ein Unterrichtungsrecht - in den Grenzen der Erforderlichkeit, Verhältnismäßigkeit, Zumutbarkeit geltend machen58 • Die Unterausschüsse bereiten ihrerseits auf Überweisung eines Gegenstands durch den Ausschuß dessen Beratungen und Beschlüsse vor 59 • 3. Die Ausgestaltung des Verfahrens
Das Verfahren der Ausschüsse, deren Arbeit das "Herzstück der parlamentarischen Tätigkeit" bildet60 , ist in den Geschäftsordnungen - zumeist unter ergänzender Heranziehung der für das Verfahren in der Vollversammlung bestehenden Bestimmungen - in unterschiedlicher Intensität geregelt; für einige Ausschüsse gibt es zusätzliche Sonderregelungen, beispielsweise in den Gesetzen über die Petitionsausschüsse 6!. Insgesamt läßt sich folgendes herausstellen 62 : 56 Abweichend hiervon bestimmen lediglich §§ 79 III RhPfGO, 13 I SHGO, daß die Ausschüsse sich auch mit Angelegenheiten ihres Aufgabenbereichs befassen können, mit denen die Landesregierung (in Rheinland-Pfalz: oder der zuständige Minister) an sie herantritt. 57 Ebenso Maunz - Dürig - Herzog - Scholz, Art. 76 RdNr. 14. 58 Ebenso Kremer, Zum Recht eines Bundestagsausschusses, über den Entwurf einer Rechtsverordnung unterrichtet zu werden, ZParl. 8 (1977), 11 (13 ff.). 59 So ausdrücklich § 12 II NdsGO. 60 Böhm, Der Arbeitsstil des Bundestages. Gedanken und Anregungen zur Tätigkeit der Ausschüsse, in: Die Neue Gesellschaft 11 (1964), 347 (347). 61 Das Verwaltungsverfahrensgesetz ist auf Parlamentsausschüsse nicht anwendbar. Entgegen Bäumter, Anwendbarkeit des Verwaltungsverfahrensgesetzes auf Verwaltung ausübende Parlamentsausschüsse, DVBl. 78, 291, der dies insoweit annimmt, wie Parlamentsausschüsse "bindende Vorentscheidungen für Verwaltungsbehörden treffen" (was für die Aufhebung des qualifizierten Sperrvermerks durch den Haushaltsausschuß gelten soll [295]), ergibt sich dies aus folgendem: Die These Bäumlers ist schon von seiner eigenen Prämisse aus, das Verfahren brauche nur final auf den Erlaß eines Verwaltungs akts gerichtet zu sein, unhaltbar. Die Aufhebung des Sperrvermerks ergeht nämlich nicht in einem als Einheit zu wertenden Verfahren,
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a) Vorbereitung der Ausschußsitzung Die Vorbereitung der Ausschußsitzung obliegt dem Ausschußvorsitzenden. Er bestimmt - falls der Ausschuß dies nicht auf der vorangegangenen Sitzung getan hat - Termin und Tagesordnung der Sitzung, sorgt für die erforderlichen Arbeitsunterlagen, lädt die Ausschußmitglieder - in der Regel schriftlich - ein63 • Er leitet die Sitzungen und verfügt über Ausschußassistenten und Ausschußsekretariat64 • b) Teilnahme an der Ausschußsitzung
Die Verpflichtung der Abgeordneten, an den Arbeiten des Parlaments teilzunehmen, erstreckt sich nicht nur auf das Plenum, sondern auch auf die Ausschüsse 65 • Mitunter ist ausdrücklich bestimmt, daß" die Ausschußmitglieder sich in eine Anwesenheitsliste eintragen. Der Ausschuß ist beschlußfähig, wenn mehr als die Hälfte seiner Mitglieder anwesend ist 66 • Die Beschlußfähigkeit kann durch jedes Mitglied bezweifelt werden67 • Hier wirkt sich das Prinzip aus, daß in der Parlamentsgeschäftsordnung statuierte Minderheitenrechte, sofern sie von einer Abgeordnetengruppe in Fraktionsmindeststärke oder in noch geringerer Stärke68 wahrgenommen werden können, im Ausschuß bereits von einem einzigen Abgeordneten ausgeübt werden können69 • an dessen Ende der Erlaß eines Verwaltungs akts steht. Auch unter dem funktionalen Behördenbegr:iff des Verwaltungsverfahrensrechts (§ 1 IV VwVfG) kann der Parlamentsausschuß noch nicht als eine Verwaltung ausübende Behörde begriffen werden, ihm fehlt vielmehr die insoweit erforderliche organisatorische Selbständigkeit (BVerfGE 10, 20 [48]; OVG Münster, NJW 67, 949; Erichsen - Martens, Das Verwaltungshandeln, in: Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Auf!., Berlin - New York 1978, § 11 II 2, S. 242 f.; Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz, München 1976, § 1 Anm. 5; Wolff - Bachof, Verwaltungsrecht II, 4. Aufl., München 1976, § 76 I d, S. 83). - Das ändert im übrigen nichts daran, daß das Parlament als Ganzes mitunter als Behörde erscheint (z. B., wenn es die Genehmigung für die Strafverfolgung von Abgeordneten erteilt, ebenso Erichsen - Martens, § 11 II 2, S. 142). 62 s. zum folgenden Trossmann II, § 71 RdNr. 2 ff. S3 SO ausdrücklich §§ 35 BayGO, 25 III BerIGO, 65 I HambGO, 18 II HessGO, 92 I NdsGO, 28 I NWGO, 84 I, II RhPfGO, 15 I, 16 SGO, 14 SHGO. Vgl. auch Schäfer, S. 111. 64 Vgl. Loewenberg, S. 188; Steffani, Ausschußvorsitzender, in: RöhringSontheimer, S. 42 (43); Steiger, S. 129. M Ausdrücklich wird die Anwesenheitsverpflichtung in den Ausschußsitzungen nochmals in § 64 II HambGO herausgestellt. S6 SO ausdrücklich §§ 24 I BWGO, 26 I BerIGO, 67 BremGO, 64 III HambGO, 18 II 4 HessGO, 81 RhPfGO, 17 SGO, 17 SHGO. 67 Ebenso Trossmann H, § 71 RdNr. 4. S8 § 49 II GOBT: 5 anwesende Mitglieder. S9 Sofern sich Minderheitenrechte aus entsprechender Anwendung der Parlamentsgeschäftsordnung ergeben, kann im Ausschuß ein in der Vollversammlung vorgesehenes Recht einer Abgeordnetengruppe in Fraktionsmindeststärke oder darunter schon durch einen einzigen Abgeordneten allein
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3. Teil: Das Verfahren in den Ausschüssen
c) Bestellung der Berichterstatter
In den Ausschüssen benennt der Vorsitzende vorbehaltlich der Entscheidung des Ausschusses für die einzelnen Beratungsgegenstände einen oder mehrere Berichterstatter7o ; im Bundestag ist die Bestellung von zwei Berichterstattern die Regel, von denen der eine von der Mehrheit, der andere von der Minderheit gestellt wird. Mitunter wird die Auffassung vertreten, daß bei der Beratung von Regierungsvorlagen der Berichterstatter der Opposition, der Mitberichterstatter der/ den Mehrheitspartei(en) angehören solle71 • Ob die parlamentarische Kontrolleffizienz hierdurch vergrößert werden kann, muß bezweifelt werden, da der Bericht des Ausschusses als Ganzer dem Plenum zugeht, wenn auch möglicherweise mit der Ergänzung um einen Minderheitsbericht. Die Geschäftsordnungen sagen über die erforderliche Zahl von Berichterstattern in den Ausschüssen und ihr Verhältnis zueinander im übrigen im allgemeinen nichts aus; mitunter ist allerdings bestimmt, daß der Berichterstatter bei selbständigen Anträgen nicht derselben Fraktion wie der oder die Antragsteller gehören soll, mitunter ist gerade das Umgekehrte vorgesehen72 • Die Berichterstatter in den Ausschüssen werden üblicherweise auch als solche für das Plenum bestimmt, doch ist dies nicht vorgeschrieben73 , sondern unterliegt dies der Ausschußautonomie. d) Beratung
Der Vorsitzende eröffnet über jeden Gegenstand die Aussprache. Er erklärt sie für geschlossen, sobald die Rednerliste erschöpft ist oder sich niemand mehr zum Wort meldet. Ohne Worterteilung durch den Vorsitzenden darf kein Ausschußmitglied sprechen, die Worterteilung erfolgt in der Reihenfolge der Wortmeldungen. Zur Geschäftsordnung wird das Wort nur nach Ermessen des Vorsitzenden erteilt, zur persönausgeübt werden; anderenfalls läge das Erfordernis der Gruppengröße im Ausschuß prozentual über demjenigen im Plenum, ebenso - mit Zahlenbeispielen - Trossmann II, § 71 RdNr. 3.2. 70 §§ 70 GOBT, 27 I BWGO, 40 I BayGO, 27 I BerlGO, 72 I HambGO, 19 I HessGO, 80 I RhPfGO, 19 I SGO, 18 I SHGO. Vgl. dazu Frost, AöR 95 (1970), 60. - Im Haushaltsausschuß des Bundestags werden Berichterstatter für jeden Einzelplan des Bundeshaushalts bestellt, die in gemeinsamen Sitzungen ("Berichterstatterbesprechungen die Sitzungen des Haushaltsausschusses auf ihrem Fachgebiet vorbereiten; das Ergebnis der Berichterstatterbesprechungen wird in Berichterstattervorschlägen niedergelegt, die dem Haushaltsausschuß als Beratungsgrundlage für jeden Einzelplan dienen, dazu Bussmann, Haushaltsausschuß, in: Bundestag von a - z, Nr. 7, hrsg. Deutscher Bundestag, Presse- und Informationszentrum, Bonn o. J., S. 1 f. 71 Trossmann II, § 70 RdNr. 1. 72 Vgl. einerseits § 27 I 2 BWGO, andererseits § 40 I BayGO. 73 Trossmann II, § 70 RdNr. 4. U)
I. Das Verfahren in den ständigen Ausschüssen
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lichen Bemerkung erst nach Schluß oder Vertagung der Beratung. Zur tatsächlichen und persönlichen Erklärung kann der Vorsitzende das Wort auch außerhalb der Tagesordnung erteilen. Auch in den Ausschüssen sprechen die Redner grundsätzlich in freiem Vortrag, dürfen jedoch Aufzeichnungen benutzen; nur ausnahmsweise gestattet der Vorsitzende die Verlesung vorbereiteter Reden. Ihm stehen ferner Sach- und Ordnungsruf zu Gebote 74 • Auch zur Unterbrechung der Sitzung bei störender Unruhe sowie zu Maßnahmen des Hausrechts ist er befugt. e) Abstimmung
Abstimmungen erfolgen in den Ausschüssen formlos. Für das Abstimmungsergebnis ist die Mehrheit der abgegebenen Stimmen, also Abstimmungs-, nicht Mitgliedermehrheit, entscheidend75 • Der Grundsatz der "Unverrückbarkeit" von Beschlüssen76 , hinsichtlich deren bereits ein verkündetes Abstimmungsergebnis vorliegt, gilt auch für die Ausschüsse. Mithin kann eine Abstimmung nicht wiederholt werden, weil hiervon ein anderes Ergebnis erwartet wird. Die Wiederaufnahme der Beratung mit nochmaliger Abstimmung ist nur möglich bei erneuter Verfahrensinitiative - insbesondere durch erneute Überweisung der Angelegenheit durch das Parlament -, die Wiederholung der Abstimmung als solche nur, wenn das Abstimmungsergebnis nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist - beispielsweise bei feststehender Beschlußunfähigkeit oder Stimmabgabe nicht stimmberechtigter Abgeordneter77 - oder bei Irrtum in der Sache; nicht aber im Verhalten78 •
74 A. M. bezüglich des Ordnungsrufs und schärferer Mittel Bernzen, Rechtliche Stellung des Vorsitzenden eines parlamentarischen Ausschusses, ZParl. 8 (1977), 36 (40 mit der Begründung, die Debatte in einem kleineren Gremium, wie einem Ausschuß, verlaufe ruhiger); Steffani, Ausschußvorsitzender, in: Röhring - Sontheimer, S. 42 (ohne Begründung), sowie Trossmann II, § 71 RdNr. 3.2 i. V. m. 2.5, der dies daraus schließt, daß die Geschäftsordnung des Bundestags für Ausschüsse nur bezüglich der Beratung und Beschlußfassung gilt. Wieso indessen nicht auch bei der Beratung Vorfälle eintreten können, die den Ordnungsruf gebieten, ist nicht ersichtlich. Wenn der Ausschußvorsitzende zu schärferen Mitteln nicht zu greifen braucht, besagt dies noch nicht, daß er dies nicht tun darf; allenfalls mag der Aspekt der Verhältnismäßigkeit zu einer anderen Beurteilung führen als im Plenum. Im Ergebnis wie hier wohl auch Ophoff, § 25 Anm. l. 75 So ausdrücklich §§ 24 II BWGO, 26 I BerlGO. 76 s. dazu o. Zweiter Teil III 4. 77 Stimmberechtigt sind im allgemeinen nur die Ausschußmitglieder und ihre gewählten Stellvertreter. Dagegen ist es - zumindest im Bundestag nicht möglich, daß sich Ausschußmitglieder von anderen Abgeordneten derselben Fraktion vertreten lassen, ebenso Trossmann II, § 71 RdNr. 9. Ausdrücklich anders jedoch §§ 30 I BayGO, 64 II HambGO, 16 II HessGO.
11 Achterberg
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3. Teil: Das Verfahren in den Ausschüssen
f) Niederschrift und Protokoll Über die Ausschußsitzungen werden Niederschriften angefertigt, auf Beschluß des Ausschusses auch - im Gegensatz zur Niederschrift nicht der Information, sondern dem Beweis dienende und nicht die gesamten Ausführungen im einzelnen wiedergebende - Protokolle erstellt. Im Bundestag ist die Anfertigung eines Protokolls vorgeschrieben, hinsichtlich dessen Ausführlichkeit dem Ausschußvorsitzenden ein Ermessensspielraum zusteht; auch als Kurzprotokoll muß es jedoch alle Anträge und Beschlüsse enthalten79 •
g) Herbeirufung und Auskunfterteilung Die Ausschüsse besitzen ferner bereits auf Antrag eines einzigen Ausschußmitglieds80 - und zwar auch, wenn sie sich nicht mit Angelegenheiten befassen, die ihnen vom Plenum überwiesen sind, sondern mit solchen, die sie im Rahmen ihres Geschäftsbereichs selbst aufgegriffen haben - das Recht zur Herbeirufung eines Regierungsmitglieds81 • Diese - sowie im Bundestag auch Mitglieder des Bundesrats - sowie ihre Beauftragten haben zu allen Sitzungen der Ausschüsse, und zwar auch der geschlossenen, Zutritt82 und müssen jederzeit gehört werden; in einigen Parlamenten ist ausdrücklich vorgesehen, daß Einladungen zu den Ausschußsitzungen ergehen müssen. Soweit die einschlägigen Verfassungsvorschriften durch entsprechende Geschäftsordnungsbestimmungen wiederholt werden83 , kommt diesen nur dekla78 Hierzu Trossmann II, § 71 RdNr. 6, sowie Anh. A zu § 54 RdNr. A 1, 12.2,14. 79 Vgl. §§ 73 a GOBT, 25 BWGO, 34 BayGO, 26 VII BerlGO, 65 II HambGO, 18 VII HessGO, 95 NdsGO, 84 VI RhPfGO, 20 SGO, 19 SHGO. 80 Da die Geschäftsordnungen insoweit keine Vorschriften enthalten, besteht auch hier ein Minderheitenrecht, das aber trotz entsprechender Anwendbarkeit der für die Vollversammlung bestehenden Bestimmungen nicht an die Voraussetzungen des Antragsrechts im Plenum gebunden sein kann (z. B. Antrag eines Abgeordneten mit Unterstützung von so vielen Mitglieder, wie sie der Fraktionsstärke entsprechen, § 46 GOBT). Deshalb ist hier bereits ein einziges Ausschußmitglied als Antragsteller ausreichend, Trossmann I, S. 32. 81 So auch Steiger, S. 132, der hierfür einen Fall aus der Parlamentspraxis erwähnt, in dem es insoweit einmal zu Differenzen gekommen ist. 82 Dies wird für die geheime Schlußberatung des Wahlprüfungsausschusses (§ 10 BWahlprüfG) mitunter verneint, doch ist Art. 43 II GG nicht durch einfaches Gesetz einschränkbar, vgl. dazu Frost, AöR 95 (1970), 74; MaunzDürig - Herzog - Scholz, Art. 43 RdNr. 18 m. weit. Nachw. Anm. 5, 6, so daß - darin ist Frost zuzustimmen - sich eine entsprechende Zurückhaltung der Regierung als Akt politischer Courtoisie darstellt. 83 Art. 43 GG, 34 BWV, 24 BayV, 34 BerlV, 98 BremV, 23 HambV, 91 HessV, 10 NdsV (mit ausdrücklicher Ausnahme des Wahlprüfungsausschusses sowie des Wahlmännerausschusses zur Wahl der Mitglieder des Staatsgerichtshofs), 45 NWV, 89 RhPfV, 78 SV, 16 SHV( dort ist der Ministerpräsident von der
I. Das Verfahren in den ständigen Ausschüssen
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ratorische Bedeutung zu. Als Normen des parlamentarischen Innenrechtsverhältnisses84 vermögen sie im Inter-Organ-Verhältnis zwischen Parlament und Regierung keine Wirkung zu entfalten. Auch soweit wie mitunter der Fall - durch sie die Ordnungsgewalt des Ausschußvorsitzenden über die Mitglieder der Regierung und ihre Beauftragten statuiert ist, kann dies rechtswirksam nur verfassungsgesetzlich angeordnet sein. Die Pflicht zur Auskunfterteilung ist nur im Saarland ausdrücklich normiert85, sie wird aber auch sonst von einer verbreiteten Meinung aus der Herbeirufungsbefugnis gefolgert mit der Begründung, die Anwesenheit des herbeigerufenen Regierungsmitglieds in den Ausschüssen sei sinnlos, wenn es nicht auch "Rede und Antwort" zu stehen hätte88• Diese Argumentation ist indessen deshalb bedenklich87, weil immerhin auch schon die Anwesenheit als solche zum Zweck der Information des Regierungsmitglieds bedeutsam ist88• h) Anhörung
Dasselbe rechtstheoretische und rechtsdogmatische Problem wirft auch die in den Geschäftsordnungen vorgesehene Möglichkeit der Anhörung (des "Hearings") durch Ausschüsse auf. Die ständigen AusHerbeirufungsbefugnis der Ausschüsse ausgenommen). - s. ferner §§ 31, 31 a BWGO (dort erstreckt sich die Herbeirufungsbefugnis auch auf Rechnungshofsmitglieder: da eine entsprechende Verfassungsvorschrift fehlt, nach dem zuvor Gesagten mithin unverbindlich), 25 IV BerIGO, 65 IV HambGO, 23 HessGO (Auskunftsrecht der Ausschüsse: aus dem erwähnten Grund ebenfalls leerlaufend), 34 NWGO (ebenso), 82 VI RhPfGO, 18 I SGO, 15 IV, V SHGO. Vgl. hierzu auch Frost, AöR 95 (1970), 62. 84 Die Dichotomie "Außen"/"Innen" wird nur mit Vorbehalt gebraucht. Vgl. dazu Achterberg, Die Bedeutung des Rechtsverhältnisses für die Grundrechtssubjektivität von Organisationen, in: Gedächtnisschrift für Friedrich Klein, hrsg. Wilke - Weber, München 1977, S. 1 (27 ff.); ders., Rechtsverhältnisse als Strukturelemente der Rechtsordnung. Prolegomena zu einer Rechtsverhältnistheorie, Rechtstheorie 9 (1978), 386 (398 ff.). 85 Art. 78 SV. 86 SO Z. B. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, 14. Aufl., Berlin 1933, Art. 33 Anm. I, dem sich v. Mangoldt - Klein, Art. 43 Anm. III 2, anschließen, im Ergebnis ebenso Kröger, S. 142; MaunzDürig - Herzog - Scholz, Art. 43 RdNr. 8; Thaysen, ZParl. 5 (1974), 460. 87 s. Achterberg, Grundzüge, S. 61. 88 Zum Verlangen eines (Haushalts-)Ausschusses auf Aktenvorlage durch die Regierung in Hamburg (wo die Aktenvorlage in Art. 32 HambV ausdrücklich vorgesehen ist) VerfG Hamburg, DÖV 73, 745; wo sie nicht (verfassungs-)gesetzlich ermöglicht ist, besteht dagegen kein solcher Anspruch, Groß, Zur Aktenvorlagepflicht gegenüber Parlamenten sowie deren Ausschüssen und Mitgliedern, JR 66, 60. Bzgl. der Verwendung von Personalakten durch Untersuchungsausschüsse wird im übrigen die Einschränkung gemacht, daß dabei die Möglichkeit der Identifizierung des betreffenden Beamten zu verhindern ist, Thiele, Parlamentarische Untersuchungsausschüsse und Personalakten der Beamten, ZBR 55, 76.
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3. Teil: Das Verfahren in den Ausschüssen
schüsse haben das Recht, mitunter auf Minderheitenantrag auch die Pflicht, zur Information über einen Beratungsgegenstand öffentliche Anhörungen von Sachverständigen, Interessenvertretern und anderen Auskunftspersonen vorzunehmen. Bei der Berührung von wesentlichen Belangen der Gemeinden und Gemeindeverbände ist im Bundestag vorgesehen, daß den kommunalen Spitzenverbänden Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird. Der Ausschuß kann in eine allgemeine Aussprache mit Auskunftspersonen eintreten, aber auch einzelne seiner Mitglieder mit der Durchführung der Anhörung beauftragen89 • Soweit hierdurch nur Berechtigungen und Verpflichtungen des Ausschusses selbst begründet werden, kann dies in der Geschäftsordnung geschehen; Verpflichtungen Außenstehender können dagegen gleichfalls nicht begründet werden, da der Regelung durch Geschäftsordnung nicht nur Inter-Organ-Verhältnisse, sondern auch sonstige Rechtsverhältnisse zu Parlamentsexternen verschlossen sind. Das bei den Anhörungen eingeschlagene Verfahren ist unterschiedlich und unterliegt mitunter der Kritik: So wird empfohlen, anstelle von Kurzvorträgen, die auch schriftlich vorgelegt werden können, in einer Art Sachverständigenvernehmung zu versuchen, durch insistierende Fragen konkrete Antworten zu erhalten. Die Veröffentlichung der Hearings in den Ausschußprotokollen dient im übrigen zugleich der Unterrichtung der Öffentlichkeit und nimmt daher an der "informing" oder "teachingfunction" des Parlaments teil 90 • Die Zahl der Anhörungssitzungen und (im folgenden in Klammern) der in ihnen behandelten Themen ist im Verlauf der ersten sieben Wahlperioden des Bundestages deutlich gestiegen. Sie belief sich auf folgende Zahlen: 1. WP (1949 - 1953): 0 (0); 2. WP (1953 - 1957): 1 (1); 3. WP (1957 -1961): 1 (1); 4. WP (1961-1965): 6 (4); 5. WP (1965 -1969): 58 (28); 6. WP (1969 - 1972): 80 (48); 7. WP (1972 -1976): 76 (51)91. Hierin dürfte sich ein gesteigertes Partizipations- und Transparenzbewußtsein ausdrücken.
sv §§ 73 III - V GOBT, 32 II BWGO, 42 BayGO, 25 V 4 BerIGO, 68 HambGO, 21 II HessGO, 93 II NdsGO, 33 NWGO, 83 RhPfGO, 18 IV - VII SGO. Vgl. zum Thema Appoldt, Die Öffentlichen Anhörungen ("Hearings") des Deutschen Bundestages, Berlin 1971, S. 43 ff., 87 ff., 106, wo mit Recht der Charakter der Anhörung als Faktor der "Relationsverschiebung" von Plenum und Ausschüssen herausgestellt wird; v. Beyme, Hearing, in: Röhring - Sontheimer, S. 193; Frost, AöR 95 (1970), 63 f.; Loewenberg, S. 388 ff.; Schäfer, S.117. 90 Vgl. dazu Nahrendorf, Hearings im Deutschen Bundestag, in: Die Neue Gesellschaft 15 (1968), 254 (255 f.). 91 Nach Schindler, Parlamentsstatistik für die 1. bis 7. Wahlperiode, ZParl. 8 (1977), 143 (148). - Synopse der Regelungen über das öffentliche Anhörungsverfahren, ZParl. 6 (1975), 9 (zu 3).
I. Das Verfahren in den ständigen Ausschüssen
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i) Zusammenarbeit von Ausschüssen
Zu einer Zusammenarbeit von Ausschüssen kommt es, wenn Vorlagen oder Anträge an mehrere Ausschüsse überwiesen werden. Von diesen wird einer durch das Plenum, mitunter auch durch den Parlamentspräsidenten als federführend bestimmt; doch kann der federführende Ausschuß von sich aus weitere Ausschüsse um die Mitberatung ersuchen92 • Die Ausschüsse beraten gemeinsam - auch dann aber mit getrennter Abstimmung - oder getrennt. Im zweiten Fall legen mitberatende Ausschüsse dem federführenden Ausschuß ihre Stellungnahme innerhalb einer angemessenen Frist vor. Dem Plenum erstattet nur der federführende Ausschuß Bericht, falls keine Vereinbarung über die zuvor genannte Frist zustande kommt, möglicherweise auch ohne die Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses93 • Im übrigen gelten für die Berichterstattung keine Besonderheiten gegenüber dem üblichen Fall derjenigen aufgrund Beratung durch einen einzigen Ausschuß - in Bayern ist darüber hinaus vorgesehen, daß Ausschüsse zu gemeinschaftlichen informatorischen Sitzungen zusammentreten können 94 • 4. Der Abschluß des Verfahrens
Die Ausschußarbeit schließt mit der Berichterstattung an das Plenum. Die Ausschüsse haben eine innerhalb angemessener Zeit zu erfüllende Berichtspflicht, der sie sich nicht entziehen dürfen95 • Im Bundestag werden die Berichte über Gesetzentwürfe und Grundsatzfragen schriftlich, im übrigen mündlich erstattet; die schriftliche Berichterstattung ist jedoch tatsächlich zur Regel geworden96 • In den Landtagen erfolgt gleichfalls zumeist schriftliche Berichterstattung, doch kann der Ausschuß auch die mündliche beschließen; mitunter ist aber auch das Gegenteil vorgesehen97 • Im übrigen können die Vollversammlungen 92
93
Zum Begriff Trossmann I, S. 100. §§ 60 IV, V GOBT, 44 II, III BayGO (überweisung eines Antrags durch
den Landtagspräsidenten an die nach seiner Auffassung zuständigen Ausschüsse, wobei er zugleich die Reihenfolge der Bearbeitung festlegt), 32 II BerlGO (überweisung von Gesetzesvorlagen an mehrere Ausschüsse zur getrennten Beratung), 67 VIII HambGO, 18 VI HessGO, 27 NWGO, 59, 85 RhPfGO, 14 III SGO, 13 II SHGO. Vgl. auch noch Schäfer, S. 123. 9( § 45 BayGO. 95 BVerfGE 1, 144 (154); Steffani, in: Röhring - Sontheimer, S. 38; Trossmann I, S. 25. - Der Verstoß gegen die Verpflichtung zur alsbaldigen Berichterstattung bedeutet zugleich einen solchen gegen das Initiativrecht der Abgeordneten, die daher einen verfassungsgerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf eine Entscheidung des Parlaments haben. 98 Trossmann II, § 74 RdNr. 1. 97 Hierzu und zum folgenden §§ 74 GOBT, 27, 28 BWGO, 41 BayGO, 27 BerlGO, 72, 73 HambGO, 24 HessGO, 29 NWGO, 80 RhPfGO, 19 SGO, 18 SHGO. Vgl. zum Thema auch Schäfer, S. 113, 120, 124 (S. 124 ff. Beispiel eines schriftlichen Berichts [BT-Dr. IV/3508]).
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3. Teil: Das Verfahren in den Ausschüssen
neben oder anstatt mündlicher auch schriftliche Berichterstattung verlangen. Die Berichte müssen die Auffassung und den Antrag des (federführenden) Ausschusses enthalten; mitunter ist ausdrücklich vorgeschrieben, daß in sie auch die Ansicht der Minderheit im Ausschuß sowie gegebenenfalls diejenige eines mitbeteiligten Ausschusses aufzunehmen ist; haben öffentliche Informationssitzungen stattgefunden, so sollen die wesentlichen Ansichten der hierzu gehörten Personen wiedergegeben werden. Auch wo die Mitteilung der Auffassung der Minderheit nicht geschäftsordnungsmäßig vorgeschrieben ist, wird man dieses - als im Rahmen des Minderheitenschutzes liegend - zumindest als Erfordernis sowohl der Information gegenüber dem Plenum als auch der Rücksichtnahme gegenüber dem nicht notwendigerweise nur politisch, sondern denkmöglicherweise auch sachlich anders Denkenden für notwendig zu halten haben. Mit der Vorlage des - in neutralem, referierendem Stil zu haltenden, ausschließlich auf den Gegenstand der Ausschußberatung zu beschränkenden - Berichts ist den Anforderungen an die Berichterstattung gegenüber dem Plenum genügt, doch muß der Berichterstatter auf Verlangen noch ergänzende Erläuterungen machen; er muß auch von sich aus tätig werden, um zur Aufklärung von Mißverständnissen über den Inhalt des Berichts beizutragen98 • Möglich ist die Bestellung von mehreren (Teil)-Berichterstattern zu einzelnen Sachgebieten eines umfangreichen Komplexes" sowie diejenige eines Mehrheits- und eines Minderheitsberichterstatters, von denen sich aber auch dieser im Rahmen des Ausschußantrags zu halten hat und nur die abweichenden Argumente, nicht aber einen Alternativantrag vorzubringen hatl°o• Jeder Ausschußbericht muß mit einem Antrag schließen, also mit der Empfehlung bestimmter Beschlüsse an das Parlament; das Recht der Gesetzesinitiative steht dem Ausschuß dabei jedoch - wie bereits erwähnt - nicht zu. Bei überwiesenen Gesetzentwürfen, selbständigen Anträgen ohne Gesetzentwurf und Entschließungsanträgen101 kann der Ausschuß deren Annahme, Ablehnung oder Annahme gemäß den im Ausschuß gefaßten Beschlüssen empfehlen; im letzteren Fall kann ein Ausschußantrag einen völlig neuen, jedoch sich auf denselben Gegenstand beziehenden Entwurf enthalten102 • Mitunter ist schließlich vorTrossmann Ir, § 74 RdNr. 1. - Vgl. auch Loewenberg, S. 393. Dies geschieht beispielsweise bezüglich des Haushaltsplans, vgl. Schäfer, S.128. 100 Trossmann Ir, § 74 RdNr. 10. Im Reichstag nach der RV 1871 gab es noch keinen Minderheitsbericht, wenn er auch in der Rechtslehre für wünschenswert gehalten wurde, Hatschek, S. 232 f. 101 Zu den Begriffen "selbständiger Antrag" Trossmann I, S. 226 ff., "Entschließungsantrag" (zu dem auch der Antrag zu einer Großen Anfrage zählt, Trossmann I, S. 150) ders. I, S. 91 ff. 98
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I. Das Verfahren in den ständigen Ausschüssen
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gesehen, daß Antragsteller aus der Mitte des Parlaments nach Ablauf einer bestimmten Frist nach Überweisung des Beratungsgegenstands an den Ausschuß von dessen Vorsitzendem oder Berichterstatter einen Zwischenbericht über den Beratungsgegenstand verlangen können. Die Zahl der Ausschuß- und Unterausschußsitzungen ist im Bundestag während der ersten sieben Wahlperioden deutlich zurückgegangen. Sie betrug: 1. WP (1949 - 1953): 5111; 2. WP (1953 -1957): 4083; 3. WP (1957 -1961): 2435; 4. WP (1961-1965): 2863; 5. WP (1965 -1969): 2500; 6. WP (1969 - 1972): 1312; 7. WP (1972 -1976): 1973 103 . 5. Besondere Verfahrensregeln für ständige Ausschüsse
Besondere Verfahrensregeln bestehen insbesondere für die Petitionsausschüsse, die Wahlprüfungsausschüsse und die Wahlmännerausschüsse für die Wahl der Richter zu den Verfassungsgerichtshöfen.
a) Petitionsausschüsse Der Petitionsausschuß (mitunter: "Eingabenausschuß") bearbeitet als "soziales Frühwarnsystem"104 die ihm überwiesenen Petitionen und unterrichtet sich darüber hinaus über die Erledigung der den Fachausschüssen zugeleiteten Eingaben. Er berichtet dem Parlament über alle solche, die von ihm unabhängig von anderen Gegenständen bearbeitet werden, und empfiehlt der Vollversammlung zu jeder Petition einen bestimmten Beschluß. Sofern ein Petitionsausschuß nicht vorgesehen ist, werden die Eingaben durch den zuständigen Fachausschuß behandelt105 • Auch der Petitions ausschuß ist in der Regel nur zur Vorbereitung von Beschlüssen über Eingaben zuständig, die im allgemeinen das Plenum, nicht aber er selbst trifft106. Für denjenigen des Bundestags 102 Trossmann I, S. 27 ff. Besonderheiten bestehen für Gegenstände, deren Behandlung durch das Parlament beschränkt ist (insoweit können auch dem Ausschuß als dessen Organ keine weitergehenden Befugnisse zustehen): Bei Staatsverträgen kann der Ausschußantrag sich nicht auf den Inhalt beziehen, sondern nur auf das Mantelgesetz, bei der Zustimmung des Parlaments bedürftigen Rechtsverordnungen nur auf Erteilung oder Versagung der Zustimmung (zu einer abweichenden Praxis im Bundestag, die freilich eine entsprechende Bereitschaft der Bundesregierung erfordert, diese zu tolerieren: Trossmann I, S. 209 f.). 103 Schindler, ZParl. 8 (1977), 148. 104 Vgl. hierzu schon den Zwischenbericht der Enquete-Kommission Verfassungsreform BT-Dr. VI/3829 (= Fragen der Verfassungsreform, Zur Sache 1173, Bonn o. J., S. 45). 105 Vgl. hierzu Mielke, Länderparlamentarismus, Bonn 1971, S. 37, m. statistischen Angaben; Seidel, Das Petitionsrecht, Frankfurt/Main 1972, S. 30 m.Anm.29. 108 Etwas anderes gilt z. B. in Berlin: Nach Art. 32 IV 1 BerlV kann außer dem Parlament auch der Petitionsausschuß selbst entscheiden, falls nicht gemäß § 4 II BerlPetG auf Minderheitenantrag die Plenarentscheidung be-
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3. Teil: Das Verfahren in den Ausschüssen
ist überdies vorgesehen, daß dieser seine Befugnisse im Einzelfall auf eines oder mehrere seiner Mitglieder übertragen kann107, was der Effizienzsteigerung der Eingabenbearbeitung im Hinblick sowohl auf die Schnelligkeit als auch auf die Nutzbarkeit der besonderen Kenntnisse eines Abgeordneten über seinen Wahlkreis zur Folge haben kann. Diese Regelung bewirkt im übrigen, daß die Vorzüge eines monokratischen Organs, die mitunter in der Institution eines Parlamentsbeauftragten für den Bürgerschutz gesehen werden, auf diese Weise auch durch den Petitionsausschuß wahrgenommen werden können, so daß es der Einführung eines solchen Beauftragten auch nicht aus diesem Grunde bedarf108 • Im Bundestag läßt sich die Petitionsbehandlung in sieben Abschnitte unterteilen: Registrierung durch die Zentralstelle für Petitionen Eingangsbestätigung an den Petenten - Vorprüfung nach Form und Inhalt sowie hinsichtlich der Zuständigkeit des Bundestags - überweisung an den Petitionsausschuß oder den zuständigen Fachausschuß - überprüfung und Beratung in dem Ausschuß mit schriftlichem Bericht an das Plenum in Sammelübersichten - Beschluß des Plenums über die Erledigung - Mitteilung an den Petenten über die Art der ErledigungioD. Im einzelnen gilt folgendes: Nach überweisung an den schlossen wird. In der Praxis entscheidet zumeist der Ausschuß, Mielke, Reform des Petitionswesens in den Bundesländern, ZParl. 2 (1971), 419 (422). - Zur Entlastung des Plenums bleibt de lege ferenda freilich erwägenswert, ob nicht die Petitionsausschüsse generell zur Vorentscheidung ermächtigt werden sollten, die bei unterbleibendem Widerspruch als solche des ganzen Parlaments zu gelten hat. - Für eine Bescheidungskompetenz des Petitionsausschusses BK-Dagtoglou, Art. 17 RdNr. 93; Seidel, S. 79 (aus dem Grunde einer Dysfunktionalität der Ausschußentscheidung mit Außenwirkung allerdings bedenklich). - Synopse der Ermittlungsbefugnisse der Petitions ausschüsse, ZParl. 6 (1975), 9 (zu 1 a). 107 § 6 BPetAusschG, vgl. dazu Achterberg, Parlamentsreform Themen und Thesen, DÖV 75, 833 (839); Seidel, S. 72 f. (mit Vorbehalten im Hinblick auf die Gefahr, daß ein Abgeordneter aus solcher Tätigkeit politische Vorteile zieht). 108 Materialien zum Verhältnis Petitionsausschuß/Ombudsmann bei Banse, Chronik der Bestrebungen zu einer Reform des Petitionswesens im Deutschen Bundestag, ZParl. 4 (1973), 171; vgl. auch Giesing, DVBl. 69, 524 f. - Kritisch zur Möglichkeit der Ersetzung des "Bürgerbeauftragten" durch den Petitionsausschuß Vonderbeck, Zur Entwicklung des parlamentarischen Petitionsrechts von den Anfängen bis zur jüngsten Neuregelung für den Deutschen Bundestag, ZParl. 6 (1975), 178 (187). 109 Vgl. hierzu §§ 112, 113 GOBT sowie Pietzner, Petitionsausschuß und Plenum, Berlin 1974, S. 17. - Organisationsübersicht der Zentralstelle für Eingaben und Petitionen des Bundestags nach dem Stand vom 13.12.1976, in: Bitten und Beschwerden an den Bundestag (Il), Die Tätigkeit des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages in der zweiten Hälfte der 7. Wahlperiode (1975176), Zur Sache 3/77, hrsg. Deutscher Bundestag, Presse- und Informationszentrum, Bonn 1977, S. 102 (ebda. S. 18 ff. auch Angaben und Mitteilungen über die Zusammenarbeit des Petitionsausschusses mit den Bundesministerien, dem Wehrbeauftragten und verwandten Einrichtungen des In- und Auslands).
I. Das Verfahren in den ständigen Ausschüssen
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Petitionsausschuß, der die Registrierung der Petition in der Parlamentsverwaltung vorangeht - wobei zumindest im Bundestag schon eine Voruntersuchung auf Form, Inhalt und Erledigungsmöglichkeiten erfolgt - , wird die Eingabe in diesem erörtert. Dabei wird für jede Petition ein Berichterstatter bestellt. Dieser kann die Regierung um schriftliche Auskunft oder mündlichen Vortrag ersuchen llO • Das Ergebnis seiner Untersuchung faßt der Petitions ausschuß - falls er nicht selbst entscheidet - in einem als Antrag an das Parlament formulierten Beschluß zusammen, der in der Regel lautet, die Petition der Regierung zur Berücksichtigung, zur Erwägung, als Material oder zur Kenntnisnahme zu überweisen, sie durch den Beschluß über einen anderen Gegenstand für erledigt zu erklären, sie durch die Erklärung der Regierung als erledigt anuzsehen, über sie zur Tagesordnung überzugehen oder sie als ungeeignet zur Beratung im Parlament zu erklären ll1 • Im Bundestag werden diese Beschlüsse in einer Sammelübersicht vorgelegt; er pflegt den Anträgen üblicherweise summarisch zuzustimmen112 • Danach wird dem Petenten vom Büro des Parlamentspräsidenten der Bescheid zugestellt. Die Entscheidungskompetenz des Petitionsausschusses - wie sie in läßt sich als Delegation deuten - und zwar sowohl bei residualer Plenarzuständigkeit (also im Falle des Rückholrechts) als auch bei fiktiver Plenarkompetenz (also bei Behand-
Bayern vorgesehen ist113
110 Mit der (verfassungs-)gesetzlichen Regelung des Verfahrens vor den Petitions ausschüssen ist es möglich geworden, diese mit "parlamentsexternen" Rechten auszustatten und damit ihre Kontrollfunktion gegenüber der Regierung zu erhöhen. s. dazu Frost, AöR 95 (1970), 79 m. Anm. 249 a; vgl. ferner Giesing, Erweiterung der Rechte des Petitions ausschusses des Landtages von Nordrhein-Westfalen, DVBl. 69, 524 (525); Rohlf, Erweiterte Befugnisse für den Petitionsausschuß des Bundestages, JZ 76, 359 (368 Anm. 58 zustimmend zu meiner These, die Petitionsausschüsse sollten das Recht erhalten, sich als Untersuchungsausschüsse zu konstituieren: Achterberg, DÖV 75, 839). 111 So ausdrücklich die "Grundsätze des Petitionsrechts" (Empfehlungen der Konferenz der Präsidenten der deutschen Länderparlamente v. 24. 10. 1966, Nr. VIII [abgedr. in: Recht und Organisation der Parlamente, S. 092151]). 112 s. hierzu auch Frost, AöR 95 (1970), S. 78 f. Kritisch die Diagnose von Pietzner, S. 24: "Die Parlamentspraxis zeigt ... , daß eine echte Petitionsbehandlung vom Parlamentsplenum heute nicht mehr geleistet wird." Er knüpft hieran die Untersuchung von Abhilfemöglichkeiten dadurch, daß statt des "pauschalen Plenarverfahrens" aufgrund von Sammelübersichten ein "fiktives Plenarverfahren" dergestalt vorgesehen wird, daß die Vorentscheidung des Petitions ausschusses bei mangelndem Widerspruch als Entscheidung des Plenums gilt oder daß überhaupt die Entscheidungskompetenz bei dem Petitionsausschuß liegt. Er hebt dabei gegenüber dem Einwand, die Delegation der Entscheidungskompetenz auf den Ausschuß könne wegen dessen Organdiskontinuität nur für die jeweilige Wahlperiode gelten, zutreffend die Möglichkeit der Delegation durch Gesetz hervor. 113 Vgl. dazu § 85 BayGO und zu dessen Verfassungsmäßigkeit BayVerfGH, VGHE 10 II, 20 (25 f.).
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3. Teil: Das Verfahren in den Ausschüssen
lung der Ausschußentscheidung als Plenarentscheidung im Falle unterbleibenden Widerspruchs) als unechte (konservierende), andernfalls als echte (devolvierende) Delegation114. Gegen die übertragung der Entscheidungskompetenz auf den Petitionsausschuß wird man - und zwar selbst bei devolvierender Delegation - sowohl deshalb keine Bedenken zu tragen brauchen, weil es sich bei ihr um keine staatsleitende Befugnis handelt - die Parallele zu dem Erfordernis, die wichtigen Regelungsaufgaben dem Parlament, und zwar dem Plenum, vorzubehalten, ist dabei nicht nur zufällig - , als auch aus dem im Vergleich zum pauschalen Plenarverfahren ungeschmälerten Rechtsschutz der Petenten115 • b) Wahlprüfungsausschüsse
Der Wahlprüfungsausschuß116 bereitet die Wahlprüfungsentscheidung des Parlaments vor. Für den Wahlprüfungsausschuß des Bundestags, der aus sieben ordentlichen Mitgliedern sowie sieben Stellvertretern und je einem ständigen beratenden Mitglied der in ihm nicht durch ein ordentliches Mitglied vertretenen Fraktionen besteht und der bei Anwesenheit der Hälfte seiner Mitglieder beschlußfähig ist, bestehen folgende prozeßrechtsähnliche Verfahrensregelungen: Für jeden Einspruch, der ihm von dem Bundestagspräsidenten zu überweisen ist117, bestimmt der Vorsitzende einen Berichterstatter. Danach läuft das Verfahren in drei Abschnitten ab: der Vorprüfung, der mündlichen Verhandlung und der Schlußberatung. Gegenstand der nichtöffentlichen Vorprüfung sind die Untersuchung der Zulässigkeit des Einspruchs sowie die Vorbereitung des Verhandlungstermins dergestalt, daß in möglichst einem einzigen die Schlußentscheidung erfolgen kann. Im Rahmen der Vorprüfung kann der Ausschuß Auskünfte einholen und Zeugen sowie Sachverständige vernehmen und vereidigen lassen; Gerichte und Behörden haben ihm Rechts- und Amtshilfe zu leisten. Ergibt nicht bereits die Vorprüfung 114 Hierzu Triepel, Delegation und Mandat im öffentlichen Recht, Stuttgart Berlin 1942, S. 51 ff. Wie hier auch Pietzner, S. 56 ff. - Die Frage, ob es sich auch bei der Kompetenz zur Vorbereitung der Plenarentscheidung um eine solche kraft Delegation handelt (bejahend Pietzner, S. 65, verneinend Kreuzer, Staat 7 [1968], 188), mag auf sich beruhen. 115 Im Ergebnis ebenso Pietzner, S. 66 ff., 77, 81 ff., 87, 95 f., dessen Abstützung dieser These mit Art. 45 II GG allerdings nicht mehr tragfähig ist, seitdem diese Vorschrift durch Art. I Nr. 3 des Dreiunddreißigsten Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes v. 23.8. 1976 (BGBl. I 2381) aufgehoben ist. 118 Vgl. zum folgenden §§ 3 -13, 17 BWahlprüfG und dazu NohlenSchultze, Wahlprüfungsverfahren (-ausschuß), in: Röhring - Sontheimer, S. 517; Trossmann I, S. 288 ff. 117 Die Überweisung an einen anderen Ausschuß oder die Mitbeteiligung eines anderen Ausschusses ist unzulässig, Trossmann I, S. 290. Infolgedessen gibt es auch nicht die Möglichkeit, hiermit einen Untersuchungsausschuß im Rahmen einer "Wahlenquete" zu betrauen.
I. Das Verfahren in den ständigen Ausschüssen
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die Unzulässigkeit oder offensichtliche Unbegründetheit des Einspruchs, so wird - falls nicht alle Beteiligten hierauf verzichten - eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt118 , zu deren Beginn der Berichterstatter die Sachlage vorträgt und über das Ergebnis der Vorprüfung berichtet. Danach wird auf Verlangen dem Einspruchsführer, bei gemeinschaftlichem Einspruch dem Bevollmächtigten der Einspruchsführer, den sonstigen Verfahrensbeteiligten - nämlich dem Bundestagspräsidenten, dem Bundesminister des Innern, dem Bundeswahlleiter, dem zuständigen Landeswahlleiter sowie dem Sprecher der Fraktion, welcher der Abgeordnete angehört, dessen Wahl angefochten wird - sowie dem von der Wahlanfechtung betroffenen Abgeordneten selbst das Wort erteilt. - Über das Ergebnis der Verhandlung berät der Wahlprüfungsausschuß geheim; an der Schlußberatung können nur diejenigen ordentlichen und beratenden Mitglieder des Ausschusses oder ihre Stellvertreter teilnehmen, die der mündlichen Verhandlung beigewohnt haben119• In dem schriftlichen Ausschußbericht, der als Antrag dem Bundestag zuzuleiten ist, muß diesem eine Entscheidung vorgeschlagen werden, die sich über die Gültigkeit der Wahl und die sich aus einer Ungültigkeit ergebenden Folgen verhalten muß. Stimmt der Bundestag dem Antrag des Ausschusses nicht zu, so gilt er als an diesen zurückverwiesen, doch kann er auch durch besonderen Beschluß zurückverwiesen werden. Dabei kann der Bundestag dem Wahlprüfungsausschuß die Nachprüfung bestimmter tatsächlicher und rechtlicher Umstände aufgeben. Der Ausschuß hat dann nach erneuter mündlicher Verhandlung dem Bundestag einen neuen Antrag vorzulegen, der nur durch Annahme eines anderen schriftlich vorgelegten Entscheidungsvorschlags abgelehnt werden kann. über die Verhandlung des Wahlprüfungsausschusses wird eine Niederschrift angefertigt. In den Landtagen bestehen ähnliche Regelungen, sofern die Wahlprüfung nicht durch ein Wahlprüfungsgericht durchgeführt wird; mitunter ist in ihnen allerdings vorgesehen, daß der Wahlprüfungsausschuß nicht nur vorbereitende, sondern entscheidende Funktion hat120 • 118 § 172 GVG ist analog anwendbar, ebenso Trossmann I, S. 292. NohZen - SchuZtze, S. 518, teilen die Zahlen der während der ersten fünf Wahl-
perioden des Bundestags erhobenen Einsprüche und (im folgenden in Klammer) die Zahlen derjenigen mit, über die es nach der Vorprüfung noch zur mündlichen Verhandlung kam: 1. WP (1949): 57 (22); 2. WP (1953): 20 (8); 3. WP (1957): 12 (8); 4. WP (1961): 24 (18); 5. WP (1965): 39 (11). 119 Zu der umstrittenen Frage des Zutrittsrechts der Mitglieder der Regierung (im Bundestag auch: des Bundesrats) zu den Sitzungen des Wahlprüfungsausschusses, die sich auch für den Zutritt zum Wahlmännerausschuß und zu den Untersuchungsausschüssen stellt, s. u. II 3 b. 120 Zur Rechtslage bezüglich des Verfahrens der Wahlprüfungsausschüsse in den Ländern z. B. Landesgesetz über die Prüfung der Landtagswahlen und Volksentscheide in Rheinland-Pfalz (Landeswahlprüfungsgesetz -
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3. Teil: Das Verfahren in den Ausschüssen c) Wahlmännerausschüsse
Der Wahlmännerausschuß des Bundestags nimmt die Wahl der zur Hälfte vom Bundestag, zur Hälfte vom Bundesrat zu wählenden Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts vor121 • Jede Fraktion kann für die zu wählenden Wahlmänner einen Vorschlag einbringen, doch sind auch gemeinsame Listen mehrerer Fraktionen (Koalitions- und Oppositionsfraktionslisten) zulässig 122 • Gewählt sind die Mitglieder in der Reihenfolge, in der ihr Name auf dem Vorschlag erscheint. Scheidet ein Wahlmann - beispielsweise durch Verlust des Abgeordnetenmandats - aus oder ist er verhindert, so wird er durch den nächsten auf der Liste ersetzt. Der an Lebensjahren älteste Wahlmann beruft den Ausschuß ein123 und leitet die Sitzung, die bis zur Wahl aller Richter fortgesetzt wird. Die Mitglieder des Wahlmännerausschusses, der nichtöffentlich tagt und überdies ein geschlossener Ausschuß ist124 , sind zur Verschwiegenheit über die gepflogenen Erörterungen und die Abstimmungen verpflichtet125 • Der Wahlmännerausschuß kann Personen wählen, die auf den vom Bundesminister der Justiz geführten Listen der zur Wahl in Betracht kommenden Bundesrichter und von einer Fraktion des Bundestags, der Bundesregierung oder einer Landesregierung vorgeschlagenen Personen stehen; da die Listen nur Anhaltspunkte bilden sollen, kann er aber auch andere Personen wählen, muß jedoch berücksichtigen, daß in jedem der beiden Senate des Bundesverfassungsgerichts drei Richter aus der Zahl der Richter an den obersten Gerichtshöfen des Bundes zu wählen sind126 • Zur Wahl eines Richters ist erforderlich, daß LWPG) v. 24.2. 1975 (GVBl. 92), nach dem der Wahlprüfungsausschuß Entscheidungskompetenz besitzt. 121 Vgl. Art. 94 I 2 GG, §§ 2, 5 I 1, 6, 7 a, 8, 9 BVerfGG, 66 GOBT. s. dazu Billing, Das Problem der Richterwahl zum Bundesverfassungsgericht, Berlin 1969, passim; ders., Wahlmännerausschuß, in: Röhring-Sontheimer, S. 512; K. Ipsen, Die Richterwahl in Bund und Ländern, DÖV 71, 469; Kröger, Richterwahl, in: Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichts, Tübingen 1976, 1. Bd., S. 76; Trossmann I, S. 284 ff. 122 Nicht zulässig ist ein gemeinsamer Wahlvorschlag der Fraktionen, da die Verhältniswahl zumindest zwei Listen voraussetzt. Ebenso Billing, in: Röhring - Sontheimer, S. 512; Trossmann I, S. 285. 123 Auf die Möglichkeit des Vorsitzenden, durch Verzögerung oder Beschleunigung der Einberufung das Wahlergebnis zu beeinflussen, weist Bilring, in: Röhring - Sontheimer, S. 513, hin. 124 Nach Trossmann I, S. 287, besteht demgemäß auch kein Zutrittsrecht von Mitgliedern der Bundesregierung oder des Bundesrats. 125 Die Wahl erfolgt nach der Praxis des Bundestags mit verdeckten Stimmzetteln, Billing, in: Röhring - Sontheimer, S. 512. 121 Zu der hierdurch ausgelösten Problematik, daß dabei der Hälftigkeit der Wahl durch Bundestag und Bundesrat nicht hinreichend Rechnung getragen werden kann, Maunz - Schmidt-Bleibtreu - Klein - Ulsamer, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, München 1976, § 5 RdNr. 11.
1. Das Verfahren in den ständigen Ausschüssen
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er zumindest acht der zwölf Stimmen auf sich vereinigt. Kommt innerhalb von zwei Monaten nach Ablauf der Amtszeit oder vorzeitigem Ausscheiden eines Richters die Wahl nicht zustande, so geht das Vorschlagsrecht auf das Bundesverfassungsgericht über. Die Richter werden im übrigen drei Monate vor Ablauf der Amtszeit ihrer Vorgänger oder, wenn der Bundestag in dieser Zeit aufgelöst ist, innerhalb eines Monats nach dem ersten Zusammentritt des Bundestags gewählt; hierdurch wird der ebenfalls der Diskontinuität unterliegende Wahlmännerausschuß gehindert, in Rechte des nachfolgenden Bundestags einzugreifen127• Die Wahl durch den Wahlmännerausschuß statt durch das Plenum wird in der Rechtslehre mitunter kritisch betrachtet128 • Von der These aus, daß das Grundgesetz ausnahmslos die Vollversammlung meint, wenn es vom Bundestag spricht, wird man allerdings in der Einführung der Institution des Wahlmännerausschusses durch das Bundesverfassungsgerichtsgesetz eine Verfassungswidrigkeit sehen müssen. Berücksichtigt man indessen, daß auch das Handeln der Organe des Bundestags, zu denen der Wahlmännerausschuß gehört, diesem als Ganzem zugerechnet wird, so ist dieses Argument nicht mehr tragfähig. Dann verschiebt sich die Diskussion auf die Ebene der Interpretation, bei der als Auslegungstopos die Funktionalität der Wahrnehmungszuständigkeit durch den Wahlmännerausschuß zu berücksichtigen ist. Sie ist wegen der Diffizilität und Verschwiegenheit, die mit einer Personalentscheidung von so eminenter Bedeutung wie der Wahl eines Richters eines obersten Kontrollorgans verbunden sind, zu bejahen129 • Bedenklicher ist, daß die Wahl der Richter durch ein rein politisches Organ, wie den Wahlmännerausschuß, einen politischen Proporz der Richterbesetzung nach sich zieht130 - obwohl nicht er, sondern ausschließlich die fachliche Qualifikation hierfür Richtschnur sein sollte. 127 Wird die Wahlperiode regelmäßig beendet, so ist diese Vorschrift nicht anwendbar. Endet die Richteramtszeit mit der Bundestagswahlperiode oder unmittelbar davor, so muß der alte Bundestag noch die Wahl durchführen, fällt die Dreimonatsfrist nur teilweise noch in die Wahlperiode des alten Bundestags, so darf er gleichfalls noch wählen, vgl. hierzu Maunz - SchmidtBleib treu - Klein - Ulsamer, § 5 RdNr. 17. 128 Vgl. hierzu Berg, Staat 9 (1970), 34 ff., der die Wahl durch den Wahlmännerausschuß für verfassungswidrig hält. Zweifel auch bei Lechner, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 3. Aufl., München 1973, § 6 Anm. 2, sowie in dem Rechtsgutachten von Thoma, JöR 6, 161 (188), mit dem Hinweis auf die Möglichkeit, daß der Wahlmännerausschuß einen mit dem Bundestagsplenum nicht übereinstimmenden Willen haben kann. Das mag sein, doch wird sein Wille als derjenige eines Organs des Bundestags diesem zugerechnet. 129 Daraus (Schutz der Sphäre des Richteramtskandidaten wie der Entscheidungsfreiheit der Wahlmänner) rechtfertigt sich auch, daß hier das Transparenzgebot nicht eingehalten ist, sondern ein mit Entscheidungskompetenz betrauter Ausschuß nichtöffentlich tagt. 130 Vgl. dazu BiHing, in: Röhring - Sontheimer, S. 515 f.
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3. Teil: Das Verfahren in den Ausschüssen
Daß die Einschaltung des Bundestags wie auch des Bundesrats infolge der politischen Relevanz des Bundesverfassungsgerichts sinnvoll ist, daß ferner das Erfordernis der qualifizierten Mehrheit für die Wahl der Richter zufällige Majorisierungen ausschließtl3l, wird hiermit nicht in Abrede gestellt; gleichwohl erscheint fraglich, ob nicht eine Mitwirkung der Judikative selbst angeraten wäre. Ähnliche Vorschriften bestehen bezüglich der Wahl der Mitglieder der Landesverfassungsgerichte132 •
11. Das Verfahren in den Untersuchungsausschüssen 1. Die Empfehlungen der Parlamentspräsidentenkonferenz
Das bereits lange - insbesondere darüber, ob die in den Verfassungen vorgeschriebene sinngemäße Anwendung der Vorschriften über den Strafprozeß auf Beweiserhebungen133 den Besonderheiten des Verfahrens der Untersuchungsausschüsse hinreichend Rechnung trägt - diskutierte Problem, in welcher Weise dieses eine ihm ange..., messene Regelung erfahren kann, hat bereits vor mehreren Jahren zu "Empfehlungen der Konferenz der Präsidenten der deutschen Länderparlamente zur Regelung des Verfahrens von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen" geführt134 • Der wesentliche Inhalt dieser Empfehlungen, soweit sie sich unmittelbar auf das Verfahren beziehen135, besteht in folgendem: Die Untersuchungsausschüsse sollten nur bei Anwesenheit der Mehrheit ihrer Mitglieder beschlußfähig sein; anderenfalls dürfe der Ausschuß keine Untersuchungshandlungen, insbesondere keine Zeugenvernehmung durchführen. Ein Unterausschuß, dem mindestens der Vorsitzende des 131 Hierauf legen Maunz - Schmidt-Bleibtreu - Klein - Ulsamer, § 15 RdNr. 3,4,6 Wert. 132 Vgl. § 5 II HessStGHG. Nach §§ 3 I NdsStGHG, 15 NdsGO wird ein Ausschuß zur "Vorbereitung" der Wahl der Mitglieder des Staatsgerichtshofs, nach § 16 NdsGO ein solcher zur Vorbereitung der Zustimmung des Landtags zur Ernennung von Mitgliedern des Landesrechnungshofs (gemäß Art. 43 III NdsV) gebildet. 133 Art. 44 II GG, 35 III BWV, 25 II BayV, 105 VI BremV, 25 II HambV, 92 III HessV, 11 II NdsV, 41 III NWV, 91 IV RhPfV, 81 V SV, 15 II SHV. 134 V. 4.5.1961 (m. Erläuterungen abgedr. in: Recht und Organisation der Parlamente, S. 230105). Die Empfehlungen folgen zum großen Teil den Anregungen von Partsch, Empfiehlt es sich, Funktion, Struktur und Verfahren der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse grundlegend zu ändern?, Gutachten für den 45. Deutschen Juristentag, Karlsruhe 1964, Bd. I/3, München - Berlin 1964, insb. S. 63 ff. Vgl. dazu auch noch den Mustergesetzentwurf der Präsidenten der Deutschen Länderparlamente (1972), abgedr. in: Recht und Organisation der Parlamente, S. 231021; Achterberg, DÖV 75, 836 ff. 135 Die Empfehlungen erstrecken sich außerdem auch auf Aufgabe und Zulässigkeit, Einsetzung und Zusammensetzung der Untersuchungsausschüsse.
11. Das Verfahren in den Untersuchungsausschüssen
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Untersuchungsausschusses und ein Mitglied der antragstellenden Gruppe angehören müßten und dessen Aufgabe in der Sammlung und Gliederung des Untersuchungsstoffs, insbesondere der Beschaffung der einschlägigen Akten und sonstigen Unterlagen sowie erforderlichenfalls der Anhörung von Zeugen bestehen solle, müsse vorbereitende Untersuchungen durchführen können. Weitere Empfehlungen betreffen die Beweisaufnahme; sie gehen dahin, daß der Ausschuß zu entscheiden habe, welche Beweise zu erheben sind, daß er sich der Rechts- und Amtshilfe im Rahmen des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Zivilprozeßordnung bedienen dürfe, daß der von der Untersuchung Betrof~ fene grundsätzlich als Zeuge zu vernehmen sei, ausnahmsweise dagegen als Beschuldigter, wenn sich die Untersuchung nach dem Untersuchungsauftrag ausschließlich oder ganz überwiegend gegen ihn richte. Weitere Überlegungen beziehen sich auf Belehrung, Ermahnung und Beeidigung der Zeugen und Sachverständigen sowie auf Aussagegenehmigung und Aktenvorlage. Insoweit haben die Präsidenten der Landesparlamente drei Alternativen zur Diskussion gestellt, gemäß deren ein Beamter sich nicht auf seine Verschwiegenheitspflicht berufen darf, wenn der Untersuchungsausschuß, wenn das Parlament oder wenn der Verfassungsgerichtshof die Versagung der Aussagegenehmigung für unbegründet erklärt. Über Verlauf und Ergebnis der Untersuchung solle der Untersuchungsausschuß dem Plenum einen von ihm schriftlich erstellten, von dem Vorsitzenden vorgelegten Bericht erstatten, dem jedes Ausschußmitglied ein Sondervotum beifügen könne. 2. Die gegenwärtige Ausgestaltung des Verfahrens
Gegenwärtig ist das Verfahren der Untersuchungsausschüsse teilweise in besonderen Gesetzen, teilweise in den Geschäftsordnungen der Parlamente geregeJt136. Die Geschäftsordnungsbestimmungen wiederholen dabei oftmals im wesentlichen nur die einschlägigen Verfassungsnormen, ohne zusätzliche Verfahrensregelungen zu treffen, so138 Vgl. einerseits BWG über Einsetzung und Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Landtags v. 3.3. 1976 (GVBl. 194); BayG über die Untersuchungsausschüsse des Bayerischen Landtags v. 23.3.1970 (GVBl. 95); BerlG über die Untersuchungsausschüsse des Abgeordnetenhauses von Berlin v. 22.6.1970 (GVBl. 925); §§ 38 - 59 SLTG; SG Nr. 391 über eine Geschäftsordnung für die nach Artikel 81 der Verfassung des Saarlands eingesetzten Untersuchungsausschüsse v. 10.7. 1953 (ABI. 395), andererseits §§ 63 GOBT, 64 BremGO, 74 HambGO, 26 - 31, 46 V HessGO, 35, 36 NWGO, 88, 89 RhPfGO (nach § 89 IV RhPfGO sind zusätzlich die Empfehlungen der Präsidenten der deutschen Länderparlamente zu berücksichtigen), 10 SHGO. VgI. auch noch Härth, Erste Erfahrungen mit dem Gesetz über die Untersuchungsausschüsse im Abgeordnetenhaus von Berlin, ZParl. 3 (1972), 463; Linck, Ausbau der Minderheitenposition im Recht der Untersuchungsausschüsse, ZParl. 3 (1972), 470; synoptische Gegenüberstellung der Regelungen im Bund, in Bayern und in Berlin: ZParI. 3 (1972), 439.
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3. Teil: Das Verfahren in den Ausschüssen
daß vieles der Verfahrens autonomie der Ausschüsse überlassen bleibt. Soweit dagegen gesetzliche Vorschriften vorhanden sind, ist hinsichtlich des Verfahrens der Untersuchungsausschüsse folgendes erkennbar:
a) Einsetzung eines Untersuchungsausschusses Untersuchungsausschüsse werden im allgemeinen durch Plenarbeschluß, in dem der Gegenstand der Untersuchung festgelegt wird, für einen bestimmten Untersuchungsauftrag eingesetzt1 37 • Sie bestehen in Baden-Württemberg in der Regel aus höchstens neun Mitgliedern, in Bayern aus mindestens, in Berlin und im Saarland (dort aber auch noch aus je einem beratenden Mitglied der Fraktionen, die in ihm nicht vertreten sind) höchstens sieben Mitgliedern und derselben Zahl von Stellvertretern. Ein von der Untersuchung selbst betroffener Abgeordneter darf dem Untersuchungsausschuß nicht angehören. b) Beschlußfähigkeit
Der Untersuchungsausschuß ist beschlußfähig, wenn mehr als die. Hälfte seiner Mitglieder anwesend ist. Trifft dies nicht zu, so wird die Sitzung für bestimmte Zeit unterbrochen und, falls die Beschlußfähigkeit auch dann noch nicht wieder eingetreten ist, vertagt (in Bayern und im Saarland ist der Untersuchungsausschuß in der folgenden, in BerZin in der übernächsten Sitzung beschlußfähig, auch wenn die Mehrheit der Mitglieder nicht anwesend ist). c) Vorbereitende Untersuchung
Mitunter ist die Durchführung einer vorbereitenden Untersuchung gemäß den Empfehlungen der Präsidenten der Landesparlamente vorgesehen; auf die vorangehenden Ausführungen wird Bezug genommen. d) Sitzungsöffentlichkeit
Die Sitzungen finden grundsätzlich öffentlich statt, doch kann der Ausschluß der Öffentlichkeit mit Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen werden; mitunter ist hierfür erforderlich, daß überragende Interessen der Allgemeinheit oder überwiegende Interessen eines Einzelnen dies gebieten oder daß dies zur Erzielung einer wahrheitsgemäßen Aussage notwendig ist, mitunter muß die Öffentlichkeit auf Verlangen der Staatsregierung ausgeschlossen werden. Die Beratungen sind stets nichtöffentlich. Bei nichtöffentlichen Sitzungen beschließt in der Regel der Untersuchungs ausschuß, ob und in welcher Weise die Öffentlichkeit über diese unterrichtet werden soll. 137 Dazu ausführlich HessStGH, ESVGH 17, 1, m. ausführlichen Hinweisen auf das Schrifttum und die unterschiedliche Praxis.
11. Das Verfahren in den Untersuchungsausschüssen
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Außerordentlich umstritten ist das Zutrittsrecht der Regierungsmitglieder - im Bundestag auch der Bundesratsmitglieder - und ihrer Beauftragten zu den Sitzungen der Untersuchungsausschüsse, die sich ebenso auch für die Sitzungen des Wahlprüfungs- und Wahlmännerausschusses stellt, mitunter jedoch unterschiedlich beurteilt wird138 • e) Beweiserhebung
Beweise werden aufgrund von Beweisbeschlüssen erhoben. Mitunter ist vorgesehen, daß sie erhoben werden müssen, wenn sie von den Antragstellern oder von einem Viertel der Ausschußmitglieder beantragt werden. In bestimmten Fällen - beispielsweise bei Offenkundigkeit oder, im Falle eines Antrags auf Vernehmung eines Sachverständigen, bei eigener Sachkunde der Mitglieder des Untersuchungsausschusses kann der Beweisantrag jedoch abgelehnt werden. Die Beweisaufnahme kann mitunter einem Unterausschuß übertragen werden, in BadenWürttemberg auch einem Richter. Zeugen und Sachverständige können von dem Untersuchungs ausschuß beeidigt werden. Die Vorschriften der Strafprozeßordnung über die Beweisaufnahme gelten subsidiär139 • Über die Beweisaufnahme wird· ein stenographisches Protokoll angefertigt. f) Rechts- und Amtshilfe durch andere Organe
Gerichte und Verwaltungsbehörden sind zur Rechts- und Amtshilfe, insbesondere zur Aktenvorlage und Auskunfterteilung sowie Aussagegenehmigung verpflichtet, sofern dem nicht Gründe der Staatssicher138 Vgl. NdsStGH, AöR 83 (1958), 423 (433 ff., 437 ff., 440 ff. für alle drei Ausschüsse bejahend) mit Stellungnahmen der Wiss. Abteilung des Bundestags (445 ff., 451 ff., aus denen sich keine eindeutige Parlamentspraxis ergibt), Gutachten des AuSschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (448 ff.: Ausschluß bei Geheimberatung zulässig), Auskunft des Präsidenten des Hanseatischen Oberlandesgerichts (454 ff.) und Anmerkung von Partsch (459 ff.: zustimmend bezüglich des Zutrittsrechts zu Wahlprüfungsausschüssen und Untersuchungsausschüssen, kritisch hinsichtlich eines solchen zu den Ausschüssen zur Wahl der Mitglieder von Verfassungsgerichten); bzgl. Untersuchungsausschüssen einschränkend für den Fall, daß hierdurch die Aufklärung gefährdet wird, Pietzner, Das Zutrittsrecht der Bundesregierung im parlamentarischen Untersuchungsverfahren (Art. 43 II 1 GG), .IR 69, 43 (47); ablehnend bzgl. der Beratung über das Beweisergebnis wegen der Gerichtsähnlichkeit des Verfahrens Groß - Groß, Zum Zutrittsrecht zu Verhandlungen der Untersuchungsausschüsse nach Art. 43 Abs. 2 GG, JR 63, 335 (336). 139 Zu den hierbei zu beachtenden Grundsätzen BGH, NJW 60, 1960. Aus ihnen folgt auch, daß der Untersuchungsausschuß (als Ganzer) Zwangs- und Beugemittel verhängen kann (während die Ordnungsbefugnis i. S. der Sitzungspolizei [§§ 176, 178 GVG] der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses allein hat), vgl. hierzu Lucas, Die Strafgewalt parlamentarischer Untersuchungsausschüsse, JR 26, 336 (338 auch zum Hausrecht); Sprenger, Kann der Vorsitzende eines Untersuchungsausschusses des Bundestages eine Ordnungsstrafe wegen Ungebühr verhängen?, DÖV 55,461.
12 Achterberg
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3. Teil: Das Verfahren in den Ausschüssen
heit entgegenstehen. Die Aussagegenehmigung ist aber in jedem Fall erforderlich, damit ein Beamter vor dem Untersuchungsausschuß aussagen kann; sie kann nur von der Exekutive, nicht aber von dem Untersuchungsausschuß oder gar dessem Vorsitzenden erteilt werden140 • Aus der Korollartheorie, gemäß der auch Untersuchungsmaßnahmen ihre Grenze in der Untersuchungsbefugnis finden, ergibt sich im übrigen, daß die originäre Ladung und Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen durch einen Untersuchungsausschuß nur in demselben Bundesland zulässig ist. Im übrigen kommen die Amtshilfe und Rechtshilfe durch Organe anderer Länder in Betracht141 • g) Stellung des Betroffenen Mitunter ist ausdrücklich vorgeschrieben, daß der von der Untersuchung Betroffene das Recht zu einer zusammenhängenden Sachdarstellung und zur Anwesenheit bei der Beweisaufnahme hat; er ist verpflichtet, der Ladung durch den Ausschuß Folge zu leisten und vor ihm auszusagen, wobei ihm in bestimmten Fällen aber ein Aussageverweigerungsrecht zusteht. Im allgemeinen wird auch der Betroffene als Zeuge vernommen, etwas anderes gilt nur, wenn sich die Untersuchung ausschließlich oder überwiegend gegen ihn richtet; dann wird er wie ein Beschuldigter angehört1 42 •
140 Ebenso Fenk, Müssen Beamte als Zeugen vor parlamentarischen Untersuchungsausschüssen aussagen?, ZBR 71, 44 (46 f., 49). Vgl. ferner Groß, Zum Verfahren parlamentarischer Untersuchungsausschüsse, DVBl. 71, 638 (640). 141 Zu dieser umstrittenen Frage BWmeL - RoneUenfitsch, Parlamentarische Untersuchungsausschüsse und kommunale Selbstverwaltung (= Speyerer Arbeitshefte 25), Speyer 1978, S. 71, 87, 92; KeßLer, Die Aktenvorlage und Beamtenaussage im parlamentarischen Untersuchungsverfahren, AöR 88 (1963), 313 (insb. 319); Lässig, Beschränkungen des Beweiserhebungsrechts parlamentarischer Untersuchungsausschüsse - insbesondere aufgrund des Bundesstaatsprinzips, DÖV 76, 727, und dazu die Erwiderung von Behrend, Zeugnispflicht vor Untersuchungsausschüssen der Länderparlamente, DÖV 77,92, mit Schlußwort Lässig, DÖV 77, 93. Ob die Vorschriften über die Amtshilfe (§§ 3 - 8 VwVfG) und die entsprechenden Bestimmungen der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder gelten, hängt davon ab, ob die Untersuchungsausschüsse Behördencharakter haben oder ob diese Vorschriften extensiv auch auf Untersuchungsausschüsse angewandt werden können. Die Frage mag hier dahinstehen; jedenfalls ergibt sich die Amtshilfepflicht aus Art. 35 GG. 162 Für die Vernehmung des Betroffenen als Zeugen auch Groß, DVBl. 71, 640. Ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip mit dem aus ihm folgenden Grundsatz "nemo tenetur se ipsum accusare", daß niemand unter Eid gezwungen werden darf, sich selbst zu belasten, so ist hieraus weiter das Verbot der Beeidigung des Beschuldigten abzuleiten, ebenso Rinck, Verfassungsrechtliche Grenzen der Beeidigungsbefugnis parlamentarischer Untersuchungsausschüsse, DVBl. 64, 706 (707 f.); Wagner, Vernehmungs- und Vereidigungsrecht parlamentarischer Untersuchungsausschüsse, NJW 60, 1936 (1937).
II. Das Verfahren in den Untersuchungsausschüssen
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h) Berichterstattung an das Plenum
Nach Abschluß der Untersuchung erstattet der Untersuchungs ausschuß der Vollversammlung einen schriftlichen Bericht, dem jedes Ausschußmitglied ein Sondervotum beifügen kann. Mitunter ist auch vorgesehen, daß das Parlament schon vorher einen Zwischenbericht verlangen kann. Die Rechte eines Untersuchungsausschusses haben auch der Verteidigungsausschuß des Bundestags sowie - falls er sich durch Beschluß als solcher einsetzt - der Saarländische Ausschuß für Grubensicherheit1 43 • 3. Die Reformvorschläge der Enquete-Kommission Verfassungsreform
In dem Schlußbericht der Enquete-Kommission Verfassungsreform werden über das Verfahren der Untersuchungsausschüsse im wesentlichen folgende Überlegungen angestellt: a) Prämissen
Ausgegangen wird von drei Prämissen144 : Der Begriff der parlamentarischen Untersuchung habe sich von dem tradierten, "Untersuchung" und "Enquete" noch nicht unterscheidenden Verständnis 145 dahin fortentwickelt, daß die Untersuchung sich gegenwärtig auf "Mißstände" beziehe, während vor allem die Vorbereitung gesetzgeberischer Vorhaben ("Legislativ-Enquete") in die Hand nicht von Untersuchungsausschüssen, sondern von Enquete-Kommissionen zu legen sei. - Die Untersuchung sei ein Instrument politischer Kontrolle, nicht dagegen sowohl die notwendige Sachaufklärung in einem weitestgehend objektivierten und formalisierten Verfahren hierunter nicht leiden solle juristische überprüfung. - Für die Untersuchungsausschüsse, nicht aber jeden besonders, solle ein Verfahrensgesetz erlassen werden146 • Allen drei Prämissen ist zuzustimmen, wobei freilich zweierlei hinzuzufügen ist: Die Abgrenzung von Untersuchung und Enquete ist nicht nach dem Unterschied von "Administrativ-" oder "Legislativenquete" vgl. Art. 45 a II 1 GG, 81 a II 1 SV i. V. m. § 60 II SLTG. Vgl. zum folgenden Schlußbericht der Enquete-Kommission Verfassungsreform, BT-Dr. 7/5924 (insb. Tz. 1.1, 1.3.1, 1.2), und dazuAchterberg, Parlamentarische Kontrollrechte. Zum Schlußbericht der Enquete-Kommission Verfassungsreform, DÖV 77, 548 (548 ff.). 145 Vgl. Lammers, Parlamentarische Untersuchungsausschüsse, in: Handbuch des Deutschen Staatsrechts, hrsg. Anschütz - Thoma, 2. Bd., Tübingen 1932, § 94 V, S. 467; Lewald, Enquete-Recht und Aufsichtsrecht, AöR 44 (1923), 269; Zweig, Die parlamentarische Enquete nach deutschem und österreichischem Recht, ZfP VI (1913), 265; aber auch noch v. Mangoldt - Klein, Art. 44 Anm. II 1; Maunz - Dürig - Herzog - Scholz, Art. 44 RdNr. 1.4. 148 Zu den vorhandenen gesetzlichen Regelungen o. Anm. 136. 143
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3. Teil: Das Verfahren in den Ausschüssen
vornehmbar, darf auch nicht allein vom Tatbestand des Mißstands abhängig sein, sondern hat sich danach zu richten, ob umfassendere Prüfungen - insbesondere auch unter Einsatz parlamentsexternen Sachverstands - erforderlich sind, wie sie von Enquete-Kommissionen geleistet werden können, denen auch Nichtparlamentarier angehören. Die Betonung der politischen Natur der Untersuchung entspricht der bereits erwähnten Natur des Parlamentsrechts als einer großenteils "lex de iure imperfecta de politicis perfecta"147. Dies bedeutet keinen Nachteil, da auch die politische Sanktion schwer zu wiegen vermag. Allerdings darf das Untersuchungsrecht nicht mit Kontrollrechten der Opposition identifiziert werden: Untersuchungsbefugnis und hierin eingeschlossene Minderheitenrechte vermögen die Kompetenzen der Opposition weder zu erschöpfenl48 , noch sich auf diese zu beschränken. Zwar gehört es zur Eigendynamik des parlamentarischen Regierungssystems, daß insbesondere die Opposition die Kontrolle über die Regierung ausübt, dennoch darf nicht übersehen werden, daß nicht sie, sondern das Parlament als Ganzes verfassungsgesetzliche Kontrollfunktion auszuüben hat149 • b) Vorschläge im Mehrheitsvotum
Auf der Grundlage dieser Prämissen empfiehlt die Enquete-Kommission Verfassungsreform in verfahrensrechtlicher Hinsicht insbesondere folgendes: (1) Die Minderheitenrechte sollen ausgebaut und von der Einsetzungsinitiative in das Verfahren selbst hinein erstreckt werden, indem jedes Mitglied eines Untersuchungsausschusses zusammen mit einem anderen Beweisanträge, für sich allein sonstige Anträge stellen, Fragen an Auskunftspersonen richten, seine Auffassung über Ablauf und Ergebnis des Verfahrens im Schlußbericht an den Bundestag niederlegen darf, ein Viertel der stimmberechtigten Mitglieder der Änderung eines Beweisbeschlusses, ein Viertel der Mitglieder des Ausschusses der Aussetzung, ein Viertel der Abgeordneten des Bundestags der Einstellung des Verfahrens widersprechen können soll. Demgegenüber ist kein Aktenvorlageanspruch als Minderheitenrecht vorgesehen15O• 147 Achterberg, Das Parlament im modernen Staat, DVBl. 74, 693 (701). Vgl. zu dieser Frage auch noch ders., DÖV 75, 836 f. 148 s. hierzu die informative Zusammenstellung der Oppositionsbefugnisse bei Hj. JeHinek, Die Stellung der Opposition in der parlamentarischen Demokratie der Bundesrepublik Deutschland, in: Die Fortbildung 76, 29. 149 Dies betont mit Recht auch Schäfer in seinem sogleich zu erwähnenden Sondervotum, S. 71 f. 150 Schneider, Opposition und Information Der Aktenvorlageanspruch als parlamentarisches Minderheitsrecht, AöR 99 (1974), 628. Immerhin wäre an die Verankerung eines Minderheitenrechts zu denken, die Entscheidung über die Berechtigung der Verweigerung der Aussagegenehmigung oder der Aktenvorlage herbeizuführen, ebenso Hirsch und Engelh.ard, S. 69.
H. Das Verfahren in den Untersuchungsausschüssen
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(2) Das Zutritts recht für Mitglieder der Bundesregierung, des Bundesrats und ihre Beauftragten zum Untersuchungsausschuß soll zwar nicht generell ausgeschlossen werden, wohl aber wie das Rederecht entsprechender Organwalter im Einzelfall eingeschränkt werden können. Die Aktenvorlageverweigerung durch die Bundesregierung soll nur gestattet sein, wenn davon zu erwartende erhebliche Nachteile für internationale Beziehungen oder die äußere oder innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland glaubhaft gemacht werden. Über die Berechtigung der Weigerung zu entscheiden, soll die Bundesregierung befugt sein. (3) Die sinngemäße Anwendung der Strafprozeßordnung auf das Untersuchungsverfahren soll entfallen, stattdessen soll die erforderliche Regelung in dem Verfahrensgesetz für die Untersuchungsausschüsse selbst getroffen werden. Dieses soll insbesondere keine Voruntersuchung durch einen Vertreter des öffentlichen Interesses vorsehen, nicht zwischen Zeugen und Betroffenen unterscheiden, keine Beeidigung, sondern stattdessen die Pflicht zur wahrheitsgemäßen Aussage mit einer entsprechenden Sanktionsmöglichkeit vorsehen. Ein neben dem ersten arbeitender zweiter Untersuchungsausschuß über denselben Gegenstand soll unzulässig sein151 •
Auch diesen Empfehlungen kann im ganzen zugestimmt werden. Die Beschränkung des Zutritts rechts ist generell in der Tat nicht erforderlich, kann sich im Einzelfall um der sachgerechten Durchführung der Untersuchung - zumal dann, wenn gerade Bundesregierung oder Bundesrat Kontrollobjekt ist - aber als sinnvoll erweisen152 • Bedenken bestehen demgegenüber gegen die Entscheidungsbefugnis der Bundesregierung über die Berechtigung der Verweigerung der Aktenvorlage oder Aussagegenehmigung durch einen Bundesminister. Ob stattdessen der schwerfällige Weg der Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht sachgerecht ist, bleibt allerdings auch zweifelhaft. Man könnte jedoch an die Entscheidung eines kleineren Organs denken, das bei geheimhaltungsbedürftigen Angelegenheiten, um die es hier oftmals gehen wird, die Vertraulichkeit zu wahren imstande ist - sei es beispielsweise an den Ältestenrat des Bundestags oder an den Ausschuß für die Kontrolle der Nachrichtendienste153 • Angemessen ist auch der 151 Vgl. zum vorstehenden BT-Dr. 7/5924, Tz. 1.2 (Nr. 7, 10, 11, 12, 15), 1.3.3, 1.3.4. 152 §§ 10 I, H BWUAG, 8 I BerlUAG, 10 I Musterentwurf sehen den Ausschluß von Regierungsmitgliedern und Beauftragten im Einzelfall vor (sei es im Interesse eines Zeugen oder zur Erlangung einer wahrheitsgemäßen Aussage). Vgl. zum Thema auch noch Pietzner, Das Zutrittsrecht der Bundesregierung im parlamentarischen Untersuchungsverfahren (Art. 43 II 1 GG), JR 69, 43. 153 Vgl. dazu Achterberg, DÖV 75, 838. Den Vorschlag, das Verfassungsgericht mit der Entscheidung zu betrauen, macht Partseh, S. 220 (These 6),
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3. Teil: Das Verfahren in den Ausschüssen
seit langem erörterte und geforderte l54 Verzicht auf die Anwendung der Strafprozeßordnung - deren Regelungen in vieler Hinsicht nicht den Besonderheiten des Untersuchungsverfahrens entsprechen - sowie auf die Unterscheidung von Betroffenen und Zeugen155 - die zum einen entbehrlich ist, weil das Untersuchungsergebnis keinen rechtlichen Schuldvorwurf zu begründen vermag, die Gerichte vielmehr auch künftig in der Würdigung und Beurteilung des der Untersuchung zu Grunde liegenden Sachverhalts frei sein sollen, zum anderen nachteilig wäre, weil sie die Untersuchungen erschwerte. Sachgerecht schließlich ist auch der Verzicht auf den komplizierten Weg der Voruntersuchung 158 durch ein parlamentsfremdes Organ, der die Unmittelbarkeit der Untersuchung beeinträchtigen würde und Verschleierungstaktiken den Weg ebnen könnte157 • Der billigenswerten Empfehlung, daß neben während Hirsch und Engelhard, Sondervotum, S. 69, die Kompetenz des Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses empfehlen, gegen dessen Entscheidung die Regierung, ein Drittel der Ausschußmitglieder oder eine Fraktion das Parlamentspräsidium anrufen können soll, das endgültig entscheidet. Die Enquete-Kommission Verfassungsreform spricht sich (ohne Begründung) gegen die Entscheidungskompetenz sowohl eines Ausschusses für Angelegenheiten der Nachrichtendienste als auch des Bundesverfassungsgerichts sowie des Untersuchungsausschusses selbst aus, BT-Dr. 7/ 5924, Tz. 1.3.4. Landesrechtlich entscheidet nach § 14 11 BWUAG die oberste Dienst- oder Aufsichtsbehörde, Art. 18 I BayUAG der Dienstvorgesetzte über die Genehmigung zur Aussage, der Ministerrat über die Entbindung von der VerschwiegenheitspfIicht eines Beamten, § 14 BerlUAG der für Sicherheitsfragen zuständige Parlamentsausschuß; nach Art. 6 SG Nr. 391 hat der Ministerrat nur bei Gefährdung des Staatsinteresses das Recht der Zustimmung zur Versagung der Aussagegenehmigung. 154 Vgl. schon Alsberg - Rosenberg, Empfiehlt sich eine Abänderung der Bestimmungen über parlamentarische Untersuchungsausschüsse, um den ungestörten Verlauf des Strafverfahrens und die Unabhängigkeit des Richterturns sicherzustellen?, Gutachten für den 34. Deutschen Juristentag, Bd. I, Berlin - Leipzig 1926 (mit Bericht Jacobi, Bd. 11 [1927], s. 69); Partsch, S. 220 f. (These 9). In den Landesgesetzen wird mitunter noch immer auf die Strafprozeßordnung Bezug genommen, vgl. §§ 13 VI, 16 IV, VI, VII, 17 I, III, 18 BWUAG, 12 11, III, IV, 13 I, 11 BerlUAG, Art. 5 I C, d SG Nr. 391. s. auch §§ 14 11, 15 11, III, 16 I, 19 11, IV, 20 IV, 21, 26 11 Musterentwurf. 155 Sie wird in den einschlägigen landesrechtlichen Regelungen überwiegend noch aufrecht erhalten, vgl. aber Art. 13 BayUAG. 158 Vgl. hierzu Partsch, S. 70 ff. Hirsch und Engelhard, Sondervotum, S. 68 f., empfehlen ein "begleitendes Ermittlungsverfahren" statt einer Voruntersuchung. Dieses soll unter Leitung des Ausschußvorsitzenden stattfinden und der Vorbereitung der einzelnen Verfahrensmaßnahmen des Untersuchungsausschusses - insbesondere der Beweisaufnahme - dienen, indem beispielsweise festgestellt wird, welche Tatsachen objektiv feststehen, worüber Beweis zu erheben ist und welche Zeugen zu welchem Beweisthema benannt werden können. Hierzu soll ein dem Untersuchungsausschuß vorzulegender Ermittlungsbericht gefertigt werden. Ob hierfür ein "begleitendes Verfahren" erforderlich ist, bleibt zweifelhaft, da es dem Vorsitzenden ohnedies nicht verwehrt werden kann, verfahrensleitende Maßnahmen solcher Art zu treffen. 157 In den Landesgesetzen ist mitunter ein vorbereitendes Verfahren vorgesehen: Nach Art. 7 BayUAG beschließt der Untersuchungsausschuß, ob
11. Das Verfahren in den Untersuchungsausschüssen
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einem nicht noch ein anderer Untersuchungsausschuß sich mit demselben Gegenstand parallel befassen darf, ist hinzuzufügen, daß dies auch nicht wiederholt geschehen dürfte l58 • Insoweit sollte es den Einwand der "res requisita" geben - zur Wiederherstellung und Wahrung des politischen Friedens. c) Vorschläge im Sondervotum
In einem von diesen Vorschlägen abweichenden Sondervotum wird angeraten, die Untersuchungen zwar durch ein vom Parlament eingesetztes, aber nicht mit Abgeordneten besetztes Organ durchführen zu lassen, das dem Bundestag berichten solle, der als Ganzer mit Wertungen, Anträgen und Beschlüssen zu debattieren habe, so daß das Parlament zwar am Anfang und am Ende des Verfahrens steht, dieses aber vor einer Kommission abläuft, die aus fünf ehemaligen Richtern bestehen soll, die verschiedenen Zweigen der Gerichtsbarkeit sowie unterschiedlichen Instanzen entstammen und aus einer dreißig entsprechende Personen umfassenden "Schöffenliste" entnommen werden sollen. Die hierfür maßgebende Verfahrensregelung solle sich weitestmöglich an der Verwaltungsgerichtsordnung orientieren. Die Fraktionen sollten am Verfahren notwendigerweise, Bundesregierung und Bundesrat auf ihren Antrag beteiligt sein; hierdurch erhielten vor allem Fraktionen eine Anwälten vergleichbare Rolle und ständen sich in Anwesenheit, Frage- und Antragsrechten gleich l59 • So interessant dieser Vorschlag ist, so hat er doch mit Recht nicht die mehrheitliche Zustimmung der Enquete-Kommission Verfassungsreform gefunden: Die durch ihn bewirkte "Juridifizierung" des Verfahrens verschiebt die Untersuchung zu sehr von der politischen auf die juristische Ebene. Dem Vorwurf, daß die Zusammensetzung des Untersuchungsausschusses aus Abgeordneten in unangemessener Weise den politischen Blickwinkel der Fraktionen ins Spiel bringe, ist zumindest die Frage entgegenzusetzen, ob nicht auch hier alsbald aus der Integrationswirkung gemeinsamer Untersuchungstätigkeit resultierendes gruppenspezifisches Denken einsetzen und Fraktionsaspekte zugunsten der Wahrnehmung von Kontrollfunktion zurücktreten lassen würde, wenn die Kontrollaufgabe des gesameine vorbereitende Untersuchung zur Sammlung und Gliederung des Untersuchungsstoffes, insbesondere zur Beschaffung von Akten und Unterlagen sowie zur Anhörung von Zeugen, durch einen Unterausschuß durchgeführt werden soll; ähnlich auch §§ 6 BerlUAG, 8 Musterentwurf, nach denen der Unterausschuß überdies informatorische Anhörungen vornehmen kann. 168 So auch Hirsch und Engelhard, Sondervotum, S. 70. 159 Sondervotum, S. 73 f. Die Befähigung zum Richteramt (und zusätzlich vier Jahre Tätigkeit im Bundestag) fordern für die Mitglieder der Untersuchungsausschüsse auch Hirsch und Engelhard, Sondervotum, S. 27. Gegen die Beteiligung von Richtern in Untersuchungsausschüssen bereits Groß, DVBl. 71, 639.
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ten Parlaments statt der Opposition bewußter gemacht wird. Nicht erkennbar ist darüber hinaus, welcher untersuchungsspezifische Gewinn daraus erwachsen soll, daß die in die "Schöffenliste" aufzunehmenden Richter verschiedenen Gerichtszweigen und Instanzen entstammen sollen; ausgereicht hätte die Empfehlung, daß kein Gerichtszweig und keine Instanz als Rekrutierungspotential ausscheiden. Die Orientierung des Untersuchungsverfahrens an der Verwaltungsgerichtsordnung und damit über die entsprechenden Verwaltungsvorschriften auch an der Zivilprozeßordnung schließlich bedeutet gegenüber der abgelehnten Anwendung der Strafprozeßordnung keine Verbesserung. Die Verwaltungsgerichtsordnung ist nur sehr bedingt, allenfalls hinsichtlich weniger Vorschriften als Orientierungsmaßstab geeignet.
Sachverzeichnis Abgeordnetengruppe 26, 27, 37, 55, 59, 65, 70 - 75, 77, 91, 92, 94, 95, 97, 100, 105, 111, 112, 115, 146, 147, 158, 159 175,177,180,182 ' Abgeordnetenmehrheit 44 Abgeordneter 24, 26, 27, 30, 32, 35 - 39 46 - 48, 50, 51, 58, 64 - 68 70 71' 73, 76, 78 - 88,90, 91, 93, 94, 96'- 99' 101, 104, 105, 107, 111-117, 120 ~ 123, 126, 130 - 132, 134, 136 - 139 141, 142, 148, 154, 159, 162, 165, 168' 171,176,183 ' Abgeordnetenkammer 21 Abstimmung 70, 74, 76, 85, 86, 93, 96, 97 ff., 148, 161 - Aussetzung 100 - Beginn 99, 100, 105 - durch ~eichen 109 -111, 117 - ergebmslose 114 - fehlerhafte 114 - geheime 31,110, 111 f. - gemeinsame 75 - getrennte 75 - mündliche 109, 111 - namentliche 78, 96, 100, 101 112 ff. 115,137 " - offene 109 f., 112 - Schluß 113, 115, 116 - schriftliche 109, 110 - Ungültigkeit 112 - Wiederholung 101, 109, 115, 116, 119 f., 161 Abstimmungsarten 45 f., 109 ff. Abstimmungsergebnis 40, 90, 109 113 - 116, 120, 161 ' Abstimmungsliste 137 Abstimmungsmehrheit 26 44 46 - 49 51, 72, 97, 101, 161 " , ~bstimmungsminderheit 55 Altestenrat 32, 33, 37, 59, 65, 67, 68, 72, 79, 81, 82, 97, 116, 130, 133, 134 140, 157, 181 ' Änderungsantrag 44, 65, 70, 91, 93 f., 95, 97, 104, 106 - 108, 145 Aktenvorlage 163, 177, 180, 181 Aktuelle Stunde 39, 67 - 69 79 Alterspräsident 58 ' amicabilis composi tio 17 Analogie 113 Anfrage 38,142,146
-
Große 37 - 39, 66, 67, 69, 72, 93, 95, 96, 99, 104, 166 - Kleine 39 Anhörung 23, 25, 28, 29, 33, 163 Antrag (s. auch Eventualantrag) 15 28, 33, 37 - 39, 52, 65 - 70, 72 - 74: 77, 78, 82, 84, 91 ff., 104 - 107, 112 115, 120, 129, 130, 135, 137, 142, 146' 156, 162, 165 - 167, 169 171 180' 183 ' , , - dringlicher 91, 97 - ergänzender 94, 107 - externer 96 f. - geschäftsordnungswidriger 107 - k~nkurrierender 94, 106, 108 - mit strafbarem Inhalt 93 - scherzhafter 93 - selbständiger 71, 79, 82, 91 ff., 95, 99, 104, 108, 127, 145, 160, 166 - weitergehender 106, 108 - zur Geschäftsordnung s. Geschäftsordnungsantrag - zur Sache 91 ff., 100 - Zurücknahme 93 Anträge, wörtlich übereinstimmende 107 Antragsteller 39, 60, 70, 74 - 76, 81, 82, 92, 93, 95, 104, 105, 107, 112, 120 156, 160, 162, 167, 175, 177 ' Anwesenheitsliste 131 Anwesenheitsmehrheit 44 - 48 51 Anwesenheitspflicht 116 159 ' Approximation an das Plenum 33 f. "Arbeitsparlament" 25 f., 34 Arbeitsplan 33, 65, 84, 96 arcanum 17 Aufspaltung der Gesetzesberatung 76 Aufzeichnung 36, 161 Auskunfteinholung 170, 177 Auskunfterteilung 163, 169 Auslegung s. Interpretation Aussage, Pflicht zur wahrheitsgemäßen 181 Aussagegenehmigung 175, 177 178 ' , 180 -182 Aussageverweigerung 178 Ausschüsse, Zusammenarbeit 165 Ausschuß 25, 26, 31 - 35, 40, 65, 72, 79, 91, 95, 98, 102, 104, 105, 113 118 144 ff. ' ,
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Sachverzeichnis
-
entscheidender 29, 32, 149 ff., 167, 169,171 - federführender 118, 145, 165, 166 - für Grubensicherheit (Saarland) 179 - für Verfassungs-, Rechts- und Kommunalfragen (Bayern) 146 - geschlossener 28, 148, 162, 172 - offener 32,148 - ständiger 144 ff. - stellvertretender 48 - vorbereitender 29, 149, 152 ff., 171 Ausschußassistent 159 Ausschußautonomie 157, 160 Ausschußberatung, -sitzung, -verhandlung 22, 23, 25, 27 - 30, 33, 34, 150, 159 ff., 177 Ausschußbericht 39, 40, 60, 66, 68, 72, 93 - 95, 142, 145, 165, 166, 171, 179 Ausschußberichterstatter s. Berichterstatter Ausschußmitglied 27 - 29, 32, 33, 92, 159 - 162, 164, 168, 171, 175, 179 - Vertretung 101, 171 Ausschußsekretariat 29,159 Ausschußsitzungszahl167 Ausschußüberweisung 33, 69, 74, 82, 93, 106, 113, 137, 145 f., 156 f., 161, 165,167 Ausschußverfahren 158 ff. Ausschußvorsitzender 27, 29, 30, 33, 82,155, 159 -163, 167, 172, 174, 178, 182 Aussetzung des Verfahrens 52 Aussprache 28, 37, 38, 76, 77, 79, 86 - 90, 93, 94, 96, 99, 126 - 129, 134, 135, 160, 164 - Eröffnung 75 - Schluß 73 f., 80, 82, 90, 95, 99 - Vertagung 76 Auszählung s. Stimmenzählung Beeidigung 175, 177, 178, 181 Begründung 73, 79, 91, 93, 96, 129, 134 Behördenbildung 47 Behördensitz, Entscheidung über 106, 110 Beleidigung 124 Bemerkung, persönliche 37, 38, 78, 79, 84, 86 f., 88 - 90, 126, 127, 135, 137, 161 - zur Geschäftsordnung 38, 76, 78, 84 ff., 89, 96, 104, 122, 128, 137, 160 Beratung 74 - 76, 81, 82, 90, 93 - Beginn 48, 63 - dritte 70, 71, 74, 76, 94, 96, 108, 145, 146, 148 - Eröffnung 74 -76 - erste 93, 122, 145
gemeinsame 70 Schluß 63, 64, 73, 74 f., 78, 86, 96, 106, 113, 161 - Vertagung 73, 75 ff., 78, 86, 96, 106, 113, 161 - von Gesetzentwürfen 67, 108, 129, 145 f. - Wiederaufnahme 161 - zweite 70, 76, 93, 94, 103, 106, 145, 148 Beratungsdauer 63 Beratungsgegenstände, Verbindung 68 Beratungsgegenstand 29, 37, 65, 68, 70, 73, 74, 77, 80, 81, 83, 84, 89, 90, 95, 122, 123, 127 - 129, 160, 164, 166, 167 Bericht, stenographischer s. Niederschrift Berichterstatter 33, 37, 74 - 76, 82, 105, 160,166,167,169 - 171 Berichterstatterbesprechung 160 Berichterstattung 79 - alsbaldige 165 - amtliche 24 f. - freie 22 - mündliche 29, 40, 165, 166 - nichtamtliche 24 ff. - schriftliche 29, 40, 165, 166, 179 Berichterstattungsöffentlichkeit 18, 21, 23 ff., 29 Berichtigung der Niederschrift 138 f. - der Stimmabgabe 116 ff. - von Gesetzesbeschlüssen 118 Berichtspflicht 165 Berichtsrecht 157 Berliner Abgeordnete 46, 70, 98, 99, 109, 120 Beschlußfähigkeit 45, 96, 97 ff., 101, 159, 170, 174, 176 - Bezweifelung 78, 96, 99, 100, 101, 159 Beschlußunfähigkeit 59, 60, 65, 71, 100, 101, 114, 116, 161 Beschuldigter, Betroffener 175, 178, 181, 182 Beweisantrag 52,180 Beweisaufnahme 175, 177, 178, 182 Bezugsgröße 44, 47 Bundeskanzler 47, 49, 59, 66, 69, 79, 98, 101, 111, 118, 143 Bundesminister 118, 143, 168, 181 - der Finanzen 148, 149, 153 - der Justiz 172 - des Innern 171 Bundespräsident 47, 49, 59, 60, 69 Bundesrat 39, 47, 48, 64, 69, 74, 79, 83, 88, 96, 98, 105, 117, 118, 131, 142, 147,158,162,171,172,174,177,181, 183 -
Sachverzeichnis Bundesratspräsident 118, 143 Bundesregierung 26, 39, 72, 82, 97, 142,157,167,172,181,183 Bundesrichter 172 Bundesstaat 53 Bundestag 24 - 26, 29, 30, 33, 35 - 37, 39, 40, 46, 49, 52, 57, 59, 61, 65 - 67, 69 - 71, 74, 75, 77, 79, 80, 82, 83, 87, 88, 91 - 98, 100, 103 - 105, 109 bis 112, 114, 116 - 118, 125 - 127, 129, 130, 134, 135, 140 - 148, 150152, 157, 158, 160 - 162, 164, 165, 167 - 174, 177, 180, 183 Bundestagspräsident (s. auch Parlamentspräsident) 30, 36, 59, 61, 65, 66, 71, 98, 101, 111, 118, 143, 170, 171 Bundesverfassungsgericht 20, 30, 45, 47,74,98,123,153,172-174,181, 182 Bundeswahlleiter 171 closure 73 Committee of the whole house 28 "Das Parlament" 25 Debatte 17, 19, 20, 25, 26, 34, 35, 37, 39,75,81,83,85,100,135,183 - kontingentierte 83 Delegation 31, 33, 79, 154 - 156, 168170 Demokratie 16, 17, 20, 40, 42, 52 - 54, 59, 81, 110, 123 Dienst, Stenographischer 24, 136, 139 - Wissenschaftlicher 24, 25, 158 Dienstverpflichtung 47 Diskontinuität 57, 58, 69, 169, 173 Doppelmandat 116 Dringlichkeit 63, 67, 68, 72, 73 Drucksache 39, 48, 67, 117, 134, 137, 139, 141, 142 Dysfunktionalität 59, 149 f., 153 ff., 168 Effizienz 15, 16, 52, 160, 168 Einberufung des Parlaments 57, 97 - erste 57 f. - spätere 58 ff. Einberufungsrecht 60, 61 Eingabe s. Petition Einspruch 133 ff., 135, 140, 171 Einstellung des Verfahrens 52, 180 Einstimmigkeit 40 - 42 Eintrittskarte 23 Einzelabstimmung 98, 103, 104, 145 Einzelberatung 38,104,108,145 Enquete 146, 170, 179 Enquete-Kommission 180 Enquete-Kommission Verfassungsreform 52,101,142, 167, 179 Entlastung 150
187
Entschließung 146 Entschließungsantrag 91, 93, 95 f., 97, 99, 104, 108, 166 Entschuldigung 87 Erforderlichkeit 52, 83, 125, 128 - 130, 132, 133, 158 Erklärung, persönliche 37, 69, 79, 84, 88 f., 90, 126, 127, 135, 137, 161 - tatsächliche 37, 69, 79, 84, 89 f., 126, 127, 135, 137, 161 - zur Abstimmung 37, 84, 90 f., 135, 137 Ermittlungsbericht 182 Ermittlungsverfahren, begleitendes 182 Europäisches Parlament 116 Eventualantrag 94, 107, 108 Fehlerausgleich 41 Fernsehen s. Massenmedien filibuster 82 Finanzkontrolle 150 Finanzvorlage 91, 146, 148, 156 Formfehler 109 Fragefassung 99,102 ff., 104 Fragenreihenfolge 102 - 105 ff. Fragenverbindung 102, 107 Fragestunde 39, 67, 79, 89, 137, 142 Frageteilung 78, 96, 103, 104 f., 113 Frageverlesung 96, 105 Fraktion (s. auch Koalitionsfraktionen, Opposition) 27, 28, 35 - 38, 55, 63, 65, 66, 72 - 74, 81, 83, 91, 94, 95, 102, 105, 112, 115, 116, 130, 138, 141, 155, 158, 160, 161, 170 - 172, 176, 182, 183 Fraktionsdisziplin 31, 116 Fraktionsgeschäftsführer 28 Fraktions(mindest)stärke 37 - 39, 71, 72, 75, 77, 81 - 83, 92 - 94, 112, 131, 147, 159, 162 Fraktionsvorsitzender 92, 157 Fraktionsvorstand 65 Freigabe gesperrter Mittel 148, 153 Freiheit 20, 42 Fristen 63 Funktionalität 15, 33, 44 f., 48, 153 ff., 173 Funktionentrennung 59, 154 Funktionenverschränkung 59 Funktionsverlust 28 Gegenprobe 114 Geheimhaltung 26, 28, 30 f., 137, 138, 171 Geheimregistratur 30 Geheimschutzordnung 30 f. Gehör, Recht auf jederzeitiges 74, 76, 78, 80, 82, 86, 87, 148, 162 Gemeinde(verband) 164
188
Sachverzeichnis
Gemeinsamer Ausschuß 49 Gerechtigkeit 41, 53, 54 Geschäftsführer, Parlamentarischer 65 Geschäftsordnung, Abweichung 48, 52, 55, 86, 103, 106, 110 - 112, 114, 119, 134 - Antrag zur so Geschäftsordnungsantrag - Auslegung so Interpretation - Ausnahme durch 46 - Ausstattung mit Rechten durch 55 - Beachtungspflicht bei Ordnungsmaßnahmen 126 - Bemerkungen zur so Bemerkungen - Ermächtigung durch 59, 61, 70, 71, 85 - quasikontinuierliche Wirkung 85 - Regelung durch 15, 26, 37, 62, 64, 66, 67, 70, 71, 74, 76 - 78, 86 - 88, 90, 95, 97, 98, 100, 102, 105, 113, 114, 119, 121 - 123, 127, 131, 133, 135, 140, 146, 150, 157, 160 - 162, 164, 175 - Veränderung durch autonomes Parlamentsrecht 62, 82, 111 Geschäftsordnungsantrag 69, 70, 75, 76, 78, 84, 85, 91, 96, 97, 99, 100, 104, 106, 107, 114, 120, 132, 133, 135, 156 Geschäftsordnungsausschuß 156 Geschäftsplan So Arbeitsplan Gesetz 15, 20, 47, 66, 79, 95, 97, 100, 103, 107, 111, 119, 124, 143, 154, 157, 169, 175 Gesetzentwurf, Gesetzesvorlage 15, 25, 39, 40, 50, 67, 68, 71, 72, 74 - 76, 78, 79, 91, 93, 94, 96 - 99, 102 - 104, 106 - 109, 112, 117, 119, 122, 127, 129, 142, 143, 145, 146, 148, 156, 157, 165, 166 Gesetzesinitiative 157, 158, 166 Gesetzgebung 145 ffo Gesetzgebungsnotstand 72, 97 Gesetzmäßigkeit 54, 121, 128, 146 Gewaltenteilung in der Zeit 57 Gewohnheitsrecht 62, 78, 106, 111, 126 Gleichbehandlung 81 Gleichheit 20, 42 Gliedstaat 53 Goldene Bulle 43 Grundentscheidungen, verfassunggestaltende 20, 53 fo, 81 Grundgesetz so Verfassung Grundrechte 54 guillotine 73 "Hammelsprung" 115 Handlungsstil, politischer 17, 63, 96, 110, 155, 182
Hausfriedensbruch 130 Haushaltsausschuß 146, 148, 150, 153, 154, 156, 160, 163 Haushaltskontrolle 146, 148 ffo Haushaltsplan 62, 63, 96, 148, 160 Haushaltsvorlage 146, 148, 156 Hausrecht 121, 122, 130, 131, 135, 161, 177 Herbeirufung 96, 146 ffo, 150, 154, 162 fo Hinterbänkler 135 Immunität 67, 96, 97, 99, 152, 153, 156 Indemnität 124 Information 20, 21, 23, 24, 26 - 28, 110 Informationssitzung 166 Innenrechtssatz 97, 121, 128, 150 Integration 21 Inter-Organ-Verhältnis so Rechtsverhältnis Interpellation (so auch Anfrage, Große) 146 Interpretation 99, 103, 106, 107, 113, 131, 149, 154, 156, 173 Irrtum 114, 119, 120, 161 Juristische Person 43 Kabinettspolitik, geheime 21 Koalitionsfraktionen (so auch Fraktion) 35, 39, 82, 83, 172 Kommunikation 21 Konkludentes Handeln 133 Kontrolle 21, 51, 146 ffo, 160, 180, 183 Korollartheorie 178 Korporationstheorie 43 Kreation 151 fo Kurverein Vo Rhense 43 Landesregierung 27, 143,158,172 Landesverfassungsgericht (so auch Staatsgerichtshof) 134 Landeswahlleiter 171 Landtag 23, 27, 29, 31, 32, 37, 40, 45, 57, 59, 67, 72 fo, 75, 82, 85, 87, 90, 92 - 94, 97, 98, 101, 104, 109, 111, 112, 114, 115, 119, 121, 122, 125, 127, 128, 130, 133, 134, 138, 142 - 146, 148, 150, 153, 157, 165, 171, 176, 182 Landtagspräsident (so auch Parlamentspräsident) 27, 67, 68, 165, 171 Legitimation 20, 21, 45, 48, 58 Lesung so Beratung Mahnung 83,123 Massenmedien 21, 23, 24, 26, 29, 88 Mehrheit (so auch Zwei-DrittelMehrheit) 41, 49, 55,60,83,160 - absolute 44
Sachverzeichnis doppelt qualifizierte 44, 46, 48 einfache 51, 103, 106 qualifizierte 27, 44, 46 - 48, 51, 52, 116, 120, 174 - relative 44 Mehrheitsbeschluß, -entscheidung 41, 42, 55, 65, 66, 71, 74, 82, 86, 147, 150 Mehrheitsprinzip 16, 40 ff., 49, 52 - 54 Meinung, öffentliche 34 Meinungsfreiheit 17, 123 ff. Minderheit 41, 43, 45, 60, 160, 166 Minderheitenantrag 52, 67, 69, 75, 147, 164, 167 Minderheitenrechte, -schutz 16, 23, 49 ff., 60, 65, 76, 151, 159, 162, 166, 180 - Absicherung 55 - Durchsetzung 55 Minderheitsprinzip 49, 52 ff. Minister, Ministerien (s. auch Regierungsmitglieder, Regierung) 24, 39, 64,67,96,143,148,158 Ministerpräsident 67, 72, 81, 143, 147, 162 Ministerrat 182 Mißbrauch 39, 42, 74, 93, 148 Mißtrauensvotum 47, 69, 72, 97, 98, 101, 119, 146, 154 Mitberatung 165 Mitgliedermehrheit 44 - 49, 51, 101, 102, 116, 161 Mitgliederzahl, gesetzliche 99, 109 Mitteilung, amtliche 69, 76, 136, 137 Mittelbarkeit 32 ff. - doppelte 32, 33 f. - einfache 32 ff., 96, 147 Monarchie 17, 59 Mündlichkeit 16,34 ff. -
Nachrede, üble 124 Nachrichtendienste, Kontrolle 181, 182 Nationalversammlung 1848 157 Nichtöffentlichkeit 26 ff., 137, 138, 172, 173,176 Niederschrift 91, 126, 136 ff., 162, 171 Numerisches Prinzip 40, 45 Öffentlichkeit 16 ff., 30, 32, 48, 102, 110, 132, 145, 149, 151, 155, 171, 176 - Ausschluß der 26 - 28, 47, 137, 176 - Verstoß gegen 23 Offenkundigkeit 117, 177 Ombudsmann 33, 168 Opposition (s. auch Fraktion) 19, 35, 3~ 5~ 51, 81, 8~ 151, 17~ 18~ 184 Ordnung, Begriff 129, 132 Ordnungsmaßnahme 87, 93, 120 ff. - Rechtsbehelf gegen 133 ff.
189
Ordnungsruf 66, 69, 71, 121, 123 ff., 127, 129, 133 f., 161 - mehrfacher 128 Ordnungswidrigkeit 139 Organstreit 45, 74, 135, 148 Organwalteranklage 146 Pairing 115 f. Parlament als Behörde 158 f. Parlamentsautonomie (s. auch Verfahrensautonomie) 59, 61, 119 Parlamentsbeauftragter für den Bürgerschutz 168 Parlamentsfunktionen 18 Parlamentsgebäude 61, 130 Parlamentspräsident (s. auch Bundestagspräsident, Landtagspräsident) 28, 36 - 39, 58, 59, 61, 64, 65, 69, 73, 75 - 79, 81 - 83, 85 - 87, 89, 90, 93, 96, 97, 99 - 104, 106, 107, 110, 113, 115, 117, 120 - 123, 125, 126, 128134, 136 - 140, 156, 157, 165, 182 Parlamentspraxis 59, 62, 67, 70, 74, 78, 80, 87, 89, 91, 92, 104, 105, 108, 112 - 114, 116, 126, 134, 140, 146, 147,157,162, 167, 168, 177 Parlamentsrecht, autonomes 82, 124, 142 Parlamentsverwaltung 131, 136, 140, 169 Parlamentswirklichkeit 51 pars maior, pars sanior 42 f. Partei 26 Parteidisziplin 31 Partizipation 15, 16, 21 Petition 93, 146, 152, 153, 156, 167 ff. Petitionsausschuß 33, 153, 167 ff. Petitionsbehandlung 168 f. Plenarsitzung, -verhandlung 23, 26, 27, 34, 66 Plenum s. Vollversammlung Polizeigewalt 130 Presse s. Massenmedien Pressefreiheit 22, 24 Pressemitteilung 29 Presse- und Informationszentrum 24 Protokoll 91,139 ff., 162, 164, 177 Qualifizierungskoeffizient 44, 47, 48 Quorum 45 Rechnungshof 30, 96, 111, 141, 148, 150, 163, 174 Rechnungsprüfungsausschuß 150 Rechtsakt, innerparlamentarischer 64 Rechtsausschuß 156 Rechtsbehelf s. Ordnungsmaßnahme Rechtsfrieden 54 Rechtsschutz 54
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Sachverzeichnis
Rechtssicherheit 53, 54 Rechtsstaat 20, 53, 54, 56, 125 Rechts- und Amtshilfe 170, 175, 177, 178 Rechtsverhältnis 58, 60, 78, 98, 110, 121, 131, 146, 150, 163, 164 Rechtsverordnung 98,158, 167 Rede 36, 38, 64, 77 ff., 84, 102, 126, 129, 137 - 139, 148 "Redeparlament" 25 f., 34 Rederecht 36, 37, 70, 73, 74, 78, 81, 83, 85, 93, 123, 124, 181 Redezeit 35, 36, 37 ff., 63, 73, 80, 82 ff., 85, 87, 122, 127, 148 Redner 36 - 38, 63, 64, 69, 74, 76, 7880, 83, 101, 121, 123 - 129, 137, 139, 161 Rednerliste 73, 78, 81, 82, 160 Rednerreihenfolge 80 ff. Reduktion, teleologische 48 Regierung (s. auch Bundeskanzler, Bundesminister, Bundesregierung, Landesregierung, Ministerpräsident) 19, 26, 35, 39, 65, 78, 93, 95, 96, 118, 137, 138, 141, 150, 163, 169, 176,180,182 Regierungschef (s. auch Bundeskanzler, Ministerpräsident) 35, 69, 96, 119, 147, 154 Regierungserklärung 76, 139 Reichstag, Heiliges Römisches Reich 43 - 1871 22, 25, 29, 69, 85, 104, 156, 166 - 1919 22, 25, 35, 61, 63, 66, 69, 100, 114, 127, 131 Reichstagspräsident 63, 100 Repräsentation 18, 19, 21, 31, 32, 102, 154, 156 Richter 177, 183, 184 Richteranklage 97 Richterwahlausschuß 98, 111 Richtigstellung 88 Richtlinien der Politik 35 Rüge 121, 123, 126, 134 Ruf zur Ordnung s. Ordnungsruf - zur Sache s. Sachruf Rundfunk s. Massenmedien Saalmikrofon 39 Sachentscheidung 48,51 - 53, 74, 82, 96 Sachregister 142 Sachruf 121, 122 f., 127, 134, 135, 161 - mehrfacher 123, 128 Sachverhalt, freie Würdigung 182 Sachverstand 42, 177 Sachverständiger 177 Sachzusammenhang 63, 69, 80, 89, 102, 147, 156 Sammelantrag 156 Sammelübersicht 168 f.
Schluß der Beratung s. Beratung - der Sitzung s. Sitzung Schlußabstimmung 76, 95, 96, 98, 101, 103, 104, 109, 112, 117, 119, 146 Schlußberatung 171 Schlußbericht 52, 180 Schlußwort 74, 82, 86, 93 "Schöffenliste" 183 f. Schriftform 64, 90, 93, 134, 171 Schriftführer 78,114,139, 140 Schwabenspiegel 43 Schweigen als Billigung 36, 122 Selbstbefassung 152, 156 ff. Selbstversammlungsrecht 58, 60, 61 Senat(smitglied) s. Regierung(smitglied) Sitzordnung 35 Sitzung 75, 84, 87, 96, 97, 126, 134, 147 - Aufhebung 65, 85, 101, 121, 122, 132 f. - Ausschluß von der 66, 71, 92, 121, 129 ff., 134 - Einberufung 101 - gemeinschaftliche informatorische 165 - Schluß 59, 61, 73, 77, 85, 96,133 - Unterbrechung 85, 101, 121, 122, 130, 132 f., 161, 176 - Vertagung 73, 77, 87, 96, 101, 113, 133,176 - Wiederbeginn 58, 59, 61, 130, 133 Sitzungsablauf 137 - 139 Sitzungsbericht s. Niederschrift Sitzungsöffentlichkeit 18, 21, 22 f., 148, 149, 155 Sitzungsort 61 Sitzungsperiode 25, 62 f. Sitzungssaal 45, 98, 100, 101, 111, 114, 115,121 Sitzungstag 65 f., 70, 130, 140 Sitzungsteilnehmer 31 - andere 120 - 122, 131 f., 139, 142 Sitzungstermin 65, 77, 101, 113, 133, 159 Sitzungsvorstand 100 Solidaritätsprinzip 54 Sonderausschuß 34 Sondervotum 175, 179 Sozialstaat 53, 54 Spannungsfa1l47 Sperrminorität 51, 72, 73 Sperrvermerk 149, 158 Spitzenverband, kommunaler 164 Sprechfehler 136 Sprechregister 142 Staatsanwaltschaft 96 Staatsform, Staatsziele s. Grundentscheidungen, verfassunggestaltende, Bundesstaat, Demokratie, Rechtsstaat, Sozialstaat
Sachverzeichnis Staatsgerichtshof (s. auch Landesverfassungsgericht) 30, 112, 162, 174 Staatssekretär 147 Staatsvertrag 167 Stellungnahme, abschließende 74 Stenographischer Bericht s. Niederschrift Stenographischer Dienst s. Dienst Stillschweigen 66 Stimmenauszählung 113 Stimmengleichheit 43, 45 Stimmenthaltung 47, 102, 110 - 112 Stimmenzählung 100, 101, 109, 114 f., 115,117 Stimmzettel, verdeckter 109, 111, 172 Strafprozeß 15, 174, 177, 181, 182, 184 Strategie, s. Handlungsstil, politischer Streichungsantrag 106 - 108 Strukturwandel der Öffentlichkeit 19 ff. Subsidiaritätsprinzip 54 Subsumtion 103 Tagegeld 131 Tagesordnung 33, 59, 62 ff., 76, 84, 86, 88 - 90, 92, 96, 97, 101, 113, 133, 137, 146, 156, 159, 161 - Ablauf 62, 63, 68 ff. - Änderung 69, 71 - Antrag zur 64 - Aufstellung 63, 64, 65 f., 68, 70 - durchlaufende 62, 66, 70 - Ergänzung 65, 72 - Festsetzung 62, 64 ff. - Feststellung 63 - 65, 66 ff., 70 - 72 - Rechtsnatur 62 ff., 68 - übergang zur 69, 70, 96, 105 f., 169 - verbundene 62, 65 Tagesordnungsperiode 63, 66, 70 Tagesordnungspunkt 38, 63, 68, 69, 71,76,77,87,95,96,128,137 - Absetzung 65, 68, 71 - 73, 75 - Aufsetzung 65, 68 - 72, 96 - Aufruf 75, 76 Tagesordnungspunkte, Beratung außerhalb der Tagesordnung 71 - Reihenfolge 69 - Umstellung 65, 68, 71 - 73 Taktik s. Handlungsstil, politischer Transformation 121 Transparenz 15, 16, 20, 29, 32, 33, 110, 173 Treu und Glauben 56 Vberraschungsantrag 65 übertragung s. Delegation Unaufschiebbarkeit 59, 60 Unmittelbarkeit 16, 31 ff., 182 Unrichtigkeit, offenbare 118, 139 Unruhe, störende 132 f.
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Unterausschuß 34, 98, 150, 152, 156, 158,174,177,183 Unterrichtung 158, 176 Untersuchung 146, 179 - vorbereitende 176 Untersuchungsausschuß 52, 67, 69, 72, 97, 151, 154, 156, 163, 169 - 171, 174 ff. - Einsetzung 176 - Verfahrensgesetz 179, 181 Untersuchungsverfahren 52, 175 ff., 179 ff. Unverruckbarkeit 108, 117, 119, 161 Urlaub 131, 137 Verantwortungsfreiheit 24 Verbalinjurie 125 Verband 24 Vereinbarung 33, 65, 82, 133 - interfraktionelle 64, 66, 68, 79, 83, 111,116 Verfahrensautonomie (s. auch Parlamentsautonomie) 95, 176 Verfahrensentscheidung 48, 51 - 53 Verfahrensfehler 118, 120 Verfahrenskonzentration 74, 122 Verfassung 15, 44, 46 - 48, 55, 57, 61, 97, 98, 102, 107, 110, 111, 119, 148, 149, 152, 154, 157, 162, 175 Verfassungsänderung 47,112, 156 Verfassungsstaat 17 Verhältnismäßigkeit 30, 31, 83, 128130, 132, 133, 158 Verhältniswahl 172 Verhandlungsablauf, ungestörter 83 Verhandlungsgrundsätze 15 ff. Verhandlungskreislauf 63 f. Verhandlungsstil 35, 84 Vermittlungsausschuß 69, 70, 88, 98, 103 Verordnung s. Rechtsverordnung Verschlußsache 30 f. Verschwiegenheit 172, 175, 182 Vertagung (s. auch Beratung, Sitzung) 61, 65 Vertagungsantrag 76 f. Verteidigungsausschuß 146, 147, 150, 151, 154, 156, 179 Verteidigungsfa1l48 Vertrag über politische Beziehungen oder Gegenstand der Bundesgesetzgebung 95 Vertrauensentzug 67 Vertrauensfrage 47,96,98,101 Vertrauensschutz 54 Vertraulichkeit 26, 28, 29 - 31, 138 Verwaltungsprozeß 15, 183 f. Verwaltungsverfahren 15, 158 f., 178 Verwirkung 89 Vielparteienstaat 35
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Sachverzeichnis
Volkssouveränität 59, 61 Vollversammlung 22, 25, 26, 28, 29, 31 - 34, 37, 40, 48, 50, 57 ff., 145, 147 - 149, 152 - 162, 165 - 167, 169, 170,173,175,179 Vorlage 15, 37 - 39,73 Vorprüfung 170, 171 Vorstand 58, 68, 78,114 Vortrag, freier 36, 37, 161 Voruntersuchung 169, 181, 182 Wahl 46 - 49, 57 - 59, 66, 69, 79, 98, 101, 111, 11~ 154, 16~ 171 Wahlmännerausschuß 29, 47, 48, 98, 147, 151, 153, 162, 167, 171, 172ff., 177 Wahlperiode 57, 127, 142, 164, 167, 169,173 Wahlprüfung 47 Wahlprüfungsausschuß 147, 154, 162, 167, 170 f., 172, 177 Wahlprüfungsgericht 171 Wehrbeauftragter 98, 111, 131, 147, 150, 151, 168 Wehrkontrolle 146, 150 f. Widerspruch 69 - 71, 73, 140, 156, 180 Willensbildung, Recht auf freie 102 Wortentziehung 36, 37, 83, 121 - 123, 126, 127 H., 134 Wortergreifung 82, 123 Worterteilung 38, 73, 74, 77 H., 81, 85 - 87, 89, 104, 123, 135, 160, 161, 171
Wortmeldung 73, 77 H., 81, 85, 87, 160 - Abtretung 78 - Form 78 Wort zur Geschäftsordnung s. Bemerkung - zur Sache 76, 85 Würde des Parlament 124, 132 Zensur 22, 24 Zentralstaat 53 Zeuge 174, 175, 177, 178, 181, 182 Zollvorlage 66, 71 Zuhörer 26, 28, 121, 122, 131 f. Zuhörertribüne 130, 132 Zumutbarkeit 158 Zurechnung 41, 43, 45, 60 "Zur Sache" 24 Zusammentritt 57,173 Zusatzantrag s. Antrag, ergänzender Zusatzfrage 79, 80, 128 Zutrittsrecht 23, 26, 147 f., 150, 162, 171, 172, 177, 181 Zwangsmittel 177 Zweckmäßigkeit 52 f. Zwei-Drittel-Mehrheit 22, 26, 48, 51, 52, 73, 95, 97, 101, 106, 112, 119, 130, 138, 176 Zwischenbericht 167, 179 Zwischenfrage 37 - 39, 78 H., 83, 86, 137 Zwischenruf 39, 86, 123, 125, 126, 129, 132, 137, 139