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German Pages 380 Year 2015
Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 86
Die Mitwirkung der Hauptversammlung bei der Ausübung der Personalkompetenz durch den Aufsichtsrat Überlegungen de lege lata und de lege ferenda zur Beteiligung der Aktionäre an der Bestellung, dem Widerruf der Bestellung, der Festsetzung der Vorstandsvergütung und der sonstigen Ausgestaltung des Anstellungsvertrags
Von
Philipp Otto Neideck
Duncker & Humblot · Berlin
PHILIPP OTTO NEIDECK
Die Mitwirkung der Hauptversammlung bei der Ausübung der Personalkompetenz durch den Aufsichtsrat
Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen
Band 86
Die Mitwirkung der Hauptversammlung bei der Ausübung der Personalkompetenz durch den Aufsichtsrat Überlegungen de lege lata und de lege ferenda zur Beteiligung der Aktionäre an der Bestellung, dem Widerruf der Bestellung, der Festsetzung der Vorstandsvergütung und der sonstigen Ausgestaltung des Anstellungsvertrags
Von
Philipp Otto Neideck
Duncker & Humblot · Berlin
Der Fachbereich Rechtswissenschaften der Universität Osnabrück hat diese Arbeit im Jahre 2014 als Dissertation angenommen.
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Für meine Eltern, Ulrike und Otto
Vorwort Die vorliegende Arbeit ist vom Fachbereich Rechtswissenschaften der Universität Osnabrück im Sommersemester 2014 als Dissertation angenommen worden. Das Manuskript wurde im November 2013 fertiggestellt. Für die Druckfassung konnten Rechtsprechung und Literatur sowie gesetzgeberische Initiativen bis Ende Oktober 2014 berücksichtigt werden. Anlass zu der vorliegenden Untersuchung hat das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung aus dem Jahr 2009 gegeben. Durch die Einführung des § 120 Abs. 4 AktG wurde der Hauptversammlung börsennotierter Aktiengesellschaften erstmals die Möglichkeit eingeräumt, einen unverbindlichen Beschluss über das vom Aufsichtsrat in der Vergangenheit verwendete System zur Vergütung der Vorstandsmitglieder zu fassen. Seitdem wird in Wissenschaft und Praxis nicht nur kontrovers diskutiert, ob man durch ein derartiges Votum überhaupt die Gehälter von Geschäftsleitern effektiv begrenzen kann, sondern auch ganz allgemein, in welchem Umfang man den Aktionären ein Einwirken auf die Gesellschaftsangelegenheiten erlauben sollte. Ziel dieser Arbeit ist es, zu dieser sehr aktuellen Frage Stellung zu nehmen, aber auch eine Erweiterung der Diskussion um Mitwirkungsrechte der Hauptversammlung auf die sonstigen Bereiche der vom Aufsichtsrat ausgeübten Personalkompetenz anzuregen. Der Abschluss dieser Dissertation ist eine hervorragende Gelegenheit, denen Dank auszusprechen, die mich auf diesem Weg begleitet haben. Mein Dank gilt zuallererst meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Andreas Fuchs, der die Entstehung dieser Arbeit von der Themenfindung bis zur Drucklegung durchgängig betreut und zügig das Erstgutachten fertiggestellt hat. Darüber hinaus hat er mir die Gelegenheit gegeben, an seinem Lehrstuhl sowie am Institut für Mittelstandsfragen an der Universität Osnabrück mitzuarbeiten. Diese Zeit hat mich persönlich wie auch die vorliegende Arbeit wesentlich geprägt. Herrn Professor Dr. Hans-Jürgen Ahrens bin ich sehr dankbar für die kurzfristige Erstellung des Zweitgutachtens. Den Herren Professoren Dr. Holger Fleischer, Dr. Hanno Merkt und Dr. Gerald Spindler bin ich verbunden für die Aufnahme in diese Schriftenreihe. Beeinflusst wurde die vorliegende Arbeit auch von meinem Master-Studium an der University of Aberdeen in Schottland, welches dankenswerterweise vom CB Davidson Fund finanziell bezuschusst wurde. Gewidmet ist diese Arbeit meinen Eltern, Ulrike und Otto Neideck, die mich in jeder Lebenslage gefördert und unterstützt haben. Darüber hinaus haben insbesondere meine Kolleginnen und Kollegen an der Universität Osnabrück sowie
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Vorwort
meine Freundinnen und Freunde die Dissertationszeit zu einer positiven Erfahrung gemacht. Ein besonderer Dank gilt abschließend aber meiner Ehefrau Brigitte, die mich insbesondere in der Endphase der Promotion beständig motiviert hat und immer für Diskussionen zur Verfügung stand. Ihr Beistand hat wesentlich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Osnabrück, im Oktober 2014
Philipp Otto Neideck
Inhaltsverzeichnis § 1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Einführende Überlegungen und Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Beschreibung des Forschungsgegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Kapitel Grundlagen § 2 Die konzeptionelle Ausrichtung der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Gesetzliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Unmittelbare Wertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fortgeltung der Gemeinwohlklausel aus § 70 Abs. 1 AktG 1937 . . 3. Stakeholder Bindung auf Grund von Verfassungsvorgaben . . . . . . . II. Mittelbare Wertungen und institutionelle Überlegungen . . . . . . . . . . . . 1. Ausgestaltung der Aktionärsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Institutionalisierte Beteiligung der Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . a) Zweitstimme des Aufsichtsratsvorsitzenden und Wahlmodus . . b) Die Rolle der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat . . . . . . . . . 3. Vergleich mit sonstigen Interessengruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Das „Unternehmen“ als Bezugspunkt für eine interessenplurale Ausrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Bestimmung der Aktionärsinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Konkretisierung der Aktionärsinteressen durch die Aktionäre . . . . . . . II. Aktionärsinteressen als generelle Handlungsmaxime . . . . . . . . . . . . . . III. Verhältnis zu anderen Interessengruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Ansätze in der Rechtsprechung zur Bestimmung aktienrechtlicher Zielvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Beurteilung der konzeptionellen Ausrichtung der Aktiengesellschaft und Untersuchung von möglichem Reformbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Beteiligung an der unternehmerischen Organisation . . . . . . . . . . . II. Faktorspezifität und die Möglichkeit vertraglicher Absicherung . . . . .
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Inhaltsverzeichnis III. Vergleich der einzelnen Interessengruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Investitionen der Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Investitionen der Allgemeinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Investitionen der Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Investitionen der Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Investitionen des Managements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
§ 3 Die Bedeutung der Personalkompetenz als Kontroll- und Steuerungsmechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Konfliktpotential im Verhältnis Vorstandsinteressen zu Aktionärsinteressen I. Homo oeconomicus und methodologischer Individualismus . . . . . . . . . II. Stewardship theory und Kritik am methodologischen Individualismus III. Mögliche Auswirkungen für die Personalkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . IV. Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Vorstandsmitglied als homo oeconomicus oder steward . . . . . . 2. Die Gefahr kognitiver Fehlvorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schlussfolgerungen für die weitere Untersuchung und Ausführungen zur Bedeutung der Personalkompetenz im Binnenrecht der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Konsequenzen für die Vorstandsvergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vergütung und Anreizwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Monetäre Anreizwirkung vor dem Hintergrund komplexer Interessen des Individuums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Monetäre Anreizwirkung und Sättigungseffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Generelle Überlegungen zur Ausgestaltung von anreizorientierter Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kosten-Nutzen Analyse von anreizorientierter Vergütung und mögliche Alternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Kapitel Die Personalkompetenz de lege lata § 4 Die Ausübung der Personalkompetenz durch den Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . A. Schwierigkeiten bei der Ausübung der Personalkompetenz durch den Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Agenturbeziehung zwischen Aktionären und Aufsichtsrat . . . . . . . II. Aufsichtsratstätigkeit und Arbeitsbelastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Loyalitätsverhältnis auf Grund gemeinsamer Aufgabenwahrnehmung IV. Das Motivationsgefälle zwischen Vorstand und Aufsichtsrat . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
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V. Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Möglichkeit der Professionalisierung der Aufsichtsratstätigkeit . . . . . . . . . I. Darstellung der aktuellen Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Regulierung der Personalkompetenz durch materielle Vorgaben in Gesetz und DCGK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vorgaben für die Festsetzung der Vorstandsvergütung . . . . . . . . . . . . . . II. Sonstige Vorgaben für die Ausübung der Personalkompetenz . . . . . . . III. Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 5 Die Beteiligung der Hauptversammlung an der Ausübung der Personalkompetenz de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Vollständige Übertragung einzelner Regelungsbereiche auf die Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Zulässigkeit von Vorgaben in der Satzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Statutarische Vorgaben für den Widerruf der Bestellung . . . . . . . . . . . II. Statutarische Vorgaben für die Bestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Statutarische Vorgaben für die Festsetzung der Vorstandsvergütung . . 1. Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Statutarische Vorgaben für die sonstige vertragliche Ausgestaltung . . V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Gesetzliche Rechte der Hauptversammlung mit Bezug zur Personalkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung nach § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Abstimmung über das System zur Vergütung der Vorstandsmitglieder 1. Allgemeine Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bestimmung des Abstimmungsgegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auswirkungen der DCGK Novelle 2013 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Inhaltliche Initiativrechte der Hauptversammlung im Rahmen des § 120 Abs. 4 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis 2. Gerichtliche Nachprüfbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausschluss der Anfechtungsklage nach § 243 AktG und Überlegungen zum Beschlussmängelrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zulässigkeit einer Nichtigkeitsklage nach § 249 AktG . . . . . . . . c) Verfassungsrechtliche Bedenken und Zulässigkeit einer Feststellungsklage nach § 256 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beurteilung des § 120 Abs. 4 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Mitwirkung bei der Auflage echter und virtueller Aktienoptionspläne 1. Bedingte Kapitalerhöhung nach §§ 192 Abs. 2 Nr. 3, 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anforderungen an die Kapitalerhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anforderungen an die Einräumung der „nackten Optionen“ an den Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Verhältnis von § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG zu § 221 Abs. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedingte Kapitalerhöhung nach §§ 192 Abs. 2 Nr. 1, 221 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Genehmigtes Kapital nach § 202 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anforderungen an die Kapitalerhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anforderungen an die Einräumung der Bezugsrechte an den Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ankauf von eigenen Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anforderungen an Erwerb und Veräußerung nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anforderungen an die Einräumung der Bezugsrechte an den Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Verhältnis von § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG zu § 221 AktG . . . . d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Drittprogramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Auflage virtueller Aktienoptionspläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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7. Initiativrechte der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 8. Beurteilung der Mitwirkungsmöglichkeiten der Aktionäre bei der Auflage echter und virtueller Aktienoptionspläne . . . . . . . . . . . . . . 157 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 3. Kapitel Grundsätzliche Überlegungen zur Aktionärsdemokratie § 6 Die Entscheidungsfindung in der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Überlegung zur kollektiven Entscheidungsfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeine Schwierigkeiten bei Gruppenentscheidungen . . . . . . . . . . 1. Entscheidungsfindungsprozess und Aktionärsstruktur . . . . . . . . . . . a) Die Bedeutung von Großaktionären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mitberücksichtigung von Kleinaktionärsinteressen durch aktive Großaktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Austritt als Alternative zur aktiven Beteiligung . . . . . . . . . . . . . 3. Die Beurteilungsfähigkeiten von Kleinaktionären . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Bedeutung von hohen Beteiligungsquoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beteiligungsquoten und demokratische Legitimation . . . . . . . . . . . . 2. Die Gefahr von Zufallsmehrheiten und der Überrepräsentanz von Großaktionären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Reformbedarf bei der unmittelbaren Stimmrechtsausübung . . . . . . . . . 1. Finanzielle Incentivierung zur Abstimmungsteilnahme . . . . . . . . . . 2. Die Abkehr von der Hauptversammlung als Präsenzveranstaltung IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Auswirkungen von Stimmrechtsvertretung und Stimmrechtsberatung . . . . I. Das Vollmachtstimmrecht der Kreditinstitute nach § 135 AktG . . . . . . II. Das Verwaltungsstimmrecht nach § 134 Abs. 3 Satz 5 AktG . . . . . . . . III. Die professionelle Stimmrechtsberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Einflussnahmemöglichkeiten der Verwaltungsorgane . . . . . . . . . . . . . . . I. Einschätzungsprärogative der Verwaltung und strategische Behinderung von Aktionärsinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Die Gefahr von Abstimmungsrelativitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Die Bedeutung von framing Effekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
160 160 160 160 162 165 166 167 169 171 171 172 172 174 175 175 176 179 179 180 181 184 185 191 191 192 194 197 197 199 201
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Inhaltsverzeichnis I.
Ausführungen zur grundsätzlichen Bedeutung von Aktionärsstimmrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Konsequenzen für einzelne Aktionärskompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Dogmatische Überlegungen als Beurteilungsmaßstab . . . . . . . . . . . . 2. Ökonomische Überlegungen als Beurteilungsmaßstab . . . . . . . . . . . 3. Institutionelle Überlegungen als Beurteilungsmaßstab . . . . . . . . . . . 4. Spezifische Wirkungsweise einer Aktionärsbeteiligung als Beurteilungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Möglichkeit einer flexiblen Einwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Disziplinierung durch Reputationsschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Besonderheiten bei Satzungsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 7 Rechtspraktische Überlegungen zur Beteiligung der Hauptversammlung . . A. Organisationsaufwand und zeitlicher Rahmen der Hauptversammlung . . . . I. Die rechtliche und tatsächliche Ausgestaltung der Hauptversammlung II. Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Der Ablauf einer Hauptversammlung und Grenzen einer möglichen Befassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
201 203 203 204 205 206 206 207 210 210 214 214 215 215 216 219 221
4. Kapitel Aktionärsbeteiligung und Personalkompetenz § 8 Aktionärsbeteiligung im Bereich der Vorstandsvergütung . . . . . . . . . . . . . . . A. Allgemeine Überlegungen zur Beteiligung der Aktionäre im Bereich Vorstandsvergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Dogmatische Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zwingende Zuweisung an den Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zwingender Ausschluss der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwingende Beteiligung der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ökonomische Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Direkte und indirekte Auswirkungen der Vorstandsvergütung . . . . . 2. Transaktionskosten einer informierten Entscheidung . . . . . . . . . . . . 3. Ökonomische Überlegungen und Aktionärsinteressen . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Institutionelle Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedeutung der Aktionärsinteressen für die Festsetzung der Vorstandsvergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
223 223 223 223 224 226 227 228 228 229 231 233 235 236 236
Inhaltsverzeichnis 2. Auswirkungen einer Aktionärsbeteiligung auf andere Interessengruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Spezifische Wirkungsweise einer Aktionärsbeteiligung . . . . . . . . . . . . 1. Notwendigkeit einer flexiblen Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Disziplinierung durch Reputationsschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Aktionärsbeteiligung im Bereich Vorstandsvergütung . . . . . . . . . . . 2. Rechtspraktische Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Ausgestaltung von einfachen Abstimmungskompetenzen mit Bezug zur Vorstandsvergütung und abschließende Bewertung des § 120 Abs. 4 AktG I. Adressatenkreis einer Aktionärsbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bestimmung des Abstimmungsgegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abstimmungsgegenstand und Abstimmungszeitpunkt . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rückschaufehler bei einer nachträglichen Bewertung . . . . . . . . c) Letztverantwortlichkeit des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Notwendige Angabe für eine Abstimmung über ein Vergütungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Notwendigkeit eines inhaltlichen Initiativrechts auf Seiten der Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verbindlichkeit des Abstimmungsergebnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unmittelbare Auswirkungen einer Verbindlichkeitserklärung . . b) Verhinderung von Missbräuchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Notwendigkeit eines Ermessensspielraums auf Seiten des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtspraktische Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Nichtbefolgung einzelner Vorgaben durch den Aufsichtsrat . . . b) Rechtsfolgen einer ablehnenden Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Verpflichtende Durchführung der Abstimmung und Abstimmungsturnus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Mehrheitserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Das Bedürfnis nach ergänzenden Satzungsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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238 240 240 240 241 243 243 243 245 247 247 250 252 252 254 255 256 258 261 262 264 265 265 267 267 268 269 270 271 272 273 277 278 280 282
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Inhaltsverzeichnis
§ 9 Aktionärsbeteiligung im Bereich der sonstigen Bestandteile des Anstellungsvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Allgemeine Überlegungen zur Beteiligung der Aktionäre im Bereich der sonstigen Bestandteile des Anstellungsvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Dogmatische Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ökonomische Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Direkte und indirekte Auswirkungen der sonstigen Bestandteile des Anstellungsvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gefahr und Auswirkung von Defiziten bei der Vertragsgestaltung und Bestimmung der Transaktionskosten einer informierten Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Konfliktträchtigkeit des Regelungsbereiches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Institutionelle Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Spezifische Wirkungsweise einer Aktionärsbeteiligung . . . . . . . . . . . . . V. Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 10 Aktionärsbeteiligung im Bereich der organschaftlichen Bestellung und beim Widerruf der Bestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Allgemeine Überlegungen zur Beteiligung der Aktionäre im organschaftlichen Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Dogmatische Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zwingende Zuweisung des organschaftlichen Entscheidungsprozesses an den Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Verbindung von organschaftlicher Personalauswahl und der Festsetzung der Vorstandsvergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ökonomische Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Direkte und indirekte Auswirkungen der organschaftlichen Personalauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Transaktionskosten einer informierten Entscheidung . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Institutionelle Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedeutung der Aktionärsinteressen für die organschaftliche Personalauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auswirkungen auf andere Interessengruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Spezifische Wirkungsweise einer Aktionärsbeteiligung . . . . . . . . . . . . . 1. Notwendigkeit einer flexiblen Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Disziplinierung durch Reputationsschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
283 283 286 287 287
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Inhaltsverzeichnis
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B. Aktionärsbeteiligung bei der Bestellung von Vorstandsmitgliedern . . . . . . I. Das Bedürfnis nach einfachen Abstimmungskompetenzen mit Bezug zur Bestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Bedürfnis nach Satzungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Qualifikationskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kriterien zur Sicherung des Einflusses bestimmter Aktionärsgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sozialpolitische Kriterien (am Beispiel der so genannten Frauenquote) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das Bedürfnis nach einem Bericht über die Personalpolitik . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Aktionärsbeteiligung beim Widerruf der Bestellung von Vorstandsmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Bedürfnis nach einfachen Abstimmungskompetenzen mit Bezug zum Widerruf der Bestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausgestaltung von Abstimmungskompetenzen mit Bezug zum Widerruf der Bestellung und abschließende Beurteilung des § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Adressatenkreis einer Aktionärsbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bestimmung des Abstimmungsgegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verbindlichkeit des Abstimmungsergebnisses . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verbindlichkeit und Aufsichtsratshaftung . . . . . . . . . . . . . . . bb) Notwendigkeit eines Ermessensspielraums auf Seiten des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Beurteilung und rechtspraktische Umsetzung . . . . . . . . . . . d) Mehrheitserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Bedürfnis nach ergänzenden Satzungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
310 311 314 315 317 318 321 321 322 322 322
325 326 326 327 328 329 330 331 333 333 334
5. Kapitel Ergebnis und Zusammenfassung
336
§ 11 Zusammenfassung in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 § 12 Einordnung der Untersuchungsergebnisse und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . 338 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369
Abkürzungsverzeichnis a. A. ABl. AcP AG AktG Aktionärsrechterichtlinie
ARUG Aufl. BB BeckRS Begr. BGB BGBl BGH BGHSt BGHZ BilMoG BKR BR-Drucks. BT-Drucks. BVerfG BVerfGE CCZ CDU CEO CSU D&O Versicherung DB DCGK DrittelG DStR EG
andere Ansicht Arbeitsblatt Archiv für die civilistische Praxis Aktiengesellschaft (Rechtsform)/Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) Aktiengesetz Richtlinie 2007/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie Auflage Betriebs-Berater (Zeitschrift) Beck-Rechtsprechung Begründer Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Deutscher Bundesrat – Drucksachen Deutscher Bundestag – Drucksachen Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Corporate Compliance Zeitschrift Christlich Demokratische Union Deutschlands Chief Executive Officer Christlich-Soziale Union Directors and Officers Versicherung Der Betrieb (Zeitschrift) Deutscher Corporate Governance Kodex Gesetzes über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Europäische Gemeinschaft
Abkürzungsverzeichnis
19
Entwurf zur Änderung der Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen ParlaAktionärsrechterichtlinie ments- und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2007/ 36/EG im Hinblick auf die Förderung der langfristigen Einbeziehung der Aktionäre sowie der Richtlinie 2013/34/ EU in Bezug auf bestimmte Elemente der Erklärung zur Unternehmensführung EU Europäische Union EuGH Europäischer Gerichtshof EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Fn. Fußnote FS Festschrift GG Grundgesetz GmbHR Die GmbH-Rundschau (Zeitschrift) GWR Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) HGB Handelsgesetzbuch Hrsg. Herausgeber i. d. F. in der Fassung JZ Juristen Zeitung Kapitalrichtlinie Richtlinie 2012/30/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 54 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten KonTraG Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich MitbestG Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer MontanMitbestG Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie m.w. N. mit weiteren Nachweisen NaStraG Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung NJW Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Nr. Nummer NZG Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht OLG Oberlandesgericht RegE Regierungsentwurf Rn. Randnummer/Randnummern Rs. Rechtssache S. Seite
20 Slg. SPD u. a. UMAG USA VorstAG VorstKoG
VorstOG WM ZGR ZHR ZIP ZRP
Abkürzungsverzeichnis Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts Erster Instanz Sozialdemokratische Partei Deutschlands und andere Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts Vereinigte Staaten von Amerika Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung Gesetz zur Verbesserung der Kontrolle der Vorstandsvergütung und zur Änderung weiterer aktienrechtlicher Vorschriften Gesetz über die Offenlegung der Vorstandsvergütungen Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Rechtspolitik
§ 1 Einführung A. Einführende Überlegungen und Problemstellung „The director of [joint stock] companies, however, being the managers rather of other people’s money than of their own, it cannot well be expected, that they should watch over it with the same anxious vigilance with which the partners in a private copartnery frequently watch over their own. Like the stewards of a rich man, they are apt to consider attention to small matters as not for their master’s honour, and very easily give themselves a dispensation from having it. Negligence and profusion, therefore, must always prevail, more or less, in the management of the affairs of such company.“ 1
Mit diesen knappen Ausführungen hat der schottische Ökonom Adam Smith bereits 1776 ein Problem herausgearbeitet, welches Wissenschaft und Praxis bis zum heutigen Tag beschäftigt. Dabei ist weniger überraschend, dass Adam Smith diese Feststellung ohne Rückgriff auf komplizierte psychologische oder organisationstheoretische Erklärungsansätze gelang, sondern vielmehr die Tatsache, dass noch immer kein zufriedenstellender Lösungsansatz herausgearbeitet wurde. Die Frage nach der angemessenen Verwendung von Gesellschaftsmitteln stellt sich in Deutschland insbesondere bei der Aktiengesellschaft. Bei dieser ist das weitgehend zwingende Binnenrecht strukturell auf einen großen, anonymen Gesellschafterkreis ausgerichtet. Die Aktiengesellschaft ermöglicht somit, das Kapital vieler Einzelner zu konzentrieren.2 Die Konsequenz ist aber, dass häufig nicht die zahlreichen Gesellschafter, auch Aktionäre genannt, sondern spezialisierte Dritte das operative Geschäft übernehmen. Drei Pflichtorgane sieht das deutsche Aktienrecht dabei vor. In der Hauptversammlung kommen die Eigenkapitalgeber zusammen, um Entscheidungen über grundlegende Angelegenheiten zu treffen. Der Vorstand übernimmt die Geschäftsführung und die Vertretung nach außen. Es ist demnach dieses Organ, welches in den meisten Fällen unmittelbar über die Verwendung des Gesellschaftsvermögens entscheidet. Der Aufsichtsrat wiederum überwacht und berät den Vorstand. Diesem Aufbau liegt die Überlegung zugrunde, dass es den Aktionären an Interesse und Fähigkeiten mangelt, um sich vertieft mit gesellschaftsrelevanten Fragestellungen zu beschäftigen.3 Die feh1 Smith, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations (Reprint), Volume IV, S. 124. 2 Habersack, in: MünchKommAktG, Einleitung Rn. 5; Hoffmann-Becking, ZHR 170 (2006), 2, 7; Pleßke, Die Satzungsstrenge im Aktienrecht, S. 51. 3 Ähnlich Hoffmann-Becking, ZHR 170 (2006), 2, 7.
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lende Kontrolle soll durch den Aufsichtsrat ausgeglichen werden, der sich je nach Größe der Gesellschaft aus Vertretern der Gesellschafter und Arbeitnehmer zusammensetzt. Zweifelsohne entlastet diese Überwachung in der Praxis die Hauptversammlung, wirft aber auch zusätzliche Fragen auf. Wie beim Vorstand muss etwa auch beim Aufsichtsrat sichergestellt werden, dass die einzelnen Organmitglieder ihre Tätigkeit pflichtgemäß ausführen. Schon seit geraumer Zeit wird die ordnungsgemäße Verwendung der Gesellschaftsmittel im nationalen wie im internationalen Kontext mit besonderem Nachdruck vor dem Hintergrund der Bezüge für die Geschäftsleitung diskutiert.4 Diese werden im deutschen Recht nach § 87 Abs. 1 AktG vom Aufsichtsrat festgesetzt. Die besondere Aufmerksamkeit von Wissenschaft, breiter Öffentlichkeit und Politik hat dabei verschiedene Gründe. Erstens stehen die absoluten Vergütungshöhen in der Kritik. Teilweise ist sogar von pharaonenhaften Bezügen gesprochen worden.5 Laut der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger erhielten die Vorstandvorsitzenden der DAX30-Unternehmen im Geschäftsjahr 2013 durchschnittlich 5.228.896 Euro, sonstige Vorstandsmitglieder durchschnittlich 2.604.554 Euro.6 Die höchste Individualvergütung wurde in diesem Jahr an den Vorstandsvorsitzenden der Volkswagen AG gezahlt, etwa mehr als 15 Millionen Euro.7 Für sich genommen schon beeindruckende Summen, die aber von den Vergütungshöhen gerade im US-amerikanischen Ausland noch übertroffen werden. Im Jahr 2010 etwa lag die durchschnittliche Vergütung eines CEO bei einem im Standard & Poor’s 500 Index gelisteten Unternehmen bei 9.4 Millionen US-Dollar.8 Im Steuerjahr 2009 bezog allein der CEO der McKesson Corporation, einem in der Gesundheitsbranche tätigen Unternehmen, etwas über 54.5 Millionen US-Dollar.9 Dennoch dürften die Zeiten, als deutsche Vorstandsmitglieder im internationalen Umfeld als „unterbezahlt“ bezeichnet wurden,10 endgültig vorbei sein. Darüber hinaus ist das stetige Wachstum Gegenstand der Diskussion. Im Jahr 1987 betrug die durchschnittliche pro Kopf Vorstandsvergütung in einem DAX30-Unternehmen umgerechnet 439.000 Euro.11 Im Jahr 2007 lag diese bei 2.964.000 Euro, was einer 675%-Steigerung entsprach.12 Während die durch4
Aufschlussreich dazu Murphy, in: Handbook of Labor Economics, S. 2485, 2486. Peltzer, NZG 2009, 1041, 1044. 6 Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger, Vergütungsstatistik DAX-Vorstände, Stand: 12.06.2014. 7 Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger, Vergütungsstatistik DAX-Vorstände, Stand: 12.06.2014. 8 Kolb, Too Much is not Enough, S. 3–4. 9 Kolb, Too Much is not Enough, S. 7. 10 So noch Zeidler, NZG 1998, 789 m.w. N. 11 Schwalbach, Vergütungsstudie 2011, S. 185. 12 Schwalbach, Vergütungsstudie 2011, S. 185. 5
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schnittliche Vergütung eines Vorstandsvorsitzenden in Deutschland 1987 noch das 14-fache eines Angestellten des jeweiligen Unternehmens entsprach, war es im Jahr 2007 das 54-fache.13 In Einzelfällen wird vom 300- oder 400-fachem Einkommen gesprochen.14 Unabhängig von den allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen scheint das Vergütungsniveau der Vorstände in deutschen Aktiengesellschaften somit vielfach nur einen Weg zu kennen, nämlich den nach oben. Wohl aber am stärksten im Blickpunkt stehen die Zusammensetzung der Vergütung und die damit erzielte Anreizwirkung. Am offensichtlichsten werden hier Missstände, wenn selbst in Zeiten von Krisen und Massenentlassungen die Vorstandsmitglieder unverändert hohe Bezüge ausbezahlt bekommen.15 Als bekanntestes Beispiel16 gilt hier nach wie vor der US-Amerikanische Manager Michael Ovitz, der nach einer wenig erfolgreichen Amtszeit von knapp einem Jahr aus dem board des Walt Disney Konzerns ausschied und dafür knapp 140 Millionen US-Dollar erhielt.17 Kommt eine hohe Vergütung nicht auf Grund unternehmerischer Arbeit des Vorstands zustande, sondern weil sich allgemeine Marktentwicklungen oder einmalige Sondereinflüsse realisieren, spricht man von windfall profits.18 Die Gefahr einer solchen Übervergütung besteht gerade bei Aktienoptionsplänen.19 In den Zeiten der allgemeinen Börseneuphorie erfreuten sich derartige Programme großer Beliebtheit.20 Sie wurden jedoch häufig aufgelegt, ohne die langfristigen Folgen richtig abzuschätzen oder eine Begrenzungsmöglichkeit für außergewöhnliche Entwicklungen vorzusehen. Das Problem ist nicht alleine, dass es so einzelnen Managern gelingt, sich persönlich übermäßig zu 13 Schwalbach, Vergütungsstudie 2011, S. 5, 183; für die USA siehe etwa Kolb, Too Much is not Enough, S. 3–4; Murphy, The University of Chicago Law Review 2002, 847, 848, 849. 14 Fraktion SPD, BT-Drucks. 17/13239, S. 3–4, Quellen oder Beispiele nennt der Antrag allerdings nicht; für die Entwicklung in den USA siehe Kolb, Too Much is not Enough, S. 9–10. 15 Siehe dazu Bayer/Meier-Wehrsdorfer, AG 2013, 477, 477–478; Peltzer, NZG 2009, 1041, 1044. 16 So auch die Einschätzung von Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 147; Myers, Delaware Journal of Corporate Law 2012, 417, 440. 17 Siehe dazu Thüsing, ZGR 2003, 457, 459; auch Gordon, The Journal of Corporation Law 2004–2005, 675, 692–693 über die Folgen für die US-amerikanische Rechtsprechung in Vergütungsfragen; Myers, Delaware Journal of Corporate Law 2012, 417, 422, 441–442 weist darauf hin, dass die Vergütung zum Zeitpunkt der Anstellung nicht als problematisch beurteilt wurde. 18 T. Götze, Aktienoptionen für Vorstandsmitglieder und Aktionärsschutz, S. 72–73; Rönnau/Hohn, NZG 2004, 113, 191; Schwarz, Institutionelle Stimmrechtsberatung, S. 197. 19 Adams, Ökonomische Theorie, S. 302; A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 115; Murphy, The University of Chicago Law Review 2002, 847, 847, 858; Wulff, Aktienoptionen für das Management, S. 7. 20 Potthoff/Trescher, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 1704; Semmer, Repricing, S. 15.
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bereichern. Es hat sich vielmehr herausgestellt, dass zahlreiche variable Vergütungsbestandteile eine fehlerhafte Anreizwirkung entfalten können, die der langfristigen Entwicklung einer Gesellschaft Schaden zufügen.21 Insbesondere die alleinige Fokussierung auf kurzfristige Gewinne verhindert die Schaffung dauerhaft wertsteigender Investitionen.22 Wissenschaft und Praxis haben systemwidrige Anreize bei der Festsetzung der Vorstandsvergütung daher als einen der Hauptgründe für die anhaltende Wirtschaftskrise ausgemacht.23 Zur Begrenzung der Vorstandsvergütung sind zahlreiche Vorschläge diskutiert worden, auch der Gesetzgeber hat die regulatorischen Rahmenbedingungen mehrfach angepasst. Das VorstAG24 schlug jedoch kurz vor Ende der 16. Legislaturperiode im Jahr 2009 einen völlig neuen Weg ein. Durch die Einführung des § 120 Abs. 4 AktG wurde der Hauptversammlung zum ersten Mal die Möglichkeit gegeben, sich im Rahmen einer institutionalisierten, wenn auch unverbindlichen Abstimmung dezidiert zum System der Vergütung der Vorstandsmitglieder zu äußern. Damit wurde ein gesellschaftsinterner Kontrollmechanismus wiederbelebt, welcher zumindest im Bereich der Personalkompetenz lange ein Schattendasein gefristet hat: Die Beteiligung der Aktionäre. Die Idee zu der Vorschrift kam dabei aus Großbritannien, wo bereits im Jahr 2002 ein ähnliches Votum implementiert worden war.25 Dieses ermöglichte im Jahr 2003 dem Annual General Meeting der GlaxoSmithKline plc. eine Abfindungsregelung zu stoppen, die dem betroffenen Geschäftsleiter bei Ausübung eine Einmalzahlung von umgerechnet etwa 35 Millionen Dollar garantiert hätte.26 Der spektakuläre Fall gilt auch heute noch als eines der berühmtesten Beispiele funktionierender Aktionärsdemokratie. Die schwarze-gelbe Koalition plante wenige Wochen vor Ende der 17. Legislaturperiode im Jahr 2013 sogar durch das VorstKoG27 eine Ausweitung der deutschen Vergütungsabstimmung. Auslöser des kurzfristig gestarteten Gesetzesvorhabens war die erfolgreiche Eidgenössische Volksinitiative „gegen die Abzockerei“ vom 03.03.2013,28 welche die Rechte von Aktionären in der traditionell eher wirtschaftsfreundlichen Schweiz gestärkt hatte.29 § 120 AktG i. d. F. des VorstKoG 21
Adams, Ökonomische Theorie, S. 300–303; Peltzer, NZG 2009, 1041, 1044. H. Müller, Der Aufsichtsrat 2007, 36, 37. 23 BT-Drucks. 16/12278 (RegE VorstAG), S. 5; Fleischer, NZG 2009, 801, 803; Seibert, DB 2009, 1167; ähnlich Kay, The Kay Review of UK Equity Markets and LongTerm Decision Making 2012, S. 5 et passim, insbesondere S. 9, 13, 53, 77–81. 24 Gesetz vom 31.07.2009, BGBl. Band I, S. 2509–2511. 25 Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 68–127, eingängig zum historischen Kontext der Regel auch Gordon, Harvard Journal on Legislation 2009, 323, 341–342. 26 Dazu Gordon, Harvard Journal on Legislation 2009, 323, 342–343. 27 BT-Drucks. 17/14214 (Beschlussempfehlung VorstKoG). 28 So unter anderem die Einschätzung von Verse, NZG 2013, 921, 922. 29 Dazu Sünner, CCZ 2013, 169, 169–170 m.w. N. 22
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sah nicht nur eine verpflichtende jährliche Durchführung des Votums vor, sondern erklärte das Ergebnis mitsamt einer Pflichtangabe zur absoluten Vergütungshöhe für verbindlich. Die Bedeutung der Hauptversammlung für Kompensationsfragen wäre durch diese Reform daher weiter unterstrichen worden. Der Bundesrat entschied sich jedoch, nach Art. 77 Abs. 2 Satz 1 GG den Vermittlungsausschuss anzurufen, nachdem sich zuvor schon dessen mehrheitlich von den Oppositionsparteien besetzter Rechtsausschuss für ein solches Vorgehen ausgesprochen hatte.30 Zwar hätte der Bundestag nach Abschluss des Verfahrens einen Einspruch nach Art. 77 Abs. 4 GG zurückweisen können, in der 17. Legislaturperiode blieb dafür jedoch keine Zeit mehr. Mit der Anrufung des Vermittlungsausschusses scheiterte der Gesetzesentwurf somit endgültig. Der massive politische Widerstand gegen das VorstKoG zeigt, dass der Kontrolle durch die Aktionäre weiterhin viel Misstrauen entgegengebracht wird. Wohl auch deswegen handelt es sich bei § 120 Abs. 4 AktG um eine der kontroversesten Neuregelungen der jüngeren Aktienrechtsgeschichte. Die Einführung und auch die gescheiterte Weiterentwicklung des § 120 Abs. 4 AktG sowie die Diskussion um die Defizite bei der Managerentlohnung werfen die Frage auf, wie es insgesamt um die Ausübung der Personalkompetenz in der Aktiengesellschaft steht. Neben der Festsetzung der Vorstandsvergütung nach § 87 Abs. 1 AktG gehören zu diesem übergeordneten Regelungskomplex die organschaftliche Bestellung nach § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG, die Möglichkeit die organschaftliche Bestellung nach § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG zu widerrufen und die Entscheidung über die sonstige, nicht vergütungsbezogene Vertragsausgestaltung nach § 84 Abs. 1 Satz 5 AktG. Zugewiesen sind all diese Kompetenzen nicht der Hauptversammlung, sondern immer dem Aufsichtsrat. Dennoch werden Fehlentwicklungen vornehmlich nur vor dem Hintergrund des § 87 Abs. 1 AktG diskutiert. Wenn aber bei der Festsetzung der Vorstandsvergütung durch den Aufsichtsrat verstärkt Fehlentwicklungen auftreten, so liegt zumindest die Vermutung nahe, dass auch andere Bereiche der Personalkompetenz von Schwächen betroffen sein könnten. Trifft dies zu und erweist sich eine Aktionärsbeteiligung, wie etwa in § 120 Abs. 4 AktG vorgesehen, bei der Festsetzung der Vorstandsvergütung als sinnvoller Regelungsmechanismus, könnten vergleichbare Ansätze daher in anderen Bereichen mit Personalbezug ebenfalls eine wünschenswerte Ergänzung des bestehenden regulatorischen Rahmens sein. Zu denken wäre etwa an eine unmittelbare Beteiligung der Aktionäre an der Auswahl geeigneter Vorstandsmitglieder oder an der Zusammenstellung der sonstigen Bestandteile des Anstellungsvertrags.
30 BR-Drucks. 637/1/13 (Empfehlung der Ausschüsse zum VorstKoG), S. 1; BRDrucks. 637/13 (Beschluss des Bundesrats zum VorstKoG), S. 1.
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Diese Arbeit hat demnach zwei Hauptanliegen. Zum einen soll sie zu der Diskussion über Möglichkeiten und Grenzen der Aktionärsbeteiligung in der Aktiengesellschaft und der Bedeutung von Aktionärsdemokratie beitragen. Gerade die gescheiterte Einführung des VorstKoG gibt Anlass zu einer grundsätzlichen Untersuchung, welche Rolle die Gesellschafter bei der Kontrolle von Vorstand und Aufsichtsrat spielen können. Zum anderen soll diese Arbeit zu der Debatte um die Regulierung der gesamten Personalkompetenz beisteuern. Auch wenn die Reform des § 120 Abs. 4 AktG in der 17. Legislaturperiode fehlgeschlagen ist, so steht eine Novellierung des Vergütungsvotums wohl unmittelbar bevor.31 Bereits im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD für die 18. Legislaturperiode heißt es, dass „über die Vorstandsvergütung künftig die Hauptversammlung auf Vorschlag des Aufsichtsrats“ entscheiden soll.32 Zwar blieben diese knappen Ausführungen noch vage,33 der am 09.04.2014 veröffentlichte Entwurf zur Änderung der Aktionärsrechterichtlinie 34 sieht jedoch in Art. 9a eine verbindliche Abstimmung über die Vergütungspolitik und in Art. 9b eine unverbindliche Abstimmung über die konkret ausbezahlten Beträge vor.35 Während die Abstimmung nach Art. 9a spätestens alle drei Jahre stattzufinden hat, spricht Art. 9b Abs. 3 nur von einem „Recht“ zur Beschlussfassung, so dass lediglich eine entsprechende Kompetenz, nicht aber eine verpflichtende Durchführung implementiert werden müsste. Wird der Entwurf tatsächlich verabschiedet, werden folglich umfangreiche Anpassungen im deutschen Recht notwendig werden.
B. Beschreibung des Forschungsgegenstandes Ziel ist es herauszuarbeiten, in welchem Umfang durch die Mitwirkung der Gesellschafter in der Hauptversammlung bestehenden Regelungsdefiziten bei der Ausübung der Personalkompetenz durch den Aufsichtsrat entgegengewirkt werden kann. Der Begriff der Personalkompetenz ist dabei weit zu verstehen. Erfasst wird sowohl die Entscheidung über die organschaftliche Bestellung und den Widerruf der Bestellung, als auch die Entscheidung über die Ausgestaltung des Vertrags, mitsamt der vergütungsrelevanten und sonstigen Bestandteile. Soweit in den folgenden Ausführungen der Begriff Personalkompetenz verwendet wird, ist damit immer die Personalkompetenz über den Vorstand gemeint, nicht die Personalkompetenz, welche der Vorstand etwa gegenüber der Belegschaft ausübt. Die Untersuchung ist dabei nicht auf börsennotierte Gesellschaften oder so genannte 31 Besse, GWR 2014, 54 spricht insoweit zutreffend davon, dass die aktienrechtlichen Vorschriften nur „eine kleine Verschnaufpause erhalten“ haben. 32 Koalitionsvertrag vom 16.12.2013 zwischen CDU, CSU und SPD, Deutschlands Zukunft gestalten, S. 17. 33 Ähnlich Brouwer, NZG 2014, 201, 203. 34 Europäische Kommission, COM(2014) 213 final. 35 Dazu auch Zetzsche, NZG 2014, 1121, 1128–1130.
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Publikumsgesellschaften beschränkt, da sich die Frage nach der Rolle der Aktionäre vor dem Hintergrund des im Wesentlichen zwingenden Aktienrechts bei jedem Gesellschaftstyp stellt. In der folgenden Bearbeitung wird dabei sowohl die aktuelle Rechtslage in Bezug auf die Personalkompetenz dargestellt, als auch der Rahmen für mögliche Reformen unter Einbeziehung der Hauptversammlung herausgearbeitet. Soweit im Laufe der Untersuchung die Möglichkeit einer Beteiligung dieses Organs für einzelne Themenbereiche bejaht wird, sollen auch tragfähige Kriterien für eine derartige Mitwirkung und eine mögliche Ausgestaltung der Norm herausgearbeitet werden. Es ist jedoch nicht Ziel dieser Arbeit, ausformulierte Gesetzesvorschläge zu unterbreiten. Die Untersuchung erfolgt auch nicht rechtsvergleichend. Vielmehr soll herausgestellt werden, welche Ansätze vor dem Hintergrund der in Deutschland existierenden Regelungsumgebung erfolgversprechend sind. Soweit es allerdings unmittelbarer zur Diskussion beiträgt, wird auf andere europäische und außereuropäische Rechtsordnungen Bezug genommen.
C. Gang der Untersuchung Im ersten Kapitel wird die konzeptionelle Ausrichtung der Aktiengesellschaft untersucht um festzustellen, welche Rolle den Aktionären in der Binnenverfassung der Aktiengesellschaft zukommt und für wen Vorstand und Aufsichtsrat ihr Amt ausführen. Davon ausgehend wird die Bedeutung der Personalkompetenz als Kontroll- und Steuerungsmechanismus behandelt. Dabei wird insbesondere erörtert, inwieweit die Gefahr besteht, dass die Geschäftsleitung nicht die ihnen gesetzlich vorgeschriebenen Pflichten erfüllt, sondern zu opportunistischem Verhalten neigen könnte. Gegenstand des zweiten Kapitels ist die Untersuchung des bestehenden regulatorischen Umfelds der Personalkompetenz. Ein Schwerpunkt liegt auf den Defiziten der Aufsichtsratsarbeit und auf welchem Weg diesen entgegengewirkt werden kann. Dabei wird herausgearbeitet, welche Vorgaben das Gesetz bei der Ausübung der jeweiligen Kompetenzen bereithält und welche Zuständigkeiten den einzelnen Organen zukommen. Behandelt werden nicht nur die unmittelbaren gesetzlichen Rahmenbedingungen, sondern auch die Möglichkeit der Hauptversammlung de lege lata statutarische Vorgaben für den Aufsichtsrat zu entwickeln. Das dritte Kapitel geht sodann auf den Prozess der Entscheidungsfindung der Aktionäre in der Hauptversammlung ein, insbesondere auf die Probleme bei der kollektiven Meinungsbildung und den Einfluss der Verwaltungsorgane auf einzelne Abstimmungen. Ebenfalls untersucht werden die rechtspraktischen Determinanten der Beteiligung der Hauptversammlung, die sich etwa durch die Zeitbeschränkung der meist nur jährlich stattfindenden Aktionärstreffen ergeben. Ziel ist es, allgemeine Bewertungskriterien für die Einbeziehung der Aktionäre im Bereich der Personalkompetenz zu entwickeln.
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Aufbauend auf diesen Bewertungskriterien wird im vierten Kapitel der Frage nachgegangen, ob und wenn ja, in welchem Umfang eine Mitwirkung der Aktionäre im Rahmen der Personalauswahl und bei der Ausgestaltung des Anstellungsvertrags wünschenswert ist. Dabei wird sowohl auf die Festsetzung der Vorstandsvergütung eingegangen, aber auch auf die sonstige Vertragszusammenstellung. Darüber hinaus werden Beteiligungsmöglichkeiten im organschaftlichen Bereich, also bei der Bestellung und dem Widerruf der Bestellung, untersucht. Das fünfte Kapitel fasst die herausgearbeiteten Thesen zusammen und schließt mit einem Ausblick.
1. Kapitel
Grundlagen § 2 Die konzeptionelle Ausrichtung der Aktiengesellschaft Über die in der vorliegenden Arbeit zu untersuchende Personalkompetenz wird entschieden, wer zu welchen Konditionen die von § 76 Abs. 1 AktG vorgesehene Leitungsfunktion wahrnimmt. Will man diesen Themenbereich verstehen und möglicherweise bestehenden Reformbedarf herausarbeiten, ist es unerlässlich eine klare Vorstellung davon zu haben, was der Vorstand eigentlich erreichen soll. Denn nur wenn das feststeht, kann entschieden werden, nach welchen Kriterien Vergütung, Vertragsgestaltung und Kandidatenauswahl erfolgen müssen. Es stellt sich damit die ganz grundlegende Frage, welchen Interessen die Aktiengesellschaft und damit auch der Vorstand als Organ zu dienen hat. Die Diskussion um die konzeptionelle Ausrichtung der Aktiengesellschaft hat die Entstehungsgeschichte der Rechtsform von Anfang an begleitet. Die klarste gesetzliche Beantwortung erfolgte durch § 70 Abs. 1 AktG 1937, welcher sowohl das „Wohl des Betriebes und seiner Gefolgschaft“ sowie den „gemeinsamen Nutzen von Volk und Reich“ als Handlungsmaxime vorgab. Die Regelung wurde jedoch durch die Aktienrechtsnovelle 1965 aufgegeben, eine vergleichbare Vorgabe sieht der heutige § 76 Abs. 1 AktG nicht vor. Ein breiter Konsens bezüglich der Maßstäbe des Verwaltungshandelns hat sich seitdem nicht herauskristallisiert. Grundsätzlich lassen sich aber zwei verschiedene Strömungen unterscheiden. Teilweise wird von einer interessenmonistischen Ausrichtung der Aktiengesellschaft an den Aktionären ausgegangen.1 Konsequenz dieser Annahme ist, dass sich die Gesellschaftsorgane allein an den Zielen der Gesellschafter orientieren dürfen. Dem stehen im Einzelnen stark divergierende Ansätze zur Bestimmung einer interessenpluralistischen Konzeption entgegen, welche eine Mitberücksichtigung oder gar Gleichberechtigung von anderen Gruppen fordern,2 beispielsweise den Arbeitnehmern der Gesellschaft, Kunden
1 So etwa Adams, AG 1990, 243, 246–247; A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 47–50; Dauner-Lieb, WM 2007, 9, 13; Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 76 Rn. 37; Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 477; wohl auch Zöllner, AG 2003, 1, 7–8. 2 Koch, in: Hüffer (Begr.), Aktiengesetz, § 76 Rn. 30–33; Kort, in: GroßkommAktG, § 76 Rn. 39–40; Weber-Rey/Buckel, ZHR 177 (2013), 13, 28.
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1. Kap.: Grundlagen
oder Fremdkapitalgebern. Folge dieser Ansätze ist, dass nicht mehr bloß die Interessen der Aktionäre für Vorstand und Aufsichtsrat relevant sind, sondern in jedem Einzelfall ein Ausgleich unter den relevanten Zielvorgaben erfolgen muss. Ein ähnliches Verständnis präferiert auch der zuletzt 2013 geänderte Deutsche Corporate Governance Kodex. Dieser verpflichtet in Ziff. 4.1.1. den Vorstand auf das Unternehmensinteresse, also auf die „Berücksichtigung der Belange der Aktionäre, seiner Arbeitnehmer und der sonstigen dem Unternehmen verbundenen Gruppen (Stakeholder).“ Ziff. 4.1.1. DCGK 2013 gibt keine Reihenfolge der aufgezählten Interessen vor. Insofern ist die Regelung theoretisch einer Auslegung zugänglich, welche den Interessen der Anteilseigner eine vorrangige Berücksichtigung einräumt. Die wohl herrschende Meinung deutet die Aufzählung jedoch dahin, dass die Kodex-Kommission das deutsche Aktienrecht interessenpluralistisch versteht.3 Tatsächlich ist es misslich, dass die Kodex-Kommission überhaupt zu der Frage Stellung nimmt. Denn Ziff. 4.1.1. DCGK 2013 suggeriert ein Einvernehmen über die Ausrichtung der Aktiengesellschaft, welches, wie bereits die bisherigen Ausführungen gezeigt haben,4 so nicht existiert. Darüber hinaus gilt es festzuhalten, dass die Kodex-Kommission nicht zur verbindlichen Auslegung gesetzlicher Normen berufen ist.5 Gerade in einem derart delikaten Bereich wäre daher Zurückhaltung angebracht gewesen. Im modernen Schrifttum ist trotz der elementaren Bedeutung dieser Diskussion eine gewisse Ernüchterung zu spüren.6 Denn egal, welche notwendigerweise abstrakten Verhaltenspflichten man für den Vorstand statuiert, Vorgaben für konkrete Situationen lassen sich daraus höchst selten ableiten.7 In den wenigsten Fällen ist lediglich eine mögliche Handlungsalternative rechtlich zulässig. Wenn in einer Gesellschaft nach einem wirtschaftlich guten Geschäftsjahr die Gewährung einer Sonderzahlung an die Arbeitnehmer in Frage steht, ist diese nicht unbedingt nur bei Annahme eines interessenpluralistischen Ansatzes statthaft. Wenn die Gewährung die Motivation der Mitarbeiter und das Ansehen der Gesellschaft8 als Arbeitgeber fördert, kann der Nutzen auch in einem interessenmonistischen Sys-
3 So auch die Interpretation der Regelung bei Koch, in: Hüffer (Begr.), Aktiengesetz, § 76 Rn. 30; Kort, AG 2012, 605, 606; Kremer, in: Ringleb u. a. (Hrsg.), Deutscher Corporate Governance Kodex, Rn. 565; Weber, in: Hölters (Hrsg.), Aktiengesetz, § 76 Rn. 21. 4 Siehe dazu bereits die Nachweise oben unter § 2 Fn. 1 und Fn. 2. 5 A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 49; Weber, in: Hölters (Hrsg.), Aktiengesetz, § 76 Rn. 21. 6 Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 76 Rn. 27; Spindler, in: MünchKommAktG, § 76 Rn. 64; schon 1989 sprach Wiedemann, Organverantwortung und Gesellschafterklagen in der Aktiengesellschaft, S. 32 von Ermüdungserscheinungen. 7 Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 76 Rn. 44; Spindler, in: MünchKommAktG, § 76 Rn. 64. 8 Dazu gerade vor dem Hintergrund eines an den Aktionärsinteressen ausgerichteten Ansatzes Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 76 Rn. 38, 45.
§ 2 Die konzeptionelle Ausrichtung der Aktiengesellschaft
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tem für die Aktionäre weitaus höher sein, als wenn das Geld als Dividende direkt ausgezahlt wird. Oft wird allerdings übersehen, dass es bei der Frage nach der konzeptionellen Ausrichtung der Aktiengesellschaft um mehr geht als die Etablierung einer Messlatte für das Handeln der einzelnen Organe. Es geht auch darum zu klären, welche Rolle einzelnen Interessengruppen wie den Eigenkapitalgebern oder den Arbeitnehmern in Bezug zur Aktiengesellschaft zukommt. Hiervon hängt die Beurteilung institutioneller Veränderungen ab. So sind zusätzliche Hauptversammlungskompetenzen in einem auf Aktionärsinteressen ausgerichtetem Regelungsumfeld anders zu bewerten als in einem interessenpluralistisch aufgebauten System. So verwundert es etwa nicht, dass die Oppositionsparteien, die letztendlich das aktionärsfreundliche VorstKoG zu Fall gebracht haben, sich an anderer Stelle bereits gegen ein interessenmonistisches Aktienrecht ausgesprochen hatten.9 Als Ausgangspunkt für die folgende Untersuchung ist festzuhalten, dass eine juristische Person keinen eigenen Willen bilden und sich daher auch keine eigene Ziele setzen kann. Ihr müssen demnach von Dritten Ziele vorgegeben werden. Gesellschafter der Aktiengesellschaft sind die Aktionäre. Eine solche Situation spricht erst einmal dafür, dass die Gesellschaftsorgane in den gesetzlichen Grenzen nur für die Gesellschafter handeln.10 Die oftmals selbstverständliche Annahme einer interessenpluralen Ausrichtung der Aktiengesellschaft überrascht daher.11 Will man eine solche rechtfertigen, muss sich deren Anordnung entweder ausdrücklich oder doch zumindest mittelbar aus dem Aktiengesetz ergeben.
A. Gesetzliche Vorgaben Am einfachsten ließe sich die konzeptionelle Ausrichtung der Aktiengesellschaft beurteilen, wenn diese im Gesetz konkret vorgegeben werden würde. In diesem Zusammenhang wird oft das Unternehmensinteresse genannt.12 Zwar werden mit dem Begriff verschiedene Vorstellungen verbunden, nach überwiegendem Verständnis soll dadurch aber eine über das Aktionärsinteresse hinausgehende Ausrichtung auch an anderen Gruppen gerechtfertigt werden.13 Welche 9
Siehe Fraktion SPD, BT-Drucks. 17/13239, S. 2. Rittner, ZHR 144 (1980), 330, 335; Rittner, JZ 1980, 113, 117. 11 So auch schon Brinkmann, AG 1982, 122, 125. 12 Siehe nur Baums, ZIP 1995, 11, 13; Junge, in: FS von Caemmerer, S. 547, 549– 551; Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 76 Rn. 15; Reese/Ronge, AG 2014, 417, 418. 13 Baums, ZIP 1995, 11, 13; Kind, NZG 2000, 567, 568; Kort, AG 2012, 605, 605, 608–610; Kühnberger/Keßler, AG 1999, 453, 459; Louven/Ingwersen, BB 2013, 1219, 1221; Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 76 Rn. 15; Schaefer/Missling, NZG 1998, 441, 444; Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft, Rn. 52; von Werder, ZGR 1998, 69, 79. 10
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1. Kap.: Grundlagen
diese Gruppen sind, wird höchst unterschiedlich beurteilt. Genannt werden in wechselnden Kombinationen etwa die Belegschaft14, die Gesellschaftsgläubiger15 und die Allgemeinheit16, vereinzelt sogar die Interessen der Führungsorgane selbst17. Verwunderlich ist jedoch die Selbstverständlichkeit, mit welcher das Unternehmensinteresse zur Leitmaxime der Aktiengesellschaft erhoben wird. Der Begriff findet sich weder in § 76 AktG, noch sonst irgendwo im Aktiengesetz. Den Forderungen nach einer Kodifikation eines solchen Unternehmensinteresses18 ist der Gesetzgeber bisher nicht nachgekommen. Wer den Begriff de lege lata verwendet, scheint also vorauszusetzen, dass sich diese Interessenpluralität aus anderen Gründen herleiten lässt. Grundsätzlich spricht nichts gegen die Verwendung des Unternehmensinteresses als sprachliche Abkürzung19 für eine interessenplurale Ausrichtung der Aktiengesellschaft. Eine Existenzberechtigung hat diese Bezeichnung jedoch nur, wenn sich eine solche ausdrücklich oder zumindest mittelbar aus dem Gesetz ergibt. I. Unmittelbare Wertungen 1. Allgemeine Vorgaben
Nur an wenigen Stellen im Gesetz lassen sich überhaupt Äußerungen finden, die einen Bezug zur konzeptionellen Ausrichtung der Aktiengesellschaft haben könnten. § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG verpflichtet den Vorstand auf das „Wohle der Gesellschaft“, was über § 116 AktG auch für den Aufsichtsrat gilt. Die Formulierung wird ebenfalls in den §§ 111 Abs. 3 Satz 1, 121 Abs. 1 AktG aufgegriffen. Auch gilt das Gesellschaftswohl für Aktionäre, die eine Klagezulassung im eigenen Namen beantragen, § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4, Abs. 6 Satz 2 AktG. Nach allgemeiner Terminologie ist die Gesellschaft der Verbund der Kapitalgeber.20 Der 14 Baums, ZIP 1995, 11, 13; Kind, NZG 2000, 567, 568; Kühnberger/Keßler, AG 1999, 453, 459; Louven/Ingwersen, BB 2013, 1219, 1221; Schaefer/Missling, NZG 1998, 441, 444; Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft, Rn. 51, 52; von Werder, ZGR 1998, 69, 79. 15 Baums, ZIP 1995, 11, 13; Kort, AG 2012, 605, 610 („gewisse Rolle“); Louven/ Ingwersen, BB 2013, 1219, 1221; ähnlich Reese/Ronge, AG 2014, 417, 418. 16 Kind, NZG 2000, 567, 568; Kort, AG 2012, 605, 610 („eher nachrangige, aber gewisse Bedeutung“); Kühnberger/Keßler, AG 1999, 453, 459; Louven/Ingwersen, BB 2013, 1219, 1221; Reese/Ronge, AG 2014, 417, 418; Schaefer/Missling, NZG 1998, 441, 444 (das Gemeinwohl verstehen die Autoren allerdings konzeptionell als eigenständige Zielvorgabe neben dem Unternehmensinteresse); von Werder, ZGR 1998, 69, 79. 17 Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft, Rn. 52. 18 Fraktion SPD, BT-Drucks. 17/13239, S. 2; Hexel, Stellungnahme des DGB zu den aktuellen Plänen der Koalition, S. 10. 19 So die Einordnung der Begrifflichkeit bei Koch, in: Hüffer (Begr.), Aktiengesetz, § 76 Rn. 36. 20 Siehe Spindler, in: MünchKommAktG, § 76 Rn. 62.
§ 2 Die konzeptionelle Ausrichtung der Aktiengesellschaft
33
Verweis auf das Gesellschaftswohl scheint daher die Bedeutung der Gesellschafter zu betonen. Allerdings unterstellt man dem Gesetzgeber zu viel, wenn man die vor allem in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG an sehr zentraler Stelle des Aktienrechts erfolgte Erwähnung des Gesellschaftswohls als einen Beleg für eine interessenmonistische Ausrichtung werten will.21 Ausführlich zu dem Tatbestandsmerkmal äußerte sich der Regierungsentwurf zum UMAG im Jahr 2005. Ein Handeln erfüllt demnach die Norm, „wenn es der langfristigen Ertragsstärkung und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und seiner Produkte oder Dienstleistungen dient.“ 22 Gesellschafts- und Unternehmenswohl werden im Regierungsentwurf somit gleichgestellt. Folglich kann man die Wortwahl nicht als Betonung der Aktionärsinteressen verstehen. Genauso wenig aber darf das Gesellschaftswohl mit einem interessenpluralistischen Unternehmensinteresse gleichgesetzt werden.23 Inhaltlich gibt der Gesetzgeber neben einer vage formulierten Handlungsanweisung nicht zu erkennen, dass überhaupt eine Ausrichtung auf bestimmte Gruppen gemeint ist.24 § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG setzt somit voraus, dass ein Verständnis über das Gesellschaftswohl existiert, begründet ein solches jedoch nicht. Auch der § 396 Abs. 1 Satz 1 AktG begründet keine Ausrichtung der Aktiengesellschaft am Gemeinwohl.25 Die Norm regelt alleine, dass der Staat, der eine juristische Person anerkennt, im Falle eines Missbrauchs auch die Auflösung genau dieser juristischen Person herbeiführen kann.26 Die Vorschrift verlangt nicht, dass Gemeinwohlbelange über gesetzliche Einzelanordnungen hinaus geschützt werden. Darüber hinaus gibt es zahlreiche gesetzliche Normen, welche von der Aktiengesellschaft die zwingende Berücksichtigung von Interessen außerhalb des Aktionärskreises fordern.27 Verwiesen sei dabei nur auf arbeitsrechtliche Vorgaben, Verbraucherschutzregelungen oder Umweltschutzvorschriften.28 Dabei handelt es sich jedoch um allgemeine Rahmenbedingungen,29 selbst wenn einige Regelungen speziell auf die Aktiengesellschaft zugeschnitten sind. Von einer gesetzlich angeordneten Ausrichtung der Aktiengesellschaft kann indes nicht gesprochen werden.30 21
So aber Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 76 Rn. 37. BT-Drucks. 15/5092 (RegE UMAG), S. 11. 23 Kort, AG 2012, 605, 607; so auch Ulmer, AcP 202 (2002), 143, 158–159. 24 Spindler, in: MünchKommAktG, § 93 Rn. 46. 25 In diese Richtung aber Regierungsentwurf zum Aktiengesetz 1965, zitiert nach Kropff, Aktiengesetz, S. 98. 26 Schürnbrand, in: MünchKommAktG, § 396 Rn. 1. 27 Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 76 Rn. 33; Junge, in: FS von Caemmerer, S. 547, 550; Wiedemann, ZGR 1980, 147, 164. 28 Beispiele nach Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 76 Rn. 33. 29 Ulmer, AcP 202 (2002), 143, 158. 30 Ulmer, AcP 202 (2002), 143, 158. 22
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1. Kap.: Grundlagen
Insgesamt kann daher festgehalten werden, dass eine ausdrückliche Zielvorgabe für die Aktiengesellschaft dem aktuellen Recht unbekannt ist. Vor diesem Hintergrund wird auch verständlich, warum sich Stimmen mehren, die ein legislatorisches Eingreifen fordern.31 2. Fortgeltung der Gemeinwohlklausel aus § 70 Abs. 1 AktG 1937
Eine Normierung von Zielvorgaben für den Vorstand fand sich bis zum Jahr 1965 in § 70 Abs. 1 AktG 1937. Die dort erfolgte ausdrückliche Erwähnung von „Gefolgschaft“ und „Volk und Reich“ erklärt sich vor dem ideologischen Hintergrund der Entstehungszeit.32 Deutlich wird aber, dass § 70 Abs. 1 AktG 1937 nicht von einer interessenmonistischen Ausrichtung der Aktiengesellschaft ausging, sondern auch über die Aktionärsinteressen hinaus eine Berücksichtigung weiterer Gruppen forderte. Trotz der ausdrücklichen Streichung wird teilweise von einer Fortgeltung oder Ausstrahlungswirkung der so genannten Gemeinwohlklausel in das heutige Recht ausgegangen.33 Im Regierungsentwurf zum Aktiengesetz 1965 wird nämlich als Grund für die Nichtübernahme des § 70 Abs. 1 AktG 1937 angegeben, dass sich die Berücksichtigung der dort genannten Interessen „von selbst“ verstehen würde und „deshalb nicht ausdrücklich im Gesetz bestimmt zu werden [braucht]“.34 Noch im nur knapp sieben Jahre jüngeren Referentenentwurf 1958 wurde allerdings nicht nur die Beibehaltung der Regelung vorgeschlagen, sondern sogar eine inhaltliche Präzisierung angedacht.35 Aus der Begründung des Regierungsentwurfs zum Aktiengesetz 1965 geht nicht hervor, was diesen Sinneswandel ausgelöst hat.36 Viel wichtiger ist jedoch, dass sich dieser auch nicht entnehmen lässt, wie die dort genannten Interessen zukünftig abgesichert werden sollen. Zwei Interpretationsmöglichkeiten bieten sich an. Entweder die Gemeinwohlklausel soll tatsächlich als ungeschriebene Leitungsmaxime für die Verwaltung weiter dienen oder zukünftig sollen durch gesetzliche Regelungen, etwa durch 31
Siehe dazu bereits oben unter § 2 Fn. 18. Schmidt-Leithoff, Die Verantwortung der Unternehmensleitung, S. 26–27; Zöllner, AG 2003, 2, 7 („aus der NS-Ideologie gespeiste Formulierung“); ähnlich Kunze, ZHR 144 (1980), 100, 120. 33 Kort, in: GroßkommAktG, § 76 Rn. 60; Raiser, ZHR 144 (1980), 206, 211 (Fortgeltung entspreche allgemeiner Rechtsansicht); Schilling, ZHR 144 (1980), 133, 138; wohl auch Raisch, in: FS Hefermehl, S. 347, 353; unklar sind die Ausführungen von Kunze, ZHR 144 (1980), 100, 120–121, dann aber 123. 34 Regierungsentwurf zum Aktiengesetz 1965, zitiert nach Kropff, Aktiengesetz, S. 97. 35 Referentenentwurf eines Aktiengesetzes 1957, zu E § 71, zitiert nach Wiedemann, Organverantwortung und Gesellschafterklagen in der Aktiengesellschaft, S. 31. 36 Kritisch daher Wiedemann, Organverantwortung und Gesellschafterklagen in der Aktiengesellschaft, S. 31–32. 32
§ 2 Die konzeptionelle Ausrichtung der Aktiengesellschaft
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Steuer- und Arbeitsrecht, die von § 70 Abs. 1 AktG 1937 intendierten Folgen herbeigeführt werden.37 Einen Hinweis, was die Vorstellung des historischen Gesetzgebers war, ergibt sich aus den Materialien nicht. Vollends unverständlich ist dessen Intention nicht zuletzt auch deshalb, weil es zur Streichung darüber hinaus heißt, dass § 70 Abs. 1 AktG 1937 bisher „ohne rechtliche Substanz“ gewesen sei.38 Insgesamt kann man dem zumindest in diesem Punkt sehr oberflächlichen Gesetzgebungsverfahren39 nicht entnehmen, wie die aktienrechtliche Grundsatzfrage der konzeptionellen Ausrichtung zu beantworten ist. Eine unmittelbare Anwendbarkeit der Gemeinwohlklausel wird man nicht zuletzt wegen der ausdrücklichen Erwähnung von „Volk und Reich“ nicht unterstellen können. Die Gesetzesbegründung zur Streichung des § 70 Abs. 1 AktG 1937 ist auf Grund der soeben aufgezeigten Mängel zu Recht scharf kritisiert worden.40 Es überzeugt nicht, in ihr eine Grundlage für die Fortgeltung der Regelung zu sehen.41 Ohnehin ist der seit 1965 nicht mehr aktualisierte Wille des Normgebers in Bezug auf die Gemeinwohlklausel durch die Weiterentwicklung des Gesellschaftsrechts überholt worden.42 Ein Rückgriff auf § 70 Abs. 1 AktG 1937 oder den dahinter stehenden Rechtsgedanken ist demzufolge de lege lata nicht mehr möglich. 3. Stakeholder Bindung auf Grund von Verfassungsvorgaben
Teilweise wird die sich aus Art. 14 Abs. 2 GG ergebene Sozialbindung des Eigentums als Grundlage für eine umfassende Berücksichtigung von stakeholder Interessen genannt.43 In dieses Bild passt auch der Regierungsentwurf zur Ak37 Für letzt genannte Interpretation A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 48. 38 Ausschussbericht zum Aktiengesetz 1965, zitiert nach Kropff, Aktiengesetz, S. 98; zu Recht hat Wiedemann, ZGR 1975, 385, 424 die Gesetzesbegründung als widersprüchlich bezeichnet; ähnlich Mülbert, ZGR 1997, 129, 148 („ungereimt“). 39 Siehe zum Gesetzgebungsverfahren Schmidt-Leithoff, Die Verantwortung der Unternehmensleitung, S. 31–35; Rittner, in: FS Gessler 1971, S. 139, 142–145. 40 Wiedemann, Organverantwortung und Gesellschafterklagen in der Aktiengesellschaft, S. 31 („miserabler Gesetzgebungsstil“). 41 Dreher, ZHR 155 (1991), 349, 355; Rittner, in: FS Gessler 1971, S. 139, 142, 158; kritisch auch Fleischer, GmbHR 2010, 1307, 1309; ebenso Schmidt-Leithoff, Die Verantwortung der Unternehmensleitung, S. 44. 42 So ausdrücklich Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 76 Rn. 23; Mülbert, ZGR 1997, 129, 148–149 (auf Grund der Reform des Umwandlungsrechts); Ulmer, AcP 202 (2002), 143, 157–158. 43 Dreher, ZHR 155 (1991), 349, 355–356, der sich in der Folge lediglich für eine besonders starke Berücksichtigung der Aktionärsinteressen ausspricht (366–368); Kind, NZG 2000, 567, 568; Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 76 Rn. 33; Schilling, ZHR 144 (1980), 133, 138; Schmidt-Leithoff, Die Verantwortung der Unternehmensleitung, S. 169–213; differenzierend Spindler, in: MünchKommAktG, § 76 Rn. 62, der zwar eine Ausrichtung am Unternehmensinteresse im Sinne eines stakeholder value An-
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1. Kap.: Grundlagen
tienrechtsreform von 1965, in welcher der Einfluss des Sozialstaates auf die Aktiengesellschaft betont wird.44 Ferner deutet auch die „Feldmühle“-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 07.08.1962 in diese Richtung, in der die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmungen über formwandelnde Umwandlungen behandelt wurde. Dort heißt es, dass die „in Art. 14 Abs. 2 GG, für die einzelne Aktiengesellschaft in § 70 Abs. 1 AktG [1937], statuierte Verantwortlichkeit gegenüber dem Gemeinwohl erst recht für die Konzernleitung“ gelten würde.45 Auf den ersten Blick scheint demnach das Bundesverfassungsgericht zumindest in der genannten Entscheidung davon auszugehen, dass eine stakeholder Bindung der Aktiengesellschaft unmittelbar aus Art. 14 Abs. 2 GG erwächst. Das Urteil aus dem Jahr 1962 bezieht sich jedoch auf eine Rechtslage, in der mit § 70 Abs. 1 AktG 1937 eine interessenpluralistische Ausrichtung noch einfachgesetzlich vorgeschrieben war. Inwieweit sich das Gericht wirklich Gedanken über die eigenständige Bedeutung von Art. 14 Abs. 2 GG gemacht hat, geht aus der kurzen Passage nicht hervor. Immerhin wird in dem Urteil kurz zuvor die aktienrechtliche Konzernbildung als Einschränkung der freien wirtschaftlichen „Betätigung des Unternehmens in der Richtung auf einen gemeinsamen Gesellschaftszweck der Aktionäre“ verstanden.46 Zumindest mit einer Betätigung in Richtung der Aktionärsinteressen scheint das Verfassungsgericht daher keine Probleme zu haben. Ferner sagt das Urteil aus dem Jahr 1962 nichts darüber aus, ob neben den zahlreichen heute bestehenden gesetzlichen Regelungen, die andere Interessengruppen schützen, Art. 14 Abs. 2 GG überhaupt noch eine eigenständige Bedeutung erlangen kann. Zu denken ist dabei insbesondere an die paritätische Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat, die 1976 und damit knapp 14 Jahre nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts durch das MitbestG flächendeckend für größere Aktiengesellschaften geschaffen wurde. Nach richtigem Verständnis ergeben sich aus Art. 14 Abs. 2 GG keine verfassungsunmittelbaren Pflichten des Eigentümers.47 Die Norm dient vielmehr als Inhalts- und Schrankenbestimmung um die Grenzen für einen Eingriff in den von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Bereich vorzugeben.48 So hat auch das Verfassungsgericht außerhalb des bereits genannten Urteils immer wieder bestätigt,
satzes ablehnt, dennoch Art. 14 Abs. 2 GG als Begründung für eine über das Gesetz hinausgehende Sozialbindung heranzieht. 44 Ausschussbericht zum Aktiengesetz 1965, zitiert nach Kropff, Aktiengesetz, S. 98. 45 BVerfGE 14, 263, 282. 46 BVerfGE 14, 263, 281. 47 Mülbert/Leuschner, ZHR 170 (2006), 615, 628–629; Papier, in: Maunz/Dürig (Begr.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 14 Rn. 306; Weber, in: Hölters (Hrsg.), Aktiengesetz, § 76 Rn. 22. 48 Siehe nur Papier, in: Maunz/Dürig (Begr.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 14 Rn. 306.
§ 2 Die konzeptionelle Ausrichtung der Aktiengesellschaft
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dass Art. 14 Abs. 2 GG einen Regelungsauftrag für den Gesetzgeber beinhalte, das Rechtsinstitut Eigentum und dessen Grenzen auszugestalten.49 Diesem Regelungsauftrag kommt der Gesetzgeber nach, etwa durch die Beteiligung der Arbeitnehmer am Aufsichtsrat oder die Kapitalerhaltung zum Schutz der Gläubiger. Keinesfalls verlangt das Grundgesetz aber, dass die konzeptionelle Zielsetzung der Gesellschaft andere Gruppen als die wirtschaftlichen Eigentümer umfassen muss.50 Wer mit Art. 14 Abs. 2 GG argumentiert, schuldet ferner eine Begründung, warum gerade beim Eigentum an der Aktiengesellschaft eine wesensimmanente Beschränkung im Sinne einer pluralistischen Ausrichtung angenommen werden muss, nicht jedoch bei anderen Gesellschaftsformen.51 Eine ähnliche Diskussion wird bei den Personengesellschaften beispielsweise nicht geführt.52 Zwar haften hier die Gesellschafter regelmäßig persönlich, was bereits gegen die Berücksichtigung von Drittinteressen spricht. Wenn sich aus signifikanter wirtschaftlicher Macht indes eine unmittelbare Sozialbindung ergeben würde, wäre dieser Gedanke rechtsformunabhängig anzuwenden. Dies kann jedoch ob der weitreichenden wirtschaftlichen Konsequenzen nicht gewollt sein. Auch daran zeigt sich, dass der Hinweis auf Art. 14 Abs. 2 GG nicht trägt. Es ist daher davon auszugehen, dass der Gesetzgeber durch einfachgesetzliche Vorgaben seiner aus Art. 14 Abs. 2 GG erwachsenden Verpflichtung nachkommt. Eine unmittelbare Ausrichtung der Gesellschaft auf interessenplurale Ziele ergibt sich aus Verfassungsrecht jedoch nicht. II. Mittelbare Wertungen und institutionelle Überlegungen Fehlt es somit an einer unmittelbaren Vorgabe, ist das Aktienrecht nach mittelbaren Wertungen zu untersuchen. Solche ergeben sich beispielsweise aus der Verteilung der gesetzlichen Kompetenzen, wie etwa den Kontroll- und Steuerungsrechten sowie den Mitwirkungsmöglichkeiten bei der Besetzung von Aufsichtsrat und Vorstand. 1. Ausgestaltung der Aktionärsrechte
Im Gegensatz zu allen anderen stakeholder Gruppen stehen den Aktionären grundlegende Einwirkungsmöglichkeiten auf die Gesellschaft zu. So entscheiden 49 Aus der Judikatur des Verfassungsgerichts siehe nur BVerfGE 14, 263, 277; BVerfGE 50, 290, 339–340; aus der aktienrechtlichen Literatur Koch, in: Hüffer (Begr.), Aktiengesetz, § 76 Rn. 32; Weber, in: Hölters (Hrsg.), Aktiengesetz, § 76 Rn. 22; wohl auch Raisch, in: FS Hefermehl, S. 347, 353. 50 Im Ergebnis ebenso, allerdings mit anderer Begründung Mülbert, ZGR 1997, 129, 149–150. 51 So auch der Vorwurf von A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 48. 52 Ähnlich der Hinweis bei Zöllner, AG 2003, 2, 7.
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1. Kap.: Grundlagen
diese nach §§ 28, 29 AktG über die Gründung und nach § 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG über die Auflösung der Aktiengesellschaft. Ihnen obliegt auch die Festlegung des Gesellschaftszwecks und des Unternehmensgegenstands nach § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG. Ein generelles Weisungsrecht der Aktionäre gegenüber Aufsichtsrat und Vorstand besteht indes nicht. Das Fehlen eines Weisungsrechtes ist aber kein Argument gegen die Ausrichtung an den Aktionärsinteressen.53 Denn wenn man ein solches Weisungsrecht implementiert hätte, würde automatisch die Mehrheit der in der Hauptversammlung anwesenden Aktionäre die Geschicke der Gesellschaft bestimmen.54 Diese können, müssen aber nicht die Interessen aller Eigenkapitalgeber repräsentieren. Vor diesem Hintergrund zeigt sich, dass auch in einem interessenmonistischen System das Fehlen eines direkten Weisungsrechts durchaus sinnvoll ist. Auch wenn die Hauptversammlung auf Grund von § 119 Abs. 2 AktG nicht unmittelbar die Geschäftsführung übernehmen kann, wird man doch nicht bestreiten können, dass die zahlreichen gesetzlichen Kompetenzen zumindest theoretisch ausreichen, um die Verwaltungsorgane umfassend zu disziplinieren.55 Ein entsprechend mächtiger Aktionär kann etwa über den Aufsichtsrat auf die Besetzung des Vorstands einwirken.56 Eine interessenpluralistische Ausrichtung rechtfertigt sich nicht daraus, dass in der Publikumsgesellschaft ob der bei Streubesitz verstärkt auftretenden Entscheidungsfindungsprobleme von derartigen Möglichkeiten nicht durchgängig Gebrauch gemacht wird.57 Schon die zentrale Kompetenzverteilung zeigt daher, dass die Aktiengesellschaft vornehmlich eine Veranstaltung der Aktionäre ist.58 Für die alleinige Ausrichtung an den Aktionärsinteressen spricht auch die Verteilung der Klagerechte wegen der Verletzung von Binnenpflichten in der Aktiengesellschaft.59 Ein Anspruch aus §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 Satz 1 AktG ist in erster Linie vom Aufsichtsrat geltend zu machen, § 112 AktG. Dieser prüft die Tatbestandsvoraussetzungen und die Chancen einer weiteren Anspruchsverfolgung. Dabei besteht nach dem grundlegenden Urteil des Bundesgerichtshofs in der
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So aber Kort, AG 2012, 605, 609. Zu Differenzierung zwischen Hauptversammlungsmehrheit und Aktionärsinteressen siehe unten unter § 2 B. 55 A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 49; Wiedemann, Organverantwortung und Gesellschafterklagen in der Aktiengesellschaft, S. 35. 56 A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 49. 57 Wiedemann, Organverantwortung und Gesellschafterklagen in der Aktiengesellschaft, S. 35. 58 So auch Wiedemann, Organverantwortung und Gesellschafterklagen in der Aktiengesellschaft, S. 33; zustimmend Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 76 Rn. 37. 59 Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, S. 168 (vor dem Hintergrund des schweizerischen Rechts); ähnlich A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 31. 54
§ 2 Die konzeptionelle Ausrichtung der Aktiengesellschaft
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Rechtssache „ARAG/Garmenbeck“ eine generelle Verpflichtung, bestehende Ansprüche auch gerichtlich durchzusetzen.60 Grundsätzlich wäre es zwar denkbar, dass sich der Aufsichtsrat bei der Beurteilung, ob eine Binnenpflichtverletzung vorliegt, von einer interessenpluralistischen Ausrichtung leiten lässt. Allerdings kann grundsätzlich nur die Hauptversammlung nach § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG auf Ansprüche verzichten oder eine Rechtsverfolgung nach § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG erzwingen. § 148 AktG erlaubt den Aktionären unter bestimmten Voraussetzungen sogar eine unmittelbare Klageerhebung. Anderen Gruppen als den Aktionären, etwa den Arbeitnehmern, den Gläubigern oder gar der Öffentlichkeit stehen derartige Kontrollrechte nicht zu. Nur wenn von der Gesellschaft keine Befriedigung erlangt werden kann, gestattet § 93 Abs. 5 Satz 1 AktG den Gesellschaftsgläubigern im eigenen Namen Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen den Vorstand geltend zu machen.61 Mit den Klage- und Kontrollrechten der Eigenkapitalgeber ist diese Kompetenz jedoch nicht vergleichbar. Es handelt sich nur um eine Vereinfachung der ohnehin bestehenden Möglichkeit, bei ausbleibenden Zahlungen Ansprüche der Gesellschaft zu pfänden.62 Damit ein Vorgehen der Gläubiger direkt gegen den Vorstand aus § 93 Abs. 5 Satz 1 AktG überhaupt zulässig wird, muss eine Befriedigung durch die Gesellschaft objektiv unmöglich sein. Es reicht folglich nicht aus, dass diese eine Zahlung bloß verweigert.63 Für § 93 Abs. 5 Satz 1 AktG muss vielmehr Zahlungsunfähigkeit oder eine Überschuldung vorliegen.64 Solange die Gesellschaft ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommt, sind die Aktionäre vor Einmischungen von außen somit geschützt. Schon 1980 stellte Herbert Wiedemann mit Blick auf die Diskussion um die Ausrichtung der Aktiengesellschaft zu Recht fest, dass „folgenlose Verantwortung [. . .] juristisch keine Verantwortung“ ist.65 Wenn aber die Aktionäre Herren der Ansprüche gegen die Verwaltungsorgane sind, muss auch der Maßstab für das Handeln der Verwaltungsorgane das Aktionärsinteresse sein.
60 61
BGHZ 135, 244, 251–256. Eine entsprechende Kompetenz sieht § 309 Abs. 4 Satz 2 AktG im Konzernrecht
vor. 62 Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 93 Rn. 293; Hölters, in: Hölters (Hrsg.), Aktiengesetz, § 93 Rn. 322; Koch, in: Hüffer (Begr.), Aktiengesetz, § 93 Rn. 80. 63 Hölters, in: Hölters (Hrsg.), Aktiengesetz, § 93 Rn. 326; Koch, in: Hüffer (Begr.), Aktiengesetz, § 93 Rn. 82. 64 Spindler, in: MünchKommAktG, § 93 Rn. 271. In der Praxis regelt sich die Anspruchsverfolgung daher ohnehin meist nach dem Insolvenzrecht, so dass die Anspruchsberechtigung bezüglich bestehender Ersatzansprüche auf den Insolvenzverwalter übergeht, Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 93 Rn. 293; Hölters, in: Hölters (Hrsg.), Aktiengesetz, § 93 Rn. 322, 326. 65 Wiedemann, ZGR 1980, 147, 160.
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1. Kap.: Grundlagen 2. Institutionalisierte Beteiligung der Arbeitnehmer
Das Aktienrecht kennt zwar keine vergleichbaren Einwirkungsmöglichkeiten für einzelne Arbeitnehmer oder die Belegschaft in ihrer Gesamtheit. Allerdings ist die institutionalisierte Beteiligung der Arbeitnehmer am Aufsichtsrat immer wieder als Zeichen dafür gewertet worden, dass auch deren Interessen eine eigenständige Bedeutung für die Aktiengesellschaft haben müssen.66 Die Arbeitnehmer sind tatsächlich die einzige Interessengruppe neben den Aktionären, die direkt auf die Besetzung von Verwaltungsorganen Einfluss nehmen können. § 96 Abs. 1 AktG regelt die Zusammensetzung des Aufsichtsrats, wobei sich das Wahlverfahren jeweils aus den das Aktienrecht ergänzenden Vorschriften ergibt. So sieht etwa § 1 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 des DrittelG für Aktiengesellschaften mit mehr als 500 Mitarbeitern vor, dass der Aufsichtsrat zu einem Drittel aus Arbeitnehmervertretern bestehen muss. Am stärksten ist die Mitbestimmung in Aktiengesellschaften mit mehr als 2000 Arbeitnehmern ausgeprägt. § 1 Abs. 1 in Verbindung mit § 7 des MitbestG schreibt hier eine paritätische Besetzung des Aufsichtsrats vor. Nicht leugnen kann man, dass die Arbeitnehmer durch diese Vorschriften tatsächlich Einfluss auf die Verwaltung gewonnen haben.67 Der Gesetzgeber hat der Belegschaft über das eigentliche Kollektivarbeitsrecht hinaus eine institutionalisierte Berücksichtigung garantiert.68 Diese Regelungen zeigen zweifelsohne, dass den Interessen der Arbeitnehmer in und an der Aktiengesellschaft eine besondere Rolle zukommt. a) Zweitstimme des Aufsichtsratsvorsitzenden und Wahlmodus Eine wirkliche Gleichberechtigung von Arbeitnehmern und Kapitaleignern sieht das Gesetz auch bei paritätischer Besetzung allerdings nicht vor. § 27 Abs. 1 MitbestG verlangt im ersten Wahlgang für den Aufsichtsratsvorsitzenden eine zwei Drittel Mehrheit. Kommt diese nicht zustande, erlaubt § 27 Abs. 2 Satz 2 MitbestG den Vertretern der Eigenkapitalgeber im Aufsichtsrat, den Vorsitzenden zu bestimmen. Die Vertreter der Arbeitnehmer wählen dann nur den Stellvertreter. Die Regelung ist vor allem deswegen von Bedeutung, weil § 29 Abs. 2 Satz 1 MitbestG der Stimme des Vorsitzenden im Aufsichtsrat bei Stimmengleichheit doppeltes Gewicht einräumt. Dem Stellvertreter kommt diese 66 Hopt, ZGR 1993, 534, 536; Kunze, ZHR 144 (1980), 100, 118–119, 128; Raisch, in: FS Hefermehl, S. 347, 353; Schilling, ZHR 144 (1980), 133, 137, 139–142; auch der Hinweis bei Kort, in: GroßkommAktG, § 76 Rn. 40 auf das Mitbestimmungsrecht geht in diese Richtung. 67 Kunze, ZHR 144 (1980), 100, 119; Raisch, in: FS Hefermehl, S. 347, 353; Wiedemann, Organverantwortung und Gesellschafterklagen in der Aktiengesellschaft, S. 36; Wiedemann, ZGR 1980, 147, 159. 68 In diese Richtung auch Wiedemann, Organverantwortung und Gesellschafterklagen in der Aktiengesellschaft, S. 36–37.
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Kompetenz selbst dann nicht zu, wenn er den Vorsitzenden vertritt, § 29 Abs. 2 Satz 3 MitbestG. Die Doppelstimme selbst bei paritätischer Besetzung macht deutlich, dass sich die Vertreter der Anteilseigner jederzeit gegenüber den Vertretern der Arbeitnehmer durchsetzen können. Damit wird die Bedeutung der Kapitalgeber für die Aktiengesellschaft unterstrichen.69 Dies gilt umso mehr, wenn man sich die Funktionsweise des Aufsichtsrats vor Augen führt. Die einzelnen Mitglieder handeln im Regelfall durch das Organ und nicht individuell als dessen Vertreter, was die Bedeutung des kollektiven Willensbildungsprozesses in den Vordergrund rückt. Genau dieser wird jedoch von den Aktionärsvertretern dominiert. In seinem Urteil zum Mitbestimmungsgesetz aus dem Jahr 1979 wertete das Bundesverfassungsgericht die Doppelstimme des Aufsichtsratsvorsitzenden sogar als ein wichtiges Argument für die Verfassungsmäßigkeit der quasi-paritätischen Beteiligung.70 Damit erklärt sich auch, warum viele Befürworter einer interessenpluralistischen Ausrichtung eine Gesetzesänderung fordern und etwa die Bestellung eines zusätzlichen neutralen Mitglieds vorschlagen.71 Auf diesem Weg soll die Position des Aufsichtsratsvorsitzenden entmachtet werden. Ein ähnliches System existiert im Anwendungsbereich des MontanMitbestG. § 4 Abs. 1 lit. c MontanMitbestG schreibt neben den Vertretern von Anteilseignern und Arbeitnehmern ein weiteres Mitglied im Aufsichtsrat vor, welches nach § 8 Abs. 1 MontanMitbestG von der Hauptversammlung auf Vorschlag der übrigen Aufsichtsräte gewählt wird. Die Regelung erklärt sich historisch vor der besonderen Rolle der Grundstoffindustrie im Dritten Reich. Zahlreiche Großindustrielle hatten das Regime unterstützt, so dass Sozialisierungsforderungen nach Kriegsende auf einen nährbaren Boden trafen.72 Unter der aktuellen Rechtslage können sich aber in Konfliktfällen auch im Bereich der Montan-Mitbestimmung zumindest formal die Eigenkapitalgeber und ihre Vertreter im Aufsichtsrat durchsetzen. Gelingt es dem Aufsichtsrat nämlich nicht, einen geeigneten Kandidaten zu präsentieren, so wählt die Hauptversammlung ohne Bindung an einen Vorschlag das weitere Mitglied, § 8 Abs. 3 Satz 7 MontanMitbestG. Ob der hohen Anforderungen handelt es sich dabei allerdings um ein eher „theoretisches denn praktikables Instrument“.73 69 A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 50; Fleischer, GmbHR 2010, 1307, 1309; Mülbert, ZGR 1997, 129, 153; Wiedemann, Organverantwortung und Gesellschafterklagen in der Aktiengesellschaft, S. 36. 70 BVerfGE 50, 280, 360. 71 Kunze, ZHR 144 (1980), 100, 133; zuletzt wurde die Thematik von der SPD Fraktion, BT-Drucks 17/2122, aufgegriffen; kritisch dazu Hommelhoff, ZIP 2013, 2177, 2178–2179. 72 B. Nagel, Mitbestimmung im Montankonzern und Grundgesetz, S. 9–10. 73 So zu Recht Oetker, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, Montan-Mitbestimmungsgesetz, Einleitung Rn. 5.
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1. Kap.: Grundlagen
Außerhalb der Montan-Mitbestimmung hat der Gesetzgeber die Idee eines neutralen Mitglieds bisher zu Recht nicht aufgegriffen. b) Die Rolle der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat Grundsätzlich könnte man sich zwar vorstellen, dass die Beteiligung der Arbeitnehmer am Aufsichtsrat bedeutet, dass das Organ auf eine gleichberechtigte Berücksichtigung von Aktionärs- und Arbeitnehmerinteressen ausgerichtet sein soll. Dagegen sprechen aber die bereits genannten Regeln bezüglich der internen Entscheidungsfindung, die selbst bei paritätischer Mitbestimmung und im Anwendungsbereich der Montan-Mitbestimmung die Aktionärsvertreter bevorzugen. Ferner entspricht es gelebter Rechtspraxis, dass im Ausland bei Zweigniederlassungen und Tochtergesellschaften beschäftigte Mitarbeiter bezüglich der Wahlen für die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat weder aktiv noch passiv wahlberechtigt sind.74 Folglich sind die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat bei vielen international aufgestellten Unternehmen noch nicht einmal von der Gesamtbelegschaft legitimiert. Darüber hinaus besteht die Arbeitnehmerseite nach § 7 Abs. 2 MitbestG auch aus Gewerkschaftsvertretern. Wäre ein Einfluss der konkreten Belegschaft gewollt gewesen, hätte man die Arbeitnehmerseite nur auf diese beschränken dürfen.75 Würde sich die Zusammensetzung des Aufsichtsrats tatsächlich auf das Unternehmensziel auswirken, müssten die Verwaltungsorgane de lege lata konsequenterweise die Interessen „betriebsfremder, aber branchenzugehöriger Arbeitnehmer“ erfassen, da auch solche durch die Gewerkschaften vertreten werden.76 Eine solche Interessenvermischung wäre schon aus wirtschaftlicher Sicht ganz und gar widersprüchlich und wird, soweit ersichtlich, nicht vertreten. Gleichzeitig würde es mit Blick auf die Binnenverfassung der Aktiengesellschaft wenig Sinn machen, zwar den Aufsichtsrat auf eine interessenplurale Ausrichtung zu verpflichten, nicht jedoch die anderen Gesellschaftsorgane.77 Es geht allerdings zu weit, aus der Beteiligung der Arbeitnehmer am Aufsichtsrat konkrete Handlungsanweisungen an den Vorstand oder an die Hauptversammlung zu entwickeln. Immerhin ist eine institutionalisierte Arbeitnehmerbeteiligung in keinem anderen Organ vorgesehen, obwohl sich rechtlich auch eine solche hätte konstruieren lassen. Insbesondere wird eine Beteiligung im Vorstand nicht durch den in § 33 MitbestG vorgesehenen Arbeitsdirektor geschaffen. Dieser wird wie jedes andere Mitglied des Vorstands auch vom Gesamtaufsichtsrat bestellt.78 Bei 74 Dazu und zu einer möglichen Europarechtswidrigkeit dieses Vorgehens Wansleben, NZG 2014, 213, 213–214. 75 In diese Richtung auch Mülbert, ZGR 1997, 129, 152. 76 Darauf zu Recht hinweisend Mülbert, ZGR 1997, 129, 152. 77 So auch Mülbert, ZGR 1997, 129, 145. 78 Siehe dazu nur Gach, in: MünchKommAktG, § 33 MitbestG Rn. 4.
§ 2 Die konzeptionelle Ausrichtung der Aktiengesellschaft
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der Auswahl steht dem Aufsichtsratsvorsitzenden bei Pattsituationen seine Doppelstimme zu.79 Selbst bei der Wahl des Arbeitsdirektors können sich die Vertreter der Eigenkapitalgeber somit gegenüber den Arbeitnehmervertretern durchsetzen. Etwas anders gilt lediglich im Anwendungsbereich des Montan-Mitbestimmungsgesetzes. § 13 Abs. 1 Satz 2, Satz 3 MontanMitbestG schreiben vor, dass Bestellung und Widerruf der Bestellung des Arbeitsdirektors nicht gegen die Stimmen der Mehrheit der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat erfolgen kann. Festhalten muss man daher, dass die Beteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat eine abschließende Maßnahme darstellt, welche zwar eine Repräsentanz ihrer Interessen im Aufsichtsrat garantiert, nicht aber die Ausrichtung des Organs selbst beeinflusst.80 Eine interessenplurale Ausrichtung des Organs kann sich demzufolge nicht aus der institutionalisierten Arbeitnehmerbeteiligung rechtfertigen. 3. Vergleich mit sonstigen Interessengruppen
Für keine andere Interessengruppe ist eine den Arbeitnehmern vergleichbare institutionelle Beteiligung vorgesehen. Dies zeigt schon, dass sich eine Ausrichtung der Aktiengesellschaft an deren Interessen noch viel weniger rechtfertigen lässt. Zwar ist es nicht unüblich, dass bedeutende Gesellschaftsgläubiger, Geschäftspartner oder politische Vertreter in den Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft gewählt werden. Diese Entscheidung geht dann jedoch auf den autonomen Willensbildungsprozess der Aktionäre zurück. Folglich kann man aus dieser Praxis auch kein Argument für eine interessenpluralistische Gestaltung der Aktiengesellschaft entnehmen. Zwar lassen sich im Aktienrecht an zahlreichen Stellen Vorschriften finden, die auch dem Gläubigerschutz dienen. Dazu gehören beispielsweise die Regeln über die Kapitalerhaltung und Teile des Konzernrechts. Über die Befolgung dieser zwingenden Vorgaben hinaus kann man dem Gesetzgeber gleichwohl nicht unterstellen, einzelne Interessengruppen als eigenständige Zielvorgaben anzuerkennen.81 Am ehesten als Hinweis in diese Richtung könnte noch der dritte Abschnitt des ersten Teils des dritten Buchs des Aktiengesetzes gedeutet werden, der mit der Bezeichnung „Sicherung der Gesellschaft und der Gläubiger“ versehen ist. Die Überschrift ist jedoch sprachlich verfehlt. Aus den Normen ergibt
79
Gach, in: MünchKommAktG, § 33 MitbestG Rn. 9. So Fleischer, GmbHR 2010, 1307, 1309; Kort, AG 2012, 605, 610; Mülbert, ZGR 1997, 129, 153; Schmidt-Leithoff, Die Verantwortung der Unternehmensleitung, S. 239; Ulmer, AcP 202 (2002), 143, 158; Wiedemann, Organverantwortung und Gesellschafterklagen in der Aktiengesellschaft, S. 36–37; ähnlich A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 49 („eher gegen“). 81 Dazu und zum vorherigen Wiedemann, Organverantwortung und Gesellschafterklagen in der Aktiengesellschaft, S. 35. 80
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1. Kap.: Grundlagen
sich kein Anhaltspunkt, dass ein abstraktes Interesse der Gesellschaft, etwa an ihrem eigenen Bestand, geschützt werden soll.82 Insgesamt zeigt sich damit, dass der Schutz anderer Interessengruppen deutlich weniger institutionalisiert ist, als der der Arbeitnehmer. Eine mittelbare Ausrichtung etwa auf die Gesellschaftsgläubiger und die Öffentlichkeit lässt sich auf diesem Weg nicht verteidigen. 4. Das „Unternehmen“ als Bezugspunkt für eine interessenplurale Ausrichtung
Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass aus gesellschaftsrechtlicher Sicht nur eine Ausrichtung an den Aktionärsinteressen gerechtfertigt werden kann. Teilweise wird jedoch eine Überformung dieser Wertungen durch unternehmensrechtliche Aspekte befürwortet. So wird verschiedentlich vertreten, dass das „Unternehmen“ ein eigenständiges rechtliches Zuordnungssubjekt sei, an dem neben den Aktionären auch andere Interessengruppen beteiligt sein sollen und das folglich all diesen Beteiligten dienen muss.83 Es geht derartigen Stimmen demnach nicht um die Wirtschaftseinheit Unternehmen, also die Summe der Betriebsmittel. Vielmehr soll das so bezeichnete „Unternehmen“ eine verbandliche Struktur haben.84 Unglücklich gewählt ist dafür zweifelsohne aber bereits die Bezeichnung Unternehmen, da der Begriff sowohl im juristischen als auch im allgemeinen Sprachgebrauch anderweitig determiniert ist.85 Ansätze zur Bestimmung des so verstandenen Rechtssubjekts „Unternehmen“ sind zahlreich. Thomas Raiser etwa nähert sich diesem über die Organisationssoziologie.86 Für ihn ist das Unternehmen demnach „ein soziales Gebilde mit einem abgegrenzten Kreis von Mitgliedern“, welche in „wechselseitigen Beziehungen zueinander stehen“, um mit „rationalen Mitteln“ ein Ziel zu erreichen.87 Vor diesem Hintergrund versteht er sowohl die Kapitaleigentümer als Mitglieder dieses Unternehmens88 als auch die Arbeitnehmer.89 Wolfgang Schilling sieht in dem Unternehmen eine „auf Dauer angelegte Vereinigung“ von Kapital, Arbeit und unternehmerischem Willen.90 Dabei unterscheidet er nicht mehr zwischen 82 Koppensteiner, in: KölnerKommAktG, Vorb. § 300 Rn. 1; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, S. 432–433; a. A. Kort, AG 2012, 605, 606. 83 Etwa Schilling, ZHR 144 (1980), 133, 139–140; eine Übersicht verschiedener Begründungsansätze findet sich bei Schmidt-Leithoff, Die Verantwortung der Unternehmensleitung, S. 130–152; Zöllner, AG 2003, 2, 4–5. 84 So die Interpretation von Zöllner, AG 2003, 2, 5. 85 Siehe dazu Schmidt-Leithoff, Die Verantwortung der Unternehmensleitung, S. 130– 131. 86 Raiser, Das Unternehmen als Organisation, S. 100. 87 Raiser, Das Unternehmen als Organisation, S. 100, 111–112. 88 Raiser, Das Unternehmen als Organisation, S. 151. 89 Raiser, Das Unternehmen als Organisation, S. 153–156.
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Aktiengesellschaft und Unternehmen, vielmehr soll die Aktiengesellschaft ein Aktienunternehmen sein, mit Unternehmens-, anstatt Gesellschaftsorganen.91 Ausdrücklich wird dieses als neue verbandliche Struktur bezeichnet,92 wobei der Ausgleich der beteiligten Gruppen über das Unternehmensinteresse erfolgen soll.93 Sogar noch weiter geht Otto Kunze, der das Unternehmen als organisiertes Sozialgebilde versteht und ebenfalls dessen eigenständigen Verbandscharakter betont.94 Zu diesem gehört seiner Ansicht nach jeder, der „an der „Produktion“ teilnimmt oder zu ihr sonst in Beziehung steht“.95 Ein derart weitgefasstes Verständnis beinhaltet dann aber nicht nur Arbeitnehmer, sondern in letzter Konsequenz auch Zulieferer und sonstige Vertragspartner,96 wobei Vorstand und Aufsichtsrat deren Interessen jeweils gegeneinander abzuwägen haben sollen.97 Joachim Flume wiederum definiert das Unternehmen als eine „Wirkungseinheit“,98 zu der Sachmittel und Personen gehören.99 Auch hier klingt eine interessenplurale Ausrichtung an, wobei Flume allerdings der „vermögensmäßigen Eigenberechtigung der Aktionäre“ Rechnung tragen will.100 Auch wenn die Diskussion über die Jahre abgeklungen ist,101 finden sich aber selbst in der modernen Kommentarliteratur noch vereinzelt Stimmen, die von der Aktiengesellschaft als verfasstem Unternehmen sprechen und dies letztendlich als Grundlage für eine interessenplurale Ausrichtung heranziehen.102 Es ist nicht notwendig, auf die Einzelheiten der hier aufgezeigten Überlegungen einzugehen. Unabhängig von der konkreten Herleitung kann das „Unternehmen“ nämlich nicht als eigenständiges Zuordnungssubjekt verstanden werden. Ungeachtet dessen, ob ausdrücklich vom einem Verband oder weit ausholend von einer Organisation gesprochen wird, müsste sich begründen lassen, warum gerade die vom jeweiligen Autor gewählte Begriffsbestimmung de lege lata Verbindlichkeit beanspruchen können soll. Dem Großteil der oben genannten Ansätze fehlt jedoch schon dieser Schritt.103 Vielmehr spielen die „sozialpolitischen Auffas90
Schilling, ZHR 144 (1980), 133, 137. Schilling, ZHR 144 (1980), 133, 139–140. 92 Schilling, ZHR 144 (1980), 133, 141. 93 Schilling, ZHR 144 (1980), 133, 144. 94 Kunze, ZHR 144 (1980), 100, 103–104. 95 Kunze, ZHR 144 (1980), 100, 104. 96 Kunze, ZHR 144 (1980), 100, 104. 97 Kunze, ZHR 144 (1980), 100, 117. 98 Flume, Die juristische Person, S. 48. 99 Flume, Die juristische Person, S. 49. 100 Flume, Die juristische Person, S. 62. 101 So die Feststellung von A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 48. 102 Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 76 Rn. 7, 15–41. 103 Das sieht man bei Schilling, ZHR 144 (1980), 133, 138–139 sehr deutlich, da plötzlich und ohne nähere Begründung von einer angeblich existierenden rechtlichen Verfassung gesprochen wird. 91
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1. Kap.: Grundlagen
sungen der jeweiligen Autoren“ eine entscheidende Rolle.104 Ein gesetzlicher Aufhänger, der für die Akzeptanz eines eigenständigen Unternehmenssubjekts sprechen würde, findet sich nicht.105 Vielmehr gilt, dass gegen den erklärten Willen des Gesetzgebers kein Verband geschaffen werden kann.106 Betrachtet man die Diskussion mit dem Abstand einiger Jahrzehnte, zeigt sich deutlich, dass der Gesetzgeber den zahlreichen mit dem Aktienunternehmen verbundenen Forderungen de lege ferenda nicht nachgekommen ist, derartigen Ansätzen also eine klare Absage erteilt hat.107 Die bisherigen Ausführungen haben darüber hinaus gezeigt, dass Aktionäre, Arbeitnehmer oder sonstige Interessengruppen eben nicht „gleichberechtigte“ Partner sind, sondern dass sich aus der Kompetenzverteilung mittelbar ein Vorrang der Aktionärsinteressen ergibt. Von der Verselbstständigung einer übergeordneten Organisation kann daher nicht ausgegangen werden. 5. Ergebnis
Die Untersuchung hat gezeigt, dass die mittelbaren Wertungen des Aktienrechts für eine Ausrichtung der Aktiengesellschaft an den Aktionärsinteressen sprechen. Nicht nur die zentralen Einwirkungsmöglichkeiten auf die Gesellschaft, sondern auch die Verteilung der Klagerechte sprechen für dieses Ergebnis. Das Gesetz hält für keine andere Interessengruppe vergleichbare Befugnisse vor. Selbst die Beteiligung der Arbeitnehmer am Aufsichtsrat kann keine interessenpluralen Tendenzen rechtfertigen. Die Doppelstimme des Aufsichtsratsvorsitzenden spricht vielmehr dafür, dass selbst bei paritätischer Besetzung die Vormachtstellung der Aktionäre gerade unterstrichen wird.
B. Bestimmung der Aktionärsinteressen Das geltende Recht geht demnach von einer Ausrichtung der Aktiengesellschaft an den Aktionärsinteressen aus. Noch ist aber nicht herausgearbeitet worden, wie sich diese Interessen genau bestimmen lassen. Immerhin sind die Eigenkapitalgeber keine völlig homogene Gruppe.108 Dies erkennt nicht zuletzt auch 104 A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 48 (ohne damit bestimmte Autoren direkt anzusprechen). 105 So auch die Kritik von Zöllner, AG 2003, 1, 5; ähnlich Kort, AG 2012, 605, 610; im Ergebnis auch Schmidt-Leithoff, Die Verantwortung der Unternehmensleitung, S. 152. 106 So grundsätzlich Rittner, ZHR 144 (1980), 330, 334 in Erwiderung auf Schillings Ansatz. 107 Siehe etwa Ballerstedt, in: FS Duden, S. 15, 33–36, der verschiedene Vorschläge entwickelt hatte, die sich aus der Anerkennung eines Unternehmensinnenrechts ergeben sollen. 108 Dauner-Lieb, WM 2007, 9, 13; Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 76 Rn. 17; Raisch, in: FS Hefermehl, S. 347, 348–349.
§ 2 Die konzeptionelle Ausrichtung der Aktiengesellschaft
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der Gesetzgeber an, der über § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AktG auch einzelne Aktionäre bei der Wahrnehmung von Klagerechten auf das Gesellschaftswohl verpflichtet. Die einzelnen Gruppenmitglieder können mit ihrer Beteiligung sehr unterschiedliche Ziele verfolgen.109 Beispiele lassen sich zahlreiche bilden. Am deutlichsten wird die Unterscheidung wohl im Bereich des Investitionshorizontes. Im Extremfall stehen hier Anleger, die an möglichst hohen, kurzfristigen Gewinnen interessiert sind, solchen gegenüber, die ihre Beteiligung als langfristigen, etwa die eigene Rente unterstützenden Einsatz sehen. Wie stark derartige Interessendivergenzen tatsächlich ausfallen, wird an späterer Stelle noch herausgearbeitet.110 Darüber hinaus wird sowohl bei Vertretern eines interessenpluralistischen Ansatzes wie aber auch bei Vertretern einer interessenmonistischen Ausrichtung die Frage, was genau die Aktionärsziele sind, eher stiefmütterlich behandelt. Im erst genannten Fall ist diese Lücke insoweit verständlich, als die zulässige Bedienung unterschiedlicher Gruppen die Bedeutung einzelner Interessenlagen in den Hintergrund treten lässt. Gerade auf Basis eines interessenmonistischen Ansatzes ist es jedoch unerlässlich, ein klares Bild davon zu haben, wie die Aktionärsinteressen bestimmt werden können. I. Konkretisierung der Aktionärsinteressen durch die Aktionäre Das geltende Recht erlaubt den Aktionären an einigen Stellen ihre Interessen selbst zu konkretisieren. Im Rahmen der Gesellschaftsgründung wird der Gesellschaft etwa von den Gründern der Gesellschaftszweck mit auf den Weg gegeben. Es handelt sich dabei um die Geschäftsgrundlage der aktuellen und künftigen Eigenkapitalgeber.111 Ein solcher Gesellschaftszweck definiert eine „überindividuelle Zielsetzung“, die als „normative Leitlinie“ für das Verhalten von Verbandsorgangen und Verbandsmitgliedern gilt.112 Zwar wird der Gesellschaftszweck als Satzungsbestandteil in § 23 AktG nicht ausdrücklich erwähnt. Seine Existenz wird jedoch von den §§ 33 Abs. 1 Satz 2, 705 BGB vorausgesetzt.113 Da hier von einer alleinigen Ausrichtung der Aktiengesellschaft an Aktionärsinteressen ausgegangen wird, ist die Gruppe der Aktionäre damit auch frei, die-
109 Dauner-Lieb, WM 2007, 9, 13; Kunze, ZHR 144 (1980), 100, 118; Raisch, in: FS Hefermehl, S. 347, 349; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, S. 169; Shleifer/Vishny, The Journal of Finance 1997, 737, 758. 110 Siehe dazu unten unter § 6 A. I. 1. 111 Limmer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 23 Rn. 18; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 848. 112 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, S. 155. 113 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, S. 155; ähnlich K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 848; Heider, in: MünchKommAktG, § 1 Rn. 20 (jeweils nur § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB nennend).
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1. Kap.: Grundlagen
sen Zweck zu bestimmen. Oberste Grenze ist allein zwingendes Recht.114 In Ermangelung anderer Angaben, ist das Formalziel der normtypischen Aktiengesellschaft die Gewinnerzielungsabsicht für die beteiligten Aktionäre.115 Über § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG kann die Satzung einer Aktiengesellschaft ferner den Gegenstand des Unternehmens vorgeben. Das Unternehmen ist das Mittel, um den Gesellschaftszweck zu erreichen.116 Indem angegeben wird, was die Aktiengesellschaft als Tätigkeit ausführt, wird der Handlungsspielraum der Verwaltungsorgane weiter beschränkt.117 Denkbar ist etwa die Begrenzung auf den Betrieb eines Stahlunternehmens oder auf die Produktion von Mikrochips.118 Gesellschaftszweck und auch Unternehmensgegenstand könnten theoretisch dazu verwendet werden, um detaillierte Vorgaben für die Verwaltungsorgane bereit zu stellen. In der Praxis sind jedoch die Vorgaben häufig weit gefasst. Dahinter dürfte meist ökonomisches Kalkül stehen, um Vorstand und Aufsichtsrat im Tagesgeschäft nicht zu stark einzuschränken. Darüber hinaus konkretisiert sich das Aktionärsinteresse in Einzeleinwirkungen. Zwar kennt das deutsche Aktienrecht keine generelle Weisungsbefugnis der Gesellschafter gegenüber Aufsichtsrat und Vorstand. Es bestehen jedoch zahlreiche gesetzliche Mitwirkungsmöglichkeiten, von denen die zentralsten Kompetenzen zur Gründung und Auflösung der Gesellschaft bereits angesprochen wurden.119 Jedes Mal, wenn die Hauptversammlung angerufen wird oder aus eigenem Antrieb über § 122 Abs. 2 AktG ein Minderheitsverlangen initiiert, überträgt man der den Beschluss tragenden Mehrheit das Recht, die Aktionärsinteressen auszudrücken. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn nach § 101 Abs. 1 Satz 1 AktG der Aufsichtsrat gewählt, nach § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG dem Vorstand das Vertrauen entzogen oder nach § 221 AktG der Ausgabe bestimmter Schuldtitel zugestimmt wird. Überlässt man den Eigenkapitalgebern selbst die Konkretisierung ihrer Interessen durch Mehrheitsentscheidung, ist das Ergebnis immer nur Ausdruck des Willens der Mehrheit der tatsächlich an der Abstimmung beteiligten Gesellschafter. Nicht notwendigerweise wird also das Interesse aller Aktionäre bekundet. Lediglich für den Sonderfall der Änderung des Gesellschaftszwecks wird Einstimmigkeit aller vorhandenen Gesellschafter vorausgesetzt.120 Berücksichtigt man die 114 Limmer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 23 Rn. 18; Mülbert, in: FS Lutter, S. 535, 540; Solveen, in: Hölters (Hrsg.), Aktiengesetz, § 23 Rn. 21. 115 Siehe nur Koch, in: Hüffer (Begr.), Aktiengesetz, § 23 Rn. 22. 116 Heider, in: MünchKommAktG, § 1 Rn. 20; Solveen, in: Hölters (Hrsg.), Aktiengesetz, § 23 Rn. 21. 117 Dreher, ZHR 155 (1991), 349, 357–358; Penz, in: MünchKommAktG, § 23 Rn. 85; Solveen, in: Hölters (Hrsg.), Aktiengesetz, § 23 Rn. 22. 118 Beispiel nach Kuhner, ZGR 2004, 244, 246. 119 Siehe dazu bereits oben unter § 2 A. II. 1.
§ 2 Die konzeptionelle Ausrichtung der Aktiengesellschaft
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geringen Beteiligungsquoten bei den ordentlichen Hauptversammlungen großer Publikumsgesellschaften, bei der Deutsche Bank AG waren es 2013 etwa 22.99% und im Jahr 2014 29.83%,121 bedeutet selbst eine drei Viertel Mehrheit bei einer Satzungsänderung nach § 179 Abs. 2 Satz 1 AktG nicht unbedingt, dass eine Mehrheit des Gesamtkapitals hinter einer Entscheidung steht. Damit zeigt sich bereits an dieser Stelle, dass es auch in einem interessenmonistischen System wie dem deutschen Aktienrecht richtig ist, Aktionärskompetenzen nur punktuell zuzulassen. Denn diese erlauben einer Mehrheit auf der Hauptversammlung für alle Aktionäre zu sprechen, spiegeln aber unter Umständen nicht das Meinungsbild aller Anleger wider. II. Aktionärsinteressen als generelle Handlungsmaxime Ist eine Konkretisierung der Aktionärsinteressen durch die Aktionäre nicht zugelassen, obliegt deren Bestimmung den Verwaltungsorganen. Unter Aktionärsinteressen kann dann nur das gebündelte Interesse aller Aktionäre verstanden werden.122 Widerstreitende Interessen sind im Einzelfall zum Ausgleich zu bringen. Gerade in größeren Aktiengesellschaften mit wenigen unternehmerisch interessierten Aktionären dürften dabei Rentabilität und Bestandserhaltung die Wünsche der meisten Aktionäre treffend beschreiben.123 Dennoch ist die Bestimmung der Aktionärsinteressen aber immer auch eine individuelle Entscheidung und darf sich nicht an starren Zielvorgaben orientieren. Die Verwaltungsorgane müssen ausgehend von der jeweiligen Gesellschafterstruktur die Interessen der Aktionäre ermitteln. Diese können in einer sich im Streubesitz befindlichen Gesellschaft anders sein, als wenn Alleingesellschafter eine regional verwurzelte Familie ist oder etwa eine Kommune Anteile hält. Keinesfalls ist der Aktionär mit diversifiziertem Portfolio der Grundtyp aller Kapitalanleger.124 Wenn aber nur solche Gesellschafter vorhanden sind, müssen Vorstand und Aufsichtsrat dies bei ihren Entscheidungen berücksichtigen.125 Demnach muss kontinuierlich die Aktionärsstruktur beachtet und auf vorhandene Interessenlagen untersucht werden. Zweifelsohne ist das nicht immer eine einfache Aufgabe.126 Auch eine Ausrichtung auf die so verstandenen Aktionärsinteressen gibt demnach 120 Siehe nur Koch, in: Hüffer (Begr.), Aktiengesetz, § 179 Rn. 33; Pentz, in: MünchKommAktG, § 23 Rn. 70. 121 Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger, SdK-Präsenzstatistik DAX, Stand: 26.09. 2014. 122 Weber, in: Hölters (Hrsg.), Aktiengesetz, § 76 Rn. 19; ähnlich A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 59–60; Zöllner, AG 2003, 1, 7–8. 123 So grundsätzlich Weber, in: Hölters (Hrsg.), Aktiengesetz, § 76 Rn. 19. 124 A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 59–60; Dauner-Lieb, WM 2007, 9, 13. 125 Ähnlich Kuhner, ZGR 2004, 244, 270, 278. 126 Lorsch/MacIver, Pawns or Potentates, S. 11.
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1. Kap.: Grundlagen
nicht für jede Situation konkrete Handlungsanweisungen vor.127 Zum einen ist schon die Konkretisierung mit erheblichen Prognoseschwierigkeiten verbunden, zum anderen lassen sich auch die Auswirkungen einzelner Entscheidungen nicht immer sicher vorhersagen.128 Daher kann es hilfreich sein, trotz der bereits angesprochenen Schwächen, eine Hauptversammlungsmehrheit durch die Schaffung von zusätzlichen Kompetenzen miteinzubeziehen. Auf diese Überlegung wird im Rahmen möglicher Beteiligungsformen im Bereich der Personalkompetenz noch zurückzukommen sein.129 Trotz dieser Konkretisierungsschwierigkeiten ist eine Ausrichtung auf die Aktionärsinteressen als Zielvorgabe aber deutlich greifbarer als eine interessenplurale Konzeption.130 Denn zumindest werden so jene Handlungsalternativen ausgeschlossen, die nicht den Aktionären dienen. Wird von einer Ausrichtung der Aktiengesellschaft am Aktionärsinteresse gesprochen, wird dies zuweilen mit einer Ausrichtung am shareholder value gleichgesetzt.131 Auch wenn die einzelnen Begriffsbestimmungen abweichen, so ist damit im Kern die Steigerung des Unternehmenswertes gemeint.132 Vereinfacht ausgedrückt bedeutet shareholder value somit die Ausrichtung auf die Kursentwicklung der Gesellschaft.133 Im Einzelnen bestehen indes unterschiedliche Konzepte für die konkrete Wertermittlung.134 Ihr Vorteil ist bei einem entsprechenden Zeithorizont die Bestimmbarkeit.135 Anders als die vage Bezugnahme auf die Interessen der Gesellschafter ließe sich, die empirischen Daten vorausgesetzt, in jeder denkbaren Situation über das shareholder value Konzept eine konkrete Handlungsanweisung entwickeln. Der Vorstand dürfte aus mehreren Handlungsmöglichkeiten dann immer nur diejenige wählen, die am ehesten den Unternehmenswert hebt. Aus dem Gesetz lässt sich allerdings nicht ableiten, dass der Vorstand auf eine bestimmte Berechnungsmethode für den shareholder value verpflichtet ist. Dies 127 Dauner-Lieb, WM 2007, 9, 13; in diese Richtung auch Fleischer, in: Spindler/ Stilz (Hrsg.), § 76 Rn. 44 (auf Basis eines shareholder value Ansatzes); Spindler, in: MünchKommAktG, § 76 Rn. 66. 128 Ähnlich Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 76 Rn. 44. 129 Siehe dazu insbesondere unten unter § 8 A. III., § 9 A. III., § 10 A. III., § 10 B. I. und § 10 C. I. 130 In diese Richtung auch Spindler, in: MünchKommAktG, § 76 Rn. 66. 131 Kort, AG 2012, 605; siehe auch Ulmer, AcP 202 (2002), 143, 155–160, der einer interessenpluralistischen Ausrichtung der Aktiengesellschaft nicht eine Ausrichtung an Aktionärsinteressen gegenüberstellt, sondern shareholder value verstanden als buchhalterisches Konzept. 132 In diese Richtung das Verständnis von Busse von Colbe, ZGR 1997, 271, 272; Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 76 Rn. 37; Kort, AG 2012, 605, 605–606; Mülbert, ZGR 1997, 129, 131–132. 133 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 768; ähnlich Kuhner, ZGR 2004, 244, 258. 134 Mülbert, ZGR 1997, 129, 133–134; von Werder, ZGR 1998, 69, 71–73. 135 Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 76 Rn. 34; dies erkennt wohl auch Kort, AG 2012, 605, 606 an.
§ 2 Die konzeptionelle Ausrichtung der Aktiengesellschaft
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wäre aber Grundvoraussetzung, wenn man dieses Konzept als gesetzliche Leitmaxime verstehen will. Man wird den Aktionären allerdings nicht verwehren dürfen, eine Verpflichtung auf den Unternehmenswert in der Satzung im Rahmen des Unternehmensgegenstands vorzugeben.136 Der Wunsch nach einer derart strengen Ausrichtung an buchhalterischen Größen dürfte jedoch die Ausnahme sein, würde doch die unternehmerische Flexibilität im Einzelfall stark eingeschränkt.137 Bei einer konsequenten Berücksichtigung des shareholder value ließe sich ein soziales Engagement der Gesellschaft nur rechtfertigen, wenn etwa durch den Imagegewinn eine Steigerung des Unternehmenswertes zu erwarten wäre. Gerade wenn es um die Förderung etwa von Kunst und Sport geht, hat der unmittelbare Nutzen für die Gesellschaft aber oft keinen oder nur einen geringen Geldwert.138 Zumindest lässt sich dieser in der Praxis nur schwer prognostizieren.139 Unterstellt man daher eine strenge Bindung des Vorstands an buchhalterischen Kriterien, müsste man derartige Aktivitäten in den meisten Fällen untersagen. Auch wenn man aus rechtspolitischer Sicht das starke Engagement einiger Vorstände in diesem Bereich durchaus kritisch hinterfragen kann,140 so dürfte doch kein Zweifel bestehen, dass die Aktionäre an vereinzelten Maßnahmen auch unabhängig von einer unmittelbaren Wirkung auf den Unternehmenswert durchaus ein Interesse haben. Shareholder value, verstanden als buchhalterische Berechnungsmethode, ist damit nicht immer gleichzusetzen mit den Aktionärsinteressen. Allerdings hat sich die Begrifflichkeit shareholder value über seine ursprünglichen wirtschaftswissenschaftlichen Wurzeln hinaus verselbstständigt und wird vielfach als Synonym für eine Interessenausrichtung an den Aktionären verstanden, ohne dass auf bestimmte Berechnungsmethoden zurückgegriffen wird.141 Gegen eine solche Verwendung des Begriffes ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Ein Erkenntnisgewinn ist damit dann jedoch nicht verbunden. In der Folge wird deshalb weiter die Bezeichnung Aktionärsinteressen verwendet. III. Verhältnis zu anderen Interessengruppen Oft geht mit einer Ausrichtung auf die Aktionärsinteressen die Furcht einher, es könnte zu einer Vernachlässigung anderer Interessengruppen kommen.142 Rich136
So auch Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 76 Rn. 39. Ähnlich Spindler, in: MünchKommAktG, § 76 Rn. 75. 138 Siehe die Beispiele bei Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 76 Rn. 45; ähnlich Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 1.31. 139 So auch Spindler, in: MünchKommAktG, § 76 Rn. 73. 140 Kritisch etwa auch Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 76 Rn. 48. 141 Zu diesem Begriffsdualismus auch Mülbert, ZGR 1997, 129, 130. 142 Kuhner, ZGR 2004, 244, 261–262 („dürfte es völlig unstrittig sein, dass die Honorierung wohlerworbener, aber rechtlich nicht abgesicherter Stakeholder-ansprüche nicht gerade ein Herzensanliegen Shareholder Value-geleiteter Unternehmenspolitik ist“). 137
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1. Kap.: Grundlagen
tig ist freilich nur, dass die Ziele anderer stakeholder nicht als abstrakte Vorgabe für die Gesellschaft und ihre Organe dienen können. Diese Tatsache bedeutet jedoch nicht, dass die Existenz von anderen Interessengruppen geleugnet wird.143 Deren Schutz wird allerdings vornehmlich durch zwingende gesetzliche Regelungen sichergestellt, wie etwa dem Arbeitsrecht.144 Wünscht der Gesetzgeber daher eine bestimmte Absicherung, ist dies vornehmlich durch eine derartige Regulierung herbeizuführen. Darüber hinaus müssen die Interessen der einzelnen bereits genannten Gruppen nicht unbedingt von denen der Aktionäre abweichen.145 Im Regelfall können alle Beteiligten nur von einer gewinnbringend wirtschaftenden Gesellschaft profitieren.146 Beispielsweise garantiert aus Sicht der Arbeitnehmer auch nur eine solche Gesellschaft sichere Arbeitsplätze.147 Allerdings muss man anerkennen, dass ein Gleichlauf aller Interessen nicht in jeder Situation gegeben ist.148 Dies wird etwa deutlich, wenn die Einstellung eines Betriebsteiles zwar eine höhere Rendite verspricht, aber auch einen umfassenden Stellenabbau bedeutet.149 Liegt kein Interessengleichlauf vor, sind die Wünsche anderer Gruppen alleine vor dem Hintergrund der Gesellschafterinteressen zu beurteilen.150 Oftmals liegt die Bedienung der Anliegen bestimmter Gruppen zumindest mittelbar im Interesse der Aktionäre. Nur wenn nämlich auch stakeholder Belange angemessene Berücksichtigung finden, kann auf Dauer rentabel gewirtschaftet werden.151 So kann es etwa im Aktionärsinteresse liegen, aus Kulanzgründen Forderungen von Kunden oder Lieferanten zu begleichen, wenn dadurch die Akzeptanz am Markt gefördert und langfristige Vertragsbeziehungen abgesichert werden. Richtig ist aber, dass die stakeholder Interessen damit nur „Mittel zum Zweck“ sind.152 Sie werden nur gemehrt, um letztendlich den Aktionären zu dienen.153 Das bedeutet, 143 A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 32, 39; Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 76 Rn. 33; Weber, in: Hölters (Hrsg.), Aktiengesetz, § 76 Rn. 21, 22; Wiedemann, Organverantwortung und Gesellschafterklagen in der Aktiengesellschaft, S. 35; ähnlich Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 476–477. 144 Siehe dazu bereits oben unter § 2 A. I. 1. 145 Busse von Colbe, ZGR 1997, 271, 289; Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 87 Rn. 19. 146 Busse von Colbe, ZGR 1997, 271, 289; Raisch, in: FS Hefermehl, S. 347, 349–351. 147 Busse von Colbe, ZGR 1997, 271, 289. 148 Mülbert, ZGR 1997, 129, 139; von Werder, ZGR 1998, 69, 75. 149 Beispiel nach von Werder, ZGR 1998, 69, 75. 150 Weber, in: Hölters (Hrsg.), Aktiengesetz, § 76 Rn. 22; Wiedemann, Organverantwortung und Gesellschafterklagen in der Aktiengesellschaft, S. 35; Zöllner, AG 2003, 2, 8. 151 A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 32; Fleischer, in: Spindler/ Stilz (Hrsg.), § 76 Rn. 43; Mülbert, ZGR 1997, 129, 139; kritisch dazu Ulmer, AcP 202 (2002), 143, 156; von Werder, ZGR 1998, 69, 75. 152 So die Feststellung von von Werder, ZGR 1998, 69, 77. 153 So auch Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 76 Rn. 43.
§ 2 Die konzeptionelle Ausrichtung der Aktiengesellschaft
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dass bei einem Konflikt zwischen verschiedenen Handlungsmöglichkeiten immer den Aktionären der Vorzug zu geben ist. Gleichzeitig erhöht sich der Begründungsaufwand des Vorstands, je eher eine Entscheidung lediglich anderen Belangen zu nützen scheint. Im angloamerikanischen Raum hat sich für diese Konzeption die Bezeichnung shareholder primacy oder enlightened shareholder value etabliert.154 So schreibt Art. 172 Abs. 1 des Companies Act 2006 in Großbritannien vor, dass sich die Geschäftsleitung einer Gesellschaft bei jeder Entscheidung die Auswirkungen auf unterschiedliche Interessengruppen vor Augen führen soll. Aufgezählt werden in Art. 172 Abs. 1 des Companies Act 2006 etwa Umwelt, Lieferanten und Kunden. Das britische Recht gibt damit zu erkennen, dass eine Gesellschaft langfristig nur erfolgreich wirtschaften kann, wenn die Bedeutung aller stakeholder ernstgenommen wird.155 Letztendlich folgen muss das Management in Großbritannien jedoch nur den Vorstellungen der Aktionäre.156 Es ist allerdings behauptet worden, dass insbesondere die anhaltende Wirtschaftskrise eine interessenmonistische Ausrichtung in Frage stellen würde.157 Dahinter steht die Überlegung, eine zu starke Orientierung an den Aktionären, wirtschaftlichen Kennzahlen und Renditen hätte zu Fehlentwicklungen geführt, die bei Einbeziehung von eher langfristig orientierten Interessengruppen wie Arbeitnehmern oder Gläubigern nicht aufgetreten wären. Derartige Überlegungen sind allerdings bereits im Kern unzutreffend. Wohl niemand wird ernstlich bezweifeln, dass die Wirtschaftskrise und ihre Auswirkungen nicht im Interesse der allermeisten Eigenkapitalgeber waren. Was auch immer die Auslöser für diese Entwicklung waren, weder die einzelnen Komponenten, noch die Summe dieser Komponenten haben sich für die Gesellschafter rückblickend betrachtet als vorteilhaft erwiesen. Unbestritten ist, dass es in den letzten Jahren zu Fehlentwicklungen gekommen ist. Falsch ist aber, dass diese Fehlentwicklungen mit dem Aktionärsinteresse gleichzusetzen sind.158 Wenn die Wirtschaftskrise eines gelehrt hat, dann dass das hergebrachte Verständnis von Kapitalmarkt und erwerbswirtschaftlicher Tätigkeit nicht mit dem Aktionärsinteresse vereinbar ist.159
154 Siehe etwa Davies/Rickford, European Company and Financial Law Review 2008, 48, 65; Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 76 Rn. 33, 39; Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, § 1 Rn. 31; umfassend dazu The Company Law Review Steering Group, The Strategic Framework, Rn. 5.1.8–5.1.50. 155 Davies/Rickford, European Company and Financial Law Review 2008, 48, 65. 156 Davies/Rickford, European Company and Financial Law Review 2008, 48, 66; Ladiges/Pegel, DStR 2007, 2069, 2072 („Hauptzweck der Tätigkeit einer Gesellschaft ist also weiterhin die Profitmaximierung für ihre Gesellschafter“). 157 Kort, AG 2012, 605, 606. 158 Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 76 Rn. 35; Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 476. 159 Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 76 Rn. 35; aufschlussreich dazu auch Jensen, Business Ethics Quarterly 2002, 235, 252 über die Gefahr, kurzfristige Gewinnerzielung mit langfristiger Wertschöpfung zu verwechseln.
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1. Kap.: Grundlagen
IV. Ergebnis Im Ergebnis lässt sich damit festhalten, dass in Ermangelung von konkreten Vorgaben die Verwaltungsorgane in jedem Einzelfall die Interessen der Aktionäre zu konkretisieren und laufend zu überprüfen haben. Rentabilität und Bestandserhaltung mögen diese Anliegen gerade in Publikumsgesellschaften oftmals zutreffend beschreiben, sind aber nicht als pauschale Handlungsanweisung zu verstehen. Insbesondere sind Vorstand und Aufsichtsrat nicht auf die Berücksichtigung bestimmter buchhalterischer Dimensionen verpflichtet. Auch hat sich gezeigt, dass eine Ausrichtung an den Aktionärsinteressen nicht gleichbedeutend mit einer Ausbeutung anderer stakeholder Gruppen sein muss oder deren Nichtberücksichtigung verlangt.
C. Ansätze in der Rechtsprechung zur Bestimmung aktienrechtlicher Zielvorgaben In einem weiteren Schritt ist zu prüfen, wie die Rechtsprechung die konzeptionelle Ausrichtung der Aktiengesellschaft in der Praxis beurteilt. Immer wieder finden sich Behauptungen, dass diese ein interessenpluralistisches Unternehmensinteresse längst anerkannt habe.160 Zwar muss sich jedes Urteil an der geltenden Rechtslage messen lassen und diese schreibt nach hier vertretenem Verständnis eine monistische Ausrichtung vor. Würde aber eine gefestigte Rechtsprechung eine gegenteilige Interpretation vorziehen, wäre damit zumindest ein unmittelbares Bedürfnis für einen regulatorischen Eingriff erkennbar. Bereits gezeigt wurde, dass der „Feldmühle“-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 07.08.1962 trotz des Verweises auf Art. 14 Abs. 2 GG und die Bezugnahme auf das Gemeinwohl161 keine vertiefte Auseinandersetzung mit der konzeptionellen Ausrichtung der Aktiengesellschaft entnommen werden kann.162 In einem späteren Urteil aus dem Jahr 1972 stand vor dem Verfassungsgericht die Zulässigkeit des Verbotes, die Aufsichtsratsvergütung bei der Berechnung des körperschaftssteuerlichen Gewinns abzuziehen, in Frage.163 Dabei wurde ausgeführt, dass „die Vertreter der Arbeitnehmer [. . .] ebenso wie die von den Anteilseignern entsandten Mitglieder des Aufsichtsrats die Interessen des Unternehmens wahrzunehmen“ haben.164 Im konkreten Zusammenhang geht es dem Bundesverfassungsgericht allerdings wiederum nicht um die konzeptionellen Zielvorgaben für 160 Etwa bei Raisch, in: FS Hefermehl, S. 347; Spindler, in: MünchKommAktG, § 76 Rn. 63. 161 BVerfGE 14, 263, 282. 162 Siehe dazu bereits oben unter § 2 A. I. 2. 163 Zum Sachverhalt und der zugrundeliegenden rechtlichen Problematik siehe BVerfGE 34, 103, 103–105. 164 BVerfGE 34, 103, 112.
§ 2 Die konzeptionelle Ausrichtung der Aktiengesellschaft
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die gesamte Aktiengesellschaft, sondern lediglich um die Begründung, warum die Aufsichtsratstätigkeit nicht auf eine systematische Gewinnkontrolle zurückgeführt werden kann, was die Einordnung der Aufsichtsratsvergütung als Gewinnaufwendung zur Folge gehabt hätte.165 Für die Entscheidung war es weder erforderlich, noch hat das Bundesverfassungsgericht obiter dictum Ausführungen zum Interessenpluralismus gemacht. Vielmehr wird die Nähe zum Unternehmensbegriff wohl nur gesucht, um ein weiteres Argument für die Qualifizierung der Aufsichtsratsvergütung als Betriebsausgabe zu finden. Ob das Bundesverfassungsgericht durch die genannten Urteile das „Unternehmensinteresse“ als materiellen Rechtsbegriff einführen wollte,166 mag dahinstehen. Als sicher darf aber gelten, dass es mit dem Begriff selbst keine konzeptionelle Vorstellung verfolgt hat. Auch Befürworter einer interessenpluralistischen Auslegung räumen ein, dass das Bundesverfassungsgericht den Unternehmensbegriff nicht einheitlich verwendet.167 In einer neueren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 09.01.2014 über die Verfassungsmäßigkeit der Fortgeltung der drittelparitätischen Mitbestimmung für vor dem 10.08.1994 eingetragene Aktiengesellschaften mit weniger als 500 Arbeitnehmern nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 DrittelG haben sich die Richter ebenfalls nicht zur konzeptionellen Ausrichtung des Aktienrechts geäußert.168 Insbesondere findet sich in der Entscheidung kein Hinweis darauf, dass der 2. Senat von einem unmittelbar aus Art. 14 GG erwachsenden Beteiligungsrecht der Arbeitnehmer ausgeht. Vielmehr wird die drittelparitätische Mitbestimmung alleine als Eingriff in die von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Herrschaftsrechte der Aktionäre begriffen,169 welcher nach Ansicht des Verfassungsgerichts jedoch gerechtfertigt werden kann170. Ebenso ist den Judikaten des Bundesgerichtshofs ein eindeutiges Bekenntnis zum Interessenpluralismus nicht zu entnehmen. In einem Urteil bezogen auf die Schweigeverpflichtung der Mitglieder des Aufsichtsrats hielten die Richter fest, dass das Bedürfnis nach Geheimhaltung von im Aufsichtsrat bekanntgewordenen Informationen „im Interesse des Unternehmens“ liege.171 Der Bundesgerichtshof wollte vor dem Hintergrund des konkreten Falls aber nur klarstellen, dass ein Geheimhaltungsinteresse nicht allein subjektiv durch die Aufsichtsratsmehrheit festgestellt werden könne. Vielmehr sei ein solches objektiv zu bestimmen, wobei als Maßstab das Unternehmensinteresse gelten soll.172 Dieser Maßstab wird 165 166 167 168 169 170 171 172
BVerfGE 34, 103, 112. So aber Junge, in: FS von Caemmerer, S. 547, 551–552. Etwa Schilling, ZHR 144 (1980), 133, 140. BVerfG, ZIP 2014, 464, 464–468. BVerfG, ZIP 2014, 464, 465–466. BVerfG, ZIP 2014, 464, 466. BGHZ 64, 325, 329. BGHZ 64, 325, 329, 331.
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1. Kap.: Grundlagen
gleichwohl nicht näher definiert. Zwar heißt es in der Entscheidung, dass „das Interesse des Unternehmens [. . .] sich vielfach, aber nicht immer, mit den Interessen der im Aufsichtsrat repräsentierten Gruppen decken wird“.173 Damit folgt der Bundesgerichtshof jedoch keiner interessenpluralistischen Konzeption.174 Isoliert betrachtet kann man der Passage nur entnehmen, dass Anteilseigner und Arbeitnehmer oft gleichlaufende Interessen haben. Ob die einzelnen Gruppen eigenständige Zielvorgaben repräsentieren und wie etwaige Konflikte zu lösen sind, geht aus dem Urteil nicht hervor. Vielmehr wurde ausdrücklich klargestellt, dass auf die „Ausführungen [. . .] zur ,Interessenpluralität‘ im Aufsichtsrat“ nicht eingegangen werden müsse.175 Gleiches gilt für den kurzen Verweis auf das Unternehmensinteresse im Rahmen der „Mannesmann“-Entscheidung des Bundesgerichtshofs.176 Behandelt wurde hier die Zulässigkeit einer nachträglichen und ohne vertragliche Grundlage gewährten Anerkennungsprämie. Hier heißt es, dass die Aufsichtsräte „bei allen Vergütungsentscheidungen im Unternehmensinteresse“ zu handeln haben,177 wobei für die genauere Bestimmung auf die damalige Kommentierung von Uwe Hüffer178 verwiesen wird. Diese offenbart zwar ein interessenplurales Verständnis, welches sich der 3. Strafsenat durch den Verweis formal zu Eigen macht. In dem Urteil wird sich jedoch nicht weiter mit der Begrifflichkeit auseinandergesetzt,179 da die konzeptionelle Ausrichtung der Aktiengesellschaft letztendlich nicht entscheidungserheblich war. Für den Bundesgerichtshof war lediglich wichtig, dass die in Frage stehende Anerkennungsprämie „ohne jeden Nutzen“ für die Mannesmann AG war.180 Auf die konkreten Interessen der einzelnen Gruppen, das Verhältnis der einzelnen Gruppen zueinander und die Gewichtung der Interessen untereinander, wird nicht eingegangen. Auch hier ist daher nicht zu erkennen, dass sich der fachfremde 3. Strafsenat mit der hinter den aktienrechtlichen Zielvorgaben stehenden Problematik auseinandergesetzt hat. In jüngerer Zeit hat sich das Oberlandesgericht Frankfurt ausdrücklich mit der konzeptionellen Ausrichtung der Aktiengesellschaft befasst.181 Ein Vorstandsmitglied hatte kurz vor seiner Abberufung einen Beratervertrag mit einem externen Dienstleister geschlossen, wobei dieser Vertrag den Interessen des Hauptaktionärs entgegen lief.182 Um den Pflichtenmaßstab für das Vorstandsmitglied 173 174 175 176 177 178 179 180 181 182
BGHZ 64, 325, 331. A.A. Spindler, in: MünchKommAktG, § 76 Rn. 63. BGHZ 64, 325, 331. BGHSt 50, 331, 335–336, 341. BGHSt 50, 331, 335–336. Hüffer, Aktiengesetz, 6. Aufl., § 76 Rn. 12. So auch A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 45 Fn. 185. BGHSt 50, 331, 341. OLG Frankfurt, AG 2011, 918, 918–920. OLG Frankfurt, AG 2011, 918.
§ 2 Die konzeptionelle Ausrichtung der Aktiengesellschaft
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zu bestimmen, referiert das Gericht kurz einige bezüglich interessenmonistischer oder interessenpluralistischer Ausrichtung der Aktiengesellschaft vertretene Ansätze.183 Entgegen missverständlichen Aussagen in der Literatur184 entscheidet sich das Gericht jedoch nicht für eine Seite, sondern lässt die Frage mangels Erheblichkeit offen. Insbesondere folgen die Richter nicht der angegebenen Literaturquelle zum Unternehmensinteresse,185 sondern geben diese lediglich wieder. Das zeigt sich nicht zuletzt an der Aussage des Oberlandesgerichts Frankfurt, wonach „der Vorstand Shareholder Value Gedanken Rechnung tragen darf.“ 186 Mit einer interessenpluralistischen Ausrichtung ist diese Feststellung nicht vereinbar.187 Auch die Ausführungen des Oberlandesgerichts, wonach „aufgrund der gesetzlichen Strukturvorgaben keine notwendige Interessenidentität zwischen dem Haupt- oder Großaktionär und dem Unternehmen selbst“ bestehen soll,188 ist vor dem Hintergrund einer Ausrichtung allein an Aktionärsinteressen zutreffend. Wie gezeigt, ist das Aktionärsinteresse das Interesse der Aktionäre in ihrer Gesamtheit, wobei widerstreitende Ziele zum Ausgleich gebracht werden müssen.189 Es ist aber nicht unbedingt mit den Vorstellungen der dominierenden Mehrheit gleichzusetzen. Insgesamt lässt sich daher festhalten, dass die Rechtsprechung keine verwertbare Aussage über die konzeptionelle Ausrichtung der Aktiengesellschaft getroffen hat.190 Insbesondere fehlt eine fundierte höchstrichterliche Auseinandersetzung mit dieser Frage, welche auch tatsächlich ein Bewusstsein für die Bedeutung der zugrundeliegenden Fragestellung erkennen lässt. Es existiert weder eine gefestigte Rechtsprechung, die für eine interessenpluralistische Konzeption spricht, noch ist ein Bekenntnis zu den Aktionärsinteressen erkennbar.
D. Beurteilung der konzeptionellen Ausrichtung der Aktiengesellschaft und Untersuchung von möglichem Reformbedarf Ziel der weiteren Ausarbeitung ist es, auf Grund der konzeptionellen Ausrichtung der Aktiengesellschaft einzelne Aktionärskompetenzen und rechtliche Ent183
OLG Frankfurt, AG 2011, 918, 919. Insbesondere Kort, AG 2012, 605, 607; Wieneke, CCZ 2012, 236, 238. 185 So aber Wieneke, CCZ 2012, 236, 238. 186 OLG Frankfurt, AG 2011, 918, 919. 187 Auf diesen Widerspruch hinweisend etwa Kort, AG 2012, 605, 607, der das Urteil aber dennoch als Bekenntnis zum Interessenpluralismus wertet. 188 OLG Frankfurt, BeckRS 2011, 24234; in die auszugsweise Veröffentlichung in AG 2011, 918, 918–920 schaffte es diese zentrale Passage nicht. 189 Siehe dazu bereits oben unter § 2 B. II. 190 So auch A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 45, der die Aussagen der Rechtsprechung „eher zufällig“ nennt. 184
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1. Kap.: Grundlagen
wicklungen zu untersuchen. Vorher muss jedoch geklärt werden, ob die Orientierung an den Aktionärsinteressen de lege lata überhaupt eine überzeugende Zielsetzung darstellt. Bisher wurde lediglich die aktuelle Rechtslage herausgearbeitet, ohne diese zu bewerten. Es ist gleichwohl wenig sinnvoll, eine mögliche Weiterentwicklung an Hand eines Systems zu beurteilen, welches selbst nicht auf stimmigen Grundlagenentscheidungen beruht. Daher werden im Folgenden die Aktiengesellschaft und ihre Entscheidungsstrukturen einer ökonomischen Analyse unterzogen, um möglichen Reformbedarf aufzudecken. Die verschiedenen, sich mit dem Unternehmen als wirtschaftliche Organisation beschäftigenden Ansätze, werden allgemein unter der Bezeichnung „Neue Institutionenökonomik“ zusammengefasst.191 Eine einheitliche Theorie ist aus ihnen jedoch nicht hervorgegangen.192 Will man daher die Aktiengesellschaft deutscher Prägung an ökonomischen Kriterien messen, schuldet man eine Erklärung, warum der gewählte Ansatz von Bedeutung sein soll. Keinesfalls darf man dem Irrglauben verfallen, dass ökonomische Ansätze einen völlig vorurteilsfreien Blick auf die Aktiengesellschaft erlauben. Die Auswahl eines geeigneten Analyserahmens verlangt ebenfalls wertende Vorüberlegungen. Es kann aus ökonomischer Sicht nicht beurteilt werden, welche Arten von Investitionen isoliert betrachtet qualitativ für die Gesellschaft am wichtigsten sind. So wenig wie die Aktiengesellschaft ohne Eigenkapitalgeber auskommt, so wenig funktioniert sie ohne Management und Arbeitsleistung der Belegschaft. Auch eine rein quantitative Beurteilung ist zum Scheitern verurteilt, da eine solche die tatsächlich bestehende Abhängigkeit der einzelnen Investitionsbeiträge untereinander verkennt. Eine überzeugende Untersuchung muss stattdessen von der Funktion der Aktiengesellschaft in der marktwirtschaftlichen Gesamtordnung ausgehen. Um in einem solchen Umfeld zu funktionieren, ist eine möglichst effiziente Verwendung aller eingebrachten Mittel notwendig. Es muss daher gefragt werden, welche Gruppen überhaupt in die Aktiengesellschaft investieren und wie man für derartige Investitionen eine optimale Organisationsstruktur schaffen kann.193 I. Die Beteiligung an der unternehmerischen Organisation Als erstes ist es demzufolge notwendig, ein Verständnis für die Gruppen zu bekommen, welche in die Aktiengesellschaft investieren. Aus ökonomischer Sicht hat man wirtschaftliche Unternehmungen lange Zeit auf ein klassisches Über- und Unterordnungsverhältnis reduziert.194 In einem solchen Verhältnis ist 191 Zu der Begrifflichkeit siehe nur A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 23; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 1 et passim. 192 A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 29–30; Meyer, Vorstandsvergütung, S. 66. 193 Ähnlich Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, S. 151; Shleifer/Vishny, The Journal of Finance 1997, 737, 773.
§ 2 Die konzeptionelle Ausrichtung der Aktiengesellschaft
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der Entscheidungsträger derjenige, der die Leistungen am Markt einkauft und so die interne Ressourcenverwendung delegieren kann.195 Die Hierarchie im Unternehmen wurde demnach dem freien Markt außerhalb des Unternehmens gegenübergestellt. 1976 war es die Arbeit von Michael Jensen und William Meckling, die zum einen das tradierte Verständnis vom Innen und Außen eines Unternehmens in Frage stellte und damit gleichzeitig einen umfassenden Blick auf die konzeptionellen Grundlagen einzelner Organisationsformen erlaubte. Anstatt in Über- und Unterordnungsverhältnissen zu denken, verstanden beide Autoren jede wirtschaftliche Unternehmung als nexus of contracts, als bloßes Vertragsnetzwerk.196 Die berücksichtigungsfähigen Verträge sind dabei nicht nur solche im Sinne des deutschen Zivilrechts.197 Es geht vielmehr darum, alle Arten von Beziehungen zu erfassen, die auf gegenseitigen Erwartungen beruhen.198 Darunter fallen natürlich schuldrechtliche Verträge, wie etwa ein Kaufvertrag, welcher von einem Lieferanten mit einem Abnehmer abschlossen wird. Darüber hinaus werden aber auch implizite Verträge erfasst, wie etwa die gemeinsame Annahme von Arbeitgeber und Arbeitnehmer, dass letztgenannte bei längerem Verbleib im Unternehmen an Gehaltssteigerungen partizipieren werden.199 Michael Jensen und William Meckling sehen in der Unternehmensverfassung damit nur eine rechtliche Fiktion, die einzig dazu dient, die Ansprüche aller Interessengruppen zusammenzufügen.200 Der nexus of contracts Ansatz stellt damit die Freiwilligkeit der einzelnen Zusammenschlüsse in den Vordergrund. Konzeptionell völlig überzeugend ist das freilich nicht. Nicht jeder explizite und implizite Vertrag wird nämlich neu verhandelt.201 Vielmehr bilden sich über die Zeit bürokratische und hierarchische Strukturen, in denen neue Vertragspartner lediglich die Möglichkeit haben, sich einzugliedern, nicht jedoch, diese zu verändern.202 Insofern sollte man die analytische Aussagekraft des nexus of contracts nicht überbewerten. Seine eigentliche Bedeutung liegt vor allem darin, alle potentiellen Interessengruppen untersuchen zu können, ohne ex ante eine Vorauswahl treffen zu müssen, die insbesondere jeder juristische Verbandsbegriff zwangsweise mit sich bringt.203 194
So grundlegend Coase, Economica 1937, 386, 392. Coase, Economica 1937, 386, 392. 196 Jensen/Meckling, Journal of Financial Economics 1976, 305, 310–311. 197 Zöllner, AG 2003, 2, 10. 198 Jensen/Meckling, Journal of Financial Economics 1976, 305, 311, insbesondere unter Fn. 13 („implicit contracts“). 199 Beispiel nach Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 183. 200 Jensen/Meckling, Journal of Financial Economics 1976, 305, 311. 201 Eisenberg, Journal of Corporate Law 1999, 819, 827–830; ähnlich Eisenberg, Columbia Law Review 1989, 1461, 1487. 202 Eisenberg, Journal of Corporate Law 1999, 819, 827–830. 203 So auch Zöllner, AG 2003, 2, 11. 195
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1. Kap.: Grundlagen
II. Faktorspezifität und die Möglichkeit vertraglicher Absicherung Allein dass man sich einen wirtschaftlichen Zusammenschluss als Vertragsnetzwerk vorstellen kann, bedeutet nicht, dass alle Interessengruppen in diesem Netzwerk unbedingt gleichberechtigt sein müssen. Vor allem Oliver Williamson hat gezeigt, dass spezifische Investitionen eine besondere Bedeutung für die jeweilige Interessengruppe haben.204 Gemeint sind damit Investitionen, die außerhalb einer konkreten expliziten oder impliziten vertraglichen Beziehung entweder an Wert verlieren oder sich aus dieser vertraglichen Beziehung nicht ohne weiteres herauslösen lassen.205 Der Wert der Investition hängt demnach vom Fortbestand des Vertrags ab.206 Ein typisches Beispiel für eine spezifische Investition ist der Bau einer besonderen Fertigungsstraße, welche ein Unternehmen nur für Produkte für einen ganz bestimmten Abnehmer verwenden kann. Bricht der Abnehmer die Geschäftsbeziehung ab, ist die Fertigungsstraße für den Betreiber wertlos. Hand in Hand mit der Überlegung nach spezifischen Investitionen geht die Frage nach ihrer möglichen Absicherung. Es spielt keine Rolle, wer Kontrollrechte an einer wirtschaftlichen Unternehmung hat, falls alle im nexus of contracts angelegten Verträge vollständig sind.207 Denn für alle Eventualitäten wäre dann vorgegeben, wie sich die Parteien zu verhalten haben. Es liegt jedoch auf der Hand, dass sich vollständige Verträge, welche alle zukünftigen Entwicklungen berücksichtigen, in der Realität nicht formulieren lassen.208 Gründe dafür können wirtschaftliche Unsicherheiten oder auch Informationsgefälle zwischen den Beteiligten sein.209 Gruppen, die spezifisch in das Vertragsnetzwerk investieren und sich ex ante nicht durch Verträge absichern können, müssen in der Lage sein, ex post ihre Investitionen zu schützen.210 Anderenfalls kann von dieser Gruppe nicht erwartet werden, ihre jeweiligen Investitionen in das Vertragsnetzwerk einzubringen.211 204
Williamson, Journal of Economic Literature 1981, 1537, 1548. Williamson, The Economic Institutions of Capitalism, S. 30–32, 301–325; Williamson, The Journal of Law and Economics 1979, 233, 239–240. 206 H. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 690; dazu auch Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 398. 207 Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, S. 135, 151. 208 Eisenberg, Columbia Law Review 1989, 1461, 1465; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 399; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, S. 133; H. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 432; Shleifer/Vishny, The Journal of Finance 1997, 737, 741; Williamson, Journal of Economic Literature 1981, 1537, 1545. 209 Zöllner, AG 2003, 2, 10. 210 So auch Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 398. 211 Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, S. 151; ähnlich Shleifer/Vishny, The Journal of Finance 1997, 737, 752. 205
§ 2 Die konzeptionelle Ausrichtung der Aktiengesellschaft
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Gleichzeitig hat diese Gruppe dann zumindest theoretisch auch einen Anreiz, diese Kontrollrechte wahrzunehmen, da keine alternativen Sicherheitsmechanismen bestehen. Das wichtigste ex post Kontrollrecht ist dabei, über die nicht vertraglich zugewiesenen Ressourcen im Vertragsnetzwerk verfügen zu können.212 Um dies sicherzustellen, muss diese Gruppe dann entweder selbst die Geschäftsführung wahrnehmen oder aber diejenigen, welche die Geschäftsführung wahrnehmen, müssen auf die Interessen dieser Gruppe verpflichtet werden. Ausgehend von diesen Überlegungen gilt es nun, die Investitionen einzelner Interessengruppen in die als Vertragsnetzwerk verstandene Aktiengesellschaft auf Spezifität und vertragliche Absicherungsmöglichkeit zu untersuchen.213 III. Vergleich der einzelnen Interessengruppen 1. Investitionen der Aktionäre
Im deutschen Recht statten die Aktionäre die Aktiengesellschaft als Residualgläubiger mit Eigenkapital aus. Erst wenn alle anderen Interessengruppen entsprechend befriedigt sind, steht diesen der Gewinn- und Gesellschaftsvermögensverteilungsanspruch zu, §§ 221, 222 AktG. Die Regelung rechtfertigt sich vor dem Hintergrund, dass das Eigenkapital die wirtschaftliche Existenzgrundlage der Gesellschaft ist. Würde man den Aktionären als Gruppe gestatten, dieses Eigenkapital jederzeit und ohne Erfüllung von bestimmten Voraussetzungen zurückholen zu dürfen, wäre auf Grund der damit einhergehenden wirtschaftlichen Unsicherheit wohl keine andere Gruppe bereit, in das Vertragsnetzwerk zu investieren. Da die Aktionäre ihr Kapital erst nach allen anderen Gruppen aus dem Vertragsnetzwerk herauslösen können, handelt es sich somit um eine spezifische Investition.214 Solange die Gesellschaft existiert, ist diese Investition im Vertragsnetzwerk fest gebunden. Zwar kann sich der einzelne Aktionär in vielen Fällen von seiner Beteiligung trennen und diese beispielsweise am Markt verkaufen.215 Dies klappt aber nur, wenn ein neuer Anleger gefunden wird, welcher die mitgliedschaftliche Stelle übernimmt. In ihrer Gesamtheit können sich die Aktionäre daher von der Gesellschaft nicht lösen.216 Der Investitionshorizont der Aktionäre
212 Ähnlich Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, S. 135–137, 151. 213 Sehr umfassend dazu auch Cheffins, Company Law, S. 32–125. 214 Ähnlich Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 76 Rn. 33; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, S. 136; in diese Richtung auch R. Koch, WM 2010, 1155, 1156 („tragen als Kapitalgeber das finanzielle Risiko“). 215 Fama, Journal of Political Economy 1980, 288, 291. 216 Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, S. 136.
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1. Kap.: Grundlagen
als Gruppe ist darüber hinaus auf die Lebenszeit der Gesellschaft gerichtet.217 Eine periodische Erneuerung ist nicht vorgesehen.218 Einen längeren Investitionshorizont kann es nicht geben, da mit der Rücknahme des Eigenkapitals auch das jeweilige Vertragsnetzwerk in sich zusammenfällt. Gerade bei derart langfristigen Investitionen ist eine Absicherung ex ante jedoch kaum möglich.219 Im Ergebnis sind Aktionärsinvestitionen daher nicht nur spezifisch auf die Aktiengesellschaft zugeschnitten, auch eine vertragliche Absicherung ist wegen der langen Investitionsdauer nur begrenzt realisierbar. 2. Investitionen der Allgemeinheit
Wie gezeigt, werden oft auch die Interessen der Allgemeinheit als eigenständige Zielvorgabe genannt.220 Diese sind, obwohl für viele Vertreter einer interessenpluralistischen Struktur kennzeichnend,221 ihrem genauen Inhalt nach undefiniert geblieben.222 Folglich fällt es schwer, den genauen Umfang der Investitionen der Allgemeinheit in die Aktiengesellschaft zu bestimmen. Kann man aber schon diese nicht genau benennen, sind sie aus ökonomischer Sicht auch als Handlungsmaxime ungeeignet.223 Auf einer abstrakten Ebene schafft die Allgemeinheit mit der Vorgabe sozialer Regeln, welche den Boden für die Wirtschaftsordnung darstellen, überhaupt erst die Grundlage für das Tätigwerden der Aktiengesellschaft. Dies ist indes keine spezifische Investition, sondern vielmehr ein Investment in jede Art der wirtschaftlichen Betätigung.224 Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass sich in einzelnen Fällen Investitionen der Allgemeinheit auf eine bestimmte Aktiengesellschaft konkretisieren. So könnte eine Gemeinde mit überobligatorischem Aufwand ein Baugebiet erschließen, nur um die Ansiedlung einer Gesellschaft zu ermöglichen. Spezifisch wären solche Investitionen dann, wenn der Bauplatz für nieman217 Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, S. 136; Williamson, The Economic Institutions of Capitalism, S. 304. 218 Cheffins, Company Law, S. 49–50; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, S. 135–136. 219 So im Ergebnis auch Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, S. 135–136, 167. 220 Siehe dazu bereits oben unter § 2 Fn. 16. 221 Siehe nur von Werder, ZGR 1998, 69, 79. 222 So zu Recht der Vorwurf von A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 32 („schwammig bleibende Verpflichtung“); siehe auch Junge, in: FS von Caemmerer, S. 547, 550. Es finden sich zwar in der Literatur zahlreiche Beispiele, was unter die Begrifflichkeit fallen kann, eine überzeugende negative Abgrenzung wurde jedoch bisher soweit ersichtlich nicht herausgearbeitet. 223 In diese Richtung auch A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 32. 224 Ähnlich T. Donaldson/Preston, Academy of Management Review 1995, 65, 85 („many business relationships with ,communities‘ are so vague as to pass beyond even the broadest conception of ,contract‘ “).
§ 2 Die konzeptionelle Ausrichtung der Aktiengesellschaft
63
den sonst nutzbar wäre, die Aufwendungen beim Rückzug der konkreten Gesellschaft also verloren sind. Inwieweit dagegen eine vertragliche Absicherung möglich ist, hängt von der jeweils getätigten Investition ab und kann nicht pauschal beantwortet werden. Die Ausführungen zeigen jedoch, dass es sich hier um Sonderfälle handelt, die eine eigenständige Berücksichtigung im Vertragsnetzwerk nicht rechtfertigen. 3. Investitionen der Gläubiger
Ein weiterer wichtiger Bereich sind die Investitionen der Gläubiger. Unter diese Gruppe fallen etwa Kunden, Zulieferer und Kreditgeber. Die Arbeitgeber werden auf Grund ihrer besonderen Stellung im deutschen Recht,225 obwohl diese natürlich auch Gesellschaftsgläubiger sind, separat im Anschluss behandelt. Berücksichtigt man Investitionen der so umrissenen Gläubigergruppe, fällt auf, dass diese nicht durchgängig spezifisch auf die jeweilige Gesellschaft zugeschnitten sind. Im Vordergrund steht vielfach der direkte Austausch von Leistung und Gegenleistung,226 wobei der Gläubiger seinen Input theoretisch jederzeit anderen Vertragspartnern anbieten kann. So hat beispielsweise ein Büromöbellieferant im Regelfall mehrere Kunden, der Ausfall eines oder mehrerer Abnehmer schmälert auch den Wert seines Lagerbestandes unmittelbar nicht. Natürlich kann es aber Gläubiger geben, die ihr Investment auf die jeweilige Gesellschaft ausrichten müssen. Denkbar wäre etwa, dass ein Automobilzulieferer langfriste Verträge mit seinen eigenen Lieferanten abschließen muss, die, sollte die jeweilige Aktiengesellschaft als Vertragspartner wegbrechen, wirtschaftlich wertlos werden. Wie oft derartige spezifische Investitionen in der Praxis vorkommen, lässt sich allerdings nur schwer beurteilen. Entscheidend ist jedoch, dass kein Gläubiger dauerhaft mit der Gesellschaft verbunden ist.227 Eine Verbindung besteht nur für die Zeit der jeweiligen Geschäftsbeziehung und muss regelmäßig erneuert werden. Anders als die Aktionäre entscheidet damit jeder Vertragspartner frei über den Zeitraum seiner Investition. Damit relativiert sich das Problem unvollständiger Verträge. Je kürzer der Zeitraum, desto eher lassen sich Risiken absichern.228 Ergänzend kommt hinzu, dass die Interessen der Gläubiger in den meisten Fällen derart konkret sind, dass eine vertragliche Berücksichtigung auch tatsächlich möglich erscheint. So sind Kreditsicherungsmittel bei längerfristigen Verträgen nicht unüblich.229 Auch in 225
Siehe dazu bereits oben unter § 2 A. II. 2. Baums/von Randow, AG 1995, 145, 146. 227 So auch Cheffins, Company Law, S. 69. 228 A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 32; ähnlich Kübler, in: FS Zöllner, S. 321, 324–325; für eine vertragliche Absicherung auch Busse von Colbe, ZGR 1997, 271, 289. 229 A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 32; Shleifer/Vishny, The Journal of Finance 1997, 737, 752. 226
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1. Kap.: Grundlagen
dem oben genannten Beispiel könnte der Automobilzulieferer ohne weiteres versuchen, die Aktiengesellschaft als seine Abnehmerin zumindest solange an sich zu binden, wie seine Lieferantenverträge laufen. Eine solche Regelung wird meist aber deshalb nicht abgeschlossen, weil sich die Gegenseite bewusst nicht binden will.230 Oftmals fehlt es dem Gläubiger nämlich an einer entsprechenden Verhandlungsmacht, um seine Interessen durchzusetzen. In solchen Fällen bleibt es ihm zwar unbenommen, die mangelnde vertragliche Absicherung bei der Preisfindung zu berücksichtigen.231 Ein Bedürfnis für ex post Kontrollrechte kann für die Gruppe der Gläubiger aber nicht begründet werden. 4. Investitionen der Arbeitnehmer
Die vielleicht bedeutendste Gläubigergruppe sind die Arbeitnehmer.232 Teilweise wird in deren aufgewendeter Arbeitskraft eine spezifische Investition in das Vertragsnetzwerk gesehen. So soll sich der einzelne Arbeitnehmer mit voranschreitender Unternehmenszugehörigkeit mehr und mehr spezialisieren.233 Gemeint ist damit eine spezifische Bindung an den Arbeitsplatz. Eine solche Verbindung soll sich empirisch insbesondere durch die Gehaltseinbußen zeigen, mit denen ein Arbeitnehmer nach einem Arbeitsplatzwechsel regelmäßig rechnen muss.234 Diese sollen ein Zeichen dafür sein, dass die an einem Arbeitsplatz entwickelten Fähigkeiten an einem anderen Arbeitsplatz nicht unbedingt gleich viel wert sein müssen. Bei weitem nicht jeder Arbeitnehmer spezialisiert sich aber derart auf seinen Arbeitsplatz, dass die erworbenen Fähigkeiten bei einem Wechsel schlicht nutzlos werden würden.235 Schwierigkeiten bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz sind oftmals weniger auf die mangelnde Allokationsmöglichkeit einer getätigten Investition zurückzuführen, sondern auf das allgemeine Risiko des Arbeitsmarkts.236 Zumindest flächendeckend lässt sich auf diesem Weg daher keine
230
Grundsätzlich dazu Eisenberg, Columbia Law Review 1989, 1461, 1488. Dazu auch A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 32. 232 Gordon, The Journal of Corporation Law 2004–2005, 675, 685 spricht von „the firm’s principal stakeholders“; auch in Deutschland nehmen diese durch die Beteiligung am Aufsichtsrat eine Sonderstellung ein. 233 Blair, in: Employees & Corporate Governance, S. 58, 62, 67, 72; Hansmann, The Yale Law Journal 1990, 1749, 1764, 1765; Kübler, in: FS Zöllner, S. 321, 325; Kuhner, ZGR 2004, 244, 260; siehe auch Williamson, The Journal of Law and Economics 1979, 233, 240; Witt, in: Die Prinzipal-Agenten-Theorie, S. 85, 95. 234 Blair, in: Employees & Corporate Governance, S. 58, 61; Kuhner, ZGR 2004, 244, 260–261. 235 A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 37; Cheffins, Company Law, S. 85. 236 A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 37. 231
§ 2 Die konzeptionelle Ausrichtung der Aktiengesellschaft
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Vergleichbarkeit mit den Aktionären und ihrem Input in das Vertragsnetzwerk herstellen. In eine andere Richtung geht es, persönliche Investitionen als spezifisches Kapital anzusehen.237 Darunter fallen etwa die Aufwendungen, um sich in der Nähe des Unternehmens anzusiedeln und auch die finanziell nicht quantifizierbaren Kosten, bei einem Arbeitsplatzwechsel die Gemeinschaft, in welche der Arbeitnehmer sich und seine Familie eingebracht hat, zu verlassen.238 Tatsächlich mögen solche Investitionen die Mobilität der Belegschaft beeinflussen.239 Auch hier gilt es allerdings relativierend anzumerken, dass von unternehmensspezifischen Aufwendungen nur dann gesprochen werden kann, wenn diese bei Wegfall des Arbeitsverhältnisses an Wert verlieren. Der Wert eines Hauses oder einer Wohnung, welche der Arbeitnehmer erworben oder angemietet hat, wird vom Abbruch der Vertragsbeziehung zum Unternehmen jedoch meist nicht beeinflusst. Anders kann es sein, wenn ein gesamter Standort aufgegeben wird und zahlreiche Arbeitnehmer gleichzeitig aus einer Region wegziehen müssen. In einem solchen Fall sind Auswirkungen auf den gesamten Immobilienmarkt nicht ausgeschlossen, so dass letztendlich auch die von jedem einzelnen Arbeitnehmer getätigte Investition betroffen sein kann.240 Notwendig dafür ist aber, dass die Attraktivität der Grundstücke gerade von dem geschlossenen Standort abhing, etwa weil es sich um den einzig größeren lokalen Arbeitgeber gehandelt hat.241 Gelingt es ob der Masse nun leerstehender Häuser nicht, ausreichend Nachmieter oder Käufer zu finden, war der Grunderwerb der Arbeitnehmer zumindest zu einem Teil auf das jeweilige Unternehmen zugeschnitten. Wie auch bei den sonstigen Gläubigergruppen gilt demzufolge, dass spezifische Investitionen der Belegschaft zwar nicht ausgeschlossen werden können, in der Gesamtschau aber die Ausnahme darstellen. Ferner entscheiden auch die Arbeitnehmer frei über die Dauer ihrer jeweiligen Investition. Die These, dass die Arbeitnehmer verstärkt auf unvollständige Ver237 Hansmann, The Yale Law Journal, 1990, 1749, 1764; diese Ansicht zumindest im Kern teilend Cheffins, Company Law, S. 85; dem Grunde nach erkennt auch Daniels, The University of Toronto Law Journal 1993, 315, 318–319 diese Art von Investitionen an. 238 Beispiele angelehnt an Hansmann, The Yale Law Journal 1990, 1749, 1764; weitere Beispiele finden sich bei Cheffins, Company Law, S. 85. 239 So die Vermutung von Hansmann, The Yale Law Journal, 1990, 1749, 1764, 1770; ebenso, allerdings vor einem anderen Hintergrund, Schmidt-Leithoff, Die Verantwortung der Unternehmensleitung, S. 296. 240 Auf diese Gefahr weist etwa Daniels, The University of Toronto Law Journal 1993, 315, 318–319 hin, der insgesamt jedoch das Risiko von Verlusten der Arbeitnehmer eher gering einschätzt. 241 Eine sehr eingängige Schilderung, wie so eine Abhängigkeit praktisch aussehen kann, findet sich in der Entscheidung United Steel Workers v. United States Steel Corporation, 631 F.2d 1264 (1265) (6th Cir. 1980) hinsichtlich der Folgen für die Kleinstadt Youngstown, Ohio, nachdem United States Steel eine dortige Fabrik geschlossen hatte.
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1. Kap.: Grundlagen
träge verwiesen sind, überzeugt daher nicht.242 Da Arbeitnehmer im Regelfall direkt für ihre Dienste bezahlt werden, ist darüber hinaus das Risiko eines größeren Vergütungsausfalls gering.243 Sozialhilfe und Arbeitslosengeld dienen als zusätzliche Absicherung. Soweit ein Arbeitnehmer tatsächlich mit der Zeit für seinen Arbeitgeber einen Mehrwert bringt, ohne dass dieser Nutzen vertraglich abgesichert wird, steht der spezifischen Investition des Arbeitnehmers auch eine solche des Arbeitgebers gegenüber.244 Mangels vertraglicher Absicherung besteht nämlich auch für den Arbeitgeber die Gefahr, dass so verstandene spezifische Humankapital zu verlieren. Daran zeigt sich schon, dass in der Praxis die Bedeutung der spezifischen Investitionen des Arbeitnehmers nicht allzu hoch eingeschätzt wird, da anderenfalls entsprechende Mechanismen vereinbart werden würden. Im Übrigen sind gerade hochqualifizierte Angestellte in vielen Fällen nicht von einem bestimmten Unternehmen abhängig und haben darüber hinaus eine starke Verhandlungsposition, um eventuelle Risiken ex ante vertraglich zu regeln.245 Soweit dies etwa in Bezug auf die Sicherung eines Arbeitsplatzes oder von Aufstiegschancen im Unternehmen nicht getan wird,246 realisieren sich auch hier vielfach keine Unsicherheiten bezüglich der zukünftigen Entwicklung. Vielmehr mangelt es der betroffenen Partei meist an der entsprechenden Verhandlungsmacht. Dieses Verhandlungsgefälle auszugleichen, ist jedoch nicht Aufgabe des Gesellschaftsrechts, insbesondere nicht durch Vorgabe eines interessenpluralen Gesellschaftszwecks. Vielmehr bestehen dafür mit dem Mitbestimmungsrecht und dem kollektiven Arbeitsrecht spezielle Schutzinstrumente. Letztendlich unterscheiden sich die Arbeitnehmer deshalb nicht von sonstigen Gläubigergruppen. Auch für sie kann der Beweis nicht erbracht werden, dass eine Beteiligung an den ex post Kontrollrechten notwendig erscheint. 5. Investitionen des Managements
Die Frage nach einer ökonomischen Ausrichtung der Aktiengesellschaft auf das Management ist auf den ersten Blick verwunderlich,247 gleichwohl Konsequenz des Vertragsnetzwerkgedankens, der von vorneherein keine Gruppen aus-
242 Ähnlich Shleifer/Vishny, The Journal of Finance 1997, 737, 751; wohl auch Busse von Colbe, ZGR 1997, 271, 289; offen gelassen bei Witt, in: Die Prinzipal-AgentenTheorie, S. 85, 95. 243 Shleifer/Vishny, The Journal of Finance 1997, 737, 751. 244 A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 37–38. 245 A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 37. 246 So die gängigen Beispiele, bei denen Arbeitnehmer auf relationale Verträge angeweisen sein sollen, siehe etwa Blair, in: Employees & Corporate Governance, S. 58, 62–63; Kuhner, ZGR 2004, 244, 260. 247 Siehe aber bereits oben unter § 2 Fn. 17.
§ 2 Die konzeptionelle Ausrichtung der Aktiengesellschaft
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schließt. Teilweise wird behauptet, dass gerade das Spitzenmanagement in größerem Umfang spezifische Investitionen in die Aktiengesellschaft tätigen würde.248 Die Unternehmensleiter würden, so die Überlegung, ihre Arbeit auf die jeweilige Aktiengesellschaft zuschneiden. Gegen diese Annahme spricht jedoch augenscheinlich schon die praktische Erfahrung. Immer wieder finden erfolgreiche Vorstandsmitglieder nämlich Folgebeschäftigungen.249 Sofern ehemalige Vorstandsmitglieder nach einer Entlassung nicht in anderen Unternehmen unterkommen, liegt dies meist wohl weniger daran, dass ihre vermeintlich spezialisierte Arbeitskraft dort nicht von Nutzen sein könnte. In der überwiegenden Anzahl der Fälle dürfen sich diese bei einer vorherigen Tätigkeit vielmehr als nicht hinreichend qualifiziert erwiesen haben.250 Ferner scheint die Gruppe der Spitzenmanager kaum Probleme zu haben, ihre Risiken vertraglich abzusichern.251 Als Beispiel sei auf die bereits erwähnte Zahlung von 140 Millionen US-Dollar an den US-Amerikaner Michael Ovitz verwiesen, der nach einjähriger Tätigkeit aus dem board der Walt Disney Company ausschied.252 Richtig ist allerdings, dass das Spitzenmanagement unter Umständen Investitionen tätigen kann, um die eigene Bedeutung für die Firma hervorzugeben.253 So könnte ein Vorstand mit besonderer Erfahrung im Bereich Telekommunikation genau diese Sparte eines diversifizierten Unternehmens stärken und damit indirekt auch seine eigene Bedeutung für das nun spezialisierte Unternehmen. Derartige manager-specific investments machen es unter Umständen teuer, die jeweilige Person zu ersetzen.254 Ein gesteigertes Schutzbedürfnis der betroffenen Vorstände begründen diese jedoch nicht. Es handelt sich bei Licht betrachtet nämlich nicht um Investitionen des jeweiligen Geschäftsleiters, sondern allein um Investitionen der sie beschäftigenden Gesellschaft.
248 A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 37; ähnlich Adams, Ökonomische Theorie, S. 256. 249 Siehe in Deutschland etwa den Karriereweg von Hartmut Mehdorn, der Vorstandsvorsitzende von Airbus, Heidelberger Druck, der Deutschen Bahn, Air Berlin und schließlich Geschäftsführer der Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg wurde, dazu Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 28.07.2012, S. 14; Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 25.05.2013, S. 15; vielfach ist fraglich, ob die Spitzenmanager überhaupt eine Neueinstellung suchen, Eisenberg, Columbia Law Review 1989, 1461, 1495; kritischer Cheffins, Company Law, S. 116. 250 Für die generelle Bedeutung des „Karrierewegs“ bei Managern siehe Thüsing, ZGR 2003, 457, 476. 251 Siehe dazu Adams, Ökonomische Theorie, S. 256; Martens, ZHR 169 (2005), 124, 128–129. 252 Siehe dazu bereits oben unter § 1 Fn. 17. 253 Shleifer/Vishny, Journal of Financial Economics 1989, 123, 124–125. 254 Shleifer/Vishny, Journal of Financial Economics 1989, 123, 137–138.
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1. Kap.: Grundlagen
IV. Beurteilung Die Untersuchung hat gezeigt, dass die Investitionen der Aktionäre in ihrer Gesamtheit nicht nur spezifisch auf die Aktiengesellschaft zugeschnitten sind, sondern auf Grund des langen Investitionshorizontes auch kaum vertraglich abgesichert werden können. Auch wenn man daher auf Basis des nexus of contracts Ansatzes alle für eine interessenplurale Ausrichtung in Frage kommenden Gruppen untersucht, zeigt sich somit deutlich die Einzigartigkeit der Beteiligung der Eigenkapitalgeber. Es kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass auch Gläubiger, Arbeitnehmer oder sogar die Allgemeinheit spezifische Investitionen tätigen. Derartige Situationen stellen jedoch nur Ausnahmen dar und betreffen, wenn überhaupt, nur einen Teil der jeweiligen Gruppe. Im Gegensatz dazu sind die Investitionen der Aktionäre völlig homogen. Alle Einlagen haben die gleiche Spezifität und den gleichen Investitionshorizont. Geleugnet werden kann allerdings nicht, dass die persönliche Bedeutung der Investition von Gruppenmitglied zu Gruppenmitglied verschieden sein kann. Zweifelsohne ist für den einzelnen Aktionär, der lediglich sein freies Kapital in Aktien investiert, der Verlust weniger spürbar als für einen Arbeitnehmer, dem seine berufliche Existenzgrundlage entzogen wird.255 Als Gruppe betrachtet haben aber die Aktionäre das größte Bedürfnis an ex post Kontrollrechten im Vertragsnetzwerk. Die hier für die Analyse der Aktiengesellschaft zugrundeliegenden Überlegungen sind oft modifiziert und weiterentwickelt worden.256 Luigi Zingales etwa hat zu Recht darauf hingewiesen, dass man die Schutzbedürftigkeit einzelner Investitionen nur dann endgültig beurteilen kann, wenn man weiß, warum Verträge unvollständig sind.257 Eine umfassende Theorie dahingehend existiert jedoch nicht. Meist zieht man sich auf die allgemeinen Schwierigkeiten zurück, die sich bei der Beurteilung langfristig ausgelegter Entwicklungen ergeben und somit die Abfassung eines vollständigen Vertrags unmöglich oder zumindest zu kostenintensiv machen.258 Je nachdem welche Prognosefähigkeiten man den einzelnen Gruppen aber zugesteht, könnte sich auch das Ergebnis einer ökonomischen Analyse ändern. Geht man beispielsweise davon aus, dass die Aktionäre einen Großteil der späteren Entwicklungen durch ex ante formulierte Generalklauseln abdecken können, sinkt auch deren Schutzbedürftigkeit. Allerdings macht es aus ökonomischer Sicht keinen Sinn, die Organe auf mehrere Zielvorgaben zu verpflichten. Denn wenn diese mehreren gleichwertigen 255
Kort, AG 2012, 605, 609; ähnlich Fama, Journal of Political Economy 1980, 288,
291. 256 Eine Übersicht verschiedener Ansätze findet sich bei A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 13–28. 257 Zingales, in: The New Palgrave Dictionary of Economics and the Law, S. 497, 502. 258 Siehe dazu bereits oben unter § 2 Fn. 208 und Fn. 209.
§ 2 Die konzeptionelle Ausrichtung der Aktiengesellschaft
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Zielen verpflichtet sind, ist eine nachträgliche Entscheidungskontrolle kaum möglich.259 Wer seine Ziele in wesentlichen Teilen frei bestimmen kann, wird nämlich grundsätzlich auch fast jede Entscheidung rechtfertigen können. Zu Ende gedacht führt dies dazu, dass eine Verantwortlichkeit gegenüber niemandem mehr besteht.260 Kompromisse sind deshalb bei der Verteilung der ex post Kontrollrechte nicht möglich. Muss man sich aber für eine Gruppe entscheiden, zeigt die vorherige Untersuchung trotz aller praktischen und methodischen Vereinfachungen deutlich in Richtung der Aktionäre. Festhalten lässt sich daher, dass es aus ökonomischer Sicht konsequent ist, die Gesellschaft und ihre Organe auf die Interessen der Aktionäre zu verpflichten und den Aktionären gleichzeitig auch das Recht zuzugestehen, diese Verpflichtungen durchzusetzen. Dieses Ergebnis deckt sich mit dem hier herausgearbeiteten Verständnis der geltenden Rechtslage, so dass ein Reformbedarf bezüglich der aktuellen Rahmenbedingungen nicht besteht. Vielmehr hat die institutionenökonomische Analyse gezeigt, dass eine Gleichbehandlung von Aktionären und anderen Interessengruppen nicht überzeugend gerechtfertigt werden kann. Insbesondere ist demzufolge auch der eingangs zitierte Vorschlag261 zurückzuweisen, ein interessenplurales Unternehmensinteresse zu kodifizieren. Ein solches Vorhaben ist mit der Rolle der Aktiengesellschaft in einem marktwirtschaftlichen Umfeld nicht vereinbar.
E. Ergebnis Die deutsche Aktiengesellschaft ist nicht an interessenpluralen Zielen ausgerichtet, sondern dient allein der Durchsetzung der Aktionärsinteressen. Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Gesetz, wird jedoch deutlich, wenn man die Kompetenzverteilung in der Binnenverfassung betrachtet. Auch heute ist daher nach wie vor die Aussage von Herbert Wiedemann zutreffend, wonach die Aktiengesellschaft nicht als politische Veranstaltung konzipiert ist.262 Die Richtigkeit dieser Entscheidung wird durch die ökonomische Analyse der einzelnen Gruppeninvestitionen unterstrichen, die ein durchgängiges Bedürfnis für ex post Kontrollrechte alleine auf Seiten der Gesellschafter erkennen lässt. 259 A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 31; Jensen, Business Ethics Quarterly 2002, 235, 238; R. Koch, WM 2010, 1155, 1156; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, S. 166–167; Wiedemann, ZGR 1980, 147, 163. 260 A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 31; R. Koch, WM 2010, 1155, 1156; Kuhner, ZGR 2004, 244, 254–255; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, S. 166; a. A. wohl Hüffer, Aktiengesetz, 10. Aufl., § 76 Rn. 12a („unterschätzt Möglichkeit und Nutzen inhaltlicher Ermessenskontrolle“); ähnlich Koch, in: Hüffer (Begr.), Aktiengesetz, § 76 Rn. 33. 261 Siehe dazu bereits oben unter § 2 Fn. 18. 262 Wiedemann, Organverantwortung und Gesellschafterklagen in der Aktiengesellschaft, S. 32.
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1. Kap.: Grundlagen
Diese Feststellungen haben unmittelbare Konsequenzen für die Personalkompetenz. Es geht nun nicht mehr nur um die abstrakte Frage, wer zu welchen Konditionen die Gesellschaft am besten führen kann. Vielmehr existieren nun konkrete Kriterien für die Beurteilung. Entscheidend ist demnach, wer zu welchen Konditionen die Aktionärsinteressen am besten verfolgen kann. Nicht nur bei der Auswahl eines potenziellen Vorstandsmitglieds ist dies zu berücksichtigen, vielmehr muss auch die vertragliche Ausgestaltung, insbesondere die Gestaltung der Vergütungsabreden, mit diesem Ziel in Einklang gebracht werden. Darüber hinaus unterstreichen die vorherigen Ausführungen die Bedeutung der Aktionäre als Gruppe im Vergleich zu allen anderen stakeholdern. Darauf wird zurückzukommen sein, wenn einzelne Mitwirkungsrechte mit Personalbezug behandelt werden.
§ 3 Die Bedeutung der Personalkompetenz als Kontroll- und Steuerungsmechanismus In einem nächsten Schritt gilt es aber zuerst einmal zu erörtern, welche Rolle der Personalkompetenz als Kontroll- und Steuerungsmechanismus in der Binnenverfassung der Aktiengesellschaft genau zukommt. Dies hängt entscheidend davon ab, ob Vorstandsmitglieder von sich aus in jeder Situation versuchen, die im deutschen Recht alleine relevanten Interessen der Aktionäre zu verfolgen oder ob die Gefahr der Berücksichtigung von persönlichen Belangen besteht. Die vorherige Untersuchung hat gezeigt, dass der Vorstand fremdnützig für Dritte tätig wird. Man spricht in solchen Fällen von einer Agenturbeziehung, wobei das handelnde Organ oder Individuum als Agent und der Geschäftsherr als Prinzipal bezeichnet wird.263 Entgegen missverständlicher Aussagen begründet die Agenturtheorie jedoch nicht, dass sich das Leitungsorgan der Aktiengesellschaft an den Aktionären auszurichten hat.264 Vielmehr setzt dieser Erklärungsansatz voraus, dass eine fremdnützige Handlung vorliegt, etwa weil dies durch Gesetz angeordnet oder durch Vertrag vereinbart wurde. Vor diesem Hintergrund hilft die Agenturtheorie dann zu verstehen, welchen Problemen Agent und Prinzipal gegenüberstehen und wie diesen begegnet werden kann.265 In jeder Agenturbeziehung muss grundsätzlich sichergestellt werden, dass der Agent den Vorstellungen des Prinzipals entsprechend tätig wird.266 Denn eine Handlung des Agenten kann oftmals sowohl seine eigene, als auch die Situation des Prinzipals beeinflussen. Damit kann es zu Konstellationen kommen, in wel263 Siehe dazu Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 1.28; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 173–174; Zimmermann, Wirtschaftsdienst 2004, 350, 351. 264 So aber wohl Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 15–17. 265 Allgemein dazu Saam, Prinzipale, Agenten und Macht, S. 9–10. 266 Saam, Prinzipale, Agenten und Macht, S. 6.
§ 3 Die Bedeutung der Personalkompetenz als Kontrollmechanismus
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chen ein bestimmtes Verhalten für den Agenten vorteilhaft ist, jedoch für den Prinzipal einen Nachteil bedeutet. Muss der Agent etwa entscheiden, wie viel Einsatz er für eine bestimmte Tätigkeit investieren will, wird er sich vergegenwärtigen, dass er den Einsatz zwar persönlich leistet, der Erfolg dagegen dem Prinzipal zugutekommt.267 Der Agent könnte demnach beispielsweise versucht sein, weniger als die eigentlich gebotene Anstrengung zu erbringen.268 Ein Problem entsteht vor allem dann, wenn die Parteien ex ante Rechte und Pflichten des Agenten nicht ausreichend bestimmen können und ex post eine Verhaltens- und Leistungskontrolle nicht vollständig möglich ist.269 Die in diesem Zusammenhang bestehenden Schwierigkeiten werden oft in verschiedene Kategorien eingeteilt, ohne dass damit jedoch unmittelbar ein Erkenntnisgewinn verbunden wäre. Kann der Prinzipal schon die Interessen einer Person, seine Fähigkeiten und Vorstellungen nicht einschätzen, spricht man von hidden characteristics.270 Im Fall der so genannten hidden action kann der Prinzipal das Verhalten des Agenten nicht direkt beobachten.271 In der Konstellation der hidden information verfügt der Agent über Informationen, welche der Prinzipal nicht hat und vom Agenten daher zu seinem eigenen Vorteil genutzt werden könnten.272 In dem komplexen Umfeld einer wirtschaftlichen Tätigkeit, wie dem Leiten einer Aktiengesellschaft, sind derartige Probleme oft besonders stark ausgeprägt.273 Die mit der Geschäftsführung beauftragten Vorstandsmitglieder arbeiten im Tagesgeschäft im Wesentlichen autark.274 Eine unmittelbare Kontrolle ist weder durch den Aufsichtsrat, noch durch die Aktionäre jederzeit möglich und in vielen Fällen auf Grund der damit verbundenen Kosten ferner nicht gewünscht.275 Auch aus Erfolg und Misserfolg einzelner Handlungen lässt sich auf
267
Cheffins, Company Law, S. 45. Beispiel nach Friedrich, Die Verrechtlichung von Organbezügen als europäisches Problem, S. 42, 43. 269 Ähnlich Friedrich, Die Verrechtlichung von Organbezügen als europäisches Problem, S. 41. 270 Friedrich, Die Verrechtlichung von Organbezügen als europäisches Problem, S. 42; Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 14; Meyer, Vorstandsvergütung, S. 44; Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen, S. 3. 271 Friedrich, Die Verrechtlichung von Organbezügen als europäisches Problem, S. 43; Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 13; Meyer, Vorstandsvergütung, S. 44; Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen, S. 3–4. 272 Friedrich, Die Verrechtlichung von Organbezügen als europäisches Problem, S. 43; Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 13; Meyer, Vorstandsvergütung, S. 44; Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen, S. 3–4. 273 Bender, Corporate Governance 2004, 521, 523; Hendry, Academy of Management Review 2002, 98, 100; Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 16; Prendergast, Journal of Economic Literature 1999, 7, 22; ähnlich T. Götze, Aktienoptionen für Vorstandsmitglieder und Aktionärsschutz, S. 50. 274 Ähnlich Meyer, Vorstandsvergütung, S. 45. 275 Ähnlich Roth, ZIP 2003, 369, 376. 268
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1. Kap.: Grundlagen
Grund der Vielzahl möglicher Einflüsse nicht immer ein Rückschluss auf die Leistung des Vorstands ziehen.276 Nur weil sich Verhalten und Erfolg nicht beobachten lassen und der Agent einen Informationsvorsprung hat, besteht aber nicht unbedingt ein Bedürfnis für Kontroll- und Steuerungsmechanismen.277 Entscheidend ist, wie der Agent mit dem Informationsvorsprung und der Handlungsfreiheit umgeht. In der Folge wird daher untersucht, welches Konfliktpotential im Verhältnis von Vorstands- zu Aktionärsinteressen besteht und inwieweit durch die Ausübung der Personalkompetenz derartige Schwierigkeiten überwunden werden können. Denn nur wenn die theoretischen Implikationen der Personalkompetenz hinreichend klar sind, lassen sich daraus Konsequenzen für die Ausgestaltung von konkreten Normen und gegebenenfalls ein bestehender Reformbedarf herausarbeiten.
A. Konfliktpotential im Verhältnis Vorstandsinteressen zu Aktionärsinteressen I. Homo oeconomicus und methodologischer Individualismus Von Bedeutung ist somit, wie die einzelnen Vorstandsmitglieder den ihnen von § 76 Abs. 1 AktG zugestandenen unternehmerischen Freiraum nutzen. Klassische agenturtheoretische Erklärungsansätze basieren auf der Annahme, dass ein Individuum bei mehreren Auswahlentscheidungen diejenige wählen wird, welche den eigenen Nutzen am meisten fördert.278 Auf Grund der so verstandenen Präferenz wird dieses Individuum oft als homo oeconomicus bezeichnet.279 Würde dies die Realität zutreffend widerspiegeln, bestände demnach ein umfassendes Bedürfnis nach Kontroll- und Steuerungsmechanismen. Konkret könnte ein homo oeconomicus etwa versucht sein, in jeder Situation immer nur den Einsatz zu bringen, der notwendig ist, um die Anstellung als Vorstandsmitglied zu behalten, ohne dabei verstärkt auf die Ziele der Aktionäre zu achten. Zwar ist zu Recht einschränkend darauf hingewiesen worden, dass es für den Einzelnen oft schwer wird, aus einem Bündel Handlungsalternativen dasjenige 276 Siehe dazu auch Friedrich, Die Verrechtlichung von Organbezügen als europäisches Problem, S. 45. 277 So zu Recht Hendry, Academy of Management Review 2002, 98, 99 („If agents were perfectly honest and dutiful, this would not be problematic“). 278 Bebchuk/Fried, Pay without Performance, S. 15–17; Eisenberg, Columbia Law Review 1989, 1461, 1471–1472; Jensen/Meckling, Journal of Financial Economics 1976, 305, 308–309; R. Koch, WM 2010, 1155; Ott/H. Schäfer, JZ 1988, 213, 219; Shleifer/Vishny, Journal of Financial Economics 1989, 123, 123–124; auch H. Schäfer/ Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 116 befürworten dieses Modell, wenn auch mit leichten Modifikationen. 279 Siehe etwa H. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 95.
§ 3 Die Bedeutung der Personalkompetenz als Kontrollmechanismus
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herauszusuchen, welches am ehesten dem Eigennutzen dient.280 Auf Grund zahlreicher Unwägbarkeiten dürfte dies gerade für das Management bei größeren wirtschaftlichen Unternehmungen kaum möglich sein. Dies gilt umso mehr, als dass auch ein eigennützig handelndes Individuum unterschiedliche Wünsche haben kann, etwa Macht oder Lebensgenuss.281 Konkrete Verhaltensweisen kann man daher mit der homo oeconomicus Annahme kaum voraussagen. Dies ist jedoch auch gar nicht erforderlich, um die Notwendigkeit einer engmaschigen Kontrolle und entsprechender vertraglicher Anreizsysteme zu begründen. Es würde bereits ausreichen, wenn nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Agent in jeder Situation konsequent die Interessen des Prinzipals verfolgt. II. Stewardship theory und Kritik am methodologischen Individualismus Gerade dieses Verständnis vom homo oeconomicus ist vermehrt in die Kritik geraten. Es wird behauptet, dass es lebensnäher wäre, dass Vorstandsmitglieder von sich aus einen hohen Einsatz zu leisten bereit sind.282 So sollen viele Geschäftsleiter ihr Selbstbewusstsein vornehmlich an harter Arbeit und Erfolg festmachen.283 Die Begründungsansätze für derartige Aussagen variieren stark. Teilweise wird angeführt, dass weniger motivierte Kandidaten bereits durch den Karriereweg ausgesondert würden.284 Umfangreicher holen psychologische Erklärungsversuche aus, die auf die Bedeutung der eigenen Persönlichkeitsentwicklung verweisen.285 Das Streben nach dieser Entwicklung soll demnach die wichtigste Antriebsfeder menschlichen Handelns sein, wenn bestimmte andere, untergeordnete Bedürfnisse bereits befriedigt sind.286 Zwar wird anerkannt, dass diese persönliche Entwicklung bei jedem Individuum unterschiedlich verlaufe und damit auch verschiedenen Zielen eine unterschiedliche Bedeutung beigemessen werden kann.287 Dennoch seien aber einige generalisierende Aussagen möglich. So stün280
Hendry, Academy of Management Review 2002, 98, 99–100. Dazu H. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 99–100. 282 So auch A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 131. 283 A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 52; Eisenberg, Columbia Law Review 1989, 1461, 1473. 284 Thüsing, ZGR 2003, 457, 476; ähnlich A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 51–52; Berger, Vorstandsvergütung, S. 123. 285 Argyris, Administrative Science Quarterly 1973, 141, 141–142, 160–162; Argyris, Public Administration Review 1973, 253, 266–266; Maslow, Psychological Review 1943, 370, 382 („what a man can be, he must be“); ähnlich Frey, International Journal of Industrial Organization 1997, 427, 431 („they seek meaning in work“). 286 Maslow, Psychological Review 1943, 370, 383 („emergence of the needs rests upon prior satisfaction“). 287 Maslow, Psychological Review 1943, 370, 383. 281
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1. Kap.: Grundlagen
den für die meisten Menschen die Entwicklung von komplexen Fähigkeiten und die Ausschöpfung des eigenen Potenzials im Vordergrund.288 Übertragen auf wirtschaftliche Unternehmungen würde dies heißen, dass ein Mitglied des Managementteams ein natürliches Interesse daran habe, einen „guten Job“ zu machen.289 Aus methodischer Sicht ist mit solchen Überlegungen die Aufforderung verbunden, den Menschen als Wesen mit positiven Eigenschaften zu betrachten, weniger seine Schwächen und Unzulänglichkeiten in den Vordergrund zu stellen.290 Dies steht im Gegensatz zu den tradierten Theorien, die mit dem homo oeconomicus auf ein „anrüchiges Wesen“ 291 zurückgreifen. Darüber hinaus wird behauptet, dass, wenn sich ein Individuum mit einer Gruppe identifiziert, dieses auch am Wohlergehen der gesamten Gruppe interessiert sein soll.292 So könnten sich die Geschäftsleiter, aber auch sonstige Angestellte, etwa als „psychologische Eigentümer“ eines Unternehmens sehen.293 Dies soll dazu führen, dass sich ein Individuum moralisch verpflichtet fühlt, die ihm vorgegebenen Ziele zu verfolgen.294 Insbesondere unter dem Schlagwort stewardship theory ist ein Gegenentwurf zum herkömmlichen Verständnis des Verhältnisses von Unternehmensleitung und Aktionären entwickelt worden.295 Im Zentrum steht die Annahme, dass der Agent seinen eigenen Nutzen durch den Dienst an Dritten mehrt.296 Als empirische Rechtfertigung führen Lex Donaldson und James Davis eine Studie an, welche belegen soll, dass im US-amerikanischen one tier System bei einer Personenidentität von CEO und board chairman die höchste Eigenkapitalrentabilität erwirtschaftet werde.297 Eigentlich solle der board chairman den CEO überwa288
Argyris, Administrative Science Quarterly 1973, 141, 142–143. L. Donaldson/Davis, Australian Journal of Management 1991, 49, 51; ähnlich Frey/Osterloh, Journal of Management Inquiry 2005, 96, 97, 101. 290 Argyris, Public Administration Review 1973, 253, 266; Maslow, Psychological Review 1943, 370, 370–371; siehe ferner McConvill, German Law Journal 2005, 1777, 1781–1784. 291 So H. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 100. 292 Siehe etwa das United Airlines Beispiel von Hernandez, Academy of Management Review 2012, 172, 183. 293 Hernandez, Academy of Management Review 2012, 172, 182–184. 294 Hernandez, Academy of Management Review 2012, 172, 174. 295 L. Donaldson, Academy of Management Review 1990, 369, 376–379; weitergeführt durch L. Donaldson/Davis, Australian Journal of Management 1991, 49, 51, 59– 62; Davis/Schoorman/L. Donaldson, Academy of Management Review 1997, 20, 21, 24–40. 296 Davis/Schoorman/L. Donaldson, Academy of Management Review 1997, 20, 25. 297 L. Donaldson/Davis, Australian Journal of Management 1991, 49, 54–59; aus methodischer Sicht kritisch zu der Studie Whittred, Australian Journal of Management 1993, 103, 104–105, der insbesondere die Nichtberücksichtigung von Fremdkapital bei der Berechnung des return on investment bemängelt; ähnlich Arthur/Garvey/Swan/Taylor, Australian Journal of Management 1993, 93, 98–100, die insbesondere auf die Berechnung der Eigenkapitalrendite und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen eingehen. 289
§ 3 Die Bedeutung der Personalkompetenz als Kontrollmechanismus
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chen. Das Fehlen dieser Kontrollinstanz würde jedoch die besten Ergebnisse für die Aktionäre erzielen. Dies spräche dafür, dass Manager, die sich völlig frei entfalten können, nicht versuchen würden, von den Aktionärsinteressen abzuweichen, sondern diese sogar besser fördern als intensiver überwachte Kollegen.298 Vereinzelt finden sich in der Literatur sogar Aussagen, dass ein Interessenkonflikt zwischen Vorstand und Aktionären daher überhaupt nicht existieren würde.299 So sich fremdnütziges Handeln in der Realität nicht immer wiederfinden würde, sei dies nach Chris Argyris keine Bestätigung der homo oeconomicus Annahmen, sondern vielmehr die Konsequenz daraus.300 Es handele sich um eine self-fulfilling prophecy.301 Chris Argyris argumentiert, dass, wenn in der Theorie den Beteiligten ein Hang zum egoistischen Verhalten nachgesagt werde, diese ein solches Verhalten in der Realität nur deswegen zeigen würden, weil es von ihnen erwartet werde. Aus dem Ergebnis, namentlich dem an den Tag gelegten egoistischen Verhalten, würde nun der Umkehrschluss gezogen, dass die zugrundeliegende Hypothese richtig sei. Die daraus abgeleitete Forderung lautet, man dürfte nicht nur deskriptiv Institutionen und das Verhalten der Beteiligten untersuchen, sondern müsse vielmehr fragen, was die Beteiligten normativ zu leisten bereit und in der Lage sind, und ausgehend von diesen Bedürfnissen wiederum die Organisation ausgestalten.302 In eine ähnliche Richtung gehen Stimmen, die auf eine Verdrängung (crowding out) der natürlich vorhandenen intrinsischen Motivation durch extrinsische Anreize hinweisen.303 Der verstärkte Einsatz von Kontrollmechanismen soll demnach das Interesse des Agenten an der eigentlichen Tätigkeit beschränken und vielmehr allein die letztendlich gewährte Belohnung in den Vordergrund stellen.304 Der Agent fühle sich dann mehr und mehr „fremdgesteuert“, der intrinsische Antrieb gehe verloren.305 Auch würde einem Geschäftsleiter durch die ge298 L. Donaldson/Davis, Australian Journal of Management 1991, 49, 59–60; siehe dazu auch Argyris, Administrative Science Quarterly 1973, 141, 158. 299 Etwa L. Donaldson, Academy of Management Review 1990, 369, 377. 300 Argyris, Administrative Science Quarterly 1973, 141, 159; Argyris, Public Administration Review 1973, 354; Argyris, Public Administration Review 1973, 253, 261, 263–264, 266. 301 Argyris, Public Administration Review 1973, 253, 266. 302 Argyris, Administrative Science Quarterly 1973, 141, 160–162; Argyris, Public Administration Review 1973, 253, 264–266; Argyris, Public Administration Review 1973, 354, 356; ähnlich auch Lee/O’Neill, Academy of Management Journal 2003, 212, 222 („Managers, then, are neither naturally opportunists nor stewards. In effect, managerial behavior is nested in a system of interwined forces“). 303 Frey, Rationality and Society 1994, 334, 335; Frey, International Journal of Industrial Organization 1997, 427, 428. 304 Frey, Rationality and Society 1994, 334, 335; Frey, International Journal of Industrial Organization 1997, 427, 428, 430; Frey/Osterloh, Journal of Management Inquiry 2005, 96, 102 m.w. N., 106. 305 Frey, International Journal of Industrial Organization 1997, 427, 432.
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1. Kap.: Grundlagen
zahlte Vergütung suggeriert, dass eine Tätigkeit, für die eine Bezahlung nicht vorgesehen ist, vom Prinzipal unerwünscht sei.306 Dabei soll der jeweilige Agent eine Vergütungsabrede umso mehr als Einschränkung wahrnehmen, je konkreter durch diese bestimmte Ziele vorgegeben werden.307 Die Folge wäre demnach, dass dieser seine ihm eigene Arbeitsmotivation zumindest in Teilen aufgibt und sich nur noch von den extrinsischen Anreizen leiten lässt.308 Die Konsequenz vieler mit dem stewardship Gedanken verbundener Ansätze ist daher, dass der Abbau von Kontrollmechanismen gefordert wird, da diese geeignet seien, die Entfaltung des operativen Managements zu behindern.309 III. Mögliche Auswirkungen für die Personalkompetenz Je nachdem, ob der Vorstand eher das homo oeconomicus oder das stewardship Modell erfüllt, ergeben sich unterschiedliche Konsequenzen für die Personalkompetenz. Wenn ein opportunistisches Verhalten zu erwarten ist, wird der Prinzipal seinen Agenten während der Tätigkeit deutlich intensiver überwachen wollen, als wenn dieser von sich aus zu einem pflichtgemäßen Handeln neigt. Im erst genannten Fall ist auch davon auszugehen, dass der Abberufungskompetenz aus § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG als Disziplinierungswerkzeug eine deutlich gewichtigere Rolle zukommt, als wenn Interessenkonflikte die Ausnahme sind oder überhaupt nicht vorkommen. Auch die Rolle der eigentlichen Personalauswahl ändert sich. Zwar stellt sich die Frage, ob die entsprechenden Fähigkeiten vorhanden sind, um das Unternehmen zu führen, unabhängig von der Einordnung als homo oeconomicus oder steward. Allerdings wird der Aufsichtsrat, wenn die Annahme zutrifft, dass Geschäftsleiter hauptsächlich intrinsisch motiviert sind, bei der Kandidatensuche auf andere Eigenschaften wertlegen, als wenn die Gefahr von Interessenkonflikten besteht. Im letztgenannten Fall dürfte etwa dem in der Vergangenheit an den Tag gelegten Verhalten eine deutlich höhere Bedeutung zukommen, da so das Risiko opportunistischen Verhaltens besser eingeschätzt werden kann. 306
Frey/Osterloh, Journal of Management Inquiry 2005, 96, 106. Frey, International Journal of Industrial Organization 1997, 427, 432. 308 Frey, Rationality and Society 1994, 334, 335 m.w. N., 345–347; zu berücksichtigen ist allerdings, dass eine intrinsische Motivation nicht in jeder Situation einer externen Beeinflussung vorzuziehen ist, siehe dazu eindrücklich Frey, International Journal of Industrial Organization 1997, 427, 436 („worst crimes in mankind were performed by people who followed inner motives and ideologies“); ähnlich Osterloh/Frey, Organization Science 2000, 538, 540. 309 Davis/Schoorman/L. Donaldson, Academy of Management Review 1997, 20, 25; L. Donaldson, Academy of Management Review 1990, 369, 377–379; L. Donaldson/ Davis, Australian Journal of Management 1991, 49, 51–52; Hernandez, Academy of Management Review 2012, 172, 177–179; McConvill, German Law Journal 2005, 1777, 1786; letztendlich auch Frey/Osterloh, Journal of Management Inquiry 2005, 96, 97, 106, allerdings ohne formal an die stewardship theory anzuknüpfen. 307
§ 3 Die Bedeutung der Personalkompetenz als Kontrollmechanismus
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Die wohl gewichtigsten Folgen ergeben sich aus der Unterscheidung für die Ausgestaltung des Anstellungsvertrags. Die Personalvergütung bedingt die Personalauswahl insoweit, als sich ein geeigneter Kandidat nur dann zum Vorstandsmitglied bestellen lässt, wenn er für die Übernahme der Tätigkeit entsprechend vergütet wird.310 Ist die Annahme des homo oeconomicus jedoch zutreffend, besteht über den bloßen Vorgang der Personalauswahl hinaus ein Bedürfnis für vertragliche Absicherungen, welche den Vorstand auf die Aktionärsinteressen verpflichten. Dies soll aus agenturtheoretischer Sicht vor allem durch die Vereinbarung variabler Vergütungsbestandteile möglich sein, welche das Management nur für tatsächlich geleistete Dienste und deren Erfolg belohnt und so dauerhaft zu einer motivierten Arbeit anhält. Durch die Kopplung von Zielvorgaben und Vergütung soll demnach ein Maßstab geschaffen werden, der für alle Beteiligten als Gradmesser der Leistung des Vorstandsmitglieds dient.311 Die Vergütung soll somit helfen, die Interessen des Prinzipals zu konkretisieren.312 Wenn, wie im Wirtschaftsleben üblich, mehrere Handlungsalternativen bestehen, würde eine Vergütungsabrede auf diese Weise zu einem Steuerungsinstrument.313 Bei einem steward hingegen wäre die Vereinbarung entsprechender Vorgaben zumindest aus Motivationsgesichtspunkten nicht notwendig, möglicherweise sogar kontraproduktiv,314 da dieser von sich aus versuchen würde, für den Prinzipal ein optimales Ergebnis herauszuholen. In der diesen Ansatz vertretenden Literatur werden daraus für die Praxis unterschiedliche Konsequenzen gezogen. Einzelne Autoren betonen weiterhin die Bedeutung von variablen Vergütungsanteilen zur Konkretisierung von Zielen für das Management, weisen darüber hinaus aber auf die Wichtigkeit der sonstigen Anstellungsbedingungen hin.315 So soll insbesondere der gewählte Wortlaut der Vertragsregelungen wichtig für das Selbstwertgefühl der Geschäftsleitung sein. Andere wollen eine „ideologische Währung“ schaffen, etwa durch gesteigerte Verantwortung und neue Herausforderungen, welche im Ergebnis die soziale Wertschätzung des Individuums an310 Ähnlich Bender, Corporate Governance 2004, 521, 527–528; Prendergast, Journal of Economic Literature 1999, 7, 15; dazu auch Rieble/Schmittlein, Vergütung von Vorständen und Führungskräften, Rn. 101. 311 Friedrich, Die Verrechtlichung von Organbezügen als europäisches Problem, S. 44; Heinemann, in: Der Aufsichtsrat im System der Corporate Governance, S. 115; ähnlich Bender, Corporate Governance 2004, 521, 527 in Bezug auf das britische one tier System. 312 Konkrete Beispiele finden sich bei T. Götze, Aktienoptionen für Vorstandsmitglieder und Aktionärsschutz, S. 53–54. 313 Allgemein dazu Gillenkirch, Gestaltung optimaler Anreizverträge, S. 196–197. 314 Ähnlich Frey, International Journal of Industrial Organization 1997, 427, 435; Frey/Osterloh, Journal of Management Inquiry 2005, 96, 106 allerdings ohne unmittelbar auf die stewardship theory Bezug zu nehmen. 315 Hendry, Academy of Management Review 2002, 98, 103, 109. Auch wenn weitere Ausführungen fehlen, dürfte der Autor wohl die psychologische Wirkung meinen, die der Wortlaut einzelner Regelungen für den Vorstand entfaltet.
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1. Kap.: Grundlagen
sprechen sollen.316 Wieder andere äußern die Vermutung, dass stewards im Vergleich zu klassischen agents ein geringeres Gehaltsniveau akzeptieren würden.317 Dieser kurze Überblick zeigt allerdings bereits ein entscheidendes Problem des stewardship Ansatzes. Es fehlt ein einheitliches Verständnis, wie mit dem komplexeren Menschenbild in der Realität umgegangen werden soll. Der kleinste gemeinsame Nenner der meisten Überlegungen dürfte sein, dass monetären Anreizen eine deutlich geringere Bedeutung zukommt als in der klassischen Agenturbeziehung angenommen wird. IV. Beurteilung 1. Das Vorstandsmitglied als homo oeconomicus oder steward
Ein breiter Konsens, ob Vorstandsmitglieder in der Praxis eher zu einem homo oeconomicus oder einem steward tendieren, existiert im Fachschrifttum nicht. Der bereits genannten Studie von Lex Donaldson und James Davis318, die einen Abbau von Kontrollmechanismen fordert, stehen zahlreiche Untersuchungen entgegen, die in eine andere Richtung zeigen.319 Den diversen Aufrufen, die Richtigkeit der stewardship theory mit belastbaren Daten zu belegen,320 ist nicht nachgekommen worden.321 Ebenso wenig fehlt es aber an einem Beleg für die These, dass Vorstände generell zu nachlässigem Verhalten neigen würden,322 was letztendlich für die Einordnung als homo oeconomicus sprechen würde. Die allgemeine Lebenserfahrung legt vielmehr nahe, dass menschliches Handeln vielschichtig ist und sich Motivationen und Präferenzen im Lebenszyklus ändern können. Vor diesem Hintergrund verliert auch Chris Argyris Annahme, es handele sich bei den in der Praxis vorkommenden Fällen der Vernachlässigung von Drittinteressen um eine sich selbst erfüllende Prophezeiung,323 an Bedeutung. Letztendlich ist es eine nicht belegbare Behauptung, dass Individuen bei ausbleibender Kontrolle auf Grund des Vertrauensvorschusses eher bereit sind, fremdnützig zu handeln, als wenn eine Beobachtung erfolgt. 316 Hernandez, Academy of Management Review 2012, 172, 178–179; in eine ähnliche Richtung geht es, auf die Bedeutung von Einwirkungs- und Mitbestimmungsmöglichkeiten bei der Durchführung der jeweiligen Tätigkeit und auf eine verstärkte Indentifikation mit dem Arbeitsumfeld hinzuweisen, siehe Osterloh/Frey, Organization Science 2000, 538, 543. 317 Wasserman, Academy of Management Journal 2006, 960, 962, 970. 318 Siehe dazu bereits oben unter § 2 Fn. 297. 319 Velte, Zeitschrift für Planung & Unternehmenssteuerung 2010, 285, 291 m.w. N. 320 L. Donaldson, Academy of Management Review 1990, 369, 379; L. Donaldson/ Davis, Australian Journal of Management 1991, 49, 60–61. 321 Lee/O’Neill, Academy of Management Journal 2003, 212, 213 („limited number of direct and indirect tests“); seit dem Erscheinen des Aufsatzes dürfte sich daran wenig geändert haben. 322 Thüsing, ZGR 2003, 457, 476. 323 Siehe dazu bereits oben unter § 2 Fn. 300.
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In der Praxis lassen sich allerdings zahlreiche Beispiele finden, welche die Gefahr einseitiger Interessenverfolgung durch das Spitzenmanagement belegen. Dies gilt global gesehen insbesondere für Länder, in denen Kontrollmechanismen weniger effektiv ausgestaltet sind.324 Genug Anschauungsmaterial existiert jedoch selbst in Rechtsordnungen mit einem vermeintlich hochentwickelten corporate governance System. Erinnert sei hier etwa an Bernard Ebbers, Gründer und Präsident der Bernard L. Madoff Investment Securities, dem es durch ein ausgeklügeltes Schneeballsystem gelang, vornehmlich das eigene Vermögen zu mehren und damit eine Vielzahl seiner Investoren zu schädigen.325 Auch die Bilanzfälschungen bei der Enron Corporation haben letztendlich Milliarden gekostet.326 Unabhängig von der Frage der rechtlichen Zulässigkeit,327 ließe sich auch die im Rahmen der Übernahme von Mannesmann gezahlte nachträgliche Millionenprämie von 32 Millionen Euro alleine an den Vorstandsvorsitzenden Klaus Esser328 kaum mit den dem stewardship Ansatz zugrunde liegenden Wertungen in Einklang bringen. Schon diese knappe Aufzählung zeigt, dass eine uneigennützige Berücksichtigung von Aktionärsinteressen keine Selbstverständlichkeit ist. Damit liegen ganz offensichtlich zumindest diejenigen falsch, die überhaupt kein Konfliktpotential in der Beziehung zwischen Management und Aktionären erkennen wollen. Aber auch außerhalb derartig offensichtlicher Fälle fehlt ein Beleg dafür, dass eine völlige Aufgabe von persönlichen Belangen oder ein genereller Gleichlauf von Aktionärs- und Vorstandsinteressen eine regelmäßig vorkommende Begebenheit sein könnte. Führt man den stewardship Gedanken konsequent zu Ende, müsste ein Vorstandsmitglied, welches der ihm gestellten Aufgabe nicht mehr gewachsen zu sein scheint oder mit Blick auf die Entwicklung des Unternehmens eine zu hohe Vergütung erhält, von sich aus den jeweiligen Missstand beheben.329 Derartige Vorgänge sind in der Praxis jedoch auch dann selten, wenn eine Fehlentwicklung offenkundig ist. Selbst als einzelne Disney-Aktionäre ein Verfahren anstrebten,330 hielt der ehemalige Manager Michael Ovitz etwa an seiner 140 Million US-Dollar Zahlung fest,331 die er für eine nur einjährige Tätigkeit erhalten hatte. Zwar sind auch Fälle bekannt, in denen Vorstandsmitglieder auf Teile der Vergütung verzichtet haben.332 Es kann dahinstehen, ob dieses Ver324
Siehe die Beispiele bei Shleifer/Vishny, The Journal of Finance 1997, 737, 742. Dazu Hernandez, Academy of Management Review 2012, 172. 326 Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 24.06.2013, S. 25. 327 Dazu BGHSt 50, 331, 336, 339. 328 Dazu Adams, Ökonomische Theorie, S. 292. 329 Shleifer/Vishny, The Journal of Finance 1997, 737, 742–743. 330 Brehm v. Eisner, 746 A.2d 244 (Del. 2000). 331 Siehe dazu bereits oben unter § 1 Fn. 17. 332 Etwa im Jahr 2013 bei der Commerzbank, siehe Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 22.03.2014, S. 23. 325
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halten alleine auf ein stewardship Verständnis zurückzuführen ist oder nicht vielmehr der Druck von Kapitalmarkt, Aktionären und Kreditgebern der eigentliche Auslöser war. Es ist jedoch nicht erkennbar, dass eine derartige Fremdnützigkeit eine generelle Charakteristik der Vorstandsarbeit wäre. Wenig überraschend ist daher, dass die Vielzahl der kleineren und größern Missbrauchsfälle der jüngeren Vergangenheit der Debatte um die selbstverständliche Berücksichtigung von Drittinteressen durch die Geschäftsleitung ein wenig den Wind aus den Segeln genommen hat.333 Natürlich nutzen Vorstände nicht jeden Freiraum oder Mangel in der Überwachung zu einem Missbrauch.334 Es scheint sich aber grundsätzlich das Verständnis durchgesetzt zu haben, dass es sich nicht um eine vollständig zu missachtende Gefahr handelt.335 Die oben genannten Beispiele unterstreichen diese Vermutung. Es geht nämlich nicht um die Frage, „ob Vorstandsmitglieder als solche eher einen Hang zur nachlässigen Arbeit haben oder – als Gegenteil – einen Hang zu harten Arbeit und Kreativität“.336 Entscheidend ist vielmehr, ob eine hinreichende Anzahl von Fällen existiert, die ein Bedürfnis für Kontroll- und Steuerungsinstrumente begründen. Damit zeigt sich aber auch die Schwäche all jener Ansätze, die entweder den weitläufigen Abbau von Kontrollmechanismen oder sogar einen vollständigen Verzicht fordern. Ökonomisch begründet wäre dies nur, wenn das Risiko, dass der Agent nach privaten Vorteilen strebt, so gering ist, dass der Prinzipal grundsätzlich bereit wäre, es zu ignorieren.337 Diese Annahme lässt sich gleichwohl nicht rechtfertigen. Neben den Aktionären erwarten im Übrigen nicht zuletzt auch andere stakeholder Gruppen eine Absicherung. Arbeitnehmer und andere Gläubiger tätigen zwar keine spezifischen Investitionen,338 ihre jeweiligen Beiträge sind allerdings ebenfalls wichtig für das Unternehmen. Die generelle Bereitschaft zu investieren sinkt jedoch, wenn Vorkehrungen gegen opportunistisches Vorstandshandeln nicht getroffen werden.339 Pauschale Forderungen nach einem Abbau von Kontroll- und Steuerungsmechanismen auf Grundlage eines stewardship Ansatzes 333 In die gleiche Richtung wohl Velte, Zeitschrift für Planung & Unternehmenssteuerung 2010, 285, 292. 334 Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 87 Rn. 23; ähnlich Heinemann, in: Der Aufsichtsrat im System der Corporate Governance, S. 115, 148. 335 Siehe etwa A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 51 („nicht der Regelfall“); Davis/Schoorman/L. Donaldson, Academy of Management Review 1997, 20 („not hold for all managers“); Hendry, Academy of Management Review 2002, 98, 108, 110; Thüsing, ZGR 2003, 457, 476 („beide Argumente haben Gewicht“). 336 So aber Thüsing, ZGR 2003, 457, 476. 337 In diese Richtung auch Williamson, Journal of Law and Economics 1979, 233, 234 Fn. 3. 338 Siehe dazu bereits oben unter § 2 D. III. 3. und § 2 D. III. 4. 339 Ähnlich A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 67; Kübler, in: FS Zöllner, S. 321, 326.
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sind daher schon alleine aus diesem Grund zurückzuweisen. Es gibt zwar sicherlich keinen Anlass, die überwiegende Anzahl von erfolgreich arbeitenden Managern durch zu enge Vorgaben zu bestrafen.340 Befremdlich ist indes die Vorstellung, dass die bloße Existenz von Kontroll- und Steuerungsmechanismen geeignet sein soll, ein Vorstandsmitglied von einer optimalen Aufgabenerfüllung abzuhalten.341 Es gibt ohnehin wohl kaum eine andere Personengruppe, die zwar nicht unmittelbar das wirtschaftliche Risiko einer Unternehmung trägt, gleichzeitig aber ein derart großer Handlungsfreiraum eingeräumt wird, wie dem Spitzenmanagement.342 In einer solchen Situation erscheint es nur selbstverständlich, dass diejenigen, deren Kapital der Vorstand verwaltet, über den Einsatz eine Rechtfertigung verlangen und gegebenenfalls über die Verwendung mitbestimmen wollen. Akzeptiert man, dass die Gefahr von Interessenkonflikten nicht völlig zu vernachlässigen ist, begründet dies ein Bedürfnis auf Seiten des Prinzipals, nicht nur die gewünschten Ziele zu konkretisieren, sondern dem Agenten auch einen besonderen Anreiz zu bieten, diese zu erfüllen. Dies spricht isoliert betrachtet für die Implementierung der in der klassischen Agenturtheorie betonten Vergütungsgestaltungen, selbst wenn viele Geschäftsleiter nicht als homo oeconomicus bezeichnet werden können. 2. Die Gefahr kognitiver Fehlvorstellungen
Zu Konflikten kann es aber nicht nur kommen, wenn der Agent bewusst versucht, seine eigenen Ziele auf Kosten des Prinzipals zu verfolgen. Interessenkonflikte im Sinne von mangelndem Arbeitseinsatz durch den Vorstand mögen vielleicht sogar tatsächlich eine Ausnahme sein.343 Selbst wenn ein Vorstandsmitglied versucht, als steward die Interessen der Aktionäre zu wahren, besteht dennoch die Gefahr von Fehleinschätzungen.344 Denkbar wäre etwa, dass die Geschäftsleitung im Streben nach einer möglichst hohen Rendite für die Aktionäre das Risiko eines Geschäfts fehlerhaft beurteilt.345 Auch die bereits erwähnten manager-specific investments346 können auf Grund der irrigen Annahme getätigt
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McConvill, German Law Journal 2005, 1777, 1780. So aber Argyris, Public Administration Review 1973, 253, 263; Argyris, Public Administration Review 1973, 354, 355; Davis/Schoorman/L. Donaldson, Academy of Management Review 1997, 20, 25. 342 Bender, Corporate Governance 2004, 521, 522. 343 Bender, Corporate Governance 2004, 521, 526–527; Eisenberg, Columbia Law Review 1989, 1461, 1472–1473. 344 Eisenberg, Columbia Law Review 1989, 1461, 1473; Hendry, Academy of Management Review 2002, 98, 100. 345 Hendry, Academy of Management Review 2002, 98, 101, 108. 346 Siehe dazu bereits oben unter § 2 D. III. 5. 341
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1. Kap.: Grundlagen
werden, dass diese im Interesse des Unternehmens liegen.347 Wenn etwa eine bestimmte Sparte gestärkt wird, weil der jeweilige Vorstand in diesem Bereich besonders erfahren ist, heißt das nicht, dass es sich auch objektiv um die beste Ressourcenallokation handeln muss. Vereinfacht ausgedrückt besteht somit die Gefahr, dass ineffiziente Manager nicht realisieren, dass sie ineffizient arbeiten.348 Damit zeigt sich eine weitere Schwäche vieler stewardship Ansätze, die vornehmlich nur die Existenz von Motivationsproblemen und Interessenkonflikten behandeln.349 Die Möglichkeit, durch Kontroll- und Steuerungsmechanismen Fehler im Tagesgeschäft zu verhindern, bleibt dabei oft unberücksichtigt. Zu Recht ist darauf hingewiesen worden, dass es zumindest in der Theorie keinen Unterschied macht, ob die Interessen von Aktionären und Managern auseinanderfallen, weil letztgenannte bewusst opportunistisch handeln oder unbewusst Fehlvorstellungen unterliegen.350 Wichtig ist letztendlich nur, dass nicht in jeder Situation die konsequente Berücksichtigung der Aktionärsinteressen sichergestellt ist. Durch die Schaffung entsprechender Anreize kann somit der Vorstand auch von unerwünschten Investitionen abgehalten werden. Selbst wenn man demnach Geschäftsleiter eher als steward einordnen würde, bestünde ein Bedürfnis für Kontroll- und Sicherungsmechanismen, um die Gefahr von derartigen Fehleinschätzungen zu verringern. 3. Schlussfolgerungen für die weitere Untersuchung und Ausführungen zur Bedeutung der Personalkompetenz im Binnenrecht der Aktiengesellschaft
Die Untersuchung hat gezeigt, dass die homo oeconomicus wie auch die steward Annahme Vereinfachungen sind, welche die Realität nur unvollständig wiedergeben. Tatsächlich kann es nicht darum gehen, den „faulen“ Manager als Grundtyp aller Vorstandsmitglieder herauszuarbeiten.351 Solche werden tatsächlich früher oder später durch das Raster des gesellschaftsinternen und gesellschaftsexternen Arbeitsmarktes fallen.352 Genauso wenig aber wird man unterstellen dürfen, dass Vorstandsmitglieder ihre Tätigkeit durchgängig als „Berufung“ ansehen würden.353 Die auf dem Papier vorgesehenen Reinformen finden sich somit „in der wirklichen Welt des Managements“ nicht wieder.354 347
Eisenberg, Columbia Law Review 1989, 1461, 1473. Eisenberg, Columbia Law Review 1989, 1461, 1473. 349 L. Donaldson/Davis, Australian Journal of Management 1991, 49, 51. 350 Hendry, Academy of Management Review 2002, 98, 107. 351 Siehe dazu aber A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 51. 352 Insoweit ist Thüsing, ZGR 2003, 457, 476 Recht zu geben. 353 So aber McConvill, German Law Journal 2005, 1777, 1793. 354 So auch Heinemann, in: Der Aufsichtsrat im System der Corporate Governance, S. 115, 148. 348
§ 3 Die Bedeutung der Personalkompetenz als Kontrollmechanismus
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Die hier herausgearbeiteten Ergebnisse haben unterschiedliche Konsequenzen für Theorie und Praxis. Solange der Nachweis nicht erbracht ist, dass sowohl die Gefahr opportunistischen Verhaltens als auch das Risiko sonstiger Fehleinschätzungen für den Prinzipal völlig zu vernachlässigen ist, wird dieser auf entsprechende Absicherungen bestehen. Vor die Wahl gestellt, das Aktienrecht entweder an einem homo oeconomicus oder einem steward auszurichten, wird der Prinzipal demzufolge immer erstgenanntes Modell bevorzugen. Als theoretische Erklärungsgrundlage für Kontroll- und Steuerungsmechanismen ist die homo oeconomicus Annahme daher eher geeignet.355 Natürlich handelt es sich um eine starke Vereinfachung menschlichen Handelns. Es ist aber gerade die Eigenart und Aufgabe ökonomischer Modelle, generalisierende Aussagen treffen zu wollen und nicht einzelne Individuen zu beschreiben. In Ermangelung von Alternativen ist die homo oeconomicus Annahme eine second best option. In der Praxis hingegen ist der Aufsichtsrat nicht unbedingt auf derartige Generalisierungen angewiesen. Vielmehr besteht im Einzelfall zumindest in begrenztem Umfang die Möglichkeit, im Rahmen der Personalauswahl abzuschätzen, inwieweit die Gefahr von opportunistischem Verhalten und von Fehleinschätzungen besteht.356 So können die jeweiligen Kontroll- und Sicherungsmechanismen entsprechend angepasst werden. Dies dürfte mit ein Grund dafür sein, warum sich die in der Theorie diskutierten sehr komplexen Anreizverträge mit zahlreichen Variablen357 in der Realität nicht wiederfinden.358 Die vorherigen Ausführungen unterstreichen die Wichtigkeit der Personalkompetenz. Da eine ex post Überwachung nicht durchgängig möglich ist, gleichzeitig aber fremdnütziges Handeln kein flächendeckendes Phänomen zu sein scheint, ist bereits die Auswahl eines geeigneten Kandidaten für den Erfolg einer Unternehmung entscheidend. Die Gefahr, dass bewusst oder unbewusst von den Aktionärsinteressen abgewichen wird, belegt nicht nur, dass die Geschäftsleitertätigkeit dauerhaft begleitet werden muss, sondern auch, dass ein Bedürfnis für eine vorzeitige Beendigung bestehen kann. Von besonderer Bedeutung ist auf Grund des Vorhergesagten jedoch die Ausgestaltung des Anstellungsvertrags, um den Vorstand auf die Interessen der Aktionäre zu verpflichten. In der Praxis erfolgt dies, wie gezeigt, vornehmlich über die Vergütung. Da tatsächlich nicht in jeder Situa355 So grundsätzlich auch H. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 116, die jedoch zusätzlich die Einbeziehung von Entscheidungsschwächen fordern. 356 Siehe dazu auch Hendry, Academy of Management Review 2002, 98, 105 zur Bedeutung von „personalities“ und „circumstances“. 357 Siehe nur Gillenkirch, Gestaltung optimaler Anreizverträge, S. 196–221; Grossmann/Hart, Econometrica 1983, 7, 10–41. 358 So grundsätzlich die Einschätzung über die Gestaltung in der Praxis bei A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 130 m.w. N.; Prendergast, Journal of Economic Literature 1999, 7, 56.
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tion davon ausgegangen werden kann, dass ein Geschäftsleiter die Wünsche seines Prinzipals aus eigenem Antrieb verfolgt, ist es auch durchaus sinnvoll, ergänzend extrinsische Anreize zu setzen. In welchem Umfang dies durch monetäre Zielvorgaben funktioniert, muss im folgenden Abschnitt noch untersucht werden. Immerhin hat sich bereits gezeigt, dass Individuen nicht nur am eigenen Wohlergehen interessiert sind und nicht jede Überwachungslücke für eine egoistische Zielverfolgung nutzen. Darüber hinaus wurde eingangs bereits klargestellt, dass sowohl das Verhalten eines Vorstands, aber auch die allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklungen einer Unternehmung nur begrenzt beobachtbar sind.359 Vor diesem Hintergrund erscheint es schwierig eine passgenaue Abrede zu formulieren, die den Agenten an seinen Prinzipal bindet. Nur wenn die Auswirkungen derartiger Probleme hinreichend klar sind, kann eine abschließende Beurteilung der Vorstandsvergütung als Kontroll- und Steuerungsmechanismus erfolgen.
B. Konsequenzen für die Vorstandsvergütung I. Vergütung und Anreizwirkung 1. Monetäre Anreizwirkung vor dem Hintergrund komplexer Interessen des Individuums
Auf den ersten Blick ist die Vorstandsvergütung ein sehr monotoner Anreiz, da sie lediglich die finanziellen Bedürfnisse des Angesprochenen abzudecken scheint. Jay Lorsch und Elizabeth MacIver hatten in einer von 1986 bis 1989 durchgeführten Studie die Hauptgründe für die Annahme einer Position im board of directors US-amerikanischer Unternehmen untersucht. Den Autoren zur Folge sind die Qualität der anderen Manager und die Möglichkeit, bei der Durchführung der Tätigkeit etwas dazu zu lernen wichtiger, als persönliches Prestige, Vergütung und eigene Aktienbeteiligung.360 Auf den ersten Blick spricht diese Feststellung gegen die Anreizwirkung monetärer Vereinbarungen. Ob man sich dem Problem aber tatsächlich auf empirischem Weg nähern kann, erscheint fraglich. So wurden für die konkrete Studie die Fragebögen zwar in anonymisierter Form versendet und zurückgeschickt.361 Dennoch hätten Aussagen, die etwa Geld oder Macht als Triebfeder erkennen lassen, wohl kein gutes Bild US-amerikanischer Unternehmensleitungen abgegeben. Die angesprochene Personengruppe dürfte sich der Wirkung ihrer Antworten bewusst gewesen sein. Dies spiegelt sich nicht zuletzt in den stellenweise romantischen und idealistischen Stellungnahmen wider, welche die Studie zu Tage förderte.362 359
Siehe dazu bereits oben die Einleitung zu § 3. Lorsch/MacIver, Pawns or Potentates, S. 26 (Tabelle 2–3). 361 Lorsch/MacIver, Pawns or Potentates, preface. 362 Lorsch/MacIver, Pawns or Potentates, S. 27 („I’ve learned a terrific amount, and basically, I think directors ought to pay to serve on boards because you learn so much 360
§ 3 Die Bedeutung der Personalkompetenz als Kontrollmechanismus
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Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Untersuchung allein auf sogenannte outside directors beschränkte.363 Ähnlich den deutschen Aufsichtsräten nehmen diese ihre Aufgabe aber als Nebentätigkeit wahr. Daraus resultiert eine dementsprechend geringere Vergütung, zurzeit der Studie etwa 22.000 US-Dollar im Jahr.364 Ein Großteil der outside directors übten demnach zeitgleich andere hochbezahlte Tätigkeiten aus, dies teilweise sogar schon über mehrere Jahrzehnte.365 Jay Lorsch und Elizabeth MacIver liefern daher auch selbst die Erklärung mit, warum die deutlich geringer ausfallende Sekundärvergütung für die Befragten nur eine stark untergeordnete Rolle spielte.366 Es ist deshalb überraschend, dass im deutschen Schrifttum der Studie generalisierende Aussagen über die Bedeutung von finanziellen Anreizen für Manager entnommen wurden.367 Ein entscheidendes Verdienst der stewardship theory ist es, auf die Bedeutung komplexer Motivationslagen hingewiesen zu haben. Die dem homo oeconomicus Modell vielfach zugrunde liegende Annahme, der Mensch sei lediglich an einer Vermögensmaximierung interessiert, greift in der Realität oft zu kurz.368 In der modernen Literatur wird daher häufig die Bedeutung von sozialer Anerkennung als Zielvorstellung betont.369 Auch im psychologischen Fachschrifttum wird das Ansehen als wichtiger Motivationsfaktor im menschlichen Leben herausgestellt.370 Auf den ersten Blick könnte man daher meinen, dass über Gehaltsvereinbarungen derartige Bedürfnisse nicht befriedigt werden können. Soziale Bestätigung ist tatsächlich auch nicht gleichbedeutend mit einer hohen Vergütung. Andererseits sollte man nicht bezweifeln, dass Geld auch ein Weg sein kann, um eine derartige Achtung zu erreichen.371 Die Kompensation dient als Ausdruck der Zufriedenheit bezüglich der Arbeitsleistung, mithin als Leistungsbewertungsmaßstab.372 Grundsätzlich signalisiert eine hohe Vergütung damit beruflichen Erabout situations that you, in turn, become faced with“), S. 28 („I enjoy having the opportunity to make an intellectual contribution“). 363 Lorsch/MacIver, Pawns or Potentates, preface. 364 Lorsch/MacIver, Pawns or Potentates, S. 29 Fn. 12. 365 Lorsch/MacIver, Pawns or Potentates, S. 29. 366 Siehe Lorsch/MacIver, Pawns or Potentates, S. 29–30. 367 So aber ausdrücklich Adams, ZIP 2002, 1325, 1336; Adams, Ökonomische Theorie, S. 322. 368 Dazu H. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 99–100. 369 Bender, Corporate Governance 2004, 521, 523; Hernandez, Academy of Management Review 2012, 172, 178; oder negative ausgedrückt, die Angst vor sozialen Sanktionen, siehe etwa Skeel, University of Pennsylvania Law Review 2001, 1811, 1832– 1835. 370 Maslow, Psychological Review 1943, 370, 381–382. 371 Bender, Corporate Governance 2004, 521, 523; ähnlich Drygala, ZRP 2012, 161, 163. 372 So auch Bender, Corporate Governance 2004, 521, 526; Fama, Journal of Political Economy 1980, 288, 292; Lorsch/MacIver, Pawns or Potentates, S. 177.
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folg. Daher ist anzunehmen, dass diese oftmals eine rein über die unmittelbar finanzielle Wirkung hinausgehende Komponente hat. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass durch eine hohe Lohnzahlung, die zu sozialer Anerkennung, Existenzsicherung und materiellem Wohlstand führen kann, nicht auch Gefühle wie Glück und Zufriedenheit bei einer Person ausgelöst werden können.373 Insgesamt lässt sich deshalb festhalten, dass auf diesem Weg eine große Bandbreite von unterschiedlichen Bedürfnissen zumindest mitangesprochen werden können.374 Selbst wenn ein Vorstandsmitglied daher eher zu dem steward Modell neigt, jedoch nicht vollständig seine Motivation aus dem Dienst an seinem Prinzipal zieht, kann durch die Vereinbarung finanzieller Vorgaben somit eine Anreizwirkung geschaffen werden. Anerkennen muss man aber auch, dass es Neigungen gibt, die einer Bedienung durch die Vorstandsvergütung nicht zugänglich sind. Eine hohe Kompensation kann beispielsweise weder gegen Gesundheit, noch gegen Freizeit einfach eingetauscht werden. Schätzt der Angesprochene Bedürfnisse, die nicht mit der Vorstandsvergütung verfolgt werden können, höher ein als solche, die von einer Abrede erfasst werden, verliert diese ihre Wirkung als Kontroll- und Steuerungsmechanismus.375 Hier stößt die Personalvergütung an ihre Grenzen. Nicht zuletzt deswegen ist diese kein abschließendes Allheilmittel für den Agenturkonflikt.376 2. Monetäre Anreizwirkung und Sättigungseffekt
Bezweifelt wird ferner, ob ein bereits hochbezahltes Individuum durch monetäre Anreize überhaupt dauerhaft gesteuert werden kann.377 Diese Frage wirft mittelbar auch die Studie von Jay Lorsch und Elizabeth MacIver auf. Die teilnehmenden outside directors hatten im Ergebnis zu erkennen gegeben, dass die geringe Vergütung ihres „Zweitjobs“ für die Motivation nur eine untergeordnete Rolle spielt.378 Schon im Jahr 1943 hatte Abraham Maslow innerhalb seiner theory of motivation herausgearbeitet, dass ein bereits befriedigtes Bedürfnis den Menschen nicht mehr antreibt.379 Es kann demnach ein Sättigungseffekt eintreten. Auch eine Vergütung kann an Anziehungskraft einbüßen oder diese unter Umständen sogar ganz verlieren. Wann dieser Punkt aber genau eintritt, hängt von dem jeweiligen
373
Dagegen wohl McConvill, German Law Journal 2005, 1777, 1800. Bender, Corporate Governance 2004, 521, 526. 375 Allgemein dazu A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 132. 376 In diese Richtung auch A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 131. 377 A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 131–132; Wilhelm, Die Verrechtlichung von Geschäftsleitervergütungen in Kapitalgesellschaften, S. 65. 378 Lorsch/MacIver, Pawns or Potentates, S. 29–30. 379 Maslow, Psychological Review 1943, 370, 375. 374
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Individuum und seiner persönlichen Einstellung zu den mit Geld verbundenen Vorteilen ab. Insgesamt scheint die Vorstandsvergütung weniger anfällig für einen Sättigungseffekt zu sein als viele andere Anreize. Denn wie bereits herausgearbeitet, drücken sich Vergütungsbestandteile nicht nur in ihrem monetären Wert aus. Eine hohe Vergütung ist Ausdruck von Wertschätzung und ist in den meisten Kreisen der Bevölkerung mit gesellschaftlichem Prestige verbunden. Gerade letzteres dürfte für viele Geschäftsleiter eine besondere Bedeutung haben.380 Bedürfnisse wie Anerkennung und berufliche Bestätigung sind aber auf eine dauerhafte Aktualisierung angewiesen und nicht plötzlich für alle Zeit erfüllt. Darüber hinaus dürften erhebliche Unterschiede bestehen, wie einzelne Vorstandsmitglieder finanzielle Vorteile bewerten. Allgemein wird die Schwelle, ab der eine Person subjektiv keinen Nutzen mehr aus seiner Kompensation zieht, relativ hoch sein.381 Es darf darüber hinaus auch nicht vergessen werden, dass sich die aus DAX30-Unternehmen bekannten Vergütungslevels nicht in jeder Aktiengesellschaft finden lassen.382 Bei vielen kleineren Gesellschaften dürfte die Kompensation der Geschäftsleiter weit entfernt von den Bereichen sein, in denen ein Sättigungseffekt überhaupt angedacht werden kann. Auch zwischen einzelnen DAX30-Unternehmen existierten im Übrigen erhebliche Unterschiede, was die Entlohnung des Spitzenmanagements angeht.383 Aber auch für die tendenziell gut bezahlten Vorstände von Großunternehmen gibt es keinen Erfahrungssatz, wonach nur, weil die Existenzsicherung nicht mehr im Vordergrund steht, die Mehrung von finanziellen Mitteln ihre Anziehungskraft verlieren würde. Es ist davon auszugehen, dass auch die persönlichen Ansprüche steigen, wenn die entsprechenden Mittel vorhanden sind. Von Ausnahmefällen abgesehen, gibt es daher keinen Grund anzunehmen, dass das Management über entsprechende Abreden nicht langfristig gesteuert werden kann. II. Generelle Überlegungen zur Ausgestaltung von anreizorientierter Vergütung Als Kontroll- und Steuerungsmechanismus kann eine Vergütung allerdings nur dann funktionieren, wenn auch geeignete Parameter existieren, an welche sich eine Abrede knüpfen lässt. Kann der gewählte Faktor nicht durch das Vorstandshandeln beeinflusst werden, ist er als Vorgabe ungeeignet.384 Risiken bestehen ebenfalls, wenn dessen Erfüllung zu schwer oder zu leicht ausfällt oder die An380
So die Vermutung von Bender, Corporate Governance 2004, 521, 523. Ähnlich Shleifer/Vishny, The Journal of Finance 1997, 737, 744. 382 Siehe dazu die Zahlen bei Potthoff/Trescher, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 1698; ferner Adams, Ökonomische Theorie, S. 311; Meyer, Vorstandsvergütung, S. 28–29. 383 Härtel, Wirtschaftsdienst 2004, 347, 350; Zimmermann, Wirtschaftsdienst 2004, 350, 351. 384 T. Götze, Aktienoptionen für Vorstandsmitglieder und Aktionärsschutz, S. 70. 381
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forderungen einzelner Vorgaben untereinander nicht austariert sind.385 Generell herrscht die Meinung vor, dass in der Praxis Leistung und Gegenleistung in vielen Vorstandsverträgen häufig nicht ausreichend aufeinander abgestimmt sind.386 Gerade die Suche nach geeigneten Vorgaben und den damit verbundenen Ausübungskriterien ist daher verstärkt in den Fokus wissenschaftlicher Beiträge geraten. Gestaltungsmöglichkeiten werden viele diskutiert.387 Einen allgemeinverbindlichen Königsweg hat die Diskussion, nicht zuletzt auch wegen den von Gesellschaft zu Gesellschaft variierenden Anforderungen, bisher nicht hervorgebracht. Das wirtschaftliche Leben wird darüber hinaus von zahlreichen Unwägbarkeiten bestimmt. Als Beispiele werden etwa Kursschwankungen, Rohstoffpreisänderungen, politische Unruhen oder schlicht Glück genannt.388 Im Voraus kann keine Abrede geschaffen werden, die alle Risiken auch nur in Ansätzen abdeckt.389 Die Auswahl der Parameter hängt nicht zuletzt auch von der Risikoeinstellung der Beteiligten ab.390 So unterschiedlich die jeweils angesprochenen Personen sein können, so unterschiedlich können auch die Ziele sein, die mit einer Abrede verfolgt werden sollen.391 In vielen Fällen besteht ferner die Gefahr, dass das Vorstandsmitglied neben der eigentlichen Zielerreichung versucht, eine möglichst günstige Ausgangslage für die Erfüllung der jeweils ausgewählten Parameter zu erreichen.392 Derartige Handlungen können rechtlich zulässig sein, etwa wenn ein Vorstandsmitglied auf Grund seines Sonderwissens einen besonders günstigen Zeitpunkt wählt, um ein eigenes Aktienoptionspaket auszuüben.393 Sie können aber auch die Grenzen der 385
Ähnlich Bender, Corporate Governance 2004, 521, 528. Härtel, Wirtschaftsdienst 2004, 347; Heinemann, in: Der Aufsichtsrat im System der Corporate Governance, S. 115, 122; McConvill, German Law Journal 2005, 1777, 1788–1789. 387 Siehe die Gestaltungsbeispiele bei Fonk, NZG 2011, 321, 324–326 und die Übersichten bei Hoffmann-Becking, NZG 1999, 797, 799–801; Meyer, Vorstandsvergütung, S. 22–23. 388 Bender, Corporate Governance 2004, 521, 528, 532; Grossmann/Hart, Econometrica 1983, 7, 10; Hendry, Academy of Management Review 2002, 98, 105. 389 Eisenberg, Columbia Law Review 1989, 1461, 1465; Friedrich, Die Verrechtlichung von Organbezügen als europäisches Problem, S. 45; Myers, Delaware Journal of Corporate Law 2012, 417, 449–450; in diese Richtung wohl auch Witt, in: Die Prinzipal-Agenten-Theorie, S. 85. 390 Jost, in: Die Prinzipal-Agenten-Theorie, S. 11, 23; Prendergast, Journal of Economic Literature 1999, 7, 19. 391 Siehe dazu die unterschiedlichen Beispiele bei Bender, Corporate Governance 2004, 521, 527. 392 Hendry, Academy of Management Review 2002, 98, 108 („people in a wide variety of contexts respond to incentive pay by manipulating outcomes“); Zimmermann, Wirtschaftsdienst 2004, 350, 351. 393 Hendry, Academy of Management Review 2002, 98, 108; Shleifer/Vishny, The Journal of Finance 1997, 737, 745. 386
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Legalität überschreiten, zum Beispiel wenn vergütungsrelevante Kennzahlen bewusst gefälscht werden.394 Die vorherigen Ausführungen zeigen nicht nur, welche Überlegungen bei der Gestaltung von anreizorientierter Kompensation eine Rolle spielen, sondern führen auch eines der zentralsten Probleme der aktuellen Vergütungsdiskussion vor Augen. Es gibt kaum Parameter und Ausübungsbedingungen, die grundsätzlich für eine Vergütungsabrede ungeeignet erscheinen. Dies zeigt sich besonders deutlich an den in den letzten Jahren395 stark in Verruf geratenen Aktienoptionsprogrammen.396 Auf den Aktienkurs kann der Vorstand in vielen Fällen nur eingeschränkt einwirken.397 Den Wert eines Unternehmens bildet dieser ohnehin nicht vollständig ab.398 Andererseits entwickelt sich der Aktienkurs auch nicht völlig unabhängig vom Vorstandshandeln.399 Nur in den wenigsten Fällen steigt der Kurs trotz eklatanter Managementfehler. Der Maßstab Aktienkurs ist darüber hinaus nicht derart speziell, dass einem Geschäftsleiter ein Anreiz gegeben würde, bestimmte Bereiche seiner Arbeit zu vernachlässigen.400 Aktien können darüber hinaus auch eine Möglichkeit sein, die Identifikation mit einer Gesellschaft zu erhöhen, da die Vorstandsmitglieder so auch Gesellschafter werden.401 Ein Vorstandsmitglied kann zwar versuchen, den Kurs soweit es in seiner Macht steht zum im Optionsprogramm geregelten Stichtag in die Höhe zu treiben.402 Ein lediglich kurzfristig steigender Aktienkurs ist „regelmäßig nicht im Interesse der
394 Fleischer, NZG 2009, 801, 803; Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 84 Rn. 37; Shleifer/Vishny, The Journal of Finance 1997, 737, 744; anerkennen muss man allerdings, dass langfristige Manipulationen nur in den wenigsten Fällen möglich sind, Meyer, Vorstandsvergütung, S. 114; Gordon, The Journal of Corporation Law 2004– 2005, 675, 682 spricht in diesem Zusammenhang vom „Enron problem“. 395 Sehr positiv zum Beispiel noch Aha, BB 1997, 2225, 2226 („kaum noch Streit darüber, dass sich Vergütungskomponenten, die auf Aktienoptionsplänen beruhen, für die Aktionäre positiv auswirken“); Kohler, ZHR 161 (1997), 246, 257, 261, der sogar „positive volkswirtschaftliche Auswirkungen“ erkennen will; Zeidler, NZG 1998, 789, 790. 396 Kritisch etwa Fuchs, in: MünchKommAktG, § 192 Rn. 74; Thüsing, DB 2003, 1612, 1613; Zimmermann, Wirtschaftsdienst 2004, 350, 351; gegen eine Verwendung von Aktienoptionen Berger, Vorstandsvergütung, S. 128–130. 397 Dierks, Selbstständige Aktienoptionsscheine, S. 149; Heinemann, in: Der Aufsichtsrat im System der Corporate Governance, S. 115, 125; Meyer, Vorstandsvergütung, S. 239; Zitzewitz, Stock Options, S. 34, 40–49, der jedoch in Ermangelung anderer Maßstäbe dennoch ein positives Fazit zieht, siehe S. 37, 49, 51–52. 398 Thüsing, ZGR 2003, 457, 479. 399 Dierks, Selbstständige Aktienoptionsscheine, S. 146; T. Götze, Aktienoptionen für Vorstandsmitglieder und Aktionärsschutz, S. 78–81; Gordon, The Journal of Corporation Law 2004–2005, 675, 685; Kohler, ZHR 161 (1997), 246, 258; Martens, ZHR 169 (2005), 124, 144–145; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 768. 400 Prendergast, Journal of Economic Literature 1999, 7, 22. 401 Kohler, ZHR 161 (1997), 246, 254; Lorsch/MacIver, Pawns or Potentates, S. 177. 402 Wulff, Aktienoptionen für das Management, S. 8.
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Gesellschaft“ 403. Andererseits sind durchaus Fälle denkbar, in denen gerade ein solches Verhalten gewünscht ist. Denn eine kurzfristige Erhöhung bedeutet nicht, dass der Kurs nachträglich auf das Ausgangsniveau zurück fällt. Außerdem kann die Gesellschaft auch von nur kurzzeitigen Steigerungen profitieren, etwa wenn ein Übernahmeangebot abgewehrt werden soll. Es sollte daher nicht bezweifelt werden, dass auch mit konventionellen Aktienoptionspaketen eine wünschenswerte Wirkung erzielt werden kann.404 Entscheidend sind Situation und Ausgestaltung. Ähnlich der hier vorgebrachten Überlegungen lassen sich auch für zahlreiche andere Gestaltungsformen Argumente finden. In unterschiedlichen unternehmerischen Situationen können unterschiedliche Vergütungsbestandteile als Kontrollund Steuerungsmechanismus hilfreich sein. Das macht die Entscheidung über Auswahl und Zusammenstellung zu einem sehr komplexen Vorgang.405 III. Kosten-Nutzen Analyse von anreizorientierter Vergütung und mögliche Alternativen Vor dem Hintergrund der bisher herausgearbeiteten Probleme muss man sich die Frage stellen, ob die Vorteile der variablen Vergütung überhaupt in einem angemessenen Verhältnis zu den Risiken und Unwägbarkeiten stehen. Denn wenn Anreize gesetzt werden, besteht auch die Gefahr, dass es sich um Fehlanreize handelt.406 Zu konkrete Vorgaben können das Vorstandsmitglied beeinflussen, Handlungen nicht vorzunehmen, die eigentlich im Interesse der Gesellschaft liegen.407 Daher ist etwa gefordert worden, dass Unternehmen zumindest nicht zur Implementierung erfolgsabhängiger Kompensation ermutigt werden sollten.408 Von der Häufigkeit, mit der variable Bestandteile insbesondere in großen Unternehmen vereinbart werden, kann grundsätzlich kein normativer Rückschluss auf ihre Nützlichkeit gezogen werden. Richtig ist aber, dass gerade auf Seiten
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Thüsing, ZGR 2003, 457, 479. Dies geben selbst die möglicherweise bekanntesten Kritiker des US-amerikanischen Vergütungssystems zu verstehen, siehe Bebchuk/Fried, Pay without Performance, S. 137–138. 405 Bender, Corporate Governance 2004, 521, 530; Friedrich, Die Verrechtlichung von Organbezügen als europäisches Problem, S. 48; Gordon, The Journal of Corporation Law 2004–2005, 675, 687. 406 Bender, Corporate Governance 2004, 521, 528; Friedrich, Die Verrechtlichung von Organbezügen als europäisches Problem, S. 46, 47; Hendry, Academy of Management Review 2002, 98, 108; Prendergast, Journal of Economic Literature 1999, 7, 8, 21–22. 407 Hendry, Academy of Management Review 2002, 98, 104. 408 A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 137. 404
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des Vorstandsmitglieds eine entsprechende Erwartungshaltung existiert.409 Erfolgsabhängige Vergütung dient schließlich auch dazu, das Vorstandsamt attraktiver zu machen.410 Tatsächlich erfüllen viele Abreden die beidseitigen Erwartungen. Dies zeigt sich unter anderem auch an den Ergebnissen einer von Ruth Bender im Jahr 2006 veröffentlichten Studie zum britischen Gesellschaftsrecht.411 Untersucht wurden zwölf Gesellschaften aus dem Financial Times Stock Exchange 350.412 Zwar stellt auch die Autorin zu Recht fest, dass eine derart kleine Gruppe kein verallgemeinerungsfähiges Ergebnis zu Tage bringen kann.413 Auffällig ist dennoch, dass bei allen Befragten zwar über grundlegende Fragen Uneinigkeit herrscht, etwa über die Bedeutung des Geldes für leitende Angestellte, die Eignung der Vorstandsvergütung als Steuerungsmechanismus des operativen Managements jedoch durchgängig bejaht wurde.414 Es darf daher nicht von den in der Vergangenheit zweifelsohne zu Tage getretenen Schwächen ohne weiteres auf die generelle Ungeeignetheit variabler Vergütungsabreden geschlossen werden.415 Die Aufgabe muss vielmehr sein, Missstände konkret zu benennen und diesen entgegenzuwirken. Vorstandsvergütung ist keine statische Materie. So selbstverständlich wie früher kurzfristig ausgelegte Aktienoptionsprogramme aufgelegt wurden, so selbstverständlich werden heute Begrenzungsmöglichkeiten und Rückzahlungsregelungen in Verträgen vorgesehen. Auch dem Risiko einer Übersteuerung und den davon ausgehenden Fehlanreizen kann beispielsweise entgegengewirkt werden, wenn in Ermangelung geeigneter Kriterien eher allgemein gehaltene Zielvorgaben gewählt werden.416 Ein Großteil der gegen anreizorientierte Vergütung vorgebrachten Argumente bezieht sich ohnehin nur auf die generellen Schwierigkeiten, die existieren, wenn es darum geht, die Leistung der Geschäftsleitung einzuschätzen. Denn auch wenn den Vorstandsmitgliedern lediglich eine feste Summe versprochen wird, würden diese genauso wissen wollen, an Hand welcher Kriterien ihre Arbeit beurteilt
409 Bender, Corporate Governance 2004, 521, 523, 529–530, 531–532; T. Götze, Aktienoptionen für Vorstandsmitglieder und Aktionärsschutz, S. 55–56; Wulff, Aktienoptionen für das Management, S. 6; wohl auch BT-Drucks. 13/9712 (RegE KonTraG), S. 23; Martens, in: FS Ulmer, S. 399; kritisch Fuchs, in: MünchKommAktG, § 192 Rn. 69. 410 Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 87 Rn. 23; ähnlich Bender, Corporate Governance 2004, 521, 527–528. 411 Bender, Corporate Governance 2004, 521, 521–533. 412 Bender, Corporate Governance 2004, 521, 523. 413 Bender, Corporate Governance 2004, 521, 532. 414 Bender, Corporate Governance 2004, 521, 524–530. 415 So aber McConvill, German Law Journal 2005, 1777, 1788–1789. 416 Hendry, Academy of Management Review 2002, 98, 106.
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1. Kap.: Grundlagen
wird.417 Schließlich würde ein Geschäftsleiter, welcher seine Tätigkeit zur Zufriedenheit erfüllt, eine entsprechend höhere Fixvergütung im nächsten Anstellungszeitraum verlangen.418 Gleiches gilt für den eher hypothetischen Fall, dass die gesamte Vergütung nachträglich durch eine Ermessensentscheidung festgelegt wird.419 Gerade dann würde ein Kandidat erfahren wollen, welche Kriterien die abschließende Ermessensentscheidung beeinflussen.420 Offenkundiger Vorteil einer Fixvergütung ist zwar, dass das Risiko von so genannten windfall profits ausgeschlossen wird.421 Durch entsprechende Gestaltungen, namentlich der Vorgaben von Obergrenzen, kann dieses aber auch bei variablen Bestandteilen berücksichtigt werden.422 Im direkten Vergleich bietet die anreizorientierte Vergütung letztendlich zwei entscheidende Vorteile. Eine Fixvergütung verliert dann ihre Anreizwirkung, wenn eine Neuverhandlung nicht mehr vorgesehen ist.423 Je mehr der Agent dem Modell des homo oeconomicus entspricht, desto mehr besteht die Gefahr, dass in einer solchen Situation keine entsprechende Leistung mehr abgerufen wird. Da die mit der anreizorientierten Vergütung verknüpften Ziele gleichzeitig Ausdruck der Zielvorstellung des Prinzipals sind, wird sich auch der steward an ihnen orientieren. Im ersten Fall ist eine anreizorientierte Vergütung notwendig, im zweiten Fall schadet sie zumindest nicht. Daher wird der Prinzipal auf eine Berücksichtigung variabler Vergütungsbestandteile gerade in end game Szenarien bestehen.424 Vor allem bedeutet eine anreizorientierte Vergütung immer auch eine Risikoteilung für Agent und Prinzipal. Bei einer reinen Fixvergütung ist es erst einmal unerheblich, wie gut das Vorstandsmitglied seine Leistung erbringt. Nur wenn ein neuer Vertrag ausgehandelt wird, kann die vorherige Arbeit berücksichtigt werden. Wenn das Vorstandsmitglied unter den Erwartungen geblieben ist, hat die Gesellschaft diesen mit der Fixvergütung überbezahlt. Hat das Vorstandsmitglied 417 Allgemein zu der Bedeutung die gemeinsame Zielvorstellung zu konkretisieren Hendry, Academy of Management Review 2002, 98, 108. 418 Berger, Vorstandsvergütung, S. 124; Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 87 Rn. 22; Meyer, Vorstandsvergütung, S. 245; allgemein dazu Prendergast, Journal of Economic Literature 1999, 7, 10, 51 anhand des Beispiels eines Baseball-Spielers; anders wohl Weber, in: Hölters (Hrsg.), Aktiengesetz, § 87 Rn. 34 („keine spezifische Incentivierung“ von Fixvergütung). 419 Zu den allgemeinen Risiken der subjective performance evaluation siehe Prendergast, Journal of Economic Literature 1999, 7, 29–31. 420 Siehe dazu Berger, Vorstandsvergütung, S. 126; Hoffmann-Becking, NZG 1999, 797, 799. 421 Ähnlich Berger, Vorstandsvergütung, S. 124. 422 Fuchs, in: MünchKommAktG, § 192 Rn. 72; T. Götze, Aktienoptionen für Vorstandsmitglieder und Aktionärsschutz, S. 79–80; Grattenthaler, Die Vergütung von Vorstandsmitgliedern in Aktiengesellschaften, S. 365. 423 Ähnlich Spindler, DStR 2004, 36, 42. 424 In diese Richtung auch Spindler, in: MünchKommAktG, § 87 Rn. 62.
§ 3 Die Bedeutung der Personalkompetenz als Kontrollmechanismus
93
mehr als erwartet geliefert, liegt eine Unterbezahlung vor. Eine variable Vergütung erlaubt zumindest teilweise einen Gleichlauf von Leistung und Gegenleistung. Zwar gibt es im Regelfall nicht einen oder mehrere perfekt geeignete Parameter. Eine variable Vergütungsabrede ist immer auch ein Kompromiss. Aber es wird zumindest garantiert, dass der Agent dafür bezahlt wird, was er gemessen am Vergütungssystem erreicht hat. Die Gefahr einer Überbezahlung besteht für den Prinzipal zumindest solange nicht, wie windfall profits ausgeschlossen werden können. Ferner belastet gerade eine Fixvergütung in wirtschaftlich schlechteren Zeiten eine Gesellschaft mehr als eine entsprechend angepasste variable Kompensation.425 Zumindest solange man wie hier generell die Anreizwirkung von monetären Zielen bejaht, ist ein Verzicht auf derartige Gestaltungsvarianten schon mangels sinnvoller Alternativen demnach nicht möglich.
C. Ergebnis In der Praxis besteht durchaus die Gefahr eigenmächtiger Zielverfolgungen durch das Spitzenmanagement, ohne dass sich jedoch real existierende Vorstandsmitglieder unbedingt unter das homo oeconomicus oder steward Modell fassen lassen. Das bloße Risiko opportunistischen Verhaltens und kognitiver Fehlvorstellungen unterstreicht die Bedeutung der Personalkompetenz als Kontroll- und Steuerungsmechanismus. Die Kandidatenauswahl und die Ausgestaltung des Anstellungsvertrags sind nicht bloß ein Verwaltungsvorgang, sondern haben weitreichende praktische Konsequenzen. Es handelt sich um einen der zentralsten Regelungskomplexe im Aktienrecht. Insbesondere der anreizorientierten Vergütung kommt dabei eine besondere Rolle zu. Diese erlaubt ex ante durch die Vorgabe von konkreten Zielen die Vorstellungen des Prinzipals zu konkretisieren und dient ex post als Bewertungsmaßstab für die erbrachte Leistung. In den vorherigen Ausführungen hat sich ebenfalls gezeigt, dass die aktuelle Vergütungsgestaltung, die insbesondere auf variable Bestandteile setzt, zumindest im Kern überzeugen kann. Zwar lassen sich nicht alle Interessen des Vorstands durch eine monetäre Entlohnung abdecken und zumindest theoretisch besteht die Möglichkeit, dass auf lange Zeit gesehen ein Sättigungseffekt eintritt. Darüber hinaus ist die Auswahl der Parameter und der Ausübungskonditionen eine komplexe Entscheidung, wobei Mängel bei der Ausgestaltung zu unerwünschten Anreizen und einer Übervergütungen führen können. Durch eine anreizorientierte Kompensation kann somit nicht jeder mögliche Konflikt im Verhältnis Vorstand zu Aktionären behoben werden. Die grundsätzliche Bedeutung und Funktionsfähigkeit von variablen Vergütungsabreden zur Motivation der Geschäftsleitung kann aber nicht in Zweifel gezogen werden.
425
Rieble/Schmittlein, Vergütung von Vorständen und Führungskräften, Rn. 134.
2. Kapitel
Die Personalkompetenz de lege lata § 4 Die Ausübung der Personalkompetenz durch den Aufsichtsrat Bisher wurde herausgearbeitet, dass der Personalkompetenz als Kontroll- und Steuerungsmechanismus eine entscheidende Rolle zukommt, um den Vorstand auf die Interessen der Aktionäre zu verpflichten. Diese Erkenntnis unterstreicht nicht nur, dass es von Bedeutung ist, welches Organ mit der Kompetenz betraut wird, sondern vor allem auch, wie dieses Organ mit der Kompetenz umgeht. Gemäß den §§ 84 Abs. 1 Satz 1, Satz 5, Abs. 3 Satz 1, 87 AktG werden sowohl die organschaftliche Bestellung und Abberufung, wie auch der Abschluss des schuldrechtlichen Anstellungsvertrags und die Vereinbarung der Vorstandsvergütung vom Aufsichtsrat übernommen. Soweit vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtslage Höhe und Zusammensetzung der Vorstandsvergütung kritisiert wird, geht damit oftmals direkt oder indirekt der Vorwurf einher, dass der Aufsichtsrat das ihm zustehende Ermessen nicht in zufriedenstellender Weise ausgeübt habe. Vor dem Hintergrund des hohen Vergütungswachstums wurde schon 2003 vielen Aufsichtsräten vorgehalten, „eklatant versagt“ zu haben.1 Vereinzelt ist sogar die Existenzberechtigung des Gremiums insgesamt in Frage gestellt worden.2 In der Folge wird daher untersucht, welche Schwierigkeiten sich bei der Aufsichtsratstätigkeit stellen und welche Besonderheiten die Ausübung der Personalkompetenz beeinflussen. Darauf aufbauend wird behandelt, ob den herausgearbeiteten Schwächen durch eine Professionalisierung der Aufsichtsratstätigkeit oder durch die Vorgabe von materiellen Kriterien in Gesetz und DCGK entgegengewirkt werden kann. Derartige Vorschläge setzen unmittelbar an dem betroffenen Gremium selbst an und werden oft als Gegenentwürfe zu einer stärkeren Aktionärsbeteiligung hervorgebracht.3
1 2 3
Lutter, ZIP 2003, 737, 739. Etwa Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 13 Rn. 12 m.w. N. Etwa bei Verse, NZG 2013, 921, 926–927.
§ 4 Die Ausübung der Personalkompetenz durch den Aufsichtsrat
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A. Schwierigkeiten bei der Ausübung der Personalkompetenz durch den Aufsichtsrat I. Die Agenturbeziehung zwischen Aktionären und Aufsichtsrat Die Personalkompetenz dient nach hier vertretener Auffassung dazu, die Interessen der Aktionäre durchzusetzen. Damit wird deutlich, dass der Aufsichtsrat fremdnützig tätig wird. Zwischen Aktionären und Aufsichtsrat besteht demzufolge eine Agenturbeziehung.4 Konsequenz ist, dass die bereits herausgearbeiteten Schwierigkeiten eines derartigen Rechtsverhältnisses auch hier auftreten können. So wenig wie man bei einzelnen Vorstandsmitgliedern davon ausgehen kann, dass diese ihren eigenen Nutzen primär durch den Dienst an Dritten mehren, so wenig ist diese Aussage für einzelne Aufsichtsratsmitglieder zutreffend. Auch im Verhältnis zwischen Gesellschaftern und Aufsichtsrat kann es daher zu Konflikten und Fehleinschätzungen kommen. Zwar kann der Aufsichtsrat nur sehr beschränkt selbst unternehmerisch tätig werden, was weniger Spielraum für eigennütziges Verhalten erkennen lässt. Dies mag unter anderem ein Grund dafür sein, dass auch im deutschen Recht Motivations- und Kontrollprobleme hauptsächlich vor dem Hintergrund des Tätigwerdens der Geschäftsleitung diskutiert werden. Grundsätzlich bestehen diese Schwierigkeiten jedoch auch im Hinblick auf den Aufsichtsrat. Es ist hier ebenfalls vorstellbar, dass einzelne Mitglieder ihre privaten Ziele über die der Aktionäre stellen. II. Aufsichtsratstätigkeit und Arbeitsbelastung Entscheidend ist darüber hinaus, wie intensiv sich die einzelnen Aufsichtsräte überhaupt mit ihrer Arbeit auseinandersetzen. § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AktG schreibt vor, dass eine Person nur in zehn Gesellschaften, die von Gesetzes wegen einen Aufsichtsrat zu bilden haben, ein Aufsichtsratsmandat innehaben darf. Satz 2 statuiert eine Ausnahme für Konzerngesellschaften, nach Satz 3 sind Vorsitze in einem Aufsichtsrat auf die zehn zulässigen Mandate doppelt anzurechnen. Die Norm zeigt, dass das Gesetz die Organtätigkeit lediglich als Nebenamt versteht.5 Mitunter wird sogar der Vergleich zum Ehrenamt gezogen.6 Richtig ist zumindest, dass die wenigsten Mitglieder eines Aufsichtsrats ihrer Tätigkeit in Vollzeit nachgehen und bei mehreren Gesellschaften im Kontrollorgan sitzen.7 4 Siehe Eulerich/Velte, Zeitschrift für Internationale Rechnungslegung 2012, 125, 126; Velte, EuZW 2013, 893, 894. 5 Drinhausen/Marsch-Barner, AG 2014, 337, 346; Habersack, in: MünchKommAktG, § 100 Rn. 17. 6 So Jaspers, ZRP 2010, 8. 7 Heinemann, in: Der Aufsichtsrat im System der Corporate Governance, S. 115, 122–123; Hiltner, Managementkontrolle in Publikumsgesellschaften, S. 24; Meyer, Vor-
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2. Kap.: Die Personalkompetenz de lege lata
Konsequenz ist das Aufeinandertreffen von nebenamtlichem Aufsichtsrat und hauptberuflichem Vorstand. Einerseits begründet die Ämterhäufung auf Seiten des Aufsichtsrats die Gefahr, dass das einzelne Mandat nicht mehr mit der erforderlichen Sorgfalt ausgeübt wird.8 Andererseits erlangt das operative Management durch die engere Verbindung zur Gesellschaft oftmals einen Informationsvorsprung.9 Diesen Vorteil könnte ein Vorstandsmitglied im Rahmen der Vergütungsverhandlungen ausnutzen, indem beispielsweise fehlerhafte Signale über die Bedeutung von bestimmten Kennziffern für die Gesellschaft gesendet werden. Es wäre auch denkbar, dass ein Vorstandsmitglied versucht, auf eine Verlängerung der Bestellung in wirtschaftlich guten Zeiten hinzuwirken, wohl wissend, dass sich die Situation in naher Zukunft radikal ändern wird. III. Loyalitätsverhältnis auf Grund gemeinsamer Aufgabenwahrnehmung Die Personalkompetenz kann ferner durch ein bestehendes Loyalitätsverhältnis zwischen Aufsichtsrat und Vorstand beeinflusst werden. Ein solches kann sich sowohl aus beruflichen, wie aber auch aus privaten Verbindungen ergeben. Der Aufsichtsrat ist nämlich nicht nur bloßes Kontroll- und Prüfungsgremium.10 Zwar sind es insbesondere diese Aufgaben, die von § 111 Abs. 1 AktG betont werden. Es hat sich aber allgemein das Verständnis durchgesetzt, dass das Organ außerdem beratend tätig werden soll.11 Auch Ziff. 3.1. DCGK 2013 fordert den Vorstand und den Aufsichtsrat zu einer engen Zusammenarbeit auf. Dazu kommt, dass § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG Zustimmungsvorbehalte in der Satzung für ausgewählte Geschäftsführungsmaßnahmen verlangt.12 Gerade wenn solche Maßnahmen betroffen sind, ist zwingend eine inhaltliche Abstimmung standsvergütung, S. 117; Schmidt-Leithoff, Die Verantwortung der Unternehmensleitung, S. 382. 8 Heinemann, in: Der Aufsichtsrat im System der Corporate Governance, S. 115, 122; Jaspers, ZRP 2010, 8, 9; Lutter, NJW 1995, 1133; Meyer, Vorstandsvergütung, S. 117; Raiser, NJW 1996, 2257, 2260; für den angloamerikanischen Rechtskreis siehe Bebchuk/Fried, Pay without Performance, S. 37. 9 So vor dem Hintergrund der Vergütungsdebatte Suchan/Winter, DB 2009, 2531, 2532. 10 Ballerstedt, in: FS Duden, S. 15, 31; Habersack, in: FS Hüffer, S. 259, 259–260; Hiltner, Managementkontrolle in Publikumsgesellschaften, S. 24; Kramarsch, ZHR 169 (2005), 112, 121; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 13 Rn. 12; im Ergebnis auch Jäger, DStR 1996, 671, 676; diese Entwicklung bedauernd Schmidt-Leithoff, Die Verantwortung der Unternehmensleitung, S. 380–382. 11 BVerfGE 34, 103, 111; BGHZ 114, 127, 130; Dreher, ZHR 155 (1991), 349, 360; Habersack, in: Verhandlungen des 69. Deutschen Juristentages 2012, Band I, E 1, E 72; Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen, S. 5, 210–211; für eine ausdrückliche gesetzliche Normierung Jäger, DStR 1996, 671, 676. 12 Die Kompetenz ist teilweise sogar als „Stück Leitungsgewalt“ bezeichnet worden, siehe Ballerstedt, in: FS Duden, S. 15, 31; ähnlich BVerfGE 34, 103, 111.
§ 4 Die Ausübung der Personalkompetenz durch den Aufsichtsrat
97
zwischen den beteiligten Organen notwendig.13 Eine funktionierende Überwachung setzt voraus, dass Einigkeit über die zu verfolgenden wirtschaftlichen Ziele besteht.14 In der Praxis müssen Aufsichtsrat und Vorstand daher in vielen Fällen miteinander kooperieren.15 Vereinzelt ist dem Aufsichtsrat bereits die „Aufgabe eines mitunternehmerischen, beratenden und mit-entscheidenden Unternehmensorgans“ zugesprochen worden, welches „mit-verantwortlich für die Führung der Gesellschaft und des Konzerns“ sein soll.16 Neben dieser beruflichen Verbindung besteht zwischen den einzelnen Organmitgliedern oftmals ein darüber hinausgehender persönlicher Kontakt. Unabhängig von ihrer Mitgliedschaft in dem einen oder anderen Organ handelt es sich um eine Personengruppe, die regelmäßig in den gleichen gesellschaftlichen und geschäftlichen Kreisen verkehrt.17 In Deutschland sind personelle Verflechtungen zwischen verschiedenen Gesellschaften schon früh als kritisch empfunden worden.18 Gesetzlich verboten sind in § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Nr. 3 AktG allerdings nur Überschneidungen von herrschenden und abhängigen Unternehmen, sowie Überkreuzverbindungen von zwei Gesellschaften. Die engen beruflichen und persönlichen Bande erklären, warum Vorstände versuchen, auf die Besetzung des Aufsichtsrats Einfluss zu nehmen.19 Ein kollegiales Miteinander von Aufsichtsrat und Vorstand wird allgemein als positiv bewertet.20 Tatsächlich kann man sich ohne weiteres vorstellen, dass die Gesellschaft in vielen Fällen von einem derartigen Arbeitsklima profitiert. Ein enges Zusammenarbeiten kann ferner helfen, Doppelarbeit zu vermeiden und Gesellschaftsressourcen zu schonen.21 Gerade in Konfliktsituationen stellt sich dann aber die Frage nach den Folgen dieser Verbindungen. Es ist beispielsweise zu vermuten, dass sich ein einmal geschaffenes Näheverhältnis schwerlich im Rah13
Fonk, NZG 2011, 321, 323. So auch Habersack, in: FS Hüffer, S. 259, 268–269 bezogen auf die Geschäftspolitik; ähnlich BVerfGE 34, 103, 111. 15 Jäger, DStR 1996, 671, 676; Kramarsch, ZHR 169 (2005), 112, 121. 16 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 58. 17 Zu dem Aspekt der Gruppenzugehörigkeit auch Bebchuk/Fried, Pay without Performance, S. 31–33; Jaspers, ZRP 2010, 8, 9; Main/O’Reilly/Wade, Industrial and Corporate Change 1995, 293, 311 m.w. N., 326; Meyer, Vorstandsvergütung, S. 116. 18 Assmann, in: GroßkommAktG, Einl Rn. 322; aus dem aktuelleren Schrifttum A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 79–80; Friedrich, Die Verrechtlichung von Organbezügen als europäisches Problem, S. 53. 19 So der allgemeine Hinweis bei Peltzer, NZG 2009, 1041, 1043; Schwarz, Institutionelle Stimmrechtsberatung, S. 192. 20 Etwa bei Habersack, in: FS Hüffer, S. 259, 271 bezogen auf die Verbindung von Unternehmensplanung und Zustimmungserfordernis nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG; im Ergebnis auch Jäger, DStR 1996, 671, 676; kritischer Fonk, NZG 2011, 321, 323; aus dem angloamerikanischen Rechtskreis Hendry, Academy of Management Review 2002, 98, 110. 21 M. Arnold, ZGR 2014, 76, 103. 14
98
2. Kap.: Die Personalkompetenz de lege lata
men der Gehaltsverhandlungen plötzlich wieder aufbrechen lässt.22 Gleiches gilt, wenn über die Auflösung eines Vertrags diskutiert wird oder die Abberufung eines Geschäftsleiters im Raum steht. Häufig dürfte folglich die kritische Distanz zwischen den Organen fehlen.23 Die pauschale Vermutung einer Elitenbildung, welche konsequent die eigenen Interessen vor die Ziele der Gesellschaft stellt, ist in dieser Form zwar sicherlich unberechtigt.24 Anderseits lassen sich zahlreiche Beispiele finden, die einen eher freundlichen Umgang zwischen Vorstand und Aufsichtsrat nahelegen.25 Die Rechtsprechung musste etwa im „ARAG/Garmenbeck“-Urteil erst eine Pflicht zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen postulieren, nachdem bestehende Forderungen der Gesellschaft gegen den Vorstand vom Aufsichtsrat nicht geltend gemacht wurden.26 Natürlich lässt sich empirisch nicht nachweisen, inwieweit persönliche Verbindungen die Ausübung der Personalkompetenz im Einzelfall beeinflussen. Die vorherigen Ausführungen lassen jedoch vermuten, dass es sich nicht um ein völlig vernachlässigbares Risiko handelt. IV. Das Motivationsgefälle zwischen Vorstand und Aufsichtsrat Die Ausübung der Personalkompetenz unterscheidet sich darüber hinaus in einem wichtigen Punkt von vielen anderen Aufgaben des Aufsichtsrats. Im Verhältnis zum Vorstand stehen bei der regulären Aufgabenwahrnehmung oftmals fachliche Themen im Vordergrund, bei deren Lösung beide Organe formal demselben Ziel verpflichtet sind, namentlich den Aktionärsinteressen. Zwar kann es auch dabei zu Meinungsverschiedenheiten kommen, im Mittelpunkt stehen aber regelmäßig Sachfragen, die verhältnismäßig emotionslos diskutiert werden können. Die Personalkompetenz betrifft jedoch immer auch die höchstpersönlichen Interessen des jeweiligen Vorstandsmitglieds.27 Von einem guten Verhandlungsergebnis bei der Festsetzung der Vergütung profitiert ein Kandidat unmittelbar, da die gezahlten Beträge dessen privates Vermögen mehren. Genauso unmittelbar sind auch die negativen Auswirkungen eines Bestellungswiderrufs oder der 22 Für den angloamerikanischen Rechtskreis Bebchuk/Fried, Pay without Performance, S. 32. 23 So grundsätzlich schon Hiltner, Managementkontrolle in Publikumsgesellschaften, S. 24. 24 So auch Jaspers, ZRP 2010, 8, 9; ähnlich zurückhaltend Friedrich, Die Verrechtlichung von Organbezügen als europäisches Problem, S. 52–53. 25 So der Hinweis von Lücke, NZG 2005, 692, 693; Thüsing, ZGR 2003, 457, 466. 26 Zum Sachverhalt BGHZ 135, 244, 245–247; zu den praktischen Veränderungen seit der Entscheidung siehe Habersack, AG 2009, 1, 5. 27 So vor dem Hintergrund des § 87 Abs. 1 AktG etwa auch Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 87 Rn. 5; Tegtmeier, Die Vergütung von Vorstandsmitgliedern in Publikumsgesellschaften, S. 284. Die Überlegung ist gleichwohl auf die gesamte Personalkompetenz zu übertragen.
§ 4 Die Ausübung der Personalkompetenz durch den Aufsichtsrat
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Kündigung eines schuldrechtlichen Anstellungsvertrags, da dies unter Umständen einen hohen Reputationsverlust und immense finanzielle Einbußen bedeuten kann. Lebensnah ist daher die Vermutung, dass die betroffenen Geschäftsleiter besonders energisch versuchen werden, ein gutes Verhandlungsergebnis zu erzielen oder eine drohende Abberufung abzuwenden. Wird im Zuge der allgemeinen Überwachungstätigkeit lediglich eine fachliche Angelegenheit kontrovers erörtert, ist ein derart stark ausgeprägter persönlicher Anreiz auf Seiten der Vorstandsmitglieder nicht erkennbar. Anders stellt sich die Situation jedoch für den Aufsichtsrat dar. Einen höchstpersönlichen Bezug hat die Personalkompetenz für dessen Mitglieder nicht. Diese tragen nicht die „Kosten und Nutzen“ einer Vergütungsentscheidung.28 Genauso wenig ziehen sie einen privaten Vorteil aus der Abberufung und der Bestellung einzelner Kandidaten. Das Gegenteil dürfte sogar der Fall sein. Der Widerruf einer Bestellung könnte als Eingeständnis des Aufsichtsrats gewertet werden, bereits bei der ursprünglichen Auswahl oder bei der späteren Überwachung einen Fehler gemacht zu haben.29 Damit besteht auch aus psychologischer Sicht eine Hemmschwelle, bevor auf § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG zurückgegriffen wird. Natürlich stellen viele Aufsichtsräte dennoch den Anspruch an sich, für die eigene Gesellschaft die bestmögliche Entscheidung zu treffen, eine besonders überzeugende Abrede auszuhandeln und den qualifiziertesten Kandidaten auszuwählen. Ein berufliches Eigeninteresse ist daran auch insoweit vorhanden, als dass sich Überwachungsaufwand und Haftungsrisiken erhöhen, wenn der Vorstand den gestellten Aufgaben nicht gewachsen ist. Gerade Auswahlfehler können nämlich durch eine hervorragende ex post-Kontrolle nicht mehr kompensiert werden.30 Dennoch kann bei der Ausübung der Personalkompetenz ein gewisses Motivationsgefälle zwischen Aufsichtsrat und Vorstand nicht geleugnet werden. Besonders intensiv scheint diese Diskrepanz bei der Geschäftsleiterkompensation ausgeprägt zu sein. So bekleiden viele Aufsichtsräte zeitgleich eine Vorstandsposition in anderen Gesellschaften oder hatten zumindest in der Vergangenheit ein solches Amt inne. An der Existenz eines starken Interesses, auf eine allgemeine Senkung des Vergütungsniveaus hinzuwirken, wird man daher durchaus zweifeln dürfen.31 Immerhin ist die Festsetzung der Vorstandsvergütung ein 28
Jaspers, ZRP 2010, 8, 9. Auf dieses Risiko hinweisend von Schenck, in: Semler/von Schenck (Hrsg.), Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 1 Rn. 56 (Aufsichtsrat darf sich nicht „präjudiziert fühlen“). 30 von Schenck, in: Semler/von Schenck (Hrsg.), Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 1 Rn. 55. 31 Baums, ZHR 169 (2005), 299, 300; Berger, Vorstandsvergütung, S. 114; Friedrich, Die Verrechtlichung von Organbezügen als europäisches Problem, S. 52–53; Jaspers, ZRP 2010, 8, 9; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 13 Rn. 3; Thüsing, ZGR 2003, 457, 466; Thüsing, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, § 6 Rn. 5. 29
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2. Kap.: Die Personalkompetenz de lege lata
Bereich, der vor allem vom Gruppenvergleich abhängt.32 Es ist folglich anzunehmen, dass ein Vorstandsmitglied, welches selbst eine hohe Vergütung bezieht, auch als Aufsichtsratsmitglied derartige Abreden eher als angemessen einordnen wird.33 Dies gilt auf den ersten Blick vornehmlich für die Vertreter der Eigenkapitalgeber im Aufsichtsrat. Selbst die Arbeitnehmervertreter haben in der Vergangenheit aber die Vergütungsdebatte eher als „Verhandlungshebel“ für eigene Wünsche genutzt.34 Dies ist nicht überraschend, denn auch sie profitieren nicht unmittelbar von Widerständen gegen einzelne Abreden, können aber das im Rahmen der Verhandlungen gezeigte Entgegenkommen an anderer Stelle als Argument nutzen, um belegschaftsrelevante Ziele durchzusetzen. V. Beurteilung Die vorherigen Ausführungen haben gezeigt, dass bei der Ausübung der Personalkompetenz eine konsequente Orientierung an den Aktionärsinteressen nicht sichergestellt ist. Neben den allgemeinen Problemen, die jeder Agenturbeziehung innewohnen, besteht die Gefahr einer zu oberflächlichen Aufgabenwahrnehmung, da die Aufsichtsratstätigkeit nur ein Nebenamt darstellt. Darüber hinaus existiert zwischen Vorstand und Aufsichtsrat ein Loyalitätsverhältnis, welches seinen Ursprung sowohl in privaten Kontakten, aber auch in der beruflichen Zusammenarbeit hat. Gerade wenn die Ausübung der Personalkompetenz in Frage steht, ist darüber hinaus ein Motivationsgefälle erkennbar, da der Regelungskomplex für die beiden Organe eine unterschiedliche Bedeutung hat. Es verwundert daher nicht, dass sich in den letzten Jahren Stimmen gemehrt haben, die gerade in diesem Verhandlungsdefizit einen Grund für das stetig steigende Vergütungsniveau und das Auseinanderfallen von Leistung und Gegenleistung sehen.35 Die soeben herausgearbeiteten Probleme betreffen jedoch grundsätzlich alle Bereiche der Personalkompetenz. Zuzugeben ist allerdings, dass insbesondere bei der Festsetzung der Vorstandsvergütung kaum ein Eigeninteresse der Aufsichtsratsmitglieder an einer Regulierung zu erkennen ist. Dies dürfte auch ein Grund sein, warum sich die aktuelle Diskussion vornehmlich auf § 87 Abs. 1 AktG fokussiert und Missbräuche gerade hier zu Tage treten. Wie stark sich diese Schwierigkeiten auswirken, hängt nicht zuletzt von der persönlichen Einstellung der jeweiligen Organmitglieder ab und wird sich von
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Siehe dazu die Nachweise bei Meyer, Vorstandsvergütung, S. 107–108. Bebchuk/Fried, Pay without Performance, S. 33 vor dem Hintergrund der US-amerikanischen Rechtslage. Die Überlegung lässt sich jedoch auf Deutschland übertragen. 34 So der Befund von Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 506; ähnlich Wilhelm, Die Verrechtlichung von Geschäftsleitervergütungen in Kapitalgesellschaften, S. 74. 35 Meyer, Vorstandsvergütung, S. 116; Thüsing, ZGR 2003, 457, 467; grundlegend dazu Bebchuk/Fried, Pay without Performance, S. 1 et passim. 33
§ 4 Die Ausübung der Personalkompetenz durch den Aufsichtsrat
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Person zu Person unterscheiden. Pauschale Betrachtungen verbieten sich.36 Darüber hinaus existieren zahlreiche weitere Faktoren, welche die Ausübung der Personalkompetenz beeinflussen. Es steht außer Frage, dass die Schwächen des Aufsichtsratssystems nicht alleine dazu geführt haben, dass in zahlreichen Vergütungsabreden Leistung und Gegenleistung entkoppelt wurden. Eine entscheidende Rolle hat beispielsweise auch gespielt, dass Wissenschaft und Praxis die Wirkung von bestimmten Vergütungsbestandteilen lange Zeit falsch eingeschätzt und Risiken erst zu spät erkannt haben. Verwiesen sei in diesem Zusammenhang nur auf die veränderte Beurteilung des Nutzens von Aktienoptionspaketen als Kompensationsbestandteil.37 Gerade in Deutschland dürfte sich darüber hinaus auch die voranschreitende Globalisierung ausgewirkt haben. So wurden höhere Bezüge hierzulande lange Zeit mit dem Argument gerechtfertigt, dass diese im internationalen Wettbewerb notwendig sind, um das beste Führungspersonal zu gewinnen.38 Ähnlich wird man daher bei jeder Abberufung und Bestellung annehmen dürfen, dass eine Vielzahl von Gründen für die Ausübung der Kompetenz ausschlaggebend ist. Die Schwierigkeiten der Aufsichtsratstätigkeit können, müssen sich aber nicht in einer Entscheidung widerspiegeln. Erheblich dürfte sein, wie umfangreich das Ermessen des Organs in einer konkreten Situation ausfällt, welche Informationsmöglichkeiten bestehen und wie stark sich ein Vorgang objektivieren lässt. So liegt es etwa auf der Hand, dass bei einem schwerwiegenden Pflichtenverstoß, der möglicherweise sogar strafrechtliche Konsequenzen hat, selbst ein stark ausgeprägtes Loyalitätsverhältnis das betreffende Vorstandsmitglied vor einer vorzeitigen Entpflichtung nicht schützen kann. Wenn die rechtlichen und praktischen Rahmenbedingungen der Personalkompetenz vollständig herausgearbeitet wurden, wird deshalb für jede Vorschrift isoliert untersucht, inwieweit diese für die aufgezeigten Schwächen anfällig sind.39 Generell sollte man die Auswirkungen der hier herausgearbeiteten Probleme aber nicht unterschätzen. Wenn es darum geht, ausgleichende Gerechtigkeit (iustitia commutativa40) zwischen Privatpersonen herzustellen, verlässt sich die deutsche Rechtsordnung vor dem Hintergrund des grundsätzlichen Bekenntnisses zur Privatautonomie auf die betroffenen Parteien.41 Grundvoraussetzung, damit eine privatautonom getroffene Entscheidung eine subjektive Gerechtigkeitsge36 Ähnlich Bebchuk/Fried, Pay without Performance, S. 42–43; Gordon, The Journal of Corporation Law 2004–2005, 675, 688. 37 Siehe dazu bereits oben unter § 3 B. II. 38 Kallmeyer, ZIP 2002, 1663; kritisch dazu beispielsweise Meyer, Vorstandsvergütung, S. 115. 39 Siehe dazu unten unter § 8 A. II. 1., § 9 A. II. 2., § 10 A. II. 1., § 10 B. I. und § 10 C. I. 40 Dazu Canaris, AcP 200 (2000), 273, 285. 41 Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie mit Juristischer Methodenlehre, Rn. 361, 363; ähnlich Meyer, Vorstandsvergütung, S. 118.
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2. Kap.: Die Personalkompetenz de lege lata
währ für sich beanspruchen kann, ist aber, dass sich die Parteien auf Augenhöhe begegnen.42 Darüber hinaus müssen diese auch gewillt sein, ihre jeweiligen Interessen in den Verhandlungen zu wahren.43 Fehlt es an einer entsprechenden Motivation, etwa weil ein Stellvertreter die Folgen eines Vertragsschlusses selbst gar nicht tragen muss, können externe Effekte zu Lasten Dritter entstehen, insbesondere für die Gruppen, für die das Verhandlungsergebnis unmittelbare Folgen hat.44 Bereits an dieser Stelle hat die Untersuchung zahlreiche Gründe hervorgebracht, die bei der Ausübung der Personalkompetenz durch den Aufsichtsrat gegen eine Ausgangslage sprechen, welche eine subjektive Richtigkeitsgewähr sicherstellt. Gerade mit Bezug zu der sehr konfliktträchtigen Personalkompetenz ist es daher lohnenswert, Möglichkeiten zu untersuchen, welche die Legitimation der vom Aufsichtsrat getroffenen Entscheidung stärken und Fehler korrigieren können.
B. Möglichkeit der Professionalisierung der Aufsichtsratstätigkeit Es besteht somit ein Bedürfnis für Reformen, die an den strukturellen Schwächen der Aufsichtsratstätigkeit ansetzen. Vor diesem Hintergrund ist auch die Debatte um die Berücksichtigung zusätzlicher Bestellungsvoraussetzungen und Qualifikationsmerkmale zu verstehen, welche oft unter den Schlagwörtern „Professionalisierung der Aufsichtsräte“ zusammengefasst wird.45 Ziel dieser Bestrebungen ist es, ein selbstständigeres Arbeiten des Überwachungsgremiums zu ermöglichen. I. Darstellung der aktuellen Entwicklung Gerade in jüngerer Zeit sind zahlreiche Neuregelungen mit Bezug zum Aufsichtsrat umgesetzt worden. Seit dem BilMoG46 aus dem Jahr 2009 verlangt § 100 Abs. 5 AktG beispielsweise bei Gesellschaften nach § 264d HGB mindestens ein unabhängiges Aufsichtsratsmitglied mit Sachverstand entweder im Bereich Rechnungslegung oder Abschlussprüfung. Wenig später wurde durch das VorstAG § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AktG eingefügt, welcher eine so genannte cooling 42 Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 42 Rn. 1; Meyer, Vorstandsvergütung, S. 118–119; ähnlich wohl auch Martens, ZHR 169 (2005), 124, 126. 43 Flume, Das Rechtsgeschäft, S. 7; ähnlich Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 42 Rn. 1 („ihre Interessen angemessen wahrzunehmen“). 44 Zu dieser Problematik vor dem Hintergrund der Stellvertretung nach § 164 BGB etwa Flume, Das Rechtsgeschäft, S. 9, der auf die Gefahr der „Selbstherrlichkeit“ des Vertreterhandelns hinweist; dazu auch Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 151 („bekanntlich hat man niemals ein feineres Gerechtigkeitsgefühl, wägt man niemals sorgsamer die individuelle Zweckmäßigkeit ab, als wenn es um eigene Nachteile oder Lasten geht“). 45 So der Titel des Beitrags von Lutter, NJW 1995, 113. 46 Gesetz vom 28.05.2009, BGBl. Band I, S. 1102–1137.
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off period vorsieht, die es Vorstandsmitgliedern untersagt, direkt nach Ende der Amtszeit in den Aufsichtsrat des von ihnen vormals geleiteten Unternehmens zu wechseln. Ziff. 5.6 DCGK 2013 fordert eine ständige Selbstevaluation, um die Qualität der geleisteten Arbeit strukturiert zu überwachen. In Ziff. 5.4.2 Satz 2 DCGK 2013 werden über das Gesetz hinausgehende Anforderungen bezüglich der Unabhängigkeit einzelner Organmitglieder aufgestellt. Demnach sollen die Beziehungen einzelner Aufsichtsräte zu Vorstandsmitgliedern, zum restlichen Aufsichtsrat und den kontrollierenden Aktionären Berücksichtigung finden.47 Neben den bereits implementierten Änderungen werden in der Literatur zahlreiche weitere Vorschläge diskutiert. Schon seit längerer Zeit wird etwa dafür plädiert, die Höchstzahl von Aufsichtsratsmandaten gesetzlich weiter zu beschränken.48 Während Ziff. 5.4.5 Satz 2 DCGK 2013 drei konzernexterne Aufsichtsratsmandate für zulässig erachtet, liegt die gesetzliche Grenze aus § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AktG weiterhin bei zehn Ämtern. Gleichzeitigt gibt es Empfehlungen, die Größe des Aufsichtsrats zu regulieren um damit ein effektiveres Arbeiten zu ermöglichen.49 Ebenfalls in der Diskussion sind branchenspezifische Qualifikationsvorgaben.50 Selbst die Berechtigung der Arbeitnehmervertretung im Aufsichtsrat wird bisweilen in Frage gestellt.51 II. Beurteilung Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass die Qualität der Aufsichtsratsarbeit verstärkt im Fokus von Politik und Fachschrifttum steht. Erfahrene Praktiker attestieren auch tatsächlich eine Qualitätsverbesserung in der letzten Dekade.52 Tatsächlich wird man auf diesem Weg punktuell einzelnen Defiziten entgegenwirken können. Insbesondere den Wissensvorsprung des Vorstands kann man durch gesteigerte Anforderungen an die Kontrolltätigkeit verringern. Einzelne Vorschläge sollen an dieser Stelle aber nicht bewertetet werden. Vielmehr gilt es herauszuarbeiten, wo die Grenzen der diskutierten Reformbestrebungen liegen. Bei genauerer Betrachtung werden zwei Schwierigkeiten offenbar. Erstens bleiben die allgemeinen Probleme jeder Agenturbeziehung bestehen, egal wie professionell der Aufsichtsrat aufgestellt ist und wie viel Zeit in die Tätigkeit inves47 Zu den Schwierigkeiten der Regelung, insbesondere zu offenen Auslegungsfragen, siehe Beyer, NZG 2014, 61, 62–64; Paschos/Goslar, NZG 2012, 1361, 1361–1366; Reese/Ronge, AG 2014, 417, 419–427. 48 Berger, Vorstandsvergütung, S. 83–84; Lutter, NJW 1995, 1133, 1133–1134; für eine Beschränkung, allerdings ohne konkrete Zahlen zu nennen; siehe auch Meyer, Vorstandsvergütung, S. 179. 49 Peltzer, NZG 2009, 1041, 1047. 50 Meyer, Vorstandsvergütung, S. 179. 51 Peltzer, NZG 2009, 1041, 1047; ähnlich A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 83 („Aus ökonomischer Sicht [. . .] konsequent“). 52 Hoffmann-Becking, ZIP 2011, 1173.
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tiert wird. Auch eine absolute Unabhängigkeit des Gremiums vom Vorstand garantiert nicht, dass das Organ die Interessen der Aktionäre vertritt.53 Sowenig ein Konsens darüber besteht, wie man den Vorstand auf die Aktionärsinteressen verpflichten kann, sowenig ist ein solcher Konsens für den Aufsichtsrat erkennbar. Zweitens können Loyalitätsprobleme im Verhältnis zum Vorstand durch die Vorgabe bestimmter Anforderungen an die Aufsichtsratstätigkeit nicht beseitigt werden.54 Solange man in irgendeiner Form eine aktive Zusammenarbeit zwischen beiden Organen fordert, wird automatisch eine Verbindung geschaffen, die im Konfliktfall erst aufgelöst werden muss.55 Realistisch betrachtet fällt es ferner auch schwer, die persönlichen Kontakte zwischen Vorständen und Aufsichtsräten einzuschränken.56 Das Gesetz kann zwar eine rechtliche, nicht aber eine soziale Unabhängigkeit garantieren.57 Das gilt selbst dann, wenn man den Professionalisierungsgedanken zu Ende denkt und sich für hauptberufliche Aufsichtsräte stark macht. Tätigkeit und Gehaltsstufen schaffen nämlich zwangsläufig ein Zusammengehörigkeitsgefühl.58 Heute treffen sich im viel zitierten Golfclub59 hauptamtliche Vorstände und nebenberufliche Aufsichtsräte. Entsprechende Reformen vorausgesetzt, kommen dann am selben Ort hauptamtliche Vorstände und hauptamtliche Aufsichtsräte zusammen. Am eigentlichen Problem dürfe sich dadurch gleichwohl nichts ändern. In der Gesamtschau lässt sich daher festhalten, dass durch die Professionalisierung der Aufsichtsratstätigkeit durchaus die Qualität der erbrachten Arbeitsleistung gesteigert werden kann. Eine Berücksichtigung der Aktionärsinteressen lässt sich dadurch jedoch ebenso wenig sicherstellen, wie eine Auflösung des beruflichen und persönlichen Verhältnisses zwischen Vorstand und Aufsichtsrat. Während für die allgemeine Überwachungstätigkeit demzufolge durchaus positive Impulse zu erwarten sind, werden die Auswirkungen für Konfliktsituationen, wie etwa bei der Ausübung der Personalkompetenz, eher gering ausfallen. Insgesamt gilt daher, dass die Bedeutung der Debatte um mehr Professionalisierung überschätzt wird.60 Den oben herausgearbeiteten Legitimationsschwächen kann man auf diesem Weg nicht umfassend begegnen. 53 A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 80; Bebchuk/Fried, Pay without Performance, S. 203; ähnlich Rock, The Georgetown Law Journal 1991, 447, 505 über independent directors im US-Recht. 54 Bebchuk/Fried, Pay without Performance, S. 203–204; in diese Richtung auch Roth, ZIP 2003, 369, 377. 55 Bebchuk/Fried, Pay without Performance, S. 203–204. 56 Roth, ZIP 2003, 369, 377. 57 So auch A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 80. 58 Kritisch zu solchen Vorschlägen daher bereits Baum, ZIP 1995, 11, 17 m.w. N. 59 So die sicherlich pointierte Kritik bei Jaspers, ZRP 2010, 8, 9; siehe auch Meyer, Vorstandsvergütung, S. 102. 60 Ähnlich Roth, ZIP 2003, 369, 377.
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C. Regulierung der Personalkompetenz durch materielle Vorgaben in Gesetz und DCGK In eine andere Richtung gehen Ansätze, durch die Vorgabe von materiellen Kriterien im Gesetz oder dem DCGK unmittelbar in die Ausübung der Personalkompetenz einzugreifen. Auf diesem Weg könnte man das Ermessen des Aufsichtsrats bereits im Voraus beschränken und so den herausgearbeiteten strukturellen Defiziten gar nicht erst die Möglichkeit geben, sich zu entfalten. I. Vorgaben für die Festsetzung der Vorstandsvergütung Insbesondere die Festsetzung der Vorstandsvergütung steht dabei im Zentrum der aktuellen Reformdiskussion. § 87 AktG ist durch das VorstAG im Jahr 2009 grundlegend umstrukturiert worden, die begleitenden Empfehlungen im DCGK werden fast jährlich angepasst. Nach § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG muss die dem Vorstand gewährte Kompensation angemessen sein, wobei als gesetzliche Kriterien Aufgaben und Leistungen des Vorstandsmitglieds, sowie die Lage der Gesellschaft und die Üblichkeit genannt werden. Für die Beurteilung kommt es dabei auf den Zeitpunkt der Vergütungsfestsetzung an.61 Die Norm wird allerdings nicht als abschließende Aufzählung aller zulässigen Kriterien verstanden. Andere Gesichtspunkte können ebenfalls Berücksichtigung finden.62 § 87 Abs. 1 Satz 2 AktG verlangt bei börsennotierten Gesellschaften darüber hinaus die Ausrichtung an einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung, konkretisiert dieses Merkmal jedoch nicht weiter. Die ebenfalls nur an börsennotierte Gesellschaften gerichtete Sollvorschrift des § 87 Abs. 1 Satz 3 AktG beinhaltet die Aufforderung, variable Vergütungsbestandteile auf eine mehrjährige Bemessungsgrundlage zu stellen und darüber hinaus Höchstgrenzen für unvorhergesehene Entwicklungen zu implementieren. Bereits auf den ersten Blick zeigt sich somit, dass auch nach der Neuregelung bestimmte Gestaltungsvorgaben von § 87 Abs. 1 AktG weder vorgeschrieben, noch verboten werden. Eine ergänzende Re61 Siehe nur Grattenthaler, Die Vergütung von Vorstandsmitgliedern in Aktiengesellschaften, S. 335; Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 87 Rn. 1; Spindler, in: MünchKommAktG, § 87 Rn. 2, 119; Tegtmeier, Die Vergütung von Vorstandsmitgliedern in Publikumsgesellschaften, S. 281. 62 Bauer/C. Arnold, AG 2009, 717, 718; Lücke, NZG 2005, 692, 696; Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 87 Rn. 19; Hohenstatt, ZIP 2009, 1349, 1350; Kort, in: GroßkommAktG, § 87 Rn. 38–40; Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 87 Rn. 14; Rieble/Schmittlein, Vergütung von Vorständen und Führungskräften, Rn. 122, 123; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), § 87 Rn. 9; Tegtmeier, Die Vergütung von Vorstandsmitgliedern in Publikumsgesellschaften, S. 279–280; Wilhelm, Die Verrechtlichung von Geschäftsleitervergütungen in Kapitalgesellschaften, S. 86–87; kritisch Grattenthaler, Die Vergütung von Vorstandsmitgliedern in Aktiengesellschaften, S. 343.
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gelung findet sich in § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG, welcher im Fall der Einräumung von Aktienoptionspaketen63 eine Mindesthaltedauer von 4 Jahren vorschreibt. Die gesetzlichen Vorschriften werden vom DCGK ergänzt, wobei hier nur diejenigen Vorschriften aufgeführt werden, die materiell über § 87 Abs. 1 AktG hinausgehen. Nach Ziff. 4.2.2 Abs. 2 Satz 1 DCGK 2013 soll Grundlage für die Vergütung eine Leistungsbeurteilung des Vorstands sein. Als weitere Richtschnur nennt Ziff. 4.2.2 Abs. 2 Satz 2 DCGK 2013 „die Aufgaben des einzelnen Vorstandsmitglieds, seine persönliche Leistung, die wirtschaftliche Lage, der Erfolg und die Zukunftsaussichten des Unternehmens als auch die Üblichkeit der Vergütung unter Berücksichtigung des Vergleichsumfelds und der Vergütungsstruktur, die ansonsten in der Gesellschaft gilt.“ Auch wenn der Wortlaut unterschiedlich ist, so handelt es sich bei der Aufzählung im Kern doch nur um eine Umschreibung der schon aus § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG bekannten Kriterien. Neu eingeführt wurde 2013 Ziff. 4.2.2 Abs. 2 Satz 3 DCGK, welcher den Begriff der Vergütungsstruktur der Gesellschaft näher erläutert und zur Konkretisierung auf den oberen Führungskreis sowie die Belegschaft abstellt. Wie der Führungskreis und die Belegschaft im Einzelfall zu bestimmen sind, obliegt jedoch ausweislich der Regelung dem Aufsichtsrat, dem dabei ein gewisser Gestaltungsspielraum zukommt.64 Der Kodex gibt ferner nicht vor, welches Differenz zwischen Vorstandsgehältern und Vergleichsgruppen noch als angemessen anzusehen ist.65 Die Vergütung soll ferner aus fixen und variablen Bestandteilen bestehen, Ziff. 4.2.3 Abs. 2 Satz 2 DCGK 2013. Ziff. 4.2.3 Abs. 2 Satz 5 DCGK 2013 schreibt vor, dass Vergütungsbestandteile einzeln betrachtet und in ihrer Gesamtschau angemessen sein müssen. Die Regelung ist unglücklich formuliert, da hier die Wiedergabe einer gesetzlichen Pflicht suggeriert wird.66 Weder verlangt § 87 Abs. 1 AktG jedoch ausdrücklich die Beurteilung einzelner Vergütungsbestandteile, noch scheint eine solche in der Praxis überhaupt möglich, da sich die Wirkung individueller Abreden nur im Zusammenspiel mit den anderen Komponenten ermitteln lässt. Seit der Kodex Reform 2013 empfiehlt Ziff. 4.2.3 Abs. 2 Satz 6 DCGK die Einführung von Höchstgrenzen für die Gesamtvergütung und für die variablen Bestandteile.67 Nach Ziff. 4.2.3 Abs. 2 Satz 8 DCGK 2013 sollen nachträgliche Änderungen variabler Vergütungsbestandteile ausgeschlossen werden. Damit spricht sich die Kodex-Kommission gegen so genanntes repricing aus. Seit 2013 fordert Ziff. 4.2.3 Abs. 3 DCGK eine Berücksichtigung der langfristigen Kosten der Versorgungsleistungen. Nach Ziff. 4.2.3 Abs. 4 Satz 1 63
Siehe zu Aktienoptionsplänen auch unten unter § 5 C. III. So auch die Einschätzung von Schmidt-Bendun, AG 2014, 177, 178. 65 Schmidt-Bendun, AG 2014, 177, 178. 66 So auch das Verständnis von Ringleb, in: Ringleb u. a. (Hrsg.), Deutscher Corporate Governance Kodex, Rn. 736, 737 ohne darin jedoch ein Problem zusehen. 67 Umfassend zu der Regelung Sünner, AG 2014, 115, 115–118; siehe auch SchmidtBendun, AG 2014, 177, 178–180. 64
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DCGK 2013 soll ein Abfindungs-Cap vereinbart werden, wobei die Berechnung in Abs. 4 Satz 3 konkretisiert wird. Ziff. 4.2.3 Abs. 5 DCGK 2013 empfiehlt auch eine Beschränkung für change of control Klauseln, welche 150% des Abfindungs-Caps nicht überschreiten darf.68 Insgesamt kann somit festgehalten werden, dass auch der DCGK keine detailreichen Vorgaben für die Vergütungsfrage enthält. Lediglich an einigen Stellen gehen Ziff. 4.2.2 und Ziff. 4.2.3 DCGK 2013 über § 87 Abs. 1 AktG hinaus und sprechen sich klar für oder gegen bestimmte Vertragsinhalte aus. II. Sonstige Vorgaben für die Ausübung der Personalkompetenz Deutlich weniger im Fokus von Politik und Schrifttum steht momentan die sonstige Regulierung der Personalkompetenz. Dies zeigt sich nicht zuletzt daran, dass insbesondere die § 84 Abs. 1, Abs. 3 AktG seit der Aktienrechtsreform 1965 unverändert geblieben sind. Für die Bestellung gibt § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG eine Maximaldauer von fünf Jahren vor. § 76 Abs. 3 Satz 1 AktG regelt, dass nur natürliche und unbeschränkt geschäftsfähige Personen zu Vorstandsmitgliedern berufen werden können. Darüber hinaus finden sich keine positiv formulierten Anforderungen an das Vorstandsamt im Gesetz. Vorgegeben sind lediglich einzelne Bestellungshindernisse. So verbietet beispielsweise § 76 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 AktG die Auswahl eines Kandidaten, der wegen bestimmter Straftaten verurteilt wurde. § 105 Abs. 1 AktG statuiert die mit der Entscheidung für ein duales System einhergehende Unvereinbarkeit von Vorstandsamt und Aufsichtsratsmandat. Darüber hinaus existieren in Bundes- und Landesrecht zusätzliche Einschränkungen für Inhaber öffentlicher Ämter.69 Exemplarisch sei das in Art. 55 GG enthaltene Verbot für den Bundespräsidenten genannt, der Leitung eines „auf Erwerb gerichteten Unternehmens“ anzugehören. Darunter fällt auch das Vorstandsamt einer Aktiengesellschaft.70 Ergänzt werden die gesetzlichen Vorschriften durch Ziff. 5.1.2 DCGK 2013. Dessen Abs. 1 Satz 2 bestimmt, dass bei der Besetzung von Vorstandsämtern „auch auf Vielfalt“ zu achten ist, wobei keine konkrete Handlungsanweisung gegeben wird. Ziff. 5.1.2 Abs. 2 Satz 3 DCGK 2013 fordert die Vorgabe einer Altersgrenze für Vorstandsmitglieder. Lässt man die im Kern selbstverständlichen Bestellungshindernisse aus § 76 Abs. 3 AktG oder politisch motivierten Verbote wie Art. 55 GG unberücksichtigt, so ergeben sich im Ergebnis nur aus § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG und Ziff. 5.1.2. Abs. 2 Satz 3 DCGK 2013 konkrete inhaltliche Vorgaben. Da die im DCGK vorgesehene Altersgrenze ohnehin vom Aufsichtsrat selbst festgelegt wird, ist es letztendlich nur die fünfjährige 68
Kritisch dazu Bayer/Meier-Wehrsdorfer, AG 2013, 477, 483. Dazu Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 76 Rn. 125; Thüsing, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, § 4 Rn. 13. 70 Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 76 Rn. 125. 69
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Maximaldauer, welche die Personalauswahl materiell beschränkt und eine überlange Bindung der Gesellschaft verhindert. Für die organschaftliche Abberufung verlangt § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG das Vorliegen eines wichtigen Grundes. Damit wird sichergestellt, dass der Aufsichtsrat nicht willkürlich einzelne Vorstandsmitglieder entpflichtet. So wird das Leitungsermessen des Vorstands nach § 76 Abs. 1 AktG abgesichert.71 § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG zählt exemplarisch einige Beispiele auf, die zur Abberufung berechtigen, etwa die Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung. Abgesehen davon, dass im Einzelfall eine gewisse Gewichtigkeit gefordert wird, versucht der Gesetzgeber jedoch nicht, die Entscheidung des Aufsichtsrats inhaltlich zu präjudizieren. Dies zeigt sich nicht zuletzt daran, dass der Katalog der gesetzlichen Abberufungsgründe nicht abschließend ausgestaltet ist, sondern nur namentlich einige ausgewählte Gründe aufzählt.72 Noch weniger Vorgaben finden sich für die Ausgestaltung der Regelungen im Anstellungsverhältnis, die keinen Vergütungsbezug haben. § 84 Abs. 1 Satz 5 AktG stellt sicher, dass die vertragliche Bindung der Gesellschaft nicht über die organschaftliche Bestellung hinausreicht. Nach Ziff. 5.1.2 Abs. 2 Satz 1 DCGK 2013 sollte die maximal mögliche Dauer von fünf Jahren bei einer Erstbestellung nicht die Regel sein. Für den besonderen Fall, dass eine D&O Versicherung vorgesehen wird, schreibt § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG einen Mindestselbstbehalt des Vorstandsmitglieds von 10% der jeweiligen Schadenshöhe vor. Besondere inhaltliche Anforderungen für die vertragliche Ausgestaltung existieren darüber hinaus nicht. III. Beurteilung Sowohl das Gesetz, als auch der DCGK enthalten für die organschaftliche Bestellung, die Abberufung und die vertragliche Ausgestaltung kaum materielle Kriterien. Insbesondere werden keine fachlichen Qualifikationen für das Vorstandsamt vorgeschrieben. Noch nicht einmal eine an § 87 Abs. 1 AktG angelehnte Generalklausel existiert, welche etwa die Auswahl eines „geeigneten Kandidaten“ fordern würde. Mit Ausnahme der Vorgabe einer maximalen Dauer für Bestellung und Anstellungsvertrag, sowie der Notwendigkeit eines hinreichend gewichtigen Grundes für die Abberufung, wird der Aufsichtsrat in seinem Handlungsspielraum folglich nicht beschränkt. Nur in Ausnahmefällen, etwa wenn eine D&O Versicherung abgeschlossen wird, greifen zusätzliche Vorschriften. Das Gesetz räumt dem Aufsichtsrat demnach insgesamt ein weites Ermessen ein. Dies gilt im Ergebnis auch für die Festsetzung der Vorstandsvergütung. Die Verpflichtung, lediglich eine angemessene Kompensation zu vereinbaren, würde 71
Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 84 Rn. 120. Siehe dazu nur Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 84 Rn. 130–133; selbst eine „Verdachtsabberufung“ ist möglich, Schmolke, AG 2014, 377, 384. 72
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man nämlich auch ohne eine ausdrückliche Regelung aus dem Gesellschaftszweck, dem Unternehmensgegenstand und den Aktionärsinteressen herleiten können.73 Tatsächlich statuiert § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG daher im Kern nur eine Selbstverständlichkeit.74 Aber auch aus den durch das VorstAG eingeführten § 87 Abs. 1 Satz 2, Satz 3 AktG lassen sich keine konkreten Bindungen entnehmen. Weder wird dort deutlich, wie eine nachhaltige Unternehmenspolitik auszusehen hat, noch kann den ohnehin unverbindlichen Vorschlägen zur Mehrjährigkeit und zur Begrenzungsmöglichkeit entnommen werden, dass der Gesetzgeber eine bestimmte vertragliche Ausgestaltung vor Augen hat. Tatsächlich verbietet § 87 Abs. 1 AktG keine bestimmten Gestaltungen und belässt es damit bei einer möglichst unbeeinflussten Aufsichtsratsentscheidung.75 Die Norm verlangt allerdings, die gewählte Kompensation fundiert begründen zu können.76 Es lassen sich ohne weiteres Situationen vorstellen, in denen eine Abrede im Einzelfall schlicht nicht mehr gerechtfertigt werden kann. Es geht dabei jedoch immer, das ist die Konsequenz der gesetzlichen Konstruktion, um extreme Fälle von unbilliger Vergütung.77 Dies wirft die Frage auf, ob eine weitergehende materielle Regulierung der Personalkompetenz angebracht ist. Insbesondere vor dem Hintergrund der Vergütungsfestsetzung wird beispielsweise in unregelmäßigen Abständen von unterschiedlicher Seite die Forderung nach gesetzlichen Höchstgrenzen erhoben.78 Tatsächlich zeigt sich aber gerade bei der Vorstandskompensation, dass die Entscheidung, keine bestimmten Gestaltungen vorzugeben, bei genauerer Betrachtung nicht nur richtig, sondern alternativlos zu sein scheint.79 Was eine angemessene Vergütung ist, kann nur im Einzelfall beantwortet werden.80 Der Gesetzge-
73 Ähnlich Berger, Vorstandsvergütung, S. 103; Hoffmann-Becking, ZHR 169 (2005), 155, 156; Mertens, AG 2011, 57, 62 Fn. 31; Tegtmeier, Die Vergütung von Vorstandsmitgliedern in Publikumsgesellschaften, S. 284. 74 Ähnlich Jaspers, ZRP 2010, 8 (wohl bezogen auf den gesamten § 87 AktG). 75 So wohl auch Spindler, in: MünchKommAktG, § 87 Rn. 38 („Außer Evidenzappellen [. . .] lassen sich keine objektiven, verallgemeinerbaren Kriterien ableiten“). 76 Spindler, in: MünchKommAktG, § 87 Rn. 39. 77 Adams, Ökonomische Theorie, S. 327–328; Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 87 Rn. 24; Hohenstatt, ZIP 2009, 1349, 1355; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), § 87 Rn. 16. 78 Dazu jeweils mit unterschiedlichen Akzentuierungen Adams, ZIP 2002, 1325, 1344; Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drucks. 16/7530; Fraktion Die Linke, BTDrucks. 16/3015; Fraktion Die Linke, BT-Drucks. 16/7743; Lücke, NZG 2005, 692, 696–697. 79 Ähnlich schon Jahn, ZRP 2004, 179, 181. 80 Koch, in: Hüffer (Begr.), Aktiengesetz, § 87 Rn. 5; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), § 87 Rn. 9; Spindler, in: MünchKommAktG, § 87 Rn. 38–40; Tegtmeier, Die Vergütung von Vorstandsmitgliedern in Publikumsgesellschaften, S. 281; van Kann/ Keiluweit, DStR 2009, 1587; Wilhelm, Die Verrechtlichung von Geschäftsleitervergütungen in Kapitalgesellschaften, S. 76.
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ber kann in diesem Bereich durch abstrakte Vorgaben nur wenig helfen.81 Dieser besitzt nämlich keinen „komparativen Vorteil“ im Vergleich zu den einzelnen Unternehmen, wenn es darum geht, Gestaltungsvarianten zu beurteilen.82 Insbesondere für Vergütungshöchstgrenzen gilt, dass starre Regelungen der Vielzahl möglicher Situationen nicht gerecht werden können.83 Wie komplex eine Entscheidung ausfallen kann, wurde bereits an anderer Stelle deutlich.84 Intensivere regulatorische Eingriffe sind daher zu Recht auf Sonderfälle beschränkt worden, die in dieser Arbeit jedoch nicht weiter behandelt werden sollen. So erklären § 10 Abs. 2a des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes und § 5 Abs. 2 Nr. 4 lit. a der Finanzmarktstabilisierungsfonds-Verordnung85 Bezüge von mehr als 500.000 Euro generell für unangemessen, falls ein Unternehmen des Finanzsektors bestimmte Maßnahmen des Finanzmarktstabilisierungsfonds in Anspruch nimmt. In der Ende 2013 neu gefassten Verordnung über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Vergütungssysteme von Instituten86 finden sich wiederum besondere Vorgaben für bestimmte Banken. Als allgemeinverbindliche Anforderungen haben derartige Ansätze aber zu Recht keinen Einzug in § 87 Abs. 1 AktG erhalten. Vergleichbare Regulierungsvorschläge werden für die sonstigen Bereiche der Personalkompetenz soweit ersichtlich nicht diskutiert. Im Ergebnis kann aber auch hier nichts anderes gelten. Die Zurückhaltung des Gesetzgebers auch bei organschaftlicher Bestellung, Abberufung und allgemeiner Vertragsgestaltung rechtfertigt sich vor dem betriebswirtschaftlichen Charakter der jeweiligen Entscheidungen. Durch abstrakt generelle Regelungen können Konflikte hier kaum entschärft werden. Entscheidend ist immer der jeweilige Einzelfall und die diesen begleitenden Umstände. Grundsätzlich gelten die vorherigen Überlegungen auch für den DCGK und damit für alle Normierungen, die unterschiedslos für eine größere Gruppe von Unternehmen gelten sollen. Da die von § 161 AktG angesprochenen Gesellschaften allerdings inhaltlich nicht gebunden werden, sondern sich bezüglich ihrer Entscheidung nur erklären müssen, wird der betriebswirtschaftlich notwendige Spiel81
Meyer, Vorstandsvergütung, S. 265. So insbesondere bezogen auf mehrjährige Vergütungsbestandteile Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 87 Rn. 32. 83 Berger, Vorstandsvergütung, S. 106; Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 87 Rn. 22; Koch, in: Hüffer (Begr.), Aktiengesetz, § 87 Rn. 5; Martens, in: FS Hüffer, S. 647, 649; Spindler, in: MünchKommAktG, § 87 Rn. 38 („Absolute Höchstgrenzen lassen sich daher nicht bestimmen“). 84 Siehe dazu bereits oben unter § 3 B. II. 85 Verordnung vom 20.10.2008, BGBl. Band I, elektronischer Bundesanzeiger Nr. 123, S. 1–5, zuletzt geändert durch Art. 4 des Dritten Gesetzes zur Umsetzung eines Maßnahmenpakets zur Stabilisierung des Finanzmarktes vom 20.12.2012, BGBl. Band I, S. 2777–2780. 86 Verordnung vom 16.12.2013, BGBl. Band I, S. 4270–4278; dazu Insam/Hinrichs/ Hörtz, WM 2014, 1415, 1415–1421; Merkelbach, WM 2014, 1990, 1990–1997. 82
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raum letztlich nicht eingeschränkt. Die Kodex-Kommission kann daher durchaus fordernder auftreten als der Gesetzgeber, ohne dass zu weitreichende Empfehlungen gleich zu einer schädigenden Wirkung auf Gesellschaftsebene führen werden. An dieser Stelle zeigt sich die besondere Bedeutung des DCGK gerade auch in der Vergütungsdiskussion. Hier kann auf bestimmte Gestaltungsvarianten hingewiesen werden, die sich in der Vergangenheit als problematisch erwiesen haben, ohne deren Implementierung in jedem Sonderfall unmöglich zu machen, da jederzeit eine Abweichungserklärung nach § 161 AktG abgegeben werden kann. Für eine gesetzliche Festschreibung bieten sich die im DCGK aufgeführten Regelungen jedoch nicht an. Dies sei exemplarisch an Ziff. 4.2.3 Abs. 2 Satz 8 DCGK 2013 gezeigt. Zwar besteht kein Zweifel, dass gerade im angloamerikanischen Rechtskreis repricing zu erheblichen Verzerrungen bei der Vergütungsfestsetzung geführt hat.87 Auch in Deutschland ist diese Methode in der Vergangenheit nicht unüblich gewesen.88 Generell gilt, dass sich bei überraschenden Entwicklungen das vertragliche Risiko realisiert, welches beide Parteien bewusst in Kauf genommen haben.89 Mit anderen Worten obliegt es den Beteiligten selbst, ex ante eine möglichst umfassende und als angemessen zu bezeichnende Regelung zu finden. § 313 BGB zeigt allerdings, dass der Grundsatz pacta sunt servanda nicht unbeschränkt gilt.90 Dementsprechend kann es Situation geben, in denen die ursprünglich gewählten Parameter nicht den erhofften Aufschluss über die Leistung bringen, der bei Vertragsschluss gewünscht war.91 Notwendig kann es dann werden, durch ein repricing die ursprünglich gewünschte Anreizwirkung wiederherzustellen.92 Wenn etwa die weltweite Finanzkrise ganze variable Vergütungspakete wertlos gemacht hat, obwohl der Einsatz des Managements und der Erfolg der individuellen Gesellschaft grundsätzlich zur Zufriedenheit Anlass geben, muss auch eine Anpassung gestattet sein.93 Die vorherigen Ausführungen haben sich bewusst einem Urteil über einzelne Vorgaben in Gesetz und DCGK enthalten. Entscheidend war vielmehr festzuhal87
Bebchuk/Fried, Pay without Performance, S. 164–168; Semmer, Repricing, 17. Adams, Ökonomische Theorie, S. 300; differenzierend nach den unterschiedlichen Ausgestaltungen eines repricings etwa von Schlabrendorff, Repricing von Stock Options, S. 11–12. 89 Ähnlich Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 76 Rn. 70. 90 Kritischer Martens, ZHR 169 (2005), 124, 130 wegen der kurzen Laufzeit von Vorstandsverträgen. 91 Dazu von Schlabrendorff, Repricing von Stock Options, S. 13–14, 22 jeweils m.w. N. 92 von Schlabrendorff, Repricing von Stock Options, S. 21–22, 32–34. 93 Ähnliche Argumentationen finden sich mit unterschiedlichen Bezugspunkten bei Thüsing, ZGR 2003, 457, 498–499; von Schlabrendorff, Repricing von Stock Options, S. 28–29; Spindler, in: MünchKommAktG, § 87 Rn. 108; vergleichbar auch Mertens/ Cahn, in: KölnerKommAktG, § 76 Rn. 70; gegen ein Verbot ebenfalls A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 148. 88
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2. Kap.: Die Personalkompetenz de lege lata
ten, dass einer generalisierenden Regulierung enge Grenzen gesetzt sind. Auf Grund der Vielzahl möglicher Situationen ist es nicht vorstellbar, alle erdenklichen Konflikte durch materielle Kriterien im Voraus zu entschärfen. Vielmehr gilt, dass Gesetz und DCGK im Bereich der Personalkompetenz immer nur auf bestimmte, besonders kontroverse Entwicklungen reagieren können. Die Schaffung von engmaschigen Vorgaben bietet sich jedoch wegen des betriebswirtschaftlichen Bedürfnisses nach einem möglichst weiten Ermessen nicht an, was wiederum aber auch bedeutet, dass den strukturellen Schwächen der Aufsichtsratsarbeit auf diesem Weg nicht vollumfänglich begegnet werden kann.
D. Ergebnis Im Ergebnis ist festzuhalten, dass bei der Ausübung der Personalkompetenz durch den Aufsichtsrat Schwierigkeiten bestehen, die über die normalen Probleme einer Agenturbeziehung hinausgehen. Für die Legitimation der getroffenen Entscheidungen ist es jedoch wichtig, dass eine konsequente Orientierung an den Aktionärsinteressen sichergestellt wird. Wie gezeigt, kann davon nicht immer ausgegangen werden. Diesem Problem kann man sich nicht zufriedenstellend über eine weitergehende Professionalisierung der Aufsichtsratsarbeit oder die Vorgabe von materiellen Ausübungskriterien im Gesetz oder im DCGK nähern. Gesteigerte Anforderungen an die Tätigkeit können letztendlich weder garantieren, dass die Vorstellungen der Eigenkapitalgeber durchgängig verfolgt werden, noch wird auf diesem Weg das Näheverhältnis zwischen Vorstand und Aufsichtsrat aufgebrochen. Eine Konfliktregelung ex ante durch materielle Vorgaben scheitert daran, dass jede Entscheidung vor den Besonderheiten des Einzelfalls getroffen werden muss. Abstrakt generelle Regelungen lassen sich mit diesem Bedürfnis nicht in Einklang bringen.
§ 5 Die Beteiligung der Hauptversammlung an der Ausübung der Personalkompetenz de lege lata Bisher wurde festgestellt, dass die Personalkompetenz zwar einen wichtigen Kontroll- und Steuerungsmechanismus darstellt, bei der Ausübung durch den Aufsichtsrat jedoch nicht sicherstellt ist, dass die Aktionärsinteressen gegenüber den Vorstandswünschen vorrangig berücksichtigt werden. Da eine Überwindung dieses Legitimationsdefizits durch eine Professionalisierung der Aufsichtsratstätigkeit oder durch eine allgemeinverbindliche Regulierung in Gesetz oder Verhaltenskodexen, wie etwa dem DCGK, ebenfalls nicht möglich erscheint, stellt sich unweigerlich die Frage, inwieweit die Aktionäre selbst auf die Personalkompetenz einwirken können, um für eine Berücksichtigung zu sorgen.
§ 5 Die Beteiligung der Hauptversammlung
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In der nachfolgenden Untersuchung wird daher herausgearbeitet, inwieweit das Gesetz de lege lata entsprechende Beteiligungsrechte für die Aktionäre vorsieht. Dabei gilt es zu prüfen, ob einzelne Regelungsbereiche der Personalkompetenz vollständig auf die Hauptversammlung übertragen werden können, ob es möglich ist, in der Satzung Kriterien für die Ausübung durch den Aufsichtsrat bereitzuhalten und welche gesetzlichen Rechte darüber hinaus bestehen. Die Darstellung des so herausgearbeiteten aktuellen Reglungssystems wird dann in der Folge als Grundlage dienen, um das Bedürfnis nach Änderungen de lege ferenda zu behandeln.
A. Vollständige Übertragung einzelner Regelungsbereiche auf die Hauptversammlung Eine umfassende Einwirkung der Aktionäre wäre möglich, wenn eine Übertragung der Personalkompetenz oder zumindest einzelner Teilbereiche auf die Hauptversammlung statthaft ist. Inwieweit in der Satzung individuelle Regelungen zulässig sind, bestimmt sich dabei nach § 23 Abs. 5 AktG. Gemäß § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG kann die Satzung von gesetzlichen Vorschriften nur abweichen, wenn dies ausdrücklich zugelassen wird. Ergänzende Bestimmungen sind jedoch erlaubt, es sei denn, dass das Gesetz eine abschließende Regelung enthält. Gezeigt wurde bereits, dass Abberufung, Widerruf der Bestellung sowie die Ausgestaltung des Anstellungsvertrags jeweils dem Aufsichtsrat zugewiesen sind. Eine Übertragung auf die Hauptversammlung würde das Gesetz somit nicht bloß ergänzen. Notwendig wäre demzufolge eine Öffnungsklausel nach § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG. Eine ausdrückliche Ermächtigungsnorm, die Bestellung abweichend von § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG zu regeln, findet sich im Aktiengesetz nicht. Lediglich § 23 Abs. 3 Nr. 6 AktG bestimmt, dass die Satzung die Anzahl der Vorstandsmitglieder vorschreiben muss, wobei eine Delegation dieser Entscheidung auf die Hauptversammlung oder den Aufsichtsrat möglich ist. Vor dem Hintergrund des gesetzlichen Wortlauts ist der Akt der Bestellung daher abschließend dem Aufsichtsrat zugewiesen.94 Selbst eine bedingte Bestellung, geknüpft an die Zustimmung der Gesellschafter, ist unzulässig.95 Denn auch in diesem Fall würde die Entscheidung im Ergebnis nicht mehr vom Aufsichtsrat getroffen.
94 Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 84 Rn. 9; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 332; Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 84 Rn. 7; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), § 84 Rn. 2, 8; Spindler, in: MünchKommAktG, § 84 Rn. 12; Weber, in: Hölters (Hrsg.), Aktiengesetz, § 84 Rn. 9. 95 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 334; Mertens/ Cahn, in: KölnerKommAktG, § 84 Rn. 7; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), § 84 Rn. 8; Spindler, in: MünchKommAktG, § 84 Rn. 12.
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2. Kap.: Die Personalkompetenz de lege lata
§ 84 Abs. 3 Satz 2 AktG erlaubt der Hauptversammlung zwar, dem Vorstand das Vertrauen zu entziehen. Dies hat jedoch nicht unmittelbar die organschaftliche Abberufung zur Folge. Vielmehr steht der Widerruf der Bestellung weiterhin im Ermessen des Aufsichtsrats, wie § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG zeigt.96 Eine Neuordnung der Kompetenz ist daher mangels Öffnungsklausel auf Grund von § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG ebenfalls nicht zulässig.97 Auch für die vertragliche Gestaltung ist weder in § 84 Abs. 1 Satz 5 AktG, noch in § 87 Abs. 1 AktG eine Übertragung an die Hauptversammlung vorgesehen. Für den Abschluss des Anstellungsvertrags ist demnach alleine der Aufsichtsrat zuständig.98 Auch für die Vergütungsentscheidung kann auf Grund von § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG nichts anderes gelten.99 Es ist somit festzuhalten, dass das Gesetz die formelle Personalkompetenz abschließend dem Aufsichtsrat zuteilt. Eine Übertragung einzelner Regelungsbereiche auf die Hauptversammlung ist folglich nicht möglich.
B. Zulässigkeit von Vorgaben in der Satzung Der Ausschluss einer vollständigen Kompetenzübertragung auf die Hauptversammlung bedeutet gleichwohl nicht automatisch, dass keine materiellen Kriterien in der Satzung vorgegeben werden können. Es gilt vielmehr für jede einzelne Regelung zu untersuchen, ob ergänzende Vorgaben der Aktionäre erlaubt sind. I. Statutarische Vorgaben für den Widerruf der Bestellung § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG gibt vor, dass der Vertrauensentzug der Hauptversammlung den Aufsichtsrat berechtigt, nicht jedoch verpflichtet, den Vorstand abzuberufen. Wenn die Aktionäre entweder das eigene Votum über entsprechende Satzungsregelungen für verbindlich erklären könnten oder verbindliche Gründe festschreiben dürften, würde man § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG nicht lediglich ergänzen, sondern inhaltlich von der Norm abweichen. In Ermangelung einer für solche Fälle vorgeschriebenen Öffnungsklausel wird die Zulässigkeit von statutarischen Vorgaben für die Abberufung daher zu Recht einhellig abgelehnt.100 96
Allgemeine Meinung, siehe nur Kort, in: GroßkommAktG, § 84 Rn. 167. Kort, in: GroßkommAktG, § 84 Rn. 128; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), § 84 Rn. 48. 98 Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 84 Rn. 33; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 386; Spindler, in: MünchKommAktG, § 84 Rn. 68. 99 So auch Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 216. 100 Siehe nur Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 299–300; Hommelhoff, BB 1977, 322, 324; Janzen, NZG 2003, 468, 470; Kort, in: GroßkommAktG, § 84 Rn. 137; 97
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II. Statutarische Vorgaben für die Bestellung 1. Wortlaut
Nach § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG „bestellt der Aufsichtsrat“ die Vorstandsmitglieder. Dem kann man entnehmen, dass die Entscheidung auf den Aufsichtsrat zurückgehen muss. Die Begrifflichkeit „bestellen“ verlangt allerdings nicht unbedingt, dass der Aufsichtsrat vollständig unbeeinflusst festlegt. Sprachlich lässt die Vorschrift zu, dass der Aufsichtsrat die Bestellung vornimmt, dabei aber Kriterien der Aktionäre berücksichtigt.101 Vor diesem Hintergrund ist der Wortlaut des § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG nicht unergiebig,102 sondern erlaubt isoliert betrachtet eine umfassende Vorgabekompetenz in der Satzung, zumindest solange dem Aufsichtsrat ein eigenes Ermessen verbleibt.103 Wer jedoch den Wortlaut als Argument für eine Satzungskompetenz verstehen will, muss den unveräußerlichen Ermessenskern des Aufsichtsrats positiv beschreiben können. Am weitesten ginge es sicherlich, wenn man vergleichbar der Abgrenzung zwischen Boten und Stellvertreter jedes irgendwie geartete eigene Auswahlermessen genügen lassen würde. Die Aktionäre dürften dann detaillierte Vorgaben machen und es würde ausreichen, dass die Entscheidung des Aufsichtsrats nur nicht vollständig vorweggenommen wird. Es liegt aber auf der Hand, dass auf diesem Wege die unbestrittene Unveräußerlichkeit der Abschlusskompetenz ad absurdum geführt werden würde.104 Es überrascht daher nicht, dass in der Literatur eine Vielzahl restriktiverer Ansätze vorgeschlagen wird, um die Grenze zwischen zulässigen und unzulässigen Vorgaben zu umschreiben.105 Die Folge sind stark divergierende Einschätzungen darüber, was in der Satzung letztendlich geregelt werden dürfe. So ist etwa behauptet worden, dass die Vorgabe eines Familienstamms generell unzulässig sei,
Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 363; Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 84 Rn. 123; Weber, in: Hölters (Hrsg.), Aktiengesetz, § 84 Rn. 69. 101 Grattenthaler, Die Vergütung von Vorstandsmitgliedern in Aktiengesellschaften, S. 65–67. 102 So aber Hommelhoff, BB 1977, 322, 323. 103 So auch Spindler, in: MünchKommAktG, § 84 Rn. 28; Spindler, in: MünchKommAktG, § 76 Rn. 110; Thüsing, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, § 4 Rn. 14; Weber, in: Hölters (Hrsg.), Aktiengesetz, § 84 Rn. 7. 104 Ähnlich Tegtmeier, Die Vergütung von Vorstandsmitgliedern in Publikumsgesellschaften, S. 269. 105 Siehe nur Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 66–67; Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 76 Rn. 128; Koch, in: Hüffer (Begr.), Aktiengesetz, § 76 Rn. 60; Spindler, in: MünchKommAktG, § 84 Rn. 28; Weber, in: Hölters (Hrsg.), Aktiengesetz, § 84 Rn. 7; dieses Legitimationsproblem zumindest anerkennend Thüsing, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, § 4 Rn. 14.
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2. Kap.: Die Personalkompetenz de lege lata
sofern dies zu einer signifikanten Beschränkung des Auswahlermessens führe.106 Andere wollen dieses Kriterium nur in einer mitbestimmten Gesellschaft ausschließen.107 Wieder andere verlangen bei solchen Gesellschaften, dass dem Aufsichtsrat zum Schutz der Arbeitnehmervertreter „eine hinreichende Auswahl“ verbleibe.108 In eine ähnliche Richtung gehen Aussagen, die in Familiengesellschaften eine „maßvolle Sicherung des Familieneinflusses“ 109 zulassen wollen oder generell von einem „vernünftigen Entscheidungsspielraum“ 110 sprechen. Damit zeigt sich aber das entscheidende Problem des Wortlautarguments. Man kann § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG nämlich nicht entnehmen, wie viel Ermessen dem Aufsichtsrat letztendlich verbleiben muss, damit noch von einer Bestellung durch dieses Gremium gesprochen werden kann. Alle in der Literatur vertretenen Ansätze sind vor diesem Hintergrund willkürlich. Sie hängen entscheidend von den Wertungen der jeweiligen Autoren und deren Einschätzung von Aktionärsdemokratie und Mitbestimmungsrecht ab. Einen gesetzlichen Aufhänger, welcher helfen könnte, den unveräußerlichen Ermessenskern zu beschreiben, lässt sich jedoch nicht finden. Im Ergebnis zeigt sich damit, dass der Wortlaut bei genauerer Betrachtung für eine abschließende Zuweisung der Vergütungsentscheidung an den Aufsichtsrat spricht. Anderenfalls würde man dem Rechtsanwender erlauben den Normbefehl des § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG, namentlich die abschließende Zuweisung an den Aufsichtsrat, durch eigene Wertungen auszuhöhlen. 2. Systematik
Teilweise wird behauptet, dass durch statutarische Regelungen eine Beteiligung der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat umgangen werden könnte.111 Dies soll gegen die Zulässigkeit von Einschränkungen in der Satzung sprechen. Richtig ist aber, dass die Beteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat keinen Selbstzweck erfüllt.112 Eine Mitwirkung ist nur dann möglich, wenn dem Organ Aufsichtsrat ein Befassungsrecht zukommt. Kann durch die Satzung diese Kompetenz eingeschränkt werden, stellt sich die Frage der Arbeitnehmerbeteiligung schlicht nicht.
106 Spindler, in: MünchKommAktG, § 76 Rn. 110; ähnlich Overlack, ZHR 141 (1977), 125, 132. 107 Dazu Koberski, in: Wlotzke u. a. (Hrsg.), Mitbestimmungsrecht, § 31 MitbestG Rn. 11, 12; ähnlich Kort, in: GroßkommAktG, § 76 Rn. 223 („bedenklich“). 108 Spindler, in: MünchKommAktG, § 76 Rn. 111. 109 Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 76 Rn. 128. 110 Kort, in: GroßkommAktG, § 76 Rn. 223. 111 Säcker, DB 1977, 1791, 1792–1793. 112 Ähnlich Spindler, in: MünchKommAktG, § 84 Rn. 35.
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Weiterhin wird die Zulässigkeit von Satzungsregelungen mit einer vermeintlichen Leitlinienkompetenz der Aktionäre gerechtfertigt.113 So wird aus der Tatsache, dass in der Satzung etwa der Unternehmensgegenstand vorgegeben werden muss, unmittelbar auf ein Mitwirkungsrecht bei der Auswahl des Vorstands geschlossen.114 Tatsächlich zeigen die zwingenden gesetzlichen Regelungen des Aktienrechts, allen voran § 23 Abs. 5 AktG, dass eine allgemeine Leitlinienkompetenz der Gesellschafter gerade nicht existiert. Aus der Befugnis, Unternehmensgegenstand und Gesellschaftszweck in der Satzung zu bestimmen, erwächst nicht unmittelbar eine Einwirkungsmöglichkeit auf die organschaftliche Bestellung der Geschäftsleitung. Zu berücksichtigen ist vielmehr, dass der Widerruf der Bestellung nach § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG actus contrarius zur Bestellung ist.115 Nach wohl unbestrittener Ansicht liegt allerdings der Widerruf der Bestellung im ausschließlichen Ermessen des Aufsichtsrats. Satzungsregelungen in diesem Bereich sind unzulässig.116 Aus systematischer Sicht erscheint es dann jedoch wenig überzeugend, nur die Abberufung als ausschließliche Aufsichtsratskompetenz zu verstehen. Es gibt keine systematischen Gründe, warum das Gesetz hier zwischen den Kompetenzen differenzieren sollte.117 § 100 Abs. 4 AktG erlaubt für bestimmte Fälle ausdrücklich, dass die Satzung Vorgaben für die Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder machen kann. Da die Hauptversammlung für die Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder ohnehin zuständig ist, handelt es sich um eine Selbstbeschränkung.118 Wenn der Gesetzgeber sich aber schon in einem solchen Fall zu einer Klarstellung bemüßigt sah, hätte man eine ähnliche Feststellung gerade dann erwarten können, wenn durch die Satzungsregelung ein anderes Organ gebunden wird.119 Das Ausbleiben eines entsprechenden Hinweises in § 84 Abs. 1 AktG ist ein weiteres Argument dafür, dass die Regelung abschließend verstanden werden sollte. Auf Grund der inhaltlichen Verbindung zum Widerruf der Bestellung und der ausdrücklichen Regelung in § 100 Abs. 4 AktG für die Auswahl des Aufsichtsrats kann daher festgehalten werden, dass aus systematischer Sicht eine Aktionärsbeteiligung am Bestellungsvorgang ebenfalls abzulehnen ist. 113
Spindler, in: MünchKommAktG, § 76 Rn. 110. Spindler, in: MünchKommAktG, § 76 Rn. 110. 115 Siehe nur Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 84 Rn. 92; Liebscher, in: W. Müller/Rödder (Hrsg.), Beck’sches Handbuch der AG, § 6 Rn. 45; Weber, in: Hölters (Hrsg.), Aktiengesetz, § 84 Rn. 64. 116 Siehe dazu bereits oben unter § 5 B. I. 117 In diese Richtung wohl auch Hommelhoff, BB 1977, 322, 324–325. 118 So schon Hommelhoff, BB 1977, 322, 323. 119 In diese Richtung wohl auch Hommelhoff, BB 1977, 322, 323, der dies jedoch nicht alleine zur Begründung einer abschließenden Regelung in § 84 AktG ausreichen lassen will. 114
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2. Kap.: Die Personalkompetenz de lege lata 3. Sinn und Zweck
Vereinzelt wird vorgebracht, dass das Gesetz eine unbeeinflusste Entscheidung des Aufsichtsrats sicherstellen wolle.120 Dies zeige sich etwa daran, dass das Beschlussverfahren für Aufsichtsratsentscheidungen in der Satzung nicht geregelt werden könne und Einzelanweisungen an das Gremium ebenfalls nicht möglich seien.121 Sogar eine Selbstbindung des Aufsichtsrats sei ausgeschlossen, denn § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG erlaube nur eine Maximalbestellungsdauer von fünf Jahren und die Möglichkeit zum Widerruf der Bestellung garantiere eine fortwährende Evaluation der Personalentscheidung.122 Die Überlegungen lassen sich so verstehen, dass es Sinn und Zweck des § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG sei, in jedem Einzelfall ein freies Ermessen zu garantieren, was gegen statutarische Kriterien sprechen würde. An diesen Ausführungen ist zutreffend, dass das Gesetz, wie bereits gezeigt,123 den betriebswirtschaftlichen Charakter der Personalauswahl betont. Daraus kann jedoch nicht unbedingt geschlossen werden, dass auch Vorgaben durch die Gesellschafter schlechterdings unzulässig sein müssen. Ob ein unbeschränktes Ermessen des Aufsichtsrats von § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG garantiert werden soll, steht gerade in Frage. Es ist ein Zirkelschluss, von der Existenz eines unbeschränkten Ermessens auf die Unzulässigkeit von Satzungsregelungen zu schließen. In Ermangelung sonstiger Anhaltspunkte lässt sich demnach nicht feststellen, ob der Sinn und Zweck des § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG für oder gegen die Beteiligung der Aktionäre am Bestellungsvorgang spricht. 4. Historie
In neuerer Zeit hat sich der Gesetzgeber nicht unmittelbar zur Zulässigkeit von statutarischen Vorgaben geäußert. § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG ist nicht nur seit 1965 unverändert geblieben,124 sondern geht in seiner heutigen Form bereits auf § 75 Abs. 1 Satz 1 AktG 1937 zurück. Vor Einführung des § 75 Abs. 1 Satz 1 AktG 1937 mussten die Aktionäre die Personalauswahl im Gesellschaftsvertrag regeln. Nach § 182 Abs. 2 Nr. 4 HGB 1900 musste dieser zwingend Ausführungen zu Bestellung und Zusammensetzung des Vorstands enthalten. Die statutarische Vorgabe von materiellen Auswahlkriterien war zu dieser Zeit demnach zulässig.125 120
Hommelhoff, BB 1977, 322, 324–325. Hommelhoff, BB 1977, 322, 324. 122 Hommelhoff, BB 1977, 322, 325. 123 Siehe dazu bereits oben unter § 4 C. III. 124 Dazu Regierungsentwurf zum Aktiengesetz 1965, zitiert nach Kropff, Aktiengesetz, S. 105. 125 Hommelhoff, BB 1977, 322, 323. 121
§ 5 Die Beteiligung der Hauptversammlung
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Durch die Novelle von 1937 wurde die Binnenverfassung der Aktiengesellschaft jedoch vollständig neugestaltet. Nach modernem Verständnis war dabei ein Ziel die Entmachtung der Aktionäre.126 Die Generalversammlung wurde vom historischen Gesetzgeber auf Grund von unsteter Zusammensetzung und Meinungspluralität als ungeeignet empfunden, um Geschäftsführungsfragen zu regeln.127 Es herrschte offensichtlich die Vorstellung vor, Aktionären fehle es an Kenntnis und Erfahrung, um derartige Aufgaben zu übernehmen.128 Ausdrücklich hat der historische Gesetzgeber insoweit von der „Masse der unverantwortlichen Aktionäre“ gesprochen.129 Zwar findet sich in den Gesetzgebungsunterlagen kein ausdrücklicher Hinweis darauf, wie statutarische Vorgaben bei der Personalauswahl behandelt werden sollen.130 Vor dem Hintergrund der allgemeinen Stoßrichtung der Novelle überzeugt es jedoch nicht, einfach von einer Fortgeltung der alten Rechtslage auszugehen.131 Vielmehr spricht der historische Kontext der Norm dafür, § 75 Abs. 1 Satz 1 AktG 1937 als abschließend zu verstehen. Ob der Gesetzgeber diese historischen Wertungen 1965 auch in § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG übertragen hat, lässt sich hingegen nicht feststellen. Insbesondere der Hinweis im Regierungsentwurf zu § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG, wonach die Mitsprache der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat nicht durch die Aktionäre beeinträchtigt werden solle,132 spricht gegen die Zulässigkeit statutarischer Vorgaben. Eine eindeutige Klarstellung fehlt gleichwohl in den die Novelle 1965 begleitenden Unterlagen. Die wohl herrschende Meinung133 hat Ergänzungen zu § 84 Abs. 1 AktG immer schon für zulässig erachtet,134 ohne dass der Gesetzgeber sich zum Eingrei126 Berger, Vorstandsvergütung, S. 38; Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 193; Immenga, Aktiengesellschaft, Aktionärsinteressen und institutionelle Anleger, S. 11; Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen, S. 12–13. 127 Amtliche Begründung zum AktG 1937, zitiert nach Klausing, Aktiengesetz, S. 3; aus dem historischen Schrifttum Geßler, Juristische Wochenschrift 1937, 497. 128 So die Begründung von Lieder, Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, S. 390. 129 Amtliche Begründung zum AktG 1937, zitiert nach Klausing, Aktiengesetz, S. 3. 130 Tatsächlich fällt die amtliche Begründung zu § 75 AktG 1937 eher knapp aus, siehe amtliche Begründung zum AktG 1937, zitiert nach Klausing, Aktiengesetz, S. 61–62. 131 So aber Hommelhoff, BB 1977, 322, 323. 132 Regierungsentwurf zum Aktiengesetz 1965, zitiert nach Kropff, Aktiengesetz, S. 105. 133 Es geht aber deutlich zu weit zu behaupten, dass die „grundsätzliche Zulässigkeit [. . .] nicht bestritten wird“, wie Grattenthaler, Die Vergütung von Vorstandsmitgliedern in Aktiengesellschaften, S. 65 meint. 134 Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 76 Rn. 127; Grattenthaler, Die Vergütung von Vorstandsmitgliedern in Aktiengesellschaften, S. 65; Spindler, in: MünchKommAktG, § 76 Rn. 110; weitere Nachweise finden sich bei Hommelhoff, BB 1977, 322, 322–323; Tegtmeier, Die Vergütung von Vorstandsmitgliedern in Publikumsgesellschaften, S. 268.
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2. Kap.: Die Personalkompetenz de lege lata
fen bemüßigt sah. Allerdings sollte man dieses Schweigen nicht unreflektiert als Billigung derartiger Gestaltungsvarianten verstehen. Satzungsvorgaben für die Personalauswahl haben in der Praxis, wenn überhaupt, nur bei kleineren Unternehmen eine Rolle gespielt135 und hatten nie eine Häufigkeit erreicht, welche ein legislatorisches Einschreiten unbedingt erforderlich gemacht hätte. Überdies war § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG, anders als etwa § 87 Abs. 1 AktG, seit 1965 nicht Gegenstand weitreichender Reformbestrebungen, so dass sich der Gesetzgeber hätte äußern können. Während die Anfänge der Norm daher auf einen abschließenden Charakter des § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG hinweisen, ist das historische Verständnis der Norm in der Zwischenzeit verblasst. Ein Argument für die aktuelle Rechtslage kann aus diesem demzufolge nicht entwickelt werden. 5. Ergebnis
Der offene Wortlaut des § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG schließt eine Vorgabe von statutarischen Kriterien zwar nicht ausdrücklich aus, der Norm kann jedoch nicht entnommen werden, wie der notwendige Ermessensspielraum des Aufsichtsrats bestimmt werden kann. Dies wäre aber notwendig gewesen, wenn man nicht will, dass sich der Satzungsgeber zum Ersatzgesetzgeber aufschwingt. Nicht nur auf Grund des Wortlauts, sondern auch aus systematischer Sicht ist deshalb von der Unzulässigkeit ergänzender Satzungsregelungen auszugehen. Aus Sinn und Zweck und Historie lassen sich zumindest keine durchgreifenden Argumente für ein gegenteiliges Verständnis gewinnen. Somit wird deutlich, dass § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG als umfassende Kompetenzzuweisung an den Aufsichtsrat zu verstehen ist.136 III. Statutarische Vorgaben für die Festsetzung der Vorstandsvergütung 1. Wortlaut
Nach dem Wortlaut des § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG obliegt die Festsetzung der Vorstandsvergütung dem Aufsichtsrat. Wie aber schon bei der Untersuchung des § 84 AktG gezeigt, sagt eine solche Formulierung isoliert betrachtet nichts darüber aus, ob einzelne Vorgaben der Hauptversammlung im Entscheidungsfindungsprozess Berücksichtigung finden können. Sprachlich verlangt § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG lediglich, dass die endgültige Festsetzung dem Aufsichtsrat obliegen muss.137 Auch hier zeigt sich allerdings das Problem, dass sich der Norm kein 135 Allgemein dazu Hoffmann-Becking, NZG 1999, 797 („in der Praxis so gut wie unbekannt“). 136 Im Ergebnis so auch Seibt, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), § 84 Rn. 2. 137 So wohl auch Grattenthaler, Die Vergütung von Vorstandsmitgliedern in Aktiengesellschaften, S. 67–68; Körner, NJW 2004, 2697, 2701; Rieble/Schmittlein, Vergü-
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Hinweis dahingehend entnehmen lässt, wie viel Ermessensspielraum dem Aufsichtsrat letztendlich verbleiben muss. Diese Einschätzung darf man nicht dem Rechtsanwender überlassen. Der Wortlaut deutet daher auf einen abschließenden Charakter der Vorschrift hin. 2. Systematik
Aus systematischer Sicht wird teilweise auf § 113 AktG hingewiesen. Die Norm soll zeigen, dass die Hauptversammlung für bestimmte Vergütungsfragen als geeigneter Ansprechpartner angesehen werde.138 Daraus wird der Schluss gezogen, dass die Aktionäre vom Gesetzgeber nicht als schlechterdings unfähig eingeschätzt würden, die Kompensation der Verwaltungsorgane zu beurteilen. Dies soll nicht zuletzt auch die Einführung des § 120 Abs. 4 AktG durch das VorstAG unterstrichen haben. So ist beispielsweise aus der „Stoßrichtung dieses Gesetzes“, gemeint ist die Stärkung der Kontrollrechte der Aktionäre, eine Zulässigkeit von Satzungsregelungen hergeleitet worden.139 Bereits der Hinweis auf § 113 AktG trägt allerdings nicht. Die Festsetzung der Aufsichtsratsvergütung durch die Hauptversammlung ist in einem dualen System alternativlos.140 Es bietet sich nicht an, dass der Vorstand das Gehalt für seine eigenen Kontrolleure bestimmt. § 113 AktG kann allerdings nicht entnommen werden, dass der Gesetzgeber die Aktionäre auch an sonstigen Vergütungsentscheidungen beteiligen will. Ebenso wenig kann die Einführung des § 120 Abs. 4 AktG mit einer Öffnungsklausel für die Satzung gleichgesetzt werden. § 120 Abs. 4 Satz 1 AktG erlaubt keine Initiativen der Aktionäre, sondern lediglich die Billigung des vom Aufsichtsrat vorgelegten Systems.141 Damit unterscheidet sich die Vorschrift strukturell von Satzungsregelungen, die von den Gesellschaftern selbst entwickelt werden können. Aus systematischer Sicht ist § 120 Abs. 4 AktG eine punktuelle Festschreibung einer Aktionärsbeteiligung, ohne dass sich daraus unmittelbar Konsequenzen für die Satzung ergeben würden. Bereits festgestellt wurde, dass sowohl für die Bestellung nach § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG und für den Widerruf der Bestellung nach § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG ergänzende Vorgaben nicht zulässig sind. Es ist behauptet worden, dass, wenn dem Aufsichtsrat ein unbeschränktes Ermessen bei der Personalauswahl eingeräumt wird, es wenig Sinn mache, dieses durch die Hintertür der Personalvergü-
tung von Vorständen und Führungskräften, Rn. 280; im Ergebnis auch T. Götze, Aktienoptionen für Vorstandsmitglieder und Aktionärsschutz, S. 95, 98. 138 So die Argumentation bei Berger, Vorstandsvergütung, S. 94; Thüsing, AG 2009, 517, 526. 139 Thüsing, AG 2009, 517, 526. 140 Ähnlich Spindler, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 113 Rn. 4. 141 Umfassend dazu unten unter § 5 C. II. 1. c).
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2. Kap.: Die Personalkompetenz de lege lata
tung wieder einzuschränken.142 Aus rechtstechnischer Sicht gibt es jedoch keinen Grund anzunehmen, dass eine unbeeinflusste organschaftliche Entscheidungskompetenz unbedingt auch eine unbeeinflusste Vergütungsentscheidung bedeutet. So wäre es durchaus denkbar, dass die Hauptversammlung durch die Satzung die Ausgestaltung der Vorstandsvergütung beeinflusst und der Aufsichtsrat eben nur solche Personen zum Vorstand bestellen kann, welche diese Vorgaben im Anstellungsvertrag akzeptieren. Dies schien im Übrigen auch das Verständnis des Bundestags in der 17. Legislaturperiode gewesen zu sein, da das letztendlich gescheiterte VorstKoG mit der Einführung von zwingenden Obergrenzen in § 120 Abs. 4 AktG genau eine solche Aufteilung mit sich gebracht hätte. Insgesamt ist aus systematischer Sicht somit weder ein Anhaltspunkt für die Zulässigkeit, noch für die Unzulässigkeit von ergänzenden Satzungsvorgaben erkennbar. 3. Sinn und Zweck
Der Sinn und Zweck des § 87 Abs. 1 AktG liegt darin sicherzustellen, dass für die jeweilige Gesellschaft eine angemessene Vergütung gefunden und ein übermäßiger Verlust von finanziellen Mittel verhindert wird.143 Ob dies mit oder ohne Beteiligung der Aktionäre erfolgen soll, kann der Norm unmittelbar nicht entnommen werden. Durch Einführung des § 120 Abs. 4 AktG hat der Gesetzgeber zwar gezeigt, dass er sich von der Aktionärsbeteiligung positive Impulse für die Festsetzung erhofft. Dies bedeutet im Umkehrschluss jedoch nicht automatisch, dass § 87 Abs. 1 AktG statutarischen Vorgaben zugänglich sein muss. Andererseits muss man sich wie auch im Rahmen des § 84 Abs. 1 AktG bei § 87 Abs. 1 AktG davor hüten, zirkelschlüssig zu behaupten, dass die Norm eine möglichst unbeeinflusste Entscheidung des Aufsichtsrats voraussetze und daher Satzungsregelungen abzulehnen seien.144 Ob dies tatsächlich der Fall ist, steht hier gerade in Frage. Auch aus Sinn und Zweck des § 87 Abs. 1 AktG erschließt sich demzufolge nicht, ob statutarische Ergänzungen rechtlich möglich sind. 4. Historie
Während § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG inhaltlich auf die Aktienrechtsnovelle 1937 zurückzuführen ist, muss für das Verständnis des Gesetzgebers bezüglich des An142 Tegtmeier, Die Vergütung von Vorstandsmitgliedern in Publikumsgesellschaften, S. 270; ähnlich Friedrich, Die Verrechtlichung von Organbezügen als europäisches Problem, S. 85; Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 219. 143 So auch Seibt, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), § 87 Rn. 1; ähnlich Grattenthaler, Die Vergütung von Vorstandsmitgliedern in Aktiengesellschaften, S. 345, 361; Tegtmeier, Die Vergütung von Vorstandsmitgliedern in Publikumsgesellschaften, S. 277. 144 So aber die Argumentation bei Voth, Beratende Hauptversammlungsbeschlüsse, S. 240, 242.
§ 5 Die Beteiligung der Hauptversammlung
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wendungsbereiches von § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG nicht derart weit zurück geblickt werden. Im Jahr 2009 wurde der Rechtsausschuss im Rahmen der Expertenanhörung auf die Debatte über die Zulässigkeit von Satzungsregelungen mit Vergütungsbezug hingewiesen.145 Anders als zu § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG hat die wohl herrschende Meinung Satzungsregeln in Ergänzung zu § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG immer schon für unzulässig erachtet.146 Wenn der Gesetzgeber eine Neujustierung der Kompetenzen gewünscht hätte, wäre dies der geeignete Zeitpunkt für einen Hinweis gewesen.147 Das Thema wurde jedoch nicht aufgegriffen. Stattdessen hat der Gesetzgeber mit einer Neufassung des § 87 AktG und der Einführung des § 120 Abs. 4 AktG reagiert. Dieses Verhalten wird zu Recht als eine Ablehnung statutarischer Vorgaben interpretiert.148 Ein solches Verständnis wird im Übrigen auch in den Gesetzgebungsunterlagen des letztendlich gescheiterten VorstKoG erkennbar. In der Expertenanhörung wurde die konkrete Forderung erhoben, zumindest eine Vergütungsobergrenze in der Satzung zuzulassen.149 Der Rechtsausschuss hat diesen Vorschlag in der Beschlussempfehlung aber noch nicht einmal mit einer kurzen Stellungnahme gewürdigt. Selbst die einer Aktionärsbeteiligung tendenziell eher aufgeschlossene Regierungskoalition hatte demnach kein Bedürfnis für eine entsprechende Regulierung gesehen. Der Wille des Gesetzgebers bezüglich § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG ist daher deutlich zum Vorschein getreten. Das historische Argument spricht gegen die Zulässigkeit von Satzungsregelungen. 5. Ergebnis
Wie auch für § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG gilt für § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG, dass der Wortlaut isoliert betrachtet ergänzende Vorgaben zulassen würde. In Ermangelung von gesetzlichen Kriterien kann der unveräußerliche Ermessenskern des Aufsichtsrats aber nicht bestimmt werden. Während Systematik und Sinn und Zweck zu der Diskussion nichts beitragen können, hat der Gesetzgeber bei der Einführung des VorstAG deutlich gemacht, dass ergänzende Satzungsregelungen weiterhin nicht zulässig sein sollen. Dieses Verständnis wird durch die begleitenden Unterlagen zum gescheiterten VorstKoG gestützt. Im Ergebnis sind statuta-
145 Thüsing, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung, S. 21. 146 Siehe nur Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 84 Rn. 33; Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 87 Rn. 55–56; Fonk, in: Semler/von Schenck (Hrsg.), Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 10 Rn. 118; Kort, in: GroßkommAktG, § 87 Rn. 19. 147 So auch Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 87 Rn. 56; Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 219. 148 Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 87 Rn. 56; ähnlich Voth, Beratende Hauptversammlungsbeschlüsse, S. 241. 149 Habersack, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aktiengesetzes (Aktienrechtsnovelle 2012), Sachverständigenanhörung, S. 10.
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2. Kap.: Die Personalkompetenz de lege lata
rische Vorgaben für § 87 Abs. 1. Satz 1 AktG demnach nicht mit § 23 Abs. 5 Satz 2 AktG vereinbar. IV. Statutarische Vorgaben für die sonstige vertragliche Ausgestaltung Wenig beachtet wird die Frage, ob in der Satzung Vorgaben für den Anstellungsvertrag vorgesehen werden können, welche keinen Bezug zur Vorstandsvergütung haben. Zwar kann auch hier dem Wortlaut des § 84 Abs. 1 Satz 5 AktG nicht ohne weiteres entnommen werden, dass die Regelung abschließend zu verstehen sein soll. Der Verweis auf die für die Bestellung anwendbaren Vorschriften zeigt jedoch, dass hier im Ergebnis nichts anderes gelten kann. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber für den wohl praxisrelevantesten Bereich des Anstellungsverhältnisses, der Kompensationsfestsetzung, bei Erlass des VorstAG und im Entwurf des VorstKoG entsprechenden Gestaltungen eine Absage erteilt.150 Vor diesem systematischen Hintergrund und in Ermangelung von Hinweisen, die in eine andere Richtung deuten, sind daher de lege lata auch sonstige Vorgaben für die vertragliche Ausgestaltung in der Satzung unzulässig.151 V. Ergebnis Statutarische Vorgaben für die organschaftliche Bestellung, für den Widerruf der Bestellung, für die Festsetzung der Vorstandsvergütung und für die sonstige vertragliche Ausgestaltung sind unzulässig. Die in §§ 84 Abs. 1 Satz 1, Satz 5, Abs. 3 Satz 1, 87 Abs. 1 AktG enthaltenen Wertungen sind als abschließend zu verstehen. Das Ermessen des Aufsichtsrats kann durch Kriterien in der Satzung demnach nicht beschränkt werden.
C. Gesetzliche Rechte der Hauptversammlung mit Bezug zur Personalkompetenz Besteht somit in der Satzung für die Gesellschafter kein Spielraum, um die Personalkompetenz zu behandeln, stellt sich in besonderem Maße die Frage, welche Regelungen das Gesetz ansonsten vorsieht, um auf diesen Themenbereich einzuwirken. Immer denkbar ist dabei eine mittelbare oder informelle Beeinflussung des Aufsichtsrats. So kann die gesamte Personalpolitik im Rahmen des Entlastungsbeschlusses nach § 120 Abs. 1 Satz 1 AktG diskutiert werden. Auch kann bei der Wahl der Aufsichtsratsmitglieder nach § 101 Abs. 1 Satz 1 AktG deutlich gemacht werden, dass in der Zukunft von diesen bestimmte Entscheidungen er150
Siehe dazu bereits oben unter § 5 B. III. 4. Im Ergebnis ebenso, jedoch mit anderer Begründung Meier/Pech, DStR 1995, 1195, 1196. 151
§ 5 Die Beteiligung der Hauptversammlung
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wartet werden. Derartige Möglichkeiten bestehen jedoch grundsätzlich für jede gesellschaftsrelevante Materie und haben keinen spezifischen Bezug zur Personalkompetenz. In der Folge wird daher nur der Anwendungsbereich von institutionalisierten Abstimmungen untersucht. I. Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung nach § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG Unmittelbaren Bezug zum Widerruf der organschaftlichen Bestellung hat die Möglichkeit, über § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG dem gesamten Vorstand oder einzelnen Organmitgliedern das Vertrauen zu entziehen. Die Bezeichnung Vertrauensentzug ist dabei eine sprachliche Kurzfassung für eine Willensäußerung, die auf die „Entfernung eines mißliebigen Vorstandsmitgliedes“ gerichtet ist.152 Eine solche Entscheidung ermöglicht anschließend dem Aufsichtsrat von § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG Gebrauch zu machen. Verbindlich ist die Beschlussfassung, wie bereits erwähnt, allerdings nicht. Konkrete Anforderungen an den Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung stellt das Gesetz nicht, sondern verlangt lediglich, dass dieses nicht aus offenbar unsachlichen Gründen entzogen wird.153 Dadurch soll sichergestellt werden, dass zumindest eine grobe Anlasskontrolle erfolgt. Die Schwelle zwischen zulässigem und rechtsmissbräuchlichem Tätigwerden ist dabei abstrakt kaum zu bestimmen, sondern bleibt immer eine Frage des Einzelfalls. Ziel ist die bloße Verhinderung willkürlichen Verhaltens.154 Die Unsachlichkeit muss demnach „auf der Hand“ liegen,155 also offensichtlich sein. Als Beispiel dafür wird ein Vertrauensentzug genannt, der als Reaktion auf das Nichtbefolgen einer rechtswidrigen Weisung durch die Hauptversammlung erfolgt.156 Keinesfalls ist es jedoch notwendig, dass dem Vorstand ein pflichtwidriges Verhalten vorgeworfen werden kann.157 Selbst bloße Erfolgslosigkeit stellt keinen unsachgemäßen Grund dar.158
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So schon Duden, BB 1961, 225, 226. Zu verfahrensrechtlichen Fragen hinsichtlich der Beweislast siehe Mielke, BB 2014, 1035, 1036–1038. 154 Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 84 Rn. 127; ähnlich Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 84 Rn. 110; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 366; Spindler, in: MünchKommAktG, § 84 Rn. 139. 155 Kort, in: GroßkommAktG, § 84 Rn. 166. 156 Kort, in: GroßkommAktG, § 84 Rn. 166; ähnlich Tielmann, AG 2013, 704, 709 für den Fall, dass sich der Vorstand den Wünschen eines Großaktionärs widersetzt. 157 Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 84 Rn. 109; Koch, in: Hüffer (Begr.), Aktiengesetz, § 84 Rn. 35, 37; Kort, in: GroßkommAktG, § 84 Rn. 162; Spindler, in: MünchKommAktG, § 84 Rn. 137. 158 So grundsätzlich Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 84 Rn. 121. 153
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2. Kap.: Die Personalkompetenz de lege lata
Insgesamt kann daher festgehalten werden, dass, von evidenten Missbrauchsfällen abgesehen, es der Hauptversammlung jederzeit freisteht, dem Vorstand das Vertrauen zu entziehen. Eine unmittelbare Konsequenz erwächst daraus jedoch nicht, da die endgültige Entscheidung über die Beendigung der organschaftlichen Stellung beim Aufsichtsrat verbleibt. Die bloße Existenz dieser Regelung unterstreicht gleichwohl die Bedeutung des Aktionärsvertrauens für die Vorstandstätigkeit.159 II. Abstimmung über das System zur Vergütung der Vorstandsmitglieder Im Jahr 2009 wurde durch die Einführung des § 120 Abs. 4 Satz 1 AktG für börsennotierte Gesellschaften erstmals die Möglichkeit geschaffen, über die Billigung des Systems zur Vergütung der Vorstandsmitglieder abzustimmen. Nichtbörsennotierte Gesellschaften dürfen ein entsprechendes Votum nicht auf die Tagesordnung setzen.160 § 120 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 1 AktG stellt darüber hinaus klar, dass der Beschluss „weder Rechte noch Pflichten“ begründet, also unverbindlich bleibt. Ausweißlich der Gesetzesbegründung soll die mit einer Entscheidung einhergehende „erhebliche Öffentlichkeitswirkung“ zur Disziplinierung der Verwaltung ausreichen.161 Die Möglichkeit, gegen den Beschluss eine Anfechtungsklage nach § 243 AktG zu erheben, wird in § 120 Abs. 4 Satz 3 AktG ausgeschlossen. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm „kann“ eine entsprechende Abstimmung durchgeführt werden. Eine Verpflichtung besteht nicht. Somit obliegt es entweder dem Vorstand nach § 121 Abs. 1 AktG, den Aktionären nach § 122 Abs. 2 AktG oder in Ausnahmefällen dem Aufsichtsrat nach § 124 Abs. 3 AktG, die Initiative zu ergreifen. In Ermangelung einer ausdrücklichen Öffnungsklausel nach § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG sind Regeln, welche eine wiederkehrende Befassung der Hauptversammlung in der Satzung verankern, unwirksam.162
159 So auch Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 84 Rn. 109; ähnlich Koch, in: Hüffer (Begr.), Aktiengesetz, § 84 Rn. 37. 160 Hüffer, Aktiengesetz, 10. Aufl., § 120 Rn. 20; Vetter, ZIP 2009, 2136, 2140; wohl auch Döll, WM 2010, 103, 106; Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 259, 319–320; Schüppen, ZIP 2010, 905, 911, 912; für eine analoge Anwendung auf nichtbörsennotierte Gesellschaften Kubis, in: MünchKommAktG, § 120 Rn. 51; für die Zulässigkeit von entsprechenden Satzungsregelungen bei nichtbörsennotierten Gesellschaften Koch, in: Hüffer (Begr.), Aktiengesetz, § 120 Rn. 20; dagegen Voth, Beratende Hauptversammlungsbeschlüsse, S. 232. 161 BT-Drucks 16/13433 (Beschlussempfehlung VorstAG), S. 12. 162 von Falkenhausen/Kocher, AG 2010, 623, 628; a. A. Döll, WM 2010, 103, 107; Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 272–273; Schüppen, ZIP 2010, 905, 911.
§ 5 Die Beteiligung der Hauptversammlung
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1. Allgemeine Überlegungen
a) Bestimmung des Abstimmungsgegenstandes Abstimmungsgegenstand ist das System zur Vergütung der Vorstandsmitglieder. § 120 Abs. 4 AktG konkretisiert den Begriff nicht weiter. In der Beschlussempfehlung zum VorstAG heißt es lediglich, dass die Formulierung an die damals gültigen Ziff. 4.2.3 und 4.2.5 DCGK 2009 angelehnt ist.163 Aus kompetenzrechtlicher Sicht ist dieses Vorgehen auf Kritik gestoßen, da einer privaten Organisation, der Kodex-Kommission, die Deutungshoheit über eine gesetzliche Norm zugesprochen worden sein soll.164 Tatsächlich betont die Beschlussempfehlung nur den Ursprung der Formulierung und bietet so einen ersten Ansatzpunkt für deren Bestimmung. Der Gesetzgeber hatte jedoch nicht der KodexKommission gestattet, zukünftig den gesetzlichen Begriff des Vergütungssystems verbindlich zu definieren. Aus kompetenzrechtlicher Sicht ist der Verweis auf Ziff. 4.2.3 und 4.2.5 DCGK 2009 daher nicht zu beanstanden. Problematisch ist vielmehr, dass hinter den im DCGK 2009 verwendeten Begrifflichkeiten kein ausgeklügeltes und praxiserprobtes Regelungsgerüst steckte. Selbst in der aktuell gültigen DCGK Fassung behandeln weder Ziff. 4.2.3 noch 4.2.5 die materiellen Voraussetzungen eines Vergütungssystems. Auch die Kommissionsempfehlungen 2004/913/EG165, 2005/162/EG166 und 2009/385/EG167, welche die Schaffung des § 120 Abs. 4 AktG beeinflusst haben,168 geben keine weiteren Details vor. So heißt es unter Art. 3.3 in 2004/913/EG und Art. 5.2 2009/385/EG zu den vage umschriebenen Bestandteilen der Vergütungserklärung meist nur, dass „ausreichende Informationen“ zur Verfügung gestellt werden müssen.169 Ähnlich unergiebig ist auch ein Blick in § 289 Abs. 2 Nr. 5 HGB und § 315 Abs. 2 Nr. 4 HGB. Seit dem VorstOG170 aus dem Jahr 2005 wird in den Normen 163
BT-Drucks 16/13433 (Beschlussempfehlung VorstAG), S. 12. Döll, WM 2010, 103, 109. 165 Empfehlung der Kommission vom 14. Dezember 2004 zur Einführung einer angemessenen Regelung für die Vergütung von Mitgliedern der Unternehmensleitung börsennotierter Gesellschaften (2004/913/EG), ABl. EU L 385 vom 29.12.2004, S. 55–59. 166 Empfehlung der Kommission vom 15. Februar 2005 zu den Aufgaben von nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern/börsennotierter Gesellschaften sowie zu den Ausschüssen des Verwaltungs-/Aufsichtsrats (2005/162/EG), ABl. EU L 52 vom 25.02.2005, S. 51–63. 167 Empfehlung der Kommission vom 30. April 2009 zur Ergänzung der Empfehlungen 2004/913/EG und 2005/162/EG zur Regelung der Vergütung von Mitgliedern der Unternehmensleitung börsennotierter Gesellschaften (2009/385/EG), ABl. EU L 120 vom 15.05.2009, S. 28–31. 168 BT-Drucks. 16/13433 (Beschlussempfehlung VorstAG), S. 12. 169 Siehe dazu nur ABl. EU L 385 vom 29.12.2004 (oben § 5 Fn. 165), S. 57; ABl. EU L 120 vom 15.05.2009 (oben § 5 Fn. 167), S. 30. 170 Gesetz vom 03.08.2005, BGBl. Band I, S. 2267–2268. 164
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2. Kap.: Die Personalkompetenz de lege lata
auf die Grundzüge des Vergütungssystems der Gesellschaft abgestellt. Der Gesetzgeber hat bei der Einführung der §§ 289 Abs. 2 Nr. 5, 315 Abs. 2 Nr. 4 HGB jedoch auch keine Begriffsdefinition vorgegeben, sondern sich auf die Aufzählung einzelner Anwendungsbeispiele beschränkt.171 Es überrascht daher nicht, dass die Normen in der Beschlussempfehlung zum VorstAG noch nicht einmal als Auslegungshilfe für § 120 Abs. 4 AktG herangezogen wurden, sondern vollständig unerwähnt blieben. Da den begleitenden Materialien zum VorstAG nicht entnommen werden kann, was unter dem System zur Vergütung der Vorstandsmitglieder nach § 120 Abs. 4 AktG zu verstehen ist, haben sich im Schrifttum verschiedenste Ansätze herausgebildet, um das Tatbestandsmerkmal zu konkretisieren.172 Allgemein gehaltene Aussagen, wie etwa, dass die Norm einen Überblick und die Darstellung von grundlegenden Konzepten verlange,173 sind zwar zutreffend, helfen in der Praxis allerdings nicht weiter. Über weitergehende Details konnte indes keine Einigkeit erzielt werden. Dies zeigte sich nicht zuletzt an der ganz grundlegenden Frage, ob die Vergütungshöhen im Rahmen einer Beschlussfassung nach § 120 Abs. 4 AktG überhaupt angegeben werden müssen. Einige Stimmen verstehen solche Ausführungen als Bestandteil eines Systems.174 Dem stehen Einschätzungen gegenüber, die der Norm nur eine Verpflichtung zu abstrakten Angaben entnehmen wollen.175 Tatsächlich verbietet es sich in Ermangelung gesetzlicher Vorgaben oder Hinweise in den begleitenden Materialien, allzu konkrete Anforderungen zu stellen. Die Entscheidung, was genau ein System ist und wie dieses dargestellt werden soll, obliegt vielmehr dem Rechtsanwender im Einzelfall. Weder wird man beispielsweise behaupten können, dass die Norm zwangsweise die Angaben von konkreten Zahlen verlangt, noch wird man die Darstellung von genauen Beträgen für unzulässig halten dürfen. Nicht mehr unter den von § 120 Abs. 4 AktG vorgegebenen Systembegriff fallen allenfalls extreme Gestaltung, etwa wenn sich der Aufsichtsrat lediglich auf die Angabe einer Vergütungsobergrenze beschränkt, ohne überhaupt darauf einzugehen, wie diese Summe verwendet wird. Auf Grund dieser tatbestandlichen Offenheit verwundert es nicht, dass das Merk171
Siehe BT-Drucks. 15/5577 (Abgeordnetenentwurf VorstOG), S. 8. Siehe nur Döll, WM 2010, 103, 109; Meyer, Vorstandsvergütung, S. 162; Schick, ZIP 2011, 593, 596; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), § 120 Rn. 60; Vetter, ZIP 2009, 2136, 2138; Voth, Beratende Hauptversammlungsbeschlüsse, S. 119–120. 173 Redenius-Hövermann, Der Aufsichtsrat 2009, 173, 174. 174 Döll, WM 2010, 103, 109; Redenius-Hövermann, Der Aufsichtsrat 2009, 173, 174. 175 Heinemann, in: Der Aufsichtsrat im System der Corporate Governance, S. 115, 131 („nicht der Vergütungshöhe!“); Hesse, Die Veröffentlichungspflicht für Vorstandsvergütung, S. 208; Hohenstatt, ZIP 2009, 1349, 1356 („nur das Ineinandergreifen der verschiedenen Vergütungsbestandteile“); Schick, ZIP 2011, 593; Schüppen, ZIP 2010, 905, 907 („Billigung konkreter Vergütungsregelungen und -höhen ausgeschlossen“); Voth, Beratende Hauptversammlungsbeschlüsse, S. 120. 172
§ 5 Die Beteiligung der Hauptversammlung
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mal des Vergütungssystems als „diffus“ bezeichnet worden ist.176 Die Begrifflichkeit bleibt in weiten Teilen unbestimmt.177 Das VorstKoG wollte gerade an dieser Stelle ansetzen. Die offensichtlichste Änderung wäre die verpflichtende Angabe zu den höchstens erreichbaren Gesamtbezügen in § 120 Abs. 4 Satz 2 AktG i. d. F. des VorstKoG geworden. Darüber hinaus hatte sich der Rechtsausschuss des Bundestages in der Beschlussempfehlung umfassend zu den Anforderungen eines Vergütungssystems geäußert. Dort heißt es, dass „alle Vergütungsbestandteile“ angegeben werden müssen, namentlich „fixe Vergütung, variable Vergütung, Altersversorgung und sonstige nennenswerte geldwerte Vorteile“.178 Ferner sollte darauf eingegangen werden, wie Abfindungen und Antrittsgelder behandelt werden.179 Damit verbunden war die Aufforderung, nicht lediglich „ein abstrakt formuliertes System vorzustellen“, sondern die „Auswirkung in Zahlen“ offenzulegen.180 Für die Angabe der Höchstvergütung wäre ein genauer Betrag in Euro notwendig geworden.181 Darüber hinaus wurde betont, dass der Aufsichtsrat „gut beraten“ sei, auch die mögliche Minimalvergütung und eine Angabe zum „mittleren Wahrscheinlichkeitsszenario“ zu machen.182 Unter letzterer Begrifflichkeit wollte der Gesetzgeber „die sich vermutlich ergebende Vergütung“ verstanden wissen.183 Die Ausführungen zum letztendlich gescheiterten VorstKoG können zwar nicht herangezogen werden, um das System zur Vorstandsvergütung im Rahmen des aktuellen § 120 Abs. 4 AktG zu bestimmen. Sie sind indes ein Fingerzeig, dass selbst die tendenziell eher aktionärsfreundliche Regierungskoalition in der 17. Legislaturperiode mit dem uneinheitlichen Verständnis des Tatbestandsmerkmals unzufrieden war. Die konkrete Entscheidung, was wie den Aktionären vorgelegt werden soll, obliegt damit im Kern auch weiterhin dem Aufsichtsrat. Es liegt auf der Hand, dass damit die Aussagekraft der Abstimmung nach § 120 Abs. 4 Satz 1 AktG stark eingeschränkt wird. b) Auswirkungen der DCGK Novelle 2013 Die Kodex-Kommission hat die Novelle 2013 genutzt, um insbesondere die kompensationsrelevanten Vorgaben im DCGK anzupassen. Wie soeben erwähnt, werden aber auch weiterhin nicht ausdrücklich die Bestandteile eines Vergü176 von Falkenhausen/Kocher, AG 2010, 623, 626; kritisch auch Hohenstatt, ZIP 2009, 1349, 1356. 177 Schüppen, ZIP 2010, 905, 907. 178 BT-Drucks. 17/14214 (Beschlussempfehlung VorstKoG), S. 17. 179 BT-Drucks. 17/14214 (Beschlussempfehlung VorstKoG), S. 17. 180 BT-Drucks. 17/14214 (Beschlussempfehlung VorstKoG), S. 17. 181 BT-Drucks. 17/14214 (Beschlussempfehlung VorstKoG), S. 17. 182 BT-Drucks. 17/14214 (Beschlussempfehlung VorstKoG), S. 17. 183 BT-Drucks. 17/14214 (Beschlussempfehlung VorstKoG), S. 17.
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2. Kap.: Die Personalkompetenz de lege lata
tungssystems behandelt. Das ist zumindest insoweit überraschend, als der Schwerpunkt der letzten Reform, auch vor dem Hintergrund der bestehenden Unsicherheiten im Schrifttum, eine Auseinandersetzung mit dem Thema hatte erwarten lassen. Ziff. 4.2.5 Abs. 3 Satz 1 DCGK 2013 fordert nun allerdings im Vergütungsbericht die Darstellung der für das Berichtsjahr gewährten Zuwendungen einschließlich der Nebenleistungen, bei variablen Vergütungsteilen ergänzt um die erreichbare Maximal- und Minimalvergütung, den Zufluss aus Fixvergütung, kurzfristiger und langfristiger variabler Vergütung mit Differenzierung nach den jeweiligen Bezugsjahren und bei der Altersversorgung und sonstigen Versorgungsleistungen den Versorgungsaufwand. Die Regelung gilt ausdrücklich nur für die tatsächlich gewährten Zahlungen, hat also keinen Bezug zu § 120 Abs. 4 AktG. Zumindest mittelbar kann man der Vorschrift aber entnehmen, welche Informationen die Kodex-Kommission zur Beurteilung von entsprechenden Abreden für notwendig hält. Es hätte daher eigentlich nicht ferngelegen, diese Angaben, wenn auch in abstrakter Form, als Mindeststandard für die Darstellung eines Vergütungssystems festzuschreiben. Dabei ist Ziff. 4.2.5 Abs. 3 Satz 1 DCGK 2013 freilich ebenfalls nur wenig konkret und lässt viele Fragen offen. So wird etwa nicht erklärt, ob beispielsweise die Zielvorgaben für variable Vergütungsbestandteile überhaupt im Vergütungsbericht angegeben werden müssen. Dennoch wäre eine Übertragung des Regelungsinhaltes auf den Beschlussgegenstand des § 120 Abs. 4 AktG zumindest ein erster Schritt gewesen, dem unbestimmten Tatbestandsmerkmal für börsennotierte Gesellschaften einige Konturen zu verpassen. Von einer entsprechenden Empfehlung hat die Kodex-Kommission allerdings ohne Begründung abgesehen. Darüber hinaus schlägt Ziff. 4.2.5 Abs. 3 Satz 2 DCGK seit 2013 erstmals eine einheitliche Darstellung für den Vergütungsbericht vor. Die in den Anlagen zum DCGK enthaltenen Mustertabellen sorgen nicht nur für die Aufarbeitung der Informationen in eindeutiger Form, die Standardisierung ermöglicht auch den Vergleich zwischen einzelnen Gesellschaften. Zum jetzigen Zeitpunkt ist noch nicht absehbar, wieweit sich diese Regulierung in der Praxis bewähren wird. Grundsätzlich begrüßenswert ist es aber, dass die Kodex-Kommission versucht, Publizitätsvorschriften zu objektivieren und die Entscheidung, wie Daten aufbereitet werden, nicht mehr allein der Gesellschaft überlassen will. Da der DCGK allerdings schon für das Vergütungssystem keine konkreten inhaltlichen Vorgaben enthält, ist es auch nur konsequent, dass für § 120 Abs. 4 AktG eine eigene Mustertabelle fehlt. Somit bleibt es bezüglich der Darstellung des Vergütungssystems im DCGK nur bei dem wohlmeinenden Rat aus Ziff. 4.2.5 Abs. 1 Satz 2, wonach diese in „allgemein verständlicher Form erfolgen soll“. Festhalten lässt sich somit, dass auch knapp vier Jahre nach Einführung des § 120 Abs. 4 AktG der DCGK das Vergütungsvotum nur rudimentär behandelt. Aktiengesellschaften, die nach § 161 AktG eine vollständige Befolgung des Kodex erklären, sind in der Auswahl der Bestandteile und der Darstellung des
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Systems gänzlich frei. Die Möglichkeit, den in der Praxis bestehenden Unsicherheiten zumindest im Ansatz entgegenzuwirken, wurde zumindest in der Novelle 2013 verpasst. c) Inhaltliche Initiativrechte der Hauptversammlung im Rahmen des § 120 Abs. 4 AktG Zu klären bleibt, ob die Hauptversammlung aus eigenem Antrieb Korrekturen bei der Darstellung und Zusammenstellung des Systems vornehmen kann, wenn diese mit der Ermessensausübung des Aufsichtsrats unzufrieden ist. § 120 Abs. 4 Satz 1 AktG erlaubt allerdings lediglich die Billigung des Systems zur Vergütung der Vorstände. Sprachlich ist damit gemeint, dass etwas akzeptiert wird, was andere entwickelt haben.184 Ein inhaltliches Gestaltungsrecht der Aktionäre, etwa um einzelne Bestandteile oder gar ein gesamtes Vergütungssystem zu entwickeln, sieht § 120 Abs. 4 Satz 1 AktG demnach nicht vor.185 Auch darf die Hauptversammlung nicht einzelne Bestandteile des vom Aufsichtsrat vorgelegten Systems von der Billigung ausklammern.186 Dies liegt freilich nicht daran, dass ein Vergütungssystem technisch immer nur als Gesamtpaket beurteilt werden kann.187 Vielmehr würde man so über Umwege den Gesellschaftern eben doch ein von der Norm erkennbar nicht gewolltes Gestaltungsrecht zuerkennen. Die gezielte Auswahl einzelner Bestandteile würde dem Aufsichtsrat zumindest unterschwellig signalisieren, welche Änderungen von der Hauptversammlung verlangt werden. Ein solches Vorgehen mag aus rechtspolitischer Sicht durchaus wünschenswert erscheinen, ist mit dem Wortlaut der Regelung jedoch unvereinbar. Gleiches gilt für den Fall, in dem die Aktionäre über § 122 Abs. 2 AktG eine Abstimmung in einer Gesellschaft auf die Tagesordnung setzen wollen, deren Aufsichtsrat überhaupt nicht auf ein Vergütungssystem zurückgreift. Weder § 120 Abs. 4 AktG, noch § 87 Abs. 1 AktG statuieren eine gesetzliche Pflicht zur Entwicklung abstrakter Vorgaben.188 Es ist zulässig, mit allen oder einzelnen Vor184
Annuß/Theusinger, BB 2009, 2434, 2439. Im Ergebnis auch Annuß/Theusinger, BB 2009, 2434, 2439; Fleischer/Bedkowski, AG 2009, 677, 683; Hoffmann, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 120 Rn. 53; Koch, in: Hüffer (Begr.), Aktiengesetz, § 120 Rn. 22; wohl auch Friedrich, Die Verrechtlichung von Organbezügen als europäisches Problem, S. 77. 186 Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 285–286; a. A. Vetter, ZIP 2009, 2136, 2139. 187 So aber Fleischer/Bedkowski, AG 2009, 677, 683. 188 Annuß/Theusinger, BB 2009, 2434, 2439; Friedrich, Die Verrechtlichung von Organbezügen als europäisches Problem, S. 77; Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 284; Thüsing, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung, S. 20; a. A. Redenius-Hövermann, Der Aufsichtsrat 2009, 173, 175, die davon ausgeht, dass ein System notwendig ist, „um die Anforderungen der §§ 87, 116 AktG, 289, 315 HGB zu erfüllen“; Voth, Beratende Hauptversammlungsbeschlüsse, S. 120–123; ähnlich auch Döll, WM 2010, 103, 108, der eine solche 185
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2. Kap.: Die Personalkompetenz de lege lata
standsmitgliedern die Bezüge individuell zu vereinbaren.189 Zwar werden in der Praxis ohnehin die größeren Unternehmen auf ein irgendwie geartetes System zurückgreifen.190 Ist dies jedoch nicht der Fall, geht auch § 120 Abs. 4 Satz 1 AktG ins Leere. Die Optionen, etwa über die Gründe für die Nichteinführung eines Systems abstimmen zu lassen oder über die Kriterien, welche stattdessen die einzelnen Vertragsabschlüsse beeinflussen, sind in § 120 Abs. 4 Satz 1 AktG nicht vorgesehen.191 In diesem Fall bleibt den Aktionären nur das Fragerecht aus § 131 AktG. Würde man der Hauptversammlung erlauben, über § 122 Abs. 2 AktG die Einführung eines Vergütungssystems gegen den Willen des Aufsichtsrats zu erzwingen, wäre dies mehr als eine bloße Billigung. d) Ergebnis Im Ergebnis zeigt sich somit, dass der gesetzliche Begriff des Systems zur Vergütung der Vorstandsmitglieder in Ermangelung von verwertbaren Auslegungshilfen konturlos bleibt. Auch aus dem DCGK ergeben sich keine weiterführenden Hinweise. Der Wortlaut des § 120 Abs. 4 Satz 1 AktG, der lediglich eine Billigung durch die Hauptversammlung erlaubt, schließt ferner jede Art von inhaltlichem Initiativrecht auf Seiten der Aktionäre aus. In der Praxis obliegt es demnach dem Aufsichtsrat, also gerade dem Gremium, welches durch die Norm diszipliniert werden soll, den genauen Umfang des Beschlussgegenstandes zu bestimmen. 2. Gerichtliche Nachprüfbarkeit
Von Interesse ist darüber hinaus, inwiefern eine Abstimmung nach § 120 Abs. 4 AktG einer gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Eine solche hat zwar unmittelbar keine Auswirkung auf den Anwendungsbereich der Norm. Für die langfristige Funktionsfähigkeit einer Regelung und die Aussagekraft jeder einzelnen Entscheidung ist es jedoch wichtig, in welchem Umfang Fehler bei der Abstimmung und gar der Zusammenstellung des Vergütungssystems nachgeprüft werden können.
Pflicht unmittelbar aus § 120 Abs. 4 AktG entnehmen will; in diese Richtung wohl auch Kubis, in: MünchKommAktG, § 120 Rn. 49. 189 Friedrich, Die Verrechtlichung von Organbezügen als europäisches Problem, S. 77; Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 284; Thüsing, AG 2009, 517, 525; Thüsing, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung, S. 20; kritisch Voth, Beratende Hauptversammlungsbeschlüsse, S. 120–123. 190 Koch, in: Hüffer (Begr.), Aktiengesetz, § 120 Rn. 23; Löbbe/Fischbach, WM 2013, 1625, 1628–1629. 191 So aber Schick, ZIP 2011, 593, 596 („ist [. . .] die individuelle Ausgestaltung [. . .] zu beschreiben“).
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a) Ausschluss der Anfechtungsklage nach § 243 AktG und Überlegungen zum Beschlussmängelrecht § 120 Abs. 4 Satz 3 AktG schließt ausdrücklich die Erhebung einer Anfechtungsklage nach § 243 AktG aus. Der Gesetzgeber begründet dies mit der mangelnden Bindungswirkung der Beschlussfassung.192 Auch wenn dies aus den Gesetzesmaterialien nicht unmittelbar hervorgeht, war die dahinter stehende Überlegung wohl, die Einführung der Norm mit möglichst geringen zusätzlichen Belastungen für die Gesellschaft zu verbinden und räuberischen Aktionären keine neue Angriffsfläche zu bieten.193 Räuberische Aktionäre sind Berufskläger, welche durch Gerichtsverfahren versuchen, die Umsetzung gesellschaftsrelevanter Entscheidungen zu verzögern und möglicherweise erst gegen Zahlung von einer Vergleichssumme von ihrem Vorhaben abzubringen sind.194 Auf derartige Gefahren war im Gesetzgebungsverfahren explizit hingewiesen worden.195 Tatsächlich wurde schon lange vor Einführung des § 120 Abs. 4 AktG das Anfechtungsrisiko als grundsätzliches Argument gegen eine Beteiligung der Aktionäre bei Vergütungsentscheidungen genannt.196 Diese Überlegungen wirken jedoch aus mehreren Gründen befremdlich. Die Vorstandsvergütung ist schon tendenziell als Betätigungsfeld für räuberische Aktionäre ungeeignet.197 Diese konzentrieren sich auf strukturändernde und im Handelsregister eintragungsbedürftige Beschlüsse.198 Da insbesondere § 120 Abs. 4 AktG keine rechtsverbindliche Wirkung entfaltet, kann die Gesellschaft mit entsprechenden Klagen auch nicht in „Geiselhaft“ genommen werden.199 Ist die Abstimmung über das Vergütungssystem unwirksam, bedeutet dies nicht automatisch, dass eine unangemessene Vergütung nach § 87 Abs. 1 AktG festgesetzt worden ist. Bereits abgeschlossene Verträge werden ebenfalls nicht nichtig. Die Gesellschaft kann darüber hinaus, unabhängig vom Ausgang einer juristi192
BT-Drucks. 16/13433 (Beschlussempfehlung VorstAG), S. 12. Fleischer, AG 2010, 681, 682; Fleischer/Bedkowski, AG 2009, 677, 685; Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 293–294; Redenius-Hövermann, Der Aufsichtsrat 2009, 173, 175; Vetter, ZIP 2009, 2136, 2140. 194 Ähnlich die Begriffsbestimmung bei Kiethe, NZG 2004, 489. 195 Goette, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung, S. 9. 196 A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 149; Martens, ZHR 169 (2005), 124, 149. 197 A.A. wohl A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 150, der sich auch auf Grund „etwaiger Anfechtungsrisiken“ gegen eine Aktionärsbeteiligung ausspricht. 198 Hirte, Stellungnahme zum Fraktionsentwurf eines Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung, S. 10–11; Lieder/Fischer, European Company and Financial Law Review 2011, 376, 416; ganz allgemein dazu Haar/Grechenig, AG 2013, 653, 661. 199 Das meint wohl auch Döll, WM 2010, 103, 111, der von einer mangelnden Hebelwirkung spricht; ähnlich Hirte, Stellungnahme zum Fraktionsentwurf eines Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung, S. 10–11. 193
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2. Kap.: Die Personalkompetenz de lege lata
schen Auseinandersetzung, jederzeit eine erneute Abstimmung durchführen lassen. Klagen gegen eine Beschlussfassung nach § 120 Abs. 4 AktG mögen im Einzelfall somit einen lästigen Mehraufwand bedeuten. Verzögern lassen sich geschäftliche Abläufe damit aber nicht. Darüber hinaus kann auch eine unverbindliche Abstimmung nur dann als Willen der Gesellschafter verstanden werden, wenn zumindest bestimmte formale Anforderungen eingehalten wurden.200 Dazu gehört etwa eine korrekte Auszählung der Stimmen.201 Schon konzeptionell ist der Ausschluss des § 243 AktG daher keine überzeugende Lösung. Dies gilt umso mehr, als der Gesetzgeber bei anderen unverbindlichen Beschlüssen, wie der Entlastung nach § 120 Abs. 1 Satz 1 AktG, eine Anfechtung zulässt.202 Am eindeutigen Wortlaut des § 120 Abs. 4 Satz 3 AktG vermögen diese Feststellungen indes natürlich nichts zu ändern. Eine Anwendung des § 243 AktG ist nicht möglich. b) Zulässigkeit einer Nichtigkeitsklage nach § 249 AktG Teilweise wird behauptet, dass neben der Anfechtungsklage aus § 243 AktG auch die Nichtigkeitsklage nach § 249 AktG ausgeschlossen sein soll. Dies würde sich zwar nicht unmittelbar aus der Norm ergeben, entspräche aber dem Ansinnen des Gesetzgebers, der alle Arten von Rechtsstreitigkeiten vermeiden wolle.203 Dieser Ansatz vermag allerdings nicht zu überzeugen. Die fehlende Erwähnung des § 249 AktG in § 120 Abs. 4 AktG darf man nicht einfach als Redaktionsversehen verstehen. Das deutsche Beschlussmängelrecht kennt nur zwei Klagearten. Man wird unterstellen dürfen, dass auch der Gesetzgeber mit diesen vertraut ist. Ausdrückliche Erwähnung fand aber eben nur § 243 AktG. In der Beschlussfassung des Rechtsausschusses wird ebenfalls sehr sorgsam darauf geachtet, nur auf die Anfechtungsklage Bezug zu nehmen.204 Folglich sprechen die besseren Argumente für die Zulässigkeit von Klagen nach § 249 AktG.205 200 Hirte, Stellungnahme zum Fraktionsentwurf eines Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung, S. 11; Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 297; Lieder/Fischer, European Company and Financial Law Review 2011, 376, 416. 201 Dieses Beispiel nennen etwa Hirte, Stellungnahme zum Fraktionsentwurf eines Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung, S. 11; Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 294; Lieder/Fischer, European Company and Financial Law Review 2011, 376, 416. 202 Darauf hinweisend Butzke, Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, Kapitel Q Rn. 27; von Falkenhausen/Kocher, AG 2010, 623, 628; Fleischer/Bedkowski, AG 2009, 677, 685. 203 In diese Richtung Annuß/Theusinger, BB 2009, 2434, 2439; Koch, in: Hüffer (Begr.), Aktiengesetz, § 120 Rn. 24; Kubis, in: MünchKommAktG, § 120 Rn. 51; Schick, ZIP 2011, 593, 594. 204 Siehe BT-Drucks 16/13433 (Beschlussempfehlung VorstAG), S. 12 („von entsprechenden Verfahren freigehalten“, „nicht ersichtlich, weshalb dem Vorstand oder den Aktionären hier eine Anfechtungsmöglichkeit bereitstehen müsste“).
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Problematisch ist jedoch, dass der Anwendungsbereich des § 249 AktG bei einem Vergütungsvotum gering ausfällt. Zwar ist eine Verletzung der von § 241 Nr. 1, Nr. 2 AktG geschützten formalen Voraussetzungen genauso möglich, wie bei jedem anderen Beschluss.206 Darüber hinaus sind Nichtigkeitsverstöße bei § 120 Abs. 4 AktG nur schwer vorstellbar.207 Auf die Bedeutung elementarer Anforderungen, wie etwa einer korrekten Auszählung der abgegebenen Stimmen, ist bereits hingewiesen worden. Durch eine Nichtigkeitsklage kann eine solche Zuwiderhandlung beispielsweise gar nicht gerügt werden. Einen umfassenden Schutz vermittelt § 249 AktG daher nicht. c) Verfassungsrechtliche Bedenken und Zulässigkeit einer Feststellungsklage nach § 256 ZPO Grundsätzlich sind die Entscheidungen des Gesetzgebers auch dann zu akzeptieren, wenn die dahinter stehenden Annahmen aus Sicht des Rechtsanwenders wenig stimmig erscheinen. Bezüglich § 120 Abs. 4 AktG wird jedoch vertreten, dass aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten eine Korrektur angezeigt ist.208 Das Bundesverfassungsgericht leitet nämlich aus dem Rechtsstaatsprinzip den so genannten allgemeinen Justizgewährungsanspruch her.209 Dieser verlangt, dass auch in Zivilsachen wirksamer Rechtsschutz gewährt wird.210 Gemeint ist eine „umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung“.211 Es besteht laut Bundesverfassungsgericht demnach ein „Recht auf Zugang zu den Gerichten“.212 Möglich ist es allerdings, Anforderungen an die Zulässigkeit eines Verfahrens zu stellen.213 205 So auch Döll, WM 2010, 103, 110; von Falkenhausen/Kocher, AG 2010, 623, 628; Vetter, ZIP 2009, 2136, 2140; Voth, Beratende Hauptversammlungsbeschlüsse, S. 219; wohl auch Fleischer/Bedkowski, AG 2009, 677, 685. 206 Begemann/Laue, BB 2009, 2442, 2445; von Falkenhausen/Kocher, AG 2010, 623, 628; Fleischer/Bedkowski, AG 2009, 677, 685; Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 303; Voth, Beratende Hauptversammlungsbeschlüsse, S. 220. 207 So Begemann/Laue, BB 2009, 2442, 2445; von Falkenhausen/Kocher, AG 2010, 623, 628; Fleischer/Bedkowski, AG 2009, 677, 685; Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 303; Voth, Beratende Hauptversammlungsbeschlüsse, S. 220– 222. 208 Döll, WM 2010, 103, 110–111 (ohne aus der angenommenen Verfassungswidrigkeit jedoch unmittelbar Konsequenzen zu ziehen); Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 295–298; dies zumindest andeutend Hirte, Stellungnahme zum Fraktionsentwurf eines Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung, S. 11. 209 Siehe nur BVerfGE 54, 277, 291; BVerfGE 80, 103, 107 (in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 19 Abs. 4 GG); BVerfGE 85, 337, 345; BVerfGE 88, 118, 124 (in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG). 210 BVerfGE 54, 277, 291; BVerfGE 85, 337, 345; BVerfGE 88, 118, 123. 211 BVerfGE 54, 277, 291; BVerfGE 85, 337, 345. 212 BVerfGE 85, 337, 345; ähnlich BVerfGE 88, 118, 123. 213 BVerfGE 85, 337, 345–346; BVerfGE 88, 118, 123–124.
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2. Kap.: Die Personalkompetenz de lege lata
Der Gesetzgeber hat sich bei Erlass des VorstAG nicht dazu geäußert, ob § 120 Abs. 4 Satz 3 AktG verfassungsrechtliche Bedenken hervorrufen könnte. Dies ist überraschend, da in der Anhörung vor dem Rechtsausschuss ausdrücklich auf diese Problematik hingewiesen wurde.214 Die Ausführungen in der Beschlussempfehlung legen die Vermutung nahe, dass wegen der mangelnden Bindungswirkung kein Schutzbedürfnis auf Seiten von Verwaltung und Aktionären erkannt wurde.215 Diese Ansicht wird teilweise auch im Schrifttum geteilt.216 Mangelnde rechtliche Bindung kann tatsächlich ein Argument gegen die Notwendigkeit einer gerichtlichen Kontrolle sein. Im Rahmen der Abstimmung nach § 120 Abs. 4 AktG greifen diese Überlegungen jedoch zu kurz. Gerade hier kann man Verbindlichkeit und Wirkung nicht gleichsetzen.217 Es ist bereits gezeigt worden, dass die Festsetzung der Vorstandsvergütung in Öffentlichkeit, Politik und Fachschrifttum eine immense Aufmerksamkeit genießt.218 Diese will sich der Gesetzgeber durch die unverbindliche Abstimmung bewusst zu Nutze machen.219 Gerade wenn für eine Beschlussfassung eine derartige Sensibilisierung besteht, ist aus verfassungsrechtlichen Gründen aber auch eine umfassende gerichtliche Nachprüfbarkeit geboten.220 Dies bedeutet jedoch nicht, dass § 120 Abs. 4 Satz 3 AktG oder gar die gesamte Regelung auf Grund eines Verstoßes gegen den allgemeinen Justizgewährungsanspruch unwirksam wäre. Um die Verfassungsmäßigkeit sicherzustellen, bleibt nämlich ein Rückgriff auf die Feststellungsklage nach § 256 ZPO.221 Der Wortlaut des § 120 Abs. 4 AktG schließt deren Anwendung nicht aus. Es ist zwar wiederum verwunderlich, dass sich der Rechtsausschuss im Rahmen der Beratungen zum VorstAG nicht zu § 256 ZPO geäußert hat. Auch auf diese Vorschrift ist in der Anhörung ausdrücklich hingewiesen worden.222 Vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Bedenken wird man darin gleichwohl nicht den konklu214 Hirte, Stellungnahme zum Fraktionsentwurf eines Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung, S. 11. 215 Siehe BT-Drucks. 16/13433 (Beschlussempfehlung VorstAG), S. 12. 216 Hoffmann, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 120 Rn. 55; Hohenstatt, ZIP 2009, 1349, 1356; Voth, Beratende Hauptversammlungsbeschlüsse, S. 213–214. 217 Ähnlich Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 296; vergleichbar auch die Argumentation bei Hesse, Die Veröffentlichungspflicht für Vorstandsvergütung, S. 212–214. 218 Siehe dazu bereits oben unter § 1 A. 219 Nicht umsonst bezieht sich BT-Drucks. 16/13433 (Beschlussempfehlung VorstAG), S. 12 auf die „erhebliche Öffentlichkeitswirkung“. 220 So auch Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 295–297. 221 So schon Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 298–302; auf diese Möglichkeit hinweisend Hirte, Stellungnahme zum Fraktionsentwurf eines Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung, S. 11, der in diesem Zusammenhang jedoch von „sinnloser Kreativität“ spricht. 222 Hirte, Stellungnahme zum Fraktionsentwurf eines Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung, S. 11.
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denten Ausschluss der Klageart erkennen dürfen. Insbesondere fehlt es auf Grund der bereits erläuterten tatsächlichen Wirkung der Abstimmung nicht an dem für § 256 ZPO notwendigen Rechtsschutzbedürfnis und dem Feststellungsinteresse.223 Um die Aktionäre durch den Rückgriff nicht besser zu stellen als wie wenn § 243 AktG unmittelbar einschlägig wäre, bietet es sich an, die Regelungen zur Anfechtungsbefugnis aus § 245 AktG analog auch bei einer Klage nach § 256 ZPO zu berücksichtigen.224 Über § 256 ZPO wird man dabei nicht nur die Prüfung von formellen Mängel zulassen müssen, wie etwa Verfahrensfehlern, der Verletzung von Informationsrechten oder falsche Stimmauszählungen.225 Um dem allgemeinen Justizgewährungsanspruch Genüge zu tun, muss, entsprechend dem eigentlich ausgeschlossenen § 243 Abs. 1 AktG, eine gerichtliche Nachkontrolle von allen Arten von Gesetzesverstößen erlaubt werden. Dies bedeutet nicht nur, dass eine Entscheidung darüber herbeigeführt werden kann, ob die vom Aufsichtsrat vorgelegten Informationen wirklich ein System im Sinne des § 120 Abs. 4 Satz 1 AktG darstellen. Auf Grund des weiten Tatbestandes dürfte ein derartiges Vorgehen ohnehin nur selten erfolgversprechend sein. Vor allem aber wird man trotz der Unverbindlichkeit den Beschluss nach § 120 Abs. 4 Satz 1 AktG auch an § 87 Abs. 1 AktG messen lassen müssen. Ein System, welches schlechterdings nur die Festsetzung von unangemessener Vorstandsvergütung erlaubt, verstößt gegen zwingende gesetzliche Vorgaben. Auf diesem Weg kann somit zumindest eine inhaltliche Plausibilitätskontrolle der Vorlage vom Aufsichtsrat gewährleistet werden. d) Ergebnis Eine umfassende gerichtliche Nachprüfbarkeit der Abstimmung nach § 120 Abs. 4 Satz 1 AktG ist trotz des in § 120 Abs. 4 Satz 3 AktG geregelten Ausschlusses der Anfechtungsklage demnach möglich. Neben einer Nichtigkeitsklage aus § 249 AktG, für die bei einem Vergütungsvotum jedoch nur ein geringer Anwendungsbereich besteht, kann auch eine Feststellungsklage nach § 256 ZPO erhoben werden. 3. Beurteilung des § 120 Abs. 4 AktG
Die Untersuchung des Anwendungsbereiches des § 120 Abs. 4 AktG hinterlässt ein gemischtes Bild. Sicherlich hat die Einführung der Regelung im Jahr 2009 die Position der Gesellschafter gestärkt. Vor der Reform durch das VorstAG 223 Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 300; a. A. Begemann/ Laue, BB 2009, 2442, 2445; ablehnend auch Voth, Beratende Hauptversammlungsbeschlüsse, S. 223–224. 224 So auch Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 301. 225 So die Aufzählung bei Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 301.
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2. Kap.: Die Personalkompetenz de lege lata
kannte das deutsche Recht überhaupt keine institutionalisierte Abstimmung über die Vergütung der Geschäftsleitung. Die Vorschrift ist somit ein Beleg dafür, dass der Gesetzgeber die Einschätzung der Aktionäre in diesem Bereich für wichtig erachtet. Die Beschlussfassung kann immensen Druck auf die Verwaltung aufbauen, damit diese bisherige Entscheidungen überdenkt oder sogar bereits abgeschlossene Verträge neu verhandelt. Die mangelnde rechtliche Bindungswirkung nach § 120 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 1 AktG zeigt jedoch, dass der Hauptversammlung eine abschließende Beurteilung nicht zugetraut wird. Noch gravierender für die Aussagekraft der Norm dürfte gleichwohl sein, dass kein einheitliches Verständnis über die Bestandteile eines Vergütungssystems und der damit einhergehenden Informationstiefe existiert. Es obliegt daher dem Aufsichtsrat darüber zu entscheiden, was den Aktionären genau vorgelegt wird. Eine inhaltliche Mitwirkung an der Gestaltung des Systems schließt § 120 Abs. 4 AktG aus. Letztendlich legt somit der Aufsichtsrat den Anwendungsbereich der Norm selbst fest. Vor dem Hintergrund dessen, was sich der Gesetzgeber von der Regelung erhofft, ist dies ein unbefriedigendes Ergebnis. Die Konturlosigkeit des Tatbestandes bedeutet allerdings nicht, dass der Beschlussfassung inhaltlich kein Wert zukommt. Über § 256 ZPO wird eine effektive gerichtliche Nachkontrolle ermöglicht. Besonders gravierenden Fehlern oder bewussten Missbräuchen kann auf diesem Weg entgegengewirkt werden. Darüber hinaus können finanzstarke Investoren und auch der vom Kapitalmarkt erzeugte Druck eine Gesellschaft dazu bringen, aussagekräftige Systeme zur Abstimmung zu stellen. In letzter Konsequenz steht es der Hauptversammlung frei, wenig auskunftsfreudige Vertreter im Aufsichtsrat durch eine Abbestellung nach § 103 Abs. 1 AktG oder zumindest einer Verweigerung der Wiederbestellung nach § 101 Abs. 1 AktG zu disziplinieren. Festhalten lässt sich aber, dass § 120 Abs. 4 AktG insgesamt nicht gewährleistet, dass die Gesellschafter in Bezug auf das Vergütungssystem ihren Willen gegenüber dem Aufsichtsrat durchsetzen können. In ihrer Wirkungsweise ist die Vorschrift somit vergleichbar mit § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG. Die Aktionäre können der Verwaltung in institutionalisierter Form ihre Meinung mitteilen. Ob ihrem Anliegen jedoch Gehör geschenkt wird, entscheidet letztendlich autark der Aufsichtsrat. § 120 Abs. 4 AktG ist demnach kein eindeutiges Bekenntnis zur Aktionärsdemokratie im Bereich der Personalvergütung. III. Mitwirkung bei der Auflage echter und virtueller Aktienoptionspläne Darüber hinaus bestehen Mitwirkungsrechte, wenn der Vorstand mit echten oder virtuellen Aktienoptionsplänen vergütet werden soll. Echte Aktienoptionspläne sind solche, bei denen dem Berechtigten bei Ausübung tatsächlich mit-
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gliedschaftliche Rechte zugeteilt werden. Bei virtuellen Gestaltungen wird demgegenüber lediglich schuldrechtlich ein hypothetischer Aktienbezug nachgebildet und daran anknüpfend ein finanzieller Ausgleich gewährt.226 Unterschieden wird bei virtuellen Aktienoptionsprogrammen im Grundsatz zwischen zwei verschiedenen Ausgestaltungen. Bei stock appreciation rights handelt es sich um Wertsteigerungsrechte, die auf einen Barausgleich gerichtet sind.227 Dieser Ausgleich orientiert sich häufig am aktuellen Aktienkurs der Gesellschaft.228 Phantom stocks bezeichnen schuldrechtliche Nachahmungen von Aktien, die etwa auch Dividendenausschüttungen berücksichtigen.229 Die Ausgestaltung im Einzelnen variiert, insbesondere was Art und Umfang der Rechte angeht.230 Allen virtuellen Ausgestaltungen ist jedoch gemein, dass weder eine echte mitgliedschaftliche Stellung, noch eine Möglichkeit zum Bezug von Mitgliedschaftsrechten vermittelt wird.231 Die Vor- und Nachteile von Aktien als Vergütungsbestandteil sind bereits herausgearbeitet worden.232 Da zumindest echte Aktienoptionspakete als eine Hauptursache für den starken Gehaltsanstieg von Vorstandsmitgliedern gerade in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts gelten, ist deren Popularität stark zurückgegangen. Eine Trendwende ist vor dem Hintergrund der öffentlichen Wahrnehmung unwahrscheinlich, kann bei einer schnelllebigen Materie, wie der Geschäftsleiterkompensation, aber nie ganz ausgeschlossen werden. Immerhin sind Aktienoptionsprogramme ein kapitalschonender Vergütungsbestandteil, weil die Aktionäre anstatt mit Barmitteln mit einer Verwässerung der bestehenden Anteile bezahlen.233 Gerade in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten kann dies von Vorteil sein.234
226 Grattenthaler, Die Vergütung von Vorstandsmitgliedern in Aktiengesellschaften, S. 218–219; Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 87 Rn. 79; Spindler, in: MünchKommAktG, § 87 Rn. 112. 227 Fuchs, in: MünchKommAktG, § 192 Rn. 85; Kort, in: GroßkommAktG, § 87 Rn. 193. 228 Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 87 Rn. 79. 229 A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 121; Fuchs, in: MünchKommAktG, § 192 Rn. 85; Kort, in: GroßkommAktG, § 87 Rn. 193; Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 87 Rn. 79. 230 Siehe nur die unterschiedlichen Gewichtungen bei A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 121–122; Fuchs, in: MünchKommAktG, § 192 Rn. 85; Hoffmann-Becking, ZHR 169 (2005), 155, 164; Kort, in: GroßkommAktG, § 87 Rn. 193; Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 87 Rn. 79. 231 Feddersen/Pohl, AG 2001, 26, 28; Fuchs, in: MünchKommAktG, § 192 Rn. 85. 232 Siehe dazu bereits oben unter § 3 B. II. 233 Fuchs, in: MünchKommAktG, § 192 Rn. 69; T. Götze, Aktienoptionen für Vorstandsmitglieder und Aktionärsschutz, S. 56, 61–68; Rieckers, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 192 Rn. 41; Wulff, Aktienoptionen für das Management, S. 6–7; ähnlich Dierks, Selbstständige Aktienoptionsscheine, S. 146. 234 T. Götze, Aktienoptionen für Vorstandsmitglieder und Aktionärsschutz, S. 56.
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2. Kap.: Die Personalkompetenz de lege lata
Das Gesetz hält keine einheitliche Norm für die Einführung von echten und virtuellen Aktienoptionspaketen vor, vielmehr kommen je nach Ausgestaltung unterschiedliche Regelungen in Betracht. Dem Untersuchungsgegenstand der Arbeit entsprechend wird in der Folge nicht auf die technischen Details der Implementierung derartiger Programme eingegangen. Vielmehr soll herausgestellt werden, welche Mitwirkungsrechte den Eigenkapitalgebern überhaupt zustehen und wie die Kompetenzen insgesamt zu bewerten sind. 1. Bedingte Kapitalerhöhung nach §§ 192 Abs. 2 Nr. 3, 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG
a) Anforderungen an die Kapitalerhöhung Durch das KonTraG235 wurden 1998 die §§ 192 Abs. 2 Nr. 3, 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG in das Aktiengesetz eingefügt. Damit hat der Gesetzgeber ausdrücklich „nackte Optionen“ als Vergütungsbestandteile für Arbeitnehmer und Mitglieder der Geschäftsführung für zulässig erklärt.236 Unter „nackten Optionen“ versteht man die Ausgabe von Bezugsrechten ohne damit verbundene Schuldverschreibung.237 Für den Kapitalerhöhungsbeschluss der Aktionäre sind dabei die allgemeinen Voraussetzungen des § 193 AktG zu berücksichtigen. Der speziell auf Aktienoptionsprogramme zugeschnittene § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG verlangt darüber hinaus, dass die Gesellschafter über die Aufteilung der Bezugsrechte, die Erfolgsziele, Erwerbs- und Ausübungszeiträume, sowie die vorgesehene Wartezeit für die erstmalige Ausübung informiert werden. b) Anforderungen an die Einräumung der „nackten Optionen“ an den Vorstand Die herrschende Meinung sieht die §§ 192 Abs. 2 Nr. 3, 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG als abschließende Regelungen und stellt keine ergänzenden Anforderungen an die schuldrechtliche Einräumung der Optionen an den Vorstand.238 Tatsächlich aber könnten „nackte Optionen“ als Genussrecht unter § 221 Abs. 3 AktG fallen, was eine weitere Beschlussfassung der Aktionäre notwendig machen würde. So müsste zum einen über die Ausgabe der Genussrechte selbst mit einer drei Viertel Mehrheit entschieden werden, darüber hinaus käme über den Verweis
235
Gesetz vom 24.07.1998, BGBl. Band I, S. 786–794. BT-Drucks. 13/9712 (RegE KonTraG), S. 23. 237 Fuchs, in: MünchKommAktG, § 192 Rn. 48; Habersack, in: MünchKommAktG, § 221 Rn. 36; Schlitt/Löschner, BKR 2002, 150; Tegtmeier, Die Vergütung von Vorstandsmitgliedern in Publikumsgesellschaften, S. 340. 238 Aha, BB 1997, 2225 (noch zum Referentenentwurf des KonTraG); Feddersen/ Pohl, AG 2001, 26, 27; Zitzewitz, Stock Options, S. 82–83; wohl auch Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 87 Rn. 42. 236
§ 5 Die Beteiligung der Hauptversammlung
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in § 221 Abs. 4 Satz 2 AktG auch § 186 AktG zur Anwendung, so dass den Aktionären ein Bezugsrecht auf die eigentlich für den Vorstand vorgesehenen Optionen zustände, welches nach § 186 Abs. 3, Abs. 4 AktG ausgeschlossen werden müsste. Unter Genussrechten werden ganz allgemein „schuldrechtliche Ansprüche auf aktionärstypische Vermögensrechte“ verstanden, die nicht schon unter § 221 Abs. 1 AktG fallen.239 Welche inhaltlichen Anforderungen an diese Ansprüche zu stellen sind, wird im Einzelnen kontrovers diskutiert.240 Die Norm will im Ergebnis verhindern, dass die Gesellschaft ohne Zustimmung der Aktionäre Ansprüche schafft, welche in Konkurrenz zu den originären Mitgliedschaftsrechten treten.241 Ob dies der Fall ist, lässt sich nicht abstrakt beantworten, sondern muss immer mit Blick auf die konkrete Ausgestaltung beurteilt werden. „Nackte Optionen“ erlauben dem Begünstigten nach der Ausübung Aktionär der Gesellschaft zu werden. Damit wird ein Anspruch auf ein aktionärstypisches Vermögensrecht geschaffen, nämlich die Mitgliedschaft selbst, mitsamt aller damit verbundenen Rechte und Pflichten.242 Abgesehen von der Anleihekomponente gleichen diese den in § 221 Abs. 1 AktG ausdrücklich genannten Wandelschuldverschreibungen im weiteren Sinne.243 Wenn der Gesetzgeber bei Wandelschuldverschreibungen die Anforderungen des § 221 AktG sichergestellt wissen will, muss dies im Ergebnis auch für „nackte Optionen“ gelten. Daher fallen derartige Optionen unmittelbar unter § 221 Abs. 3 AktG.244 Es wird jedoch vertreten, dass die Anwendbarkeit der Norm ausgeschlossen sei, weil die Regeln über die Kapitalerhöhung nach § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG als lex specialis die Anforderungen des allgemeineren § 221 Abs. 3 AktG verdrängen würden.245 Konsequenz wäre, dass eine Aktionärseinbeziehung neben dem Kapitalerhöhungsbeschluss trotz Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen des § 221 Abs. 3 AktG nicht notwendig werden würde.
239 Habersack, in: MünchKommAktG, § 221 Rn. 64; ähnlich Dierks, Selbstständige Aktienoptionsscheine, S. 86. 240 Siehe nur Hirte, in: GroßkommAktG, § 221 Rn. 323, 318–341. 241 Habersack, in: MünchKommAktG, § 221 Rn. 62. 242 Fuchs, in: MünchKommAktG, § 192 Rn. 51. 243 Fuchs, in: MünchKommAktG, § 192 Rn. 50; Habersack, in: MünchKommAktG, § 221 Rn. 37; Rieckers, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 192 Rn. 31. 244 Dierks, Selbstständige Aktienoptionsscheine, S. 94–95; Fuchs, DB 1997, 661, 665; Fuchs, in: MünchKommAktG, § 192 Rn. 51; Habersack, in: MünchKommAktG, § 221 Rn. 37; Schlitt/Löschner, BKR 2002, 150, 153; a. A. Zitzewitz, Stock Options, S. 82 mit Verweis auf den Wortlaut der Norm; ähnlich Hirte, in: GroßkommAktG, § 221 Rn. 302; gegen eine Anwendbarkeit des § 221 AktG auch Wulff, Aktienoptionen für das Management, S. 102–103; für eine analoge Anwendbarkeit T. Götze, Aktienoptionen für Vorstandsmitglieder und Aktionärsschutz, S. 144–146. 245 So Weiß, Aktienoptionspläne für Führungskräfte, S. 224–225; Weiß, WM 1999, 353, 359; dagegen ausdrücklich Fuchs, in: MünchKommAktG, § 192 Rn. 111.
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2. Kap.: Die Personalkompetenz de lege lata
c) Das Verhältnis von § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG zu § 221 Abs. 3 AktG aa) Wortlaut Für die Frage, wie sich § 221 Abs. 3 AktG und § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG zueinander verhalten, ist der Wortlaut beider Vorschriften unergiebig. Weder der einen, noch der anderen Norm kann entnommen werden, ob diese nebeneinander anwendbar sind oder nur der Kapitalerhöhungsbeschluss notwendig ist. bb) Systematik Rechtlich gilt, dass die Schaffung der Aktien durch eine Kapitalerhöhung und die schuldrechtliche Einräumung des Bezugsrechts getrennte Akte sind. Für letztgenannten Vorgang besteht mit § 221 AktG eine Sondernorm. Die Beschaffung von Aktien beinhaltet nicht automatisch auch die Berechtigung zur schuldrechtlichen Ausgabe.246 Dies zeigt nicht zuletzt § 192 Abs. 2 Nr. 1 AktG, der unstreitig neben der Kapitalerhöhung auch einen Beschluss über die Gewährung von Wandelschuldverschreibungen nach § 221 Abs. 1 AktG erfordert. Es ist nicht ersichtlich, warum für § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG etwas anderes gelten sollte. Aus systematischen Gesichtspunkten sind beide Regelungen daher kumulativ anzuwenden. cc) Sinn und Zweck Um herauszufinden, ob Sinn und Zweck bei der Auflage echter Aktienoptionen eine Anwendbarkeit des § 221 Abs. 3 AktG voraussetzen, ist es wichtig, sich die praktischen Auswirkungen der Norm vor Augen zu führen. Die gewichtigste Folge wäre die Einräumung eines Bezugsrechts an die Aktionäre, welches durch eine separate Abstimmung nach § 186 Abs. 3, Abs. 4 AktG erst ausgeschlossen werden müsste, bevor der Vorstand bedient werden könnte. Anerkennen muss man, dass in vielen Fällen ein Bedürfnis für eine zusätzliche Beschlussfassung nach § 221 Abs. 3, Abs. 4 AktG nicht erkennbar ist.247 Die Aktionäre geben durch die Zustimmung zu einer zweckgebundenen Kapitalerhöhung nach § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG bereits zu erkennen, dass die Einführung eines Aktienoptionsprogrammes zu Vergütungszwecken gewünscht wird. Diese Zustimmung beinhaltet mittelbar auch den Verzicht auf ein möglicherweise bestehendes Bezugsrecht, da anderenfalls ein Aktienoptionsprogramm überhaupt nicht funktionieren kann.
246
Fuchs, DB 1997, 661, 666; Fuchs, in: MünchKommAktG, § 192 Rn. 111. So auch T. Götze, Aktienoptionen für Vorstandsmitglieder und Aktionärsschutz, S. 146; ähnlich Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 87 Rn. 45 (kein Informationsdefizit). 247
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Verschiedentlich heißt es zwar, die ergänzende Berichtspflicht aus §§ 221 Abs. 4 Satz 2, 186 Abs. 4 Satz 2 AktG würde das materielle Schutzniveau für die Gesellschafter erhöhen.248 Die in dem Bericht enthaltene Begründung für den Ausschluss der Bezugsrechte soll demnach zusätzliche Transparenz und Publizität garantieren.249 Vor dem Hintergrund der Anforderungen des § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG ist mit dem Bericht aus § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG aber inhaltlich kein zusätzlicher Erkenntnisgewinn verbunden. Durch § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG hat der Gesetzgeber gezeigt, dass die Einräumung eines Optionsprogrammes als gesetzlicher Zweck für einen Bezugsrechtsausschluss anerkannt ist. Zu Recht ist daher auch von Befürwortern einer Anwendbarkeit des § 221 Abs. 3 AktG darauf hingewiesen worden, dass diese Wertung im Rahmen des § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG Berücksichtigung finden müsse.250 Dies zeigt deutlich, dass in den meisten Fällen dem Bezugsrechtsauschluss und der damit einhergehenden Berichtspflicht keine eigene Bedeutung zukommt. Etwas anders gilt indes, wenn die bedingte Kapitalerhöhung und die schuldrechtliche Einräumung der Bezugsrechte zeitlich auseinanderfallen. § 221 AktG verweist zwar nicht auf § 187 Abs. 2 AktG. Zu Recht nimmt die herrschende Meinung aber an, dass die Norm auch das gesetzliche Bezugsrecht aus §§ 221 Abs. 4 Satz 2, 186 AktG vor vertraglicher Disposition schützt.251 Optionen können demzufolge nicht wirksam vor dem Beschluss über die Kapitalerhöhung ausgegeben werden.252 Andersrum ist es aber durchaus möglich, erst eine Kapitalerhöhung zu beschließen und das eigentliche Optionsprogramm deutlich später an den Vorstand einzuräumen. § 221 Abs. 3 AktG sichert in solchen Fälle eine neuerliche Abfrage der Aktionärspräferenzen ab.253 Je nachdem wie sich etwa die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft verändert hat, gibt dies den Aktionären die Möglichkeit, die vorherige Entscheidung zu überdenken und gegebenenfalls zu korrigieren.
248
Fuchs, in: MünchKommAktG, § 192 Rn. 109, 110; Zitzewitz, Stock Options,
S. 85. 249
Zitzewitz, Stock Options, S. 85. Fuchs, in: MünchKommAktG, § 192 Rn. 110. 251 Siehe nur Koch, in: Hüffer (Begr.), Aktiengesetz, § 187 Rn. 2, § 221 Rn. 46; Peifer, in: MünchKommAktG, § 187 Rn. 2; Servatius, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 187 Rn. 9. 252 A. A. T. Götze, Aktienoptionen für Vorstandsmitglieder und Aktionärsschutz, S. 146. 253 Ähnlich argumentiert T. Götze, Aktienoptionen für Vorstandsmitglieder und Aktionärsschutz, S. 146, vor dem Hintergrund einer analogen Anwendung des § 221 AktG. T. Götze hält in Abweichung von § 187 Abs. 2 AktG eine separate Beschlussfassung bezüglich der Optionsrechte dann für notwendig, wenn die Entscheidung über die Ausgabe der Optionen vor dem Kapitalbeschaffungsbeschluss getroffen wird. Wie gezeigt, ist eine solche Zusicherung jedoch unwirksam. Denkbar ist jedoch eine nachträgliche Einräumung der Bezugsrechte. 250
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2. Kap.: Die Personalkompetenz de lege lata
Unterstellt man, dass Sinn und Zweck des § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG ein möglichst umfassender Schutz der Aktionäre sein soll, würde dies somit für die Anwendbarkeit des § 221 Abs. 3 AktG sprechen. Nach dem Vorhergesagten kann man allerdings nicht schlechterdings davon ausgehen, dass die Auflage echter Aktienoptionsprogramme nur bei einer Berücksichtigung des § 186 AktG überhaupt sinnvoll funktionieren kann. Fälle, in denen zwischen Kapitalerhöhung und schuldrechtlicher Einräumung der Optionen eine lange Zeit liegt, in der sich noch dazu die Aktionärsvorstellungen gravierend ändern, dürften selten sein. Ein zwingendes Argument lässt sich aus den vorherigen Ausführungen somit nicht gewinnen. Allerdings könnte die Anwendbarkeit des § 221 Abs. 3 AktG auf Grund europarechtlicher Vorgaben geboten sein. Art. 33 Abs. 1 der so genannten Kapitalrichtlinie254 fordert, dass Aktionären vorzugsweise die bei der Kapitalerhöhung auszugebenden Aktien angeboten werden. Ein Ausschluss der Bezugsrechte ist zwar möglich, nach Art. 33 Abs. 4 Satz 3 der Kapitalrichtlinie jedoch nur bei Vorlage eines separaten Berichts. Zwar erlaubt Art. 45 Abs. 1 der Kapitalrichtlinie ausdrücklich nationale Abweichungen, wenn der Bezug von Aktien „durch einzelstaatliches Recht festgelegter Gruppen von Personen“ gefördert werden soll. Grundsätzlich stellt der Vorstand eine solche Gruppe dar.255 Nach Ansicht des EuGH in der Rechtssache „Karella und Karellas“ verfolgt die Ausnahme in der Kapitalrichtlinie aber „den ganz bestimmten und begrenzten sozialpolitischen Zweck [. . .] breite Kreise der Bevölkerung am Aktienbesitz zu beteiligen“.256 Ziel ist nach Ansicht der europäischen Richter, „die Beteiligung von Personen am Kapital von Unternehmen objektiv und konkret zu fördern, die, wie die Arbeitnehmer, im allgemeinen nicht über die Mittel verfügen, die notwendig sind, um unter den normalen Bedingungen des Gesellschaftsrechts der Mitgliedstaaten Anteile am Kapital von Unternehmen zu erwerben.“ 257 Die Geschäftsführung einer Gesellschaft hat allerdings meist die entsprechenden Mittel, um sich auch unabhängig von der jeweiligen Vergütungsabrede Aktieneigentum zu sichern.258 Die vom EuGH vorgegebene Interpretation des Art. 45 Abs. 1 der Kapitalrichtlinie spricht daher dafür, dass § 186 AktG Anwendung finden muss, wenn es um
254 Richtlinie 2012/30/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012, ABl. EU L 315/74 vom 14.11.2012, S. 86. 255 Daher die Vorgängerregelung aus Art. 41 der Richtlinie 77/91/EWG für einschlägig haltend Hüffer, Aktiengesetz, 10. Aufl., § 192 Rn. 18; Rieckers, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 192 Rn. 50; Weiß, Aktienoptionspläne für Führungskräfte, S. 237; Weiß, WM 1999, 353, 359; Zitzewitz, Stock Options, S. 84; offen gelassen bei Koch, in: Hüffer (Begr.), Aktiengesetz, § 192 Rn. 18. 256 EuGH, Rs. C-19/90 und C-20/90 (Karella und Karellas), Slg. 1991, I-2712, 2719 zur Vorgängerregelung in Art. 41 Abs. 1 der Richtlinie 77/91/EWG. 257 EuGH, Rs. C-19/90 und C-20/90 (Karella und Karellas), Slg. 1991, I-2712, 2719. 258 Martens, in: FS Ulmer, S. 399, 411.
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die Vergütung der Geschäftsleitung geht, was für eine Berücksichtigung des § 221 Abs. 3 AktG sprechen würde.259 Es ist jedoch zweifelhaft, ob der EuGH seine im Jahr 1991 getroffenen Aussagen in dieser Form wiederholen würde.260 Zum einen muss man anerkennen, dass das vom EuGH präferierte Verständnis keine Stütze im Wortlaut der Richtlinie findet. Soziale Kriterien werden dort nicht angesprochen. Zum anderen ist fraglich, wie tragfähig die genannten Überlegungen vor dem Hintergrund des auch für Privatanleger weitgehend offenen und einfachen Zuganges zum Kapitalmarkt heute noch sind. Insgesamt muss deshalb festgehalten werden, dass der Sinn und Zweck der betroffenen Normen für die hier zu untersuchende Thematik unergiebig ist. Eine Steigerung des Schutzniveaus der Aktionäre für den Fall, dass Bezugsrechte zeitlich nach der Kapitalerhöhung geschaffen werden, ist nicht unbedingt notwendig. Das Urteil des EuGH in der Rechtssache „Karella und Karellas“ bietet ebenfalls keine tragfähige Grundlage, um von einer europarechtlich gebotenen Berichtspflicht aus § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG auszugehen. dd) Historie Die Neuregelung durch das KonTraG ist gerade deswegen geschaffen worden, weil die alte Rechtslage als „kompliziert und nicht völlig gesichert“ erschien.261 Zuvor wurden dem Vorstand zur Begebung von Aktienoptionsprogrammen vornehmlich Wandelschuldverschreibungen nach § 221 Abs. 1 AktG eingeräumt,262 so dass neben dem Kapitalerhöhungsbeschluss aus § 192 Abs. 2 Nr. 1 AktG immer auch eine zweite Beschlussfassung der Aktionäre notwendig war. Die Ausführungen des Gesetzgebers sind oftmals so interpretiert worden, dass diese zusätzliche Aktionärsbefassung durch das KonTraG abgeschafft werden sollte.263 Vermeintlich gestützt wird dieses Verständnis auch von der Feststellung im Regierungsentwurf, wonach bei einer Abstimmung nach § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG
259
Fuchs, DB 1997, 661, 664; Fuchs, in: MünchKommAktG, § 192 Rn. 105, 112–
114. 260 Dem EuGH in der Sache zustimmend T. Götze, Aktienoptionen für Vorstandsmitglieder und Aktionärsschutz, S. 46, der sich aber für eine teleologische Reduktion des Art. 29 Abs. 1 der Richtlinie 77/91/EWG (nunmehr Art. 33 Abs. 1 der Richtlinie 2012/ 30/EU) ausspricht, siehe S. 46–48; ähnlich Wulff, Aktienoptionen für das Management, S. 97–98, der im Ergebnis eine entsprechende Anwendung des § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG fordert, siehe S. 118–119. 261 BT-Drucks. 13/9712 (RegE KonTraG), S. 23. 262 So die Feststellung von Fuchs, DB 1997, 661, 662; Weiß, WM 1999, 353, 354; Zeidler, NZG 1998, 789, 790–791. 263 Die Gesetzesbegründung als Argument gegen die Anwendbarkeit des § 221 AktG nehmend Zitzewitz, Stock Options, S. 87.
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2. Kap.: Die Personalkompetenz de lege lata
ein Bedürfnis für die Anwendung des § 186 AktG nicht zu erkennen sei.264 Wenn man bei der Ausgabe „nackter Optionen“ jedoch § 221 Abs. 3 AktG ergänzend berücksichtigt, würde § 186 AktG über den Verweis in § 221 Abs. 4 Satz 2 AktG im Ergebnis auch bei einer Kapitalerhöhung nach § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG zum Tragen kommen. Auf den ersten Blick spricht die Gesetzesbegründung daher dafür, dass § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG den § 221 AktG verdrängt. Verwunderlich ist jedoch, dass sich der Gesetzgeber nicht ausdrücklich zu dem Verhältnis der Normen zueinander geäußert hat.265 Schon vor Einführung des KonTraG wurde die Zulässigkeit von „nackten Optionen“ kontrovers diskutiert und zumindest von Teilen der Literatur unter § 221 AktG gefasst.266 Insofern wäre eine Klarstellung der jeweiligen Anwendungsbereiche wünschenswert gewesen. Viel spricht dafür, dass der Gesetzgeber die Thematik schlicht übersehen hat. Konsequenterweise wird man daher dessen Ausführungen auch nur auf §§ 192, 193 AktG beziehen dürfen, ohne dass sich diesen eine Wertung bezüglich des § 221 AktG entnehmen lässt. Auch die eher kryptischen Ausführungen zur alten Rechtslage, verbunden mit dem Wunsch eine gesicherte und weniger komplizierte Grundlage für Aktienoptionsprogramme zu schaffen,267 sprechen nicht gegen die Berücksichtigung des § 221 AktG. Diese Ziele sind durch die Neuregelung unabhängig von den Anforderungen an die Einräumung der Optionen erfüllt worden. Immerhin ist nun klargestellt, dass zumindest partiell „nackte Optionen“ zulässig sind.268 Damit fällt für Aktiengesellschaften der „ziemlich lästige Umweg“ einer Anleihverbindung weg.269 ee) Ergebnis Aus den vorherigen Ausführungen geht kein Argument hervor, welches für die Einordnung des § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG als lex specialis sprechen würde. Im Wortlaut der Norm deutet nichts auf ein solches Verständnis hin, ein derartiger Wille des historischen Gesetzgebers ist nicht zu Tage getreten. Da auch Sinn und Zweck der Normen nichts zu der Frage beitragen können, bleiben im Ergebnis nur systematische Überlegungen. Demnach gilt, dass zwischen Kapitalerhöhung und schuldrechtlicher Einräumung des Bezugsrechts zu unterscheiden ist. § 221 Abs. 3 AktG und § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG sind demnach nebeneinander anzuwenden.
264
BT-Drucks. 13/9712 (RegE KonTraG), S. 24. So bereits Fuchs, DB 1997, 661, 662 mit Blick auf den Referentenentwurf zum KonTraG. 266 Siehe nur Fuchs, DB 1997, 661, 665; Wohlfarth/Brause, WM 1997, 397, 398. 267 BT-Drucks. 13/9712 (RegE KonTraG), S. 23. 268 Fuchs, DB 1997, 661, 662 mit Blick auf den Referentenentwurf zum KonTraG. 269 Lutter, ZIP 1997, 1, 7. 265
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Damit ist festzuhalten, dass bei einer Kapitalerhöhung nach § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG nicht nur § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG berücksichtigt werden muss. Eine Einbeziehung der Aktionäre ist ebenso im Rahmen der Ausgabe der Bezugsrechte nach §§ 221 Abs. 3, Abs. 4, 186 AktG notwendig. 2. Bedingte Kapitalerhöhung nach §§ 192 Abs. 2 Nr. 1, 221 Abs. 1 AktG
Neben der Ausgabe „nackter Optionen“ kann ein echtes Aktienoptionspaket über §§ 192 Abs. 2 Nr. 1, 221 Abs. 1 AktG mit Wandel- oder Optionsanleihen aufgelegt werden. Auch nach Einführung des § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG ist dieses Verfahren weiterhin gangbar.270 Die Sondervorschrift des § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG ist zwar nicht direkt auf § 192 Abs. 2 Nr. 1 AktG anwendbar. Aus der Norm ergibt sich jedoch mittelbar, welche Informationen bei Aktienoptionsplänen vom Gesetzgeber für erheblich gehalten werden.271 Die Vorgaben sind demnach im Rahmen des Beschlusses nach § 192 Abs. 2 Nr. 1 AktG ebenfalls zu berücksichtigen. Die Norm muss analog angewendet werden. Für die Einräumung der Optionen sind die Voraussetzungen des § 221 Abs. 1 AktG einzuhalten, wobei auch in diesem Fall § 221 Abs. 4 Satz 2 AktG mit dem Verweis auf die §§ 186, 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG gilt. 3. Genehmigtes Kapital nach § 202 AktG
a) Anforderungen an die Kapitalerhöhung Ebenfalls denkbar ist die Bereitstellung von Aktien durch genehmigtes Kapital nach § 202 Abs. 1 AktG. Unter praktischen Gesichtspunkten wird die auf fünf Jahre beschränkte Ausübungsmöglichkeit aus § 202 Abs. 2 Satz 1 AktG als hinderlich angesehen.272 Soweit ersichtlich hat § 202 AktG in der Hochzeit echter Optionsprogramme um die Jahrtausendwende folglich auch keine gewichtige Rolle gespielt.273 Rechtlich ist die Bedienung von Aktienoptionen durch eine solche Kapitalerhöhung allerdings möglich.274 § 202 AktG enthält im Gegensatz zu § 192 Abs. 2 AktG keine Aufzählung zulässiger Nutzungsmöglichkeiten. Auch 270
BT-Drucks. 13/9712 (RegE KonTraG), S. 23. T. Götze, Aktienoptionen für Vorstandsmitglieder und Aktionärsschutz, S. 125. 272 Martens, in: FS Ulmer, S. 399, 401; Schlitt/Löschner, BKR 2002, 150, 151. 273 In 2001 sprachen Feddersen/Pohl, AG 2001, 26, 33 von keinem bekannten Fall, der in ihren Untersuchungen eine Rolle gespielt hätte; ähnlich Martens, in: FS Ulmer, S. 399, 400 („praktisch bedeutungslos“); Schlitt/Löschner, BKR 2002, 150, 152; siehe auch Zitzewitz, Stock Options, S. 76. 274 Siehe nur Schlitt/Löschner, BKR 2002, 150, 152; Wulff, Aktienoptionen für das Management, S. 42–43; Zitzewitz, Stock Options, S. 76–77; a. A. T. Götze, Aktienoptionen für Vorstandsmitglieder und Aktionärsschutz, S. 38–41. 271
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2. Kap.: Die Personalkompetenz de lege lata
bei dieser Beschlussfassung wird man indes implizit eine Berücksichtigung des § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG verlangen müssen.275 Über § 203 Abs. 1, Abs. 2 AktG findet bei der Kapitalerhöhung auch § 186 Abs. 4 AktG Anwendung. b) Anforderungen an die Einräumung der Bezugsrechte an den Vorstand Darüber hinaus müssen dem Vorstand, wie bei jeder Kapitalerhöhungen, Bezugsrechte auf die Aktien eingeräumt werden. Dies können Wandelschuldverschreibungen nach § 221 Abs. 1 AktG sein. Darüber hinaus stellt sich bei § 202 AktG die Frage, ob eine Ausgabe von „nackten Optionen“ zulässig ist. Es geht also darum, ob eine derartige Gestaltung unabhängig von § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG vereinbart werden kann. In der durch § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG gestatteten partiellen Zulassung von „nackten Optionen“ kann man nicht automatisch den Willen des Gesetzgebers erblicken, diese grundsätzlich als Bezugsrecht freizugeben.276 Andererseits kann man mangels Hinweisen in der Gesetzesbegründung auch nicht davon ausgehen, dass die Ausgabe nur bei Unterlegung mit einer Kapitalerhöhung nach § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG erlaubt sein soll.277 Entscheidend ist vielmehr, dass sich „nackte Optionen“ von den in § 221 Abs. 1 AktG ausdrücklich zugelassenen Rechten lediglich durch die Anleihekomponente unterscheiden.278 Allein die Anleihe rechtfertigt jedoch keine gesonderte Beurteilung. Eine Gleichstellung erscheint demnach nicht nur sachgerecht, sondern vielmehr geboten.279 In der Praxis werden Anleihe und Optionsrecht ohnehin oft getrennt und in der Folge separat gehandelt.280 Daher greift auch die Behauptung nicht, dass aus Gründen der besseren Übersicht über die Eigenkapitalstruktur „nackte Optionen“ restriktiv zu behandeln seien.281 275
Frey, in: GroßkommAktG, § 192 Rn. 105. So aber T. Götze, Aktienoptionen für Vorstandsmitglieder und Aktionärsschutz, S. 144 (inzidente Klarstellung, dass Vergütungsoptionen generell zulässig sind). 277 So aber Zitzewitz, Stock Options, S. 87; kritisch zu Recht Fuchs, in: MünchKommAktG, § 192 Rn. 49; Schlitt/Löschner, BKR 2002, 150, 152–153. 278 Siehe dazu bereits oben unter § 5 Fn. 243. 279 So vor allem Fuchs, in: MünchKommAktG, § 192 Rn. 50; ähnlich Dierks, Selbstständige Aktienoptionsscheine, S. 95; Hirte, in: GroßkommAktG, § 221 Rn. 298–316; Koch, in: Hüffer (Begr.), Aktiengesetz, § 221 Rn. 75; Schlitt/Löschner, BKR 2002, 150, 153–154; a. A. Hüffer, Aktiengesetz, 10. Aufl., § 221 Rn. 75; Zitzewitz, Stock Options, S. 87; auch Tegtmeier, Die Vergütung von Vorstandsmitgliedern in Publikumsgesellschaften, S. 340–341 (zur Rechtslage vor dem KonTraG). 280 Hirte, in: GroßkommAktG, § 221 Rn. 307; Rieckers, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 192 Rn. 31; Schlitt/Löschner, BKR 2002, 150, 151. 281 So aber Zitzewitz, Stock Options, S. 86; siehe auch Tegtmeier, Die Vergütung von Vorstandsmitgliedern in Publikumsgesellschaften, S. 340 (zur Rechtslage vor dem KonTraG). 276
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Die Folge ist demnach, dass bei einer Unterlegung durch genehmigtes Kapital die Einräumung von Bezugsrechten an den Vorstand nicht nur nach § 221 Abs. 1 AktG, sondern auch über die Ausgabe „nackter Optionen“ möglich ist. Als Genussrecht fallen diese dabei, wie gezeigt, unter § 221 Abs. 3 AktG,282 so dass die Voraussetzungen dieser Norm ebenfalls einzuhalten sind. c) Ergebnis Im Ergebnis bestehen demnach bei einer Kapitalerhöhung durch genehmigtes Kapital die gleichen Möglichkeiten ein Aktienoptionspaket aufzulegen, wie bei einer bedingten Kapitalerhöhung. Auf Grund der oben genannten Nachteile bietet sich diese Gestaltungsvariante in der Praxis gleichwohl nur in Ausnahmefällen an. 4. Ankauf von eigenen Aktien
Daneben kann ein Optionsprogramm über § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG bedient werden. Die Norm ermächtigt die Gesellschaft zum Ankauf eigener Aktien innerhalb von fünf Jahren, lässt aber in der Folge eine unbeschränkte Haltedauer zu.283 Anders als bei den bisher behandelten Varianten werden auf diesem Weg keine neuen Gesellschaftsanteile geschaffen, sondern bereits bestehende Gesellschaftsanteile zurückerworben. Aus praktischer Sicht ist dabei problematisch, dass die Gefahr besteht, dass der Markt den geplanten Ankauf antizipiert und damit der Erwerbspreis steigt.284 Gleichzeitig bindet der Ankauf unmittelbar Kapital.285 Dem steht als Vorteil gegenüber, dass die bestehende Kapitalstruktur nicht weiter verwässert wird.286 a) Anforderungen an Erwerb und Veräußerung nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG Anders als für Aktienoptionen zur Vergütung von Mitarbeitern, welche in § 71 Abs. 1 Nr. 2 AktG privilegiert behandelt werden, existiert für vergleichbare Gestaltungen zu Gunsten des Vorstands keine Sonderregelung. Daher muss auf die 282
Siehe dazu bereits oben unter § 5 C. III. 1. b). So schon das Verständnis des Gesetzgebers, siehe BT-Drucks. 13/9712 (RegE KonTraG), S. 13, wobei die ursprüngliche Frist 18 Monate betrug. 284 Oechsler, in: MünchKommAktG, § 71 Rn. 258. 285 Dierks, Selbstständige Aktienoptionsscheine, S. 129; Fuchs, in: MünchKommAktG, § 192 Rn. 81; Hirte, in: GroßkommAktG, § 221 Rn. 162; Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 87 Rn. 47; Oechsler, in: MünchKommAktG, § 71 Rn. 258; Rieckers, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 192 Rn. 54; Zeidler, NZG 1998, 789, 791; differenzierend Wulff, Aktienoptionen für das Management, S. 47–48. 286 Oechsler, in: MünchKommAktG, § 71 Rn. 258. 283
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in § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG enthaltene Generalklausel zurückgegriffen werden, welche unter engen Voraussetzungen den Erwerb und die Veräußerung eigener Aktien ohne gesetzlich vorgeschriebenen Zweck erlaubt. In § 71 Abs. 1 Nr. 8 Satz 3 AktG wird klargestellt, dass sowohl Ankauf als auch Weitergabe der Aktien am Gleichbehandlungsgrundsatz aus § 53a AktG gemessen werden müssen. Damit soll verhindert werden, dass die Gesellschaft einzelnen Aktionären bevorzugt die Möglichkeit einräumt, die eigene Gesellschafterstellung zu liquidieren beziehungsweise auszuweiten.287 Nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 Satz 4 AktG erfüllen Erwerb und Veräußerung über die Börse diese Anforderungen immer. Wenn die erworbenen Aktien an den Vorstand ausgegeben werden sollen, findet allerdings keine Veräußerung über die Börse statt. In diesem Fall müssen diese Aktionäre nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 Satz 5 Halbsatz 1 AktG dieser besonderen Veräußerungsart ausdrücklich zustimmen, wobei § 71 Abs. 1 Nr. 8 Satz 5 Halbsatz 2 AktG für die Beschlussfassung auf § 186 Abs. 3, Abs. 4 AktG und § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG verweist. Die herrschende Meinung versteht die Regelung zu Recht so, dass der Inhalt beider Normen kumulativ Berücksichtigung finden muss.288 Zwar ist vereinzelt behauptet worden, dass beim Ankauf von eigenen Aktien zur Bedienung eines Optionspaketes, wie auch bei einer bedingten Kapitalerhöhung, ein formeller Bezugsrechtsausschluss nicht notwendig sei.289 Dies wird damit begründet, dass der Gesetzgeber angeblich das Schutzniveau für beide Beschaffungsvarianten gleichschalten wollte.290 Ein Beleg für dieses vermeintliche Ansinnen des Gesetzgebers lässt sich jedoch nicht finden. Abgesehen von dem eindeutigen Wortlaut des § 71 Abs. 1 Nr. 8 Satz 5 Halbsatz 2 AktG fehlt es ferner auch an einer strukturellen Vergleichbarkeit von bedingter Kapitalerhöhung und dem Ankauf eigener Aktien. Eine Kapitalerhöhung nach § 193 Abs. 1 Satz 1 AktG setzt nämlich eine drei Viertel Mehrheit voraus, während für § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG eine einfache Mehrheit genügt.291 § 71 Abs. 1 Nr. 8 Satz 5 Halbsatz 2 AktG verweist für die Veräußerung der Aktien nicht auf § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG. Beide Vorschriften sind jedoch als einheitliches Regelungskonzept konstruiert.292 Die in § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG vorgesehene Angabe des Basispreises ist notwendig, um ein Optionsprogramm
287 Dazu nur Cahn, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 71 Rn. 116; Oechsler, in: MünchKommAktG, § 71 Rn. 221. 288 Fuchs, in: MünchKommAktG, § 192 Rn. 82; Kühnberger/Keßler, AG 1999, 453, 460; Oechsler, in: MünchKommAktG, § 71 Rn. 259; Solveen, in: Hölters (Hrsg.), Aktiengesetz, § 71 Rn. 30; Wulff, Aktienoptionen für das Management, S. 45–47, 191. 289 So Weiß, Aktienoptionspläne für Führungskräfte, S. 250. 290 Weiß, Aktienoptionspläne für Führungskräfte, S. 250. 291 Darauf hinweisend Oechsler, in: MünchKommAktG, § 71 Rn. 259. 292 Fuchs, in: MünchKommAktG, § 192 Rn. 82; ähnlich von Schlabrendorff, Repricing von Stock Options, S. 59.
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endgültig beurteilen zu können.293 Die Norm muss daher inzident ebenfalls Berücksichtigung finden.294 b) Anforderungen an die Einräumung der Bezugsrechte an den Vorstand Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob die Einräumung von Optionen, die durch bereits bestehende Gesellschaftsanteile bedient werden, ebenfalls unter § 221 AktG fällt. Denkbar ist dabei sowohl die Ausgabe von Titeln nach § 221 Abs. 1 AktG, als auch von „nackten Optionen“ nach § 221 Abs. 3 AktG. aa) Wortlaut In § 221 Abs. 1 AktG werden „Umtausch- oder Bezugsrecht auf Aktien“ erwähnt, ohne dass die Norm Aussagen über die zulässige Herkunft der Aktien trifft. Das gängige Verständnis von Genussrechten als „schuldrechtliche Ansprüche auf aktionärstypische Vermögensrechte“ 295 schließt eine Bezugnahme auf alte Anteile nicht aus. Vom Wortlaut her erfassen die Tatbestandsmerkmale demzufolge auch bereits bestehende Mitgliedschaftsrechte.296 bb) Systematik § 221 AktG ist Teil eines mit der Überschrift „Maßnahmen der Kapitalbeschaffung“ versehenen Abschnittes. In diesem sind unter anderem die Kapitalerhöhungen nach §§ 182, 192 und 202 AktG geregelt. Würde man die Überschrift so verstehen, dass nur Maßnahmen der Eigenkapitalaufnahme von den dort aufgeführten Normen erfasst werden sollen, würden Optionen auf bereits existierende Aktien nicht unter § 221 Abs. 1 AktG fallen.297 Gegen eine derartige Auslegung spricht aber schon, dass § 221 Abs. 1 AktG Gewinnschuldverschreibungen ausdrücklich erlaubt. Diese dienen nicht der Erhöhung des Eigenkapitals.298 Aus systematischen Gründen ist ein Ausschluss bestehender Aktien aus dem Anwendungsbereich des § 221 AktG demnach nicht geboten.
293 Fuchs, in: MünchKommAktG, § 192 Rn. 82; T. Götze, Aktienoptionen für Vorstandsmitglieder und Aktionärsschutz, S. 123. 294 Fuchs, in: MünchKommAktG, § 192 Rn. 82; Oechsler, in: MünchKommAktG, § 71 Rn. 270 (teleologischen Auslegung); im Ergebnis für eine analoge Anwendung von Schlabrendorff, Repricing von Stock Options, S. 57–64; a. A. Weiß, Aktienoptionspläne für Führungskräfte, S. 248–249; Weiß, WM 1999, 353, 361. 295 Siehe dazu bereits oben unter § 5 Fn. 239. 296 A. A. Busch, AG 1999, 58, 64. 297 So die Überlegung von Busch, AG 1999, 58, 64, die vom Autor jedoch im Ergebnis abgelehnt wird. 298 Busch, AG 1999, 58, 64.
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2. Kap.: Die Personalkompetenz de lege lata
cc) Sinn und Zweck Es wird allerdings behauptet, dass § 221 AktG eng zu verstehen sei und lediglich die unmittelbare Beeinflussung von Stimmrecht, Anteil und Gewinn unter den Schutzbereich der Norm falle.299 Eine solche Beeinflussung wäre nicht gegeben, wenn lediglich bereits bestehende Mitgliedschaftsrechte weitergereicht werden.300 Es ist jedoch anzunehmen, dass der Gesetzgeber den § 221 AktG nicht derart beschränkt konstruiert hat. Dies zeigt nicht zuletzt § 221 Abs. 3 AktG. Indem dort Genussrechte den Titeln aus § 221 Abs. 1 AktG ohne Vorgaben einer Legaldefinition gleichstellt werden, wird dem Gesetzesanwender ein flexibles Regelungsinstrument an die Hand gegeben, um zahlreiche Arten von Konkurrenzverhältnissen zu erfassen. Zwar ist es ob des offenen Wortlauts schwer, den Sinn und Zweck des § 221 AktG positiv zu bestimmen. Es wird aber von der herrschenden Meinung beispielsweise angenommen, dass die Einräumung der Berechtigung, eine physische Einrichtung der Aktiengesellschaft zu benutzen, unter § 221 Abs. 3 AktG fällt.301 Gemeint ist damit etwa die Inanspruchnahme eines Betriebskindergartens.302 Wenn jedoch bereits in solchen Fällen ein schützenswertes Interesse der Aktionäre anerkannt wird, dann muss dies erst recht für Fälle gelten, in denen nicht nur eine Nutzungsberechtigung eingeräumt wird, sondern eine vollwertige Mitgliedschaft. Vor diesem Hintergrund ist es nicht überzeugend, den Sinn und Zweck des § 221 AktG nur auf den Schutz vor der Ausgabe junger Aktien zu beschränken. dd) Historie In den letzten Jahren hat sich der Gesetzgeber nicht dazu geäußert, ob § 221 AktG auch Bezugsrechte auf ältere Aktien erfasst. Ein Blick in die Geschichte der Norm zeigt allerdings, dass die Regelung ursprünglich geschaffen wurde, um die von dem Handel mit bereits existierenden Aktien ausgehende Gefahr einzudämmen. Vor Einführung des AktG 1937 wurden Wandelschuldverschreibungen oft durch eigene Aktien abgesichert.303 Um dem allgemein bei der Auflage von Wandelschuldverschreibungen, Gewinnschuldverschreibungen und Genussrechten entstehenden Missbrauchspotenzial entgegenzuwirken, ist § 174 AktG 1937
299 So Busch, AG 1999, 58, 64–65; ähnlich eng das Verständnis bei Seiler, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 221 Rn. 58. 300 Busch, AG 1999, 58, 64–65. 301 Hirte, in: GroßkommAktG, § 221 Rn. 329; Koch, in: Hüffer (Begr.), Aktiengesetz, § 221 Rn. 25; Merkt, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), § 221 Rn. 70. 302 So Merkt, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), § 221 Rn. 70 mit weiteren Beispielen. 303 Busch, AG 1999, 58, 64; Hoffmann, AG 1973, 49–50.
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als Vorgängernorm des § 221 AktG eingeführt worden.304 Zwar wurde zeitgleich auch die Möglichkeit, dass Gesellschaften überhaupt eigene Aktien halten dürfen, durch § 51 Abs. 1 AktG 1937 305 stark eingeschränkt.306 Dies ist in der Literatur vereinzelt zum Anlass genommen worden, den Anwendungsbereich des § 221 AktG nur auf junge Aktien zu beschränken.307 Dahinter steht die für sich genommen zutreffende Überlegung, dass der historische Gesetzgeber Wandelschuldverschreibungen und vergleichbare Rechte in Zukunft bevorzugt durch die neu geschaffene Möglichkeit einer bedingten Kapitalerhöhung bedient sehen wollte.308 Man kann der Gesetzesbegründung 1937 jedoch nicht entnehmen, dass deswegen Bezugsrechte auf alte Aktien von § 174 AktG 1937 nicht erfasst werden sollten.309 Vielmehr wäre es geradezu „paradox“ anzunehmen, dass eine Norm, die gerade wegen einem bestimmten Missbrauchspotentials geschaffen wurde, die betroffenen Fälle gar nicht abdecken würde.310 Im Zuge der Aktienrechtsnovelle 1965 hatte sich der Gesetzgeber zu der Anwendbarkeit des § 221 AktG auf alte Aktien allerdings nicht mehr geäußert. Der historische Wille des Gesetzgebers dürfte vor allem durch die zahlreichen Umgestaltungen des modernen § 71 AktG an Bedeutung verloren haben. Der Erwerb eigener Aktien ist heute grundlegend anders geregelt als zu Zeiten des AktG 1937. Vor diesem Hintergrund kann die Historie der Norm zur Auslegung nichts mehr beitragen. ee) Ergebnis Sowohl der Wortlaut des § 221 AktG als auch Sinn und Zweck der Regelung sprechen für eine Einbeziehung von bestehenden Aktien in den Anwendungsbereich der Norm. Systematik und Historie der Regelung sind hingegen unergiebig. In der Gesamtschau zeigt sich damit, dass Rechte, die den Bezug von alten Aktien erlauben, von § 221 AktG erfasst werden.311 304 Amtliche Begründung zum AktG 1937, zitiert nach Klausing, Aktiengesetz, S. 155. 305 Dazu Amtliche Begründung zum AktG 1937, zitiert nach Klausing, Aktiengesetz, S. 43–44. 306 Hoffmann, AG 1973, 47, 50. 307 Hoffmann, AG 1973, 47, 49–52, 58. 308 Hoffmann, AG 1973, 47, 50, 52. 309 Dies gilt umso mehr, als dass Vorratsaktien von § 51 AktG 1937 nicht grundsätzlich verboten wurden, siehe Amtliche Begründung zum AktG 1937, zitiert nach Klausing, Aktiengesetz, S. 43–44. 310 Schumann, Optionsanleihen, S. 23 Rn. 46; a. A. Busch, AG 1999, 58, 64 (historischer Wille lässt sich nicht feststellen). 311 Im Ergebnis auch Habersack, in: MünchKommAktG, § 221 Rn. 24; Hirte, in: GroßkommAktG, § 221 Rn. 160–162; Schlitt/Löschner, BKR 2002, 150, 152, 156; Schumann, Optionsanleihen S. 23; wohl auch Koch, in: Hüffer (Begr.), Aktiengesetz, § 221 Rn. 59.
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c) Das Verhältnis von § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG zu § 221 AktG Zu prüfen bleibt abschließend, ob § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG den § 221 AktG nicht zumindest in den Fällen, in den mit alten Aktien ein Aktienoptionsprogramm zu Vergütungszwecken abgesichert wird, als lex specialis verdrängt.312 Immerhin garantiert der Verweis in § 71 Abs. 1 Nr. 8 Satz 5 Halbsatz 2 AktG auf § 186 Abs. 3, Abs. 4 AktG und § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG, der implizit auch § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG beinhaltet, bereits ein mit § 221 Abs. 4 AktG vergleichbares Schutzniveau. Man kann aber weder dem Wortlaut der Normen, noch der Begründung zum KonTraG entnehmen, dass § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG eine Anwendung des § 221 AktG ausschließen soll. Vielmehr gilt auch hier, dass die Einräumung der Optionen und deren Absicherung aus systematischer Sicht getrennt zu beurteilen sind. Darüber hinaus sichert § 221 AktG eine erneute Befassung der Aktionäre ab, falls der Beschluss über Erwerb und Veräußerung nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG und die schuldrechtlichen Einräumung der Optionen zeitlich auseinander fallen. § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG geht dem § 221 AktG daher nicht vor. d) Ergebnis Im Ergebnis ist demnach bei dem Ankauf eigener Aktien die Einräumung der schuldrechtlichen Bezugsrechte an § 221 AktG zu messen, während für Erwerb und Veräußerung der § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG gilt. 5. Drittprogramme
Behandelt wurden bisher Gestaltungsvarianten, bei denen die Gesellschaft das Optionsprogramm selbst bedient. Es besteht aber auch die Möglichkeit, lediglich Kaufoptionen auf eigene Aktien zu erwerben und diese dem Vorstandsmitglied zur Verfügung zu stellen.313 Dabei können bereits gehandelte Optionen weitergeleitet314 oder Dritte mit der individuellen Gestaltung eines maßgeschneiderten Aktienoptionsprogramms315 betraut werden. Für derartige Drittprogramme ist weder eine Kapitalerhöhung notwendig, noch handelt es sich um den Ankauf von eigenen Aktien, zumindest solange die Option von einem Treuhänder gehalten wird.316 Vielfach ist daher behauptet wor312 In diese Richtung wohl die Argumentation bei Seiler, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 221 Rn. 58 („wurde das Bezugsrecht beim Erwerb wirksam ausgeschlossen, sollte es dabei sein Bewenden haben“). 313 Fuchs, in: MünchKommAktG, § 192 Rn. 84; Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 87 Rn. 49; Rieckers, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 192 Rn. 56. 314 Mutter/Mikus, ZIP 2001, 1949, 1950. 315 Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 87 Rn. 49; Zitzewitz, Stock Options, S. 92. 316 Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 87 Rn. 49; ähnlich von Schlabrendorff, Repricing von Stock Options, S. 68–69.
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den, dass in diesen Fällen eine Beteiligung der Hauptversammlung nicht notwendig sei.317 Indem der Aufsichtsrat jedoch vertraglich mit dem Vorstand eine derartige Vergütungsvereinbarung trifft, wird im Ergebnis ein unter § 221 Abs. 3 AktG fallendes Genussrecht begründet.318 Eine Mitwirkung der Aktionäre ist somit erforderlich. Es macht für die Anwendbarkeit der Norm, wie bereits gezeigt, keinen Unterschied, ob die Gesellschaft ein Aktienoptionsprogramm mit neuen oder alten Aktien unterlegt, da Anknüpfungspunkt nicht bloß die Kapitalverwässerung, sondern die Schaffung einer Konkurrenzsituation zu bestehenden Aktionärsrechten ist. Im Ergebnis muss es dann aber auch unerheblich sein, ob die Gesellschaft unmittelbar eigene Aktien ankauft oder dem Vorstandsmitglied ermöglicht, die Aktien von einem Dritten zu beziehen. Letztendlich ist die Situation für die Aktionäre vergleichbar. Der Aufsichtsrat ermöglicht dem Vorstand, Gesellschafter der jeweiligen Aktiengesellschaft zu werden. Die bisweilen befürwortete analoge Anwendung des § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG für derartige Drittprogramme ist daher nicht notwendig.319 Dazu müsste nämlich eine unplanmäßige Regelungslücke bestehen. Das Gesetz hält mit § 221 Abs. 3 AktG aber eine Norm vor, die tatbestandlich unmittelbar die Einräumung von Optionen erfasst, die durch Dritte abgesichert werden. Über den Verweis in § 221 Abs. 4 Satz 2 AktG wird dabei auch die Einhaltung der §§ 193 Abs. 2 Nr. 4, 186 AktG sichergestellt. Vor dem Hintergrund, dass zu einer vollständigen Beurteilung eines Aktienoptionspakets Informationen zum Ausgabebetrag gehören, hat allerdings auch der § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG mittelbar Berücksichtigung zu finden. Im Ergebnis muss demnach auch ein Drittprogramm an § 221 Abs. 3 AktG gemessen werden. Deren Implementierung ist demnach nicht ohne die Beteiligung der Hauptversammlung möglich. 6. Auflage virtueller Aktienoptionspläne
Anders als für die Schaffung echter Aktienoptionsprogramme kennt das Gesetz keine Sondernormen für virtuelle Aktienoptionsprogramme. Daraus wird von der herrschenden Meinung der Schluss gezogen, dass derartige Gestaltungsmöglichkeiten ohne Beteiligung der Hauptversammlung aufgelegt werden können.320 317 Fuchs, in: MünchKommAktG, § 192 Rn. 84; Kort, in: GroßkommAktG, § 87 Rn. 157; Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 87 Rn. 49; Mutter/Mikus, ZIP 2001, 1949, 1950; Rieckers, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 192 Rn. 56; von Schlabrendorff, Repricing von Stock Options, S. 68–69. 318 Dies erkennen auch Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 87 Rn. 49, die daraus jedoch nicht die Konsequenz einer Aktionärsbeteiligung ziehen. 319 So aber Zitzewitz, Stock Options, S. 140–142. 320 So im Ergebnis A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 151; Fonk, in: Semler/von Schenck (Hrsg.), Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, 3. Aufl., § 9 Rn. 153; Kort, in: GroßkommAktG, § 87 Rn. 193; Marsch-Barner, in: FS Röhricht, S. 401, 413; Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 87 Rn. 80; Schüppen, ZIP 2010, 905, 910.
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Tatsächlich ist die Einräumung eines schuldrechtlich nachgebildeten Aktienoptionsprogrammes aber als Genussrecht nach § 221 Abs. 3 AktG zu qualifizieren.321 § 221 AktG will verhindern, dass die Gesellschaft eigenmächtig Rechte schafft, die in Konkurrenz zu den Mitgliedschaftsrechten treten. Zwar ist bereits darauf hingewiesen worden, dass kein einheitliches Verständnis ob der Anforderungen des § 221 Abs. 3 AktG besteht.322 Es lässt sich allerdings kaum eine größere Konkurrenz zu mitgliedschaftlichen Rechten herstellen, als durch eine schuldrechtliche Nachbildung der mitgliedschaftlichen Rechte selbst.323 Genau eine solche Nachbildung soll durch virtuelle Aktienoptionspakete, auch wenn die Ausgestaltung im Einzelfall variieren mag, jedoch erreicht werden. Entgegen der herrschenden Meinung sind daher selbst bei der Auflage virtueller Optionspakete die Voraussetzungen des § 221 Abs. 3, Abs. 4 Satz 2 AktG einzuhalten, was unmittelbar auch eine Anwendbarkeit der §§ 186, 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG bedeutet. Außerdem sind entsprechend § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG Angaben zum Ausgabebetrag notwendig. 7. Initiativrechte der Hauptversammlung
Es bleibt abschließend zu klären, ob die Hauptversammlung aus eigener Initiative ein echtes oder virtuelles Aktienoptionspaket implementieren kann. Denkbar wäre, dass die Aktionäre über §§ 122 Abs. 2, 83 Abs. 1 AktG Vorschläge mit Bezug zu vergütungsrelevanten Aktienoptionen auf die Tagesordnung der Hauptversammlung setzen lassen, etwa nach §§ 192 Abs. 2 Nr. 3, 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG für eine bedingte Kapitalerhöhung und über § 221 Abs. 3 AktG für die schuldrechtliche Einräumung der Bezugsrechte an den Vorstand. Soweit es um die Auflage echter Aktienoptionsprogramme geht, schließt jedoch bereits der Wortlaut der §§ 71 Abs. 1 Nr. 8, 202, Abs. 1, Abs. 2, 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG324 aus, dass die Aktionäre die Einführung erzwingen können. Diese Regelungen erlauben nämlich entweder nur einen Ermächtigungsbeschluss oder einen Zustimmungs- oder Ermächtigungsbeschluss. Derartige Formulierungen lassen nicht darauf schließen, dass die Aktionäre aus eigenem Antrieb bindende Beschlüsse fassen können. Wer jemanden zu etwas ermächtigt oder wer zu etwas 321 Frey, in: GroßkommAktG, § 192 Rn. 108; Fuchs, in: MünchKommAktG, § 192 Rn. 86; dies erkennen auch Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 87 Rn. 80 an, die jedoch auf Grund der wirtschaftlichen Nähe von virtuellen Programmen zu sonstigen Tantiemen eine Beteiligung der Hauptversammlung ablehnen. 322 Siehe dazu bereits oben unter § 5 C. III. 1. b). 323 Ähnlich Fuchs, in: MünchKommAktG, § 192 Rn. 86. 324 Insbesondere zu § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG vertritt die wohl herrschende Meinung allerdings, dass der Wortlaut ein Redaktionsversehen sei und daher ein Initiativ- und Gestaltungsrecht anerkannt werden müsse, siehe nur Frey, in: GroßkommAktG, § 192 Rn. 110; Rieckers, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 192 Rn. 63.
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zustimmt, der entscheidet nicht selbst. Lediglich § 192 Abs. 2 Nr. 1 AktG würde vom Wortlaut her ein Initiativrecht zulassen, da die Norm die oben erwähnten Einschränkung nicht vorsieht. Entscheidend ist jedoch, dass nach hier vertretener Auffassung für jedes echte und virtuelle Aktienoptionspaket auch die Voraussetzungen des § 221 AktG eingehalten werden müssen. Die Ausgabe von Titeln nach § 221 Abs. 1, Abs. 3 AktG ist grundsätzlich eine Maßnahme der Geschäftsführung.325 Eine verbindliche Initiativkompetenz kommt der Hauptversammlung nicht zu.326 Die Aktionäre können beispielsweise nicht erzwingen, dass gegen den Willen des Vorstands Wandelschuldverschreibungen ausgegeben werden sollen. Gleiches muss bei § 221 AktG auch für die Schaffung von Bezugsrechten für Aktienoptionsprogramme gelten. Dies ist zwar keine Maßnahme der Geschäftsführung. Der Wortlaut des § 221 Abs. 1 AktG ist auf Grund des klaren Normbefehles aus § 87 Abs. 1 AktG dahingehend zu reduzieren, dass der Aufsichtsrat für die Einräumung zuständig ist.327 Anderenfalls würde man dem Vorstand erlauben, auf die eigene Vergütung Einfluss zu nehmen. Daran, dass § 221 AktG kein verbindliches Initiativrecht kennt, kann diese Unterscheidung gleichwohl nichts ändern. Insgesamt lässt sich daher festhalten, dass die Hauptversammlung zwar durch Ermächtigungsbeschlüsse dem Aufsichtsrat die Möglichkeit einräumen kann, ein entsprechendes Programm nach Vorgabe der Aktionäre zu schaffen. Erzwingen können die Aktionäre eine Implementierung indes nicht.328 8. Beurteilung der Mitwirkungsmöglichkeiten der Aktionäre bei der Auflage echter und virtueller Aktienoptionspläne
Abschließend gilt es jedoch, die in diesem Abschnitt untersuchten Vorschriften systematisch einzuordnen. Nach hier vertretener Auffassung können sowohl echte als auch virtuelle Aktienoptionspläne nicht ohne Beteiligung der Hauptversammlung aufgelegt werden. Während bei § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG und § 120 Abs. 4 AktG aber primär die Regulierung der Personalkompetenz im Vordergrund steht, gilt dies offensichtlich nicht für die gerade behandelten Sondervor325 Dierks, Selbstständige Aktienoptionsscheine, S. 127–128; T. Götze, Aktienoptionen für Vorstandsmitglieder und Aktionärsschutz, S. 138–139; Habersack, in: MünchKommAktG, § 221 Rn. 129; Kort, in: GroßkommAktG, § 87 Rn. 99. 326 Habersack, in: MünchKommAktG, § 221 Rn. 133–134; wohl auch Weiß, Aktienoptionspläne für Führungskräfte, S. 185; a. A. wohl Koch, in: Hüffer (Begr.), Aktiengesetz, § 221 Rn. 9 mit Verweis auf § 119 Abs. 1 Nr. 6 AktG. 327 T. Götze, Aktienoptionen für Vorstandsmitglieder und Aktionärsschutz, S. 126, 130 vor dem Hintergrund des § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG und des § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG; siehe auch Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 87 Rn. 45. 328 So im Ergebnis auch T. Götze, Aktienoptionen für Vorstandsmitglieder und Aktionärsschutz, S. 98–100; Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 87 Rn. 44.
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2. Kap.: Die Personalkompetenz de lege lata
schriften. Anderenfalls hätte man erwarten müssen, dass die jeweiligen Mitwirkungskompetenzen den Aufsichtsrat verpflichten würden, detailliert zu beschreiben, wie sich ein Aktienoptionsprogramm in die jeweiligen Anstellungsverträge einfügt, welche Konsequenzen sich für andere Vergütungsbestandteile daraus ergeben und welche Steuerungswirkung im Zusammenspiel mit den sonstigen variablen Vorgaben erwartet wird. Auf diese vergütungsspezifischen Aspekte geht das Gesetz jedoch überhaupt nicht ein. Im Vordergrund der soeben dargestellten Regeln stehen vielmehr der Schutz vor einer drohenden Anteilsverwässerung und der Schutz vor der Schaffung von Konkurrenzverhältnissen zu bestehenden Mitgliedschaftsrechten. Dies zeigt sich bereits an der systematischen Stellung der jeweiligen Normen, welche mit Ausnahme des § 71 AktG alle unter den „Maßnahmen der Kapitalbeschaffung“ im Aktiengesetz zu finden sind. Anders als bei § 120 Abs. 4 AktG hat der Gesetzgeber auch nicht erkennen lassen, dass er sich von der Beteiligung der Aktionäre an der Auflage echter oder virtueller Aktienoptionspakete eine kontrollierende Wirkung auf die Ausübung der Personalkompetenz durch den Aufsichtsrat erhofft. Der Regierungsentwurf zum KonTraG hat die Schaffung des § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG beispielsweise nur damit begründet, dass eine unkomplizierte und gesicherte Rechtslage für die Auflage entsprechender Programme bereitgestellt werden sollte.329 Von positiven Impulsen für § 87 Abs. 1 AktG wird nicht gesprochen. Zwar zeigt die verpflichtende Wartezeit aus § 193 Abs. 3 Nr. 4 AktG, die seit der durch das VorstAG geänderten Fassung vier Jahre beträgt, dass die Norm auch das spezifische Risiko von zu kurzfristig angelegten Vergütungsbestandteilen eindämmen soll. Allein um die Auswirkungen auf die Anteilsverwässerung festzustellen, wäre diese Vorgabe nicht notwendig gewesen. Ihren Ursprung hat die Beteiligung der Aktionäre trotz dieser partiellen Ausnahme, die besser im Rahmen des § 87 Abs. 1 AktG festgeschrieben worden wäre, aber im Schutz der mitgliedschaftlichen Rechtspositionen. Da die Mitwirkung der Hauptversammlung an echten und virtuellen Aktienoptionspaketen somit nicht der Regulierung der Personalkompetenz dient, dürfen die oben behandelten Normen auch nicht an ihren Auswirkungen in diesem Bereich gemessen werden. Wenn in der Folge der Reformbedarf bei den Vorschriften mit Personalbezug untersucht wird, ist daher auf die in diesem Abschnitt besprochenen Regelungen auf Grund des Forschungsgegenstandes der Arbeit nicht mehr einzugehen. Insoweit eine Beteiligung der Gesellschafter am vergütungsrechtlichen Aspekt von echten oder virtuellen Aktienoptionen in Frage steht, ist unter der aktuellen Rechtslage der § 120 Abs. 4 AktG, nicht etwa § 221 AktG oder die Regeln für die Kapitalbeschaffungsmaßnahmen, systematisch die richtige Stelle, um entsprechende Rechte zu verorten.
329
BT-Drucks. 13/9712 (RegE KonTraG), S. 23.
§ 5 Die Beteiligung der Hauptversammlung
159
Für die in diesem Abschnitt behandelten Vorschriften ist vielmehr maßgeblich, ob die Aktionäre die Auswirkungen ihrer Entscheidung auf die eigenen Beteiligungen abschätzen können. Ohne hier auf Details einzugehen, ist insbesondere bei dem hier vertretenen weiten Verständnis der jeweiligen Normen, vor allem mit der Anwendbarkeit des § 221 Abs. 1, Abs. 3 AktG auf Drittprogramme und virtuelle Aktienoptionspakete, ein derartiger Schutz sichergestellt.
D. Ergebnis Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die deutsche Rechtsordnung einen umfassenden Einfluss der Aktionäre auf die Personalkompetenz de lege lata nicht erlaubt. Eine vollständige Übertragung einzelner Regelungsbereiche auf die Hauptversammlung ist nicht möglich. Ebenso wenig sind ergänzende Vorgaben in der Satzung zulässig. Das Aktienrecht kennt lediglich einige ausdrücklich geregelte Einwirkungsrechte. Über § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG können die Aktionäre dem Vorstand das Vertrauen entziehen, nicht jedoch unmittelbar die organschaftliche Bestellung beenden. Nach § 120 Abs. 4 Satz 1 AktG kann die Hauptversammlung börsennotierter Gesellschaften unverbindlich über die Billigung des Systems zur Vorstandsvergütung entscheiden. Eine inhaltliche Mitwirkung an der Zusammenstellung des Systems wird allerdings nicht gestattet. Eine Sonderrolle nehmen die Vorschriften für echte und virtuelle Aktienoptionspakete ein. Diese beeinflussen zwar mittelbar die Ausübung der Personalkompetenz, bestehen aber vornehmlich, um die mitgliedschaftlichen Rechte der Aktionäre zu schützen. Damit fallen die Normen aus dem Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit heraus. In der Gesamtschau zeigt sich somit, dass der Gesetzgeber auch nach der Reform durch das VorstAG eine Aktionärsbeteiligung nur sehr zaghaft als Kontrollund Steuerungsmechanismus einsetzt. In den Regelungen, die konkreten Bezug zur Personalkompetenz haben, wird der Hauptversammlung keine abschließende Beurteilung zugetraut, sondern das letzte Wort vielmehr dem Aufsichtsrat zugesprochen. Zwar wird man nicht leugnen können, dass insbesondere die Implementierung des § 120 Abs. 4 AktG zu einer Aufwertung der Hauptversammlung geführt hat. Insgesamt sind die Einwirkungsmöglichkeiten der Aktionäre im Bereich der Personalkompetenz jedoch nur stiefmütterlich ausgeprägt.
3. Kapitel
Grundsätzliche Überlegungen zur Aktionärsdemokratie § 6 Die Entscheidungsfindung in der Hauptversammlung Aus den bisherigen Ausführungen geht hervor, dass der Gesetzgeber eine Aktionärsbeteiligung im Bereich der Personalkompetenz nur sehr punktuell zulässt, namentlich in den § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG und § 120 Abs. 4 AktG. Es steht jedoch noch die entscheidende Bewertung aus, nämlich ob die Beteiligung der Gesellschafter im Bereich der Personalkompetenz überhaupt einen wünschenswerten Kontroll- und Steuerungsmechanismus darstellt. Bevor im 4. Kapitel auf die organschaftliche Personalauswahl und die Vertragsgestaltung eingegangen wird, gilt es zuerst die allgemeinen Rahmenbedingungen für die Entscheidungsfindung der Aktionäre in der Hauptversammlung herauszuarbeiten. Konkret geht es dabei um die Frage, wie die Entschlussfassung funktioniert, wovon diese abhängt und wie aussagekräftig deren Ergebnis ist. Eine Beteiligung macht nur dann Sinn, wenn auf diesem Weg die Interessen der Gesellschafter überhaupt durchgesetzt und die oben angesprochenen Defizite1 bei der Wahrnehmung der Personalkompetenz durch den Aufsichtsrat zumindest teilweise korrigiert werden können. Ziel der nachfolgenden Untersuchung ist es dabei, die grundsätzliche Bedeutung von Stimmrechten zu erfassen und daraus Rückschlüsse für die Ausgestaltung einzelner Vorschriften zu ziehen. Die so gewonnenen Erkenntnisse sollen dann im 4. Kapitel als Bewertungsmaßstab für Beteiligungsrechte mit Bezug zur Personalkompetenz dienen.
A. Überlegung zur kollektiven Entscheidungsfindung I. Allgemeine Schwierigkeiten bei Gruppenentscheidungen Man könnte annehmen, dass jeder einzelne Aktionär ein Interesse daran hat, Missständen in „seiner“ Aktiengesellschaft entgegenzuwirken, da sich dadurch auch der Wert seiner Beteiligung verbessert. Schon 1965 hat aber der US-amerikanische Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler Mancur Olson festgestellt, dass Gruppen, deren Mitglieder ein gemeinschaftliches Interesse haben, nicht auch 1
Siehe dazu bereits oben unter § 4 A.
§ 6 Die Entscheidungsfindung in der Hauptversammlung
161
automatisch versuchen, dieses zu fördern.2 Ist das einzelne Gruppenmitglied rationaler Wohlstandsmaximierer, besteht die Gefahr, dass dieser Kosten und Nutzen der Beteiligung am Entscheidungsfindungsprozess gegeneinander abwägt.3 Dabei hängt der Umfang etwaiger Probleme von der Gruppengröße ab.4 Denn die Gruppengröße bestimmt maßgeblich, wie wahrscheinlich ein Individuum die endgültige Entscheidung beeinflussen kann und wie stark die Mitglieder sich untereinander verbunden fühlen.5 Mancur Olson behandelt zwar nicht vertieft die Entscheidungsfindung von Aktionären, deutet jedoch zumindest an, dass sich seine Überlegungen auch auf diesen Prozess übertragen lassen.6 Die Probleme der kollektiven Entscheidungsfindung werden in der Aktiengesellschaft deutscher Prägung besonders deutlich. Diese ist nicht auf dem Prinzip aufgebaut, dass jedem Aktionär eine Stimme zukommt. Vielmehr bemisst sich die Stimmkraft nach den gehaltenen Anteilen, § 134 Abs. 1 Satz 1 AktG. Dieser Grundsatz wird nur an wenigen Stellen durchbrochen, etwa bei nichtbörsennotierten Gesellschaften durch § 134 Abs. 1 Satz 2 AktG, welcher Höchststimmrechte für zulässig erachtet. Konsequenz des deutschen Systems ist daher, dass die Beteiligung an der einzelnen Gesellschaft und damit auch das Stimmrecht von Aktionär zu Aktionär stark variieren kann. Unabhängig von der Anteilshöhe können die Gesellschafter jedoch nur auf dem gleichen Weg von ihrer Beteiligung profitieren. § 53a AktG verbietet bei gleichen Voraussetzungen eine Ungleichbehandlung der Gesellschafter. § 243 Abs. 2 AktG erlaubt die Anfechtung von Beschlüssen, die Aktionären oder Dritten einen Sondervorteil gewähren. Von einer Entscheidung, beispielsweise über die Auszahlung einer Dividende nach § 174 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 AktG, profitieren demzufolge immer alle Mitglieder einer bestimmten Aktiengattung ihrem Anteil entsprechend gleichermaßen. Eine Beteiligung am Entscheidungsfindungsprozess ist dafür nicht notwendig. Bei solchen Grundvoraussetzungen liegt es nahe, dass einzelne Aktionäre die Kosten für eine Teilnahme an der Hauptversammlung mit dem zu erwartenden Nutzen abgleichen. Neben den Aufwendungen für eine möglicherweise notwendige An- und Abreise, spielt dabei vor allem die Evaluation der verschiedenen Beschlussvorschläge und die damit verbundene Zeitinvestition eine Rolle. Während die einzelnen Aktionäre diese Aufwendungen nämlich grundsätzlich persönlich tragen, profitieren sie von den Ergebnissen nur entsprechend der jeweiligen Beteiligung.7 Übersteigen die Kosten den zu erwartenden Nutzen oder vermuten 2
Olson, The Logic of Collective Action, S. 1–2. Olson, The Logic of Collective Action, S. 2, 21, 126. 4 Olson, The Logic of Collective Action, S. 3, 53–65. 5 Olson, The Logic of Collective Action, S. 1–3, 62. 6 Olson, The Logic of Collective Action, S. 55–56. 7 A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 73; Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 1.31; Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 21; ähnlich 3
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3. Kap.: Grundsätzliche Überlegungen zur Aktionärsdemokratie
einzelne Aktionäre, den Entscheidungsfindungsprozess ohnehin nicht beeinflussen zu können, bleiben diese unter Umständen der Hauptversammlung von vornherein fern.8 Da dieses Verhalten für Aktionäre zumindest aus ökonomischer Sicht vorteilhaft sein kann, wird in diesem Zusammenhang auch von rationaler Apathie gesprochen.9 Hoffen allerdings zu viele Trittbrettfahrer darauf, einen individuellen Vorteil durch Kosteneinsparung realisieren zu können, kommt eine entsprechende Mehrheitsfindung unter Umständen überhaupt nicht zu Stande.10 Dies gilt selbst dann, wenn jedes einzelne Mitglied ein bestimmtes Ergebnis präferiert und dieses für die Gesamtheit der Mitglieder positive Folgen hätte.11 Gleiches kann auch in dem umgekehrten Fall passieren, indem ein Vorschlag im Raum steht, der nur einem Teil der Gruppe einen Vorteil verschafft, während die überwiegende Mehrheit von einem anderen Ergebnis profitieren würde. Die Herausbildung einer Opposition kann daran scheitern, dass der mit der negativen Entscheidung einhergehende Wohlstandsverlust für jedes Mitglied geringer ist, als die Beteiligung an dem mit ungewissem Ausgang laufenden Abstimmungsprozess.12 Damit zeigt sich deutlich, dass in der Aktiengesellschaft einer Entscheidung nicht unbedingt die Gewähr innewohnt, das bestmögliche Ergebnis für die Mitglieder in ihrer Gesamtheit zu sein oder überhaupt im Interesse der überwiegenden Mehrheit zu liegen.13 1. Entscheidungsfindungsprozess und Aktionärsstruktur
Schon Mancur Olson hatte festgestellt, dass die Gruppengröße und der Zusammenhalt der Gruppenmitglieder entscheidende Kriterien für die Bereitschaft des Individuums sind, am kollektiven Entscheidungsfindungsprozess mitzuwirken.14 Rock, The Georgetown Law Journal 1991, 447, 461; Wenger, in: Der Markt für Unternehmenskontrolle, S. 73, 90–91. 8 A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 73–74; Behnke, NZG 2000, 665, 666; Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 1.31; Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 20–21; Roth, ZIP 2003, 369, 376; Simon/Zetzsche, ZGR 2010, 918, 921. 9 Siehe nur A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 74; Jaspers, ZRP 2010, 8, 9; Kübler, in: FS Zöllner, S. 321, 327; Schwarz, Institutionelle Stimmrechtsberatung, S. 136; aus dem britischen Schrifttum Parkinson, Corporate Power and Responsibility, S. 54. 10 Simon/Zetzsche, ZGR 2010, 918, 921 („Jeder lässt dem anderen den Vortritt“); ähnlich Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 1.31; Parkinson, Corporate Power and Responsibility, S. 54–55. 11 Baums/von Randow, AG 1995, 145, 147; Rock, The Georgetown Law Journal 1991, 447, 456; Schwarz, Institutionelle Stimmrechtsberatung, S. 138–139. 12 Baums/von Randow, AG 1995, 145, 147. 13 Baums/von Randow, AG 1995, 145, 147. 14 Olson, The Logic of Collective Action, S. 1–3, 62.
§ 6 Die Entscheidungsfindung in der Hauptversammlung
163
Tatsächlich wirken sich die oben genannten Probleme am stärksten in der so genannten Publikumsgesellschaft aus. Unter diesem gesetzlich nicht definierten Begriff versteht man Aktiengesellschaften, deren Anteile breit gestreut sind.15 Hier können gerade die Kleinaktionäre das Abstimmungsergebnis oftmals kaum beeinflussen.16 Für diese sind die Transaktionskosten der informierten Hauptversammlungsteilnahme im Vergleich zum Nutzen demnach häufig zu hoch.17 Aber auch professionelle Investoren, die millionenschwere Pakete halten, verfügen je nach Eigentümerstruktur nur über einen Bruchteil der Stimmen.18 Es ist daher wenig überraschend, dass bei vielen Gesellschaften nicht alle Aktionäre an den Hauptversammlungen teilnehmen. Im Jahr 2014 betrug die durchschnittliche Präsenz bei DAX30-Unternehmen 54.82%.19 Die Unterschiede im Einzelnen sind jedoch beachtlich. Spitzenreiter war die Continental AG mit 76.03%, am unteren Ende lagen die Deutsche Bank AG mit 29.83% und die K + S AG mit 29.31%.20 Auch für Aktionäre mit hohen Anteilen ist die Ausübung des Stimmrechts mit Kosten verbunden.21 Demnach können auch solche sich die Bemühungen der anderen Investoren zu Nutze machen.22 So kann es für einen Hauptaktionär vorteilhaft sein, die Beurteilung einer Maßnahme durch einen Minderheitsaktionär abzuwarten, um so von dessen informierter Einschätzung zu profitieren.23 Hinzu 15 Baums/von Randow, AG 1995, 145, 147; Immenga, Aktiengesellschaft, Aktionärsinteressen und institutionelle Anleger, S. 8–9; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 771– 772; Servatius, Strukturmaßnahmen, S. 199; Wangemann, Finanzielle Anreize zur Steigerung der Hauptversammlungspräsenz in der Aktiengesellschaft, S. 23; vornehmlich auf das Offenstehen eines breiten Teilnehmerkreises abstellend Lorenz, Die Zuständigkeit der Hauptversammlung im deutschen und US-amerikanischen Gesellschaftsrecht, S. 10. 16 Behnke, NZG 2000, 665; Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 1.30; Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 20; Lorenz, Die Zuständigkeit der Hauptversammlung im deutschen und US-amerikanischen Gesellschaftsrecht, S. 20; Peltzer, AG 1996, 26, 27; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, S. 175; Servatius, Strukturmaßnahmen, S. 210; Wilhelm, Die Verrechtlichung von Geschäftsleitervergütungen in Kapitalgesellschaften, S. 55; Wymeersch, in: FS Lutter, S. 213, 222. 17 Baums/von Randow, AG 1995, 145, 147; Behnke, NZG 2000, 665, 665–666; Claussen, AG 2001, 161, 164; Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 20; Lenz, NZG 2006, 534, 535; Meyer, Vorstandsvergütung, S. 105; Michels, Das Recht der Aktionärsversammlung in Großbritannien und Deutschland, S. 58; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, S. 175. 18 So zu Recht Wenger, in: Der Markt für Unternehmenskontrolle, S. 73, 92. 19 Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger, SdK-Präsenzstatistik DAX, Stand: 26.09. 2014. 20 Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger, SdK-Präsenzstatistik DAX, Stand: 26.09. 2014. 21 Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, S. 175. 22 Fleischer, ZGR 2011, 155, 165. 23 Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 1.31.
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3. Kap.: Grundsätzliche Überlegungen zur Aktionärsdemokratie
kommt, dass gerade größere Investoren in der Lage sind, Entwicklungen auf Portfolio-Ebene zu steuern. Einzelne Vermögensanlagen verlieren so an Bedeutung. Gleichzeitig haben Großaktionäre auch die Möglichkeit, außerhalb der Hauptversammlung Einfluss in informeller Art und Weise auf die Verwaltung auszuüben.24 Das wiederum entwertet den eigentlichen Prozess der Stimmrechtsabgabe und die öffentliche Aussprache auf den Aktionärstreffen, weil bereits im Voraus die eigentliche Entscheidung abgestimmt wurde. Probleme bei der Entscheidungsfindung treten jedoch nicht nur bei Gesellschaften mit einer Vielzahl von Aktionären auf. Sie sind auch solchen mit einem geschlossenen Anlegerkreis, wie etwa Familienunternehmen, nicht völlig fremd. Eine überschaubare Personenanzahl und eine soziale Verbindung zwischen den Aktionären, sowie die Möglichkeit einer Vinkulierung der Anteile, sprechen zwar eher dafür, dass einzelne Gruppenmitglieder von ihren Rechten Gebrauch machen.25 Sind die jeweiligen Investitionen derart abgesichert, handelt es sich häufig nämlich um eine dauerhafte Anlage.26 In solchen Situationen besteht auch oftmals die Möglichkeit, die anderen Gesellschafter im direkten Gespräch zu überzeugen und so den Ausgang von Abstimmungen zu beeinflussen. Letztendlich können ökonomische Schwierigkeiten bei der Entscheidungsfindung aber immer dann auftreten, wenn mehr als ein Gesellschafter vorhanden ist.27 Je weniger wichtig die Beteiligung für den einzelnen Aktionär ausfällt, desto geringer wird normalerweise die Bereitschaft sein, sich intensiv mit gesellschaftsrelevanten Fragestellungen zu beschäftigen, insbesondere, wenn die Möglichkeit besteht, von der informierten Entscheidung anderer Mitglieder zu profitieren. Festzuhalten ist daher, dass die Eigentümerstruktur einer Gesellschaft ein wichtiger Faktor für die Entscheidungsfindung der Aktionäre ist.28 Gerade bei Publikumsgesellschaften besteht für viele Anleger zumindest aus finanzieller Sicht oftmals kein Anreiz, sich aktiv zu beteiligen. Derartige Risiken existieren auch bei kleineren Gesellschaften, sind dort aber meist weniger stark ausgeprägt.
24 Habersack, in: Verhandlungen des 69. Deutschen Juristentages 2012, Band I, E 1, E 88; es liegt die Vermutung nahe, dass zahlreiche Großinvestoren dieses Vorgehen einer Ausübung von Rechten auf der Hauptversammlung vorziehen, siehe Schreyögg/ Unglaube, AG 2013, 97, 110. 25 Servatius, Strukturmaßnahmen, S. 217. 26 Servatius, Strukturmaßnahmen, S. 217. 27 Rock, The Georgetown Law Journal 1991, 447, 453–454; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, S. 174–175. 28 Ähnlich Lorenz, Die Zuständigkeit der Hauptversammlung im deutschen und USamerikanischen Gesellschaftsrecht, S. 243; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, S. 177.
§ 6 Die Entscheidungsfindung in der Hauptversammlung
165
a) Die Bedeutung von Großaktionären Allerdings darf man die vorherigen Ausführungen nicht so verstehen, dass Aktionärsbeteiligung nur in Ausnahmefällen funktionieren kann. Die oben herausgearbeiteten ökonomischen Probleme betreffen zwar grundsätzlich sowohl Kleinwie auch Großaktionäre. Andererseits ist das Risiko, dass Gesellschafter mit signifikanten Stimmrechtsanteilen dem Entscheidungsfindungsprozess vollständig fernbleiben, ungleich geringer.29 Je höher der Anteil an einer Gesellschaft, desto stärker wirkt sich eine Entscheidung für das einzelne Mitglied aus und desto mehr kann bei einer Entscheidung gewonnen oder verloren werden.30 Darüber hinaus haben größere Anleger oft auch entsprechendes Fachwissen.31 Dies erlaubt, Entscheidungen von Vorstand und Aufsichtsrat einfacher und damit kostengünstiger nachzuprüfen. Vor diesem Hintergrund wird insbesondere die Bedeutung von sogenannten institutionellen Investoren hervorgehoben. Unter dem Begriff werden etwa Versorgungskassen, verschiedene Arten von Fonds oder Versicherungen zusammengefasst.32 Gemein ist diesen, dass ihr Kapital von Dritten stammt und fiduziarisch verwaltet wird.33 Solche Vereinigungen haben auf Grund des großen Anlagevermögens die Möglichkeit, durch entsprechende Investitionen einen bedeutenderen Einfluss auch auf größere Unternehmen zu gewinnen.34 Natürlich ist auch deren Beteiligung nicht ohne Schwächen. Genannt sei hier nur, dass viele institutionelle Investoren stark diversifiziert aufgestellt sind.35 Grundsätzlich gilt aber, dass diese von Entscheidungen auf Gesellschafts29 Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 1.32; Rock, The Georgetown Law Journal 1991, 447, 505; Shleifer/Vishny, The Journal of Finance 1997, 737, 754–55; Tegtmeier, Die Vergütung von Vorstandsmitgliedern in Publikumsgesellschaften, S. 44; Wilhelm, Die Verrechtlichung von Geschäftsleitervergütungen in Kapitalgesellschaften, S. 56; ähnlich Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 24. 30 A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 89–90; Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 1.32; Lee/O’Neill, Academy of Management Journal 2003, 212, 215; Rock, The Georgetown Law Journal 1991, 447, 462; Tegtmeier, Die Vergütung von Vorstandsmitgliedern in Publikumsgesellschaften, S. 44. 31 Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 20 (bezogen auf institutionelle Investoren); ebenso Immenga, Aktiengesellschaft, Aktionärsinteressen und institutionelle Anleger, S. 25; Parkinson, Corporate Power and Responsibility, S. 165. 32 Siehe jeweils mit unterschiedlichen Gewichtungen Immenga, Aktiengesellschaft, Aktionärsinteressen und institutionelle Anleger, S. 24–25; Manne, Columbia Law Review 1962, 339, 419; Schneider, ZGR 2012, 518, 520; Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen, S. 120–122; Voth, Beratende Hauptversammlungsbeschlüsse, S. 47. 33 So etwa der Versuch einer Definition von Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen, S. 5, 122; zustimmend Voth, Beratende Hauptversammlungsbeschlüsse, S. 47. 34 Manne, Columbia Law Review 1962, 339, 419; Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen, S. 123. 35 A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 98; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, S. 458–459; Schwarz, Insti-
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3. Kap.: Grundsätzliche Überlegungen zur Aktionärsdemokratie
ebene deutlich unmittelbarer betroffen sind als die meisten Kleinaktionäre. Darüber hinaus haben viele vormals passive Investoren erkannt, dass einige Missstände der Vergangenheit bei einer aktiveren Beteiligung nicht in diesem Umfang aufgetreten wären.36 Gerade die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise hat dazu beigetragen, dass die Bedeutung institutioneller Investoren deutlich positiver eingeschätzt wird.37 b) Mitberücksichtigung von Kleinaktionärsinteressen durch aktive Großaktionäre Anteilsstarke Investoren können aber nicht nur ökonomische Probleme bei der Entscheidungsfindung überwinden. Von ihrer Beteiligung profitieren häufig auch die kleineren Teilhaber.38 Zwar kann es durchaus Unterschiede bezüglich der Motivation der jeweiligen Aktionäre geben.39 Insbesondere der Investitionshorizont kann von Beteiligung zu Beteiligung abweichen.40 Ausschließen lässt sich daher nicht, dass die Aktionäre untereinander Konflikte austragen.41 Alle sind aber im Wesentlichen auf die identischen Möglichkeiten beschränkt, um von der Gesellschaft zu profitieren. Private Vorteile, die lediglich einzelne Aktionäre aus der Gesellschaft begünstigen, sind im deutschen Recht, wie gezeigt,42 grundsätzlich ausgeschlossen. Dies macht die Aktionäre in ihrer Gesamtheit zu einer relativ homogenen Masse.43 tutionelle Stimmrechtsberatung, S. 136; Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen, S. 203; siehe auch die Zahlen bei Fleischer, AG 2012, 2. 36 Zum gewandelten Rollenbild vieler Anlieger siehe Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen, S. 125–126; ähnlich Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 151– 152; auch Bunz, NZG 2014, 1049; Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 501–503; ferner Lund, Kentucky Law Journal 2010, 119, 126–127, 136 Fn. 103. 37 Wen, Journal of International Banking Law and Regulation 2011, 325, 335. 38 Immenga, Aktiengesellschaft, Aktionärsinteressen und institutionelle Anleger, S. 29. 39 A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 97–98; Butzke, Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, Kapitel A Rn. 21; Jaspers, ZRP 2010, 8, 9; Pleßke, Die Satzungsstrenge im Aktienrecht, S. 51; Raisch, in: FS Hefermehl, S. 347, 349; Shleifer/Vishny, The Journal of Finance 1997, 737, 758. 40 Raisch, in: FS Hefermehl, S. 347, 349. 41 A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 85; Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 1.32. 42 Siehe dazu bereits oben die Einleitung zu § 6 A. I. 43 Baums/von Randow, AG 1995, 145, 154 („theoretisch richtigen, in der Praxis allerdings nur bedingt tauglichen Einsicht“); Dauner-Lieb, WM 2007, 9, 14, kritischer aber 13; Habersack, in: Verhandlungen des 69. Deutschen Juristentages 2012, Band I, E 1, E 78 („solange sich seine Interessen im Gleichlauf mit dem Gesellschaftsinteresse befinden“); Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, S. 174, kritischer aber auf S. 184–185; positiv Rock, The Georgetown Law Journal 1991, 447, 466–468; grundsätzlich kritisch A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 84–85, 97–98; Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 1.32; Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen, S. 4, 176.
§ 6 Die Entscheidungsfindung in der Hauptversammlung
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Natürlich besteht immer die Gefahr, dass einzelne Aktionäre rechtswidrig versuchen, ihre mitgliedschaftliche Stellung zur Erreichung einer individuellen Vergünstigung zu nutzen.44 Dieses Risiko besteht in besonderem Umfang bei informellen Einwirkungen.45 Ein Argument gegen Aktionärsstimmrechte lässt sich daraus jedoch nicht herleiten. Zum einen ist gerade die hier diskutierte Ausübung von Mitgliedschaftsrechten in der Hauptversammlung ein transparenter Vorgang.46 Abhängig von Satzungsregeln nach § 134 Abs. 4 AktG und der jeweiligen Versammlungsleitung findet der Vorgang der Stimmabgabe sogar offen statt.47 Zumindest aber erlangen die Beteiligten Kenntnis vom Ergebnis. Ziel muss es daher sein, die Beteiligung der Eigenkapitalgeber gerade in dieses Organ zu verlagern. Zum anderen ist vorrangig zu versuchen, Missbräuchen entgegenzuwirken, bevor die Bedeutung von Mitwirkungsmöglichkeiten grundsätzlich in Frage gestellt wird. Auch wenn im Einzelfall somit nicht ausgeschlossen ist, dass Gesellschafter unterschiedliche Interessen verfolgen, so kann doch festgehalten werden, dass selbst wenn kleinere Aktionäre nicht an der Hauptversammlung teilnehmen, in vielen Fällen zumindest teilweise für eine Mitberücksichtigung ihrer Belange durch die größeren Anleger gesorgt wird. 2. Der Austritt als Alternative zur aktiven Beteiligung
Die Entscheidungsfindung hängt jedoch nicht nur von der Höhe des jeweils gehaltenen Anteils und der Aktionärsstruktur ab. Häufig wird hervorgebracht, dass auch die einfache Übertragbarkeit von Aktien das Desinteresse an einer Beteiligung am Meinungsbildungsprozess in der Hauptversammlung fördert.48 Tatsächlich ist das einzelne Mitglied nicht dauerhaft vom kollektiven Meinungsbildungsprozess abhängig, sondern nur solange die mitgliedschaftliche Stellung aufrechterhalten wird. Die Aktie ist grundsätzlich ein sehr fungibles Finanzierungsinstrument. § 68 Abs. 2 AktG gestattet nur, die Übertragung einer Namensaktie nach § 10 Abs. 1 AktG an die Zustimmung der Gesellschaft zu knüpfen. 44 Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 1.32; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, S. 185. 45 Butzke, Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, Kapitel A Rn. 25; kritisch auch Bachmann, WM 2011, 1301, 1305; Wilsing, ZGR 2012, 291, 299; ähnlich wohl auch Schneider, ZGR 2012, 518, 525. 46 Butzke, Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, Kapitel A Rn. 26. 47 Siehe dazu nur Grundmann, in: GroßkommAktG, § 133 Rn. 77. 48 Habersack, in: Verhandlungen des 69. Deutschen Juristentages 2012, Band I, E 1, E 87; Lorenz, Die Zuständigkeit der Hauptversammlung im deutschen und US-amerikanischen Gesellschaftsrecht, S. 18, 20; Michels, Das Recht der Aktionärsversammlung in Großbritannien und Deutschland, S. 58; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, S. 174–176; Servatius, Strukturmaßnahmen, S. 214, 217; Simon/Zetzsche, ZGR 2010, 918, 921.
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3. Kap.: Grundsätzliche Überlegungen zur Aktionärsdemokratie
Ein vollständiger Ausschluss der Übertragbarkeit ist somit nicht möglich.49 Rein faktisch kann ein solcher allerdings erreicht werden, etwa wenn nach § 68 Abs. 2 Satz 2 AktG die Hauptversammlung völlig frei über das notwendige Einverständnis beschließen kann.50 Von dieser Möglichkeit machen aber ohnehin meist nur kleinere Gesellschaften und Familienunternehmen Gebrauch.51 Für die Börsenzulassung verlangt § 5 Abs. 1 der Börsenzulassungsverordnung52 sogar die freie Handelbarkeit von allen Wertpapieren. Das ist konsequent, da die Publikumsgesellschaft als Kapitalsammelbecken auf übertragbare Aktien angewiesen ist.53 Die Folge ist allerdings ein häufig wechselnder Mitgliederbestand.54 Besteht die Möglichkeit, die Gesellschafterstellung durch Verkauf der Anteile jederzeit aufgeben zu können, werden aktuelle Informationen unter Umständen nicht intensiv genug wahrgenommen.55 Es kann dann ein entsprechender Investitionshorizont fehlen, um Entscheidungen an langfristigen Zielen auszurichten.56 Denn der Ausstieg aus der Gesellschaft kann in vielen Fällen günstiger sein als die dauerhafte Informationsverarbeitung.57 Dieses auch Wall Street Rule genannte Verhalten kann dann den Abstimmungsakt in der Hauptversammlung ersetzen.58 Gerade bei größeren Publikumsgesellschaften wird es vielfach sowohl Kleinals auch Großaktionären gelingen, einen Käufer für die eigene Beteiligung zu finden. Damit ist jedoch nichts darüber gesagt, ob dieser Weg auch tatsächlich immer eine Alternative zur Ausübung des Stimmrechts darstellt.59 Der Verkauf 49
Servatius, Strukturmaßnahmen, S. 216. Ähnlich Knur, in: FS Flume, Band II, S. 173, 182. 51 Gätsch, in: FS Beuthien, S. 133; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 773; Servatius, Strukturmaßnahmen, S. 217. 52 Verordnung vom 09.09.1998, BGBl. Band I, S. 2832–2852, zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 43 des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften über Verkündung und Bekanntmachungen sowie der Zivilprozessordnung, des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung und der Abgabenordnung vom 22.12.2011, BGBl. Band I, S. 3044–3056. 53 So wohl auch Servatius, Strukturmaßnahmen, S. 216–217. 54 Servatius, Strukturmaßnahmen, S. 215. 55 Servatius, Strukturmaßnahmen, S. 215. 56 Servatius, Strukturmaßnahmen, S. 215–216; siehe auch Lorenz, Die Zuständigkeit der Hauptversammlung im deutschen und US-amerikanischen Gesellschaftsrecht, S. 238, der vom „Augenblickinteresse“ der Aktionäre spricht. 57 A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 74; Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 21; Roth, ZIP 2003, 369, 376. 58 Habersack, in: Verhandlungen des 69. Deutschen Juristentages 2012, Band I, E 1, E 87; Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 3.218; Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 501; Lorenz, Die Zuständigkeit der Hauptversammlung im deutschen und US-amerikanischen Gesellschaftsrecht, S. 18 Fn. 94; Rock, The Georgetown Law Journal 1991, 447, 462; Schneider/Burgard, in: FS Beusch, S. 783, 789. 59 Kritisch auch Baums/von Randow, AG 1995, 145, 147; Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 152; Parkinson, Corporate Power and Responsibility, S. 167. 50
§ 6 Die Entscheidungsfindung in der Hauptversammlung
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von Aktien weit unter dem ehemaligen Einkaufspreis ist oft kein wirtschaftlich sinnvoller Ausweg. Haben sich Entscheidungen etwa schon negativ im Aktienkurs manifestiert, bleibt nur noch ein aktives Entgegenwirken gegen eine derartige Entwicklung.60 Ein Kleinaktionär mag in einer solchen Situation hilflos darauf vertrauen müssen, dass sich die Zeiten ändern. Ein Eigenkapitalgeber, der sich Gehör verschaffen kann, wird dies unter Umständen aber zum Anlass nehmen, um auf die Geschäftsleitung und den Aufsichtsrat einzuwirken. Auch hier besteht zwar grundsätzlich die Gefahr, dass Großinvestoren untereinander auf ein Aktivwerden der jeweils anderen Parteien warten und so Trittbrettfahrerprobleme hervorgerufen werden.61 Je gewichtiger die finanziellen Einbußen ausfallen, desto eher ist jedoch zu erwarten, dass diese Schwierigkeiten überwunden werden. Aber selbst wenn sich der Kurswert nicht negativ entwickelt hat, ist ein Ausstieg nicht immer möglich. Je größer die Beteiligungsquote, so schwerer wird es, durch einen Verkauf die Gesellschaft ohne Einbuße zu verlassen.62 Je mehr Anteile zeitgleich angeboten werden, desto stärker fällt der Preis. Größere Aktionäre haben demnach nicht nur kurz vor Verkauf der eigenen Anteile, sondern während der ganzen Beteiligungsphase ein Interesse daran, dass sich der Wert einer Aktie positiv entwickelt. Es besteht für die Gruppe demnach durchaus ein Anreiz, Kontrollrechte während ihrer Mitgliedschaft auszuüben.63 Es ist daher unzutreffend zu behaupten, dass die Flüchtigkeit des Aktienbesitzes gleichermaßen die Entscheidungsfindung von privaten und institutionellen Anlegern lähmt.64 In der Gesamtschau gilt demzufolge, dass die Möglichkeit die Gesellschaft kurzfristig verlassen zu können, durchaus zur Passivität einiger Anleger beitragen kann. Schon allein, weil ein Ausstieg nicht immer eine Alternative zur Ausübung von Stimmrechten ist, kann dies aber die grundsätzliche Bedeutung von Aktionärsbeteiligungen nicht in Frage stellen. 3. Die Beurteilungsfähigkeiten von Kleinaktionären
Neben den soeben aufgezeigten Problemen wird oft auf die vermeintliche Unfähigkeit der Kleinaktionäre hingewiesen, über komplexe Sachfragen zu entschei60 Lee/O’Neill, Academy of Management Journal 2003, 212, 215; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, S. 446. 61 A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 94 (am Beispiel eines Fonds); Fleischer, ZGR 2011, 155, 165. 62 Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 501; Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 152; Lee/ O’Neill, Academy of Management Journal 2003, 212, 215; Parkinson, Corporate Power and Responsibility, S. 167; Rock, The Georgetown Law Journal 1991, 447, 462. 63 Ähnlich Dauner-Lieb, WM 2007, 9, 12; Rock, The Georgetown Law Journal 1991, 447, 462. 64 So aber Servatius, Strukturmaßnahmen, S. 218; differenzierend Dauner-Lieb, WM 2007, 9, 12; Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen, S. 126–127.
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3. Kap.: Grundsätzliche Überlegungen zur Aktionärsdemokratie
den.65 Wäre dies richtig, würde das den Entscheidungsfindungsprozess, an dem trotz aller ökonomischen Schwierigkeiten auch immer Kleinaktionäre teilnehmen, zumindest teilweise entwerten. Ferner müsste man sich die Frage stellen, ob das deutsche Verständnis einer Aktionärsdemokratie überhaupt auf überzeugenden Grundannahmen beruht, da allen Gesellschaftern eine Mitwirkung erlaubt wird, unabhängig von der Höhe des jeweils gehaltenen Anteils. Auch wenn zwischen einzelnen Großanlegern in der Praxis signifikante Unterschiede bestehen, so wird man nicht bezweifeln dürfen, dass diese oftmals die technischen Fähigkeiten und fachlichen Kenntnisse haben, um Entwicklungen am Markt zu verfolgen und sogar selbst konstruktive Vorschläge für die weitere Gesellschaftsentwicklung einzubringen. Solche Voraussetzungen sind bei vielen Kleinanlegern sicherlich nicht gegeben. Selbst wenn man aber die Hilfestellung der existierenden Intermediäre, wie zum Beispiel der Wirtschaftspresse oder der Abschlussprüfer,66 außer Acht lässt, können diese jedoch nicht als schlechterdings unfähig bezeichnet werden, sich mit gesellschaftsrelevanten Themen auseinander zu setzen. So wird jeder Aktionär auf Grund der mit der eigenen Investition verfolgten Absicht sehr wohl beantworten können, ob er in einem wirtschaftlich guten Jahr eine Dividendenauszahlung befürwortet oder mit der Leistung der Geschäftsleitung zufrieden ist. Die vermeintliche Unfähigkeit, Geschäftsführungsaufgaben selbst wahrzunehmen, darf nicht in eine Unfähigkeit bezüglich der eigenen Vermögensverwaltung umgedeutet werden.67 Sicherlich werden viele Kleinaktionäre Informationen anders wahrnehmen als etwa professionelle Investoren. Im Ergebnis werden Erstgenannte häufig nur eine oberflächliche Prüfung durchführen oder das Verhalten anderer Anleger beobachten und diesem folgen. Einige Kleinaktionäre, die trotz geringer Stimmkraft die zeitliche und finanzielle Belastung einer Hauptversammlungsteilnahme auf sich nehmen, werden sich aber durchaus Gedanken über die Beschlussvorschläge gemacht haben. Darüber hinaus können unterschiedliche Blickpunkte gewinnbringend für den gesamten Meinungsbildungsprozess wirken. Zwar erscheint es eher unrealistisch, dass ein einzelner Aktionär durch eine emotionale Rede auf der Hauptversammlung einer Publikumsgesellschaft plötzlich ein Abstimmungsergebnis signifikant beeinflusst. Andererseits dürften gerade die kritischen Nachfragen der kleinen Anleger vielfach eine heilsame Wirkung haben.68
65 Siehe nur Immenga, Aktiengesellschaft, Aktionärsinteressen und institutionelle Anleger, S. 21 („fehlender Sachverstand“); Lorenz, Die Zuständigkeit der Hauptversammlung im deutschen und US-amerikanischen Gesellschaftsrecht, S. 18, 19; Michels, Das Recht der Aktionärsversammlung in Großbritannien und Deutschland, S. 58; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 13 Rn. 1 („weder in der Lage noch willens“); Wiedemann, BB 1975, 1591, 1595. 66 Siehe dazu unten unter § 6 C. II. 67 Auf diese Differenzierung auch im Gesetz hinweisend Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, S. 115.
§ 6 Die Entscheidungsfindung in der Hauptversammlung
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Sowenig man bei größeren Eigenkapitalgebern sicher darauf vertrauen kann, dass diese ihr Stimmrecht informiert ausüben, sowenig darf man davon ausgehen, dass Kleinaktionäre ihr Stimmrecht immer uninformiert ausüben. Tatsächlich werden diese oftmals Entscheidungen nicht bis in das letzte Detail nachvollziehen. Zu einer Plausibilitätskontrolle werden die Meisten jedoch in der Lage sein. Im besten Fall gehen auch von diesen Investoren darüber hinaus wichtige Impulse für die Entwicklung der Gesellschaft aus. 4. Ergebnis
Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Bereitschaft eines Aktionärs seine Stimmrechte aktiv wahrzunehmen, vornehmlich von der Höhe des jeweils gehaltenen Anteils abhängt. Denn die Höhe des Anteils bestimmt, in welchem Umfang der Entscheidungsprozess beeinflusst werden kann und wie stark sich das Ergebnis der Abstimmung für den einzelnen Gesellschafter auswirkt. Die Auseinandersetzung mit gesellschaftsrelevanten Fragestellungen ist daher vornehmlich für größere Investoren interessant, nicht zuletzt, weil diese sich oftmals nicht ohne weiteres von ihren Anteilen trennen können. Auch darf man davon ausgehen, dass gerade solche Gesellschafter eher in der Lage sind, komplexere Entscheidungen der Verwaltungsorgane zeitnah und ohne größeren Aufwand nachzuvollziehen. Andererseits hat die vorherige Untersuchung gezeigt, dass Kleininvestoren mit der Ausübung des Stimmrechts keinesfalls überfordert sind, sondern einen wichtigen Beitrag zur Aktionärsdemokratie leisten können. II. Die Bedeutung von hohen Beteiligungsquoten Die vorherigen Ausführungen erklären jedoch, warum gerade bei Publikumsgesellschaften geringe Beteiligungsquoten keine Seltenheit sind. Damit zeigt sich zum einen, dass ein Teil der Aktionäre am Entscheidungsfindungsprozess überhaupt nicht mitwirkt, andererseits dem mitwirkenden Teil, vornehmlich Großaktionären, prozentual ein über ihren eigentlichen Kapitalanteil hinausgehendes Stimmrecht zukommt. In dem bereits genannten Beispiel der Deutschen Bank AG haben auf der Hauptversammlung 201469 14.92% für eine absolute Abstimmungsmehrheit ausgereicht. Die Bedeutung hoher Teilnahmequoten wird dabei unterschiedlich beurteilt.
68 So auch Kubis, in: MünchKommAktG, § 118 Rn. 31; ähnlich Michels, Das Recht der Aktionärsversammlung in Großbritannien und Deutschland, S. 70–71. 69 Siehe dazu bereits oben unter § 6 Fn. 20.
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3. Kap.: Grundsätzliche Überlegungen zur Aktionärsdemokratie 1. Beteiligungsquoten und demokratische Legitimation
Oft wird vorgebracht, dass eine hohe Aktionärsbeteiligung die demokratische Legitimation einer Entscheidung stärkt.70 Tatsächlich mag es auf dem Papier besser aussehen, wenn eine große Stimmenmehrheit die Verwaltung trägt.71 Eine uninformierte Zustimmung stützt jedoch nicht die Legitimation einer Entscheidung.72 Genauso wenig kann durch eine uninformierte Aktionärsopposition eine sinnvolle Disziplinierung des Vorstands erreicht werden. Legitimation und Kontrolle drücken sich keinesfalls in Präsenzquoten aus, sondern durch die Qualität der abgegebenen Stimmen. Eine von nur 5% aller Mitglieder auf Grund eines sorgsamen Abwägungsprozesses getragene Entscheidung ist für die Aktiengesellschaft mehr wert, als die uninformierte Ablehnung der gleichen Thematik von 95% aller Eigenkapitalgeber. Beteiligungsquoten erfüllen keinen Selbstzweck. Vielmehr stärkt das Fernbleiben der unreflektiert entscheidenden Aktionäre prozentual sogar jene Stimmen, die sich tatsächlich mit den Vorschlägen auseinandergesetzt haben.73 Durch die Aktivierung von uninformierten Stimmenrechten kann größeren Anlegern sogar die Motivation genommen werden, sich aktiv mit ihrem Investitionsobjekt zu beschäftigen.74 Damit zeigt sich, dass die Aussage, geringe Präsenzquoten hätten „sowohl für die Aktiengesellschaft als auch für die Aktionäre nur negative Folgen“ 75 in dieser Pauschalität unzutreffend ist. 2. Die Gefahr von Zufallsmehrheiten und der Überrepräsentanz von Großaktionären
Konsequenz der vorherrschenden Passivität ist jedoch, dass die bei der Beschlussfassung vertretene Minderheit eine Entscheidung für die abwesende Mehrheit treffen kann.76 Der dafür verwendete Begriff der „Zufallsmehrheit“ 77 ist frei70 Ähnlich Angerer/Butzke/Cahn/Hemeling/Müller/Roeckl-Schmidt, AG 2014, R125; Pielke, Die virtuelle Hauptversammlung, S. 61 („Bedrohung der Aktionärsdemokratie“); Semler, in: Verhandlungen des 61. Deutschen Juristentages 1996, Band II/1, N 29, N 38; Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen, S. 182; Wangemann, Finanzielle Anreize zur Steigerung der Hauptversammlungspräsenz in der Aktiengesellschaft, S. 41 („Legitimation durch Verfahren“). 71 Pielke, Die virtuelle Hauptversammlung, S. 60 verweist zu Recht auf die Bedeutung hoher Teilnahmequoten für die Außendarstellung einer Gesellschaft. 72 Ähnlich Dauner-Lieb, WM 2007, 9, 14. 73 Baums/von Randow, AG 1995, 145, 155; Dauner-Lieb, WM 2007, 9, 14. 74 So grundsätzlich Wenger, in: Der Markt für Unternehmenskontrolle, S. 73, 92, 94– 95 vor dem Hintergrund des Vollmachtstimmrechts der Banken. 75 So Kim, Hauptversammlung im virtuellen Raum, S. 10. 76 A. A. Angerer/Butzke/Cahn/Hemeling/Müller/Roeckl-Schmidt, AG 2014, R125, R126; Jaspers, ZRP 2010, 8, 9; Pielke, Die virtuelle Hauptversammlung, S. 61–62; Simon/Zetzsche, ZGR 2010, 918, 920; Wangemann, Finanzielle Anreize zur Steigerung der Hauptversammlungspräsenz in der Aktiengesellschaft, S. 35.
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lich unglücklich gewählt. Er suggeriert, dass es keine erkennbare Ursache für das Ergebnis gibt, und dass sich nicht vorhersehen lässt, wer denn tatsächlich an der Beschlussfassung teilnehmen wird. Das Gegenteil ist gleichwohl der Fall. Bestimmte Aktionärsgruppen meiden die Hauptversammlung und den damit verbundenen Aufwand bewusst. Bereits vor Beginn der Hauptversammlung lässt sich gut abschätzen, welche Aktionäre tendenziell nicht vertreten sein werden.78 Eine geringere Abstimmungsbeteiligung führt daher regelmäßig nicht zu zufälligen, im Sinne von nicht vorhersehbaren, Ergebnissen.79 Möglicherweise würde allerdings eine Entscheidung der Hauptversammlung anders ausfallen, wenn tatsächlich alle Aktionäre vollständig informiert teilgenommen hätten. Die Notwendigkeit von hohen Präsenzquoten wird folglich auch oft damit begründet, dass eine Überrepräsentanz von größeren Investoren verhindert werden müsse.80 Tatsächlich sind es gerade in Publikumsgesellschaften solche Gesellschafter, welche den Entscheidungsfindungsprozess tragen. Diese Vormachtstellung, so wird behauptet, würde Kleinaktionäre umso mehr von einer informierten Stimmrechtswahrnehmung abhalten.81 Ferner wird auf die Gefahr hingewiesen, dass sich die geschäftliche Ausrichtung der Gesellschaft verändert, wenn Großanleger die Mehrheitsfindung zu stark beeinflussen können.82 Da Aktionärsinteressen oftmals aber gleichlaufend sind, ist zu bezweifeln, dass Beschlussfassungen bei Teilnahme aller Gesellschafter häufig anders ausfallen würden.83 Dies wird nicht zuletzt dadurch unterstrichen, dass sich Abstimmungen mit geringer Aktionärspräsenz in der Praxis nicht auf die Kursentwicklung einzelner Gesellschaften auswirken.84 Dies wäre jedoch zu erwarten, wenn regelmäßig Entscheidungen gefällt werden würden, die nicht im Interesse der überwiegenden Aktionärsmehrheit liegen würden.85 Über §§ 245, 246 AktG und § 249 AktG wird ferner sichergestellt, dass auch Investoren mit wenigen Antei77 A. A. Angerer/Butzke/Cahn/Hemeling/Müller/Roeckl-Schmidt, AG 2014, R125, R126; Claussen, AG 2001, 161, 164; Lenz, NZG 2006, 534; Pielke, Die virtuelle Hauptversammlung, S. 61–62; Schneider/Burgard, in: FS Beusch, S. 783, 783, 796; Servatius, Strukturmaßnahmen, S. 237; Simon/Zetzsche, ZGR 2010, 918, 920. 78 Dies anerkennend Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen, S. 177. 79 A. A. Angerer/Butzke/Cahn/Hemeling/Müller/Roeckl-Schmidt, AG 2014, R125, R126. 80 So aber Claussen, AG 2001, 161, 164; Servatius, Strukturmaßnahmen, S. 237; Wangemann, Finanzielle Anreize zur Steigerung der Hauptversammlungspräsenz in der Aktiengesellschaft, S. 44. 81 Servatius, Strukturmaßnahmen, S. 237; Wangemann, Finanzielle Anreize zur Steigerung der Hauptversammlungspräsenz in der Aktiengesellschaft, S. 44. 82 Claussen, AG 2001, 161, 164; Shleifer/Vishny, The Journal of Finance 1997, 737, 758. 83 So auch Dauner-Lieb, WM 2007, 9, 14. 84 Dauner-Lieb, WM 2007, 9, 14. 85 Dauner-Lieb, WM 2007, 9, 14.
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3. Kap.: Grundsätzliche Überlegungen zur Aktionärsdemokratie
len zumindest die Rechtmäßigkeit einer Mehrheitsentscheidung gerichtlich nachprüfen lassen können. Es ist gerade die Konsequenz demokratischer Abstimmungen, dass nur diejenigen, welche am Abstimmungsvorgang teilgenommen haben, auch tatsächlich Einfluss auf die Entscheidung nehmen konnten. Das gilt umso mehr in einem System, welches die Macht einzelner Akteure an deren wirtschaftliche Beteiligung knüpft. Publikumsgesellschaften können unter anderem auch deswegen so viel Kapital von einzelnen Investoren einsammeln, weil diese im Gegenzug mehr und mehr Einfluss erlangen.86 Bei einer Ausrichtung des Stimmrechts alleine am Aktieneigentümer würde die Rechtsform wohl kaum einen solchen Erfolg haben.87 Eine Orientierung am Aktieneigentum bedingt jedoch, dass nicht jeder einzelne Aktionär im gleichen Maße Anreize entwickelt, sich aktiv mit gesellschaftsrelevanten Fragestellungen zu beschäftigen. Es ist widersprüchlich, derartige Rahmenbedingungen zu schaffen, dann aber die mit dem System einhergehenden Schwächen bezüglich der Repräsentanz von Kleinaktionären als Argument gegen die Beteiligung der Gesellschafter hervorzubringen.88 Es gibt folglich keinen Grund, die Stimmen von Kleinaktionären zu aktivieren, nur um den nominellen Einfluss anderer Aktionärsgruppen zu beschränken. Es bietet sich zwar sicherlich an, die gesetzlichen Rahmenbedingungen von Zeit zu Zeit dahingehend zu untersuchen, ob neue Möglichkeiten implementiert werden können, um die Stimmabgabe für Kleinaktionäre zu vereinfachen. Die grundsätzliche Entscheidung für einen an Anteilen ausgerichteten Entscheidungsfindungsprozess überzeugt jedoch. Die damit einhergehende stärkere Position der Großaktionäre ist als systemimmanente Eigenart damit zu akzeptieren. Auf Grund der oftmals gleichlaufenden Aktionärsinteressen und den bestehenden Klagerechten ist auch nicht davon auszugehen, dass sich diese Situation generell zum Nachteil von Kleinaktionären auswirkt. 3. Ergebnis
Präsenzquoten dienen isoliert betrachtet keinem eigenen Zweck. Stimmrechte sollen in erster Linie eine Kontrolle und Steuerung von Vorstand und auch Aufsichtsrat ermöglichen. Dies funktioniert indes nicht durch die Masse an abgegebenen Stimmen, sondern durch eine informierte Wahrnehmung der jeweiligen Kompetenzen. Ein Argument gegen eine Aktionärsbeteiligung kann aus geringen Präsenzquoten nicht entwickelt werden. 86
Dazu auch Manne, Columbia Law Review 1962, 339, 407. Manne, Columbia Law Review 1962, 339, 407. 88 In diese Richtung allerdings wohl Lorenz, Die Zuständigkeit der Hauptversammlung im deutschen und US-amerikanischen Gesellschaftsrecht, S. 237–238 (vor dem Hintergrund einer möglichen Kodifikation von bisher „ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeiten“). 87
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III. Reformbedarf bei der unmittelbaren Stimmrechtsausübung Aus der bisherigen Untersuchung geht hervor, dass die Ausrichtung des Stimmrechts am Aktieneigentum eine sinnvolle Entscheidung ist. Anderenfalls kann die Aktiengesellschaft ihre Rolle als Kapitalsammelbecken nicht erfüllen. Da die Fähigkeit der Kleininvestoren, Entscheidungen der Verwaltung zu beurteilen, nicht grundsätzlich in Zweifel gezogen werden kann, bietet es sich nicht an, das Stimmrecht an bestimmte Anteilsschwellen zu knüpfen. Behandelt werden soll an dieser Stelle jedoch, ob systeminterne Anpassungen notwendig sind, um die Ausübung des Stimmrechts zu vereinfachen und attraktiver zu machen. 1. Finanzielle Incentivierung zur Abstimmungsteilnahme
Denkbar wäre, die Aktionäre durch die Zahlung von finanziellen Anreizen zu Abstimmungsteilnahmen zu bewegen. Es ist darauf hingewiesen worden, dass in Spanien in einzelnen Fällen die Zahlung von 2 Cent pro Aktie als Anwesenheitsgeld beinahe zu einer Verdopplung der Hauptversammlungspräsenz geführt hat.89 Den Befürwortern eines solchen Anreizsystems ist zumindest darin zuzustimmen, dass technische Fragestellungen, etwa woran eine entsprechende Zahlung geknüpft wird, überwunden werden können.90 Wenn man aber anerkennt, dass nicht hohe Beteiligungsquoten, sondern die informierte Stimmrechtswahrnehmung das Ziel sein muss, wird klar, dass durch einen Präsenzbonus kaum etwas zu gewinnen ist.91 Eine Pflicht zur informierten Ausübung ließe sich jedoch nicht sinnvoll festschreiben, aber vor allem auch praktisch nicht kontrollieren. Man wird ferner bezweifeln müssen, ob die im Diskurs genannten Beträge überhaupt geeignet sind, den durchschnittlichen Kleinaktionär zu aktivieren.92 Überlegt man wie teuer eine Stimmrechtsausübung sein kann, insbesondere wenn diese mit einer physischen Präsenz bei der Hauptversammlung verbunden wird, müssten schon sehr hohe Summen abgerufen werden.93 89 Klühs, ZIP 2006, 107, 108 verweist auf den Energiekonzern ENDESA, bei dem sich die Anwesenheitsquote von 37% auf 66% durch die Einführung des Bonusses erhöht hat. 90 Dazu etwa Klühs, ZIP 2006, 107, 109–113, 115–118; Wangemann, Finanzielle Anreize zur Steigerung der Hauptversammlungspräsenz in der Aktiengesellschaft, S. 61– 64, 120–123. 91 So im Ergebnis auch A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 88; Bachmann, AG 2012, 565, 576. 92 A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 88; Dauner-Lieb, WM 2007, 9, 15; Lenz, NZG 2006, 534, 535; Michels, Das Recht der Aktionärsversammlung in Großbritannien und Deutschland, S. 65; Spindler, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2005, S. 31, 54; zustimmend insoweit Wangemann, Finanzielle Anreize zur Steigerung der Hauptversammlungspräsenz in der Aktiengesellschaft, S. 124, der sich aber aus anderen Gründen für einen Präsenzbonus ausspricht. 93 Lenz, NZG 2006, 534, 535; Spindler, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2005, S. 31, 54 spricht bei einer fünfstündigen Hauptversammlung etwa von 200 Euro.
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3. Kap.: Grundsätzliche Überlegungen zur Aktionärsdemokratie
Motivieren würde ein geringer Präsenzbonus allenfalls dazu, für eine Stimmrechtsvertretung zu sorgen.94 Unterstellen darf man aber zum einen, dass der Vertreter dafür eine entsprechende Vergütung fordern wird.95 Das relativiert die Bedeutung entsprechender Zahlungen schnell wieder. Im Zweifel profitiert von einer Prämie somit nicht der Aktionär, sondern sein Vertreter. Eine Motivation, die Entscheidung des Vertreters nachzuprüfen oder gar selbst an diesen eine informierte Weisung zu erteilen, wird nicht begründet. Es wird außerdem noch zu zeigen sein, dass nicht jede Art der Stimmrechtsvertretung für die Gesellschaft wünschenswert ist.96 Ein Bonussystem versagt ferner auch dann, wenn die Gesellschaft in wirtschaftlich schweren Zeiten nicht in der Lage ist, entsprechende Zahlungen zu leisten.97 Gerade in solchen Situationen ist eine Aktionärskontrolle aber besonders wichtig. Eine entsprechende Regulierung würde wahrscheinlich sogar dazu beitragen, dass Kleinaktionäre von Investitionen in Gesellschaften absehen würden, welche eine Prämie nicht mehr aufbringen können. Es ist in der Gesamtschau daher zu begrüßen, dass die Diskussion um die Schaffung von finanziellen Anreizen für die Hauptversammlungsteilnahme in den letzten Jahren deutlich an Intensität verloren hat. Diese könnten zwar möglicherweise dazu beitragen, dass sich die Präsenzquoten gerade bei erfolgreichen Publikumsgesellschaften erhöhen, eine informierte Wahrnehmung der Kontrollund Steuerungsrechte, insbesondere in Krisenzeiten, wird dadurch jedoch nicht sichergestellt. 2. Die Abkehr von der Hauptversammlung als Präsenzveranstaltung
Ein anderer Weg besteht darin, die Kosten für die Hauptversammlungsteilnahme zu senken. Vor diesem Hintergrund ist § 118 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 AktG zu verstehen. Die Neuregelung durch das ARUG98 hat im Jahr 2009 die Basis für umfassende Internet-Teilnahmen an Hauptversammlungen mit Ausübung von Frage- und Stimmrechten geschaffen.99 Damit hat die Abkehr vom ehemals vorherrschenden Prinzip der Präsenzversammlung begonnen.100 In seiner jetzigen
94 Wangemann, Finanzielle Anreize zur Steigerung der Hauptversammlungspräsenz in der Aktiengesellschaft, S. 59, 124. 95 Spindler, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2005, S. 31, 54. 96 Siehe dazu unten unter § 6 B. IV. 97 Dauner-Lieb, WM 2007, 9, 15; Michels, Das Recht der Aktionärsversammlung in Großbritannien und Deutschland, S. 66; Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen, S. 181. 98 Gesetz vom 04.08.2009, BGBl. Band I, S. 2479–2494. 99 M. Arnold/Carl/C. Götze, AG 2011, 349, 360; Förster, AG 2011, 362, 366–367. 100 Spindler, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), § 118 Rn. 1, 48.
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Fassung setzt § 118 AktG allerdings immer noch voraus, dass auch ein physisches Aktionärstreffen stattfindet.101 Der deutsche Gesetzgeber hat die längst überfällige Neuregelung lange hinausgezögert. Schon früh ist auf die Möglichkeit hingewiesen worden, durch Einsatz elektronischer Kommunikation den Abstimmungsvorgang zu vereinfachen.102 Schon der Aktionsplan der Kommission 2003 befürwortete eine „größtmögliche Ausnutzung moderner technischer Hilfsmittel“.103 Erst die Aufnahme in Art. 8 der so genannten Aktionärsrechterichtlinie 104 hat aber hierzulande zu einem Tätigwerden geführt. Die virtuelle Teilnahme an einer Hauptversammlung ist in der Theorie sowohl für Aktionäre als auch für die Gesellschaft von Vorteil. Für die Eigenkapitalgeber entfallen die Kosten für Anfahrt105 und ganz allgemein für die physische Präsenz106. Auch der Zwischenschritt einer Stimmrechtsvollmacht wird unnötig.107 Die Gesellschaft wiederum kann die immensen Kosten für große Versammlungslokalitäten einsparen.108 Ohne in technische Details zu gehen, kann festgehalten werden, dass sich sogar eine rein virtuelle Hauptversammlung praktisch wie technisch realisieren lassen würde.109 Zwar könnte gerade bei Publikumsgesellschaften eine hohe Aktionärsteilnahme zu organisatorischen Schwierigkeiten führen.110 Beispielsweise stellt sich die Frage, wie bei einem Stromausfall zu verfahren wäre oder was passiert, falls zahlreiche Gesellschafter unter Verbindungsproblemen leiden. Sollte die Erfahrung aber tatsächlich zeigen, dass sich auf diesem Weg große Teile der Anteilseigner zur Stimmrechtsabgabe motivieren lassen, wird man sicherlich Rahmenbedingungen schaffen können, um auch auf Problemfälle einzugehen.111 Die Entwicklung ist hier gewiss noch am Anfang. Immerhin ist es bereits gang 101 Ganz herrschende Meinung, siehe nur Drinhausen, in: Hölters (Hrsg.), Aktiengesetz, § 118 Rn. 15; Koch, in: Hüffer (Begr.), Aktiengesetz, § 118 Rn. 10; Kubis, in: MünchKommAktG, § 118 Rn. 20. 102 Hanloser, NZG 2001, 355, 357, 358; Wymeersch, in: FS Lutter, S. 213, 226–228. 103 Europäische Kommission, Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union, KOM(2003) 284, S. 7. 104 Richtlinie 2007/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007, ABl. EG Nr. L 184 vom 14.07.2007, S. 22. 105 Claussen, AG 2001, 161, 164; Schwarz, Institutionelle Stimmrechtsberatung, S. 112. 106 Spindler, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2005, S. 31, 36. 107 Claussen, AG 2001, 161, 164; Kubis, in: MünchKommAktG, § 118 Rn. 20. 108 Claussen, AG 2001, 161, 165. 109 Spindler, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), § 118 Rn. 47; allgemein dazu Pielke, Die virtuelle Hauptversammlung, S. 64–78. 110 Kritisch daher Wangemann, Finanzielle Anreize zur Steigerung der Hauptversammlungspräsenz in der Aktiengesellschaft, S. 130. 111 Noch sehr zurückhaltend Kremer, in: Ringleb u. a. (Hrsg.), Deutscher Corporate Governance Kodex, Rn. 332.
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3. Kap.: Grundsätzliche Überlegungen zur Aktionärsdemokratie
und gäbe andere Großereignisse, wie etwa Fußballspiele, live im Internet an einen unbestimmten Personenkreis zu übertragen. Einen signifikanten Mehraufwand dürfte wohl auch eine virtuelle Hauptversammlung nicht bedeuten, selbst wenn neben der reinen Übertragung interaktive Elemente dazu kommen, wie etwa die Ausübung des Fragerechts. Gerade der zweifelsohne weiter voranschreitende technische Fortschritt wird dazu beitragen, dass die vollwertige OnlineTeilnahme mehr und mehr zur Realität wird. Zu euphorisch sollte man sich bezüglich der Auswirkungen indes nicht äußern. Es ist allerdings kein Argument gegen virtuelle Hauptversammlungen, dass dadurch die mit einer physischen Versammlung einhergehende Öffentlichkeitswirkung unterlaufen würde.112 Es gibt keinen Grund zu glauben, dass virtuelle Aktionärsopposition nicht auch einen ähnlichen Effekt hervorrufen könnte. Wenn die Öffentlichkeit, insbesondere die Fachpresse, sich erst einmal an die digitalen Rahmenbedingungen gewöhnt hat, würde das Verhalten der Gesellschafter dort genauso intensiv wahrgenommen, wie wenn die jeweiligen Rechte physisch geltend gemacht werden. Allerdings verlangt auch die Online-Teilnahme die Aufwendung von Zeit und entbindet nicht von der Auseinandersetzung mit den Beschlussvorschlägen, wenn das Stimmrecht informiert wahrgenommen werden soll.113 Selbst wenn Anfahrt und Übernachtung am Versammlungsort entfallen, so muss jeder Aktionär dennoch die einzelnen Tagesordnungspunkte für sich auswerten. Es ist daher unzutreffend zu behaupten, dass die Kosten von Internet-Abstimmungen „gegen Null“ gehen.114 Um eine Patentlösung, die alle oben aufgezeigten ökonomischen Schwierigkeiten überwindet und die Hauptversammlungsteilnahme für Kleinaktionäre bedingungslos attraktiv erscheinen lässt, handelt es sich folglich nicht. Die Schaffung von elektronischen Teilnahmemöglichkeiten ist insgesamt gesehen dennoch ein begrüßenswerter Schritt, um die Ausgaben für eine Mitwirkung auf der Hauptversammlung zu senken. Insbesondere für ausländische Investoren, aber auch für interessierte Kleinanleger handelt es sich um eine willkommene Vereinfachung. Die eigentlichen Informationskosten der Stimmabgabe können dadurch allerdings nicht gemindert werden.
112 So aber Dauner-Lieb, WM 2007, 9, 12; Schneider/Burgard, in: FS Beusch, S. 783, 786; in diese Richtung auch Kubis, in: MünchKommAktG, § 118 Rn. 31; wohl auch Michels, Das Recht der Aktionärsversammlung in Großbritannien und Deutschland, S. 249–250. 113 A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 88; ähnlich Dauner-Lieb, WM 2007, 9, 12; Schwarz, Institutionelle Stimmrechtsberatung, S. 112; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), § 136 Rn. 71; Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen, S. 179–180; Wangemann, Finanzielle Anreize zur Steigerung der Hauptversammlungspräsenz in der Aktiengesellschaft, S. 131; Wilsing, ZGR 2012, 291, 305. 114 So aber Behnke, NZG 2000, 665, 674.
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IV. Ergebnis Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Aussagekraft von Aktionärsentscheidungen nicht davon abhängt, wie viele Gesellschafter am Entscheidungsfindungsprozess beteiligt sind, sondern ob die jeweiligen Stimmrechte informiert ausgeübt wurden. Hoher Streubesitz, die einfache Übertragbarkeit von Aktien und das Auftreten von Trittbrettfahrern sind Gründe dafür, dass nicht in jeder Situation von einer entsprechenden Kompetenzwahrnehmung ausgegangen werden kann. Wie stark sich die jeweiligen Probleme auswirken, ist von Gesellschaft zu Gesellschaft unterschiedlich. Es hat sich gezeigt, dass oftmals schon die Existenz einzelner Großaktionäre ausreicht, damit von Kontroll- und Steuerungsmechanismen aktiv Gebrauch gemacht wird. Deren Handeln liegt häufig zudem im Interesse kleinerer Investoren. Anerkennen muss man zwar, dass selbst eine signifikante Stimmrechtsbeteiligung keine Garantie für eine informierte Ausübung ist. Dies spricht dafür, die Regulierung bestimmter Themenbereiche nicht alleine den Aktionären zu überlassen. Es ist jedoch aus ökonomischer Sicht kein Grund ersichtlich, Aktionärskompetenzen generell die Daseinsberechtigung abzusprechen. Vielmehr hat die Untersuchung gezeigt, dass die dem deutschen Stimmrechtssystem zu Grunde liegenden Wertungen zu überzeugen wissen und allerhöchstens Anpassungen im Detail notwendig sind.
B. Auswirkungen von Stimmrechtsvertretung und Stimmrechtsberatung In den vorherigen Ausführungen wurden die allgemeinen Schwierigkeiten der kollektiven Entscheidungsfindung beleuchtet. Herausgearbeitet wurde dabei, dass die Kosten der Stimmrechtsausübung ein entscheidendes Hindernis für deren informierte Wahrnehmung sind. Neben den bereits diskutierten Reformvorschlägen, die unmittelbar am Vorgang der jeweiligen Stimmabgabe ansetzen, besteht jedoch auch die Möglichkeit, vor und während der Hauptversammlung externe Hilfe in Anspruch zu nehmen, um die anfallenden Ausgaben zu senken. So ist es grundsätzlich zulässig, dass sich die Aktionäre über die Auswirkungen eines Beschlusses von Dritten beraten lassen oder einen Vertreter bestimmen, welcher das Stimmrecht für diese auf der Hauptversammlung wahrnimmt. Das deutsche Recht erlaubt dabei neben einer Legitimationsübertragung nach § 129 Abs. 3 AktG auch eine Bevollmächtigung nach § 134 Abs. 3 AktG. Handelt es sich bei dem Bevollmächtigten um ein Kreditinstitut oder einen gleichgestellten Anbieter, gelten die ergänzenden Sonderregeln des § 135 AktG. Wird eine Bank beauftragt, welche die betreffenden Aktien ohnehin bereits für den Kunden verwahrt, hat sich die Bezeichnung Depotstimmrecht eingebürgert. Die bloße Stimmrechtsberatung ist gesetzlich überhaupt nicht geregelt. Den Aktionären steht es daher frei, von Dritten entsprechende Vorschläge einzuholen oder sich über Vor- und Nachteile einzelner Entscheidungsalternativen zu informieren.
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In der Folge wird neben der Stimmrechtsberatung vornehmlich auf das Vollmachtstimmrecht der Kreditinstitute und das so genannte Verwaltungsstimmrecht aus § 134 Abs. 3 Satz 5 AktG eingegangen. Ziel der Untersuchung ist es dabei, die Konsequenzen dieser Gestaltungsvarianten für den Meinungsbildungsprozess zu analysieren und möglichen Reformbedarf zu bestimmen. Im Vordergrund stehen dabei nicht die technischen Modalitäten von Stimmrechtsberatung und Stimmrechtsvertretung, sondern die Auswirkungen für die Aktionärsdemokratie, insbesondere ob auf diesem Weg zu einer informierten Wahrnehmung von Kompetenzen beigetragen werden kann. I. Das Vollmachtstimmrecht der Kreditinstitute nach § 135 AktG Das Vollmachtstimmrecht der Kreditinstitute nimmt in Deutschland traditionell eine wichtige Rolle ein.115 § 135 Abs. 2 Satz 2 AktG verpflichtet die Bank bei der Erstellung von Abstimmungsvorschlägen nach § 135 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 AktG auf das Interesse der Aktionäre zu achten. In dieser Situation wird somit sichergestellt, dass eine aktive Auseinandersetzung mit den Belangen der jeweils vertretenen Gesellschafter erfolgt. Wenn das Kreditinstitut sich aber bloß den Vorschlägen der Verwaltung nach § 135 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 AktG anschließt, ist ein Abgleich mit den Aktionärsinteressen vom Gesetz nicht gefordert. Diese Unterscheidung wurde notwendig, nachdem sich viele Banken aus dem Depotgeschäft zurückgezogen hatten, da von der vorher generell bestehenden Beurteilungspflicht gerade kleinere Institute überfordert waren.116 Konsequenz der aktuellen gesetzlichen Regelung ist jedoch, dass es für die Banken finanziell attraktiver und mit deutlich weniger Aufwand verbunden ist, den Vorschlägen von Aufsichtsrat und Vorstand nicht zu widersprechen. Jeder Aktionär kann dem Kreditinstitut auch eine ausdrückliche Weisung nach § 135 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 1 AktG erteilen. Auf diesem Weg können die Kosten einer physischen Hauptversammlungspräsenz eingespart werden, ohne davon abhängig zu sein, ob die Bank der Verwaltung folgt oder eigene Vorschläge präsentiert. Von dieser Möglichkeit wird allerdings nur selten Gebrauch gemacht.117 Das liegt zum einen wohl daran, dass eine Weisung nur dann Sinn macht, wenn vorher vom Stimmrechtsinhaber eine informierte Entscheidung getroffen wurde. Dies bedeutet für den Aktionär jedoch zusätzliche Arbeit, der er sich durch das Vollmachtstimmrecht regelmäßig gerade zu entledigen versucht. Darüber hinaus kann durch eine Briefwahl oder eine elektronische Abstimmung ebenso eine in115 Grundmann, BKR 2009, 31, 35; Shleifer/Vishny, The Journal of Finance 1997, 737, 753; Zöllner, in: FS Peltzer, S. 661, 671; eine Übersicht der geschichtlichen Entwicklung findet sich bei J. Schmidt, WM 2009, 2350, 2350–2357. 116 Hirschmann, in: Hölters (Hrsg.), Aktiengesetz, § 135 Rn. 3; J. Schmidt, WM 2009, 2350, 2353; Schröer, in: MünchKommAktG, § 135 Rn. 21. 117 Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl., § 16 Rn. 116.
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dividuelle Stimmrechtsabgabe erfolgen, ohne dass der aufwendige Zwischenschritt einer Bevollmächtigung notwendig würde. Interessenkonflikte können beim Depotstimmrecht gerade dann auftreten, wenn ein Kreditinstitut selbst nicht in nennenswertem Umfang an einer Gesellschaft beteiligt ist, sondern lediglich als Vertreter handelt.118 In diesen Fällen kann eine Bank Einfluss auf die Gesellschaft ausüben, ohne das entsprechende finanzielle Risiko zu tragen.119 Da Banken in vielen Fällen ferner als Kreditgeber für die Gesellschaft tätigt sind, besteht die Gefahr, dass bei der Ausübung der Stimmrechte weniger die Aktionärsinteressen, sondern mehr das eigene Sicherungsbedürfnis verfolgt wird.120 Konkret kann das beispielsweise bedeuten, dass weniger auf Dividendenzahlungen, sondern mehr auf die Schaffung von Rücklagen Wert gelegt wird.121 Potenziert wird der Bankeneinfluss, wenn, wie in der Praxis üblich, diese durch Stimmrechtsvollmachten auch Aufsichtsratsmandate erlangen und damit eine zusätzliche institutionalisierte Vertretung schaffen.122 § 135 Abs. 2 Satz 4 AktG begegnet dieser Gefahr lediglich mit einer Offenlegungspflicht. II. Das Verwaltungsstimmrecht nach § 134 Abs. 3 Satz 5 AktG Durch das NaStraG123 wurde 2001 der § 134 Abs. 3 Satz 5 AktG eingeführt. Die Gesellschaft kann demnach einen eigenen Vertreter für die Aktionäre bestimmen und so diesen die Möglichkeit geben, unabhängig von dem Angebot eines Depotstimmrechts für eine Repräsentanz auf der Hauptversammlung zu sorgen. Die rechtliche Zulässigkeit eines solchen Vorgehens war lange Zeit umstritten und von der wohl herrschenden Meinung vor der Neuregelung abgelehnt worden.124 Überraschend ging die am 08.09.2000 veröffentlichte Regierungsbegründung zum NaStraG wie selbstverständlich davon aus, dass die Bestellung eines 118 Baums/von Randow, AG 1995, 145, 149–151; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 16 Rn. 96, 99. 119 Siehe Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 16 Rn. 96, 99. 120 A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 93; Behnke, NZG 2000, 665, 667; Grundmann, BKR 2009, 31, 33; Peltzer, AG 1996, 26, 28; Raisch, in: FS Hefermehl, S. 347, 349; Raiser, NJW 1996, 2257, 2258; Wenger, in: Der Markt für Unternehmenskontrolle, S. 73, 82–83; ähnlich Schwarz, Institutionelle Stimmrechtsberatung, S. 103. 121 Behnke, NZG 2000, 665, 667; Dauner-Lieb, WM 2007, 9, 13; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 16 Rn. 109; Wenger, in: Der Markt für Unternehmenskontrolle, S. 73, 82–83. 122 Behnke, NZG 2000, 665, 667; Schwarz, Institutionelle Stimmrechtsberatung, S. 103; Wenger, in: Der Markt für Unternehmenskontrolle, S. 73, 82; weniger kritisch Schröer, in: MünchKommAktG, § 135 Rn. 17 ob der „Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder und ihrer Verschwiegenheitspflicht“. 123 Gesetz vom 18.01.2001, BGBl. Band I, S. 123–126. 124 Siehe dazu die zahlreichen Nachweise bei Schröer, in: MünchKommAktG, § 134 Rn. 38 Fn. 104.
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Vertreters durch die Gesellschaft immer schon zulässig gewesen sei.125 Die vor diesem Hintergrund nur als Klarstellung zu verstehende Regelung in § 134 Abs. 3 Satz 5 AktG wurde schließlich auf Vorschlag des Rechtsausschusses vom 08.11.2000 implementiert.126 Da die Gesellschaft für diese Form der Vertretung zahlt, entstehen dem einzelnen Aktionär unmittelbar keine Kosten. Auch die bei Banken übliche Umlage durch die Depotgebühren entfällt. Andererseits wird jemand, der durch die Gesellschaft bestimmt und von dieser vergütet wird, nur in den seltensten Fällen gegen die Verwaltungsvorschläge stimmen.127 Zu groß dürfte die Angst sein, in Zukunft nicht wiederbestellt zu werden. Gleichzeitig wird auch der Vorstand oftmals darauf achten, dass kein allzu neutraler Vertreter berufen wird.128 Die knappe Regelung in § 134 Abs. 3 Satz 5 AktG verweist auf § 135 Abs. 5 AktG, welcher allein die technischen Modalitäten der Vertretung vorgibt. Das Gesetz kennt aber weder besondere Anforderungen an die Person des Stellvertreters, noch existieren spezielle Voraussetzungen für die Ausübung des Stimmrechts. Um möglichen Missbräuchen entgegenzuwirken, wird daher eine analoge Anwendung des § 135 Abs. 3 Satz 3 AktG diskutiert.129 Die Regelung richtet sich eigentlich nur an Kreditinstitute und besagt, dass diese in eigenen Hauptversammlungen als Vertreter ihrer Depotkunden nur dann auftreten dürfen, wenn eine ausdrückliche Weisung erteilt wurde. Übertragen auf das Verwaltungsstimmrechte müsste der von der Gesellschaft benannte Vertreter demnach ebenfalls eine Vorgabe von den Aktionären erhalten, wie im Einzelfall abgestimmt werden soll. Damit würde zumindest unterbunden, dass eine Beauftragung eines gesellschaftsnahen Vertreters automatisch die Verwaltungsvorschläge stützt. Zwar ist nicht auszuschließen, dass die Eigenkapitalgeber selbst bei einer Weisungsverpflichtung in der Praxis nur selten von den Empfehlungen von Aufsichtsrat und Vorstand abweichen würden.130 Von einer Anwendung des § 135 Abs. 3 Satz 3 AktG sind somit keine Wunder zu erwarten,131 jedoch würden allzu offensichtliche Missbräuche zumindest erschwert.132 125
BT-Drucks. 14/4051 (RegE NaStraG), S. 15. BT-Drucks. 14/4618 (Beschlussempfehlung NaStraG), S. 14. 127 Behnke, NZG 2000, 665, 672; Roth, ZIP 2003, 369, 374; Zöllner, in: FS Peltzer, S. 661, 664–665. 128 Roth, ZIP 2003, 369, 374. 129 Dafür etwa Schröer, in: MünchKommAktG, § 134 Rn. 40; differenzierend je nach Stimmrechtsvertreter Rieckers, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 134 Rn. 55–56; für eine teleologische Reduktion statt einer Analogie Hirschmann, in: Hölters (Hrsg.), Aktiengesetz, § 134 Rn. 51; gegen die Anwendung des § 135 Abs. 3 Satz 3 AktG J. Schmidt, WM 2009, 2350, 2355 Fn. 95. 130 Roth, ZIP 2003, 369, 374; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), § 134 Rn. 63; so auch Zöllner, in: FS Peltzer, S. 661, 666–667 ohne aber auf das NaStraG einzugehen. 131 So auch Roth, ZIP 2003, 369, 374. 132 Positiv daher Rieckers, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 134 Rn. 54. 126
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Fraglich ist indes, ob man de lege lata eine entsprechende Analogie begründen kann. Voraussetzung ist eine planwidrige Regelungslücke. Der Verweis auf § 135 Abs. 5 AktG in § 134 Abs. 3 Satz 5 AktG spricht auf den ersten Blick dafür, dass der Gesetzgeber den § 135 AktG bei Schaffung des Verwaltungsstimmrechts nicht einfach übersehen hat. Vielmehr scheint punktuell festgeschrieben, welcher Teil der Regelung in solchen Konstellationen gelten soll. Weder die Regierungsbegründung zum NaStraG, noch der Rechtsausschuss hat aber zu den Anforderungen des Verwaltungsstimmrechts und den damit einhergehenden Missbrauchsrisiken dezidiert Stellung genommen. Für die Möglichkeit, dass ein besonders verwaltungsfreundlicher Vertreter ausgewählt wird, scheint bei Schaffung der Norm kein Problembewusstsein vorhanden gewesen zu sein. Aus diesem Grund sollte man die Anordnung in § 134 Abs. 3 Satz 5 AktG auch nicht als abschließend verstehen.133 Wie wenig durchdacht die gesetzliche Konstruktion ist, zeigt nicht zuletzt der in der Stellungnahme des Rechtsausschuss enthaltene Hinweis, wonach die „Regelung [. . .] zunächst rudimentär [ist]“.134 Warum der Gesetzgeber sich lediglich für eine rudimentäre Regelung entschieden hat, und vor allem welcher Zeitraum mit „zunächst“ beschrieben wird, bleibt vollständig offen. Seit 2001 wurde das Verwaltungsstimmrecht jedenfalls keiner Generalrevision unterzogen. Die Anwendung des § 135 Abs. 3 Satz 3 AktG ist auch auf Grund einer vergleichbaren Interessenlage gerechtfertigt. Zum einen gibt es keinen Grund, lediglich Kreditinstitute mit § 135 Abs. 3 Satz 3 AktG zu beschweren.135 Die Norm ist vielmehr Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens, wonach eine eigennützige Ausübung des Stimmrechts durch einen befangenen Vertreter verhindert werden soll.136 Zwar erlaubt § 135 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 AktG Kreditinstituten eine Befolgung der Verwaltungsvorschläge, ohne dass eine besondere Erklärung oder gar ein Abgleich mit den Aktionärsinteressen notwendig wäre. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber nicht in jeder Situation ausdrückliche Schutzmechanismen verlangt, wenn den Beschlussvorschlägen von Aufsichtsrat und Vorstand entsprochen wird. Der Ansatz kann jedoch nicht auf durch die Gesellschaft bestimmte Stimmrechtsvertreter übertragen werden.137 Kreditinstitute sind nämlich deutlich neutralere Instanzen als von der Verwaltung ausgewählte Dritte.138 Bei Kredit-
133 Ähnlich Schröer, in: MünchKommAktG, § 134 Rn. 40; Spindler, in: K. Schmidt/ Lutter (Hrsg.), § 134 Rn. 63. Zu weitgehend ist es, dem Gesetzgeber zu unterstellen, bewusst auf Schutzvorschriften verzichtet zu haben, um eine Erprobung des Systems zu ermöglichen, so aber Hanloser, NZG 2001, 355. 134 BT-Drucks. 14/4618 (Beschlussempfehlung NaStraG), S. 14. 135 Schröer, in: MünchKommAktG, § 134 Rn. 40. 136 Schröer, in: MünchKommAktG, § 134 Rn. 40; ähnlich wohl Michels, Das Recht der Aktionärsversammlung in Großbritannien und Deutschland, S. 289. 137 So aber J. Schmidt, WM 2009, 2350, 2355 Fn. 95. 138 Dazu ausführlich unten unter § 6 B. IV.
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instituten, die auf fremden Hauptversammlungen abstimmen, besteht somit kein Bedürfnis für eine Weisungspflicht. § 136 Abs. 2 AktG zeigt aber, dass ein unmittelbarer Einfluss von Vorstand und Aufsichtsrat auf das Abstimmungsverhalten der eigenen Aktionäre nicht gewollt ist.139 Dies unterstreicht die Notwendigkeit, § 135 Abs. 3 Satz 3 AktG analog anzuwenden. Davon unabhängig sind Stimmen zu unterstützen, die bezüglich der Problematik eine gesetzliche Klarstellung fordern.140 Immerhin beinhaltet Ziff. 2.3.2 Satz 2 DCGK 2013 eine an § 135 Abs. 3 Satz 3 AktG anknüpfende Empfehlung für die in § 161 AktG angesprochenen Gesellschaften, wenn ein Verwaltungsstimmrecht angeboten wird. Wendet man wie hier § 135 Abs. 3 Satz 3 AktG analog an, wird damit zumindest einer völlig unreflektierten Unterstützung der Verwaltungsvorschläge und damit einer allzu plumpen Verzerrung der Aktionärsinteressen Einhalt geboten. Auch die Person des Vertreters verliert damit an Bedeutung.141 Dennoch gibt es keinen Grund, Mitgliedern von Vorstand und Aufsichtsrat zu erlauben, unmittelbar als Bevollmächtigte aufzutreten.142 Dagegen spricht der hinter dem bereits erwähnten § 136 Abs. 2 AktG stehende Rechtsgedanke.143 III. Die professionelle Stimmrechtsberatung Eng verwandt mit der Stimmrechtsvertretung ist die Stimmrechtsberatung. Stimmrechtsberater analysieren für die Aktionäre die Beschlussvorschläge der Verwaltung und geben Entscheidungsempfehlungen ab. Als Nebenleistung wird oft auch die unmittelbare Vertretung auf der Hauptversammlung angeboten.144 Die professionelle Stimmrechtsberatung erlaubt Synergieeffekte zu nutzen.145 Anstatt dass sich der einzelne Aktionär individuell vorbereitet, übernimmt eine Institution die Abwägung für alle beratenen Anleger. Darüber hinaus sind Anbieter von Stimmrechtsberatungen häufig hoch spezialisiert und können Informationen schneller erfassen und bewerten als Gesellschafter, die mit den entsprechen139 Rieckers, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 134 Rn. 55; Schröer, in: MünchKommAktG, § 134 Rn. 40. 140 Michels, Das Recht der Aktionärsversammlung in Großbritannien und Deutschland, S. 281; Roth, ZIP 2003, 369, 374. 141 Koch, in: Hüffer (Begr.), Aktiengesetz, § 134 Rn. 26b. 142 Dafür etwa Rieckers, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 134 Rn. 54; Schröer, in: MünchKommAktG, § 134 Rn. 37; a. A. Hirschmann, in: Hölters (Hrsg.), Aktiengesetz, § 134 Rn. 50; Koch, in: Hüffer (Begr.), Aktiengesetz, § 134 Rn. 26b; Spindler, in: K. Schmidt/ Lutter (Hrsg.), § 134 Rn. 63. 143 So auch Koch, in: Hüffer (Begr.), Aktiengesetz, § 134 Rn. 26b. 144 Hommelhoff, ZIP 2013, 2177, 2179; Kalss, EuZW 2014, 441, 442; Schneider/Anzinger, NZG 2007, 88, 91; Wilsing, ZGR 2012, 291, 295. 145 Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 151; Schwarz, Institutionelle Stimmrechtsberatung, S. 149; ähnlich Fleischer, ZGR 2012, 160, 195 (der von „arbeitsteiliger Spezialisierung“ spricht); Wilsing, ZGR 2012, 291, 294; Zetzsche/Preiner, AG 2014, 685, 685– 686.
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den wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen weniger vertraut sind.146 Dadurch können Kollektivhandlungsprobleme überwunden werden.147 Grundsätzlich stellt sich bei professionellen Stimmrechtsberatern die Frage nach der Qualität der abgegebenen Empfehlungen. Aktionär und Beratungsunternehmen stehen in einer Agenturbeziehung. Dabei besteht die Gefahr, dass sich der Stimmrechtsberater nicht immer konsequent an den Interessen seines Auftraggebers orientiert.148 Schwierigkeiten entstehen insbesondere dann, wenn es zu monopolartiger Stimmrechtsberatung kommt, einzelne Berater also den Markt dominieren.149 Momentan existieren nur wenige derartige Dienstleister.150 Es heißt, dass knapp 80% aller ausländischen Investoren in Deutschland den Vorschlägen des Marktführers Institutional Shareholder Services folgen.151 Der Anbieter hat jedoch in der Vergangenheit bereits gezeigt, wie diese Macht genutzt werden kann, um eigene Interessen auf Kosten der Aktionäre durchzusetzen. So unterhielten die Gesellschafter der Institutional Shareholder Services selbst Geschäftsbeziehungen zu Unternehmen, bei denen Stimmrechte auf Grund der eigenen Vorschläge ausgeübt wurden.152 Darüber hinaus bot die Institution unmittelbar Dienstleistungen an Unternehmen an, um deren interne corporate governance zu verbessern.153 In solchen Fällen besteht die Gefahr, dass wohlwollende Abstimmungsvorschläge gerade für Gesellschaften unterbereitet werden, die bereits eine entsprechende Leistung in Anspruch genommen haben.154 Bei der Stimmrechtsberatung hängt somit die Qualität in besonderem Maße von der Neutralität des Anbieters ab.155 IV. Beurteilung Stimmrechtsvertretung und Stimmrechtsberatung erfassen derart viele Konstellationen, dass sich eine pauschale Beurteilung verbietet. In einer Publikumsgesellschaft kann das Vollmachtstimmrecht der Banken der einzig gangbare Weg sein, um überhaupt jemals eine Aktionärsopposition herauszubilden. Folgen die 146
Ähnlich Fleischer, AG 2012, 2, 2–3; Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 152. Schwarz, Institutionelle Stimmrechtsberatung, S. 149–154, 184. 148 Schwarz, Institutionelle Stimmrechtsberatung, S. 206–211. 149 Schneider/Anzinger, NZG 2007, 88, 88, 96; Schwarz, Institutionelle Stimmrechtsberatung, S. 31; Wilsing, ZGR 2012, 291, 295. 150 Eine kurze Übersicht findet sich bei Wilsing, ZGR 2012, 291, 295–296. 151 Wilsing, ZGR 2012, 291, 295 m.w. N. 152 Schneider/Anzinger, NZG 2007, 88, 95 vor dem Hintergrund der Fusion zwischen Hwelett Packard und Compaq; siehe auch Schwarz, Institutionelle Stimmrechtsberatung, S. 31. 153 Schneider/Anzinger, NZG 2007, 88, 95. 154 Siehe Schneider/Anzinger, NZG 2007, 88, 95 Fn. 103 mit Verweis auf die USPresse; ähnlich Wilsing, ZGR 2012, 291, 302. 155 Ähnlich Schwarz, Institutionelle Stimmrechtsberatung, S. 30–31. 147
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3. Kap.: Grundsätzliche Überlegungen zur Aktionärsdemokratie
Vertreter jedoch dauerhaft nur den Verwaltungsvorschlägen, wird in der gleichen Gesellschaft eine sinnvolle Willensbildung der Eigenkapitalgeber fast unmöglich gemacht. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der professionellen Stimmrechtsberatung. Diese kann dafür sorgen, dass die Stimmen der Kleinaktionäre überhaupt erst flächendeckend Gehör finden und insbesondere ausländische Anleger mit den Gepflogenheiten des deutschen Rechts vertraut machen. Wird diese Macht missbraucht, verzerrt sich aber der gesamte Abstimmungsprozess. Stimmrechtsvertretung und Stimmrechtsberatung sind demzufolge an sich weder positiv noch negativ einzuschätzen. Es kommt entscheidend darauf an, wie die Kompetenzen genutzt werden. Es ist verständlich, dass gerade Kreditinstitute und gesellschaftsnahe Vertreter ihre Macht nur selten nutzen, um eigene Initiativen zu starten. Für Banken wäre ein derartiger Schritt mit erheblichen Transaktionskosten verbunden, bei gesellschaftsnahen Stimmrechtsvertretern besteht oftmals schlicht keine Motivation, sich kritisch mit Aufsichtsrat und Vorstand auseinander zu setzen. Eine Stimmrechtsvertretung ist daher in den meisten Fällen kein Allheilmittel für die bereits aufgezeigten Probleme bei Kollektiventscheidungen. Dies gilt umso mehr, als gerade das Vollmachtstimmrecht der Banken auch Trittbrettfahrer hervorrufen kann.156 Wenn für die Inanspruchnahme einer Vertretung eine Vergütung gezahlt werden muss, kann es für den einzelnen finanziell immer günstiger sein, sich nicht zu beteiligen und dennoch auf einen seiner Wünsche entsprechenden Ausgang zu hoffen.157 Zwar werden die Kreditinstitute meist nicht direkt für ihr Tätigwerden bezahlt, sondern durch die pauschale Depotgebühr. Allein diese kann Anleger aber ermutigen, Banken zu wählen, die Vertretungsleistungen erst gar nicht anbieten. Auch wenn von Kreditinstituten somit vielfach keine gestaltenden Impulse ausgehen, sollte man die Wirkung des Depotstimmrechts nicht unterschätzen. Zwar fügen sich die Interessen der Bank nicht immer nahtlos in die Ziele der Aktionäre ein. Andererseits profitieren Kreditinstitute, die oft durch langfristige Finanzierungsmaßnamen mit den Gesellschaften verbunden sind,158 ebenfalls nur von Gesundheit und Erfolg des jeweiligen Unternehmens.159 Die mediale Aufmerksamkeit einerseits und die Rückkopplung an die Kunden andererseits, verhindern eine allzu eigenmächtige Ausübung.160 Das Wissen um das Vollmachtstimmrecht der Banken und der damit verbundenen Rechts- und Plausibili156
Baums/von Randow, AG 1995, 145, 148. So grundsätzlich Baums/von Randow, AG 1995, 145, 148. 158 C. Teichmann, ZGR 2001, 645, 655. 159 Michels, Das Recht der Aktionärsversammlung in Großbritannien und Deutschland, S. 288; Peltzer, AG 1996, 26, 28; Raiser, NJW 1996, 2257, 2258; dies anerkennend auch Behnke, NZG 2000, 665, 667. 160 Behnke, NZG 2000, 665, 672; kritisch dazu Wenger, in: Der Markt für Unternehmenskontrolle, S. 73, 88–89. 157
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tätskontrolle hat langfristig betrachtet zweifelsohne die allgemeine Qualität der Verwaltungsvorschläge und die damit einhergehenden Begründungen erhöht.161 Trotz anhaltender Diskussion und genauer Beobachtung sind signifikante Missbräuche des Bankenstimmrechts in der Praxis kaum aufgetreten.162 Nicht umsonst sprach sich trotz aller Kritik auch der 61. Deutsche Juristentag im Jahr 1996 mehrheitlich für die Beibehaltung des Depotstimmrechts aus.163 Es gilt aber, die weitere Entwicklung kritisch im Auge zu behalten. Gerade die Stimmrechtsvertretung durch Kreditinstitute ist ein Bereich, in dem die Regeln den aktuellen Begebenheiten immer wieder angepasst werden müssen.164 Grundsätzlich überzeugt es jedoch, dass auch auf europäischer Ebene ein klares Bekenntnis zur Stimmrechtsvertretung durch Art. 10 Abs. 1 der Aktionärsrechterichtlinie 165 erfolgt ist. Auf nationaler Ebene ist das Vollmachtstimmrecht der Banken trotz aufgezeigter Schwierigkeiten insgesamt positiv zu bewerten. Ansätze dieses abzuschaffen oder die Erteilung der Vollmachten deutlich zu erschweren,166 sind folglich abzulehnen. Das Verwaltungsstimmrecht nach § 134 Abs. 3 Satz 4 AktG hat demgegenüber die systembedingte Schwäche, dass eine Plausibilitätskontrolle durch eine zusätzliche Instanz entfällt.167 Auch sind keine signifikanten Marktmächte erkennbar, welche die Gesellschaft bei Auswahl des Stimmrechtsvertreters disziplinieren könnten. Bei der Tätigkeit als Stimmrechtsvertreter werden Banken immerhin von Öffentlichkeit und den eigenen Kunden kritisch begleitet.168 Da die Gesellschaft unmittelbar die Kosten für den Vertreter trägt, erlaubt dieses System dem einzelnen Aktionär zwar, ohne größeren Aufwand und ohne separate Depotgebühr für eine Berücksichtigung der eigenen Stimme auf der Hauptversammlung sorgen zu können. Vor dem Hintergrund der in Zukunft sicher noch wichtiger werdenden elektronischen oder postalischen Abstimmung verliert diese Möglichkeit jedoch zusehends an Bedeutung. Tatsächlich täte der Gesetzgeber gut daran, 161 Zöllner, in: FS Peltzer, S. 661, 673; ähnlich Schröer, in: MünchKommAktG, § 135 Rn. 18 („dürfte aber im Vorwege dazu beigetragen haben“). 162 Dauner-Lieb, WM 2007, 9, 13; Michels, Das Recht der Aktionärsversammlung in Großbritannien und Deutschland, S. 288; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 16 Rn. 98; kritischer Behnke, NZG 2000, 665, 667; Wenger, in: Der Markt für Unternehmenskontrolle, S. 73, 74, 83–88. 163 61. Deutscher Juristentag, in: Verhandlungen des 61. Deutschen Juristentages 1996, Band II/1, N 1, N 62–63, Beschlüsse III 8, insbesondere III 8 g. 164 J. Schmidt, WM 2009, 2350, 2357–2358. 165 Richtlinie 2007/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007, ABl. EG Nr. L 184 vom 14.07.2007, S. 22–23. 166 Dafür aber Wenger, in: Der Markt für Unternehmenskontrolle, S. 73, 96, der sich für die Notwendigkeit einer notariellen Form für die Vollmachtserteilung ausspricht. 167 Roth, ZIP 2003, 369, 374; ähnlich A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 87. 168 Ähnlich Peltzer, AG 1996, 26, 31 (Kontrolle durch „Öffentlichkeit der Medien und des Wettbewerbes“).
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§ 134 Abs. 3 Satz 4 AktG vollständig zu streichen und von einem Verwaltungsstimmrecht ganz Abstand zu nehmen.169 Zumindest sollte schnellstmöglich die Anwendbarkeit von § 135 Abs. 3 Satz 3 AktG festgeschrieben werden.170 Banken sind allgemein eine weniger parteiische Instanz als ein von der Gesellschaft ausgewählter Vertreter.171 Das Vollmachtstimmrecht der Kreditinstitute ist gegenüber der Beauftragung gesellschaftsnaher Vertreter daher vorzuziehen.172 Schwer zu bewerten ist zum aktuellen Zeitpunkt die rechtstatsächliche Bedeutung der Stimmrechtsberatung.173 Da derartige Dienstleistungen außerhalb des Blickfelds der Fachöffentlichkeit erbracht werden,174 lassen sich verlässliche empirische Aussagen kaum treffen.175 Der wachsende Einfluss einiger weniger Anbieter wird indes zu Recht kritisch verfolgt.176 Es steht zu vermuten, dass der mangelnde Konkurrenzkampf auch Auswirkungen auf die Qualität der abgegebenen Empfehlungen hat.177 Auf supranationaler Ebene hat die Europäische Kommission erstmalig im Grünbuch Corporate Governance vom 05.04.2011 die Thematik aufgegriffen.178 Im Mittelpunkt stand die Frage nach dem Bedürfnis für mehr Transparenz, ohne dass jedoch konkrete regulatorische Ansätze vorgeschlagen wurden.179 Auch im Aktionsplan Gesellschaftsrecht vom 12.12.2012 ging die Kommission nicht ins Detail.180 Ziel der dort angekündigten Initiative sollte „eine verbesserte Transparenz und die Beseitigung von Interessenkonflikten“ sein.181 In der Folge ließ die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde einen unverbindlichen Ver169
Gegen ein Verwaltungsstimmrecht auch Zöllner, in: FS Peltzer, S. 661, 668. Zu der analogen Anwendbarkeit der Norm siehe bereits oben unter § 6 B. II. 171 Zöllner, in: FS Peltzer, S. 661, 673; auch Behnke, NZG 2000, 665, 672 generell zu Verwaltungsvollmachten; ähnlich Simon/Zetzsche, ZGR 2010, 918, 954–955. 172 So auch Zöllner, in: FS Peltzer, S. 661, 673. 173 So weist Fleischer, AG 2012, 2, 7 darauf hin, dass belastbare Zahlen zum Einfluss großer Stimmrechtsvertreter fehlen; kritisch auch Handelsrechtsausschuss des Deutschen Anwaltsvereins, NZG 2011, 936, 940, der auf nicht verlässliche Tatsachengrundlagen hinweist; ebenso Bachmann, AG 2012, 565, 578; Wilsing, ZGR 2012, 291, 303; ähnlich Schwarz, Institutionelle Stimmrechtsberatung, S. 85–89. 174 Ähnlich Schwarz, Institutionelle Stimmrechtsberatung, S. 221–222. 175 Siehe dazu die Ausführungen von Schwarz, Institutionelle Stimmrechtsberatung, S. 84–89. 176 Etwa Fleischer, ZGR 2011, 155, 173–174; Handelsrechtsausschuss des Deutschen Anwaltsvereins, NZG 2011, 936, 940; Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 150–151, 153; Schneider/Anzinger, NZG 2007, 88, 95–96; Wilsing, ZGR 2012, 291, 295, 302. 177 So auch Schwarz, Institutionelle Stimmrechtsberatung, S. 223. 178 Europäische Kommission, Grünbuch vom 05.04.2011, KOM(2011) 164, S. 17. 179 Europäische Kommission, Grünbuch vom 05.04.2011, KOM(2011) 164, S. 17–18. 180 Europäische Kommission, Aktionsplan: Europäisches Gesellschaftsrecht und Corporate Governance, KOM(2012) 740, S. 11–12. 181 Europäische Kommission, Aktionsplan: Europäisches Gesellschaftsrecht und Corporate Governance, KOM(2012) 740, S. 12. 170
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haltenskodex für Stimmrechtsberater entwerfen, dessen finale Version Anfang 2014 bekannt gemacht wurde.182 Der am 09.04.2014 veröffentlichte Entwurf zur Änderung der Aktionärsrechterichtlinie 183 beinhaltet nun sogar konkrete Vorgaben, die Verbindlichkeit beanspruchen. Nach Art. 3i Abs. 1 sollen die Mitgliedsstaaten sicherstellen, dass die Berater für Stimmrechtsvertretung richtige und zuverlässige Empfehlungen abgeben, die auf einer sorgfältigen Prüfung beruhen. In Art. 3i Abs. 2 wird sodann ein Katalog von Informationen vorgegeben, die jährlich offenzulegen sind. Die wohl wichtigste Neuerung beinhaltet allerdings Art. 3i Abs. 3. Demnach müssen „tatsächliche oder potenzielle Interessenkonflikte oder Geschäftsbeziehungen, die die Vorbereitung der Stimmempfehlungen beeinflussen könnten“ und „Maßnahmen zur Ausräumung oder Milderung dieser tatsächlichen oder potenziellen Interessenkonflikte“ gegenüber den Kunden und betroffenen Unternehmen angezeigt werden. Eine Regulierung von professionellen Stimmrechtsberatern ist zweifelsohne schwierig, weil die Beratungsleistung theoretisch überall auf der Welt erbracht werden kann.184 Europäische oder gar nationale Initiativen werden folglich nur schwer Zugriff auf die entsprechenden Akteure bekommen.185 Die Effektivität der in Art. 3i des Entwurfs zur Änderung der Aktionärsrechterichtlinie vorgesehenen Regelungen wird demnach in großen Teilen davon abhängen, wie deren Einhaltung letztendlich in der Praxis abgesichert wird. Konkrete Vorgaben finden sich im Richtlinienentwurf dazu nicht. Inhaltlich sind die vorgesehenen Reformen aber zu begrüßen.186 Gerade weil gesicherte Erkenntnisse zu den Auswirkungen der professionellen Stimmrechtsberatung nicht vorliegen, wären gravierendere Eingriffe kaum zu rechtfertigen gewesen.187 Zwar ist davon auszugehen, dass viele der in Art. 3i Abs. 2 zur Veröffentlichung vorgesehenen Informationen zumindest Großkunden der Stimmrechtsberater bereits heute bekannt sind.188 Für diese Gruppe mag der unmittelbare Erkenntnisgewinn daher begrenzt sein. Die Auskünfte werden aber Außenstehenden, nicht zuletzt auch Politik und Wissenschaft, erstmalig einen Einblick in eine Branche gewähren, die zumindest im europäischen Rechtsraum bisher wenig 182 Best Practice Principles Group, Best Practice Principles for Providers of Shareholder Voting Research & Analysis, Stand: März 2014; dazu eingehend Zetzsche/Preiner, AG 2014, 685, 686–697. 183 Europäische Kommission, COM(2014) 213 final. 184 Für einen supranationalen Regelungsansatz daher Fleischer, AG 2012, 2, 7. 185 Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 156. 186 Kritischer Kalss, EuZW 2014, 441, 442, die den Entwurf für nicht weit genug hält. 187 Ähnlich schon vor dem Richtlinienentwurf Schwarz, Institutionelle Stimmrechtsberatung, S. 369, der vor tiefgreifenden Änderungen eine „verlässlichere Tatsachengrundlage“ fordert. 188 Daher gegen allgemeine Offenlegungspflichten Schwarz, Institutionelle Stimmrechtsberatung, S. 326.
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über sich preisgegeben hat. Dieser Einblick kann die Grundlage für eine weitergehende Regulierung schaffen.189 Die in Art. 3i Abs. 2 geregelte Pflicht zur Offenlegung von Interessenkonflikten ist ebenfalls ein überzeugender Ansatz.190 Auf diesem Weg werden die Geschäftsbeziehungen zwischen Berater und Investitionsobjekt verstärkt in den Fokus gerückt. Markttransparenz und Qualitätstransparenz sind Grundvoraussetzungen dafür, dass es zu einem echten Wettbewerb kommen kann.191 Zu weit gehend ist es zum jetzigen Zeitpunkt aber, eine Anwendung des § 135 AktG auf Stimmrechtsberater zu fordern.192 Die Notwendigkeit, ausdrückliche Weisungen zu erteilen, würde für die Aktionäre zahlreiche der mit einer Beratung einhergehenden ökonomischen Vorteile wieder zunichte machen. Die Macht der Kunden im Bereich der Stimmrechtsberatung sollte ebenfalls nicht unterschätzt werden.193 Die negative Berichterstattung über die Geschäftspraktiken der Institutional Shareholder Services hat etwa dazu geführt, dass im Unternehmen die Stimmrechtsberatung und corporate governance Betreuung zumindest formal getrennt wurde.194 Darüber hinaus hat das Unternehmen als Reaktion einen eigenen Wohlverhaltenskodex entworfen.195 Man darf daher die berechtigte Hoffnung haben, dass der Markt der Stimmrechtsberater in der Lage ist, sich zumindest in Teilen selbst zu regulieren.196 Immerhin wird die Dienstleistung, anders als beim Verwaltungsstimmrecht, direkt vom jeweiligen Kunden angefordert und bezahlt. Die Kunden werden daher auch als Gegenleistung langfristig ein Tätigwerden in ihrem eigenen Interesse fordern. Gerade Großanleger, die besonders häufig entsprechende Leistungen in Anspruch nehmen, dürften in der Lage sein, eine gewisse Neutralität einzufordern.197 Selbst bei nur halbwegs effektiven Kapitalmärkten ist darüber hinaus zu erwarten, dass sich der übermäßige (Fehl-)Einfluss einzelner Berater auf eine bestimmte Gesellschaft irgendwann im Aktienkurs niederschlagen wird. Spätestens dann dürften die Aktionäre diesen Missständen entgegenwirken. 189 Ähnlich schon Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 156; Schwarz, Institutionelle Stimmrechtsberatung, S. 326. 190 Eine solche hatte bereits Fleischer, AG 2012, 2, 8 gefordert; eher für einzelvertragliche Lösungen wohl Wilsing, ZGR 2012, 291, 304. 191 Schwarz, Institutionelle Stimmrechtsberatung, S. 223. 192 So aber Handelsrechtsausschuss des Deutschen Anwaltsvereins, NZG 2011, 936, 940. 193 A. A. wohl Bachmann, WM 2011, 1301, 1307; Schwarz, Institutionelle Stimmrechtsberatung, S. 222–228. 194 Schneider/Anzinger, NZG 2007, 88, 95; umfassend dazu Schwarz, Institutionelle Stimmrechtsberatung, S. 217–218. 195 Fleischer, ZGR 2012, 160, 190. 196 Kritischer Fleischer, ZGR 2011, 155, 173–174; Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 150–151, 153. 197 So auch Wilsing, ZGR 2012, 291, 304.
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Sollte die im Entwurf zur Änderung der Aktionärsrechterichtlinie vorgesehene Novellierung umgesetzt werden, sich aber als nicht weitreichend genug herausstellen, könnte eine erhöhte Markttransparenz dadurch geschaffen werden, dass die Eigenkapitalgeber, die einen Stimmrechtsberater beauftragen, Informationen über die Inanspruchnahme der Dienstleistung veröffentlichen müssen.198 Dadurch könnten wertvolle Informationen über den tatsächlichen Einfluss entsprechender Unternehmen auf deutsche Aktiengesellschaften gewonnen werden.199 Im Gegensatz zum Verwaltungsstimmrecht, welches ob seiner strukturellen Schwierigkeiten eine sinnvolle Willensbildung der Aktionäre kaum fördert, handelt es sich bei der Leistung der professionellen Berater aber grundsätzlich um einen zu befürwortenden Beitrag zur Stimmrechtsausübung.200 Angezeigt ist hier kein generelles Verbot, sondern abhängig von den künftigen Entwicklungen eine (weitere) punktuelle Regulierung. V. Ergebnis Das Vollmachtstimmrecht der Banken und die professionelle Stimmrechtsberatung tragen tendenziell zur informierten Aktionärsbeteiligung bei und helfen somit Probleme der Kollektiventscheidungsfindung einzudämmen. Da von dem Verwaltungsstimmrecht aber noch nicht einmal eine Plausibilitätskontrolle zu erwarten ist, erscheint perspektivisch eine Abschaffung wünschenswert, um den Willensbildungsprozess der Hauptversammlung nicht zu Gunsten von Aufsichtsrat und Vorstand zu beeinflussen. Durch die analoge Anwendung des § 135 Abs. 3 Satz 3 AktG de lege lata wird zumindest allzu offensichtlichen Missbräuchen allerdings immerhin Einhalt geboten.
C. Die Einflussnahmemöglichkeiten der Verwaltungsorgane Es können jedoch nicht nur Stimmrechtsvertreter und Stimmrechtsberater auf die Entscheidungsfindung der Hauptversammlung einwirken, sondern ebenso der Aufsichtsrat und der Vorstand. In der Theorie sind Aufsichtsrat und Vorstand nach hier vertretener Ansicht auf die Aktionärsinteressen verpflichtet.201 In der Praxis ist indes nicht in jeder Situation garantiert, dass die Verwaltung sich kon-
198 Dafür schon Fleischer, AG 2012, 2, 10, 11; Schneider/Anzinger, NZG 2007, 88, 96; in diese Richtung auch, allerdings etwas kritischer was die potenziellen Verbesserungen durch entsprechende Regelungen angeht Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 156, 158; Schwarz, Institutionelle Stimmrechtsberatung, S. 336, 355–356. 199 Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149, 156; Schwarz, Institutionelle Stimmrechtsberatung, S. 337. 200 Umfassend zu den positiven Aspekten Schwarz, Institutionelle Stimmrechtsberatung, S. 184–206; ähnlich Zetzsche/Preiner, AG 2014, 685, 696. 201 Siehe dazu bereits oben unter § 2 A.
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3. Kap.: Grundsätzliche Überlegungen zur Aktionärsdemokratie
sequent an diesem Ziel ausrichtet.202 Derartige Probleme können sich grundsätzlich bei jeder gesellschaftsrelevanten Handlung realisieren. In der Folge wird jedoch speziell herausgearbeitet, welche Möglichkeiten Vorstand und Aufsichtsrat haben, um auf die Willensbildung der Aktionäre einzuwirken und welche Schutzmechanismen gegen ein solches Verhalten bestehen. I. Einschätzungsprärogative der Verwaltung und strategische Behinderung von Aktionärsinteressen Nach § 121 Abs. 2, Abs. 3 AktG liegt die Entscheidung über die Einberufung einer Hauptversammlung und der konkreten Tagesordnung im Ermessen des Vorstands, wobei das Gesetz vereinzelt, etwa in § 120 Abs. 1 Satz 1 AktG, zwingende Vorgaben macht. In Ausnahmefällen kann die Einberufung durch den Aufsichtsrat erfolgen, § 111 Abs. 3 Satz 1 AktG. § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG verpflichtet Vorstand und Aufsichtsrat zu jedem Tagesordnungspunkt Vorschläge zur Beschlussfassung zu unterbreiten. Da sich die Mitglieder der Verwaltungsorgane deutlich intensiver mit der Gesellschaft beschäftigen als die meisten Aktionäre, können diese die Notwendigkeit einzelner Maßnahmen oftmals schneller und effektiver einschätzen und insbesondere deren Vereinbarkeit mit der grundsätzlich verfolgten Geschäftspolitik beurteilen. Darüber hinaus können Vorstand und Aufsichtsrat größerer Gesellschaften auch auf einen entsprechenden organisatorischen Unterbau zurückgreifen, um Daten und Informationen auszuwerten. Folgt somit die Aufnahme eines bestimmten Tagesordnungspunkts, werden die Gesellschafter im Regelfall annehmen, dass diese Entscheidung auf einem durchdachten Abwägungsprozess beruht.203 Dies senkt für viele Anleger die Motivation, die Beweggründe von Aufsichtsrat und Vorstand dezidiert nachzuprüfen. Mit der Vorschlagspflicht wird auch eine Barriere aufgebaut, die eine Aktionärsopposition erst einmal überwinden muss. Der Verwaltung gelingt es nämlich kostengünstig und ohne größeren Aufwand, ihre Sicht der Dinge darzulegen. Zwar erlaubt der § 122 Abs. 1 AktG auch den Aktionären, eine Hauptversammlung einberufen zu lassen oder nach § 122 Abs. 2 AktG Ergänzungen für die Tagesordnung vorzusehen. Voraussetzung dafür ist jedoch nicht nur, dass die beteiligten Aktionäre selbst die Transaktionskosten tragen, die mit der Organisation und Informationsauswertung verbunden sind. Vielmehr muss auch begründet werden, warum die Verwaltung ihren Wissensvorsprung fehlerhaft ausgeübt hat. Die Attraktivität eines solchen Vorstoßes leidet auch darunter, dass der Ausgang wegen der Kollektiventscheidungsprobleme lange ungewiss bleibt. Insbesondere hoher Streubesitz macht es der Verwaltung daher einfacher, eigene Vorschläge durchzu202 Zu den Problemen bei der Vorstandstätigkeit siehe bereits oben unter § 3 A und zu den Problemen bei der Aufsichtsratstätigkeit oben unter § 4 A. 203 Baums/von Randow, AG 1995, 145, 147.
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setzen.204 Anderseits zeigen empirische Auswertungen, dass außerordentliche Hauptversammlungen auch bei börsennotierten Gesellschaften durchaus vorkommen und die mit einer Einberufung verknüpften Beschlussgegenstände häufig Erfolg haben.205 Dennoch überrascht es nicht, dass die Aktionäre im Regelfall dazu neigen, der Einschätzung von Vorstand und Aufsichtsrat zu vertrauen.206 Die Verwaltungsorgane haben folglich eine starke Stellung, wenn es darum geht, den Willensbildungsprozess der Hauptversammlung zu beeinflussen. Dies eröffnet die Gefahr strategischer Behinderungen. So kann versucht werden, die Beschlussfindung der Hauptversammlung in eine für die Verwaltung günstigere Richtung zu lenken. Dies kann vor allem durch die Reihenfolge der Abstimmungen oder die Verbindung verschiedener Vorlagen geschehen.207 Verschiedene Taktiken sind dabei denkbar. Möglich ist es, eine bestimmte unliebsame Entscheidung durch eine vorteilhafte Maßnahme zu versüßen.208 Es kann beispielsweise durch den Vorschlag einer hohen Dividendenzahlung eine positive Grundstimmung auf der Hauptversammlung erzeugt werden, um eine weniger kritische Behandlung einer Vergütungsabstimmung nach § 120 Abs. 4 AktG sicher zu stellen. Ebenfalls denkbare wäre es, die Aktionäre mit einer glaubwürdig erscheinenden, jedoch unberechtigten Drohung einzuschüchtern, um ein bestimmtes Ergebnis zu erzwingen.209 Dies kann etwa durch die Inaussichtstellung eines Rücktritts der gesamten Geschäftsleitung erfolgen, falls die Aktionäre einen bestimmten Kandidaten im Aufsichtsrat nicht bestätigen. Es ist aber noch nicht einmal notwendig, dass die Verwaltung ihre Macht absichtlich zu Ungunsten der Aktionäre ausübt. Wie bereits an anderer Stelle herausgearbeitet, kann es schlicht zu Fehlvorstellungen auf Seiten von Vorstand und Aufsichtsrat kommen.210 Konsequenz der Einschätzungsprärogative ist es gleichwohl, dass auch solche Unvollkommenheiten nicht unbedingt korrigiert 204 Grundmann, BKR 2009, 31, 33; Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 1.31; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 13 Rn. 13. 205 Siehe dazu die Auswertung für das Jahr 2013 bei Bayer/Hoffmann, AG 2014, R23, R23–R25. 206 A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 74; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, S. 175; ähnlich Roth, ZIP 2003, 369, 376. 207 Roth, ZIP 2003, 369, 376; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, S. 177–178. 208 A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 84; Gordon, California Law Review 1998, 1, 47, 48–49; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, S. 177; Spindler, AG 1998, 53, 63. 209 A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 84; Gordon, California Law Review 1998, 1, 47, 49–55; Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 25; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, S. 177–178. 210 Siehe dazu bereits oben unter § 3 A. IV. 2. mit Bezug zum Vorstand und oben unter § 4 A. I. mit Bezug zum Aufsichtsrat.
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werden. Die mit der Aktionärsopposition verbundenen Probleme wirken sich unabhängig davon aus, ob die Verzerrung der Gesellschafterinteressen willentlich oder unbewusst erfolgt. II. Beurteilung Die Einschätzungsprärogative von Aufsichtsrat und Vorstand begünstigt die Durchsetzbarkeit von Vorschlägen, welche von der Verwaltung ausgehen. Ob sich dennoch eine Aktionärsopposition herausbilden kann, hängt vornehmlich von der Eigentümerstruktur einer Gesellschaft ab. Darüber hinaus gilt es eine unzulässige Beeinflussung von einer berechtigten Interessenvertretung abzugrenzen. Man wird der Verwaltung nämlich auch zugestehen müssen, den Aktionären gegenüber eine eigene Meinung vertreten zu dürfen und insbesondere darauf hinzuweisen, warum eine Oppositionshaltung zu einem bestimmten Themenbereich nicht wünschenswert ist. Immerhin wird die Leitung der Aktiengesellschaft gerade deswegen von Dritten übernommen, weil man sich dadurch spezialisierte Sachkunde erhofft.211 Eine abstrakte Grenze zwischen einer unzulässigen und zulässigen Einflussausübung ist daher schwer zu ziehen. Jeder Einzelfall muss gesondert beurteilt werden. Für allzu offensichtliche strategische Behinderungen bietet die deutsche Rechtslage ohnehin keinen fruchtbaren Nährboden. Das Aktiengesetz kennt zwar nur wenige Normen, welche Umfang und Zulässigkeit der Verknüpfungen von einzelnen Beschlussfassungen regeln. § 120 Abs. 1 AktG gestattet etwa sowohl die Entlastung des Gesamtorgans Vorstand als auch die Einzelentlastung der individuellen Mitglieder. In Ermangelung anders lautender Vorschriften erlaubt der Bundesgerichtshof daher Blockabstimmungen in der Hauptversammlung.212 Es ist beispielsweise möglich, über mehrere Unternehmensverträge nach § 292 AktG gemeinschaftlich zu entscheiden. Voraussetzung ist jedoch nicht nur eine sachliche Nähe der Beschlussgegenstände, sondern auch der ausdrückliche Hinweis des Versammlungsleiters, dass eine ablehnende Entscheidung bei der Blockabstimmung eine Einzelabstimmung zur Folge hat.213 Allzu plumpen Verbindungen von Beschlussvorlagen wird damit ein Riegel vorgeschoben. Da die getrennte Abstimmung in deutschen Aktiengesellschaften der Regelfall ist,214 würde eine ungewöhnliche Verbindung daher schnell zu Misstrauen führen. Damit werden strategische Behinderungen der Aktionärsinteressen deutlich erschwert.
211 Ähnlich auch Pleßke, Die Satzungsstrenge im Aktienrecht, S. 136 („professionellen Führungsstrukturen“); auch Cheffins, Company Law, S. 62. 212 BGHZ 156, 38, 38–41. 213 BGHZ 156, 38, 41. 214 Siehe etwa M. Arnold/Carl/C. Götze, AG 2011, 349, 350.
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Darüber hinaus filtern zahlreiche Intermediäre, auch gatekeepers genannt,215 die Entscheidung von Aufsichtsrat und Vorstand, indem sie in unterschiedlicher Form die Aufarbeitung von Informationen und damit die Verwaltung kontrollieren. Die Bedeutung von Großaktionären und institutionellen Investoren ist vor diesem Hintergrund bereits herausgestellt worden.216 Diese Gruppe senkt durch ihr Abstimmungsverhalten im Idealfall auch die Kosten der Stimmabgabe bei kleineren Anlegern. Wenn sich etwa ein einflussreicher Gesellschafter öffentlich gegen das aktuelle Vergütungssystem ausspricht oder die Verbindung zweier Beschlussvorschläge ablehnt, kann dies ein Zeichen für alle anderen Anleger sein, die eigene Entscheidung zu überdenken. Auch durch die mit dem Vollmachtstimmrecht der Banken einhergehende Plausibilitätskontrolle können im Einzelfall Fehler aufgedeckt werden. Schon alleine deswegen überzeugt es nicht, Aktionärskompetenzen auszuschließen, nur weil man eine Manipulation durch die Verwaltungsorgane fürchtet.217 Das Verzichten auf Gesellschafterbeteiligung würde Missbräuche nur erleichtern und der Rechtsordnung einen wichtigen Kontrollund Steuerungsmechanismus entziehen. Die Ausübung der Einschätzungsprärogative wird darüber hinaus auch von zahlreichen anderen Intermediären überprüft, nicht zuletzt von Aufsichtsrat und Vorstand selbst. Können sich beide Organe nicht auf eine gemeinsame Linie einigen, wird dies zweifelsohne für entsprechende Aufmerksamkeit bei den Aktionären sorgen. Im Idealfall geht vom Aufsichtsrat eine kontrollierende Wirkung auf die Vorschläge des Vorstands aus. Zwar ist auf die strukturellen Schwierigkeiten im Organ bereits hingewiesen worden, gerade wenn die Personalkompetenz betroffen ist.218 Nichts desto trotz handelt es sich um eine zusätzliche Instanz, welche der Vorstand von einer bestimmten Entscheidung erst überzeugen muss.219 Es ist eine Sache, auf eine laxe Verhandlungsführung bezüglich der Zusammenstellung einer Vergütungsabrede zu hoffen. Damit ist jedoch nicht gesagt, dass dieselben Aufsichtsräte auch dann schweigen, wenn Beschlussvorschläge bewusst zu Lasten der Gesellschafter beeinflusst werden. Spiegelbildlich garantiert die Beteiligung des Vorstands, dass der Aufsichtsrat seine Einschätzungsprärogative nicht zu eigennützig ausüben kann.
215 Fleischer, AG 2012, 2, 7; Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 508; Lieder/Fischer, European Company and Financial Law Review 2011, 376, 406–407. 216 Siehe dazu bereits oben unter § 6 A. I. 1. a) und § 6 A. I. 1. b). 217 In diese Richtung aber A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 84– 85. 218 Siehe dazu bereits oben unter § 4 A. 219 In der Praxis stimmen sich die Organe meist ab und geben eine gemeinsame Beschlussempfehlung ab, siehe nur Marsch-Barner, in: Marsch-Barner/F. Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, § 4 Rn. 2; Rieckers, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 124 Rn. 27.
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Darüber hinaus können auch Fremdkapitalgeber ein Interesse an einer Kontrolle haben.220 Diese Gruppe dürfte sich zwar nicht unmittelbar dem Aktionärsschutz verpflichtet fühlen. Sie profitieren von der Gesellschaft im Regelfall aber auch nur dann, wenn diese effizient gemanagt wird. Selbst wenn das Einschreiten von Fremdkapitalgebern nur in den wenigsten Fällen öffentlichkeitswirksam erfolgt, so kann doch durch die kontinuierliche Prüfung der Geschäftsbeziehungen und informelle Einwirkungen eine frühzeitige Disziplinierung erreicht werden. Weitere Intermediäre sind etwa Abschlussprüfer, Ratingagenturen221 und Stimmrechtsberater.222 Auch diese dokumentieren die Entwicklung einer Gesellschaft und ihre Reaktion kann Vorstand und Aufsichtsrat davon abhalten, der Hauptversammlung bestimmte Beschlussvorschläge zu unterbreiten. Der Einfluss der Öffentlichkeit darf ebenfalls nicht unterschätzt werden. In der Presse werden Entscheidungen gerade von größeren Gesellschaften ausgiebig diskutiert und bewertet. Besonders kontroverse Themen werden auch von nationaler und internationaler Politik aufgegriffen. All dies zwingt Vorstand und Aufsichtsrat dazu, entsprechende Entwicklungen zu antizipieren und bei der Zusammenstellung der Tagesordnung für die Gesellschafter zu berücksichtigen. Natürlich garantiert professionelle Intermediation keine Informationsrichtigkeit. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Arthur Andersen LLP kontrollierte beispielsweise die Bücher bei Enron, Sunbeam, Waste Management und Worldcom.223 Diese Namen stehen heute sinnbildlich für US-amerikanische Wirtschaftskriminalität um die letzte Jahrtausendwende. In den genannten Fällen versagten zahlreiche interne und externe Schutzmechanismen. Weder Aktionäre noch Öffentlichkeit, und ganz offensichtlich nicht Arthur Andersen, konnten oder wollten hinter die von Bilanzfälschungen getrübte Fassade schauen. Bei Sunbeam und Enron waren es dann jedoch einzelne Pressevertreter, die den Anstoß zur Aufdeckung und Aufarbeitung der Missbräuche gaben.224 Daran zeigt sich sehr deutlich, dass es manchmal nur dem Einschreiten einiger weniger Personen bedarf, um Fehlentwicklungen aufzudecken. Gerade das Zusammenspiel verschiedener Kontrollgruppen erhöht die Aufklärungschance.225 Dadurch verringert sich auf Dauer die Gefahr, dass es einem Vorstand und oder einem Aufsichtsrat gelingt, bewusst oder unbewusst den Aktionären auf der Hauptversammlung Beschlussvorschläge zu präsentieren, die nicht in deren Interesse liegen. 220
Baums, ZIP 1995, 11, 12. Fleischer, AG 2012, 2, 7; Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 508; Lieder/Fischer, European Company and Financial Law Review 2011, 376, 406. 222 Schwarz, Institutionelle Stimmrechtsberatung, S. 190. 223 Siehe zu dem Hintergrund der jeweiligen Missbrauchsfälle Ribstein, The Journal of Corporation Law 2002, 1, 5, 6–7. 224 Ribstein, The Journal of Corporation Law 2002, 1, 6–7, 30. 225 So im Kern auch Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 508. 221
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III. Ergebnis Je nach Eigentümerstruktur erschwert die Einschätzungsprärogative der Verwaltung eine wirksame Kontrolle durch die Eigenkapitalgeber. Zumindest vor dem Hintergrund der deutschen Rechtslage ist das Risiko strategischer Behinderungen von Gesellschafterinteressen eher gering ausgeprägt. Soweit es darum geht, Fehleinschätzungen der Verwaltung zu korrigieren, so kann oft schon das Wirken einzelner Intermediäre ausreichen, um die Vermutung einer informierten und ausgewogenen Ausübung der Einschätzungsprärogative in Frage zu stellen.
D. Die Gefahr von Abstimmungsrelativitäten Selbst eine von Dritten und der Verwaltung nicht unmittelbar beeinflusste Beschlussfassung muss aber nicht Ausdruck der tatsächlichen Mehrheitsmeinung sein. Jede Entscheidung, nicht nur eine Gruppenentscheidung, wird vor dem Hintergrund möglicher Alternativen getroffen. Stehen mehrere Optionen zur Wahl, sei es in einem oder hintereinander folgenden Wahlgängen, kann es sein, dass die jeweilige Mehrheit von Existenz und Reihenfolge der Alternativen abhängt.226 Kenneth Arrow hat nachgewiesen, dass dieses schon lange vor seinen Ausführungen bekannte Paradox unabhängig von der Gestaltung des Abstimmungssystems nicht überwunden werden kann.227 Aus einer individuellen Präferenzordnung kann dann keine kollektive Präferenzordnung entwickelt werden, wenn man die Einhaltung bestimmter Bedingungen fordert, welche für demokratische Abstimmungen typisch sind. Dazu gehört beispielsweise das Verbot, bestimmte Präferenzen durch das Abstimmungssystem von vorneherein auszuschließen228 oder die Annahme, dass kein Individuum wie ein Diktator das Ergebnis alleine festlegen kann.229 Die sich daraus ergebenden Konsequenzen stellen nicht nur die oftmals proklamierte „Weisheit der Massen“, sondern ganz generell die Bedeutung von Gruppenentscheidungen in Frage. Überträgt man diese Überlegungen auf eine Aktiengesellschaft, so zeigt sich, dass es eine entscheidende Rolle spielt, wie und wann ein Thema der Hauptversammlung vorgelegt wird.230 Unterstellt, der Vorstand eines Automobilherstellers befragt die Aktionäre nach § 119 Abs. 2 AktG über deren Einschätzung bezüglich einer konkreten Geschäftsführungsmaßnahme. Es besteht die Möglichkeit, 226 A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 84; Kuhner, ZGR 2004, 244, 257; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, S. 183–185. 227 Arrow, Journal of Political Economy 1950, 328, 328–331, 340–342. 228 Arrow, Journal of Political Economy 1950, 328, 338–339. 229 Arrow, Journal of Political Economy 1950, 328, 339. 230 Ähnlich A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 84; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, S. 184.
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3. Kap.: Grundsätzliche Überlegungen zur Aktionärsdemokratie
entweder einen Produzenten von Reifen (Option A), von Fahrzeugarmaturen (Option B) oder Motoren (Option C) anzukaufen. Präferiert eine Mehrheit Option A vor Option B, jedoch Option B vor Option C und Option C vor Option A, so hängt das Ergebnis vom gewählten Wahlsystem ab.231 Tritt erst Option A gegen Option B und dann der Gewinner (Option A) gegen Option C an, so wird im Ergebnis dem Kauf des Motorenproduzenten zugestimmt. Tritt jedoch erst Option A gegen Option C und dann der Gewinner (Option C) gegen Option B an, fällt die Entscheidung auf den Fahrzeugarmaturenhersteller. Wenn zuerst zwischen Option B und Option C abgestimmt wird und der Gewinner (Option B) auf Option A trifft, wird der Automobilhersteller den Reifenproduzenten akquirieren. Kennt die Verwaltung die Präferenzordnung der Aktionäre, kann durch die Abstimmungsreihenfolge somit das Ergebnis vorgegeben werden. Derartige Risiken gilt es bei allen demokratischen Beteiligungsformen zu berücksichtigen. Vollständig entwertet werden diese dadurch gleichwohl nicht. So können sich isolierte Entscheidungen, bei der lediglich zwei Alternativen bestehen, nicht zyklisch entwickeln.232 Wenn in dem oben genannten Beispiel nur die Optionen A und B existieren, wird eine Abstimmung folglich immer die tatsächlichen Mehrheitsverhältnisse widerspiegeln. Unmittelbare Verbindungen von mehreren Beschlussfassungen, wie in dem Beispiel unterstellt, sind im deutschen Recht ohnehin eher selten. Zwar können auch nicht in direktem Bezug zueinander stehende Abstimmungen zu einer Verzerrung der Aktionärsinteressen führen. Macht eine hinreichende Anzahl von Gesellschaftern etwa die Zustimmung zu der Vergütungspolitik nach § 120 Abs. 4 AktG von den vorherigen Wahlen des Aufsichtsrats und auch der Höhe der Dividendenauszahlung abhängig, so können die jeweiligen Ergebnisse der einzelnen Abstimmung von der gewählten Reihenfolge beeinflusst werden, obwohl rechtlich zwischen diesen keine Verbindung besteht. Dieses Risiko ist allen Gruppenentscheidungsprozessen immanent, im Übrigen auch, wenn die Mitglieder des Aufsichtsrats und Vorstands zusammentreffen. Es ist jedoch zu bezweifeln, dass es in der Hauptversammlung häufig zu Situationen kommt, in denen die Gesellschafter ihre Präferenzen derart streng an dem Resultat einer vorherigen Beschlussfassung festmachen. Selbst wenn mehrere Vorschläge zumindest mittelbar miteinander verbunden werden, besteht gerade bei einer relativ homogenen Gruppe eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass das Abstimmungsergebnis nicht beeinflusst wird.233 Verfolgt die Mehrheit einen einheitlichen Weg, wirken sich unterschiedliche Präferenzvor231 Das hier gewählte Beispiel orientiert sich an A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 84. 232 Ähnlich Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, S. 184. 233 Darauf weist Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, S. 184 hin, der diese Bedingung bei Aktionären jedoch grundsätzlich nicht für erfüllt hält.
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stellungen auf das Ergebnis nicht aus. Zwar haben nicht alle Aktionäre immer eine identische Vorstellung bezüglich des Ziels ihrer Investition. Solange aber zumindest der Hauptaktionär eine klare Linie vor Augen hat oder sich Großanleger vor einer Hauptversammlung absprechen, wird sich der Abstimmungsmodus auf die einzelnen Ergebnisse nicht auswirken. Insgesamt lässt sich somit festhalten, dass das Risiko von zyklischen Abstimmungsentwicklungen die Entscheidungsfindung in der Hauptversammlung, wie jeden anderen demokratischen Prozess auch, beeinflussen kann. Die Gefahr ist bei einer ähnlichen Präferenzordnung und isolierten Beschlussfassungen indes nicht derart stark ausgeprägt, wie bei komplexen mehrstufigen Beteiligungen. Da die Verwaltung ohnehin nur in den seltensten Fällen das Verhalten der Eigenkapitalgeber bei verschiedenen Abstimmungen sicher voraussagen kann, bietet sich dieser Weg kaum für bewusste Missbräuche an.
E. Die Bedeutung von framing Effekten Auf eine Abstimmung kann es ferner Auswirkungen haben, wie eine Frage überhaupt gestellt und in welchen Kontext sie eingeordnet wird. So wird ein politisches Programm von vielen Wählern besser aufgenommen, wenn es eine Beschäftigungsquote von 95% verspricht, anstatt einer Arbeitslosenquote von nur 5%.234 Entscheidend kann demnach sein, ob Informationen in einen positiv oder negativ formulierten Zusammenhang eingebettet werden.235 Auch zeigen Studien, dass die Wichtigkeit eines Demonstrationsrechts für radikale politische Gruppierungen vielfach davon abhängig gemacht wird, ob in der Fragestellung mehr die Bedeutung des Rechts auf freie Meinungsäußerung oder aber die Gefahr von Ausschreitungen betont wird.236 Derartige Einflüsse werden framing Effekte genannt.237 Sie werden im wissenschaftlichen Diskurs hauptsächlich mit Bezug zur öffentlichen Meinungsbildung diskutiert,238 können sich aber genau so bei Abstimmungen auf einer Hauptversammlung auswirken.239 Die Entschei234 Druckman, Political Behavior 2001, 225, 228, 229 mit Verweis auf Quattrone/ Tversky, The American Political Science Review 1988, 719, 727–728. 235 Druckman, Political Behavior 2001, 225, 229–230 m.w. N.; Jawahar/McLaughlin, Academy of Management Review 2001, 397, 402–403 m.w. N.; ähnlich Hasen, University of California Law Review 1990, 391, 393. 236 Chong/Druckman, Annual Review of Political Science 2007, 103, 104; Druckman, Political Behavior 2001, 225, 225, 235. 237 Chong/Druckman, Annual Review of Political Science 2007, 103, 104; die genaue Definition von framing Effekten variiert von Autor zu Autor, siehe nur Druckman, Political Behavior 2001, 225, 226–227 mit einigen Beispielen. 238 Chong/Druckman, Annual Review of Political Science 2007, 103, 104; Quattrone/Tversky, The American Political Science Review 1988, 719, 719–720. 239 Druckman, Political Behavior 2001, 225, 226 etwa macht deutlich, dass jede Art von Abstimmung und Wahlkampagne betroffen sein kann; Jawahar/McLaughlin, Aca-
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3. Kap.: Grundsätzliche Überlegungen zur Aktionärsdemokratie
dungsfindung der Aktionäre kann etwa dadurch beeinflusst werden, ob in einer Beschlussempfehlung die wirtschaftlichen Chancen oder das potenzielle Verlustrisiko einer bestimmten Entscheidung in den Vordergrund gestellt wird.240 Es liegt auf der Hand, dass derartige framing Effekte nicht nur zufällig entstehen, sondern zur Manipulation eines Abstimmungsergebnisses eingesetzt werden können.241 Insofern besteht eine gewisse Nähe zu den bereits diskutierten Möglichkeiten der Verwaltung, durch das Einschätzungsprärogativ die Willensbildung der Hauptversammlung zu verzerren.242 Empirische Studien zeigen jedoch, dass sich framing Effekte weniger stark auswirken, wenn über eine Entscheidung länger nachgedacht wird und wenn vor der Abstimmung bereits eine gefestigte Meinung entwickelt wurde.243 Außerhalb des Anwendungsbereichs des § 121 Abs. 6 AktG liegt die Mindesteinberufungsfrist für eine Hauptversammlung bei dreißig Tagen, § 123 Abs. 1 Satz 1 AktG. Dies gibt den Aktionären regelmäßig genug Zeit, um sich eigene Gedanken über die bevorstehenden Entscheidungen zu machen. Je mehr Intermediäre sich zu einem Tagesordnungspunkt äußern und Informationen an die Aktionäre übermitteln, desto weniger wichtig dürfte auch die Formulierung der konkreten Fragestellung und der Wortlaut der Beschlussempfehlung sein. Die oftmals unterschiedlichen Interessen der Intermediäre sorgen dafür, dass Themen aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden. Eine Wirtschaftszeitung wird unter Umständen anders über eine geplante Übernahme berichten als eine Gewerkschaft oder eine Rating-Agentur. Damit verliert der Kontext, in den die Verwaltung eine konkrete Abstimmung einbetten möchte, an Bedeutung. Gerade Großaktionäre werden darüber hinaus auf Grund ihres eigenen Fachwissens unvoreingenommen eine eigene Präferenzordnung entwickeln können. Ähnlich wie für die Gefahr von Abstimmungsrelativitäten muss demnach auch für framing Effekte festgehalten werden, dass diese zwar einen Abstimmungsvorgang beeinflussen können, ihre Auswirkungen insgesamt jedoch nicht überschätzt werden dürfen.244 Je mehr Informationen die einzelnen Aktionäre verardemy of Management Review 2001, 397, 402–404, 405–410 diskutieren die Bedeutung von framing Effekten bei unternehmerischen Entscheidungen. 240 Beispiel nach Jawahar/McLaughlin, Academy of Management Review 2001, 397, 402–404, 405–410, die das Verhältnis von Gesellschaft zu allen stakeholdern behandeln. Die Überlegungen lassen sich jedoch isoliert auch auf eine Entscheidungsfindung in der Hauptversammlung übertragen. 241 Druckman, Political Behavior 2001, 225, 233, 234; konkret vor dem Hintergrund des Verhältnisses Geschäftsleitung zu Aktionären Jawahar/McLaughlin, Academy of Management Review 2001, 397, 411. 242 Siehe dazu bereit oben unter § 6 C. 243 Druckman, Political Behavior 2001, 225, 236, 242, 245 m.w. N.; siehe auch Chong/Druckman, Annual Review of Political Science 2007, 103, 119, 121. 244 Zurückhaltend auch die allgemeine Einschätzung von Druckman, Political Behavior 2001, 225, 246.
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beiten, desto weniger wichtig werden Wortlaut und Gesamtumstände einer Beschlussfassung.
F. Beurteilung I. Ausführungen zur grundsätzlichen Bedeutung von Aktionärsstimmrechten Die vorherige Untersuchung hat gezeigt, wie Aktionärsdemokratie im deutschen Recht funktioniert. Dabei ist herausgestellt worden, dass die Beschlussfassung von zahlreichen Faktoren abhängt und somit die Aussagekraft einzelner Entscheidungen stark variieren kann. Andererseits haben die Ausführungen kein Argument hervorgebracht, welches grundsätzlich gegen die Beteiligung der Gesellschafter spricht. Vielmehr gilt, dass das deutsche System auf stimmigen Grundlagenentscheidungen beruht. Es überzeugt, das Stimmrecht am Aktieneigentum und nicht am einzelnen Aktionär festzumachen. Genauso ist es richtig, die Teilnahme an der Beschlussfassung nicht an Anteilsquoten zu knüpfen. Anpassungen sind lediglich systemintern notwendig, etwa durch einen Ausschluss des Verwaltungsstimmrechts de lege ferenda oder der verstärkten Nutzung von virtuellen Hauptversammlungen, welche die Kosten der Entscheidungsfindung senken können. Auf Grund der bisherigen Ausführungen lässt sich festhalten, dass es vornehmlich von der Höhe des jeweiligen Anteils und der Eigentümerstruktur einer Gesellschaft abhängt, in wieweit Aktionäre bereit sind, am Entscheidungsfindungsprozess teilzunehmen und Vorschläge der Verwaltung kritisch zu hinterfragen. In einer Aktiengesellschaft mit nur einem Aktionär obliegt diesem vielmals rein faktisch die Führung der Geschäfte.245 Bei hohem Streubesitz wiederum kann die Hauptversammlung zum reinen Akklamationsgremium verkommen.246 Von den Aktionären kann gerade in Publikumsgesellschaften wegen der aufgezählten Schwierigkeiten nicht in jeder Situation eine informierte Entscheidung erwartet werden. Wenn man dies als Anspruch für etwaige Kompetenzen formulieren würde, muss man konstatieren, dass Aktionärsbeteiligung in den meisten Fällen tatsächlich nicht funktioniert. Andererseits zeigen die vorherigen Überlegungen, dass es in einzelnen Situationen sehr wohl ökonomisch sinnvoll sein kann, von Stimmrechten entsprechenden Gebrauch zu machen. Darüber hinaus können auch längere Zeit brachliegende Rechte zu bestimmten Anlässen wieder an Bedeutung gewinnen.247 Als klassisches Beispiel dafür dient der „Markt für 245
Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 13 Rn. 13. Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 13 Rn. 13. 247 Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 13 Rn. 13; Roth, ZIP 2003, 369, 377; siehe auch das Beispiel von Immenga, Aktiengesellschaft, Aktionärsinteressen und institutionelle Anleger, S. 23–24. 246
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3. Kap.: Grundsätzliche Überlegungen zur Aktionärsdemokratie
Unternehmenskontrolle“. Glaubt ein Investor, dass eine Gesellschaft nicht effektiv gemanagt wird, kann er sich über den Ankauf weiterer Anteile einen entsprechenden Einfluss verschaffen und dann existierenden Missständen entgegenwirken.248 In einer solchen Situation können etwa § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG und § 103 Abs. 1 Satz 1 AktG plötzlich ein gesteigertes Gewicht zukommen, obwohl die Kompetenzen zur Abberufung einzelner Organmitglieder vorher viele Jahre lang nicht genutzt wurden. Schon allein die Möglichkeit, dass es zu einer Abberufung kommen kann, diszipliniert Vorstand und Aufsichtsrat im Tagesgeschäft.249 Zumindest theoretisch muss nämlich jederzeit damit gerechnet werden, dass Investoren ineffizientes Verhalten aufdecken und die Unternehmensleitung austauschen. Außerdem darf man nicht außer Acht lassen, dass sich die Investoren bewusst für eine Anlagemöglichkeit mit Beteiligungsrechten entschieden haben, also grundsätzlich zu erkennen geben, dass eine Einwirkungsmöglichkeit auf die Gesellschaft gewünscht wird. Großaktionäre wie Kleinaktionäre hätten genauso gut etwa in geschlossene Fonds, Genussscheine oder Derivate investieren können. Diese schließen in den meisten Fällen jede Art der unmittelbaren Mitbestimmung aus. Die Aktionäre zeigen aber sogar, dass sie bereit sind, für die unternehmerische Mitwirkung eine Prämie zu zahlen, denn Aktien mit Stimmrecht sind im Vergleich zu stimmrechtslosen Vorzugsaktien so gut wie immer teurer.250 Es ist daher verfehlt, aus dem Mangel einer Identifikation mit dem konkreten Investitionsobjekt ein Argument gegen eine Aktionärsbeteiligung herzuleiten.251 Sicherlich ist es für viele Kleinanleger ursprünglich zweitrangig gewesen, von welcher Gesellschaft Anteile gekauft wurden. Schon alleine der Erwerb einer unternehmerischen Beteiligung zeigt aber, dass die Gesellschafter grundsätzlich bereit sind, das Auftreten von Entscheidungsfindungsproblemen und gelegentliche Interessenverzerrungen im Rahmen des Willensbildungsprozesses zu akzeptieren. Natürlich gibt es „Spekulationsaktionäre“, welche allein an der Aktie als Finanzinstrument interessiert sind.252 Diese planen nicht, von den Stimmrechten jemals
248 Immenga, Aktiengesellschaft, Aktionärsinteressen und institutionelle Anleger, S. 31; Manne, Columbia Law Review 1962, 339, 410–411; Schwarz, Institutionelle Stimmrechtsberatung, S. 186. 249 Cahn, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 71 Rn. 20; Grundmann, NZG 2005, 122, 122, 123; zurückhaltender A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 247–254. 250 Roth, ZIP 2003, 369, 377; Wangemann, Finanzielle Anreize zur Steigerung der Hauptversammlungspräsenz in der Aktiengesellschaft, S. 25. 251 So aber Staake, Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen, S. 118; ähnlich schon Immenga, Aktiengesellschaft, Aktionärsinteressen und institutionelle Anleger, S. 21. 252 Wangemann, Finanzielle Anreize zur Steigerung der Hauptversammlungspräsenz in der Aktiengesellschaft, S. 26; ähnlich Lorenz, Die Zuständigkeit der Hauptversammlung im deutschen und US-amerikanischen Gesellschaftsrecht, S. 18.
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Gebrauch zu machen.253 Es gibt indes keinen Grund, die Beteiligungsrechte gerade auf diese Aktionärsgruppe zuzuschneiden oder die Bedeutung von Aktionärsstimmrechten davon abhängig zu machen, ob sich diese zu einer aktiven Beteiligung hinreißen lassen. Die vorherigen Ausführungen unterstreichen daher in der Gesamtschau die Bedeutung aktionärsdemokratischer Entscheidungen. Tatsächlich sollte man die Wirkung nicht unterschätzen, die von dem meist einmal im Jahr stattfindenden direkten Zusammentreffen von Eigenkapitalgebern und Verwaltung ausgehen kann.254 Stimmrechte sind folglich ein wichtiges Werkzeug zur Disziplinierung von Aufsichtsrat und Vorstand und damit zur Durchsetzung der Gesellschafterinteressen. II. Konsequenzen für einzelne Aktionärskompetenzen Allerdings kann eine durchgängige Steuerung aller gesellschaftsrelevanten Angelegenheiten, insbesondere in Publikumsgesellschaften, nicht erwartet werden. Ein Regelungssystem, welches sich alleine oder überwiegend auf eine Kontrolle durch aktive Aktionäre verlassen würde, wäre daher ob der ökonomischen Probleme wohl zum Scheitern verurteilt. Eine pauschale Forderung nach mehr Aktionärsbeteiligung ist demzufolge nicht zu unterstützen. Vielmehr muss in jedem Einzelfall geprüft werden, ob eine Aktionärskompetenz eine Bereicherung für das Regelungssystem darstellt. Je nach betroffenem Themenbereich können dabei unterschiedliche Aspekte die Beurteilung beeinflussen. 1. Dogmatische Überlegungen als Beurteilungsmaßstab
Grundsätzlich gilt, dass für jede gesetzliche Regelung, nicht nur für Aktionärskompetenzen, die Vereinbarkeit mit bestehenden dogmatischen Vorgaben von Bedeutung ist. Zwar steht es dem Gesetzgeber immer frei, in den Grenzen des Verfassungsrechts und von etwaigen Vertrauenstatbeständen Neuregelungen zu schaffen und existierende Systematiken aufzugeben.255 Gerade das Aktienrecht ist ohnehin eine Materie, die stark von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und gesellschaftlichen und politischen Änderungen beeinflusst wird.256 Regulatorische Anpassungen sind daher in diesem Bereich keine Seltenheit. Dennoch sollte 253 Wangemann, Finanzielle Anreize zur Steigerung der Hauptversammlungspräsenz in der Aktiengesellschaft, S. 26. 254 Darauf zu Recht hinweisend Kubis, in: MünchKommAktG, § 118 Rn. 31; Michels, Das Recht der Aktionärsversammlung in Großbritannien und Deutschland, S. 70– 71. 255 So auch Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 316; soweit zutreffend auch Jaspers, ZRP 2010, 8, 10; Meyer, Vorstandsvergütung, S. 167; Voth, Beratende Hauptversammlungsbeschlüsse, S. 124. 256 Allgemein dazu Habersack, AG 2009, 1, 4, 14.
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man das dogmatische Argument nicht gering schätzen. Denn der Dogmatik kommt eine Ordnungsfunktion zu, aus der heraus auch Problemlösungsvorschläge entwickelt werde können.257 Wer ein systematisches Gefüge auflöst, muss für den neuen Lösungsweg bessere Argumente haben, als für den alten Regelungsweg.258 Vor allem aber ist auch nicht jede Neuregelung oder Gesetzesänderung gleich ein Bruch mit einer inhaltlich übergeordneten Wertung.259 Mehr noch, der vermeintliche Bruch mit einer dogmatischen Vorgabe wird oft vorgeschoben, um neue Einsichten und Vorstellung abzuwehren, die das Althergebrachte in Frage stellen.260 Wer die Vereinbarkeit mit einem bestehenden Regelungssystem als Argument verwenden will, muss deshalb erklären können, wo und in welchem Umfang ein solches System existiert. Entscheidend ist dafür, ob der Inhalt einer Norm über den jeweiligen Anwendungsbereich auf einen übergreifenden Wertungsplan hinweist. Dies ist nicht bei jeder Vorschrift der Fall.261 Damit zeigt sich eine grundsätzliche Schwäche des dogmatischen Arguments. Jeder Versuch der Systematisierung kann immer nur wertbezogen erfolgen.262 Man muss sich demnach von der Vorstellung frei machen, dass dogmatische Feststellungen zwingend objektiv sind. In der nachfolgenden Untersuchung muss folglich jeder Bereich der Personalkompetenz dahingehend analysiert werden, ob dieser aus systematischen Gründen einer Aktionärsbeteiligung zugänglich ist oder ob zumindest die Aufgabe der bisherigen Dogmatik geboten erscheint. 2. Ökonomische Überlegungen als Beurteilungsmaßstab
Aus den bisherigen Ausführungen geht hervor, dass eine Überwindung der mit der kollektiven Entscheidungsfindung verbundenen Probleme vornehmlich dann erwartet werden kann, wenn eine Kompetenz aus ökonomischer Sicht für die Aktionäre entsprechend wichtig ausfällt. Je bedeutender eine Beteiligung vor diesem Hintergrund ist, desto eher besteht ein Anreiz zur informierten Wahrnehmung. Dabei spielt es nicht nur eine Rolle, inwieweit die Aktionäre durch ihre Mitwirkung Missstände korrigieren können, sondern insbesondere auch, wie trans257 Ott/H. Schäfer, JZ 1988, 213, 216; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie mit Juristischer Methodenlehre, Rn. 313–315, 321–327. 258 Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie mit Juristischer Methodenlehre, Rn. 324; ähnlich Martens, in: FS Hüffer, S. 647, 649. 259 Martens, in: FS Hüffer, S. 647, 657. 260 So der berechtigte Vorwurf von Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie mit Juristischer Methodenlehre, Rn. 309. 261 So richtig Rüthers, Rechtstheorie, 4. Aufl., Rn. 143; in den Folgeauflagen ist dieser Zusatz jedoch weggelassen worden, siehe nur Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie mit Juristischer Methodenlehre, Rn. 143. 262 Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie mit Juristischer Methodenlehre, Rn. 329.
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aktionskostenintensiv eine Wahrnehmung ausfällt. Entscheidend ist dabei beispielsweise, wie die Gesellschafter mit Informationen für die Beschlussfassung versorgt werden und wie komplex deren Auswertung ausfällt. Für die Personalkompetenz gilt es daher, die ökonomische Attraktivität einer Beteiligung der Aktionäre zu analysieren und dabei zu berücksichtigen, wie etwa durch die Ausgestaltung einzelner Vorschriften die Kosten für deren Ausübung beeinflusst werden können. 3. Institutionelle Überlegungen als Beurteilungsmaßstab
Es hat sich ferner gezeigt, dass trotz rationaler Apathie und der Einschätzungsprärogative der Verwaltung, durch Stimmrechte die Aktionärsinteressen grundsätzlich sinnvoll konkretisiert werden können. Dies gilt selbst dann, wenn die Abstimmung maßgeblich von größeren Investoren beeinflusst wird, da diese in den meisten Fällen mittelbar auch für eine Berücksichtigung der Anliegen von kleineren Gesellschaftern sorgen. Da jedoch kein pauschaler Interessengleichlauf zwischen allen Aktionären angenommen werden kann, muss bei jeder Kompetenz berücksichtigt werden, wie anfällig diese für Konflikte zwischen Hauptversammlungsmehrheit und den unterlegenen beziehungsweise nicht beteiligten Aktionären ist. Aus institutioneller Sicht muss man sich darüber hinaus die Frage stellen, ob eine Einflussnahme durch die Gesellschafter überhaupt wünschenswert erscheint. Kompetenzen für die Aktionäre können nämlich auch Auswirkungen auf die Stellung anderer Interessengruppen haben, zum Beispiel auf Arbeitnehmer, Kunden und Lieferanten.263 Zwar ist die Aktiengesellschaft mitsamt ihren Organen konzeptionell auf die Durchsetzung der Aktionärsinteressen ausgerichtet. Dies rechtfertigt sich vor dem Hintergrund, dass die Gesellschafter als Gruppe nicht nur spezifische Investitionen tätigen, sondern sich durch vertragliche Regelungen nicht ex ante absichern können.264 Es wurde jedoch bereits betont, dass dies nicht bedeutet, dass andere Interessengruppen überhaupt nicht schutzwürdig sind. So wie der Gesetzgeber die Belange der Allgemeinheit etwa durch Regelungen des Umweltschutzrechts oder des Steuerrechts absichert oder die der Arbeitnehmer durch das Individual- und Kollektivarbeitsrecht, so kann es Themenbereiche geben, welche dem unmittelbaren Zugriff der Aktionäre entzogen sein sollten.
263 So wohl auch Bayer, in: Verhandlungen des 67. Deutschen Juristentages 2008, Band I, E 1, E 116 (dezidiert zur Arbeitnehmerbeteiligung); Wymeersch, in: FS Lutter, S. 213, 228 („Veränderungen im „agency“ Verhältnis“); ähnlich Shleifer/Vishny, The Journal of Finance 1997, 737, 758 („large investors represent their own interest, which need not coincide with [. . .] the interest of employees and managers“). 264 Siehe dazu bereits oben unter § 2 D.
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Es muss daher für jeden Bereich der Personalkompetenz geprüft werden, ob aus institutioneller Sicht für die mit einer Aktionärsentscheidung einhergehende Legitimationswirkung ein Bedürfnis besteht oder ob die Schutzbedürftigkeit einzelner Interessengruppen eine direkte Beteiligung der Gesellschafter verbietet. Außerdem gilt es zu beachten, inwieweit durch einzelne Regelungen ein Missbrauchsrisiko zu Lasten derjenigen Aktionäre geschaffen wird, die sich im gefassten Beschluss nicht wiederfinden. 4. Spezifische Wirkungsweise einer Aktionärsbeteiligung als Beurteilungsmaßstab
Darüber hinaus gilt es zu erfassen, ob für die besondere Wirkungsweise von Stimmrechten überhaupt ein Bedarf besteht und ob auf diesem Weg das bestehende regulatorische Umfeld sinnvoll ergänzt werden kann. a) Möglichkeit einer flexiblen Einwirkung Anders als etwa der Gesetzgeber und die Kodex-Kommission sind die Aktionäre bei der Ausübung einer Kompetenz nicht auf pauschalisierende Betrachtungen angewiesen. Der Gesetzgeber erlässt Vorschriften immer mit dem Ziel, einen größeren Themenbereich zu regeln. Konsequenz ist, dass die Eigenarten der einzelnen Normadressaten kaum Beachtung finden können. Damit sind derartige Ansätze weit weniger flexibel als Kompetenzen, die vor dem Hintergrund einer bestimmten Gesellschaft wahrgenommen werden.265Ähnliche Probleme bestehen auch bei soft law Vorgaben, wie etwa den Regelungen des DCGK. Diese haben zwar nicht den Anspruch, für alle nur denkbaren Konstellationen geschaffen worden zu sein, sondern richten sich an eine bestimmte Zielgruppe.266 Der DCGK etwa verlangt eine verbindliche Erklärung von den in § 161 Abs. 1 AktG angesprochenen Gesellschaften. Darüber hinaus sind soft law Vorgaben auch einfacher abzuändern als etwa Normen des Aktienrechts.267 Ein kompliziertes parlamentarisches Verfahren ist nicht erforderlich.268 Soft law ist demnach zwar flexibler als Gesetzesrecht, aber bei weitem nicht so individuell auf die Bedürfnisse des Einzelfalls zugeschnitten wie eine Aktionärsbeteiligung.269 Die Eigenkapital265 Spindler, AG 1998, 53, 58; ähnlich auch Parkinson, Corporate Power and Responsibility, S. 165. 266 Beispiele finden sich bei Fleischer, ZGR 2012, 160, 185–188; Weber-Rey/Buckel, ZHR 177 (2013), 13, 35–36. 267 Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 13 Rn. 33 (vor dem Hintergrund des DCGK). 268 Man sollte sich jedoch vor Augen halten, dass auch die Kodex-Kommission über die Jahre mehr und mehr zu einer politischen Veranstaltung geworden ist, wie sich nicht zuletzt durch die Aufnahme des Unternehmensinteresses als Zielvorgabe für die Aktiengesellschaft zeigt; siehe dazu bereits oben die Einleitung zu § 2.
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geber können bei Ausübung des Stimmrechts die aktuelle wirtschaftliche Situation, die vergangene Entwicklung des Unternehmens und die Eigenarten einzelner Aufsichtsrats- und Vorstandsmitglieder berücksichtigen. Aktionärskompetenzen sind folglich insbesondere dann nützlich, wenn ein Bedürfnis für eine Bewertung eines Regelungsgegenstandes auf Gesellschaftsebene besteht. b) Disziplinierung durch Reputationsschäden Darüber hinaus gilt es zu berücksichtigen, dass die Ausübung des Stimmrechts nicht nur durch ihr Ergebnis wirkt. Gerade weil die ökonomischen Probleme der Entscheidungsfindung einerseits und die Einschätzungsprärogative der Verwaltung anderseits die Durchsetzbarkeit von Vorschlägen, die von Aufsichtsrat und Vorstand ausgehen, begünstigt, kommt einer Aktionärsopposition eine besondere Bedeutung zu. Wenn die Aktionäre Entscheidungen gegen die Verwaltung treffen, führt dies zu Reputationsschäden.270 Es ist eine bittere Niederlage für die Verwaltung, wenn diese noch nicht einmal die eigenen Gesellschafter von ihren Vorschlägen überzeugen kann. Schon allein die Einberufung einer Hauptversammlung auf Wunsch der Aktionäre kann eine entsprechende Wirkung hervorrufen.271 Insbesondere, wenn man wie hier annimmt, dass Vorstände auch durch die Tätigkeit an sich und ihr soziales Ansehen motiviert werden,272 unterstreicht das die Bedeutung entsprechender Sanktionen.273 Wer seine Aktionäre nicht hinter sich weiß, kann sich im Regelfall nicht als erfolgreiches Mitglied von Aufsichtsrat oder Vorstand fühlen. Dabei geht es nicht nur um die unmittelbare psychologische Wirkung der Gegenstimmen.274 Auch sonstige Interessengruppen können empfindlich auf die ablehnende Haltung der Hauptversammlung reagieren. So könnte eine Bank nach einer verlorenen Entlastung nach § 120 Abs. 1 Satz 1 AktG bei der nächsten Kreditvergabe etwa sehr viel genauer auf die Konditionen achten oder gar die Zusammenarbeit mit der Gesellschaft ganz verweigern. 269 Zu dem Problem passgenauer soft law Regeln siehe Fleischer, ZGR 2012, 160, 185–186. 270 So auch A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 149–150; Döll, WM 2010, 103, 110; Fabrizio/Maber, Review of Finance 2012, 1, 5; Lieder/Fischer, European Company and Financial Law Review 2011, 376, 403; Myers, Delaware Journal of Corporate Law 2012, 417, 433 jeweils mit Bezug zur Mitwirkung an Vergütungsabstimmungen; praktische Beispiele aus dem internationalen Umfeld finden sich bei Dyck/ Zingales, Journal of Finance 2004, 537, 577; allgemein zur Auswirkung von öffentlichem Druck und der Rolle der Medien Dyck/Zingales, in: The Right to Tell: The Role of the Media in Development, S. 107, 107–137. 271 Tielmann, AG 2013, 704, 709. 272 Siehe dazu bereits oben unter § 3 A. II., § 3 A. IV. 1., § 3 A. IV. 3. und § 3. B. I. 273 Ähnlich Lund, Kentucky Law Journal 2010, 119, 146 („humiliating to people who are not used to being humiliated“). 274 Diese betont etwa Lund, Kentucky Law Journal 2010, 119, 146.
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3. Kap.: Grundsätzliche Überlegungen zur Aktionärsdemokratie
Gegen den Reputationsschaden kann sich die Verwaltung kaum schützen. Keine Versicherung kann diese immateriellen Folgen kompensieren.275 Die Wirkung steigt, je mehr Aktionäre ein Einschreiten für erforderlich halten.276 Das Erreichen einer bestimmten Stimmenanzahl ist dabei nicht notwendig.277 So mag eine Verwaltung mit 55% der abgegebenen Stimmen formal eine Mehrheit für einen eigenen Vorschlag erzielen. Gerade bei einer im Streubesitz befindlichen Gesellschaft bedeutet eine derart hohe Ablehnung jedoch, dass die Entscheidung hochgradig umstritten war und es der Verwaltung nicht gelungen ist, für einen akzeptablen Kompromiss zu sorgen. Die soeben herausgestellte Reputationswirkung bedarf dabei keiner gesonderten Rechtsdurchsetzung. Soll eine Verletzung von DCGK oder gesetzlicher Normen festgestellt werden, muss jemand gefunden werden, der für eine gerichtliche Nachprüfung sorgt. Gerade im Bereich der Personalkompetenz kann dies schwerfallen. Der Aufsichtsrat, welcher de lege lata für deren Ausübung zuständig ist, dürfte als Kläger oftmals genau so wenig in Frage kommen, wie der Vorstand, welcher von einer Entscheidung profitiert hat. Gehen die Aktionäre nach § 148 AktG selbst gegen den Aufsichtsrat vor, bestehen Anreizprobleme. Die Gesellschafter tragen erst einmal die Kosten der Klage und müssen in Vorleistung gehen, ziehen aber aus dem Ausgang des Verfahrens nur ihrem Anteil entsprechend einen Nutzen.278 Bei gerichtlichen Nachkontrollen besteht darüber hinaus die Gefahr einer hindsight bias. Gemeint ist damit, dass von nachträglich eintretenden Tatsachen auf ursprünglich bestehende Sorgfaltspflichten geschlossen wird.279 Wenn sich beispielsweise ein Vorstandsmitglied im Verlauf seiner Amtszeit als objektiv unfähig erweist, könnte man der Vermutung erliegen, dass dem Aufsichtsrat dies bei der Bestellung bereits hätte auffallen müssen. Um sich dem Vorwurf derartiger Rückschaufehler nicht auszusetzen, stehen Gerichte einer nachträglichen Kontrolle gerade von betriebswirtschaftlichen Entscheidungen eher zurückhaltend gegenüber.280 Die genannten Probleme entstehen nicht bei 275 Dyck/Zingales, in: The Right to Tell: The Role of the Media in Development, S. 107, 109; allgemein zu Reputationsschäden auch Skeel, University of Pennsylvania Law Review 2001, 1811, 1833; diese Problematik übersieht Voth, Beratende Hauptversammlungsbeschlüsse, S. 225–227 bei der Frage, ob bei Reputationsschäden ein Schadensersatzanspruch möglich sein kann. 276 Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 297. 277 von Falkenhausen/Kocher, AG 2010, 623, 625; Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 297; dies zeigen deutlich auch die Beispiele von Dyck/Zingales, Journal of Finance 2004, 537, 577. 278 So allgemein Haar/Grechenig, AG 2013, 653, 655; Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 791. 279 Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 93 Rn. 60; Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, § 7 Rn. 65; Kocher, CCZ 2009, 215, 216. 280 Arsalidou, Journal of Business Law 2011, 431, 444; Bebchuk/Fried, Pay without Performance S. 45–48; Manne, Journal of Political Economy 1965, 110, 113; Sheikh, Journal of International Banking Law 1995, 471, 472; a. A. wohl Wiedemann, Organver-
§ 6 Die Entscheidungsfindung in der Hauptversammlung
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einer Kontrolle und Steuerung durch Reputationsschäden. Diese gehen automatisch mit einer Aktionärsbeteiligung einher, sind also self-executing.281 Es ist allerdings behauptet worden, dass Reputationsschäden im Umfeld eines grundsätzlich funktionierenden Kapitalmarkts schnell wirkungslos werden könnten.282 Begründet wird dies mit der Möglichkeit der Gesellschaft, sich durch einen Rückzug vom Kapitalmarkt den marktüblichen Kontrollmechanismen zu entziehen.283 Diese Überlegungen überzeugen jedoch nicht. Zwar können sich Reputationsschäden auch in einem sinkenden Aktienkurs ausdrücken. Sie hängen aber nicht von einer öffentlichen Handelbarkeit der Aktie ab. Sogar in einer geschlossenen Gesellschaft mit vinkulierten Anteilen können derartige Disziplinierungsmechanismen wirken.284 Wichtig ist, dass die Öffentlichkeit erreicht wird.285 Wie dies passiert, also über die Börse oder sonstige Kanäle, dürfte zweitrangig sein. Bei DAX30-Unternehmen werden kritische Entwicklungen in der internationalen Presse aufgegriffen. Für Vorstand und Aufsichtsrat eines regional ansässigen Familienunternehmens kann die Berichterstattung in einer Lokalzeitung genauso demütigend sein. Gerade wegen ihren gewichtigen Auswirkungen muss aber auch sehr genau geprüft werden, in welchen Bereichen Reputationsschäden als Kontroll- und Steuerungsmechanismus überhaupt wünschenswert erscheinen. Vereinzelt wird behauptet, dass negative Aktionärsäußerungen eine Gefährdung für die Attraktivität der Gesellschaft als Investitionsobjekt darstellen können.286 Wenn die Aktionäre es für notwendig halten, eine Kompetenz auszuüben, würde potentiellen Investoren und dem Kapitalmarkt verdeutlicht, dass diese Missstände erkannt haben. Anleger hätten demnach oftmals kein Interesse, öffentlichkeitswirksam zu handeln.287 Daran ist richtig, dass es Fälle geben kann, in denen sich Gesellschafteropposition langfristig nicht positiv auswirkt, etwa wenn die Hauptverantwortung und Gesellschafterklagen in der Aktiengesellschaft, S. 10 in Bezug auf den amerikanischen Rechtsraum. 281 So etwa Fleischer/Bedkowski, AG 2009, 677, 685 vor dem Hintergrund des § 120 Abs. 4 AktG; ähnlich Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 53. 282 Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, S. 150. 283 Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, S. 150. 284 Siehe auch die eingängigen Beispiele bei Bebchuk/Fried, Pay without Performance, S. 69. So wurde in der Vergangenheit laut den Autoren sogar über Zeitungsanzeigen wirkungsvoll Druck auf das board US-amerikanischer Unternehmen ausgeübt. 285 Siehe dazu das abgedruckte Zitat bei Bebchuk/Fried, Pay without Performance, S. 69. 286 Friedrich, Die Verrechtlichung von Organbezügen als europäisches Problem, S. 83. 287 So Friedrich, Die Verrechtlichung von Organbezügen als europäisches Problem, S. 83 vor dem Hintergrund des § 120 Abs. 4 AktG; ähnlich die Argumenation von Lund, Kentucky Law Journal 2010, 119, 146–150.
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3. Kap.: Grundsätzliche Überlegungen zur Aktionärsdemokratie
sammlung auch wirtschaftlich gebotene Entscheidungen regelmäßig nicht mitträgt. Wenn allerdings Aktionärskompetenzen punktuell eingesetzt werden, um Missstände aufzuzeigen und in der Folge konsequent an deren Beseitigung gearbeitet wird, ist nicht davon auszugehen, dass es zu einer negativen Beeinflussung von Aktienkurs und Ansehen der Gesellschaft kommt.288 Notwendig ist es jedoch, genau die Themenbereiche zu identifizieren, bei denen ein Umfeld existiert, in dem Reputationsschäden positiv wirken können. Die Aktionäre dürften nämlich regelmäßig kein Interesse daran haben, der sich im Amt befindenden Verwaltung bleibende Kränkungen zuzufügen, gerade wenn mit dieser grundsätzlich weiter gearbeitet werden soll und sich die Ablehnung nur auf klar umrissene Teile deren Amtsführung bezieht. Wichtig ist demzufolge, Aktionärsbeteiligung nur in den Bereichen zuzulassen, in denen auf entsprechende Aktionärsopposition praktikabel reagiert werden kann. 5. Ergebnis
Im Ergebnis ist somit festzuhalten, dass Aktionärskompetenzen nicht pauschal bewertet werden können, sondern dass deren Würdigung von dem jeweils betroffenen Themenkreis abhängt. Es wurden daher verschiedene Kriterien herausgearbeitet, welche in der folgenden Untersuchung als Maßstab für die Beurteilung von Gesellschafterbeteiligungen im Bereich der Ausgestaltung des Anstellungsvertrags, sowie bei organschaftlicher Bestellung und Widerruf der Bestellung dienen sollen. Es gilt folglich, die dogmatischen, ökonomischen und institutionellen Auswirkungen einzelner Regulierungsansätze mit Bezug zur Personalkompetenz zu untersuchen und dabei die mit Aktionärsbeteiligung verbundenen spezifischen Effekte mit möglichen Nachteilen und alternativen Gestaltungsmöglichkeiten abzuwägen. III. Besonderheiten bei Satzungsregelungen Die vorherigen Ausführungen gelten grundsätzlich für jede Art der Aktionärsbeteiligung. Insbesondere stellt sich auch bei der Öffnung der Satzung für bestimmte Themen die Frage, ob dies dogmatisch und institutionell mit dem bestehenden Regelungssystem vereinbar ist. Darüber hinaus gilt es jedoch zu berücksichtigen, dass durch die Satzungsstrenge auch Anlegerschutz garantiert werden soll.289 Potentielle Investoren sollen auf eine im Wesentlichen gleiche Ausgestaltung der mit einer Aktie verbundenen Rechte vertrauen können.290 Da288
Ähnlich Fleischer, AG 2010, 681, 691. Pleßke, Die Satzungsstrenge im Aktienrecht, S. 48–54. 290 Limmer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 23 Rn. 28; C. Schäfer, NJW 2008, 2536, 2539; Solveen, in: Hölters (Hrsg.), Aktiengesetz, § 23 Rn. 29. 289
§ 6 Die Entscheidungsfindung in der Hauptversammlung
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mit wird im Ergebnis deren Verkehrsfähigkeit abgesichert.291 Die Satzungsstrenge ist damit auf den ersten Blick für jene Aktionäre bedeutsam, die eine Aktie vornehmlich als Kapitalanlage sehen und bei denen eine unternehmerische Mitwirkung eine untergeordnete Rolle spielt. Diese können davon ausgehen, dass auch eine drei Viertel Mehrheit nach § 179 Abs. 2 Satz 1 AktG keine Änderungen vornehmen kann, die ihre mitgliedschaftlichen Rechte entwertet. Darüber hinaus werden die Kosten eingespart, die mit einer individuellen Auswertung einer Satzung verbunden wären. Ohne Satzungsstrenge müssten Aktionäre vor einer Investition die Satzungsregeln nämlich im Einzelnen bewerten.292 Nur auf Grundlage dieser Überlegungen könnten sich potentielle Investoren dann ein Bild von dem wirklichen Wert einer Beteiligung machen. Dabei geht es, dies wird in der Diskussion oft übersehen, nicht bloß um einen einfachen Blick in die Satzung, um die Existenz von zusätzlichen Regelungen zu erfassen.293 Entscheidend ist vielmehr, ob die langfristigen Risiken, mögliche Auslegungsfragen und das Potential für Rechtsstreitigkeiten einzelner Vorgaben erkannt werden können.294 Die mit einer solchen Einschätzung verbundenen Kosten können erheblich sein. Zumindest als Reflex schützt die Satzungsstrenge darüber hinaus auch die Gläubiger, da diese ebenfalls auf eine einheitliche Ausgestaltung des Binnenrechts vertrauen können.295 So wird sichergestellt, dass deren Ansprüche durch ineffektive Satzungsregelungen nicht entwertet werden. Wird die Satzungsstrenge in einzelnen Punkten aufgeweicht, überlässt man es demnach dem Markt, die Änderungen einzupreisen.296 Wie effektiv dies geschehen kann, hängt davon ab, wie gut Investoren die unterschiedlichen Regeln beurteilen können.297 Zwar kann durchaus erwartet werden, dass sich in vielen Bereichen standardisierte Vorgaben im Sinne einer best practice auch bei vollständiger Aufgabe des § 23 Abs. 5 AktG durchsetzen würden,298 etwa wenn es um die technischen Modalitäten einer Hauptversammlungseinberufung geht. In diesem Bereich dürfte das Interesse aller Gesellschaften in etwa gleich sein, nämlich mit möglichst geringem Aufwand einen möglichst großen Teil der Aktionäre anzu291 Habersack, AG 2009, 1, 8; Habersack, in: Verhandlungen des 69. Deutschen Juristentages 2012, Band I, E 1, E 26; Koch, in: Hüffer (Begr.), Aktiengesetz, § 23 Rn. 1; Limmer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 23 Rn. 28; Pleßke, Die Satzungsstrenge im Aktienrecht, S. 48; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), § 23 Rn. 53. 292 C. Schäfer, NJW 2008, 2536, 2539. 293 So aber Pleßke, Die Satzungsstrenge im Aktienrecht, S. 134. 294 Ähnlich Spindler, AG 1998, 53, 60. 295 So auch C. Schäfer, NJW 2008, 2536, 2538. 296 Grunewald, NZG 2009, 967, 969; Habersack, AG 2009, 1, 8; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, S. 158; Spindler, AG 1998, 53, 60–63. 297 Eher positiv Spindler, AG 1998, 53, 60–65; kritisch A. Arnold, in: KölnerKommAktG, § 23 Rn. 134. 298 Spindler, AG 1998, 53, 59.
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3. Kap.: Grundsätzliche Überlegungen zur Aktionärsdemokratie
sprechen. Derartige Entwicklungen würden die Evaluationskosten senken, da dann keine Einzelfallbetrachtung mehr notwendig wäre. Schon die bisherige Untersuchung der Personalkompetenz hat jedoch gezeigt, dass nicht alle Materien einer derartigen Standardisierung zugänglich sind. Da beispielsweise die Zusammenstellung der Vorstandsvergütung vor dem Hintergrund der Situation der jeweiligen Gesellschaft beurteilt werden muss,299 kann man sich kaum vorstellen, dass sich hier einheitliche Klauselgestaltungen durchsetzen würden. So wäre es freilich denkbar, dass sich bei größeren Gesellschaften mit der Zeit die Praxis herausbildet, das Verhältnis von variabler zu fixer Vergütung in der Satzung festzulegen oder dort Vergütungsobergrenzen vorzusehen. Die Qualität der jeweiligen Regelung müsste gleichwohl im Einzelfall und bei geänderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auch in regelmäßigen Abständen evaluiert werden. Eine Vergütungsobergrenze von einer Millionen Euro pro Vorstandsmitglied mag bei einigen national tätig werdenden Dienstleistern gerechtfertigt sein, bei anderen Unternehmen hingegen einen deutlichen Wettbewerbsnachteil bedeuten. Selbst bei hochentwickelten Kapitalmärkten würden für derartige Beurteilungen daher zusätzliche Kosten entstehen. Im Kern gelten diese Überlegungen auch für normale Abstimmungskompetenzen, wie etwa nach § 120 Abs. 4 AktG. Will ein potentieller Investor wissen, wie in einer Gesellschaft mit dem Thema Vorstandsvergütung umgegangen wird, muss er die Beschlüsse der letzten Hauptversammlungen auswerten. Dies gilt vor allem dann, wenn die in Frage stehenden Vorgaben verbindlich sind. Insofern macht es für die Auswertung der Aktionäre keinen Unterschied, ob eine Regelung in der Satzung steht oder per einfachen Beschluss ausgeübt wird. Relevant dürfte allerdings sein, dass Satzungsänderungen im Regelfall einer höheren Kapitalmehrheit nach § 179 Abs. 2 Satz 1 AktG bedürfen. Da Umgestaltungen somit schwieriger sind, besteht ein größeres Interesse, bestehende Vorgaben im Voraus zu evaluieren. Wie wichtig die Satzungsstrenge wirklich für die Anleger und Gläubiger ist, wird differenziert beurteilt. Richtig ist der Hinweis, dass etwa die USA und Großbritannien weitestgehend ohne ein derartiges Prinzip auskommen.300 Ob deren Kapitalmärkte aber tatsächlich einen „höheren Entwicklungsstand“ als das deutsche Pendant aufweisen,301 wird man ob der aktuellen Finanzkrise bezweifeln dürfen. Teilweise wird zumindest für nichtbörsennotierte Gesellschaften eine größere Gestaltungsfreiheit im Rahmen der Satzung gefordert.302 Hier soll 299
Siehe dazu bereits oben unter § 3 B. II. und § 4 C. III. So Grunewald, NZG 2009, 967, 969; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), § 23 Rn. 53. Andererseits bestehen in den genannten Rechtsordnungen dafür andere Sicherheitsmechanismen, wie beispielsweise die Aufsicht durch die Securities and Exchange Commission in den USA, siehe C. Schäfer, NJW 2008, 2536, 2538–2539. 301 So aber Seibt, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), § 23 Rn. 53. 300
§ 6 Die Entscheidungsfindung in der Hauptversammlung
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mangels institutionalisierter Handelbarkeit der Anlegerschutz weniger wichtig sein.303 Die Aktionäre würden sich ohnehin genauer mit dem Investitionsobjekt beschäftigen.304 Diese Annahme mag vielfach zutreffend sein, ändert aber nichts an der Tatsache, dass durch eine Satzungsöffnung auch bei nichtbörsennotierten Gesellschaften die Kosten einer Evaluation steigen. Immerhin müsste sich ein potentieller Investor dann zusätzlich mit Bereichen beschäftigen, die vorher wegen der gesetzlichen Standardisierung nicht relevant waren. Außerdem wäre die zumindest reflexartige Absicherung der Gesellschaftsgläubiger bei einer Aufgabe der Satzungsstrenge nicht mehr garantiert.305 Vor diesem Hintergrund zeigt sich, dass die Satzungsstrenge auch für nichtbörsennotierte Gesellschaften von entscheidender Bedeutung ist. Abgesehen davon muss man sich auch aus rechtspolitischer Sicht fragen, ob man den Aktionären und damit letztendlich dem gesamten Kapitalmarkt einen Gefallen tut, wenn man verstärkt die Unterschiede zwischen börsennotierten und nichtbörsennotierten Gesellschaften betont. Je weiter die jeweiligen Regulierungen voneinander abweichen, desto schwerer wird nämlich die spätere Durchführung einer Börsennotierung.306 Insgesamt ist nicht zu bezweifeln, dass die weitgehende Standardisierung des Aktienrechts zu Ansehen und Seriosität der Rechtsform beigetragen hat.307 Es gibt in der Gesamtschau deswegen weder einen Grund die Satzung für alle Arten von Regelungen zu öffnen, noch generell derartige Gestaltungen auszuschließen. Das Bedürfnis nach einer Öffnung muss vielmehr ebenfalls individuell vor dem Hintergrund einer bestimmten Kompetenz diskutiert werden.308 Neben den bereits herausgestellten dogmatischen und institutionellen Überlegungen müssen bei Satzungskompetenzen daher genauso ökonomische Kriterien und die mit einer Standardisierung verbundenen Vor- und Nachteile berücksichtigt werden. Eine Differenzierung zwischen börsennotierten und nichtbörsennotierten Gesellschaften hinsichtlich der Satzungsstrenge bietet sich dabei regelmäßig nicht an. Selbst wenn letztgenannte einen kleineren und überschaubareren Gesellschafterkreis haben, stellen sich hier doch im Kern die gleichen Probleme und Fragen, wenn die Satzungsstrenge aufgelöst werden soll. 302 Pleßke, Die Satzungsstrenge im Aktienrecht, S. 133–134 et passim; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), § 23 Rn. 53; ähnlich auch Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, S. 187 für Gesellschaften mit überschaubarem Personenkreis. 303 Bayer, in: Verhandlungen des 67. Deutschen Juristentages 2008, Band I, E 1, E 9. 304 Pleßke, Die Satzungsstrenge im Aktienrecht, S. 133; Spindler, AG 1998, 53, 65. 305 Ähnlich Kalss/Fleischer, AG 2013, 693, 703. 306 A. Arnold, in: KölnerKommAktG, § 23 Rn. 134. 307 C. Schäfer, NJW 2008, 2536, 2538. 308 So zu Recht A. Arnold, in: KölnerKommAktG, § 23 Rn. 134; Bayer, in: Verhandlungen des 67. Deutschen Juristentages 2008, Band I, E 1, E 82–85, E 96–98; Grunewald, NZG 2009, 967, 969; Nodoushani, NZG 2008, 452, 453; ähnlich Kalss/Fleischer, AG 2013, 693, 703.
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3. Kap.: Grundsätzliche Überlegungen zur Aktionärsdemokratie
G. Ergebnis Die Untersuchung hat gezeigt, welche internen und externen Entwicklungen die Ausübung von Aktionärsstimmrechten beeinflussen. Im Ergebnis steht fest, dass die gegen eine Beteiligung der Eigenkapitalgeber vorgebrachten Argumente zwar nicht vollständig entkräftet, jedoch zumindest relativiert werden können. Durch Stimmrechte können die Aktionärsinteressen somit sinnvoll konkretisiert werden. Das in Deutschland für die Beschlussfassung geschaffene System basiert auf überzeugenden Grundannahmen, lediglich im Detail sind Anpassungen notwendig, etwa um einer übermäßigen Einflussnahme durch Vorstand und Aufsichtsrat entgegenzuwirken. Insbesondere eine Abschaffung des Verwaltungsstimmrechts nach § 134 Abs. 3 Satz 5 AktG wäre wünschenswert. Die Ausführungen haben gleichwohl auch deutlich gemacht, dass Aktionärskompetenzen nicht in Bezug auf jeden Themenbereich sinnvoll in das Aktienrecht integriert werden können. Vielmehr muss im Einzelfall geprüft werden, ob das jeweilige Regelungsumfeld einer unmittelbaren Gesellschafterbeteiligung zugänglich ist. Dabei sind insbesondere dogmatische, ökonomische und institutionelle Überlegungen für die Beurteilung von Bedeutung. Darüber hinaus müssen die spezifischen Vor- und Nachteile einer Aktionärsbeteiligung mit alternativen Gestaltungsmöglichkeiten abgewogen werden. Dies gilt unabhängig davon, ob einzelne Beteiligungsrechte als bloße Abstimmungskompetenzen verankert werden sollen, wie etwa in § 120 Abs. 4 AktG, oder eine Satzungsöffnung in Frage steht.
§ 7 Rechtspraktische Überlegungen zur Beteiligung der Hauptversammlung Im vorherigen Abschnitt wurde vornehmlich die Beschlussfassung in der Hauptversammlung und die Motivationslage der Aktionäre untersucht. Im Vordergrund stand dabei, wie die Gesellschafter eine Entscheidung treffen, welche Kriterien diesen Vorgang beeinflussen und welche Schlussfolgerungen sich für die Beurteilung einzelner Kompetenzen daraus ableiten lassen. Darüber hinaus ist es jedoch auch notwendig, den Ablauf einer Hauptversammlung in der gelebten Rechtspraxis zu berücksichtigen. Aktionärstreffen müssen umfangreich vor- und nachbereitet werden. Außerdem steht nur ein beschränkter zeitlicher Rahmen zur Diskussion und Beschlussfassung zur Verfügung, so dass der inhaltlichen Auseinandersetzung mit einzelnen Themenbereichen Grenzen gesetzt sind. Wie effektiv diese Zeit genutzt wird, hängt entscheidend davon ab, wie einzelne Gesellschafter mit ihren Stimm- und Rederechten umgehen. Aktionärskompetenzen machen nur dann Sinn, wenn diese auch tatsächlich wahrgenommen werden können.
§ 7 Überlegungen zur Beteiligung der Hauptversammlung
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In der Folge werden daher die Auswirkungen des Organisationsaufwands, der zeitlichen Rahmenbedingungen sowie des allgemeinen Ablaufs einer Hauptversammlung untersucht. Ziel ist es herauszufinden, welche Konsequenzen sich aus den genannten praktischen Gesichtspunkten für die Beteiligung der Gesellschafter ergeben.
A. Organisationsaufwand und zeitlicher Rahmen der Hauptversammlung I. Die rechtliche und tatsächliche Ausgestaltung der Hauptversammlung Das Gesetz schreibt zwingend lediglich eine jährliche Hauptversammlung vor, wie § 120 Abs. 1 Satz 1 AktG zeigt. Dieses wiederkehrende Aktionärstreffen wird ordentliche Hauptversammlung genannt.309 Ausdrückliche Vorgaben bezüglich der Dauer dieser Veranstaltung finden sich im Gesetz nicht. Die Rechtslehre hat Zumutbarkeit und Verkehrssitte als Bewertungsmaßstäbe für die Durchführung entwickelt.310 Für die Versammlungshöchstdauer pro Tag werden etwa 12 bis 14 Stunden genannt.311 Zulässig sind jedoch mehrtägige Hauptversammlungen.312 Dies eröffnet grundsätzlich die Möglichkeit, auch umfangreiche Fragestellungen ausführlich zu behandeln. Darüber hinaus ist es statthaft, beliebig viele weitere Hauptversammlungen durchzuführen, die dann als außerordentliche Hauptversammlungen bezeichnet werden.313 Außerordentliche Hauptversammlungen müssen in bestimmten Fällen zwar auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung einberufen werden, etwa bei Verlusten in Höhe des hälftigen Grundkapitals der Gesellschaft nach § 92 Abs. 1 AktG. Sie können aber auch aus freien Stücken durchgeführt werden, beispielsweise um einen Beschluss zu erwirken oder sogar allein um ein Stimmungsbild der Aktionäre zu erhalten.314 Theoretisch wäre es demnach möglich, für besonders umfangreiche oder kontroverse Diskussionen ein eigenes Treffen einzuberufen. Initiativen dazu können über § 121 Abs. 1, Abs. 2 AktG vom Vorstand, über § 111 Abs. 3 Satz 1 AktG vom 309 Siehe nur K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 839; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), § 118 Rn. 7; Wangemann, Finanzielle Anreize zur Steigerung der Hauptversammlungspräsenz in der Aktiengesellschaft, S. 14. 310 Siehe die Nachweise bei Rieckers, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 121 Rn. 79. 311 Kubis, in: MünchKommAktG, § 121 Rn. 38 („nicht unterhalb von 12 Stunden“); Rieckers, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 121 Rn. 80; Ziemons, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), § 121 Rn. 34. 312 Allgemeine Meinung, siehe nur Koch, in: Hüffer (Begr.), Aktiengesetz, § 121 Rn. 17a; P. Nagel/Ziegenhahn, WM 2010, 1005, 1006, 1010; Rieckers, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 121 Rn. 80. 313 Koch, in: Hüffer (Begr.), Aktiengesetz, § 118 Rn. 6; Semler, in: Hoffmann-Becking (Hrsg.), Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 4, § 34 Rn. 52. 314 Zu den materiellen Anforderungen einer außerordentlichen Hauptversammlung siehe Halberkamp/Gierke, NZG 2004, 494, 497–499.
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3. Kap.: Grundsätzliche Überlegungen zur Aktionärsdemokratie
Aufsichtsrat und nicht zuletzt über § 122 Abs. 1 Satz 1 AktG von den Aktionären ausgehen. In der Praxis werden die oben genannten Möglichkeiten allerdings kaum wahrgenommen. In den wenigsten Fällen finden Hauptversammlungen statt, die über einen Tag hinausgehen.315 Ziff. 2.2.4 Satz 2 DCGK 2013 sieht als Rahmen für eine Hauptversammlung vier bis sechs Stunden vor. Ohnehin gelten deutsche Hauptversammlungen im internationalen Vergleich als überdurchschnittlich lang.316 Außerordentliche Hauptversammlungen werden meist nur bei unvorhersehbaren Entwicklungen einberufen. Als Option, weitere Debatten der Aktionäre zu ermöglichen, werden sie nur selten genutzt. Die Durchführung einer Hauptversammlung ist komplex und mit einem immensen organisatorischen und finanziellen Aufwand verbunden.317 Dies gilt bereits für den Akt der Einberufung und die Information der Aktionäre.318 Teilweise verlangen Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung der ordentlichen Hauptversammlung eine mehrjährige kontinuierliche Betreuung.319 Kosten jenseits der Millionen-Euro Grenze sind für DAX30-Unternehmen keine Seltenheit.320 Aber auch bei kleineren Gesellschaften können die Ausgaben für die Durchführung erheblich sein.321 Dementsprechend ist es nicht verwunderlich, dass nur in den wenigsten Fällen mehr als ein Aktionärstreffen im Geschäftsjahr durchgeführt wird.322 II. Beurteilung Eine starke zeitliche Ausdehnung oder die Einberufung mehrerer Hauptversammlungen ist nur bedingt praktikabel. Diese Einschätzung mag sich in der Zukunft jedoch ändern, sollte die virtuelle Teilnahme an Bedeutung gewinnen.323 Generell gilt aber, dass nicht nur der finanzielle und organisatorische Aufwand,324 sondern auch das Interesse der Aktionäre mit der Abstimmung zeitlich 315
M. Arnold/Carl/C. Götze, AG 2011, 349, 350. Butzke, Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, Kapitel A Rn. 16 spricht sogar von den „längsten Hauptversammlungen der Welt“. 317 M. Arnold/Carl/C. Götze, AG 2011, 349, 350; Claussen, AG 2001, 161, 165; Lorenz, Die Zuständigkeit der Hauptversammlung im deutschen und US-amerikanischen Gesellschaftsrecht, S. 238; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 16 Rn. 21; Kubis, in: MünchKommAktG, § 118 Rn. 26. 318 Gätsch, in: FS Beuthien, S. 133, 135. 319 Kubis, in: MünchKommAktG, § 118 Rn. 26. 320 Claussen, AG 2001, 161, 165; Kubis, in: MünchKommAktG, § 118 Rn. 26. 321 Claussen, AG 2001, 161, 165. 322 Siehe auch Koch, in: Hüffer (Begr.), Aktiengesetz, § 175 Rn. 1. 323 Siehe dazu bereits oben unter § 6 A. III. 2. 324 Dazu Butzke, Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, Kapitel A Rn. 14; Kubis, in: MünchKommAktG, § 118 Rn. 26. 316
§ 7 Überlegungen zur Beteiligung der Hauptversammlung
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und monetär nicht über Gebühr beansprucht zu werden,325 Grenzen setzt. Je länger das Zusammentreffen, desto höher fallen nämlich die Kosten für die Teilnahme aus.326 Das beginnt schon bei ganz profanen Dingen wie einer zusätzlichen Übernachtung.327 Aber auch für größere Aktionäre steigen die Aufwendungen für Vor- und Nachbereitung, wenn mehr Themen bearbeitet werden. Die Durchführung längerer oder häufigerer Hauptversammlungen würde somit die oben genannten Zeitprobleme lösen, insgesamt aber die informierte Ausübung des Stimmrechts weniger attraktiv machen. Andererseits sollte man von isoliert gebliebenen Ausnahmefällen nicht auf die Dauer der Hauptversammlung bei dem Gros der deutschen Aktiengesellschaften schließen. Im Jahr 2014 betrug diese bei einem DAX30-Unternehmen im Durchschnitt 6.47 Stunden, im TecDAX nur 3.55 Stunden.328 Es gibt keinen Anlass, unbedingt auf eine Verlängerung dieser Veranstaltungen hinzuwirken. Andererseits kann man auf Grund des empirischen Befundes nicht davon sprechen, dass Hauptversammlungen eine rote Linie überschritten hätten und daher eine rechtliche Neuordnung angezeigt wäre. Wenig überzeugend sind demzufolge Stimmen, die sich gegen Gesellschafterkompetenzen vornehmlich deswegen richten, weil Aussprache und Abstimmung die teilweise tatsächlich überlangen Hauptversammlungen nur noch weiter strecken würden.329 Nicht die kritischen und gesellschaftsrelevanten Themen dürfen dem Aktionärstreffen entzogen werden, vielmehr ist die Frage, wie man Missbräuchen während der Versammlung entgegentreten kann.330 Auch der Gesetzgeber geht vornehmlich diesen Weg. Eine Straffung der Aktionärstreffen war ausdrücklich ein Beweggrund bei Einführung des UMAG im Jahr 2005.331 Gleiche Überlegungen haben die Ausgestaltung des ARUG maßgeblich beeinflusst.332 Die Gesetze haben Instrumentarien geschaffen, um im Bedarfsfall vor dem Hintergrund der individuellen Bedürfnisse einer Gesellschaft Aktionärstreffen zu beschleunigen. Die Regierungsbegründung zum UMAG stellt aber klar, dass es bei 325
Claussen, AG 2001, 161, 164. M. Arnold/Carl/C. Götze, AG 2011, 349, 350; P. Nagel/Ziegenhahn, WM 2010, 1005, 1006. 327 M. Arnold/Carl/C. Götze, AG 2011, 349, 350. 328 Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger, Auswertung zur HV-Dauer in den Jahren 2009–2014, Stand: 26.09.2014. 329 In diese Richtung aber M. Arnold/Carl/C. Götze, AG 2011, 349, 350; Jahn, GWR 2009, 135, 136 („nervenzerrenden Marathonsitzungen“); Kremer, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages am 25. Mai 2009, S. 14. 330 Jaspers, ZRP 2010, 8, 10; Kubis, in: MünchKommAktG, § 118 Rn. 31; ähnlich Butzke, Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, Kapitel A Rn. 28. 331 BT-Drucks. 15/5092 (RegE UMAG), S. 17. 332 BT-Drucks. 16/11642 (RegE ARUG), S. 21–22; siehe dazu bereits oben unter § 6 Fn. 98. 326
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3. Kap.: Grundsätzliche Überlegungen zur Aktionärsdemokratie
den Neuregelungen bezüglich des Versammlungsablaufs „nicht um eine Beschneidung der Aktionärsrechte“ geht, sondern darum, sich auf die „wesentlichen strategischen Entscheidungen zu konzentrieren“.333 Es kann somit folglich nicht darum gehen, per se für kürzere Hauptversammlungen zu sorgen. Ziel muss vielmehr sein, Fehlentwicklungen zu bekämpfen. Ohne die Maßnahmen im Einzelnen bewerten zu wollen, haben etwa die Einführung des Freigabeverfahrens nach § 246a AktG und die gesetzliche Einschränkung des Frage- und Rederechts durch § 131 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 AktG gezeigt, wie derartige Schritte aussehen können. Der Bundesgerichtshof hat ferner gezeigt, dass solche Regelungen in der Praxis auch tatsächlich justiziabel sind.334 Nicht umsonst zeigt die Statistik, dass die durchschnittliche Dauer von DAX30-Hauptversammlungen in den letzten Jahren rückläufig ist.335 Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshof Ende 2013 in seiner „Sal. Oppenheim“-Entscheidung deutlich gemacht, dass die in § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG enthaltene Beschränkung auf „erforderliche“ Informationen, die sich in dieser Form nicht ausdrücklich in Art. 9 der Aktionärsrechterichtlinie 336 findet, mit europarechtlichen Vorgaben in Einklang steht.337 Die von der Richtlinie intendierte Information aller Aktionäre könne nämlich nur dann erreicht werden, wenn „Beiträge oder Fragen einzelner Aktionäre, die ersichtlich nicht auf einen Erkenntnisgewinn in Bezug auf einen zur Entscheidung anstehenden Tagesordnungspunkt gerichtet sind“, eingeschränkt werden.338 Sehr zu Recht meinen die Richter, dass das Merkmal der Erforderlichkeit einen „angemessenen Ausgleich der Informationsinteressen einzelner Aktionäre mit dem allgemeinen Interesse an einer zielgerichteten und sachbezogenen Information innerhalb der Hauptversammlung“ herstellt.339 Eindrucksvoll hat der BGH wenig später in dem „Porsche/VW-Beteiligungsaufbau“Urteil den eingeschlagenen Weg fortgesetzt und sich vertieft mit der Beantwortung einzelner Aktionärsanfragen auf der Hauptversammlung der Porsche Automobil Holding SE beschäftigt.340 Dabei wird deutlich, unter welchen Voraussetzungen drohende wirtschaftliche Nachteile für die Aktiengesellschaft nach § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AktG341 und ein berechtigtes Interesse an der Vertraulichkeit 333
BT-Drucks. 15/5092 (RegE UMAG), S. 17. Etwa BGHZ 184, 239, 242–252 (zu § 131 Abs. 2 Satz 2 AktG). 335 Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger, Auswertung zur HV-Dauer in den Jahren 2009–2014, Stand: 26.09.2014. 336 Richtlinie 2007/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007, ABl. EG Nr. L 184 vom 14.07.2007, S. 23. 337 BGH, NJW 2014, 541, 544; zustimmend Kocher/Lönner, AG 2014, 81, 82; für eine klärende Vorlage an den EuGH jedoch C. Teichmann, NZG 2014, 401, 403–407. 338 BGH, NJW 2014, 541, 545. 339 BGH, NJW 2014, 541, 544; positiv zu der Entscheidung auch Bröcker, GWR 2014, 7; Kocher/Lönner, AG 2014, 81, 84. 340 BGH, NZG 2014, 423, 425–431. 341 BGH, NZG 2014, 423, 425–427; dazu auch Lieder, NZG 2014, 601, 603–605. 334
§ 7 Überlegungen zur Beteiligung der Hauptversammlung
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einer Aufsichtsratsentscheidung342 einer Veröffentlichung entgegen stehen. Zwar handelt es sich doch immer auch um Abwägungen im konkreten Einzelfall, dennoch dürfte diese Entscheidung in der Praxis für mehr Rechtssicherheit gesorgt haben. Festzuhalten ist daher, dass, wenn ein Bedürfnis für eine Aktionärsbeteiligung besteht, der zeitliche Rahmen der Hauptversammlung und der Organisationsaufwand kein Argument gegen deren Einführung oder Beibehaltung sein kann. Aktionärstreffen erreichen in der Praxis nicht die Länge, welche die Aufnahme zusätzlicher Kompetenzen ausschließen oder gar einen Abbau von bestehenden Beteiligungsrechten notwendig machen würden. Bevor zu solchen Maßnahmen überhaupt gegriffen werden dürfte, müsste vorrangig versucht werden, Missbräuchen intensiver entgegenzuwirken.
B. Der Ablauf einer Hauptversammlung und Grenzen einer möglichen Befassung Neben den zeitlichen Beschränkungen wird verschiedentlich bestritten, dass auf der Hauptversammlung überhaupt sinnvoll zu Sachfragen Stellung genommen werden kann. Das Organ wird wegen langer Einberufungsfristen und dem komplizierten Entscheidungsfindungsverfahren als schwerfällig bezeichnet.343 Darüber hinaus sei die Masse der Aktionäre zu inhomogen, als dass eine wirkliche Diskussion erfolgen könnte. In der Kakophonie der Hauptversammlung würden folglich entscheidende Beiträge untergehen.344 In diesem Zusammenhang wird auch vor einer „Politisierung der Hauptversammlung“ gewarnt.345 All diese Entwicklungen könnten diejenigen abschrecken, welche sich tatsächlich informiert mit gesellschaftsrelevanten Themen auseinandersetzen wollen.346 Man wird nicht bestreiten können, dass in der Vergangenheit gerade in Publikumsgesellschaften das Fragerecht von einzelnen Gesellschaftern ausgenutzt wurde, um sachfremde Ziele zu verfolgen. Es gibt Aktionäre, welche die Hauptversammlung vornehmlich als Ort zur Selbstdarstellung nutzen und damit das Organ insgesamt beschädigen.347 Dies darf jedoch nicht zum Anlass genommen 342 BGH, NZG 2014, 423, 429. Der BGH enthält sich einer klaren Stellungnahme dahingehend, unter welche Nummer des § 131 Abs. 1 AktG diese Fallgruppe subsumiert werden kann. Nach richtiger Ansicht kann insoweit nur § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AktG in Betracht kommen, siehe nur Lieder, NZG 2014, 601, 606. 343 von Falkenhausen/Kocher, AG 2010, 623, 628; ähnlich Kubis, in: MünchKommAktG, § 118 Rn. 26; Lenz, NZG 2006, 534, 535; Martens, in: FS Hüffer, S. 647, 657–658. 344 Kubis, in: MünchKommAktG, § 118 Rn. 27. 345 Etwa Dreher, ZHR 155 (1991), 349, 367. 346 Kubis, in: MünchKommAktG, § 118 Rn. 27; Pielke, Die virtuelle Hauptversammlung, S. 57, 58; Schneider/Burgard, in: FS Beusch, S. 783, 787. 347 Butzke, Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, Kapitel A Rn. 19; Claussen, AG 2001, 161, 164; Kubis, in: MünchKommAktG, § 118 Rn. 27; Michels, Das
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3. Kap.: Grundsätzliche Überlegungen zur Aktionärsdemokratie
werden, Aktionärsrechte zu beschneiden. Radikallösungen sind nicht angezeigt. Sowenig man die Ausübung des Stimmrechts an bestimmte Quoten knüpfen sollte,348 sowenig ist eine entsprechende Gestaltung für das Auskunftsverlangen und das Rederecht brauchbar. Zweifelsohne werden sich größere Aktionäre bereits lange vor der eigentlichen Hauptversammlung über ihr Abstimmungsverhalten im Klaren sein, so dass für diese Gruppe der unmittelbare Austausch mit der Verwaltung während des Treffens nicht im Vordergrund steht. Andererseits sind es oftmals gerade die kleineren Investoren, die mit unvorhergesehenen Fragen oder Beiträgen die Verwaltung zumindest kurzzeitig in Bedrängnis bringen können.349 Was Missbräuche im Einzelfall angeht, so ist insbesondere eine konsequente Leitung der Versammlung angezeigt.350 Vor allem über § 131 Abs. 2 Satz 2 AktG können dafür entsprechende Werkzeuge in der Satzung geschaffen werden. Schwieriger einzuschätzen ist, inwieweit die Schwerfälligkeit der Hauptversammlung einzelne Beteiligungsformen ausschließt. Wie bereits herausgearbeitet wurde, bietet es sich aus Kostengründen regelmäßig nicht an, außerordentliche Aktionärstreffen zu organisieren.351 Konsequenz ist jedoch, dass die Gesellschafter in einem Geschäftsjahr nur einmal die Möglichkeiten haben, ihre Versammlungsrechte auszuüben. Daraus folgt, dass Aktionärskompetenzen für Themenbereiche nicht geeignet sind, die eine kurzfristige Beschäftigung notwendig machen oder mehrfach unterjährig aktualisiert werden müssten. Sicherlich setzt auch der Ablauf einer Hauptversammlung möglichen Beteiligungsformen Grenzen. Im Rahmen der Personalkompetenz kann die Hauptversammlung in den meisten Fällen nicht dem Aufsichtsrat oder Vorstand unmittelbar als Verhandlungspartner gegenübertreten, soweit es um Auswahl und Vergütung der Geschäftsleitung geht. Ganz offensichtlich ist der Meinungsbildungsprozess in diesem Organ zu kompliziert, als dass konkrete Gespräche geführt werden könnten. Die zahlreichen Handlungsoptionen und Reaktionsmöglichkeiten lassen sich sinnvoll in einer Versammlung nicht ausloten.352 Dies gilt im Übrigen nicht nur für Publikumsgesellschaften. Wenn bei kleinen Familien-
Recht der Aktionärsversammlung in Großbritannien und Deutschland, S. 70; Wangemann, Finanzielle Anreize zur Steigerung der Hauptversammlungspräsenz in der Aktiengesellschaft, S. 28. 348 Siehe dazu bereits oben unter § 6 A. III. 349 So auch Kubis, in: MünchKommAktG, § 118 Rn. 31; Michels, Das Recht der Aktionärsversammlung in Großbritannien und Deutschland, S. 70–71. 350 Kubis, in: MünchKommAktG, § 118 Rn. 27. 351 Siehe dazu bereits oben unter § 7 A. I. und § 7 A. II. 352 In diese Richtung auch Bebchuk/Fried, Pay without Performance, S. 198–199; Friedrich, Die Verrechtlichung von Organbezügen als europäisches Problem, S. 72; Martens, in: FS Hüffer, S. 647, 658–659 (jeweils vor dem Hintergrund der Vergütungskompetenz).
§ 7 Überlegungen zur Beteiligung der Hauptversammlung
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unternehmen die einzelnen Aktionäre keine einheitliche Linie verfolgen, ist eine Debatte im Plenum ebenfalls kaum praktikabel. Außerdem schränkt die gebotene Vertraulichkeit, sowohl in Bezug auf Geschäftsgeheimnisse, aber auch in Bezug auf persönliche Informationen der Vorstandsmitglieder,353 die Möglichkeit einer öffentlichen Befassung stark ein.354 Hauptversammlungen sind zwar auch bei Publikumsgesellschaften grundsätzlich geschlossene Veranstaltungen, je größer und inhomogener der Aktionärskreis, desto schwieriger wird es jedoch, eine umfassende Geheimhaltung sicherzustellen.355 Damit zeigt sich aus rechtspraktischer Sicht, dass bestimmte Kompetenzen nicht auf die Hauptversammlung übertragen werden können. Dies gilt es zu berücksichtigen, wenn die Ausgestaltung einzelner Regelungen in Frage steht. Aus der Unmöglichkeit selbst als Verhandlungspartner aufzutreten darf aber nicht geschlossen werden, dass die Aktionäre mit der Ausübung der Personalkompetenz überhaupt nicht befasst werden können. Vielmehr muss nach alternativen Gestaltungsmöglichkeiten gesucht werden, etwa der Vorgabe von Kriterien für den Aufsichtsrat oder der ratifizierenden Begleitung durch Abstimmungen.
C. Ergebnis Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die oftmals bemängelte Dauer von Hauptversammlungen kein Argument gegen die Beteiligung der Aktionäre darstellt. Von Ausnahmefällen abgesehen, ist selbst bei großen DAX30-Unternehmen ausreichend Spielraum für eine Befassung der Gesellschafter vorhanden. Darüber hinaus gilt, wenn beispielsweise eine sachfremde Ausnutzung des Auskunftsrechts in Frage steht, dass auftretende Missbräuche punktuell bekämpft werden müssen. Isoliert auftretende Schwierigkeiten können die Bedeutung einer Aktionärsbeteiligung nicht schmälern. Allerdings schließt der Ablauf der meistens einmal im Jahr stattfindenden Hauptversammlung bestimmte Ausgestaltungen aus. Die Eigenkapitalgeber können gerade bei größeren Gesellschaften nicht kurzfristig zusammenkommen, auch unmittelbare Verhandlungen mit Aufsichtsrat und Vorstand sind kaum möglich. Darüber hinaus existiert ein Bedürfnis nach Vertraulichkeit, welches auf einer quasi öffentlichen Veranstaltung nicht gewährleistet ist. 353 Umfangreich zur Vereinbarkeit von Offenlegungspflichten mit Grundrechten und Europarecht Hesse, Die Veröffentlichungspflicht für Vorstandsvergütung, S. 88–520. 354 Friedrich, Die Verrechtlichung von Organbezügen als europäisches Problem, S. 72; insoweit ist Martens, in: FS Hüffer, S. 647, 658 Recht zu geben, wenn er auf den „offenen Markt der Hauptversammlung“ hinweist. 355 Kubis, in: MünchKommAktG, § 118 Rn. 7 spricht bei Publikumsgesellschaften von einer „Quasi-Öffentlichkeit“.
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3. Kap.: Grundsätzliche Überlegungen zur Aktionärsdemokratie
Andererseits gibt es keinen Grund den Gesellschaftern Kompetenzen vorzuenthalten, die vor dem Hintergrund der genannten Rahmenbedingung sinnvoll ausgeübt werden können. Wie schon bezüglich der Einflüsse auf den eigentlichen Entscheidungsfindungsprozess, lässt sich pauschal kein Argument für oder gegen eine Aktionärsbeteiligung finden. Vielmehr muss für jede einzelne Kompetenz geprüft werden, ob ein Bedürfnis und die praktische Möglichkeit für eine Befassung der Hauptversammlung besteht.
4. Kapitel
Aktionärsbeteiligung und Personalkompetenz § 8 Aktionärsbeteiligung im Bereich der Vorstandsvergütung In § 6 und § 7 wurden die Grundlagen geschaffen, um die Personalkompetenz dahingehend zu untersuchen, ob und wenn ja, in welchem Umfang eine Mitwirkung der Aktionäre wünschenswert erscheint. Zuerst werden entsprechend den bereits herausgearbeiteten Bewertungskriterien die Auswirkungen einer Gesellschafterbeteiligung im Bereich der Vorstandsvergütung behandelt, insbesondere die dogmatischen, ökonomischen und institutionellen Rahmenbedingungen, sowie die spezifische Wirkungsweise von Stimmrechten. Die Ausführungen haben dabei den Anspruch, unabhängig davon zu gelten, ob eine entsprechende Regulierung durch einfache Abstimmungskompetenzen oder durch eine Öffnung der Satzung erfolgt. Zeigt sich, dass trotz der bereits herausgearbeiteten Schwierigkeiten bei der Entscheidungsfindung in der Hauptversammlung entsprechende Kontroll- und Steuerungsmechanismen einen sinnvollen legislatorischen Beitrag für das bestehende System leisten können, wird in einem weiteren Schritt dann die Ausgestaltung möglicher Kompetenzen erörtert.
A. Allgemeine Überlegungen zur Beteiligung der Aktionäre im Bereich Vorstandsvergütung I. Dogmatische Überlegungen Insbesondere dogmatische Überlegungen werden häufig gegen eine Beteiligung der Aktionäre im Bereich der Vorstandsvergütung in Stellung gebracht. So wird behauptet, dass eine Mitwirkung der Gesellschafter einen Bruch mit der herkömmlichen Machtverteilung in der dreigliedrigen Organverfassung darstellen würde.1 Tatsächlich hat das Gesetz bis zur Einführung des § 120 Abs. 4 AktG 1 Konkret in Bezug zu § 120 Abs. 4 AktG Butzke, Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, Kapitel Q Rn. 28 („problematisch“); Hexel, Stellungnahme des DGB zum Entwurf eines Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung, S. 12 („Systembruch“); Hexel, Stellungnahme des DGB zu den aktuellen Plänen der Koalition, S. 3 („unvereinbar“); Hohenstatt, ZIP 2009, 1349, 1356; Voth, Beratende Hauptversammlungsbeschlüsse, S. 230; in diese Richtung auch Nikolay, NJW 2009, 2640, 2647 („ureigenster Verantwortungsbereich der Aufsichtsräte“); van Kann/Keiluweit,
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4. Kap.: Aktionärsbeteiligung und Personalkompetenz
im Jahr 2009 keine institutionalisierte Aktionärskompetenz mit Bezug zur Kompensation der Geschäftsleitung gekannt.2 Verbindliche Teilhaberechte sind dem Aktienrecht sogar bis heute fremd, da die durch das VorstKoG vorgesehene Reform letztendlich im Bundesrat gescheitert ist und Satzungsregelungen nach hier vertretener Ansicht unzulässig sind.3 1. Zwingende Zuweisung an den Aufsichtsrat
Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass aus dogmatischer Sicht betont wird, dass die Festsetzung der Vorstandskompensation alleine dem Aufsichtsrat zugewiesen sein muss.4 Vom momentanen „Ist-Zustand“ wird somit auch auf den „Soll-Zustand“ geschlossen. Es gilt allerdings anzuerkennen, dass der Gesetzgeber auch vor der ausdrücklichen Implementierung einer Vergütungsabstimmung im Jahr 2009 nie versucht hat, diesen Bereich von Aktionärseinflüssen vollständig freizuhalten.5 Selbst das Aktiengesetz von 1937 kannte in § 128 Abs. 2 Nr. 7 eine rudimentär ausgeprägte Veröffentlichungspflicht bezüglich der Vorstandsgehälter. Hinter der Norm stand unter anderem der Wunsch, dass die Anleger von den gezahlten Beträgen Kenntnis erlangen und sich mit der Thematik inhaltlich beschäftigen können.6 Die Aktionäre hatten ferner schon immer die Möglichkeit, sich unverbindlich zu Vergütungsfragen zu äußern, etwa im Rahmen der Entlastung nach § 120 Abs. 1 AktG. Davon ist in der Vergangenheit zwar nicht durchgängig, aber in einzelnen Fällen durchaus Gebrauch gemacht worden.7 Es steht den Aktionären de lege lata sogar frei, ein Aufsichtsratsmitglied konkret wegen der Unzufriedenheit mit einer EntDStR 2009, 1587, 1589; allgemeine Kritik bei A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 150; T. Götze, Aktienoptionen für Vorstandsmitglieder und Aktionärsschutz, S. 94 („eklatanter Verstoß gegen die Grundstruktur der gesellschaftsinternen Aufgabenteilung“); Hoffmann-Becking, ZHR 170 (2006), 2, 6 („nicht zu rechtfertigender Systembruch“); Marsch-Barner, in: FS Röhricht, S. 401, 413 (Aufgabe des „historischen Selbstverständnis des Aufsichtsrats“); kritisch sogar bezüglich der Beteiligung im Bereich echter Aktienoptionsprogramme Kohler, ZHR 161 (1997), 246, 266. 2 An dieser Stelle sei noch einmal darauf hingewiesen, dass die nach hier vertretener Auffassung zwingend notwendige Beteiligung der Aktionäre bei der Auflage von virtuellen und echten Aktienoptionspaketen ihren Ursprung nicht in der Personalkompetenz hat, sondern im Schutz der Mitgliedsrechte vor Verwässerung und Konkurrenzsituationen, siehe dazu bereits oben unter § 5 C. III. 8. 3 Siehe dazu bereits oben unter § 5 B. III. 4 Von den bereits unter § 8 Fn. 1 genannten Quellen etwa Hexel, Stellungnahme des DGB zum Entwurf eines Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung, S. 12; Marsch-Barner, in: FS Röhricht, S. 401, 413; Nikolay, NJW 2009, 2640, 2647. 5 Friedrich, Die Verrechtlichung von Organbezügen als europäisches Problem, S. 74– 75, 88–89; ähnlich Körner, NJW 2004, 2697, 2701 („indirekte Befugnisse“). 6 Aus dem historischen Schrifttum dazu R. Teichmann/Koehler, Aktiengesetz Kommentar, § 128, S. 285 („einerseits für den Aufsichtsrat und die Hauptversammlung, andererseits für die Öffentlichkeit“).
§ 8 Beteiligung im Bereich der Vorstandsvergütung
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scheidung nach § 87 AktG abzuberufen.8 Man darf ferner außerdem davon ausgehen, dass größere Investoren die Verwaltung informell mit diesem Thema konfrontiert haben.9 Die vorherige Untersuchung hat ebenfalls gezeigt, dass die zwingende Beteiligung an der Auflage echter, und nach hier vertretener Auflassung auch virtueller Aktienoptionspakete, zumindest als Reflex rein faktisch eine Mitwirkung an der Ausübung der Personalkompetenz erlaubt hat.10 Insgesamt ist daher festzuhalten, dass der Aufsichtsrat wohl zu keiner Zeit völlig unbeobachtet und unbeeinflusst die Materie Vorstandsvergütung behandelt hat. Man muss demnach mit Aussagen vorsichtig sein, wonach das Aktienrecht im Bereich der Personalkompetenz einen „klaren Kompetenzrahmen“ 11 vorgeben würde oder in diesem Bereich gar von einem „sorgfältig austarierten System“ 12 zu sprechen. Die schon immer bestehenden informellen Einwirkungsmöglichkeiten und nicht zuletzt auch die bisherigen Erfahrungen mit dem unverbindlichen § 120 Abs. 4 AktG sind ein Beleg dafür, dass eine Aktionärsbeteiligung nicht automatisch schwerwiegende Verwerfungen und Wertungswidersprüche in der Binnenverfassung hervorrufen muss.13 Es wurde bereits gezeigt, dass strukturelle Schwierigkeiten bei der Ausübung der Personalkompetenz durch den Aufsichtsrat existieren.14 Der Aufsichtsrat kann und will dem Vorstand unter Umständen nicht als Verhandlungspartner auf Augenhöhe entgegentreten. Damit stellt sich unweigerlich die Frage, warum dogmatische Gründe für die Beibehaltung einer abschließenden und unveräußerlichen Zuständigkeit des Organs sprechen sollten, falls den bestehenden Problemen durch ergänzende oder begleitende Aktionärskompetenzen aktiv begegnet werden kann.15 Wenn die nachfolgende Untersuchung zeigt, dass die Beteiligung 7 Zu Diskussionen auf der Hauptversammlung aus der Zeit vor der Einführung des § 120 Abs. 4 AktG siehe nur Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 14.05.2002, S. 19; Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 21.01.2004, S. 18. 8 von Falkenhausen/Kocher, AG 2010, 623, 628. 9 So auch Hexel, Stellungnahme des DGB zu den aktuellen Plänen der Koalition, S. 3–4, welcher derartige Einwirkungen jedoch negativ beurteilt. 10 Siehe dazu bereits oben unter § 5 C. III. 11 So aber Vetter, ZIP 2009, 2136, 2137 vor dem Hintergrund der Einführung des § 120 Abs. 4 AktG. 12 Hoffmann-Becking, Stellungnahme zum Entwurf der Aktienrechtsnovelle und zu ergänzenden Anträgen, S. 2; ähnlich aber auch Voth, Beratende Hauptversammlungsbeschlüsse, S. 125–126 („klare Struktur der Zuständigkeiten“). 13 So auch Habersack, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aktiengesetzes (Aktienrechtsnovelle 2012), Sachverständigenanhörung, S. 7 in Bezug auf § 120 Abs. 4 i. d. F. des VorstKoG; Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 305–306 in Bezug auf § 120 Abs. 4 AktG, siehe aber auch S. 316–317. 14 Siehe dazu bereits oben unter § 4 A. 15 Ähnlich Habersack, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aktiengesetzes (Aktienrechtsnovelle 2012), Sachverständigenanhörung, S. 7 in Bezug auf § 120 Abs. 4 i. d. F. des VorstKoG; auch Bayer, NZG 2013, 1, 13–14.
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4. Kap.: Aktionärsbeteiligung und Personalkompetenz
der Gesellschafter einen sinnvollen Beitrag zur Regulierung leisten kann, wird man entsprechende Vorschriften nicht als Systembruch verstehen dürfen. Vielmehr wird man sogar argumentieren müssen, dass es aus dogmatischen Gründen gerade geboten erscheint, bestehenden Schwächen auf diesem Weg entgegenzutreten, auch wenn dies letztendlich mit einer Einschränkung der Aufsichtsratsbefugnisse einhergeht. 2. Zwingender Ausschluss der Hauptversammlung
Vereinzelt wird darauf hingewiesen, dass durch eine Beteiligung der Hauptversammlung im Bereich der Vergütung den Aktionären auch ein mittelbarer Einfluss auf den Vorstand gewährt würde.16 Über die Kompensation, insbesondere über die variablen Bestandteile, kann die Geschäftsleitung gesteuert werden.17 Je konkreter die jeweilige Vorgabe, desto konkreter fällt auch die jeweilige Einwirkung aus.18 Beispielsweise lässt sich eine Bonuszahlung daran knüpfen, ob ein genau bezeichneter Betriebsteil stillgelegt wird.19 Der Vorstand kann über eine solche Abrede somit angehalten werden, eine ganz bestimmte Handlung vorzunehmen.20 § 119 Abs. 2 AktG schließt ein Initiativrecht der Aktionäre im Bereich von Geschäftsführungsmaßnahmen jedoch aus und sichert damit den von § 76 Abs. 1 AktG vorgegeben Handlungsfreiraum des Vorstands ab.21 Man könnte folglich überlegen, ob sich daraus ein dogmatisches Argument gegen Aktionärskompetenzen mit Bezug zu Vergütungsfragen entwickeln lässt.22 Rein rechtlich wird der Geschäftsleitung durch entsprechende Vertragsregelungen jedoch keine konkrete Entscheidung abgenommen. Auch die Haftung aus § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG bleibt unangetastet. Letztendlich liegt es in der Hand des Vorstands, ob und wenn ja, wie versucht werden soll, die jeweilige Zielvorgabe zu erreichen. Durch die Vergütungskompetenz wird formal daher weder § 76 AktG, noch § 119 Abs. 2 AktG verletzt.23 Darüber hinaus muss man berücksichtigen, dass zwar nicht § 119 Abs. 2 AktG, wohl aber § 76 Abs. 1 AktG grundsätzlich auch gegenüber dem Aufsichts16
In diese Richtung von Falkenhausen/Kocher, AG 2010, 623, 628. Siehe dazu bereits oben unter § 3 A. und § 3 B. 18 Martens, in: FS Hüffer, S. 647, 660; Martens, ZHR 169 (2005), 124, 142. 19 Beispiel nach Martens, in: FS Hüffer, S. 647, 661. 20 Kritischer dazu Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 305. 21 So das Verständnis der Norm bei Drinhausen, in: Hölters (Hrsg.), Aktiengesetz, § 119 Rn. 1, 11; Hoffmann, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 119 Rn. 8; Kubis, in: MünchKommAktG, § 119 Rn. 18. 22 So wohl von Falkenhausen/Kocher, AG 2010, 623, 628. 23 Zu dieser Problematik allgemein Martens, in: FS Hüffer, S. 647, 661 („Formalrechtlich betrachtet wird die gesetzliche Rollenverteilung zwar nicht berührt“). Die Aussage bezieht sich auf das Verhältnis von Vorstand und Aufsichtsrat, die Überlegung trifft jedoch auch auf Vorstand und Hauptversammlung zu. 17
§ 8 Beteiligung im Bereich der Vorstandsvergütung
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rat gilt, wie nicht zuletzt § 111 Abs. 4 Satz 1 AktG zeigt. Soweit ersichtlich wird indes nicht vertreten, dass § 87 Abs. 1 AktG im Kompetenzgefüge der Aktiengesellschaft einen dogmatischen Bruch darstellen würde, weil das Kontrollorgan so mittelbar auf die Durchführung konkreter Geschäftsführungsmaßnahmen hinwirken kann. Zwar wird vereinzelt gefordert, dass der Aufsichtsrat lediglich weitmaschige Ziele vorgeben dürfe.24 Tatsächlich kann man sich durchaus eine Schadensersatzhaftung des Aufsichtsrats nach §§ 116 Satz 1, Satz 3, 93 Abs. 2 Satz 1 AktG für eine Abrede vorstellen, welche über Gebühr die Vornahme von Handlungen forciert, welche sich für die Gesellschaft als nachteilhaft erweisen oder auf Grund eines zu engen Vorgabenkorsetts die Führung der Tagesgeschäfte behindern. Davon abgesehen kennt das Gesetz jedoch keine Verbote, was die Verknüpfung von einzelnen Vergütungsbestandteilen und konkreten Zielvorgaben angeht. Vielmehr unterstreicht der durch das VorstAG eingefügte § 87 Abs. 1 Satz 2 AktG sogar, dass sich der Aufsichtsrat Vorstellungen über die Unternehmenszukunft machen und diese im Vergütungssystem umsetzen muss. Die im obigen Beispiel genannte Schließung eines Betriebsteils wäre daher als Anknüpfungspunkt für eine Bonuszahlung ohne weiteres zulässig. Wenn aber die Festsetzung der Vorstandsvergütung durch den Aufsichtsrat keine dogmatischen Bedenken hervorruft, dann muss dies ebenso für eine Beteiligung der Aktionäre gelten. Weder § 119 Abs. 2 AktG, noch § 76 Abs. 1 AktG verlangen demnach, dass die Gesellschafter keine Einwirkungsmöglichkeiten auf die Kompensation der Geschäftsleitung haben dürfen. 3. Zwingende Beteiligung der Hauptversammlung
Das dogmatische Argument wird nicht nur verwendet, um zusätzliche Gesellschafterkompetenzen abzuwehren. So ist beispielsweise auch vorgetragen worden, dass die Aktionäre als Eigentümer „ein natürliches Recht zur Mitbestimmung in Vergütungsfragen“ hätten.25 Auch dieser Ansatz ist jedoch nicht erfolgversprechend. In einem künstlich geschaffenen Regelungsumfeld, wie dem Aktienrecht, existieren keine „natürlichen Rechte“ oder regulatorische Selbstverständlichkeiten. Die Entscheidung für ein an Aktionärsinteressen ausgerichtetes System bedeutet nicht unbedingt, dass eine Beteiligung der Hauptversammlung an allen gesellschaftsrelevanten Thematiken automatisch richtig und notwendig ist. Zwar mag es einzelne, an dieser Stelle nicht weiter zu untersuchendende Bereiche geben, in denen die im Grundgesetz verankerten Garantien, etwa aus 24
Martens, in: FS Hüffer, S. 647, 661. Grattenthaler, Die Vergütung von Vorstandsmitgliedern in Aktiengesellschaften, S. 90; ähnlich Goette, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung, S. 9 („selbstverständliche Recht“). 25
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4. Kap.: Aktionärsbeteiligung und Personalkompetenz
Art. 14 Abs. 1 GG, eine direkte Beteiligung der Aktionäre oder zumindest bestimmte Schutzmechanismen zwingend erforderlich machen. Dies dürfte vor allem dann der Fall sein, wenn eine unmittelbare Beeinflussung der Eigentümerstellung selbst in Frage steht, beispielsweise bei einer Übertragung von Aktien gegen Barabfindung nach § 327a AktG (so genannter aktienrechtlicher squeezeout).26 Bezüglich der Vorstandsvergütung ist allerdings nicht ersichtlich, dass verfassungsrechtliche Gründe zwingend eine Beteiligung der Aktionäre fordern würden. 4. Ergebnis
Dogmatische Gründe sprechen isoliert betrachtet weder für noch gegen eine Einbeziehung der Aktionäre im Bereich der Vorstandsvergütung. Weder muss dieser Bereich zwingend dem Aufsichtsrat zugewiesen sein, noch wird man einen Verstoß gegen § 119 Abs. 2 AktG oder § 76 Abs. 1 AktG begründen können. Ebenso ist aus systematischen Gesichtspunkten eine Mitwirkung der Gesellschafter nicht zwingend geboten. Die zahlreichen schon vor Einführung des § 120 Abs. 4 AktG bestehenden Einflussmöglichkeiten haben in der Praxis nicht zu organisationsrechtlichen Schwierigkeiten geführt. Es ist folglich auch nicht davon auszugehen, dass beispielsweise verbindliche Kompetenzen das Organgefüge insgesamt in Frage stellen würden, insbesondere dann nicht, wenn der Anwendungsbereich entsprechender Vorschriften hinreichend genau bestimmt ist. Entscheidend muss deswegen sein, ob durch eine Beteiligung der Aktionäre den Schwächen des aktuellen Systems entgegengewirkt werden kann. Ist dies der Fall, kann aus dogmatischer Sicht eine Einführung nur begrüßt werden. II. Ökonomische Überlegungen Die bisherige Diskussion hat gezeigt, dass ökonomische Überlegungen bei der Ausübung von Kompetenzen in der Hauptversammlung eine gewichtige Rolle spielen. Aktionäre werden meist nur dann aktiv auf eine Gesellschaft einwirken, wenn dafür ein Bedürfnis besteht und die Kosten im Vergleich zum Nutzen in einem sinnvollen Verhältnis stehen. In der Folge wird daher untersucht, wie sich die Auswirkungen der Vorstandsvergütung zu den Aufwendungen einer informierten Entscheidung verhalten. Auf Grund der zahlreichen Unterschiede, wenn es um Eigentümerstruktur, Größe und Betätigungsfeld geht, muss aber bereits eingangs festgehalten werden, dass man auf diesem Weg keine allgemeinverbindlichen Ergebnisse finden kann, welche für jede Aktiengesellschaft Geltung beanspruchen können. Ziel der folgenden Ausführungen ist deshalb vielmehr, einige
26
Siehe dazu nur Singhof, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 327a Rn. 5 m.w. N.
§ 8 Beteiligung im Bereich der Vorstandsvergütung
229
generelle Anhaltspunkte herauszuarbeiten, welche Aufschluss über die ökonomischen Determinanten der Aktionärsbeteiligung im Bereich der Vorstandsvergütung geben. 1. Direkte und indirekte Auswirkungen der Vorstandsvergütung
In vielen Gesellschaften spielt die Vergütung für das Spitzenmanagement in der Gesamtbilanz nur eine untergeordnete Rolle.27 Dies zeigt sich in Deutschland besonders deutlich bei den DAX30-Unternehmen. Die dortigen Vorstandvorsitzenden erhielten im Geschäftsjahr 2013 durchschnittlich 5.228.896 Euro, sonstige Vorstandsmitglieder durchschnittlich 2.604.554 Euro.28 Diese Summen relativieren sich aber, wenn man sie in Bezug zum Gewinn vor Steuern, rund 18.9 Milliarden Euro, und den Dividendenzahlungen an die Aktionäre, rund 3.57 Milliarden Euro, setzt, welche beispielsweise im Jahr 2011 bei allen DAX30-Unternehmen angefallen sind.29 Aus derartigen Vergleichen kann man allerdings keinen Schluss ziehen, wie wirtschaftlich relevant die Beträge in jedem Einzelfall waren. So ist etwa darauf hingewiesen worden, dass die Deutsche Bank AG im Jahr 2000 umgerechnet etwa 94 Millionen Euro an aktive und ehemalige Vorstandsmitglieder und deren Hinterbliebene gezahlt hat. Diese Summe entsprach damals 11.8% der Gewinnausschüttungen, welche im gleichen Jahr an die Eigenkapitalgeber ausgekehrt wurden.30 Betrachtet man die Vorstandsvergütung vor diesem Hintergrund, so zeigt sich, dass es sich nicht um völlig belanglose Zahlen handelt. Insbesondere die langfristigen Pensionsverpflichtungen können demnach beträchtliche Beträge ausmachen.31 Darüber hinaus steht die Vorstandsvergütung sinnbildlich für das Auseinanderfallen der allgemeinen Personalkosten großer Aktiengesellschaften von den Ausschüttungen an die eigenen Aktionäre. So hat die Deutsche Bank AG im Jahr 2013 etwa 4.5 Milliarden an ihre Investmentbanker ausgezahlt, aber nur 765 Millionen Euro an die Eigenkapitalgeber.32 Wie stark die Bereitschaft ausfällt, sich mit der Vorstandsvergütung überhaupt zu beschäftigen, wird nicht zuletzt davon abhängen, in welchem Umfang die Aktionäre bei der Festsetzung Missstände erkennen. Selbstverständlich sind die für die Vergütung anfallenden Kosten nicht in ihrer Gänze Ausdruck des oben he27 So auch Bebchuk/Fried/Walker, The University of Chicago Law Review 2002, 751, 787; Friedrich, Die Verrechtlichung von Organbezügen als europäisches Problem, S. 53, 83; Thüsing, ZGR 2003, 457, 466–467; Thüsing, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung, S. 20 Fn. 69. 28 Siehe bereits oben unter § 1 Fn. 6. 29 So Drygala, ZRP 2012, 161, 162. 30 Härtel, Wirtschaftsdienst 2004, 347, 348. 31 Siehe dazu das Beispiel bei Hoffmann-Becking, ZHR 169 (2005), 155, 172 (174 Millionen Euro bei der Deutschen Bank im Jahr 2003 als Rückstellungen). 32 Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 21.03.2014, S. 17; siehe auch Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 14.02.2014, S. 11.
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4. Kap.: Aktionärsbeteiligung und Personalkompetenz
rausgearbeiteten Verhandlungsdefizites.33 Man wird nicht bezweifeln dürfen, dass vor dem Hintergrund des Arbeitsmarkts für Manager einerseits und den besonderen Stellenanforderungen anderseits auch bei einer Verhandlung auf Augenhöhe immer noch vergleichsweise hohe Summen gezahlt werden müssten. Gezeigt wurde jedoch bereits, dass sich zumindest in der Theorie bei der Festsetzung der Vorstandsvergütung die Schwierigkeiten der Aufsichtsratstätigkeit besonders einschneidend realisieren können.34 Ein Eigeninteresse an einer angemessenen Vorstandsvergütung ist weder bei den Vertretern der Eigenkapitalgeber, noch auf Arbeitnehmerseite erkennbar. Anzuerkennen ist aber, dass die gezahlten Summen nicht mit dem Einsparungspotential der Aktionäre gleichgesetzt werden dürfen.35 Deutlich gewichtiger als die Auswirkungen der absoluten Beträge sind für viele Gesellschaften die Folgen der indirekten Steuerungswirkung.36 In diese Richtung gehen auch die empirischen Befunde aus den USA und Großbritannien, wonach say on pay Abstimmungen weniger geeignet sind, das Gesamtvergütungsniveau zu senken, sondern für die Gesellschafter eher die Ausgestaltung der Verträge im Vordergrund steht.37 Die Kosten einer falsch austarierten Vergütungsabrede dürften die eigentlichen Gehaltszahlungen bei weitem übersteigen. Bei fehlerhaften Anreizen besteht beispielsweise die Gefahr, dass ein Unternehmen seine dauerhafte Konkurrenzfähigkeit einbüßt.38 Dies bedeutet im Umkehrschluss auch, dass gerade langfristig orientierte Anleger ein gesteigertes Interesse an diesem Themenbereich haben können. Darüber hinaus kann eine unangemessene Vergütung von potentiellen Anlegern als innergesellschaftlicher Missstand wahrgenommen werden. Im schlimmsten Fall schlagen sich derartige Zahlungen auf den Aktienkurs nieder. Aber auch sonst können Unzulänglichkeiten bei der vertraglichen Ausgestaltung Ausdruck entweder fachlicher Unfähigkeit oder mangelnder Kontrolle durch den Aufsichtsrat sein. Dies kann die Investitionsbereitschaft von Aktionären und Fremdkapital33
Siehe dazu bereits oben unter § 4 A., insbesondere unter § 4 A. V. Siehe dazu bereits oben unter § 4 A. IV. 35 So auch Gordon, The Journal of Corporation Law 2004–2005, 675, 685 („there may also be uncertainty about the level of managerial overreaching and board complaisance“). 36 Friedrich, Die Verrechtlichung von Organbezügen als europäisches Problem, S. 83; Verse, NZG 2013, 921, 925. 37 Eine Übersicht unterschiedlicher Studien findet sich bei Velte, EuZW 2013, 893, 897–899; Verse, NZG 2013, 921, 924–925; ausführlich dazu Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 115–127; in dieses Bild passt auch die Feststellung von Drefahl/Pelger, Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis 2013, 444, 462, wonach eine hohe Transparenz durch eine individualisierte Offenlegung zu geringeren Ablehnungsquoten führt. 38 Grundsätzlich dazu Kay, The Kay Review of UK Equity Markets and Long-Term Decision Making 2012, S. 77–79. 34
§ 8 Beteiligung im Bereich der Vorstandsvergütung
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gebern drücken. Damit zeigt sich, dass selbst solche Gesellschafter, die im Konfliktfall tendenziell lieber ihre Anteile verkaufen als Stimmrechte informiert auszuüben, durchaus ein Interesse an der Vorstandsvergütung entwickeln können, da Mängel in diesem Bereich die Möglichkeit einer verlustlosen Weiterveräußerung gefährden könnten. Folglich ist festzuhalten, dass die Aufwendungen für die Vorstandsvergütung im Verhältnis etwa zum Bilanzgewinn nur eine untergeordnete Rolle spielen, im Vergleich zu anderen Ausgaben aber nicht unbedingt völlig nebensächlich erscheinen. Gewichtiger sind oftmals die mittelbaren Auswirkungen, welche etwa durch die Steuerungswirkung der variablen Kompensationsbestandteile erzeugt werden. Gerade dieser Aspekt kann für größere Investoren aus ökonomischer Sicht von besonderer Bedeutung sein. 2. Transaktionskosten einer informierten Entscheidung
Den direkten und indirekten Auswirkungen der Vorstandsvergütung stehen die Kosten einer informierten Entscheidung gegenüber. Für eine solche ist es zuerst einmal unerlässlich, dass die Gesellschafter überhaupt eine sachgerechte Aussage treffen können, also die notwendigen Informationen verfügbar sind. Voraussetzung für Aktionärskompetenzen sind daher entsprechende Offenlegungspflichten, auf deren Umfang an späterer Stelle noch eingegangen wird.39 Die Erfüllung derartiger Vorgaben bedeutet für eine Gesellschaft zusätzliche Kosten, spätestens wenn das Auskunftsrecht der Aktionäre nach § 131 AktG ausgeübt wird. Denn es obliegt letztendlich der Gesellschaft, die Hauptversammlung in eine Position zu versetzen, in der von entsprechenden Regelungen sinnvoll Gebrauch gemacht werden kann. Zumindest mit Bezug zur Vorstandsvergütung sollte man diesen Aufwendungen jedoch keine gesteigerte Bedeutung beimessen. Jede Aktiengesellschaft hat einen Vorstand, unabhängig von Größe und Aktionärskreis. Folglich muss sich auch mit dessen Vergütung auseinandergesetzt werden. Die für die Aktionäre notwendigen Informationen werden daher in den meisten Fällen bereits gesellschaftsintern vorhanden sein, es kommt nur noch die Aufarbeitung für die Hauptversammlung hinzu. Nur kleine Kapitalgesellschaften sind von der ohnehin bestehenden Publizitätspflicht nach § 285 Nr. 9 HGB bezüglich der Kompensation der Geschäftsleitung völlig befreit, so dass für alle anderen eine ergänzende Aktionärsbeteiligung kaum einen Mehraufwand bedeuten würde. Liegen die notwendigen Informationen tatsächlich vor, stellt sich der Hauptversammlung aber das Problem, dass kein allgemein anerkannter Maßstab existiert, um die Qualität von Vergütungsabreden zu beurteilen.40 Es ist an anderer 39
Siehe dazu unten unter § 8 B. II. 2. Darauf weist Myers, Delaware Journal of Corporate Law 2012, 417, 450 vor dem Hintergrund des US-Rechts hin. 40
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4. Kap.: Aktionärsbeteiligung und Personalkompetenz
Stelle bereits herausgearbeitet worden, dass es sich bei der Festsetzung nach § 87 Abs. 1 AktG um eine betriebswirtschaftliche Entscheidung im Einzelfall handelt.41 Konsequenz ist jedoch, dass auch eine Beteiligung der Aktionäre immer eine betriebswirtschaftliche Einzelfallentscheidung sein muss.42 Eine Satzungsregelung etwa, mit welcher bestimmte variable Vergütungsbestandteile vorgeschrieben würden, kann in der einen Gesellschaft eine sinnvolle Steuerungswirkung entfalten, bei einer anderen hingegen völlig deplatziert wirken. Gleichsam hängt die Beurteilung eines konkret abgeschlossenen Vertrags von der Person des jeweiligen Vorstandsmitglieds und der Situation der Gesellschaft ab. Die in einem bestimmten unternehmerischen Umfeld überzeugenden Wertungen können nicht ohne weiteres verallgemeinert und auf andere Gesellschaften übertragen werden. Für eine fundierte Beurteilung der gezahlten Vergütung ist folglich eine Vorstellung notwendig, in welche Richtung sich eine Unternehmung entwickeln soll und welche Ausgestaltungen für diese Zielerreichung richtig erscheinen.43 Über die absoluten Vergütungshöhen wird man vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Entwicklung und dem Wachstum in der Vergangenheit noch relativ einfach eine Entscheidung treffen können. Der für die Aktionäre aus finanzieller Sicht oftmals relevantere Steuerungseffekt ist aber im Regelfall ungleich komplizierter zu evaluieren.44 Ob etwa durch die Implementierung eines echten Aktienoptionsprogrammes, der Verknüpfung von Bonuszahlungen und Personalabbau oder einer Prämie für die Eröffnung neuer Fertigungsstätten im Ausland ein positiver Impuls gesetzt wird, hängt entscheidend von der kurz- und langfristig verfolgten Geschäftsstrategie ab. Eine solche vollständig zu durchdringen und zu bewerten kann jedoch sehr transaktionskostenintensiv sein. Gerade im Bereich der Vorstandsvergütung können die Anleger aber nicht nur zwischen einer vollinformierten oder einer uninformierten Entscheidung wählen. Dazwischen liegen mehrere alternative Herangehensweisen. Es ist für die Aktionäre etwa möglich, lediglich die Erklärungen der Verwaltung auf ihre Plausibilität hin zu prüfen oder besonders relevante Kennzahlen zu überwachen. Gerade die letzten Jahre haben gezeigt, dass es Vergütungsbestandteile gibt, die mit besonderer Aufmerksamkeit bedacht werden sollten, etwa mögliche Abfindungszahlungen. Für die Gesellschafter bestehen somit zahlreiche Möglichkeiten, eine partielle Beteiligung zu erbringen und dadurch die individuellen Transaktionskosten gering zu halten. Darüber hinaus dürfte gerade für die größeren Investo41
Siehe dazu bereits oben unter § 3 B. II. So hat Gordon, Harvard Journal on Legislation 2009, 323, 325 konkret vor dem Hintergrund von Vergütungsabstimmungen bereits darauf hingewiesen, dass eine individuelle Evaluierung ein teurer Vorgang sein kann. 43 So grundsätzlich auch Friedrich, Die Verrechtlichung von Organbezügen als europäisches Problem, S. 83; Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 305. 44 Ähnlich Friedrich, Die Verrechtlichung von Organbezügen als europäisches Problem, S. 83. 42
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ren, die sich ohnehin intensiv mit einer bestimmten Gesellschaft beschäftigen, die Bewertung der gezahlten Vorstandsvergütung oder abstrakter Kompensationssysteme nur mit geringem zusätzlichem Aufwand verbunden sein. Die bisherigen Erfahrungen mit § 120 Abs. 4 AktG zeigen, dass Aktionärsbeteiligung im Bereich der Vorstandsvergütung sehr wohl funktionieren kann.45 Auf der Hauptversammlung von HeidelbergCement am 06.05.2010 sprachen sich 54.18% des anwesenden Kapitals gegen das Vergütungssystem aus, mutmaßlich wegen einer Verdopplung der Gesamtkompensation des Vorstands von 8.3 Millionen Euro auf 16.6 Millionen Euro.46 Im gleichen Jahr haben beispielsweise auch die Ablehnungsquoten bei der TUI AG von 30% und der Siemens AG von 10.35% für entsprechende Beachtung gesorgt.47 Diese Ergebnisse sind vor allem deswegen so beeindruckend, weil es sich um große Publikumsgesellschaften handelt, bei denen sich die Probleme der kollektiven Entscheidungsfindung wegen des verbreiteten Streubesitzes und der Passivität vieler Kleinaktionäre besonders stark auswirken. 3. Ökonomische Überlegungen und Aktionärsinteressen
Die bisherige Untersuchung hat unterstellt, dass die Aktionäre die Vorstandsvergütung vornehmlich auf Grund ihrer ökonomischen Bedeutung beurteilen. Vorstand und Aufsichtsrat handeln in der Realität aber nicht immer als homo oeconomicus48 und auch die Aktionäre können von komplexen Zielvorstellungen geprägt werden. So hat der Deutsche Gewerkschaftsbund darauf hingewiesen, dass viele Fondsmanager selbst eine hohe Kompensation beziehen und demnach überhaupt kein Interesse daran hätten, auf ein geringeres Lohnniveau hinzuwirken.49 Auch der Rechtsausschuss des Bundesrates, der von den damals im Bundestag als Oppositionsparteien vertretenen Parteien dominiert wurde, sprach sich mit einer ähnlichen Argumentation gegen die Einführung des VorstKoG und damit einer Ausweitung des § 120 Abs. 4 AktG aus. Aus Sicht des Rechtsausschusses würden deutsche Hauptversammlungen regelmäßig „von Banken, internationalen Fonds und institutionellen Anlegern dominiert, zu deren Geschäftsmodell die systematische Erhöhung von Boni gehört und die stärker an schnellen Gewinnen als an nachhaltigen Zielen wie Produktqualität, Kundenzufriedenheit und Arbeitsplatzsicherheit der Unternehmensbeschäftigten interessiert sind“.50 In dieses 45
So im Ergebnis auch Drygala, ZRP 2012, 161, 163–164. Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 312; dazu auch Hesse, Die Veröffentlichungspflicht für Vorstandsvergütung, S. 208–209. 47 Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 28.01.2010, S. 17; Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 19.02.2010, S. 15. 48 Siehe dazu bereits oben unter § 3 A. IV. 3. 49 Hexel, Stellungnahme des DGB zu den aktuellen Plänen der Koalition, S. 6. 50 BR-Drucks. 637/1/13 (Empfehlung der Ausschüsse zum VorstKoG), S. 2. 46
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4. Kap.: Aktionärsbeteiligung und Personalkompetenz
Bild passt, dass im Jahr 2010 zwar 26 der 30 DAX-Unternehmen eine Abstimmung nach § 120 Abs. 4 AktG durchgeführt haben, die durchschnittliche Zustimmung jedoch 92.67% betrug.51 Offensichtlich hat das Gros der Aktionäre die Vorstandsvergütung somit nicht derart kritisch beurteilt wie Politik, Öffentlichkeit und Teile des wissenschaftlichen Schrifttums. An der vorgebrachten Kritik ist zutreffend, dass nicht alle Aktionäre gleichermaßen bereit sind, sich mit Kompensationsfragen auseinanderzusetzen. Für einzelne Aufsichtsräte, die selbst in anderen Gesellschaften eine Stellung als gutbezahltes Vorstandsmitglied innehaben, ist bereits herausgearbeitet worden, dass deren ureigenes Interesse an allgemein geringeren Gehältern nicht unbedingt stark ausgeprägt ist.52 Vergleichbar kann auch von zahlreichen Anlegern, genannt seien hier etwa international agierende Hedgefonds, keine Revolution erwartet werden. Die Aktionäre sind üblicherweise keine Aktivisten, deren Ziel es ist, bedingungslos auf sinkende Vergütungslevels hinzuwirken oder bestimmte Vergütungsbestandteile zu bekämpfen. Was die Gesellschafter genau wollen, dürfte vom jeweiligen Einzelfall und den konkret auftretenden Missständen abhängen.53 Allerdings sind es gerade die großen Anteilseigner, die mediatisiert über ihre Anteile auch den bedeutendsten Teil der Vorstandsvergütung zu tragen haben. In diesem Punkt unterscheidet sich die Situation eines gut bezahlten HedgefondsManagers, der immer noch einen Investor repräsentiert, von der Situation eines Aufsichtsratsmitglieds, für den sich die finanziellen Auswirkungen überhaupt nicht bemerkbar machen. Die Masse der Großaktionäre profitiert nicht davon, wenn die Vorstandsmitglieder überbezahlt oder durch einzelne Abreden falsche Anreize gesetzt werden. Es ist sogar eher vorstellbar, dass institutionelle Anleger gerade die Kompensation als Aufhänger nehmen, um öffentlichkeitswirksam mit einer Geschäftsleitung abzurechnen, welche nicht eine den Erwartungen entsprechende Leistung erbracht hat.54 Die Empfehlung des Rechtsausschusses55 bedient sich einer gefährlichen Polemik, wenn es dort pauschal heißt, dass finanzstarke Aktionäre nicht nur keine disziplinierende Rolle einnehmen wollen, sondern sogar planmäßig daran arbeiten würden, das Vergütungsniveau künstlich hochzutreiben. Obwohl ein derartiges Verhalten im Einzelfall sicherlich nicht ausgeschlossen werden kann, trifft diese überspitze Einschätzung nicht auf alle Gesellschafter zu. Für einen Investor etwa, der langfristig Pensionen anlegt, kann eine Auseinandersetzung mit der
51
Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 309. Siehe dazu bereits oben unter § 4 A. IV. 53 Allgemein dazu Jaspers, ZRP 2010, 8, 9 („die Einflussnahme der neuen Finanzmarktakteure ist vielmehr vielfältig und ambivalent“). 54 Ähnlich die Einschätzung von Jaspers, ZRP 2010, 8, 10. 55 Siehe dazu bereits oben unter § 8 Fn. 50. 52
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Steuerungswirkung der Vergütung von besonderer Bedeutung sein.56 So hört man aus der Praxis, dass gerade institutionelle Aktionäre darauf hingewirkt haben, dass Abstimmungen nach § 120 Abs. 4 AktG überhaupt auf die Tagesordnung vieler Gesellschaften gesetzt wurden.57 Auch die im vorherigen Abschnitt genannten Ablehnungsquoten wären ohne die aktive Mitwirkung von den wirklich finanzstarken Anlegern nicht möglich gewesen.58 Zweifelsohne werden nicht alle Aktionäre gleichsam eine Sensibilität für diese Thematik entwickeln. Aber es reicht oftmals bereits, wenn einzelne Intermediäre aktiv werden, um eine Kettenreaktion auszulösen.59 Beginnt in der Presse etwa eine Diskussion um das Vergütungsniveau in einer bestimmten Gesellschaft, kann dies für viele vormals uninteressierte Anleger ein Signal sein, Stellung zu beziehen, da anderenfalls ein Kursverlust drohen könnte. Zahlreiche Großaktionäre sind darüber hinaus unmittelbar ihren Kunden verpflichtet. Auch diese können Druck aufbauen und zu einer Disziplinierung beitragen. So ist es vorstellbar, dass Investoren einen Fonds verlassen, wenn sich dieser den Ruf erarbeitet hat, selbst bei unterdurchschnittlicher Leistung eines Investitionsobjekts die jeweilige Geschäftsleitung fürstlich zu entlohnen. Festhalten lässt sich daher, dass sich sicherlich nicht alle Anleger strikt an einer Kosten- und Nutzenrechnung orientieren, wenn es um die Beurteilung der Vorstandsvergütung geht. Die Beteiligung der Gesellschaft ist kein Mittel, um einen vollständigen Neuanfang in der Vergütungsdebatte zu ermöglichen. Es gibt aber keinen Grund anzunehmen, dass sich größere Anleger mit der Thematik überhaupt nicht beschäftigen wollen oder gar ein Interesse daran haben könnten, dauerhaft für eine unverhältnismäßige Vergütungen der Geschäftsleitung zu sorgen. 4. Ergebnis
Die vorherige Untersuchung hat gezeigt, welche ökonomischen Überlegungen eine Rolle spielen können, wenn eine Kompetenz mit Bezug zur Vorstandsvergütung ausgeübt wird. Die genauen Auswirkungen hängen nicht zuletzt von der konkret betroffenen Gesellschaft und den jeweiligen Aktionären ab. Tendenziell kann davon ausgegangen werden, dass insbesondere die Steuerungswirkung für langfristig agierende Gesellschafter wichtig ist, dieser Aspekt allerdings inhaltlich auch am kompliziertesten zu evaluieren sein dürfte. Der Analyse kann weder entnommen werden, dass eine Beschäftigung mit der Thematik in jeder Situation ökonomisch rational erscheint, noch dass ein solches 56 57 58 59
Siehe dazu Schick, ZIP 2011, 593, 600 Fn. 96. von Falkenhausen/Kocher, AG 2010, 623, 625; Schick, ZIP 2011, 593, 600. Ausdrücklich dazu auch Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 28.01.2010, S. 17. Siehe dazu bereits oben unter § 6 C. II.
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4. Kap.: Aktionärsbeteiligung und Personalkompetenz
Vorgehen nur in absoluten Ausnahmefällen sinnvoll sein wird. Das macht eine Aktionärsbeteiligung im Bereich der Vorstandsvergütung zu einem sehr situationsabhängigen Kontroll- und Steuerungsmechanismus. Dies gilt es bei der Ausgestaltung entsprechender Vorschriften zu berücksichtigen. Grundsätzlich kann aber festgehalten werden, dass die Gesellschafter kein Interesse daran haben, die Geschäftsleitung unverhältnismäßig zu entlohnen. Auch die Erfahrungen mit § 120 Abs. 4 AktG zeigen, dass eine Mitwirkung der Eigenkapitalgeber tatsächlich funktionieren kann. Die Probleme der kollektiven Entscheidungsfindung können demnach in der Praxis durchaus überwunden werden. III. Institutionelle Überlegungen In einem nächsten Schritt gilt es herauszuarbeiten, welche institutionellen Auswirkungen Aktionärskompetenzen mit Kompensationsbezug haben können. Dabei wird untersucht, wie wichtig die Aktionärsinteressen für die Festsetzung der Vorstandsvergütung sind und ob schützenswerte Belange anderer stakeholder Gruppen gegen eine direkte Beteiligung der Eigenkapitalgeber sprechen. 1. Bedeutung der Aktionärsinteressen für die Festsetzung der Vorstandsvergütung
Die Vergütung ist ein bedeutendes Kontroll- und Steuerungsinstrument. Es handelt sich folglich um ein zentrales Bindeglied zwischen Gesellschaftern und Vorstand. Diese Feststellung alleine rechtfertigt zwar nicht unbedingt eine Mitwirkung der Hauptversammlung. Auch viele andere wichtige Aufgaben in der Aktiengesellschaft werden autark vom Aufsichtsrat wahrgenommen, etwa die laufende Überwachung der Geschäftsleitung. Der Unterschied ist jedoch, dass gerade bei der Ausübung der in § 87 AktG festgeschriebenen Kompetenz in besonderem Maße die Gefahr besteht, dass dieser sich nicht konsequent an den Aktionärsinteressen orientiert.60 Darüber hinaus steht dem Aufsichtsrat ein weites Ermessen zu und das Ergebnis des Entscheidungsfindungsprozesses kann auf Grund zahlreicher Unwägbarkeiten nur bedingt an den Kriterien „richtig“ und „falsch“ gemessen werden.61 Aus organisationsrechtlicher Sicht kann dieser Legitimationsverlust durch eine unmittelbare Beteiligung der Eigenkapitalgeber kompensiert werden.62 Insbesondere kann eine solche dazu beitragen, den unbestimmten Begriff der Angemessenheit zu konkretisieren.63 Letztendlich tragen 60
Siehe dazu bereits oben unter § 4 A. IV. Siehe dazu bereits oben unter § 3 B. II. 62 Jaspers, ZRP 2010, 8, 11; J. Koch, Stellungnahme zur Aktienrechtsnovelle 2013 und Änderungsanträgen, S. 4; ähnlich Meyer, Vorstandsvergütung, S. 169 („Anreiz, ein positives Hauptversammlungsvotum zur Stärkung der eigenen Position herbeizuführen“); ähnlich schon Kramarsch, ZHR 169 (2005), 112, 118. 61
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die Gesellschafter mediatisiert die Kosten der Vergütung und die Abrede mit dem Management wird vom Aufsichtsrat für sie abgeschlossen.64 Damit zeigt sich, dass über entsprechende Kompetenzen eine Rückkopplung der Vorstandsvergütung an die eigentlich betroffene Gruppe, namentlich die Aktionäre, erreicht werden kann. Allerdings ist bereits darauf hingewiesen worden, dass eine Beteiligung der Hauptversammlung nicht unbedingt die Vorstellung aller Aktionäre ausdrücken muss, sondern erst einmal nur die an der konkreten Entscheidungsfindung beteiligte Mehrheit widerspiegelt.65 Gerade bei Publikumsgesellschaften bedeutet die Einräumung zusätzlicher Aktionärskompetenzen im Regelfall eine Stärkung der finanzkräftigen Anleger, da diese wegen der Passivität vieler Kleininvestoren einen, gemessen an ihrem prozentualen Anteil an einer Gesellschaft, überproportionalen Einfluss ausüben können. Die Aktionäre sind dabei keine vollständig homogene Gruppe, in den meisten Fällen liegen jedoch vergleichbare Präferenzen vor. Damit sorgen die auf der Hauptversammlung vertretenen Großaktionäre häufig auch für eine Repräsentation der passiv gebliebenen Anleger.66 Im Regelfall profitiert kein Anleger davon, wenn die Geschäftsleitung unangemessen vergütet wird.67 Vor diesem Hintergrund erscheint die Interessenlage aller Aktionäre sehr einheitlich. Bei der Einschätzung, was genau eine angemessene oder unangemessene Kompensation ausmacht, kann es aber durchaus zu abweichenden Erwartungen kommen. Gerade wenn die Steuerungswirkung variabler Bestandteile in Frage steht und damit zumindest ein stückweit auch die gesamte Geschäftsstrategie, dürften sich die unterschiedlichen Investitionshorizonte und Anlegertypen besonders deutlich bemerkbar machen. Es ist durchaus denkbar, dass ein Teil der vornehmlich an der Kursentwicklung interessierten Gesellschafter die Auflage von echten oder virtuellen Optionsprogrammen präferiert, während langfristig orientierte Investoren vor allem eine Rücklagenbildung im Blick haben oder eine Berücksichtigung von weichen Faktoren, wie etwa die Mitarbeiterzufriedenheit, fordern. Es lässt sich schwer abschätzen, inwieweit derartige Meinungsunterschiede zwischen den Aktionären in der Praxis tatsächlich auftreten.68 Immerhin sind 63 So wohl auch Friedrich, Die Verrechtlichung von Organbezügen als europäisches Problem, S. 77; Jaspers, ZRP 2010, 8, 11; Redenius-Hövermann, Der Aufsichtsrat 2009, 173. 64 Ähnlich J. Koch, Stellungnahme zur Aktienrechtsnovelle 2013 und Änderungsanträgen, S. 4. 65 Siehe dazu bereits oben unter § 2 B. I. 66 Siehe dazu bereits oben unter § 6 A. I. 1. b) und § 6 A. II. 2. 67 Siehe dazu bereits oben unter § 8 A. II. 3. 68 Eher kritisch beispielsweise Gordon, Harvard Journal on Legislation 2009, 323, 362 vor dem Hintergrund der Situation im US-amerikanischen Rechtskreis.
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4. Kap.: Aktionärsbeteiligung und Personalkompetenz
Vergütungsabreden Kompromissen zugänglich. So wäre es vorstellbar, im oben genannten Beispiel die Auflage eines Aktienoptionsprogrammes mit Bonuszahlungen für die Bildung von Rücklagen zu verknüpfen. Durch eine inhaltliche Abstimmung zwischen den Gesellschaftern ist es daher möglich, entsprechende Schwierigkeiten aufzulösen. Im Zweifel haben selbst größere Anleger, die eine Abstimmungsmehrheit hinter sich wissen, an einem derartigen Vorgehen ein Interesse, um öffentlichkeitswirksame Debatten auf der Hauptversammlung zu vermeiden. Es ist demzufolge nicht davon auszugehen, dass der Aufsichtsrat in diesem Bereich besser geeignet ist, widerstreitende Aktionärsinteressen mit Bezug zur Geschäftsleiterkompensation zum Ausgleich zu bringen, als die Hauptversammlung selbst. Wenn sich finanzstarke Investoren bestimmte Zielvorgaben wünschen, darf man davon ausgehen, dass diese ohnehin versuchen, informell auf eine entsprechende Umsetzung durch den Aufsichtsrat hinzuwirken. Es ist dann aber vorzugswürdig, diesen Vorgang aus Hinterzimmern oder geschlossenen Investorpräsentationen auf die tendenziell eher transparente Hauptversammlung zu verlagern.69 Die Beteiligung an der Stimmabgabe und die Analyse des endgültigen Abstimmungsergebnisses machen es möglich, Missbräuche frühzeitig aufzudecken und Partikularinteressen zu identifizieren. 2. Auswirkungen einer Aktionärsbeteiligung auf andere Interessengruppen
Gegen eine Beteiligung der Aktionäre im Bereich der Vorstandsvergütung ist jedoch vorgebracht worden, dass diese negative Folgen für andere stakeholder haben könne. Gerade die Angst davor, dass entsprechende Regelungen sich zu Lasten der Belegschaft auswirken könnten, hatte den Deutschen Gewerkschaftsbund sowohl im Rahmen der Anhörung zum VorstAG,70 als auch zum VorstKoG,71 dazu veranlasst, sich gegen § 120 Abs. 4 AktG auszusprechen. Vergleichbare Befürchtungen finden sich ebenfalls in der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundesrates zum VorstKoG.72 Tatsächlich ist es vorstellbar, dass entsprechende Vorschriften zu einer stärkeren Betonung von aktionärsspezifischen Kompensationsaspekten führen.73 In einer Gesellschaft etwa, deren Anleger sich vor allem eine kurzfristige Kursentwicklung wünschen, könnte eine darauf ausgerichtete Vergütungsabrede den Interessen der an einer langfristigen Entwicklung interessierten Arbeitnehmer oder Fremdkapitalgeber entgegenlau-
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Siehe dazu bereits oben unter § 6 A. I. 1. b). Hexel, Stellungnahme des DGB zum Entwurf eines Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung, S. 12–13. 71 Hexel, Stellungnahme des DGB zu den aktuellen Plänen der Koalition, S. 2–3. 72 BR-Drucks. 637/1/13 (Empfehlung der Ausschüsse zum VorstKoG), S. 1–2. 73 Ähnlich Lund, Kentucky Law Journal 2010, 119, 133; Verse, NZG 2013, 921, 925. 70
§ 8 Beteiligung im Bereich der Vorstandsvergütung
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fen. Daraus kann jedoch kein Argument gegen eine Aktionärsbeteiligung hergeleitet werden. Wie soeben gezeigt, sollte ein zentraler Kontroll- und Steuerungsmechanismus wie die Vorstandsvergütung gerade auf die Gesellschafter zurückzuführen sein. Nach hier vertretener Auffassung wäre ein Bedeutungsgewinn für aktionärsspezifische Vergütungsbestandteile demnach nicht nur als bloße Nebenfolge zu tolerieren, sondern ein äußerst wünschenswerter Effekt. Darüber hinaus muss man kritischen Stimmen entgegenhalten, dass sich Aktionärskompetenzen im Bereich der Vorstandsvergütung wohl nur selten zum Nachteil anderer stakeholder auswirken werden. Grundsätzlich profitieren alle Interessengruppen, und das beinhaltet auch die Eigenkapitalgeber, nur von einer gut geführten Gesellschaft.74 Abgesehen vom begünstigen Vorstand zieht niemand einen Nutzen aus einer unangemessen hohen oder zusammengestellten Vergütungsabrede. Zwar kann es durch eine Mitwirkung der Gesellschafter durchaus zu Änderungen kommen, etwa wenn in der Folge in Verträgen verstärkt an den Aktienkurs oder an sonstige unmittelbar aktionärsrelevante Kennzahlen angeknüpft wird. Verschiebungen im Detail beeinflussen aber andere Interessengruppen nicht unmittelbar. Solange die Gesellschaft beispielsweise nicht in Zahlungsschwierigkeiten gerät, wird es für die Belegschaft, Fremdkapitalgeber oder Kunden regelmäßig egal sein, welche Zielvorgaben für den Vorstand ausgewählt wurden oder welche absolute Summen dieser bezieht. Kontroversen zwischen Gesellschaftern und anderen stakeholdern werden wohl kaum über die Kompensation für die Geschäftsleitung ausgetragen. Aktionärskompetenzen dürfen nicht mit einem vollständigen Bedeutungsverlust anderer Interessengruppen gleichgesetzt werden. Wenn etwa die Belegschaft einen Streik in Aussicht stellt, sollte eine Vergütungsabrede einen weitläufigen Stellenabbau fordern, kann dies die Stimmabgabe auf der Hauptversammlung genauso beeinflussen, wie eine Entscheidung des Aufsichtsrats. Gleiches gilt, wenn Fremdkapitalgeber oder wichtige Lieferanten eine Einschränkung der Geschäftsbeziehungen ankündigen, falls bestimmte Kompensationsbestandteile implementiert werden. Bei genauerer Betrachtung erlaubt die quasi öffentliche Befassung auf den Aktionärstreffen sogar zahlreichen stakeholdern eine viel umfassendere Kenntnisnahme, als wenn der Aufsichtsrat hinter verschlossenen Türen berät. Da konkrete Verhandlungen ohnehin nicht auf der Hauptversammlung, sondern nur im Aufsichtsrat möglich sind,75 ist auch weiterhin die politisch gewünschte Beteiligung der Arbeitnehmer in mitbestimmten Gesellschaften sichergestellt. Eine Aktionärsbeteiligung bedeutet folglich nicht, dass die Arbeitnehmervertreter überhaupt nicht mehr einbezogen werden.
74 75
Siehe dazu bereits oben unter § 2 B. III. Siehe dazu bereits oben unter § 7 B.
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4. Kap.: Aktionärsbeteiligung und Personalkompetenz 3. Ergebnis
Aus institutioneller Sicht ist eine unmittelbare Beteiligung der Aktionäre im Bereich der Vorstandsvergütung somit zu begrüßen. Auf diesem Weg kann bestehenden Legitimationsdefiziten entgegengewirkt werden. Die Gefahr, dass es zu gesellschaftsinternen Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Investoren kommt, ist zwar nicht von der Hand zu weisen, jedoch einer unbeeinflussten Entscheidung des Aufsichtsrats gegenüber die vorzugswürdige Gestaltung. Darüber hinaus ist nicht davon auszugehen, dass sich entsprechende Kompetenzen regelmäßig negativ zu Lasten anderer stakeholder, wie etwa der Belegschaft oder Fremdkapitalgebern, auswirken werden. Vielmehr kann durch die transparente Behandlung auf der Hauptversammlung anderen Interessengruppen ein viel intensiverer Einblick in die Thematik ermöglicht werden. IV. Spezifische Wirkungsweise einer Aktionärsbeteiligung Abschließend gilt es die spezifische Wirkungsweise einer Aktionärsbeteiligung im Bereich der Vorstandsvergütung zu betrachten. In Frage steht, inwieweit eine flexible Behandlung der Materie notwendig ist und ob durch Reputationsschäden eine sinnvolle Steuerung erreicht werden kann. 1. Notwendigkeit einer flexiblen Betrachtung
Es ist bereits mehrfach betont worden, dass die Festsetzung der Vorstandsvergütung eine betriebswirtschaftliche Entscheidung darstellt. Eine Regulierung durch gesetzliche Vorschriften oder soft law, wie etwa durch den DCGK, kann auf Grund der notwendigerweise pauschalisierenden Betrachtung in diesem Bereich daher wenig Positives ausrichten.76 Eine Aktionärsbeteiligung als flexibler Kontroll- und Steuerungsmechanismus erlaubt jedoch eine Berücksichtigung der individuellen Umstände des Einzelfalls. So wird sichergestellt, dass die endgültige Entscheidung auf der Ebene der Gesellschaft getroffen wird und nicht durch zwangsweise allgemein gehaltene Vorschriften. Bei einem möglichen Verstoß gegen § 87 AktG oder § 161 AktG müsste demgegenüber erst eine gerichtliche Nachprüfung angestrebt werden. Die allgemeinen Probleme, die sich insbesondere aus der Gefahr einer hindsight bias ergeben, sind bereits herausgearbeitet worden.77 Durch eine ex post Kontrolle kann ferner nur noch Wiedergutmachung in Form von Schadensersatz erreicht werden.78 Eine
76
Siehe dazu bereits oben unter § 4 C. III. Siehe dazu bereits oben unter § 6 F. II. 4. b). 78 Wiedemann, Organverantwortung und Gesellschafterklagen in der Aktiengesellschaft, S. 10. 77
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vorgezogene Aktionärsmitwirkung kann jedoch helfen, dass entsprechende Missstände, etwa eine als zu hoch empfundene Vergütung, gar nicht erst auftreten, soweit die Hauptversammlung vor der eigentlichen Festsetzung einbezogen wird. 2. Disziplinierung durch Reputationsschäden
Um Reputationsschäden hervorzurufen, erscheint die Beschäftigung mit der Vorstandsvergütung besonders geeignet. Die Thematik ist „handfest und potentiell kontrovers“.79 Es findet eine massive mediale Begleitung statt.80 Gerade Deutschland scheint dabei, anders als die USA, ein empfindliches Gespür für hohe Bezüge zu entwickeln.81 Dies ist kein Zufall, denn die Diskussion um die immer weiter steigende Vorstandsvergütung hat auch eine gesellschaftspolitische Komponente. Da ein Großteil der deutschen Bevölkerung zumindest einmal im Leben einer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, spielt die Lohngerechtigkeit hierzulande eine besondere Rolle.82 Bei der Vergütung für das unternehmerisch tätig werdende Spitzenpersonal geht es um nicht weniger als die Glaubwürdigkeit der Gesamtwirtschaftsordnung.83 Zu Ende gedacht können Missbräuche sogar den sozialen Frieden stören.84 Eine stark überhöhte Vergütung hat immer auch den Beigeschmack von Korruption und stellt den Charakter der betroffenen Amtsträger in Frage.85 Diese immense Aufmerksamkeit schafft ein hervorragendes Umfeld für eine Aktionärsbeteiligung.86 Bereits von nur ruhenden Kompetenzen geht daher eine starke disziplinierende Wirkung aus.87 Die Konsequenzen einer verlorenen Abstimmung sind so gravierend, dass die Verwaltung ein Interesse daran hat, Widerstände zu antizipieren. Bei der Einführung des § 120 Abs. 4 AktG hat der Gesetzgeber zu Recht solche Überlegungen angestellt.88 Aufsichtsrat und Vorstand wollen gerade bei einer kontroversen Materie auf der Hauptversammlung von einer plötzlichen Aktionärsopposition nicht überrumpelt werden. Damit wird durch79
Döll, WM 2010, 103, 110. Fleischer/Bedkowski, AG 2009, 677, 685; Schüppen, ZIP 2010, 905, 908. 81 So die Einschätzung von Hoffmann-Becking, ZHR 169 (2005), 155, 173. 82 Siehe dazu auch Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie mit Juristischer Methodenlehre, Rn. 363 in Bezug auf den „gesellschaftlichen Konsens“. 83 Drygala, ZRP 2012, 161; Körner, NJW 2004, 2697, 2698; Lutter, ZIP 2003, 737, 739; ähnlich Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 84 Rn. 2; Meyer, Vorstandsvergütung, S. 119; Peltzer, NZG 2009, 1041, 1044; Wiemeyer, Wirtschaftsdienst 2004, 354, 357. 84 Körner, NJW 2004, 2697, 2698; Meyer, Vorstandsvergütung, S. 118. 85 Myers, Delaware Journal of Corporate Law 2012, 417, 434. 86 So auch Fleischer/Bedkowski, AG 2009, 677, 685. 87 In diese Richtung auch Myers, Delaware Journal of Corporate Law 2012, 417, 432; Voth, Beratende Hauptversammlungsbeschlüsse, S. 176–177. 88 BT-Drucks. 16/13433 (Beschlussempfehlung VorstAG), S. 12. 80
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4. Kap.: Aktionärsbeteiligung und Personalkompetenz
gängig ein Anreiz geschaffen, die Kommunikation mit den Gesellschaftern zu verbessern.89 Schon kurz nach der Einführung einer vergleichbaren Regelung in Großbritannien hatten ausgewählte Investoren daher auch ein positives Fazit über die verstärkte Einbeziehung gezogen.90 Die hohe Sensibilisierung sorgt dafür, dass selbst eine kleinere Aktionärsopposition wahrgenommen werden kann.91 Es ist demzufolge oftmals nicht notwendig, dass eine Mehrheit die mit der Entscheidungsfindung verbundenen Probleme überwindet. Mit § 120 Abs. 4 AktG wurden bereits ähnliche Erfahrungen gemacht. Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang nur auf die Berichterstattung über die Abstimmungsergebnisse bei der TUI AG und der Siemens AG aus dem Jahr 2010, bei denen sich 30% beziehungsweise 10.35% gegen das vorgeschlagene Vergütungssystem ausgesprochen hatten.92 Wie gezeigt, ist die Thematik außerdem hinreichend flexibel, damit die Wünsche einer starken Opposition berücksichtigt werden können, ohne dass dies automatisch bedeutet, dass die Interessen der den Beschluss tragenden Mehrheit missachtet werden.93 Mitunter ist jedoch auf Risiken hingewiesen worden, die sich gerade in diesem Bereich aus einer Mitwirkung der Gesellschafter ergeben sollen. So heißt es etwa, dass Vorstandsmitglieder eine allzu kritische Auseinandersetzung als Demütigung empfinden und statt einer Nachverhandlung oder einer Vertragsanpassung das Ausscheiden oder die Nichtbestellung vorziehen könnten.94 Wie emotional ein Vorstandsmitglied auf eine Einwirkung der Aktionäre reagiert, dürfte einerseits vom Charakter des jeweils Betroffenen abhängen, andererseits aber auch vom Beschlussgegenstand, auf den sich die Gesellschafterbeteiligung bezieht. Die bisherige Erfahrung mit § 120 Abs. 4 AktG, bei dem ein abstraktes Vergütungssystem beurteilt wird, zeigt jedenfalls nicht, dass aus wenig zufriedenstellenden Abstimmungsergebnissen radikale Konsequenzen von Aufsichtsrat und Vorstand gezogen worden wären. Dies ist auch nicht verwunderlich, denn es ist davon auszugehen, dass eine vorschnelle Reaktion den eignen Ruf noch
89 So weisen Lieder/Fischer, European Company and Financial Law Review 2011, 376, 402–403 darauf hin, dass die Verwaltung vor Abstimmungen nach § 120 Abs. 4 AktG oftmals den Kontakt zu besonders einflussreichen Aktionären gesucht hat um wichtige Frage im Voraus abzuklären; aus internationaler Sicht Myers, Delaware Journal of Corporate Law 2012, 417, 432. 90 Deloitte, Report on the Impact of the Directors’ Remuneration Report Regulations, S. 4; siehe auch Lund, Kentucky Law Journal 2010, 119, 126–127 bezüglich der gesteigerten Kommunikation in diesem Bereich. 91 Fleischer/Bedkowski, AG 2009, 677, 685. 92 Siehe dazu bereits oben unter § 8 Fn. 47. 93 Siehe dazu bereits oben unter § 8 A. III. 1. 94 A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 150; ähnlich Gordon, The Journal of Corporation Law 2004–2005, 675, 699; Lund, Kentucky Law Journal 2010, 119, 146.
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viel nachhaltiger schädigen würde als die bloße Niederlage bei der Beschlussfassung. 3. Ergebnis
Aktionärskompetenzen sind auf Grund ihrer spezifischen Wirkungsweise somit besonders geeignet, um den Bereich der Vorstandsvergütung zu regulieren. Zum einen handelt es sich bei den Stimmrechten um sehr flexible Instrumente, was gerade deshalb von Vorteil ist, weil die Kompensation der Geschäftsleitung nur auf Gesellschaftsebene abschließend beurteilt werden kann. Darüber hinaus stellt die intensive Begleitung der Thematik in Öffentlichkeit, Politik und Fachpresse sicher, dass Reputationsschäden besonders stark ausgeprägt sind und selbst eine gering ausfallende Aktionärsopposition entsprechende Aufmerksamkeit genießt. V. Beurteilung 1. Aktionärsbeteiligung im Bereich Vorstandsvergütung
Die Untersuchung hat gezeigt, dass dogmatische Gründe nicht gegen eine Einbeziehung der Aktionäre sprechen, falls dadurch bestehenden Missständen entgegengewirkt werden kann. Tatsächlich wird durch eine Mitwirkung der Hauptversammlung die Legitimation der vom Aufsichtsrat durchgeführten Vertragsverhandlungen gestärkt, ohne dass dies unbedingt ein Risiko für andere stakeholder Gruppen bedeutet. Dabei erscheinen Stimmrechte gerade im Bereich der Vorstandsvergütung auf Grund der Flexibilität und der Wirkung über Reputationsschäden als besonders effektiver Kontroll- und Steuerungsmechanismus. Dies spricht dafür, dass das deutsche Recht auf entsprechende Kompetenzen nicht verzichten sollte. Ob die Aktionäre derartige Regelungen aktiv nutzen, lässt sich hingegen nicht pauschal beantworten. Aus ökonomischer Sicht kann es für die Anleger durchaus rational sein, sich mit der Kompensation der Geschäftsleitung zu beschäftigen. Allerdings sind die Folgen der Vergütung nicht immer so gravierend, dass sich eine informierte Beteiligung in jeder Situation aufdrängt. Wie stark das Interesse der Aktionäre ausgeprägt ist, hängt folglich immer vom Einzelfall ab, namentlich von der konkret betroffenen Gesellschaft und deren Eigentümerstruktur. Entsprechende Vorschriften sind kein Allheilmittel, um allen aufgezeigten Defiziten im Rahmen der Verhandlung zwischen Aufsichtsrat und Vorstand entgegenzuwirken. Insbesondere wird man auf diesem Weg nur schwerlich das generelle Gehaltsniveau drücken können. Insgesamt hat die Untersuchung aber keine Gründe hervorgebracht, die gegen eine Beteiligung der Aktionäre im Bereich der Vorstandsvergütung sprechen würden. Insbesondere ist nicht davon auszugehen, dass es der Hauptversammlung am
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4. Kap.: Aktionärsbeteiligung und Personalkompetenz
Sachverstand mangelt, um sich intensiv mit der Thematik auseinanderzusetzen.95 Vielmehr hat sich gezeigt, dass man durch entsprechende Gestaltungen relativ unproblematisch einen zusätzlichen, wenn auch sehr situationsbezogenen Kontroll- und Steuerungsmechanismus schaffen kann, welcher hilft, den Aufsichtsrat auf die Aktionärsinteressen zu verpflichten. Trotz der möglicherweise auftretenden ökonomischen Schwierigkeiten sprechen die besseren Argumente somit für entsprechende Regelungen. Um den herausgearbeiteten ökonomischen Belastungen entgegenzuwirken, ist bei der Ausgestaltung entsprechender Vorschriften darauf zu achten, dass die Durchführung für die Aktionäre möglichst attraktiv gestaltet wird, also insbesondere die Transaktionskosten einer informierten Ausübung gering gehalten werden. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, warum es nicht ausreicht, die Aktionäre lediglich auf die Möglichkeit zu verweisen, im Rahmen der ohnehin stattfindenden Entlastung nach § 120 Abs. 1 Satz 1 AktG zur Kompensation Stellung zu nehmen.96 Zwar kann auch diese Abstimmung Reputationsschäden hervorrufen.97 Problematisch ist jedoch, dass die Vergütung nur einen Teil der Aufsichtsratstätigkeit ausmacht. Es erscheint daher übertrieben, lediglich auf Grund von Mängeln bei der Ausübung des § 87 Abs. 1 AktG eine vollständige Entlastungsverweigerung anzustreben.98 Richtig ist zwar, dass das grundsätzlich freie Ermessen der Hauptversammlung im Rahmen des § 120 Abs. 1 Satz 1 AktG auch zulässt, einzelne Themenbereiche aus dem Anwendungsbereich des Beschlusses auszuklammern und so eine Teilentlastung zu bewirken.99 Auf diesem Weg könnte eine isolierte Erörterung der Vorstandsvergütung erfolgen.100 Ein solches Vorgehen ist allerdings aus ökonomischer Sicht zu aufwendig. Einzelne Aktionäre müssten dann nicht nur beurteilen, ob dem Aufsichtsrat Defizite nachzuweisen sind, sondern darüber hinaus auch noch eine entsprechende Beschlussfassung im Rahmen der Entlastung erwirken, was eine zusätzliche Verständigung zwischen den Gesellschaftern notwendig macht. Eigenständige Kompetenzen unterstreichen demgegenüber die Bedeutung einer Thematik. Es handelt sich eben nicht nur um irgendeine gesellschaftsrelevante Angelegenheit, die zusammen mit 95 So aber Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 316; van Kann/ Keiluweit, DStR 2009, 1587, 1589. 96 So A. Arnold, Die Steuerung des Vorstandshandelns, S. 150; Martens, ZHR 169 (2005), 124, 149; Martens, in: FS Hüffer, S. 647, 659; ähnlich Vetter, ZIP 2009, 2136, 2141–2142. 97 So ausdrücklich Martens, in: FS Hüffer, S. 647, 659 mit Blick auf die Öffentlichkeitswirkung einer Entlastungsverweigerung wegen zu hoher Vorstandsvergütung. 98 Döll, WM 2010, 103, 105; zustimmend wohl Friedrich, Die Verrechtlichung von Organbezügen als europäisches Problem, S. 82. 99 So auch Kubis, in: MünchKommAktG, § 120 Rn. 24. 100 Dafür Butzke, Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, Kapitel Q Rn. 25; Döll, WM 2010, 103, 105; Voth, Beratende Hauptversammlungsbeschlüsse, S. 231–232; ablehnend Schüppen, ZIP 2010, 905, 907.
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vielen unter § 120 Abs. 1 Satz 1 AktG diskutiert werden kann. Konkrete Aktionärskompetenzen helfen demnach, die Aktionärsinteressen zu kanalisieren.101 Wenn man wie hier gerade die positive institutionelle Wirkung einer Hauptversammlungsbeteiligung betont, ist daher eine Schaffung spezieller Vorschriften zwingend. Da aber nicht alle Aktionäre gleichermaßen an der Materie interessiert sind und ein Aktivwerden der Eigenkapitalgeber nicht durchgängig gewährleistet werden kann, muss denen eine klare Absage erteilt werden, die sich von mehr Aktionärsdemokratie eine Entpflichtung des Aufsichtsrats wünschen.102 Vielmehr muss das Gegenteil das Ziel sein. Es muss sichergestellt werden, dass der Aufsichtsrat entsprechende Aktionärskompetenzen nicht zum Anlass nimmt, die Entscheidung nach § 87 Abs. 1 AktG weniger sorgfältig und gewissenhaft zu treffen.103 Es gibt allerdings keinen Grund anzunehmen, dass man dieser Gefahr nicht mit einem entsprechenden Zuschnitt der jeweiligen Vorschriften begegnen könnte, etwa indem man die Letztverantwortlichkeit des Aufsichtsrats und damit auch die Haftung aus §§ 116 Satz 1, Satz 3, 93 Abs. 2 Satz 1 AktG unangetastet lässt. Auf entsprechende Gestaltungsmöglichkeiten wird noch einzugehen sein.104 Im Idealfall gelingt es, die Beteiligung beider Organe aufeinander abzustimmen, um so die positive Wirkung der Aktionärseinflüsse zu verstärken und Missbräuchen vorzubeugen. Eine Richtigkeitsgewähr gibt es nämlich weder bei einer Entscheidung des Aufsichtsrats, noch bei einer der Hauptversammlung.105 2. Rechtspraktische Umsetzung
Da ein Bedürfnis für eine institutionalisierte Aktionärsbeteiligung im Bereich der Vorstandsvergütung anzuerkennen ist, stellt sich nun die Frage, wie eine konkrete Umsetzung erfolgen kann. Denkbar ist sowohl eine Implementierung durch einfache Abstimmungskompetenzen, durch eine Öffnung der Satzung oder durch eine duale Regulierung, welche auf beide Mechanismen zurückgreift. Es bietet sich auf Grund der gewünschten Legitimationswirkung an, den Aktionären eine umfangreiche Einwirkung auf die Kompensation der Geschäftsleitung einzuräumen. Eine intensivere und detaillierte Auseinandersetzung mit einer 101 Ähnlich Butzke, Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, Kapitel Q Rn. 25; Döll, WM 2010, 103 jeweils vor dem Hintergrund der Einführung des § 120 Abs. 4 AktG. 102 So beispielsweise Jaspers, ZRP 2010, 8, 11. 103 Diese Befürchtung äußerte auch Hexel, Stellungnahme des DGB zum Entwurf eines Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung, S. 12 vor Einführung des § 120 Abs. 4 AktG. 104 Siehe dazu insbesondere unten unter § 8 B. II. 1. c) und § 8 B. IV. 105 Vor dem Hintergrund des US-Rechts weist Myers, Delaware Journal of Corporate Law 2012, 417, 449 auf dieses Problem hin.
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4. Kap.: Aktionärsbeteiligung und Personalkompetenz
Thematik kann regelmäßig durch einfache Aktionärsabstimmungen erreicht werden. Für solche können der Hauptversammlung umfassende Berichte vorgelegt werden, über die dann ein Beschluss gefasst wird. Der aktuelle § 120 Abs. 4 AktG erlaubt etwa die Behandlung des gesamten Vergütungssystems einer Gesellschaft. Ähnlich umfassende Ausführungen in der Satzung wären aus rechtlicher Sicht grundsätzlich ebenfalls denkbar. Dort aufgeführte Regelungen müssen zwar klar und eindeutig formuliert sein.106 Es geht jedoch zu weit daraus den Schluss zu ziehen, dass dies gleichzeitig ein Verbot besonders detaillierter Klauseln bedeutet.107 Solange die Vorgaben hinreichend verständlich sind, spricht in der Theorie nichts gegen die Aufnahme in die Satzung. Aus praktischer Sicht muss man sich allerdings fragen, ob dies tatsächlich der richtige Ort ist für seitenlange Ausführungen beispielsweise über die Kompensationspolitik. Damit würde das vorherrschende Verständnis der Satzung als Ort für grundlegende Vorschriften in Frage gestellt werden.108 Eine Öffnung würde sich folglich nur für Bereiche anbieten, die auch den Anspruch einer gewissen Dauerhaftigkeit haben, wie etwa Vergütungsobergrenzen oder die Höhe von Abfindungszahlungen. Vorstandsvergütung ist darüber hinaus eine sehr dynamische Materie. Die Beurteilung der gezahlten Kompensation kann sich kurzfristig ändern. Insbesondere können Anpassungen notwendig werden, etwa wenn sich die wirtschaftliche Situation einer Gesellschaft gravierend verschlechtert. Dies macht eine regelmäßige Beschäftigung mit der Vergütung notwendig. In solchen Fällen wirkt sich das in § 179 Abs. 2 Satz 1 AktG vorgesehene Mehrheitserfordernis hinderlich aus.109 Eine ein Viertel Minderheit kann die gesamte Gesellschaft lähmen. Bei einfachen Abstimmungskompetenzen besteht diese Gefahr nicht. Eine häufig wiederkehrende Behandlung auf der Hauptversammlung hat darüber hinaus den Vorteil, dass durchgängig Vergleichsmaßstäbe geschaffen werden, um Aktionärsopposition beurteilen zu können. Da beispielsweise zahlreiche Abstimmungen nach § 120 Abs. 4 AktG in der Vergangenheit hohe Zustimmungsraten erzielt haben, fiel selbst relativ geringe Aktionärsopposition bereits negativ auf. Dies belegen beispielsweise die bereits mehrfach genannten Abstimmungen der TUI AG und Siemens AG aus dem Jahr 2010.110 Es ist kaum vorstellbar, dass man für Satzungsregelungen ähnliche Rahmenbedingungen schaffen könnte. Da wegen dem in § 179 Abs. 2 Satz 1 AktG enthaltenen Mehrheitserfordernis mit
106
Allgemein dazu Pentz, in: MünchKommAktG, § 23 Rn. 46. Grattenthaler, Die Vergütung von Vorstandsmitgliedern in Aktiengesellschaften, S. 67–68. 108 Siehe Gätsch, in: Marsch-Barner/F. Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, § 4 Rn. 2. 109 So auch Martens, ZHR 169 (2005), 124, 148. 110 Siehe dazu bereits oben unter § 8 Fn. 47. 107
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flächendeckenden Änderungen nicht zu rechnen ist, wäre eine entsprechende Sensibilisierung für gering ausfallende Abweichungen nur schwerlich möglich. Auf Grund der vorherigen Überlegungen macht es demzufolge Sinn, eine Mitwirkung der Aktionäre vornehmlich über einfache Abstimmungskompetenzen zu etablieren. Vor dem Hintergrund der herausgearbeiteten Stärken und Schwächen handelt es sich um den besser passenden Kontroll- und Steuerungsmechanismus. Dies entspricht auch dem legislatorischen Weg, den der nationale Gesetzgeber mit § 120 Abs. 4 AktG und die Kommission mit Art. 9a und Art. 9b des am 09.04.2014 veröffentlichten Entwurfs zur Änderung der Aktionärsrechterichtlinie111 eingeschlagen haben. In der Folge wird daher zuerst § 120 Abs. 4 AktG untersucht und möglicher Reformbedarf herausgearbeitet. Davon ausgehend wird dann in einem weiteren Schritt geprüft, ob neben einer einfachen Abstimmungskompetenz eine Notwendigkeit für flankierende Satzungsregelungen zu erkennen ist.
B. Ausgestaltung von einfachen Abstimmungskompetenzen mit Bezug zur Vorstandsvergütung und abschließende Bewertung des § 120 Abs. 4 AktG Denkbare praktische Gestaltungsformen entsprechender Abstimmungskompetenzen sind zahlreich. Die genaue Formulierung der Norm ist letztendlich eine technische Fragestellung, die sich in vielen Bereichen einer wissenschaftlichen Beurteilung entzieht. Die bisherigen Vorarbeiten haben gleichwohl einen Rahmen geschaffen, um zumindest die materiellen Eckpunkte des § 120 Abs. 4 AktG bewerten zu können. I. Adressatenkreis einer Aktionärsbeteiligung Zuerst gilt es zu untersuchen, für welche Gesellschaften eine Beteiligung der Aktionäre im Bereich Vorstandsvergütung sinnvoll erscheint. § 120 Abs. 4 Satz 1 AktG knüpft an die Börsennotierung nach § 3 Abs. 2 AktG an. Liegt diese nicht vor, kann eine Abstimmung überhaupt nicht durchgeführt werden.112 Auch der am 09.04.2014 veröffentlichte Entwurf zur Änderung der Aktionärsrechterichtlinie bezieht sich nur auf börsennotierte Gesellschaften.113 Der Beschlussempfehlung zum VorstAG kann man die pauschale Behauptung entnehmen, dass außerhalb von § 3 Abs. 2 AktG für derartige Kompetenzen kein Bedürfnis bestehe.114 Warum ein solches jedoch fehlen soll, wird nicht erläutert. Selbst die Europäi-
111 112 113 114
Europäische Kommission, COM(2014) 213 final. Siehe dazu bereits oben unter § 5 Fn. 160. Europäische Kommission, COM(2014) 213 final, S. 2–3. BT-Drucks. 16/13433 (Beschlussempfehlung VorstAG), S. 12.
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sche Kommission hält sich in den erläuternden Materialien zum Änderungsentwurf der Aktionärsrechterichtlinie zu dieser Thematik bedeckt. Die Unterscheidung zwischen börsennotierten und nichtbörsennotierten Gesellschaften geht im deutschen Recht auf das Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts aus dem Jahr 1994 zurück.115 Im Regierungsentwurf heißt es, dass durch rechtliche Vereinfachungen auch mittelständischen Unternehmen der Zugang zur Rechtsform der Aktiengesellschaft ermöglicht werden soll.116 Insbesondere wollte man die Anwendung von „Formalitäten“ verhindern, die erkennbar nur auf große Aktiengesellschaften zugeschnitten sind.117 Heute drückt sich die Differenzierung etwa in der Befreiung von § 161 AktG, der Zulässigkeit von Höchststimmrechten nach § 134 Abs. 1 Satz 2 AktG und nicht zuletzt eben auch in § 120 Abs. 4 Satz 1 AktG aus. Ein übergeordnetes Konzept für diese Sonderregelungen ist dabei nicht erkennbar.118 Vielmehr scheint der Gesetzgeber im Einzelfall zu beurteilen, ob bestimmte Normen nur auf börsennotierte Gesellschaften Anwendung finden sollen oder nicht. Gerade vor diesem Hintergrund wäre es aber wünschenswert gewesen, die genauen Hintergründe für die Differenzierung in § 120 Abs. 4 Satz 1 AktG zu erfahren. Man kann folglich nur rätseln, was den Gesetzgeber zum Ausschluss von nichtbörsennotierten Gesellschaften bewegt hat. Möglicherweise sollten diese von einer zusätzlichen Kostenbelastung freigestellt werden. Dagegen spricht jedoch schon, dass die Regelung ohnehin keine verpflichtende Durchführung vorsieht. In jedem Einzelfall kann daher von Aktionären und Verwaltung entschieden werden, ob eine Aufnahme auf die Tagesordnung wünschenswert erscheint. Es ist darüber hinaus auch nicht ersichtlich, dass nichtbörsennotierten Gesellschaften übermäßige Ausgaben entstehen würden.119 Jeder Aufsichtsrat muss sich mit der Entlohnung des Vorstands auseinandersetzen. Die bei der Entscheidung nach § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG eine Rolle spielenden Kriterien wird man ohne hohen zusätzlichen Aufwand den Aktionären gegenüber kommunizieren können. Zu berücksichtigen ist auch, dass viele Gesellschaften unabhängig von der Börsennotierung zumindest teilweise der in § 285 Nr. 9 HGB geregelten Offenlegungspflicht entsprechen müssen. Damit existieren oftmals bereits Berichte, die für eine Vergütungsabstimmung nutzbar gemacht werden könnten.120 115
Gesetz vom 02.08.1994, BGBl. Band I, S. 1961–1962. BT-Drucks. 12/6721 (RegE Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts), S. 5–6. 117 BT-Drucks. 12/6721 (RegE Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts), S. 5. 118 So schon Förster, AG 2011, 362, 373; C. Schäfer, NJW 2008, 2536, 2537–2538. 119 So aber von Falkenhausen/Kocher, AG 2010, 623, 625, die sogar eine Gefahr für „kleinere börsennotierte Gesellschaften“ sehen. 120 Siehe dazu bereits oben unter § 8 A. II. 2. 116
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Vieleicht hält der Gesetzgeber bei nicht unter § 3 Abs. 2 AktG fallenden Gesellschaften den Aktionärskreis für so überschaubar, dass eine unmittelbare Einwirkung auf die Verwaltung möglich erscheint.121 Ein Indiz dafür könnte der Abgeordnetenentwurf zum VorstOG sein, in dem eine individualisierte Offenlegungspflicht nach § 285 Nr. 9 Satz 5 HGB für nichtbörsennotierte Gesellschaften abgelehnt wird, da hier „andere Mechanismen“ zur Verfügung stünden, „um die Vergütungstätigkeit eines Aufsichtsrats zu kontrollieren“.122 Nur weil aber Aktien nicht an einer Börse gehandelt werden, bedeutet dies nicht gleich, dass die Gesellschafter automatisch Gehör beim Aufsichtsrat finden. Zu Aktionärskonflikten kann es selbst bei geschlossenen Gesellschaften kommen.123 Wenn das Argument stimmt, dass die leichte Übertragbarkeit der Aktie die Bedeutung am einzelnen Investitionsgegenstand mindert,124 müsste im Umkehrschluss gerade dann, wenn eine Übertragung nicht ohne weiteres möglich ist, ein höheres Interesse an der Auseinandersetzung mit gesellschaftsrelevanten Themen bestehen.125 Dies spricht dafür, dass bei nichtbörsennotierten Gesellschaften das Bedürfnis für institutionalisierte Abstimmungskompetenzen sogar deutlich größer sein kann, als in einer Publikumsgesellschaft. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass bei Abstimmungen nichtbörsennotierter Gesellschaften die gewünschte Öffentlichkeitswirkung ausbleibt.126 Reputationsschäden werden selbst dann hervorgerufen, wenn eine Aktie nicht an einem organisierten Markt gehandelt wird.127 In den im Handelsgesetzbuch enthaltenen Regelungen zeigt der Gesetzgeber im Übrigen, dass er diese Einschätzung dem Grunde nach teilt. Für die bereits angesprochene Veröffentlichungspflicht nach § 285 Nr. 9 HGB wird an die in § 267 HGB normierten Größenklassen angeknüpft, nicht an die Börsennotierung. Gemäß § 288 Abs. 1 HGB sind zwar kleine Kapitalgesellschaften vollständig von den Offenlegungspflichten nach § 285 Nr. 9 HGB befreit. Schon mittelgroße Kapitalgesellschaften müssen diese jedoch beachten, § 288 Abs. 2 HGB. Der Gesetzgeber gibt damit zu verstehen, dass er sich bereits bei mittelgroßen Kapitalgesellschaften, die auf Grund von § 264d HGB niemals gleichzeitig börsennotiert sein können, eine Disziplinierung durch die entstehende Publizität erhofft.
121 Dieses Argument nennen Louven/Ingwersen, BB 2013, 1219, 1220–1221 in Bezug auf § 87 Abs. 1 Satz 2 AktG und die dortige Differenzierung zwischen börsennotierten und nichtbörsennotierten Gesellschaften. 122 BT-Drucks. 15/5577 (Abgeordnetenentwurf VorstOG), S. 7. 123 Berger, Vorstandsvergütung, S. 59 m.w. N.; vergleichbar die Argumentation bei Voth, Beratende Hauptversammlungsbeschlüsse, S. 233, der auf die Aktionärsstrukturen abstellt. 124 Siehe dazu bereits oben unter § 6 A. I. 2. 125 So Berger, Vorstandsvergütung, S. 59. 126 So auch Förster, AG 2011, 362, 368. 127 Siehe dazu bereits oben unter § 8 A. IV. 2.
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4. Kap.: Aktionärsbeteiligung und Personalkompetenz
Folglich gibt es keinen Grund, Aktionärsrechte mit Bezug zur Vorstandsvergütung bei nichtbörsennotierten Gesellschaften zu begrenzen.128 Dieses Kriterium sagt nichts über Größe, Investorenkreis und wirtschaftliche Bedeutung einer Gesellschaft aus.129 Entscheidend für die Funktionalität einzelner Kompetenzen ist letztendlich aber gerade die Zusammensetzung der Gesellschafter. Rückschlüsse auf die Eigentümerstruktur lassen jedoch weder § 3 Abs. 2 AktG, noch die größenabhängigen Unterscheidungen aus § 267 HGB zu. Als Differenzierungskriterium für eine Aktionärsbeteiligung bieten sich beide Ansätze daher nicht an. Festhalten lässt sich somit, dass die Entscheidung des Gesetzgebers, im Rahmen des § 120 Abs. 4 Satz 1 AktG an die Börsennotierung anzuknüpfen, nicht überzeugen kann. Gleiche Kritik muss sich der am 09.04.2014 von der Europäischen Kommission vorgestellte Entwurf zur Änderung der Aktionärsrechterichtlinie gefallen lassen. Eine pauschale Beschränkung ist nicht angezeigt. Die Möglichkeit zur Aufnahme auf die Tagesordnung sollte folglich allen Gesellschaften offen stehen. Da der Entwurf der Richtlinie eine Erweiterung auf nichtbörsennotierte Gesellschaften aber immerhin nicht ausschließt, wäre bei der Transformation in das nationale Recht eine überschießende Umsetzung möglich. II. Bestimmung des Abstimmungsgegenstandes Von zentraler Bedeutung ist der Abstimmungsgegenstand der Aktionärsbeteiligung. Dieser bestimmt zum einen Art und Umfang der erzeugten Legitimationswirkung und zum anderen, welche Signale durch die Beschlussfassung an Aufsichtsrat und Vorstand gesendet werden. Inhaltlich lassen sich dabei dem Grunde nach zwei verschiedene Konzepte unterscheiden, auch wenn die praktische Ausgestaltung variieren kann.130 Als Anknüpfungspunkt kann entweder die konkret gezahlte Vorstandsvergütung dienen oder aber die abstrakten Leitlinien, welche den Aufsichtsrat bei der Festsetzung im Einzelfall binden.131 In der Praxis haben sich für letztgenannte Beschlussgegenstände die Begriffe Vergütungssystem oder Vergütungspolitik durchgesetzt. Neben dieser inhaltlichen Unterscheidung ist darüber hinaus wichtig, zu welchem Zeitpunkt die Hauptversammlung beteiligt wird. Denkbar ist zum einen, ex ante über geplante Vergütungsabreden oder Vergütungssysteme abzustimmen zu lassen und damit eine Aussage für die Zukunft zu treffen oder ex post bereits geleistete Zahlungen oder das existierende Ver128
Im Ergebnis auch Döll, WM 2010, 103, 106. Ähnlich Voth, Beratende Hauptversammlungsbeschlüsse, S. 233, der dem Vergütungsvotum auch bei börsennotierten Gesellschaften jedoch grundsätzlich negativ gegenüber steht. 130 Siehe dazu auch Gordon, The Journal of Corporation Law 2004–2005, 675, 698; Gordon, Harvard Journal on Legislation 2009, 323, 337; Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 51–52. 131 Ähnlich Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 52. 129
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gütungssystem zu beurteilen, so dass die Leistung des Aufsichtsrats in der Vergangenheit im Mittelpunkt steht.132 Die durch das VorstAG eingeführte Regelung in § 120 Abs. 4 AktG bezieht sich ausweislich der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses auf die Billigung des bestehenden Systems.133 Es handelt sich folglich um eine ex post Beteiligung.134 Mit der letztendlich nicht durchgesetzten Änderung durch das VorstKoG wären dem Aufsichtsrat verbindliche Rahmenbedingungen für die Zukunft vorgegeben worden. § 120 Abs. 4 Satz 1 AktG i. d. F. des VorstKoG war demnach als ex ante Abstimmung konzipiert. Die Reform hätte daher die Natur der Beschlussfassung maßgeblich verändert. Eine ex ante Beteiligung bezüglich einzelner Vergütungsabrede könnte etwa so aussehen, dass den Aktionären eine bereits abgeschlossene Vereinbarung mit einem Vorstandsmitglied vorgelegt wird und deren Angemessenheit für die gesamte Laufzeit, also mit einem Zukunftsbezug, beurteilt wird. Die Hauptversammlung würde so immer dann beteiligt, wenn ein neuer Vertrag abgeschlossen wurde. Bei einer ex post Abstimmung wäre es beispielsweise möglich, dass die im letzten Geschäftsjahr tatsächlich gezahlten Beträge, gegebenenfalls aufgeschlüsselt nach einzelnen Vorstandsmitgliedern, von den Gesellschaftern bewertet werden. Darüber hinaus ist es möglich, die verschiedenen Beschlussgegenstände und Abstimmungszeitpunkte miteinander zu verbinden. In Großbritannien stimmt das Annual General Meeting etwa zukunftsbezogen über die remuneration policy nach Art. 439a des Companies Act 2006 ab und vergangenheitsbezogen über die im jeweiligen Geschäftsjahr gezahlten Beträge nach Art. 439 des Companies Act 2006. Die genauen Details, welche die jeweiligen Erklärungen zu enthalten haben, sind dabei in einem separaten Anhang des Gesetzes geregelt, der Large and Medium-sized Companies and Groups (Accounts and Reports) Regulations 2013. Ein ähnliches Abstimmungssystem sieht der am 09.04.2014 veröffentlichte Entwurf zur Änderung der Aktionärsrechterichtlinie 135 vor. Nach Art. 9a soll verbindlich über die zukunftsbezogene Vergütungspolitik entschieden werden, während das rückblickende Votum über den Vergütungsbericht des vergangenen Geschäftsjahrs nach Art. 9b unverbindlich bleibt.136 132
Ähnlich Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 51–52. BT-Drucks. 16/13433 (Beschlussempfehlung VorstAG), S. 12; a. A. Schick, ZIP 2010, 593, 596, der auch die Abstimmung über ein „künftiges System“ für zulässig erachtet. 134 So ausdrücklich Lieder/Fischer, European Company and Financial Law Review 2011, 376, 386. 135 Europäische Kommission, COM(2014) 213 final. 136 Bei einer Abstimmungsniederlage ist nach Art. 9b Abs. 3 Satz 2 im kommenden Vergütungsbericht lediglich darzulegen, welche Konsequenzen die Unternehmensleitung aus der Aktionärsablehnung hinsichtlich der konkret gezahlten Beträge gezogen 133
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4. Kap.: Aktionärsbeteiligung und Personalkompetenz
In der Folge gilt es nun, die Vor- und Nachteile der einzelnen Gestaltungsmöglichkeiten herauszuarbeiten. Ziel ist es zu untersuchen, welcher Ansatz oder welche Kombination von Ansätzen im deutschen Recht am besten für eine Aktionärsbeteiligung geeignet ist. 1. Abstimmungsgegenstand und Abstimmungszeitpunkt
a) Allgemeine Überlegungen Der Vorteil von konkreten Kompensationsvereinbarungen als Anknüpfungspunkt ist die Bestimmbarkeit des Beschlussgegenstandes. Es ist nicht notwendig, abstrakte Bezüge darzustellen, wie etwa wenn die allgemeine Vergütungspolitik in Frage steht. Außerdem darf man davon ausgehen, dass die Emotionalität einer Abstimmung und damit auch die Öffentlichkeitswirkung steigen, je konkreter die vorgelegten Zahlen sind.137 Die Darstellung eines Vergütungssystems erfolgt notwendigerweise weniger anschaulich, was höhere Transaktionskosten verursachen kann. Dafür kann die Einschätzung der Aktionäre in einer einheitlichen Beschlussfassung gebündelt werden. Bei Abstimmungen über einzelne Kompensationsvereinbarungen stellt sich nämlich die Frage, ob die Aktionäre aus ökonomischer Sicht überhaupt ein Interesse daran haben, verschiedene Abreden ex post oder ex ante isoliert zu beurteilen. Da sich die Vereinbarungen mit den Vorstandsmitgliedern unterscheiden können, wäre für eine vollinformierte Entscheidung immer eine individuelle Vertragsevaluation notwendig. Die Beschlussfassung über einzelne Vergütungsabreden wirft darüber hinaus komplizierte rechtstechnische Probleme auf.138 Unabhängig von der Verbindlichkeit stellt sich nämlich die Frage, wie die Gesellschaft auf ein negatives Votum reagieren kann. Der Aufsichtsrat kann in Ermangelung besonderer vertraglicher oder gesetzlicher Grundlagen nicht in ein bestehendes Äquivalenzverhältnis eingreifen. Zwar könnte ein Vertrag nach § 158 Abs. 1 BGB an ein positives Abstimmungsergebnis geknüpft oder gar im Gesetz dessen automatische Unwirksamkeit bei einer Abstimmungsniederlage vorgesehen werden. Die damit einhergehende Rechtsunsicherheit würde die Arbeit der Verwaltungsorgane allerdings stark belasten.139 Darüber hinaus müsste festgelegt werden, was anstatt der abge-
hat. Eine Pflicht, Änderungen an bestehenden Verträgen vorzunehmen oder zukünftig andere Vereinbarungen abzuschließen, sieht Art. 9b jedoch nicht vor. 137 Die Abstimmung kann auf Grund der Emotionalität jedoch auch unsachlicher werden, ähnlich die Vermutung bei Voth, Beratende Hauptversammlungsbeschlüsse, S. 117–118. 138 So auch Gordon, The Journal of Corporation Law 2004–2005, 675, 699; Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 51. 139 Ähnlich Gordon, The Journal of Corporation Law 2004–2005, 675, 699 vor dem Hintergrund des US-amerikanischen Rechts.
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lehnten Abrede gelten soll.140 Es scheint kaum praktikabel, einen Ausgleich über das Bereicherungsrecht herbeizuführen oder so lange ohne eine Kompensation weiterzuarbeiten, bis ein neues Votum erfolgt. In solchen Fällen muss der Aufsichtsrat demnach darauf hoffen, dass der Vorstand auf Grund möglicher Reputationsschäden freiwillig eine Anpassung oder Rückzahlung akzeptiert. Gerade wenn eine Abrede bereits ausverhandelt wurde, dürften die Widerstände im Vorstand aber besonders hoch ausfallen, da es darum geht, eine bereits erworbene Rechtsposition wieder aufzugeben. Auch in Großbritannien bleibt die Abstimmung über den Teil des remuneration report, welcher die konkreten Zahlen beinhaltet, nach Art. 439 Abs. 5 Companies Act 2006 ohne verbindliche Rechtsfolge für die abgeschlossenen Verträge. Ähnliche Schwierigkeiten bestehen auch dann, wenn wie im deutschen Recht über ein Vergütungssystem ex post abgestimmt wird. Die Aktionäre äußern sich dann zwar nicht unmittelbar über das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung des Vorstands, sondern eben nur über die vom Aufsichtsrat festgesetzten allgemeinen Leitlinien. Somit werden nicht bestimmte Zahlungen mit dem Verdikt der Unangemessenheit belegt. Streng genommen lautet der Arbeitsauftrag für den Aufsichtsrat nur, ein besseres System zur Kompensation der Geschäftsleitung zu entwickeln. Dennoch wird die Hauptversammlung oftmals erwarten, dass auch einzelne Verträge, die in der Vergangenheit auf Grund abgelehnter Vorgaben abgeschlossen wurden, wieder auf den Prüfstand gestellt werden. Dann stellt sich aber wieder das Problem entsprechender Sanktionsmöglichkeiten, falls sich der Vorstand gegen eine freiwillige Anpassung sträubt.141 Die bisherige Erfahrung mit § 120 Abs. 4 AktG zeigt zwar, dass die von einem Votum ausgehende faktische Wirkung ausreichen kann, um entsprechende Änderungen durchzusetzen. Dies mag unter anderem auch daran liegen, dass eine kritische Einstellung der Gesellschafter gegen abstrakte Leitlinien einen Vorstand emotional weniger trifft, als eine unmittelbar gegen seinen eigenen Vertrag gerichtete Aussage. Eine Garantie dafür, dass nur die Reputationswirkung einer Abstimmung ausreicht, gibt es bei einer ex post Beschlussfassung über das Vergütungssystem indes freilich nicht. Im Gegensatz dazu kann durch eine ex ante Abstimmung über ein Vergütungssystem relativ unkompliziert der Rahmen für zukünftige Abreden vorgegeben werden. Das Problem der Rückwirkung stellt sich hier nicht, da die Gesellschafter alleine Aussagen für die Zukunft treffen. Diese kann der Aufsichtsrat autark umsetzen, ohne auf die Mitwirkung des Vorstands angewiesen zu 140 Auf dieses Problem hinweisend Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 51, 53. 141 Darauf hinweisend Hexel, Stellungnahme des DGB zu den aktuellen Plänen der Koalition, S. 3; konkrete Gestaltungsvorschläge finden sich bei Voth, Beratende Hauptversammlungsbeschlüsse, S. 182–185.
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sein.142 Schwierigkeiten können allerdings entstehen, wenn die Verwaltung die Vorgaben der Aktionäre nicht als Obergrenze, sondern als Normalfall versteht. Existiert ein genehmigtes Vergütungssystem, weiß der Vorstand bei Verhandlungen, welche Bedingungen von den Aktionären akzeptiert wurden und kann seinen Erfolg daran messen, wie nahe er an diese Grenze herankommt.143 Dem Aufsichtsrat wiederum könnte es schwer fallen zu argumentieren, dass eine bestimmte Vergütung unangemessen erscheint, wenn die Aktionäre eine derartige Gestaltung im Voraus für zulässig erklärt haben. Dieses Risiko ist nicht völlig von der Hand zu weisen. Andererseits erlaubt eine ex ante Abstimmung auch, das spätere Verhandlungsgeschick des Aufsichtsrats zu beurteilen. Genauso wie der Vorstand, können nämlich auch die Aktionäre bewerten, wie erfolgreich die Aktionärsinteressen bei der Festsetzung der Vergütung durchgesetzt wurden. Sieht die Vergütungspolitik beispielsweise eine Obergrenze für variable Bestandteile vor, wird entsprechende Kritik nicht ausbleiben, wenn regelmäßig dieses Limit erreicht wird. b) Rückschaufehler bei einer nachträglichen Bewertung Bei jeder ex post Bewertung, egal, ob sich diese auf konkrete Verträge oder das Vergütungssystem bezieht, können den Gesellschaftern darüber hinaus Rückschaufehler unterlaufen. So könnten sich die Aktionäre von einer Entwicklung beeinflussen lassen, die sich zwischen der Festsetzung der Vorstandskompensation und der jeweiligen Abstimmung auf der Hauptversammlung ereignet hat.144 Insbesondere eine negative Veränderung der wirtschaftlichen Lage kann zum Anlass genommen werden, eine Abrede oder ein Vergütungssystem rückblickend übermäßig kritisch zu beurteilen. Eine Aktionärsopposition ist allerdings dann unberechtigt, wenn sich nachträglich lediglich unvorhersehbare Ereignisse realisieren oder sich auf Grund unbeeinflussbarer Umstände der Erfolg einer Unternehmung nicht einstellt. Die bei einer gerichtlichen Durchsetzbarkeit von Schadensersatzansprüchen gefürchtete hindsight bias kann in solchen Fällen somit auch auf Seiten der Gesellschafter auftreten.145 Während Richter diese vielfach zum Anlass nehmen, unternehmerische Entscheidungen nur sehr zurückhaltend zu prüfen, dürften die Aktionäre 142 Lund, Kentucky Law Journal 2010, 119, 143–150 sieht bei solchen Abstimmungen insbesondere den Vorteil, dass einzelne Kandidaten das in die Zukunft gerichtete Ergebnis weniger emotional auffassen, was wiederum bedeuten soll, dass die Aktionäre einen Beschlussgegenstand bewerten können, ohne radikale Konsequenzen der Geschäftsleitung fürchten zu müssen. 143 Friedrich, Die Verrechtlichung von Organbezügen als europäisches Problem, S. 85 (in Bezug auf Satzungsvorgaben, die Problematik existiert jedoch auch bei einfachen Abstimmungen). 144 Ähnlich Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 51–52. 145 Siehe dazu bereits oben unter § 6 F. II. 4.
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häufig das andere Extrem wählen und mit deutlicher Ablehnung reagieren. Immerhin sind diese persönlich in dem Vorgang involviert und tragen mediatisiert die Kosten der betroffenen Abrede. Ist der Verwaltung jedoch ursprünglich kein Vorwurf zu machen, ist auch keine Reputationsschädigung angezeigt. Diese Schwierigkeiten sprechen gegen jede Art der ex post Bewertung. c) Letztverantwortlichkeit des Aufsichtsrats Ebenfalls problematisch ist das Verhältnis von ex post oder ex ante Abstimmungen über konkrete Vergütungsabreden zur Letztverantwortlichkeit des Aufsichtsrats. Wie bereits gezeigt, ist die Erhaltung des Pflichtgefühls auf Seiten des Aufsichtsrats aus ökonomischen Gründen notwendig, da eine vollinformierte Entscheidung der Hauptversammlung nicht in jeder Situation erwartet werden kann.146 Durch eine verbindliche ex ante Aktionärsbeteiligung kann die Haftung von Aufsichtsrat und Vorstand ausgeschlossen werden, § 93 Abs. 4 Satz 1 AktG. Auf diesem Weg wird man zwar selbst bei einer vorgezogenen Abstimmung über einzelne Vergütungsabreden normalerweise keine vollständige Haftungsfreizeichnung erreichen können. Den Aktionären kann aus betriebswirtschaftlichen Gründen nämlich nicht jedes Detail des betroffenen Vertrags offengelegt werden. Einer Gesellschaft können im Wettbewerb Nachteile entstehen, wenn Konkurrenten aus den veröffentlichten Zahlen und Parametern Rückschlüsse auf die Geschäftsstrategie ziehen. Darüber hinaus ergeben sich aus datenschutz- und persönlichkeitsrechtlichen Gründen weitere Schranken.147 Die Haftungsfreistellung nach § 93 Abs. 4 Satz 1 AktG kann aber nur diejenigen Umstände erfassen, welche den Eigenkapitalgebern bei Beschlussfassung bekannt waren. Man wird sich allerdings fragen müssen, welchen inhaltlichen Vorwurf man dem Aufsichtsrat machen kann, wenn dieser beispielsweise konkrete Zahlen vorgelegt hat und die Aktionäre diese mit großer Mehrheit für angemessen erklären. Sollte es tatsächlich zu einer späteren gerichtlichen Nachprüfung kommen, wird der Aufsichtsrat nicht ganz zu Unrecht darauf verweisen, dass die Aktionäre es zum Zeitpunkt der Abstimmung offensichtlich ebenfalls nicht besser gewusst haben. Auch wenn eine Beschlussfassung nicht direkt die Haftung des Aufsichtsrats entfallen lässt, verringert sich auf diesem Weg die spätere Angriffsfläche von Aktionären und Öffentlichkeit.148 Insgesamt rückt durch eine konkrete Beteiligung der Gesellschafter mit Bezug zu einzelnen Verträgen mehr und mehr der 146
Siehe dazu bereits oben unter § 8 A. V. 1. Dazu Hesse, Die Veröffentlichungspflicht für Vorstandsvergütung, S. 441–443 (mit Blick auf das Grundgesetz) und S. 518–520 (mit Blick auf Unionsrecht und die Europäische Menschenrechtskonvention); siehe auch Wandt, DStR 2006, 1460, 1462; kritischer Augsberg, ZRP 2005, 105, 106–109. 148 Auf diese Gefahr ganz allgemein hinweisend Myers, Delaware Journal of Corporate Law 2012, 417, 421. 147
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Aufsichtsrat aus dem Blickpunkt der Diskussion und damit auch aus der Verantwortung. Natürlich liegt aus ökonomischer Sicht die Vermutung nahe, dass die Zustimmung zu einer nachträglich als unverhältnismäßig empfundenen Abrede nicht bei allen Aktionären das Ergebnis eines vollinformierten Entscheidungsvorgangs war. Empirisch dürfte sich dies allerdings kaum nachweisen lassen. Vor allem würde man die Bedeutung von Hauptversammlungskompetenzen ad absurdum führen, wenn man nur negativen Äußerungen Gewicht zuspricht, bei positiven Abstimmungsergebnissen indes die Legitimationswirkung vergisst.149 Lässt man demnach eine ex ante oder ex post Abstimmung über konkrete Verträge zu, geht damit auch eine inhaltliche Entpflichtung des Aufsichtsrats einher. Auf Grund des höheren Abstraktionsgrades unterstreichen Beschlussfassungen über das Vergütungssystem unabhängig vom Abstimmungszeitpunkt die Eigenverantwortlichkeit des Aufsichtsrats. Die Aktionäre geben zwar einen Rahmen vor, die Ausfüllung obliegt jedoch dem Aufsichtsrat.150 Damit bleibt nicht nur rechtlich ein ausreichender Spielraum für eine Haftung nach §§ 116 Satz 1, Satz 3, 93 Abs. 2 Satz 1 AktG bestehen. Viel wichtiger dürfte sein, dass auf der Hauptversammlung oder in der Fachpresse der Aufsichtsrat weiterhin mit einer eigenen Fehlentscheidung konfrontiert werden kann und sich inhaltlich für diese rechtfertigen muss. d) Beurteilung Es lässt sich nicht feststellen, ob Abstimmungen über konkrete Vergütungsabreden oder über ein abstraktes Kompensationssystem für Aktionäre und die Gesellschaft mit geringeren Transaktionskosten verbunden sind. Entscheidend wird die gewählte Darstellungsform und Informationsgrundlage sein. Einerseits sind Vergütungssysteme weniger griffig als eindeutige Zahlen, andererseits haben rational agierende Gesellschafter kaum ein Interesse daran, jährlich einzelne Verträge zu beurteilen. Ein ökonomisches Argument für den einen oder anderen Beschlussgegenstand lässt sich folglich nicht herausarbeiten. Gegen eine ex post oder ex ante Beurteilung von konkreten Verträgen spricht, dass keine unmittelbare Reaktionsmöglichkeit des Aufsichtsrats besteht. Die jeweiligen Konsequenzen einer Beschlussfassung hängen somit immer von der Kompromissbereitschaft des Vorstands ab. Noch gewichtiger ist jedoch, dass auf diesem Weg intensiv in den Verantwortungsbereich des Aufsichtsrats eingegriffen wird. Zu erwarten sind daher negative Impulse für die Wahrnehmung der in § 87 Abs. 1 AktG festgeschriebenen Kompetenz. Aus diesem Grund sind derartige Abstimmungen im deutschen Recht nicht angezeigt. Es genügt, wenn die Aktio149 Auf die Bedeutung der „Ja“-Stimmen hinweisend Myers, Delaware Journal of Corporate Law 2012, 417, 434. 150 Dies betonend auch Verse, NZG 2013, 921, 929.
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näre gemäß § 285 Nr. 9 HGB über die Ergebnisse der Vertragsverhandlungen informiert werden. Eine institutionalisierte Beurteilung ist hingegen nicht wünschenswert. Eine Abstimmung über ein Vergütungssystem betont demgegenüber die wichtige Letztverantwortlichkeit des Aufsichtsrats. Die Festlegung der Kompensationspolitik und die Festsetzung der Entlohnung im Einzelfall bleiben damit rechtlich getrennte Vorgänge. Auf diesem Weg kann am ehesten ein Kompromiss zwischen gewünschter Legitimationswirkung durch die Aktionärsbeteiligung und Verantwortungsbeibehaltung auf Seiten des Aufsichtsrats erreicht werden. Möglich wird so, dass sich die Organe sinnvoll ergänzen, ohne dass nachteilhafte Folgen für die Ausübung einzelner Kompetenzen zu erwarten sind. Die vorherigen Ausführungen haben gezeigt, dass eine ex ante Abstimmung über ein Vergütungssystem nicht nur rechtstechnisch am einfachsten in das Aktienrecht implementiert werden kann, die auf die Zukunft gerichtete Aussage erlaubt auch eine Kontrolle der vom Aufsichtsrat später erzielten Verhandlungsergebnisse. Bei der momentan im Aktienrecht vorgesehenen ex post Beurteilung in § 120 Abs. 4 Satz 1 AktG besteht nicht nur die Schwierigkeit, dass auf Aktionärsopposition vom Aufsichtsrat nicht autark reagiert werden kann, sondern auch die Gefahr von Rückschaufehlern auf Seiten der Hauptversammlung. Bei genauerer Betrachtung ist nicht ersichtlich, dass eine derartige Mitwirkung bezüglich der Disziplinierungswirkung oder des Legitimationsumfangs im Vergleich zu einer ex ante Gestaltung irgendeinen Vorteil haben könnte. Es ist folglich nicht verwunderlich, dass auch für den aktuellen § 120 Abs. 4 Satz 1 AktG behauptet wird, dass die Aktionäre ihre Beschlussfassung trotz des gesetzlich vorgeschriebenen Vergangenheitsbezugs meist auch als zukunftsbezogenen Fingerzeig verstanden wissen wollen.151 Festzuhalten ist somit, dass die Entscheidung, im Rahmen des § 120 Abs. 4 AktG lediglich auf ein Vergütungssystem abzustellen, überzeugen kann. Ein ergänzender Beschluss über konkrete Zahlungen ist darüber hinaus nicht notwendig. Es gibt jedoch keinen Grund, warum das Votum lediglich eine ex post Billigung erlaubt. Um eine möglichst effektive Einwirkung zu ermöglichen, ist vielmehr eine ex ante Ausrichtung notwendig.152 Die mit dem VorstKoG verfolgte Rechtsänderung wäre vor diesem Hintergrund folglich begrüßenswert gewesen. Zu weit geht demnach jedoch der am 09.04.2014 veröffentlichte Entwurf zur Änderung der Aktionärsrechterichtlinie, 153 der vergleichbar der britischen Rechtslage eine Abstimmung sowohl ex ante über die Vergütungspolitik vorschreibt, als 151 Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 284; Voth, Beratende Hauptversammlungsbeschlüsse, S. 143. 152 Auch Lund, Kentucky Law Journal 2010, 119, 153 nennt eine ex ante Abstimmung die gewichtigere Einflussmöglichkeit. 153 Europäische Kommission, COM(2014) 213 final.
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4. Kap.: Aktionärsbeteiligung und Personalkompetenz
auch eine ex post Beschlussfassung über die konkret geleisteten Zahlungen ermöglicht. 2. Notwendige Angabe für eine Abstimmung über ein Vergütungssystem
Es stellt sich dann aber die Frage, welche Informationen den Aktionären mitgeteilt werden müssen, damit eine Entscheidung über ein Vergütungssystem die gewünschte Legitimationswirkung entfalten kann. Auf die Bedeutung eines aussagekräftigen Beschlussgegenstandes ist in der Literatur mehrfach hingewiesen worden.154 Auf Grund der bisherigen Ausführungen lassen sich dabei einige Forderungen für die praktische Ausgestaltung treffen. Als eine die Aufsichtsratsentscheidung begleitende, nicht aber diese ersetzende Kompetenz, muss an die aktuellen Defizite bei der Vergütungsfestsetzung angeknüpft werden. Wesentliche Kritikpunkte sind die absolute Höhe und das Wachstum der Vergütung, sowie die Zusammenstellung der einzelnen Komponenten.155 Man wird daher verlangen müssen, dass sich genau diese Aspekte einem Vergütungssystem entnehmen lassen. Grundsätzlich gilt, dass die von der Aktionärsbeteiligung ausgehende Legitimationswirkung umso stärker ausfällt, je genauer die Vorgaben sind. Auf diesem Weg können auch die Transaktionskosten der Aktionäre gesenkt werden. Für die Umsetzung dieser Überlegungen sind zahlreiche regulatorische Wege gangbar. Eine einzig richtige Entscheidung gibt es nicht. Wichtig ist aber sicherzustellen, dass die jeweiligen Vergütungseckpunkte unmissverständlich und eindeutig angegeben werden.156 Wie bereits gezeigt, erfüllt § 120 Abs. 4 Satz 1 AktG diese Voraussetzungen in seiner aktuellen Fassung nicht. Weder der Norm selbst, noch dem DCGK lassen sich nämlich Vorgaben für die Zusammenstellung und die Darstellung eines Vergütungssystems entnehmen.157 Obwohl durch das letztendlich gescheiterte VorstKoG die Anforderungen eines Vergütungssystems zweifelsohne verständlicher geworden wären, legte die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses Wert auf die Feststellung, dass man sich „bewusst einer allzu großen Detailtiefe“ enthalten habe, um so dem Aufsichtsrat einen ausreichenden Ausfüllungsspielraum zu sichern.158 Zumindest un154 So schon Döll, WM 2010, 103, 109; Hemeling, Sachverständigenanhörung am 5. Juni 2013 zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aktiengesetzes (Aktienrechtsnovelle 2012), S. 4; Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 286 (jeweils vor dem Hintergrund des § 120 Abs. 4 AktG). 155 Siehe dazu bereit oben unter § 1 A. 156 Zur Wichtigkeit der Veröffentlichungsvorschriften auch Lieder/Fischer, European Company and Financial Law Review 2011, 376, 419–420; Thüsing, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung, S. 20. 157 Siehe dazu bereits oben unter § 5 C. II. 1. a) und § 5 C. II. 1. b). 158 BT-Drucks. 17/14214 (Beschlussempfehlung VorstKoG), S. 18; positiv dazu Wagner, BB 2013, 1731, 1733.
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terschwellig scheint diesem regulatorischen Ansatz allerdings ein Missverständnis zu Grunde zu liegen. Aus der Unmöglichkeit, in § 87 Abs. 1 AktG passgenaue Kriterien für die Festsetzung der Vorstandsvergütung vorzuschreiben,159 wird scheinbar darauf geschlossen, dass auch konkrete Offenlegungspflichten nicht vorgegeben werden können, ohne die betriebswirtschaftlich notwendige Flexibilität im Einzelfall zu wahren. Es macht jedoch einen erheblichen Unterschied, ob man dem Aufsichtsrat bestimmte Gestaltungsvarianten generell untersagt oder aufzwingt, oder ob man lediglich verlangt, dass, wenn dieser für sich eine Entscheidung getroffen hat, auch eine Mitteilung an die Aktionäre erfolgen muss. Schon die Erfahrung mit § 120 Abs. 4 AktG hat gezeigt, dass ein Vertrauen darauf, dass sich am Markt gewisse Standards entwickeln, nicht angebracht ist. Die Thematik ist sensibel. Weder der Aufsichtsrat, noch der Vorstand haben ein Eigeninteresse daran, die Hauptversammlung möglichst umfangreich zu unterrichten. Vor diesem Hintergrund besteht ein Bedürfnis nach einem strengeren Regelungskorsett.160 Aus rechtspolitischer Sicht gibt es keinen Grund, dieses Betätigungsfeld alleine der Kodex-Kommission zu überlassen. Wenn man sich wie hier für eine Anwendbarkeit der Norm auch auf nichtbörsennotierte Gesellschaften ausspricht, ist ein Einschreiten des Gesetzgebers ohnehin angezeigt. Nichtbörsennotierte Gesellschaften folgen dem DCGK nämlich wenn überhaupt nur auf freiwilliger Basis. Bei der Vorgabe entsprechender Offenlegungsvorschriften offenbaren sich zwei Probleme. Zum einen gehen Gesellschaften sehr unterschiedlich mit der Materie der Vorstandsvergütung um, was eine einheitliche Regulierung erschwert. Zum anderen stellt sich die Frage, welche Informationen man den Aktionären überhaupt mitteilen kann, ohne dass sich für eine Gesellschaft durch die quasi öffentliche Behandlung auf der Hauptversammlung ein Wettbewerbsnachteil ergibt. Die in einem System vorgesehenen Parameter können nämlich Rückschlüsse auf konkrete Geschäftsstrategien erlauben, etwa den geplanten Abverkauf eines Unternehmensteils, falls variable Vergütungsbestandteile an den Erfolg einer solchen Transaktion gekoppelt werden. Regulatorische Vorgaben sind daher mit Bedacht zu wählen. Einige Kernpunkte lassen sich jedoch mit Sicherheit zwingend vorschreiben. Denkbar wäre etwa eine Mindestangabe bei bestimmten variablen und fixen Bestandteilen. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt der Gesetzgeber in § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG, wenn Aktienoptionspakete aufgelegt werden sollen. Vergleichbare Vorschriften ließen sich auch für andere Vertragsbestandteile verfassen. Eine Regelung könnte etwa anordnen, dass, wenn Anerkennungsprämien nicht nur in Ausnahmefällen gezahlt
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Siehe dazu bereits oben unter § 3 B. II. und § 4 C. III. Deutlich positiver Schick, ZIP 2010, 593, 597–598.
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werden, deren maximale Höhe und die Kriterien der Ermessensausübung angegeben werden müssen. Genauso könnte vorgegeben werden, dass eine Offenlegung erfolgen muss, wenn Obergrenzen für alle oder einzelne Vergütungsbestandteile vorgesehen sind, anderenfalls eine Erklärung, warum solche Gestaltungen nicht für notwendig erachtet wurden. Eine solche Normierung wäre für einzelne Gesellschaften weniger einschneidend als die noch im VorstKoG vorgesehene Pflicht zur Implementierung entsprechender caps. Selbst eine standardisierte Darstellungsform ließe sich ohne größeren Aufwand entwickeln. Möglich wäre etwa eine Grafik, aus der man die prozentualen Verhältnisse einzelner Kompensationsbestandteile entnehmen kann. Die für einzelne Zahlungen vorgesehene Vergütungstabelle im DCGK ließe sich beispielsweise auch auf die abstrakte Darstellung eines Systems übertragen. Um eine Überregulierung zu verhindern, könnte auf den hinter § 286 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HGB und § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AktG stehenden Rechtsgedanken zurückgegriffen werden. So dürfte der Aufsichtsrat im Einzelfall von einer Veröffentlichung einzelner Angaben absehen, wenn ein nicht unerheblicher Nachteil für die Aktiengesellschaft zu befürchten ist. Auf diesem Weg bliebe der Aufsichtsrat hinreichend flexibel, andererseits würde eine signifikante Schwelle für die Zurückhaltung von Informationen gezogen, die auch gerichtlich nachgeprüft werden könnte. Im Entwurf zur Änderung der Aktionärsrechterichtlinie vom 09.04.2014161 wird mehrfach zu Recht betont, wie wichtig eine gute Informationsgrundlage für die Entscheidungsfindung der Aktionäre ist. Dennoch wird aber von der Europäischen Kommission kein einheitliches und transparentes System vorgegeben, um den Abstimmungsgegenstand zu bestimmen. So werden in Art. 9a Abs. 3 beispielsweise die Angabe von Höchstbeträgen für die Gesamtkompensation sowie das Verhältnis von fester und variabler Entlohnung als zentrale Bestandteile der Vergütungspolitik festgeschrieben. Es bleibt aber offen, wie diese Daten aufzuarbeiten sind. So wird nicht erläutert, ob möglichst konkrete Zahlen, abstrakte Berechnungsformeln oder lediglich deskriptive Erläuterungen gewünscht sind. Damit besteht nicht nur die Gefahr, dass die Umsetzung der Richtlinie von Mitgliedsstaat zu Mitgliedsstaat variiert, sondern auch, dass sogar innerhalb einer nationalen Rechtsordnung unterschiedliche Darstellungen für zulässig erklärt werden. Eine europaweite Vergleichbarkeit der Kompensationssysteme einzelner Gesellschaften wird dadurch fast unmöglich gemacht. Positiv ist zwar, dass in Art. 9a Abs. 3, anders als etwa im Gesetzesentwurf zum VorstKoG, für variable Vergütungsbestandteile konkret vorgeschrieben wird, welche Mindestangaben verlangt werden. So sind nicht nur die finanziellen und nicht finanziellen Leistungskriterien sowie deren Erfüllungsmaßstäbe bekannt zu geben, sondern auch Aufschubzeiten, Wartezeiten bei aktienbezogener Entlohnung, Mindesthaltefristen und Rückforderungsmöglichkeiten. Damit zeigt sich zumindest im Ansatz, 161
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dass ein konkreter Anforderungskatalog an die Vergütungspolitik rechtstatsächlich aufgestellt werden kann. Von einer wirklich umfassenden Regulierung ist der Entwurf der Richtlinie aber noch deutlich entfernt. Es bleibt daher nur zu hoffen, dass der nationale Gesetzgeber nachbessert, sollte diese Mindestregulierung tatsächlich in der vorliegenden Fassung verabschiedet werden. Für die hier bevorzugten detaillierten Vorgaben ist aber weder die Gesetzesbegründung und schon gar nicht das Aktiengesetz selbst der geeignete Ort. Vielmehr bietet sich eine den § 120 Abs. 4 AktG ergänzende Verordnung an. Ein zusätzlicher Vorteil einer solchen Regulierung wäre, dass man Änderungen an der eher technisch geprägten Materie kurzfristig und ohne ein kompliziertes parlamentarisches Verfahren ermöglichen könnte. Eine ähnliche Ausklammerung ist auch in Großbritannien vorgesehen, da die Zusammensetzung des remuneration report nicht unmittelbar im Companies Act 2006 geregelt ist, sondern in einem umfangreichen Anhang, der Large and Medium-sized Companies and Groups (Accounts and Reports) Regulations 2013. Auch dem deutschen Gesetzgeber sind derartige Gestaltungen nicht fremd. So wird beispielsweise das Wertpapierhandelsgesetz durch mehrere Verordnungen ergänzt, die den gesetzlichen Inhalt näher erläutern, etwa zur Konkretisierung der Verhaltensregeln und Organisationsanforderungen, welche für die so genannten Wertpapierdienstleistungsunternehmen gelten.162 In dem Entwurf zur Änderung der Aktionärsrechterichtlinie ist in Art. 9b Abs. 4 eine Kompetenz für den Erlass einer Durchführungsmaßnahme zur Standardisierung der Vergütungsinformationen bedauerlicherweise nur für den Vergütungsbericht vorgesehen. Offen bleibt, warum der europäische Normgeber ein ähnliches System nicht auch für die Vergütungspolitik implementieren will. Würde man eine ergänzende Verordnung zu § 120 Abs. 4 AktG erlassen, müsste ebenfalls nicht über die verstärkte Einbeziehung von Abschlussprüfern nachgedacht werden.163 Wenn man verlangt, dass diese das Kompensationssystem aufarbeiten und validieren,164 würden sich nämlich gerade die Kosten für kleinere Gesellschaften deutlich erhöhen. 3. Ergebnis
In der Gesamtschau hat sich somit gezeigt, dass die in § 120 Abs. 4 AktG geregelte Abstimmung de lege ferenda von einer ex post zu einer ex ante Beurtei162 Verordnung vom 20.07.2007, BGBl. Band I, S. 1432–1441, zuletzt geändert durch Art. 10 des Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung vom 20.09.2013, BGBl. Band I, S. 3642–3670. 163 Grundsätzlich dafür Lieder/Fischer, European Company and Financial Law Review 2011, 376, 406–407. 164 So wohl Lieder/Fischer, European Company and Financial Law Review 2011, 376, 420.
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lung aufgewertet werden sollte. Darüber hinaus ist es notwendig, die Anforderungen an Zusammenstellung und Aufarbeitung des Vergütungssystems zu konkretisieren. Auf Grund der Vielfalt existierender Aktiengesellschaften ist ein bis in das letzte Detail ausformulierter Veröffentlichungsstandard sicherlich weder rechtstechnisch möglich, noch betriebswirtschaftlich wünschenswert. Dennoch überrascht die Zurückhaltung von Gesetzgeber, Kodex-Kommission und Europäischer Kommission in diesem Bereich. In den vorherigen Ausführungen wurden zahlreiche Ansätze aufgezeigt, wie eine legislatorische Weiterentwicklung aussehen könnte. Entsprechend dem Forschungsgegenstand der Arbeit wird an dieser Stelle allerdings kein ausformulierter Vorschlag für einzelne Regelungen entwickelt. III. Notwendigkeit eines inhaltlichen Initiativrechts auf Seiten der Aktionäre Es bleibt zu klären, ob man den Aktionären auch ein Gestaltungsrecht im Rahmen der Vergütungsabstimmung zugestehen sollte. Ein solches ist auf Grund des eindeutigen Wortlauts von § 120 Abs. 4 AktG, welcher lediglich die Billigung eines vorgelegten Systems erlaubt, in der aktuellen Fassung der Norm ausgeschlossen.165 Auch die Reform durch das VorstKoG hätte ausweislich der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestags ein solches nicht vorgesehen.166 Im Entwurf zur Änderung der Aktionärsrechterichtlinie vom 09.04.2014167 heißt es unter Art. 9a Abs. 1 Satz 3, dass die Vergütungspolitik „den Aktionären mindestens alle drei Jahre zur Genehmigung vorgelegt“ werden muss. Vom Wortlaut her erlaubt der Begriff „Genehmigung“, ähnlich wie „Billigung“ im Rahmen des § 120 Abs. 4 AktG,168 kein gestaltendes Tätigwerden der Gesellschafter. Art. 9a Abs. 1 Satz 3 bezieht sich allerdings nur auf den Fall, dass der Hauptversammlung die Vergütungspolitik von der Unternehmensleitung „vorgelegt“ wird. In diesem Fall ist nach dem eindeutigen Wortlaut nur eine Entscheidung zwischen „Ja“ und „Nein“ möglich. Nicht ausdrücklich aufgegriffen wird jedoch die Frage, ob auch die Eigenkapitalgeber berechtigt sind, statt oder neben der Unternehmensleitung eine entsprechende Initiative zu starten. Der weit gefasste Art. 9a Abs. 1 Satz 1, wonach die Aktionäre grundsätzlich „das Recht haben, über die Vergütungspolitik [. . .] abzustimmen“ schließt ein derartiges Recht zumindest nicht aus. Anzuerkennen ist jedoch, dass der aktuelle Richtlinienentwurf eine entsprechende Kompetenz auch nicht ausdrücklich fordert. Die endgültige Entscheidung hinsichtlich der Ausgestaltung würde daher dem nationalen Gesetzgeber im Rahmen der Umsetzung überlassen bleiben. 165 166 167 168
Siehe dazu bereits oben unter § 5 C. II. 1. c). BT-Drucks. 17/14214 (Beschlussempfehlung VorstKoG), S. 17. Europäische Kommission, COM(2014) 213 final. Siehe dazu bereits oben unter § 5 C. II. 1. c), insbesondere bei § 5 Fn. 184.
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Die Kosten eines derartigen Initiativrechts sind für die Gesellschaft als gering einzuschätzen. Schweigen die Aktionäre, entsteht überhaupt kein zusätzlicher Aufwand. Das Risiko, dass über § 122 Abs. 2 Satz 1 AktG rechtsmissbräuchliche Initiativen gestartet werden, etwa um eine eigene Hauptversammlung mit einem entsprechenden Tagesordnungspunkt einzuberufen, ist ob des Quorums gering.169 Gegenanträge nach § 126 AktG gegen ein vom Aufsichtsrat vorgeschlagenes System verlangen zwar keine Kapitalschwelle, sind aber für die Verwaltung deutlich einfacher zu organisieren, da alleine eine Zugänglichmachung für die Anleger notwendig ist. Einer aktiven Stellungnahme bedarf es jedoch nicht. Im Schrifttum ist allerdings behauptet worden, dass man ein Vergütungssystem nur als Gesamtpaket beurteilen könne.170 Dahinter steht wohl die Befürchtung, dass einzelne Aktionärsvorgaben betriebswirtschaftlich unter Umständen unerwünschte Folgen haben und die sorgsam austarierte Vorstellung des Aufsichtsrats aushebeln könnten. Diese Gefahr besteht allerdings nur bei sehr umfangreichen Hauptversammlungsinitiativen. Wegen der Kosten einer solchen Entscheidungsfindung wird es sich dabei jedoch nur um Ausnahmefälle handeln. Da die Aktionäre aus Gemeinhaltungsgründen nicht vollständig über den gesamten Vorgang der Vergütungsverhandlung informiert werden können, scheidet eine vollständige Regulierung aus eigenem Antrieb ohnehin aus.171 Realistisch sind gerade in Publikumsgesellschaften lediglich punktuelle Änderungen. So könnten die Aktionäre etwa einen Vorschlag des Aufsichtsrats grundsätzlich billigen, aber eine andere Vergütungshöchstgrenze vorsehen.172 Auch derartige Änderungen können natürlich im Einzelfall zu schwerwiegenden Verwerfungen führen, etwa wenn die neuen Vorgaben unter den Minimalforderungen des amtierenden Vorstandsvorsitzenden liegen und somit seine Wiederbestellung verhindert wird. Gleichwohl steht es bei jeder Aktionärsinitiative der Verwaltung frei, einen Gegenvorschlag zu präsentieren und die Hauptversammlung von diesem zu überzeugen. Im oben genannten Beispiel kann den Gesellschaftern ohne weiteres mitgeteilt werden, dass die geplante Vergütungshöchstgrenze die aktuellen Vertragsverhandlungen mit dem bestehenden Personal negativ beeinflusst. Gelingt es der Verwaltung nicht, die eigene Hauptversammlung in solchen Fragen auf ihre Seite zu ziehen, spricht dies nicht nur für grundlegende gesellschaftsinterne Schwierigkeiten, son-
169 Siehe dazu Lieder/Fischer, European Company and Financial Law Review 2011, 376, 414 (vor dem Hintergrund eines auf Durchführung einer Abstimmung nach § 120 Abs. 4 AktG gerichteten Minderheitsverlangens); anders Rieckers, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 122 Rn. 37 („eher niedrig bemessen“). 170 Fleischer/Bedkowski, AG 2009, 677, 683. 171 Ähnlich Jaspers, ZRP 2010, 8, 10. 172 Ähnlich Friedrich, Die Verrechtlichung von Organbezügen als europäisches Problem, S. 84, wobei nicht deutlich wird, ob der Autor generell ein Initiativrecht befürwortet oder lediglich in Bezug auf Vergütungsobergrenzen.
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dern mangels Vermittelbarkeit auch für die Unangemessenheit des ursprünglichen Vorschlags. Auf den ersten Blick scheint die momentane Rechtslage zwar die Letztverantwortlichkeit des Aufsichtsrats zu unterstreichen.173 Immerhin obliegt dem Organ sowohl die Festsetzung der Kompensationspolitik als auch die der einzelnen Abreden, während die Aktionäre in beiden Fällen lediglich auf eine passive Rolle beschränkt sind. Wie jedoch so eben gezeigt, ist von einem Initiativrecht nicht zu erwarten, dass die Gesellschafter regelmäßig derart umfangreiche Vorgaben machen, dass von einer eigenen Entscheidung des Aufsichtsrats nicht mehr gesprochen werden kann. Vielmehr ist ein Initiativrecht als notwendig anzusehen, damit die Hauptversammlung im Einzelfall ihrem Kontrollauftrag nachkommen kann. Anderenfalls würde man die Eigenkapitalgeber bei einem nur in kleinen Teilen als defizitär empfundenen Vergütungssystem vor die Wahl stellen, diesem vollständig die Gefolgschaft zu verweigern oder dieses im Ganzen anzunehmen. Durch eine inhaltliche Einwirkung kann ein solches Dilemma gleichwohl aufgelöst werden. Die Gesellschaft profitiert, wenn die Aktionäre ein System nicht einfach nur ablehnen, sondern ihr vielmehr gleich eine akzeptable Alternative zurückgeben können.174 Die vorherigen Ausführungen haben somit gezeigt, dass die besseren Argumente dafür sprechen, einen gestaltenden Einfluss auf die Abstimmung über das Vergütungssystem zuzulassen. Negative betriebswirtschaftliche Folgen dürften die Ausnahme bleiben. De lege ferenda ist es daher angebracht, ein entsprechendes Initiativrecht im Rahmen des § 120 Abs. 4 AktG zu verankern. IV. Verbindlichkeit des Abstimmungsergebnisses Gemäß § 120 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 1 AktG begründet die Abstimmung aktuell „weder Rechte noch Pflichten“. Durch die im VorstKoG vorgesehenen Änderungen sollte das Ergebnis jedoch für den Aufsichtsrat zu einer verbindlichen Vorgabe gemacht werden. Der Entwurf zur Änderung der Aktionärsrechterichtlinie vom 09.04.2014175 schreibt in Art. 9a Abs. 1 Satz 2 für die Abstimmung über die Vergütungspolitik ebenfalls eine zwingende Bindung vor. Bei Einführung des VorstAG hat gerade die Unverbindlichkeit der Entscheidung aus dogmatischer176 173 Daher gegen die Einführung eines solchen Gestaltungsrechts J. Koch, Stellungnahme zur Aktienrechtsnovelle 2013 und Änderungsanträgen, S. 5. 174 Friedrich, Die Verrechtlichung von Organbezügen als europäisches Problem, S. 84. 175 Europäische Kommission, COM(2014) 213 final. 176 Begemann/Laue, BB 2009, 2442, 2444 verneinen die Beschlussqualität des § 120 Abs. 4 AktG ob der mangelnden Bindungswirkung; ähnlich wohl Spindler, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), § 120 Rn. 65; Fleischer, AG 2010, 681, 681–684 nahm die Einführung zum Anlass, die Systematik von Hauptversammlungsbeschlüssen zu untersuchen; siehe auch auch Voth, Beratende Hauptversammlungsbeschlüsse, S. 169–173.
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und aus praktischer Sicht177 für besondere Aufmerksamkeit gesorgt. Allerdings sind Aktionärskompetenzen ohne unmittelbare Rechtsfolge dem deutschen Recht auch vor dem VorstAG nicht fremd gewesen. So erlaubt § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG einen Vertrauensentzug auszusprechen, ohne dass damit eine direkte Konsequenz für den betroffenen Geschäftsleiter verbunden ist. Ebenfalls ohne direkte rechtliche Wirkung bleibt der Entlastungsbeschluss nach § 120 Abs. 1, Abs. 2 AktG,178 welcher oft als „platonische Vertrauenskundgebung“ 179 bezeichnet wird. Aus ökonomischer Sicht sind unverbindliche Abstimmungen allerdings aus gutem Grund eine Ausnahme. Die Kosten einer Beschlussfassung entstehen nämlich unabhängig davon, ob das Ergebnis den Aufsichtsrat oder den Vorstand bindet. Wird ein nur beratendes Votum von der Verwaltung ignoriert, sind die Ressourcen von Gesellschaftern und Gesellschaft sinnlos aufgewendet worden. Dieses Risiko kann auf Seiten der Angeleger zum Anlass genommen werden, sich weniger intensiv mit einer unverbindlichen Beteiligung auseinanderzusetzen. Gerade wenn von vorneherein feststeht, dass ein Ergebnis keine Beachtung finden wird, lohnt sich aus ökonomischer Sicht eine informierte Stimmabgabe nicht. 1. Allgemeine Überlegungen
a) Unmittelbare Auswirkungen einer Verbindlichkeitserklärung In der Beschlussempfehlung zum VorstAG begründet der Rechtsausschuss die mangelnde Verbindlichkeit der Abstimmung mit der Öffentlichkeitswirkung, die sich unabhängig von einer vorgeschriebenen Rechtsfolge entwickeln soll.180 Teilweise wird sogar befürchtet, bei einem verbindlichen Votum würde die Gefahr bestehen, dass sich die Verwaltung auch nur an dem Endergebnis messen lassen würde, das Gespür für abweichende Minderheiten also verloren gehe.181 Es ist allerdings nicht ersichtlich, warum es bei einer bindenden Beteiligung plötzlich keine schwerwiegende Niederlage mehr darstellen soll, wenn sich ein signifikanter Aktionärsteil gegen das vorgeschlagene System ausspricht. Wegen der gesteigerten Sensibilisierung für die Thematik ist es kaum vorstellbar, dass durch eine 177 Butzke, Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, Kapitel Q Rn. 27 nennt die Einführung „kurios“. 178 Ein negativer Entlastungsbeschluss ist nach wohl herrschender Meinung nicht gleichbedeutend mit dem bereits erwähnten Vertrauensentzug nach § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG. Zwar kann der formale Akt des Vertrauensentzugs mit anderen Beschlussgegenständen verbunden werden, eine ordnungsgemäße Bekanntmachung ist jedoch notwendig, siehe Wiesner, in: Hoffmann-Becking (Hrsg.), Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 4, § 20 Rn. 50; vergleiche auch Spindler, in: MünchKommAktG, § 84 Rn. 138. 179 Siehe nur Fleischer, AG 2010, 681, 683. 180 BT-Drucks. 16/13433 (Beschlussempfehlung VorstAG), S. 12. 181 Fleischer/Bedkowski, AG 2009, 677, 685; Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 53–54.
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entsprechende Änderung die Bedeutung des genauen Abstimmungsergebnisses verblasst. Spiegelbildlich ist freilich davon auszugehen, dass die Öffentlichkeitswirkung einer Entscheidung durch eine Verbindlichkeitserklärung nicht nennenswert verstärkt wird. Für die Reputationsschäden ist die rechtliche Wirkung des Beschlusses daher tendenziell unerheblich.182 Durch eine verbindliche Abstimmung würde aber zumindest aus formaljuristischer Sicht stärker in die Letztverantwortlichkeit des Aufsichtsrats und damit in das aktuell bestehende Kompetenzsystem eingegriffen.183 Dessen Mitglieder könnten in den Vertragsverhandlungen keinen vollkommen eigenen Weg mehr einschlagen, sondern dürften sich nur noch in dem vorgegebenen Rahmen bewegen. Auf Grund drohender Reputationsschäden wird sich der Aufsichtsrat allerdings auch bei einem unverbindlichen Ergebnis sehr genau überlegen, ob von den im Beschluss enthaltenen Vorgaben abgewichen werden soll. Immerhin haben sich in diesem die Aktionärsinteressen konkretisiert. Für das Verantwortlichkeitsgefühl eines pflichtgemäß handelnden Aufsichtsrats dürfte die Rechtsnatur der vorherigen Abstimmung folglich nur eine untergeordnete Rolle spielen. Auch die haftungsrechtlichen Unterschiede sind eher als gering einzuschätzen. Richtig ist zwar, dass nach § 93 Abs. 4 Satz 1 AktG dem Aufsichtsrat zumindest bei einer ex ante Abstimmung dann kein Vorwurf mehr gemacht werden kann, wenn zwingende Vorgaben aus einem verbindlichen System in einzelne Verträge übernommen wurden, sich aber nachträglich genau deren Nachteilhaftigkeit herausstellt. Realistisch betrachtet dürften ähnliche Konsequenzen allerdings auch bei einer unverbindlichen Mitwirkung zu Stande kommen.184 Zwar greift hier nicht unmittelbar § 93 Abs. 4 Satz 1 AktG ein. Dennoch wird es bei einer hohen Aktionärszustimmung faktisch schwer fallen, einen haftungsrelevanten Fehler zu finden. Es erscheint eher fernliegend, dass ein Gericht etwa eine konkrete Vergütungsobergrenze für unangemessen erklärt und trotz der business judgement rule einen haftungsrechtlichen Rückgriff auf die Aufsichtsratsmitglieder erlaubt, obwohl eine überwältigende Mehrheit der Aktionäre ohne kritisches Nachfragen auf einer Hauptversammlung deren Implementierung gebilligt hatte. Bezüglich des Beschlussmängelrechts würden sich ebenfalls keine Änderungen ergeben. Bereits unter der aktuellen Rechtslage ist auf Grund des allgemei182 Ähnlich Hemeling, Sachverständigenanhörung am 5. Juni 2013 zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aktiengesetzes (Aktienrechtsnovelle 2012), S. 3 („gleiche Wirkung“). 183 Hemeling, Sachverständigenanhörung am 5. Juni 2013 zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aktiengesetzes (Aktienrechtsnovelle 2012), S. 3; Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 317; Lieder/Fischer, European Company and Financial Law Review 2011, 376, 408, 420–421; ähnlich wohl Rieble/Schmittlein, Vergütung von Vorständen und Führungskräften, Rn. 272; Schüppen, ZIP 2010, 905, 909. 184 Aufschlussreich dazu Myers, Delaware Journal of Corporate Law 2012, 417, 440–445.
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nen Justizgewähranspruchs eine umfassende Nachkontrolle über § 256 ZPO möglich.185 Es liegt auf der Hand, dass insbesondere bei einem verbindlichen Votum sowohl die Verwaltung als auch die Aktionäre ein erkennbares Interesse daran haben, dass die Entscheidung auf gesetzmäßigen Grundlagen beruht. Nicht nachvollziehbar ist daher, warum trotz Verbindlichkeitserklärung in § 120 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2 AktG i. d. F. des VorstKoG am Ausschluss der Anfechtungsklage festgehalten werden sollte.186 Bei einer Novellierung des § 120 Abs. 4 AktG täte der Gesetzgeber in jedem Fall gut daran, aus Gründen der Rechtsklarheit den Ausschluss des § 243 AktG zu streichen. b) Verhinderung von Missbräuchen Eine gesetzliche Verbindlichkeitserklärung kann in einzelnen Fällen aber über die allein mit drohenden Reputationsschäden hervorgerufene Wirkung hinausgehen. Es gibt Gesellschaften, in denen nicht genug andere Interessengruppen von einer Aktionärsbeteiligung Kenntnis erlangen, um einen ausreichenden Rechtfertigungsdruck aufzubauen. Findet etwa keine Berichterstattung in der Presse statt und gibt es keine langfristig interessierten Vertragspartner, verliert sich die Bedeutung einer unverbindlichen Abstimmung. Der Aufsichtsrat kann dann versuchen, selbst bei hoch ausfallender Ablehnung den Eigenkapitalgebern lediglich halbherzige Zugeständnisse anzubieten, wenn überhaupt auf diese eingegangen wird. Eine entsprechend starke Verwaltung, die beispielsweise eine Abberufung oder Versagung einer Wiederwahl nicht fürchten muss, kann sich vollständig über den Aktionärswillen hinwegsetzen. Zu solchen Situationen kann es auch in großen Publikumsgesellschaften kommen, wenn sich der Aufsichtsrat in seiner letzten Amtsperiode befindet oder weiß, dass der Hauptversammlung ohnehin keine personellen Alternativen zur Verfügung stehen. Dieses Missbrauchsrisiko kann durch eine Verbindlichkeitserklärung ausgeschlossen werden. c) Notwendigkeit eines Ermessensspielraums auf Seiten des Aufsichtsrats Man muss sich ferner die Frage stellen, warum man dem Aufsichtsrat überhaupt die Berechtigung einräumen sollte, sich über den konkretisierten Aktionärswillen hinwegzusetzen. Widersprüchlich ist es, den Aktionären zwar den erforderlichen Sachverstand für ein beratendes Votum zuzusprechen,187 aber den für eine bindende Abstimmung zu verneinen.188 Unterstellt man, dass die Aktionäre mit der Thematik überfordert sind, ist ihnen überhaupt keine Mitsprache ein185
Siehe dazu bereits oben unter § 5 C. II. 2. Kritisch zu Recht Habersack, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aktiengesetzes (Aktienrechtsnovelle 2012), S. 8; Verse, NZG 2013, 921, 929. 187 Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 313. 188 Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 316. 186
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zuräumen. Wie unter § 6 gezeigt, gibt es für eine solche Annahme jedoch keinen Grund.189 Zwar hat der Aufsichtsrat in den konkreten Vertragsverhandlungen einen Informationsvorsprung, welcher den Aktionären nicht zuletzt aus betriebswirtschaftlichen Gründen nicht dargelegt werden kann. Es ist demnach durchaus denkbar, dass es zu Situationen kommt, in denen der Aufsichtsrat von dem existierenden System abweichen will, weil dessen Mitglieder zu Recht oder zu Unrecht annehmen, dass dies auf Grund veränderter Umstände zwingend notwendig sei und im Interesse der Aktionäre liege. Zu § 120 Abs. 4 AktG i. d. F. des VorstKoG wurde vertreten, der Aufsichtsrat müsse trotz Verbindlichkeitserklärung einen eigenen Weg einschlagen dürfen, wenn sich die Vorgaben „als nicht mehr zeitgemäß herausgestellt haben“, etwa bei einer Änderung von strategischen Unternehmenszielen oder der „internationalen oder unternehmensinternen Vergütungsstandards“ oder sogar, wenn nur auf diesem Weg eine konkrete Personalentscheidung umgesetzt werden könne.190 Ließe man dies jedoch zu, würde man dem Organ letztendlich genau den Ermessensspielraum wieder einräumen, der durch das Einschreiten der Aktionäre eigentlich beschränkt werden soll. Es ist nicht anzunehmen, dass dies zu besseren Entscheidungen im Einzelfall führen würde. Es dürfte nämlich auch für einen verantwortungsbewussten Aufsichtsrat nicht immer leicht sein, zwischen einem Handeln im wohlverstandenen Interesse der Gesellschafter oder der vorschnellen Aufgabe einer gebotenen Verhandlungsposition zu unterscheiden. Gesteht man dem Aufsichtsrat zu, sich, aus welchen Gründen auch immer, über die Aktionärsvorgaben hinwegsetzen zu dürfen, wird nicht nur die gewünschte Legitimationswirkung der Beteiligung wieder hinterfragt, sondern außerdem die Bedeutung der gesamten Kompetenz abgewertet. Wenn man sich, wie hier, positive Impulse von der Mitwirkung der Gesellschafter erhofft, gilt es diese zu der Wahrnehmung der ihnen zugedachten Rolle zu ermutigen. Es ist anzunehmen, dass eine Verbindlichkeitserklärung auch das Verantwortungsgefühl der Aktionäre ansprechen kann.191 d) Beurteilung Die Untersuchung hat gezeigt, dass es in vielen Fällen keine Rolle spielt, ob ein Beschluss nach § 120 Abs. 4 AktG vom Aufsichtsrat zwingend befolgt werden muss.192 Nicht zuletzt auf Grund des drohenden Reputationsschadens wird 189
Siehe dazu insbesondere bereits oben unter § 6 A. I. 1. a) und § 6 A. I. 3. Wagner, BB 2013, 1731, 1735. 191 So allgemein Wymeersch, in: FS Lutter, S. 213, 228; auch Bachmann, WM 2011, 1301, 1305 („nicht (nur) Pflichten aufbürden, sondern muss auch entsprechende Anreize schaffen“); ähnlich wohl Drygala, ZRP 2012, 161, 164 konkret in Bezug auf die Vorstandsvergütung. 192 So auch Fleischer/Bedkowski, AG 2009, 677, 685. 190
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ein pflichtgemäß handelnder Aufsichtsrat ohnehin versuchen, sich an dem im System konkretisierten Aktionärswillen zu orientieren. Eine Verbindlichkeitserklärung verhindert aber, dass sich eine entsprechend mächtige Verwaltung gegen eine Hauptversammlungsmehrheit durchsetzt. Es existiert kein Grund, warum man dem Aufsichtsrat erlauben sollte, seine eigene Einschätzung über die der Aktionäre zu stellen. Aus ökonomischer Sicht wird so sichergestellt, dass die für eine Beschlussfassung aufgewendeten Ressourcen nicht sinnlos eingesetzt wurden. Unter institutionellen Gesichtspunkten ist es zudem wichtig, die Bedeutung der Aktionäre für diesen Themenbereich zu unterstreichen. Eine Verbindlichkeitserklärung ist, wie gerade gezeigt, auch ein politisches Signal und ein klares Bekenntnis zur Aktionärsdemokratie in einem Bereich, in dem tatsächlich ein Bedürfnis für entsprechende Kompetenzen besteht. Die besseren Argumente sprechen daher in der Gesamtschau für eine bindende Entscheidung. 2. Rechtspraktische Umsetzung
Eine Verbindlichkeitserklärung bedeutet zuerst einmal, dass die Aktionärsvorgaben zwingend beachtet werden müssen. Man darf dem Aufsichtsrat im Einzelfall nicht gestatten, von dem verabschiedeten System abzuweichen. Anderenfalls wäre die festgeschriebene Rechtsfolge nur ein Lippenbekenntnis. Es sind ohnehin nur sehr wenige Konstellationen denkbar, bei denen sich zwischen zwei Hauptversammlungen die Rahmenbedingungen derart stark wandeln, dass auf Grundlage des bestehenden Systems keine zufriedenstellende Lösung mehr gefunden werden kann.193 Man könnte sich etwa vorstellen, dass bestimmte Aktien für ein Optionsprogramm plötzlich nicht mehr verfügbar sind, obwohl der Beschluss der Aktionäre deren Berücksichtigung fordert. In solchen Situation sollte es dem Aufsichtsrat freistehen, eine Anpassung eines Vertragsverhältnisses nach einer Beschlussfassung über ein neues Systems in Aussicht zu stellen.194 Lediglich in dem unwahrscheinlichen Fall, dass auf Grundlage des bestehenden Vergütungssystems schlechterdings keine Einzelabreden getroffen werden können, die mit § 87 Abs. 1 AktG im Einklang stehen, verlieren die Vorgaben ihre Bindewirkung. Eine Aktionärsabstimmung kann nämlich den zwingenden Normbefehl des § 87 Abs. 1 AktG nicht suspendieren. Würde der Aufsichtsrat in einer solchen Situation dennoch dem Vergütungssystem folgen, würde auch § 93 Abs. 4 Satz 1 AktG nicht mehr eingreifen.195 Von dieser Ausnahme abgesehen, hat eine Verbindlichkeitserklärung jedoch absolut zu gelten. 193 Das erkennt auch Wagner, BB 2013, 1731, 1735 an, der sich bezüglich § 120 Abs. 4 AktG i. d. F. des VorstKoG dennoch für einzelne Ausnahmen ausspricht. 194 Anzuerkennen ist allerdings, dass ein solches Vorgehen die Kandidatensuche erschweren kann, Hemeling, Sachverständigenanhörung am 5. Juni 2013 zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aktiengesetzes (Aktienrechtsnovelle 2012), S. 4. 195 So vor dem Hintergrund der im VorstKoG enthaltenen Regelung Verse, NZG 2013, 921, 930.
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a) Nichtbefolgung einzelner Vorgaben durch den Aufsichtsrat Es bleibt zu klären, wie die Beachtung des Abstimmungsergebnisses rechtstechnisch durchgesetzt werden kann. Im am 09.04.2014 veröffentlichten Entwurf zur Änderung der Aktionärsrechterichtlinie 196 heißt es unter Art. 9a Abs. 1 Satz 2, dass börsennotierte Aktiengesellschaften „die Mitglieder der Unternehmensleitung nur entsprechend der von den Aktionären genehmigten Vergütungspolitik“ entlohnen sollen. Was bei einem Verstoß gegen diese Vorgabe passieren soll, gibt die Europäische Kommission jedoch nicht vor. In Art. 9a Abs. 1 Satz 5 wird lediglich die Möglichkeit eingeräumt, eine von der Vergütungspolitik abweichende Individualvergütung nachträglich von den Gesellschaftern genehmigen zu lassen.197 Für die durch das VorstKoG vorgesehenen Änderungen war der Beschlussempfehlung zu entnehmen, dass sich der Aufsichtsrat schadensersatzpflichtig machen könne, wenn er sich über das bestehende Vergütungssystem hinwegsetzt.198 Dabei wollte sich der Gesetzgeber wohl an § 87 Abs. 1 AktG orientieren. Die herrschende Meinung versteht diese Norm ebenfalls nicht als Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB199 oder als Beschränkung der Vertretungsmacht200 bei Vertragsabschluss. Vielmehr kann aus einem Verstoß gegen § 87 Abs. 1 AktG ein Ersatzanspruch erwachsen, falls die sonstigen Voraussetzungen der §§ 116 Satz 1, Satz 3, 93 Abs. 2 Satz 1 AktG vorliegen.201 Um die Einhaltung des § 87 Abs. 1 AktG abzusichern, ist eine derartige Rechtsfolge auch sachgerecht. Lässt man die praktischen Schwierigkeiten bei der Bestimmung einer angemessenen Vorstandsvergütung außen vor, kann der über diesen Betrag hinausgehende Teil einer Kompensationsabrede unproblematisch als Schaden qualifiziert werden. Eine Abweichung von einem Vergütungssystem ist demgegenüber nicht automatisch mit einer Vermögenseinbuße der Gesellschaft gleichzusetzen. Deutlich wird dies etwa, wenn der Aufsichtsrat durch Nichtberücksichtigung der Vorgaben im Ergebnis eine geringere Entlohnung erzielt. So wäre es denkbar, dass weniger kostenintensive Parameter für variable Kompensationsbestandteile vereinbart werden als im Beschluss vorgesehen. Ein 196 197
Europäische Kommission, COM(2014) 213 final. Kritisch dazu aus praktischen Gesichtspunkten Mense/Klie, GWR 2014, 232,
234. 198
BT-Drucks. 17/14214 (Beschlussempfehlung VorstKoG), S. 18. Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 87 Rn. 58; Grattenthaler, Die Vergütung von Vorstandsmitgliedern in Aktiengesellschaften, S. 382; Hoffmann-Becking, NZG 1999, 797, 798; Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 87 Rn 5; Rieble/Schmittlein, Vergütung von Vorständen und Führungskräften, Rn. 92; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), § 87 Rn. 17; Spindler, in: MünchKommAktG, § 87 Rn. 137. 200 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 395, Säcker/ Stenzel, JZ 2006, 1151, 1154. 201 Ganz herrschende Meinung, siehe nur Grattenthaler, Die Vergütung von Vorstandsmitgliedern in Aktiengesellschaften, S. 385–390; Hoffmann-Becking, ZHR 169 (2005), 155, 157; Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 87 Rn. 5. 199
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solches Vorgehen liegt nicht unbedingt im Interesse der Gesellschafter. Wenn der Aufsichtsrat etwa die vom System für einzelne Verträge vorgeschriebenen Kennzahlen, beispielsweise Mitarbeiterzufriedenheit oder Personalwachstum, mit anderen Faktoren, wie Gewinn, Umsatz oder Absatzsteigerungen austauscht, würde dies zwar nicht unbedingt höhere Ausgaben verursachen, aber eine völlig andere Steuerungswirkung entwickeln. Solche Zuwiderhandlungen können mit einem Schadensersatzanspruch kaum erfasst werden. Zwar könnte man beispielsweise eine Abrede, die an eine Zielvorgabe anknüpft, die im System nicht vorgesehen war, insgesamt als unfreiwillige Vermögenseinbuße qualifizieren. Man wird dann aber auch berücksichtigen müssen, was dadurch eingespart worden ist, dass zugelassene Gestaltungsvarianten nicht ausgeschöpft wurden. In der Praxis wären daher komplizierte Rechenspiele zu befürchten, welche eine gerichtliche Rechtsdurchsetzung unattraktiv machen. Insgesamt lässt sich deswegen festhalten, dass die §§ 116 Satz 1, Satz 3, 93 Abs. 2 Satz 1 AktG ungeeignet sind, um ein eigenmächtiges Handeln des Aufsichtsrats im Rahmen des § 120 Abs. 4 AktG zu sanktionieren. Es bietet sich stattdessen an, de lege ferenda im Fall einer Abweichung von den im System festgelegten Grundlagen direkt an der Vertretungsmacht des Aufsichtsrats hinsichtlich der Vergütungsabrede anzusetzen.202 Ignoriert der Aufsichtsrat die verbindlichen Vorgaben der Hauptversammlung, sollte eine Vergütungsabrede zwischen dem Vorstand und der Gesellschaft überhaupt nicht zustande kommen und damit Nachverhandlungen notwendig werden. Das Vorstandsmitglied ist in einer solchen Situation regelmäßig auch nicht schutzwürdig, da diesem das System bekannt gemacht werden kann, wenn es als bereits berufenes Mitglied der Geschäftsleitung nicht ohnehin mit dessen Inhalt vertraut ist.203 Es gibt keinen Grund, den Verwaltungsorganen das Recht einzuräumen, sich bewusst über das ex ante genehmigte System der Aktionäre hinwegzusetzen. Die erheblichen Rechtsunsicherheiten, die mit einer Nachverhandlung zwangsweise verbunden sind, dürften eine ausreichende Abschreckungswirkung entfalten, um einen derartigen Verstoß unattraktiv erscheinen zu lassen. b) Rechtsfolgen einer ablehnenden Entscheidung Bei einer verbindlichen Beteiligung der Eigenkapitalgeber muss auch festgestellt werden, was bei einer ablehnenden Entscheidung gelten soll. Offensichtlich ist erst einmal nur, dass das gescheiterte Vergütungssystem keine Verwendung finden darf. In der Beschlussempfehlung zum VorstKoG hieß es dazu, dass der 202 Für diese Rechtsfolge schon unter Geltung des letztendlich gescheiterten VorstKoG Ziemons, GWR 2013, 283, 285; für eine Einordnung de lege ferenda als Verbotsgesetz Zetzsche, NZG 2014, 1121, 1130; siehe auch Verse, NZG 2013, 921, 928. 203 Ähnlich Zetzsche, NZG 2014, 1121, 1130.
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Aufsichtsrat „selbstverständlich berechtigt“ bleiben sollte, Verträge auf „Basis eines älteren Vergütungssystem oder im Rahmen des § 87 [AktG] abzuschließen“.204 Der Entwurf zur Änderung der Aktionärsrechterichtlinie vom 09.04. 2014205 schweigt zu diesem zentralen Punkt vollständig und überlässt diese entscheidende Frage damit vollständig den nationalen Rechtsordnungen. In der ablehnenden Haltung der Aktionäre zu einem aktuellen Vorschlag kann, entgegen der in der Beschlussempfehlung zum VorstKoG vertretenen Ansicht206, nicht automatisch auch eine Befürwortung des Vorgängersystems gesehen werden. Die Aktionäre erteilen ihre Zustimmung immer vor dem Hintergrund konkreter Erwartungen und aktueller Entwicklungen. Derartige Einschätzungen können sich von Abstimmung zu Abstimmung ändern. Ganz besonders deutlich wird dies, wenn die Aktionäre dem unveränderten Vergütungssystem aus dem Vorjahr nun die Zustimmung verweigern, da sie mit den Auswirkungen, die sich in der Praxis gezeigt haben, unzufrieden sind.207 Hier den Rückgriff auf das vorherige, identische System zu erlauben oder einen solchen gar vorzuschreiben, wäre widersinnig. Vor diesem Hintergrund bleibt bei Abstimmungsniederlagen nur, den Aufsichtsrat ausschließlich auf § 87 Abs. 1 AktG zu verweisen. Dies führt zu der auf den ersten Blick eigenartigen Konsequenz, dass bei einer ablehnenden Entscheidung der Aktionäre der Aufsichtsrat einen größeren Handlungsspielraum genießt, als wenn ein irgendwie geartetes System genehmigt worden wäre. Wegen der hohen Reputationsschäden ist allerdings nicht davon auszugehen, dass dieser bewusst eine solche Situation herbeiführen wird, um sich im Einzelfall mehr Flexibilität für die Vertragsverhandlungen zu eröffnen. Darüber hinaus zeigt sich an dieser Stelle die Bedeutung eines inhaltlichen Initiativrechts auf Seiten der Hauptversammlung.208 Durch dieses wird sichergestellt, dass die Aktionäre nur als ultima ratio dazu gezwungen werden, ein System vollständig abzulehnen. Als Alternative bliebe immer auch die Möglichkeit, punktuelle Verbesserungen vorschlagen zu können. 3. Ergebnis
Die besseren Argumente sprechen für die Verbindlichkeitserklärung einer ex ante Abstimmung über das Vergütungssystem. Art. 9a des Entwurfs zur Änderung der Aktionärsrechterichtlinie vom 09.04.2014 überzeugt insoweit. Auf diesem Weg wird sichergestellt, dass die Vorgaben einer Aktionärsmehrheit auch bei 204
BT-Drucks. 17/14214 (Beschlussempfehlung VorstKoG), S. 18. Europäische Kommission, COM(2014) 213 final. 206 BT-Drucks. 17/14214 (Beschlussempfehlung VorstKoG), S. 18. 207 Simon, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aktiengesetzes (Aktienrechtsnovelle 2012), Sachverständigenanhörung, S. 8. 208 Siehe dazu bereits oben unter § 8 B. III. 205
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nur geringer Öffentlichkeitswirkung und starken Verwaltungsorganen Berücksichtigung finden. Notwendig ist allerdings eine entsprechende rechtliche Absicherung des Ergebnisses. Wie gezeigt, bietet sich ein Schadensersatzanspruch aus §§ 116 Satz 1, Satz 3, 93 Abs. 2 Satz 1 AktG dafür nicht an. Vielmehr sollte unmittelbar an die Vertretungsmacht des Aufsichtsrats angeknüpft werden. Bei einer ablehnenden ex ante Aktionärsentscheidung bleibt nur, die Festsetzung einzelner Abreden zukünftig an § 87 Abs. 1 AktG zu messen. Der Aufsichtsrat wird dann bis zur nächsten Abstimmung von allen Aktionärsvorgaben freigestellt. Auf Grund der hohen Reputationsschäden und durch das hier befürwortete Initiativrecht wird jedoch sichergestellt, dass solche Situationen die Ausnahme bleiben. V. Verpflichtende Durchführung der Abstimmung und Abstimmungsturnus Weiterhin gilt es zu klären, in welchem zeitlichen Turnus die Aktionäre mit einer Abstimmung konfrontiert werden sollten. Da die ökonomische Analyse gezeigt hat, dass nicht dauerhaft ein Bedürfnis für eine entsprechende Kompetenzwahrnehmung besteht,209 würde es sich zumindest theoretisch anbieten, den Aktionären einen derartigen Mechanismus nur situationsbezogen zur Verfügung zu stellen. Dies würde eine informierte Wahrnehmung wahrscheinlicher und damit das Resultat aussagekräftiger machen. Wann jedoch die Notwendigkeit einer Beschlussfassung existiert, lässt sich ob der Vielfalt denkbarer Situationen abstrakt nicht bestimmen. Eine gesetzliche Regelung, die eine Abstimmung an ein bestimmtes Ereignis knüpft, scheidet daher als legislatorische Maßnahme aus. Man könnte die Aktionäre und die Verwaltung selbst darüber entscheiden lassen, wann eine Abstimmung als wünschenswert angesehen wird.210 Dieses Konzept verfolgt der Gesetzgeber aktuell in § 120 Abs. 4 AktG. Allerdings fallen bei einer derartigen Ausrichtung die Transaktionskosten deutlich höher aus, da sich die Aktionäre erst untereinander über die Aufnahme eines Tagesordnungspunktes abstimmen müssen, falls Aufsichtsrat und Vorstand nicht selbst aktiv werden. Solche Situationen sind anfällig für Kollektivhandlungsprobleme.211 So ist bei der Einführung des § 120 Abs. 4 AktG befürchtet worden, dass die Regelung wegen derartiger Schwierigkeiten kaum eine Rolle spielen werde.212 Auch die von 209
Siehe dazu bereits oben unter § 8 A. II. Dafür etwa Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 276; Lieder/Fischer, European Company and Financial Law Review 2011, 376, 414, allerdings nur bei gleichzeitiger Herabsetzung der Anforderungen aus § 122 Abs. 2 AktG; für eine vergleichbare Lösung vor dem Hintergrund der amerikanischen Rechtslage Gordon, Harvard Journal on Legislation 2009, 323, 326, 356. 211 Döll, WM 2010, 103, 108. 212 Lingemann, BB 2009, 1918, 1923; kritisch zu den Anforderungen des § 122 Abs. 2 AktG auch Döll, WM 2010, 103, 108; Hirte, Stellungnahme zum Fraktionsentwurf eines Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung, S. 10. 210
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4. Kap.: Aktionärsbeteiligung und Personalkompetenz
einer ruhenden Kompetenz ausgehende, disziplinierende Wirkung wird durch eine solche Gestaltung einschränkt, da sich die Aktionäre nicht unmittelbar gegen den Aufsichtsrat aussprechen können, sondern als vorgelagerten Schritt eine Initiative nach § 122 Abs. 2 AktG starten müssten. In der Praxis wurden viele dieser Risiken zumindest teilweise dadurch entschärft, dass der DCGK seit 2009 in Ziff. 4.2.3 die Vorstellung des Vergütungssystems auf der Hauptversammlung empfiehlt, in seiner aktuellen Fassung allerdings nach der erstmaligen Abstimmung nur noch bei späteren Änderungen. § 120 Abs. 4 Satz 1 AktG i. d. F. des VorstKoG hätte eine jährliche Pflichtbefassung vorgesehen. Die Folge wäre gewesen, dass die Kosten eines Votums selbst dann angefallen wären, wenn Verwaltung und das Gros der Aktionäre kein Bedürfnis für eine Auseinandersetzung hätten erkennen können. Es ist daher zu vermuten, dass es insbesondere in wirtschaftlich guten Jahren kaum vollinformierte Entscheidungen gegeben hätte. Dies wiederum schränkt die Bedeutung des gefundenen Ergebnisses ein und belastet den zeitlichen Rahmen einer Hauptversammlung unnötig.213 Eine Beschlussfassung ist tatsächlich nicht bei jeder Gesellschaft notwendig. Gerade bei einem überschaubaren Aktionärskreis kann teilweise viel effektiver und unmittelbarer auf den Aufsichtsrat und den Vorstand eingewirkt werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn alle Gesellschafter selbst in einem der Verwaltungsorgane vertreten sind. Solche und ähnliche Situationen kann man sich gerade bei nichtbörsennotierten Gesellschaften vorstellen, die nach hier vertretener Ansicht zumindest nicht grundsätzlich von der Beschlussfassung über das Vergütungssystem ausgeschlossen werden sollten.214 Insgesamt sprechen aber die besseren Argumente für eine verpflichtende Durchführung. So zeigt etwa auch die Erfahrung mit der aktuellen Rechtslage, dass seit dem Einführungsjahr 2010 keine flächendeckenden Abstimmungen mehr durchgeführt wurden. Aus eigener Initiative tun sich zumindest in Publikumsgesellschaften die Aktionäre demnach schwer, für eine Berücksichtigung des § 120 Abs. 4 AktG zu sorgen. Eine breite Vergleichsgrundlage ist aber notwendig, um ein Gespür für eine gering ausfallende Aktionärsopposition entwickeln zu können. Gerade darin liegt die Stärke einer öffentlichkeitswirksamen Befassung. Auch aus institutionellen Gesichtspunkten ist eine regelmäßige Beschäftigung der Aktionäre wichtig, um die gewünschte Legitimation zu erneuern und die Sensibilität für das Thema aufrecht zu erhalten. Ein fortlaufender Rechtfertigungsdruck ist wünschenswert.215 Diese Überlegungen gelten für börsen213 Ähnlich J. Koch, Stellungnahme zur Aktienrechtsnovelle 2013 und Änderungsanträgen, S. 5 (Abstimmung nur dann, „wenn zwingend erforderlich“), der sich im Ergebnis aber insgesamt gegen eine periodische Beschäftigung mit der Thematik ausspricht. 214 Siehe dazu bereits oben unter § 8 B. I. 215 Döll, WM 2010, 103, 108.
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notierte wie nichtbörsennotierte Gesellschaften gleichermaßen. Auch wenn im Einzelfall bei einem kleinen Anlegerkreis informelle Einwirkungen sehr effektiv sein können, so ist doch bereits gezeigt worden, dass § 3 Abs. 2 AktG nichts über die Bedeutung von institutionalisierten Aktionärskompetenzen aussagt.216 Es bietet sich indes keine Beschäftigung mit dem Kompensationssystem auf jeder ordentlichen Hauptversammlung an. Zwar ist es richtig, dass sich Stärken und Schwächen solcher Vorgaben erst mit der Zeit herausstellen können.217 Keinesfalls verlangt eine verhaltenssteuernde Wirkung allerdings eine jährliche Kontrolle.218 Die in § 120 Abs. 4 AktG i. d. F. des VorstKoG enthaltene zeitliche Vorgabe wirkt vor diesem Hintergrund zu eng.219 Angezeigt ist vielmehr ein Mittelweg, welcher Gesellschaft wie Gesellschafter vor unnötigen Aufwendungen schützt. Sollte es keine vorherigen Änderungen geben, sieht Großbritannien etwa eine Beschäftigung mit der remuneration policy mindestens alle drei Jahre vor, Art. 439a Abs. 1 lit. b Companies Act 2006. Dieser Turnus hat auch Einzug in Art. 9a Abs. 1 Satz 3 des Entwurfs zur Änderung der Aktionärsrechterichtlinie vom 09.04.2014220 erhalten. Vergleichbar schreibt § 951 lit. a Abs. 1 des DoddFrank Wall Street Reform and Consumer Protection Act in den USA vor, dass eine Abstimmung spätestens alle drei Jahre zu erfolgen hat, wobei die Aktionäre nach § 951 lit. a Abs. 2 über die genaue Frequenz entscheiden können. Derartige Fristen sind zweifelsohne Ausdruck eines politischen Wertungsspielraums und ein Stück weit aus der Luft gegriffen. Der in Großbritannien geltende Maximalabstand zwischen zwei Abstimmungen, welcher auch in den Entwurf zur Änderung der Aktionärsrechterichtlinie vom 09.04.2014 übernommen wurde, würde jedoch auch vor dem Hintergrund der dargestellten ökonomischen Überlegungen
216
Siehe dazu bereits oben unter § 8 B. I. Döll, WM 2010, 103, 108; ähnlich Habersack, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aktiengesetzes (Aktienrechtsnovelle 2012), Sachverständigenanhörung, S. 8. 218 Lieder/Fischer, European Company and Financial Law Review 2011, 376, 414; kritisch zur jährlichen Beschlussfassung auch Handelsrechtsausschuss des Deutschen Anwaltsvereins, NZG 2013, 694, 695; Hemeling, Sachverständigenanhörung am 5. Juni 2013 zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aktiengesetzes (Aktienrechtsnovelle 2012), S. 4; Hoffmann-Becking, Stellungnahme zum Entwurf der Aktienrechtsnovelle und zu ergänzenden Anträgen, S. 2–3; J. Koch, Stellungnahme zur Aktienrechtsnovelle 2013 und Änderungsanträgen, S. 5–6; a. A. Habersack, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aktiengesetzes (Aktienrechtsnovelle 2012), Sachverständigenanhörung, S. 8; Redenius-Hövermann, Der Aufsichtsrat 2009, 173, 174. 219 So im Ergebnis auch Hemeling, Sachverständigenanhörung am 5. Juni 2013 zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aktiengesetzes (Aktienrechtsnovelle 2012), S. 4; Hoffmann-Becking, Stellungnahme zum Entwurf der Aktienrechtsnovelle und zu ergänzenden Anträgen, S. 2–3; J. Koch, Stellungnahme zur Aktienrechtsnovelle 2013 und Änderungsanträgen, S. 5–6; a. A. Habersack, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aktiengesetzes (Aktienrechtsnovelle 2012), Sachverständigenanhörung, S. 8. 220 Europäische Kommission, COM(2014) 213 final. 217
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4. Kap.: Aktionärsbeteiligung und Personalkompetenz
im deutschen Recht einen guten Kompromiss darstellen.221 Eine separate Beschlussfassung über die genaue zeitliche Staffelung, wie in den USA vorgesehen, produziert allerdings nur zusätzlichen Aufwand, ohne dass ein Nutzen erkennbar ist. Die Übertragung dieser Regelung bietet sich für Deutschland nicht an. Um im Einzelfall für sachgerechte Ergebnisse zu sorgen, ist darüber hinaus für nichtbörsennotierte Gesellschaften die Möglichkeit vorgeschlagen worden, sich durch ein opt-out aus dem Anwendungsbereich eines Vergütungsvotums vollständig entziehen zu können.222 Dieses System ist dem Gesetzgeber nicht fremd, wie § 286 Abs. 5 HGB zeigt. Die Norm erlaubt einer Gesellschaft, sich für fünf Jahre von der Pflicht zur individualisierten Veröffentlichung der Vorstandsgehälter im Anhang zum Lagebericht frei zu zeichnen, falls drei Viertel der Aktionäre auf der Hauptversammlung ihre Zustimmung dazu erteilen. Eine vergleichbare Regelung in Bezug auf § 120 Abs. 4 AktG würde erlauben, auf die Besonderheiten jeder einzelnen Gesellschaft einzugehen, damit diese sich temporär von einer als lästig empfundenen Pflicht befreien kann. Es gibt aber keinen Grund, eine derartige opt-out Lösung nur auf nichtbörsennotierte Gesellschaften zu beschränken. Auch wenn die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 AktG vorliegen, kann es durchaus zu Konstellationen kommen, in denen eine Abstimmung auf Grund der konkreten Umstände nicht sinnvoll erscheint. Existiert etwa ein entsprechend mächtiger Mehrheitsgesellschafter, welcher ohnehin auch den Aufsichtstrat dominiert, ist dieser auf eine Stimmabgabe nicht angewiesen. Die mit einem vollständigen opt-out einhergehende Öffentlichkeitswirkung dürfte bei größeren Gesellschaften ausreichen, damit von entsprechenden Rechten nicht leichtfertig Gebrauch gemacht wird. Festzuhalten ist daher, dass eine verpflichtende Durchführung der bisherigen Gestaltung in § 120 Abs. 4 AktG vorzuziehen ist. Eine jährliche Befassung ist allerdings nicht notwendig. Die aus dem britischen Recht entnommene dreijährige Frist stellt einen überzeugenden Interessenausgleich zwischen Kosten und Nutzen dar. Um der Bedeutung von Aktionärskompetenzen vor dem Hintergrund der jeweiligen Gesellschaft gerecht zu werden, bietet sich darüber hinaus eine an § 286 Abs. 5 HGB angelehnte vollständige opt-out Lösung für einen Zeitraum von fünf Jahren an, die unterschiedslos jeder Gesellschaft zur Verfügung stehen sollte. Art. 9a des Entwurfs zur Änderung der Aktionärsrechterichtlinie vom 09.04.2014 sieht eine derartige Ausnahmeregelung für börsennotierte Gesell-
221 Ähnlich Hemeling, Sachverständigenanhörung am 5. Juni 2013 zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aktiengesetzes (Aktienrechtsnovelle 2012), S. 4 („hilfsweise“). 222 Redenius-Hövermann, Der Aufsichtsrat 2009, 173; aus US-amerikanischer Sicht Myers, Delaware Journal of Corporate Law 2012, 417, 435; für eine opt-in Lösung Schüppen, ZIP 2010, 905, 912; grundsätzlich negativ zu opt-out Regelungen mit Bezug zur Vergütung van Kann/Keiluweit, DStR 2009, 1587, 1591.
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schaften jedoch nicht vor. Abweichende nationale Vorschriften wären daher lediglich für nichtbörsennotierte Gesellschaften möglich, falls der Entwurf in der aktuellen Fassung verabschiedet werden sollte. VI. Mehrheitserfordernis Abschließend gilt es, das für die Abstimmung notwendige Mehrheitserfordernis zu untersuchen. Gemäß § 133 Abs. 1 AktG bedürfen Beschlüsse der Hauptversammlung „der Mehrheit der abgegebenen Stimmen“, falls nicht das Gesetz oder die Satzung Erschwernisse vorsehen. Für eine Entscheidung ist im deutschen Recht demzufolge regelmäßig die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen ausreichend,223 so auch für § 120 Abs. 4 AktG. Der Entwurf zur Änderung der Aktionärsrechterichtlinie vom 09.04.2014224 macht zum Mehrheitserfordernis keine Angaben. National und international sind jedoch vereinzelt bei einer Beteiligung mit Bezug zur Vorstandsvergütung besondere Anforderungen vorgeschlagen worden.225 So wurde etwa eine drei Viertel Mehrheit mit dem Hinweis empfohlen, dass sich bei kleineren Gesellschaften die Vorstandsvergütung verwässernd auf den Aktionärsgewinn auswirken könnte, wie beispielsweise auch Gewinnschuldverschreibungen nach § 221 Abs. 1 AktG, bei denen ein entsprechendes Erfordernis de lege lata besteht.226 Der Vorteil gesteigerter Anforderungen ist dabei, dass sich ein größerer Teil der Aktionäre im Ergebnis wiederfindet. Notwendig wird ein breiter Konsens unter den Gesellschaftern. Einzelne Großinvestoren können den Beschluss unter Umständen nicht mehr alleine beeinflussen. Auch die Legitimationswirkung des Resultats steigt, wenn eine höhere Stimmenmehrheit gefordert wird.227 Die Folge ist allerdings auch, dass man es einer Minderheit damit leichter macht, die Interessen der Mehrheit zu blockieren. Dem mit einfachen Abstimmungskompetenzen einhergehenden Vorteil weitreichender Flexibilität beraubt man sich daher.228 Gerade bei einer Materie, die sich wie die Vorstandsvergütung regelmäßig ändern kann, sind derartige Gestaltungen schon aus betriebswirtschaftlicher Sicht folglich abzulehnen.
223
Butzke, Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, Kapitel F Rn. 33. Europäische Kommission, COM(2014) 213 final. 225 Drygala, ZRP 2012, 161, 164; aus Großbritannien Walker, A Review of Corporate Governance in UK Banks and other Financial Industry Entities 2009, S. 119–120, mit dem Vorschlag, bei weniger als 75% Zustimmung automatisch den Vorsitzenden des Vergütungsausschusses neu wählen zu lassen. 226 So die Überlegungen von Drygala, ZRP 2012, 161, 164. 227 Drygala, ZRP 2012, 161, 164 („wenn die Eigentümer der Vergütungsstruktur mit deutlicher Mehrheit zugestimmt haben, wird das Ergebnis auch in der Öffentlichkeit als fair empfunden werden“). 228 Siehe dazu bereits oben unter § 8 A. V. 2. 224
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4. Kap.: Aktionärsbeteiligung und Personalkompetenz
Der Gesetzgeber sieht im deutschen Recht besondere Mehrheitserfordernisse regelmäßig nur für sehr bedeutende Entscheidung vor, etwa wenn die unmittelbare Beeinflussung mitgliedschaftlicher Rechte in Frage steht.229 Auf die Anforderungen bei der Schaffung neuer Aktien für Optionsprogramme ist beispielsweise bereits hingewiesen worden.230 Eine derartige Wichtigkeit weist das Vergütungssystem nicht auf. Zwar sind die einzelnen Kompensationsabreden ein entscheidendes Bindeglied zwischen Vorstand und Hauptversammlung. Selbst bei kleineren Unternehmungen wird die tatsächlich gezahlte Vergütung aber nicht signifikant höher sein, als andere gesellschaftsrelevante Ausgaben. Es fällt folglich schwer, eine gewinnverwässernde Wirkung gerade in diesem Bereich festzustellen.231 Die vorherige Untersuchung hat nicht gezeigt, dass bezüglich der Vorstandsvergütung ein besonderer Minderheitenschutz notwendig ist. Selbst wenn es im Detail zu abweichenden Einschätzungen kommen kann, so hat doch im Grunde kein Gesellschafter ein Interesse an einer unangemessenen Festsetzung.232 Darüber hinaus stellt die hohe Sensibilisierung für die Thematik sicher, dass auch die unterlegene Aktionärsminderheit entsprechende Beachtung in der Öffentlichkeit finden kann. Es ist jedoch nicht angezeigt, dieser Minderheit das Recht einzuräumen, ein von der Mehrheit getragenes System rechtsverbindlich scheitern zu lassen. Somit gilt, dass für eine begleitende Abstimmungskompetenz über ein Vergütungssystem keine besonderen Erfordernisse angezeigt sind. Eine einfache Mehrheitsentscheidung der anwesenden Aktionäre ist im Rahmen des § 120 Abs. 4 AktG ausreichend.233 VII. Ergebnis § 120 Abs. 4 AktG beinhaltet durchaus positive Ansätze, es besteht gleichwohl ein umfassender Reformbedarf. Bedauerlich ist die Entscheidung des Gesetzgebers, nichtbörsennotierte Gesellschaften von einer Beteiligung im Bereich der Vorstandsvergütung vollständig auszuschließen. Die Thematik ist für Gesellschaften unabhängig von einer Börsennotierung wichtig. Eine Öffnung des § 120 Abs. 4 AktG ist folglich notwendig.
229
So auch die Feststellung von Voth, Beratende Hauptversammlungsbeschlüsse,
S. 57. 230
Siehe dazu bereits oben unter § 5 C. III. 1.–3. Wer auf Grundlage einer gewinnverwässernden Wirkung argumentiert, müsste eine Mitwirkung der Hauptversammlung wohl bei jeder Entscheidung verlangen, bei der von Aufsichtsrat oder Vorstand in signifikantem Umfang Gesellschaftsmittel bewegt werden. 232 Siehe dazu bereits oben unter § 8 A. II. 3. und § 8 A. III. 1. 233 So auch Vetter, ZIP 2009, 2136, 2142–2143, der Autor spricht sich jedoch nicht nur gegen ein höheres Mehrheitserfordernis, sondern generell gegen Aktionärsabstimmungen mit Bezug zur Vorstandsvergütung aus. 231
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Es überzeugt, lediglich eine Abstimmung über ein Vergütungssystem und keine Wertungen über konkrete Abreden zuzulassen. Unverständlich ist hingegen, wieso § 120 Abs. 4 AktG die Aktionäre lediglich auf eine ex post Betrachtung beschränkt. Eine zukunftsbezogene Ausrichtung erlaubt nicht nur eine gestaltende Wirkung und verhindert Rückschaufehler, sondern lässt sich auch technisch deutlich einfacher in das bestehende Regelungsumfeld integrieren. Darüber hinaus ist darauf hinzuarbeiten, dass die zentralen Anforderungen eines Vergütungssystems allgemeinverbindlich vorgegeben werden, beispielsweise in einer das Aktiengesetz ergänzenden Verordnung. Auf diese Weise wird die Aussagekraft der Beschlussfassung gestärkt. Vielen praktischen Schwierigkeiten kann dadurch begegnet werden, wenn man den Aktionären auch ein inhaltliches Initiativrecht zugesteht. Damit kann die Hauptversammlung nicht nur zwischen den Extremen einer völligen Ablehnung oder völligen Zustimmung auswählen, sondern mit einem differenzierenden „Ja, aber“ antworten. Ob das Abstimmungsergebnis verbindlich oder unverbindlich wirkt, ist auf Grund der Sensibilisierung für die Materie und der mit einer spürbaren Opposition einhergehenden Reputationsschädigung oftmals unerheblich. Um jedoch ein eigenmächtiges Verhalten der Verwaltung auszuschließen, bietet es sich an, den Aufsichtsrat auf die existierenden Vorgaben abschließend zu verpflichten. Umgesetzt werden kann dies am besten, indem man dem Organ die Vertretungsmacht für vom System abweichende Regelungen entzieht. So wird gewährleistet, dass sogar der Vorstand ein Interesse an der Beachtung der Aktionärsvorgaben entwickelt. Die besseren Argumente sprechen entgegen der momentanen Lösung für eine verpflichtende Durchführung der Aktionärsabstimmung, wobei ein jährlicher Turnus allerdings eine zu starke Belastung bedeuten würde. Als Kompromiss bietet sich, angelehnt an die britische Regelung, eine dreijährige Wiederholung an, es sei denn, Änderungen am System werden vorher notwendig. Den Besonderheiten jeder einzelnen Gesellschaft sollte durch eine opt-out Möglichkeit hinsichtlich der gesamten Abstimmung begegnet werden. An dem auch momentan in § 120 Abs. 4 AktG enthaltenen einfachen Mehrheitserfordernis ist indes weiterhin festzuhalten. Vor diesem Hintergrund hinterlässt der Entwurf zur Änderung der Aktionärsrechterichtlinie vom 09.04.2014 einen gemischten Eindruck. Das in Art. 9a vorgesehene ex ante Votum über die Vergütungspolitik ist ein Schritt in die richtige Richtung. Die Verbindlichkeitserklärung überzeugt, ebenso der Maximalabstand von drei Jahren zwischen zwei Beschlussfassungen. Bedauerlich ist zwar, dass die zwingenden Angaben, die für die Abstimmung offengelegt werden müssen, im vorliegenden Entwurf nur rudimentär beschrieben werden. Überschießend könnte der deutsche Gesetzgeber aber ein detailliertes System vorgeben und damit die Darstellung zumindest auf nationaler Ebene vereinheitlichen. Genau so wäre es möglich, die Verpflichtung zur Durchführung eines Votums auf nicht-
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4. Kap.: Aktionärsbeteiligung und Personalkompetenz
börsennotierte Gesellschaften zu erstrecken. Wird die Richtlinie in der aktuellen Form erlassen, müsste in Deutschland allerdings auch das Recht zu einer ex post Abstimmung über konkret gezahlte Beträge umgesetzt werden. Für eine derartige Regulierung besteht jedoch keine Notwendigkeit. Darüber hinaus erlaubt der Entwurf nicht, dass sich börsennotierte Gesellschaften temporär dem Anwendungsbereich der Beschlussfassung über die Vergütungspolitik entziehen können. Damit verkennt die Europäische Kommission, dass nicht in jeder Situation ein Bedürfnis für die Ausübung derartiger Aktionärskompetenzen besteht.
C. Das Bedürfnis nach ergänzenden Satzungsregelungen Die Ausführungen zu § 120 Abs. 4 AktG haben deutlich gemacht, dass auf Basis einer einfachen Abstimmungskompetenz eine umfassende Einwirkung auf den Bereich der Vorstandsvergütung ermöglicht werden kann, ohne dass in größerem Umfang negative Impulse für die Aufsichtsratstätigkeit zu erwarten sind. Unterstellt man die Umsetzung der oben erhobenen Forderungen, stellt sich die Frage, welcher Anwendungsbereich für ergänzende Satzungsregelungen noch verbleibt. Bereits herausgearbeitet wurde, dass für Entscheidungen mit Bezug zur Vorstandsvergütung nicht unbedingt eine Legitimationswirkung von drei Vierteln der Abstimmungsteilnehmer notwendig erscheint.234 Darüber hinaus hat die Untersuchung gezeigt, dass gerade das geringere Mehrheitserfordernis bei einem einfachen Votum die im Bereich Managementkompensation dringend benötigte Flexibilität gewährleistet.235 Dies schließt zwar die Aufnahme von rudimentären Regelungen in der Satzung nicht aus, insbesondere, wenn diese Dauerhaftigkeit beanspruchen. In der Diskussion werden oftmals verbindliche Obergrenzen für die Kompensation der Geschäftsleiter genannt.236 Solche lassen sich aber auch in die Abstimmung über das Vergütungssystem integrieren. Die geplante Reform durch das VorstKoG hätte derartige Angaben sogar verpflichtend vorgeschrieben. Bei Satzungsregelungen besteht zwar nach § 119 Abs. 1 Nr. 5 AktG ein Initiativrecht der Hauptversammlung. Eine derartige Kompetenz ließe sich jedoch de lege ferenda auch in § 120 Abs. 4 AktG implementieren. In der Gesamtschau zeigt sich daher nicht, dass ergänzende Satzungsvorschriften besondere Vorteile mit sich bringen oder der Hauptversammlung neue Möglichkeiten eröffnen würden, die nicht schon mit § 120 Abs. 4 AktG erreicht werden könnten. Die Schaffung zusätzlicher Einflussmöglichkeiten bedeutet auch nicht unbedingt, dass eine effektivere Kontrolle ermöglicht wird. In Großbritannien hieß es 234
Siehe dazu bereits oben unter § 8 B. VI. Siehe dazu bereits oben unter § 8 A. V. 2. 236 Habersack, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aktiengesetzes (Aktienrechtsnovelle 2012), Sachverständigenanhörung, S. 10; Körner, NJW 2004, 2697, 2701. 235
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im Jahr 2012 in einer von der damaligen Regierung in Auftrag gegebenen Studie zum Zustand des nationalen Kapitalmarkts sehr zu Recht, dass es nicht auf den Umfang der Aktionärseinflüsse ankommt, sondern auf deren Qualität.237 Dieser Aussage kann man auch mit Blick auf das deutsche Recht uneingeschränkt zustimmen. Bei einer dualen Regulierung besteht zumindest die Gefahr, dass die Aktionäre neben der Durchführung von Abstimmungen nach § 120 Abs. 4 AktG die Satzungskompetenzen überhaupt nicht wahrnehmen werden. Die mit der Öffnung der Satzung einhergehenden Evaluationskosten wären dann unnötig aufgewendet worden. Auch wenn derartige Regelungen die Ausnahme bleiben würden, müsste ein potentieller Investor doch immer die Satzung einsehen, um sich Klarheit über die konkrete Situation zu verschaffen. Spiegelbildlich kann die Bereitschaft der Gesellschafter an einer regelmäßigen Beschlussfassung mitzuwirken aber auch sinken, falls statutarische Vorgaben bereits getroffen wurden. Die Anleger könnten nämlich der Meinung sein, mit der Schaffung einer derartigen Regelung für den Themenbereich genug getan zu haben. Die Einräumung mehrerer Kontroll- und Steuerungsmechanismen erhöht daher den Koordinierungsaufwand, was sowohl auf Seiten der Gesellschaft als auch auf Seiten der Aktionäre zusätzliche Ausgaben hervorrufen kann, ohne dass ein gesteigerter Nutzen erkennbar wäre. Um eine Überregulierung zu verhindern, sollten ergänzende Satzungsregelungen de lege ferenda somit nicht zugelassen werden.238 Dies gilt selbst dann, wenn sich die Hauptversammlung durch die hier befürwortete opt-out Möglichkeit239 temporär dem Anwendungsbereich eines Vergütungsvotums entzieht. Die Aktionäre geben damit zu erkennen, an einer Beeinflussung der Kompensationspolitik für einen bestimmten Zeitraum insgesamt nicht interessiert zu sein. Ein Bedürfnis, stattdessen Satzungsregelungen zu ermöglichen, besteht dann jedoch nicht. Die vorherigen Überlegungen dürfen allerdings nicht so verstanden werden, dass Satzungsregeln schlechterdings ungeeignet sind, um auf den Themenbereich der Vorstandsvergütung einzuwirken. Das hier gefundene Ergebnis hängt entscheidend davon ab, dass eine entsprechend ausgestaltete periodische Abstimmungskompetenz geschaffen wird. Vor die Wahl gestellt, in welche Richtung die zukünftige Entwicklung gehen soll, sollte der Gesetzgeber sich für eine umfassende Reform des § 120 Abs. 4 AktG entscheiden. Fehlt dafür die politische Bereitschaft, was auf Grund der positiven institutionellen Folgen zu bedauern wäre 237 Kay, The Kay Review of UK Equity Markets and Long-Term Decision Making 2012, S. 10 (unter vii). 238 Im Ergebnis auch von Falkenhausen/Kocher, AG 2010, 623, 628, die bereits unmittelbar nach Einführung des § 120 Abs. 4 AktG durch das VorstAG ein Bedürfnis für Satzungsregelungen verneint haben; ähnlich Friedrich, Die Verrechtlichung von Organbezügen als europäisches Problem, S. 85; a. A. gerade mit Blick auf die im VorstKoG vorgesehene Novelle Habersack, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aktiengesetzes (Aktienrechtsnovelle 2012), Sachverständigenanhörung, S. 10. 239 Siehe dazu bereits oben unter § 8 B. V.
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und mit Blick auf den aktuellen Entwurf zur Änderung der Aktionärsrechterichtlinie vom 09.04.2014 wenig realistisch erscheint, kann die Öffnung der Satzung für ausgewählte Fragestellungen als zweitbeste Alternative zumindest eine partielle Rückkopplung an die Aktionäre ermöglichen.
D. Ergebnis Insgesamt ist festzuhalten, dass für eine Beteiligung der Aktionäre im Bereich der Vorstandsvergütung ein Bedürfnis besteht und zwar unabhängig davon, ob eine Gesellschaft die Anforderungen des § 3 Abs. 2 AktG erfüllt. Nicht zuletzt aus ökonomischen Gründen ist es jedoch wichtig, die Letztverantwortlichkeit des Aufsichtsrats für den Abschluss einzelner Verträge aufrechtzuerhalten. Die Implementierung entsprechender Kompetenzen ist vorzugsweise durch eine einfache Abstimmungsregelung mit Bezug zum Kompensationssystem zu realisieren. Der § 120 Abs. 4 AktG ruft in seiner aktuellen Fassung das mögliche Potential einer Gesellschaftermitwirkung als Kontroll- und Steuerungsmechanismus allerdings nicht vollständig ab. Die Untersuchung hat an zahlreichen Stellen Reformbedarf erkennen lassen. Auch nach einer intensiveren Auseinandersetzung mit der Vorschrift kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es sich hier nur um eine halbherzige Umsetzung aktionärsdemokratischer Vorstellungen handelt. Überzeugende Gründe für eine derartige Zurückhaltung existieren jedoch nicht. Positiv anerkennen muss man allerdings, dass der Gesetzgeber durch das VorstAG überhaupt die Bereitschaft gezeigt hat, eine entsprechende Mitwirkung vorzusehen. Eine unmittelbare Befassung ist seit der Aktienrechtsnovelle 1937 im deutschen Recht nicht möglich gewesen. Trotz aller Kritik ist die in § 120 Abs. 4 AktG enthalte Regelung somit ein erster und wichtiger Schritt. Es ist hingegen bedauerlich, dass die durch das VorstKoG geplante Neuregulierung an politischen Machtspielen kurz vor der Bundestagswahl 2013 gescheitert ist. Zwar hätte die Novelle ebenfalls keine signifikante Konkretisierung der in § 120 Abs. 4 AktG enthaltenen Tatbestandsmerkmale gebracht. Auch fehlte dem VorstKoG ein inhaltliches Initiativrecht, durch welches es der Hauptversammlung ermöglicht worden wäre, mit eigenen Vorgaben an den Aufsichtsrat heranzutreten. Die Umstellung auf eine verbindliche ex ante Abstimmung und die Entscheidung für eine verpflichtende Durchführung, wenn auch nur beschränkt auf börsennotierte Gesellschaften und in einem engen zeitlichen Rahmen, waren aber richtige Entscheidungen. Zu begrüßen ist daher, dass der Entwurf zur Änderung der Aktionärsrechterichtlinie vom 09.04.2014 einige dieser Aspekte in Art. 9a, wenn auch nur für börsennotierte Gesellschaften, erneut aufgegriffen hat. Keine Notwendigkeit besteht jedoch für die in Art. 9b vorgesehene Abstimmung über den Vergütungsbericht. Gelingt es dem Gesetzgeber, eine umfangreiche Abstimmungskompetenz über die Vergütungspoltik im nationalen Recht festzuschreiben, existiert darüber hinaus kein Bedürfnis, die Satzung zu öffnen. Ein solches Vor-
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gehen verspricht keinen Vorteil. Vielmehr besteht die Gefahr, dass bei einer dualen Regulierung der Blick für das Wesentliche, nämlich die kontinuierliche Begleitung der Thematik, verloren geht. Vor diesem Hintergrund ist es erfreulich, dass sowohl VorstAG als auch VorstKoG keine dahingehenden Tendenzen haben erkennen lassen.
§ 9 Aktionärsbeteiligung im Bereich der sonstigen Bestandteile des Anstellungsvertrags Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass von einer Mitwirkung der Aktionäre im Bereich der Vorstandsvergütung positive Impulse für die Ausübung der Personalkompetenz ausgehen. In einem weiteren Schritt gilt es nun zu klären, ob auch für die sonstigen Bestandteile des Anstellungsvertrags eine Einbeziehung der Gesellschafter angezeigt ist. Aus regulatorischer Sicht wäre dabei eine Öffnung der Satzung denkbar, so dass dort zwingende Vertragsbestandteile vorgeschrieben werden könnten. Andererseits wäre es, angelehnt an § 120 Abs. 4 AktG, ebenfalls vorstellbar, einen abstrakten Bericht über die sonstige Ausgestaltung der Abreden zu fordern oder zumindest ausgewählte Klauseln zur Abstimmung zu stellen. Um herauszufinden, ob für derartige Gestaltungen ein Bedürfnis besteht, werden daher an dieser Stelle entsprechend den bereits herausgearbeiteten Bewertungskriterien die allgemeinen Auswirkungen einer Gesellschafterbeteiligung untersucht, also vor allem die dogmatischen, ökonomischen und institutionellen Rahmenbedingungen, sowie die spezifische Wirkungsweise von Stimmrechten in diesem Bereich. Dabei werden die Folgen einer Einbeziehung mit den bereits herausgearbeiteten Ergebnissen zur Vorstandsvergütung verglichen. Auf diesem Weg soll festgestellt werden, ob vergleichbare Rahmenbedingungen vorliegen, so dass eine Mitwirkung der Gesellschafter gerechtfertigt werden kann.
A. Allgemeine Überlegungen zur Beteiligung der Aktionäre im Bereich der sonstigen Bestandteile des Anstellungsvertrags Zuerst einmal ist es notwendig herauszuarbeiten, welche Regelungen im Anstellungsvertrag überhaupt vereinbart werden. Nur so ist es möglich, eine Aussage über die Bedeutung der Materie für die Aktionäre zu treffen. Den Anstellungsvertrag können die Parteien grundsätzlich privatautonom frei gestalten.240 Das Vorstandsmitglied ist kein Arbeitnehmer. Auf Grund der in § 76 Abs. 1 AktG vorgesehenen Leitungsbefugnis fehlt es an der persönlichen Abhän-
240
Kort, in: GroßkommAktG, § 84 Rn. 282.
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4. Kap.: Aktionärsbeteiligung und Personalkompetenz
gigkeit der Leistungserbringung.241 Dementsprechend besteht bei der Ausgestaltung des Vertrags ein größerer Spielraum, als wenn zwingende Schutzvorschriften, etwa aus einem Tarifvertrag oder dem Arbeitszeitgesetz, gelten würden. Von zentraler Bedeutung ist die Dauer des Anstellungsverhältnisses. Fehlt diese, gilt über § 84 Abs. 1 Satz 5 Halbsatz 1 AktG die in § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG festgeschriebene Maximaldauer von fünf Jahren.242 Ebenfalls üblich ist es, den Urlaub des Vorstandsmitglieds festzusetzen.243 Mangels Arbeitnehmereigenschaft findet das Bundesurlaubsgesetz nämlich keine Anwendung.244 Möglich sind ferner tätigkeitsbeschreibende Vorgaben, wie etwa die Einteilung in ein bestimmtes Resort.245 Einem Vorstandsmitglied kann etwa die Leitung über die Rechtsabteilung oder die Produktionsplanung übertragen werden. Darüber hinaus bieten sich bei Führungskräften in Ergänzung des § 88 AktG gesonderte Nebentätigkeitsverbote und Wettbewerbsverbote an.246 Auch besondere Herausgabepflichten werden oftmals aufgenommen, etwa für während der Tätigkeit überlassene Gegenstände, Akten oder Geräte, die bei Beendigung des Anstellungsverhältnisses an die Gesellschaft zurückgeführt werden müssen.247 Bei Gesellschaften, die dem DCGK folgen, ist im Vertrag ferner die Zustimmung zu den dort geregelten Offenlegungspflichten einzuholen.248 Der Anstellungsvertrag enthält auch die so genannten Fürsorgeaufwendungen. Dabei handelt es sich um Zusicherungen an den Vorstand, aus denen dieser keinen privaten Nutzen zieht, und die demnach nicht unter den Begriff der Vergütung fallen, sondern eine ordnungsgemäße Amtsführung sicherstellen sollen.249 Es handelt sich folglich nicht um einen unmittelbaren Gegenwert für die Arbeits241 Ganz herrschende Meinung, siehe nur Kort, in: GroßkommAktG, § 84 Rn. 276; Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 84 Rn. 35; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), § 84 Rn. 23. 242 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 392. 243 Kort, in: GroßkommAktG, § 84 Rn. 422; Meier/Pech, DStR 1995, 1195; Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 84 Rn. 87; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), § 84 Rn. 33. 244 Seibt, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), § 84 Rn. 33; differenzierend Kort, in: GroßkommAktG, § 84 Rn. 421, 423. 245 Fonk, in: Semler/von Schenck (Hrsg.), Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 10 Rn. 89; Potthoff/Trescher, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 1657; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), § 84 Rn. 37. 246 Meier/Pech, DStR 1995, 1195; allgemein dazu Fonk, in: Semler/von Schenck (Hrsg.), Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 10 Rn. 90, 92–96; Kort, in: GroßkommAktG, § 84 Rn. 431, 435–436. 247 Fonk, in: Semler/von Schenck (Hrsg.), Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 10 Rn. 102; Kort, in: GroßkommAktG, § 84 Rn. 433–434; Liebscher, in: W. Müller/Rödder (Hrsg.), Beck’sches Handbuch der AG, § 6 Rn. 40. 248 Darauf hinweisend Potthoff/Trescher, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 1655, 1656. 249 Ähnlich die Schwerpunktsetzung bei Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 87 Rn. 19; Spindler, in: MünchKommAktG, § 87 Rn. 24.
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leistung.250 Darunter fällt beispielsweise der lediglich zu geschäftlichen Zwecken überlassene Dienstwagen mit Fahrer oder die zugesicherte Einstellung eines Mitarbeiterstabs.251 Nach nicht unumstrittener, aber richtiger Ansicht, ist auch die im Vertrag vorgesehene Verpflichtung der Gesellschaft, für den Abschluss einer D&O Versicherung252 zu sorgen, eine solche Fürsorgeaufwendung.253 Zwar profitiert von einer solchen Versicherung auch das jeweilige Organmitglied, da dieses im Verhältnis zur Gesellschaft vor einer persönlichen Inanspruchnahme und damit vor einem Zugriff auf sein Privatvermögen geschützt wird.254 Hauptzweck ist jedoch der im Außenverhältnis haftenden Gesellschaft das Insolvenzrisiko des Organmitglieds abzunehmen.255 Der Nutzen für den einzelnen Vorstand stellt sich demgegenüber nur als Reflex dar.256 Um einen Vergütungsbestandteil handelt es sich folglich nicht. Zu Recht ist allerdings darauf hingewiesen worden, dass die Abgrenzung zwischen einem Leistungsentgelt und einer Fürsorgeaufwendung nicht immer einfach ausfällt.257 Gerade auch deswegen ist für § 120 Abs. 4 AktG eine allgemeine Bestimmung der Systembestandteile zu fordern, um etwaige Zweifelsfragen, wie die der Einordnung bestimmter Versicherungen, zumindest für diese Abstimmung verbindlich zulösen. Insgesamt kann festgehalten werden, dass bei der sonstigen Ausgestaltung des Anstellungsvertrags eine Vielzahl von Gestaltungen und Inhalten möglich ist. Ein Blick in die betreffende Fachliteratur offenbart jedoch, dass im Wesentlichen immer auf die gleichen Problemstellungen und Regelungsbereiche hingewiesen wird.258 Es stellen sich in der Gesamtschau vergleichbare Fragestellungen, wie wenn Verträge mit hochqualifizierten Arbeitnehmern abgeschlossen werden. Vornehmlich handelt es sich bei der sonstigen Vertragsausgestaltung somit um 250 Diese ist gerade für die Vergütung kennzeichnend, siehe Meyer, Vorstandsvergütung, S. 20. 251 Ähnlich Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 87 Rn. 19. 252 Siehe dazu bereits oben unter § 4 C. II. 253 Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 87 Rn. 20; ähnlich Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, § 12 Rn. 12 („betriebsfunktionale Gründe“); offen gelassen bei Fonk, in: Semler/von Schenck (Hrsg.), Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 10 Rn. 157; a. A. Liebscher, in: W. Müller/Rödder (Hrsg.), Beck’sches Handbuch der AG, § 6 Rn. 38; Spindler, DStR 2004, 36, 37. 254 Kort, in: GroßkommAktG, § 84 Rn. 440; Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 87 Rn. 20; Spindler, in: MünchKommAktG, § 87 Rn. 28. 255 Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, § 12 Rn. 12; Kort, in: GroßkommAktG, § 84 Rn. 440; Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 87 Rn. 20. 256 Fleischer, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, § 12 Rn. 12. 257 So grundsätzlich Spindler, in: MünchKommAktG, § 87 Rn. 28. 258 Darstellungen in unterschiedlicher Detailtiefe, die im Kern aber auf vergleichbare Gestaltungsmöglichkeiten hinweisen, finden sich beispielsweise bei Fonk, in: Semler/ von Schenck (Hrsg.), Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 10 Rn. 79–102, 169–229; Kort, in: GroßkommAktG, § 84 Rn. 332–342, 421–465; Mutter, in: MarschBarner/F. Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, § 19 Rn. 25–64.
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4. Kap.: Aktionärsbeteiligung und Personalkompetenz
eine technische Materie, die einen geregelten Arbeitsablauf sicherstellen soll. Die theoretisch bestehende Vertragsfreiheit wird in der Praxis demnach nur in engen Grenzen genutzt. Dies schließt natürlich nicht aus, dass einzelne Gesellschaften hochgradig individuelle Übereinkommen abschließen. Allgemein ist die Materie gleichwohl von einer hohen Standardisierung geprägt. So ist es in einzelnen Gesellschaften nicht unüblich, dass für jedes Vorstandsmitglied außerhalb der Vergütung ein einheitliches Muster verwendet wird.259 I. Dogmatische Überlegungen In seiner aktuellen Fassung kennt das Gesetz keine institutionalisierten Mitwirkungsrechte mit Bezug zur vertraglichen Ausgestaltung außerhalb der Vergütungsfrage. Auch statutarische Vorgaben sind nach hier vertretener Auffassung unzulässig.260 Entsprechende Kompetenzen würden daher, ähnlich wie die Einführung des § 120 Abs. 4 AktG für die Kompensation der Geschäftsleiter, aus dogmatischer Sicht einen neuen Regelungsbereich für die Gesellschafter erschließen. Auffällig ist jedoch, dass der Gesetzgeber bezüglich der Vorstandsvergütung zumindest mittelbar immer einen Einfluss der Aktionäre gefördert hat, wie die schon in § 128 Abs. 2 Nr. 7 AktG 1937 enthaltene Veröffentlichungspflicht zeigt.261 Bis heute existieren aber keine Publizitätsvorschriften für andere Vertragsbestandteile. Natürlich steht es den Gesellschaftern frei, sich zu derartigen Regelungen im Rahmen der Entlastung nach § 120 Abs. 1 AktG zu äußern oder informell auf bestimmte Gestaltungen hinzuwirken. Soweit ersichtlich, wird von diesen Möglichkeiten allerdings nicht in nennenswertem Umfang Gebrauch gemacht.262 Mit einer aktionärsbezogenen Vorschrift in diesem Bereich würde folglich Neuland betreten werden. Letztendlich gilt aber auch hier, was bereits in dem Bereich der Vorstandsvergütung herausgestellt wurde. Wenn durch neue Kompetenzen bestehende Defizite behoben und so zur Regulierung eines Themenbereiches positiv beigetragen werden kann, spricht aus dogmatischer Sicht nichts gegen deren Implementierung.263 Auf die allgemeinen Schwierigkeiten bei Verhandlungen zwischen Aufsichtsrat und Vorstand ist bereits hingewiesen worden. Diese können sich dem Grunde nach auch außerhalb der vergütungsrelevanten Bestandteile realisieren, wenn et-
259 Peltzer, in: Wellhöfer/Peltzer/W. Müller (Hrsg.), Die Haftung von Vorstand, Aufsichtsrat, Wirtschaftsprüfer, § 18 Rn. 129. 260 Siehe dazu bereits oben unter § 5 B. IV. 261 Siehe dazu bereits oben unter § 8 A. I. 1. 262 Siehe aber Bunz, NZG 2014, 1049, 1051 („erheblicher Einfluss auf das Verhalten und die Zusammensetzung der Leitungsorgane“). 263 Siehe dazu bereits oben unter § 8 A. I. 1.
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wa ein Konflikt über die Fürsorgeaufwendungen oder die Laufzeit des Kontrakts entsteht. Vor diesem Hintergrund lohnt es sich, über eine Anpassung des bestehenden Rahmens nachzudenken. II. Ökonomische Überlegungen 1. Direkte und indirekte Auswirkungen der sonstigen Bestandteile des Anstellungsvertrags
Ob ökonomisch handelnde Aktionäre an entsprechenden Kompetenzen überhaupt ein Interesse haben, hängt entscheidend von den finanziellen Auswirkungen der sonstigen Vertragsbestandteile ab. Pauschale Beurteilungen fallen auch hier schwer, da im Einzelnen unterschiedliche Gestaltungen denkbar sind. Ein Großteil der oben aufgeführten Beispiele dürfte jedoch nur geringe Belastungen mit sich bringen. Die Aufteilung des Vorstands in verschiedene Zuständigkeitsbereiche oder die Vereinbarung besonderer Herausgabepflichten geht nicht mit zusätzlichen Aufwendungen einher. Aber auch tatsächlich kostenrelevante Komponenten, wie die Vereinbarung einer Versicherung für den Vorstand oder die Bereitstellung eines Dienstfahrzeuges, dürften hinter den Auswirkungen der tatsächlich gezahlten Vergütung regelmäßig weit zurück bleiben. Schon für diese wurde allerdings festgestellt, dass sie oftmals nur einen Bruchteil der Gesamtausgaben einer Gesellschaft ausmacht.264 Isoliert betrachtet hat vornehmlich die Dauer des Anstellungsverhältnisses eine gesteigerte finanzielle Relevanz. Aus dieser ergibt sich, wie lange die vereinbarten Bezüge gezahlt werden müssen. Schon die in § 84 Abs. 1 Satz 5, Satz 1 AktG enthaltene Obergrenze verhindert jedoch extreme Bindungen.265 Die Schranke von fünf Jahren gilt auch dann, wenn es zu einer vorzeitigen Neubestellung mitsamt Abschluss eines korrespondierenden Anstellungsvertrags kommt.266 Wenn man, wie hier gefordert, eine umfassende Einwirkung auf das Vergütungssystem erlaubt, könnten im Rahmen des § 120 Abs. 4 AktG darüber hinaus auch Obergrenzen für die Gesamtkompensation oder einzelne Abfindungszahlungen geregelt werden, was die Bedeutung der Laufzeit weiter verringert. Das Vorstandsmitglied kann ferner bei Vorliegen eines wichtigen Grundes seiner organschaftlichen Stellung nach § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG enthoben werden. Wie bereits herausgestellt, sind die materiellen Anforderungen dafür zumindest bei einem 264
Siehe dazu bereits oben unter § 8 A. II. 1. Kritisch zu den zugelassenen fünf Jahren aber beispielsweise Bayer/Meier-Wehrsdorfer, AG 2013, 477, 487; Fleischer, AG 2006, 429, 435–436 (jeweils vor dem parallelen Problem bei der organschaftlichen Bestellung). 266 BGH, NZG 2012, 1027, 1029 vor dem Hintergrund einer vorzeitigen Neubestellung, nachdem es zuvor zu einer einvernehmlichen Amtsniederlegung gekommen war. Über § 84 Abs. 1 Satz 5 AktG müssen diese Grundsätze jedoch auch für den Anstellungvertrag gelten. 265
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4. Kap.: Aktionärsbeteiligung und Personalkompetenz
Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung nicht besonders hoch.267 Vertraglich abdingbar ist das organschaftliche Abberufungsrecht ohnehin nicht.268 Ein Vertrauensentzug bedeutet zwar nicht automatisch, dass auch eine sofortige Kündigung des Anstellungsvertrags möglich wird, so dass für die Zukunft eine Vergütungspflicht entfallen würde.269 Es besteht aber immerhin die Möglichkeit, ein Vorstandsmitglied durch eine organschaftliche Abberufung von einer weiteren Tätigkeit als Vertreter der Gesellschaft abzuhalten. Nur in den seltensten Fällen werden die Aktionäre daher ein Interesse daran haben, sich intensiver mit der vorgesehen Laufzeit des Anstellungsvertrags zu beschäftigen. Im Vordergrund dürften vielmehr die vereinbarten Bezüge, gegebenenfalls die Abfindungszahlungen und die Person des Vorstandsmitglieds stehen, nicht jedoch die zeitliche Komponente des Vertrags. Die ökonomische Bedeutung der Vorstandsvergütung wird insbesondere durch deren Steuerungswirkung begründet. Durch die variablen Bestandteile können dem Vorstand nämlich Vorgaben für das Tagesgeschäft gemacht werden.270 Auch die sonstige Ausgestaltung des Vertrags kann das Verhalten der Geschäftsleitung beeinflussen. Ein zu geringer Selbstbehalt in einer D&O Versicherung kann zu einem unvorsichtigen Tätigwerden eines Vorstandsmitglieds beitragen.271 Ein nachverträgliches Wettbewerbsverbot kann zu einem gewissenhafteren Arbeiten anregen, falls sich der Betroffene sorgt, auf Grund einer solchen Regelung nach Ende der Vertragslaufzeit oder bei einer vorzeitigen Entlassung keine adäquate Folgebeschäftigung zu finden.272 Eine unmittelbare Lenkung, wie etwa durch die Vorgabe konkreter Kurszahlen oder betriebswirtschaftlicher Faktoren, wird indes auf diesem Weg nicht erreicht. Natürlich kann man sich im Einzelfall Vertragsgestaltungen vorstellen, die auch außerhalb der unmittelbar vergütungsrelevanten Klauseln eine signifikante wirtschaftliche Belastung für eine Gesellschaft darstellen, etwa wenn dem Vorstand in großem Umfang Fürsorgeaufwendung zugesprochen werden. Zu denken wäre hier etwa an die Bereitstellung eines Firmenflugzeugs, was sich selbst bei
267
Siehe dazu bereits oben unter § 5 C. I. Auch die Vereinbarung einer Vertragsstrafe bei einem unberechtigtem Entzug der Organstellung ist unzulässig, siehe Spindler, in: MünchKommAktG, § 84 Rn. 117. 269 Siehe nur Mutter, in: Marsch-Barner/F. Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, § 20 Rn. 17; Patzina, in: Patzina u. a. (Hrsg.), Haftung von Unternehmensorganen, Kapitel 7 Rn. 37. 270 Siehe dazu bereits oben unter § 8 A. II. 1. 271 Ähnlich Thüsing/Traut, Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht 2010, 140 („Haftung dient der Verhaltenssteuerung; umfassende Versicherung hebt sie auf“); vergleichbar Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 796, 800. 272 Die notwendige Karrenzentschädigung wird diese Abschreckwirkung jedoch zumindest einschränken, siehe zu dieser Fonk, in: Semler/von Schenck (Hrsg.), Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 10 Rn. 193. 268
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DAX30-Unternehmen als spürbarer Kostenfaktor herausstellen dürfte. Von extremen Konstellationen abgesehen, ist die finanzielle Bedeutung der sonstigen Vertragsgestaltung aber gering. 2. Gefahr und Auswirkung von Defiziten bei der Vertragsgestaltung und Bestimmung der Transaktionskosten einer informierten Entscheidung
Aus ökonomischer Sicht bleibt damit lediglich die Frage, ob Fehler bei der sonstigen Ausgestaltung des Vertrags derart gravierende Folgen haben können, dass die Aktionäre ein wohlverstandenes Interesse an der Kontrolle dieses Themenbereiches haben. Für die Vorstandsvergütung ist beispielsweise herausgearbeitet worden, dass Defizite im schlimmsten Fall die langfristige Konkurrenzfähigkeit einer Unternehmung gefährden können, etwa wenn auf Kosten der Wettbewerbsfähigkeit kurzfristige Gewinnziele ausgegeben werden.273 Schon auf den ersten Blick fällt es aber schwer, in den sonstigen Bedingungen des Anstellungsvertrags ein vergleichbares Risiko zu erkennen. Natürlich kann es für eine Gesellschaft negative Auswirkungen haben, wenn etwa ein langjähriges Vorstandsmitglied plötzlich zu einem Konkurrenten abwandert und sein Wissen dort einbringt.274 Ein automatisches Wettbewerbsverbot nach Beendigung des Vertragsverhältnisses kennt das Aktienrecht nicht.275 Entsprechend könnte man sich vorstellen, dass für ein Vorstandsmitglied trotz erkennbarer Haftungsrisiken eine D&O Versicherung nicht abgeschlossen wurde und sich ein Schadensersatzanspruch nun mangels Liquidität nicht durchsetzen lässt. Eine unzureichende Gestaltung im Bereich der sonstigen Vertragsklauseln kann daher durchaus spürbare Folgen haben. Von signifikanten finanziellen Auswirkungen wird man indes wohl nur in Ausnahmefällen sprechen können.276 Darüber hinaus sind Fehlentwicklungen im Bereich der Vorstandsvergütung gut dokumentiert, über Missstände bei der Auswahl sonstiger Klauseln wird jedoch kaum berichtet. Der Grund dafür dürfte nicht in der mangelnden gesetzlichen Publizität liegen. Die Aktiengesellschaft als Rechtsform genießt eine derartige Aufmerksamkeit in Öffentlichkeit und Fachschrifttum, dass das flächendeckende Auftreten von Fehlern früher oder später ans Licht kommen würde. An
273
Siehe dazu bereits oben unter § 1 A. Beispiel nach Fonk, in: Semler/von Schenck (Hrsg.), Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 10 Rn. 186. 275 Fonk, in: Semler/von Schenck (Hrsg.), Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 9 Rn. 186; allerdings wird die Verwendung unternehmensbezogener Betriebsgeheimnisse auch nach Beendigung der Amtszeit ex lege von § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG erfasst, siehe Kort, in: GroßkommAktG, § 84 Rn. 439. 276 Peltzer, in: Wellhöfer/Peltzer/W. Müller (Hrsg.), Die Haftung von Vorstand, Aufsichtsrat, Wirtschaftsprüfer, § 18 Rn. 131 hebt neben den Bezügen keine anderen Haftungsgefahren mit Bezug zur Ausgestaltung des Vertrags hervor. 274
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4. Kap.: Aktionärsbeteiligung und Personalkompetenz
dieser Stelle scheint sich vielmehr ein gravierender Unterschied zwischen der Festsetzung der Vorstandsvergütung und der Gestaltung der sonstigen Vertragsbestandteile zu zeigen. Die Festsetzung der Vorstandsvergütung ist eine unbestimmte Ermessensentscheidung, welche in hohem Maße ein prognostisches Element aufweist.277 Wie sinnvoll eine Sonderzahlung für die Übernahme eines konkurrierenden Unternehmens ist, hängt von zahlreichen Faktoren ab, etwa von der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung, möglichen Alternativen und der langfristigen Geschäftsstrategie. Deutlich einfacher ist hingegen zu beurteilen, ob für den Vorstand der Technologiesparte ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot angezeigt ist, weil dieser während seiner Tätigkeit mit sensiblen Daten in Kontakt kommt, die keinesfalls in die Hände eines Konkurrenten geraten dürfen. Tatsächlich liegt die Vermutung nahe, dass sich das Bedürfnis nach sonstigen Vertragsklauseln, etwa dem Abschluss einer Versicherung oder der Notwendigkeit von besonderen Verschwiegenheitsklauseln, objektiv sehr gut im Voraus bestimmen lässt. Die Zweckmäßigkeit entsprechender Regelungen kann man vornehmlich durch Fachwissen und Erfahrung einschätzen. Dies zeigt sich nicht zuletzt daran, dass ein Grundkonsens über Höhe und Zusammenstellung „guter Vorstandsvergütung“ in Wissenschaft und Praxis nicht erkennbar ist, das Bedürfnis nach bestimmten Vertragsklauseln im Gegenzug aber sehr konkret diskutiert wird.278 Das bedeutet im Umkehrschluss zwar auch, dass die Transaktionskosten einer informierten Entscheidung deutlich geringer ausfallen, als wenn etwa die komplexen Auswirkungen variabler Zielvorgaben im Raum stehen. An der bereits herausgearbeiteten geringen finanziellen Bedeutung der Materie ändert dies jedoch nichts. 3. Konfliktträchtigkeit des Regelungsbereiches
Ferner liegt die Vermutung nahe, dass der Vorstand die Qualität eines Vertrags und damit auch seinen Verhandlungserfolg vornehmlich an der vereinbarten Vergütung misst. Neben dem unmittelbaren Geldwert bedeutet diese schließlich auch Prestige und soziales Ansehen.279 Für einen Großteil der übrigen Vertragsklauseln, etwa ob eine Pflicht zur Wohnsitznahme am Sitz der Gesellschaft280 besteht oder in welchem Umfang Nebentätigkeiten gestattet sind, ist eine derartige Wirkung nicht erkennbar. Lediglich einzelne Komponenten der Fürsorgeaufwendungen, etwa die Büroausstattung oder der Typ des zu geschäftszwecken überlassenen Dienstwagens, könnten im Ansatz eine vergleichbare Bedeutung entfalten. Konfliktfelder sind demnach auch bei der Aushandlung der sonstigen Vertragsbe277
Siehe dazu bereits oben unter § 3 B. II., § 3 B. III. und § 4 C. III. Siehe dazu bereits oben unter § 9 Fn. 258. 279 Siehe dazu bereits oben unter § 3 B. I. 1. 280 Auf die Möglichkeit derartiger Residenzpflichten hinweisend Potthoff/Trescher, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 1653; Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 84 Rn. 97. 278
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standteile vorstellbar, dürften aber eher die Ausnahme bleiben.281 Die sonstigen Regelungen des Vertrags dürften von Aufsichtsrat und Vorstand auf Grund ihrer technischen Qualität eher emotionslos betrachtet werden, so dass sich das allgemeine Verhandlungsdefizit seltener auswirkt. Aus der Praxis wird berichtet, dass die Gesellschaften oft Musterverträge vorhalten, welche teilweise „von Generation zu Generation“ weitergegeben werden.282 Dies liegt mit Sicherheit daran, dass einheitliche Verträge eine Gleichbehandlung aller Vorstandsmitglieder sicherstellen.283 Es unterstreicht jedoch, dass Vorstand und Aufsichtsrat der Ausgestaltung der einzelnen Vertragsbedingungen eben nur ein geringes Gewicht beimessen und ein Ausverhandeln im Einzelfall überhaupt nicht stattfindet. 4. Ergebnis
Die vorherigen Ausführungen legen nahe, dass die Aktionäre an einer Beteiligung bei der sonstigen Vertragsausgestaltung nur selten ein ökonomisches Interesse entwickeln werden. Allerhöchstens in Einzelfällen wird man die absolute Kostenbelastung derartiger Regeln oder die mit einer defizitären Zusammenstellung einhergehende Gefahr als gravierend einschätzen können. Natürlich gilt auch hier, dass die Situation von Gesellschaft zu Gesellschaft variieren kann. Berücksichtigt man aber den allgemein hohen Grad der Standardisierung der Verträge und das oftmals gering ausgeprägte Interesse des Vorstands an individuellen Verhandlungen, dürfte die Möglichkeit über entsprechende Kompetenzen positive ökonomische Impulse zu setzen, sehr gering ausgeprägt sein. III. Institutionelle Überlegungen Bezüglich der Vergütung wurde herausgearbeitet, dass es sich um ein zentrales Bindeglied zwischen Aktionären und Vorstand handelt, bei dem eine Rückkopplung an die wirtschaftlichen Eigentümer wichtig erscheint.284 Eine derartige Legitimationswirkung kann auch für die sonstigen Bestandteile des Anstellungsvertrags geschaffen werden. Ein Wettbewerbsverbot wird beispielsweise aufgewertet, wenn die Aktionäre unmittelbar über dieses beschließen oder ein solches in der Satzung vorgeben. Fraglich ist allein, ob für diese Legitimationswirkung über281 Ähnlich wohl Peltzer, in: Wellhöfer/Peltzer/W. Müller (Hrsg.), Die Haftung von Vorstand, Aufsichtsrat, Wirtschaftsprüfer, § 18 Rn. 129, der davon spricht, dass diese Bereiche „im Allgemeinen ohne Schwierigkeiten egalisiert werden können“. 282 Fonk, in: Semler/von Schenck (Hrsg.), Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, 3. Aufl., § 9 Rn. 77; ähnlich Peltzer, in: Wellhöfer/Peltzer/W. Müller (Hrsg.), Die Haftung von Vorstand, Aufsichtsrat, Wirtschaftsprüfer, § 18 Rn. 129 („weisen im Allgemeinen einen hohen Grad an Standardisierung auf“). 283 Fonk, in: Semler/von Schenck (Hrsg.), Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, 3. Aufl., § 9 Rn. 77. 284 Siehe dazu bereits oben unter § 8 A. III. 1.
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4. Kap.: Aktionärsbeteiligung und Personalkompetenz
haupt eine Notwendigkeit besteht. Die genaue Ausgestaltung des Vertrags ist zweifelsohne wichtig, insbesondere für den geordneten Ablauf der vereinbarten Tätigkeit. Eine derart grundlegende Relevanz wie die Vorstandsvergütung haben die sonstigen Vorschriften im Regelfall aber nicht. Die bisherige Untersuchung lässt keine Klauseln erkennen, die eine entscheidende Verpflichtung des Vorstands auf die Aktionärsinteressen bewirken würde. Auch die Dauer des Anstellungsverhältnisses dürfte nur in Ausnahmefällen, insbesondere nicht neben einer Abstimmung über ein Vergütungssystem, eine eigenständige Bedeutung haben.285 Durch die Beteiligung der Aktionäre im Bereich der Geschäftsleiterkompensation soll ferner der unbestimmte Angemessenheitsbegriff konkretisiert werden.286 Auch bei der sonstigen Ausgestaltung des Vertrags ist der Aufsichtsrat in der Theorie weitestgehend frei, so dass von einem vergleichbaren Ermessensspielraum ausgegangen werden kann. Verpflichtende Vorgaben finden sich im Gesetz nur wenige.287 Es wurde jedoch bereits gezeigt, dass die sonstigen Aspekte des Vertrags oftmals objektiv im Voraus beurteilt werden können, anders als etwa Kosten und Nutzen der Vorstandsvergütung. Nicht zuletzt belegt die Existenz umfangreicher Vertragsmuster288, dass in diesem Bereich nicht die gleiche Konturlosigkeit herrscht, wie bei der Ausfüllung des von § 87 Abs. 1 AktG vorgegebenen Rahmens. Damit sinkt aber auch die Notwendigkeit, die letztendlich getroffene Entscheidung des Aufsichtsrats durch eine besondere Legitimation zu untermauern. Es ist auch nicht ersichtlich, dass es in größerem Umfang aktionärsspezifische Vertragsbestandteile geben könnte, deren Einführung durch zusätzliche Kompetenzen ermöglicht werden würde. Bezüglich der Vorstandsvergütung ist es beispielsweise naheliegend, dass an kurzfristigen Kurssprüngen interessierte Gesellschafter auf die stärkere Berücksichtigung von echten oder virtuellen Aktienoptionsprogrammen hinwirken könnten.289 Die quasi öffentliche Befassung auf der Hauptversammlung erlaubt im Gegenzug, dass andere stakeholder Gruppen von geplanten Entwicklungen Kenntnis nehmen und sich gegebenenfalls Gehör verschaffen können. Bezüglich der sonstigen Ausgestaltung des Vertrags dürften aber regelmäßig weder die Hauptversammlungsmehrheit, noch die Belegschaft oder langfristig orientierte Vertragspartner eigene Interessen verfolgen. Es handelt sich vornehmlich um eine technische Materie. Aus institutioneller Sicht fällt das Ergebnis der Untersuchung daher eindeutig aus. Ein Bedürfnis für die mit einer Aktionärsbeteiligung einhergehende Legiti285
Siehe dazu bereits oben unter § 9 A. II. 1. Siehe dazu bereits oben unter § 8 A. III. 1. 287 Siehe dazu bereits oben unter § 4 C. II. 288 Beispielsweise bei Fonk, in: Semler/von Schenck (Hrsg.), Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, Anlage § 10–1. 289 Siehe dazu bereits oben unter § 8 A. III. 1. und § 8 A. III. 2. 286
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mationswirkung besteht nicht. Weder haben die sonstigen Vertragsbestandteile eine so gewichtige Bedeutung, dass eine Mitwirkung der Gesellschafter unbedingt notwendig erscheint, noch existiert in der Praxis bei der Ausübung der Kompetenz auf Seiten des Aufsichtsrats ein derart unbestimmtes Ermessen, wie wenn die Kompensation nach § 87 Abs. 1 AktG festgesetzt wird. Es ist auch nicht ersichtlich, dass über gesonderte Kompetenzen spezifische Aktionärsinteressen durchgesetzt werden könnten, die anderenfalls unberücksichtigt bleiben würden. IV. Spezifische Wirkungsweise einer Aktionärsbeteiligung Abschließend gilt es zu klären, ob zumindest die besondere Wirkungsweise einer Aktionärsbeteiligung dafür spricht, einen ergänzenden Kontroll- und Steuerungsmechanismus zuzulassen. Der Einsatz von Stimmrechten würde erlauben, die Auswahl einzelner Vertragsbestandteile vor dem Hintergrund der Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen. Der hohe Grad an Standardisierung über die Grenzen einzelner Gesellschaften hinweg macht aber eine flexible Betrachtung weniger notwendig, als bei der Zusammenstellung der Vorstandsvergütung. Grundsätzlich handelt es sich zwar auch um eine betriebswirtschaftliche Entscheidung des Aufsichtsrats, welche von zwingenden gesetzlichen Vorgaben möglichst freizuhalten ist.290 Im Kern stellen sich aber für alle Gesellschaften dieselben Fragen. Für den Fall, dass sich flächendeckend Missbräuche zeigen, sind damit abstrakte und standardisierte Regulierungen eher möglich als in anderen Bereichen der Personalkompetenz. So hat der Gesetzgeber durch das VorstAG beispielsweise konkrete Vorgaben für die Vereinbarung von D&O Versicherungen eingeführt. Die seitdem in § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG festgeschriebene Pflicht eines Mindestbehalts ist eine Reaktion auf die vorherige Praxis der Gesellschaften, den Vorstand nicht in angemessenem Umfang an den Prämien zu beteiligen.291 Die durch Stimmrechte hervorgerufene Flexibilität ist somit auch bezüglich der sonstigen Vertragsgestaltung grundsätzlich vorteilhaft, aber nicht so bedeutsam, wie etwa im Rahmen der unbestimmten Kompensationsfestsetzung. Die besondere Effektivität von Aktionärskompetenzen im Bereich der Vorstandsvergütung begründet sich ferner durch die öffentliche Aufmerksamkeit für die Thematik und die damit einhergehende Sensibilisierung. Schon eine gering ausfallende Opposition kann, nicht zuletzt bei regelmäßig wiederkehrenden Abstimmungen, schnell wahrgenommen werden und Druck auf Vorstand und Aufsichtsrat aufbauen.292 Für die sonstige Vertragsausgestaltung existieren derart günstige Rahmenbedingungen hingegen nicht. Zum einen fehlt es an entspre290 291 292
Siehe dazu bereits oben unter § 4 C. III. Seibert, WM 2009, 1489, 1492. Siehe dazu bereits oben unter § 8 A. IV. 2.
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4. Kap.: Aktionärsbeteiligung und Personalkompetenz
chend gewichtigen Auswirkungen auf einzelne Gesellschaften, zum anderen auch an einer vergleichbaren sozialpolitischen Bedeutung. Die Vergütung in deutschen Aktiengesellschaften sagt viel über die Gesamtwirtschaftsordnung aus. Die Versicherungspflichten und die Fürsorgeaufwendungen haben allerdings erkennbar keine derartige Brisanz. Unabhängig davon ist das Auftreten von signifikanten Aktionärswiderständen bei einer Abstimmung natürlich eine empfindliche Niederlage für die Verwaltung. Immerhin geben die Gesellschafter dadurch zu erkennen, dass sie mit der Amtsführung des Aufsichtsrats nicht zufrieden sind. Da aber eine entsprechende Öffentlichkeitswirkung vielfach fehlen wird, rücken weniger die Reputationsschäden, sondern das eigentliche Ergebnis einer Beteiligung in den Vordergrund. Die ökonomischen Überlegungen haben jedoch gezeigt, dass kaum erwartet werden kann, dass die Hauptversammlung die mit der Entscheidungsfindung verbundenen Probleme überwinden wird, um etwa eine Mehrheit gegen bestimmte vertragliche Klauseln in Stellung zu bringen.293 V. Beurteilung Die vorherige Untersuchung hat keine Argumente hervorgebracht, die für Einwirkungsmöglichkeiten der Gesellschafter auf die sonstige Vertragsgestaltung und damit für eine Aufgabe des bisherigen dogmatischen Systems sprechen würden. Es handelt sich aus ökonomischer Sicht nicht um einen Bereich für den die Anleger regelmäßig ein gesteigertes Interesse entwickeln werden. Weder sind die absoluten Kosten von besonderer Relevanz, noch besteht die Gefahr von Fehlentscheidungen, die nachhaltige Auswirkungen auf die Gesellschaft haben könnten. Auch institutionelle Gesichtspunkte lassen kein Bedürfnis für eine Einbeziehung erkennen. Es fehlt vor allem an dem unbestimmten Ermessen, welches im Bereich der Geschäftsleiterkompensation eine Rückbeziehung auf die Aktionärsinteressen notwendig gemacht hat. Bezüglich der sonstigen Vertragsbestandteile ist nicht davon auszugehen, dass die Gesellschafter überhaupt eigene Wünsche haben, für deren Durchsetzung eine Kompetenz gerade notwendig erscheinen würde. Auch die spezifische Wirkungsweise einer Aktionärsbeteiligung spricht nicht für eine Ergänzung des bestehenden regulatorischen Rahmens. Zwar kann die Qualität eines Anstellungsvertrags letztendlich nur auf der Ebene jeder einzelnen Gesellschaft abschließend beurteilt werden. Der hohe Grad an Standardisierung verringert jedoch den Nutzen, der durch eine individuelle Evaluierung erzielt werden kann. In Ermangelung einer besonderen Öffentlichkeitswirkung ist nicht davon auszugehen, dass ein besonderes Gespür für eine unterlegene Aktionärsminderheit existiert, welches man sich durch entsprechende Abstimmungen dienlich machen kann. Die Vorteile einer Aktionärsbeteiligung sind daher nicht so 293
Siehe dazu bereits oben unter § 9 A. II.
§ 9 Beteiligung im Bereich sonstiger Bestandteile des Anstellungsvertrags
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stark ausgeprägt, als dass man trotz mangelnder ökonomischer und institutioneller Bedeutung auf einen derartigen Kontroll- und Steuerungsmechanismus nicht verzichten könnte. Es ist sicherlich nicht ausgeschlossen, dass die Gesellschafter in besonderen Fällen ein Interesse an bestimmten Gestaltungsfragen entwickeln. Am ehesten ließe sich dies wohl für die Dauer des Vertragsverhältnisses annehmen oder für die Einwirkung auf allzu umfangreiche Fürsorgeaufwendungen. Aber weder in ihrer Gesamtheit, noch mit Blick auf einzelne Vertragsbestandteile entwickelt die Thematik eine ähnliche Bedeutung, wie die Höhe und die Zusammenstellung der Vorstandsvergütung. Damit wird deutlich, dass die Schaffung institutionalisierter Abstimmungskompetenzen, welche eine Einwirkung auf die sonstige Vertragsgestaltung ermöglichen würden, nicht zu befürworten ist. Dies gilt unabhängig von der möglichen Ausgestaltung einer solchen Norm, deren Verbindlichkeit oder dem Durchführungsrhythmus der Abstimmung. Es gibt keinen Grund, einen Themenbereich für eine Aktionärsbeteiligung zu öffnen, wenn eine erkennbare Notwendigkeit nicht besteht. Von unnötigen Befassungen ist sowohl das Aktienrecht als auch die jährlich stattfindende Hauptversammlung freizuhalten. Auf den ersten Blick scheinen statutarische Vorgaben für diese Materie somit eher geeignet. So könnten die Aktionäre, wenn wirklich ein Regelungsbedürfnis im Einzelfall erkannt wird, eine Vorgabe in die Satzung aufnehmen lassen. Im Gegensatz zu einer Abstimmungskompetenz würde das Erfordernis einer drei Viertel Mehrheit aus § 179 Abs. 2 Satz 1 AktG zumindest sicherstellen, dass es nicht zu einer allzu häufigen Beschäftigung der Hauptversammlung kommt, also keine überflüssigen Kosten erzeugt werden. Bei der Vorstandsvergütung sprach das Flexibilitätserfordernis noch gegen derartige Gestaltungen.294 Ein solches ist bei den sonstigen Vertragsbestandteilen aber nicht in den gleichen Maßen erkennbar. Immerhin zeigt die Erfahrung aus der Praxis, dass die Muster nur selten geändert werden.295 Es ist allerdings ebenfalls bereits gezeigt worden, dass die Aufgabe der Satzungsstrenge nur dann geboten ist, wenn dafür ein überzeugender Anlass besteht.296 Zwar ist es nicht vollständig undenkbar, dass eine Hauptversammlung auf Vorgaben mit Bezug zur sonstigen Vertragsgestaltung hinwirken will. Vor dem Hintergrund der vorherigen Ausführungen ist jedoch davon auszugehen, dass es sich nur um Ausnahmesituationen handeln wird. Dafür lohnt es sich nicht, allen Aktionären die Kosten aufzubürden, die mit einer individuellen Satzungsevaluation einhergehen. Immerhin müsste jeder Investor vor Erwerb seiner Beteiligung prüfen, ob in der jeweiligen Gesellschaft entsprechende Vorschriften mit Vertragsbezug vorhanden sind. Eine Öffnung der Satzung ist daher ebenfalls nicht zu ermöglichen. 294 295 296
Siehe dazu bereits oben unter § 8 A. V. 2. Siehe dazu bereits oben unter § 9 Fn. 282. Siehe dazu bereits oben unter § 6 F. III.
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4. Kap.: Aktionärsbeteiligung und Personalkompetenz
B. Ergebnis Die Schaffung einer Einwirkungsmöglichkeit auf die sonstige Ausgestaltung des Vertrags außerhalb der Vorstandsvergütung ist de lege ferenda weder durch einfache Abstimmungskompetenzen, noch durch eine Satzungsöffnung zu empfehlen. Die ökonomische Bedeutung der Materie ist im Regelfall nicht hinreichend hoch, als dass Aktionäre die mit der kollektiven Entscheidungsfindung verbundenen Probleme überwinden würden. Auch eine wünschenswerte institutionelle Wirkung lässt sich nicht begründen. Hierzu kommt, dass die regelmäßig mit einer Aktionärsbeteiligung verbundenen Vorteile, namentlich die hohe Flexibilität und die Schaffung von Reputationsschäden, in diesem Bereich nur eine untergeordnete Rolle spielen.
§ 10 Aktionärsbeteiligung im Bereich der organschaftlichen Bestellung und beim Widerruf der Bestellung Fest steht bisher, dass eine umfassende Beteiligung der Aktionäre durch eine einfache Abstimmung über das Vergütungssystem wünschenswert ist, nicht jedoch bei den sonstigen Bestandteilen des Anstellungsvertrags. Ausgehend von diesem Ergebnis gilt es nun zu untersuchen, inwieweit eine Mitwirkung der Gesellschafter bei organschaftlichen Entscheidungen, also bei Bestellung und Widerruf der Bestellung, angezeigt ist. Während in § 8 und § 9 die schuldrechtlichen Rahmenbedingungen für die Vorstandstätigkeit behandelt wurden, stehen nun die eigentliche Kandidatenauswahl und die Entscheidung, ob und wann dieser aus dem Amt entfernt werden muss, im Vordergrund. Aktionärsbefugnisse in diesem Bereich können dabei verschiedene Formen annehmen. So ließe sich die Satzung öffnen, um dem Aufsichtsrat für die Ausübung der jeweiligen Kompetenzen Vorgaben zu machen. Denkbar wäre es ebenfalls, nach dem Vorbild des § 120 Abs. 4 AktG, über die abstrakte Einstellungspolitik abstimmen zu lassen oder der Hauptversammlung gleich ganz die Bestellung oder die Abberufung zu übertragen. In der Folge wird daher für die organschaftliche Personalauswahl untersucht, welche Auswirkungen von einer Aktionärsbeteiligung zu erwarten sind. Ob für derartige Gestaltung ein Bedürfnis besteht, wird dabei entsprechend den bereits herausgearbeiteten Bewertungskriterien beurteilt, also vor allem an Hand der dogmatischen, ökonomischen und institutionellen Rahmenbedingungen sowie der spezifischen Wirkungsweise von Stimmrechten in diesem Bereich. Dabei wird auch auf die bereits herausgearbeiteten Erkenntnisse zur Mitwirkung bei der Festsetzung der Vorstandsvergütung und bei der sonstigen Vertragsausgestaltung zurückgegriffen. Zeigen die kommenden Ausführungen, dass eine Einwirkung der Gesellschafter auf organschaftliche Entscheidungen grundsätzlich gerechtfertigt werden kann, wird abschließend jeweils getrennt für Bestellung und Wider-
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ruf der Bestellung herausgearbeitet, wie entsprechende Kompetenzen aussehen können.
A. Allgemeine Überlegungen zur Beteiligung der Aktionäre im organschaftlichen Bereich I. Dogmatische Überlegungen 1. Zwingende Zuweisung des organschaftlichen Entscheidungsprozesses an den Aufsichtsrat
Das deutsche Recht kennt nach hier vertretener Auffassung bisher keine verbindliche Einwirkungsmöglichkeit der Aktionäre im organschaftlichen Bereich.297 In der Literatur heißt es sogar, dass ein Vorschlag bezogen auf eine stärkere Mitwirkung der Gesellschafter bezüglich der Bestellung, „aus verständlichen Gründen bisher nicht gemacht“ wurde,298 wobei die Gründe für so selbstverständlich gehalten werden, dass selbst eine kurze Erläuterung unterbleibt. Betrachtet man die organschaftliche Personalauswahl jedoch genauer, so zeigt sich, dass zumindest mittelbare Aktionärseinflüsse dem deutschen Recht nicht fremd sind. Dem bereits angesprochenen Vertrauensentzug aus § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG fehlt zwar eine verbindliche Rechtsfolge. Die Öffentlichkeitswirkung und der durch potentielle Reputationsschäden aufgebaute Druck einer verlorenen Abstimmung dürften dessen ungeachtet oftmals beachtlich sein.299 Allein die Tatsache, dass das Aktiengesetz einen institutionalisierten Weg für ein solches Verfahren vorsieht, zeigt die Bedeutung, welche der Gesetzgeber der Meinung der Gesellschafter auf organschaftlicher Ebene beimisst.300 Nach § 120 Abs. 1 AktG muss in der ordentlichen Hauptversammlung darüber hinaus jährlich in unverbindlicher Form zur Leistung von Vorstand und Aufsichtsrat Stellung genommen werden. Im Rahmen der Entlastung kann dabei auch ein konkreter Bestellungsvorgang oder ein anstehender Widerruf diskutiert werden. Aber auch wenn solche Fragen nicht ausdrücklich aufgeworfen werden, so bedeutet ein positives Votum, dass sich das richtige Personal am richtigen Ort befindet. Denn die Erteilung der Entlastung zeigt, dass die Hauptversammlung nicht nur mit der Amtsführung, sondern auch mit den ausgewählten Amtsträgern zufrieden ist. Über § 120 Abs. 1 AktG werden demzufolge jährlich die vom Aufsichtsrat getroffenen organschaftlichen Entscheidungen neu legitimiert. 297
Siehe dazu bereits oben unter § 5 A., § 5 B. I. und § 5 B. II. Fonk, in: Semler/von Schenck (Hrsg.), Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 10 Rn. 118. 299 Dies war unter anderem der Grund für die ursprüngliche Ausgestaltung der Norm, siehe Ausschussbericht zum Aktiengesetz 1965, zitiert nach Kropff, Aktiengesetz, S. 107. 300 Siehe dazu bereits oben unter § 5 C. I. 298
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Darüber hinaus ist es rechtlich zulässig, dass die Aktionäre sich untereinander und mit potentiellen Kandidaten absprechen und das Ergebnis an den Aufsichtsrat kommunizieren.301 In der Vergangenheit haben selbst in Publikumsgesellschaften größere Anteilseigner teilweise Einfluss auf die Besetzung des Vorstands genommen.302 In einigen kleineren Gesellschaften ziehen ohnehin die Aktionäre im Hintergrund die Fäden und nicht die formal ausgewählten Aufsichtsratsmitglieder. All diese Überlegungen zeigen, dass der Gesetzgeber mit der Unverbindlichkeit der jeweiligen Einflussmöglichkeiten bisher dogmatisch eine klare Abgrenzung vorgenommen hat. Je nach Ausgestaltung zusätzlicher Aktionärskompetenzen würde daher tatsächlich stärker in die aktuell bestehende Letztzuständigkeit des Aufsichtsrats eingegriffen. Von einem Systembruch wird man indes entsprechend den bisher herausgearbeiteten Erkenntnissen nur dann sprechen können, wenn eine derartige Änderung ohne überzeugende Gründe erfolgt.303 Vor dem Hintergrund, dass die faktischen Einwirkungsmöglichkeiten auf die organschaftliche Personalauswahl nicht zuletzt dank § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG sehr stark ausgeprägt sind, dürften Änderungen in diesem Bereich durchaus möglich sein, ohne dass dies aus systematischer Sicht zu wertungswidersprüchlichen Ergebnissen führen muss. Anders als bei den sonstigen Vertragsbestandteilen,304 würde etwa durch verbindliche Einwirkungsmöglichkeiten kein vollständiges Neuland betreten, sondern vielmehr nur ein stärkerer Einfluss in einem Gebiet ermöglicht, welches die Aktionäre inhaltlich bereits erschlossen haben. 2. Die Verbindung von organschaftlicher Personalauswahl und der Festsetzung der Vorstandsvergütung
Es ist an anderer Stelle bereits herausgestellt worden, dass die Abstimmung über das System zur Vergütung der Vorstandsmitglieder möglichst als verbindliche Kompetenz ausgestaltet werden sollte.305 Unterstellt, eine derartige Regelung würde Einzug in das Gesetz erhalten, stellt sich aus dogmatischer Sicht die Frage, ob dies auch Auswirkungen auf mögliche Beteiligungsformen mit Bezug zur Bestellung und Abberufung haben muss. In der Praxis bedingen sich die Kompetenzen teilweise. Ein hochqualifizierter Kandidat wird sich beispielsweise nicht zum Vorstand bestellen lassen, wenn nicht auch eine adäquate Kompensation gewährt wird. Entsprechend könnte durch eine verbindliche Obergrenze in einem Vergütungssystem bereits mittelbar eine Kandidatenvorauswahl getroffen 301 Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 84 Rn. 9; ähnlich Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 335. 302 Potthoff/Trescher, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 1619. 303 Siehe dazu bereits oben unter § 8 A. I. 304 Siehe dazu bereits oben unter § 9 A. I. 305 Siehe dazu bereits oben unter § 8 B. IV.
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werden. Im Schrifttum wird daher auf die Gefahr hingewiesen, dass die Aktionäre versuchen könnten, die Entscheidungen des Aufsichtsrats nach § 84 AktG durch ihre Beteiligung im Bereich der Vergütung zu konterkarieren.306 Vereinzelt wird behauptet, dass eine Beteiligung der Gesellschafter an der Vorstandsvergütung konsequenterweise auch einen Einfluss auf die Bestellung voraussetze.307 Vergleichbar wird vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtslage argumentiert, dass gerade weil die Festsetzung der Vorstandsvergütung nach § 87 Abs. 1 AktG allein dem Aufsichtsrat zusteht, folglich auch die organschaftliche Entscheidung von Aktionärseinflüssen frei gehalten werden müsse.308 Gemein haben beide Begründungsansätze, dass auf vermeintliche Wertungswidersprüche hingewiesen wird, welche eine Aufteilung der Kompetenzen mit sich bringen könnte. Die Beteiligung mehrerer Organe an einem zusammengehörenden Lebenssachverhalt ist im Aktienrecht allerdings nicht unüblich. Die Geschäftsführung wird zwar grundsätzlich vom Vorstand nach § 76 Abs. 1 AktG wahrgenommen, über § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG müssen jedoch Zustimmungsvorbehalte zu Gunsten des Aufsichtsrats vorgesehen werden. Für bestimmte Abwehrmaßnahmen in Übernahmesituationen ist eine Ermächtigungserteilung durch die Hauptversammlung nach § 33 Abs. 2 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes notwendig, obwohl die Durchführung der Abwehrhandlung letztendlich allein dem Vorstand obliegt. Gemäß § 87 Abs. 1 AktG kann der Aufsichtsrat schuldrechtlich die Vergütung alleine festschreiben, ohne Mitwirkung der Aktionäre aber beispielsweise echte Aktienoptionspläne nicht bedienen. In all diesen beispielhaft aufgeführten Fällen kann es zweifelsohne zu Konflikten zwischen den beteiligten Organen kommen. Der Vorstand kann etwa nachdrücklich den Ankauf eines Konkurrenzunternehmens befürworten, darf dies allerdings nicht umsetzen, da der Aufsichtsrat die in der Satzung vorgeschriebene Zustimmung nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG verweigert. Kommt es zu einer solchen Situation, ist dies regelmäßig Ausdruck gravierender innergesellschaftlicher Probleme. Rechtlich fällt die Beurteilung aber eindeutig aus. Ohne Zustimmung handelt der betroffene Vorstand pflichtwidrig, die Vornahme des Geschäfts hat zu unterbleiben. Eine Aufteilung eines zusammengehörenden Vorgangs zwischen verschiedenen Organen muss folglich nicht zu Widersprüchen führen. Es ist ohnehin unwahrscheinlich, dass mit der hier befürworteten ex ante Abstimmung über ein Vergütungssystem bewusst einzelne Kandidaten verhindert 306 Darauf hinweisend Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 316; Martens, in: FS Hüffer, S. 647, 657. 307 Fonk, in: Semler/von Schenck (Hrsg.), Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 10 Rn. 118, der daraus jedoch kein Argument für eine Aktionärsbeteiligung im organschaftlichen Bereich sondern gegen eine Beteiligung bei der Vergütungsentscheidung herleitet. 308 Seibt, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), § 84 Rn. 2 (für Publikumsgesellschaften); für einen Gleichlauf der Kompetenzen auch Hoffmann-Becking, ZHR 170 (2006), 2, 6.
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werden könnten. Dies würde voraussetzen, dass die Aktionäre zum Zeitpunkt der Beschlussfassung bereits wissen, dass der Aufsichtsrat mit einem potentiellen Vorstandsmitglied verhandelt und dass dieser unverrückbare Mindestbedingungen gestellt hat, deren Erfüllung durch die Beteiligung der Gesellschafter unmöglich gemacht wird. Zu Recht wurde daher bereits bezüglich der im VorstKoG vorgesehenen Regelung festgehalten, dass sich eine solche Gefahr nur in Ausnahmesituationen realisieren kann.309 Der § 120 Abs. 4 AktG kann auch unter Einbeziehung der hier geforderten Reformen von den Gesellschaftern nicht genutzt werden, um die organschaftliche Personalauswahl dauerhaft zu lähmen. Zu rechtlichen Widersprüchen führt eine derartige Mitwirkung ohnehin nicht. Verweist die Hauptversammlung den Aufsichtsrat auf ein abweichendes System und lässt sich ein Kandidat auf dieses nicht ein, kann eine Berufung nicht erfolgen. Damit zeigt sich, dass eine verbindliche Beteiligung der Aktionäre an der Festsetzung der Vorstandsvergütung aus dogmatischer Sicht nicht unbedingt eine Mitwirkung bei der Bestellung oder dem Widerruf der Bestellung voraussetzt. Es ist davon auszugehen, dass man einzelne Regelungen so aufeinander abstimmen kann, dass wertungswidersprüchliche Ergebnisse vermieden werden. 3. Ergebnis
Eine Weiterentwicklung der existierenden faktischen Einwirkungsmöglichkeiten auf die Bestellung und deren Widerruf würde zumindest dann keinen Systembruch darstellen, wenn dadurch positive Impulse für die bestehende Regulierung zu erwarten sind. Die hier vorgeschlagenen Änderungen für den § 120 Abs. 4 AktG verlangen allerdings nicht unbedingt entsprechende Anpassungen im organschaftlichen Bereich. II. Ökonomische Überlegungen 1. Direkte und indirekte Auswirkungen der organschaftlichen Personalauswahl
In einem nächsten Schritt gilt es die ökonomischen Rahmenbedingungen der organschaftlichen Personalauswahl zu untersuchen. Über § 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 AktG wird entschieden, wer wie lange den in § 76 Abs. 1 AktG vorgeschriebenen Leitungsauftrag erfüllt. Zwar kann eine umfassende Steuerung dieser Arbeit über die Vergütung erfolgen.310 Diese schafft letztendlich jedoch nur eine Incentivierung. Mangelnde Fähigkeiten, Charisma und berufliche Erfahrung können auf diesem Weg nicht kompensiert werden. Eine hohe Vergütung 309 Hemeling, Sachverständigenanhörung am 5. Juni 2013 zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aktiengesetzes (Aktienrechtsnovelle 2012), S. 3. 310 Siehe dazu bereits oben unter § 2 B.
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macht aus einem unerfahrenen Geschäftsleiter nicht plötzlich einen Branchenkenner. Ebenso wenig garantiert die Vorgabe hervorragend aufeinander abgestimmter Zielvorgaben, dass der angesprochene Kandidat den anstehenden Aufgaben gewachsen ist. Es fällt allerdings schwer, die individuelle Bedeutung eines jeden Vorstandsmitglieds mit einem Preisschild zu versehen. Berücksichtigt man aber, dass die bloße Kompensation des Organs nur einen geringen Teil des gesamten Umsatzes ausmacht,311 so wird deutlich, dass das überwiegende Gesellschaftsvermögen im Tagesgeschäft bewegt wird. Zwar kann das operative Management nicht nur auf den für die hier vorliegende Untersuchung relevanten Vorstand reduziert werden. Dieser nimmt allerdings eine wichtige Rolle für jede Unternehmung ein.312 Fehler in der Auswahl können aus ökonomischer Sicht demzufolge fatale Folgen haben. Nicht umsonst heißt es, dass die „Auszahlung der vertraglichen Restansprüche [. . .] allemal billiger als die andauernde Beschäftigung eines nicht verlässlichen oder nicht voll geeigneten Vorstandsmitglieds [ist]“.313 Mängel auf diesem Gebiet können genauso wie eine fehlerhaft zusammengestellte Vergütungsabrede die Wettbewerbsfähigkeit einer Gesellschaft dauerhaft schädigen. In Ermangelung empirischer Daten lässt sich allerdings nicht sicher feststellen, inwieweit es in der Praxis tatsächlich zu Missbräuchen und Fehleinschätzungen kommt, denen man mit einer Aktionärsbeteiligung entgegenwirken könnte. Einerseits können sich die bereits herausgearbeiteten Defizite auch bei der Arbeit des Aufsichtsrats im organschaftlichen Bereich realisieren.314 Insbesondere der Widerruf einer Bestellung kann oft als Eingeständnis einer vorherigen Fehlentscheidung gewertet werden, so dass das Gremium an einem Geschäftsleiter möglicherweise zu lange festhält.315 Andererseits kann es sich ein Aufsichtsrat nicht dauerhaft erlauben, mit unqualifizierten Geschäftsleitern zusammenarbeiten. Eine engmaschige Überwachung kann vorherige Auswahlfehler nämlich nicht korrigieren.316 Der Kontroll- und Beratungsaufwand würde sich so dauerhaft erhöhen. Anders als bei der Festsetzung der Vorstandsvergütung kann dem Organ daher ein Eigeninteresse an sachgerechten Entscheidungen nicht völlig abgesprochen werden.
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Siehe dazu bereits oben unter § 8 A. II. 1. Ähnlich Fonk, in: Semler/von Schenck (Hrsg.), Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 10 Rn. 1. 313 von Schenck, in: Semler/von Schenck (Hrsg.), Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 1 Rn. 56; ähnlich Drinhausen/Marsch-Barner, AG 2014, 337, 346 („Bestellung und eventuelle Abberufung der Vorstandsmitglieder ist eine der wichtigsten Aufgaben des Aufsichtsrats“). 314 Siehe dazu bereits oben unter § 4 A. 315 Siehe dazu bereits oben unter § 4 A. IV. 316 Siehe dazu bereits oben unter § 4 A. IV. 312
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4. Kap.: Aktionärsbeteiligung und Personalkompetenz 2. Transaktionskosten einer informierten Entscheidung
Darüber hinaus müssen die Transaktionskosten einer informierten Entscheidung berücksichtigt werden. Für die Vorstandsvergütung ist darauf hingewiesen worden, dass die Aufwendungen hoch ausfallen können, weil es keinen allgemein anerkannten Maßstab gibt, um „gute Abreden“ beurteilen zu können und gerade bezüglich der variablen Bestandteile eine Betrachtung des Einzelfalls notwendig ist.317 Ähnliches gilt auch für die organschaftliche Personalauswahl. Ein „generell anwendbares Beurteilungsschema für Vorstände“ lässt sich nicht finden.318 Es ist in der Praxis trotz aller Erfahrungswerte kein einfaches Unterfangen festzustellen, ob eine Person den Anforderungen an das Vorstandsamt gewachsen ist, zum Zeitpunkt seiner Bestellung die richtige Wahl für die Unternehmung war und auch zum aktuellen Zeitpunkt noch die richtige Wahl darstellt. Viel kann in diesem Zusammenhang vom persönlichen Eindruck abhängen, welchen der Aufsichtsrat während den Vertragsverhandlungen oder der laufenden Zusammenarbeit gewinnt.319 Es dürfte jedoch schwerfallen, diese subjektiven Einschätzungen in aussagekräftiger Form an die Hauptversammlung zu kommunizieren. Hinzu kommt, dass man die Qualität eines individuellen Kandidaten, anders als dessen Kompensation, kaum in Zahlen und Grafiken ausdrücken kann. Weiterhin ist für eine informierte Personalentscheidung eine klare Vorstellung darüber notwendig, in welche Richtung sich die Gesellschaft entwickeln soll und was für einen Typ von Vorstandsmitglied für die Verfolgung dieser Ziele gebraucht wird.320 Die Beantwortung dieser Fragen setzt indes eine intensive Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Investitionsobjekt voraus. Anders als bei der Beurteilung der Geschäftsleiterkompensation existieren für die Bestellung und deren Widerruf kaum geeignete Parameter für eine teilinformierte Entscheidung. Man kann relativ einfach Leistung und Gegenleistung vergleichen und so zu dem Schluss kommen, dass ein Vorstandsmitglied überbezahlt wurde, ohne dafür einzelne Teile der Abrede evaluieren zu müssen.321 Ein Auseinanderfallen von Leistung und Gegenleistung bedeutet jedoch nicht, dass der betroffene Vorstand fachlich unqualifiziert ist oder dass eine Beendigung der organschaftlichen Stellung notwendig ist. Eine derartige Aussage wird man regelmäßig nur nach einer umfassenden Situationsanalyse treffen können.
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Siehe dazu bereits oben unter § 8 A. II. 2. Potthoff/Trescher, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 1605; ähnlich Spindler, in: MünchKommAktG, § 84 Rn. 39. 319 Auf die Bedeutung subjektiver Einschätzungen hinweisend Fonk, in: Semler/von Schenck (Hrsg.), Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, 3. Aufl., § 9 Rn. 2, 25. 320 Ähnlich Patzina, in: Patzina u. a. (Hrsg.), Haftung von Unternehmensorganen, Kapitel 7 Rn. 30. 321 Siehe dazu bereits oben unter § 8 A. II. 2. 318
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Festhalten lässt sich daher, dass eine Einwirkung auf die organschaftliche Entscheidungsfindung regelmäßig hohe Transaktionskosten hervorruft. Aus praktischen Gesichtspunkten dürfte es schwer fallen, die tragenden subjektiven Einschätzungen des Aufsichtsrats an die Aktionäre zu transportieren, was den Aufwand einer informierten Entscheidung zusätzlich erhöht, da sich die Gesellschafter ein eigenes Bild machen müssen. 3. Ergebnis
Die organschaftlichen Kompetenzen sind aus ökonomischer Sicht von immenser Bedeutung für die Aktiengesellschaft. Inwieweit sich in einzelnen Entscheidungen die bereits herausgearbeiteten Defizite der Aufsichtsratsarbeit realisieren, lässt sich allerdings objektiv nicht feststellen. Eine informierte Beteiligung in diesem Bereich wird darüber hinaus häufig hohe Aufwendungen erfordern. Es ist sicherlich nicht ausgeschlossen, dass die Eigenkapitalgeber auf Grund der Bedeutung der Regelungen die Probleme der kollektiven Entscheidungsfindung überwinden. Ähnlich wie bei der Vorstandsvergütung sind die ökonomischen Rahmenbedingungen jedoch nicht derart positiv ausgeprägt, dass man in jeder Situation eine Mitwirkung erwarten kann. III. Institutionelle Überlegungen 1. Bedeutung der Aktionärsinteressen für die organschaftliche Personalauswahl
Die Wichtigkeit der organschaftlichen Kompetenzen wurde bereits im vorherigen Abschnitt herausgestellt. Die Bestellung begründet überhaupt erst die rechtliche Beziehung zwischen Gesellschaftern und Vorstand. Das Ausbleiben eines Widerrufs stellt sicher, dass diese Beziehung auch weiterhin besteht. In ihrer institutionellen Tragweite dürfte dieser Themenbereich für die Aktionäre damit mindestens genauso bedeutend sein, wie die Festsetzung der Kompensation nach § 87 AktG. Darüber hinaus kommt dem Aufsichtsrat bei der Ausübung der jeweiligen Kompetenzen ein weiteres Ermessen zu. Die Bestellung und deren Widerruf hängen von den individuellen Umständen des Einzelfalls ab. Einheitliche Vorgaben existieren nicht. Vielmehr sind situationsbedingte Faktoren prägend.322 Für die ursprüngliche Kandidatenauswahl ist nicht nur das jeweilige Anforderungsprofil einer Gesellschaft entscheidend, sondern auch der verfügbare Bewerberpool. Bei der Abberufung geht es nicht nur darum, den Grund für die vorzeitige Entfernung aus dem Amt zu bewerten, sondern auch die weiteren Folgen abzuschätzen, etwa die Berichterstattung in der Presse und die Suche nach einem 322 Potthoff/Trescher, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 1607; ähnlich Patzina, in: Patzina u. a. (Hrsg.), Haftung von Unternehmensorganen, Kapitel 7 Rn. 30; Peltzer, NZG 2011, 281, 282.
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qualifizierten Nachfolger. Bei derart umfangreichen Einschätzungsfreiräumen besteht grundsätzlich ein Bedürfnis nach legitimationssteigernden Kontroll- und Steuerungsmechanismen. Aktionärskompetenzen sind jedoch nur dann angezeigt, wenn auf diesem Weg die Interessen der Eigenkapitalgeber sinnvoll konkretisiert werden können. Das Ergebnis einer Beteiligung repräsentiert, wie bereits herausgearbeitet, lediglich die anwesende Mehrheit auf der Hauptversammlung.323 Für die Kompensation der Geschäftsleitung hatte sich herausgestellt, dass die unterschiedlichen Vorstellungen verschiedener Gesellschafter vor einer Abstimmung durchaus in Einklang gebracht werden können und dass die Verlagerung auf die quasi öffentlichen Aktionärstreffen einen entscheidenden Transparenzvorteil bietet, um Absprachen im Hinterzimmer zu vermeiden.324 Letzt genanntes Argument greift auch im organschaftlichen Bereich. Aus der Praxis wird berichtet, dass sich einzelne Gesellschafter bereits unter der aktuellen Rechtslage mit der Kandidatenauswahl auseinandersetzen und informell auf den Aufsichtsrat einwirken.325 Durch eine Einbeziehung der Hauptversammlung würde die Identifizierung von Partikularinteressen vereinfacht. Die Wünsche aller Gesellschafter dürften insoweit homogen sein, als dass niemand einen unqualifizierten Kandidaten berufen oder unfähige Geschäftsleiter im Amt lassen will. Wenn es jedoch um die Frage geht, was ein gutes Vorstandsmitglied ausmacht oder welche Fehler eine Beendigung der Zusammenarbeit rechtfertigen, können die Meinungen, ähnlich wie bei der Bestimmung der Angemessenheit einer Kompensationsabrede, auseinandergehen. Das Problem ist allerdings, dass die endgültige Entscheidung über die Bestellung und deren Widerruf nur für oder gegen einen Kandidaten ausfallen kann. Umfassende Kompromisse sind kaum möglich. Je konkreter eine Kompetenz Bezug zu einzelnen Kandidaten hat, desto stärker können sich daher Mehrheits-Minderheitskonflikte auswirken.326 Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass Personalentscheidungen in den seltensten Fällen absolut sind, sondern relativ vom bestehenden Kandidatenpool abhängen. So könnte sich der Aufsichtsrat nach eingehender Beratung entscheiden, einen Bewerber mangels Alternativen für ein Vorstandsamt auszuwählen, der gerade so das gewünschte Mindestprofil erfüllt. Genauso kann der Aufsichtsrat beschließen, einen glücklosen Vorstand nicht abzuberufen, da aktuell kein adäquater Ersatz gefunden werden kann. Will man eine derartige Entscheidung bewerten oder gar selbst vornehmen, ist die Kenntnis über diese Begleitumstände 323
Siehe dazu bereits oben unter § 2 B. I. Siehe dazu bereits oben unter § 8 A. III. 1. 325 Siehe dazu bereits oben unter § 10 Fn. 301. 326 Auf dieses Risiko beispielsweise bei der Abberufung hinweisend Duden, BB 1961, 225, 226; Fleischer, AG 2006, 429, 438; Förstner, BB 1961, 428. 324
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von entscheidender Wichtigkeit.327 Zwar wäre es theoretisch vorstellbar, dass der Aufsichtsrat die Gesellschafter etwa über den Stand von Personalverhandlungen und die ins Auge gefassten Kandidaten informiert. Aus praktischer Sicht ist ein solches Vorgehen aber mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Sowohl Gesellschaft als auch Kandidaten haben ein Interesse an einer umfassenden Geheimhaltung. Vertraulichkeit ist für Personalentscheidungen von herausragender Bedeutung.328 Nicht umsonst erfolgt die Ansprache geeigneter Kandidaten in der Praxis oftmals nur durch den Aufsichtsratsvorsitzenden.329 Gerade Interessenten, die bereits einer Tätigkeit nachgehen, beispielsweise bei einem Wettbewerber, würden anderenfalls kaum für eine Bestellung in Frage kommen.330 Aber auch die Gesellschaft wird vermeiden wollen, dass es bereits frühzeitig zu Spekulationen über einen Personalwechsel kommt.331 Erfährt der aktuelle Vorstand etwa, dass eine Neubestellung nicht geplant ist, könnte sich dies negativ auf die zukünftige Arbeitsleistung und letztendlich auch auf den Aktienkurs auswirken. Nicht umsonst wird aus der Praxis darauf hingewiesen, dass klassische Bewerbungsgespräche des Aufsichtsratsplenums mit mehreren Bewerbern auf der Ebene des Vorstands die Ausnahme sind. Hinreichend qualifizierte Kandidaten scheuen das Risiko, dass bereits aus diesem überschaubaren Personenkreis Informationen nach außen dringen.332 Stattdessen wird versucht, im Vorfeld informelle Gespräche nur zwischen ausgewählten Personen stattfinden zu lassen. Auch bei einem Widerruf der Bestellung wird oftmals der Wunsch bestehen, sensible Informationen nicht im Gesamtorgan zu diskutieren.333 Je umfassender die Hauptversammlung demnach aufgeklärt werden müsste, desto komplizierter dürfte es werden, eine Legitimationswirkung durch eine Aktionärsbeteiligung zu erzielen. 2. Auswirkungen auf andere Interessengruppen
Zudem gilt es zu klären, ob und wie sich Mitwirkungsrechte der Aktionäre im organschaftlichen Bereich auf andere Interessengruppen auswirken. So wurde 1965 im Regierungsentwurf die ausschließliche Bestellungskompetenz des Auf327 Vor diesem Hintergrund stellte der historische Gesetzgeber fest, dass der „Aufsichtsrat [. . .] besser als die Hauptversammlung die bei der Auswahl auftretenden Fragen erörtern und entscheiden [kann]“, siehe Regierungsentwurf zum Aktiengesetz 1965, zitiert nach Kropff, Aktiengesetz, S. 105. 328 Fonk, in: Semler/von Schenck (Hrsg.), Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 10 Rn. 22; Potthoff/Trescher, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 1611. 329 Drinhausen/Marsch-Barner, AG 2014, 337, 346. 330 Potthoff/Trescher, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 1611. 331 Potthoff/Trescher, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 1611. 332 So Fonk, in: Semler/von Schenck (Hrsg.), Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 10 Rn. 24; ähnlich wohl Potthoff/Trescher, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 1611. 333 Janzen, NZG 2003, 468, 469.
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sichtsrats unter anderem damit gerechtfertigt, dass dadurch das Mitspracherecht der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat sichergestellt werden sollte.334 Zumindest der historische Gesetzgeber ging also davon aus, dass eine stärkere Einbeziehung der Aktionäre negative Folgen für die Belegschaft haben könne. Spiegelbildlich hatte sich der Ausschuss für Arbeit, letztendlich erfolglos, dafür stark gemacht, den Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung als institutionalisierte Abstimmung nicht in das Aktiengesetz 1965 zu übernehmen.335 Auch heute findet sich beispielsweise bezüglich § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG noch der Hinweis, dass eine Mehrheitsentscheidung auf der Hauptversammlung nicht unbedingt im Unternehmensinteresse liegen müsse.336 Zwar ist bereits gezeigt worden, dass diese irreführende Begrifflichkeit im deutschen Recht keinen Platz hat.337 Davon unabhängig sind derartige Stimmen jedoch Ausdruck einer gewissen Besorgnis, dass die Gesellschafter bei einer Beteiligung eigene Interessen auf Kosten anderer Gruppen verfolgen könnten. Es ist tatsächlich anzunehmen, dass Hauptversammlungskompetenzen gerade in einem derart zentralen Aufgabenkreis wie der organschaftlichen Personalauswahl zu einer allgemeinen Aufwertung der Aktionärsbelange führen. Vor dem Hintergrund der bereits herausgearbeiteten konzeptionellen Ausrichtung der Aktiengesellschaft allein auf die Eigenkapitalgeber ist eine solche Entwicklung so lange zu begrüßen, wie nicht andere stakeholder besonders schützenswert erscheinen. Die bisherigen Erfahrungen mit § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG zeigen nicht, dass die Regelung verstärkt genutzt würde, um eine Verwaltung abzustrafen, die anderen Interessengruppen gegenüber zu freundlich auftritt. Die bei der Einführung der Norm geäußerten Befürchtungen haben sich demnach nicht realisiert. Generell gilt, dass eine Entscheidung für die Aktionäre nicht automatisch auch eine Entscheidung gegen andere stakeholder sein muss. Darüber hinaus wird durch die organschaftliche Personalauswahl das Tagesgeschäft ohnehin nicht durchgängig begleitet. Radikale Konsequenzen, wie etwa die Verweigerung einer Neubestellung oder gar eine Abberufung, bieten sich auf Grund der damit verbundenen Unwägbarkeiten nur in extremen Fällen als Disziplinierungsmittel an. Die eigentliche Feinsteuerung des Vorstandshandelns kann deutlich effektiver über die Vergütung erfolgen. Für diese hat die Untersuchung jedoch bereits ge-
334 Regierungsentwurf zum Aktiengesetz 1965, zitiert nach Kropff, Aktiengesetz, S. 105. 335 Ausschußbericht zum Aktiengesetz 1965, zitiert nach Kropff, Aktiengesetz, S. 107. 336 Kort, in: GroßkommAktG, § 84 Rn. 148, 167; ähnlich Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 84 Rn. 129; zum ursprünglichen Regierungsentwurf bereits Duden, BB 1961, 225, 226. 337 Siehe dazu bereits oben unter § 2 A., insbesondere unter § 2 A. II. 1.
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zeigt, dass eine stärkere Einbeziehung der Hauptversammlung inhaltlich wünschenswert ist.338 Auch wenn es um eine Bestellung oder deren Widerruf geht, müssen die eigentlichen Vorarbeiten in den meisten Fällen ohnehin im Aufsichtsrat erfolgen, was auch die organisierte Beteiligung der Arbeitnehmervertreter sicherstellt. Geheimhaltungsinteressen und die Probleme der kollektiven Meinungsfindung verhindern, dass die Gesellschafter selbst etwa Verhandlungen mit möglichen Kandidaten führen. Wie auch bei der Vorstandsvergütung hat eine quasi öffentliche Ausübung von Kompetenzen auf einer Hauptversammlung aber den Vorteil, dass alle Interessengruppen von relevanten Entwicklungen Kenntnis erlangen können.339 So wird es möglich, Stimmen zu berücksichtigen, die unter der aktuellen Rechtslage mangels eigenen Vertretern im Aufsichtsrat keine Möglichkeit haben, sich Informationen zu verschaffen. Folglich ist davon auszugehen, dass eine Einbeziehung der Aktionäre bei der organschaftlichen Personalauswahl regelmäßig ohne negative Auswirkungen für die stakeholder bleiben dürfte. Da es sich bei der organschaftlichen Personalauswahl aber um symbolträchtige Kompetenzen handelt, kann man sich leicht vorstellen, wie gerade arbeitnehmerfreundliche Institutionen auf entsprechende Änderungen reagieren würden. Die Stellungnahmen des Deutschen Gewerkschaftsbundes zu § 120 Abs. 4 AktG im Rahmen der Beratungen zum VorstAG340 und zum VorstKoG341 liefern ein erstes Anschauungsmaterial. 3. Ergebnis
Bei Bestellung und Widerruf der Bestellung steht dem Aufsichtsrat ein hoher Ermessensspielraum zu, so dass eine Rückbeziehung auf die Aktionäre grundsätzlich wünschenswert ist. Je unmittelbarer eine Einwirkung ausfällt, desto eher sind die jeweiligen Kompetenzen anfällig für Konflikte zwischen einzelnen Gesellschaftern. Gleichzeitig fällt es schwer, für die Aktionäre eine umfassende Grundlage zu schaffen, um eine aussagekräftige und informierte Entscheidung zu ermöglichen. Nur wenn es bei der Ausgestaltung einzelner Kompetenzen gelingt, diesen Problemen entgegenzuwirken, kann die gewünschte Legitimationswirkung hervorgerufen werden. Keine Schwierigkeiten ergeben sich indes bezüglich der Auswirkungen möglicher Regelungen auf andere Interessengruppen. Es ist nicht davon auszugehen, dass Einwirkungen auf die Bestellung und den Widerruf der Bestellung durch die Aktionäre zu signifikanten Nachteilen für andere stakeholder führen. 338
Siehe dazu bereits oben unter § 8 A. Siehe dazu bereits oben unter § 8 A. III. 2. 340 Hexel, Stellungnahme des DGB zum Entwurf eines Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung, S. 12–13. 341 Hexel, Stellungnahme des DGB zu den aktuellen Plänen der Koalition, S. 2–3. 339
308
4. Kap.: Aktionärsbeteiligung und Personalkompetenz
IV. Spezifische Wirkungsweise einer Aktionärsbeteiligung 1. Notwendigkeit einer flexiblen Betrachtung
Eine Aktionärsbeteiligung ist insbesondere dann ein sinnvoller Kontroll- und Steuerungsmechanismus, wenn ein gesteigertes Bedürfnis für eine Betrachtung auf Gesellschaftsebene besteht. Für die Vorstandsvergütung ist ein solches bejaht worden, da eine Beurteilung hier nur in jedem Einzelfall möglich ist.342 Gerade die Zusammenstellung der variablen Vergütungsbestandteile hängt nämlich von der konkreten Geschäftsstrategie ab. Bei den sonstigen Vertragsbestandteilen sprach demgegenüber der hohe Standardisierungsgrad gegen die besondere Nützlichkeit derartiger Regelungen.343 Die Entscheidung über die Bestellung und deren Widerruf hängt ebenfalls stark von der jeweiligen Situation und den Begleitumständen ab. Jeder Kandidat ist anders, genau wie die Rahmenbedingungen, die zu seiner Auswahl oder späteren Entpflichtung führen. Eine Kompetenzausübung kann deshalb auch in diesem Fall nur mit Bezug zur betroffenen Gesellschaft und nur vor dem Hintergrund der jeweiligen Sachlage beurteilt werden. Es ist kaum vorstellbar, dass durch Gesetz oder soft law sinnvoll Kriterien vorgegeben werden, die zu einer Regulierung beitragen könnten. Die mit Aktionärsstimmrechten einhergehende Flexibilität, also die Möglichkeit einer Bewertung auf Gesellschaftsebene, stellt daher vor dem Hintergrund des betroffenen Themenkreises einen Vorteil dar. 2. Disziplinierung durch Reputationsschäden
Eine besondere Folge jeder Aktionärsbeteiligung ist die Wirkung durch Reputationsschäden. So wurde gezeigt, dass selbst geringe Abweichungen bei einer Beschlussfassung über die Vorstandsvergütung ein Signal an die Verwaltung sein können, über Änderungen zumindest nachzudenken. Durch die Öffentlichkeitswirkung kann dabei besonders effektiv Druck auf Vorstand und Aufsichtsrat aufgebaut werden, ohne dass eine Stimmmehrheit entscheidend wäre.344 Auf Grund der zentralen Bedeutung von Bestellung und Widerruf der Bestellung ist davon auszugehen, dass eine Mitwirkung der Eigenkapitalgeber ebenfalls sehr genau von der Öffentlichkeit und den sonstigen Interessengruppen verfolgt werden würde. Nicht nur die Frage, welche Gehälter an den Sitzen deutscher Gesellschaften gezahlt werden, ist aus sozialpolitischer Sicht bedeutsam.345 Es ist ebenso von Relevanz, welche Personen diese Gelder bekommen und wer genau
342 343 344 345
Siehe dazu bereits oben unter § Siehe dazu bereits oben unter § Siehe dazu bereits oben unter § Siehe dazu bereits oben unter §
8 A. IV. 1. 9 A. IV. 8 A. IV. 2. 8 A. IV. 2.
§ 10 Beteiligung im Bereich der organschaftlichen Bestellung
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die Geschicke der Unternehmungen leitet, die einen gewichtigen Einfluss auf die Gesamtwirtschaft haben. Schon heute werden unverbindliche Vertrauensentzüge nach § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG in den Medien aufgegriffen.346 Je unmittelbarer dabei mit einer Kompetenz auf Bestellung und Widerruf der Bestellung eingewirkt werden kann, desto höher werden auch die Reputationsschäden ausfallen. Würden die Aktionäre etwa die Auswahl eines ganz bestimmten Kandidaten öffentlichkeitswirksam auf der Hauptversammlung ablehnen, wäre dies ein herber persönlicher Misserfolg. Derartige Ergebnisse dürften von den Beteiligten viel emotionaler aufgefasst werden, als wenn ein abstraktes Vergütungssystem zu Fall gebracht wird. Folglich wird die Verwaltung in hohem Maße darauf bedacht sein, Abstimmungsniederlagen mit Bezug zur organschaftlichen Personalkompetenz zu vermeiden. Selbst die disziplinierende Wirkung nur ruhender Zuständigkeiten fällt dementsprechend hoch aus. Es muss allerdings berücksichtigt werden, dass eine Personalentscheidung im Ergebnis immer nur positiv oder negativ ausfallen kann. Es bestehen nur beschränkt Möglichkeiten auf Seiten der Gesellschafter, einen tragfähigen Kompromiss vor einer Abstimmung zu finden.347 Gleiches gilt, wenn der Aufsichtsrat auf eine umstrittene Beschlussfassung reagieren will. Damit unterscheidet sich die organschaftliche Personalauswahl von der Zusammenstellung der Vorstandsvergütung. Wenn sich 20% der Aktionäre beispielsweise gegen ein Vergütungssystem aussprechen, weil sie die vorgesehenen exit payments als zu hoch einschätzen, kann der Aufsichtsrat diese Vorgaben bei der nächsten Abstimmung ändern oder die erlaubte Grenze in den einzelnen Verträgen nicht ausschöpfen. Es ist in den allermeisten Fällen nicht davon auszugehen, dass die 80% der Aktionäre, die ihre Zustimmung erteilt haben, ein grundsätzliches Problem mit einer geringen Zahlungsverpflichtung haben. Wollen aber 20% der Aktionäre, dass die organschaftliche Bestellung eines bestimmten Vorstandsmitglieds widerrufen wird, ist nicht ohne weiteres anzunehmen, dass die weit überwiegende Hauptversammlungsmehrheit bereitwillig zusehen wird, wie der Aufsichtsrat den betroffenen Amtsträger austauscht. Im organschaftlichen Bereich kann somit auf gering ausfallende Aktionärsopposition nicht immer reagiert werden. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass Kompetenzen, die Reputationsschäden hervorrufen können, bezüglich Bestellung und Widerruf der Bestellung nur sehr zurückhaltend eingesetzt werden dürfen. Niemand profitiert davon, wenn einzelne Kandidaten von einer Minderheit beschädigt werden, ohne dass Anpassungen in der Zukunft möglich sind.
346 Siehe nur Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 12.08.2013, S. 25 zur „Aktionärsrevolte“ bei dem Immobilienunternehmen GSW. 347 Siehe dazu bereits oben unter § 10 A. III. 1.
310
4. Kap.: Aktionärsbeteiligung und Personalkompetenz 3. Ergebnis
Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass die Auswirkungen von Bestellung und Widerruf der Bestellung nur auf der Ebene der betroffenen Gesellschaft beurteilt werden können, was die Bedeutung von Aktionärskompetenzen als Kontroll- und Steuerungsmechanismen unterstreicht. Grundsätzlich besteht auf Grund der hohen Öffentlichkeitswirkung auch die Möglichkeit, effektiv auf die Verwaltung einzuwirken. Je unmittelbarer aber eine Aussage über konkrete Kandidaten ermöglicht wird, desto schwerer fällt es, auf gering ausfallende Oppositionen angemessen reagieren zu können. V. Beurteilung Die vorherige Untersuchung hat ein sehr differenziertes Bild bezüglich der Beteiligung der Aktionäre an der organschaftlichen Personalauswahl hervorgebracht. Nach der Analyse von möglichen Gesellschaftereinwirkungen mit Bezug zur Vorstandsvergütung ließ sich unmittelbar ein positives Fazit ziehen.348 Es stellte sich nicht mehr die Frage, ob Kompetenzen implementiert werden sollen, sondern allein, wie diese auszugestalten sind. Bei den sonstigen Vertragsbestandteilen hatte sich demgegenüber gezeigt, dass die Voraussetzungen für derartige Kontroll- und Steuerungsmechanismen offensichtlich nicht vorliegen.349 Ein derart eindeutiges Ergebnis kann für die Bestellung und deren Widerruf nicht gefunden werden. Einerseits handelt es sich um einen zentralen Aufgabenkreis, in dem eine Rückkopplung an die Gesellschafter wünschenswert ist. Andererseits haben sich zahlreiche Probleme offenbart, die einer Umsetzung entgegenstehen. Ob Aktionärskompetenzen in diesem komplexen Regelungsumfeld sinnvoll sind, hängt demnach davon ab, ob es gelingt, eine Ausgestaltung zu finden, bei der die herausgearbeiteten Vorteile die Nachteile überwiegen. Die vorherigen Überlegungen haben dabei verschiedene Aspekte hervorgebracht, die es im weiteren Verlauf der Untersuchung zu berücksichtigen gilt. Für eine abschließende Beurteilung ist es jedoch notwendig, konkrete Kompetenzen und Gestaltungsmöglichkeiten zu behandeln.
B. Aktionärsbeteiligung bei der Bestellung von Vorstandsmitgliedern Zunächst ist die organschaftliche Bestellung der Vorstandsmitglieder zu untersuchen. Eine unmittelbare Einwirkung kennt das deutsche Recht hier bisher nicht, auch Satzungsregeln sind nach der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung unzulässig.350 Lediglich § 120 Abs. 1 AktG sieht vor, dass in jeder ordentlichen 348 349 350
Siehe dazu bereits oben unter § 8 A. V. Siehe dazu bereits oben unter § 9 A. V. Siehe dazu bereits oben unter § 5 A. und § 5 B. II.
§ 10 Beteiligung im Bereich der organschaftlichen Bestellung
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Hauptversammlung über die Entlastung sowohl des Aufsichtsrats als auch des Vorstands Beschluss gefasst werden muss, was eine unverbindliche Aussage über die Zufriedenheit mit den aktuellen Amtsinhabern und ihren Entscheidungen erlaubt. I. Das Bedürfnis nach einfachen Abstimmungskompetenzen mit Bezug zur Bestellung Grundsätzlich vorstellbar wäre es, die Aktionäre direkt an der organschaftlichen Bestellung zu beteiligen. Verschiedene Konstellationen sind dabei denkbar. Eine Mitwirkung könnte konstitutiv erfolgen, etwa wenn die Personalauswahl erst durch den Beschluss der Hauptversammlung wirksam wird. Ein solches Verfahren sieht § 101 Abs. 1 AktG beispielsweise für die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder vor. Derartige Kompetenzen mit Bezug zur Geschäftsleitung sind üblich in Rechtsordnungen, deren Kapitalgesellschaften nur ein einheitliches board haben, also kein separates Aufsichtsgremium kennen. In Großbritannien etwa findet sich in der Companies (Model Articles) Regulations 2008 in Art. 17 Abs. 1 lit. a, der Modellsatzung für private companies limited by shares, die Regelung, dass das Annual General Meeting die directors bestimmen kann. Alternativ könnte man eine Vorschrift auch so strukturieren, dass der Aufsichtsrat die Bestellung selbst vornimmt, aber ex post eine verbindliche oder unverbindliche Bestätigung durch die Aktionäre erfolgen muss. Angelehnt an § 120 Abs. 1 AktG könnte man etwa anstatt die gesamte Amtsführung in den Fokus zu stellen, die Qualifikation und Auswahl einzelner Kandidaten zum Gegenstand einer separaten Abstimmung machen. Soweit ersichtlich wird im Schrifttum die Zuweisung der Bestellung an den Aufsichtsrat in § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Vereinzelt ist jedoch gefordert worden, nichtbörsennotierten Gesellschaften für die organschaftliche Personalauswahl de lege ferenda Satzungsfreiheit zu gewähren.351 Die Folge wäre, dass die Eigenkapitalgeber selbst entscheiden könnten, wem die Kompetenzen in der Binnenverfassung zukommen. Begründet wird diese Forderung damit, dass bei einem überschaubaren Aktionärskreis, wie etwa bei Familiengesellschaften, ein praktisches Bedürfnis für derartige Regelung bestehen soll.352 In eine ähnliche Richtung gehen Vorschläge, die nichtbörsennotierten353 oder gar allen Aktiengesellschaften354 ein Wahlrecht zur Einführung eines board Systems ermöglichen wollen. Die Aufgabe des separaten Kontroll351
Seibt, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), § 84 Rn. 2. Seibt, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), § 84 Rn. 2. 353 Bayer, in: Verhandlungen des 67. Deutschen Juristentages 2008, Band I, E 1, E 112–113; Pleßke, Die Satzungsstrenge im Aktienrecht, S. 140–141. 354 Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 13 Rn. 15; C. Schäfer, NJW 2008, 2536, 2542. 352
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4. Kap.: Aktionärsbeteiligung und Personalkompetenz
gremiums, sprich des Aufsichtsrats, würde zwangsläufig dazu führen, dass die organschaftlichen Zuständigkeiten neu geordnet werden müssten.355 Die Hauptversammlung ist allerdings auch bei kleineren Gesellschaften regelmäßig zu schwerfällig, als dass bei plötzlichen Entwicklungen adäquat reagiert werden könnte. So würde sich insbesondere bei einer verbindlichen ex ante Abstimmung die Frage stellen, was passieren soll, wenn ein Vorstandsmitglied vorzeitig aus dem Amt ausscheidet und eine Neubestellung notwendig wird. Die Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung würde sich aus Kostengründen kaum anbieten. Auch das vorzeitige Bestellen von Ersatzkandidaten, wie in § 101 Abs. 3 Satz 2 AktG für den Aufsichtsrat vorgesehen, erscheint im Bereich der Geschäftsführung kaum praktikabel. Möglich wäre es aber, in solchen Notfällen ausnahmsweise eine temporäre Bestellung durch den Aufsichtsrat oder gar ein Gericht zuzulassen. So sieht die im britischen Recht enthaltene Modellsatzung für private companies limited by shares in Art. 17 Abs. 1 lit. b der Companies (Model Articles) Regulations 2008 neben der Wahl durch das Annual General Meeting auch eine Bestellung der directors unmittelbar durch das board vor, um letztendlich genau diesen Schwierigkeiten zu begegnen. Es ist ohne weiteres vorstellbar, entsprechende Lösungen in das deutsche Recht zu implementieren. Technische Fragestellungen sprechen daher nicht gegen eine direkte Einbeziehung der Hauptversammlung in den Bestellvorgang. Zweifelhaft ist indes, ob aus ökonomischer Sicht in vielen Fällen ein Bedürfnis für eine derartige Beteiligung erkennbar ist. Der einer Abstimmung vorgelagerte Auswahlprozess müsste aus praktischen Gründen ohnehin vom Aufsichtsrat übernommen werden. Dabei ist zwar nicht ausgeschlossen, dass dieser eigene Wünsche vor die Aktionärsinteressen stellt. Das grundsätzliche Interesse an qualifiziertem Personal wird man dem Gremium aber im Regelfall nicht absprechen können, was auch das Bedürfnis einer Nachkontrolle einschränkt.356 Es ist kaum vorstellbar, dass die Hauptversammlung sich in regelmäßigen Abständen mit jedem einzelnen Bestellvorgang beschäftigen will, nicht zuletzt, da eine informierte Entscheidung hohe Transaktionskosten produziert. Oftmals lässt sich im Rahmen einer Personalentscheidung ohnehin nur ein geeigneter Interessent finden.357 In solchen Fällen wäre eine Abstimmung reine Formalität. Es ist kaum davon auszugehen, dass der Aufsichtsrat in einer hinreichenden Anzahl von Fällen einen derart unqualifizierten Kandidaten präsentiert, dass sich eine Mehrheit auf der Hauptversammlung im Voraus gegen diesen aussprechen würde. Dies dürfte unter anderem daran liegen, dass selbst bei nichtbörsennotierten Gesell355 Auf diese Konsequenz eingehend etwa Pleßke, Die Satzungsstrenge im Aktienrecht, S. 149. 356 Siehe bereits oben unter § 4 A. IV. und unter § 10 A. II. 1. 357 Fonk, in: Semler/von Schenck (Hrsg.), Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 10 Rn. 25.
§ 10 Beteiligung im Bereich der organschaftlichen Bestellung
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schaften kaum Berufsanfänger mit dem Leitungsauftrag betraut werden, sondern Kandidaten, die sich im Voraus bereits in herausgehobener Stellung bewiesen haben. Tatsächlich verhindert der übliche Karriereweg, dass völlig ungeeignete Kandidaten sich langfristig durchsetzen.358 Für anders gelagerte Sonderfälle bietet es sich eher an, eine Möglichkeit zur vorzeitigen Entpflichtung vorzusehen.359 Darüber hinaus scheint es bei der Bestellung nur sehr beschränkt möglich, eine zusätzliche Legitimationswirkung zu erzielen. Wenn die Auswahl eines konkreten Vorstandsmitglieds beurteilt werden soll, ist die Kenntnis über alternative Kandidaten und den Verlauf der Personalverhandlungen unerlässlich. Um eine aussagekräftige Einwirkung zu ermöglichen, müssten die Gesellschafter genau wissen, warum andere Interessenten nicht zur Verfügung stehen oder sich im Rahmen von Vorauswahlgesprächen gegen diese ausgesprochen wurde. Wie gezeigt, kann genau das aber praktisch nicht ermöglicht werden.360 Zwar ist die Hoffnung geäußert worden, dass mit neuen technischen Möglichkeiten im Rahmen der Stimmabgabe, gemeint sind virtuelle Hauptversammlungen, eine Neuordnung der Kompetenzen in der Binnenverfassung möglich werden könne, was unter anderem einen gesteigerten Einfluss auf das Verwaltungspersonal erlauben soll.361 Auf diesem Weg kann aber nur die Flexibilität bei der Abstimmung erhöht werden. Selbst bei einer Publikumsgesellschaft wären die Aktionäre dann in der Lage, kurzfristig über die Auswahl eines Kandidaten zu entscheiden. Nicht begegnet werden kann durch derartige Gestaltungen den genannten ökonomischen Schwierigkeiten und dem Problem, dass vertrauliche Informationen nicht den Eigenkapitalgebern mitgeteilt werden können. Gerade wenn die uninformierte Stimmrechtswahrnehmung eher Regel denn Ausnahme sein dürfte und eine zusätzliche Legitimation kaum erzeugt werden kann, sollte man einzelne Kandidaten einer mutmaßlich reputationsschädigenden Abstimmung nicht aussetzen. Die Möglichkeit, auf eine Aktionärsminderheit einzugehen, die etwa einen eigenen Bewerber präsentiert, ist beschränkt. Die Situationsgebundenheit einer Abstimmung verhindert auch, dass sich aus verstärkter Opposition positive Impulse für zukünftige Abstimmungen ergeben. Die oben herausgearbeiteten Probleme, die mit einer öffentlichkeitswirksamen Beschlussfassung einhergehen,362 können durch eine entsprechende Gestaltung der Normen nicht aufgelöst werden.
358 Thüsing, ZGR 2003, 457, 476. Gerade wenn es sich um Bewerber aus dem eigenen Haus handelt, sind Fehleinschätzungen seltener, siehe nur Fonk, in: Semler/von Schenck (Hrsg.), Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 10 Rn. 27; ähnlich Peltzer, NZG 2011, 281, 282; Potthoff/Trescher, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 1609. 359 Siehe dazu unten unter § 10 C. I. 360 Siehe dazu bereits oben unter § 10 A. III. 361 Wymeersch, in: FS Lutter, S. 213, 228. 362 Siehe dazu bereits oben unter § 10 A. IV. 2.
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4. Kap.: Aktionärsbeteiligung und Personalkompetenz
In der Gesamtschau zeigt sich somit, dass die abschließende Zuweisung des Bestellungsvorgangs an den Aufsichtsrat überzeugt. Wenn den Anlegern die formale Mitsprache bei der Auswahl der Geschäftsleitung dennoch wichtig ist, kann nicht nur die Rechtsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung, sondern auch die der Societas Europaea gewählt werden.363 Letztgenannte erlaubt die Wahl zwischen einem dualistischen und monistischen Aufbau, Art. 38 Abs. 1 der Verordnung über das Statut der Europäischen Gesellschaft364. Auf Grund dieser Möglichkeiten ist keine Reform anzustreben, die eine vergleichbare Entscheidung über die Binnenverfassung im Aktienrecht ermöglicht. Auch gegen eine Satzungsöffnung für nichtbörsennotierte Gesellschaften, um Abweichungen von § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG zuzulassen, sprechen gewichtige Gründe. Die gerade bei Personalentscheidungen notwendige Vertraulichkeit wäre nur bei sehr überschaubaren Hauptversammlungen gesichert, was selbst bei kleinen Gesellschaften eine Ausnahme sein dürfte. In den wenigen Fällen, in denen eine Offenlegung praktisch funktionieren könnte, werden die Eigenkapitalgeber viel effektivere Einwirkungsmöglichkeiten auf den Aufsichtsrat haben. Ein Bedürfnis für eine formelle Übertragung der Kompetenz besteht dann regelmäßig nicht. Die mit einer Satzungsöffnung einhergehenden Evaluationskosten würden aber dennoch allen Aktionären aufgebürdet, selbst wenn nur wenige Gesellschaften von derartigen Regelungen Gebrauch machen würden. Insofern bietet es sich auch nicht an, die Satzungsstrenge für eine vollständige Kompetenzübertragung aufzulösen. II. Das Bedürfnis nach Satzungskriterien Denkbar wäre es jedoch, die Satzung zumindest für einzelne statutarische Vorgaben zu öffnen. So könnte dem Aufsichtsrat im Voraus mitgeteilt werden, worauf bei der Personalauswahl zu achten ist. Wie gezeigt, nimmt die wohl herrschende Meinung mit unterschiedlichen Begründungsansätzen bereits de lege lata zu Unrecht die Zulässigkeit entsprechender Regelungen an.365 Nach hier vertretener Auffassung müsste dafür de lege ferenda der Gesetzgeber tätig werden. Der Vorteil derartiger Gestaltungen ist, dass regelmäßig kein Bezug zu bestimmten Kandidaten besteht. Die Hauptversammlung muss für die Schaffung solcher Kriterien somit nicht über eine konkrete Bewerbersituation informiert werden. Auch können einzelne Vorstandsmitglieder durch eine Aktionärsopposition nicht geschädigt werden, da entsprechende Vorschriften abstrakt gehalten sind. Die ökonomischen Rahmenbedingungen sind insoweit besser als bei einer unmittelbaren Beteiligung an einzelnen Bestellvorgängen, da keine regelmäßige 363 Dies nennt Bachmann, AG 2012, 565, 572 als Argument gegen die Einführung eines entsprechenden Wahlrechts. 364 Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), ABl. EG Nr. L 294 vom 10.11.2001, S. 12. 365 Siehe dazu bereits oben unter § 5 B. II.
§ 10 Beteiligung im Bereich der organschaftlichen Bestellung
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Aktualisierung der Satzungskompetenz notwendig ist. Die Frage ist jedoch, ob durch einzelne Vorgaben überhaupt eine ausreichende Legitimationswirkung für die endgültige Entscheidung des Aufsichtsrats erzielt werden kann. Nur wenn auf diesem Weg eine spürbare Rückkopplung an die Aktionärsinteressen möglich ist, lohnt sich die Aufgabe der Satzungsstrenge. In der Folge werden daher, geordnet nach verschiedenen Themenbereichen, unterschiedliche Arten von Kriterien untersucht, die in der Literatur besonders häufig als möglicher Satzungsinhalt genannt werden. Ziel ist es, Nutzen und Aussagekraft den Kosten einer Abkehr von § 23 Abs. 5 AktG gegenüberzustellen und so das Bedürfnis nach entsprechenden Gestaltungen zu beurteilen. 1. Allgemeine Qualifikationskriterien
Besonders häufig werden Regelungen vorgeschlagen, welche die menschliche und fachliche Qualität eines Kandidaten und seine Beziehung zur Aktiengesellschaft betreffen. Diese werden hier als allgemeine Qualifikationskriterien bezeichnet. So ließe sich etwa vorschreiben, dass ein Vorstandsmitglied immer auch Aktionär sein muss.366 Ebenso werden bestimmte Berufsabschlüsse367 oder das Erfordernis von Auslandserfahrung368 als Anknüpfungspunkte genannt. Möglich wäre es auch, den Ausschluss von Kandidaten festzuschreiben, die vorher bei einem Konkurrenten tätig waren oder eine Höchstzahl an sonstigen Mandaten festzuschreiben.369 Vorstellbar sind zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten. Inhaltliche Grenzen für derartige Qualifikationsmerkmale gibt insbesondere das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz vor, welches über § 6 Abs. 3 auch Anwendung auf Vorstandsmitglieder findet.370 Vor diesem Hintergrund dürfte die häufig noch vorgeschlagene Altersgrenze beispielsweise nicht mehr zulässig sein.371 Grundsätzlich könnte für die Satzung ein engmaschiges Geflecht von Vorgaben entwickelt werden, um damit den Aktionärswillen zu konkretisieren. Wie jedoch bereits im Rahmen der Vorstandsvergütung gezeigt,372 würde ein derartiges Vorgehen die betriebswirtschaftlich notwendige Flexibilität im Einzelfall ge366
Kort, in: GroßkommAktG, § 84 Rn. 45; Spindler, in: MünchKommAktG, § 84 Rn. 28; Thüsing, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, § 4 Rn. 15. 367 Kort, in: GroßkommAktG, § 84 Rn. 45; Liebscher, in: W. Müller/Rödder (Hrsg.), Beck’sches Handbuch der AG, § 6 Rn. 21. 368 Kort, in: GroßkommAktG, § 84 Rn. 48; Spindler, in: MünchKommAktG, § 84 Rn. 28. 369 Habersack, in: MünchKommAktG, § 100 Rn. 54 mit Blick auf den Aufsichtsrat, diese Überlegungen lassen sich aber auch auf den Vorstand übertragen. 370 Dazu Spindler, in: MünchKommAktG, § 84 Rn. 29. 371 Ähnlich Kort, in: GroßkommAktG, § 84 Rn. 48; Spindler, in: MünchKommAktG, § 84 Rn. 29. 372 Siehe dazu bereits oben unter § 8 A. V. 2. und § 8 C.
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4. Kap.: Aktionärsbeteiligung und Personalkompetenz
fährden. Dies gilt hier umso mehr, da jede Bestellung von den möglichen Alternativen abhängt. Sinnvoll sind daher nur wirklich wichtige und langfristig orientierte Anforderungen. Bezüglich der Vorstandsvergütung kann man sich einige ausgewählte Regelungen mit einem derartigen Gehalt vorstellen, etwa Vergütungsobergrenzen oder das prozentuale Verhältnis von fixer zu variabler Kompensation. Ähnlich zentrale allgemeine Qualifikationsmerkmale sind für die organschaftliche Personalauswahl aber kaum denkbar. Die Eignung eines Kandidaten ergibt sich in der Praxis immer aus zahlreichen Faktoren, nicht zuletzt auch aus seinen ganz individuellen Eigenschaften und dem Zusammenwirken mit dem Restvorstand.373 Einzelne Kriterien haben, wenn überhaupt, nur eine sehr geringe Aussagekraft. Durch deren Vorgabe würde die Legitimationswirkung der Aufsichtsratsentscheidung demzufolge kaum gesteigert. Darüber hinaus dürfte es schwerfallen, entsprechende Regelungen zu formulieren. Ausufernde Generalklauseln haben keinen Begrenzungswert. Gerade weil für die Kandidatenauswahl zudem subjektive Einschätzungen wichtig sind,374 wird eine objektive Beschreibung der Anforderungen schwerfallen. Dies zeigt sich beispielsweise an dem bereits genannten Vorschlag, das Erfordernis der Auslandserfahrung in der Satzung festzuschreiben. Hier stellt sich die Frage, wie ein Kandidat die Erfüllung dieses Merkmals in der Praxis nachweisen soll. Das Ergebnis eines Sprachtests sagt nichts über die fachliche Qualifikation aus, genauso wenig wie eine Regelung, die auf die bloße Dauer eines vergangenen Arbeitsverhältnisses abstellt. Weitere Folgeprobleme würden sich anschließen, etwa ob ein solches Arbeitsverhältnis im Ausland abgeschlossen worden sein muss oder ob die Tätigkeit bei einem international agierenden Unternehmen mit Sitz in Deutschland ausreichend ist. Während bei der Vorstandsvergütung im Zweifel auf konkrete Zahlen zurückgegriffen werden kann, sind entsprechende Vorschriften mit Bezug zur Bestellung deutlich komplizierter zu fassen und folglich auch fehleranfälliger. Gerade weil die organschaftliche Personalauswahl aus ökonomischer Sicht so wichtig ist, werden rational agierende Aktionäre im Einzelfall immer den qualifiziertesten Kandidaten im Vorstand haben wollen und nicht an formalen Kriterien wie einem Bildungsabschluss interessiert sein. Es ist kaum vorstellbar, dass die Gesellschafter eine Vorstandsposition lieber unbesetzt lassen würden, nur weil der einzig denkbare Kandidat eine statutarische Vorgabe nicht erfüllt, die im Zweifel ohnehin wenig über seine Gesamtqualifikation aussagt. Diese Überlegungen gelten im Übrigen auch für die Wahl des Aufsichtsrats, bei der § 100 Abs. 4 AktG ausdrücklich die Aufstellung von persönlichen Anforderungen in 373 Siehe dazu nur Fonk, in: Semler/von Schenck (Hrsg.), Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 10 Rn. 8–21, insbesondere Rn. 13–14; Potthoff/Trescher, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 1607. 374 Siehe dazu bereits oben unter § 10 A. II. 2.
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der Satzung erlaubt. Soweit ersichtlich spielt die Norm in der Praxis keine große Rolle, was das mangelnde Bedürfnis für entsprechende Vorgaben beim Vorstand unterstreicht. Bei § 100 Abs. 4 AktG besteht aber immerhin nicht das Risiko, dass die Auswahl eines bestimmten Kandidaten verhindert wird. Die Bestellung des Aufsichtsrats wird durch die Aktionäre auf der Hauptversammlung vorgenommen, § 101 Abs. 1 Satz 1 AktG. Verhindert eine statutarische Vorgabe die Wählbarkeit einer Person, kann bei dieser Gelegenheit die Satzung geändert werden. Die Bestellung eines neuen Vorstands fällt aber nicht immer mit einer Hauptversammlung zusammen, so dass eine kurzfristige Anpassung statutarischer Regeln nicht möglich wäre. Insgesamt zeigt sich daher, dass sowohl aus praktischer als auch aus ökonomischer Sicht kein Bedürfnis dafür besteht, allgemeine Qualifikationsvorgaben für das Vorstandsamt in der Satzung aufzunehmen. Entsprechend aussagekräftige Einzelvorgaben sind kaum vorstellbar und dürften schwer zu formulieren sein, ein engeres Netz an Vorgaben würde den bei einer Bestellung wichtigen Freiraum im Einzelfall zu stark beschränken. 2. Kriterien zur Sicherung des Einflusses bestimmter Aktionärsgruppen
Darüber hinaus werden in der Literatur Kriterien vorgeschlagen, die der Sicherung des Einflusses bestimmter Aktionärsgruppen dienen. Gemeint ist damit etwa, eine bestimmte Familienzugehörigkeit für potentielle Geschäftsleiter in der Satzung zu verankern.375 Somit würde man faktisch sicherstellen, dass nur ein enger Kreis von Kandidaten überhaupt für die Bestellung in Betracht kommt. Derartige Regeln dienen im Wesentlichen dazu, die Berücksichtigung bestimmter Gesellschafterinteressen im Tagesgeschäft sicherzustellen, was nicht zuletzt auf Grund der gesetzlich vorgeschriebenen Gleichbehandlung aller Aktionäre gemäß § 53a AktG mit einem gewissen Missbrauchsrisiko behaftet ist. Auch für Aufsichtsratsmitglieder werden im Rahmen des § 100 Abs. 4 AktG entsprechende Kriterien diskutiert. Dort wird die Zulässigkeit aber zu Recht abgelehnt, da selbst bei großen Familienstämmen eine entsprechende Regelung faktisch auf ein Entsendungsrecht hinausläuft.376 Ein Entsendungsrecht für den Aufsichtsrat muss sich jedoch an den Voraussetzungen des § 101 Abs. 2 AktG messen lassen. Insbesondere dürfen nur ein Drittel der Eigenkapitalvertreter auf diesem Weg bestimmt werden. § 101 Abs. 2 AktG stellt demnach sicher, dass einzelne Aktionärsgruppen keinen zu hohen Einfluss im Kontrollorgan erlangen können.
375 Langenbucher, JZ 2011, 1038, 1043; Liebscher, in: W. Müller/Rödder (Hrsg.), Beck’sches Handbuch der AG, § 6 Rn. 23; Kort, in: GroßkommAktG, § 84 Rn. 48. 376 So im Ergebnis Habersack, in: MünchKommAktG, § 100 Rn. 54; Spindler, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 100 Rn. 41; differenzierend Koch, in: Hüffer (Begr.), Aktiengesetz, § 100 Rn. 20.
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4. Kap.: Aktionärsbeteiligung und Personalkompetenz
Es ist eine grundsätzliche Frage, ob man Regelungen, die letztendlich auf ein Entsendungsrecht hinauslaufen, auch für den Vorstand zulassen will. Vereinzelt ist de lege ferenda eine entsprechende Ausdehnung des § 101 Abs. 2 Satz 2 AktG zumindest bei nichtbörsennotierten Gesellschaften befürwortet worden.377 Einen Nutzen ziehen die begünstigten Aktionäre aus solchen Regelungen allerdings meist nur, wenn keine entsprechende Stimmenmehrheit in der Hauptversammlung mehr vorhanden ist, um sich in der Verwaltung Gehör zu verschaffen. Kann ein Familienstamm sich in den Aufsichtsrat wählen und dann einen Kandidaten bestimmen, braucht es die hier in Frage stehenden Gestaltungsmöglichkeiten rechtlich betrachtet nicht. In einem System, dass die Stimmrechte der Aktionäre mit Aktienanteilen verknüpft, Mehrfachstimmrechte also ausschließt, sind darüber hinausgehende, einflusssichernde Instrumente nur sehr zurückhaltend zu implementieren. Anderenfalls fallen wirtschaftliche Macht und wirtschaftliches Interesse am Investitionsobjekt auseinander, was aus ökonomischer Sicht keine wünschenswerten Anreize erzeugt. Somit lässt sich festhalten, dass eine Öffnung der Satzung für einflusssichernde Regelungen betreffend die Geschäftsleitung nicht befürwortet werden kann. Die damit einhergehende Kumulation von Entsendungsrecht nach § 101 Abs. 2 Satz 2 AktG für den Aufsichtsrat und die Vorbestimmung einzelner Kandidaten für den Vorstand würde dazu führen, dass tatsächlich gehaltener Aktienbesitz und Einfluss auf die Unternehmung signifikant auseinanderfallen könnten. Darüber hinaus bestünde bei derart konkreten Regelungen in besonderem Maße die Gefahr, dass sich die Gesellschaft für die Zukunft lähmt, etwa wenn ein die Anforderungen erfüllender Bewerber nicht gefunden werden kann oder für die Tätigkeit zu den angebotenen Konditionen nicht zur Verfügung steht. Um Gesellschaften vor einer Überfremdung zu schützen, existieren vielfach bessere Mittel, wie etwa die Möglichkeit, Aktien über § 68 Abs. 2 AktG zu vinkulieren. Eine Vinkulierung stellt aber zumindest sicher, dass Aktienanteil und Stimmrecht weiterhin gleichlaufen. 3. Sozialpolitische Kriterien (am Beispiel der so genannten Frauenquote)
Vornehmlich für den Aufsichtsrat wird darüber hinaus diskutiert, ob möglicherweise sozialpolitisch motivierte Vorgaben in der Satzung aufgenommen werden sollten. Beispielsweise könnte den Aktionären die Möglichkeit gegeben werden, auf Gesellschaftsebene eine Frauenquote zu verankern.378 Diese Überlegung ließe sich auch auf den Vorstand übertragen.379 Für das Organ empfiehlt 377 Bayer, in: Verhandlungen des 67. Deutschen Juristentages 2008, Band I, E 1, E 114. 378 Siehe nur Langenbucher, JZ 2011, 1038, 1044; ähnliche Überlegungen finden sich auch bei Habersack, in: MünchKommAktG, § 100 Rn. 54; Koch, in: Hüffer (Begr.), Aktiengesetz, § 100 Rn. 20.
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Ziff. 5.1.2 Abs. 1 Satz 2 DCGK 2013 bereits heute eine „angemessene Berücksichtigung von Frauen“. Da aber im DCGK keine konkreten Handlungsanweisungen vorgegeben werden, kann man die Regelung bestenfalls als Absichtserklärung verstehen.380 In anderen Staaten sind die Diskussion und die Regulierung jedoch deutlich weiter vorangeschritten.381 Wie mit dem Thema der geschlechterbezogenen Diskriminierung im Wirtschaftsleben umgegangen werden soll, ist Gegenstand einer kontrovers geführten Debatte.382 Im Koalitionsvertrag, den CDU, CSU und SPD am 16.12.2013 unterzeichnet haben, findet sich ein eindeutiges Bekenntnis zu einer starren „Geschlechterquote von mindestens 30 Prozent“ für den Aufsichtsrat von börsennotierten und voll mitbestimmungspflichtigen Unternehmen.383 Vor dem Hintergrund der hier bereits herausgearbeiteten Notwendigkeit einer flexiblen betriebswirtschaftlichen Personalentscheidung im Einzelfall liegt es aber auf der Hand, dass zumindest eine gesetzliche Quote keinen brauchbaren Lösungsansatz darstellt. Dies gilt unabhängig davon, ob man den Aufsichtsrat oder den Vorstand als Anknüpfungspunkt für derartige Reformen auswählt.384 Eine starre Regelung würde den Besonderheiten der jeweiligen Branchen kaum gerecht werden.385 Satzungsregeln hätten zumindest den Vorteil, dass die Aktionäre individuell entscheiden könnten, wie eine Gesellschaft derartige Fragestellungen behandelt. Entsprechende Selbstverpflichtungen mit Bezug zum Aufsichtsrat sind bereits heute in der Praxis nicht unüblich, haben ihren Ursprung jedoch in dem massiven politischen Druck der letzten Jahre.386 Betriebswirtschaftliche Überlegungen standen bei deren Einführung nicht im Vordergrund. Auf die Bedeutung des Vorstands für eine Unternehmung ist bereits mehrfach hingewiesen worden.387 Bei der Auswahl von Kandidaten für Führungsgremien 379 Dagegen ausdrücklich Langenbucher, JZ 2011, 1038, 1043–1044, die sich aber für eine Quote für den Aufsichtsrat ausspricht. 380 Ähnlich zu der Fassung aus dem Jahr 2011 Langenbucher, JZ 2011, 1038, 1043; auch Bachmann, ZIP 2011, 1131, 1132. 381 Siehe nur die Hinweise bei Habersack, in: Verhandlungen des 69. Deutschen Juristentages 2012, Band I, E 1, E 35 Fn. 130; dazu auch Europäische Kommission, Aktionsplan: Europäisches Gesellschaftsrecht und Corporate Governance, KOM(2012) 740, S. 6. 382 Siehe nur Reding, ZRP 2011, 127; Weber-Rey, ZRP 2011, 127. 383 Koalitionsvertrag vom 16.12.2013 zwischen CDU, CSU und SPD, Deutschlands Zukunft gestalten, S. 102; dazu Brouwer, NZG 2014, 201, 201–202. 384 Wie hier Fonk, in: Semler/von Schenck (Hrsg.), Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 10 Rn. 21. 385 Weber-Rey, ZRP 2011, 127; ähnlich Habersack, in: Verhandlungen des 69. Deutschen Juristentages 2012, Band I, E 1, E 40; differenzierend Bachmann, ZIP 2011, 1131, 1134, 1137. 386 Habersack, in: Verhandlungen des 69. Deutschen Juristentages 2012, Band I, E 1, E 40. 387 Siehe dazu bereits oben unter § 10 A. II. 1.
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4. Kap.: Aktionärsbeteiligung und Personalkompetenz
sollte demnach vor allem die Qualifikation im Vordergrund stehen.388 Vielfältigkeit ist kein Selbstzweck.389 Belastbare Studien, wonach Unternehmen mit einem höheren Frauenanteil erfolgreicher sind, existieren nicht.390 Folglich ist auch nicht zu erwarten, dass der Kapitalmarkt negativ auf das Fehlen entsprechender Regelungen reagieren würde. Ökonomisch handelnde Aktionäre werden sich daher kaum dazu anregen lassen, entsprechende Kompetenzen aktiv auszuüben. Damit unterscheiden sich Geschlechtervorgaben von der Festsetzung der Vorstandsvergütung, welche zwar ebenfalls eine wichtige sozialpolitische Komponente aufweist, die aber mit entsprechenden wirtschaftlichen Folgen korrespondieren. Darüber hinaus gilt, dass eine Reform „von oben“, die direkt an dem Vorstand oder dem Aufsichtsrat ansetzt, nicht zum gewünschten Erfolg führen kann. Fehlbesetzungen wären gerade in Geschäftsbereichen die Folge, in denen kaum weibliches Führungspersonal vorhanden ist.391 Dies kann gerade beim Vorstand, der das Tagesgeschäft leitet, verheerende Folgen haben.392 Es ist zweifelsohne Aufgabe des Staates, Zugangshindernisse zum Arbeitsmarkt abzubauen und Diskriminierungen zu bekämpfen. Wenn private Akteure dabei nicht freiwillig mitwirken, können auch gesetzliche Regelungen notwendig werden. Es kann indes immer nur darum gehen, die allgemeine Situation, etwa durch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, zu verbessern um so in einem weiteren Schritt den Personalpool zu erweitern.393 Ein solches Vorgehen ist zweifelsohne komplizierter als das bloße Vorschreiben einer Quote oder das Abwälzen der Verantwortung auf einzelne Gesellschaften und deren Aktionäre. Aber nur auf diese Weise wird letztendlich gewährleistet, dass ausreichend qualifizierte Kandidaten für das Vorstandsamt zur Verfügung stehen.394 Darüber hinaus stellt sich auch aus politischer Sicht die ganz grundsätzliche Frage, wo eine auf Quoten basierende Reform anfangen und aufhören sollte. Es gibt zahlreiche Gruppen, die heute in der Verwaltung kaum repräsentiert sind, etwa Kandidaten mit Migrationshintergrund.395 Insgesamt zeigt sich daher, dass für rein sozialpolitisch motivierte Re388 Weber-Rey, ZRP 2011, 127; so auch Bachmann, ZIP 2011, 1131, 1138, der sich allerdings für Quoten mit Bezug zum Aufsichtsrat ausspricht; insgesamt kritisch Fonk, in: Semler/von Schenck (Hrsg.), Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 10 Rn. 21. 389 Ähnlich vor dem Hintergrund der Debatte um Frauenquoten im Aufsichtsrat Peltzer, NZG 2011, 961, 962. 390 Kempter, ZRP 2011, 219, 220; mit Verweis auf die Erfahrung in Norwegen Mutter, AG 2010, R471; kritisch auch Peltzer, NZG 2011, 281, 283; a. A. etwa Bachmann, WM 2011, 1301, 1304 („ist belegt“); deutlich zurückhaltender dann aber Bachmann, AG 2012, 565, 572. 391 Kempter, ZRP 2011, 219, 220. 392 So auch Bachmann, ZIP 2011, 1131, 1138–1139. 393 Peltzer, NZG 2011, 281, 283; Peltzer, NZG 2011, 961, 962; ähnlich wohl Habersack, in: Verhandlungen des 69. Deutschen Juristentages 2012, Band I, E 1, E 37. 394 Ähnlich Peltzer, NZG 2011, 961, 962 („organischere und bessere Weg“). 395 Kempter, ZRP 2011, 219, 220.
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gelungen weder unmittelbar im Aktiengesetz noch in den Satzungen einzelner Gesellschaften Platz ist. 4. Ergebnis
Aus ökonomischer und aus institutioneller Sicht besteht kein Bedürfnis nach Satzungsregelungen betreffend die Bestellung des Vorstands. Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass im Einzelfall auf Grund besonderer Umstände eine passgenaue Vorgabe möglich wäre, von der positive Impulse für die Aufgabenwahrnehmung durch den Aufsichtsrat ausgehen. Eine Öffnung der Satzung rechtfertigt dies wegen der zusätzlichen Evaluationskosten gleichwohl nicht. III. Das Bedürfnis nach einem Bericht über die Personalpolitik Als letzte Einwirkungsmöglichkeit auf die organschaftliche Bestellung bleibt zu prüfen, ob angelehnt an § 120 Abs. 4 AktG, eine Abstimmung über die Personalpolitik gestattet werden sollte. Ein entsprechender Bericht könnte entweder in ex ante oder ex post Perspektive die allgemeinen Grundzüge der Kandidatenauswahl erläutern. So ließe sich darlegen, welche Kriterien die Entscheidung des Aufsichtsrats beeinflussen und worauf dieser im Einzelfall Wert legt. Der Vorteil derartiger Gestaltung wäre, dass nicht über konkrete Personen gesprochen wird, also auch keine unnötigen Reputationsschäden erzeugt werden. Darüber hinaus könnten umfangreiche Informationen kommuniziert werden, die möglichweise nicht in prägnante Satzungsregelungen gegossen werden können. Die generelle Schwierigkeit, dass es um die Aufarbeitung oftmals hochgradig subjektiver Einschätzungen geht, bliebe aber auch bei dieser Gestaltungsvariante bestehen.396 Gegen eine ex post Abstimmung spricht allerdings, dass die Aktionäre zu diesem Zeitpunkt die ausgewählten Amtsinhaber bereits kennen. Besteht ein Klärungsbedarf, was auf Grund der soeben aufgezeigten ökonomischen Überlegungen nur in Ausnahmefällen vorkommen dürfte, kann eine deutlich konkretere Befassung im Rahmen der Entlastung nach § 120 Abs. 1 AktG erfolgen. Bei einer ex ante Abstimmung, die unabhängig von der rechtlichen Verbindlichkeit einen auf die Zukunft gerichteten Fingerzeig erlaubt, stellt sich wieder das bereits bekannte Problem, dass die anstehenden Auswahlentscheidungen des Aufsichtsrats von der konkreten Situation bei der Kandidatensuche beeinflusst werden.397 Wie schon hinsichtlich der allgemeinen Qualifikationskriterien auf Satzungsebene herausgearbeitet,398 dürfte es wohl kaum einzelne Vorgaben geben, auf deren Einhaltung die Aktionäre unbedingt bestehen würden, wenn anderenfalls die Vorstandsposition unbesetzt bleiben müsste. Folglich kann man sich in einem entsprechenden 396 397 398
Siehe dazu bereits oben unter § 10 A. II. 1. Siehe dazu bereits oben unter § 10 A. III. 1. Siehe dazu bereits oben unter § 10 B. II. 1.
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4. Kap.: Aktionärsbeteiligung und Personalkompetenz
Bericht zwar unverbindliche Absichtserklärungen vorstellen, etwa dass auf „umfassende berufliche Erfahrung auch im internationalen Umfeld“ geachtet wird. Eine konkrete Selbstverpflichtung, nur „einen Kandidaten mit mehr als zehnjähriger Tätigkeit als Vorstandsmitglied in einer Gesellschaft mit mindestens 2000 Mitarbeitern im Jahresdurchschnitt“ zu wählen, wäre aus betriebswirtschaftlicher Sicht indes nicht sinnvoll. Eine wirkliche Legitimationswirkung kann man daher auf diesem Wege nicht erreichen. Ein abstrakter Bericht über die Personalpolitik, egal ob sich dieser auf die Entwicklung ex ante oder ex post bezieht, würde folglich für die Aktionäre keinen Erkenntnisgewinn bringen und somit keine sinnvolle Beeinflussung der Entscheidung des Aufsichtsrats erlauben. Von einer solchen Beschlussfassung ist deswegen ebenfalls abzusehen. IV. Ergebnis Die Entscheidung des Gesetzgebers überzeugt, bezüglich der Bestellung des Vorstands von konkreten Aktionärskompetenzen abzusehen. Zwar wäre aus institutioneller Sicht eine stärkere Rückkopplung an die Aktionäre durchaus wünschenswert. Vor allem ökonomische und rechtspraktische Überlegungen sprechen jedoch gegen derartige Reformen. Weder ist es angezeigt, der Hauptversammlung unmittelbar einen Einfluss auf den Vorgang der Auswahl einzuräumen, noch sollte die Satzung für entsprechende Vorgaben geöffnet werden. Von einer Abstimmung über die Personalpolitik ist ebenfalls abzuraten. Es ist vielmehr ausreichend, die Aktionäre auf faktische Einwirkungsmöglichkeiten, wie etwa den § 120 Abs. 1 AktG, zu beschränken.
C. Aktionärsbeteiligung beim Widerruf der Bestellung von Vorstandsmitgliedern Es bleibt zu klären, ob eine Einwirkung der Aktionäre auf den Widerruf der Bestellung wünschenswert erscheint. § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG erlaubt der Hauptversammlung dem Vorstand das Vertrauen zu entziehen, zu einer Reaktion darauf ist der Aufsichtsrat aber nicht verpflichtet. Auch die Vorgabe zwingender statutarischer Widerrufsgründe ist unzulässig.399 I. Das Bedürfnis nach einfachen Abstimmungskompetenzen mit Bezug zum Widerruf der Bestellung Die aktuelle gesetzliche Ausgestaltung ist nicht unumstritten. Vereinzelt ist vor der Aktienrechtsreform 1965 gefordert worden, keine institutionalisierte Abstimmungsmöglichkeit mit Bezug zum Widerruf der Bestellung zu ermöglichen, um 399
Siehe dazu bereits oben unter § 5 B. I.
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den Aktionärseinfluss auf den Vorstand einzuschränken.400 Im aktuellen Schrifttum finden sich vergleichbare Äußerungen, vornehmlich weil eine unvoreingenommene Ausübung der Personalkompetenz durch den Aufsichtsrat gewünscht wird.401 Demgegenüber ist bereits auf Stimmen hingewiesen worden, die entweder eine weitreichende Satzungsfreiheit im Bereich der organschaftlichen Personalkompetenz oder ein Wahlrecht hinsichtlich einer monistischen oder dualen Organisationsverfassung im Aktienrecht fordern.402 Derartige Änderungen hätten aber nicht nur Auswirkungen auf den Vorgang der Bestellung, sondern würden sich spiegelbildlich ebenfalls beim Widerruf der Bestellung bemerkbar machen. Die vorzeitige Beendigung der organschaftlichen Stellung kann gravierende Folgen nicht nur für die betreffende Geschäftsleitung, sondern auch für die jeweilige Gesellschaft haben.403 Ein derartiges Vorgehen stellt einen ultima ratio Eingriff dar,404 der meist nur dann in Betracht kommt, wenn alle anderen Kontrollund Steuerungsmechanismen versagt haben. Entsprechende Kompetenzen spielen folglich nur in Ausnahmesituationen eine Rolle. Dies hat den Vorteil, dass eine Regelung wie § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG nicht durchgängig für die Gesellschaft oder die Gesellschafter Transaktionskosten verursacht. Die Aktionäre werden nur dann aktiv, wenn sie Missstände erkennen. Eine regelmäßige Belastung, wie wenn jeder einzelne Bestellvorgang begleitet werden müsste, ist nicht gegeben. Die Eigenkapitalgeber reagieren oftmals zwar nicht unmittelbar auf Fehlentwicklungen, da erst die mit der kollektiven Entscheidungsfindung einhergehenden Probleme überwunden werden müssen. Bei dem Widerruf der Bestellung existieren aber deutlich positivere ökonomische Rahmenbedingungen als bei der ursprünglichen Kandidatenauswahl. Da solche Abstimmungskompetenzen allerdings nur in besonderen Fällen überhaupt aktiviert werden, stellt sich die Frage, inwieweit überhaupt eine Rückkopplung an die Aktionärsinteressen ermöglicht wird. Kommt es nicht zu einer Beschlussfassung, ist die Legitimationswirkung für die vom Aufsichtsrat bisher getroffenen organschaftlichen Entscheidungen sehr gering. Durch den Verzicht auf ein Votum geben die Eigenkapitalgeber nicht unbedingt zu erkennen, dass sie
400 So Duden, BB 1961, 225, 227; Förstner, BB 1961, 428 vor dem Hintergrund des damaligen Regierungsentwurfes. 401 Liebscher, in: W. Müller/Rödder (Hrsg.), Beck’sches Handbuch der AG, § 6 Rn. 51; Peltzer, in: Wellhöfer/Peltzer/W. Müller (Hrsg.), Die Haftung von Vorstand, Aufsichtsrat, Wirtschaftsprüfer, § 18 Rn. 100; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 40; kritisch wohl auch Mielke, BB 2014, 1035. 402 Siehe dazu bereits oben unter § 10 Fn. 351, Fn. 353 und Fn. 354. 403 So verweist Fleischer, AG 2006, 429, 434 auf Studien, wonach ein Führungswechsel gerade in den ersten zwei Jahren zu keiner unmittelbaren Ertragsverbesserung führt. 404 So auch Fonk, in: Semler/von Schenck (Hrsg.), Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 10 Rn. 297.
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4. Kap.: Aktionärsbeteiligung und Personalkompetenz
mit der aktuellen Geschäftsleitung zufrieden sind, sondern nur, dass sie nicht so unzufrieden sind, dass eine sofortige Beendigung der organschaftlichen Beziehungen für notwendig erachtet wird. Eine Nichtausübung kann sowohl bedeuten, dass man den aktuellen Vorstand gutheißt, aber genauso, dass man deren Verbleib im Amt lediglich toleriert, zum Beispiel mangels Alternativen. Eine eingehende Bewertung der vom Aufsichtsrat ausgewählten Kandidaten findet über Vorschriften, die nur einen Widerruf der Bestellung erlauben, demnach nicht statt. Andererseits erlaubt man den Gesellschaftern zumindest in Ausnahmefällen eine rote Linie zu ziehen. Sehr zu Recht heißt es schon zum aktuellen Aktienrecht, dass die Stellung des Vorstandsmitglieds nur dann seine Berechtigung genießt, wenn sie „vom Vertrauen der Hauptversammlung getragen wird.“ 405 Dies liegt nicht nur an den spezifischen Investitionen der Aktionäre und deren Schutzwürdigkeit in Ermangelung von perfekten Verträgen.406 Es ist auch davon auszugehen, dass diese sich andere Wege zur Geltendmachung ihres Einflusses suchen würden, wenn die Möglichkeit nicht besteht, kanalisiert ihrem Unmut Ausdruck zu verleihen. So könnten die Eigenkapitalgeber möglicherweise versuchen, den aktuellen Aufsichtsrat abzulösen oder den Vorstand durch die Verweigerung von Entlastungen und anderen Mitwirkungshandlungen, etwa bei einer Kapitalerhöhung, zu zermürben. Abstimmungskompetenzen mit Bezug zum Widerruf der Bestellung sorgen daher dafür, dass innergesellschaftliche Konflikte in geregelten Bahnen verlaufen und dort ausgetragen werden, wo sie entstehen. Auch das Problem, ob man der Hauptversammlung eine Basis für eine informierte Entscheidung schaffen kann, scheint weniger stark ausgeprägt, wenn die Entpflichtung eines Vorstandsmitglieds im Raum steht. Zwar ist bereits gezeigt worden, dass aus betriebswirtschaftlichen Gründen weder mögliche Alternativkandidaten, noch ein konkretes Fehlverhalten in jedem Einzelfall offengelegt werden können.407 Dies kann die Aussagekraft einer Beteiligung schmälern. Wenn die Aktionäre aber ein Bedürfnis für eine öffentlichkeitswirksame Auseinandersetzung erkennen, dürfte zumindest die konkrete Person eines möglichen Nachfolgers in den Hintergrund treten. Vielfach wird es reichen, wenn die Aktionäre einschätzen können, ob der gesellschaftsinterne oder gesellschaftsexterne Arbeitsmarkt realistisch betrachtet irgendeinen qualifizierten Ersatzkandidaten hervorbringen wird. Abstimmungskompetenzen, die letztendlich auf einen Widerruf der Bestellung zielen, sind allerdings für Mehrheits-Minderheitskonflikte 405 Spindler, in: MünchKommAktG, § 84 Rn. 137; zustimmend Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 84 Rn. 112; a. A. zum damaligen Regierungsentwurf Duden, BB 1961, 225, 226 (einmal ordnungsgemäß bestellte Vorstand bedarf nicht ständig des Aktionärsvertrauens). 406 Siehe dazu bereits oben unter § 2 D. III. 1.; dies in der Sache als Argument nehmend wohl auch Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 84 Rn. 112; Fleischer, AG 2006, 429, 441. 407 Siehe dazu bereits oben unter § 10 A. III. 1.
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anfällig.408 Weder die Gesellschafter untereinander noch der Aufsichtsrat können umfassende Kompromisslösungen erarbeiten, wenn die Zustimmung oder die Ablehnung für einen Kandidaten nicht eindeutig ausgedrückt wird. In dieser Situation besteht die Gefahr, dass unnötige Reputationsschäden hervorgerufen werden. Die gravierenden Folgen einer vorzeitigen Entpflichtung stellen aber zumindest sicher, dass von entsprechenden Kompetenzen nicht leichtfertig Gebrauch gemacht wird. Völlig entgehen kann man dieser Schwierigkeit allerdings nicht. Insgesamt zeigt sich somit, dass aus ökonomischer Sicht für eine situationsbezogene Regelung eher ein Bedürfnis besteht, als für eine dauerhafte Begleitung der organschaftlichen Personalauswahl. Zumindest in Konfliktfällen kann auf diesem Weg eine wichtige Legitimationswirkung erzielt werden. Es ist ferner davon auszugehen, dass regelmäßig eine aussagekräftige Stimmrechtsausübung ermöglicht werden kann. Anerkennen muss man jedoch, dass die Gefahr von Mehrheits-Minderheitskonflikten und unnötig hervorgerufenen Reputationsschäden besteht. Wenn die Aktionäre aber trotz aller Hürden und möglicher Konsequenzen eine Entpflichtung des bestehenden Vorstands fordern, tut das Gesetz gut daran, auch eine institutionalisierte Beteiligungsmöglichkeit bereit zu halten. Nur so ist sichergestellt, dass Auseinandersetzungen in einem geordneten Verfahren ausgetragen werden. Die Untersuchung hat allerdings auch deutlich gemacht, dass ein Widerruf der Bestellung keinesfalls alleine nur durch die Hauptversammlung möglich sein darf. Dagegen spricht nicht nur, dass selbst in kleineren Gesellschaften das Organ nicht hinreichend flexibel ist, um auf kurzfristige Entwicklungen zu reagieren.409 Der Aufsichtsrat hat auf Grund der oben herausgearbeiteten Probleme oftmals auch einen Informationsvorsprung. Das Gremium muss in der Lage sein, Probleme eigenverantwortlich zu lösen, bevor eine öffentlichkeitswirksame Diskussion auf der Hauptversammlung erforderlich wird. Es ist daher nicht nur notwendig, dass der Aufsichtsrat unabhängig von der Hauptversammlung über einen Widerruf entscheiden kann. Vielmehr ist bei der Ausgestaltung einer Aktionärskompetenz auch darauf zu achten, dass keine negativen Impulse für die Aufgabenwahrnehmung durch das Kontrollorgan gesetzt werden. 1. Ausgestaltung von Abstimmungskompetenzen mit Bezug zum Widerruf der Bestellung und abschließende Beurteilung des § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG
Auf Grund des Vorhergesagten ist positiv zu bewerten, dass in § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG überhaupt eine unmittelbare Einwirkungsmöglichkeit für die Aktio408
Siehe dazu bereits oben unter § 10 A. III. 1. Dazu bereits oben mit Bezug zur Bestellung unter § 10 B. I.; anzuerkennen ist aber, dass es in der Praxis oftmals eher die kleineren Gesellschaften sind, die von § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG Gebrauch machen, siehe Janzen, NZG 2003, 468, 471. 409
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4. Kap.: Aktionärsbeteiligung und Personalkompetenz
näre vorgesehen ist, um auf eine Entpflichtung einzelner Geschäftsleiter oder des Gesamtvorstands hinzuwirken.410 Der genaue Wortlaut der Norm ist dabei eine politische Entscheidung. Vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen lassen sich aber zumindest einige Vorgaben für die materiellen Eckpunkte einer derartigen Kompetenz entwickeln. a) Adressatenkreis einer Aktionärsbeteiligung § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG findet auf alle Aktiengesellschaften Anwendung. Eine Beschränkung, wie etwa in § 120 Abs. 4 AktG vorgesehen, existiert nicht. Wie wichtig es ist, dass der Vorstand die Rückendeckung durch die Gesellschafter genießt, ist soeben herausgearbeitet worden. Diese Aussage gilt unabhängig davon, ob eine Börsennotierung nach § 3 Abs. 2 AktG vorliegt oder welche der in § 267 HGB geregelten Größenklassen erfüllt wird. Eine derart zentrale Kompetenz muss einheitlich gelten.411 Es überzeugt daher, dass § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG keine Differenzierungen vorsieht. b) Bestimmung des Abstimmungsgegenstandes Unter der aktuellen Rechtslage entscheidet die Hauptversammlung über einen Vertrauensentzug, wobei gemäß § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG keine offenbar unsachlichen Gründe zur Beschlussfassung führen dürfen. Mit Ausnahme der Sachlichkeitsanforderung können die Aktionäre somit frei darüber entscheiden, welchen Anlass sie als ausreichend erachten, um den Aufsichtsrat aufzufordern, die organschaftliche Stellung eines Vorstandsmitglieds zu beenden. Man könnte überlegen, die Beteiligung der Gesellschafter an höhere materielle Kriterien zu knüpfen. So ließe sich, angelehnt an die anderen in § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG genannten Beispiele, für einen Vertrauensentzug das Vorliegen einer groben Pflichtverletzung oder die Gefährdung der ordnungsmäßigen Geschäftsführung fordern. Der Vorteil eines solchen Vorgehens wäre, dass man sowohl den Vorstand, aber vor allem auch eine Aktionärsminderheit vor einer willkürlichen Entscheidung der Hauptversammlungsmehrheit schützt. Es ist allerdings nicht erkennbar, dass aktuell mit § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG derart sorglos umgegangen wird, dass ein Bedürfnis für gesteigerte Anforderungen bestehen würde. Darüber hinaus sind Konstellationen vorstellbar, in denen die Aktionäre ein Interesse an einem Widerruf der Bestellung haben, obwohl ein rechtliches Fehlverhalten nicht im Raum steht. Es ist bereits auf chronische Erfolgslosigkeit als Begründung hin410 Vereinzelt ist dieses Recht sogar als Ausdruck verfassungsmäßiger Garantien aus Art. 14 und Art. 9 GG bezeichnet worden, siehe Säcker, in: FS G. Müller, S. 745, 746. 411 A. A. Meyer-Landrut, in: GroßkommAktG, 3. Aufl., § 84 Rn. 33 („lässt sich allerdings in einer Publikumsgesellschaft kaum begründen“).
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gewiesen worden.412 Ebenfalls kann der Austausch der alten Geschäftsleitung nach einer Übernahme gewünscht sein.413 So vielfältig betriebswirtschaftliche Situationen ausfallen können, so vielfältig können auch die Hintergründe sein, die zu einem zerrütteten Verhältnis zwischen Aktionären und Vorstand beitragen. Es bietet sich daher nicht an, höhere Hürden an einen Vertrauensentzug zu stellen. In eine andere Richtung ginge es, die Anforderungen des § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG abzusenken und auf das Sachlichkeitskriterium völlig zu verzichten. § 38 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung kennt beispielsweise überhaupt keine inhaltlichen Voraussetzungen für die Abberufung der Geschäftsführer. Auch § 103 Abs. 1 Satz 1 AktG verlangt nicht, dass bei der Abberufung einzelner Aufsichtsratsmitglieder besondere Anforderungen erfüllt sein müssen. Im internationalen Vergleich ist es zudem unüblich, dass die Eigenkapitalgeber besondere Gründe anführen müssen, um das Leitungsorgan zu entpflichten.414 Allerdings ist bereits gezeigt worden, dass die Sachlichkeitsprüfung in § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG keine gewichtige Schranke für eine Aktionärsäußerung darstellt.415 Die Gesellschafter werden bei der Beurteilung eines konkreten Sachverhalts nicht signifikant behindert. Die zusätzliche Kontrolle durch den Aufsichtsrat sichert aber zumindest ab, dass keine missbräuchlichen Beschlüsse als Grundlage für eine Ausübung des § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG genutzt werden, die ohnehin vor einem Gericht nicht Stand halten würden.416 Auf diese psychologische Hürde sollte deshalb nicht verzichtet werden. Auch die materiellen Anforderungen an eine Abstimmung nach § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG überzeugen daher. Es ist nicht angezeigt, das Ermessen der Hauptversammlung darüber hinaus einzuschränken oder auszuweiten. c) Verbindlichkeit des Abstimmungsergebnisses In seiner jetzigen Fassung wirkt eine Abstimmung nach § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG, ähnlich wie § 120 Abs. 4 AktG, durch Reputationsschäden und den faktisch aufgebauten Druck. Rechtlich kommt dem Aufsichtsrat bei seiner Reaktion auf einen Vertrauensentzug ein weites Ermessen zu.417 Selbst wenn sich eine 412
Siehe dazu bereits oben unter § 5 Fn. 158. Spindler, in: MünchKommAktG, § 84 Rn. 139; differenzierend Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 84 Rn. 128, die eine Abberufung nur erlauben wollen, wenn sich der Vorstand „in außergewöhnlichem Maße mit der alten Mehrheit identifiziert hat“. 414 Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 84 Rn. 4. 415 Siehe dazu bereits oben unter § 5 C. I. 416 Positiv zu dem Tatbestandsmerkmal auch Hommelhoff, ZHR 151 (1987), 493, 499; ähnlich Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 40, die sich im Ergebnis aber dennoch für die Abschaffung der Norm aussprechen. 417 Kort, in: GroßkommAktG, § 84 Rn. 148, 167; etwas zurückhaltender Fonk, in: Semler/von Schenck (Hrsg.), Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 10 Rn. 306 (Pflicht „eingehend zu beraten“). 413
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Mehrheit auf der Hauptversammlung für einen Widerruf der Bestellung ausspricht, kann dies im Ergebnis folgenlos bleiben. Auf die allgemeinen Vor- und Nachteile einer Verbindlichkeitserklärung ist bereits im Rahmen der Untersuchung der Vorstandsvergütung umfassend eingegangen worden.418 Dort sprachen die besseren Argumente dafür, den Aufsichtsrat auf das Abstimmungsresultat zu verpflichten. Ein Teil der bereits vorgebrachten Überlegungen lassen sich unmittelbar auf den Widerruf der Bestellung übertragen. Es ist davon auszugehen, dass eine mögliche Bindungswirkung für die ohnehin entstehenden Reputationsschäden und die öffentliche Aufmerksamkeit regelmäßig ohne Folgen bleiben wird.419 Verhindert würde bei einer entsprechenden Änderung des § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG jedoch, dass sich eine starke Verwaltung über eine Hauptversammlungsmehrheit hinwegsetzen kann. Dies wiederum sorgt dafür, dass aus ökonomischen Gesichtspunkten ein zusätzlicher Anreiz für eine informierte Kompetenzwahrnehmung geschaffen wird, da bei einem Obsiegen die Transaktionskosten der Entscheidungsfindung nicht sinnlos aufgewendet werden. aa) Verbindlichkeit und Aufsichtsratshaftung Es stellt sich allerdings die Frage, ob eine verbindliche Kompetenz mit der Aufrechterhaltung des Pflichtgefühls auf Seiten des Aufsichtsrats vereinbar ist. Hinsichtlich der Abstimmung über ein Vergütungssystem wurde herausgestellt, dass als Anknüpfungspunkt für eine spätere Haftung und damit als rechtlicher Appell an eine eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung immer noch die konkrete Festsetzung der einzelnen Abrede dienen kann.420 Die Aktionäre schaffen nämlich nur abstrakte Vorgaben, deren Ausfüllung nach § 87 Abs. 1 AktG dem Aufsichtsrat obliegt. Eine vergleichbare Situation ist bei § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG nicht gegeben. Entscheiden sich die Aktionäre verbindlich für eine Abberufung, bliebe dem Aufsichtsrat kein Umsetzungsermessen, es sei denn, der Beschluss ist unsachlich. Die Gesellschafter nähmen dem Organ demzufolge die endgültige Entscheidung vollständig ab. In solchen Fällen kann die Haftungsfreizeichnung aus § 93 Abs. 4 Satz 1 AktG eingreifen, falls den Aktionären nicht bewusst falsche oder unvollständige Informationen vorgelegt wurden. Eine unerwünschte Folge einer Verbindlichkeitserklärung könnte demnach sein, dass der Aufsichtsrat aus eigenem Antrieb keine Beendigung der organschaftlichen Stellung mehr anstrebt, sondern immer eine vorherige Abstimmung der Hauptversammlung durchführen lässt, um unter den Anwendungsbereich des § 93 Abs. 4 Satz 1 AktG zu fallen. Dies wäre insbesondere deshalb von Nachteil, weil der 418
Siehe dazu bereits oben unter § 8 B. IV. 1. Ähnlich auch die Einschätzung bei Förstner, BB 1961, 428 zum damaligen Vorschlag im Regierungsentwurf („läuft nämlich der Sache nach praktisch auf ein Abberufungsrecht der Hauptversammlung hinaus“). 420 Siehe dazu bereits oben unter § 8 B. II. 1. c). 419
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Aufsichtsrat im Regelfall das flexiblere und besser informierte Organ ist und daher zu einem selbstständigen Tätigwerden gerade angehalten werden sollte. Bei genauerer Betrachtung dürfte die Gefahr von negativen Auswirkungen auf das Verantwortlichkeitsgefühl des Aufsichtsrats allerdings nicht sonderlich stark ausgeprägt sein. Bereits unter der aktuellen Rechtslage ist ein rechtswirksamer Widerruf der Bestellung auf Grund eines unverbindlichen Vertrauensentzugs einfacher durchzusetzen, als ohne Einschaltung der Hauptversammlung.421 Existiert ein solcher Beschluss nämlich nicht, muss der Aufsichtsrat gemäß § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG einen anderen wichtigen Grund vorweisen, beispielsweise eine grobe Pflichtverletzung. Die Anforderungen an einen solchen sind nicht nur höher, sondern je nach Situation auch schwerer zu beweisen, als der nicht rechtsmissbräuchliche Vertrauensentzug der Aktionäre.422 Trotzdem ist nicht erkennbar, dass Aufsichtsräte unter der aktuellen Rechtslage unbedingt versuchen, die Aktionäre miteinzubeziehen, nur um das Haftungsrisiko gegenüber dem Vorstand zu verringern. Gerade wenn ein konkretes Fehlverhalten im Raum steht, welches möglicherweise sogar strafrechtliche Relevanz hat, dürfte für einen pflichtbewussten Aufsichtsrat auch kein Anreiz bestehen, einen derartigen Umweg in Kauf zu nehmen. Unabhängig davon bleibt eine haftungsrechtliche Verantwortlichkeit ohnehin bestehen, wenn der Aufsichtsrat eine objektiv gebotene Entscheidung bewusst bis zur nächsten Hauptversammlung verschleppt. Festzuhalten ist somit, dass ein verbindlicher Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung zwar formal intensiver in den Kompetenzbereich des Aufsichtsrats eingreifen würde, negative Impulse für dessen Aufgabenwahrnehmung jedoch nicht in größerem Umfang zu erwarten sind. bb) Notwendigkeit eines Ermessensspielraums auf Seiten des Aufsichtsrats Möglicherweise lassen sich aber Gründe finden, warum nach einem Vertrauensentzug dem Aufsichtsrat ein abschließendes Ermessen zustehen sollte. Immerhin erlaubt man dem Organ auf diesem Weg, mögliche Fehler der Gesellschafter zu korrigieren. Bezüglich der Abstimmung über ein Vergütungssystem hatte sich allerdings gezeigt, dass hierdurch keine gesteigerte Ergebnisrichtigkeit gewährleistet wird.423 Unter der aktuellen Rechtslage wird auf die Gefahr hingewiesen, dass die Aktionäre die Schwelle für einen Vertrauensentzug unter Umständen zu niedrig ansetzen könnten.424 Wie gezeigt, müssen die Aktionäre bei ihrem Beschluss neben 421 So im Ergebnis wohl auch Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 301; Kort, in: GroßkommAktG, § 84 Rn. 148. 422 Ähnlich wohl Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 301. 423 Siehe dazu bereits oben unter § 8 B. IV. 1. c). 424 Kort, in: GroßkommAktG, § 84 Rn. 148.
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der Sachlichkeit keine besonderen Anforderungen einhalten. Vom Aufsichtsrat erhoffen sich einige Stimmen daher eine zusätzliche Kontrolle dahingehend, ob eine derart gravierende Entscheidung tatsächlich angebracht ist.425 Immerhin besteht ein Wissensvorsprung auf Seiten dieses Organs, welches mit der konkreten betriebswirtschaftlichen Situation und mit der Verfügbarkeit von potentiellen Amtsnachfolgern eher vertraut sein dürfte, als die Gesellschafter zum Zeitpunkt einer Abstimmung. Es steht der Verwaltung allerdings auch im Rahmen des § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG immer frei, vor einer Beschlussfassung für die Unterstützung des aktuellen Amtsinhabers zu werben. Dabei kann insbesondere der Aufsichtsrat darauf hinweisen, dass zwingende, aber nicht öffentlich diskutierbare Gründe für eine Beibehaltung der organschaftlichen Stellung sprechen. Wenn die Hauptversammlung dennoch für eine Entpflichtung stimmt, entweder weil den Warnungen kein Glauben geschenkt wird oder weil trotz der genannten Unwägbarkeiten eine Repräsentanz durch die Geschäftsleitung nicht mehr für zumutbar gehalten wird, gibt es auch keinen Grund, der Beurteilung des Aufsichtsrats eine höhere Richtigkeitsgewähr beizumessen, als der Einschätzung der Gesellschafter. Letztendlich gilt im Rahmen des § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG, genau wie bei § 120 Abs. 4 AktG,426 dass, wenn man sich von der Einbeziehung der Gesellschafter eine Verbesserung der aktuellen Kompetenzwahrnehmung erhofft und die am Ende getroffene Entscheidung mit einer höheren Legitimation versehen will, ein abschließendes Ermessen auf Seiten des Aufsichtsrats nicht angezeigt ist. cc) Beurteilung und rechtspraktische Umsetzung Da bei einer Abstimmung nach § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG hohe Reputationsschäden erzeugt werden, dürfte es ähnlich wie bei § 120 Abs. 4 AktG oftmals keine größere Rolle spielen, ob das Ergebnis verbindlich oder unverbindlich ausfällt. Der Aufsichtsrat wird im Regelfall versuchen, der Entscheidung der Mehrheit zu entsprechen. Daher ist nicht davon auszugehen, dass eine ergänzende Verbindlichkeitserklärung in § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG in der Praxis zu gravierend anderen Ergebnissen führen würde. Eine derartige Rechtsänderung würde allerdings die Legitimationswirkung der vom Aufsichtsrat getroffenen Entscheidung erhöhen und gleichzeitig verhindern, dass sich ein entsprechend starkes Organ gegen die Gesellschafter durchsetzen kann. Es sind keine Vorteile ersichtlich, die mit einem nur beratenden Votum einhergehen. Von einer Rechtsänderung sind weder negative Folgen für die Aufgabenwahrnehmung des Aufsichtsrats zu er425 So etwa Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 301–302; Fonk, in: Semler/von Schenck (Hrsg.), Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 10 Rn. 306; Mertens/ Cahn, in: KölnerKommAktG, § 84 Rn. 129. 426 Siehe dazu bereits oben unter § 8 B. IV. 1. c).
§ 10 Beteiligung im Bereich der organschaftlichen Bestellung
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warten, noch besteht die Gefahr, dass die Aktionärsbeteiligung verstärkt zu untragbaren Ergebnissen führt. Mehr als eine reine Sachlichkeitsprüfung durch den Aufsichtsrat, wie schon aktuell in § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG vorgesehen, ist nicht angezeigt. Die besseren Argumente sprechen daher dafür, das Abstimmungsresultat für verbindlich zu erklären. Aus rechtstechnischer Sicht kann eine solche Änderung ohne größere Schwierigkeiten in das Aktienrecht eingefügt werden. Im Rahmen des § 120 Abs. 4 AktG stellte sich insbesondere die Frage, welche Folgen eine verbindliche Abstimmung nach sich zieht und welche Konsequenzen eine zustimmende oder ablehnende Entscheidung hat.427 Derartige Probleme existieren bei § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG nicht. Entziehen die Aktionäre dem Vorstand in einem verbindlichen Beschluss das Vertrauen, hat der Aufsichtsrat die organschaftliche Stellung zu widerrufen. Fällt das Votum positiv aus, sollte es dem Aufsichtsrat dennoch freistehen, von § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG Gebrauch machen zu können, falls ein anderer wichtiger Grund besteht, etwa eine konkrete Pflichtverletzung. Auf diesem Weg wird sichergestellt, dass das Organ flexibel auf neue Entwicklungen reagieren kann, ohne einen Hauptversammlungsbeschluss zwingend herbeiführen zu müssen. d) Mehrheitserfordernis Nunmehr gilt es zu klären, welches Mehrheitserfordernis für einen verbindlichen Vertrauensentzug angezeigt ist. § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG stellt aktuell keine besonderen Anforderungen an den Beschluss. Notwendig ist daher eine einfache Stimmenmehrheit nach § 133 Abs. 1 AktG. In den begleitenden Materialien zum Aktiengesetz 1937 und zum Aktiengesetz 1965 finden sich keine Überlegungen dahingehend, warum gerade dieses Erfordernis gewählt wurde. Vermutlich steht hinter der Regelung die Annahme, dass sich eine Verwaltung langfristig nicht gegen den Willen der absoluten Mehrheit auf der Hauptversammlung im Amt halten könne. Einen anderen Weg geht der Gesetzgeber aber in § 103 Abs. 1 Satz 2 AktG, welcher für die verbindliche Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds durch die Hauptversammlung eine drei Viertel Stimmenmehrheit vorsieht, wobei nach § 103 Abs. 1 Satz 3 AktG auch geringere Erfordernisse in der Satzung festgeschrieben werden können. Zwar stellt § 103 Abs. 1 AktG keine materiellen Voraussetzungen an den Vertrauensentzug, ein Sachlichkeitserfordernis sieht die Norm nicht vor.428 Zumindest in Teilen ist das höhere Mehrheitserfordernis daher sicherlich eine Kompensation für das freie Ermessen der Hauptversammlung. Al427
Siehe dazu bereits oben unter § 8 B. IV. 2. Habersack, in: MünchKommAktG, § 103 Rn. 12; Hopt/Roth, in: GroßkommAktG, § 103 Rn. 13; Koch, in: Hüffer (Begr.), Aktiengesetz, § 103 Rn. 3; Spindler, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 103 Rn. 5. 428
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4. Kap.: Aktionärsbeteiligung und Personalkompetenz
lerdings müssen auch Beschlüsse nach § 103 Abs. 1 Satz 2 AktG zumindest mit dem Gesetz in Einklang stehen. Die Norm kann damit nicht genutzt werden, um Partikularinteressen zu verfolgen,429 so dass eine rechtsmissbräuchliche Ausübung ausgeschlossen ist. Völlig unbeschränkt ist der Handlungsspielraum der Aktionäre im Rahmen des § 103 Abs. 1 AktG demnach nicht. Im Einzelfall fällt es allerdings schwer zu bestimmen, wo die Grenze zwischen bloßer Unsachlichkeit und einem Missbrauch verläuft. Auf dem Papier dürfte der gravierendste Unterschied zwischen § 103 Abs. 1 AktG und § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG de lege lata wohl die Verbindlichkeitserklärung sein. Auf Grund der hohen Reputationsschäden, die eine Entscheidung nach § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG mit sich bringt, ist diese Folge in der Praxis jedoch nur von untergeordneter Bedeutung. Die Differenzierung zwischen § 103 Abs. 1 Satz 2 AktG und § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG beruht daher insgesamt nicht auf einer stimmigen Konzeption. Vielmehr ist ein Gleichlauf der Mehrheitserfordernisse angezeigt. Gegen eine drei Viertel Mehrheit bei einem verbindlichen Vergütungsvotum sprach, dass auf diesem Weg die notwendige Flexibilität verloren gehen könnte.430 Gerade weil derartige Entscheidungen häufig anstehen, sollte man es einer Minderheit nicht erlauben, regelmäßig die Gesellschaft erpressen zu können. Darüber hinaus war bezüglich der Geschäftsleiterkompensation auch nicht erkennbar, dass Minderheitsinteressen eines besonderen Schutzes bedürfen. Die Abberufung eines Organmitglieds, sei es nun aus dem Aufsichtsrat oder dem Vorstand, ist demgegenüber jedoch eine besondere Konstellation. Die Kompetenzen beschäftigen die Hauptversammlung deutlich seltener als beispielsweise § 120 Abs. 4 AktG. Vor diesem Hintergrund kann eine Minderheit keine Routinemaßnahmen blockieren, sondern wird allenfalls in ausgewählten Situationen zum Stolperstein. Einzelne Aktionärsgruppen können die Hauptversammlung demnach nur punktuell, aber nicht dauerhaft in Geiselhaft nehmen. Die schwerwiegenden Folgen einer Kompetenzausübung und die Tatsache, dass Kompromisse bei der Entscheidungsfindung kaum möglich sind, sprechen darüber hinaus für die Notwendigkeit eines breiten Konsenses unter den Aktionären. So heißt es zu § 103 Abs. 1 Satz 2 AktG sehr zu Recht, dass „das hohe Quorum [. . .] bereits die Rechtfertigung in Form eines Vertrauensentzugs in sich [trägt]“.431 Vor diesem Hintergrund sollte auch bei einer verbindlichen Abberufung des Vorstands das gesetzliche Mehrheitserfordernis eher höher als niedriger angesetzt werden und den Eigenkapitalgebern die genaue Ausgestaltung der Anforderungen auf Gesellschaftsebene übertragen werden.
429 KG Berlin, NZG 2003, 441, 446–447; Habersack, in: MünchKommAktG, § 103 Rn. 12; ähnlich Spindler, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 103 Rn. 6; grundsätzlich dazu Butzke, Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, Kapitel B Rn. 107, 113. 430 Siehe dazu bereits oben unter § 8 B. VI. 431 Spindler, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 103 Rn. 5.
§ 10 Beteiligung im Bereich der organschaftlichen Bestellung
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Aus rechtspraktischer Sicht sind bei der Umsetzung unterschiedliche Wege denkbar. Jede prozentuale Grenze ist immer auch Ausdruck politischen Ermessens. Da der Gesetzgeber jedoch hinsichtlich der Abberufung des Aufsichtsrats in § 103 Abs. 1 Satz 2, Satz 3 AktG bereits eine konkrete Regelung vorgibt, welche die vorherigen Überlegungen berücksichtigt, bietet es sich aus systematischer Sicht an, genau diese auf § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG zu übertragen. Insbesondere erlaubt § 103 Abs. 1 Satz 2 AktG in der Satzung geringere Mehrheitserfordernisse vorzusehen und so auf die jeweiligen Anforderungen des Einzelfalls einzugehen. Eine derartige Gestaltung erscheint auch bei § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG sachgerecht, da die Eigenkapitalgeber somit selbst entscheiden können, wie wichtig ihnen Minderheitsrechte und die Unabhängigkeit des Vorstands sind. In der Praxis wählen ohnehin viele Gesellschaften in ihrer Satzung Generalklauseln, wonach, wenn das Gesetz ein bestimmtes Erfordernis nicht zwingend vorschreibt, eine einfache Mehrheit als ausreichend gilt.432 Fehlt eine entsprechende Regelung, führt dies zwar dazu, dass 74.9% der an einer Abstimmung beteiligten Eigenkapitalgeber einen unliebsamen Vorstand nicht aus dem Amt entfernen können. Lässt man aber derart extreme Ergebnisse unberücksichtigt, so stellt eine höhere Schranke spiegelbildlich auch sicher, dass eine einfache Mehrheit nicht über Gebühr Einfluss auf die Ausrichtung der Gesellschaft nehmen kann und garantiert gleichzeitig eine gewisse Kontinuität im Vorstand. 2. Ergebnis
Insgesamt ist festzuhalten, dass im Rahmen des § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG bezüglich des Adressatenkreises, wie auch bezüglich des Abstimmungsgegenstandes keine Änderungen notwendig sind. Insbesondere sollte an dem Erfordernis einer Sachlichkeitsprüfung durch den Aufsichtsrat festgehalten werden. Es sprechen jedoch die besseren Argumente dafür, die Regelung de lege ferenda als verbindliche Kompetenz auszugestalten. Davon unabhängig würde es sich anbieten, eine höhere Stimmenmehrheit für eine Abstimmung zu verlangen, da für eine derart gravierende Entscheidung eine breite Übereinkunft unter den Aktionären wünschenswert ist. Dabei kann als Vorbild auf die in § 103 Abs. 1 Satz 2, Satz 3 AktG enthaltene Regelung zurückgegriffen werden, einschließlich der Möglichkeit, in der Satzung ein abweichendes Erfordernis dahingehend zu vereinbaren, dass eine geringere Mehrheit ausreicht. II. Das Bedürfnis nach ergänzenden Satzungskriterien Darüber hinaus gilt es zu überlegen, ob neben § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG auch besondere Abberufungsgründe in der Satzung zugelassen werden sollten. Auf 432 So die Feststellung von Butzke, Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, Kapitel J Rn. 82; von Schenck, in: Semler/von Schenck (Hrsg.), Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 1 Rn. 23 Fn. 19.
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4. Kap.: Aktionärsbeteiligung und Personalkompetenz
diesem Weg ließen sich ex ante Fälle definieren, in denen der Aufsichtsrat den Vorstand entpflichten muss oder eine Beendigung der organschaftlichen Stellung sogar automatisch eintritt. Zumindest in der Theorie hätte dies für die Geschäftsleitung den Vorteil, bereits während der Tätigkeit zu wissen, welches Verhalten oder welche Ereignisse zu einem Widerruf der Bestellung führen werden. Gegen solche Gestaltungen sprechen jedoch schon praktische Gründe. Gerade was die organschaftliche Stellung angeht, besteht ein hohes Interesse aller Beteiligten an Rechtsklarheit. Entsprechende Regeln müssten deshalb so formuliert sein, dass sich deren Voraussetzungen ohne jeden Zweifel feststellen lassen. Mit Formulierungen etwa, die an ein „gesellschaftsschädigendes Verhalten“ anknüpfen, wäre daher nichts gewonnen. Das Risiko, dass unzureichende Formulierungen zu einem nicht hinnehmbaren Schwebezustand führen, gilt es auf jeden Fall zu vermeiden. Vergleichbar wird auch im Rahmen des § 103 Abs. 1 AktG bezüglich der Frage argumentiert, ob besondere Abbestellungsgründe in der Satzung festgeschrieben werden dürfen.433 Darüber hinaus lassen sich wohl kaum im Voraus aussagekräftige Kriterien finden, bei deren Erfüllung die Gesellschafter ohne Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls eine Beendigung der organschaftlichen Beziehung wünschen. Es ist ganz offensichtlich nicht praktikabel, konkrete wirtschaftliche Indikatoren zu wählen, etwa einen Aktienkurs, und daran einen Widerruf der Bestellung zu knüpfen. Es darf auch vermutet werden, dass sich entsprechend qualifiziertes Personal auf derartige Regelungen erst gar nicht einlassen würde. Vorstellbar wären höchstens Evidenzappelle, die etwa an rechtskräftige Verurteilungen wegen besonders gravierender Straftaten anknüpfen. Für solche Extremfälle, in denen die Aufrechterhaltung der organschaftlichen Beziehung ganz eindeutig nicht mehr zumutbar erscheint, braucht es die Beteiligung der Hauptversammlung allerdings nicht. Es ist nicht davon auszugehen, dass sich die strukturellen Schwierigkeiten der Aufsichtsratsarbeit in solchen Situationen realisieren. Die Entscheidung des Gesetzgebers, derartige Gestaltungen nicht zuzulassen, überzeugt somit.
D. Ergebnis Es hat sich herausgestellt, dass Aktionärseinflüsse bezüglich der organschaftlichen Personalkompetenz nur sehr punktuell zugelassen werden sollten. Es ist insgesamt positiv zu bewerten, dass unmittelbare Einwirkungen auf den Vorgang der Bestellung im deutschen Recht nicht vorgesehen sind. Gerade weil mit der Gesellschaft mit beschränkter Haftung und der Societas Europaea alternative 433 Siehe nur Habersack, in: MünchKommAktG, § 103 Rn. 17–18; Hopt/Roth, in: GroßkommAktG, § 103 Rn. 13; Koch, in: Hüffer (Begr.), Aktiengesetz, § 103 Rn. 4; Mertens/Cahn, in: KölnerKommAktG, § 103 Rn. 16; Simons, in: Hölters (Hrsg.), Aktiengesetz, § 103 Rn. 9, 11; a. A. Spindler, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), § 103 Rn. 13.
§ 10 Beteiligung im Bereich der organschaftlichen Bestellung
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Rechtsformen bestehen, sollte eine Aufspaltung des Binnenrechts bei der Aktiengesellschaft auch weiterhin verhindert werden. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass für die von der herrschenden Meinung für zulässig erachteten statutarischen Vorgaben kein Bedarf besteht. Gleiches gilt für einen abstrakten Personalbericht. Lediglich eine Einwirkung auf den Widerruf der Bestellung ist nach hier vertretener Auffassung zu ermöglichen, was de lege lata bereits über § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG sichergestellt wird. Die vorherigen Ausführungen haben allerdings Reformbedarf bezüglich der konkreten Ausgestaltung der Norm erkennen lassen. Ähnlich wie bei § 120 Abs. 4 AktG sprechen die besseren Argumente für eine verbindliche Abstimmung. Anzupassen ist darüber hinaus auch das gesetzliche Mehrheitserfordernis, wobei man sich an § 103 Abs. 1 Satz 2, Satz 3 AktG orientieren sollte.
5. Kapitel
Ergebnis und Zusammenfassung § 11 Zusammenfassung in Thesen Die in der Ausarbeitung gefundenen Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen: § 2: Die Aktiengesellschaft ist konzeptionell auf die Verfolgung der Aktionärsinteressen ausgerichtet. Andere Ziele sind als eigenständige Vorgabe nicht anzuerkennen. Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Gesetz, wird aber deutlich, wenn man die Kompetenzverteilung in der Binnenverfassung betrachtet. Aus institutionenökonomischer Sicht überzeugt diese Entscheidung, da die Aktionäre spezifische Investitionen tätigen und sich im Voraus nicht vollständig gegen Missbräuche absichern können. Dies hat zur Folge, dass die Personalkompetenz eingesetzt werden muss, um die Geschäftsleitung auf die Interessen der Gesellschafter zu verpflichten. § 3: In der Praxis besteht die Gefahr eigenmächtiger Zielverfolgungen durch den Vorstand. Die homo oeconomicus und steward Annahmen stellen theoretische Vereinfachungen dar, die sich in dieser Form nicht in der Realität wiederfinden. Es handelt sich um ökonomische Modelle, mit deren Hilfe eine generalisierende Betrachtung auf einem abstrakten Level ermöglicht wird. Vor allem auf Grundlage der homo oeconomicus Annahme kann die Bedeutung der Personalkompetenz als Kontroll- und Steuerungsmechanismus erfasst werden. Es handelt sich um einen der wichtigsten Regelungskomplexe im Aktienrecht. Insbesondere die anreizorientierte Vergütung erlaubt ex ante durch die Vorgabe von konkreten Zielen die Vorstellungen des Prinzipals zu konkretisieren und dient ex post als Bewertungsmaßstab für die erbrachte Leistung. § 4: Bei der Ausübung der Personalkompetenz durch den Aufsichtsrat ist nicht durchgängig gewährleistet, dass eine Orientierung an den Aktionärsinteressen erfolgt. Zwischen Gesellschaftern und Aufsichtsrat besteht eine Agenturbeziehung mit allen dazugehörigen Problemen. Hinzu kommt ein besonderes Näheverhältnis zum Vorstand, welcher gleichzeitig auch ein hohes Eigeninteresse an der Personalkompetenz hat. Diesen Schwierigkeiten kann man sich nicht vollständig über eine weitergehende Professionalisierung der Aufsichtsratsarbeit oder der Vorgabe von materiellen Kriterien in Gesetz oder dem DCGK nähern. § 5: Eine vollständige Übertragung der gesamten Personalkompetenz oder einzelner Regelungsbereiche auf die Hauptversammlung ist de lege lata nicht mög-
§ 11 Zusammenfassung in Thesen
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lich. Ebenso wenig ist es zulässig, ergänzende Vorgaben für den Aufsichtsrat in der Satzung festzuschreiben. Institutionalisierte Einwirkungen sind nur in § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG und in § 120 Abs. 4 Satz 1 AktG vorgesehen. Darüber hinaus bestehen zwar zahlreiche Mitwirkungsrechte, wenn echte oder virtuelle Aktienoptionspakete aufgelegt werden. Die jeweiligen Vorschriften existieren jedoch vornehmlich, um die mitgliedschaftlichen Rechte der Gesellschafter zu schützen und haben keinen originären Bezug zur Personalkompetenz. § 6: Zahlreiche interne und externe Faktoren beeinflussen die Ausübung von Aktionärsstimmrechten. Von besonderer Wichtigkeit ist dabei die Eigentümerstruktur einzelner Gesellschaften, da von dieser abhängt, ob aus ökonomischer Sicht ein Anreiz besteht, informiert an der Hauptversammlung teilzunehmen. Grundsätzlich können durch Stimmrechte die Aktionärsinteressen trotz aller Probleme aber sinnvoll konkretisiert werden. Das in Deutschland für die Beschlussfassung vorgesehene System basiert auf überzeugenden Grundannahmen. Nur im Detail sind Anpassungen notwendig. Welche Arten von Kompetenzen dabei für die Gesellschafter wünschenswert sind, kann allerdings nicht pauschal beurteilt werden. In jedem Einzelfall müssen die dogmatischen, ökonomischen und institutionellen Auswirkungen betrachtet werden. Darüber hinaus sind die spezifischen Vor- und Nachteile einer Aktionärsbeteiligung mit alternativen Gestaltungsmöglichkeiten abzuwägen. § 7: Die sich durch die Zeitbeschränkung einer Hauptversammlung und deren Ablauf ergebenden Grenzen sind ebenfalls bei der Ausgestaltung einzelner Gesellschafterkompetenzen zu berücksichtigen. Die Hauptversammlung kann oftmals nicht kurzfristig zusammenkommen. Unmittelbare Verhandlungen mit Aufsichtsrat und Vorstand sind kaum möglich. Die Quasi-Öffentlichkeit der Aktionärstreffen steht der Diskussion von sensiblen Informationen entgegen. § 8: Hinsichtlich § 120 Abs. 4 AktG besteht umfassender Reformbedarf. Die Beschränkung auf börsennotierte Gesellschaften nach § 3 Abs. 2 AktG sollte aufgehoben werden. Darüber hinaus würde eine ex ante Betrachtung eine deutlich umfangreichere Einwirkung auf die Materie erlauben und weniger praktische Schwierigkeiten hervorrufen. Wichtig ist ferner, eine standardisierte Darstellung und die notwendigen Mindestangaben für den Beschluss vorzuschreiben. Dafür wäre eine separate Verordnung angebracht. Auch gilt es, den Aktionären ein inhaltliches Initiativrecht einzuräumen. Um ein eigenmächtiges Verhalten der Verwaltung auszuschließen und die Bedeutung der Abstimmung zu stärken, bietet sich eine Verbindlichkeitserklärung für das Resultat der Beschlussfassung an. Für die praktische Umsetzung sollte dabei an die Vertretungsmacht des Aufsichtsrats angeknüpft werden. Die Abstimmung sollte regelmäßig, nicht jedoch jährlich durchgeführt werden. Als Kompromiss wird daher eine dreijährige Wiederholung vorgeschlagen. Den Besonderheiten jedes Einzelfalls ist durch eine opt-out Möglichkeit zu begegnen. Keine Änderungen sind beim Mehrheitserfor-
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5. Kap.: Ergebnis und Zusammenfassung
dernis notwendig. Eine einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen ist ausreichend. Neben einer so reformierten Vergütungsabstimmung besteht kein Bedürfnis mehr für ergänzende Satzungsvorschriften. Die im Entwurf zur Änderung der Aktionärsrechterichtlinie vom 09.04.2014 vorgesehene Regulierung greift einige dieser Punkte auf. Durch eine überschießende Umsetzung könnte der nationale Gesetzgeber die begrüßenswerte ex ante Abstimmung über die Vergütungspolitik auch auf nichtbörsennotierte Gesellschaften erstrecken und detaillierte Offenlegungspflichten vorgeben. Zu kritisieren sind jedoch die Verpflichtung, ein Recht zu einem zusätzlichen ex post Votum einzuräumen sowie das Verbot von opt-out Regelungen. § 9: Die Schaffung von Einwirkungsmöglichkeiten auf die Ausgestaltung des Anstellungsvertrags außerhalb der Vorstandsvergütung ist weder durch einfache Abstimmungskompetenzen, noch durch eine Satzungsöffnung angezeigt. Die ökonomische Bedeutung der Materie ist nicht hinreichend hoch. Eine wünschenswerte institutionelle Wirkung lässt sich ebenfalls nicht begründen. Auch ansonsten sind keine regulatorischen Vorteile ersichtlich, die für eine Implementierung sprechen. § 10: Eine unmittelbare Beeinflussung der organschaftlichen Bestellung durch die Gesellschafter sollte nicht ermöglicht werden. Dagegen sprechen sowohl ökonomische Gründe, aber auch die Gefahr von Mehrheits-Minderheitskonflikten und einer Rufschädigung von Vorstandsmitgliedern durch eine gering ausfallende Aktionärsopposition. Die Schaffung eines Wahlrechts zwischen monistischer und dualistischer Binnenverfassung ist nicht notwendig, da den Gesellschaftern alternative Rechtsformen zur Verfügung stehen. Für statutarische Vorgaben ist genau wie für eine Abstimmung über einen abstrakten Personalbericht ebenfalls kein Bedürfnis zu erkennen. Positiv ist zu beurteilen, dass in § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG sichergestellt wird, dass die Aktionäre auf den Widerruf der Bestellung eines Geschäftsleiters hinwirken können. Wie bei § 120 Abs. 4 AktG sprechen die besseren Argumente allerdings dafür, die Beschlussfassung verbindlich auszugestalten. Anzupassen ist auch das Mehrheitserfordernis, wobei man sich an § 103 Abs. 1 Satz 2, Satz 3 AktG orientieren sollte.
§ 12 Einordnung der Untersuchungsergebnisse und Ausblick Die vorliegende Arbeit hat mit einem Zitat des schottischen Ökonomen Adam Smith begonnen.1 Übersetzt man dieses in eine moderne gesellschaftsrechtliche Terminologie, so lautet es sinngemäß, dass gerade bei Fremdgeschäftsführern die Gefahr besteht, dass diese andere Ziele verfolgen, als von den wirtschaftlichen 1
Siehe dazu bereits oben unter § 1 Fn. 1.
§ 12 Einordnung der Untersuchungsergebnisse und Ausblick
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Eigentümern gewünscht. Diese auch heute noch aktuelle Problematik hat einen besonderen Bezug zur Personalkompetenz in der Aktiengesellschaft. Bei ihrer Ausübung können sich derartige Schwierigkeiten in besonderem Umfang manifestieren, etwa wenn ein Vorstandsmitglied mit Nachdruck auf eine hohe Vergütung hinwirkt und der Aufsichtsrat vorschnell gebotene Widerstände zu Lasten der Gesellschafter aufgibt. Andererseits handelt es sich bei den Regelungen mit Personalbezug um zentrale Kontroll- und Steuerungsinstrumente. Richtig eingesetzt helfen sie, die Risiken einer eigenmächtigen Interessenwahrnehmung durch die Geschäftsleitung einzudämmen. Insgesamt ist die Ausübung der Personalkompetenz daher tatsächlich die wichtigste Aufgabe des Aufsichtsrats.2 Sie genießt zu Recht eine hohe Aufmerksamkeit in Wissenschaft, Praxis und Öffentlichkeit. Bedauerlich ist allerdings, dass oft der Zusammenhang zwischen den einzelnen Vorschriften verkannt wird und häufig nur die Angemessenheit der Kompensation für den Vorstand im Vordergrund steht. Die durchgeführte Untersuchung hat die Notwendigkeit gezeigt, auch die Bestellung, den Widerruf der Bestellung und die sonstige Ausgestaltung des Anstellungsvertrags nicht aus den Augen zu verlieren. Der Aufgabenstellung entsprechend wurde in dieser Arbeit vornehmlich eine unmittelbare Einbeziehung der Aktionäre in den Bereich der Personalkompetenz behandelt. Dabei ist deutlich geworden, dass die Beteiligung der Gesellschafter von zahlreichen Faktoren abhängt. Weder stellt eine solche ein Allheilmittel für alle corporate governance Schwierigkeiten dar, noch hat die Untersuchung Gründe hervorgebracht, welche den Rückgriff auf derartige Kontroll- und Steuerungsmechanismen generell unangebracht erscheinen lassen. Aktionärsbeteiligung muss man demnach sehr differenziert betrachten, abhängig insbesondere von dem jeweils betroffenen Themenbereich. Die Vielzahl denkbarer Möglichkeiten und Konstellationen macht es dabei schwer, zu verallgemeinerungsfähigen Ergebnissen zu kommen. Keinesfalls sollte man aber beginnen, die Hauptversammlung als Organ in ihrer Gesamtheit in Frage zu stellen.3 Gerade wenn es um die Funktionsfähigkeit der Aktionärsdemokratie geht, hat man oft den Eindruck, dass die einfachen und oberflächlichen Urteile einer differenzierenden, aber zweifelsohne komplizierteren Herangehensweise vorgezogen werden. Der betroffenen Materie wird man so allerdings nicht gerecht. Ein entscheidendes Verdienst des VorstAG und der Einführung des § 120 Abs. 4 AktG ist es, dass die Chancen, Risiken und Möglichkeiten der Gesellschaftermitwirkung auf nationaler Ebene neuerdings wieder umfassender und aus verschiedenen Blickwinkeln diskutiert werden. Ein neuer Impuls für diese Debatte ist vom Entwurf zur Ände-
2 So schon Fonk, in: Semler/von Schenck (Hrsg.), Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 10 Rn. 1; von Schenck, in: Semler/von Schenck (Hrsg.), Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 1 Rn. 55–57. 3 In diese Richtung aber Bachmann, AG 2012, 565, 576 m.w. N.
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5. Kap.: Ergebnis und Zusammenfassung
rung der Aktionärsrechterichtlinie vom 09.04.20144 und den sich bei einer möglichen Umsetzung stellenden Folgefragen zu erwarten. Die Ausarbeitung hat indes ein grundlegenderes Defizit aufgezeigt. Es herrscht zumindest in Deutschland eine große Uneinigkeit darüber, welche Bedeutung die Eigenkapitalgeber eigentlich für die Aktiengesellschaft haben. So hat Mathias Habersack in seiner Stellungnahme zum VorstKoG im Jahr 2013 festgehalten, dass es „ganz herrschender Ansicht [entspricht], dass Vorstand und auch Aufsichtsrat auf das Unternehmensinteresse (nicht dagegen auf das Interesse der Aktionäre) verpflichtet sind“.5 2007 hat demgegenüber Barbara DaunerLieb zur gleichen Fragestellung behauptet, dass „mit dem inzwischen wohl in der gesellschaftsrechtlichen Diskussion herrschenden Postulat einer ausschließlichen Orientierung des Managementhandelns an den Anteilseignerinteressen eine gewisse Klärung erreicht“ sei.6 Zwischen den Aussagen liegen nur knapp sechs Jahre. Es ist gleichwohl nicht die wissenschaftliche Auseinandersetzung, die sich in dieser Zeit wesentlich weiter entwickelt hätte. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass es seit 1965 zu keiner Zeit bezüglich der konzeptionellen Ausrichtung eine herrschende Meinung gegeben hat. Aus praktischer Sicht erklärt sich diese Lücke, weil die konkrete Vorgabe von Handlungsmaximen für den Vorstand wenig relevant ist.7 Auch in dieser Arbeit ist mehrfach betont worden, dass eine wirtschaftliche Unternehmung langfristig von allen Interessengruppen abhängt. Es darf aber nicht verkannt werden, welche immense Bedeutung die Klärung der Frage für die Bewertung von aktienrechtlichen Reformen, insbesondere für die Einführung zusätzlicher oder die Abschaffung bestehender Aktionärskompetenzen hat. So verwundert es dann auch nicht, dass im Zuge der Diskussion um VorstAG und VorstKoG einzelne Stimmen eine regelrechte Furcht vor den Einflüssen der Eigenkapitalgeber haben erkennen lassen.8 Bezeichnend für derartige Beiträge ist dabei, dass die Eigenkapitalgeber mit vornehmlich finanzmarktorientierten Großaktionären, gemeint sind Banken und international agierende Hedgefonds, gleichgesetzt werden.9 Die in der Praxis tatsächlich vorherrschende Viel-
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Europäische Kommission, COM(2014) 213 final. Habersack, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aktiengesetzes (Aktienrechtsnovelle 2012), Sachverständigenanhörung, S. 9. 6 Dauner-Lieb, WM 2007, 9, 13. 7 Siehe dazu nur Baums, ZIP 1995, 11, 14; Dauner-Lieb, WM 2007, 9, 13. 8 Am deutlichsten ist dies zu sehen bei den zweifelsohne politisch geprägten Aussagen von Hexel, Stellungnahme des DGB zum Entwurf eines Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung, S. 12–13; Hexel, Stellungnahme des DGB zu den aktuellen Plänen der Koalition, S. 2–3. 9 Siehe etwa Hexel, Stellungnahme des DGB zum Entwurf eines Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung, S. 12–13; Hexel, Stellungnahme des DGB zu den aktuellen Plänen der Koalition, S. 5; aber auch BR-Drucks. 637/1/13 (Empfehlung der Ausschüsse zum VorstKoG), S. 2; BR-Drucks. 637/13 (Beschluss des Bundesrats zum VorstKoG), S. 2. 5
§ 12 Einordnung der Untersuchungsergebnisse und Ausblick
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falt von Aktionärstypen wird bei einer derart pauschalen Betrachtung freilich verkannt. Der mangelnde Konsens über die Rolle der Aktionäre macht es schwer, dogmatisch und institutionell überzeugende Weiterentwicklungen der Rechtsordnung herauszuarbeiten, da schon keine Einigkeit darüber besteht, wem man eigentlich durch potenzielle Neuordnungen helfen will. Naheliegend ist daher, dass einige der hier vertretenen Thesen gerade bei denen nicht auf Zustimmung stoßen werden, die von einem interessenpluralen Standpunkt aus argumentieren. Von isoliert gebliebenen Ausführungen der Opposition in der 16. Legislaturperiode abgesehen,10 scheint zumindest aktuell kein politisches Interesse an einer Aufarbeitung dieser grundlegenden Thematik erkennbar. Wahrscheinlich wäre das aktuelle gesellschaftliche Klima ohnehin nicht reif dafür, die Frage anders als mit einer Indienstnahme der Aktiengesellschaft für Arbeitnehmer und Öffentlichkeit zu beantworten.11 Umso wichtiger wäre es aber, dass sich das Fachschrifttum wieder eine Auseinandersetzung mit der konzeptionellen Ausrichtung der Aktiengesellschaft verordnet. Die von einem vermeintlichen Einvernehmen sprechenden Äußerungen sind Beleg dafür, dass die Diskussion mehr und mehr in Vergessenheit gerät. Ihr Ergebnis hat an Aktualität und Bedeutung allerdings nicht eingebüßt. Andere Länder sind in diesem Bereich deutlich weiter als Deutschland. So wurde im Jahr 2006 in Großbritannien mit dem Konzept des enlightened shareholder value der Vorrang der Aktionärsinteressen im Companies Act ausdrücklich festgeschrieben.12 Dem ging eine intensive wissenschaftliche Debatte voraus. Die von der Regierung eingesetzte Company Law Review Steering Group hatte im Jahr 1999 die konzeptionelle Ausrichtung des britischen Gesellschaftsrechts ausdrücklich zur Disposition gestellt13 und sich am Ende ganz bewusst14 gegen einen interessenpluralen Ansatz ausgesprochen. Aus Sicht der Company Law Review Steering Group war entscheidend, dass Geschäftsleiter nicht zu Schlichtern zwischen moralischen, politischen und wirtschaftlichen Zielen umfunktioniert werden sollten.15 Darüber hinaus hatte sich aus der Diskussion kein brauchbarer Vorschlag herausfiltern lassen, wie ein interessenpluraler Ansatz praktisch hätte umgesetzt werden können.16 Auch in Deutschland ist auf diese Frage bisher keine befriedigende Antwort gefunden worden, wie die unter10
Fraktion SPD, BT-Drucks. 17/13239, S. 2. Siehe dazu Kort, AG 2012, 605, 606 (shareholder value als „Reizwort“). 12 Siehe dazu bereits oben unter § 2 B. III.; sehr eingängig auch Dignam, International Journal of Disclosure and Governance 2007, 24, 31; Goddard, The Modern Law Review 2003, 402, 414–417. 13 Company Law Review Steering Group, The Strategic Framework, Rn. 5.1.8– 5.1.50. 14 Company Law Review Steering Group, Developing the Framework, Rn. 2.7–2.25. 15 Company Law Review Steering Group, Developing the Framework, Rn. 2.21. 16 Company Law Review Steering Group, Completing the Structure, Rn. 3.5. 11
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5. Kap.: Ergebnis und Zusammenfassung
schiedlichen mit dem Begriff Unternehmensinteresse verbundenen Konzeptionen zeigen. Die hier durchgeführte Untersuchung hat insbesondere bei der Festsetzung der Vorstandsvergütung und beim Widerruf der Bestellung konkreten Reformbedarf erkennen lassen. Selbst wenn der aktuelle Entwurf zur Änderung der Aktionärsrechterichtlinie so nicht verabschiedet wird, besteht wohl kein Zweifel daran, dass § 120 Abs. 4 AktG früher oder später wieder in den Blickpunkt des Gesetzgebers geraten wird. Die im VorstKoG für die Norm vorgesehenen Änderungen waren zwar nicht zuletzt auf Grund der kurzen vorherigen Beratungsphase nicht vollständig durchdacht.17 Dennoch stellten sie einen Schritt in die richtige Richtung dar.18 Es wäre überraschend, wenn auf die im Rahmen der gescheiterten Novelle erbrachten akademischen und auch politischen Vorarbeiten überhaupt nicht mehr zurückgegriffen werden würde. Anders sieht die Situation bei § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG aus. Es ist nicht erkennbar, dass die Vorschrift kurzfristig Gegenstand einer umfassenden Reformdebatte wird, obwohl dies eigentlich angezeigt wäre. Die Tatsache, dass außerhalb des § 87 Abs. 1 AktG und des § 120 Abs. 4 AktG die übrigen Normen mit Personalbezug kaum mehr wirklich hinterfragt werden, kann mehrere Gründe haben. Vielleicht existiert ein unausgesprochenes Einvernehmen dahingehend, dass die Regelungen vollständig überzeugen. Wohl eher ist das Schweigen jedoch ein Beleg dafür, dass althergebrachte Entscheidungen im Aktienrecht zu oft als Selbstverständlichkeit betrachtet werden. Die vorliegende Arbeit hat an mehreren Stellen gezeigt, dass häufig dogmatische Argumente vorgeschoben werden, um eine inhaltliche Auseinandersetzung mit bestimmten Fragestellungen zu vermeiden. Sicherlich ist das Aktienrecht keine Materie in welcher der Gesetzgeber verstärkt Experimente wagen sollte. Die Vorschriften sind nicht zuletzt aus gesamtwirtschaftlicher Sicht zu bedeutsam, als dass man sich Fehlallokationen in größerem Umfang erlauben könnte. Anderseits darf man dies nicht zum Anlass nehmen, nicht auch einen Blick über den Tellerrand zu wagen. § 120 Abs. 4 AktG und die hinter der Norm stehende Geschichte sind ein gutes Beispiel dafür. Wie eingangs erwähnt, war es im Jahr 2002 Großbritannien, welches mit dem weltweit ersten institutionalisierten Vergütungsvotum völliges Neuland betreten hat. Im Rahmen der Company Law Reform war sowohl das politische als auch das wissenschaftliche Klima günstig für neue Ideen, was sich nicht zuletzt in der say on pay Abstimmung realisiert hat. Heute, etwas mehr als 10 Jahre später, gibt 17 So auch Verse, NZG 2013, 921, 930, der entgegen der hier vertretenen Ansicht aber ein insgesamt negatives Fazit hinsichtlich des § 120 Abs. 4 i. d. F. des VorstKoG zieht. 18 Gegen ein Neuaufgreifen des Verfahrens aber beispielsweise Hommelhoff, ZIP 2013, 2177, 2178.
§ 12 Einordnung der Untersuchungsergebnisse und Ausblick
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es kaum eine Rechtsordnung, die ohne ein Vergütungsvotum auskommt.19 Durch die geplante Änderung der Aktionärsrechterichtlinie soll diesem Bereich europaweit ein allgemeinverbindlicher Rahmen vorgegeben werden. Es hat demnach nur knapp eine Dekade gebraucht, um aus einem nationalen Vorstoß einen global anerkannten corporate governance Mechanismus zu machen.20 Diese Erfolgsgeschichte sollte Anlass genug sein, auch bestehende Grundwertungen einer Rechtsordnung immer wieder kritisch zu hinterfragen. Nicht zuletzt auf Grund der schon von Adam Smith aufgeworfenen Probleme bei der Verwendung der Gesellschaftsmittel ist und bleibt die Personalkompetenz dafür auch zukünftig ein lohnender Forschungsgegenstand. Es ist zu hoffen, dass die vorliegende Arbeit entsprechend dem zu Beginn formulierten Ziel einen Beitrag zu der weiteren Diskussion leisten kann.
19 Die Notwendigkeit einer europäischen Regelung daher in Zweifel ziehend Zetzsche, NZG 2014, 1121, 1129, 1130. 20 Siehe dazu Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 490–491; Hupka, Das Vergütungsvotum der Hauptversammlung, S. 128–183.
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Stichwortverzeichnis Abstimmung nach § 120 Abs. 4 AktG siehe auch Aktionärsbeteiligung im Bereich der Vorstandsvergütung – bei nichtbörsennotierten Aktiengesellschaften 126 – Beurteilung 137–138 – DCGK Novelle 2013 129–131 – Definition des Vergütungssystems 127–129 – Folgen für die Satzungsstrenge im Bereich der Vorstandsvergütung 121 – geplante Änderungen durch das VorstKoG 129 – Initiativrecht der Hauptversammlung 131–132 – Pflicht zur Implementierung eines Vergütungssystems 132 – praktische Erfahrungen 233, 234, 242, 246 – Rechtsschutz 132–137 – Wirkungsweise 126 Abstimmungsrelativität 197–199 Agenturbeziehung – bei der Stimmrechtsberatung 185 – Definition 70 – homo oeconomicus siehe dort – stewardship theory 78 – zwischen Aktionären und Aufsichtsrat 95, 100, 103 – zwischen Aktionären und Vorstand 70–72 Aktienoptionspläne – allgemeine Kritik 89 – als Beispiel für Kompetenzaufteilungen 299 – als kapitalschonender Vergütungsbestandteil 139
– Ankauf eigener Aktien nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG 149–154 – bedingte Kapitalerhöhung nach § 192 Abs. 2 Nr. 1 AktG 147 – bedingte Kapitalerhöhungen nach § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG 140–147 – Begriffsbestimmung 138 – Drittprogramme 154–155 – genehmigtes Kapital nach § 202 AktG 147–149 – Initiativrecht der Hauptversammlung 156–157 – systematische Einordnung der Hauptversammlungskompetenzen 157–159 – virtuelle Aktienoptionspläne 155–156, 157 – windfall profits 23 Aktienoptionsprogramme siehe Aktienoptionspläne Aktionärsbeteiligung beim Widerruf der Bestellung – Bedürfnis nach einfachen Abstimmungskompetenzen 322–325 – dogmatische Überlegungen 297–300 – institutionelle Überlegungen 303–307 – mangelndes Befürfnis einer Satzungsöffnung 333–334 – Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung 310 – ökonomische Überlegungen 300–303 – rechtspraktische Ausgestaltung – Abstimmungsgegenstand 326–327 – Adressatenkreis 326 – Mehrheitserfordernis 331–333 – Verbindlichkeit 327–331 – spezifische Wirkungsweise einer Aktionärsbeteiligung 308–310
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Stichwortverzeichnis
Aktionärsbeteiligung im Bereich der organschaftlichen Bestellung – dogmatische Überlegungen 297–300 – institutionelle Überlegungen 300–307 – mangelndes Bedürfnis für eine Satzungsöffnung – für allgemeine Qualifikationskriterien 315–317 – für einflusssichernde Regelungen 317–318 – für sozialpolitische Kriterien 314– 321 – mangelndes Bedürfnis für einen Bericht über die Personalpolitik 321–322 – mangelndes Bedürfnis für einfache Abstimmungskompetenzen 311–314 – Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung 310 – ökonomische Überlegungen 300–303 – spezifische Wirkungsweise einer Aktionärsbeteiligung 308–310 Aktionärsbeteiligung im Bereich der sonstigen Bestandteile des Anstellungsvertrags – Bedeutung der sonstigen Vertragsbestandteile 283–286 – dogmatische Überlegungen 286–287 – institutionelle Überlegungen 291–293 – mangelndes Bedürfnis für eine Aktionärsbeteiligung – durch eine Satzungsöffnung 294–295 – ökonomische Überlegungen 287–291 – spezifische Wirkungsweise einer Aktionärsbeteiligung 293–294 Aktionärsbeteiligung im Bereich der Vorstandsvergütung – Beurteilung und rechtspraktische Umsetzung 243–247 – dogmatische Überlegungen 223–228 – institutionelle Überlegungen 236–240 – mangelndes Bedürfnis für Satzungsregelungen 280–282 – ökonomische Überlegungen 228–236 – rechtspraktische Umsetzung
– Abstimmungsgegenstand 250–262 – Mindestangaben für ein Vergütungssystem 258–261 – Adressatenkreis 247–250 – Durchführung und Abstimmungsturnus 273–277 – Notwendigkeit von opt-out Regelungen 276 – Initiativrecht der Hauptversammlung 262–264 – Mehrheitserfordernis 277–278 – Verbindlichkeit 264–273 – Folgen eines Verstoßes 269–272 – spezifische Wirkungsweise einer Aktionärsbeteiligung 240–243 Aktionärsinteressen siehe auch konzeptionelle Ausrichtung der Aktiengesellschaft – Bestimmbarkeit 49–51 – Verhältnis zur Aktionärsmehrheit 48 Aktionärsopposition siehe auch Reputationsschäden, siehe auch Probleme der kollektiven Entscheidungsfindung – Beeinflussung durch die Verwaltungsorgane siehe Einflussnahmemöglichkeiten der Verwaltung – bei virtuellen Hauptversammlungen 178 – hindsight bias 254 – uninformierte 172 Aktionärsstimmrechte – Beurteilungsmaßstäbe für einfache Abstimmungskompetenzen 203–210 – Beurteilungsmaßstäbe für Satzungsregelungen 210–213 – grundsätzliche Bedeutung 201–203 – Probleme der kollektiven Entscheidungsfindung siehe dort Aktionsplan Gesellschaftsrecht vom 12.12.2012 188 allgemeiner Justizgewährungsanspruch 135, 137, 267 Allgemeinheit 32 – spezifische Investitionen siehe dort
Stichwortverzeichnis Anstellungsvertrag – Aktionärsbeteiligung außerhalb der Vorstandsvergütung siehe Aktionärsbeteiligung im Bereich der sonstigen Bestandteile des Anstellungsvertrags – Bedeutung als Steuerungsmechanismus 83–84 – Bedeutung der Laufzeit 287 – typische Regelungen 283–286 – Vorgaben aus dem Gesetz und dem DCGK 108 – Beurteilung 108–112 – Zulässigkeit von Satzungsregelungen siehe dort ARAG/Garmenbeck-Entscheidung des BGH 39, 98 Arbeitnehmer – Mitbestimmungsrecht siehe dort – spezifische Investitionen siehe dort Arrow, Kenneth 197 Arthur Andersen LLP – Versagen als Wirtschaftsprüfer 196 ARUG – Straffung der Hauptversammlung 217 – virtuelle Hauptversammlung 176 Aufsichtsrat – Ausrichtung auf die Aktionärsinteressen 43 – Einflussnahme der Verwaltungsorgane siehe dort – Mitbestimmungsrecht siehe dort – Professionalisierungsdiskussion 102– 104 – Unabhängigkeit 103, 104 – Rolle bei der Ausübung der Personalkompetenz 94 – Schwächen des Aufsichtsratssystems 95–102 – Agenturbeziehung zu den Aktionären 95 – Arbeitsbelastung 95–96 – Auswirkungen auf die Personalkompetenz 100–102 – Motivationsgefälle 98–100
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– Näheverhältnis zum Vorstand 96–98 Ausrichtung der Aktiengesellschaft siehe konzeptionelle Ausrichtung der Aktiengesellschaft Bericht über die Personalpolitik 321–322 Bestellung des Vorstands – Bedeutung als Steuerungsmechanismus 83–84 – Vorgaben aus dem Gesetz und dem DCGK 107–108 – Beurteilung 108–112 Beteiligungsquoten auf der Hauptversammlung siehe Hauptversammlung BilMoG – Einführung eines unabhängigen Aufsichtsratsmitglieds 102 Blockabstimmungen in der Hauptversammlung, Zulässigkeit 194 business judgement rule 266 change of control Klauseln 107 Companies Act 2006 251, 253, 261, 275 – enlightened shareholder value 341 – konzeptionelle Ausrichtung der Aktiengesellschaft in Großbritannien 53 Companies (Model Articles) Regulations 2008 311, 312 Company Law Reform (Großbritannien) 342 Company Law Review Steering Group 341 Continental AG – Beteiligungsquoten auf der Hauptversammlung 163 cooling off period 103 crowding out 75 DCGK – Beurteilung der Vorgaben für die Personalkompetenz 108–112 – Rolle in der Vergütungsdiskussion 111 – DCGK Novelle 2013 129–131 – Definition des Vergütungssystems 127
372
Stichwortverzeichnis
– Frauenquote 319 – Schwächen von soft law 206–207 – sonstige Vorgaben für die Personalkompetenz 107–108 – Unternehmensinteresse 30 – Vorgaben für die Vorstandsvergütung 106–107 Depotgebühr 186, 187 Depotstimmrecht der Banken siehe Vollmachtstimmrecht der Kreditinstitute Deutsche Bank AG 171 – Beteiligungsquoten auf der Hauptversammlung 49, 163 – Personalkosten 229 – Zahlung an Investmentbanker 229 Deutscher Gewerkschaftsbund 238, 307, 340 Deutscher Juristentag – Abstimmung über das Vollmachtstimmrecht der Kreditinstitute 187 Directors and Officers Versicherung 108, 285, 288, 289, 293 Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act 275 Ebbers, Bernard 79 Eidgenössische Volksinitiative „gegen die Abzockerei“ 24 Einflussnahme der Verwaltungsorgane 191–197 – Bedeutung von Intermediären 200 – Blockabstimmungen 194 – Fehlvorstellungen der Verwaltungsorgane 193 – framing Effekte 200 – strategische Behinderungen 193 – zulässige Einflussnahmemöglichkeiten 194 end game Szenarien – Bedeutung der Vorstandsvergütung 92 enlightened shareholder value siehe Companies Act 2006 Enron Corporation 79, 196 – Aufdeckung der Missbräuche 196
Entlastungsbeschluss – Beschäftigung mit Bestellung oder Widerruf der Bestellung 297 – Beschäftigung mit dem Anstellungsvertrag 286 – Beschäftigung mit der Vorstandsvergütung 224, 244 – Beschlussgegenstand 194 – Reputationsschäden 244 – Zulässigkeit der Anfechtung 134 Entwurf zur Änderung der Aktionärsrechterichtlinie – Grundlagen 26 – Stimmrechtsberatung 189, 191 – Offenlegungspflicht 190 – Vergütungsregelungen 247 – abschließende Beurteilung 279 – Abstimmungssystem 251, 257 – Abstimmungsturnus 275 – Adressatenkreis 247, 250 – ex ante Abstimmung 272 – Informationsgrundlage 260 – Initiativrecht der Hauptversammlung 262 – Mehrheitserfordernis 277 – out-out Regelungen 276 – Rechtsfolgen 270, 272 – Verbindlichkeit 264 Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde – Verhaltenskodex für Stimmrechtsberater 188 exit payments 309 Faktorspezifität siehe spezifische Investitionen Familienunternehmen 116, 221, 311 Feldmühle-Entscheidung des BVerfG 36, 54 Financial Times Stock Exchange 91 Finanzmarktstabilisierungsfonds-Verordnung 110 Finanzmarktstabilisierungsgesetz 110
Stichwortverzeichnis Fragerecht der Aktionäre – zulässige Beschränkungen 218 framing Effekte 199–201 Frauenquote 318–321 – Probleme einer quotenbasierenden Reform 320 Fürsorgeaufwendungen 287 – Definition 284 – finanzielle Bedeutung 290, 295 – mangelnde sozialpolitische Bedeutung 294 gatekeeper siehe Intermediäre Gemeinwohlklausel aus § 70 Abs. 1 AktG 1937 29, 34–35 – Abschaffung 34 – Feldmühle-Entscheidung 36 Genussrechte 151, 152 – Definition 141 – Drittprogramme 155 – Missbrauchspotential und AktG 1937 152 – nackte Optionen 140–141, 149 – virtuelle Aktienoptionspläne 156 Geschlechterquote siehe Frauenquote Gesellschaftsgläubiger 32, 43 – Schutz durch Satzungsstrenge 213 – spezifische Investitionen siehe dort Gesellschaftszweck 47 Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts – Einführung der nichtbörsennotierten Aktiengesellschaft 248 GlaxoSmithKline, Vergütungsabstimmung aus dem Jahr 2003 24 Grünbuch Corporate Governance vom 05.04.2011 188 Hauptversammlung – Abstimmungsrelativität siehe dort – Aktionärsopposition siehe dort – Aktionärsstimmrechte siehe dort
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– außerordentliche Hauptversammlungen 193, 220 – Definition 215 – Gründe für die Einberufung 216 – Bedeutung von Beteiligungsquoten 171–174 – demokratische Legitimation einer Entscheidung 172 – Zufallsmehrheiten 172 – Beteiligungsquoten bei DAX-Unternehmen 49, 163, 171 – Einflussnahme der Verwaltungsorgane siehe dort – framing Effekte 199–201 – Probleme der kollektiven Entscheidungsfindung siehe dort – rechtspraktische Überlegungen 214– 222 – Durchführungskosten 216 – durchschnittliche Dauer 217 – Politisierung 219 – Quasi-Öffentlichkeit 239 – Schwerfälligkeit 220, 312 – Reformbedarf 175–179 – finanzielle Anreize für die Stimmabgabe 175–176 – virtuelle Hauptversammlungen 176– 178 hidden characteristics 71 hidden information 71 hindsight bias 208, 240, 254 homo oeconomicus 72 – Folgerungen für die Personalkompetenz 76 – Folgerungen für Theorie und Praxis 82–84 – Gefahr von Fehlvorstellungen 81–82 – manager-specific investments 81 – Gefahr von Interessenkonflikten 78–81 – Beispiele 79 – self-fulfilling prophecy 75, 78 – stewardship theory siehe dort – Verhalten in end game Szenarien 92
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Stichwortverzeichnis
Institutional Shareholder Services 185, 190 institutionelle Investoren – Bedeutung als Intermediäre 195 – Bedeutung in der Wirtschaftskrise 166 – Begriffsbestimmung 165 – Interesse an einer Vergütungsabstimmung 234 – Schwächen 165 Interessenmonismus siehe konzeptionelle Ausrichtung der Aktiengesellschaft Interessenpluralismus siehe konzeptionelle Ausrichtung der Aktiengesellschaft Intermediäre 235 – Beispiele 196 – framing Effekte 200 – Funktion 195 – Hilfe für Kleinaktionäre 170 iustitia commutativa 101 Jusitzgewährleistungsanspruch siehe allgemeiner Jusitzgewähranspruch K + S AG – Beteiligungsquoten auf der Hauptversammlung 163 Kapitalrichtlinie 144 – Vorgaben für den Bezugsrechtsausschluss 144 Karella und Karellas-Entscheidung des EuGH 144, 145 Kay Review of UK Equity Markets and Long-Term Decision Making – Bedeutung von Aktionärseinflüssen 280 Kleinaktionäre – Aktivierung der Stimmen 174 – Beurteilungsfähigkeit 169–171 – bewusste Entscheidung für Stimmrechte 202 – Gefahr von finanziellen Anreizen zur Stimmabgabe 176
– Probleme der kollektiven Entscheidungsfindung siehe dort – Überrepräsentanz von größeren Investoren 173 – virtuelle Hauptversammlung 178 Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD für die 18. Legislaturperiode – Geschlechterquote 319 – Vergütungsvotum 26 kollektive Entscheidungsfindung siehe Probleme der kollektiven Entscheidungsfindung KonTraG 140, 145, 154 – Begründung für die Einführung des § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG 158 – Zulässigkeit von nackten Optionen vor Einführung 146 konzeptionelle Ausrichtung der Aktiengesellschaft – Aktionärsinteressen siehe dort – aktuelle Stellungnahmen aus der Literatur 340 – Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf die Diskussion 53 – Bedeutung der Diskussion 31 – Grundlagen 29 – mittelbare Wertungen 37–46 – Bedeutung der Aktionärsrechte 37– 39 – Bedeutung des Mitbestimmungsrechts 40–43 – Bedeutung sonstiger Interessengruppen 43–44 – Diskussion um das Unternehmen an sich 44–46 – ökonomische Analyse 57–69 – nexus of contracts siehe dort – spezifische Investitionen siehe dort – Rechtsprechungsübersicht 54–57 – unmittelbare gesetzliche Vorgaben 32– 37 – aus Art. 14 GG 35–37 – Bedeutung des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG 33
Stichwortverzeichnis – Bedeutung des § 396 Abs. 1 Satz 1 AktG 33 – Gemeinwohlklausel aus § 70 Abs. 1 AktG 1937 siehe dort – Unternehmensinteresse siehe dort Large and Medium-sized Companies and Groups (Accounts and Reports) Regulations 2013 251, 261 manager-specific investments 67, 81 Mannesmann-Entscheidung des BGH 56, 79 Markt für Unternehmenskontrolle 202 McKesson Corporation – gezahlte Vorstandsvergütung 22 Mitbestimmungsrecht – als Eingriff in Art. 14 GG 55 – Bedeutung für die konzeptionelle Ausrichtung der Aktiengesellschaft 40–43 – Doppelstimme des Aufsichtsratsvorsitzenden 41 – Legitimationsdefizit 42 – Montanmitbestimmung 43 – paritätische Besetzung des Aufsichtsrats 40 – spezifische Investitionen der Arbeitnehmer siehe dort – Verfassungsmäßigkeit der Drittelmitbestimmung 55 – Verhältnis zum Gesellschaftsrecht 66 Mitbestimmungsrechts-Urteil des BVerfG 41 Montanmitbestimmung siehe Mitbestimmungsrecht nackte Optionen – als Genussrecht 140–141 – Anforderungen an die Einräumung 141–142 – Definition 140 – Zulässigkeit außerhalb des § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG 148 nakked warrants siehe nackte Optionen
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NaStraG – Einführung des Verwaltungsstimmrechts 181 – Kritik an den Gesetzesmaterialien 183 nexus of contracts – Bedeutung von spezifischen Investitionen 60 – Definition 59 – Grenzen des Erklärungsansatzes 59, 68 – Investitionshorizont 60 – spezifische Investitionen siehe dort nichtbörsennotierte Gesellschaften – Anwendbarkeit des § 120 Abs. 4 AktG 126 – Bedeutung der Satzungsstrenge 210– 213 – Einführung einer Vergütungsabstimmung de lege ferenda 247–250, 273– 277 – Forderungen nach Satzungsfreiheit hinsichtlich der organschaftlichen Personalauswahl 311 – Gründe für die Einführung des § 3 Abs. 2 AktG 248 – Notwendigkeit von opt-out Regelungen bei einer Abstimmung über das Vergütungssystem 276 Olson, Mancur 160, 162 Ovitz, Michael 23, 67, 79 Personalpolitik siehe Bericht über die Personalpolitik phantom stocks siehe auch Aktienoptionspläne – Definition 139 Porsche/VW-Beteiligungsaufbau-Entscheidung des BGH 218 Probleme der kollektiven Entscheidungsfindung 160–171 – Abstimmungsrelativität 197–199 – Aktionärsopposition siehe dort
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Stichwortverzeichnis
– Auswirkungen auf die Bedeutung von Aktionärsstimmrechten siehe Aktionärsstimmrechte – bei kleineren Gesellschaften 164 – Einflussnahme der Verwaltungsorgane siehe dort – framing Effekte 199–201 – Hauptversammlung siehe dort – Trittbrettfahrer 162 Professionalisierung des Aufsichtsrats siehe Aufsichtsrat Publikumsgesellschaften – als Kapitalsammelbecken 168, 174 – Ausnutzung des Fragerechts 219 – Bedeutung von Beteiligungsquoten auf der Hauptversammlung 171–174 – Einfluss größerer Anteilseigner auf die Besetzung des Vorstands 298 – Erfahrungen mit § 120 Abs. 4 AktG 274 – Ergebnisse der Vergütungsabstimmungen aus dem Jahr 2010 233 – finanzielle Anreize zur Stimmabgabe 176 – Konkretisierung der Aktionärsinteressen 54 – konzeptionelle Ausrichtung der Publikumsgesellschaft 38 – organisatorische Probleme bei der Durchführung einer virtuellen Hauptversammlung 177 – Probleme der kollektiven Entscheidungsfindung siehe dort – Quasi-Öffentlichkeit der Hauptversammlung 221 – Wall Street Rule 168 rationale Apathie 162, 205 repricing 106, 111 Reputationsschäden – bei Abstimmungen im Bereich der sonstigen Bestandteile des Anstellungsvertrags 294
– bei Abstimmungen im Bereich der Vorstandsvergütung 241–243, 243, 253, 266 – bei Abstimmungen im organschaftlichen Bereich 308–309 – bei Abstimmungen über konkrete Personen 321, 325 – bei Entlastungsbeschlüssen 244 – bei nichtbörsennotierten Gesellschaften 249 – beim Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung 297, 327 – Grundlagen 207–210 – Bedeutung des Kapitalmarkts 209 – Bedeutung von Abstimmungsmehrheiten 208 – Gefahren 209 – self-executing Wirkung 209 Sal. Oppenheim-Entscheidung des BGH 218 Satzungsregelungen – Bedürfnis für eine Satzungsöffnung de lege ferenda siehe jeweils bei Aktionärsbeteiligung – grundsätzliche Bedeutung 210–213 – der Satzungsstrenge für Anleger 212 – der Satzungsstrenge für Gläubiger 213 – der Satzungsstrenge für nichtbörsennotierte Gesellschaften 213 – Zulässigkeit de lege lata im Bereich der Personalkompetenz siehe Zulässigkeit von Satzungsregelungen Schwächen des Aufsichtsratssystems siehe Aufsichtsrat self-fulfilling prophecy siehe homo oeconomicus shareholder value 50–51, 53 – Gleichsetzung mit Aktionärsinteressen 50 – soziales Engagement der Aktiengesellschaft 51
Stichwortverzeichnis Siemens AG – Vergütungsabstimmung aus dem Jahr 2010 233, 242, 246 Smith, Adam 21, 338, 343 Societas Europaea, Wahl zwischen einem dualistischen und monistischen Aufbau 314 soft law siehe DCGK spezifische Investitionen – Auswirkungen auf die Verteilung der ex post Kontrollrechte 69 – Definition 60 – der Aktionäre 61–62 – der Allgemeinheit 62–63 – der Arbeitnehmer 64–66 – Bindung an den Arbeitsplatz 64 – Dauer der Investitionen 65 – persönliche Investitionen 65 – der Gesellschaftsgläubiger 63–64 – des Managements 66–67 squeeze-out 228 stewardship theory 73–76 – Bedeutung des ökonomischen Arguments 80 – Folgerungen für die Personalkompetenz 76–78 – Bedeutung der Vorstandsvergütung 77 – homo oeconomicus siehe dort – Schwächen 79, 82 – Verdienst 85 Stimmrechtsberatung 184–185, 196 – Bedeutung der Neutralität des Anbieters 185 – Bewertung 191 – monopolartige Stimmrechtsberatung 185 – Regulierungstendenzen 188–191 stock appreciation rights siehe auch Aktienoptionspläne – Definition 139 strategische Behinderung von Aktionärsinteressen siehe Einflussnahme der Verwaltungsorgane
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Sunbeam 196 theory of motivation 86 Transaktionskosten – allgemein bei einer Beteiligung im organschaftlichen Bereich 302–303 – bei Abstimmungen nach § 120 Abs. 4 AktG 273 – bei der organschaftlichen Bestellung 312 – bei einer Beteiligung im Bereich der sonstigen Bestandteile des Anstellungsvertrags 289–290 – bei einer Beteiligung im Bereich der Vorstandsvergütung 231–233, 244 – Abhängigkeit von Darstellungsform und Informationsgrundlage 256, 258 – bei einer Abstimmung über ein Vergütungssystem 252 – beim Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung 323, 328 – der Aktionäre bei einem Vorgehen nach § 122 AktG 192 – der Banken beim Vollmachtstimmrecht 186 – der Hauptversammlungsteilnahme für Kleinaktionäre 163 – einer virtuellen Hauptversammlung 178 Trittbrettfahrer-Problem siehe Probleme der kollektiven Entscheidungsfindung TUI AG – Vergütungsabstimmung aus dem Jahr 2010 233, 242, 246 UMAG – Einführung des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG 33 – Straffung der Hauptversammlung 217 Unternehmen an sich 44–46 – Bedeutung der Diskussion 46 – Einfluss von sozialpolitischen Ansichten 46
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Stichwortverzeichnis
– konzeptionelle Ausrichtung der Aktiengesellschaft siehe dort Unternehmensinteresse – als materieller Rechtsbegriff in der Rechtsprechung 55 – als sprachliche Abkürzung 32 – Definition aus dem DCGK 30 – konzeptionelle Ausrichtung der Aktiengesellschaft siehe dort – Mannesmann-Entscheidung des BGH 56 – Verlangen nach Kodifikation 32, 69 Vergütungsabstimmung siehe Abstimmung nach § 120 Abs. 4 AktG Vergütungssystem siehe Abstimmung nach § 120 Abs. 4 AktG Verordnung über das Statut der Europäischen Gesellschaft 314 Verordnung über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Vergütungssysteme von Instituten 110 Vertragsnetzwerk siehe nexus of contracts Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung siehe Widerruf der Bestellung Verwaltungsstimmrecht nach § 134 Abs. 3 Satz 5 AktG – Bewertung 187–188 – Grundlagen 181–184 – analoge Anwendung des § 135 Abs. 3 Satz 3 AktG 182 – Empfehlung aus Ziff. 2.3.2 Satz 2 DCGK 2013 184 Volkswagen AG 22 Vollmachtstimmrecht der Kreditinstitute 180–181, 195 – Bewertung 186–187 VorstAG 109, 159, 282 – Bedeutung für Aktionärsrechte 339 – Begründung der mangelnden Verbindlichkeit des § 120 Abs. 4 AktG 265 – Definition des Vergütungssystems 127, 128
– Diskussion über unverbindliche Aktionärskompetenzen 264 – Einführung 24 – Folgen für die Satzungsstrenge im Bereich der Vorstandsvergütung 121 – Stellungnahme des Deutschen Gewerkschaftsbunds 238, 307, 340 Vorstand – Anstellungsvertrag siehe dort – Bestellung des Vorstands siehe dort – Disziplinierung durch Reputationsschäden 207–210 – Einflussnahmemöglichkeiten der Verwaltungsorgane siehe dort – Gefahr der Abweichung von Aktionärsinteressen 78–82 – Motivation in Personalverhandlungen 98–100 – Näheverhältnis zum Aufsichtsrat 96– 98 – spezifische Investitionen 66–67 – Vorstandsvergütung siehe dort – Widerruf der Bestellung siehe dort Vorstandsvergütung – Abstimmung nach § 120 Abs. 4 AktG siehe dort – Aktionärsbeteiligung im Bereich der Vorstandsvergütung siehe dort – Anreizwirkung 84–86 – Erfüllung unterschiedlicher Bedürfnisse 85 – Grenzen der Motivationswirkung 86 – Studie von Jay Lorsch und Elizabeth MacIver 84, 85 – Ausgestaltung 87–93 – Bedeutung allgemein gehaltener Zielvorgaben 91 – Gefahr von Fehlanreizen 90 – in end game Szenarien 92 – Schwächen einer reinen Fixvergütung 92 – Studie von Ruth Bender 91 – Bedeutung als Steuerungsmechanismus 83–84
Stichwortverzeichnis – Bedeutung der Privatautonomie 101 – Bedeutung des Gruppenvergleichs 100 – Defizite bei der Festsetzung 100–102 – Auswirkung der Globalisierung 101 – durchschnittlich gezahlte Vorstandsvergütung 22, 229 – Unterschiede zwischen verschiedenen Aktiengesellschaften 87 – Forderung nach Vergütungsobergrenzen 109 – iustitia commutativa 101 – Sättigungseffekt 86–87 – Vorgaben aus dem Gesetz und dem DCGK 105–107 – Beurteilung 108–112 – Zulässigkeit von Satzungsregelungen siehe dort VorstKoG – Beurteilung der geplanten Reformen 282 – Festhalten am Ausschluss der Anfechtungsklage 267 – Forderung nach Vergütungsobergrenzen 123 – geplante Änderungen an § 120 Abs. 4 AktG 129 – jährliche Beschlussfassung 274, 275 – Rechtsfolgen 268, 271 – Schadensersatzpflicht des Aufsichtsrats 270 – Gesetzgebungsgeschichte 24 – Rechtsausschuss des Bundesrats 233, 234, 238 – Stellungnahme des Deutschen Gewerkschaftsbunds 238, 307, 340 VorstOG – Abgeordnetenentwurf 249
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– Einführung des Begriffs Vergütungssystem 127 Walker Review of Corporate Governance in UK Banks and other Financial Industry Entities 277 Wall Street Rule 168 Walt Disney Konzern 23, 67, 79 Wandelschuldverschreibungen – Nähe zu nackten Optionen 141 Waste Management 196 Widerruf der Bestellung – Aktionärsbeteiligung beim Widerruf der Bestellung siehe dort – Bedeutung als Steuerungsmechanismus 83–84 – gesetzliche Vorgaben 108 – Beurteilung 108–112 – Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung 125–126 – Zulässigkeit von Satzungsregelungen siehe dort windfall profits 23, 92, 93 Worldcom 196 Zulässigkeit von Satzungsregelungen – für den Widerruf der Bestellung 114 – für die Bestellung des Vorstands 115– 120 – für die Festsetzung der Vorstandsvergütung 120–124 – für die sonstige Ausgestaltung des Anstellungsvertrags 124 – für die vollständige Übertragung der Personalkompetenz auf die Hauptversammlung 113