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German Pages 356 [403] Year 1962
Forschungen zur Ethnologie und Sozialpsychologie Band 4
Die Ma’dan Kultur und Geschichte der Marschenbewohner im Süd-Iraq Von Sigrid Westphal-Hellbusch und Heinz Westphal
Duncker & Humblot · Berlin
SIGRID WESTPHAL-HELLBUSCH/ HEINZ WESTPHAL
Die Ma'dan K u l t u r und Geschichte der Marschenbewohner i m Süd-Iraq
Forschungen zur Ethnologie und Sozialpsychologie Herausgegeben von Hilde Thurnwald Band 4
Die Ma'dan K u l t u r u n d Geschichte d e r M a r s c h e n b e w o h n e r i m Süd-Iraq
Von
Dr. S i g r i d
Westphal-Hellbusch
Professor an der Freien Universität Berlin
und
Dr. H e i n z
D U N C K E R
&
Westphal
H U M B L O T
/
B E R L I N
Alle Rechte vorbehalten ©
1962 Duncker & Humblot, Berlin
Gedruckt 1962 bei Richard Schröter, Berlin SW 61 Printed in Germany
Vorwort M i t Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft konnten mein Mann und ich vom 1. März 1955 bis 1. März 1956 eine ethnologische Untersuchung über Verbreitimg und K u l t u r der Ma e dän i m südlichen Iraq durchführen. Unsere Unternehmung diente als eine von mehreren der Erforschung des i m sogenannten „Schwerpunktprogramm" der Deutschen Forschungsgemeinschaft gestellten Themas: „Feldforschungen zur kulturhistorischen Einordnung der Hirtenvölker i n ihrer Beziehung zum Wildbeutertum und zu den niederen und höheren Bodenbaukulturen." Von den Ma e dän wußte man bisher nicht viel mehr, als daß sie Wasserbüffel hielten, ein wenig Reis anbauten, Fischfang betrieben und Schilfmatten herstellten. Ihre historische und kulturhistorische Einordnung konnte jetzt einer Klärung näher gebracht werden. Unser Dank gebührt -an erster Stelle der Deutschen Forschungsgemeinschaft, deren Unterstützung das Unternehmen überhaupt ermöglichte. Ich persönlich habe auch der Freien Universität zu danken, die mich nicht n u r für ein Jahr von meinen Pflichten entband, sondern außerdem das ihr Mögliche tat, die m i t einer solchen Reise verbundenen finanziellen Sorgen zu beheben. Unser gemeinsamer Dank an Herrn Prof. Strahringer, Direktor der Hessischen Elektrizitäts AG., Darmstadt, der uns i n großzügiger Weise eine Beihilfe gewährte, sei auch an 'dieser Stelle warm zum Ausdruck gebracht. Bei der Durchführung unserer Studien halfen uns viele. Der unermüdlichen u n d einsatzbereiten Hilfe der damals i n Warka arbeitenden deutschen Archäologen sei in dankbarer Verbundenheit gedacht. Prof. A. Falkenstein und Prof. H. Lenzen ließen es sich nie verdrießen, uns Anregunsgen zu geben und mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, selbst wenn sie persönlich dafür Opfer -auf sich nehmen mußten. Die leitenden Herren der Fa. Holtzmann halfen uns bereitwillig durch Gepäck transporte und gastfreie Aufnahme i n Amara. Exzellenz Dr. Naji al-Asil sei für all seine Bemühungen gedankt, unser Vorhaben bei den iraqischen Behörden durchzusetzen und zu fördern; A b d u l K a f i Begh, Mutesarif von Näsriye, Sëyid Bakir, Qä'imaqäm von Amara, Sëyid Bedr Färis, Mûdïr Ma e ärif von Amara, für ihr tatkräftiges Eingreifen, wenn lokale Schwierigkeiten uns zu hindern drohten.
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Vorwort
Unseren i m Iraq gewonnenen einheimischen und ausländischen Freunden versagen w i r uns i m einzelnen zu danken, da persönliche Beziehungen an die Stelle der zunächst nur sachlichen Kontaktnahme getreten sind. Es ist uns aber ein aufrichtiges Bedürfnis festzuhalten, daß w i r ohne die uneigennützige Hilfsbereitschaft z. T. sachlich interessierter, z. T. aber auch uns menschlich verbundener Männer viel weniger hätten ausrichten können. Gerade w e i l unsere Helfer keine Ethnologen waren, und einige von ihnen nur aus Freundschaft sich für uns einsetzten, seien folgende namentlich aufgeführt: E d w i n L u i dens, Missionar i n Amara; Schech Fehed vom Stamm der A l Azërig; Scheda Mishir el Hamdän vom Stamm der allsä; Schech e Abd el Wähid vom Stamm der A l Sa c ad; Sëyid Sobri Sökri, Bagdad; Säkir Säti vom Stamm der Bedän, Basra; Hërallâ ibn Hsûnï vom Stamm der Sagänba, Birriz. A l l den Männern, Frauen und Kindern, die uns durch Wort oder Tat Einblicke i n ihr Leben gewährten, sei hier für ihre Hilfe gedankt. Die nachfolgenden Ausführungen beruhen auf unseren gemeinsamen Beobachtungen. Sämtliche Filmaufnahmen und Fotos, alle Karten und Pläne in diesem Buch sind Arbeiten meines Mannes, für die Darstellungen des Gesellungslebens und der geistigen Vorstellungen zeichne ich verantwortlich.
Inhaltsverzeichnis
Zeichenerklärung
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Einleitung: Das Wort Me c ëdi
11
Erstes
15
Kapitel:
Das Hör
Allgemeines Grenzen u n d Unterteilung der süd-iraqischen Marschen Das K l i m a i m Hör Flora des Hörs Fauna i m H ö r
Z w e i t e s K a p i t e l : Die geographische Verbreitung der Stämme der Ma'dän: Unterschiede in ihrer Lebensweise
15 16 18 24 26
29
Sagänba
30
Fartüs Fregät
35 39
Cacab
41
Suwä'id A l Azërig A l b ü Mohammed Splittergruppen der Ma c dän Subba Barbara
44 47 54 61 62 62
D r i t t e s K a p i t e l : Die technische Ausrüstung der Ma'dan Bärye Bët Mudïf Serïfe Schlafgestelle Cebäse, künstliche Inseln Flöße Fächer Sammeln, Jagd u n d Fang
64 64 68 75 78 79 79 81 82 82
8
Inhaltsverzeichnis Der materielle Kulturbesitz der Ma c dän Büffelzucht Weibliche Tätigkeiten
V i e r t e s K a p i t e l : Siedlung und Lebensweise I ; Segal Allgemeines Der Ort Sëgal Die Oberschicht der Al c Xsä Die bäuerliche Bevölkerung Sëgals Die Familie Wanderarbeit u n d Abwanderung i n die Städte F ü n f t e s K a p i t e l : Siedlung und Lebensweise I I ; Birriz Allgemeines Das D o r f B i r r i z Z u r Geschichte des Dorfes Das soziale Zusammenleben i n B i r r i z Häusliche Tätigkeiten u n d wirtschaftliche Lage
85 90 92 101 101 103 104 125 141 144 150 150 151 155 161 174
S e c h s t e s K a p i t e l : Die den persönlichen Lebenslauf bestimmenden Institutionen 197 Geburt Namengebung K i n d h e i t u n d Erziehung Verlobung u n d Heirat Eheleben Scheidung Todesfall Erbregelung S i e b e n t e s K a p i t e l : Besondere Kulturzüge der Ma e dän Soziales Zusammenleben Blutrache Raub und Diebstahl Betrug u n d Lüge Besondere Veranlagungen der M a c d ä n K u l t u r e l l bedingte Verhaltensweisen A c h t e s K a p i t e l : Geistige Vorstellungen und Folklore c
197 199 200 217 222 226 227 231 233 233 241 246 252 254 258 261
Die Si a
261
Sëyid, Bedri, M ü m a n Käsfe u n d Orakel, Abwehrzauber
268 274
Inhaltsverzeichnis Besessenheit Religiöse Vorstellungen Rechtsprechung Tiererzählungen Ursprungssagen Tantal Hefëz Kalender Heilmittel für Krankheiten Spiele der Knaben u n d Männer
279 281 284 285 287 288 293 295 295 298
N e u n t e s K a p i t e l : Geschichte und Kulturwandel
306
Erläuterungen zu den beigegebenen Plänen
343
Literaturverzeichnis
346
Register
348
Verzeichnis der K a r t e n
Sagänba
nach S. 34
Fartüs
vor S.
35
Frëgât
nach S.
40
e
Ca ab c
Suwä id
vor S. 41 nach S.
46
vor S.
47
A l b ü Mohammed
nach S.
54
Schematische Darstellung des Flechtens einer Schilfmatte
nach S.
66
Sëgal
nach S. 355
Stammestafel (Zeichenerklärung siehe unten)
nach S. 355
A l Azëriè
B i r r i z (liegt dem Buch bei) Zeichenerklärung der Verwandtschaftsbeziehungen der Stammfamilie auf der Stammestafel nach S. 348 M i t großen Buchstaben geschriebene Namen = Männer. M i t kleinen Buchstaben geschriebene Namen = Frauen. Durchgezogene Verbindungslinien bezeichnen die Abstammung. Gestrichelte L i n i e n bezeichnen Heiratsverbindungen. I n K l a m m e r n gesetzte N u m m e r n hinter den Namen bezeichnen die auf dem D o r l p l a n von B i r r i z eingetragenen Hausnummern.
Zeichenerklärung Die Umschrift bemüht sich, der Aussprache der Ma e dän gerecht zu werden. Die Ma'dän sind nicht nur dafür bekannt, daß sie eine Vorliebe für Verwendimg von Diminutivformen haben, sondern auch dafür, daß sie das i n den Städten gesprochene Arabisch dialektisch abwandeln; wie die Städter sagen, haben sie „eine schwere Zunge". Wir haben unis nach bestem Können bemüht, die gehörten Laute wiederzugeben und von einer Korrektur des Gehörten nach oft möglichen Ableitungen aus dem Hocharabischen, oder nach dem bei den arabischen Nachbar Stämmen der Ma c dän üblichen Sprachgebrauch Abstand genommen. Dokumentarische Unterlagen für die Sprache der Ma c dän besitzen w i r i n Tonbandaufnahmen von Rätseln, Erzählungen und Gesängen, die linguistisch Interessierten zur Verfügung stehen. Bei den Arbeiten an ihrer möglichst lautgerechten Wiedergabe hat uns Herr Abdul-Ridha K a f i l Hussain, zur Zeit Berlin, unschätzbare Hilfe geleistet. Selbst aus gebildetem Hause i n Bagdad stammend, hat er mit nie versagender Geduld und ungewöhnlichem Verständnis für unsere Absichten sich 'der mühevollen Arbeit unterzogen, alle Möglichkeiten der Ableitung und Schreibweise gegeneinander abzuwägen. Für die verbleibenden Fehler zeichnen ausschließlich w i r verantwortlich, doch ist es uns ein aufrichtiges Bedürfnis, i h m auch an dieser Stelle für seine opfervolle Mühe herzlich zu danken. Namen bekannter Städte und Personen sind i n der üblichen Schreibweise gegeben, z. B. Iraq, Bagdad, Basra, Amara, OEuphrat, Mohammed. Hemze am Wortanfang w i r d nicht umschrieben. A u f eine genaue Wiedergabe der sehr schwankenden unbetonten Vokale, sowie des A k zentes — meist liegt er auf der vorletzten Silbe — wurde grundsätzlich verzichtet. Länge der Vokale ist durch übergesetzte Striche bezeichnet, wobei nicht besonders umschrieben ist, daß nach ë meist ein kurzes i zu hören ist. A i bezeichnet den gleichen Diphtong wie im deutschen Wort: Saite. Die nicht überstrichenen Vokale lauten wie die entsprechenden kurzen Vokale i m Deutschen. Stummes h am Wortende w i r d nicht umschrieben. Bei der Umschreibung der arabischen Konsonanten wurde das von Hans Wehr, Arabisches Wörterbuch für die Schriftsprache der Gegenwart, Leipzig 1952, benutzte System verwendet. Abweichend davon w i r d aus drucktechnischen Gründen A m durch 5 und Hemze durch c wiedergegeben. Bei der Umschreibung der Stammesnamen wurde kein Unterschied zwischen A l und Ä1 gemacht: man hört nur immer Al.
Einleitung Das W o r t M e c e d i ( P l u r a l M a c d ä n ) I m 'Gebiet des Unterlaufs von Euphrat und Tigris angekommen, galt es zunächst „Ma e dän" zu finden. Sehr bald mußten w i r erfahren, daß Gruppen, die von ihren Nachbarn als Ma'dän bezeichnet wurden, diese Benennung m i t einer gewissen Empörung ablehnten: sie seien Araber. Andere gaben nur zu, wie Ma e dän zu leben, der Abstammung nach seien -aber auch sie Araber. Andere wieder konnten nicht abstreiten, Ma'dän zu sein, hörten sich aber nicht gern so nennen. Dianach schien die Unterscheidung weniger durch die Lebensweise begründet, als vielmehr durch nicht offen zutage liegende Werthaltungen. Das Wort Me c ëdi w i r d i m Süd-Iraq nämlich in dreierlei Bedeutung verwendet: 1. ,,Me c ëdi" und „Arab" können Abstammungsbezeichnungen sein. I m gegebenen Falle sind zugleich m i t dem Schech eines Stammes alle seine Stammesangehörigen, oder mit dem Haupt einer Familiengemeinschaft alle Gruppenmitglieder Ma'dän. Diese Zuordnung durch Abstammung fragt nicht nach der Lebensweise. 2. Durch das Wort Me c ëdi w i r d eine bestimmte Lebensweise charakterisiert. Wer iam 'oder im Hör (so werden die Marschen des unteren Iraq durch die Einheimischen genannt) wohnt, wer Schilfmatten herstellt, Büffel hält und mit dem Fischspeer jagt, der lebt als Me c ëdi. Diese Lebensweise haben viele Männer .arabischer Abstammung zeitweilig oder für die Dauer übernommen. Entsprechend den Wechselfällen des Lebens kann darum derselbe Mann zu einer Zeit als Araber, zu einer anderen als Me'ëdi leben. 3. Durch die Bezeichnung Me'ëdi kann man jemanden verächtlich machen oder beleidigen wollen. Bei einer solchen Absicht fragt man weder nach der Lebensweise noch nach der Abstammung. Vor allem die Städter verwenden den Ausdruck Me'ëdi gern, wenn sie jemandem Geiz, Habsucht, auch Unmoral nachsagen wollen. Dies leitet sich wohl aus 'der Unterwerfung der nicht-arabischen Völker Mesopotamiens durch die arabischen Stämme ab. Splitter der von ihrem Land vertriebenen Bevölkerung wurden auch in die Marschen abgedrängt, wo sie in unwirtlicher Umwelt m i t der verachteten Handwerkertätigkeit der Schilfmattenherstellung und der ebenfalls verachteten Büffelhaltung
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Einleitung
ihr Leben fristen mußten. Die Verachtung dieser Lebenshaltung führte zu einem Vorurteil gegen ihre Träger: 'der Me'ëdi lebt verächtlich; und darum handelt er auch verächtlich, was immer er tun mag. Drei kleine Anekdoten können am besten die Einschätzung des Me'ëdi durch die Städter veranschaulichen: Ein Me'ëdi verkaufte sein Land und sein Haus an einen anderen; da er aber außer diesem Land und Haus nichts besaß, stellte er die Bedingung, daß ein Raum des Hauses i h m gehören sollte, damit er darin wohnen und schlafen könne. Der neue Besitzer willigte darin ein. Der Me'ëdi lud sich nun Tag und Nacht Freunde ein, er sprach m i t ihnen so laut er konnte und tat alles, um den neuen Hausbesitzer zu stören. Selbst auf dem Dach, auf dem die Familie des neuen Hauseigentümers schlief, ließ sich der Me'ëdi m i t seinen Freunden nieder. Der neue Besitzer bot dem Me c ëdi Geld, damit er ihm auch, noch dieses eine Zimmer verkaufe, denn er könne sich seines Besitzes nicht freuen und käme nicht zur Ruhe, so lange er m i t ihm zusammenwohnen müsse. Der Me'ëdi willigte aber nicht eher ein, bis er für das eine Zimmer denselben Preis erhielt, wie erst für das ganze Land und Haus zusammen. E i n Me'ëdi kam die Straße einer Stadt herab und sah ein K i n d mit einem L a m m spielen. Er sah, daß das K i n d sehr an diesem Spielgefährten hing und setzte -sich dazu, u m das L a m m zu bewundern. So lange fuhr er m i t seinem Lobe fort, bis das K i n d Angst bekam, er wolle das L a m m fortnehmen. Es bat seine Eltern, dem fremden Manne doch Tee oder Kaffee anzubieten, damit er in Freundschaft davonginge. Die Eltern taten das. Doch der Mann kam jeden Tag wieder, er bewunderte das Lamm und ging nicht eher, bis er nicht Tee oder Kaffee erhalten hatte. Von einem schiitischen Wanderpriester stammt folgende Anekdote: Als ein Me'ëdi starb und i n den Himmel kam, wurde er) gefragt, wer sein Prophet sei. Er antwortete Garha (der Name für einen Büffel mit weißer Stirn). Dieser und jener fragte ihn und schließlich auch ein Müman (ein Schriftgelehrter), doch der Me'ëdi wußte nichts anderes zu antworten als Garha. Da wurde er schließlich ins Feuer geworfen. Dummheit, Unverschämtheit und Unbildung wären hiernach die hervorstechendsten Merkmale des Me'ëdi; doch schildert ihn der Städter so aus einem unberechtigten Überheblichkeitsgefühl heraus. Woher kommt nun das Wort Ma'dän? Weder linguistisch noch historisch gibt es dafür befriedigende Ableitungen, wie die folgenden Auskünfte und Literaturhinweise zeigen. Der Leiter einer höheren Schule i n Amara gab folgende Auskunft: Vor 300 Jahren kamen die Wasserbüffel aus Indien. Sie kamen zuerst
Einleitung
nach Amara. Der Mann, der sie einführte, hieß Mu c aig. Seit dieser Zeit kennt man Wasserbüffel, und wer sie hält, heißt Me'ëdi. Ein höherer Regierungsbeamter leitete den Namen Ma'dän von der wohlbekannten englischen Besitz,ung Aden in Südarabien ab — wobei trotz allen Fragens offen blieb, ob diese Ableitung historisch oder linguistisch gemeint sein sollte. Von demselben Regierungsbeamten stammen noch zwei andere Deutungsmöglichkeiten des, Namens: 1. A l l e Araber haben zwei Urväter: Qahtän lebte i n Yemen, c Adnän bei Mekka und Medina. Die Qahtänun und e Adnänun sind Nachfahren dieser Urväter. Mohammed stammte von c Adnän ab. Von einem dieser ältesten Vorfahren: Moad ibn c Adnän, sei auch, der Name Me'ëdi abzuleiten, Moad ibn c Adnän sei der Vorfahr aller Ma e dän. Allerdings dürfe das nicht genealogisch verstanden werden, sondern nur als Namensgleichheit ! 2. Me c ëdi sei die Verkleinerungsform von Ma'ad, was soviel wie eine zu einem bestimmten Gebiet oder Stamm gehörige Gruppe von Menschen bedeute. Ma c ad sei sprachlich die kollektive Form für diese Gruppe von Menschen. Wiederholt wurde uns eine Anekdote über den angeblichen Urvater der Ma c dän erzählt: Es gibt ein Sprichwort: „Bevor Du vom Me c ëd: sprichst, mußt D u ihn erst ansehen." Dieses Sprichwort soll einen historischen Hintergrund haben: Bevor die Araber den Iraq eroberten, lebte ein Prinz mit Namen No'män ibn Munder. Ein Mann namens Me'ëdi verursachte dem Prinzen durch Händel m i t seinen Leuten viel Kummer, darum sollte er gefangengesetzt werden. Me'ëdi war aber klug und listenreich, und ließ sich nicht fangen. Da ließ der Prinz überall verkünden, daß ihm nichts geschehen solle, wenn er sich freiw i l l i g stellte. Er, der Prinz, hätte nur den Wunsch, einen so kühnen Kämpfer zu sehen und zu sprechen. Me c ëdi kam, doch war er klein und häßlich anzusehen. Da rief 'der Prinz bei seinem Anblick: „Bei Gott, wenn Du von Me c ëdi sprichst, dann mußt Du ihn erst sehen." Er meinte damit, daß das Aussehen Me c ëdis nicht seinen Taten entspräche. Me c ëdi aber antwortete darauf: „Ein Mann ist kein Schaf, auch wenn er klein ist, kann er ein Löwenherz besitzen." (Bei den Arabern gilt das Herz als der Sitz der Gedanken und Gefühle.) Dieser Anekdote könnte man versucht sein zu entnehmen, daß die Ma'dän schon vor den Arabern i m Lande ansässig gewesen seien und sich i m Aussehen von ihnen unterschieden. Doch muß offen bleiben, ob dieser Anekdote ein wahrer geschichtlicher K e r n entspricht. I n der Literatur über den Iraq fanden sich nur drei Stellen, die sich mit der Entstehung des Wortes Ma'dän befassen:
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Einleitung
I n „The Arabs of Mesopotamia" 1 heißt es: „To the Badawin all the riverside people are alike Ma'dän; on the lips of the cultivators the description refers to the buffalo owners and fishermen of the marsh; etymologically i t means no more than the dwellers in the 'Adan, the plain, which by a confusion of ideas has become in our tongue a synonym of Paradise." Bei Buxton und Dowson heißt es: „The name of the Marsh Arabs i n Arabic is Ma'dân. I t is not uncommon for the real desert Arabs of eastern Arabia to call the Arab of Mesopotamia disparagingly Ma'dâni, and for the Mesopotamian Arabs, who has but recently come to live i n the land of the two rivers, to use that name in describing one of his fellow countrymen whose ancestors immigrated at an earlier period; but the word as generally used has come to mean a dweller i n the marshes. As these people are the least civilised of the people of I r a q , the word is often used i n the sense of „boor" or „rustic", in the same way as i n India the word „jangli" is employed 2 ." Eine letzte Deutung findet sich in Oppenheim: „Eben um diese Zeit tauchen die Ahnen der Me'dän in den Quellen auf, und zwar unter dem Namen Me'ädL I n einem Gedicht, welches Ibn Mukarrab dem Statthalter von Basra, Bätekin, gelegentlich der Vernichtung der Benï Ma'rüf (612/1215) widmete, heißt es: ,Bei meinem Leben! Die Me'ädi haben eines Tages eine so böse Stunde erlebt, daß ihre Dichter darüber verstummt sind.4 Der Kommentar sagt hierzu: ,Me'ädi ist ein Beiname der Ma'rüf und ihrer Gefolgsleute.' Zwei Jahrhunderte später, i n dem Bericht über den Mahd! Muhammed ibn Feläh, der 840/1436 bei Wäsit mit seiner Verkündigung auftrat, kommt dann der Name Me'dän vor. Und diesmal lernen w i r auch, einige Stämme kennen, die zu ihnen gerechnet werden, nämlich die Benï Säläme, Südän, Benï Tai und Mu e äwija. Sie waren i n der Gegend von Wäsit zu Hause, sind dann aber ihrem Meister, dem Mahdl, nach Huwëze gefolgt 3 ." So scheint es, daß das Wort Me'ëdi, Ma'dän linguistisch nicht aus dem Arabischen abzuleiten ist; und ob sich die historischen Umstände, die zur Entstehung und Ausbreitung 'dieses Wortes führten, je fassen lassen werden, ist fraglich, da sie i m Dunkel der Geschichte verschwinden.
1 The Arabs of Mesopotamia, ohne Verfasser u n d Jahr. K a p i t e l : A Tribe of the Tigris, S. 1. 2 P. A. Buxton , H. W. Dowson: The Marsh Arabs of L o w e r Mesopotamia, i n : The I n d i a n A n t i q u a r y , a Journal of Oriental Research, Vol. L -1921, Bombay u n d London, S. 293. 3 M. v. Oppenheim: Die Beduinen, Band I I I , T e i l 2, S. 478.
Erstes
Kapitel
Das H ö r Allgemeines
Die Lebensweise der Ma e dän ist an eine bestimmte Umwelt gebunden, nämlich an die Marschen mit ihren ausgedehnten Schilfwäldern und dem für die Büffel notwendigen ständigen Wasservorkommen. Diese Marschen werden auf arabisch „Hör" genannt — im Mittelalter nur für offene, nicht ,mit Schilf bewachsene Seen gebraucht — i m Dialekt auch „Chör" genannt: „ein Wort, das i m Mündungsgebiet des Schatt el c Arab und am Persischen Golf eine Lagune, i n Arabien Salzquelle bedeutet 1 ." Die Ma c dän haben sich zwar erst im Laufe der Zeit auf die Lebensbedingungen i m Hör spezialisiert 2 , sind aber heute auf diese so eingestellt und von ihnen abhängig, daß sie die Marschen freiwillig nicht verlassen würden. I m Hör gedeihen die wasserliebenden Büffel am besten und haben 'dort zu allen Jahreszeiten überreichlich Futter, da sie Schilf i m grünen wie i m trockenen Zustand verzehren. Schilf liefert den Menschen gleichzeitig das Rohmaterial für die von ihnen hergestellten Schilfmatten, deren Verkauf ein Haupterwerbszweig der Ma'dän ist. Das ganze Jahr hindurch bieten die Marschen Jagdgründe für die m i t dem drei- oder fünfzinkigen Fischspeer betriebene Fischerei. Das Alter der H ö r k u l t u r und die heutige Verbreitung der Ma c dän hängen aufs engste m i t der Geschichte und Ausbreitung des Hörs selbst zusammen. Nun ist Südmesopotamien eine eintönige, von keinem Höhenzug durchquerte Alluvialebene, die von Bagdad zum Persischen Golf hin gleichmäßig abfällt. Sie w i r d von den Zwillingsströmen Euphrat und Tigris durchzogen, deren Einzugsgebiete in den türkischen und persischen Gebirgen liegen. Die alljährliche Schneeschmelze läßt die Ströme anschwellen, die i n den Frühjahrsmonaten riesige Mengen schlammigen Wassers führen, das fast jedes Jahr die Dämme durchbricht und gelegentlich ganze Landstriche überschwemmt. Die Flußbetten sind zwar oft metertief in den Lehmboden eingeschnitten, doch bedingt die große Menge an Sedimenten, die die Flüsse mit sich 1 2
Oppenheim: a.a.O., S. 176. Vgl. K a p i t e l : Geschichte u n d K u l t u r w a n d e l , S. 306 ff.
16
Das H ö r
fühnenj und die an Stellen geringer Strömungsgeschwindigkeit abgesetzt werden, daß sich das Bett der Flüsse dort ständig erhöht. Man muß daher damit rechnen, daß i n Katastrophenjahren die Ströme plötzlich ihren Lauf verlagern und solche Verlagerungen haben i n geschichtlicher Zeit mehrfach stattgefunden. Auch die großen Binnenseen, die infolge der 'Überschwemmungen entstanden und i n denen die zunächst keinen Abfluß findenden Wassermengen gesammelt wurden, haben Gestalt und Ort mehrfach gewechselt 3 . Grenzen und U n t e r t e i l u n g der süd-iraqischen
Marschen
A l l e i n i m Süd-Iraq gibt es heute noch eine geschlossene Gruppe von Ma c dän, deren Zahl auf etwa 50 000 geschätzt werden kann. Sie leben i m Delta-Gebiet des Euphrat und Tigris, das durch die Ströme deutlich dreigeteilt w i r d und etwa die Größe Thüringens hat. So haben w i r zu unterscheiden: 1. Das Hör Huwëze; es erstreckt sich östlich des Tigris bis hinein ins iranische Staatsgebiet. 2. Das Hör el Hammär; südlich des Euphrat liegend. 3. Die zentralen Marschen, die keinen gemeinsamen, einheimischen Namen führen. Sie werden vom Unterlauf des Tigris und Euphrat eingeschlossen. Diese drei Gebiete unterscheiden sich in einigen landschaftlichen Zügen: Das Hör Huwëze sinkt von seinen Randgebieten zur Mitte h i n mehrere Meter tief ab. I m Zentrum des Hör Huwëze fehlen die offenen, tiefen Wasserflächen der zentralen Marschen, dafür durchschneiden breite, flußartige Wasserwege die unendlichen Schilfwälder. So tief ist der Grund dieser Straßen, daß; man die Boote nicht mehr staken kann, sondern sie paddeln muß. Das Errichten künstlicher Inseln w i r d durch die Tiefe des Wassers erschwert und feste Erdinseln sind zum Siedeln i n der Mitte des Hörs nicht vorhanden. Die Wasserbüffel finden i n diesem Teil des Hörs keine günstigen Lebensbedingungen; zwar sind sie ausgezeichnete Schwimmer und könnten ohne Mühe bis i n das Zentrum des Hörs gebracht werden, doch können sie i m Schwimmen nicht fressen, sondern brauchen dazu einen festen Standort, den sie hier «kaum finden. So ist die Besiedlung sehr dünn und fehlt auf weite Strecken h i n ganz. Der iraqische Teil -des Hör Huwëze ist an seinem West- und Nordrande am dichtesten besiedelt. Dort zeigen einzelne Isäns (feste Erdhügel) an, daß hier sich das K u l t u r l a n d ehemals weiter nach Südosten 3 Soweit f ü r vgl. S. 308 f.
diese Verlagerungen geschichtliche Nachrichten vorliegen,
Abb. 1 (oben): Subba i n der Werkstatt. I m Vordergrund Eisenspitzen für Fischspeere. Vgl. S. 62. Abb. 2 (unten): Terräde: Boot der Schechs. Vgl. S. 62.
Abb. 3 (oben): Beginn einer Barye. Vgl. S. 66. Abb. 4 (unten): Transport fertiger Schilfmatten zum nächsten Markt. Vgl. S. 68.
Das Hör
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erstreckte. Es e r w e c k t d e n Anschein, daß der z e n t r a l e u n d östliche T e i l des H ö r H u w ë z e e i n besonders altes Marschengebiet ist, das l a n g e Z e i t h i n d u r c h n i c h t b e r ü h r t w u r d e v o n d e n oben geschilderten V e r lagerungen, d e m V e r f a l l u n d d e r N e u r e g u l i e r u n g d e r Flußsysteme, d e n n lange J a h r h u n d e r t e h i n d u r c h w a r H u w ë z e d e r l e t z t e Z u f l u c h t s o r t politischer A b e n t e u r e r , d e r e n U n t e r n e h m u n g e n m i ß l u n g e n w a r e n 4 . Das ist e i n A n z e i c h e n d a f ü r , daß H u w ë z e als sicherster, d. h. aber u n z u gänglichster R ü c k z u g s o r t g a l t . Das Hör el Hammär scheint eines d e r ältesten s ü d i r a q i s c h e n H ö r s z u sein, u n d z w a r bedeutet h i e r der N a m e „ H ö r " noch d e m f r ü h e r e n W o r t s i n n e nach eine w e i t e , offene Wasserfläche o h n e S c h i l f b e w u c h s 5 . Dieser große Binnensee w u r d e f r ü h e r d u r c h E u p h r a t w a s s e r gespeist 6 . I m 9. J a h r h u n d e r t , als der E u p h r a t i n seinem M i t t e l l a u f versickerte, floß e i n T e i l des Tigriswassers, e t w a d e m L a u f des D u g ë l e folgend, i m u n t e r e n B e t t des E u p h r a t ab u n d speiste n u n seinerseits d i e L a gune. D i e A u s m a ß e dieses Sees s c h w a n k t e n i m L a u f e d e r Z e i t , auch d a r f m a n e i n e m e h r m a l i g e west-östliche ' G e s a m t v e r l a g e r u n g v e r m u t e n , je nachdem, ob d e r H a u p t z u f l u ß d u r c h E u p h r a t oder T i g r i s e r f o l g t e . N o c h h e u t e ist das H ö r e l H a m m ä r gegenüber d e n b e i d e n anderen H ö r s d u r c h e i n e n s p ä r l i c h e n S c h i l f b e s t a n d ausgezeichnet. N u r d e r N o r d u n d O s t r a n d des Sees ist d u r c h e i n e n b r e i t e r e n S c h i l f g ü r t e l m i t d e m festen L a n d v e r b u n d e n , d i e Schilfzone i m S ü d e n ist schmaler u n d f e h l t z. T. ganz. D i e offenen Wasserflächen des H ö r s s i n d besonders seicht, so daß m a n d a r i n n i c h t n u r feste, s o n d e r n sogar s c h w i m m e n d e k ü n s t l i c h e I n s e l n a n t r e f f e n k a n n , e i n e n u r f ü r dieses H ö r typische Siedlungsweise, die w e d e r i m H ö r H u w ë z e noch i n d e n z e n t r a l e n M a r schen z u beobachten ist. Die zentralen Marschen sehen i m V e r g l e i c h z u d e n b e i d e n soeben beh a n d e l t e n H ö r s /auf e i n e b e w e g t e V e r g a n g e n h e i t zurück. D i e m e h r m a l i g e n V e r l a g e r u n g e n s o w o h l des T i g r i s w i e des E u p h r a t h a t t e n E r w e i t e r u n g e n , S c h r u m p f u n g e n u n d V e r l a g e r u n g e n des H ö r s z u r Folge. Diese V o r g ä n g e lassen sich a u f G r u n d der M a n g e l h a f t i g k e i t d e r h i s t o rischen N a c h r i c h t e n n i c h t i n i h r e n E i n z e l h e i t e n d a r s t e l l e n , b e s t i m m t e a l l g e m e i n e r e Rückschlüsse w e r d e n aber i m K a p i t e l Geschichte u n d K u l t u r w a n d e l versucht w e r d e n . D i e geographischen B e s o n d e r h e i t e n d e r z e n t r a l e n M a r s c h e n s t e l l t e n sich uns f o l g e n d e r m a ß e n dar: D i e h e u t i g e A b g r e n z u n g des H ö r s ist e t w a d u r c h -die S t ä d t e A m a r a i m N o r d w e s t e n , G u r n a i m Südosten u n d S ü q as Suyüfy i m S ü d w e s t e n gegeben. I m Osten u n d N o r d e n g i b t es e i n e n k a u m m e r k l i c h e n Ü b e r g a n g v o m festen A n b a u l a n d der Reis4 5 6
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Vgl. Oppenheim: a.a.O., S. 189, 190, 193. Oppenheim: a.a.O., S. 176. Oppenheim: a.a.O., S. 176.
Westphal -Hellbusch
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Das Hör
bauern z u m eigentlichen Hör. Eine breite Zone jahreszeitlichen Überschwemmungsgebietes zeigt eine wechselnde G r e n z e zwischen festem L a n d u n d D a u e r h ö r . Je nach d e n W a s s e r v e r h ä l t n i s s e n k a n n sich i n d e m einen J a h r das Schilf w e i t e r a u s b r e i t e n oder i n h o h e n F l u t j ä h r e n u n t e r Wasser liegendes L a n d f ü r d e n Reisbau g e n u t z t w e r d e n . E i n e feste Grenze zwischen A n b a u l a n d u n d H ö r g i b t es d a r u m n i c h t 7 . I m S ü d e n e x i s t i e r t n u r eine schmale A n b a u z o n e e n t l a n g des E u p h r a t , d i e stellenweise auch ganz v e r s c h w i n d e n k a n n , so daß d a n n das H ö r wasser d i r e k t a n das F l u ß w a s s e r anschließt, u n d d u r c h d e n E u p h r a t sogar eine u n m i t t e l b a r e V e r b i n d u n g m i t idem H ö r el H a m m ä r e r reichen k a n n . I m W e s t e n dagegen stoßen H ö r u n d vegetationslose W ü s t e o f t ohne 'Übergangszone aneinander. E i n wesentliches K e n n z e i c h e n der z e n t r a l e n M a r s c h e n ist h e u t e d i e sich n o r d - s ü d l i c h erstreckende K e t t e v o n t i e f e n B i n n e n s e e n i m I n n e r n des Hörs. Dein e i n z e l n e n Seen geben d i e E i n w o h n e r N a m e n , z. B . H ö r Z i g r ï , H ö r U m m a l G u w ä w l n , H ö r e d Dairne, w o b e i auch h i e r das W o r t „ H ö r " das offene Wasser bezeichnet. O b w o h l d u r c h d i e N a m e n A b g r e n z u n g e n v o r g e n o m m e n w e r d e n , gehen t a t s ä c h l i c h d i e f r e i e n Wasserflächen o f t u n m e r k l i c h i n e i n a n d e r über. S c h i l f k a n n i n s e l a r t i g z u s a m m e n g e d r ä n g t d i e Sicht n e h m e n oder d i e offene Fläche a u c h z u scheinbaren W a s s e r w e g e n einengen, f ä h r t m a n aber a u f diese S c h i l f w ä n d e zu, so lösen sie sich w i e d e r i n I n s e l n i n der u n e n d l i c h e n Wasserw ü s t e auf. D i e Tiefe des H ö r s u n d die U n m ö g l i c h k e i t , h i e r gegenw ä r t i g D a u e r s i e d l u n g e n z u e r r i c h t e n , s i n d aber k e i n Zeichen f ü r das A l t e r d e r z e n t r a l e n Marschen, w i e i m S c h l u ß k a p i t e l z u zeigen sein wird. Unsere U n t e r s u c h u n g beschränkte sich aus arbeits technischen E r w ä g u n g e n auf 'das Gebiet der z e n t r a l e n Marschen, f ü r diese v o r a l l e m gelten darum die folgenden Ausführungen. Das K l i m a i m H ö r Das K l i m a i m H ö r k a n n m a n n u r i m Z u s a m m e n h a n g m i t d e n k l i m a tischen u n d geographischen B e d i n g u n g e n i m ganzen L a n d e betrachten. D e r I r a q ist eines d e r heißesten L ä n d e r d e r E r d e u n d B a g d a d die heißeste G r o ß s t a d t d e r W e l t 8 . D i e J u l i d u r c h s c h n i t t s t e m p e r a t u r b e t r ä g t i n B a g d a d 34,4° C, der Janiuardurchschnitt 8,3° C, das J a h r e s m i t t e l 22,6° C — doch geben diese Z a h l e n k e i n e rechte V o r s t e l l u n g v o n d e n d u r c h d i e H i t z e e r s c h w e r t e n L e b e n s b e d i n g u n g e n . D i e heiße Jahreszeit d a u e r t n ä m l i c h 5 M o n a t e a n , sie b e g i n n t i m M a i u n d e r s t r e c k t sich bis E n d e September, i n d e n M o n a t e n J u l i u n d A u g u s t l i e g t das m i t t lere T a g e s m a x i m u m ü b e r 43° C. W i r w a r e n i n e i n e m r e l a t i v k ü h l e n 7
Vgl. auch Abschnitt A l Azërig, S. 47 f. Die folgenden Angaben sind der Druckschrift: Climatological Means for Iraq, Baghdad 1954, Government Press, entnommen. 8
Das H ö r
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J a h r dort, die T e m p e r a t u r stieg n u r bis 49° C a n , d o c h s i n d i n h e i ß e n J a h r e n E x t r e m w e r t e v o n 52° C gemessen w o r d e n . Diese H i t z e l ä ß t sich vergleichsweise g u t ertragen, w e i l es sich u m trockene W ä r m e h a n d e l t , auch' s i n d d i e Nächte m e i s t e r q u i c k e n d , d a k e i n e W o l k e n die nächtliche A u s s t r a h l u n g b e h i n d e r n , so daß die T e m p e r a t u r i n der Nacht u m ü b e r 18° C a b s i n k t . A n f a n g J u l i w a r t e t die B e v ö l k e r u n g des S ü d - I r a q auf d e n sogen a n n t e n 4 0 - T a g e - W i n d ; dieser W i n d k o m m t aus d e n Persischen B e r g e n u n d b r i n g t d e n Menschen eine s p ü r b a r e E r l e i c h t e r u n g . D i e L u f t t e m p e r a t u r l i e g t i m S o m m e r a m T a g e e r h e b l i c h ü b e r der B l u t t e m p e r a t u r , deshalb .müssen Menschen u n d T i e r e die B l u t t e m p e r a t u r dadurch n i e d r i g h a l t e n , daß sie d u r c h starkes S c h w i t z e n V e r d u n s t u n g s k ü h l e e r zeugen. Das V e r d u n s t e n w i r d niun d u r c h den s t a r k w e h e n d e n W i n d sehr gefördert. D i e I r a q e r h a b e n e i n e ipanische F u r c h t v o r der Sonne; w ä h r e n d der h e i ß e n Jahreszeit l i e g e n sie g e r n u n b e w e g l i c h i m Schatten u n d s i n d n u r s c h w e r zu k ö r p e r l i c h e r A r b e i t z u bewegen, t r o t z d e m e r e i l t sie h ä u f i g e r d e r H i t z s c h l a g , v i e l l e i c h t gferade w e i l i h r e U n b e w e g l i c h k e i t d i e V e r d u n s t u n g erschwert. Gegen E n d e A u g u s t k o m m e n i m S ü d - I r a q z w e i bis d r e i sehr heiße Wochen, die w i r k l i c h u n e r t r ä g l i c h scheinen. G e l e g e n t l i c h w e h t d a n n v o m Persischen G o l f h e r e i n feuchter i S ü d w i n d — das h a t A l l a h so eingerichtet, weil die D a t t e l n r e i f e n . F ü r die M e n s c h e n b e d e u t e t dieser schwache S ü d w i n d v o n h o h e r L u f t f e u c h t i g k e i t , daß d u r c h das S c h w i t zen k a u m noch V e r d u n s t u n g s k ü h l e e r z e u g t w e r d e n k a n n . Dieser S ü d w i n d k a n n den ganzen Sommer h i n d u r c h auftreten, i m allgemeinen ist e r aber n i c h t h ä u f i g u n d h ä l t n u r w e n i g e T a g e an. Besser als der S ü d w i n d s i n d d i e zu a l l e n Jahreszeiten a u f t r e t e n d e n S a n d s t ü r m e z u e r t r a g e n . D e r W i n d t r e i b t d e n L e h m s t a u b der s ü d iraqischen Ebene hoch, d i e L u f t i s t d a r u m v o r a l l e m i n der t r o c k e n e n Zeit ständig m i t feinen Staubteilchen e r f ü l l t ; strahlend blauer H i m m e l ist e i g e n t l i c h n u r i n d e r Regenzeit z u beobachten, w e n n der S t a u b d u r c h d i e F e u c h t i g k e i t n i e d e r g e h a l t e n w i r d . D i e schweren, sogenannten „ g e l b e n " S a n d s t ü r m e k o m m e n a b e r v o n w e i t e r her, n ä m l i c h aus der syrischen W ü s t e u n d aus d e m s ü d w e s t l i c h e n arabischen K a u m , u n d dieser W i n d f ü h r t n i c h t S t a u b , s o n d e r n w i r k l i c h S a n d m i t sich,, d e n es i m I r a q selbst n i c h t g i b t . D e r stärkste v o n uns e r l e b t e S a n d s t u r m e r m ö g l i c h t e n o c h i m m e r eine Sicht auf mindestens 100 m , es sollen aber S t ü r m e v o r k o m m e n , d i e jede Sicht v e r h i n d e r n . Diese Sand- u n d S t a u b s t ü r m e ü b e r z i e h e n auch das H ö r , so daß m a n , r u n d u m v o n Wasser u m g e b e n , sich d e n n o c h k a u m v o r d e m i n alles e i n d r i n g e n d e n Staub u n d Sand retten kann. W e n n E n d e A u g u s t — A n f a n g S e p t e m b e r d i e Z e i t gelegentlicher S ü d w i n d e ü b e r s t a n d e n ist, w i r d das K l i m a w i e d e r e r t r ä g l i c h . D i e T e m 2·
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Das H ö r
p e r a t u r e n sinken, erst langsam, d a n n m e r k l i c h , d i e Nächte w e r d e n l ä n g e r u n d k ü h l e r , Mensch u n d T i e r l e b e n w i e d e r auf. I m H ö r g e b i e t l i e g e n d i e T e m p e r a t u r e n i n der w a r m e n Jahreszeit u m 3 bis 4° n i e d r i g e r als i n d e n u m l i e g e n d e n K u l t u r - u n d W ü s t e n g e b i e t e n , d a die V e r d u n s t u n g des Wassers die T e m p e r a t u r e n h e r u n t e r d r ü c k t . Dieser V o r t e i l ' w i r d d a d u r c h w e t t g e m a c h t , daß d i e ständige V e r d u n s t u n g d i e L u f t f e u c h t i g k e i t e r h ö h t . E i n i g e Messungen v o n T e m p e r a t u r u n d L u f t f e u c h t i g k e i t , d i e w i r -durchführen k o n n t e n , m ö g e n h i e r v o n Interesse sein: Wettermessungen in Segal Datum
TagesTagesmaximum minimum i n ° Celsius i n ° Celsius
15. Aug. 16. Aug. 17. Aug. 18. Aug. 19. Aug. 20. Aug. 21. Aug. 22. Aug. 23. Aug. 24. Aug. 25. Aug. 26. Aug. 27. Aug. 28. Aug. 29. Aug. 30. Aug. 31. Aug.
37,4 40,6 40,5 42,0 43,8 40,4 38,3 39,8 41,3 41,3 45,2 43,7 43,3 45,2 42,8 44,5 41,2
Relative Feuchte, i n den Mittagsstunden gemessen 49 % 30% 20 % 47 % 30 % 29% 48 % 50 % 49 % 40 % 23 % 21% 21% 35% 41% 22 % 23 %
24,6 24,6 23,9 24,3 27,4 23,3 23,6 24,5 22,7 25,8 24,2 24,1 25,0 26,2 26,3 26,7
Wind SO schwach NW NW NW —
NW mittel — — —
NW NW NW NW NW
schwach stark stark stark Staubwind schwach
—
N W schwach N W stark Staubwind
Wettermessungen in Birriz Datum 22. Oktober 23. Oktober 24. Oktober 25. Oktober 26. Oktober 27. Oktober 28. Oktober 29. Oktober 30. Oktober 31. Oktober 1. November 2. November 3. November 4. November 5. November 6. November
Tagesmaximum i n ° Celsius 34,3 35,4 32,0 36,5 34,0 32,5 34,2 38,0 33,9 29,6 29,8 30,7 30,5 32,2 31,0 34,5
relative Feuchte, Tagesminimum i n den Mittagsi n ° Celsius stunden gemessen — 11,7 9,0 9,4 9,8 11,4 7,3 10,1 11,3 10,2 7,9 9,0 11,3 8,9 7,9 8,7
29 %> — 34°/o 31% 30°/o 29°/o 37% 28% 37 % 57% 37% 37% 42% 37% 38% 33%
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Das Hör
Datum 7. November 8. November 9. November 10. November 11. November 12. November 13. November 14. November 15. November 16. November 17. November 18. November 19. November 20. November 21. November 22. November 23. November 24. November 25. November 26. November 27. November 28. November 29. November 30. November 1. Dezember 2. Dezember 3. Dezember 4. Dezember 5. Dezember 6. Dezember 7. Dezember 8. Dezember 9. Dezember 10. Dezember 11. Dezember 12. Dezember 13. Dezember 14. Dezember 15. Dezember 16. Dezember 17. Dezember 18. Dezember 19. Dezember
Tagesmaximum i n ° Celsius 35,2 33,1 35,8 36,6 33,5 34,2 26,5 23,3 25,1 25,8 26,3 28,0 33,5 33,9 25,7 32,5 28,5 29,2 23,6 24,7 25,9 31,7 32,9 26,4 23,6 23,4 20,3 16,3 20,4 23,1 — 20,2 18,6 18,9 13,2 17,3 20,2 25,5 22,3 21,3 25,1 23,3 28,5
relative Feuchte, Tagesminimum i n den Mittagsi n ° Celsius stunden gemessen 8,2 12,2 13,4 13,3 13,5 12,9 13,6 10,4 9,2 8,0 8,2 7,7 8,3 11,2 10,2 10,1 9,8 18,5 (?) 3,3 5,4 5,6 6,5 9,6 16,9 10,2 10,7 10,2 7,9 —2,6 — 1,6 — 8,7 1,2 —0,8 8,6 9,4 3,4 2,7 4,3 10,6 3,9 7,1 8,2
36°/o 35°/o 48°/o 53% 49 %> 50 %> 56°/o — — — 36°/o 29°/o 38% — — 43% 41% 46 % 35% 34% 33% 37% 32% 66 % Regen — 6 4 % Regen — — 48% 35 % Regen — 51% — 57% 9 0 % Regen 72% — 57% — — — — —
V o n N o v e m b e r ab k a n n m i t W i n t e r regen gerechnet w e r d e n . D i e N i e derschlagsmenge e r r e i c h t ö r t l i c h n i c h t i m m e r den J a h r e s d u r c h s c h n i t t v o n 130 m m . Es g i b t b e i den Niederschlägen große l o k a l e Unterschiede, u n d auch i n d e n e i n z e l n e n J a h r e n unterscheiden sich S t ä r k e u n d D a u e r d e r W i n t e r r e g e n beträchtlich. Schon i m O k t o b e r k a n n m a n a m H i m m e l W o l k e n b i l d u n g e n beobachten, e i n hübsches Schauspiel nach dem e w i g blaßblauen H i m m e l der Sommermonate. I m November könn e n erste R e g e n f ä l l e a u f t r e t e n , die fast stets n u r einzelne L a n d s t r i c h e
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Das H ö r
befeuchten. M a n k a n n gegebenenfalls m e h r e r e Tage h i n t e r e i n a n d e r Niederschläge i n u n m i t t e l b a r e r Nachbarschaft beobachten, ohne daß a m eigenen W o h n o r t auch n u r e i n T r o p f e n f ä l l t . I n d e r Regel s i n d d i e W i n t e r regen k u r z u n d sehr h e f t i g , sie v e r w a n d e l n i n n e r h a l b w e n i g e r M i n u t e n die flache L e h m w ü s t e i n e i n e n zähen S c h l a m m b r e i . D a bis v o r k u r z e m die S t r a ß e n des südlichen I r a q n u r aus festgefahrenem L e h m bestanden, k o n n t e e i n e i n z i g e r Regen bedeuten, daß z. B . d e r V e r k e h r zwischen A m a r a u n d Basra f ü r m e h r e r e T a g e u n t e r b r o c h e n w u r d e . D i e R e g e n f ä l l e ziehen sich bis i n d e n A p r i l h i n e i n u n d n i c h t selten s i n d m i t ihnen heftige Hagelunwetter verbunden. V o m Regen h ä n g t das W a c h s t u m i n der W ü s t e a b u n d d a m i t f ü r die W a n d e r s t ä m m e die M ö g l i c h k e i t , i h r e W i n t e r - u n d F r ü h j a h r s w a n d e rungen zu planen u n d durchzuführen. Dauerregen sind die Ausnahme, k o m m e n aber v o r . D i e T e m p e r a t u r e n s i n k e n m i t Einsetzen d e r W o l k e n b i l d u n g e n m e r k l i c h ab. J a n u a r ist der k ä l t e s t e M o n a t , i n d e m r e g e l m ä ß i g a u c h Nachtfröste a u f t r e t e n . E r k ä l t u n g s k r a n k h e i t e n s i n d n u n an d e r T a g e s o r d n u n g u n d d i e m a n g e l h a f t b e k l e i d e t e n , n o r m a l e r weise ohne H e i z u n g l e b e n d e n M a ' d ä n l e i d e n n i c h t selten an T u b e r kulose u n d Rheumatismus. I m F e b r u a r t r e t e n k a u m noch. N a c h t f r ö s t e auf, die T a g e s t e m p e r a t u r e n steigen w i e d e r an. M ä r z u n d A p r i l s i n d d i e schönsten M o n a t e i m I r a q . D i e P f l a n z e n w e l t b l ü h t u n d g r ü n t , d i e Tage s i n d a n g e n e h m w a r m , die N ä c h t e k ü h l , aber n i c h t k a l t . I m M a i s i n d einzelne Tage schon recht heiß, doch s i n d d i e Nächte n o c h i m m e r erfrischend k ü h l . I m J u n i b r i c h t die s o m m e r l i c h e H i t z e ü b e r das L a n d h e r e i n , ohne k ü n s t l i c h e B e w ä s s e r u n g v e r d o r r t alles; b r a u n - g e l b e L e h m f a r b e n bes t i m m e n n u n f ü r M o n a t e das L a n d s c h a f t s b i l d u n t e r e i n e m w o l k e n losen, b l a ß b l a u e n H i m m e l . I n den S o m m e r m o n a t e n l e b t das L a n d v o n der F l u t , d i e E u p h r a t u n d T i g r i s n a c h S ü d e n trage η . I m M ä r z setzt i n d e n t ü r k i s c h e n u n d persischen B e r g e n d i e Schneeschmelze ein, u n d diese b r i n g t d i e F l u t , u n a b h ä n g i g v o n d e n einsetzenden o d e r a u s b l e i b e n d e n R e g e n f ä l l e n i m Gebirge. I n den M o n a t e n A p r i l u n d M a i e r r e i c h t die F l u t i h r e n höchsten Stand. J u n i u n d J u l i s i n d noch M o n a t e h o h e n Wasserstandes, i m A u g u s t geht das Wasser i n den Flüssen u n d K a n ä l e n m e r k l i c h zurück, v o n D e z e m b e r bis F e b r u a r h a t es e i n e n g l e i c h b l e i b e n d e n T i e f s t a n d . Das H ö r H u w ë z e h a t seine F l u t z e i t e t w a e i n e n M o n a t f r ü h e r als die d u r c h E u p h r a t u n d T i g r i s gespeisten z e n t r a l e n u n d s ü d l i c h e n M a r schen. D u w a r ï g , T ï b u n d Kerfya h a b e n n i c h t n u r e i n e n k ü r z e r e n L a u f als E u p h r a t u n d T i g r i s , es b e g i n n t d i e Schneeschmelze i n d e n südl i c h e n persischen B e r g e n auch e t w a s f r ü h e r als i n d e n Q u e l l g e b i e t e n der Z w i l l i n g s s t r ö m e .
Das Hör
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B e g i n n u n d A u s m a ß der F l u t wechseln i n d e n e i n z e l n e n J a h r e n e r heblich. I m J a h r e 1954 w u r d e die F l u t z u e i n e r K a t a s t r o p h e . L a n g a n h a l t e n d e R e g e n f ä l l e i m V e r e i n m i t einer f r ü h e n u n d s t a r k e n Schneeschmelze b r a c h t e n eine u n g e w ö h n l i c h hohe u n d l a n g a n h a l t e n d e F l u t . N o c h i m J u n i stieg das Wasser an. B a g d a d w a r i n G e f a h r , v ö l l i g ü b e r f l u t e t z u w e r d e n , schließlich entschloß m a n sich, d e n noch i n t a k t e n östlichen T i g r i s d a m m z u durchstechen u n d das L a n d z u ü b e r f l u t e n , u m B a g d a d z u retten. D i e F l u t ergoß sich d r e i M e t e r hoch ins L a n d , noch i m nächsten J a h r sah m a n eine S t u n d e A u t o f a h r t v o n B a g d a d e n t f e r n t o b e n auf d e n T e l e g r a p h e n d r ä h t e n Pflanzenreste, die die F l u t d o r t abgesetzt h a t t e . Das J a h r 1955 w i e d e r u m brachte e i n anderes E x t r e m . Wasser h a t t e es seit l a n g e m n i c h t gegeben. I n diesem J a h r auch D a u e r m a r s c h e n aus u n d schon i m O k t o b e r b a t e n d i e A l l a h u m Regen, u m wenigstens T r i n k w a s s e r f ü r Mensch z u haben.
So w e n i g trockneten Menschen und Tier
J a h r e sehr g e r i n g e n Wasserstandes w i r k e n sich v o r a l l e m f ü r d i e L a n d w i r t s c h a f t v e r h ä n g n i s v o l l aus: 1. f e h l t das z u r B e w ä s s e r u n g n o t w e n d i g e Wasser, 2. l a g e r t das Wasser n i c h t g e n ü g e n d Sedimente ab, auf denen d i e F r u c h t b a r k e i t des Bodens u n d d a m i t d e r E r t r a g d e r Ernte ruht. Ohne die jährlichen Sedimentablagerungen wäre der Boden l ä n g s t erschöpft. I m K a t a s t r o p h e n j ä h r 1954 w u r d e n b e i G e m ü g a a m S a t t e l ö a r r ä f i m F l u ß b e t t A b l a g e r u n g e n v o n 60 bis 80 c m H ö h e festgestellt9. Diese A b l a g e r u n g e n s i n d seit je e i n P r o b l e m i n der W a s s e r w i r t s c h a f t Mesopotamiens gewesen. D i e F l u ß - u n d K a n a l b e t t e n e r h ö h e n sich a l l j ä h r l i c h ein. w e n i g , m a n m u ß d e n G r u n d e n t w e d e r m i t d e m S p a t e n ausheben, oder d i e Deiche e r h ö h e n , d a m i t sie w i e d e r das Wasser d e r nächsten F l u t a u f n e h m e n k ö n n e n . Das E r h ö h e n d e r D ä m m e w i r d als leichtere A r b e i t i m a l l g e m e i n e n d e m A u s h e b e n d e r F l u ß b e t t e n v o r gezogen, o b w o h l m a n d i e G e f a h r k e n n t , d a d u r c h das z u m A b f l u ß des Wassers n o t w e n d i g e Gefälle der K a n a l b e t t e n zu v e r l i e r e n . B e i k o n t i n u i e r l i c h e r E r h ö h u n g der F l u ß - u n d Deichsysteme wachsen diese b a l d als R ö h r e n ü b e r das L a n d , das sie bewässern sollen, e m p o r . B e i h ö h e r e r F l u t e n t s t e h t n u n die Gefahr, daß e i n e r der b e i d e n Deiche b r i c h t u n d w e i t e Gebiete m e t e r h o c h ü b e r s c h w e m m t w e r d e n . Das F l u t w a s s e r e n t h ä l t aber n i c h t n u r f ü r die L a n d w i r t s c h a f t w e r t v o l l e Sedimente, s o n d e r n auch zahlreiche gelöste Salze, die d e m Pflanzenwuchs sogar schädlich sein k ö n n e n . A u c h diese Salze k o m m e n e n t w e d e r m i t d e r F l u t oder d u r c h die k ü n s t l i c h e B e w ä s s e r u n g a u f das L a n d , r e i c h e r n sich d o r t i m L a u f e der Z e i t a n u n d k r i s t a l l i s i e r e n 9 Diese M i t t e i l u n g erhielten w i r von H e r r n W. Thesiger, der die Höhe der Ablagerungen selbst feststellte.
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Das Hör
schließlich aus. A u f m a n c h e n S t r e c k e n d e r südiraqischen Ebene g l i t z e r n die S a l z k r i s t a l l e w i e Schnee i n d e r Sonne. So s i n d n i c h t n u r die W a s s e r r e g u l i e r u n g s o n d e r n a u c h der K a m p f gegem d i e V e r s a l z u n g des Bodens d r i n g e n d z u lösende A u f g a b e n f ü r d i e iraqische L a n d w i r t s c h a f t . F ü r die z e n t r a l e n M a r s c h e n speziell ist noch folgendes z u sagen: A n d e r s als w i r es g e w o h n t sind, e r h ä l t der T i g r i s d u r c h seine N e b e n flüsse k e i n e n Z u s t r o m , sondern u m g e k e h r t speist e r diese Abflüsse m i t s e i n e m e i g e n e n Wasser. D a i m U n t e r l a u f v o n E u p h r a t u n d T i g r i s das ganze Gelände v o n N o r d e n nach S ü d e n a b f ä l l t , ist das dazwischen liegende H ö r e i g e n t l i c h e i n großer F i l t e r f ü r das j ä h r l i c h e F l u t w a s s e r . Doch n u r d i e n ö r d l i c h e n Gebiete der z e n t r a l e n M a r s c h e n h a b e n A n t e i l a m Segen d e r j ä h r l i c h e n A b l a g e r u n g e n , schon i m G e b i e t d e r z e n t r a l e n B i n n e n s e e n ist das Wasser so k l a r , daß m a n Pflanzen u n d Fische noch i n einer T i e f e v o n 4 ,m d e u t l i c h e r k e n n e n k a n n . A u s diesem G r u n d e lohnt der A n b a u i m zentralen Hörgebiet n u r i n den nördlichen Regionen. N a c h d e m das T i g r i s w a s s e r d u r c h das H ö r gesickert ist, s a m m e l t es sich w i e d e r i m B e t t des u n t e r e n E u p h r a t , d e r z u m ü b e r w i e g e n d e n T e i l n u r das Wasser seines Z w i l l i n g s s t r o m e s z u m S a t t e l e A r a b f ü h r t . S e i n eigenes Wasser h a t sich w e i t e r n o r d w e s t l i c h , b e i m E i n t r i t t i n das H ö r e l H a m m ä r , v e r l a u f e n . W o T i g r i s u n d E u p h r a t sich i n G u r n a z u m S a t t e l e A r a b v e r e i n i g e n , k a n n m a n noch e i n e ganze Strecke l a n g das k l a r e r e „ E u p h r a t w a s s e r " v o m l e h m i g e n T i g r i s w a s s e r unterscheiden. Flora des Hörs D i e i m V o r h e r g e h e n d e n beschriebenen l a n d s c h a f t l i c h e n Unterschiede d e r d r e i H ö r s erschließen sich d e m Reisenden erst b e i genauerem S t u d i u m . Was i h n b e i m D u r c h f a h r e n des ganzen Gebietes zunächst b e e i n d r u c k t , ist d i e m o n o t o n e G l e i c h f ö r m i g k e i t der S c h i l f u m w e l t . Sie ist a u f die A r t e n a r m u t der V e g e t a t i o n z u r ü c k z u f ü h r e n . D e r englische Reisende Thesiger m a c h t e i m F r ü h l i n g u n d S o m m e r des Jahres 1952 „as c o m p r e h e n s i v e a c o l l e c t i o n as possible b u t o n l y o b t a i n e d t h i r t y t w o s p e c i e s 1 0 " . Diese S a m m l u n g befindet sich j e t z t i m B r i t i s h M u s e u m ( N a t u r a l H i s t o r y ) , auf sie s t ü t z e n sich d i e f o l g e n d e n A n g a b e n . I m D a u e r h ö r wächst das sogenannte Gasab ( P h r a g m i t e s c o m m u n i s ) u n d b e s t i m m t d o r t das L a n d s c h a f t s b i l d . Gasab wächst a u c h b e i uns, erreicht aber n i c h t so riesige Ausmaße, Schilfstengel v o n 6 m L ä n g e u n d m e h r s i n d i m I r a q k e i n e Seltenheit. Gasab b r a u c h t tiefes Wasser z u a l l e n Jahreszeiten, d a r u m findet es sich n i c h t i n d e n R a n d g e b i e t e n d e r Marschen. Das Gasab b i l d e t e n t l a n g d e r Wasserwege e i n e n d i c h t e n W a l d ; die offenen Wasserflächen e r o b e r t es sich d u r c h i n s e l a r t i g e n 10 W i l f r i d Thesiger: The Marsh Arabs of the Iraq, The Magazine, J u l i 1954, S. 7.
Geographical
Das Hör Bewuchs. D e r U n t e r g r u n d dieser I n s e l n v e r w ä c h s t i m L a u f e d e r Z e i t m i t e i n a n d e r , die v e r m o d e r t e n Pflanzenteile h ä u f e n sich a n u n d b i l d e n A n s ä t z e z u r i c h t i g e n I n s e l n , d i e sich l a n g s a m ü b e r die Wasseroberfläche erheben. B e r d ï ( T y p h a augustata) findet sich i n den seichten R a n d g e b i e t e n des H ö r s , v o r a l l e m i n d e n G r e n z g e b i e t e n jahreszeitlicher Ü b e r s c h w e m m u n g e n . A u c h diese Pflanze k a n n bis zu 4 m H ö h e erreichen. I m H e r b s t v e r w e l k e n B e r d ï u n d Gasab. Diese Jahreszeit ist ü b e r a l l i m I r a q die t r a u r i g s t e , auch i m H ö r ; i n seinen R a n d g e b i e t e n l i e g t das L a n d v e r b r a n n t u n t e r d e r h e i ß e n Sonne u n d w e i t e r e i n w ä r t s neigen sich d i e b r a u n - g e l b v e r t r o c k n e t e n Pflanzen. Das B e r d ï b e g i n n t erst nach d e n W i n t e r r e g e n oder m i t der nächsten F l u t n e u z u g r ü n e n . Das Gasab ist h i n s i c h t l i c h d e r W a s s e r v e r s o r g u n g v o n R e g e n f ä l l e n u n d F l u t u n a b h ä n g i g , so b e g i n n t die neue Wachtumsiperiode r e g e l m ä ß i g i m Dezember. A m äußersten R a n d des H ö r s findet sich e i n binsenartiges Gras, C o l ä n g e n a n n t ( S c i r p u s brachyceras). W ä h r e n d aber Gasab u n d B e r d ï große, v o n e i n a n d e r abgegrenzte Z o n e n e i n n e h m e n u n d n u r selten i n M i s c h w u c h s a u f t r e t e n , findet m a n C o l ä n ü b e r a l l , w o sich stehende W a s s e r t ü m p e l h a l t e n k ö n n e n , also auch m i t t e n i m H ö r , z. B . i n k l e i n e n W a s s e r w e g e n i n der N ä h e v o n S i e d l u n g e n , zwischen d e n k ü n s t l i c h e n I n s e l n u n d als Zwischenwuchspflanze i n d e n v o r h i n beschriebenen Gasabinseln. D i e H ö h e dieses Grases b e t r ä g t 1 bis 1,50 m . C o l ä n d i e n t w i e B e r d ï u n d Gasab als F u t t e r p f l a n z e f ü r die i m H ö r g e h a l t e n e n K ü h e u n d Wasserbüffel. N i c h t i m z e n t r a l e n H ö r selbst, w o h l aber i n seinen s ü d l i c h e n Randgebieten, w i r d C o l ä n z u Schlaf- u n d S i t z m a t t e n v e r a r b e i t e t . Solche M a t t e n s t e l l e n v o r a l l e m d i e E i n w o h n e r Medënas her — also n i c h t d i e M a e d ä n — u n d v e r k a u f e n sie bis nach H i l l e h i n . A n d e r e , seltener v o r k o m m e n d e G r a s a r t e n dagegen h a b e n f ü r die L e b e n s f ü h r u n g der M a c d ä n k e i n e besondere B e d e u t u n g . D i e w e i t e r e n Wasserpflanzen t r i f f t m a n h a u p t s ä c h l i c h i n d e n Wasserw e g e n d e r Marschen. V o n i h n e n s o l l e n n u r ôazëza ( S a l v i n i a natans) u n d S i l i b l ä n ( C e r a t o p h y l l u m submersus) g e n a n n t w e r d e n , da sie i n so d i c h t e n M e n g e n a u f t r e t e n k ö n n e n , daß sich die B o o t e d e r H ö r b e w o h n e r n u r schwer u n d g e l e g e n t l i c h ü b e r h a u p t n i c h t d u r c h a r b e i t e n k ö n n e n . I m F r ü h j a h r s i n d die Wasserwege bedeckt m i t k l e i n e n w e i ß e n u n d g e l b e n Seerosen u n d d e r w e i ß b l ü h e n d e n Z a h ë r e l b a t ( R a n u n c u l u s sphaerospermus); so hübsch aber auch diese Pflanzen aussehen mögen, eine w i r t s c h a f t l i c h e B e d e u t u n g h a b e n sie n i c h t . A n K u l t u r p f l a n z e n , d i e ins H ö r oder i n seine R a n d g e b i e t e e i n g e d r u n g e n s i n d , ist a n erster S t e l l e Reis z u n e n n e n 1 1 . D a n e b e n w i r d auf schlechterem B o d e n u n d b e i m a n g e l h a f t e r e r W a s s e r v e r s o r g u n g I d r a 11
Vgl. dazu Abschnitt A l Azerig, S. 47 f.
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Das H ö r
angebaut, eine H i r s e a r t 1 2 . O f f e n b a r d r i n g t i n d e n l e t z t e n J a h r e n die D a t t e l p a l m e w i e d e r t i e f e r i n s g e g e n w ä r t i g e z e n t r a l e H ö r ein, doch ist seit J a h r h u n d e r t e n — sich, d e n j e w e i l i g e n A u s d e h n u n g e n anpassend ·— die D a t t e l p a l m e e n t w e d e r v o r g e d r u n g e n oder z u r ü c k g e w i c h e n . A b e r erst i n d e n l e t z t e n J a h r e n setzt sich die Wassermelone als neue K u l t u r pflanze d u r c h . O f t b i l d e t eine einzige Melonenpflanze heute das G ä r t chen der M a e d ä n . K u l t u r p f l a n z e n i m Ü b e r g a n g s g e b i e t z u m festen L a n d s i n d außerdem Weizen, Gerste u n d H ü l s e n f r ü c h t e , v o r a l l e m L i n s e n und Bohnen. G e m ü s e a n b a u g i l t a u c h d e n M a ' d ä n als verächtlich, bisher k a u m m e r k l i c h h a t sich die E i n s t e l l u n g zu dieser A n b a u t ä t i g k e i t erst seit der Z e i t d e r englischen B e s a t z u n g geändert. G e m ü s e b a u e r n — sog. H a s s ä w i — sind, v o n den E n g l ä n d e r n e r m u n t e r t , z u g e w a n d e r t ; e i n zelne F e l l a c h e n f a m i l i e n h a b e n sich u m g e s t e l l t u n d b a u e n n u n ebenfalls Gemüse an. D i e F o l g e ist e i n sehr beschränkter G e m ü s e a n b a u i n der U m g e b u n g der k l e i n e n Städte. D o r t w e r d e n T o m a t e n , K a r t o f f e l n , Salat, M a n g o l d u n d A p f e l s i n e n angebaut. F ü r die E r n ä h r u n g der L a n d b e v ö l k e r u n g u n d der H ö r b e w o h n e r insbesondere s p i e l t aber dieser G e m ü s e a n b a u a u c h h e u t e noch k e i n e R o l l e . A l l e i n d e r A n b a u v o n M e l o n e n — die auf G r u n d i h r e r K e r n e , die m a n w i e G e t r e i d e z u r nächsten Aussaat a u f b e w a h r t , n i c h t als „ G e m ü s e " gerechnet w e r d e n müssen — g i l t auch den M a ' d ä n als „standesgemäß".
Fauna i m H ö r D i e F a u n a des H ö r s unterscheidet sich d e u t l i c h i n S o m m e r - u n d W i n t e r m o n a t e n . N u r Fische g i b t es z u a l l e n Jahreszeiten; doch ist d e r R e i c h t u m an Fischen w e n i g e r groß, als m a n angesichts d e r ausgedehnt e n Wasserflächen zunächst e r w a r t e n sollte. Das Wasser w i r d n ä m l i c h w ä h r e n d der S o m m e r m o n a t e f ü r d i e Fische an den seichten S t e l l e n z u heiß, so daß sie sich i n den t i e f e r e n F l u ß l ä u f e n u n d Seen z u s a m m e n d r ä n g e n . H i e r h e r ziehen sie sich i m m e r i n den Z e i t e n n i e d r i g e n Wasserstandes zurück. So g i b t es a n einzelnen O r t e n g e l e g e n t l i c h besonders g u t e B e d i n g u n g e n f ü r d e n Fischfang, w ä h r e n d g l e i c h z e i t i g das F i s c h v o r k o m m e n i n a n d e r e n G e g e n d e n ganz a u f h ö r e n k a n n . I n J a h r e n sehr n i e d r i g e n Wasserstandes w i s s e n d i e Fische oft n i c h t m e h r w o h i n ; h a b e n sie d e n r e c h t z e i t i g e n Z u g a n g zu e i n e m t i e f e r e n Becken v e r s ä u m t , so finden sie sich p l ö t z l i c h abgeschnitten i n e i n e m i m m e r k l e i n e r , flacher u n d h e i ß e r w e r d e n d e n T ü m p e l ; sie gehen d a n n i n Massen z u g r u n d e . Sehr e i n d r u c k s v o l l s i n d d i e E r z ä h l u n g e n d e r M a c d ä n , w i e i n J a h r e n n i e d r i g e n Wasserstandes ganze Gegenden d u r c h d e n G e s t a n k der sterbenden Fische verpestet w e r d e n . 12
Vgl. K a p i t e l Geschichte und K u l t u r w a n d e l , S. 314.
Das Hör
27
Wohlschmeckende Fische s i n d : Qattän, Binnï, Sabüt sie k ö n n e n 60 bis 70 c m groß w e r d e n u n d s i n d d a n n e i n e l o h n e n d e B e u t e f ü r den m i t d e m Fischspeer j a g e n d e n M e ' ê d i . D e r G i r r ï , Wels, g i l t i m ganzen H ö r als ' u n r e i n u n d w i r d n i c h t gegessen. Dagegen ist e i n u n s e r e m Weißfisch ä h n l i c h e r k l e i n e r u n d sehr g r ä t e n r e i c h e r Fisch, Z ö r i g e n a n n t , b e i den M a ' d ä n b e l i e b t . E r w i r d n i c h t gespeert, sondern v o n F r a u e n u n d K i n d e r n m i t k l e i n e n H a n d n e t z e n gefangen. E t w a e i n D u t z e n d d a v o n g i l t als ausreichende Z u k o s t z u m R e i s b r o t oder Reis f ü r e i n e F a m i l i e n m a h l z e i t . Das H ö r w i r d aber e i g e n t l i c h erst d u r c h seine V o g e l w e l t belebt. D e r schönste V o g e l des H ö r s u n d f ü r dieses z u a l l e n Jahreszeiten c h a r a k t e ristisch ist d e r P e l i k a n . F l a m i n g o s sollen g e l e g e n t l i c h i n S c h w ä r m e n a u f t r e t e n , w u r d e n aber v o n uns n i c h t gesehen. D a u e r b e w o h n e r des H ö r s s i n d d e r B a r h a n ( P o r p h y r i o p o l i o c e p h a l a ) 1 3 , Slëlega, R o h r d o m m e l n , S a m m ä c u n d Fischreiher. A l l e diese V ö g e l d i e n e n n i c h t z u r menschlichen E r n ä h r u n g . D i e i m H e r b s t e i n f a l l e n d e n Z u g v ö g e l dagegen, d i e verschiedensten Gänse, E n t e n u n d W a s s e r h ü h n e r s i n d eine begehrte u n d z u r E r n ä h r u n g des Menschen g e n u t z t e B e u t e . D u r c h F a l l e n s t e l l e n u n d J a g d e n m i t d e m G e w e h r w e r d e n diese V ö g e l e r l e g t ; sie w e r d e n i m T o p f gekocht u n d n i c h t w i e die Fische .am o f f e n e n Feuer gebraten. V o n Europäern w i r d v o r allem der Storch begrüßt, der hier i n großen S c h w ä r m e n d e n W i n t e r v e r b r i n g t . Gegessen w i r d er n i c h t . I m Wasser selbst; l e b t n o c h der Fischotter, d e r ebenfalls n i c h t z u r menschlichen E r n ä h r u n g g e n u t z t , aber i n n e u e r e r Z e i t seines Pelzes w e g e n e r l e g t w i r d . S c h l a n g e n k o m m e n s o w o h l i m Wasser w i e a u f d e m L a n d e v o r , dabei ist, w i e die M a c d ä n sagen, „das Wasser schwach u n d das L a n d s t a r k " , d. h., d i e L a n d s c h l a n g e n s i n d sehr g i f t i g , w ä h r e n d d i e Wasserschlangen als u n g e f ä h r l i c h gelten. Tatsächlich h a b e n w i r i m H ö r n i e gesehen o d e r g e h ö r t , daß e i n Mensch, an e i n e m Schlangenbiß gestorben w ä r e . Dagegen b i l d e n S k o r p i o n e auch f ü r erwachsene Menschen, v o r a l l e m aber f ü r K i n d e r , e i n e L e b e n s g e f a h r . A l l e r d i n g s h a b e n w i r selbst S k o r p i o n e n u r i n d e r S t a d t z u sehen b e k o m m e n , w o sie sich i n R i t z e n a l t e n M a u e r w e r k s a u f h a l t e n , p r a k t i s c h h e i ß t das: i n j e d e m Haus. Es w u r d e uns aber g l a u b h a f t m i t g e t e i l t , daß S k o r p i o n e z e i t w e i l i g auch i m Wasser l e b e n k ö n n e n , i n das sie i n F l u t z e i t e n l e i c h t h i n e i n g e r a t e n ; d a n n suchen sie, w i e auch anderes 'Getier, a u f d e n I n s e l n d e r M e n schen Z u f l u c h t u n d w e r d e n d a d u r c h zu einer G e f a h r f ü r d e r e n B e wohner. 13
Vgl. Buxton
und Dowson:
a.a.O., S. 290.
28
Das Hör
D i e I n s e k t e n w e l t ist i m H ö r u n d i n seinen R a n d g e b i e t e n eine rechte Plage: Mosquitos, F l i e g e n a l l e r A r t , Flöhe, L ä u s e u n d A m e i s e n arb e i t e n i m Schichtwechsel u n d g ö n n e n so d e m Menschen w e d e r b e i T a g n o c h b e i N a c h t eine r u h i g e S t u n d e . W a n z e n g i b t es n i c h t , da sie d e m K l i m a n i c h t gewachsen sein sollen. Das W i l d s c h w e i n ist h e u t e i m H ö r zu e i n e r G e f a h r f ü r d e n Menschen selbst, w i e f ü r d i e E r n t e seiner F e l d e r g e w o r d e n . L o k a l k ö n n e n die Schweine z u e i n e r solchen Plage w e r d e n , d a ß d i e M ä n n e r i n G e m e i n sch/aftsjagden sie z u v e r n i c h t e n oder w e n i g s t e n s z u v e r t r e i b e n streben. D a das S c h w e i n seit d e m V o r d r i n g e n i des I s l a m f ü r d i e menschliche E r n ä h r u n g t a b u i e r t ist, w i r d es i n k e i n e r Weise w i r t s c h a f t l i c h g e n u t z t . I n v o r i s l a m i s c h e r Z e i t w a r auch i n M e s o p o t a m i e n das S c h w e i n e i n H a u s t i e r des B a u e r n . K u l t u r t i e r e s i n d i m H ö r v o r a l l e m d e r W a s s e r b ü f f e l 1 4 u n d eine k l e i n e b r a u n - g e l b e R i n d e r a r t . H u n d e besitzt fast jede F a m i l i e , sie s i n d u n a n g e n e h m bissig 'und ihalb w i l d , d e n n F u t t e r e r h a l t e n sie v o n d e n Menschen n u r u n g e n ü g e n d . I n E i n z e l f ä l l e n besitzen M a e d ä n F a m i l i e n e i n oder z w e i Schafe. Z i e g e n dagegen h a b e n w i r i m H ö r n i c h t e i n m a l z u sehen b e k o m m e n . K a t z e n t r i f f t m a n häufig, aber n i c h t so r e g e l m ä ß i g w i e d e n H u n d . Sie zeigen fast stets eine charakteristische g e l b - w e i ß e Z e i c h n u n g u n d w e r d e n ausdrücklich, gegen d i e z a h l r e i c h e n M ä u s e u n d R a t t e n gehalten, die die G e t r e i d e v o r r ä t e der F a m i l i e bedrohen. Fast i n jeder F a m i l i e h a l t e n die F r a u e n H ü h n e r , d i e nach M e i n u n g eines iraqischen Fachmannes v o m s o g e n a n n t e n B a g d a d e r H u h n a b s t a m m e n . Es s o l l eine R a s s e n e i g e n t ü m l i c h k e i t dieses H u h n s sein, daß es fettlos u n d zäh b l e i b t — w i r h a b e n l e i d e r n i c h t i n E r f a h r u n g b r i n g e n k ö n n e n , ob das H u h n diese Eigenschaften b e i a n d e r e r E r n ä h r u n g l i n d i n einer a n d e r e n U m w e l t a u f g i b t . G e l e g e n t l i c h sieht m a n i n d e n R a n d d ö r f e r n des H ö r s e i n i g e E n t e n u n d Gänse, a b e r n u r b e i d e n seßhaften R e i s b a u e r n u n d n i c h t b e i d e n W a n d e r - M a ' d ä n . O b es sich h i e r u m e i n u r a l t e s K u l t u r g u t oder u m e i n e nach europäischem V o r b i l d übernommene T i e r h a l t u n g handelt, haben w i r nicht klären können. I n den R a n d g e b i e t e n des H ö r s h a l t e n d i e herrschenden Schechsf a m i l i e n e i n i g e R e i t p f e r d e als äußeres A b z e i c h e n ihres sozialen Ranges. I n den H e r b s t m o n a t e n b r i n g e n sie m a n c h m a l i h r e P f e r d e an O r t e , die t i e f e r i m H ö r liegen, w e i l es d o r t frisches F u t t e r g i b t , w a s i n d e n W ü s t e n g e b i e t e n i n dieser Z e i t n i c h t e r h ä l t l i c h ist. V o n e i g e n t l i c h w i r t schaftlicher B e d e u t u n g ist das P f e r d i m H ö r g e b i e t n i c h t .
14
Vgl. K a p i t e l Geschichte und K u l t u r w a n d e l , S. 315 ff.
Zweites
K a p i t e l
D i e geographische V e r b r e i t u n g d e r S t ä m m e d e r M a c d ä n : Unterschiede i n i h r e r Lebensweise E i n e k a r t o g r a p h i s c h e A u f n a h m e -der W o h n - u n d Schweifgebiete der n a m e n t l i c h unterschiedenen M a ' d ä n - G r u p p e n schien d r i n g e n d geboten, w e i l m a n a n n e h m e n m u ß , daß die L e b e n s b e d i n g u n g e n i m H ö r i n e i n i g e n J a h r e n w e s e n t l i c h andere sein w e r d e n als i m J a h r 1955. Es ist n i c h t u n w a h r s c h e i n l i c h , daß als Folge der v o m D e v e l o p m e n t - B o a r d entwickelten Pläne zur Errichtung von Staudämmen und Regulatoren die H ö r s i m L a u f e der Z e i t ganz v e r s c h w i n d e n w e r d e n . V o n der Ä n d e r u n g d e r W a s s e r v e r h ä l t n i s s e d u r c h die B a u p r o j e k t e w e r d e n die südiraqischen H ö r s u n t e r s c h i e d l i c h b e t r o f f e n w e r d e n . Schon v o r d e r H o c h f l u t des K a t a s t r o p h e n j a h r e s 1954 g i n g e n Regier u n g u n d D e v e l o p m e n t - B o a r d an die E r r i c h t u n g eines S t a u d a m m e s b e i S a m a r r a — als W â d ï T a r t ä r - P r o j e k t b e k a n n t g e w o r d e n — d e r die Ü b e r f l u t u n g s g e f a h r f ü r die H a u p t s t a d t B a g d a d beseitigen soll. D e r Z e i t s c h r i f t „ I r a q P e t r o l e u m " ist z u e n t n e h m e n , daß dieser S t a u d a m m schon 1956 seine r e g u l i e r e n d e F u n k t i o n a u f n e h m e n k o n n t e : „ T h e y e a r 1956 has seen, f o r t h e first t i m e since t h e days o f B a b y l o n i a , t h e successful r e i g n i n g a n d u t i l i s a t i o n of t h e flood w a t e r s of the t w o great rivers 1." D i e R e g u l i e r u n g des T i g r i s bedeutet, daß das j ä h r l i c h e F r ü h l i n g s hochwasser p l a n m ä ß i g d e r L a n d w i r t s c h a f t z u g e f ü h r t w e r d e n w i r d . D i e E x i s t e n z der z e n t r a l e n M a r s c h e n h ä n g t a b e r v o n d e m Überschuß des Tigriswassers ab; V e r ä n d e r u n g e n dieses H ö r s s i n d d a r u m u n a u s bleiblich. Das H ö r H u w ë z e e r h ä l t izwar außer v o m T i g r i s seinen Z u f l u ß auch d u r c h D u w a r ï g u n d K e r ^ a , b e i diesen Flüssen ist z w a r eine R e g u l i e r u n g zunächst n i c h t vorgesehen; d o c h auch der Wasserspiegel dieses H ö r s w i r d sich d u r c h die R e g u l i e r u n g des T i g r i s senken. Das H ö r e i H a m m ä r w i r d .an e r s t e r S t e l l e d u r c h E u p h r a t w a s s e r gespeist, n u r die östliche L a g u n e h a t auch a m T i g r i s w a s s e r A n t e i l , da dieses s i c h 2 i m 1 „ I r a q Petroleum", The Magazine of the I r a q Petroleum Company L i m i t e d and its Associated Companies, London, Vol. 6, September 1956, S. 16. F ü r die Regulierung des Euphrat siehe K a p i t e l Geschichte und K u l t u r wandel, S. 309. 2 Vgl. S. 24.
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Die geographische Verbreitung der Stämme der Ma c dän
U n t e r l a u f des E u p h r a t nach D u r c h l a u f e n des z e n t r a l e n H ö r s w i e d e r s a m m e l t . So w i r d sich auch das H ö r e l H a m m ä r i n d e r Z u k u n f t ändern. U m eine Übersicht ü b e r die h e u t i g e V e r b r e i t u n g d e r M a ' d ä n S t ä m m e f ü r d i e z u k ü n f t i g e F o r s c h u n g z u sichern, h a b e n w i r m e h r e r e Rundfahrten u m u n d durch die zentralen Marschen u n t e r n o m m e n u n d G e w ä h r s m ä n n e r befragt, die das H ö r u n d seine B e w o h n e r aus eigener A n s c h a u u n g k a n n t e n . A n erster S t e l l e m u ß h i e r d e r selbstlosen H i l f e v o n D r . D a w u d iGubbay, A m a r a , gedacht w e r d e n , der als L e i t e r des B e j e l - T e a m s v i e r J a h r e l a n g das H ö r in. a l l e n seinen T e i l e n besucht hat. D r . D a w u d v e r f ü g t e ü b e r e i n e fast f e h l e r f r e i e E r i n n e r u n g a n die O r t e i m H ö r u n d d i e S t ä m m e , d i e i n diesen D ö r f e r n siedelten, seine A n g a b e n h a b e n sich stets als d i e zuverlässigsten erwiesen. D o c h w o l l t e er aus g r o ß e r ' G e w i s s e n h a f t i g k e i t f ü r seine M i t t e i l u n g e n k e i n e v o l l e G e w ä h r ü b e r n e h m e n . W e i t e r e zuverlässige A n g a b e n e r h i e l t e n w i r v o n d e m englischen Reisenden W i l f r e d T h e s i n g e r ; l e i d e r h a t t e n w i r z u l ä n geren U n t e r h a l t u n g e n m i t i h m n u r w e n i g Gelegenheit. Einige A n g a b e n ü b e r d i e M a c d ä n -um Cubais s i n d i n d e r D i s s e r t a t i o n v o n D r . S ä k i r M u s t a f a S a l ï m 3 e n t h a l t e n . D a aber das H a u p t i n t e r e s s e v o n D r . S a l ï m auf die ökonomischen V e r h ä l t n i s s e i n Cubais selbst gerichtet w a r , s i n d seine N a c h r i c h t e n ü b e r d i e i n d e r N ä h e dieses Ortes siedelnd e n M a ' d ä n sehr spärlich. W i r selbst k ö n n e n v o l l e G e w ä h r f ü r die N a c h r i c h t e n ü b e r die Sagänba ü b e r n e h m e n , d i e w i r z u m H a u p t g e g e n s t a n d unserer S t u d i e n machten. Die folgenden K a r t e n u n d Legenden der einzelnen Stämme sind e r g ä n z u n g s b e d ü r f t i g . D a aber k a r t o g r a p h i s c h e A u f n a h m e n d e r Siedlungsgebiete der M a e d ä n bisher v ö l l i g fehlen, sei das v o n uns zusamm e n g e t r a g e n e M a t e r i a l h i e r v o r g e l e g t . F ü r ergänzende M i t t e i l u n g e n u n d e v e n t u e l l e K o r r e k t u r e n w ü r d e n w i r n u r d a n k b a r sein. V
Saganba D i e Sagänba h a b e n k e i n e eigene S t a m m e s o r g a n i s a t i o n , sie s i n d Gefolgsleute verschiedener d o m i n i e r e n d e r arabischer S t ä m m e . I m Westen des z e n t r a l e n H ö r s s i n d sie U n t e r t a n e n d e r A l e Isä i n Sëgal, d e r A l b ü M o h a m m e d i n A g a r ; i n d e n östlichen R a n d z o n e n U n t e r t a n e n d e r A l Sa c ad. A l l e Sagänba wissen v o n e i n a n d e r u n d b e t r a c h t e n sich u n t e r e i n a n d e r als v e r w a n d t . I m Osten besitzen sie eigenes L a n d i n B i r r i z u n d Gubëba. Das Gebiet d e r z e n t r a l e n B i n n e n s e e n ist i h r u n b e s t r i t 3 Shakir Mustafa Salim: Economic and Political Organization of Echchbaysh, a Marsh Village Community i n South-Iraq, Abstract of Thesis for Ph. D. Degree i n the Faculty of Arts, Department of Anthropology, University College, London 1953.
Die geographische Verbreitung der Stämme der M a d n tenes Schweif gebiet, d a d i e arabischen S t ä m m e h i e r «keine Lebensm ö g l i c h k e i t e n sehen u n d d a r u m nicht nach d e r Vorherrschaft i n diesem Gebiet streben. Eine k l e i n e G r u p p e Sagänba lebt v o n diesem geschlossenen Siedlungsgebiet e n t f e r n t i m östlichen H ö r Huwëze, südlich H a l f ä y a i n So'ede, A b ü Deheb, G i l e a u n d A b ü W a d e c ; h i e r s i n d sie den Schechs d e r A l b ü M o h a m m e d u n t e r s t e l l t . D i e G r u p p e bei H a l f ä y a ist erst i n letzter Z e i t d a h i n z u g e w a n d e r t , u n d z w a r aus Gubëba u n d B i r r i z i m Osten d e r zentralen Marschen. Zwischen der neuen K o l o n i e u n d den a l t e n H e i m a t d ö r f e r n bestehen noch enge Beziehungen; V e r w a n d t e u n d F r e u n d e besuchen sich gegenseitig. F ü r die z e n t r a l e n Marschen w i r d A g a r als der w i c h t i g s t e Siedlungsplatz angesprochen; d i e M e h r z a h l der d o r t i g e n B e v ö l k e r u n g besteht aus Sagänba u n d i h r sogenannter Oberschech ist h i e r ansässig. Das politische Schwergewicht v o n A g a r h ä n g t w o h l auch d a m i t zusammen, daß die Niederlassung e t w a d e n geographischen M i t t e l p u n k t des gesamten geschlossenen Siedlungsgebietes d e r Sagänba d a r s t e l l t . W ä h r e n d die Sagänba einige i h r e r f ü h r e n d e n F a m i l i e n als Schechsf a m i l i e n ansprechen, b i l l i g e n i h n e n d i e d o m i n i e r e n d e n arabischen S t ä m m e diesen T i t e l nicht zu; sie begründen das d a m i t , daß k e i n e r der sogenannten Schechs v o n der R e g i e r u n g als O b e r h e r r über ein bestimmtes Gebiet a n e r k a n n t w u r d e . D i e T r a d i t i o n der Sagänba geht dahin, daß sie f r ü h e r d e r mächtigste S t a m m i m H ö r gewesen seien u n d i h r e Schechs H e r r e n i n i h r e m L a n d w a r e n ; auch dieser Ü b e r l i e f e r u n g widersprechen die arabischen Schechs, da sie geneigt sind, d a r i n eine G e f ä h r d u n g ihres eigenen Machtanspruches zu sehen. D i e anderen M a ' d ä n s t ä m m e dagegen achten d i e Gebietsgrenzen der Sagänba u n d d r i n g e n nicht ohne vorhergehende V e r h a n d l u n g e n i n i h r Schweif- u n d W o h n g e b i e t e i n ; w i e sie ü b e r h a u p t stets das v o n anderen M a ' d ä n s t ä m m e n besiedelte L a n d als „fremdes Gebiet" ansehen. I m Z e n t r u m des Hörs s i n d aber n u r die v o n den M a ' d ä n a n e r k a n n t e n Gebietsabgrenzungen f ü r den wechselseitigen V e r k e h r entscheidend, da die arabische Oberherrschaft hier nicht v i e l m e h r bedeutet, als daß die Schechs eine v o n der R e g i e r u n g bestätigte V e r w a l t u n g s v o l l m a c h t besitzen. Ü b e r die H e r k u n f t der Sagänba fehlen historische D o k u m e n t e . W. Thesiger behauptete i n einer U n t e r r e d u n g , daß d i e Sagänba u n d Fregät v o n d e n Sabäern a b s t a m m t e n , die v o n d e n A r a b e r n Subba genannt werden. U n s gegenüber w u r d e v o n e i n e m G e w ä h r s m a n n diese Aussage n u r i n s t a r k eingeschränkter F o r m gemacht. Danach sei e i n T e i l d e r Subba v o r langer Z e i t z u m I s l a m übergetreten, zu den Sagänba gestoßen u n d selbst zu Sagänba geworden. Doch h ä t t e n die Sagänba sonst nichts m i t den SuM>a zu t u n . A l l e r d i n g s h a t t e dieser G e w ä h r s m a n n dieselbe Frage schon m i t Thesiger durchgesprochen u n d
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Die geographische Verbreitung der Stämme der M a d ä n
es ist d a r u m n i c h t ganz auszuschließen, daß seine A u s k ü n f t e n i c h t m e h r w i r k l i c h u n b e f a n g e n gegeben w u r d e n . I m S c h l u ß k a p i t e l s o l l gezeigt w e r d e n , daß w i r auf G r u n d b e s t i m m t e r F u n d s t ü c k e u n d geographischer G e g e b e n h e i t e n dazu neigen, e i n e n U r s p r u n g v o n d e n Sabäern h e r f ü r d i e Sagänba, a l l e r d i n g s f ü r diese a l l e i n , a n z u n e h m e n . I n Sêgal w a r 'Schech M o h a m m e d — das W o r t Schech ist h i e r als E h r f u r c h t s a n r e d e zu v e r s t e h e n 4 — /der F ü h r e r der d o r t w o h n e n d e n Sagänba. Dieser i n t e l l i g e n t e u n d z u v e r l ä s s i g w i r k e n d e M a n n s t e l l t e sich f ü r A u s k ü n f t e b e r e i t w i l l i g z u r V e r f ü g u n g , k o n n t e diese aber l e i d e r n i c h t u n b e f a n g e n geben, da e i n e r d e r arabischen Schechs v o n Sëgal ( ï â h i r ) s t ä n d i g dabei saß u n d „ k o r r i g i e r t e " , was i h m n i c h t passend schien. U n s w a r gesagt w o r d e n , daß Schech M o h a m m e d einen s c h r i f t l i c h e n S t a m m b a u m der Sagänba besitzen solle, was er n u n u n t e r d e m D r u c k seines m i ß t r a u i s c h e n H e r r n z u recht oder zu u n r e c h t abstritt. A l s erstes f ä l l t b e i den M i t t e i l u n g e n Schech M o h a m m e d s auf, daß auch dieser t r a d i t i o n s k u n d i g e M a n n d e n Sagänba k e i n e ü b e r 200 J a h r e hinausgehende Geschichte z u b i l l i g t . Diese Z e i t s p a n n e v o n 200 J a h r e n ist uns i m m e r w i e d e r begegnet, w e n n w i r d i e T r a d i t i o n e n s o w o h l der arabischen w i e d e r M a ' d ä n - S t ä m m e e r k u n d e n w o l l t e n . Sie scheint bei diesen S t ä m m e n die äußerste Z e i t s p a n n e z u sein, die i n d e r Ü b e r l i e f e r u n g ü b e r b r ü c k t w e r d e n k a n n . M e i s t w u r d e n uns sogar n u r 100 bis 150 J a h r e als Grenze g e n a n n t , bis zu d e r d i e h i s t o r i s c h e n E r i n n e r u n g e n z u r ü c k r e i c h t e n . S o w i e die A n g a b e 200 J a h r e auftauchte, k a n n m a n d a f ü r w o h l ebenso g u t 300 bis 1000 J a h r e setzen, es deutet diese Z a h l o f f e n b a r n u r das E n d e jeder zuverlässigen T r a d i t i o n a n ; sie m e i n t nichts anderes als „ v o r unserer Z e i t " . F ü r die Z e i t r e c h n u n g dieser S t ä m m e s i n d a u ß e r d e m d i e persönlichen A l t e r s a n g a b e n aufschlußreich. I n e i n e m k o n k r e t e n F a l l e w u r d e uns als A l t e r des V a t e r s : 60 Jahre, des G r o ß v a t e r s : 100; des U r g r o ß v a t e r s : 150 Jaihre g e n a n n t . Ohne w e i t e r e s ist ersichtlich, daß es sich n i c h t u m k a l e n d e r m ä ß i g genaue A n g a b e n h a n d e l t u n d außerdem u m d i e geschätzte F e s t l e g u n g des G e b u r t s d a t u m s der A h n e n u n d n i c h t ihres tatsächlich e r r e i c h t e n Lebensalters. Diese persönlichen Genealogien w a r e n f ü r unsere G e w ä h r s l e u t e u n d uns selbst e i n H i l f s m i t t e l zur E i n o r d n i m g noch e r i n n e r t e r geschichtlicher Ereignisse. Ü b e r d i e V e r b r e i t u n g u n d d i e Geschichte d e r Sagänba w u ß t e Schech M o h a m m e d folgendes zu sagen: 1. B e i B a s r a s i n d seit 200 J a h r e n 5 Sagänba ansässig, j e t z t l e b e n d o r t 480 M ä n n e r — d a m i t ist d i e Z a h l d e r w a f f e n t r a g end en M ä n n e r gem e i n t , die Z a h l der F r a u e n u n d K i n d e r k a n n m a n danach schätzen. * Vgl. Abschnitt Sëyid, Bedrï, M ü m a n ; S. 270. 5 Vgl. für die Zeitangabe 200 Jahre, das oben Gesagte.
Abb. 7 (oben): Binden der Pfosten zum Rundbogen von der Leiter aus. Vgl. S. 71. Abb. 8 (unten): Anbinden der Querlagen. Vgl. S. 72.
Die geographische Verbreitung der Stämme der Ma e dän
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Etwa je 20 dieser Familien haben einen Headman, zwei dieser Headmen leben i n Basra selbst: Awëyid und Nasrallä. 2. I n Meserrah, unter den Beni Hasan, Schech Gamüde sind seit 160 Jahren Sagänba ansässig; jetzt leben dort 190 Männer unter dem Headman Zä'ir Säfi Imbëdi. 3. I n Gubëba, bei Gurna, sind seit 190 Jahren Sagänba ansässig; jetzt leben dort 290 Männer unter den Headmen Mkellef ibn Ridä und Käsim. 4. I n Agar, unter den A l b ü Mohammed, Schech Megïd el Halïfe, sind seit 140 Jahren Sagänba ansässig; jetzt leben dort 180 Männer unter den Headmen Yunis ibn Häsim und Hmüd ibn Mhäwi. 5. I n Halfäya, unter den A l b ü Mohammed, Bët Fetle sind seit 190 Jahren Sagänba ansässig; jetzt leben dort 160 Männer unter den Headmen Isnësil und Zä'ir Mehdäd. 6. Unter den A l Azërig, Schech Fehed sind seit 50 Jahren Sagänba ansässig; jetzt leben dort 50 Männeir unter dem Headman Schech Mohammed i n Segal. 7. I n Sëgal, unter den A l ! s ä und deren Schechs, sind seit 140 Jahren Sagänba ansäissig; jetzt leben dort 150 Männer unter dem Headman Schech Mohammed. 8. I n Horriamsahr, früher Muhammara, sind seit 180 Jahren Sagänba ansässig: jetzt leben dort 120 Männer unter dem Headman Gabr. Diese Angaben Schech Mohammeds wunden für uns ein guter Leitfaden bei unseren späteren Untersuchungen. I m ganzen erwiesen sie sich als zutreffend, wenngleich auch Korrekturen notwendig wurden, nämlich: 1. Schech Mohammed beansprucht für sich selbst die Führerrolle für sämtliche Sagänba; außerhalb Sëgals wurde uns, aber als oberster Führer meist Hmüd ibn M h ä w i genannt, der i n Agar wohnt. 2. Der als Headman in Agar genannte Yunis ibn Häsim trägt den gleichen Namen wie ein Schech der A l b ü Mohammed, der am Meserrah wohnt. Hier könnte eine Verwechslung vorliegen; dann müßte Yünis ibn Häsim unter Punkt 5 als zuständiger Schech der A l b ü Mohammed auftauchen. 3. Der Vater von Mkellef in Gubëba hieß Ridä al Gulêyis, er soll der größte Schech der Sagänba in jüngster Vergiangenheit gewesen sein 6 . Der an zweiter Stelle genannte Käsim ist einer der Großen i m Nachbarort Biiriz, das Schech Mohammed namentlich nicht kannte. Doch ist Käsim i n Birriz nicht Headman, sondern nur einer der Ältesten der führenden Familie 7 . Der Ruhm Ridäsi war so groß, daß 6 Vgl. Contributions to the Anthropogeography of the Lower Iraq by Henry Field, 1949, S. 42. 7 Vgl. S. 166.
3
Westphal-Hellbusch
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Die geographische Verbreitung der Stämme der Ma e dän
man Birriz zu seinem Bereich rechnete, wodurch sich die unverhältnismäßig hoch angegebene Zahl von 290 Männern in Gubëba erklärt. Teilt man diese Z a h l zwischen Birriz uind Gubëba auf, so entspricht sie etwa den tatsächlichen Verhältnissen. Birriz uind Gubëba haben heute miteinander nichts mehr zu (schaffen. Zum Gau Mkellef ibn Ridäs gehören gegenwärtig: K r ai, Arnibe, e Auwëlï und das Grenzgebiet von Hör Zigrï. Isän .abü Sadr w i r d sowohl von Gubëba wie von Gubür aus bewandert. Zwischen Gubür und Isän abü Sadr finden regelmäßige Sommer- und Winterwanderungen statt, zwischen Gubëba und Isän abü Sadr nur häufige Wanderungen. Z u Birriz gehören die Wanderplätze: Mudëmïn und Umm ZehdI. 4. Anzumerken ist, daß nur die Sagänba i n Sëgal wissen, daß einige von ihnen nach Hums, zu den A l Azërig, Schech Fehed, ausgewandert sind. Das Zentrum der zentralen Marschen ist für alle Gruppen der Sagänba ein Zufluchtsort i n Jahren niedrigen Wasserstandes. Dementsprechend ist auch die Größe der Siedlungen i n den inneren Bereichen des Hors jahreszeitlich und den Bedingungen der einzelnen Jahre entsprechend sehr unterschiedlich. W i r trafen z. B. in Isän abü Sadr auf eine Siedlung m i t 13 Häusern; Dr. Wirth, der den Ort zwei Jahre früher besuchte, fand dort 30 Häuser vor 8 . Wir sahen in c Auwëlï nur 3 Häuser, i n Jahren höheren Wasserstandes sollen sich hier aber bis zu 50 Häuser zusammenfinden. 1955 war die Hauptsiedlung von c Auwëlï aus weiter ihöreinwärts nach Hsëde verlegt. Die Sagänba sind Reisbauern, wo es die Umweltverhältnisse erlauben. I m Zentrum des Hörs kann auf Grund der Wassertiefe keinerlei Anbau betrieben werden. I n Sëgal, Agar, Birriz und Gubëba bauen die Männer Reis an, wenn es der Wasserstand erlaubt. Die i m Innen-Hör siedelnden Sagänba bilden keine abgetrennten Gruppen; jede i n den Außengebieten ansässige Familie kann geschlossen oder durch einzelne Mitglieder vertreten eine gewisse Reihe von Jahren von nomadischer Milchwirtschaft leben und daneben oder in späteren Jahren i m Randgebiet des Hörs Reisanbau betreiben. Wie die meisten Ma'dän sind auch die Sagänba nicht i m eigentlichen Sinne Reisbauern. Sie säen nämlich den Reis nicht selbst aus, sondern kaufen etwa 20 cm hohe Pflanzen, den sogenannten Sitäl, zu einer ihren Wasserverhältnissen entsprechenden Zeit u n d Menge von den A l Azërig und A l b ü Mohammed. Diese schon widerstandsfähig gewordenen Pflanzen werden i n den Randgebieten des Hörs versetzt und geben eine mehr oder weniger gute Ernte. Nur die Flußanwohner sind m i t Hilfe des zu allen Jahreszeiten vorhandenen Flußwassers imstande, 3 E. Wirth: Landschaft und Mensch i m Binnendelta des unteren Tigris, Mitteilungen der Geogra. Gesell. Hamburg, Band 52, 1955, S. 21.
AGANΒA
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Turabe
1edetn Cidï, Sahen und Husnï seien als die wichtigsten genannt. A m siedlungsärmsten ist das Gebiet der ausgedehnten Binnenseen in der Mitte dieser Marschen; feste Erdinseln existieren nur östlich der Seen auf einer angenähert bogenförmigen Linie, die etwa von Isän abü Sadr über e Auwëlï nach Umm Zehdï läuft, westlich dieser Linie ist das Wasser zu tief zur Anlage künstlicher Inseln, die erst wieder an den seichten Stellen der Randgebiete möglich werden. Für alle großen Dörfer i m Westen gilt, daß in ihnen Splitter mehrerer Stämme zusammenleben und daß die Bevölkerung überwiegend dauerseßhaft ist. Die Seßhaftigkeit beruht auf der annähernden Konstanz der Umweltverhältnisse. Obwohl Flutzeit und Niedrigwasser auch hier deutlich unterschieden sind, weicht das Wasser doch niemals ganz zurück; das bedeutet aber, daß die Wasserbüffel das ganze Jahr hindurch Futter und Schwemme finden. Die Menschen sind nicht zu Wanderungen i m Interesse ihrer Tiere gezwungen. Die ständige Gegenwart von Wasser gewährleistet den Ma'dän reichliches und ununterbrochenes Vorkommen des Gasab, das sie außer für ihre Inseln und Häuser zum Flechten von Matten benötigen. Daher können sie zu allen Jahreszeiten m i t einem sicheren Einkommen 'durch den Verkauf der Matten rechnen und sind auch aus diesem Grunde geneigt, am Ort zu bleiben;
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Siedlungs- und Lebensweise I. Segal
bessere Umweltverhältnisse sind i m Hör sowieso nirgends zu erwarten. I n den nordwestlichen Randgebieten der zentralen Marschen sind außerdem die mittleren Wassertiefen so gering, daß entweder in jedem Jahr oder wenigstens i n Jahren niedrigen Wasserstandes nach der Flut Reisanbau möglich w i r d — ein weiterer Umstand, der zur Dauerseßhaftigkeit der Dörfler beiträgt. Die großen westlichen und nordwestlichen Siedlungen sind nicht nur durch eine Mischung aus Teilen verschiedener Stämme charakterisiert, sondern auch durch eine soziale Schichtung, die in den östlichen und südlichen, aus Verwandtschaftsgruppen desselben Stammes zusammengesetzten Niederlassungen fehlt. Die arabischen Stämme der Randgebiete der zentralen Marschen haben sich die Oberherrschaft über die höreinwärts lebenden Ma c dän erkämpft. Mitglieder der dominierenden Schechsfamilien haben sich in den größeren Hördörfern Residenzhäuser aus gebrannten Lehmziegeln errichtet und sorgen durch zivile Rechtsprechung i m Ort für die Aufrechterhaltung der Ordnung, wie auch für das Eintreiben der den Bauern und Büffelhaltern auferlegten Abgaben. I n kleineren oder sehr abgelegenen Dörfern haben sie nur einen Vertreter eingesetzt, einen sogenannten Wakïl, der oft ein Vertrauter des herrschenden Schechs ist und darum nicht selten ein Neger 1 . I m Namen seines Herrn hat er die Abgaben einzusammeln und die zivile Rechtsprechung zu übernehmen. Früher erkauften sich die Ma e dän durch die ihnen auferlegten Abgaben den Schutz der Schechs; es ist verständlich, daß sie die Treue zu ihrem Herrn von dessen Kriegsglück abhängig machten. Erschien ein Mächtigerer auf dem Plan, so zahlte man die Abgaben an diesen; Gefolgschaftstreue verband sie m i t keinem der fremden Stammesführer. Der von der Regierung unter den Stämmen durchgesetzte Zwangsfriede enthebt die Ma c dän der Notwendigkeit, sich weiterhin um den Schutz durch einen» mächtigen Schech zu sorgen, doch blieb für sie unverändert die Abgabepflicht an die Schechs und deren Vorrecht der zivilen Rechtsprechung bestehen. Diese traditionellen Verhältnisse sind trotz der erhalten gebliebenen äußeren Form insofern schon verändert, als die Schechs die Abgaben nicht mehr v o l l für sich behalten dürfen, sondern verpflichtet sind, einen kleinen Teil ihrer Einkünfte ,als Steuern an die Regierung abzuführen. Sie sind, nicht allen klar bewußt, auf dem Wege, Beamte der Regierung zu werden; fügen sie sich den von ihr an sie ergehenden Anordnungen, so verstärken sie damit selbst ihre zunehmende Abhängigkeit; versuchen sie passiven oder gar offenen Widerstand zu leisten, so w i r d die ständig stärker werdende Zentralgewalt vermutlich ihren Pachtvertrag beim .nächsten 1
Über den sozialen Status und die Funktionen der Negersklaven in Schechsfamilien vgl. S. 171.
Siedlungs- und Lebensweise I. S g a l
Termin nicht erneuern. Es ist vorgekommen, daß rebellierende Schechs mit Militärgewalt unterworfen und abgesetzt wurden; und diese Beispiele haben ihren Eindruck nicht verfehlt. Diese Veränderung i n den Machtverhältnissen müssen die Schechs w o h l oder (übel anerkennen, und sind gezwungen, sich, ihr anzupassen. Für die Ma c dän sind diese Änderungen der politischen Verhältnisse noch nicht recht spürbar oder begreifbar; für sie ist der iSchech noch immer der höchste Herr, und von der Regierung und ihrer neuen Macht machen sie sich entweder keine oder falsche Vorstellungen. Die Mitglieder der in den großen Dörfern zusammentreffenden Stammessplitter zeigen die Tendenz, ihrer gemeinsamen Stammeszugehörigkeit durch Beieinandersiedeln Ausdruck zu geben. Etwa 10 bis 20 Familien schließen sich enger zu unstabilen Gruppen zusammen und folgen einem „Headman", der ihr Ratgeber und Sprecher ist. Erregt der Headman den Unwillen einzelner Gruppenmitglieder, so wenden sich diese von ihm .ab und einem anderen zu. I m öffentlichen Leben treten diese Gruppen kaum in Erscheinung, Ihre Organisation kann man am besten in den Familiensiedlungen der östlichen und südlichen Hörgebiete studieren, für ihre Darstellung sei auf das Kapitel V verwiesen. Die politischen und sozialen Verhältnisse in einer grolßien Siedlung wurden näher in dem i m westlichen Gebiet liegenden Ort Sëgal untersucht und seien i m folgenden beschrieben. D e r O r t •S e g a l 2
Die Wohnplätze in Sêgal liegen ausnahmslos auf künstlichen I n seln, von denen die meisten heute sehr alt, wenige ganz jung sind. Ein Fluß, einfach „Satt" genannt, durchschneidet die Siedlung der Länge nach von Nordosten nach Südwesten und kann als „Hauptstraße" des Dorfes bezeichnet werden. Die Inseln sind -umgeben von einer weiten, offenen Wasserfläche, die dem Wind von allen Seiten Z u t r i t t gestattet. Die freie Lage bietet ihre größten Vorteile i n den heißen Sommermonaten, wenn vom nahen Wüstenrande her der kühle Nachtwind über das Wasser streicht — eine ganz i n Schilf eingebettete Siedlung bekäme i h n nicht zu spüren. Der See wird von Berdï begrenzt, erst i n weiterem Abstände vom Dorf wächst das hohe Gasab. I n den Zeiten des Niedrigwassers t r i t t am Rande des Sees Land an die Oberfläche, das zum Reisanbau, teilweise sogar zur Reisaussaat genutzt werden kann. Unter der Leitung der Schechs erweisen sich die Dörfler als, geschickte Deichbauer, die 2 Die folgenden Ausführungen sind durch den beigegebenen Plan von Sëgal veranschaulicht, dem man außerdem alles weitere über Lage und Größe der Inseln, der Häuser und der Besitzverhältnisse der Schechs entnehmen kann.
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Siedlungs- und Lebensweise I. S g a l
einein Teil der F l u t durch große Bammbauten zu speichern wissen und auch das Wasser des Sees heranleiten, u m tief gelegene kleine Saatfelder zu bewässern. Zur (Zeit des Verpflanzens des Sitäl leitet man das Wasser auf die eigentlichen Felder u m und soll auch in Jahren niedrigen Hochwasserstandes eine gute Ernte erzielen. I n näherer oder weiterer Entf ernung vom Dorf t r i t t an seinem Westrand bei Niedrigwasser wieder Land hervor. Hier wachsen dann Gras und allerlei Kräuter, die den Landstrich zu begehrtem Weideland für nomadische Schafhirten machen. Die Schechs verpachten dieses Land an etwa im J u l i bis August erscheinende Wanderstämme aus dem südwestlich liegenden A l b ü Sälih. Der durch den Ort führende Fluß zieht in so gerader Richtung weiter nach Südwesten, daß man die Vermutung nicht unterdrücken kann, daß der Wasserlauf einem alten Kanalbett folgt. Nach etwa zweistündiger Fahrt auf dem „Satt" erreicht man das südwestlich liegende Gubëba, wo die einzige Polizeistation des Hors eingerichtet wurde. I m Arabischen heißt Saiqal Büchsenmacher, Waffenschmied; darüber, wie der O r t zu seinem Namen gekommen ist, lieiß· sich aber weder dort noch bei gebildeten Iraqern der Städte etwas in Erfahrung bringen. Während unseres Aufenthaltes wohnten in Sëgal: 112 Familien der Sagänba 111 86 38 38 18 24
Familien Familien Familien Familien Familien Familien
der A l A z ê r i g der Fartüs der Albü Mohammed der Al c Isä von Sëyids anderer Stämme
427 Familien also insgesamt D i e Oberschicht der A l e
Isa
Die A l ï s â sind in Sëgal der dominierende arabische Stamm und seine Schechs werden von allen fremden Stammessplittern als Herren anerkannt. Die Tradition der A l c I s ä behauptet, daß sie vor etwa 200 Jahren von Hör Difyen, bei Negef, zugewandert seien. Über Difyen wurde angegeben, daß es eine dem Reis ähnliche Wasserpflanze sei, nur „weicher". Meissner übersetzt Difyen m i t Hirse, so daß wahrscheinlich der i n den zentralen Marschen statt des Reises angebaute Idra gemeint ist. A u f den Karten fanden w i r nur westlich Kerbela einen Tel Düftne und ein Hör A b ü Dibis. Das verwirrte unsere Gewährsleute, sie gaben sofort Hör Dikjen als Herkunftsort auf und behaupteten teils vom Tel Düfyne, teils aus Hör A b ü Dibis zu stammen: „Aus dieser Gegend." Die A l e Isä leben heute von dem Anbau von Weizen und Gerste und
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von der Zucht großer Schafherden und dem Halten von Kühen und Ziegen. Sie sind stolz auf ihre arabische Abstammung und sehen auf die Ma r dän herab. So ist denkbar, daß die angebliche Abstammung aus einem Hör aus tagespolitischen Erwägungen erfunden wurde, um ihrer derzeitigen Herrschaft i m Hör ein traditionelles Mäntelchen umzuhängen. Einig blieb man sich nur darin, daß die früheren Wohnsitze des Stammes bei Negef lagen. Über die A l I s ä finden sich bei Oppenheim nur wenige Nachrichten. „Die e Isä und Bezzün führen ihren Ursprung auf einen Sirdäh zurück, der nach dem Stammbaum in das Ende des 17. Jahrhunderts gehört, und werden ideshalb auch E l Srädha genannt. I n Wirklichkeit ist Sirdäh zwar der Ahnherr der Bezzün, aber nicht der der e Isä; denn er hat wohl einen Bezzün, aber keinen e !sä unter seinen Nachkommen. — Vielmehr ist er der Gründer der heutigen Schëchfamilie der e Isä; daß ein Fremder die Schëchwürde an sich bringt, ist ja nicht eben selten. Ein Fremdling war er, aber nicht von weither, sondern aus dem Land der Muntefik gebürtig; denn er hat den seltenen Namen Sirdäh gewiß nach einem bekannten Muntefik-Schëch des 17. Jahrhunderts erhalten. Unter Näser Pascha el Sa e dün — seit 1866 Oberschëch der Muntefik — wurde den e Isä und Bezzün Land in Schatämje und c Aude zugewiesen, wo sie allmählich seßhaft wurden. Da sie später die Landrente in e Amära zu zahlen hatten, entfremdeten sie sich den übrigen Benï Sa e ïd, welche vom Sandjak Muntefik abhingen. Vor 1877 wurden sie von ihren Nachbarn, den Äzeridj und ihren Verwandten, den Mereijän, aus ihrer neuen Heimat vertrieben, kehrten aber nach zwei Jahren wieder izurück und warfen die Mereijän wieder hinaus. Später versöhnten sich die drei Stämme, weil die e Isä und Bezzün in einer Fehde mit den A l bü Durrädj von den Mereijän unterstützt wurden 3 ." So liegt die Vergangenheit der A l e Isä i m Dunkeln, denn auch durch ihre Zugehörigkeit zum Stamme der Benï Sa e ïd läßt sich nichts erhellen, da diese „ i n der Angelegenheit ihres Streifgebietes" von el Dauwäye und Hör Gamüga i m Westen bis el Satämye und vom Satt ed Dugële i m Norden bis nahe an den Euphrat 4 in den Lauf der Geschichte nicht eingegriffen haben und damit der Aufmerksamkeit der Historiker entgangen sind. Durch das Eingreifen der Engländer sind auch die A l c Isä in den gesicherten Besitz ihres heutigen Herrschaftsgebietes gekommen. Den Zitaten auf S. 51—52 ist zu entnehmen, wie die Schechs der Bezzün und A l I s ä zunächst von den A l Azërig überspielt wurden, dann aber das Land e Aude und Satämye 1919 zugesprochen erhielten, aufgrund nach3
4
Oppenheim:
a.a.O., S. 433—434.
Oppenheim: a.a.O., S. 432.
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weislich älterer Anrechte und in der Hoffnung: „to reclaim many tribesmen of the Jazirah to a life of cultivation." Auch über die Kämpfe um Sëgal ist den Reports einiges zu entnehmen: "Sikar en Na'mah, the shaikh of the 'Isa section referred to above, an excellent Arab of the old type famed for his hospitality, has been subjected to considerable annoyance at the hand of the Muntefiq Division Shaikhs, Salim al Khaiyun and Hasan ibn Badr al Rumaiyidh. Both have put forward claims to the lands in the proximity of Saiqal which have always been known as part of the Amarah Muqata'ah of Shattaniyah. I f the political officers on the Nasiriyah side had only traversed the desert between Albu Salih and Sikar or the Marsh between Chubaish and Saigal, much correspondence would have been saved 5 ." "The biggest problem, which originated in 1919, carried on all through 1920, and, though apparently settled for good in that year, was again re-opened in 1921, is Salim s claim to Saiqal. Incidentally this question led to a long dispute between Shaikh Sikar and Hasan, son of the famous Badr al Rumaiyidh over land known as A l Khasaf. The question opened on the return of Salim al Khaiyun from India, when, to assert his rights to Saiqal (which in a few years to come will be an exceedingly rich rice area), he leased it out to Faris of the Fartus, in spite of the fact that it was already leased out by an 'Amarah shaikh to Dawahil. Foiled in this direction, Salim made friendly overtures to Badr, and persuaded his son to put in a claim to Abu Lailah which lies north-west of Saiqal. I f Hasan al Badr had been successful in this claim, Salim would have been in a strong position to more up the border of his own territories to be in line with that of Hasan al Badr; it is needless to add that such an alignment of his borders would have put Saiqal well within his own area. These intrigues, however, were stopped by Major Marrs. This plan of action, nevertheless, was to good to waste, and Salim, by putting on one of his own men to cultivate at U m m al Khasaf, forced Sikar into claiming this area as his own. I n a dispute over this land, though it was further away from Saiqal than Abu Lailah, Salim had the advantage of a certain amount of evidence in support of his claim. From the perusal of a very large file, in which neither P. O. Nasiriyah nor P. O. 'Amarah would yield an inch, it appears that U m m al Khasaf lies well within the natural boundaries of Shattaniyah (Sikar's muqata'ah), but that for some years past Sikar had acquiesced in Badr and his men sowing in this area. Thus, when it came to a question of boundaries, each side had a good case, Sikar on the ground of natural features of the country, Hasan al Badr on that of long occupation of the land. The decision given by Colonel Howell allotted the cultivated part only to Hasan. Sikar however was satisfied; the boundary was still at some distance from Saiqal. About this time, Salim re-opened the question of Saiqal with the Revenue Secretary in Baghdad. He was told that the matter would be settled by a majlis of British Officers and Arabs at Basrah. A t this meeting, it was proved that all Salim's documentary evidence, on which he based his claim, was forged. Colonel Howell informed him that he had 5
Report Amara 1919, a.a.O., S. 5.
Siedlungs- und Lebensweise I. S g a l no claim whatever to Saiqal, and that it was lucky for him that he had not produced such documents before a Court of law. A t the same time, the boundary between the two Divisions was decided by Colonel Howell to run "from APAbid (B. Asad) straight across the "chol" to the nearest point on the Hard a l H i j j a j , along the Hard to the point where the bund, which keeps the water out from U m m al Khasaf, leaves the Hard, and along the bund until it rejoins the Hard. After that there is no more dispute, and the Hard may be accounted as the line." After this matter had been so carefully gone into by the Revenue Secretary and all the officers connected with the case, the question of Saiqal should have been closed for good. But in the summer of 1920, when matters were looking black at Hillah, a party of Salim's cultivators, under his agent Haji Rikkan, began sowing rice in Qubeibah, only some two or three miles south of Saiqal, and well within the 'Amarah boundary as recently laid down by Colonel Howell. As P. O. Nasiriyah did not feel in a position to do more than order Salim to evacuate Qubaibah, and as Salim felt himself quite strong enough to disregard the order, Shaikh Sikar asked permission to turn the intruders out by force. Salim's only object, however, in thrusting a few undefended cultivators into this Division could have been to tempt Sikar into making an attack of which he could take advantage, and Sikar was therefore told to take no action. I t is not easy for an Arab of the "Jazirah" to remain passive in the face of such provocation, with his enemy's crops planted, even ripening, in land which is undeniably his, and Sikar deserves great credit for not allowing his tribesmen's impatience to run away with their discretion. Eventually, when the tide had turned in our favour on the Euphrates, and there were many troops in the country, Shaikh Sikar was given permission to turn out Salim's people, who were about to harvest the grain they had sown. This he did, in spite of the fact that Salim sent his brother with several war-flags to resist. There were a few casualities on both sides6." So k a m Sëgal erst 1921 i n den gesicherten Besitz d e r A l ! s ä , die damals n o c h d e r O b e r l e i t u n g ihres b e i d e n E n g l ä n d e r n o f f e n b a r a n gesehenen Schechs S i k a r en N a c ë m e u n t e r s t a n d e n . Ü b e r d i e i n d e n Reports e n t h a l t e n e n V o r g ä n g e f i n d e n sich b e i den E i n w o h n e r n Sëgals n u r v e r s c h w o m m e n e E r i n n e r u n g e n u n d es ist g»ut m ö g l i c h , daß i h n e n die p o l i t i s c h e n H i n t e r g r ü n d e der d a m a l i g e n K ä m p f e n i e m a l s v e r t r a u t gewesen sind. Ü b e r das A l t e r d e r S i e d l u n g selbst m a c h t e m a n n u r z ö g e r n d unsichere A n g a b e n , manche n a n n t e n 30, andere 70 u n d e i n i g e m e h r als 200 J a h r e . N a c h der H ö h e der k ü n s t l i c h e n I n s e l n z u u r t e i l e n , die t e i l w e i s e ü b e r z w e i M e t e r erreichen, m u ß die S i e d l u n g recht a l t sein. D i e A l t e r s a n g a b e 30 J a h r e f i n d e t i h r e V e r a n k e r u n g i n d e m schon b e r i c h t e t e n U m s t a n d , daß e A b d a l l ä v o r etwas m e h r a l s 30 J a h r e n , „ a l s er sich v e r h e i r a t e t e " , Sëgal e r o b e r t e u n d 'daß v o n da an d i e O b e r h e r r schaft der A l I s ä ü b e r das L a n d u n d das D o r f bestehen b l i e b . F ü r die E i n w o h n e r v o n Sëgal scheint es heute, als ob das ganze Geschehen a l l e i n das W e r k e A b d a l l ä s gewesen sei, d e m m a n n u n besondere H ä r t e , aber auch Geschick i n d e r K r i e g s f ü h r u n g nachsagt. M a n e r i n n e r t sich 6
Report Amara 1920/21, a.a.O., S. 1—2.
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noch deutlich der schweren Brände, die i m Zusammenhang m i t Kämpfen ausbrachen und die .ganze Siedlung vernichteten. Nach Eroberung Sëgals versuchte \Abdallä, den Herrschaftsbereich der A l bis nach Gubëba und Agar .auszudehnen, geriet hier aber mit mächtigen Schechs der A l b ü Mohammed in Konflikt, und mußte ihnen zurückweichen.
den der !sä den vor
Der Sitz des Oberschechs der A l e Isä blieb Satânîye, das am westlichen Rande des Hörs lag. Unter Satânîye w i r d heute nicht nur der weitere Bezirk der Landschaft verstanden, sondern auch der Residenzplatz des Schechs; für diesen Ort ist allerdings auch der Name Hamdän es Sikar gebräuchlich, nach dem berühmtesten Sohn Sikar en Na'ëmes: Hamdän es Sikar. Für den Fremden sind die Doppelbezeichnungen eines Ortes nach Landschaft und Person, wozu noch eine dritte nach einem Fluß oder See kommen kann, zunächst sehr verwirrend, bis er von den Einheimischen gelernt hat, Landschaften, Flüsse und Personen i n dem bestehenden Zusammenhang izu sehen. Hamdän es Sikar hat viel zur Festigung Satäniyes als Dauerwohnplatz beigetragen. Er erbaute hier sein Haus aus gebrannten Lehmziegeln, das allerdings durch die katastrophale Hochflut des Jahres 1954 zerstört wurde. Sein Mudïf wurde der Mittelpunkt des Stammeslebens. Die meisten der in Satânîye ansässigen A l e Isä bauen sich heute Häuser aus Schilf, während ihre i n der Wüste wandernden Stammesgenossen in den alten Zelten aus gewebten Ziegenhaaren wohnen und diese bei Besuchen in Satânîye auch dort aufschlagen. Die Mengung von Haustypen des Hörs und der Wüste zeigt sich auch in den öffentlichen Bauten des Schechs, sein Mudïf ist in einem einzigartigen S t i l errichtet; riesige Zeltbahnen sind als Dach gespannt, während Schilfmatten -als Wandersatz an die äußeren Zeltpfosten gelehnt sind. Neben dem Mudïf steht ein ganz aus Schilf i m S t i l der Ma e dän gebautes Versammlungshaus, das hier aber als Gästehaus dient. Die Grenzen ihres Landes gaben uns die A l e Isä folgendermaßen an: I m Norden stößt es bei Tel Huffa an das Land der A l Bezzün, südlich Gubëbas sei eine feste Grenze quer durch das Land gezogen, während sich nach Westen ihr Schweifgebiet in die Wüste erstreckt. I m Osten bildet das Hör eine jahreszeitlich schwankende Grenze, die aber Sëgal mit seinen reichen Reisfeldern entlang des nach Gubëba führenden Flusses einschließt. Die arabisch lebenden A l ! s ä begeben sich bis auf den heutigen Tag, mit Ausnahme ihrer Schechsfamilien und deren Dienerschaft, nicht ins Hör; sie lehnen es ab, Reis anzubauen, um dam i t nicht zu Ma'dän zu werden, deren Lebensweise sie verachten. Umgekehrt gehen auch die Reisbauern Sëgals nicht i n die nur IV2 Stunden Bootsfahrt entfernte Wüste, u m den dort jahreszeitlich möglichen Weizen- und Gerstenanbau zu betreiben. Für ihre Wasserbüffel gäbe
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es dort kein Auskommen und der Gedanke, ihre Tiere aufzugeben, liegt ihnen fern. Die A l c I s ä teilen sich heute in sechs Unterstämme: 1. Den 2. Gebära 3. Ä1 Sa'ad
4. Ä1 Hamdän 5. Ä1 Gadïs 6. Barëgït^
Die A l Hamdän sind die Sippe des Oberschechs. Sikar en Na'ëme und sein Sohn Hamdän es Sikar waren die berühmtesten Schechs der A l !sä. Hamdän es Sikar ist vor etwa 18 Jahren i m Alter von ungefähr 70 Jahren gestorben. Sein Sohn Mezyed a l Hamdän ist der derzeitige Oberschech des Stammes. Sikar en Na'ëme hatte fünf Söhne und zwei Töchter, wobei jeder Sohn von einer anderen Mutter stammt; die Familienpolitik der mehrfachen Heiraten haben seine Söhne fortgesetzt; auch die vier Söhne Hamdäns und die beiden Söhne c Abdalläs stammen von verschiedenen Müttern. I. Generation: I I . Generation: I I I . Generation:
Sikar en Na c ëme Hamdän Mezyed Gadbän Megld Mishir
c
Abdallä Mektüf Tähir Fësal c Abdallä ? Husen
Sintaf Qlëf Na e ême
Mnëtif
Trotz seiner kriegerischen Erfolge blieb c Abdallä seinem älteren Bruder Hamdän, dem damaligen Oberschech unterstellt, wie es der arabischen Sitte entsprach. Er mußte an ihn Abgaben leisten, die nach dem Tode Hamdäns dessen ältestem Sohn Mezyed zufließen. Die Regierung hat Mezyed als Oberschech der A l e Isä anerkannt und führt ihn i n ihren Listen als verantwortlich für die ganze, dem Stamm auferlegte Steuersumme. Die überlegene Macht der Regierung erkennt Mezyed durch pünktliche Zahlung des Pachtzinses an, und sucht sich in jeder Weise mit den RegierungsVertretern gut zu stellen, die es in der Hand haben, ihn zu stützen oder fallen zu lassen. Der jedem Unterschech freistehende Weg, seine Abgaben nicht an den Oberschech des Stammes, sondern direkt an die Regierung zu entrichten, hat bei manchen Mitgliedern der Schechsfamilie den falschen Eindruck erweckt, daß sie nicht weniger seien als Mezyed, d. h. von ihm unabhängige freie Schechs. Das stimmt nicht, denn die Regierung hat Mezyed die Rechtsprechung in Stammesangelegenheiten übertragen oder belassen, und auch die Mitglieder der Schechsfamilie haben sich bei internen Streitigkeiten seinem Urteil zu beugen. Es ist Regierungspolitik, die von ihr anerkannten Oberschechs so weit wie möglich zu stützen, wenn sie sich den Anordnungen der Beamten gefügig erweisen und keine größeren Verfehlungen ansi Licht.
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kommen. Indem die Regierung den Schechs einen Teil ihrer traditionellen Rechtsgewalt beläßt, spart sie selbst viel Verwaltungsarbeit und Kosten, denn ihre Beamten haben nun nur solche Fälle zu verhandeln, in denen alle Vermittlungsversuche durch! die Schechs fehlgeschlagen sind. M i t der Schechsfamilie der A l c Isä mußten sich die Regierungsvertreter i n Amara allerdings häufiger befassen, da sie durch Familienstreitigkeiten zerrissen ist. Schech Mezyed el Hamdän ist ein etwa 30jähriger junger Mann, körperlich zart und meist mißmutig gestimmt; aufgrund seiner Unsicherheit und Arroganz ist er i m Stamm wenig beliebt und genießt kaum persönliche Autorität. Die besten Beziehungen hat er zu seinem Onkel e Abdallä, der sein Land i n Sëgal verwaltet, und dessen Tochter er — entsprechend der arabischen Heiratsvorschrift: Vaters-Bruders-Tochter zu ehelichen — zur Frau genommen hat. Die Mezyed fehlende natürliche Autorität besitzt der Kriegsführer "Abdallä es Sikar i n hohem Maße; sie gegen seinen schwachen Neffen auszuspielen,, hindert ihn die Regierungspolitik. So blieb ihm nur der Ausweg, sich ,mit Mezyed zu verbünden, dessen erster Ratgeber er ist. Durch Mezyed hat c Abdallä den größten Einfluß auf die Stammesangelegenheiten, und ohne seinen Onkel geht Mezyed auch nicht zu den Regierungsvertretern. Einen großen Teil seiner Zeit verbringt Mezyed i n dem Regierungszentrum Amara. Hier besitzt er ein bescheidenes Haus, das auch anderen Familienmitgliedern bei Geschäften i n Amara zur Verfügung steht. Er, wie sein Onkel, dehnen die Stadtaufenthalte oft monatelang aus, angeblich u m Steuerfragen und Stammesangelegenheiten zu ordnen, ohne Zweifel aber auch durch die Vergnügungsmöglichkeiten der Stadt verlockt, denn Amara hat zwei Kinos, einen großen, reich versehenen Süq und viele Kaffeehäuser zu bieten. Daß e Abdallä und Mezyed eine gemeinsame Front gegen alle anderen Familienmitglieder bilden, konnten w i r bei einer Verhandlung vor den Regieirungsvertretern beobachten. Megïd el Hamdän lag m i t seinem Bruder Mezyed i m Streit um ein Stück Land i n Sëgal. Zur Aufrechterhaltung der Ruhe unterstützte die Regierung Mezyed und verurteilte Megïd zu einigen Wochen Gefängnis. Die Verurteilung wurde von den anderen Mitgliedern der Schechsfamilie als Unrecht empfunden und verschärfte die bestehenden Zerwürfnisse. Man zeigte das durch folgendes Verhalten: Mektüf lehnte einen Besuch i n dem Versammlungshaus seines Bruders c Abdallä ab; Mishir mied seinen Onkel Mektüf, hielt sich aber auch von seinem Vetter Tähir deutlich zurück; Gadbän besuchte das Varsammlungshaus seines Onkels Mektüf, aber nicht das seines Onkels c Abdallä; Çlëf schloß sich diesem Verhalten an. Megïd besuchte nach seiner Rückkehr
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seinen Onkel Mektüf und alle anderen Familienmitglieder, mit Ausnahme !*ähirs und Mishirs, erschienen zum Empfang in Mektüfs Mudïf. Es fällt auf, daß bis auf Mezyed alle Mitglieder der Schechsfamilie der arabischen A l e Isä i n Sëgal fest ansässig sind, während bis auf die Dienerfamilien andere Stammesmitgliedeir ihren Schechs nicht ins Hör gefolgt sind. Innerhalb des Ortes gehören den einzelnen Schechs bestimmte Inselbezirke, wie es der beigegebene Plan zeigt. Neuzuwanderer oder Umsiedler i m Dorf haben die V e r r i c h t u n g , den jeweiligen Schech zu fragen, ob er ihnen die Niederlassung in seinem Bezirk erlaubt. Meist w i r d diese Erlaubnis ohne weiteres gewährt, nur in wenigen, besonders gelagerten Fällen, erfolgt eine Ablehnung. Für den Wohnplatz haben die Siedler keine Abgaben zu entrichten, es sei denn, es handele sich um Kaufleute, die eine A r t Umsatzsteuer an den Schech zu zahlen haben. Die Schechs entschlossen sich zur Ansässigkeit in Sëgal erst vor etwa 8 Jahren, als 'durch die Regierung das Reisland in Sëgal rechtsgültig verteilt wurde, und nur derjenige Schech etwas zu erwarten hatte, der i m Ort wohnte und gewillt schien,, sein Land zu bestellen. Für den Oberschech Mezyed wurde eine Ausnahme zugelassen. Anrechte auf das zum Anbau von Weizen und Gerste geeignete trockene Stammesland i n der Gezïra haben außer Mezyed: e ,Abdallä, Mektüf, die Schwester Mektüfs, Gadbän und Mishir. Die Größe des Besitzes der einzelnen Schechs an Reisland in Sëgal wurde uns wie folgt angegeben.: Mezyed:
genaue Zahlen nicht erhältlich, dafür Angaben wie: „er hat am meisten"; „er hat mehr als alle zusammen". Abdallä : 266 Imsera 7 Mektüf: 288 Imsera Megïd : 255 Imsera Mishir: 200 Imsera Gadbän: 150 Im§era Çlëf: 150 Imsera Witwe Mnëtis: 50 Imsera Na'ëme: 50 Imsera Mann der Schwester Mektüfs, ein Sëyid: 50 Imsera. c
Trahir, "Abdallä Husën, Fësal sind noch unmündig, sie werden später das Land ihrer Väter erben. Außer den Schechs besitzen auch Sëyids — direkte Nachkommen des Propheten — Land in Sëgal. Ursprünglich wurde ihnen dieses Land von den Schechs geschenkt oder zur Verfügung gestellt. I n einigen Fällen hat die Regierung alte Nutzungsrechte der Sëyids in eine gesetzlich anerkannte Eigentümerschaft an ihrem Land umgewandelt. Daneben gab es und gibt es die Einrichtung, daß die Schechs den Sëyids kein Land zur Verfügung stellen, sondern ihren Unterhalt durch 7
1 Im§era = 50 X 50 m = 2500 m 2 = V A ha. 1 preuß. Morgen = 0,255 ha.
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reiche Naturalgeschenke sichern. Der eindrucksvolle Fall einer durch die Großmütigkeit des Schechs wohlhabend gewordenen Sëyid-Familie i n Sëgal sei kurz geschildert 8 . Vor etwa 30 Jahren versprach Hamdän es Sikar einem Mitglied einer im ganzen südlichen Iraq bekannten Sëyid-Familie 200 Imsera Reisland, wenn es Sëgal seine segenspendende Anwesenheit schenken würde. Der Sëyid sagte zu und erhielt die versprochenen 200 Imsera. Außer dem Reisland schenkte Hamdän es Sikar dem Sëyid i m Laufe der Zeit noch 2000 Imsera Weizen- und Gerstenland i m trockenen Stammesgebiet der A l c I s ä . Diese Schenkungen sind von den anderen Mitgliedern der Schechsfamilie nicht angegriffen worden und so konnte sie der -Sëyid durch die Regierung als sein Eigentum registrieren lassen. Gegenwärtig leben i m Gehöft des Sëyids drei Generationen miteinander; i m Laufe von 30 Jahren ist diese Familie m i t insgesamt 62 Köpfen zur zahlreichsten i n Sëgal geworden. Sie ist stolz auf ihren Reichtum und ihre Abstammung und lehnt es ab, Wasserbüffel zu halten; sie besitzt zur Ernährung der Familie i n Sëgal 16 Kühe und weidet Schafherden auf ihrem Weizen- und Gerstenland. Als einzige Familie neben denen der Schechs hält sie als äußeres Abzeichen ihres hohen sozialen Ranges Pferde. Auch seinen vertrauten Dienstleuten kann ein Schech Land zur Nutzung zuweisen. Das Feld kann aber von den Leuten nicht selbst bearbeitet werden, da sie vom Dienst bei ihren Herren nicht abkömmlich sind. Sie mieten sich darum einen oder zwei Fellachen, die für ihre Arbeit von dem Ertrag des Landes ein Viertel der Ernte erhalten. I n einem Falle ließ ein m i t Land belehnter Dienstmann, der allerdings einen kleinen Kaufmannsladen und damit eigenes Einkommen besaß, drei Fellachen für sich arbeiten. Während ein unverschuldeter Fellach des Schechs, der für sich selbst ein Feld pachtet, 5 0 % der Ernte zu beanspruchen hat, kann ein nur seine Arbeitskraft vermietender Fellach nie mehr .als 25 Vo der Ernte erwarten. Trotzdemi erfreut sich das Verdingen großer Beliebtheit, da man rechnet, daß viele Viertel mehr seien als nur eine Hälfte. Daß. hier eine Fehlrechnung vorliegt, da auch viele Ernteviertel immer nur Lohn für ein Viertel der geleisteten Tätigkeit bedeuten, und man bei gleicher Tätigkeit für eigene Rechnung das Doppelte gewinnen könnte, wurde von keinem durchschaut. M i t Uberzeugung wurde versichert, daß man sich vorteilhafter bei vielen Vierteln stände, was wohl nur heißen kann,, daß es sich hier um fruchtbare, gut bewässerte Stücke Landes handelt, auf denen ein Viertel des Ertrages mehr ist, als anderswo die Hälfte. Die Zahlen allein geben kein B i l d der lebendigen Beziehungen, die zwischen den Mitgliedern der Schechsfamilie selbst und zwischen den 8
Auf dem Plan Haus 465.
A b b . 27 (oben) : A m A n f a n g des F l e c h t b a n d e s w e r d e n 6 F i e d e r n e n t l a n g d e r M i t t e l r i p p e bis fast z u m A n s a t z g e s p a l t e n u n d , w i e das B i l d z e i g t , m i t e i n a n d e r v e r f l o c h t e n . S o w i e sich d i e 6 A n f a n g s f i e d e r n a l l e e i n m a l d u r c h k r e u z t haben, beginnt m a n m i t d e m Nachlegen der gespalteten u n d w i e d e r zus a m m e n g e l e g t e n F i e d e r n . D i e A n f a n g s z a h l v o n 12 F l e c h t s t r ä h n e n w i r d d a b e i a u f 10 r e d u z i e r t , so d a ß t r o t z V e r d o p p e l u n g d e r D i c k e d e r S t r ä h n e n d i e Bandbreite erhalten bleibt. Die auf dem Bilde herausragende halbe Fieder h a t k e i n e b e s o n d e r e B e d e u t u n g , i n a n d e r e n F ä l l e n w i r d sie e i n g e f l o c h t e n . A b b . 28 ( u n t e n ) : D e n A b s c h l u ß des B a n d e s b e r e i t e t m a n v o r . i n d e m m a n b e i Erreichen der gewünschten Länge keine neuen Fiedern nachlegt. Sobald die nächsten Fiederpaare b e i m Durchgang durch die M i t t e i h r Ende erreichen, s c h l ä g t m a n d i e a m A u ß e n r a n d e des B a n d e s b e f i n d l i c h e n F i e d e r n z u r M i t t e ein, d r e h t sie p a a r w e i s e u m e i n a n d e r , k l a p p t sie z u r ü c k u n d b i n d e t sie z u r I n n e n s e i t e des F l e c h t b a n d e s h i n ab. B i n d e m a t e r i a l s i n d F a s e r n , d i e m a n d u r c h A u f s c h l i t z e n des e t w a 40 c m l a n g e n S t i e l s des F r u c h t s t a n d e s d e r D a t t e l p a l m e g e w i n n t . V g l . S. 96.
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A l c I s ä als Oberschicht einerseits u n d d e n R e i s b a u e r n i n Sëgal a n d e r e r seits bestehen. D i e h e u t e i n d e r E t h n o l o g i e angestrebte D a r s t e l l u n g des sozialen Systems einer K u l t u r l ä ß t sich f ü r die K u l t u r d e r M a e d ä n a l l g e m e i n n i c h t geben. D i e sozialen B e z i e h u n g e n wechseln außero r d e n t l i c h s t a r k v o n S i e d l u n g z u S i e d l u n g , sie g e s t a l t e n sich i m F a l l e einer U b e r s c h i c h t u n g der M a e d ä n d u r c h arabische S t ä m m e n i c h t nach e i n e m b e s t i m m t e n Schema, s o n d e r n h ä n g e n entscheidend v o n den j e w e i l i g e n P e r s ö n l i c h k e i t e n u n d h i s t o r i s c h e n Z u f ä l l i g k e i t e n ab. D i e besondere soziale S t r u k t u r i n Sëgal l ä ß t sich a m besten d u r c h e i n e B e s c h r e i b u n g d e r L e b e n s f ü h r u n g der e i n z e l n e n M i t g l i e d e r d e r Schechsf a m i l i e s o w i e i h r e r w i c h t i g s t e n V e r t r a u t e n , die als M i t t e l s m ä n n e r z u d e n u n t e r w o r f e n e n M a ' d ä n fungieren,, darstellen. Das s o l l i m f o l g e n den geschehen. Schech M e z y e d k o m m t n u r s e l t e n n a c h Sëgal u n d h a t d a r u m die ständige V e r w a l t u n g seines Besitzes seinem O n k e l c ,Abdallä ü b e r t r a gen. So ist es d e n B a u e r n o f t n i c h t k l a r , ob sie L a n d b e i M e z y e d oder e A b d a l l ä gepachtet h a b e n ; n u r i n d e n n i c h t ganz seltenen F ä l l e n offener A b l e h n u n g der P e r s ö n l i c h k e i t e A b d a l l ä s l e g t m a n W e r t a u f die Feststellung, daß das .gepachtete R e i s l a n d M e z y e d u n d n i c h t c A b d a l l ä gehört, d e r n u r der V e r t r e t e r M e z y e d s sei. D a auch c A b d a l l ä v i e l abwesend ist, v e r w a l t e t meistens dessen e t w a 19jähriger S o h n T ä h i r das L a n d seines V a t e r s u n d das seines V e t t e r s M e z y e d . D i e anderen Schechs w a c h e n selbst ü b e r i h r e n Besitz u n d U n k l a r h e i t e n ü b e r dessen G r e n z e n scheinen b e i den F e l l a c h e n n i c h t z u bestehen. I n Sëgal ist ohne Z w e i f e l Schech ' A b d a l l ä der mächtigste. M a n b e h a u p t e t v o n i h m u n d seinem S o h n T ä h i r , daß sie A n g s t v o r den L e u t e n h ä t t e n u n d d a r u m n i e m a l s i h r e d u r c h W a c h m a n n s c h a f t e n gesicherte I n s e l verließen, u m freundschaftliche Besuche i m D o r f z u machen. Daß auch d i e L e u t e ihrerseits c A b d a l l ä f ü r c h t e n u n d k e i n e r sich i h m v e r b u n d e n f ü h l t e , g i n g e daraus h e r v o r , daß n u r solche M ä n n e r sein V e r s a m m l u n g s h a u s aufsuchten, die d a z u g e z w u n g e n seien, also: Fellachen u n d L e u t e , d i e m i t " A b d a l l ä i n seiner Eigenschaft als V e r t r e t e r Mezyeds z u t u n h ä t t e n . e
A b d a l l ä l e b t h e u t e i n d r i t t e r Ehe. V o n seiner ersten, v e r s t o r b e n e n F r a u h a t e A b d a l l ä seinen S o h n T ä h i r u n d die m i t M e z y e d v e r h e i r a t e t e Tochter. T ä h i r i s t e i n i n t e l l i g e n t e r , u n g e b i l d e t e r , h a b s ü c h t i g e r u n d k a l t h e r z i g e r j u n g e r M a n n , d e r sich u n t e r seinen V e r w a n d t e n u n d d e n Fellachen schon v i e l e F e i n d e gemacht h a t . A u c h v o n seiner z w e i t e n F r a u b e k a m c A b d a l l ä e i n e n S o h n , c ,Abdallä Husën, t r e n n t e sich aber v o n i h r u n d l ä ß t d e n S o h n zunächst noch b e i seiner M u t t e r i n G u b ë b a aufwachsen. " A b d a l l ä s jetzige d r i t t e F r a u ist e t w a 30 J a h r e j ü n g e r als e r ; sie h a t noch k e i n K i n d b e k o m m e n u n d ist deswegen recht v e r z w e i f e l t . M i t i h r e m S t i e f s o h n T ä h i r u n d dessen j u n g e r F r a u M u l k ï y e 8 Westphal-Hellbuech
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v e r s t e h t sie sich n i c h t , da diese i n i h r e i n e R i v a l i n u m d i e G u n s t c A b d a l l ä s sehen u n d i h r das L e b e n m ö g l i c h s t schwer machen. B e i seinen i m m e r k ü r z e r w e r d e n d e n A u f e n t h a l t e n i n S ë g a l l ä ß t e A b d a l l ä seine Fr.au m e i s t i n A m a r a , w o h i n es i h n d a n n b a l d z u r ü c k z i e h t , so daß T ä h i r schon i n j u n g e n J a h r e n die Amtsgeschäfte seines V a t e r s ü b e r n i m m t , w a s i h m auch recht l i e b ist, da er so m a n c h e E i n n a h m e v e r h e i m l i c h e n u n d i n die eigene Tasche stecken k a n n . I n A b w e s e n h e i t e A b d a l l ä s besteht der H a u s h a l t i n S ë g a l n u r aus d r e i Personen: T ä h i r , seiner F r a u M u l k ï y e u n d d e r e n M u t t e r . Z u m Schechshaushalt T ä h i r s b z w . folgende F a m i l i e n u n d Personen:
c
A b d a l l ä s gehören a u ß e r d e m noch
Ffrëbet H r ë b e t g e h ö r t z u m S t a m m d e r A l ! s ä u n d v e r s i e h t das A m t eines s o g e n a n n t e n G a h w a c ï b e i e A b d a l l ä , d . h . e r ist d e r H ü t e r des K a f f e e platzes i n dessen M u d ï f . E r h a t e t w a das gleiche A l t e r w i e sein H e r r u n d s o l l „ i m m e r m i t i h m z u s a m m e n gewesen s e i n " . So k a m e r auch z u s a m m e n m i t e A b d a l l ä n a c h Sëgal. Seine einzige A r b e i t besteht d a r i n , m o r g e n s b e i m S o n n e n a u f g a n g K a f f e e z u kochen u n d i h n a n d i e A n wesenden i n d e m M u d ï f auszuschenken. Danach z i e h t e r sich e r m ü d e t z u r ü c k u n d k o m m t n u r b e i B e d a r f oder w e n n d i e N e u g i e r i h n t r e i b t , w i e d e r z u m Vorschein. E r b e h a u p t e t , k e i n e andere A r b e i t ü b e r n e h m e n z u k ö n n e n u n d z u d ü r f e n , da er s t ä n d i g Bereitschaftsdienst habe, er müsse s o f o r t z u r Stelle sein, falls u n v e r h o f f t e r , hochstehender Besuch k o m m e n sollte — gelegentlich; k l a g t e r sogar ü b e r dieses „ s c h w e r e " Leben. F ü r dieses V e r t r a u e n s - u n d E h r e n a m t b e k o m m t er v o n ' A b d a l l ä j ä h r l i c h 10 Z e n t n e r Reis u n d h a t a u ß e r d e m n o c h L a n d z u r N u t z u n g zugewiesen e r h a l t e n , das er abgabefrei bestellen d a r f . E r beschäftigt d a r a u f e i n o d e r z w e i Fellachen, w a s e r v o l l S t o l z m i t anderen, a l l e r d i n g s n i c h t v o r den O h r e n seines j u n g e n Schechs, bespricht. I n dessen G e g e n w a r t b e s t r e i t e t er, daß er i n diesem J a h r Fellachen f ü r sich a r b e i t e n l ä ß t . U n k l a r e B e f ü r c h t u n g e n , daß T ä h i r i h m d i e v o n e A b d a l l ä g e w ä h r t e n V o r r e c h t e beschneiden k ö n n t e , scheinen i h n z u bedrücken. H r ë b e t s F a m i l i e bestand aus e i n e r F r a u m i t e i n e r 1 4 j ä h r i g e n Tochter. K u r z v o r u n s e r e m Besuch h a t t e er sich eine z w e i t e , j u n g e u n d hübsche F r a u g e n o m m e n , v o r der er j ü n g e r erscheinen w o l l t e als er w a r , so daß· e r sich seinen e r g r a u t e n B a r t schwarz färbte. D i e j u n g e F r a u b e w o h n t e i n kleines H ä u s c h e n f ü r sich u n d w i r d j e d e n z w e i t e n A b e n d v o n i h r e m M a n n besucht. E i n M a n n m i t m e h r e r e n F r a u e n d a r f n ä m l i c h n i c h t eine v o n i h n e n n a c h s e i n e m G u t d ü n k e n bevorzugen, s o n d e r n m u ß m i t seinen Besuchen gerecht abwechseln — j e d e n f a l l s ist das die R e g e l u n g i n den D ö r f e r n , i n denen n i c h t n u r d i e F r a u e n eifer-
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s ü c h t i g ü b e r das E i n h a l t e n „ i h r e s T a g e s " wachen, s o n d e r n sich d e r M a n n auch b e i d e r ganzen D o r f g e m e i n s c h a f t ins Gerede b r i n g t , w e n n er aus d e r R e i h e t a n z t . D i e z w e i t e F r a u H r ë b e t s h a t außer i h r e n ehel i c h e n k e i n e r l e i P f l i c h t e n , sie w a r i n i h r e r A r b e i t s l o s i g k e i t ausgesprochen v e r g n ü g t . D i e alte, erste F r a u dagegen machte e i n e n v e r b i t t e r t e n E i n d r u c k . S i e h a t t e außer f ü r i h r e n M a n n u n d f ü r i h r e T o c h t e r noch f ü r z w e i K ü h e z u s a r g e n u n d m u ß t e , w i e auch i h r e T o c h t e r , auf A u f f o r d e r u n g h i n i m H a u s h a l t des Schechs helfen. B e i d e m g r o ß e n Fest, e I d , a m E n d e des R a m a d a n (1955 E n d e J u l i ) , das i n seiner B e d e u t u n g e t w a u n s e r e m Weihnachtsfest entspricht, spielte sich folgendes ab: H r ë b e t s T o c h t e r k a m als einziges j u n g e s M ä d c h e n z u m festlichen B e i s a m m e n s e i n d e r F r a u e n i n e i n e m a l t e n K l e i d . D i e j u n g e F r a u Tähirs., M u l k ï y e , k o n n t e sich; n i c h t g e n u g t u n , auf den geizigen V a t e r H r ë b e t z u schimpfen. D i e T o c h t e r äußerte d a z u k e i n W o r t . S c h l i e ß l i c h h o l t e M u l k ï y e eines i h r e r e i g e n e n n e u e n K l e i d e r u n d schenkte es d e m M ä d c h e n , das es sofort anzog. D i e H a n d l u n g M u l k ï y e s als G r o ß m u t z u deuten, erwies sich als falsch, d e n n H r ë b e t s V e r h a l t e n f a n d d i e Z u s t i m m u n g aller. E i n g u t e r Schech, v e r s o r g t seine Dienerschaft n i c h t n u r m i t N a h r u n g , s o n d e r n a u c h m i t K l e i d u n g , j e d e r i m Schechshaushalt T ä t i g e d a r f w e n i g s t e n s e i n S o m m e r - -und e i n W i n t e r k l e i d e r w a r t e n , u n d es ist ü b l i c h , e i n K l e i d z u m g r o ß e n Fest z u geben. T ä h i r u n d M u l k ï y e h a t t e n z u m c I d w e d e r a n d i e m ä n n l i c h e noch a n d i e w e i b l i c h e Dienerschaft K l e i d u n g v e r t e i l t , u n d H r ë b e t h a t t e d e n Schech d u r c h die schlecht g e k l e i d e t e T o c h t e r beschämen u n d i h n veranlassen w o l l e n , sein V e r h a l t e n z u k o r r i g i e r e n . 'Abëd c
A b ë d , e t w a 40 J a h r e alt, i s t e i n V e r t r a u e n s m a n n c A b d a l l ä s ; w e n n dieser i n A m a r a ist, erstattet e r i h m ü b e r a l l e V o r g ä n g e i m D o r f B e r i c h t . E r b e r ä t i n A b w e s e n h e i t des Schechs dessen S o h n T ä h i r u n d dieser ist geneigt, s e i n e m R a t F o l g e z u leisten; doch i s t das V e r h ä l t n i s zwischen d e n b e i d e n w e d e r h e r z l i c h n o c h v e r t r a u e n s v o l l . c A b ë d g e h ö r t z u m S t a m m e d e r M e r ë y â n , v o n denen einige S i p p e n sich den A l ! s ä , andere d e n A l A z ë r i g zurechnen. D a d i e M e r ë y â n als S t a m m z u schwach w a r e n , sich z w i s c h e n d e n k ä m p f e n d e n A l e ïsâ, A l Bezzün, A l A z ë r i g u n d A l b ü D e r r ä g s e l b s t ä n d i g z u behaupten, w a r e n sie z u Bündnissen m i t den anderen S t ä m m e n gezwungen; die Bündnisse m i t den A l ! s ä u n d d e n A l A z ë r i g f ü h r t e n f ü r T e i l e d e r M e r ë y â n z u e i n e m Anschluß! u n t e r A u f g a b e einer u n a b h ä n g i g e n S t a m m e s e x i s t e n z . e A b ë d rechnet sich z u d e n A l c ïsâ. E r b e h a u p t e t a u c h v o n a l l e n anderen E i n w o h n e r n Sëgals, daß sie A l e Isä seien. E r v e r w i s c h t b e w u ß t d i e U n t e r schiede zwischen e i n e r e r e r b t e n S t a m m e s z u g e h ö r i g k e i t u n d der Z u g e h ö r i g k e i t z u m Herrschaftsbereich eines d o m i n i e r e n d e n S t a m m e s , o b 8*
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w o h l seine Schechs k e i n e n E h r g e i z v e r r a t e n , d i e B a u e r n Sëgels d e m eigenen S t a m m zuzurechnen. c A b ë d h a t e i n e F r a u , e i n e 15jährige T o c h t e r u n d z w e i Söhne i m A l t e r v o n e t w a 7 u n d 8 J a h r e n . E r ist z u t i e f s t u n z u f r i e d e n , da er k e i n e a n e r k a n n t e P o s i t i o n besitzt. E r l i e b t es, l a u t t ö n e n d e u n d lange Reden z u h a l t e n , h a t aber i n W i r k l i c h k e i t nichts z u sagen. D e n n o c h n i m m t m a n auf seine M e i n u n g Rücksicht u n d b e d e n k t d i e W o r t e , d i e m a n i n seiner G e g e n w a r t äußert, da m a n w e i ß , daß er c A b d a l l ä alles h i n t e r t r a g e n w i r d , w e n n er sich, unbelauscht weiß, u n d daß c A b d a l l ä seinen B e r i c h t e n G l a u b e n schenkt. D i e M ä n n e r e r t r a g e n c A b ë d s G e g e n w a r t m i t k ü h l e r R e s e r v i e r t h e i t . D a c A b d a l l ä i h m k e i n L a n d z u g e w i e s e n hat, l e b t e A b ë d a l l e i n v o n D e p u t a t e n . M i t k e i n e r A r b e i t b e a u f t r a g t , sitzt er n i c h t s t u e n d d e n ganzen T a g h e r u m u n d h a t seine A u g e n u n d O h r e n ü b e r a l l . S e i n e b e i d e n Söhne w e r d e n als L a u f b u r s c h e n des Schechshaush a l t s b e n u t z t u n d g e h e n d o r t aus u n d e i n . D i e F r a u e n s i n d z u k e i n e r Scheu v o r i h n e n v e r p f l i c h t e t , zeigen sich i h n e n u n v e r s c h l e i e r t , u n d d u l d e n eine u n v e r s c h ä m t e V e r t r a u l i c h k e i t . c A b ë d ist d e r Z u t r i t t z u m F r a u e n h a u s j e d e r z e i t gestattet u n d e r g i b t sich d o r t d e n A n s c h e i n , als ob er nach d e m Rechten z u sehen h ä t t e . S e i n e m A u f t r e t e n leistet m a n d u r c h N i c h t a c h t u n g W i d e r s t a n d , w a g t aber k e i n e W i d e r s e t z l i c h k e i t e n , da m a n auch h i e r ü b e r z e u g t ist, daß er c A b d a l l ä e n t s t e l l t e Schilder u n g e n des V o r g e f a l l e n e n geben w ü r d e . I m W i d e r s p r u c h z u r äußeren W ü r d e h a l t u n g steht b e i c A b ë d eine u n h e m m b a r e 'Geldgier. W i e fast alle D i e n e r dieses Schechshaushaltes ist er n u r m a n g e l h a f t v e r s o r g t u n d i n k e i n e r S t e l l u n g , u m v o n B i t t s t e l l e r n k l e i n e Geschenke erpressen z u k ö n n e n . E r ist e i n e r der Ä r m s t e n i m O r t u n d geneigt, jede sich bietende G e l e g e n h e i t z u seinem V o r t e i l z u n u t z e n . Das ^Angebot, i n unsere D i e n s t e z u t r e t e n , l e h n t e er aus P r e s t i g e g r ü n d e n ab, ü b e r r e d e t e u n s aber, seine b e i d e n Söhne e i n z u s t e l l e n . W i r m u ß t e n sie b a l d w i e d e r entlassen, d a sie z u j u n g w a r e n u n d a u ß e r d e m im, ganzen O r t als S p i t z e l des Schechs galten. W o i m m e r sie auftauchten, v e r s t u m m t e n d i e L e u t e oder gaben falsche Auskünfte. Saddam S a d d a m ist e i n e t w a 18jähriger Bursche, d e r z u m S t a m m der A l A z ë r i g g e h ö r t . E r ist m i t T ä h i r u n g e f ä h r g l e i c h a l t r i g u n d dessen erk l ä r t e r L i e b l i n g u n d persönlicher L e i b w ä c h t e r . D e r V a t e r Saddäms w u r d e vor e t w a 7 J a h r e n i n einer Blutrachefehde getötet; seitdem lebt d e r S o h n m i t seiner M u t t e r , seinen z w e i j ü n g e r e n B r ü d e r n u n d e i n e r Schwester z u s a m m e n . E r ist noch ledig, h a t aber feste H e i r a t s p l ä n e , a n d e r e n V e r w i r k l i c h u n g er z i e l b e w u ß t arbeitet. Saddäm erhält w i e Hrëbet u n d e A b ë d ein jährliches Deputat v o n 10 Z e n t n e r n Reis, a u ß e r d e m h a t t e T ä h i r i h m L a n d z u r N u t z u n g z u -
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gewiesen. E r ließ es d u r c h z w e i F e l l a c h e n b e a r b e i t e n u n d w a r so ü b e r zeugt d a v o n , daß m a n seine j u g e n d l i c h e U n e r f a h r e m h e i t a u s z u n u t z e n t r a c h t e n w ü r d e , daß er i n s t ä n d i g e r Sorge ü b e r die geleistete A r b e i t u n d d e n E r t r a g seines Feldes m i t seinen F e l l a c h e n u n d d e n F e l d n a c h b a r n i n m e h r f a c h e n S t r e i t g e r i e t . E r besaß bereits eine K u h u n d e i n e n W a s s e r b ü f f e l u n d w o l l t e die Z a h l seiner T i e r e b a l d v e r m e h r e n . I n seinen j u n g e n J a h r e n w a r er schon E i g e n t ü m e r eines G e w e h r e s , dessen Anschaffungspreis e t w a i n d e r H ö h e eines B r a u t p r e i s e s l i e g t u n d das v o n v i e l e n M ä n n e r n n u r als W u n s c h t r a u m durchs L e b e n g e t r a g e n w i r d . E r steckte sich stolz e i n e n m i t S i l b e r v e r z i e r t e n D o l c h i n d e n G ü r t e l u n d w a r auch Besitzer m e h r e r e r g u t e r K l e i d u n g s s t ü c k e , D e n W o h l s t a n d h a t t e er s o w o h l seiner eigenen G e s c h ä f t s t ü c h t i g k e i t w i e seiner B e l i e b t h e i t i m ,Schechshaushalt z u d a n k e n . S a d d a m w a r k r ä f t i g u n d l u s t i g . W e n n " A b d a l l ä i h n n i c h t brauchte, w a r er 'der ständige B e g l e i t e r T ä h i r s u n d w a c h t e auch nachts ü b e r dessen Sicherheit. A l s ausdauernden B o o t s m a n n b e v o r z u g t e i h n Schech ' A b d a l l ä f ü r seine F a h r t e n u n d ü b e r t r u g i h m i n V e r t r a u e n auf seine I n t e l l i g e n z auch k l e i n e A u f t r ä g e , w i e das Ü b e r m i t t e l n v o n Botschaften, oder das G e l e i t v o n Gästen, d i e i h m o f t e i n Geschenk e i n b r a c h t e n . A u c h S a d d a m w u r d e i m O r t als S p i o n des Schechs angesehen, d i e L e u t e w a r e n i h m gegenüber z u r ü c k h a l t e n d aber n i c h t u n f r e u n d l i c h . Was c A b è d n i c h t erreichen k o n n t e , g e l a n g S a d d a m a u f g r u n d seiner P e r s ö n l i c h k e i t m i t l e i c h t e r M ü h e ; L e u t e , die e t w a s v o n T ä h i r erreichen w o l l t e n , v e r s u c h t e n Saddams Fürsprache z u g e w i n n e n u n d h i e l t e n b e i E r f o l g m i t e i n e m A n e r k e n n u n g s g e s c h e n k n i c h t zurück. So erscheint der w e i t e r e L e b e n s w e g Saddams u n t e r g ü n s t i g e n A s p e k t e n . Tämer T ä m e r , e i n A l e Isä, gehörte f r ü h e r z u m Schechshaushalt Mezyeds. E r w u r d e v o r e i n i g e n J a h r e n z u m D i e n s t nach S ë g a l befohlen, h a t d o r t k e i n e n rechten ^ A n s c h l u ß g e f u n d e n u n d h ä l t sich u n g e r n i m O r t a u f . E r ist e t w a 30 J a h r e a l t u n d l e b t m i t seiner M u t t e r , seiner Schwester, seiner j u n g e n F r a u u n d k l e i n e n T o c h t e r z u s a m m e n i n e i n e r S c h i l f h ü t t e . E r b e k o m m t e i n D e p u t a t v o n 10 Z e n t n e r n Reis u n d m u ß d a f ü r b e i a l l e n A r b e i t e n e i n s p r i n g e n , die auf d e m Reisland, i m F a m i l i e n - u n d V e r s a m m l u n g s h a u s e A b d a l l ä s anfallen. Seine M u t t e r u n d seine F r a u h e l f e n r e g e l m ä ß i g i m Schechshaushalt. E r besitzt k e i n L a n d z u r Nutzung, keine Tiere u n d kein Gewehr. E r lebt i n üblicher A r m u t d a h i n , ist e i n geschickter, w i l l i g e r , schweigsamer, ausdauernder, aber etwas m ü r r i s c h e r A r b e i t e r . Gabbär G a b b ä r , e t w a 25 J a h r e a l t , g e h ö r t z u m S t a m m e d e r A l e I s ä u n d ist angeblich e i n N e g e r m i s c h l i n g . E r i s t v o m M i l i t ä r d i e n s t desertiert u n d
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i n s e i n e m v e r s t ä n d l i c h e n Bestreben, sich z u v e r b e r g e n , auf d i e Idee g e k o m m e n , sich einige Z e i t ins H ö r z u r ü c k z u z i e h e n . Das H ö r ist seit J a h r h u n d e r t e n u n d auch h e u t e noch e i n Rückzugsgebiet f ü r Menschen, d i e e i n e r b e d r ä n g e n d e n S i t u a t i o n a u s w e i c h e n w o l l e n . Z u e r s t w a r er z u seiner Schwester geflüchtet, die m i t i h r e m M a n n z u s a m m e n „ i n der W ü s t e " lebte, f ü h l t e sich aber d o r t n i c h t sicher. A l s i h m Schech e A b d a l l ä anbot, z u i h m n a c h Sëgal als W ä c h t e r z u k o m m e n , g r i f f e r g e r n zu. E r w u r d e als N a c h t w ä c h t e r m i t e i n e m D i e n s t g e w e h r ausgestattet u n d m u ß t e a u ß e r d e m f ü r die M ä n n e r u n d Gäste i m V e r s a m m l u n g s haus Tee z u b e r e i t e n . I n Sëgal w u r d e G a b b ä r b e i e i n e r anderen D i e n e r f a m i l i e e i n q u a r t i e r t , w e i t e r e U m s t ä n d e w u r d e n n i c h t gemacht. E r e r h i e l t k e i n Dep u t a t u n d k e i n L a n d , so daß er als u n v e r h e i r a t e t e r M a n n aus der K ü c h e des Schechs h ä t t e v e r s o r g t w e r d e n müssen. Dieser P f l i c h t k a m m a n so nachlässig nach, daß G a b b ä r es vorzog, sich b e i seiner W i r t s f a m i l i e v e r k ö s t i g e n z u lassen-. E r h i e l t sich eigene H ü h n e r , o b w o h l das ü b l i c h e r w e i s e n u r F r a u e n t u n , aß die E i e r u n d die T i e r e selbst, u n d w a r n i c h t abgeneigt, d i e T i e r e b e i passender G e l e g e n h e i t z u v e r k a u f e n . V o n T ä h i r w u r d e er k a u m beachtet, e r h i e l t n i e e i n Geschenk u n d k e i n Geld. G a b b ä r w a r e i n f r e u n d l i c h v e r a n l a g t e r Mensch, d e r A u f r e g u n g e n u n d A n s t r e n g u n g e n aus d e m Wege g i n g , e r entzog sich b e d r ü c k e n d e n Situationen a m liebsten durch Flucht. Wiederholt meinte er — lächelnd — e r müsse w a h n s i n n i g gewesen sein, nach Sëgal z u gehen. E r t r a t als B o o t s m a n n i n u n s e r e n D i e n s t u n d h a t t e sich nach f ü n f T a g e n I V 2 D i n a r , also 18 M a r k , v e r d i e n t , die i h m ausreichend schienen, seinen lange gehegten P l a n z u v e r w i r k l i c h e n , z u seiner Schwester u n d d e m f r i e d l i c h t a t e n l o s e n L e b e n i n der W ü s t e z u r ü c k z u k e h r e n . E r v e r k a u f t e seine H ü h n e r u n d v e r s c h w a n d h e i m l i c h i n der Nacht, n i c h t o h n e v o r h e r v i e l e n m i t z u t e i l e n , daß e r n u n g e h e n w ü r d e ; k e i n e r h i e l t i h n zurück. Schech T ä h i r n a h m sein V e r s c h w i n d e n gelassen z u r K e n n t n i s u n d zeigte k e i n e N e i g u n g , i h n z u r ü c k z u h o l e n . e A b ë d s Reden, daß G a b b ä r T ä h i r s Geizes w e g e n f o r t g e l a u f e n sei, i h n i n schlechten R u f b r i n g e n w ü r d e , u n d daß m a n e t w a s dagegen t u n müsse, v e r f e h l t e n j e d e n Eindruck. Ahras A ^ r a s , der S t u m m e , w a r e t w a 30 J a h r e a l t u n d gehörte, w i e auch seine F r a u , z u m S t a m m der A l A z ë r i g . E r h a t t e e i n e n S o h n u n d eine Tochter. D i e ganze F a m i l i e w u r d e z u A r b e i t e n i m Schechshaushalt eingesetzt. Afyras w a r e i n einfacher A r b e i t s d i e n e r , -der R e i s d e p u t a t b e k a m , a u ß e r d e m a b e r d r e i W a s s e r b ü f f e l besaß. E r w a r e i n k r ä f t i g e r , durchaus a r b e i t s f ä h i g e r M a n n , d e r aber seine T a u b s t u m m h e i t ausn u t z t e , u m sich so w e i t w i e m ö g l i c h v o r d e r A r b e i t z u d r ü c k e n . W i e -
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d e r h o l t w u r d e e r v o n T ä h i r z u r A r b e i t ins H e i s f e l d geschickt, erschien aber nach k ü r z e s t e r Z e i t w i e d e r ; seinen Gesten k o n n t e m a n e n t n e h men, daß er sich ungesehen davongeschlichen hatte. S a h i h n sein H e r r , so w u r d e er w i e d e r ins R e i s f e l d geschickt, doch schienen es a l l e als gegeben h i n z u n e h m e n , daß Afyras e i n D r ü c k e b e r g e r w a r u n d b l e i b e n w ü r d e . O b w o h l seine F r a u i m Schechshaushalt arbeitete, h a t t e er selbst k e i n e n Z u t r i t t z u m F r a u e n h a u s . Das V e r h ä l t n i s z u s e i n e m H e r r n u n d z u seiner U m w e l t l a g e t w a s auf d e r Ebene d e r C l o w n e r i e ; d a b e i w a r Afyras e i n geschickter u n d t ü c h t i g e r A r b e i t e r , w e n n er gerade L u s t dazu hatte. I m F r a u e n h a u s l e b t e noch eine u r a l t e D i e n e r i n , d i e d o r t das G n a d e n brot bekam. A r b e i t konnte v o n ihr nicht m e h r gefordert werden; meist l a g sie schlafend i n e i n e m W i n k e l u n d d ä m m e r t e i h r e m E n d e e n t gegen. A l s persönlicher Begleiter "Abdalläs w u r d e uns noch Saead bekannt, dessen F a m i l i e aber n i c h t i n Sëgal w o h n t e . Ü b e r i h n k o n n t e n w i r Näheres n i c h t i n E r f a h r u n g b r i n g e n . Z u m engeren K r e i s v o n e A b d a l l ä g e h ö r t e n z w e i V e r t r a u e n s m ä n n e r , die als A u f s e h e r b e i den A r b e i t e n i n den R e i s f e l d e r n eingesetzt w a r e n . Sie w o h n t e n n i c h t , w i e d i e b i s h e r g e n a n n t e n D i e n e r , i n u n m i t t e l b a r e r N ä h e v o n ' A b d a l l ä s Gehöft, sondern k a m e n t ä g l i c h i n sein V e r s a m m lungshaus, u m e n t w e d e r B e f e h l e e n t g e g e n z u n e h m e n oder B e r i c h t zu erstatten. D e r erste A u f s e h e r ( i m H a u s 45 auf d e m P l a n ) w a r e i n A l e Isä u n d erst v o r 13 J a h r e n aus d e r W ü s t e nach Sëgal z u g e w a n d e r t . E r h a t t e z w e i Söhne, v o n denen einer v e r h e i r a t e t w a r , aber i m H a u s e des V a t e r s lebte. Seine eigene F r a u u n d die S c h w i e g e r t o c h t e r w a r e n a r a bischer H e r k u n f t , A l e Isä, u n d i n der K u n s t d e r T e p p i c h w e b e r e i e r fahren. I n Sëgal ü b t e n sie die T e p p i c h k n ü p f e r e i g e w e r b s m ä ß i g aus. D a i h n e n d a r i n n u r die F r a u e n einer anderen F a m i l i e K o n k u r r e n z m a c h ten, w a r e n sie v o l l beschäftigt u n d v e r d i e n t e n recht g u t . Sie v e r k a u f t e n i h r e L ä u f e r t e p p i c h e j e nach G r ö ß e f ü r 2 bis 4 D i n a r , so daß die F a m i l i e z u d e n W o h l h a b e n d e r e n u n d A n g e s e h e n e n i m O r t gehörte. D e r z w e i t e A u f s e h e r ( i m H a u s 59 auf d e m P l a n ) s t a m m t e v o n d e n A l A z ë r i g ab. E r n a h m an der E r o b e r u n g Sëgals t e i l , besaß d a m a l s schon das V e r t r a u e n ' A b d a l l ä s u n d w u r d e v o n i h m als M i t t e l s m a n n z u d e n F e l l a c h e n u n d P ä c h t e r n e i n g e s e t z t E r e r h i e l t j ä h r l i c h 10 Z e n t n e r R e i s d e p u t a t u n d a u ß e r d e m abgabefrei L a n d z u r N u t z u n g ü b e r lassen. Das i h m zugewiesene F e l d ließ er d u r c h seine Söhne u n d F e l l a c h e n bestellen. D e r M a n n f i e l d u r c h seine f r e u n d l i c h e B e s o n n e n h e i t auf, er w a r b e i den P ä c h t e r n w o h l g e l i t t e n u n d schien e A b d a l l ä b e i der V e r w a l t u n g seines L a n d e s g u t e D i e n s t e z u erweisen. W e n n
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T a h i r das R e g i m e n t f ü h r t e , 'Abdalläs.
k a m er n u r
selten i n das
Männerhaus
D i e w i r t s c h a f t l i c h e n V e r h ä l t n i s s e ' A b d a l l ä s schienen g ü n s t i g zu liegen; danach z u f r a g e n h ä t t e eine ähnliche T a k t l o s i g k e i t bedeutet w i e i n unserer K u l t u r ; a u ß e r d e m w ä r e e i n e l e t z t e O f f e n h e i t auch b e i großer V e r t r a u t h e i t n i c h t z u e r w a r t e n gewesen. Q u e l l e n des W o h l s t a n d e s der F a m i l i e w a r e n folgende E i n n a h m e n : D e m Schech stehen v o n den P ä c h t e r n seines Landes, j e nach den v e r e i n b a r t e n P a c h t b e d i n g u n g e n , als A b g a b e n 50 b i s 75 ^/o der E r n t e zu. D e r Schech h a t 50 % z u beanspruchen, w e n n der P ä c h t e r das Saatg u t selbst s t e l l t , 7 5 % , falls der Schech das S a a t g u t l i e f e r t . Es w a r n i c h t i n E r f a h r u n g zu b r i n g e n , w i e v i e l e T o n n e n Reis ' A b d a l l ä i m V o r j a h r g e e r n t e t h a t t e , oder w i e h o c h die k o m m e n d e E r n t e geschätzt w u r d e , doch w u r d e u n s d e r Preis einer T o n n e Reis g e n a n n t . I m z w e i t e n W e l t k r i e g h a t t e n die Preise sehr angezogen u n d m a n t r a u e r t e den v e r g a n g e n e n iZeiten e h r l i c h nach. F ü r eine T o n n e Reis w u r d e n bis zu 80 D i n a r (d. h . 960 M a r k ) erzielt, w ä h r e n d nach d e m K r i e g e d i e Preise rasch f i e l e n u n d 1955 n u r noch 15 D i n a r p r o Tonne, also e t w a 180 M a r k , b e t r u g e n . D a e A b d a l l ä auch d i e g r o ß e n L ä n d e r e i e n Mezyeds v e r w a l tete, w o f ü r i h m e i n b e s t i m m t e r Prozentsatz d e r A b g a b e n zustand, ist a n z u n e h m e n , daß der V e r k a u f der R e i s e r n t e seine H a u p t e i n n a h m e quelle war. V o n der auf d e m Trockenland erzielten Weizen- u n d Gerstenernte e r h i e l t e A b d a l l ä v o n seinen P ä c h t e r n ebenfalls A b g a b e n i n H ö h e v o n 50®/o oder 75 *°/o, eine a u d i n u r angenäherte S c h ä t z u n g seines d a r a u f b e r u h e n d e n E i n k o m m e n s ist u n m ö g l i c h . A u c h v o n seinen i n d e r W ü s t e l i e g e n d e n Schaf- u n d .Ziegenweiden u n d v o n den auf seinem L a n d w e i d e n d e n f r e m d e n H e r d e n h a t t e ' A b d a l l ä E i n k ü n f t e i n n i c h t feststellbarer Höhe. D i e K a u f l e u t e i n Sëgal h a b e n den Schechs ihres B e z i r k e s eine festgelegte U m s a t z s t e u e r zu zahlen, d i e auf S c h ä t z u n g e n d e r Schechs beruhen; zu 'Abdalläs Bereich gehörten z w e i Kaufleute, von denen der eine 4 D i n a r , d e r andere 15 D i n a r i m J a h r a b f ü h r e n m u ß t e . D i e g e w e r b s m ä ß i g fischenden B a r b a r a h a b e n den Schechs ihres Wohnsitzes 5 bis 10 %> ihres Fanges als A b g a b e z u e n t r i c h t e n , w i e uns gesagt w u r d e , f ü r e i n volles B o o t e t w a 5 D i n a r . D a " A b d a l l ä i n seinem W o h n b e z i r k 13 B a r b a r a zählte, d e r e n F a n g v i e l l e i c h t alle 2 b i s 3 W o chen e i n B o o t f ü l l t e , k a n n m a n seine E i n n a h m e n d u r c h die Fischsteuer a u f 100 D i n a r m o n a t l i c h schätzen. Das V e r p a c h t e n v o n G r a s l a n d , das i n der T r o c k e n z e i t w e s t l i c h des Flusses h e r v o r t r i t t , k a n n i n g ü n s t i g e n J a h r e n erhebliche E i n n a h m e n b r i n g e n . 1955 verpachtete ' A b d a l l ä an S c h a f h i r t e n v o n A l b ü S ä l i h
Siedlungs- und Lebensweise I. Sëgal W e i d e l a n d z u e i n e m Preis v o n 500 D i n a r (6000 M a r k ) , M e k t ü f
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auf gleiche A r t 280 D i n a r , M i s h i r 30 D i n a r ein. D e m s t e h e n A u s g a b e n f ü r den n i c h t persönlichen B e d a r f gegenüber: B e z a h l u n g der Dienerschaft i n F o r m v o n täglicher E r n ä h r u n g u n d Deputaten, durch K l e i d u n g u n d Beihilfen bei Heirat, Tod u n d B l u t rache. D i e K l e i d e r d e r F r a u e n u n d die Disdäsen d e r M ä n n e r k o s t e n e t w a j e 1 D i n a r , die f ü r die k a l t e W i n t e r z e i t n o t w e n d i g e n U m h ä n g e 3 bis 5 D i n a r , K o p f t ü c h e r u n d c A g ä l eines M a n n e s z u s a m m e n e t w a 1 Dinar. D i e Steuer an d i e R e g i e r u n g b e t r ä g t 3 bis 5 ·% d e r angegebenen oder geschätzten E r n t e . I n d e n O r t k o m m e n d e Gäste müssen v o m Schech kostenlos v e r p f l e g t w e r d e n , f ü r d e r e n Ü b e r n a c h t u n g m u ß e r e i n e genügende M e n g e v o n Teppichen, K i s s e n u n d Schlafdecken b e r e i t h a l t e n . E r ist es seinem A n s e h e n schuldig, die i n seinem M u d ï f v e r s a m m e l t e n M ä n n e r jeden Morgen m i t Kaffee zu bewirten. D i e W a n d e r p r e d i g e r , die z u den g r o ß e n Festen .aus e i g n e m A n t r i e b oder auf E i n l a d u n g i m D o r f erscheinen, müssen b e z a h l t u n d b e w i r t e t w e r d e n . R e g e l m ä ß i g e 'Geschenke an G e l d u n d N a t u r a l i e n e r h a l t e n a l l e i m O r t w o h n e n d e n Sëyids, besonders die des e i g e n e n B e z i r k s . D e n Sëyids w i r d a u ß e r d e m nach A u f f o r d e r u n g oder aus e i g e n e m A n t r i e b e i n T e i l d e r E r n t e ü b e r w i e s e n , d e n sie i m N a m e n d e r Schechs an d i e A r m e n , A l t e n u n d W a i s e n des Dorfes v e r t e i l e n . D i e F ü r s o r g e f ü r die H i l f l o s e n ist eine soziale P f l i c h t d e r Schechs, d i e als ausführende O r g a n e die Sëyids einsetzen; dieser sozialen V e r p f l i c h t u n g k o m m e n die Schechs i n sehr u n t e r s c h i e d l i c h e m U m f a n g e nach. A u c h b e i d e r A u f b r i n g u n g v o n B l u t g e l d ist i n l e t z t e r I n s t a n z d e r Schech f ü r a l l e i S t a m m e s m i t g l i e d e r v e r a n t w o r t l i c h . F ü r K r i e g s z ü g e s i n d heute k e i n e A u s g a b e n m e h r vorzusehen, d a f ü r t r e t e n gelegentlich ä r m e r e S t a m m e s m i t g l i e d e r m i t der B i t t e u m e i n D a r l e h e n f ü r H e i r a t , B e s t a t t u n g s k o s t e n oder B l u t r a c h e g e l d a n i h n heran. E t w a a l l e 10 J a h r e m u ß d e r Schech aus eigenen M i t t e l n sein V e r s a m m l u n g s h a u s n e u e r r i c h t e n lassen, e i n e Ausgabe, die sich auf 200 bis 300 D i n a r b e l ä u f t . N i c h t n u r h i n s i c h t l i c h d e r w i r t s c h a f t l i c h e n V e r h ä l t n i s s e , sondern auch i n der p e r s ö n l i c h e n L e b e n s g e s t a l t u n g u n t e r s c h i e d e n sich d i e Schechs der A l cIsä u n d ihre Angehörigen bemerkenswert. ' A b d a l l ä u n d seine F a m i l i e v e r h a r r e n i n e i n e r s e l b s t g e w o l l t e n U n b i l d u n g . e A b d a l l ä setzte i n seiner J u g e n d seinen E h r g e i z darein, sich i m K r i e g e h e r v o r z u t u n ; er h a t t e k e i n e Z e i t u n d w o h l auch k e i n e N e i g u n g , sich u m K e n n t n i s s e i m L e s e n u n d Schreiben z u b e m ü h e n . S e i n S o h n T ä h i r ist a u f f a l l e n d i n t e l l i g e n t , v e r r ä t aber k e i n Interesse an B ü c h e r w e i s h e i t , u m so m e h r an m a t e r i e l l e m Erwerb.. I m V e r k e h r m i t
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d e n L e u t e n ist e r h o c h f a h r e n d u n d launisch, seine Schiedssprüche f i n d e n n i e d e n B e i f a l l der P a r t e i e n . E r m a g v o n großen T a t e n t r ä u m e n , w e n n er s t u n d e n l a n g «über das Wiasser oder v o r sich h i n b l i c k t , aber die R e g i e r u n g h i n d e r t i h n , sie auf d e m K r i e g s s c h a u p l a t z z u t u n , der seinem V a t e r R u h m brachte. So f ü h r t T ä h i r m i t seinen j u n g e n J a h r e n e i n tatenloses L e b e n , gelegentlich, g e h t er i n die Reisfelder, gelegentl i c h g e h t er a u f die Jagd, f r e u t sich ü b e r j e d e n Besuch, d e r seine L a n g e w e i l e u n t e r b r i c h t , u n d sucht A b w e c h s l u n g d u r c h eigene Besuche i n S a t ä m y e . Doch a l l z u v i e l e S t u n d e n bleiben, i n d e n e n er m i ß l a u n i g i n d e m M u d ï f s i t z t oder die Z e i t i m F r a u e n h a u s verschläft. A u s S p a r s a m k e i t h ä l t sich die F a m i l i e ' A b d a l l ä s k e i n e n Schreibk u n d i g e n , e i n e n M u l l ä , w i e es der A n a l p h a b e t M e z y e d i n S a t ä m y e t u t . D e r M u l l ä sorgt d o r t i m V e r k e h r m i t d e n P ä c h t e r n u n d d e r Reg i e r u n g f ü r eine geordnete B u c h f ü h r u n g u n d A b r e c h n u n g . T r i t t an e A b d a l l ä oder T ä h i r d i e N o t w e n d i g k e i t heran, S c h r i f t s t ü c k e lesen oder schreiben z u müssen, so lassen sie einen der 10 S c h r i f t k u n d i g e n Sëgals h o l e n u n d b e d i e n e n sich seiner K e n n t n i s s e ohne E n t g e l t . Sie k ö n n e n so n u r e i n e n m a n g e l h a f t e n Ü b e r b l i c k ü b e r die G e s c h ä f t s f ü h r u n g b e h a l t e n , w a s d e r R e g i e r u n g gegenüber V o r t e i l e u n d N a c h t e i l e h a b e n m a g . Nächst e A b d a l l ä ist dessen ä l t e r e r B r u d e r M e k t ü f i n Sëgal v o n B e d e u t u n g , .allerdings n u r f ü r die M i t g l i e d e r der Schechsfamilie, w e n i g e r i m V e r k e h r m i t d e r R e g i e r u n g . M e k t ü f e r w i e s sich, als e i n i n t e l l i g e n t e r , aufgeschlossener M a n n , d e r z w a r n i c h t selbst lesen u n d schreiben k o n n t e , aber f ü r seinen k l e i n e n S o h n eine S c h u l e r z i e h u n g wünschte. E r zeigte sich interessiert u n d i n f o r m i e r t ü b e r p o l i t i s c h e P r o b l e m e des I r a q u n d des Auslandes, e r w u ß t e einiges ü b e r E u r o p a u n d w a r d e r e i n z i g e i n Sëgal, der u n s e r e r B e t e u e r u n g u n p o l i t i s c h e r , p r i v a t e r A r b e i t s a b s i c h t e n G l a u b e n schenkte. B e i e i n e m F e s t m a h l e r w i e s er sich als d e r H a l t a l l e r i n Sëgal w o h n e n d e n F a m i l i e n m i t g l i e d e r außer e A b d a l l ä . W e n n auch M i s h i r m i t seinem O n k e l M e k t ü f e i n Z e r w ü r f n i s hatte, 9o w a r doch M e k t ü f s M u d ï f der B e r a t u n g s p l a t z d e r F a m i l i e . I n M e k t ü f s B e z i r k , a u s d r ü c k l i c h u n t e r s e i n e m Schutz, w o h n e n seine Schwester, d i e W i t w e M n ë t i s u n d der e i n e S o h n Sintas. E r k ü m m e r t sich u m i h r m a t e r i e l l e s W o h l e r g e h e n u n d versucht, i h n e n z u i h r e m Recht z u v e r h e l f e n . M i t den Sëyids seines O r t s t e i l s l e b t e r i n g u t e m E i n v e r n e h m e n u n d g i b t i h n e n r e i c h l i c h Geschenke u n d G a b e n z u m V e r t e i l e n a n die A r m e n . B e i M e k t ü f l e b e n die m e i s t e n der F a r t ü s , die nach d e m K a m p f m i t ' A b d a l l ä i n Sëgal g e b l i e b e n s i n d ; sie h a b e n sich d u r c h U m s i e d l u n g i m O r t u n t e r seinen Schutz begeben. I n Sëgal l e b t M e k t ü f m i t n u r e i n e r F r a u zusammen, v o n der er e i n e n e t w a 5 j ä h r i g e n Sohn, Fësal, h a t , a n d e m e r m i t a u f f ä l l i g e r L i e b e h ä n g t . E r besitzt e i n zweites H a u s i n d e r W ü s t e , i n R u w ë d a , w o seine beiden anderen Frauen wohnen. F r ü h e r w a r Ruwëda Mektüfs Dauer-
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woflmplatz, aber v o r 14 J a h r e n siedelte e r n a c h Sëgal u m u n d besucht seine L ä n d e r e i e n i n der W ü s t e — u n d d a m i t seine F r a u e n — n u r i n d r i n g e n d e n F ä l l e n . D i e K o p f z a h l seines Hauses gab er m i t 40 an, w o r u n t e r aber außer d e n F a m i l i e n m i t g l i e d e r n a u c h d i e S k l a v e n gez ä h l t sind. I n Sëgal u m s o r g t e i h n als engster V e r t r a u t e r e i n V o l l b l u t neger, außer d i e s e m w o h n t e eine w e i t e r e D i e n e r f a m i l i e i m Hause. I m Schutze v o n M e k t ü f s G e h ö f t l e b t Sintas noch u n v e r h e i r a t e t e r S o h n N a ' ë m e i n e i n e m k l e i n e n Schilfhaus. E r h ä l t sich ö f t e r i n R u w ë d a auf, w o er n a c h den S c h a f h e r d e n seines O n k e l s sieht u n d auch nach seinen e i g e n e n T i e r e n , die auf d e m L a n d seines O n k e l s w e i d e n . D e r z w e i t e S o h n Sintas, H l ë f , ist e t w a 17 J a h r e a l t u n d besitzt i n Sëgal e i n e n k l e i n e n I n s e l b e z i r k , w i e d e r P l a n zeigt, u n d 150 I m s e r a Reisland. E r l e b t m i t seiner M u t t e r , seiner Schwester, seiner F r a u u n d s e i n e m Solhn z u s a m m e n i n e i n e m k l e i n e n G e h ö f t , i n d e m d i e F r a u e n ohne D i e n e r s c h a f t w i r t s c h a f t e n . H l ë f ist e i n n e t t e r , b e d e u t u n g s loser j u n g e r M a n n , der z u f r i e d e n ist m i t d e m , was e r h a t , u n d ohne E h r g e i z sein dörfliches L e b e n fortzusetzen g e d e n k t . M e k t ü f s Schwester u n d i h r M a n n , e i n S ë y i d , w o h n e n nahe b e i M e k t ü f s H o f (Haus 270). Sie s i n d v o r e t w a 10 J a h r e n aus T a w ë y i l a m B t ë r a z u g e w a n d e r t , w o d i e R e g i e r u n g eine Schule e i n g e r i c h t e t h a t , die die Söhne d e r Schwester besuchten. Sie gehören d a r u m z u d e n w e n i g e n (10) i n Sëgal, die lesen u n d schreiben k ö n n e n . A u c h d i e Schwester M e k t ü f s ist nach Sëgal gezogen, u m sich b e i der V e r t e i l u n g des Reislandes durch die R e g i e r u n g e i n e n A n t e i l z u sichern, u n d m u ß t e n u n m i t i h r e r F a m i l i e im; D o r f ausharren. D i e Söhne k ö n n e n sich m i t d e m D o r f l e b e n a u f d i e D a u e r n i c h t b e f r e u n d e n u n d d e n k e n a n A b w a n d e r u n g i n d i e S t a d t . D a sie z u e i n e m a r m e n Z w e i g d e r F a m i l i e d e r Schechs gehören, b l e i b t i h n e n k e i n e a n d e r e W a h l , als m i t i h r e n i n der Schule e r w o r b e n e n K e n n t n i s s e n einen „ g e a c h t e t e n " B e r u f z u ergreifen, e t w a R e g i e r u n g s a n g e s t e l l t e r oder auch L e h r e r z u w e r d e n . U n t e r d e n M i t g l i e d e r n d e r Schechsfamilie f ü h r t G a d b ä n die k ü m m e r l i c h s t e E x i s t e n z , E r ist v e r h e i r a t e t , h a t 2 S ö h n e u n d 1 Tochter, a u ß e r d e m l e b t seine M u t t e r b e i i h m . E r selbst v e r f ü g t ü b e r k e i n e Dienerschaft, n u r seine M u t t e r h a t aus f r ü h e r e n T a g e n eine a l t e N e g e r i n als persönliche D i e n e r i n behalten. E r besitzt als e i n z i g e r Schech k e i n M u d l f , s o n d e r n n u r e i n e n ans F a m i l i e n h a u s a n g e b a u t e n Gästeteil, w i e i h n auch die w o h l h a b e n d e r e n einfachen L e u t e i m O r t bauen. E r h ä l t z w e i K ü h e i n seinem 'Gehöft u n d b e m e r k e n s w e r t e r w e i s e d a z u z w e i Wasserbüffel, die v o n a l l e n a n d e r e n A l ! s ä als T i e r e d e r M a c d ä n abgelehnt w e r d e n . Das V o r h a n d e n s e i n v o n W a s s e r b ü f f e l n i m Hause Gadbäns ist d e m E i n f l u ß seiner M a t t e r zuzuschreiben, d i e v o n d e n A l A z ë r i g a b s t a m m t u n d sich nichts daraus macht, sich, selbst als M e c ë d i zu bezeichnen.
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G a d b ä n gab an, außer den K ü h e n u n d B ü f f e l n , i n der W ü s t e 200 Schafe u n d 2 P f e r d e z u besitzen. S e i n S c h i l f h a u s h a t t e er n e b e n d e m a l t e n L e h m h a u s seines V a t e r s H a m d ä n es S i k a r e r r i c h t e t , das m i t g e r i n g e r M ü h e h ä t t e h e r g e r i c h t e t w e r d e n k ö n n e n ; doch w u r d e n das H a u s u n d der P l a t z , auf d e m es stand, gemieden, da es d o r t s p u k e n sollte. M e g ï d e l H a m d ä n w a r t r o t z seiner 20 J a h r e noch u n v e r h e i r a t e t u n d l e b t e m i t seiner M u t t e r u n d Schwester z u s a m m e n . V o r e t w a 12 J a h r e n zog e r aus S a t ä m y e n a c h Sëgal u m , d a m i t i h m R e i s l a n d zugesprochen w u r d e . E r h i e l t sich außer 10 K ü h e n k e i n e w e i t e r e n Tiere. A u f seinem H o f l e b t e n 10 D i e n s t l e u t e . M e g ï d w a r d e r beliebteste d e r H a m d ä n Söhne, e r k o n n t e lesen u n d schreiben, w a r geistig interessiert, lebensl u s t i g , g a s t f r e u n d l i c h u n d geselliger U n t e r h a l t u n g d u r c h T a n z u n d Gesang n i c h t abgeneigt. D i e F r e u d e a n Z e r s t r e u u n g e n s o l l i h m den U n w i l l e n seines angeblich s i t t e n s t r e n g e n O n k e l s c A b d a l l ä zugezogen haben. Z u seinem B r u d e r M e z y e d bestand das d e n k b a r schlechteste V e r h ä l t n i s , das schließlich zu d e r geschilderten V e r u r t e i l u n g M e g ï d s d u r c h die R e g i e r u n g s b e h ö r d e n f ü h r t e . O b w o h l M e g ï d n i c h t sonderlich w o h l h a b e n d w i r k t , genießt e r d e n R u f großer G a s t f r e u n d l i c h k e i t . D i e einfachen L e u t e k o m m e n g e r n i n s e i n windschiefes V e r s a m m l u n g s h a u s , u n d e r b e t e i l i g t sich l e b h a f t an i h r e n U n t e r h a l t u n g e n . M i s h i r ist der j ü n g s t e S o h n H a m d ä n es S i k a r s , e t w a 17 J a h r e alt. E r l e b t n u r m i t seiner M u t t e r zusammen, d i e aus w o h l h a b e n d e m H a u s e s t a m m t u n d d a v o n sprach, m e h r e r e tausend D i n a r z u besitzen. D i e M u t t e r w a r d i e einzige F r a u i n dieser d ö r f l i c h e n U m w e l t , d i e geb i l d e t g e n a n n t w e r d e n k o n n t e ; sie k o n n t e , w e n n auch angeblich n i c h t schreiben, so doch lesen u n d f ü h r t e i n t e l l i g e n t u n d energisch das R e g i m e n t i m Hause. Sie entschied f ü r i h r e n noch m i n d e r j ä h r i g e n S o h n i n d e n S t r e i t i g k e i t e n zwischen seinen P ä c h t e r n u n d D i e n e r n , oder gab i h m Ratschläge, w i e e r sich v e r h a l t e n solle. Sie w a r eine ausgezeichnete H a u s f r a u u n d genoß b e i den L e u t e n R e s p e k t u n d A c h t u n g , so daß sie sich i h r e n A n w e i s u n g e n b e r e i t w i l l i g fügten. Sie f ü h r t e e i n f ü r die V e r h ä l t n i s s e i n Sëgal großes H a u s m i t 10 D i e n e r n u n d einer w e i t e r e n , a u ß e r h a l b des Gehöftes w o h n e n d e n D i e n e r f a m i l i e . M i s h i r ist i n T a w ë y i l aufgewachsen u n d erst v o r 5 J a h r e n nach Sëgal z u g e w a n d e r t . E r b e m ü h t sich, e i n e r A n r e g u n g der M u t t e r folgend, v o n seinem s c h r i f t k u n d i g e n V e t t e r c A b d a l l ä , d e m S o h n d e r Schwester M e k t ü f s, lesen u n d schreiben zu l e r n e n u n d w o l l t e g e r n auch d i e englische Sprache erlernen, da M u t t e r u n d S o h n e r n s t h a f t e i n e Reise nach E u r o p a p l a n t e n . M i s h i r s Z u k u n f t s p l ä n e l a g e n auf k a u f m ä n n i s c h e m Geb i e t . E r t r ä u m t e davon, i n d e r H a u p t s t a d t eine V e r t r e t u n g europäischer Industrieerzeugnisse zu ü b e r n e h m e n , d u r c h die er ohne M ü h e u n d standesgemäß reich zu w e r d e n h o f f t e . Sachkenntnisse h i e l t er f ü r
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überflüssig, da das G e l d seiner M u t t e r u n d seine A b s t a m m u n g i h m die n o t w e n d i g e n B e z i e h u n g e n u n d d a m i t A u f t r ä g e sichern w ü r d e n . D i e engsten B e z i e h u n g e n u n t e r h i e l t er zu seinem M u t t e r b r u d e r , e i n e m Schech der A l A z ë r i g . M i s h i r f u h r h ä u f i g zu i h m a u f Besuch, was seine M u t t e r u n t e r s t ü t z t e , d a sie sich v o n d e m g u t e n E i n f l u ß ihres t ü c h t i g e n u n d k l u g e n B r u d e r s auf den J u n g e n v i e l versprach. A l l e diese V e r h ä l t n i s s e w a r e n auf der P e r s ö n l i c h k e i t der F r a u .
ungewöhnlich
und beruhten
allein
D i e b ä u e r l i c h e B e v ö l k e r u n g Segais D i e herrschenden F a m i l i e n der A l ! s ä k ö n n t e n w i e eine d ü n n e Schicht v o n S ë g a l abgehoben oder d u r c h e i n e andere ersetzt w e r d e n , ohne daß sich d a d u r c h wesentliche V e r ä n d e r u n g e n i n d e r Z u s a m m e n setzung der b ä u e r l i c h e n B e v ö l k e r u n g oder deren Lebensweise ergeben w ü r d e n . Diese w i r d i n Sëgal, w i e a u f S. 101—102 a u s g e f ü h r t , d u r c h die U m w e l t v e r h ä l t n i s s e b e s t i m m t ; d a u e r h a f t e r Schilf bestand i m V e r e i n m i t s t ä n d i g e m W a s s e r v o r k o m m e n lassen b e i v i e l e n E i n w o h n e r n Sëgals das G e f ü h l entstehen, daß i h r e A r t der L e b e n s g e s t a l t u n g — d u r c h H e r stellen u n d V e r k a u f v o n S c h i l f m a t t e n u n d H a l t e n einer m ö g l i c h s t g r o ß e n Z a h l v o n W a s s e r b ü f f e l n — d i e e i n z i g d e n k b a r e sei. So beh a u p t e n sie m i t v o l l e r Ü b e r z e u g u n g , daß auch i h r e V o r f a h r e n n i e anders u n d i m m e r i n Sëgal gelebt ihätten. D i e v o n uns e r m i t t e l t e n Z a h l e n bestätigen diese Aussage n u r f ü r einen T e i l der Bevölkerung; Z u - u n d A b w a n d e r u n g , Reisbau u n d Fischerei erweisen sich als wesentliche F a k t o r e n f ü r andere T e i l e der B e v ö l k e r u n g . Das zunächst so e i n h e i t l i c h scheinende B i l d d e r Lebensweise i n Sëgal w i r d b e i n ä h e r e m Z u s e h e n b u n t e r u n d d i f f e r e n z i e r t e r . D i e v o n u n s e r m i t t e l t e n Z a h l e n seien i n T a b e l l e n f o r m v o r a n g e s t e l l t ; sie s i n d nach b e s t i m m t e n Z e i t s p a n n e n gegliedert, die sich b e i der A u s w e r t u n g der A n g a b e n als p r a k t i s c h e r w i e s e n . Es g i b t i n Sëgal 473 W o h n p l ä t z e , v o n denen 46 i m S o m m e r 1955 n i c h t b e w o h n t w a r e n . Jeder Z e i l e i n der T a b e l l e e n t s p r i c h t einer der b e w o h n t e n 427 P l ä t z e ; die i n K l a m m e r n angegebenen N u m m e r n e n t sprechen d e n Z a h l e n auf d e m P l a n . Das auf d e m W o h n p l a t z stehende H a u s w i r d v o n einer, gelegentlich auch m e h r e r e n F a m i l i e n b e w o h n t , d i e aber a b s t a m m u n g s m ä ß i g z u s a m m e n g e h ö r e n u n d d a r u m gleiche S t a m m e s z u g e h ö r i g k e i t besitzen. D i e G e s a m t h e i t der i n e i n e m H a u s z u s a m m e n w o h n e n d e n Personen sei h i e r zunächst als „ F a m i l i e " bezeichnet; Genaueres ü b e r die Z u s a m m e n s e t z u n g d e r F a m i l i e n w i r d auf S. 141 ff. m i t g e t e i l t .
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Siedlungs- und Lebensweise I. S g a l
Für die A = D = F = I = M = S = Se = Ζ =
Zeichenerklärung vertikale Spalte: A l Azërig Diverse { A l b ü Derräg, Suwä c id, 'Amêra u. a.) Fartüs A l c îsâ A l b u Mohammed Sagänba Sëyid Zuwanderer
Für die Β = F = G = H = Κ = M = Ν = S = Sch = Τ = W =
horizontale Zeile: Bärye (Schilfmattenherstellung) Fäle Gamüs (Büffel) Händler (Kaufmannsladen) Kühe Reparaturen von Booten (Meshüf) Netzfischerei (Barbara) Spinnen von Wolle Schafe Teppichknüpfen Weben
I n der Spalte R = Reisland kennzeichnen die Buchstaben die Namen der Schechs, von denen die Familie Reisland gepachtet hat: A = cAbdallä D = Megïd Ε = Mektüf G = Gadbän I = Mishir M = Mezyed Die i m letzten Jahr zugewanderten 10 Familien: Ζ 1. I 2. A 3. A 4. A 5 A 6. A 7. A 8. M 9. D 10. D
(5) (26) (159) (181) (184) (193) (194) (183) (162) (177)
Κ
S
Ν
— 2 — —
— Ja — Ja
Ja Ja Ja Ja
— — —
— — —
Ja Ja Ja
Die i n den letzten 10 Jahren zugewanderten 82 F a m i l i e n (ausschließlich der eben erwähnten i m letzten Jahr zugewanderten Familien): Ζ 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
I I I I I I I
(80) (92) (154) (155) (174) (179) (313)
G
Κ
F
Β
S
H
Sch
Τ
W
M
R
Ν
3 — — — — — —
— — 2 3 8 3 —
— — — — — — —
— — — — — — —
— Ja Ja Ja — — —
— — — — — — —
1 — — — — — —
— — — — — — —
— — — — — — Ja
— — — — — — —
— — D D — — —
— — — — — — —
Siedlungs- und Lebensweise I. G
Ζ 8. I 9. I 10. I Ι. A 2. A 3. A 4. A 5. A 6. A 7. A 8. A 9. A 10. A 11. A 12. A 13. A 14. A 15. A 16. A 17. A 18. A 19. A 20. A 21. A 22. A 23. A 24. A 25. A 26. A 27. A 28. A 1. F 2. F 3. F 4. F 5. F 6. F 7. F 8. F 9. F 10. F 11. F 12. F 13. F 1. S 2. S 3. S 4. S 5. S 6. S Ι. M 2. M 3. M 4. M 5. M 6. M
(337) (387) (391) (19) (28) (62) (68) (71) (82) (123) (152) (153) (158) (160) (167) (168) (170) (171) (186) (187) (190) (202) (243) (380) (384) (386) (388) (392) (393) (437) (450) (231) (232) (254) (259) (263) (267)