Die Lehre von der Teilrechtsfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts und die Ultra-vires-Doktrin des öffentlichen Rechts [1 ed.] 9783428500789, 9783428100781

Über die Frage des Umfangs der Rechtsfähigkeit des Staates und der sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rech

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Die Lehre von der Teilrechtsfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts und die Ultra-vires-Doktrin des öffentlichen Rechts [1 ed.]
 9783428500789, 9783428100781

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DIRK EHLERS

Die Lehre von der Teilrechtsfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts und die Ultra-vires-Doktrin des öffentlichen Rechts

Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft Herausgegeben im Auftrag der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster durch die Professoren Dr. Hans-Uwe Erichsen Dr. Helmut Kollhosser Dr. Jürgen Welp

Band 130

Die Lehre von der Teilrechtsfahigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts und die Ultra-vires-Doktrin des öffentlichen Rechts

Von

Dirk Ehlers

Duncker & Humblot . Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Ehlers, Dirk:

Die Lehre von der Teilrechtsfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts und die Ultra-vires-Doktrin des öffentlichen Rechts / von Dirk Ehlers. - Berlin : Duncker und Humblot, 2000 (MUnsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft ; Bd. 130) ISBN 3-428-10078-6

D6 Alle Rechte vorbehalten CO 2000 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-5383 ISBN 3-428-10078-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97068

Vorwort Über die Frage des Umfangs der Rechtsflihigkeit des Staates und der sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts ist seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 28. Februar 1956 (BGHZ 20, 119 ff.) selten vertieft nachgedacht worden. Daher ist auch nicht geklärt, welche Folgen es hat, wenn der Staat oder juristische Personen des öffentlichen Rechts den ihnen vom Recht gezogenen Wirkungskreis überschreiten. In Rechtsprechung und Schrifttum wird in solchen Fällen oftmals das Ultra-vires-Prinzip herangezogen, ohne daß der Inhalt und die Rechtskonsequenzen dieses Prinzips hinreichend deutlich werden. Andere Gerichtsentscheidungen und Stimmen in der Literatur wenden bei Überschreitung des Wirkungskreises wie selbstverständlich die allgemeinen Fehlerfolgen an. Die Möglichkeit, daß die Rechtsflihigkeit des Staates und der sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts enger als die von Privatpersonen sein könnte, gerät nicht ins Blickfeld. Weder das eine noch das andere Vorgehen vermag zu überzeugen. Daher unternimmt die vorliegende Arbeit den Versuch, die Problematik von Grund auf neu zu überdenken. Da auch andere Rechtsordnungen eine Ultra-vires-Lehre kennen, bemüht sich die Abhandlung darum, deren Erkenntnisse einzubeziehen. Insbesondere ist ein Rechtsvergleich mit dem englischen Recht und dem europäischen Gemeinschaftsrecht, daneben auch mit dem US-amerikanischen Recht und dem Völkerrecht vorgenommen worden. Für Gespräche über das englische Verwaltungsrecht danke ich insbesondere Lord Browne-Wilkinson, House of Lords, Professor Daintith, Dean of the Institute of Advanced Legal Studies (London), Professor Craig, Worcester College (Oxford), und Barrister Supperstone (London). Über das US-amerikanische Recht konnte ich mich mit Professor lohn Reitz, University of Iowa, ferner auch mit Professor Thomas Lundmark (Münster) austauschen. Allen Gesprächspartnern bin ich zu Dank verpflichtet. Die Untersuchung geht auf einen Forschungsaufenthalt am Institute of Advanced Legal Studies in London zurück. Der Aufenthalt ist von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützt worden. HierfUr schulde ich der Deutschen Forschungsgemeinschaft großen Dank. Der Aufenthalt am Institute of Advanced Legal Studies hat mir ein weiteres Mal gezeigt, wie wichtig die Rechtsvergieichung auch im öffentlichen Recht ist. Münster, im März 1999

Dirk Ehlers

Inhaltsverzeichnis I.

Die Fehlerfolgen des öffentlichen Rechts ................................................. 11

11.

Die Lehre von der Teilrechtsflihigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts und die Ultra-vires-Doktrin ................................................ 17 1. Der Wirkungskreis juristischer Personen des öffentlichen Rechts ...... 17 a) Der Wirkungskreis von Trägern der mittelbaren Staatsverwaltung .. 18 b) Der Wirkungskreis von Bund und Ländern ................................... 19 c) Der Wirkungskreis im Falle einer wirtschaftlichen Betätigung ..... 19 2. Die Rechtsfolgen einer Überschreitung des Wirkungskreises juristischer Personen des öffentlichen Rechts .......................................... 22

III. Die reale Bedeutung der Lehre von der Teilrechtsflihigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts und der Ultra-vires-Doktrin ................. 24 1. Die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes gegen die Überschreitung des Wirkungskreises juristischer Personen des öffentlichen Rechts ......................................................................................... 24 a) Mitgliederklagen ........................................................................... 24 b) Gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen Trägern von Staatsgewalt. .................................................................................. 26 c) Klagen von Privatpersonen ........................................................... 27 2. Die Überschreitung des Wirkungskreises im Zuge einer wirtschaftlichen Betätigung ................................................................................ 28 a) Das Beispiel der öffentlich-rechtlich organisierten Banken .......... 28 b) Das Beispiel der Kommunalwirtschaft .......................................... 29 3. Die Überschreitung des Wirkungskreises im Zuge der deutschen Wiedervereinigung.............................................................................. 30 IV. Die geschichtliche Entwicklung der Lehre von der Teilrechtsflihigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts und der Ultra-vires-Doktrin ..... 31 1. Das ältere Schrifttum .......................................................................... 31 2. Die Rechtsprechung bis zum Ende der ftlnfziger Jahre ....................... 34

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Inhaltsverzeichnis 3. Die Rezeption der Rechtsprechung ..................................................... 35 4. Würdigung der Dogmengeschichte ..................................................... 36

V.

Die Ultra-vires-Doktrin des englischen Rechts ....................................... 37 1. Ausklammerung der Parlamentsakte im englischen Recht.. ................ 38 2. Zielsetzung und Entwicklung der. englischen Ultra-vires-Doktrin ...... 39 3. Rechtsfolgen eines Handelns ultra vires ............................................. 43

VI. Die Ultra-vires-Doktrin und das US-amerikanische Recht.. ..................... 47 VII. Die Ultra-vires-Doktrin des Völkerrechts und des europäischen Gemeinschaftsrechts ..................................................................................... 48 1. Die Behandlung von KompetenzUberschreitungen im Völkerrecht.. .. 48

2. Die Behandlung von Rechtsverstößen im Recht der Europäischen Gemeinschaften .................................................................................. 49 a) Verstöße der Mitgliedstaaten gegen Gemeinschaftsrecht.. ............ 50 aa) Verstöße des Gesetzgebers .................................................... 50 bb) Verstöße der Verwaltung ....................................................... 52 b) Verstöße der Europäischen Gemeinschaften gegen Gemeinschaftsrecht. ................................................................................... 53 aa) Beurteilung der Rechtsfolgen nach mitgliedstaatlichem Recht.. ...53 bb) Beurteilung der Rechtsfolgen nach Gemeinschaftsrecht.. ...... 54 VIII. Überprüfung der deutschen Lehre von der Teilrechtsfllhigkeitjuristischer Personen des öffentlichen Rechts bzw. der deutschen Ultra-vires-Doktrin .. 59 1. Die Unterscheidung von Ultra- und Intra-vires-Handlungen .............. 62 a) Überschreitung des Wirkungskreises in räumlicher Hinsicht ........ 63 b) Überschreitung des Wirkungskreises in sachlicher Hinsicht.. ....... 64 2. Die Rechtsfolgen der Ultra-vires-Entscheidungen .............................. 66 3. Die Vereinbarkeit der Lehre von der Teilrechtsfllhigkeitjuristischer Personen des öffentlichen Rechts und der deutschen Ultra-viresDoktrin mit dem Rechtsstaatsprinzip .................................................. 68 a) Grundsätzliche Bedenken .............................................................. 68 b) Beispiele rur unangemessene Ergebnisse der Lehre von der Teilrechtsfllhigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts bzw. der deutschen Ultra-vires-Doktrin ........................................ 71

Inhaltsverzeichnis

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aa) Kompetenzüberschreitungen der Länder bei der Ausfllhrung von Bundesrecht ............................................................ 71 bb) Kompetenzilberschreitung der Kommunen bei der Wahrnehmung von staatlichen Auftragsangelegenheiten oder Pflichtaufgaben zur ErfUllung nach Weisung......................... 72 cc) Kompetenzilberschreitungen im Zusammenhang mit der Errichtung juristischer Personen ............................................ 73 dd) Kompetenzüberschreitungen im allgemeinen ........................ 74 ee) Ausschluß von ReaktionsansprUchen ..................................... 75 4. Konsequenzen ..................................................................................... 76

IX. Zusammenfassung ..................................... ............................................... 79 Literaturverzeichnis .......................................................................................... 81 Sachregister ...................................................................................................... 87

I. Die Fehlerfolgen des öffentlichen Rechts Widerspricht ein Handeln von Rechtssubjekten dem geltenden Recht, besagt dies noch nichts über die Gültigkeit oder Aufrechterhaltung des HandeIns. Wie die Rechtsordnung im allgemeinen unterscheidet auch das öffentliche Recht zwischen wirksamen Akten, vernichtbaren Akten, nichtigen Akten und Nichtakten I. Trotz einer Rechtsverletzung kann ein Akt nicht nur von Anfang an wirksam, sondern auch in Zukunft aufrechtzuerhalten sein, etwa -

weil bloße Ordnungsvorschriften mit Appellcharakter mißachtet worden sind2 , die Rechtsordnung bestimmte Rechtsverstöße nach dem Muster der §§ 46, 59 VwVf'G ft1r unbeachtlich erkläre,

-

der Akt aus Gründen des Vertrauensschutzes aufrechterhalten werden muß (so daß beispielsweise eine Rücknahme nach § 48 VwVf'G ausscheidet) oder eine bloße Unvereinbarkeit mit der Verfassung vorliegt (z. B. weil ein Gesetz wegen BegOnstigungsausschluß des Betroffenen gleichheitswidrig ist,

1 Im Privatrecht ist früher die Abgrenzung von Nichtakten und nichtigen Akten vor allem im Zusammenhang mit der Unterscheidung von Nichtehen und nichtigen Ehen diskutiert worden (vgl. dazu Diederichsen, in: Palandt, 57. Aufl. 1998, Einf. 2 Vor § 16 EheG). Das Vorliegen einer Nichtehe (etwa wegen Fehlens der Mitwirkung eines Standesbeamten oder einer anderen Person i. S. d. § 11 Abs. 2 EheG a. F., einer "Eheschließung" von Gleichgeschlechtlichen oder der Nichterklärung des Eheschließungswillens) konnte von jedermann geltend gemacht werden; dagegen konnte sich gemäß § 23 EheG a. F. niemand auf die Nichtigkeit einer Ehe berufen, solange nicht die Ehe durch gerichtliches Urteil rur nichtig erklärt worden war. Nach dem neuen EheschließungsRG wird nur noch zwischen Nichtehen und der aufhebbaren Ehe unterschieden. Das Rechtsinstitut der Ehevemichtbarkeit ist abgeschaffi (Diederichsen, in: Palandt, Einf. § 1313 Rn. 3). Die Gründe, wann eine Ehe aufzuheben ist, sind abschließend in § 1314 BGB geregelt. Auch hier gilt, daß erst eine Aufhebungsklage erfolgreich erhoben werden muß, bevor sich jemand auf die fehlerhafte Ehe berufen darf. Zur Differenzierung im öffentlichen Recht vgl. die klassische Schrift von W Jellinek, Der fehlerhafte Staatsakt und seine Wirkungen, eine verwaltungs- und prozeßrechtliche Studie. 2 Vgl. dazu VGH BW, BWVPr. 1976, 275; Gern, Sächsisches Kommunalrecht, Rn. 544. , 3 Zur dogmatischen Einordnung des § 46 VwVfG vgl. einerseits Krebs, DVBI. 1984, 109 (Ill); Hili, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S.408; Sachs, in: StelkenslBonkiSachs, VwVfG, § 46 Rn. 2 - Ausschluß der Rechtsverletzung, andererseits Schenke, DOV 1986, 305 (307 ff.); dens., WiVerw 1988, 145 (191) - Ausschluß des Aufhebungsanspruchs.

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I. Die Fehlerfolgen des öffentlichen Rechts

aber die Möglichkeit besteht, daß der Gesetzgeber den Betroffenen in den Kreis der Begünstigten einbezieht4, oder weil ein rech,tswidriger Zustand übergangsweise hingenommen werden muß).s In der Regel ist ein rechtswidriger Verwaltungsakt allerdings entweder vernichtbar oder nichtig. 6 In dem zuerst genannten Fall kann der Akt von dem Handelnden (Gesetzgeber oder Verwaltungsbehörde), einem anderen Rechtssubjekt (etwa einem Anfechtenden) oder einer Kontrollinstanz (z. B. einer Widerspruchsbehörde oder einem Gericht) aufgehoben resp. erfolgreich angegriffen werden. Im letzteren Fall ist der Akt allgemein "unwirksam".7 Ihm fehlt zwar nicht die äußere Wirksamkeit (der Akt als solcher ist vorhanden und kann auch dem Handelnden zugerechnet werden), wohl aber mangelt es ihm an der inneren Wirksamkeit. 8 Dies bedeutet, daß der Akt nicht die intendierten materiellen Rechtswirkungen entfaltet. Er ist unverbindlich9 oder - wie man auch sagen könnte - ungültig lO, mag dies endgültig auch erst nach autoritativer Klärung der Rechtslage durch ein Gericht feststehen. Da Handlungen nur gezielte Rechtswirkungen entfalten können, wenn sie final oder zumindest rechtsgeschäftsähnlich auf Bewirkung von Rechtsfolgen gerichtet sind 11, können nur solche Akte, nicht dagegen bloße Tathandlungen nichtig sein. Die Abgrenzung von Wirksamkeit, bloßer Rechtswidrigkeit und Nichtigkeit und die daraus folgenden Konsequenzen werden in Rechtsprechung und Schrifttum breit erörtert. Dagegen ist der Kategorie der Nichtakte bisher kaum Aufmerksamkeit geschenkt worden. Gerichtsentscheidungen, die sich dieses Problemkreises an-

BVerfGE 17,210 (216); 23,135 (142); 61, 43 (56); 71, 39 (49 f.); 74, 182 (195). Dies soll nach der Rechtsprechung des BVerfG etwa geboten sein, wenn es gilt, eine sonst eintretende Funktionsunfllhigkeit staatlicher Einrichtungen zu vermeiden, die der verfassungsmäßigen Ordnung noch ferner stUnde als der bisherige Zustand (BVerfGE 33,1, 13; 303, 347; 41, 251, 267 f.; 85, 386, 401). Entsprechendes gilt, wenn eine vorübergehende Weitergeltung im Interesse eines schonenden Übergangs von der verfassungswidrigen zu einer verfassungsmäßigen Rechtslage geboten ist (vgl. BVerfGE 61,319,356; 73, 40,101/102; 91, 186,207). 6 Hat sich der Akt erledigt, stellt sich die Frage der Wirksamkeit nicht mehr, sondern allenfalls noch die Frage, wie der Akt rechtlich einzustufen gewesen wäre. 7 Vgl. z. B. § 43 Abs. 3 VwVfG. 8 Vgl. Huxholl, Die Erledigung eines VerwaItungsakts im Widerspruchsverfahren, S. 47; Sachs, in: StelkenslBonkiSachs, VwVfG, § 43 Rn. 211. Zur Unterscheidung von äußerer und innerer Wirksamkeit vgl. auch Erichsen, in: ders. (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 13 Rn. 1 ff. 9 Vgl. Obermayer, VwVfG, § 43 Rn. 3; WoljJlBachofiStober, Verwaltungsrecht I, § 48 Rn. 7. Vgl. auch Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn. 66. 10 Vgl. zu diesem Sprachgebrauch MeyeriBorgs-Maciejewski, VwVfG, § 43 Rn. 13; Klappstein, in: Knack (Hrsg.), VwVfG, § 43 Rn. 2.2. 11 Bei den final auf Bewirkung von Rechtsfolgen gerichteten Handlungen handelt es sich um Regelungen. Zur Unterscheidung von finalen Rechtshandlungen und rechtsgeschäftsähnlichen Handlungen vgl. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 488. 4

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I. Die Fehlerfolgen des öffentlichen Rechts

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nehmen, sind selten. 12 In den Lehrbüchern und Kommentaren zum Staats- und Verwaltungsrecht wird die Thematik entweder überhaupt nicht behandelt oder mit wenigen Worten gestreift. 13 Unter Nichtakten in dem hier verwendeten Sinne sollen nicht Duldungen oder Unterlassungen - wie sie etwa im Falle eines Vollzugsdefizits vorliegen verstanden werden, sondern positive Handlungsweisen, die aber dem Rechtssubjekt, in dessen Namen sie abgegeben wurden, von Anfang an und definitiv nicht zugerechnet werden können, in diesem Sinne also nicht existent sind. Hierzu sind im öffentlichen Recht etwa diejenigen Fälle zu zählen, in denen -

der Handelnde nicht autorisiert ist, Staatsgewalt auszuüben und eine Genehmigung der fehlenden Vertretungsmacht nicht in Betracht kommt l4 (wie z. B. bei der Amtsanmaßung des sog. Hauptmanns von Köpenick ls , der eigenmächtigen Aufstellung eines Straßenverkehrsschildes durch einen Bauunternehmer l6 , den von der Behörde nicht veranlaßten Erlaß eines Subventionsverwaltungsaktes durch einen nicht beliehenen Privaten l7 oder der sich amtlich gebenden "Gerichtsentscheidung" durch eine private Instanz I8 ),

12 Vgl. aber BVerfG, NJW 1985, 788 (VorprOfungsausschuß); BVerwG, NVwZ 1987, 330; BFHE 125, 347; 142, 204 ff.; 147, 205 ff.; VGH BW, NVwZ 1991, 1195 (1196). 13 Vgl. aber z. B. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd. I Allgemeiner Teil, S. 228; Lücke, JuS 1985, 767 ff.; Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 21 Rn. 189; Obermayer, VwVfG, § 35 Rn. 266; WoljJlBachoJlStober, Verwaltungsrecht I, § 49 Rn. 18 ff.; Klappstein, in: Knack (Hrsg.), VwVfG, § 44 Rn. 3.3; Kopp, VwVfG, §§ 35 Rn. 8, 43 Rn. 28 f, 44 Rn. I; PietznerlRonellenjitsch, Assessorexamen, §§ 31 Rn. 6, 33 Rn. 9; Schmitt Glaeser, Verwaltungsprozeßrecht, Rn. 140; Erichsen, in: ders. (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 12 Rn. 19; Sachs, in: StelkenslBonkiSachs, VwVfG, § 44 Rn. 3. 14 Wegen des Rechtsschutzes sei auf die Nachw. in Fn. 12 verwiesen. Abzulehnen HessLSG, MDR 1986, 790, wonach die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gegen die Entscheidung eines privaten Verbandes gegeben sein soll, die den Anschein erweckt, daß es sich um einen Verwaltungsakt handelt. 15 Vgl. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd. I Allgemeiner Teil, S. 228; Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 21 Rn. 189; Obermayer, VwVfG, § 35 Rn. 266; Erichsen, in: ders. (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 12 Rn. 19. 16 Str. Nach BVerwGE 35, 334 ff., soll ein vom Bauunternehmer erlassenes Verkehrsverbot noch nicht einmal nichtig sein, wenn die Straßenverkehrsbehörde zugestimmt hat. Vgl. dazu Kopp, VwVfG, § 35 Rn. 17. Ferner OVG Bremen, NVwZ 1988, 651 f (Aufforderung zur Auskunftserteilung durch VolkszähIer kein Verwaltungsakt). 17 Zur Qualifizierung von behördlich veranlaßten Subventionsverwaltungsakten durch nicht beliehene Privatrechtssubjekte vgl. BVerwG, DVBI. 1970, 735 f. Kritisch dazu Kopp, DVBI. 1970, 724 (726 f.); Eh/ers, VerwArch. 74 (1983), 112 (118 m. Fn. 40). 18 Näher dazu mit weiteren Beispielen und Nachw. Lücke, JuS 1985, 767 (768); Hartmann, in: BaumbachiLauterbach, ZPO, Übers § 300 Rn. 11 f.; zum sog. "nichti-

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I. Die Fehlerfolgen des öffentlichen Rechts

-

Erklärungen nicht ernstlich gemeint sind (wie etwa bei der Übergabe der Hoheitsgewalt an einen Karnevalsprinzen) oder Übungs- und Ausbildungscharakter haben l9 ,

-

eine Amtshandlung durch unmittelbaren Zwang (vis absoluta) oder unwiderstehliche Nötigung erwirkt wird (wie bei der Bewilligung eines Stipendiums wegen vorgehaltener Pistole )20 oder

-

ein "Noch-nicht-Akt" vorliegt21 , der wie bei der Weitergabe des verwaltungsinternen Entwurfs des Verwaltungsaktes ohne Willen der Behörde22 oder der nicht wirksamen Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes 23 noch nicht aus dem Bereich des Verwaltungsträgers herausgetreten ist.

Im einzelnen können sich Abgrenzungsprobleme ergeben. So sind die "Noch-nicht-Akte" von Handlungsweisen zu unterscheiden, die schwebend unwirksam sind - wie etwa eine Einbürgerung vor Aushändigung der Urkunde (§ 16 Abs. 1 S. 1 RuStAG) oder ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, der ohne Zustimmung des Dritten in dessen Rechte eingreift (§ 58 Abs. 1 VwVfG). Selbst wenn sich die schwebende Unwirksamkeit in eine endgültige verwandelt, fUhrt das nicht zur Annahme eines Nichtaktes, sondern nur zur Nichtigkeit. Gelegentlich lassen die gesetzlichen Bestimmungen selber erkennen, daß zwischen vernichtbaren Akten, nichtigen Akten und Nichtakten unterschieden gen" Strafurteil vgl. auch W. Jellinek, Der fehlerhafte Staatsakt und seine Wirkungen, eine verwaltungs- und prozeßrechtliche Studie, S. 119 ff. 19 Vgl. dazu Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 21 Rn. 189 m. Fn. 225 (Scherzerklärung); GiemullalJaworskyIMüller-Uri, VerwaItungsrecht, Rn. 307, Klappstein, in: Knack (Hrsg.), VwVfG, § 44 Rn. 3.3 (Scherzakte). 20 Vgl. W. Jellinek, Der fehlerhafte Staatsakt und seine Wirkungen, eine verwaltungs- und prozeßrechtliche Studie, S. 114 f.; Obermayer, VwVfG, § 35 Rn. 266; GiemullalJaworskyIMüller-Uri, Verwaltungsrecht, Rn. 307; WolfflBachofiStober, Verwaltungsrecht I, § 49 Rn. 20. A. A. Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 21 Rn. 204; Sachs, in: StelkenslBonk/Sachs, VwVfG, § 44 Rn. 3 - u. a. mit Hinweis auf § 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 VwVfG (der aber nicht alle Fälle der Drohung erfassen dürfte). 21 WolfflBachofiStober, VerwaItungsrecht I, § 49 Rn. 23; Kopp, VwVfG, § 43 Rn. 28. 22 Vgl. BFHE 142, 204 ff. (Computerausdruck zum internen Gebrauch); 147, 205 ff.; BFH, NVwZ 1990, \04; PietznerlRonellenjitsch, Assessorexamen, § 33 Rn. 9. Ferner BVerfG, NJW 1985, 788 (Vorprüfungsausschuß) - Einstufung von Gerichtsbeschlüssen ohne Unterschrift aller Richter als bloßer Beschlußentwurf (Nichtentscheidung). Dazu Lücke, JuS 1985, 767 ff. 23 Vgl. dazu BVerwG, NVwZ 1987,330; BFH NV 1988,50 (51); VGH BW, NVwZ 1991, 1195 (1196); Saarl. FG, EFG 1995, 157 f.; PietznerlRonellenjitsch, Assessorexamen, § 33 Rn. 9. A. A. BayVGH, NVwZ 1984, 249 (250) (Nichtigkeit); Sachs, in: StelkenslBonk/Sachs, VwVfG, § 44 Rn. 5 (Unwirksamkeit). Ungenau (weil nicht zwischen äußerer und innerer Wirksamkeit unterscheidend) § 43 Abs. I S. I VwVfG, wonach ein Verwaltungsakt in dem Zeitpunkt wirksam wird, in dem er dem Betroffenen bekanntgegeben wird.

I. Die Fehlerfolgen des öffentlichen Rechts

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werden soll. So regelt § 6 BBG die Ernennung von Bundesbeamten und bestimmt u. a., daß die Ernennung durch Aushändigung einer Ernennungsurkunde erfolgt (Abs.2 S. I). Die Urkunde muß einer bestimmten Form entsprechen (Abs.2 S. 2). Tut sie dies nicht, "liegt eine Ernennung nicht vor" (Abs. 2 S. 3). Die Nichternennung ist ein Nichtakt24 und nicht etwa ein nichtiger oder gar ein nur vemichtbarer Akt, wie sich auch daraus ergibt, daß die Fehlerfolge der Nichtigkeit und bloßen Rechtswidrigkeit grundsätzlich abschließend 2s in den §§ 11, 12 BBG und nicht in § 6 BBG geregelt ist. 26 Ähnliche Differenzierungen finden sich auch auch in den sonstigen Beamtengesetzen und Richtergesetzen. 27 Vor allem aber werden diejenigen Handlungsweisen der juristischen Personen des öffentlichen Rechts oftmals zu den Nichtakten gezählt, die den Wirkungskreis dieser Personen Uberschreiten. 28 Dies wird mit der Lehre von der A. A. Klappstein , in: Knack (Hrsg.), VwVfG, § 44 Rn. 5.2. Vgl. Ballis, BBG, Vor § 11 Anm. I. 26 Vgl. dazu sowie zu den verschiedenen Fällen der Nichternennung Strunk, Beamtenrecht, Rn. 98 f.; Wiese, Beamtenrecht, S. 85; Summer, in: Fürst (Hrsg.), GKÖD I/K, § 6 Rn. 53; Ballis, BBG, § 11 Anm. I; WoljJlBachoJlStober, Verwaltungsrecht 11, § 111 Rn. 17; Günther, DÖD 1990,281 (287); Kopp, in: Steiner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht II1, Rn. 71; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 44 Rn. 65. 27 Vgl. z. B. §§ 5 Abs. 3 S. I BRRG; 5 Abs. I S. I LRiG NW. 28 Vgl. BGHZ 20, 119 (122 ff.); 52, 283 (286); OLG Karlsruhe, NJW 1991, 1487 (1488); NJW 1993, 918 (920). Zur Aufgabenbeschränkung juristischer Personen des öffentlichen Rechts (ohne eindeutige Qualifizierung der Fehlerfolgen) vgl. auch BVerwGE 34, 69 (74 ff.); 59, 231 (237); 64, 115 (117 ff.). Nach BSG (BSGE 11, 1,6 f.) sind hoheitliche Maßnahmen eines öffentlich-rechtlichen Verbandes, die die Grenzen des Wirkungskreises überschreiten, als nichtig anzusehen. Ebenso z. B. OVG NW, DVBI. 1976,395 f.; Hess. VGH, NVwZ-RR 1991,226 f.; OLG Frankfurt a. M., NJW 1992, 14 f. Ferner zum Ultra-vires-Prinzip: Enneccerus/Nipperdey, Bürgerliches Gesetzbuch, Allgemeiner Teil, S. 624 f.; Klotz, DÖV 1964, 181 ff.; Burmann, DB 1966,369 (371); Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd. I Allgemeiner Teil, S. 482 f.; v. Mutius, in: BK (Zweitbearbeitung), Art. 19 111 GG Rn. 44; ders., JuS 1977, 99 (101); ders., Kommunalrecht, Rn. 86 f.; Eggert, Die deutsche Ultra-vires-Lehre, S. 23 tT.; Boujong, WiVerw 1979,48 (56 ff.); Isensee, DB 1979, 145 (146); Pappermann, Der Status der Gemeinden und Kreise als Gebietskörperschaften, in: PÜllner (Hrsg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. I, S. 299 (302 - "nur innerhalb dieses zugewiesenen Wirkungskreises ,existiert' die Gemeinde, außerhalb dieses Bereichs steht ihr keine Rechtsfähigkeit zu"); StefJen, in: RGRK, Bürgerliches Gesetzbuch, Vor § 21 Rn. 4; Fritz, Vertrauensschutzprinzip im Privatrechtsverkehr mit Gemeinden, S. 226 ff.; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 235; relativierend ders., in: Erichsen (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § I Rn. 28; Hadding, in: Soergel, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Vor § 21 Rn. 25 f., § 89 Rn. 53; Stern, Staatsrecht II1/I, § 71 I 5 b ß; SterniNierhaus, Regionalprinzip und Sparkassenhoheit im Europäischen Binnenmarkt, S. 15; Burmeister, VVDStRL 52 (1993), 190 (217 f.); Reuter, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Vor § 21 Rn. 13 a, § 89 Rn.21; Westermann, in: Erman, Handkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Vor § 21 Rn. 10, § 89 Rn. 8; WoljJlBachoJlStober, Verwaltungsrecht I, § 32 Rn. 9 (deutsche Ultra-viresLehre; dagegen soll das angloamerikanische Ultra-vires-Prinzip nicht gelten, § 25 Rn. 4; der Unterschied wird nicht erläutert); Fechtrup, Deutsche Genossenschaftsbank, Rechts24 25

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I. Die Fehlerfolgen des öffentlichen Rechts

Teilrechtsfllhigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts (einschließlich des Staates) bzw. der Ultra-vires-Doktrin begrUndet. Im folgenden soll allein der Frage nachgegangen werden, ob diese Lehren heute noch einer Überprtlfung standhalten. Zunächst wird kurz der Inhalt der Lehren dargestellt (11.). Sodann soll der Blick auf die reale Bedeutung (III.) und geschichtliche Entwicklung (IV.) geworfen werden. Ferner wird untersucht, ob das englische Recht (V.), das US-amerikanische Recht (VI.) sowie das Völkerrecht und europäische Gemeinschaftsrecht (VII.) das Ultra-vires-Prinzip zu stUtzen vennögen. Anschließend ist die Frage zu stellen, ob die tradierten Lehren heute noch zeitgemäß sind (VIII.). Eine Zusammenfassung schließt die Untersuchung ab (IX.).

grundlagen, Entwicklung und Tätigkeit, S. 124 f.; Rawert, in: Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Ein!. zu §§ 21 - 89 Rn. 25; Koenig, WM 1995, 317 (323 f.); Stober, Kommunalrecht der Bundesrepublik Deutschland, § 1911; Erichsen, in: tiers. (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 12 (außerhalb des Wirkungskreises eingegangene Verpflichtungen und begründete Rechte sind nichtig, abgegebene Erklllrungen werden nicht zugerechnet); Heinrichs, in: Palamit, Bürgerliches Gesetzbuch, Einf. § 21 Rn. 11; Grawert, in: GrupplRonellenjitsch (Hrsg.), FS tllr W. BIOmeI, S. 119, 127 ff., 131 f. Ganz oder teilweise kritisch Fuß, DÖV 1956, 566 ff.; Bullinger, Vertrag und Verwaltungsakt, S. 102 ff.; Winter/eid, Grenzen des HandeIns juristischer Personen des öffentlichen Rechts im Privatrechtsverkehr - zur Lehre vom beschrankten Wirkungskreis öffentlich-rechtlicher Rechtssubjekte, S. 89 ff.; Schricker, Wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand und unlauterer Wettbewerb, S. 50 ff.; Oldiges, DÖV 1989,873 (882 f.); Pohle, Mitgliederklagen in Zwangskörperschaften - unter besonderer Berücksichtigung von BVerfGE 67, 26 ff.; 78, 320 ff., Diss., S. 37 ff.; SchneiderIBusch, WM 1995, 326 (330); Gerick, Die Beteiligung der Sparkassen- und Giroverblinde an den Landesbanken, dargestellt am Beispiel der WestLB, S. 259 ff.; Kluth, Funktionale Selbstverwaltung, S. 332, Fn. 425 (wonach die Ultra-vires-Lehre als solche im deutschen Zivil- und Verwaltungsrecht nicht anerkannt sei, die Annahme einer Teilrechtsfllhigkeit aller juristischen Personen des öffentlichen Rechts aber zu einem IIhnlichen Ergebnis tllhre). In der verwaltungsverfahrensrechtlichen Kommentarliteratur wird zumeist davon ausgegangen, daß die Uberschreitung der Verbandskompetenz im Hinblick auf den Erlaß von Verwaltungsakten nur zur Nichtigkeit (ggf. auch nur zur Rechtswidrigkeit) ruhrt. Vg!. Klappstein, in: Knack (Hrsg.), VwVfG, Vor § 3 Rn. 1.6.2.; Bonk, in: StelkenslBonk/Sachs, VwVfG, § 3 Rn. 10; Sachs, in: StelkenslBonk/Sachs, VwVfG, § 44 Rn. 159. Vg!. auch U1eILaubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 10 Rn. 43.

11. Die Lehre von der Teilrechtsfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts und die Ultra-vires-Doktrin 1. Der Wirkungskreis juristischer Personen des öffentlichen Rechts Juristische Personen des öffentlichen Rechts werden zur Verfolgung bestimmter Zweckel und AufgabensteIlungen errichtet. Sie haben somit nur einen begrenzten Aufgaben- oder wie man auch sagen könnte, begrenzten Wirkungskreis. Synonym wird davon gesprochen, daß die Verbandskompetenz der juristischen Personen des öffentlichen Rechts beschränkt ist. 2 Dies ist indessen keine Besonderheit juristischer Personen des öffentlichen Rechts. Wie die öffentlich-rechtlichen können auch die juristischen Personen des Privatrechts nur durch oder aufgrund Gesetzes ins Leben gerufen werden. 3 Verdankt die juristische Person jedoch der gesetzlichen Grundlage ihre Existenz, muß es dem Gesetzgeber grundsätzlich erlaubt sein, den der juristischen Person eröffueten Wirkungskreis näher zu bestimmen und damit einzugrenzen. Hiervon hat der Privatrechtsgesetzgeber Gebrauch gemacht. Beispielsweise müssen Genossenschaften "die Förderung des Erwerbes oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder mittels gemeinschaftlichen Zweckbetriebes bezwecken" (§ 1 Abs. 1 GenG). Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit wird nur die Rechtsfähigkeit verliehen, wenn der Verein "die Versicherung seiner Mitglieder nach dem Grundsatz der Gegenseitigkeit betreiben will" (§ 15 VAG). Zumeist ist der Wirkungskreis der juristischen Personen des Privatrechts aber denkbar weit. So können Gesellschaften mit beschränkter Haftung "zu jedem gesetzlich zulässigen Zweck" errichtet werden (§ 1 GmbHG). Ein Verein, "dessen Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist", hat prinzipiell Anspruch auf Erlangung der Rechtsfähigkeit (§ 218GB).

I Zur Frage, ob Personen Ziele oder Zwecke verfolgen, vgl. Ehlers, Ziele der Wirtschaftsaufsicht, S. 8 ff. Im folgenden wird an die gebräuchliche Tenninologie angeknüpft. 2 Vgl. zum wechselnden Sprachgebrauch (Verbandskompetenz oder Wirkungskreis), ohne daß dem eine inhaltliche Differenzierung zugrundeliegt, z. B. Erichsen, Kommunalrecht des Landes Nordrhein-Westfalen, S. 47 ff. 3 Stern, Staatsrecht IIIII, § 71 I 4 a; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. I Grundlagen, S. 4.

2 Ehlers

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11. Die Lehre von der Teilrechtsfiihigkeit juristischer Personen

a) Der Wirkungskreis von Trägern der mittelbaren Staatsverwaltung Im Vergleich zu den juristischen Personen des Privatrechts haben die juristischen Personen des öffentlichen Rechts jedenfalls dann einen sehr viel eingeschränkteren Wirkungskreis, wenn es sich um Träger mittelbarer Staatsverwaltung handelt. Der Wirkungskreis wird im öffentlichen Recht sachlich und örtlich bestimmt. Der sachliche bezieht sich auf die übertragenen Verwaltungsaufgaben. So liegt es auf der Hand, daß die Rechtsanwaltskammern nicht die Sachaufgaben der Ärzte- oder Handwerkskammern wahrnehmen dürfen und die Landesversicherungsanstalten nicht dazu berufen sind, Bankgeschäfte jeglicher Art zu betreiben oder eine Universitätsausbildung anzubieten. Örtlich müssen sich die juristischen Personen des öffentlichen Rechts auf den ihnen zugewiesenen räumlichen Bereich beschränken. Im einzelnen können sich zahlreiche Abgrenzungsprobleme ergeben. So sind zwar die Gemeinden 4 gemäß Art. 28 Abs. 2. S. I GG (also verfassungsunmittelbar) nur fllr alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze zuständig. Gleichwohl dürfen sich die Gemeinden unter bestimmten Voraussetzungen auch außerhalb des Gemeindegebietes betätigen. Zum einen läßt sich aus den Selbstverwaltungsgarantien des Grundgesetzes und der Landesverfassungen eine Befugnis der Gemeinden zur interkommunalen Zusammenarbeit ableiten. 5 Dies schließt nach den gesetzlichen Bestimmungen die Möglichkeit ein, einen gemeinsamen Zweckverband zu gründen oder öffentlich-rechtlich zu vereinbaren, daß eine Kommune die Aufgaben anderer Kommunen in ihre Zuständigkeit übernimmt oder sich verpflichtet, solche Aufgaben fllr andere Kommunen durchzufllhren. 6 Zum anderen ist es als zulässig anzusehen, wenn die Gemeinden zur Betreuung ihrer Einwohner auf fremdem Gemeindegebiet tätig werden (z. B. eine norddeutsche Gemeinde in den Bergen ein Schullandheim betreibt).7

4 Auch die Gemeinden Uben Staatsgewalt aus und sind daher als Träger mittelbarer Staatsverwaltung anzusehen, mögen sie ihre Rechtssubjekts- und Rechtsinstitutionsgarantie (vgl. dazu Schmidt-Aßmann, in: ders., Hrsg., Besonderes Verwaltungsrecht, I. Abschn. Rn. 10 ff.) auch unmittelbar dem Grundgesetz verdanken. Vgl. BVerwGE 67, 321 (324). Siehe auch BVerfGE 45, 63 (79); 61, 82 (103); BVerfG-K, DVBI. 1995,286 (287). Naher dazu Schmidt-Aßmann, a.a.O., Rn. 8 ff.; Erichsen, Kommunalrecht des Landes Nordrhein-Westfalen, S. 378 f.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23 Rn. I. 5 Vgl. Grawert, DVBI. 1971,484 (485); Rengeling, in: Püllner (Hrsg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 2, S. 394; Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 389; Erichsen, Kommunalrecht des Landes Nordrhein-Westfalen, S. 317. Kritisch Oebbeclre, Zweckverbandsbildung und Selbstverwaltungsgarantie, S. 71, 74. 6 Vgl. z. B. § 23 I GkG NW. 7 Vgl. Oebbeclre, in: Kommunale Selbstverwaltung am Ende dieses Jahrhundert; Ist das politische Konzept noch tragfilhig? Cappenberger Gespräche der Freiherr-vomStein-Gesellschaft, Bd. 29. S. 86.

1. Der Wirkungskreis juristischer Personen des öffentlichen Rechts

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b) Der Wirkungskreis von Bund und Lindern Auch den Staaten selbst - d. h. Bund und Ländern - sind nur bestimmte Aufgaben übertragen worden. Staatstheoretisch läßt sich dies mit der u. a. auf Hobbes, Pufendorf und Locke zurückgehenden Lehre vom Gesellschaftsvertrag begründen, wonach der Staat als ein auf (fiktiven) vertraglichen Zusammenschluß der Individuen beruhendes Gebilde verstanden wird, das geschaffen worden ist, um bestimmte Aufgaben zu erfUllen, welche die einzelnen oder die Gesellschaft nicht selbst wahrzunehmen vermögen. 8 Völkerrechtlich ergeben sich Beschränkungen der staatlichen Souveränität insbesondere aus der grundsätzlichen Bindung an das Territorialitätsprinzip.9 Im übrigen folgt die Begrenzung der Staatsgewalt aus der innerstaatlich geltenden Kompetenzordnung. Die Kompetenzbegrenzungen verfolgen einen doppelten Zweck. Zum einen sollen aller Staatsgewalt im Interesse des Schutzes der Privaten bestimmte Schranken gezogen werden. Diese Schranken ergeben sich heute in erster Linie aus den Grundrechtsbestimmungen. Zum anderen ist die Begrenzung notwendige Konsequenz eines gegliederten Staatswesens, weil es grundsätzlich nicht sinnvoll ist, dieselben Aufgaben auf verschiedene Träger der Staatsgewalt zu übertragen, die sich dann gegenseitig Konkurrenz machen. Die Verbandskompetenz eröffnet den juristischen Personen einen eigenen Wirkungskreis, verpflichtet sie aber auch dazu, sich nur innerhalb dieses Wirkungskreises zu betätigen. Umgekehrt ist der eigene Wirkungskreis fi1r andere Träger der Staatsgewalt prinzipiell unantastbar. So ist die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten sowie die Regelung der Verteidigungsangelegenheiten Sache des Bundes, nicht der Länder. 1o Umgekehrt ist es dem Bund untersagt, Maßnahmen der Schulverwaltung auf Landesebene zu treffen, weil das Grundgesetz dem Bund hierfUr keine Kompetenz einräumt.

c) Der Wirkungskreis im Falle einer wirtschaftlichen Betltigung Besondere Probleme bereitet die Bestimmung des Wirkungskreises juristischer Personen des öffentlichen Rechts im Falle einer wirtschaftlichen Betätigung. Nach einer verbreiteten Ansicht ist die öffentliche Hand bei der konkurrierenden Teilnahme am allgemeinen Wettbewerb nicht an die Zuständigkeitsgrenzen der Art. 30, 83 ff. GG gebunden. Vielmehr soll der Staat bei der wirtschaftlichen Betätigung überhaupt keinen kompetenziellen Begrenzungen

Vgl. C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 61 ff. Vgl. Hai/bronner, in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 3. Abschn. Rn. 101 ff.; GrafVitzthum, ebd., 5. Abschn. Rn. 2 ff 10 Vgl. z. B. Art. 32, 73 Nr. 1, 87 a, 87 b 00. 8

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11. Die Lehre von der Teilrechtsflihigkeit juristischer Personen

unterworfen sein. 11 Ebenso wird die Ansicht vertreten, daß im Hinblick auf die Kommunen eine funktionale Differenzierung zwischen spezifisch hoheitlichen und wirtschaftlichen Betätigungen von Verfassungs wegen geboten sei. Die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen stelle keine Verwaltungstätigkeit dar. Sie unterliege daher auch nicht den für die Verwaltung geltenden Kompetenzgrenzen. 12 Dieser Auffassung kann indessen nicht gefolgt werden. 13 Es hieße der schon im 19. Jahrhundert überholten Fiskustheorie in ihrer absolutistischen Ausprägungl4 das Wort zu reden, wenn man neben den Trägem hoheitlicher Gewalt Doppelgänger fmgiert, die nicht mehr als Träger von Staatsgewalt gelten und außerhalb der staatlichen Kompetenzordnung nach Belieben schalten und walten können. Konsequent zu Ende gedacht, müßten die wirtschaftenden Verwaltungsträger dann auch von der Grundrechtsbindung und allen sonstigen öffentlich-rechtlichen Bindungen freigestellt und wie private Wirtschaftssubjekte behandelt werden. Indessen bleibt die öffentliche Verwaltung auch dann Verwaltung, wenn sie wirtschaftet. I~ Zutreffend hat Grawert darauf hingewiesen, daß die wirtschaftliche Betätigung kein Zweck ist, "sondern Mittel zum Zweck, 11 Vgl. Klein, Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, S. 149 f, 195 f; dens., Verwaltungskompetenzen von Bund und Ländern in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: Starck (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichts, Bd. 2, S. 277 (279); Ossenbühl, Bestand und Erweiterung des Wirkungskreises der Deutschen Bundespost, S. 131; Maunz, in: MaunzlDürig, Grundgesetz, Art. 30 Rn. 4; Dickersbach, WiVerw 1983, 187 (193 f.); Dittmann, Die Bundesverwaltung, S. 11; Blümel, Verwaltungszuständigkeit, in: Isensee/Kirchhoj (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV, § 101 Rn. 8; Gubelt, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetzkommentar, Bd. 2, Art. 30 Rn. 8. Vgl. auch Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 163 f; Pietzcker, Zuständigkeitsordnung und Kollisionsrecht im Bundesstaat, in: Isensee/Kirchhoj(Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV, § 99 Rn. 14. 12 So ausdrücklich Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge und gemeindliche Selbstverwaltung (erscheint demnächst). Ähnlich Wieland, in: SPD-Landtagsfraktion NRW (Hrsg.), Wirtschaftliche Betätigung der Kommunen, S. 8 ff.; Moraing, WiVerw 1998, 233 (245). Vgl. auch Otting, Neues Steuerungsmodell und rechtliche Betätigungsspielräume der Kommunen, S. 198 f. (wonach die Gemeinden jedenfalls im Rahmen der Erwerbswirtschaftjenseits des örtlichen Wirkungskreises tätig werden dürfen). 13 Wie hier Lerche, in: MaunzlDürig (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 83 Rn. 42; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 113 ff.; ders., JZ 1990, 1089 (1095); ders., DVBI. 1998, 497 (504); Erichsen, Gemeinde und Private im wirtschaftlichen Wettbewerb, S. 19; Ronellenfitsch, Wirtschaftliche Betätigung des Staates, in: Isensee/Kirchhoj (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III, § 84 Rn. 3 f; Pieroth, in: JarasslPieroth (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 30 Rn. 3; Erbguth, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 30 Rn. 33. 14 Vgl. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 75 ff. 15 Erichsen, Gemeinde und Private im wirtschaftlichen Wettbewerb, S. 27; Ehlers, DVBI. 1998,497 (504).

I. Der Wirkungskreis juristischer Personen des öffentlichen Rechts

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nämlich dem der Erfilllung öffentlicher ... Aufgaben". Die Wirtschaftsbetätigung der Träger von Staatsgewalt hat also "eine dienende Funktion, anders gesagt: eine Instrumentalfunktion ftlr öffentliche Aufgaben".16 Daher bildet der Aufgabenkreis (im Sinne der Umschreibungen des Art. 28 Abs. 2 S. I, 30 GG) die Betätigungsgrenze. Dem Gesetzgeber steht es grundsätzlich frei, den Wirkungskreis der juristischen Personen des öffentlichen Rechts gerade und nur im Hinblick auf deren Wirtschaftsaktivitäten weiter zu ziehen (beispielsweise einem Unternehmen des öffentlichen Rechts zu gestatten, auch im Ausland tätig zu werden l \ So bestimmt etwa Art. 87 Abs. 2 GO Bay, daß die Gemeinde mit ihren Unternehmen außerhalb des Gemeindegebietes nur tätig werden darf, "wenn daftlr die Voraussetzungen des Absatzes I vorliegen und die berechtigten Interessen der betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften gewahrt sind. Bei der Versorgung mit Strom und Wasser gelten nur die Interessen als berechtigt, die nach den Vorschriften des Energiewirtschaftsgesetzes eine Einschränkung des Wettbewerbs zulassen". Normen solcher Art sind aber nur gültig, wenn sie einer verfassungsrechtlichen Prüfung standhalten. Ob diese Voraussetzung im Falle des Art. 87 Abs. 2 GO Bay gegeben ist, erscheint jedenfalls im Hinblick auf Art. 87 Abs. 2 S. 2 GO Bay zweifelhaft. Zunächst verlangt das Demokratieprinzip, daß die der Staatsgewalt unterworfenen Personen im wesentlichen identisch mit jenen Personen sein müssen, denen die Staatsgewalt ihre Einsetzung verdankt. 18 Auch der Gesetzgeber darf daher nur eine Selbstverwaltung vorsehen, wenn das Prinzip der Selbstbetroffenheit beachtet wird. 19 Mit diesem Prinzip verträgt es sich grundsätzlich nicht, wenn die Kommunen ihre Leistungen außerhalb des Gebietes gebietsfremden Personen anbieten. Da die Kommunen den gebietsfremden Personen gegenüber keinen Versorgungsauftrag zu erfilllen haben 20 , werden sie jedenfalls in aller Regel keine öffentlichen Zwecke verfolgen21 , sondern zum Zwecke der Gewinnerzielung tätig werden. 22 Eine solche ZwecksetGrawert, in: GrupplRonellenjitsch (Hrsg.), FS filr W. Blümel, S. 119 (125). Vgl. dazu Hellermann, in: Grawert (Hrsg.), FS Böckenllirde, S. 277 (285 f.). 18 Herzog, in: MaunzlDürig (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 20 Rn. 56 f. 19 Vgl. Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 140; Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 90; Ehlers, JZ 1987,218 (221). Näher zum Prinzip der Selbstbetroffenheit Hendler, Selbstverwaltung als Ordnungsprinzip, S.284. 20 Es sei denn, es liegen die Voraussetzungen einer interkommunalen Zusammenarbeit vor. 21 Anders könnte sich die Rechtslage darstellen, wenn das Tätigwerden über das Gemeindegebiet hinaus mit der Arbeitsplatzsicherung in der Gemeinde begründet wird. 22 So ist die Forderung, die kommunalen Energieversorgungsunternehmen müßten sich auch außerhalb des Gemeindegebietes betätigen dürfen, damit begründet worden, daß die im Zuge der Liberalisierung des Strom- und Gasmarktes befilrchteten Einnahmeverluste der kommunalen Haushalte sich anders nicht auffangen ließen. 16

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11. Die Lehre von der Teilrechtsfiihigkeit juristischer Personen

zung ist den Kommunen aber (auch nach der Regelung des Art. 87 Abs. 2 GO Bay i. V. m. Abs. 1 der Vorschrift) untersagt.23 Zudem müßten grundsätzlich die Gemeinden und damit letztlich die Gemeindeeinwohner filr die Verluste aufkommen, die im Zusammenhang mit der Wahrnehmung der gebietsfremden Wirtschaftsteilnahme entstehen24 - obwohl es insoweit gerade nicht um Selbstverwaltung der Gebietsunterworfenen geht. Sodann kommt hinzu, daß die Kompetenzerweiterung einer Gebietskörperschaft immer zu Lasten einer anderen geht. Da die Kompetenzen nicht vermehrbar sind, kann man z. B. nicht den Wirkungskreis einer Gemeinde erweitern, ohne denjenigen einer anderen Gemeinde zu schmälern. Diese Schmälerung bedarf der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung am Maßstab der Selbstverwaltungsgarantien. Es ist aber kaum ersichtlich, wie eine solche Rechtfertigung gelingen soll, wenn die Voraussetzungen eines interkommunalen Zusammenwirkens nicht gegeben sind, eine Gemeinde also gegen den Willen der anderen Gemeinde auf deren Gebiet (nicht nur zur Betreuung der eigenen Einwohner) tätig wird.

2. Die Rechtsfolgen einer Überschreitung des Wirkungskreises juristischer Personen des öffentlichen Rechts Aus dem Umstand, daß der Wirkungskreis der juristischen Personen des öffentlichen Rechts beschränkt ist, hat die herrschende Meinung25 geschlossen, daß die juristischen Personen auch nur innerhalb des Wirkungskreises rechtsfllhig sind. Da Rechtsfllhigkeit bedeutet, Träger von Rechten und Pflichten sein zu können 26 , hat dies zur Konsequenz, daß Rechtshandlungen der juristischen Personen außerhalb ihres Wirkungskreises schlechthin der Wirksamkeit entbehren. 23 Schon die amtliche Begründung des § 67 DGO führte aus, daß es einer Gemeinde nie erlaubt sei zu wirtschaften, wenn ihr einziges Ziel dabei das der Gewinnerzielung sei. Alle Gemeindeordnungen sehen deshalb eine öffentliche Zweckbindung der Gemeindewirtschaft vor. Zur Frage, ob eine solche Zweckbindung von Verfassungs wegen erforderlich ist, vgl. Ehlers, Jura 1999, 212 (213 f.). Vgl. ferner BVerfGE 61,82 (107), wonach ein Gemeindeunternehmen unmittelbar durch seine Leistung dem Wohl der Gemeindeeinwohner dienen muß, rein erwerbswirtschaftlich-fiskalische Unternehmen den Gemeinden somit untersagt sind. A. A. Otting, Neues Steuerungsmodell und rechtliche Betlltigungsspielräume der Kommunen, S. 199, 218. 24 Bedient sich die Gemeinde nichtverselbständigter Unternehmen, ergibt sich dies schon daraus, daß ein Konkursverfahren (heute Insolvenzverfahren) über das Vennögen der Gemeinde nicht stattfindet (vgl. z. B. § 125 Abs. 2 GO NW). Zur Frage, ob die Gemeinden eine Gewährträgerhaftung oder gar Anstaltslast auch dann triffi, wenn sie sich verselbständigter juristischer Personen bedienen, vgl. Oebbecke, in: Erichsen (Hrsg.), Kommunale Verwaltung im Wandel (erscheint demnächst). 2S Vgl. die Nachw. in Fn. 28 des I. Teils. 26 Ganz h. M. Vgl. statt vieler Heinrichs, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Überbl v § I Rn. 1.

2. Die Rechtsfolgen einer Überschreitung des Wirkungskreises

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Die Unfähigkeit, rechtlich wirksam handeln zu können, beruht nicht etwa auf der fehlenden Vertretungsmacht des handelnden Organs, sondern darauf, daß die juristische Person des öffentlichen Rechts außerhalb ihres Wirkungskreises rechtlich nicht vorhanden ist, d. h., kein Rechtsgebilde existiert, das Zurechnungssubjekt einer Rechtsbeziehung sein könnte. Damit müssen auch die den Wirkungskreis überschreitenden Handlungsweisen als rechtlich nicht existent angesehen und damit den Nichtakten zugerechnet werden. Nichts anderes bringt die Ultra-vires-Doktrin zum Ausdruck. Wie der Name bereits sagt Uenseits der Kräfte bzw. Macht), geht auch diese Lehre davon aus, daß juristische Personen bei Überschreitung des durch ihren Zweck bestimmten und begrenzten Aufgabenkreises nicht nur nicht handeln dürfen, sondern auch nicht handeln können. Im Schrifttum wird zwischen der Lehre von der Teilrechtsfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts und der Ultravires-Doktrin gelegentlich unterschieden. So wird die Ultra-vires-Theorie teilweise nur auf die Rechtsmacht im rechtsgeschäftlichen Verkehr bezogen. 27 Doch besteht jedenfalls zwischen der Lehre von der Teilrechtswidrigkeit und der staatsrechtlichen Ultra-vires-Doktrin kein Unterschied. Während die Lehre von der Teilrechtswidrigkeit mehr die Voraussetzungen in den Blick nimmt, hebt die Ultra-vires-Doktrin verbal auf die Rechtsfolgen (fehlendes rechtliches Können) ab.

27 Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 2; vgl. auch Fuß, OÖV 1956, 566 (567). Nachweise bei Oldiges, OÖV 1989,873 (883).

III. Die reale Bedeutung der Lehre von der Teilrechtsfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts und der Ultra-vires-Doktrin Im Schrifttum ist davon gesprochen worden, daß Nichtakte selten I und in der Verwaltungspraxis ohne Bedeutung2 sind. Dieser Ansicht kann indessen jedenfalls insoweit nicht gefolgt werden, als es um die Überschreitung des Wirkungskreises juristischer Personen des öffentlichen Rechts geht. Solche Überschreitungen sind keineswegs selten. Richtig ist nur, daß die Betätigungen der juristischen Personen des öffentlichen Rechts außerhalb ihrer Verbandskompetenz vielfach nicht zur Kenntnis genommen werden. Immerhin ist es nicht nur vereinzelt zu gerichtlichen Auseinandersetzungen gekommen (l). Auch erweist sich der Blick auf das wirtschaftliche Agieren der juristischen Personen des öffentlichen Rechts (2) und auf das Verhalten im Zuge der deutschen Wiedervereinigung (3) als aufschlußreich.

1. Die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes

gegen die Überschreitung des Wirkungskreises juristischer Personen des öffentlichen Rechts a) Mitgliederklagen Die Gerichte sind in zahlreichen Fällen von den Mitgliedern von Zwangskörperschaften mit der Begründung angerufen worden, die Zwangskörperschaft habe außerhalb ihres Wirkungskreises gehandelt. 3 Hinzuweisen ist insbesondere auf die Klage von Studierenden gegen die Studierendenschaft wegen Ausübung eines allgemeinpolitischen Mandats4 oder anderer aufgabenfremder Angelegen-

Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 21 Rn. 189. Sachs, in: Stellrens/BonkiSachs, VwVfG, § 44 Rn. 4. 3 V gl. die Übersichten auch der instanzgerichtlichen Rechtsprechung bei Laubinger, VerwArch 74 (1983), 175 tf.; Meßerschmidt, VerwArch 81 (1990),55 (64 ff.); Pohle, Mitgliederklagen in Zwangskörperschaften - unter besonderer Berücksichtigung von BVerfGE 67, 26 ff.; 78, 320 ff., Diss., S. 6 ff.; Tettinger, Kammerrecht, S. 91 ff.; Kluth, Funktionale Selbstverwaltung, S. 285 ff. 4 Vgl. z. B. BVerwGE 34, 69 ff.; 59, 231 ff.; 59, 242 ff. I

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1. Die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes

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heitens. Ähnliche gerichtliche Auseinandersetzungen hat es zwischen Kammermitgliedern und Kammern6 oder den Mitgliedern einer Sozialversicherung und dem Träger der Sozialversicherung7 gegeben. Die Gerichte haben solche Klagen grundsätzlich filr zulässig und im Falle der KompetenzUberschreitung auch filr begründet erachtet, weil die Pflichtmitgliedschaft jedenfalls in die durch Art. 2 Abs. I GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit eingreife und das Mitglied solche Eingriffe des Zwangsverbandes in seine Handlungsfreiheit abwehren dürfe, "die sich nicht im Wirkungskreis legitimer öffentlicher Aufgaben halten oder bei deren Wahrnehmung nicht dem Gebot der Verhältnismäßigkeit entsprochen wird"s. Die herrschende Lehre ist dieser Sichtweise gefolgt.9 Die Gerichtsentscheidungen betreffen allerdings ausnahmslos Zwangskörperschaften, die lediglich über einen eng begrenzten Aufgabenbestand verftlgen. Im Schrifttum ist dafilr plädiert worden, die Rechtsprechung zu diesen Verbänden auf die kommunalen Gebietskörperschaften zu übertragen, also jedem Bürger einer Kommune das Recht zu geben, eine Überschreitung der kommunalen Verbandskompetenz vor den Verwaltungsgerichten zu rügen. 1O Diese Auffassung hat sich aber zu Recht nicht durchsetzen können. Abgesehen davon, daß die Zugrundelegung dieser Ansicht der Anerkennung eines allgemeinen Gesetzesvollziehungsanspruchs auf kommunaler Ebene nahekommt, lassen sich der5 Vgl. etwa BVerwGE 34, 69 ff.; 59, 231 ff.; 59, 242 ff.; OVG NW, NJW 1969, 1044 ff.; OVG NW, DVBI. 1977, 994 ff.; OVG NW, NVwZ 1993, 1123; OVG NW, NVwZ-RR 1996, 169; VGH BW, NJW 1973, 2102; VGH BW, NJW 1976, 590 ff.; OVG RP, AS 13, 418 ff.; Hess. VGH, ESVGH 24, 217 ff.; OVG HH, NJW 1977, 1251 ff. 6 Vgl. z. B. BVerwGE 64, 115 ff. (Finanzierung der Fachzeitschrift einer Steuerberaterkammer); 64, 298 ff. (allgemeinpolitisches Mandat einer Ärztekammer); BVerwG, NJW 1987, 337 f. (Verbandsmitgliedschaft einer Steuerberaterkammer); BVerwGE 74, 254 ff. (Verbandsmitgliedschaft einer Handwerkskammer). 7 Vgl. BVerfGE 67, 26 ff.; 78, 320 ff. - jeweils die Finanzierung von Schwangerschaftsabbrüchen betreffend. Dagegen sind die bei den Abtreibungsentscheidungen des BVerfG (E 39, 1 ff.; 88, 203 ff.) im Rahmen eines abstrakten Normenkontrollverfahrens ergangen. Vgl. aber auch BSG, NJW 1987, 517, wonach die Rechtsprechung des BVerwG zu den Kammern nicht auf die Sozialversicherungstrllger übertragen werden kann ("wollte man jedem Mitglied allein aufgrund seiner versicherungsrechtlichen Zwangsmitgliedschaft das Recht zugestehen, den von ihm gebilligten, gesetzlich oder kraft Satzung geregelten Leistungsumfang an andere Mitglieder gerichtlich überprüfen zu lassen, so würde dies zu einer gesetzlich nicht vorgesehenen abstrakten Rechtskontrolle ruhren"). 8 BVerwGE 64,115 (117). 9 Vgl. die Nachw. bei Kluth, Funktionale Selbstverwaltung, S. 293 ff. Kluth selbst lehnt die h. M. ab, weil er in der Begründung der Pflichtmitgliedschaft keinen Grundrechtseingriff, sondern einen begünstigenden Vorgang (Erweiterung des demokratischen status activus) sieht. Erst die an die Pflichtmitgliedschaft anknüpfenden einzelnen Pflichten, wie z. B. die Beitragspflicht, soll eine Belastung darstellen und unter grundrechtlichen Gesichtspunkten rechtfertigungsbedürftig sein. 10 Oebbecke, NVwZ 1988,393 ff.

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III. Die reale Bedeutung der Lehre von der Teilrechtsfiihigkeit

artig weitgehende wehrflthige Rechtspositionen der Bürger weder aus den Grundrechten noch aus den Mitgliedschaftsrechten der Bn.rger herleiten. Die zwangsweise Zuordnung der Bürger zu Gemeinden und Kreisen ergibt sich bereits aus dem Grundgesetz, so daß eine Verletzung von Freiheitsrechten von vornherein ausscheidet. Als Mitwirkungsrechte sieht die Verfassung allein das Wahlrecht vor. Sonstige Mitwirkungsrechte lassen sich nur dem einfachen Gesetzesrecht entnehmen, das zwar Formen der plebiszitären Beteiligung kenne\ ft1r ein Recht auf Errichtung des Wirkungskreises aber nichts hergibt. 12 Erst recht müssen danach Mitgliederklagen der Staatsbürger gegen Aufgabenüberschreitungen des Staates als unzulässig angesehen werden.

b) Gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen Trägern von Staatsgewalt

Verschiedentlich haben auch Träger von Staatsgewalt vor Gericht darüber gestritten, ob der Wirkungskreis einer juristischen Person des öffentlichen Rechts eingehalten worden ist. Zumeist handelte es sich hierbei um aufsichtsrechtliche Streitigkeiten, teilweise aber auch um Streitigkeiten i. S. d. Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG. So sind die Gerichte mit der Frage befaßt worden, ob die Kommunen berechtigt sind, -

Volksbefragungen über die Ausrüstung der Bundeswehr durchzufilhren 13 ,

-

einem Programm zur Förderung der Solidarität der Städte beizutreten l4 ,

-

das Gemeindegebiet zu atomwaffenfreien Zonen zu erklären 1s oder

-

Beschlüsse über die Volkszählung l6 , über AsylunterkÜßfte in Gemeinden 17 und die Novellierung des § 116 AFG 18 zu fassen. 19

Vgl. z. B. §§ 25 ff. GO NW. Vgl. Ehlers, Rechtsprobleme der kommunalen Wirtschaft, in: Erichsen (Hrsg.), Kommunalverfassung heute und morgen - Bilanz und Ausblick, S. 101 (104). \3 BVerfGE 8, 122 (133 f.). 14 BVerwGE 87, 237 ff. 15 BVerwGE 87, 228 ff.; Waechter, Kommunalrecht, Rn. 075. Kritisch zu sog. Vorratsbeschlüssen Ehlers, NWVBI. 1990, 44 (47); Schach, JuS 1991, 728 ff.; Erichsen. Kommunalrecht des Landes Nordrhein-Westfalen, S. 47 f. 16 VG Schleswig, Die schleswig-holsteinische Gemeinde, 1987, 50 f. 17 VG Schleswig, NVwZ 1988,471 f. 18 OVG RP, NVwZ-RR 1989, 35 f. 19 Zu weiteren Beispielen (etwa zur Zulässigkeit kommunaler Städtepartnerschaften und kommunaler Entwicklungshilfe) vgl. Heberlein, Kommunale Außenpolitik als Rechtsproblem; Lehngut, DÖV 1989,655 (656); Waechter, Kommunalrecht, Rn. 071 ff. 11

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1. Die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes

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c) Klagen von Privatpersonen Soweit Privatpersonen eine Überschreitung des Wirkungskreises der juristischen Personen des öffentlichen Rechts vor Gericht geltend gemacht haben, sind die diesbezüglichen Rechtsschutzanträge von den Verwaltungsgerichten in aller Regel abgewiesen worden. Im wesentlichen handelte es sich um Unterlassungsklagen privater Konkurrenten gegen eine Wirtschaftsteilnahme der öffentlichen Hand. Teilweise ist den Klägern bereits die Klagebefugnis abgesprochen worden, da die einfachgesetzlichen Bestimmungen nach Art des § 65 Abs. 1 Nr. 1 HOen oder der Subsidiaritätsklauseln des Kommunalwirtschaftsrechts20 als nicht drittschützend angesehen worden sind. 21 Soweit sich die Konkurrenten auf die Grundrechte berufen haben, haben die Gerichte in aller Regel angenommen, daß die Eingriffsschwelle nicht erreicht worden ist. Die Grundrechte sollen nach der Verwaltungsrechtsprechung nur vor der Konkurrenz eines Trägers von Staatsgewalt schützen, wenn die Wettbewerbsfreiheit in unerträglichem Maße eingeschränkt wird, eine Auszehrung der Konkurrenz vorliegt oder eine Monopolisierungstendenz besteht. 22 In der Praxis sind die Konkurrenten der öffentlichen Hand daher zunehmend dazu übergegangen, Wettbewerbsklagen zu erheben. Diese haben auch vielfach Erfolg gehabt. So geht die Zivilgerichtsbarkeit davon aus, daß ein Zuwiderhandeln gegen die die Zulässigkeit der kommunalwirtschaftlichen Betätigung regelnden Bestimmungen der Gemeindeordnungen gegen die guten Sitten i. S. d. § 1 UWG verstößt. 23

20 Art. 87 Abs. 1 BayGO; §§ 100 Abs.2 BbgGO; 68 Abs.l KV M-V; 108 Abs. 1 NdsGO; 85 Abs. 1 RPGO; 108 Abs. 1 Saarl. KSVG; 97 Abs. 1 S. 1 SöchsGemO; 116 Abs. 1 GO LSA; 101 Abs. 1 SchIHGO; 71 Abs. 1 ThUrKO. 21 Vgl. rur die gemeinderechtlichen Vorschriften BVerwGE 39, 329 (336); BVerwG, BayVBI. 1978,375 (376); BayVGH, BayVBI. 1976,628 (629); VGH BW, VBIBW 1983,78; Schoch, DÖV 1993,377 (380); Moraing, NWVBI. 1997,355; Badura, DÖV 1998,818 (821); Otting, SächsVBI. 1998,93 (94); Tettinger, NJW 1998,3473 (3474). A. A. z. B. Erichsen, Kommunalrecht des Landes Nordrhein-Westfalen, S.292 mit Hinweis darauf, daß die genannten Vorschriften der Gemeindeordnungen den verfassungsgebotenen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen den Grundrechten privater Anbieter und der verfassungsrechtlichen Gewährleistung kommunaler Wirtschaftstätigkeit schaffen sollen, so daß ein Schutz privater Konkurrenten angenommen werden mUsse. 22 Vgl. z. B. BVerwGE 39, 329 (336 f.); BVerwG, DVBI. 1996, 152 (153); HessVGH, NVwZ 1996,816 f. Kritisch Ehlers, DVBI. 1998,497 (502); Tettinger, NJW 1998, 3473 (3474); Grawert, in: GrupplRonellenfitsch (Hrsg.), FS rur W. BIUmel, S. 119 (134f.). 23 Vgl. grundlegend BGH, DVBI. 1965, 362 ff. (Blockeis 11). Aus neuerer Zeit insbesondere OLG DUsseldorf, NWVBI. 1997, 353 (354); OLG Hamm, JZ 1998, 576 ff. mit zust. Anm. von Müller. Kritisch zu dieser Rechtsprechung Ehlers, Jura 1999, 212 (215). Näher zum Ganzen Otting, Neues Steuerungsmodell und rechtliche Betätigungsspielräume der Kommunen, S. 220 ff.; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 389 ff., 447 f. Vgl. auch dens., DVBI. 1999,78 ff.

28

111. Die reale Bedeutung der Lehre von der Teilrechtsfllhigkeit

2. Die Uberschreitung des Wirkungskreises im Zuge einer wirtschaftlichen Betätigung Tatsächlich überschreiten juristische Personen des öffentlichen Rechts ihren Wirkungskreis weitaus häufiger, als diese Rechtsprechungsbeispiele vermuten lassen. Das gilt besonders fllr diejenigen juristischen Personen, die sich wirtschaftlich betätigen, da Wirtschaftssubjekte dazu tendieren, sich ökonomisch zu verhalten und sich nicht an Verbandsgrenzen binden zu lassen. Dies soll ein kurzer Blick auf die Geschäftspolitik der öffentlich-rechtlichen Banken und der Kommunalwirtschaft verdeutlichen.

a) Das Beispiel der öffentlich-rechtlich organisierten Banken Bis zu ihrer Umwandlung in eine Aktiengesellschaft mit Wirkung zum 1.1.199824 war die Deutsche Genossenschaftsbank eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Als solche durfte sie nach § 2 Abs. 1 des Gesetzes über die Deutsche Genossenschaftsbank2~ zwar Bankgeschäfte aller Art betreiben, aber nur, wenn diese "unmittelbar oder mittelbar ihrer Zweckerfilllung" dienten. Zweck der Deutschen Genossenschaftsbank war nach § 1 Abs. 1 S. 2 des genannten Gesetzes die "Förderung des gesamten Genossenschaftswesens". Da sich die Bank im Rechtsverkehr weithin (etwa im Ausland) so verhalten hat wie die Privatbanken, ist sehr zweifelhaft, ob diese Zweckbindung beachtet wurde. 26 Ähnliches läßt sich bei den Landesbanken beobachten. Beispielsweise wird im Schrifttum die Ansicht vertreten, daß es den Landesbanken entgegen einer geläufigen Praxis nicht gestattet ist, -

sich primär erwerbswirtschaftlich im Ausland zu betätigen,

-

Derivativgeschäfte spekulativer Art zu betreiben27,

-

Beteiligungen an nicht kreditwirtschaftlichen Unternehmen nur zur Erzielung von Gewinnen zu erwerben,

-

Gebiete außerhalb des Landes kreditwirtschaftlich zu versorgen,

-

anderen Landesbanken in deren Hoheitsgebiet Konkurrenz zu machen und

24 Gesetz zur Umwandlung der Deutschen Genossenschaftsbank v. 13.8.1998, BGBI. I 1998, S. 2102. 25 BGB1.11975, S. 3171. 26 Vgl. Fechtrup, Deutsche Genossenschaftsbank, Rechtsgrundlagen, Entwicklung und Tätigkeit, S. 126. 27 Noch strenger insoweit Koenig, WM 1995, 317 ff. A. A. dagegen Schneider/ Busch, WM 1995, 326 ff. ("alle Einsatzfe1der von Swaps durch Landesbanken durch deren öffentlichen Zweck gedeckt").

2. Die Rechtsfolgen einer Überschreitung des Wirkungskreises

-

29

die Gewährträgerhaftung fllr andere Landesbanken zu übernehmen. 28

Ob und inwieweit dieser Auffassung zuzustimmen ist, kann dahinstehen. Daß sich die Landesbanken zumeist als "global player" betrachten, denen recht ist, was den Privatbanken billig ist, läßt sich jedenfalls nicht bestreiten.

b) Das Beispiel der Kommunalwirtschaft Gegenwärtig dürften vor allem die Kommunen bei der Teilnahme am Wirtschaftsleben die Grenzen ihres Wirkungskreises nicht selten überschreiten. Dies liegt insbesondere an zwei Gründen. Zum einen veranlaßt die Finanznot die Kommunen dazu, neue Wege einzuschlagen und sich durch wirtschaftliche Aktivitäten aufneuen Geschäftsfeldern Finanzquellen zu erschließen. Zum anderen praktizieren viele Kommunen heute eine Verwaltungsreform nach Maßgabe des sog. Neuen Steuerungsmodells. 29 Dies läuft darauf hinaus, den Fachbereichen der Verwaltung mehr Autonomie und Verantwortung einzuräumen. Innerhalb ihres Budgets sollen die Fachbereiche ihre Mittel eigenverantwortlich bewirtschaften. Dies regt zur Erzielung eigener Einnahmen an. Um sich im Wettbewerb behaupten zu können, wollen sich die kommunalen Unternehmen genauso verhalten können wie ihre privaten Konkurrenten. 3o Dementsprechend hat etwa die Infonnationsverarbeitung Leverkusen GmbH, an der die Stadt Leverkusen mehrheitlich beteiligt ist, eine Tochtergesellschaft in Südindien gegründet, die vor allem Computer-Software, aber auch sanitäre Erzeugnisse und dekorative Baumaterialien vertreiben sollte. Die Mannheimer Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft bietet Consultingdienste in zahlreichen Staaten in Europa an. Die Düsseldorfer Messegesellschaft mbH NOWEA, an der die Stadt Düsseldorf mehrheitlich beteiligt ist, hat Tochtergesellschaften u. a. in Tokyo, Singapur, Chicago und Warschau gegründet. Die Stadtwerke Wuppertal hatten u. a. die bundesweite Wartung ungarischer Busse übernommen. Die NetCologne, eine Tochter der Kölner Versorgungsgesellschaft GEW und der Stadt- und Kreissparkasse Köln, bieten weit über Köln hinaus ihre Telekommunikations-

28 Vgl. Gerick, Die Beteiligung der Sparkassen- und Giroverbände an den Landesbanken, dargestellt arn Beispiel der WestLB, S. 250 tT. 29 Vgl. KGSt-Berichte Nr. 12/1991 - Dezentrale Ressourcenverantwortung; Nr. 5/1993 - Das Neue Steuerungsmodell; Nr. 6/1993 - Budgetierung: Ein neues Verfahren der Steuerung kommunaler Haushalte; Nr. 8/1994 - Das Neue Steuerungsmodell: Definition und Beschreibung von Produkten; Banner, VOP 1991. 6 tT.; dens., VOP 1994, 5 fT.; Reichhard, Umdenken im Rathaus; ReichhardiWollmann (Hrsg.), Kommunalverwaltung im Modemisierungsschub? 30 Vgl. Hili, BB 1997, 425 (426); Otting, Neues Steuerungsmodell und rechtliche Betätigungsspielräume der Kommunen. S. 4 tT.. 44 fT.; dens .• DVBI. 1997, 1258 tT.

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III. Die reale Bedeutung der Lehre von der Teilrechtsfllhigkeit

dienstleistungen an. Die Kölner Stadtwerke sind an den Dresdner Stadtwerken beteiligt. Diese Beispiele lassen sich beliebig fortfilhren.

3. Die Überschreitung des Wirkungskreises im Zuge der deutschen Wiedervereinigung Nach dem Wegfall der Berliner Mauer und der Wiedervereinigung Deutschlands haben nicht nur die westlichen Bundesländer, sondern auch die Kommunen und zahlreiche andere juristische Personen des öffentlichen Rechts Aufbauarbeit in den neuen Ländern geleistet. In vielen Fällen lag eindeutig eine Überschreitung der Verbandskompetenz vor. Man könnte geneigt sein, wegen der historischen Ausnahmesituation hierüber hinwegzusehen. Jedoch scheinen viele juristische Personen des öffentlichen Rechts die juristische Zurückhaltung dahingehend mißverstanden zu haben, daß man es mit den Kompetenzgrenzen in Zukunft nicht so genau zu nehmen brauche. So sind auch heute noch westliche Kommunen in den östlichen Landesteilen engagiert, ohne daß die Voraussetzungen einer interkommunalen Zusammenarbeit gegeben sind.

IV. Die geschichtliche Entwicklung der Lehre von der Teilrechtsf"ähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts und der Ultra-vires-Doktrin 1. Das ältere Schrifttum Die Lehre von der Beschränkung juristischer Personen des öffentlichen Rechts auf ihren Wirkungskreis hat sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts herauszubilden begonnen. Im 19. Jahrhundert ist überwiegend die Auffassung vertreten worden, daß dem Staat fehlerhafte Handlungen nicht zuzurechnen seien', sondern daß der rur den Staat fehlerhaft handelnde Amtswalter als Privatperson angesehen werden müsse. Dennoch ist den fehlerhaften VerfUgungen einer staatlichen Behörde in der Regel nicht die Verbindlichkeit abgesprochen worden. Den "Unterthanen" sollte es nicht erlaubt sein, die Rechtmäßigkeit staatlicher Anordnungen selbst zu prüfen und den Gehorsam im Falle der Rechtswidrigkeit zu verweigern. Ein" Widerstandsrechf' kam den "Unterthanen" gerade nicht zu. 2 Nur wenn und soweit der Bürger Rechtssschutz erlangen konnte, entfiel die Folgepflicht. 3 Gegen diese Betrachtungsweise wandte sich vor allem Otto von Gierke. Von der Theorie der "realen Gesammtperson" im Gegensatz zur Lehre von der persona ficta ausgehend legte er dar, daß das körperschaftliche Wollen und Handeln "auch in den Abirrungen ... (ihres) Willensapparats unmittelbar in Erscheinung kommt,,4. Daher seien auch rechtswidrige Handlun-

I Besonders deutlich Loening, Die Haftung des Staates aus rechtswidrigen Handlungen seiner Beamten nach Deutschem Privat- und Staatsrecht, S. 107: "Wie kann eine Handlung, die rechtswidrig ist und sich also in direktem Widerspruch mit dem höchsten Willen des Staats befindet, als Handlung des Staats selbst angesehen werden? Der Staat verbietet eine Handlung und doch soll die verbotene Handlung seine Handlung sein ... Die auf Gesetz, Verordnung, Verfilgung beruhende Vollmacht des Beamten an Statt des Staats zu handeln, bezeichnet aber auch die Grenzen innerhalb deren allein sein Handeln das Handeln des Staats ersetzt. Diese Vollmacht geht niemals darauf, rechtswidrig zu handeln. Es folgt daraus, daß rechtswidrige Handlungen des Beamten niemals als Handlungen des Staats bezeichnet werden können." 2 AusfUhrlich zum Ganzen Erichsen, Verfassungs- und Verwaltungsrechtsgeschichtliche Grundlagen der Lehre vom fehlerhaften belastenden Verwaltungsakt und seiner Aufhebung im Prozeß - ein dogmengeschichtlicher Beitrag zu Rechtsbindung, Rechtswidrigkeit und Rechtsschutz im Bereich staatlicher Eingriffsverwaltung -, S. 188 f. J Vgl. Jordan, Versuche ilber allgemeines Staatsrecht, S. 405 f. 4 Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, S. 753.

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IV. Die geschichtliche Entwicklung der Lehre von der Teilrechtsflihigkeit

gen der Beamten Handlungen der Körperschaft, deren Organe sie seien. 5 Dies bedeutete umgekehrt nicht, daß alle fehlerhaften Maßnahmen der Beamten dem Staat zugerechnet wurden. In ihren Schriften arbeiteten Dito von Gierki und Heinrich Rosin7 heraus, daß eine juristische Person des öffentlichen Rechts wegen der Determination ihres Daseinszwecks durch die Rechtsordnung und des Verbots, Kooperationsmitglieder über die gesetzlichen Zwecke hinaus in Anspruch zu nehmen, nur "innerhalb einer ihr vom Recht gesetzten Lebenssphäre rechtswirksam ... wollen und ... handeln" könne. 8 Jede Verbandsperson habe "ein Aktionsgebiet ... , außerhalb dessen sie nicht bloß nicht handeln soll, sondern nicht handeln kann".9 Dennoch haben Rosin und Gierke nicht den Schluß gezogen, daß ein Handeln außerhalb des Wirkungskreises stets unmöglich resp. als Nichtakt einzustufen ist. So forderte Rosin bei einer "Aufnahme verbotener Zwecke" nur die Versagung der Genehmigung der Satzung durch die Aufsichtsbehörde oder gegebenenfalls die Auflösung der juristischen Person. \0 Gierke unterschied zwischen den Rechtsbeziehungen der juristischen Person zu den Mitgliedern und Dritten. Während den Mitgliedern gegenüber Zweckbeschränkungen unbedingt beachtlich sein sollten (mit der Folge, daß die Zwecküberschreitung der juristischen Person rechtlich gesehen nicht zugeordnet werden konnte), wurde der juristischen Person Dritten gegenüber die Fähigkeit zugesprochen, ohne Rücksicht auf die Zweckbestimmung Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen. II Diese Rechtsfiguren wurden ausweis lieh der Veröffentlichungen in den ersten dreißig Jahren dieses Jahrhunderts nicht in das öffentliche Recht übernommen. So kommen in den Lehrbüchnern von Dito Mayer l2 und Fritz Fleiner l3 die Stichworte ultra vires und Teilrechtsfähigkeit nicht vor. Fleiner beschränkte sich etwa auf den Hinweis, daß die Kompetenzschranken rur jeden Selbstverwaltungsträger die Grenzen seiner rechtlichen Gewalt sind. 14 Zwischen einem rechtlichen Können und rechtlichem Dürfen wird gerade nicht unterschieden. W Jellinek hat sich in der 1908 erschienenen Abhandlung über den fehlerhaften Staatsakt und seine Wirkungen zwar eingehend mit den absolut unwirksamen Staatsakten beschäftigt, die hier interessierenden Fallgestaltungen Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, S. 760 f. Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, S. 630 ff. 7 Das Recht der öffentlichen Genossenschaft, 1886. S. 92 n: 8 Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, S. 63 I. Vgl. auch Rosin, Das Recht der öffentlichen Genossenschaft, S. 92. 9 Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, S. 633. 10 Rosin, Das Recht der öffentlichen Genossenschaft, S. 100. 11 Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, S. 636 f. 12 Deutsches Verwaltungsrecht, 2 Bde. . 13 Institutionen des deutschen Verwaltungsrechts, I. Autl. 1911: 8. Aufl. 1928. 14 F. Fleiner, Institutionen des deutschen Verwaltungsrechts, S. 108. 5

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1. Das ältere Schrifttum

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aber nicht behandelt. Immerhin ist die Rede davon, daß ein staatliches Organ alle rechtliche Macht verliert und sein Tun null und nichtig ist, wenn es die Grenze seines Amtssprengels überschreitet. 15 Diese Auffassung wird allerdings später wieder relativiert, weil zwischen Staatsakten mit absolut unmöglichem Objekt und Machtäußerungen der sachlich inkompetenten oder unzuständigen Behörde differenziert wird. Die von einer sachlich unzuständigen Behörde vorgenommenen Amtshandlungen sollen "lediglich" ungültig sein, und das auch nur, wenn der erlassene Staatsakt, nach seinen wesentlichen Bestandteilen geprüft, unter keinen Umständen Objekt des betreffenden Staatsorgans sein könne. 16 Den der Lehre von der Teilrechtsflihigkeit juristischer Personen bzw. der Ultra-vires-Doktrin zugrunde liegenden Gedanken auf den Punkt gebracht hat dagegen Schlegelberger im Jahr 1930. Unter Berufung auf Rosin, Gierke und Fleiner sowie Dernburg stellt Schlegelberger fest, die Wissenschaft des öffentlichen Rechts nehme übereinstimmend an, daß ein öffentlich-rechtlicher Verband wie eine Wassergenossenschaft nur innerhalb des durch seinen Zweck bestimmten und begrenzten Lebenskreises handeln solle. Außerhalb des Zweckes dürfe der Verband nicht nur nicht handeln, sondern könne auch nicht handeln, sei also überhaupt nicht rechtsflihig. "Der Zweck der Genossenschaft, wie er sich aus Gesetz und Satzung ergibt, ist daher nicht nur filr das innere Leben des Verbandes wesentlich, sondern auch rur sein Auftreten im öffentlichen Rechtsverkehr. Rechtshandlungen, die außerhalb der Zweckbestimmung von ihren Organen getätigt werden, gelten überhaupt nicht als Handlungen des Verbandes, sondern entbehren mangels einer rechtsflihigen Person gänzlich der Rechtswirksamkeit.,d7 Allerdings soll nach Schlegelberger die Frage nach der Rechtswirksamkeit von Rechtshandlungen wegen Zweckwidrigkeit erst dann auftreten, wenn die Rechtshandlungen äußerlich erkennbar außerhalb der Zweckbestimmung liegen. Ähnlich hat Lassar im Jahre 1933 argumentiert. Auch er nimmt unter Berufung auf Gierke an, daß juristische Personen des öffentlichen Rechts nur innerhalb der ihnen vom Recht gesetzten Lebenssphäre rechtswirksam zu wollen und zu handeln vermögen, das rechtliche Können der juristischen Personen somit beschränkt ist. Gleichwohl soll es nur an der Vertretungsmacht des zuständigen Organs fehlen, wenn dieses Verträge außerhalb des Verbandszwecks abschließt. Entscheidend soll nur die objektive Erkennbarkeit der Überschreitung des Tätigkeitsgebiets einer juristischen Person sein, nicht die Er-

15 W. Jellinek. Der fehlerhafte Staatsakt und seine Wirkungen, eine verwaltungs- und prozeßrechtliche Studie, S. 57. 16 Vgl. W. Jellinek, Der fehlerhafte Staatsakt und seine Wirkungen, eine verwaltungs- und prozeßrechtliche Studie, S. 93, 95. 17 Schlegelberger, Reichs- und Preußisches Verwaltungsblatt 51 (1930), 90.

3 Elllers

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IV. Die geschichtliche Entwicklung der Lehre von der Teilrechtsflihigkeit

kennbarkeit durch Dritte. Letztere hätten aber unter Umständen einen Schadensersatzanspruch. 18

2. Die Rechtsprechung bis zum Ende der f"ünfziger Jahre Verbindliche Anerkennung gefunden hat der Ultra-vires-Gedanke in der Rechtsprechung. Zunächst hat das Reichsgericht in zwei Entscheidungen zum Ausdruck gebracht, daß juristische Personen des öffentlichen Rechts nur innerhalb des ihnen überwiesenen Geschäftskreises wirksam vertreten werden. 19 Dies ergebe sich aus dem Begriff der SteIlvertretung. Die Befugnisse der Vertreter können nämlich nicht weiter reichen als in den Gesetzen, Satzungen und sonstigen Normen, auf denen ihre Vertretungsmacht beruhe, festgelegt sei. Fehle es an entsprechenden Festlegungen, bestimme sich der Umfang der Vertretungsbefugnis des gesetzlichen Vertreters nach dem Zweck der juristischen Person. Wer sich in einem Rechtsgeschäft mit dem Vertreter einer juristischen Person des öffentlichen Rechts einlasse, müsse sich daher über die Grenzen der Befugnisse des Vertreters informieren. Seien die Grenzen überschritten worden, steIle eine Berufung der juristischen Person darauf nicht ohne weiteres eine Verletzung von Treu und Glauben dar. Das Reichsgericht bleibt insofern auf halbem Wege stehen, als es an die Beschränkung der Vertretungsbefugnis statt an die Beschränkung des Wirkungskreises der juristischen Person anknüpft. Dies hat der Bundesgerichtshof in seiner grundlegenden Entscheidung vom 28.2.1956 20 zutreffend kritisiert. Der Bundesgerichtshof ist einen Schritt weitergegangen und hat die Ansicht vertreten: "Juristische Personen des öffentlichen Rechts sind jedenfalls grundsätzlich nur im Rahmen des ihnen durch Gesetz oder Satzung zugewiesenen Aufgaben- und Wirkungsbereichs zu einem rechtswirksamen Handeln befugt. Sie können nur innerhalb des durch ihre Zwecke und Aufgaben bestimmten, sachlich und räumlich beschränkten Lebenskreises handeln. Außerhalb ihres Funktionsbereichs liegenden Handlungen entbehren schlechthin der Rechtswirksamkeit. Für diese Beurteilung ist allein die objektiv gegebene Rechtslage maßgebend.,,21

Der Bundesgerichtshof läßt ausdrücklich dahinstehen, ob man sich den Sachverhalt so zu denken habe, daß juristische Personen des öffentlichen Rechts nur innerhalb des ihnen zugewiesenen Wirkungskreises rechtlich vorhanden oder rechtsfllhig seien (Lehre von der Teilperson). Es genüge die Fest18 VerwArch 38 (1933),31 (insbesondere 36,39 und 61 f.). 19 RG, Entscheidung vom 2.6.1885 (SeuffArch 40 Nr. 271, 389 tf.); Entscheidung vom 2.7.1907 (Recht 1907, 1059 Nr. 2497). 20 BGHZ 20, 119 ff. 21 BGHZ 20, 119 (124).

3. Die Rezeption der Rechtsprechung

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stellung, daß die juristische Personen des öffentlichen Rechts außerhalb ihres Wirkungskreises nicht wirksam rechtlich handeln könnten. Nähmen sie auf dem ihnen verschlossenen Gebiet Rechtsakte vor, so seien diese nichtig resp. mangels rechtlichen Könnens schlechthin wirkungslos. Das Offenlassen der angesprochenen Fragestellung zeigt, daß sich das Gericht seiner Sache offenbar nicht ganz sicher war. Dafilr spricht auch der Vorbehalt, daß die Ausftlhrungen zum Wirkungskreis der juristischen Personen und zu den Folgen eines Handeln außerhalb des Wirkungskreises filr die Personen des öffentlichen Rechts ,jedenfalls grundsätzlich" gelten, Ausnahmen - etwa filr den Staat - unter Umständen also als möglich angesehen werden. All diese Einschränkungen ändern indessen nichts daran, daß der Bundesgerichtshof der Sache nach die Lehre von der Teilrechtsfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts bzw. die Ultravires-Doktrin anerkannt hat. Die Aussage, daß die juristischen Personen des öffentlichen Rechts nicht außerhalb ihres Wirkungskreises handeln können, entspricht nämlich dem Inhalt dieser Lehren. Ferner hat das Gericht in späteren Entscheidungen unter Bezugnahme auf das genannte Urteil ausdrUcklich die Geltung des Ultra-vires-Prinzips anerkannt. 22

3. Die Rezeption der Rechtsprechung Nahezu alle Gerichte und Autoren, die eine bloße Teilrechtsfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts bejahen resp. das Ultra-vires-Prinzip zur Anwendung gelangen lassen, knüpfen (zumindest implizit) an die genannte Entscheidung des Bundesgerichtshofs an?3 Neue Argumente werden kaum vorgebracht. In seiner tief angelegten Untersuchung zu den teilrechtsfähigen Verbänden des öffentlichen Rechts hat Bachof zwar versucht, eingehend die These zu begrUnden, daß die öffentlich-rechtliche Rechtsfähigkeit nie eine totale, sondern immer nur eine partielle sei. Eine öffentlich-rechtliche Vollrechtsfähigkeit als Analogon zur privatrechtlichen Vollrechtsfähigkeit könne es nicht geben. 24 Welche Konsequenzen daraus im Falle eines kompetenzwidrigen Verhaltens zu ziehen sind, wird aber nicht erörtert. Zumeist begnügt sich die Literatur ohne argumentative Auseinandersetzung damit, die Geltung des Ultra-vires-Prinzips einfach festzustellen. Gelegentlich wird darauf hingewiesen, daß es um den Schutz der öffentlichen Kompetenzordnungen und öffentlichen Vermögens interessen geht. 2s Um eine ausfilhrlichere BegrUndung hat sich Manfred Eggert in seiner Abhandlung über die deutsche Ultra-vires-Lehre bemüht, ohne allerdings Vgl. OLG Karlsruhe, NJW 1991, 1487; BGH, NJW 1993. 918 (920). Vgl. die Nachw. in Fn. 28 des I. Teils. 24 Vgl. die Nachw. in Fn. 28 des I. Teils 25 Vgl. dazu Fritz. Vertrauensschutzprinzip im Privatrechtsverkehr mit Gemeinden, S. 164 tT.. 235 ff. (der allerdings selbst der Ultra-vires-Lehre kritisch gegenübersteht). 22 23

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IV. Die geschichtliche Entwicklung der Lehre von der Teilrechtsilihigkeit

hinreichend genau zwischen Rechtsdogmatik und Rechtspolitik, sowie zwischen Vertretungsbefugnis, Handlungsbefugnis, Handlungsflihigkeit und Rechtsflihigkeit zu unterscheiden. Danach soll das Ultra-vires-Prinzip unter anderem dem SchutzbedUrfuis der Zwangsmitglieder öffentlicher Verbände dienen sowie die Staatsaufsicht unterstUtzen. 26 Im übrigen flUlt auf, daß die Gerichte zwar vielfach judizieren, daß juristische Personen des öffentlichen Rechts ihren Wirkungskreis nicht überschreiten dürfen und sich im Falle einer Grenzüberschreitung Unterlassungs- und Widerrufsansprllchen ausgesetzt sehen, von Nichtakten oder einem fehlenden rechtlichen Können aber gerade nicht gesprochen wird. Demzufolge ist in den Gerichtsentscheidungen nur äußerst selten von einer Teilrechtsflihigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts oder von einer Geltung des Ultra-vires-Prinzips die Rede.

4. Würdigung der Dogmengeschichte Als Resümee läßt sich feststellen, daß die Lehre von der Teilrechtsflihigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts resp. die Geltung des Ultra-viresPrinzips erst nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 28.2.1956 verbreitete Anerkennung gefunden hat. Gerichte und Schrifttum rekurrieren ausdrllcklich oder implizit auf diese Entscheidung, ohne sich um eine weitere Absicherung zu bemühen oder die Rechtsfolgenseite zu problematisieren.

26

Eggert, Die deutsche Ultra-vires-Lehre, S. 98 fT.

v. Die Ultra-vires-Doktrin des englischen Rechts Im deutschen Schrifttum wird vielfach ohne nähere BegrUndung angenommen, daß die Lehre von der Teilrechtstlihigkeit juristischer Personen und die Ultra-vires-Doktrin auf angloamerikanische Rechtsvorstellungen zurückgehen. I Richtig ist, daß sich sowohl in den Vereinigten Staaten von Amerika als auch im Vereinigten Königreich Personenvereinigungen und sonstige Organisationseinheiten an ihrer Zielsetzung bzw. ihrem Zweck messen lassen müssen. Wird die Ziel- oder Zwecksetzung überschritten, gelangt die Ultra-vires-Doktrin zur Anwendung. Es ist allerdings zweifelhaft, ob die Rechtsprechung der deutschen Gerichte und die deutsche Lehre von den angloamerikanischen Rechtsvorstellungen beeinflußt worden sind. So gehörten Rosien und Gierke der deutschen Rechtsschule an. Auf englische oder amerikanische Rechtsprechung bzw. literatur wird demgemäß nicht eingegangen. Letzteres gilt auch filr die Rechtsprechung des Reichsgerichts und Bundesgerichtshofs. Hinzu kommt, daß die Ultravires-Lehren des angloamerikanischen Rechtskreises im Gesellschaftsrecht entwickelt worden sind, seit langem aber Einigkeit darüber besteht, daß das Ultravires-Prinzip auf die juristischen Personen des Privatrechts in Deutschland nicht anwendbar ist. 2 Dennoch ist ein Rechtsvergleich lohnend, weil sich hieraus Gesichtspunkte filr die Auslegung des deutschen Rechts ergeben können. Da es nur um die Geltung des Ultra-vires-Prinzips im öffentlichen Recht geht und die Unterscheidung von öffentlichem und privatem Recht dem US-amerikanischen Recht kaum bekannt ist, dagegen im englischen Recht mehr und mehr zwischen public und private law differenziert wird3, soll zunächst und vor allem auf das I Vgl. insbesondere Eggert, Die deutsche Ultra-vires-Lehre, S. I ff., 22 ff., der sogar von einer weltweiten Anerkennung des Ultra-vi res-Gedankens spricht (S. 1) und sich darum bemüht, vor allem die englische Ultra-vires-Lehre rur das deutsche Recht fruchtbar zu machen - allerdings nur auf zwei Entscheidungen englischer Gerichte (noch dazu nicht im Original) rekurriert und die neuere Entwicklung des englischen Verwaltungsrechts überhaupt nicht zur Kenntnis nimmt. Im übrigen wird zumeist nur pauschal auf das angloamerikanische Ultra-vires-Prinzip Bezug genommen. Vgl. etwa WoljJlBachof! Stober, Verwaltungsrecht I, § 7 Rn. 7; § 25 Rn. 4; Koenig, WM 1995,317 (323). 2 Vgl. statt vieler K. Schmidt, AcP 184 (1984), 529 ff.; dens., Gesellschaftsrecht, S. 221; Heinrichs, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Einf. v § 21 Rn. 11. 3 Die Verwendung des Begriffes public law ist heute im englischen Rechtsleben selbstverständlich geworden. Es gibt selbst eine Zeitschrift mit dieser Bezeichnung. Im Schrifttum wird davon gesprochen, daß sich "something like a system of public law" entwickelt hat (vgl. Wade/Forsyth, Administrative Law, p. 614). Vgl. auch Schwarze, DÖV 1996, 771. Vor einer Übertragung der deutschen Konzeption der Zweiteilung zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht auf das englische Verwaltungsrecht warnend

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V. Die Ultra-vi res-Doktrin des englischen Rechts

Ultra-vires-Prinzip des englischen public law abgestellt werden. Dieses Prinzip hat einen anderen Sinngehalt, als ihm in Deutschland vielfach zugeschrieben wird.

1. Ausklammerung der Parlamentsakte im englischen Recht Zunächst ist es dem englischen Rechtsdenken fremd, staatliche Handlungsweisen auf den Gesamtstaat als Zurechnungs(end)subjekt zu beziehen. Vielmehr wird nur das Handeln der verschiedenen staatlichen Einrichtungen wie z. B. des Parlaments, der Regierung oder der Administrative Bodies in den Blick genommen. Eine Teilrechtsflihigkeit des Staates selbst kann es daher von vornherein nicht geben. 4 Hinzu kommt, daß dem Parlament (House of Commons und House of Lords) nach der traditionellen Auffassung Souvereignty bzw. Supremacys zugestanden wird. Dies bedeutet, das Parlament "is legally competent to do anything it likes".6 (Innerstaatliche) Bindungen irgendwelcher Art gibt es nicht. Anders als in Deutschland können Parlamentsgesetze insbesondere nicht rur verfassungswidrig erklärt werden. Theoretisch ist es dem Parlament des Vereinigten Königreichs daher sogar gestattet, das Rauchen in Paris zu verbieten oder die Entlassung der früheren Kolonien in die Unabhängigkeit zu widerrufen. 7 Die Rechtsmacht des Parlaments kann von niemandem in Frage gestellt werden. "No other institution in the state, neither court nor government, can declare an act invalid on any ground whatsoever."s Die Vorstellung, ein Gericht könne Vorschriften eines Parlamentsgesetzes als unbeachtlich ansehen, hat Lord Reid als "strange and startling to anyone with any knowledge of the history and

Bullinger, Die funktionelle Unterscheidung von öffentlichem und privatem Recht als Beitrag zur Beweglichkeit von Verwaltung und Wirtschaft in Europa, in: HoffmannRiemlSchmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 239 (240). 4 Zur Stellung der Crown vgl. Craig, Administrative Law, p. 712; WadelForsyth, Administrative Law, p. 819. 5 Zum Sprachgebrauch vgl. de Smith/Brazier, Constitutional and Administrative Law, p. 68, 69. 6 Pollard/Hughes, Constitutional and Administrative Law, p. 240. Vgl. auch Dicey, Introduction to the Study ofthe Law ofthe Constitution, p. 70 (the word parliamentary souvereignty is the "very keystone" of constitutional law in this country); Blackstone, Commentaries on the Law of England, Book I, p. 161 ("It can, in short, do everything that is not naturally impossible; and therefore some have not scrupled to call its power by a figure rather too bold, the omnicompetence of Parliament. True it is that what the Parliament doth, no authority upon earth can undo it"). 7 Craig, Administrative Law, p. 4. 8 Foulkes, Administrative Law, p. 4.

2. Zielsetzung und Entwicklung

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law of our constitution" angesehen. 9 Deshalb kann auch die Ultra-vires-Doktrin nicht herangezogen werden, "to question the validity ofan Act ofParliament"lO. Diese traditionelle Sichtweise ist zwar heute nicht unumstritten. So wird im Schrifttum die Ansicht vertreten, daß es verfahrensmäßige Grenzen der parlamentarischen Souveränität gebe und das Parlament sich selbst Grenzen setzen könne. Nach Meinung anderer Autoren (vor allem schottischer Herkunft) muß auch die Macht des Parlaments in bestimmter Hinsicht beschränkt werden. 11 Vor allem aber hat der Vorrang des europäischen Gemeinschaftsrechts das englische Rechtssystem stark herausgefordert l2 und zu grundlegenden Überlegungen auch über die Rolle des Parlaments Anlaß gegeben. Doch herrscht die herkömmliche Betrachtungsweise innerstaatlich auch heute noch eindeutig vor. Insbesondere liegt sie der Rechtsprechung unverändert zugrunde. Da in Deutschland das Parlament als Organ des Staates angesehen wird, das nicht mehr Rechte als dieser beanspruchen kann, und da sich die Maßnahmen des Parlaments verfassungsrechtlich rechtfertigen müssen, unterscheidet sich die englische Rechtslage im Hinblick auf die Stellung und die Wirkungsweise des Parlaments grundsätzlich von der deutschen. Eine Orientierung an der englischen Ultra-vires-Doktrin kommt insoweit schon deshalb nicht in Betracht, weil diese Doktrin in England fUr das Parlament gerade nicht gilt.

2. Zielsetzung und Entwicklung der englischen U1tra-vires-Doktrin Die Souvereignty oder Supremacy des Parlaments darf nach dem englischen Recht auch dann nicht angetastet werden, wenn das Parlament öffentliche Einrichtungen (public bodies oder authorities) durch Gesetz mit der Wahrnehmung bestimmter Aufgaben beauftragt hat. Es ist dann sicherzustellen, daß die Einrichtungen nur den Willen des Parlaments ausfUhren und nicht unter Mißachtung der parlamentarischen Ermächtigungsgrundlage anderweitige oder weitergehende Ziele verfolgen. Das Parlament kann den Einrichtungen zwar auch einen Ermessensspielraum einräumen. Gerade in solchen Fällen besteht aber besondere Veranlassung, auf die Einhaltung der Grenzen dieses Spielraums zu

9 British Railways Board v. Pickin (1974], AC 765 (782). Vgl. auch Chessey v. Conn [1968], I WLR 242 (at 247): "What the statute itselfenacts cannot be unlawful ... and it is not for the court to say that a parliamentary enactment ... is illegal". 10 Wade/Bradley, Constitutional and Administrative Law, p. 673; vgl. auch Foulkes, Administrative Law, p. 199. 11 Vgl. die Übersicht bei Pollard/Hughes, Constitutional and Administrative Law, p. 241,242. 12 Vgl. dazu sowie zu den in England äußerst intensiv diskutierten FactortameEntscheidungen des Europäischen Gerichtshofs Craig, Administrative Law, p. 188; de SmilhiBrazier, Constitutional and Administrative Law, p. 84.

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V. Die Ultra-vires-Doktrin des englischen Rechts

achten. Die Ultra-vires-Doktrin ist die dogmatische Konstruktion, mit der Kompetenzüberschreitungen im Wege der rechtlichen Mißbilligung begegnet wird. Ihre Anwendung obliegt den Gerichten. Um die Rechtsprechung verstehen zu können, muß zumindest ein kurzer Blick auf das englische Rechtsschutzsystem geworfen werden. Der gerichtliche Verwaltungsrechtsschutz in England unterscheidet traditionellerweise zwischen appeal (Berufung) und review (Überprüfung).13 Appeal ist nur zulässig, wenn ein Gesetz ein right of appeal einräumt. Bei der dann entscheidenden Kontrollinstanz muß es sich nicht notwendigerweise um ein Gericht handeln. Es können auch tribunals (gerichtsähnlich handelnde, unabhängige Exekutiveinrichtungen) zuständig sein. 14 Zumeist dürfen aber zumindest letztlich die Gerichte angerufen werden. 15 Ist appeal möglich, obliegt der Kontrollinstanz grundsätzlich - d. h. vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelungen - die volle Überprüfung der zuvor getroffenen Entscheidung ("on the merits"), und zwar sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht. Der Kontrolleur darf also prinzipiell seine eigene Entscheidung an die Stelle der früheren setzen. Es gilt der Satz: "On a appeal the question is ,right or wrong,.,,16 Anders stellt sich die Rechtslage dar, wenn es um judicial review geht. Die gerichtliche Überprüfung beruht dann nicht auf einer gesetzlichen Ennächtigung, sondern auf der den Gerichten kraft des common law innewohnenden Macht, darüber zu entscheiden, ob ein staatliches Handeln gültig ist oder nicht. Die Kontrolldichte der Gerichte ist hierbei sehr viel eingeschränkter. Es geht nicht um die Überprüfung "richtig oder falsch", sondern "the question is ,Iawful

13 Vgl. z. B. R. v. Panel on Takeovers and Mergers, ex p. Datafin PIe (C. A.) [1987] QB 815 (842) - Sir Donaldson M. R.; Craig, Administrative Law, p. 7, pp. 335; de Smith, Judicial Review of Administrative Action, 5-001 ff; Turpin, British Govemment and the Constitution, pp. 474; Wade/Forsyth, Administrative Law, pp. 38. 14 Alle Untergliederungen eingerechnet sind mehr als 2000 verschiedene Arten von tribunals gezählt worden. Vgl. Wade/Forsyth, Administrative Law, p. 908 (mit einer Auflistung von Tribunals auf pp. 956). Ungeachtet der organisatorischen Zuordnung der Tribunals zur Exekutive werden ihre Entscheidungen eher als Gerichtsentscheidungen denn als Verwaltungsentscheidungen angesehen. Vgl. Wade/Forsyth, Administrative Law, p. 909, wonach "the decisions of most tribunals are in truth judicial rather than administrative ... These tribunals therefore have the character of courts, even though they are enmeshed in the administrative machinery of the state." Ausfiihrlich zum Ganzen de Smith, Judicial Review of Administrative Action, pp. 33. 15 Vgl. wegen näherer Einzelheiten den Tribunals and Inquiries Act von 1992. 16 Wade/Forsyth, Administrative Law, p. 38. Dürfen kraft gesetzlicher Regelungen nur "points of law" nachgeprüft werden, schließt dies allerdings eine Ersetzung eines Ermessens ebenso wie eine Bewertung von Tatsachenfragen (questions offact) aus. Vgl. neuerdings dazu BrinkJrine, Verwaltungsermessen, S. 175.

2. Zielsetzung und Entwicklung

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or unlawful, .. I7. Als unlawful oder ungültig kann ein Handeln nur angesehen werden, wenn es ultra vires ist. Dies wurde bis in die sechziger Jahre dahingehend verstanden, daß die Verwaltung die Grenzen der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage überschritten und daher den Willen des Parlamentes mißachtet haben mußte (ultra vires im engeren Sinne). Eine Überschreitung der von der gesetzlichen Ermächtigungsnorm gesetzten Grenzen wurde angenommen, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen nicht gegeben waren oder das Handeln mit dem durch die Ermächtigung verfolgten Ziel kollidierte. 18 So hat z. B. das House of Lords entschieden, daß eine Gemeinde ihre Kompetenz überschreitet, wenn sie über die gesetzliche Ermächtigung zur VerfUgungstellung eines Waschhauses hinausgehend selbst eine öffentliche Wäscherei betreibt. 19 Dagegen galten - von einer zugleich noch darzustellenden Ausnahme abgesehen alle anderen Rechtsmängel wie z. B. Verfahrensfehler, unlautere Beweggründe, fehlerhafte Ermessenserwägungen20 und Willkürentscheidungen im Rahmen des judicial review als unbeachtlich. 21 Es mußte daher zwischen Rechtsfehlern ultra und intra vires unterschieden werden. Sieht man von den Appeal-Befugnissen ab, hatten die Gerichte nur eine Möglichkeit, ein Verwaltungshandeln aufzuheben oder rur ungültig zu erklären: nämlich bei Darlegung der Ultra-vires-Voraussetzungen. Eine Ausnahme wurde nur fllr den Fall eines errors on the face of the record gemacht (also bei offensichtlichen Fehlern).22 Solche Fehler betrafen zwar den Bereich intra vires. Verwaltungsentscheidungen, die auf solchen Fehlern beruhten, wurden aber gleichwohl von den Gerichten aufgehoben. Viele ältere Gerichtsentscheidungen sind heute überholt, weil die Ultra-viresDoktrin und damit zugleich die Judicial-review-Befugnisse der Gerichte fundamental erweitert worden sind. Bereits in der Entscheidung Ridge v. Baldwin23 17 Vgl. Wade/Forsyth, Administrative Law, p. 38. Ferner Emery/Smythe, ludicial Review: Legal Limits ofOfficial Power, pp. 37. 18 Vgl. auch Schwarze, DÖV 1996,771 (772 f.). 19 A.-G. v. Fulharn Corporation [1921] ICh. 440. 20 Vgl. dazu die klassisch gewordene Definition von Lord Greene in Associated Provincial Picture Houses Ltd. v. Wednesbury Corporation [1948] I KB 223 (at 229sog. Wednesbury unreasonableness). Ähnlich Lord Denning in Tarneside [1977] AC at 1026, und Lord Diplock in Council ofCivil Service Unions v. Minister ofthe Civil Service [1985] AC at 410. Umfassend dazu neuerdings Brinktrine, Verwaltungsermessen, S. 169 ff. 21 Ausfilhrlich zu den procedural improprieties und irrationalities de Smith, ludicial Review of Administrative Action, 13-005 ff. Vgl. ferner Turpin, British Government and the Constitution, pp. 487. Zur Unterscheidung von iIIegality und irrationality siehe Lord Diplock in Council ofCivil Service Unions v. Minister ofthe Civil Service (h. L.) [1985] I. C. 374. 22 R. v. Northumberland Compensation Appeal Tribunal, ex p. Shaw [1952], I KB 338. Vgl. zu dieser Fallgruppe Wade/Forsyth, Administrative Law, p. 46, 47, pp. 306. 23 [1964] AC 40. Vgl. auch bereits Associated Provincial Picture Houses Ltd. v. Wednesbury Corporation [1948] I KB 223.

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V. Die Ultra-vi res-Doktrin des englischen Rechts

nahm das House ofLords Anfang der sechziger Jahre an, daß die Entlassung eines Polizeibeamten ohne vorherige Mitteilung des Entlassungsgrundes und ohne Anhörung wegen Verstoßes gegen das common law principle of natural justice ungültig sei. Damit nahm das Gericht implizit ein Handeln ultra vires an, obwohl die Verwaltungsbehörde ihren Wirkungskreis gerade nicht überschritten hatte. Zum Durchbruch kam die Erweiterung der Ultra-vires-Doktrin in dem Fall Anisminic Ltd. v. Foreign Compensation Commission. 24 Hierbei ging es um die Frage, ob eine englische Gesellschaft eine Kompensation rur den Verlust des Eigentums im Zuge der Verstaatlichung des Suez-Kanals bekommen konnte. Die Entscheidung lag kraft Gesetzes in den Händen der Foreign Compensation Commission. Obwohl das Gesetz ausdrücklich jeglichen Rechtsschutz ausschloß 2s, hinderte dies das House ofLords nicht, gleichwohl Rechtsschutz zu gewähren und die Entscheidung der Commission ft1r nichtig (ultra vires) zu erklären, weil die Commission das Gesetz falsch verstanden und die falschen Fragen gestellt habe. Damit wurden sinngemäß nicht nur Kompeteozüberschreitungen beyond the power, sondern alle relevanten errors of law dem Ultra-viresBereich zugeordnet. 26 Dies bedeutet zugleich, daß die Unterscheidung zwischen errors of law on the face of the record und anderweitigen errors of law hinflUlig geworden ist. 27 Spätere Gerichtsentscheidungen haben dies bestätigt.28 1992 hat

24 [1969] 2 AC 147. Zur Bedeutung dieser Entscheidung vgl. Lord Diplock, in: O'Reilly v. Mackmann [1983] 2 AC 237 (at p. 278: "break-through that the Anisminic Case made"); Lord Browne-Wilkinson, R. v. Hull University Visitor ex. p. Page [1993] AC 682 (at pp. 701). Ferner Craig, Administrative Law, pp. 353; de Smith, ludicial Review of Administrative Action, 5-043; WadeiForsyth, Administrative Law, p. 735 ("high-water mark of judicial review"). 2S Vgl. section 4 (4) des Foreign Compensation Act, 1950: "The determination by the commission under this Act shall not be called in question in any court of law"). 26 Besonders deutlich Lord Pearce, Anisminic Ltd. v. Foreign Compensation Commission [1969] 2 AC 147, at 195: "Lack ofjurisdiction may arise in many ways. There may be an absence of those formalities or things which are conditions precedent to the tribunal having any jurisdiction to embark on an inquiry. Or the tribunal may at the end make an order that it has no jurisdiction to make. Or in the intervening stage, while engaged on a proper inquiry, the tribunal may depart from the rules of natural justice; or it may ask itselfthe wrong questions; or it may take into account matters which it was not directed to take into account. Thereby it would step outside its jurisdiction. It would turn its inquiry into something not directed by Parliament and fail to make the inquiry which Parliament did direct. Any of these things would cause its purported decision to be a nullity." In der Sache ebenso (wenn auch mit etwas eigenwilliger Terminologie) Lord Reid in derselben Entscheidung (p. 171-174). 27 So ausdrücklich auch Lord Browne-Wilkinson, R. v. Hull University Visitor ex p. Page [1993] AC 682 (at 701). 28 Vgl. Pearlman v. Keepers and Governors of Harrow School [1979] QB 56; Re Racal Communication Ltd. [1981] AC 374. In der Entscheidung Laker Airways Ltd. v. Department of Trade [1977] QB 643, wurde eine Anweisung des Secretary of State rur ungültig erklärt, obwohl beide Häuser des Parlaments das Handeln gutgeheißen hatten. Zur Beurteilung des judicial review in der heutigen Ausformung vgl. auch Cotterrell,

3. Rechtsfolgen eines Handeins ultra vires

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Lord Browne-Wilkinson in der Entscheidung R. v. Hull University Visitor ex p. Page mit Billigung der sonstigen Richter dazu grundsätzlich ausgeftlhrt, "that Parliament had only conferred the decision-making power on the basis that it was to be exercised on the correct legal basis: a misdirection in law in making the decision therefore rendered the decision ultra vires,,29. Grundsätzlich soll daher "any error of law made by an administrative tribunal or inferior court" von den höheren Gerichten als unvereinbar mit dem Ultra-vires-Prinzip aufgehoben werden. 30 Auf Einzelheiten - z. B. auf die Frage, wann ein error of law vorliegt31 und wann der Rechtsschutz ausgeschlossen werden darf -, kommt es hier nicht an. Festzuhalten ist, daß die englische Ultra-vires-Lehre im öffentlichen Reche 2 heute grundsätzlich auf alle dem judicial review unterliegenden Rechtsfehler und nicht nur auf Überschreitungen des Wirkungskreises bezogen wird. "Every reviewable error is a species ofultra vires.,,33

3. Rechtsfolgen eines HandeIns ultra vires Solange zwischen Handlungsweisen ultra vires und errors of law on the face of the record unterschieden wurde, bestand Übereinstimmung darüber, daß ein Handeln ultra vires nichtig (void)34, ein fehlerhaftes Handeln on the face ofthe record vernichtbar (voidable) bzw. aufhebbar ist, weil im letzteren Fall intra vires gehandelt wurde. 35 Mit Aufgabe der genannten Abgrenzung und Erweiterung der Ultra-vires-Doktrin ergab sich die Frage, ob nunmehr alle gerichtlich ludicial Review and Legal Theory, und Cranston, Reviewing ludicial Review, in: RichardsoniGenn, Administrative Law and Govemment Action, pp. 13, pp. 45. 29 (1993] AC 682 (at 701). Vgl. auch bereits Lord Diplock, in: O'Reilly v. Mackman t1983] 2 AC 237 (at 278). Kritisch zur Ultra-vires-Doktrin als Basis rur die gerichtliche UberprUfung sonstiger Rechtsfehler (im Gegensatz zu den substantional jurisdictional errors) Oliver [1987] Public Law 543. 30 Lord Browne-Wilkinson, R. v. Hull University Visitor ex. p. Page (1993] AC 682 (at 702). 31 Zur Unterscheidung von jurisdictional errors of law (illegalities) und non jurisdictional errors of law vgl. auch Cane, An Introduction to Administrative Law, p. 62. Weitere Nachw. bei Brinktrine, Verwaltungsermessen, S. 234 ff. 32 Im Gesellschaftsrecht unterscheidet das House of Lords, [1986] Ch D 246 (besonders Lord Browne-Wilkinson, at 302 tf.) nach wie vor zwischen ultra vires im engeren und weiteren Sinne. Liegt ersteres vor, sollen die Handlungen "wholly void" sein, im letzteren Fall sind sie "capable of conferring rights on third parties to have no notice ofthe invalidity". Nach Lord Browne-Wilkinson soll der Ausdruck ultra vires nur im engeren Sinne verwendet werden (at p. 303 - beyond the capacity). 33 Wade/Forsyth, Administrative Law, p. 47. Vgl. auch Laws, Illegality: The problem ofjurisdiction, in: Supperstone/Goudie (Eds.), ludicial Review, pp. 51. 34 Synonym wird auch von invalid oder null gesprochen. Vgl. Lewis, ludicial review in public law, pp. 130. 35 Vgl. Wade/Forsyth, Administrative Law, p. 340.

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V. Die Ultra-vires-Doktrin des englischen Rechts

UberprUfbaren Rechtsfehler zur Nichtigkeit ftlhren sollen. Die Frage wurde von der Rechtsprechung bejaht, weil judicial review Uberhaupt erst dann zulässig ist, wenn die Gerichte nachweisen können, daß die Exekutive ultra vires gehandelt hat. Somit mußten alle relevanten Rechtsfehler diesem Bereich zugeordnet werden, auch wenn in Wahrheit keine AufgabenUberschreitung vorlag (weil eine Handlungsbefugnis gegeben, von dieser aber nicht korrekt Gebrauch gemacht worden war).36 Nichtigkeit wird hierbei nicht in einem absoluten, sondern in einem relativen Sinne verstanden. Dies bedeutet, daß die Nichtigkeitsfolge nur gilt, wenn sie gerichtlich festgestellt worden ist. Um eine solche Feststellung zu erreichen, muß der Rechtsschutzsuchende z. B. eine Klagebefugnis haben, die Fristen wahren und das richtige Verfahren wählen. Es ist auch durchaus denkbar, daß eine Entscheidung als nichtig im Hinblick auf eine Person, dagegen als gUltig im Hinblick auf eine andere Person angesehen wird. 37 Vor allem im Schrifttum, teilweise aber auch in der Rechtsprechung wird erörtert, ob nicht differenziertere Fehlerfolgen angebracht sind. So ist die Frage aufgeworfen worden, ob das sog. Estoppel-Prinzip (Rechtsverwirkung wegen widersprUchlichen Verhaltens) bestimmten Ultra-vires-Handlungen entgegengesetzt werden kann, mit der Folge, daß die Handlungsweisen aus GrUnden des Vertrauens schutzes aufrechterhalten werden mUssen. 38 Ferner hat Lord Denning, der die Rechtsprechung maßgeblich beeinflußt hat, zeitweilig erwogen, Entscheidungen nur dann als nichtig anzusehen, wenn sie an einem schwerwiegenden Fehler leiden. 39 Dies hätte bedeutet, daß im Regelfall bloße Aufhebbarkeit anzunehmen gewesen wäre. Diese Auffassung haben sich in der Gerichtsbarkeit bisher aber nicht durchsetzen können. Vielmehr gilt nach wie vor der Satz: "No estoppel can legitimate action which is ultra vires.,,4o Im vorliegenden Zusammenhang ist entscheidend, daß das englische Recht nicht zwischen void und non existent unterscheidet, also keine Differenzierung zwischen nichtigen Akten und Nichtakten kennt. Gelegentlich wird zwar darauf hingewiesen, daß der Ausdruck ultra vires sowohl in einem engeren Sinne (no 36 Vgl. Ridge v. Baldwin [1964J AC 40 (at 125); Anisminic Ltd. v. Foreign Compensation Commission [1969J 2 AC 147 (at 170 - Lord Reid). 37 Vgl. näher Hoffinann-La Roche & Co. A.G. v. Secretary of State for Trade and Industry (1975J AC 295 (366 - Lord Diplock); Craig. Administrative Law, p. 452; Wade/Forsyth, Administrative Law, pp. 342. 38 Aus der Rechtsprechung vgl. Wells v. Minister ofHousing and Local Government [1967J 1 WLR 1000 (at 1007); gebilligt im Fall Western Fish Products Ltd. v. Penwith District Council [1981J 2 All ER 204. Ausfilhrlich dazu Jones, Garner's Administrative Law, pp.142, und vor allem Craig, Administrative Law, pp. 652. 39 Vgl. insbesondere R. v. Paddington Valuation Officer, ex. p. Peachey Property Corporation Ltd. (1966J 1 QB 380 (at 401, 402). Lord Denning hat seine Auffassung später revidiert. Vgl. Firman v. Ellis [1978J QB 886, ferner dens., The Discipline of Law, p. 77. 40 Wade/Forsyth, Administrative Law, p. 270.

3. Rechtsfolgen eines HandeIns ultra vires

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power) als auch einem weiteren Sinne (unlawful) verwendet werden kann. 41 Aber abgesehen davon, daß dies eher an die Unterscheidung von Nichtigkeit und Rechtswidrigkeit erinnert, werden aus dieser keineswegs allgemein gebräuchlichen Differenzierung keine dogmatischen Folgerungen gezogen. Alle relevanten Rechtsfehler filhren zu derselben Rechtsfolge. Anders als das deutsche Recht verzichtet das englische demnach auf die Gegenüberstellung von nichtigen Akten und Nichtakten. Die Nichtigkeit wird in England allerdings mit den Worten der Ultra-viresDoktrin häufig so umschrieben42 , daß man an die Annahme eines Nichtaktes statt eines bloß nichtigen Aktes denken könnte. Jedoch ist dies darauf zurUckzufilhren, daß nur die Benutzung dieses Vokabulars die Gerichte dazu berechtigt, Rechtsschutz zu gewähren. In Deutschland bedarf es einer solchen Einkleidung nicht, weil das Parlament nicht souverän ist und die prozessualen Generalklauseln sowie Art. 19 Abs. 4 GG umfassenden Rechtsschutz gegen die öffentliche Gewalt gewähren. Stellt man nicht auf das verwendete Vokabular, sondern die Rechtswirkungen ab, kann voidness keineswegs mit dem rechtlichen Nichtkönnen im Sinne der deutschen Ultra-vires-Lehre verglichen werden. Selbst ein Vergleich mit der Nichtigkeit im deutschen Recht ist nicht unproblematisch. So kann sich in Deutschland grundsätzlich jedermann auch ohne gerichtliche Feststellung auf die Nichtigkeit berufen. Im Streitfall müssen zwar die Gerichte entscheiden. Doch gelten z. B. nicht die Widerspruchs- und Klagefristen, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes begehrt wird. 43 Hebt das Gericht einen nichtigen Akt auf, treffen die Wirkungen jedermann (also auch denjenigen, der selbst nicht die Gerichte angerufen hat). Dagegen ist schon ausgefilhrt worden, daß voidness in einem strikt relativen Sinne verstanden wird. Die Qualifizierung eines Aktes als void ist von der gerichtlichen Anerkennung abhängig. Auch gelten die normalen Klagefristen. Vor allem aber wirkt die gerichtliche Einstufung eines Aktes als void grundsätzlich nur inter partes. Deshalb dürfte voidness eher mit der Aufhebung rechtswidriger Akte im deutschen Recht nach erfolgreicher Anfechtungsklage oder Leistungsklage gleichzusetzen sein. Tatsächlich wird zwischen void (nichtig bzw. ungültig) und voidable (vernichtbar bzw. aufhebbar) im englischen Recht nicht kategorial unterschieden. Die Differenzierung wird sinnvariierend verwendet. Teilweise soll nur zum 41 Foulkes, Administrative Law, p. 199; Oliver, Is the ultra vires rule the basis of judicial review? (1987], Public law, 543 (at 544). Vgl. auch Phillips/Jackson, O. Hood Phillips' Constitutional and Administrative Law, 662 (substantive ultra vires or procedural ultra vires). 42 Z. B. beyond the power, no legal capacity, no effect usw. 43 Die Fristen gelten nur rur die Anfechtungs-, nicht fllr die Feststellungsklage. Insoweit steht einer Klage nicht nur der Gedanke der Verwirkung entgegen. Vgl. dazu Ehlers, in: SchochiSchmidt-AßmanniPietzner, VwGO. Vorb § 40 Rn. \05 in Fn. 397.

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V. Die Ultra-vires-Doktrin des englischen Rechts

Ausdruck gebracht werden, daß ein rechtswidriger Akt vor dem Ergreifen gerichtlicher Schritte voidable, nach erfolgreichem Gerichtsschutz als void zu qualifizieren ist. 44 Nach einer anderen Unterscheidung ist voidness anzunehmen, wenn das Gericht feststellt, daß das Handeln ex tunc keine Rechtswirkungen hat ("ab inito"), wohin voidness bedeutet, daß die Rechtswirkungen erst mit der gerichtlichen Entscheidung (ex nunc) entfallen. 45 Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob sich das Gericht auf die Feststellung der voidness beschränkt oder den Ultra-vires-Akt aufhebt (quash).46 In jedem Falle ist es nicht angängig, einem Handeln ultra vires im englischen Recht die rechtliche Existenz abzusprechen. Dies ergibt sich auch aus dem Umstand, daß alle Rechtsfehler (nach erfolgreichem gerichtlichen Rechtsschutz) zu der einheitlichen Rechtsfolge voidness ftlhren. Es erscheint aber nicht sinnvoll, Verwaltungsentscheidungen, die auf einem Vefahrensfehler oder einem fehlerhaften Ermessensgebrauch beruhen, als Nichtakte einzustufen, obwohl intra vires gehandelt worden ist. Dies alles zeigt, daß die englische Ultra-vires-Doktrin - jedenfalls in ihrer derzeitigen Ausprägung - nicht als Stütze der deutschen Ultra-viresLehre herangezogen werden kann. Hinzu kommt, daß die Ultra-vires-Doktrin des englischen Rechts im neueren Schrifttum scharf angegriffen wird. So wird in der umfassendsten Abhandlung zum gerichtlichen Rechtsschutz die Auffassung vertreten, daß "the foundation for judicial review should no longer be regarded as ultra vires".47 Vielmehr gehe es darum, der rule of law, vor allen Dingen den Grundrechten und den sonstigen "principles of fair administration" zum Durchbruch zu verhelfen. 48 Sollten sich diese Tendenzen durchsetzen, wird es eine Ultra-vires-Lehre im englischen öffentlichen Recht künftig nicht mehr geben.

44 Zu dem verschiedenen Sprachgebrauch von voidable vgl. Craig, Administrative Law, pp. 453. 45 Vgl. de Smith, Judicial Review of Administrative Action, 5-002. 46 Auch insoweit ist die Rechtslage nicht eindeutig. So spricht z. B. Lord BrowneWi/kinson in der wichtigen Entscheidung R. v. Hull University Visitor ex. p. Page [1993] AC 682 (at 702) davon, daß "in general any error of law ... can be quashed for error of law". Auch wenn quash unter Umständen ebenfalls "fllr ungUItig erklären" bedeuten kann, ergibt sich aus dem Kontext oftmals, daß der Ausdruck im Sinne von Aufhebung verwendet wird. 47 de Smith, Judicial Review of Administrative Action, 5-043. Der genannten Auffassung kommt auch deshalb besondere Bedeutung zu, weil Woolf Mitglied des höchsten englischen Gerichts (House of Lords) ist. Zur Kritik der Ultra-vires-Lehre vgl. ferner Laws, lIIegality: The problem of jurisdiction, in: Supperstone/Goudie (Eds.), Judicial Review, pp. 51; Craig, Constitutions, Property and Regulation [1991] Public Law, pp. 538; dens., Administrative Law, pp. 652. Die Ultra-vires-Doktrin verteidigend dagegen Forsyth, Of Fig Leaves and Fairy Tales: The Ultra-vires-Doctrine, the Souvereignty ofParliament and Judicial Review, in: Cambridge Law Journal [1996], pp. 122. 48 Vgl. die Nachw. bei Brinktrine, VerwaItungsermessen, S. 340 f.

VI. Die Ultra-vires-Doktrin und das US-amerikanische Recht Ebensowenig läßt sich die deutsche Ultra-vires-Lehre auf das USamerikanische Recht zurückfUhren. Dieses unterscheidet sich von dem englischen Recht insofern, als nicht jeder error of law zu einem Handeln ultra vires fUhrt, vielmehr nach wie vor zwischen einem Überschreiten der Ermächtigungsgrundlage (ultra vires) und sonstigen Rechtsfehlern unterschieden wird. Die Ultra-vires-Lehre fmdet nur Anwendung, wenn das Handeln einer agency "is not expressly or impliedly authorized by the legislature (or by the execute authority or state constitution creating the particular agency in question)"I. Dies heißt umgekehrt nicht, daß jedes Handeln, welches den Ultra-vires-Test besteht, als gültig anzusehen ist. "Even a rule that deals with the subject matter within the agency's delegated authority may be invalid if it is arbitrary or unreasonable.,,2 Entscheidend ist somit, daß die unterschiedlichen Rechtsverstöße dieselbe Rechtsfolge (Ungültigkeit oder Nichtigkeit) nach sich ziehen. Eine Unterscheidung von Nichtakten und nichtigen Akten kennt das US-amerikanische Recht nicht. Auch haftungsrechtlich macht es in der Regel keinen Unterschied aus, ob ultra oder intra vires gehandelt wurde. Insbesondere hängt die Anwendbarkeit der "doctrine of sovereign immunity,,3, die den Staat (government, agency, corporation, govemmental entity), nicht aber die Regierungs- und Verwaltungsbeamten von SchadensersatzansprOchen freistellt4, nicht von einem Tätigwerden ultra vires ab.

Bonjield/Asimow, State and Federal Administrative Law, p. 422. Schwartz, Administrative Law, p. 172. 3 Vgl. Schwartz, Administrative Law, pp. 607; Brugger, Einftlhrung in das öffentliche Recht der USA, S. 205 f. 4 Eine haftungsrechtliche Verantwortlichkeit sieht der Federal Tort Claims Act (vgl. 60 Stat. 842,1946; 28 U.S.c. §§ 1346 (b), 1402 (b), 1504,2110,2401,2402,2411, 2412,2671-2680) ftlr unerlaubte Handlungen und der Tucker Act (28 U.S.c. §§ 1346, 1491) für Vertragsverletzungen und weitere Rechtsverletzungen vor. Die einzelnen Staaten haben weithin entsprechende Gesetze erlassen. Eine persönliche Haftung der Regierungs- oder Verwaltungsbediensteten ist ausgeschlossen, wenn diesen Personen "official immunity" zukommt bzw. die persönliche Haftung auf den Staat Uberftlhrt worden ist. Vgl. insbesondere den Federal Employees Liability Reform and Tort Compensation Act (102 Stat. 4564 (1988) und 28. U.S.c. § 2679 (b) und (d». I

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VII. Die Ultra-vires-Doktrin des Völkerrechts und des europäischen Gemeinschaftsrechts 1. Die Behandlung von Kompetenzüberschreitungen im Völkerrecht Von einem Handeln ultra vires wird im Völkerrecht gesprochen, wenn Internationale Organisationen oder Staaten im Falle eines völkerrechtlich bedeutsamen Auftretens ihre Kompetenzen überschreiten. Während das Handeln Internationaler Organisationen beim Überschreiten des Kompetenzbereichs früher zumeist als nichtig angesehen worden ist, wird heute differenziert. Im Verhältnis zu Drittstaaten oder zu anderen Internationalen Organisationen nimmt die heutige Lehre unter Bezugnahme auf Art. 46 Abs. 2 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge zwischen Staaten und Internationalen Organisationen oder zwischen Internationalen Organisationen vom 21.3.1986 1 überwiegend an, daß Kompetenzverstöße unbeachtlich sind, sofern nicht die Verletzung offenkundig war und eine Vorschrift von grundlegender Bedeutung betraf. 2 Im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten der Internationalen Organisationen werden drei unterschiedliche Auffassungen vertreten: nämlich daß das Handeln der Internationalen Organisationen trotz Kompetenzüberschreitung immer wirksam bleibe, daß die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dem Mitgliedstaat selbst obliege4 oder daß es wiederum auf die Evidenz der Zuständigkeitsüberschreitung ankomme. s Dagegen besteht ÜbereinstimBGB\. 199011, S. 1414. Vg\. Bothe, ZaöRV 37 (1977), 122 (136 f.); Bernhardt, EuR 1983, 199 (206); Klein/Pechstein, Das Vertragsrecht internationaler Organisationen, S. 24 ff.; Vedder, in: Grabitz/Hilj, Kommentar zur Europäischen Union, Art. 228 Rn. 61; Simmer/Vedder, in: Grabitz/Hilj, Kommentar zur Europäischen Union, Art. 2\0 Rn. 8; Tomuschat, Völkerrechtliche Grundlagen der Drittlandsbeziehungen der EG, in: Hilf (Hrsg.), EG- und Drittlandsbeziehungen nach 1992, S. 144 f.; Seidl-HohenveldernlLoibl, Das Recht der Internationalen Organisationen einschließlich der Supranationalen Gemeinschaften, Rn. 1516; E. Klein, in: GrafVitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Abschn. Rn. 98, 193. Vgl. zum Ganzen auch Bleckmann, Europarecht, Rn. 1407 f. 3 Vg\. z. B. Richter Morelli (sep. op.) ICJ Reports 1962,216 (224). 4 Z. B. Richter Winiarski (dis. op.) ICJ Reports 1962, 227 (232); Richter Gros (sep. op.) ICJ Reports 1980,99 (104). 5 Bernhardt, BerDGVR 12 (1973), 7 (33 f.). AbI. Frowein, The Internal and External Effects ofResolutions by International Organizations, ZaöRV 49 (1989),778 ff. 1

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2. Die Behandlung von Rechtsverstößen im Gemeinschaftsrecht

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mung darüber, daß das Handeln der staatlichen Organe jedenfalls auch dann völkerrechtlich als Handeln des Staates betrachtet wird, wenn das Organ seine dem innerstaatlichen Recht entsprechenden Kompetenzen überschritten oder Weisungen hinsichtlich seiner Tätigkeit zuwidergehandelt hat. 6 Dies wird aus Völkergewohnheitsrecht und das diesem Gewohnheitsrecht zugrundeliegende Bona-fides-Prinzip hergeleitet. Da der Staat mit seinen Kompetenzregelungen zugleich die KompetenzUberschreitung faktisch ermögliche, müsse er sich diese auch zurechnen lassen. Umstritten ist nur, ob dies auch dann gelten soll, wenn die KompetenzUberschreitung offenkundig war. 7 Einer Klärung der völkerrechtlichen Fragestellungen bedarf es hier nicht. Es genügt festzustellen, daß die Völkerrechtslehre zwar Kompetenzüberschreitungen als Ultra-vires-Akte einstuft. Diese werden aber gerade nicht als Nichtakte, sondern im Gegenteil regelmäßig als gültige Rechtsakte angesehen. Soweit ausnahmsweise etwas anderes anzunehmen ist (etwa wegen Offenkundigkeit eines schwerwiegenden Kompetenzverstoßes), spricht man allerdings gelegentlich davon, daß die Kompetenzüberschreitung dem Völkerrechtssubjekt nicht zuzurechnen ist. 8 Damit wird aber nicht einer Einschränkung der völkerlichen Rechtsfllhigkeit das Wort geredet. Vielmehr soll nur zum Ausdruck gebracht werden, daß das Völkerrechtssubjekt das kompetenzwidrige Handeln nicht gegen sich gelten lassen muß. Die Unterscheidung von rechtswidrigen, nichtigen und Nicht-Akten ist dem Völkerrecht nicht bekannt. Eine Ultra-vires-Doktrin im Sinne der deutschen Lehre kennt das Völkerrecht somit nicht.

2. Die Behandlung von RechtsverstöBen im Recht der Europäischen Gemeinschaften Im Gegensatz zum Völkerrecht, das nach den zumeist vertretenen dualistischen Theorien9 im innerstaatlichen Rechtskreis nur gilt, wenn es von einer innerstaatlichen Norm in innerstaatliches Recht umgewandelt worden ist (Trans6 Vgl. /psen, Völkerrecht, § 36 Rn. 24 ff.; M. Schröder, in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 6. Abschn. Rn. 24 - jeweils m. w. N. auch aus der Staatenpraxis und der Rechtsprechung. 7 Bejahend die International Law Commission (vgl. den Kodifikationsvorschlag bei /psen, Völkerrecht, § 36 Rn. 27); Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht; Brownlie, Principles ofPublic International Law, S. 45, § 1274. Verneinend Wolfrum, International Wrongful Acts, EPIL IO (1987), 271 (274); /psen, Völkerrecht, § 36 Rn. 28; M. Schröder, in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 6. Abschn. Rn. 24. Auch Art. 46 WVK und Art. 46 WVKIO bestimmen ausdrücklich, daß bei offensichtlichen Rechtsverletzungen eine Berufung auf die Ungültigkeit des Vertragsabschlusses zulässig ist. 8 Vgl. etwa /psen, Völkerrecht, § 36 Rn. 24 ff. 9 Vgl. zum Streitstand Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, §§ 71 ff.; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, S. 15 ff.; Schweitzer, Staatsrecht I1I, Rn. 24 ff.

4 Ehler,

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VII. Die Ultra-vires-Doktrin des Völker- und Gemeinschaftsrechts

fonnationslehre) oder wenn ein innerstaatlicher Rechtsakt die Anwendung des Völkerrechts freigibt (Vollzugslehre)lO, vennag das europäische Gemeinschaftsrecht unmittelbare Wirkungen im nationalen Recht zu entfalten. Der Frage, ob das europäische Gemeinschaftsrecht eine Ultra-vires-Doktrin kennt, kommt deshalb erhebliche Brisanz zu. Eine solche Doktrin könnte sich nämlich ebenfalls unmittelbar im nationalen Rechtskreis auswirken. Die Frage stellt sich sowohl dann, wenn das Handeln des Mitgliedstaates dem europäischen Gemeinschaftsrecht widerspricht, als auch dann, wenn die Europäischen Gemeinschaften selbst kompetenzwidrig oder in sonstiger Weise rechtswidrig handeln.

a) Verstöße der Mitgliedstaaten gegen Gemeinschaftsrecht Nach heute wohl allgemeiner Auffassung geht das europäische Gemeinschaftsrecht jedenfalls innerhalb gewisser Grenzen (die rur die Bundesrepublik Deutschland in Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG sowie in der sogenannten Solange- bzw. Maastricht-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts umschrieben worden sindlI) dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten vor. 12 Das besagt aber noch nichts über die Folgen eines Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht. Zu unterscheiden ist zwischen Rechtssetzung und Rechtsanwendung.

aa) Verstöße des Gesetzgebers

Widerspricht das nationale Recht dem vorrangig geltenden europäischen Gemeinschaftsrecht, ist es nach heute ganz herrschender Meinung nicht als un-

10 Vgl. zu diesen Theorien Schweitzer, Staatsrecht 111, Rn. 420 ff.; Streinz, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 25 Rn. 15 ff. Neben der Vollzugslehre wird teilweise auch eine sog. Adoptionstheorie vertreten (vgl. zu dieser Theorie Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, S. 165 f.; Schweitzer, Staatsrecht II1, Rn. 420 ff.). Soweit die Adoptionstheorie dahingegehend verstanden wird, daß das Völkerrecht auch ohne staatlichen Umsetzungsakt wirksam wird (vgl. dazu lpsen, Völkerrecht, § 73 Rn. 3 f.), beruht sie auf einer monistischen Vorstellung von Völker- und nationalem Recht. Verlangt man von der Adoption eine nationale Geltungsanordnung, bestehen zwischen Adoptions- und Vollzugslehre keine Uedenfalls keine nennenswerten) Unterschiede. 11 Vgl. insbesondere BVerfDE 37, 271 (279); 73, 339 (375 f.); 89,155 (174 f.). 12 Grundlegend EuGH Rs. 6/64, Slg. 1964, 1251 (1270 f.) - CostalENEL; zum Vorrang auch gegenüber mitgliedstaatlichem Verfassungsrecht vgl. EuGH Rs. 11/70, Slg. 1970, 1125 (1135) - Internationale HandelsgesellschaftlEinfuhr- und Vorratsstelle rur Getreide und Futtermittel; Rs. \06/77, Slg. 1978, 629 (643 ff.) - Staatliche FinanzverwaltunglS.p.A. Simmenthal; Rs. C-213/89, Slg. 1990, 1-2433 (2473) - The QueenlSecretary of State for Transport. Nach der st. Rspr. des EuGH gilt der Vorrang des Gemeinschaftsrechts ohne jede Einschränkung.

2. Die Behandlung von Rechtsverstößen im Gemeinschaftsrecht

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gültig 13 , sondern nur als unanwendbar anzusehen, sofern das Gemeinschaftsrecht selbst unmittelbare Anwendung verlangt.14 Dieser Auffassung ist grundsätzlich zuzustimmen, da Gemeinschaftsrecht und nationales Recht als verschiedene Rechtsordnungen anzusehen sind, ein Anwendungsvorrang dem BedUrfnis nach einheitlicher Geltung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts hinreichend Rechnung trägt, das Fortbestehen nationaler Regelungen in Fällen ohne Gemeinschaftsbezug sinnvoll sein kann und dem Europäischen Gerichtshof nach den Gemeinschaftsverträgen nicht die Kompetenz zukommt, die Frage der Normkollision mit Nichtigkeitsfolge fiIr das nationale Recht verbindlich zu entscheiden. 15 Folgt man der Lehre vom Anwendungsvorrang, ist fiIr eine Heranziehung der Ultra-vires-Doktrin im Sinne der deutschen Vorstellungen von vornherein kein Raum. Allerdings ist bisher nicht hinreichend geklärt, ob es bei der bloßen Nichtanwendbarkeit nationalen Rechts auch dann bleiben kann, wenn den Europäischen Gemeinschaften eine ausschließliche Zuständigkeit in dem Sinne zukommt, daß die Mitgliedstaaten unabhängig von einem konkreten Tätigwerden der Gemeinschaften jegliche Handlungsbefugnis verloren haben. 16 Letzteres triffi jedenfalls dann zu, wenn ein Handeln der Mitgliedstaaten ausnahmslos unzulässig ist (die Mitgliedstaaten also z. B. auch nicht nur gegenüber Drittstaaten bzw. vorübergehend tätig werden dürfen, bis die Gemeinschaft ihre ausschließliche Kompetenz genutzt hae 7) oder die Gemeinschaft die Mitgliedstaaten zu

13 Grabitz, Gemeinschaftsrecht bricht nationales Recht, passim, der seinen Standpunkt aber aufgegeben hat (vgl. Grabitz, in: Kruse, Hrsg., Zölle, Verbrauchssteuern, europäisches Marktordnungsrecht, 33, 43 (). 14 Vgl. z. B. EuGH Rs. C-184/89, Slg. 1991, 1-297 (321) - NimzlFreie und Hansestadt Hamburg; BVerfGE 75, 223 (244); 85, 191 (204); BVerwGE 87, 154 (158 ff.); Zuleeg, VVDStRL 53 (1994), 154 (159 ff.); Schmidt-Aßmann, DVBI. 1993, 924 (930 (). 15 Vgl. EuGH Rs. 237/82, Slg. 1984,483 (500) - Jongeneel KaaslNiederlande. 16 Das Gemeinschaftsrecht kennt zwar den Begriff der ausschließlichen Zuständigkeit - Art. 3 b Abs. 2 [5 Abs. 2 n. F.] EGV. Dieser Begriff wird aber häufig unscharf und sinnvariierend benutzt. Vgl. Jarass, Die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaften und die Folgen rur die Mitgliedstaaten, S. 25 ff. Ausschließliche Zuständigkeiten der Europäischen Gemeinschaft sind selten. Im Schrifttum werden etwa die Festlegung des gemeinsamen Zolltarifs (Art. 28 [26 n. F.] EGV), der internationale Verkehr in der EG (Art. 75 Abs. 1 lit. a [71 Abs. I Iit. an. F.] EGV), die Dienstleistungsfreiheit von Verkehrsunternehmen (Art. 75 Abs. 1 Iit. b [71 Abs. 1 Iit. b n. F.] EGV), die gemeinsame Handelspolitik (Art. 113 [133 n. F.] EGV), und die Fischerei-Erhaltungsmaßnahmen genannt (Streinz, Europarecht, Rn. 129). 17 Hat die Gemeinschaft eine ausschließliche Kompetenz noch nicht genutzt, dürfen die Mitgliedstaaten nach der Rechtsprechung unter gewissen Voraussetzungen als "Sachwalter des gemeinsamen Interesses" (EuGH Rs. 804/79, Slg. 1981, 1045, 1075 f.KommissionNereinigtes Königreich) in Erfilllung einer Pflicht aus Art. 5 [10 n. F.] EGV (EuGH verb. Rs. 47 und 48/83, Sig. 1984, 1721, 1738 - Pluimveeslachterijen Midden-Nederland B.V. und van Miert B.V.) vorübergehende Maßnahmen (nach Kon-

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VII. Die Ultra-vires-Doktrin des Völker- und Gemeinschaftsrechts

einem Handeln ausdrücklich ennächtigen muß. 18 Dieselbe Frage taucht auf, wenn die Europäische Gemeinschaft von einer konkurrierenden Kompetenz mit umfassender Sperrwirkung rur die Mitgliedstaaten Gebrauch gemacht hat. In solchen Fällen könnte man argumentieren, daß eine bloße Nichtanwendbarkeit des kollidierenden nationalen Rechts nicht ausreicht, weil die Aufrechterhaltung des mitgliedstaatlichen Handeins unter keinen Gesichtspunkten in Betracht kommt und in jedem Fall eine Kompetenzanmaßung zu Lasten der Europäischen Gemeinschaft mit sich bringt. Dies würde dann bedeuten, daß das Handeln als ungültig angesehen werden mUßte. 19 Sofern man dieser Auffassung folgt, wäre mit der Ungültigkeitserklärung des nationalen Rechts dem Vorrang des europäischen Gemeinschaftsrechts aber auch ausreichend Rechnung getragen. Das Gemeinschaftsrecht verlangt keineswegs, das kollidierende Handeln der Mitgliedstaaten als Nichtakte einzustufen.

bb) Verstöße der Verwaltung

Verstößt die nationale Verwaltung bei der Rechtsanwendung gegen unmittelbar geltendes Gemeinschaftsrecht, bleibt die Bestimmung der Fehlerfolge prinzipiell dem nationalen Recht überlassen. Das Gemeinschaftsrecht verlangt nur, daß seine Verwirklichung nicht praktisch unmöglich gemacht wird. 20 Dies ist regelmäßig schon dann der Fall, wenn die gemeinschaftsrechtswidrige Maßnahme als rechtswidrig eingestuft wird (weil sie dann aufgehoben oder das Handeln im Falle der Schaffung vollendeter Tatsachen mit einer Sanktion belegt werden kann). Der Annahme der Nichtigkeit bedarf es Gedenfalls grundsätzlich) nicht. Wenn der Europäische Gerichtshof verschiedentlich davon

sultation und Zustimmung der EG-Kommission) treffen. Vgl. auch EuGH Rs. C-158/89, Slg. 1990,1-2013 (2036 f.)- Weingut Dietz-MattilBundesrepublik Deutschland. \8 Obwohl der EG im Bereich der Handelspolitik gemäß Art. 113 [133 n. F.) EGV eine außerordentliche Kompetenz zusteht (vgl. Fn. 8); ferner EuGH Gutachten 1/75, Slg, 1975, 1355, 1363 f. - Gutachten vom 11.11.1975; Rs. 41/76, Slg. 1976, 1921, 1937DonckerwolckelProcureur de la Republique; Gutachten 1/78, Slg. 1979,2871,2910Gutachten vom 4.10.1979; Gutachten 1/94, Slg. 1994, 1-5267 (5393 ff.) - Gutachten vom 15.11.1994, gestattet Art. 115 [134 n. F.) EGV der EG-Kommission, die Mitgliedstaaten zu bestimmten Regelungen zu ermächtigen. \9 In diesem Sinne Ehlers, in: Erichsen (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 48. 20 Vgl. zu diesem sog. Vereitelungsverbot grundlegend EuGH, Rs 33/76, Sig. 1976, 1989 (1998) - Rewe-Zentralfinanz eG und Rewe-Zentral AGlLandwirtschaftskammer rur das Saarland; verb. Rs. 205-215/82, Sig. 1983, 2633 (2666 f.) - Deutsche Milchkontor GmbH u. a.lBundesrepublik Deutschland; Rs. C-312/93, Sig. 1995, 1-4599 (4621) - Peterbroek, Van Campenhout & Cie SCS/Belgischer Staat; Rs. C-188/95, Sig. 1997, 1-6783 (6836) - Fantask NS u. a.llndustriminisret. Kritisch zur Reichweite des Vereitelungsverbotes v. Danwitz, DVBI. 1998, 421 ff.

2. Die Behandlung von Rechtsverstößen im Gemeinschaftsrecht

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spricht, daß die unter Verstoß gegen das Verbot des Art. 93 [88 n. F.] Abs.3 S. 3 EGV ergangenen nationalen Beihilfemaßnahmen "ungUltig" sind 21 , dUrfte dies auf einen untechnischen Sprachgebrauch zurückzufilhren sein. Der Europäische Gerichtshof hat sich nämlich in zahlreichen Fällen mit der Rücknahme gemeinschaftsrechtswidriger Beihilfen beschäftigt.22 Einer Rücknahme von Verwaltungsmaßnahmen bedarf es aber nicht, wenn die Maßnahme nichtig ist. Keineswegs gebietet es das europäische Gemeinschaftsrecht, die gemeinschaftsrechtswidrigen nationalen Verwaltungsmaßnahmen als Nichtakte zu qualifizieren. Somit nötigt das EG-Recht die Mitgliedstaaten nicht zur Anerkennung der Ultra-vires-Doktrin im Sinne der deutschen Lehre.

b) Verstöße der Europäischen Gemeinschaften gegen Gemeinschaftsrecht aa) Beurteilung der Rechts/algen nach mitgliedstaatlichem Recht

Nehmen die Europäischen Gemeinschaften Kompetenzen wahr, die ihnen nach Auffassung der Mitgliedstaaten nicht übertragen worden sind, oder verletzt das Gemeinschaftsrecht den unabdingbaren Verfassungsstandard der Mitgliedstaaten, kann es das mitgliedstaatliche Recht unter Umständen gebieten, das Gemeinschaftsrecht in den Mitgliedstaaten auch dann nicht anzuerkennen, wenn der Europäische Gerichtshof oder das Gericht erster Instanz die Rechtmäßigkeit der Gemeinschaftshandlungen bestätigt hat. 23 Für das Grundgesetz hat das Bundesverfassungsgericht in seiner sogenannten Solange- bzw. MaastrichtRechtsprechung diese Konsequenz gezogen. 24 Auch Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG geht davon aus, daß ftlr die Begründung und Änderung der Europäischen Union Art. 79 Abs. 2 und 3 GG gilt. Akzeptiert man eine solche Einschränkung des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts, heißt dies nicht, daß die Mitgliedstaaten dann über die rechtliche Qualifizierung des Gemeinschaftsrechts und damit zugleich über die Fehlerfolge befinden dürfen. Das europäische Gemeinschaftsrecht ist eine eigenständige Rechtsordnung und von derjenigen der Mitgliedstaaten unabhängig. 25 Dies schließt eine Maßstabsfunktion der nationalen Rechtsordnungen aus. Allenfalls darf das Gemeinschaftsrecht in den Mitglied21 z. B. EuGH Rs. C-354/90, Sig. 1991, 1-5505 (5506) - Federation nationale du commercelFranzösische Republik. 22 Vgl. nur EuGH Rs. 94/87, Sig. 1989, 175 - Kommission der Europäischen GemeinschaftenlBundesrepublik Deutschland; EuGH Rs. C-24/95, Sig. 1997,1-1591 Land Rheinland-PfalzlA\can Deutschland GmbH. 23 Der EuGH geht in st. Rspr. von einem uneingeschränkten Vorrang des Gemeinschaftsrechts auch gegenüber dem mitgliedstaatlichen Recht aus. Vgl. die Nachw. in Fn. 12. Ob der Auffassung des EuGH zuzustimmen ist, bedarf hier keiner Entscheidung. 24 Vgl. die Nachw. in Fn. 11. 25 Vgl. Oppermann, Europarecht, Rn. 616.

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VII. Die Ultra-vires-Doktrin des Völker- und Gemeinschaftsrechts

staaten filr nicht anwendbar erklärt werden. Dagegen ist es dem mitgliedstaatlichen Recht in keinem Falle gestattet, allgemeinverbindlich (gemeinschaftsweit) über die Aufhebbarkeit, die Gültigkeit bzw. Ungültigkeit von Gemeinschaftsrecht oder gar über die Zuordnung der Gemeinschaftshandlungen zu den Nichtakten zu entscheiden. 26 Dies ist allein eine Aufgabe der Gemeinschaftsrechtsordnung selbst.

bb) Beurteilung der Rechts/algen nach Gemeinschaftsrecht Wie sich u. a. aus Art. E [5 n. F.] des EU-Vertrages, 3 b Abs. 1 [5 Abs. 1 n. F.] und 189 Abs. 1 [249 Abs. 1 n. F.] EGV ergibt, gilt filr die Europäischen Gemeinschaften das Prinzip der begrenzten Errnächtigung. 27 Anders als die Staaten, die aufgrund ihrer umfassenden Verbandskompetenz grundsätzlich jede Materie regeln können, bedürfen die Gemeinschaften somit einer ausdrücklichen Handlungsermächtigung in den Verträgen. Bei der Ausübung der Kompetenzen müssen die Gemeinschaften und deren Organe die Rechtsbindungen des Gemeinschaftsrechts (wie z. B. die Grundfreiheiten, Gemeinschaftsgrundrechte, das Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzip oder die BegrUndungspflichten28) beachten. Werden die Kompetenzen bei Gestaltung der Rechtsbeziehungen zu Drittstaaten überschritten, gelten diesen Staaten gegenüber die völkerrechtlichen Grundsätze. Wie ausgefilhrt wurde29, enthalten diese gerade kein Ultra-vires-Prinzip im Sinne der deutschen Lehre. Rechtsverstöße im übrigen fllhren regelmäßig nur zur Rechtswidrigkeit der Maßnahme. Die Rechtswidrigkeit kann mit der Nichtigkeitsklage gemäß Art. 173 [230 n. F.] EGV oder Art. 33 EGKSV geltend gemacht werden. Ebenso kann der im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens angerufene Europäische Gerichtshof über die Gültigkeit der Handlungen der Organe der Gemeinschaft und der Europäischen Zentralbank entscheiden (Art. 177 Abs. 1 lit. b [234 Abs. 1 lit. b n. F.] EGV). 26 Dementsprechend geht der EuGH seit der Foto-Frost-Entscheidung (Rs. 314/85, Slg. 1987, 4199, 4231 - Foto-FrostlHauptzollamt Lilbeck-Ost) davon aus, daß nationale Gerichte nicht befugt sind, Handlungen der Gemeinschaftsorgane für ungilltig zu erklären. Gewisse Ausnahmen gelten für den vorläufigen Rechtsschutz. Vgl. EuGH verb. Rs. C-143/88 und Rs. C-92/89, Slg. 1991, 1-415 (542) - Zuckerfabrik Silderdithmarschenl Hauptzollamt Itzehoe und Zuckerfabrik Soest GmbHlHauptzollamt Paderborn, sowie EuGH Rs. C-465/93, Slg. 1995, 1-3761 (3793 f.) - Atlanta Fruchthandelsgesellschaft mbHIBundesamt für Ernährung und Forstwirtschaft. Näher zum Ganzen Ehlers, Einwirkungen des Europäischen Rechts auf das deutsche Verwaltungsprozeßrecht (erscheint demnächst). 27 Allgemeine Auffassung. Vgl. statt vieler Streinz, Europarecht, Rn. 436; Schweitzer/Hummer, Europarecht, Rn. 335. 28 Art. F Abs. 2 [6 Abs. 2 n. F.] EUV, Art. 9 ff., 48 ff., 59 ff., 73a tf, 3b Abs. 2 und 3, 190 [23 ff., 39 ff., 49 ff., 56 ff., 5 Abs. 2 und 3, 253 n. F.] EGV. 29 Vgl. die Ausf. oben zu V. 1.

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Bei der Nichtigkeitsklage handelt es sich um eine Gestaltungsklage. 30 Der Europäische Gerichtshof bzw. das Gericht erster Instanz31 "erklärt ... die angefochtene Handlung fllr nichtig" und stellt nicht nur die Nichtigkeit fest (Art. 174 Abs. I [231 Abs. 1 n. F.] EGV). Bis zum Erlaß des Urteils ist der Akt ungeachtet seiner Fehlerhaftigkeit als wirksam anzusehen, da den Rechtsakten zunächst die Vennutung der Gültigkeit zukommt. 32 Dementsprechend dürfen auch die mitgliedstaatlichen Behörden und Gerichte Sekundärrecht der Gemeinschaft, das nach ihrer Auffassung gegen das primäre Gemeinschaftsrecht verstößt, nicht von sich aus verwerfen 33 (ganz im Gegensatz zum nationalen Recht, das unangewendet bleiben, also verworfen werden muß, wenn die rechtsanwendende Stelle - sei es auch nur eine Behörde34 - es fllr unvereinbar mit dem Gemeinschaftsrecht haIes). Sie müssen abwarten, bis ein Nichtigkeitsurteil ergeht. Entsprechendes wie fllr die Nichtigkeitsklage gilt fllr die Ungültigkeitsfeststellung nach Art. 177 Abs. 1 lit. b [234 Abs. 1 lit. b n. F.] EGV. 36 Erklärt die Gemeinschaftsgerichtsbarkeit die Handlung fllr nichtig oder ungültig, wirkt diese Erklärung ex tunc. Die Parteien werden in die Lage zurückversetzt, die vor dem fllr nichtig erklärten Akt bestand. 37 In AusnahmeflUlen hat der EuGH unter Berufung auf Art. 174 II EGV [231 Abs. 2 n. F.] - im Fall des Art. 177 Abs. 1 lit. b [234 Abs. 1 lit. b n. F.] in analoger Anwendung - und den allgemeinen

30 Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, Bd. 1, S.226; Nicolaysen, Europarecht I, S. 193; Rengeling/Middeke/Gellermann, Rechtsschutz in der Europäischen Union, Rn. 122; Krück, in: v. d. GroebenIThiesing/Ehlermann (Hrsg.), Kommentar zum EU-lEG-Vertrag, Art. 174 Rn. 2. 3\ Vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. b des Beschlusses des Rates (88/591IEGKS, EWG, EURATOM) zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 24.10.1988 (AbI. Nr. L 319/1). 32 EuGH Rs. 101178, Slg. 1979,623 (636) - GranariaIHoofdproduktschap voor Akkerbouwprodukten; Rs. 15/85, Sig. 1987, 1005 (1036) - Consorzio Cooperative D'AbruzzolKommission; Krück, in: v. d. GroebenIThiesing/Ehlermann (Hrsg.), Kommentar zum EU-lEG-Vertrag, Art. 174 Rn. 2. 33 Vgl. rur die Behörden EuGH Rs. 101178, Slg. 1979, 623 (637) - Granaria/ Hoofdproduktschap voor Akkerbouwprodukten. Zur fehlenden Befugnis der nationalen Gerichte, Handlungen der Gemeinschaften als ungültig zu behandeln, vgl. Fn. 26 (FotoFrost). Zu den erlaubten Ausnahmen im Rahmen der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes siehe Fn. 26 (Süderdithmarschen- und Atlanta-Entscheidung). Näher zu diesen Entscheidungen Ehlers, Einwirkungen des Europäischen Rechts auf das deutsche Verwaltungsprozeßrecht (erscheint demnächst). 34 EuGH Rs. 103/88, Slg. 1989, 1839 (1871) - Fratelli Costanzo SpNStadt Mailand. 35 Kritisch Scheuing, EuR 1985,229 (254); Streinz, Die Verwaltung 23 (1990), 153 (164 f.); Jarass, Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, S. 102. 36 Vgl. Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, Bd. I, S. 226 ff. 37 EuGH Rs. 22170, Slg. 1971, 263 (279) - KommissionlRat; Wenig, in: Grabitz/Hilf, Kommentar zur Europäischen Union, Art. 174 EGV Rn. 6, Krück, in: v. d. GroebenIThiesing/Ehlermann (Hrsg.), Kommentar zum EU-lEG-Vertrag, Art. 74 Rn. 2.

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VII. Die Ultra-vires-Doktrin des Völker- und Gemeinschaftsrechts

Grundsatz der Rechtssicherheit auch eine Wirkung ex nunc zugelassen. 38 Dies zeigt, daß die Nichtigkeitsklage des Gemeinschaftsrechts der Anfechtungsklage des deutschen Rechts entspricht. Materiellrechtlich ergibt sich aus dieser prozessualen Behandlung, daß Rechtsverstöße im Gemeinschaftsrecht prinzipiell "nur" zur Rechtswidrigkeit und gegebenenfalls Authebbarkeit, nicht aber zur Nichtigkeit oder gar zur Annahme von Nichtakten führen. Die genannten Rechtsfolgen treten grundsätzlich auch dann ein, wenn die Gemeinschaftsorgane unzulässigerweise in den Kompetenzbereich der Mitgliedstaaten eindringen. So kann gemäß Art. 173 Abs. 2 [230 Abs. 2 n. F.] EGV und Art. 33 Abs. 1 EGKSV auch Nichtigkeitsklage wegen Unzuständigkeit erhoben werden. Neben der relativen Unzuständigkeit (Tätigwerden eines Organs im Zuständigkeitsbereich eines anderen Organs), der räumlichen Unzuständigkeit (unzulässige Auswirkung des Handeins einer Gemeinschaft auf das Gebiet außerhalb der Gemeinschaft) und der sachlichen Unzuständigkeit (Verwendung eines Mittels, welches dem handelnden Organ nicht zur VerfUgung stand) erfaßt die Nichtigkeitsklage nach der Rechtsprechung des EuGH auch den Fall der absoluten Unzuständigkeit. 39 Diese zeichnet sich dadurch aus, daß die Regelungsmaterie nicht in die Kompetenz der handelnden Gemeinschaft, sondern der Mitgliedstaaten flillt. Auch im Gemeinschaftsrecht stellt sich die Frage, ob die Vermutung der Gültigkeit von Rechtshandlungen ebenfalls gelten soll, wenn die Handlung an einem schweren und offensichtlichen Fehler leidet. Der Europäische Gerichtshof hat sich mit dieser Frage erstmalig in seiner Entscheidung vom 10.12.1957 befaßt und einen Akt der Hohen Behörde der Europäischen Gemeinschaft rur Kohle und Stahl, dem jegliche Begründung fehlte, als rechtlich inexistent eingestuft. 40 Ein solcher Akt entfalte keine Rechtswirkungen. Eine Klage gegen ihn sei gegenstandslos und infolgedessen unzulässig. An dieser Rechtsprechung haben der Europäische Gerichtshof und das Gericht erster Instanz festgehalten 41 ,

38 EuGH Rs. 145/79, Slg. 1980, 2917 (2946 f.) - SA Roquette Freres/Französischer Staat; Rs. 109/79, Slg. 1980, 2883 (2913) - SarI Maiseries de Beauce/Office National Interprofessionel des Cereales (ONIC); Krück, in: v. d. GroebenIThiesinglEhlermann (Hrsg.), Kommentar zum EU-lEG-Vertrag, Art. 174 Rn. 6 ff. 39 EuGH verb. Rs. 6 und 11169, Slg. 1969, 523 (540) - KommissioniFrankreich; wohl auch EuGH, verb. Rs. 281, 283-285 und 287/85, Slg. 1987, 3203 (3252 ff.) Bundesrepublik DeutschlandlKommission der Europäischen Gemeinschaften; Wenig, in: GrabitzlHi/f, Kommentar zur Europäischen Union, Art. 173 Rn. 21 f.; Krück, in: v. d. GroebenIThiesinglEhlermann (Hrsg.), Kommentar zum EU-lEG-Vertrag, Art. 173 Rn. 73, 75 fI 40 EuGH, verb. Rs. I und 14/57, Slg. 1957,213 (232 f.) - Societe des Usines Tubes de la SarrelHohe Behörde der Europäischen Gemeinschaft. 41 Vgl. z. B. EuGH verb. Rs. 15-33,52,53,57-109,116,117,123,132, 135-137/73, Slg. 1974, 177 (180) - Kortner, Schots u. a.lRat, Kommission und Parlament; Rs. 15/85, Slg. 1987, 1005 (10 13 ff.) - Consorzio Cooperative D' AbruzzolKommission; Rs.

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allerdings betont, daß es sich um außergewöhnliche Fälle handeln mUsse. 42 So nötige eine mangelnde oder mangelhafte BegrUndung keineswegs generell zur Annahme eines "Nichtaktes".43 Der Akt mUsse mit einem besonders schweren und offenkundigen Fehler behaftet sein. 44 Außerdem haben die Gerichte später von der Möglichkeit des Art. 69, § 3 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften Gebrauch gemacht, der obsiegenden Partei ganz oder teilweise die Kosten aufzuerlegen. 45 Somit bedeutet der Umstand, daß Klagen gegen inexistente Akte als unzulässig angesehen werden, nicht, daß der Kläger die Kosten des gerichtlichen Verfahrens in jedem Falle selbst zu tragen hat. Stellt man die nicht existenten Akte im Sinne der Rechtsprechung der europäischen Gerichtsbarkeit den nichtigen Akten und Nichtakten des deutschen Rechtskreises gegenUber, dUrfte eher eine Vergleichbarkeit mit den nichtigen Akten gegeben sein. 46 Zwar deutet die Annahme einer Nichtexistenz daraufhin, daß den so eingestuften Gemeinschaftshandlungen im Gegensatz zu den nichtigen Rechtsakten im Sinne der Klassifizierung des deutschen Rechts nicht nur die innere, sondern auch äußere Wirksamkeit abgesprochen wird. Doch ist dieser Umstand nicht entscheidend. Dem Europäischen Gerichtshof kommt es ersichtlich darauf an, Ausnahmen von den Prinzipien der GUltigkeitsvermutung und der bloßen Vernichtbarkeit rechtsfehlerhafter Handlungsweisen zuzulassen. Bestimmte Akte sollen eo ipso ungUltig sein, weil sie von vornherein keinen Gehorsam beanspruchen können. Dieses Ergebnis wird aber schon dann erreicht, wenn "bloße Nichtigkeit" angenommen wird. Ferner knUpft der Europäische Gerichtshof nicht an dem fehlenden rechtlichen Können oder der beschränkten Rechtsfähigkeit der Europäischen Gemeinschaften an (obwohl diese Lösung wegen des im Gemeinschaftsrecht geltenden Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung nahegelegen hätte), sondern an der Schwere und Offenkundigkeit des Fehlers. Dies ist derselbe Rechtsgedanke, welcher der Nichtigkeits-

226/87, Slg. 1988, 3611 (3624) - Kommission/Griechische Republik; Rs. C-137/92, Slg. 1994,1-2555 (2647) - KommissionlBASF u. a. Vgl. auch EuG, Rs. T-156/89, Slg. 1991, 11-407 (410) - Inigo Valverde MordtiGerichtshof der Europäischen Gemeinschaften; verb. Rs. T-79, 84-86, 89, 91, 92, 94, 96, 98, 102 und 104/89, Slg. 1992,11315 (353) - BASF u. a.lKommission. 42 EuGH Rs. C-137/92, Slg. 1994,1-2555 (2647) - KommissionIBASF u. a. 43 EuGH, verb. Rs. 8-11166, Slg. 1967, 99 (125) - Cimenteries u. a./Kommission; KrUck (Fn. 30), Art. 173 Rn. 4. 44 EuGH Rs. 15/85, Slg. 1987, 1005 (1036) - Consorzio Cooperative D' AbruzzolKommission. 45 EuGH verb. Rs. 53 und 54/63, Slg. 1963,517 (539) - Lemmerz-Werke GmBH u. a./Hohe Behörde rur Kohle und Stahl. 46 So auch Sachs, in: StelkenslBonkiSachs, VwVfD, § 44 Rn. 9.

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VII. Die Ultra-vires-Doktrin des Völker- und Gemeinschaftsrechts

anordnung des § 44 Abs. 1 VwVfG zugrundeliegt.47 Auch filhrt ein Handeln außerhalb des Wirkungskreises der Europäischen Gemeinschaften regelmäßig gerade nicht zu seiner Qualifizierung als nicht existent. Vielmehr ist das Handeln grundsätzlich gültig, aber vernichtbar. 48 Vor allem aber kennt das europäische Gemeinschaftsrecht keine Unterscheidung zwischen nichtigen Akten und Nichtakten, begnügt sich also mit nur einer Kategorie der Rechtsunwirksamkeit. Daher findet die in der deutschen Rechtsordnung geläufige Differenzierung von nichtigen Rechtsakten und Nichtakten im Gemeinschaftsrecht keine Entsprechung. Abgesehen davon schreibt das Gemeinschaftsrecht in seiner derzeitigen Ausprägung den Mitgliedstaaten nicht vor, die gemeinschaftseigenen Fehlerfolgeregelungen auch filr das nationale Recht (und sei es auch nur bei der Anwendung des Gemeinschaftsrechts) zu übernehmen. Nach alledem wird die deutsche Ultra-vires-Lehre durch das Gemeinschaftsrecht weder unmittelbar noch mittelbar gestUtzt.

47 Anders als im Gemeinschaftsrecht werden Rechtssätze in Deutschland sogar grundsätzlich (vgl. aber auch die §§ 214, 215 BauGB, 7 Abs.6 GO NW) immer als nichtig angesehen, wenn sie höherrangigem Recht widersprechen. Unerheblich ist, daß der Rechtsschutz in Deutschland z. T. anders geregelt ist, § 43 Abs. 2 S. 2 VwGO z. B. auch die gerichtliche Aufhebung nichtiger Verwaltungsakte zuläßt. 48 Vgl. auch Wenig, in: Grabitz/Hilj, Kommentar zur Europäischen Union, Art. 173 Rn. 22.

VIII. Überprüfung der deutschen Lehre von der Teilrechtsfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts bzw. der deutschen Ultra-vires-Doktrin Die bisherigen Überlegungen haben ergeben, daß die deutsche Lehre von der Teilrechtsfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts bzw. die deutsche Ultra-vires-Doktrin nicht das Ergebnis eines langen Prozesses der deutschen Rechtsentwicklung ist, in dem sich besondere Wertestandards herausgebildet haben. Vielmehr hat erst die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 28.2.1956 1 diesen Lehren zum Durchbruch verholfen. Um eine nähere dogmatische Fundierung haben sich weder die Gerichte noch das Schrifttum bemüht. Das englische und US-amerikanische Recht kennen zwar ebenfalls Ultra-viresPrinzipien. Diese lassen sich aber gerade nicht mit denjenigen des deutschen Rechts gleichsetzen. Das europäische Gemeinschaftsrecht kommt ohne eine ausgeformte Ultra-vires-Lehre aus. Dies alles sollte Grund genug sein, die deutsche Lehre von der Teilrechtsfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts bzw. die deutsche Ultra-vires-Doktrin auf den Prüfstand zu stellen und auf ihre Berechtigung hin zu befragen. Ausdrückliche gesetzliche Bestimmungen, wonach juristische Personen des öffentlichen Rechts nur teilrechtsfähig sind und dementsprechend lediglich intra vires handeln können, kennt das deutsche Recht nicht. Dies schließt es nicht aus, die Rechtsfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschränkend zu interpretieren. Versteht man unter Rechtsfähigkeit die Eigenschaft, Subjekt endgültiger Zurechnung (von Rechtssätzeni und damit Träger von Rechten und Pflichtenl sein zu können, ließe sich davon sprechen, daß es "im praktischen Rechtsleben überhaupt nur verschiedene Grade der Teilrechtsfähigkeit" gibt4 : denn eine (natürliche oder juristische) Person ist niemals Inhaber aller denkbaren Rechte und Pflichten. Dies ist im öffentlichen Recht nicht anders als im Privatrecht. Zum Beispiel gelten alle Bestimmungen, die an die menschliche Natur anknüpfen (Menschenwürde, Leben, Gesundheit, Ehe und Familie usw.), nicht rur juristische Personen. Umgekehrt kennen das öffentliche und private Recht Vorschriften, deren Zuordnungssubjekte keine natürlichen 180HZ 20, 119 ff. Vgl. Woljf, Juristische Person und Staatsperson, S. 150. 3 Vgl. Fn. 26 des 11. Teils. 4 Bachof, AöR 83 (44 n. F.), 1958,208 (264). 2

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VIII. ÜberprUfung der deutschen Lehre von der Teilrechtsfllhigkeit

Personen sind (etwa bestimmte Normen des Staatsorganisations- und Gesellschaftsrechts) oder die sich nicht an alle, sondern nur an bestimmte natürliche Personen wenden (Kinder, Geschäftsfllhige, Versorgungsempfltnger, Ausländer usw.). Daraus ergibt sich aber nur, daß der Anwendungsbereich einer Norm nicht nur in sachlicher, sondern auch in personeller Hinsicht beschränkt sein kann. Mit der Rechtsfllhigkeit hat dies nichts zu tun. Wenn natürliche Personen nicht körperschaftsteuerpflichtig sind und juristische Personen keine Familienoder Staatsbürgerrechte erwerben können, liegt dies nicht daran, daß bestimmte Rechtssätze die Rechtsfllhigkeit der natUrlichen und juristischen Personen beschränken. Vielmehr begrenzen die Rechtssätze ihren eigenen Anwendungsbereich. 5 Deshalb spricht zu Recht niemand von einer Teilrechtsfllhigkeit natürlicher Personen. Warum juristische Personen nur teilrechtsfllhig sein sollen, bedUrfte der Begründung. Differenziert die Rechtsordnung zwischen juristischen Personen und teilrechtsfllhigen Rechtssubjekten, kann dies nicht lediglich den vordergründigen Sinn haben, daß bei der Verleihung der Vollrechtsfllhigkeit ein größeres Quantum von Rechten und Pflichten übertragen wird, wohingegen die Teilrechtsfllhigkeit durch Einzelzuweisungen von Rechten und Pflichten entsteht.6 Vielmehr wird man - auch aus Gründen des Verkehrsschutzes - davon ausgehen müssen, daß juristische Personen grundsätzlich rechtserheblich handeln können', während dies bei teilrechtsfllhigen Subjekten nicht der Fall zu sein braucht. Dies dUrfte auch der Grund daftlr sein, weshalb im Privatrecht die Beschränkung der Rechtsfllhigkeit juristischer Personen auf ihren durch Gesetz oder Satzung festgelegten Zweck abgelehnt wird. Wenn im öffentlichen Recht die Vollrechtsfllhigkeit dagegen eine mindere Bedeutung haben soll, müßten sich hierftlr überzeugende Gründe anfUhren lassen. In Betracht kommen allenfalls rechtsstaatliehe Erwägungen. Welche Bedeutung dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes zukommt, ist bisher streitig geblieben. Die Auffassung, daß eine selbständige Verfassungsnorm "Rechtsstaatsprinzip" nicht in Geltung ist, weil alle diesem Prinzip entnommenen normativen Aussagen ausdrücklich im Grundgesetz positiviert sind, aus anderen verfassungsrechtlichen Normen abgeleitet werden können oder überflüssig sind8, hat sich zu Recht nicht durchsetzen können. 9 Die ausdrückli-

5 Zutreffend Winter/eid, Grenzen des HandeIns juristischer Personen des öffentlichen Rechts im Privatrechtsverkehr - zur Lehre vom beschränkten Wirkungskreis öffentlichrechtlicher Rechtssubjekte, S. 104 ff. 6 So aber möglicherweise Bachof, AöR 83 (44 n. F.), 1958,208 (264). der darauf abstellt, daß bei den juristischen Personen ein Gesamtkomplex von Rechten und Pflichten übertragen wird. 'Vgl. auch Gitter, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § I Rn. 5, der die Rechtsfllhigkeit sogar als die Fähigkeit zu rechtserheblichem Verhalten definiert. 8 So Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, insbesondere S. 292 ff., 481 ff.

VIII. Überprüfung der deutschen Lehre von der Teilrechtsfiihigkeit

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che Verankerung des Rechtsstaatsprinzips in Art. 23 Abs. 1 S. 1, 28 Abs. 1 S. 1 GG wäre entbehrlich gewesen, wenn das Rechtsstaatsprinzip keine eigenständige Bedeutung hätte. Im vorliegenden Fall interessiert nur die Frage, ob sich dem Rechtsstaatsprinzip Aussagen im Hinblick auf die Limitierung oder Konstituierung der Staatsgewalt durch das Recht entnehmen lassen. Insoweit werden im wesentlichen zwei Ansichten vertreten. Nach der einen Auffassung weist die Staatlichkeit über das Normative hinaus. \0 Die Staatlichkeit als solche stehe nicht zur Disposition des Verfassungsgebers. Er entscheide nicht darüber, ob Staat sein soll oder nicht. Er setze vielmehr den Staat voraus und gestalte ihn um. Der Staat sei die vorgegebene Materie, die Verfassung die Form. lI Bei Zugrundelegung dieser Sichtweise l2 liegt der Staat dem Rechtsstaat voraus, geht also nicht in diesem auf. 13 Das Charakteristische des Staates liegt danach in seiner Souveränität, d. h. seiner Staatsgewalt. Diese ist nicht die Folge des Rechts. Vielmehr zieht das Recht dem staatlichen Wirken nur eine Schranke. In Anlehnung an Hobbes ließe sich ein Bild zeichnen, wonach "der Staat zunächst als machtvolle politische Einheit in einem Raum jenseits aller Rechtlichkeit wie eine Bestie in ihrer natürlichen Wildheit existiert, dann aber ... mit Hilfe des Konstruktes Rechtsstaat in Fesseln gelegt wird".14 Bei Zugrundelegung dieser Auffassung kann es eine Teilrechtsfllhigkeit Gedenfalls) des Staates von vornherein nicht geben. Der Staat ist vielmehr zu allem fllhig, mag er bei seiner Machtentfaltung auch die ihm auferlegten Rechtsbindungen zu achten haben. Nach der (vorzuziehenden) zweiten Auffassung bildet das Recht nicht nur eine Schranke, sondern die Grundlage staatlichen Wirkens. "Das Recht ist nicht der Gegenspieler des Staates, sondern das Medium, durch das Staatlichkeit erst ihre Gestalt bekommt."ls Der Staat darf daher nur durch und mittels des Rechts verbindlich handeln. Ein Reservat staatlichen Wirkens, das außerhalb des Rechts liegt und deshalb als rechts freier Raum bezeichnet werden könnte, ist nicht anzuerkennen. Insbesondere untersteht der Staat stets dem Geltungsan9 Vgl. Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhoj(Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, § 24 Rn. 7 fT.; Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 399 tr. 10 Isensee, in: Isensee/Kirchhoj(Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, § I3 Rn. I. 11 Isensee, in: Isensee/Kirchhoj(Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, § I3 Rn. 8. 12 Anschaulich auch Krüger, Rechtsstaat - Sozialstaat - Staat, S. 36 tr., der mit großem Nachdruck darauf hinweist, daß Rechtsstaat und Sozialstaat noch keinen Staat ergeben. Vgl. ferner die Nachw. bei Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 29 tr. 13 Vgl. aber auch Isensee, in: Isensee/Kirchhoj(Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, § I3 Rn. 3, wonach Staat und Verfassung trotz Unterscheidbarkeit "im Verfassungsstaat eine integrale und spezifische Einheit" bilden. 14 Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 30. 15 Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 474.

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VIII. Überprüfung der deutschen Lehre von der Teilrechtsflihigkeit

spruch der Verfassung. "Das bedeutet nicht, daß die Verfassung im Rahmen ihres Geltungsanspruchs nicht größerer oder geringerer Gestaltungsfreiheit der staatlichen Organe Raum läßt, wohl aber, daß alle staatlichen Gewalten stets an die Verfassung gebunden sind.'''6 Folgt man der zuletzt genannten Ansicht, liegt die Schlußfolgerung nahe, daß der Staat und die ihm nachgeordneten juristischen Personen des öffentlichen Rechts nur innerhalb der Grenzen des Rechts handeln können und daher lediglich teilrechtsflihig sind. Zwingend ist diese Folgerung aber keineswegs. Die Bindung des Staates an Gesetz und Recht steht nämlich nicht zur Disposition. Vielmehr geht es nur um die Bestimmung der Rechtsfolgen eines rechtswidrigen Verhaltens. Insoweit versucht die Lehre von der Teilrechtsflihigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts bzw. die deutsche Ultra-vires-Lehre Überschreitungen des Wirkungskreises nach dem Motto, daß nicht sein kann, was nicht sein darf, als nicht existent im Rechtssinne hinweg zu denken. Dies strapaziert aber nicht nur die juristische Phantasie, sondern nötigt auch zu der Anerkennung von Realhandlungen des Staates, die keine Rechtshandlungen sind. Bevor die Frage beantwortet wird, ob eine solche Konstruktion mit dem Rechtsstaatsprinzip in Einklang bringen läßt, soll das Augenmerk zunächst auf die Abgrenzung von Ultra- und Intra-vires-Akten geworfen werden (1.). Sodann werden die Rechtsfolgen der Ultra-vires-Akte näher betrachtet (2.). Aufbauend auf diesen Vorklärungen kann Stellung zur Vereinbarkeit der Lehre von der Teilrechtsflihigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts bzw. der deutschen Ultra-vires-Doktrin mit dem Rechtsstaatsprinzip genommen werden (3.). Abschließend sind die Konsequenzen zu ziehen (4.).

1. Die Unterscheidung von U1tra- und Intra-vires-Handlungen Eine Notwendigkeit, Ultra- und Intra-vires-Handlungen zu unterscheiden, bestünde nicht, wenn - ähnlich wie im heutigen englischen Recht - aIIe Rechtsverstöße juristischer Personen des öffentlichen Rechts dem Ultra-vires-Bereich zugeordnet werden könnten. Eine solche Auffassung wird aber zu Recht von niemandem vertreten. Sie wäre weder mit einer langen deutschen Rechtstradition noch mit dem geltenden Gesetzesrecht vereinbar. Wie eingangs ausgefUhrt wurde 17, unterscheidet das deutsche Recht zwischen wirksamen Akten, vernichtbaren Akten, nichtigen Akten und Nichtakten. In der Regel fUhrt ein Rechtsverstoß (nur) zur Rechtswidrigkeit und zur Nichtigkeit. Dies impliziert nicht nur, daß die Einstufung eines HandeIns als ultra vires die Ausnahme blei16 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, § 11 Rn. 348. 17 Vgl. S. 11 fT.; ferner die Ausf. zu VIII.3.

1. Die Unterscheidung von Ultra- und Intra-vires-Handlungen

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ben muß. Vielmehr müssen sich die Ultra-vires-Handlungen auch hinreichend von den Intra-vires-Handlungen abgrenzen lassen. Da sich die deutsche Ultravires-Lehre bzw. die Lehre von der Teilrechtsfllhigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts auf das Überschreiten des Wirkungskreises juristischer Personen - und anders als im früheren englischen sowie dem US-amerikanischen Recht nicht auf das Überschreiten der Ermächtigungsgrundlage - bezieht, kommt es darauf an, diese Fallkonstellation zu bestimmen. Der Wirkungskreis juristischer Personen des öffentlichen Rechts unterliegt räumlichen und sachlichen Grenzen.

a) Überschreitung des Wirkungskreises in räumlicher Hinsicht Da die Wahrnehmung von Zuständigkeiten an einen bestimmten räumlichen Bereich gebunden ist l8 , dürfen die juristischen Personen des öffentlichen Rechts nur innerhalb dieses Raums tätig werden. Hieraus zu folgern, daß jedenfalls insoweit die Abgrenzung von Ultra- und Intra-vires-Sektoren keine Mühe bereitet, wäre voreilig. So war der räumliche Wirkungskreis des Staates früher im wesentlichen identisch mit dem Staatsgebiet. Es galt ein hierauf bezogenes Territorialitätsprinzip.19 Dieses Prinzip verliert aber heute mehr und mehr seine strikte Wirkkraft. So läßt das europäische Gemeinschaftsrecht immer häufiger ein transnationales Handeln der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft zu oder zwingt die Mitgliedstaaten zu einem solchen Handeln. Beispielsweise räumen die einschlägigen EG-Richtlinien den Aufsichtsbehörden des Herkunftslandes die Befugnis ein, die Zweigstellen der Banken, Versicherungen und Wertpapierhäuser im EG-Ausland selbst oder durch Beauftragte zu überprüfen. 20 Nach dem völkerrechtlichen Übereinkommen zur Durchfilhrung des Übereinkommens von Schengen vom 19.6.199021 dürfen Polizeibeamte unter bestimmten Voraussetzungen grenzüberschreitend Staatsgewalt ausüben (vgl. Art. 40 und 41). Solche Arten von grenzüberschreitender Hoheitsausübung nehmen stetig zu. Von jeher haben sich bestimmte staatliche Wirtschafts unternehmen (etwa die Luftverkehrsunternehmen, die staatlichen Automobilkonzerne usw.) auch im Ausland betätigt. Das Völkerrecht steht solchen Auslandsaktivitäten nicht entgegen, verwehrt den Staaten nur die Inanspruchnahme der Staatenimmunität. 22 Innerstaatlich gibt es zahlreiche Bund-Länder- oder ZwischenVgl. WolfJlBachof, VerwaItungsrecht 11, § 72 11/. Vgl. Gra!Vitzlhum (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Abschn. Rn. 2 ff. 20 Vgl. dazu Ehlers, Einwirkungen des Europäischen Rechts auf das deutsche VerwaItungsprozeßrecht (erscheint demnächst). 21 BGBI. 11 1993, S. 1013. 22 Vgl. BVerfGE 64, 1 (44); Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, § 3 Rn. 17, § 4 Rn. 10. 18

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VIII. Überprüfung der deutschen Lehre von der Teilrechtsfliliigkeit

länder-Einrichtungen. 23 Nach den bereits genannten Vorschriften des Art. 87 Abs. 2 S. 1 BayGO darf eine bayerische Gemeinde mit ihren Unternehmen auch außerhalb des Gemeindegebietes tätig werden, wenn (neben anderen Anforderungen) "die berechtigten Interessen der betreffenden kommunalen Gebietskörperschaften gewahrt sind". Über die Frage, ob die berechtigten Interessen gewahrt worden sind, wird sich aber vielfach streiten lassen. Weithin ungeklärt ist, ob und ggf. welche Grenzen des räumlichen Wirkungskreises gelten, wenn sich die öffentliche Hand privatrechtlicher Organisationsformen bedient oder wenn sie sich zusammen mit Privatpersonen an Gesellschaften beteiligt. Dies alles zeigt bereits zur Genüge, daß selbst in räumlicher Hinsicht die Abgrenzung der Ultra- und Intra-vires-Bereiche erhebliche Probleme aufwerfen kann.

b) Überschreitung des Wirkungskreises in sachlicher Hinsicht

Noch größere Schwierigkeiten bereitet die Bestimmung des Wirkungskreises der juristischen Personen des öffentlichen Rechts in sachlicher Hinsicht, d. h. die Bestimmung der Aufgabenstellung. 24 Zunächst läßt sich den Gesetzen oftmals erst im Wege der Auslegung entnehmen, welcher Sachaufgaben sich die juristischen Personen des öffentlichen Rechts annehmen dürfen oder müssen. Der Auslegung wohnt aber immer ein Moment der Rechtsunsicherheit inne. Hinzu kommt, daß das Auslegungsergebnis seinerseits auf unbestimmte Kriterien verweisen kann. So ist darüber gestritten worden, ob es den Gemeinden erlaubt ist, das Gemeindegebiet zu atomwaffenfreien Zonen zu erklären. Nach der im Schrifttum vertretenen herrschenden Lehre bedarf es eines konkreten, auf das Gebiet der beschließenden Gemeinde bezogenen Anlasses. 25 Dagegen ist nach der - nicht überzeugenden - Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Gemeinde befugt, sich auch vorsorglich und ohne unmittelbar zu benennenden Anlaß mit der Frage einer etwaigen Stationierung von Waffen in ihrem Gebiet zu befassen. Anderes soll gelten, wenn die Äußerung der Gemeinde Teil einer politischen Kampagne ist. 26 Somit kommt es entweder darauf an, wie konkret das militärische Vorhaben ist, oder es ist darauf abzustellen, ob die Gemeinde politisch agiert hat. Beides hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

23 Vgl. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 335 f.; Pietzcker. Zusammenarbeit der Gliedstaaten im Bundesstaat, in: Starck (Hrsg.), Zusammenarbeit der Gliedstaaten im Bundesstaat, S. 17 tT. 24 Zu den Möglichkeiten und Grenzen der Entwicklung einer Staatsaufgabenlehre vgl. Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz. S. 3 ff. 25 Vgl. Schoch, JuS 1991,728 fT., mit Nachw. zum Meinungsstand. 26 BVerwGE 87, 228 ff.

I. Die Unterscheidung von Ultra- und Intra-vires-Handlungen

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Man mag solche Abgrenzungsprobleme als unvenneidbar hinnehmen, zumal es in jedem Falle der sachlichen Begrenzung der AufgabensteIlung bedarf. Wirklich zu Buche schlägt aber, daß mit der Feststellung eines Rechtsverstoßes noch nichts gewonnen ist. Es muß nämlich weiter geklärt werden, ob der Rechtsfehler innerhalb oder außerhalb des Wirkungskreises begangen wurde. Hierfiir haben Gesetzgebung, Rechtsprechung und Rechtslehre bisher aber keinerlei Lösungsansätze entwickelt. Geht man etwa mit dem Bundesverfassungsgericht 27 davon aus, daß es dem Staat untersagt ist, die Anbringung von Kruzifixen in allen staatlichen Ptlichtschulen, die keine Bekenntnisschulen sind, anzuordnen, könnte man eine gleichwohl ergangene Anordnung entweder als Überschreitung des Wirkungskreises (Religionsanmaßung des weltanschaulichreligiös neutralen Staates) oder als bloß fehlende Berechtigung zur Anordnung einer bestimmten Maßnahme im Rahmen des im übrigen gegebenen staatlichen Erziehungsauftrags (also einem Rechtsverstoß intra vires) qualifizieren. Schränkt der Staat die Freiheit der Berufswahl durch Errichtung einer objektiven Zulassungsschranke ein, ohne sich auf die dafilr erforderlichen GemeinwohlgrUnde berufen zu können 28 , läßt sich tremich darüber streiten, ob es bereits an einer zulässigen staatlichen AufgabensteIlung fehlt oder ob eine an sich zulässige Aufgabe (Regulierung der Berufsfreiheit) mit verfassungswidrigen Mitteln durchgefilhrt wurde. Die Beispiele zeigen stellvertretend filr zahlreiche weitere, daß die Grundrechtsbestimmungen sowohl die AufgabensteIlung als auch die Aufgabenerledigung der juristischen Personen des öffentlichen Rechts begrenzen und es vielfach kaum möglich ist, das grundrechtswidrige Vorgehen dem einen oder anderen Bereich zuzuordnen. Ähnliche Abgrenzungsprobleme ergeben sich auch ansonsten. So haben die Länder nach dem Polizei- und Ordnungsgesetz die Aufgabe, Gefahren filr die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren. 29 Schreitet eine Polizei- oder Ordnungsbehörde ein, obwohl eine Gefahr nicht vorlag und auch nicht angenommen werden durfte, wird man bei Zugrundelegung der subjektiven Betrachtungsweise von der Einhaltung des Aufgabenkreises ausgehen müssen (weil die Behörde zur Gefahrenabwehr tätig werden wollte). Bei objektiver Betrachtung fehlte dagegen nicht nur die Befugnis, sondern bereits die Sachkompetenz, so daß der Wirkungskreis überschritten worden ist. Begnügt sich das Bundesaufsichtsamt filr Versicherungswesen entgegen der Aufgabennonn des § 81 Abs. I S. 2 BAG nicht mit einer "ausreichenden" Wahrung der Belange der Versicherten, sondern bemüht es sich darum, die Versicherten optimal zu schützen, handelt es und damit zugleich die Bundesrepublik Deutschland au-

27 28 2Q

5 Ehlers

BVerfGE 93,1 (17 ff). Vgl. BVerfGE 7, 377 (407 f.). Vgl. z. B. § I PolG NW.

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VIII. Überprüfung der deutschen Lehre von der Teilrechtsfiihigkeit

ßerhalb der gesetzlich bestimmten Aufgabenstellung. 30 Üblicherweise wird die Frage nach der Erforderlichkeit einer Maßnahme aber als Unterfall der Verhältnismäßigkeitsprüfung angesehen, die sich auf die Handlungsberechtigung und nicht auf den Aufgabenkreis bezieht. Dies alles macht bereits hinreichend deutlich, daß es dem deutschen Recht (bisher) an Kriterien mangelt, um den Ultravires und den Intra-vires-Bereich voneinander abgrenzen zu können. Berücksichtigt man, daß es auch die englische und die US-amerikanische Rechtsordnung nicht vermocht haben, eindeutige Ultra-vires-Tatbestände herauszuarbeiten, lassen sich Zweifel nicht unterdrücken, ob es überhaupt möglich sein wird, eine klare Grenze zu ziehen.

2. Die Rechtsfolgen der Ultra-vi res-Entscheidungen Wie ausgeftlhrt wurde, werden Ultra-vires-Handlungen nicht nur als nichtig, sondern als nicht existent angesehen. Nicht existente Akte können keine Gültigkeit beanspruchen. Dies trifft aber auch auf nichtige Akte zu. Es stellt sich daher die Frage, ob sich die Rechtsfolgen von Ultra-vires-Handlungen und "bloß" nichtigen Handlungen überhaupt unterscheiden. Rechtsfiguren müssen sich nach ihrer Fähigkeit beurteilen lassen, praktische Probleme zu lösen. Wenn die Rechtsfolgen der Ultra-vires-Akte und der nichtigen Akte dieselben wären, bedürfte es der komplizierten Unterscheidung nicht. Rechtsprechung und Schrifttum haben sich mit diesem Problemkreis - soweit ersichtlich - nicht näher beschäftigt. Im Ergebnis ist nicht davon auszugehen, daß die Konsequenzen des fehlerhaften HandeIns in dem einen wie dem anderem Fall identisch sind. Das positive Recht hat die Frage, wann eine Handlungsweise als nichtig anzusehen ist, näher geregelt. Hierbei wird nicht nur auf das objektive Recht oder die Sichtweise der Träger von Staatsgewalt, sondern - im Falle eines rechtsgeschäftlichen HandeIns - auch auf den Empfllngerhorizont abgestellt. So ist nach der Generalklausel des § 44 Abs. I VwVf'G ein Verwaltungsakt nur nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Das Abstellen auf die Offensichtlichkeit dient der Rechtssicherheie l und damit bei begünstigenden Verwaltungsakten auch dem Vertrauensschutz des Bürgers. Für solche Rücksichtnahmen ist bei Zugrundelegung der Lehre von der Teilrechtsfllhigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts bzw. der Ultravires-Doktrin kein Raum. Es kommt nach diesen Lehren allein darauf an, ob der Wirkungskreis überschritten wurde. Sind die juristischen Personen des öffentlichen Rechts nur innerhalb des zugewiesenen Wirkungskreises rechtlich vorhan-

30

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Vgl. BVerwGE 61. 59 (64). Vgl. Maurer. Allgemeines Verwaltungsrecht. § 10 Rn. 31.

2. Die Rechtsfolgen der Ultra-vires-Entscheidungen

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den, heißt dies zugleich, daß diese Personen keinerlei Verantwortung für ihre Ultra-vires-Handlungen tragen. Werden ihnen nämlich die Handlungen außerhalb ihres Wirkungskreises nicht zugerechnet, mUssen sie hierfür auch nicht einstehen. Dagegen sind nichtige Akte existent und auch dem Staat zuzurechnen. Sie entfalten nur nicht die intendierten Rechtswirkungen. 32 Die äußere Wirksamkeit macht es möglich, nichtige Akte aufzuheben (wie dies § 43 Abs. 2 S. 2 VwGO voraussetzt). Die Aufhebung eines nicht existenten Aktes gibt dagegen keinen Sinn (obwohl ein Handeln der juristischen Personen des öffentlichen Rechts außerhalb des Wirkungskreises ebenfalls einen "Rechtsschein" erzeugen kann). Für nichtige Handlungsweisen muß der Staat nach Maßgabe der allgemeinen Grundsätze Schadensersatz oder Entschädigung leisten. Hat ein Verwaltungsträger z. B. unter Außerachtlassung der vorgeschriebenen Form oder entgegen § 59 Abs. 2 Nr. 4 VwVtG einen verwaltungsrechtlichen Vertrag mit dem BUrger abgeschlossen, ist der Vertrag nichtig. 33 Gleichwohl kann der Verwaltungsträger wegen culpa in contrahendo34 oder Amtspflichtverletzung3S zum Schadensersatz verpflichtet sein. Außerhalb des Wirkungskreises kann eine juristische Person des öffentlichen Rechts bei Zugrundelegung der Lehre von der Teilrechtsflihigkeit bzw. der Ultra-vires-Doktrin dagegen definitionsgemäß kein Vertrauensverhältnis begrUnden oder unerlaubte Handlungen begehen. Anders wäre die Rechtslage nur, wenn man nach Art der längst Uberwundenen älteren Fiskustheorie neben dem Staat als Hoheitsverband einen Doppelgänger als Haftungsverband konstruieren wollte, der als "PrUgelknabe,,36 oder "alter ego,,37 fungiert. Diesen RUckfall in längst Uberwundene Zeiten steht aber das Grundgesetz entgegen, da dieses von der Einheitlichkeit der Staatsgewalt ausgeht. 38 Insofern unterscheiden sich die UItra-vires-Handlungen auch von sonstigen Nichtakten. In letzteren Fällen mag zwar der Akt als solcher nicht existent sein, es bleibt aber immer ein staatliches Zurechnungssubjekt vorhanden, das wegen vorhergehender Handlung oder sonstiger Verantwortlichkeiten in die Pflicht genommen werden kann. So muß der öffentliche Dienstherr einer Person, die wegen Mißachtung der Förmlichkeiten des § 6 BBG nicht zum Beamten er-

Vgl. S. 12 f. Für Formverstöße ergibt sich das aus § 62 S. 2 VwVfG i. V. m. § 125 BGB. Vgl. auch (z. B.) § 64 Abs. 4 GO NW. J4 Vgl. hierzu Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 62 Rn. 50. 35 Die Amtspflicht zu gesetzmäßigem Verhalten (Papier, in: Münchener Kommentar, § 839 Rn. 191) ist auch dann verletzt, wenn der Rechtsverstoß des Trägers von Staatsgewalt so schwer wiegt, daß Nichtigkeit anzunehmen ist. 36 BornhaIe, Preußisches Staatsrecht, Bd. 2. S. 464. 37 Burmeister, DÖV 1975,695 (699). 38 Vgl. auch Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 75 tT. 32

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VIII. Überprüfung der deutschen Lehre von der Teilrechtsflihigkeit

nannt worden ist, aber gleichwohl Dienst geleistet hat, trotz Nichternennung nach den Grundsätzen eines faktischen öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses eine Dienstvergütung zahlen. 39 Unter Umständen bleiben sogar die Handlungsweisen des Nichtbeamten im Außenbereich bestehen. Dies triffi: nach allgemeiner Auffassung jedenfalls dann zu, wenn ein Nicht-Standesbeamter eine Ehe schließt. 40 In anderen Fällen kann die Staatshaftung eingreifen (etwa wenn ein amtliches Schreiben von einem Nichtbefugten bekannt gegeben worden ist, die Behörde sich jedoch vorhalten lassen muß, das Schreiben nicht ordnungsgemäß verwahrt zu haben). Dagegen ist eine Verantwortungsübernahme nicht möglich, wenn das Zurechnungssubjekt (wie beim Überschreiten des Wirkungskreises) wegfiUlt.

3. Die Vereinbarkeit der Lehre von der Teilrechtsfahigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts und der deutschen Ultra-vires-Doktrin mit dem Rechtsstaatsprinzip a) Grundsätzliche Bedenken Nach diesen Vorklärungen flillt die Antwort auf die Frage nach der Vereinbarkeit der Lehre von der Teilrechtsfiihigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts und der deutschen Ultra-vires-Doktrin mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht schwer. Die Frage zu stellen, heißt sie zu verneinen. Zunächst lassen sich diese Lehren ohnehin kaum mit dem positiven Recht in Einklang bringen. Ist z. B. Bundesrecht mit dem Grundgesetz oder Landesrecht mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht unvereinbar, hat das angerufene Bundesverfassungsgericht das Gesetz gemäß § 78 BVertGG rur nichtig zu erklären. Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz ist insbesondere auch dann gegeben, wenn entweder der Bund oder das Land nicht zur Gesetzgebung befugt waren. In solchen Fällen haben die Gesetzgeber fremde Angelegenheiten wahrgenommen, also den Wirkungskreis des eigenen Staates überschritten. Tatsächlich haben das Bundesverfassungsgericht oder die Landesverfassungsgerichte in derartigen Konstellationen aber noch niemals die Ultra-vires-Doktrin bemüht. Es wäre auch merkwürdig, wenn ein Landesgesetz als nicht existent eingestuft werden mUßte, weil der Bund von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz erschöpfend Gebrauch gemacht hat, so daß dem Land keine Zuständigkeit mehr verblieben ist. Mit § 78 BVertGG wäre eine solche Konstruktion nur

39 Scheerbarth, Beamtenrecht, § 12 IV FN 253; Solte, ZBR 1972, 109 f.; Frommer, DöD 1981, 169 f. 40 Diederichsen, in: Palandt, 57. Aufl. 1998, § 11 EheG Rn. 3; ders., in: Palandt, § 1310 Rn. 11.

3. Vereinbarkeit mit dem Rechtsstaatsprinzip

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vereinbar, wenn man die Vorschrift teleologisch reduzieren und am Gesetz vorbei rur den dann nicht geregelten Fall der Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz eine neue Fehlerfolge einfUhren würde. 41 Zugleich müßte das Bundesverfassungsgericht verpflichtet werden, sich auch mit nicht existenten Gesetzen zu befassen. Ähnliche Ungereimtheiten würden sich auch im Hinblick auf andere Fehlerfolgeregelungen ergeben. So wären die §§ 44, 59 VwVfG ebenfalls teleologisch zu reduzieren, um das Überschreiten des Wirkungskreises ausklammern und eine im Gesetz nicht vorgesehene Reaktion der Rechtsordnung annehmen zu können - und dies, obwohl die Absätze 2 Nr. 3 und 3 Nr. 1 des § 44 VwVfG gerade auch aufZuständigkeitsüberschreitungen abheben. 42 Eine solche Verbiegung der gesetzlichen Bestimmung ist indessen nicht statthaft. Die Annahme einer noch schwerwiegenderen Fehlerfolge als Nichtigkeit dürfte im übrigen auch dem Gesetzesvorbehalt unterfallen. Der Gesetzgeber darf die Rechtsfilhigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts nur einschränken, wenn dies mit dem Verfassungsrecht - hier dem Rechtsstaatsprinzip - vereinbar ist. Dies ist indessen nicht der Fall. Nach der hier zugrundeliegenden Rechtsstaatskonzeption müssen alle Handlungen der Träger von Staatsgewalt als Rechtshandlungen angesehen werden (in dem Sinne, daß sie sich am Recht messen lassen müssen). Es darf daher keine Handlungen geben, welche die fUr einen Träger von Staatsgewalt in amtlicher Eigenschaft auftretenden Personen zwar tatsächlich vorgenommen haben, die dem Träger im rechtlichen Sinne aber nicht zugeordnet werden können. Dies ist bei der Annahme von Ultra-vires-Wirkungen jedoch der Fall. Die Doktrin mißbilligt zwar ein bestimmtes öffentlich-rechtliches Verhalten, fUhrt aber dazu, daß die mißbilligte Verhaltensweise einem rechtsfreien Raum zugeordnet wird. Eine Beschränkung der Rechtsfilhigkeit des Staates (einschließlich der sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts) wäre nur hinnehmbar, wenn allein die Fähigkeit des Staates, Träger von Rechten zu sein, eingeschränkt würde. Die Begrenzung staatlicher Wirkungsmöglichkeit ginge dann allein zu Lasten des Staates. Doch bedeutet die Beschränkung der Rechtsflthigkeit zugleich, daß der Staat auch nicht mehr Träger von Pflichten sein kann. Auf

41 Das Bundesverfassungsgericht beschränkt sich zwar nicht auf die Erklärung der Nichtigkeit oder Vereinbarkeit eines Gesetzes mit dem höherrangigen Recht, sondern hat weitere Entscheidungstechniken entwickelt (vgl. bereits die Ausf. zu 1.; ferner BVerfDE 55, 100, 113; Stuth, in: Umbach/Clemens, Hrsg., Bundesverfassungsgerichtsgesetz, § 78 Rn. 11 tf.). Hierbei handelt es sich aber um mindere Tenorierungsvarianten (z. B. reine Feststellung der Unvereinbarkeit eines Rechtssatzes mit höherrangigem Recht ohne gleichzeitige Nichtigkeitserklärung bzw. Appellentscheidung). 42 Die Vorschriften müßten dann entgegen der herrschenden Meinung (vgl. Sachs, in: Stelkens/BonklSachs, VwVfD, § 44 Rn. 155 tf., 163) so interpretiert werden, daß nur Zuständigkeitsüberschreitungen der Behörden, nicht des Verwaltungsrechtsträgers erfaßt werden.

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VIII. Überprüfung der deutschen Lehre von der Teilrechtsilihigkeit

diese Weise wird dem Staat das Privileg eingeräumt, die tUr andere Personen nachteiligen Folgen seines Handeins nicht tragen zu müssen. Es ist dem Staat aber nicht gestattet, sich der Verantwortung tUr die Folgen seines Handeins zu entziehen. Eine Beschränkung der Rechtsflihigkeit des Staates (einschließlich der juristischen Personen des öffentlichen Rechts) dient dem Schutz der staatlichen Kompetenzordnung. Zum Teil sind die Kompetenzen bereits im Grundgesetz oder in den Landesverfassungen geregelt worden. So hat das Grundgesetz die staatlichen Kompetenzen auf Bund und Länder aufgeteilt und den Wirkungskreis der Gemeinden in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG verfassungsunmittelbar umschrieben. Im übrigen sind die Kompetenzen der juristischen Personen des öffentlichen Rechts gesetzlich geregelt worden. Da auch das Gesetzmäßigkeitsprinzip verfassungsrechtlichen Schutz genießt, geht es in jedem Falle um die Wahrung verfassungsrechtlich anerkannter Belange. Dies trim aber auch auf den Grundsatz der Rechtssicherheit und dem darin enthaltenen Vertrauensschutzprinzip43 sowie tUr die Staatshaftung44 zu. Kollidieren verfassungsrechtliche Prinzipien miteinander, muß zwischen ihnen nach Maßgabe des Grundsatzes der praktischen Konkordanz abgewogen werden. Die Vorschriften nach Art der §§ 44, 59 VwVfG strukturieren diesen Abwägungsprozeß, indem sie die zu beachtenden Gesichtspunkte benennen und zugleich offen sind tUr die Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls. Dagegen kommt es bei einer Annahme der Teilrechtsflihigkeit oder Anwendung der Ultra-vires-Lehre zu keiner Abwägung. Vielmehr wird der Schutz der staatlichen Kompetenzordnung verabsolutiert. Für den Schutz Außenstehender bleibt kein Raum (obwohl der Außenstehende die Kompetenzwidrigkeit oftmals nicht zuverlässig erkennen kann, das "Risiko kompetenzwidrigen Verhaltens..45 tUr ihn also kaum beherrschbar ist). Ein einseitiges Abstellen nur auf die Belange der staatlichen Kompetenzordnung wird den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht gerecht.

43 Vgl. z. B. BVerfDE 13,261 (271); 39,128 (145 f.); 59,128 (167); 64,158 (174); 71, 1 (11 f.); BVerwGE 41, 277 (279); 74, 357 (362 f.); Steiner, Vertrauensschutz als Verfassungsgrundsatz, in: Europäisches Forum für Außenwirtschaft, Verbrauchsteuern und Zoll (Hrsg.), Vertrauensschutz in der Europäischen Union, S. 31 tf.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 22; Erichsen, in: ders. (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 17 Rn. 2. 44 Hinsichtlich der Amtshaftung vgl. Art. 34 GG, zur Eigentumsunrechtshaftung im übrigen Ehlers, VVDStRL 51 (1992), 211 (242 ff.) zur Haftung wegen weiterer Grundrechtsverletzungen Maurer, Allgemeines Verwaitungsrecht. § 26 Rn. \06. 45 Vgl. Fritz, Vertrauensschutzprinzip im Privatrechtsverkehr mit Gemeinden, S.227.

3. Vereinbarkeit mit dem Rechtsstaatsprinzip

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b) Beispiele für unangemessene Ergebnisse der Lehre von der Teilrechtsfilhigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts bzw. der deutschen Ultra-vi res-Doktrin Einige Beispiele mögen verdeutlichen, zu welchen unbilligen Ergebnissen die Lehre von der Teilrechtsflihigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts bzw. die Ultra-vires-Doktrin fiihren kann:

aa) Kompetenzüberschreitungen der Länder bei der Ausführung von Bundesrecht Nach einer in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Ansicht überschreiten die Länder nicht nur ihren Wirkungskreis, wenn sie sich ohne Ermächtigungsgrundlage zum grenzüberschreitenden Handeln 46 der Angelegenheiten des Bundes oder der Länder annehmen 47 , sondern auch dann, wenn eine Landesbehörde anstelle der an sich zuständigen Behörde eines anderen Landes Bundesrecht als eigene Angelegenheit (Art. 83 GG) oder als Bundesauftragsverwaltung (Art. 85 GG) ausfUhrt. 48 So hat das OVG NW angenommen, daß die Einbürgerung eines ausländischen Staatsangehörigen durch die fUr Einbürgerungen zuständige Behörde eines nicht zuständigen Landes die Verbandskompetenz des zuständigen Landes verletzt. 49 Es läßt sich aber nicht überzeugend begründen, warum die AusfUhrung des Bundesrechts durch eine örtlich unzuständige Landesbehörde völlig anders zu behandeln ist als durch eine örtlich unzuständige Bundesbehörde. 50 Zieht der Ausländer, der einen Antrag auf Einbürgerung gestellt hat, im Lauf des Verwaltungs verfahrens in ein anderes Bundesland, ändern sich die die Zuständigkeit begründenden Umstände. Dennoch kann nach § 3 Abs. 3 VwVfG die bisher zuständige Behörde das Verwaltungsverfahren fortführen, wenn dies unter Wahrung der Interessen der Beteiligten der einfachen und zweckmäßigen Durchfiihrung des Verfahrens dient und die 46 Vgl. Isensee, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV, § 98 Rn. 36; Bank, in: Slelkens/BonklSachs, VwVfG, § 3 Rn. 10. 47 Vgl. statt vieler Isensee, lIandbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV, § 98 Rn. 36. 48 Vgl OVG NW, NJW 1979, 1057 m. w. N.; Old~~es, DÖV 1989,873 (879 f.). A. A. BVerwGE 90, 25 (35 m.w.N.); OVG Lüneburg, DOV 1973,683; OVG NW, NJW 1989, 2906 (2907); Isensee, Ilandbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV, § 98 Rn. 34 m. Fn. 72 - jeweils nur Mangel der örtlichen Zuständigkeit. Vgl. auch Sachs, in: Slelkens/BonklSachs. VwVfG, § 44 Rn. 158. 49 OVG NW, NJW 1979, 1057 I: 50 Wie sich aus Art. 87 Abs. I S. I, Abs. 3 S. 2 GG ergibt, kann auch die bundeseigene Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau geführt werden. In solchen Fällen gelten für die Verletzung der örtlichen Zustlindigkeitsgrenzen die allgemeinen Regelungen (z. B. der §§ 3, 44 VwVfG).

r.

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VIII. Überprüfung der deutschen Lehre von der Teilrechtsllihigkeit

nunmehr zuständige Behörde zustimmt. Dies zeigt, daß der Zuständigkeitswechsel nicht so gewichtig ist, daß bei fehlender Zustimmung der neuen Behörde gleich ein Nichtakt angenommen werden müßte.

bb) Kompetenzüberschreitung der Kommunen bei der Wahrnehmung von staatlichen Aujiragsangelegenheiten oder Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung

Nicht nur der Bund5t, sondern auch verschiedene Bundesländer52 haben den Kommunen Auftragsangelegenheiten übertragen. Die Kommunen werden dann im übertragenen Wirkungskreis tätig, nehmen also Staatsaufgaben wahr. In anderen Ländern sind die übertragenen Aufgaben - den 1948 von den Innenministern der Länder und den kommunalen Spitzenverbänden erarbeiteten (sog. Weinheimer) Entwurf einer Gemeindeordnung filr die Länder der Bundesrepublik Deutschland folgend - als Pflichtaufgaben zur Erfililung nach Weisung ausgestaltet worden. Diese werden teils als Angelegenheiten kommunaler Fremdverwaltung (also staatliche Angelegenheiten)53, teils als "Zwischending" zwischen Selbstverwaltung und Auftragsangelegenheiten 54 , wohl überwiegend dagegen (zu Recht) als Selbstverwaltungsangelegenheiten55 eingeordnet. Geht man davon aus, daß die Kommunen bei der Wahrnehmung von Auftragsangelegenheiten aufgrund der materiellen Einbindung in den staatlichen Kompetenzbereich wie Staatsorgane56, bei der Wahrnehmung von Selbstverwaltungsangelegenheiten demgegenüber als selbständige Rechtsträger handeln, entscheidet die rechtliche Qualifizierung der staatlich übertragenen Aufgaben mit darüber, ob im Falle der Zuständigkeitsüberschreitung die normalen Fehlerfolgen einer Behördenunzuständigkeit oder die Ultra-vires-Regeln wegen Überschreitung der Verbandszuständigkeit Anwendung finden. Es dürfte aber kaum der Sinn der unterschiedlichen Ausgestaltung der Aufgabenarten sein. derart unterschiedliche Rechtsfolgen hervorzurufen.

Vgl. z. B. §§ 39 f. BAföG. Vgl. Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht. I. Abschn., Rn. 34. 5J Vgl. z. B. Schmidt-Jort=ig, Kommunalrecht. Rn. 541; WolffiBachofStober, Verwaltungsrecht 11, § 86 Rn. 191; Waechter, Kommunalrecht. Rn. 165. 54 OVG NW, OVGE 13,356 (359). 55 Vgl. VerfGII NW, DVBI. 1985,685 (687); Ehlers, NWVBI. 1990.44 (48); "ietmeier. DVBI. 1992.413 (420); Riotte/Waldecker. NWVBI. 1995.401 (405); Erichsen. Kommunalrecht des Landes Nordrhein-Westfalcn. S. 70. 56 So mit aust~ Begründung Ohliges. [)ÖV 1989. 873 (881). 51

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3. Vereinbarkeit mit dem Rechtsstaatsprinzip

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ce) Kompetenzüberschreitungen im Zusammenhang mit der Errichtungjuristischer Personen

Gründen juristische Personen des öffentlichen Rechts weitere Rechtsträger sei es des öffentlichen oder privaten Rechts -, wird der Wirkungskreis der Gründer nicht selten in unzulässiger Weise überschritten. So haben die Kommunen in den neuen Ländern nach der Wiedervereinigung im großen Stil Zweckverbände errichtet, obwohl sich später herausgestellt hat, daß die gesetzlichen Grundlagen hierfilr nicht vorlagen. 57 Nicht selten sind Zweckverbände fehlerhaft gegründet worden (z. B. weil Form-, Verfahrens- oder Vertretungsvorschriften mißachtet wurden). Des öfteren tätigen Zweckverbände Rechtsgeschäfte schon vor Erlangung der Rechtsflihigkeit. Mitunter erlangt ein bereits tätig gewordener "Vor-Zweckverband" anschließend keine Rechtsfähigkeit, etwa weil die Genehmigung der Aufsichtsbehörde verweigert wird oder die Veröffentlichung der Verbandssatzung unterbleibt. 58 Ferner werden den Zweckverbänden immer wieder Aufgaben gestellt, die über die interkommunale Zusammenarbeit hinausgehen, etwa weil ein von Gemeinden gebildeter Zweckverband nicht "mehr-örtlich", sondern "über-örtlich" tätig werden soll.59 In allen genannten Fällen ist außerhalb des Wirkungskreises gehandelt worden. Bei strikter Anwendung der Lehre von der Teilrechtsflihigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts bzw. der Ultra-vires-Doktrin müßten alle Aktivitäten des Zweck- bzw. Vorverbandes als rechtlich nichtexistent eingestuft werden. Der Vorschlag, die im Zivilrecht entwickelten Regeln des fehlerhaften Verbandes und des Vorverbandes als Ausdruck allgemeiner, jedenfalls bei einem rechtsgeschäftlichen Auftreten auch im öffentlichen Recht geltende Rechtsgedanken anzusehen 60, wäre von vornherein zum Scheitern verurteilt. 61 Dem öffentlichen Interesse an der Wahrung an der Kompetenzordnung müßten alle anderen Gesichtspunkte (einschließlich des Vertrauensschutzprinzips) weichen. Auch eine Heilung der Mängel dürfte sich nur schwer konstruieren lassen. 62 Konsequen57 Vgl. SachsAnH VertU, LKV 1997.411 f.; OVG SachsAnH, LKV 1997,417 f.; Wel/mann. LKV 1997,402 ff. 58 Zum Genehmigungserfordernis sowie zur Notwendigkeit der öffentlichen Bekanntgabe der Verbandssatzung vgl. z. B. §§ 10. 11 GkG NW. 59 Zur Unzulässigkeit vgl. zutreffend Held, Kommunalwirtschaftliche Betätigung begrenzt auf das Örtlichkeitsprinzip? in: Henneke (Hrsg.), Optimale Aufgabenerfilllung im Kreisgebiet? S. 181 (185). 60 KaI/hasser. NJW 1997. 3265 ff. 61 Dennoch hat z. B. der BGH (NJW-RR 1996, 853 f.) entschieden, daß der rechtsfähig gewordene Zweckverband rur die privatrechtlichen Verpflichtungen, die er in seiner Gründungsphase eingegangen ist. einzustehen hat. 62 Um die GTÜndungsfehler bei der Errichtung von Zweckverbänden in den neuen Ländern zu heilen, haben die Gesetzgeber mehrfach Heilungsgesetze erlassen. Vgl. hierzu sowie zur Gültigkeit dieser Gesetze Just. LKV 1999, 113 ff.; Cramme, LKV 1999, 122 ff.

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VIII. Überprüfung der deutschen Lehre von der Teilrechtsflihigkeit

terweise wären die Ultra-vires-Folgen auch anzunehmen, wenn die juristischen Personen des öffentlichen Rechts (z. B. die Kammern) mittels der Verwendung von Eigengesellschaften ihren Wirkungskreis überschreiten. 63 Die Eigengesellschaften leiten ihre Rechtsflihigkeit von ihren öffentlich-rechtlichen Trägem ab. Sie sind daher der Verwaltung zuzurechnen und können grundsätzlich nicht wie Private behandelt werden. 64 Es ist aber widersprüchlich, wenn die neu errichteten Personen einerseits den Ultra-vires-Regeln unterworfen werden, weil es sich um Erscheinungsformen der Verwaltung handelt, andererseits die Personen der Verwaltung nicht zugerechnet werden können, weil der Wirkungskreis überschritten wurde. Das "Hinwegdenken" der unter Überschreitung des Wirkungskreises gegründeten juristischen Personen löst nicht (angemessen) die Rechtsprobleme, die mit dem Handeln der juristischen Person verbunden sind.

dd) Kompetenzüberschreitungen im al/gemeinen

Nicht anders stellt sich die Rechtslage bei "normalen" Kompetenzüberschreitungen dar. Dies mag als pars pro toto wieder am Beispiel der Gemeindewirtschaft erläutert werden. Nach den kommunalwirtschaftlichen Bestimmungen darf sich eine Gemeinde nur wirtschaftlich betätigen, wenn "der öffentliche Zweck das Unternehmen rechtfertigt',.65 Kein öffentlicher Zweck ist das Gewinnstreben als solches. Dagegen ist den Gemeinden eine Gewinnmitnahme erlaubt, wenn eine öffentliche Zwecksetzung vorliegt.66 In der Praxis ist aber vielfach zweifelhaft, ob eine sich wirtschaftlich betätigende Gemeinde eine öffentliche Zwecksetzung verfolgt und ob diese Zwecksetzung das Tätigwerden rechtfertigt. Gilt die Lehre von der Teilrechtsflihigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts, schränkt das Erfordernis der öffentlichen Zwecksetzung die Rechtsflihigkeit der Gemeinde ein. Dies müßte dann auch rur das privatrechtliche Handeln der Gemeinde gelten, weil die Gemeinde auch insoweit als solche und nicht etwa als Jedermann auftritt. Somit handelt die Gemeinde außerhalb des Wirkungskreises, wenn sie in Wahrheit keine öffentlichen Zwecke verfolgt oder diese Zwecke das Tätigwerden nicht rechtfertigen. Die privaten Vertragspartner der Gemeinde können aber regelmäßig nicht erkennen, ob die Gemeinden öffentliche oder nur erwerbswirtschaftliche Zielsetzungen verfolgen. Viel-

63 Ob die Ulta-vires-Doktrin auch auf die gemischt zusammengesetzten Gesellschaften (also Gesellschaften, die sowohl von der öffentlichen Hand als auch von Privaten getragen werden) angewendet werden kann, mag dahinstehen. 64 Ehlers, JZ 1987, 218 (224 (); ders. in: Erichsen (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § I Rn. 4. 65 So § 67 Abs. I Nr. I DGO von 1935. Identische oder ähnliche Bestimmungen enthalten alle derzeit geltenden Gemeindeordnungen. 66 Vgl. statt vieler Ehlers, DYBI. 1998.497 (499 ff.).

3. Vereinbarkeit mit dem Rechtsstaatsprinzip

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fach sind sich die Gemeinden selbst darüber nicht im klaren. Ist keine öffentliche Zwecksetzung gegeben oder rechtfertigt die Zwecksetzung nicht das Tätigwerden, müssen alle Verträge, welche die Gemeinde abgeschlossen hat, als Nichtakte angesehen werden. Es ist aber nicht akzeptabel, alle Risiken der Abgrenzung von öffentlicher Zwecksetzung und Erwerbswirtschaft den privaten Vertragspartnern aufzubürden. Sollte der Satz gelten, daß selbst Schuld hat, wer sich mit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts einläßt, hätte dieses filr das Gemeinwesen äußerst negative Konsequenzen. ee) Ausschluß von Reaktionsansprüchen

Akte, die einer juristischen Person des öffentlichen Rechts nicht zugerechnet werden können, sind auch nicht in der Lage, ReaktionsanspTÜche auszulösen. Wie schon ausgefilhrt wurde 67 , betrifft dies insbesondere SchadensersatzanspTÜche. Es läßt sich nicht begründen, warum die öffentliche Hand filr Nichtakte haften sollte. Auch der Versuch, auf Umwegen eine Haftung begründen zu wollen - etwa weil die juristische Person den Bürger nicht auf die Überschreitung ihres Wirkungskreises aufmerksam gemacht hat, wäre zum Scheitern verurteilt. Kann das Handeln dem Rechtsträger nicht zugerechnet werden, muß dieser auch nicht vor dem Handeln warnen oder über die Folgen aufklären. Zu welch unangemessenen Konsequenzen dies filhren kann, läßt sich an dem oben geschilderten Fall der fehlgeschlagenen Einbürgerung verdeutlichen. 68 Stellt ein Ausländer in einem Bundesland einen Einbürgerungsantrag und übersiedelt er kurz darauf in ein anderes Bundesland, ist die rur die Einbürgerung zuständige Behörde des ersten Bundeslandes (in der Regel) nicht mehr zuständig. Bürgert sie den Ausländer gleichwohl ein, muß bei Zugrundelegung der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen die Einbürgerung als Überschreitung der Verbandskompetenz angesehen werden. Stellt sich dieser Mangel später heraus, kann der Ausländer möglicherweise nunmehr seine Einbürgerung nicht mehr erreichen. Er hat aber unter Umständen im Vertrauen auf die Gültigkeit der Einbürgerung erhebliche Aufurendungen getätigt, filr die er bei konsequenter Zugrundelegung der Ultra-vires-Doktrin selbst dann keinen Schadensersatz bekommt, wenn er seinen Wohnortwechsel angezeigt hat. Dies widerspricht fundamentalen Gerechtigkeitsvorstellungen. Wie die Schadensersatz-, müßten auch die sonstigen ReaktionsanspTÜche auf Beseitigung, Unterlassung und Widerruf ausgeschlossen sein. Beschlagnahmt eine Universität in der Nachbarstadt eine Wohnung, um dort Studierende unterzubringen, dürfte sie es ablehnen, die Folgen des kompetenzüberschreitenden 67

68

Vgl. S. 67. Vgl. S. 71 f.

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VIII. Überprüfung der deutschen Lehre von der Teilrechtsfähigkeit

Verhaltens (z. B. Beschädigung der Wohnung) zu beseitigen, weil ihr das Handeln nicht zurechenbar ist. Auch ein staatsaufsichtliches Einschreiten gegenüber Kompetenzüberschreitungen wäre dann nicht möglich. Handeln die "Organe der Studierendenschaft,,69 außerhalb ihres Wirkungskreises, indem sie allgemeinpolitische Erklärungen abgeben, haben die Mitglieder der Studierendenschaft nach ständiger Rechtsprechung einen Unterlassungsanspruch gegen ihre Organe. 70 Ein solcher Anspruch ließe sich aber nicht konstruieren, wenn die Erklärungen der Studierendenschaft nicht zugerechnet werden könnten und im rechtlichen Sinne als nicht vorhanden angesehen werden müßten. Ebenfalls wären dann auch WiderrufsansprUche ausgeschlossen. Z. B. könnte eine Gemeinde, die aus allgemein politischen Gründen das Gemeindegebiet zur atomwaffen freien Zone erklärt (und dies durch Aufstellen von entsprechenden Hinweistafeln am Ortseingang kenntlich gemacht hat), nicht gezwungen werden, ihre Erklärungen zu widerrufen. Eine solche Flucht in die Verantwortungslosigkeit darf indessen den Trägern von Staatsgewalt nicht erlaubt werden.

4. Konsequenzen Als Ergebnis läßt sich festhalten, daß die Lehre von der Teilrechtsfllhigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts und die deutsche Ultra-viresDoktrin ersatzlos aufzugeben sind. Auch die juristischen Personen des öffentlichen Rechts sind vollrechtsfähig. Die Beschränkung ihres Wirkungskreises bewirkt nicht eine Beschränkung des rechtlichen Könnens, sondern nur des rechtlichen Dürfens. Folgt man dieser Auffassung, richten sich die Folgen von Kompetenzverletzungen (Überschreitung des Wirkungskreises) nach den allgemeinen Grundsätzen. Fehlt es dem Gesetzgeber an einer Gesetzgebungskompetenz, sind die erlassenen Rechtssätze nichtig. Die Beurteilung aufgabenfremder Verwaltungsakte bestimmt sich vorbehaltlich abweichender Spezial rege lungen nach § 44 Abs. I Vwvro und den vergleichbaren Bestimmungen. 71 Es kommt somit auf die Schwere und Offenkundigkeit des Rechtsmangels an. An der Schwere des Fehlers kann bei Aufgabenüberschreitungen grundsätzlich kein Zweifel bestehen. Die Offenkundigkeit hängt von den Umständen ab. In der Regel ist es dem Adressaten des Verwaltungsaktes zumutbar, sich über die Grenzen des Wirkungskreises juristischer Personen des öffentlichen Rechts zu informieren. Schließt eine juristische Person des öffentlichen Rechts unter Überschreitung 69 70

71

Vgl. z. B. § 73 UG NW. Vgl. z. B. BVerwGE 34, 69 (74): 59, 231 (237 tT.). Ebenso z. B. Bank. in: Stelkens:BankiSachs. VwVfCi, § 3 Rn. 10.

4. Konsequenzen

77

ihres Wirkungskreises einen Vertrag ab, ergeben sich die Fehlerfolgen rur die verwaltungsrechtlichen Verträge aus § 59 VwVtG (ggf. gemäß Absatz 1 i. V. m. § 134 BGB) und den vergleichbaren Bestimmungen, ftlr privatrechtliche Verträge aus § 134 BGB. Nach § 134 BGB kommt es darauf an, ob aus Sinn und Zweck des Verbotstatbestands die Nichtigkeit des Vertrages folgt.72 Hierftlr spricht der Kompetenzverstoß, dagegen das Vertrauensschutzprinzip. Es kommt daher darauf an, ob der Vertragspartner auf die Wirksamkeit des Handelns vertraut hat und dieses Vertrauen schutzwürdig ist. Letzteres hängt von einer Abwägung ab. Da ein schwerwiegendes öffentliches Interesse an der Einhaltung der Grenzen des Wirkungskreises juristischer Personen des öffentlichen Rechts besteht, darf die Schutzwürdigkeit nicht ohne weiteres bejaht werden. Haben die juristischen Personen des öffentlichen Rechts einen Realakt außerhalb ihrer Verbandskompetenz erlassen, ist dieser rechtswidrig. Die Frage der Nichtigkeit stellt sich nicht, weil sich die Unterscheidung von Rechtswidrigkeit und Nichtigkeit nur auf Rechtsakte bezieht, die final auf Bewirkung von Rechtsfolgen gerichtet sind. 73 Ist die Überschreitung des Wirkungskreises nicht ausnahmsweise unbeachtlich (z. B. weil sie nicht offenkundig war und der abgeschlossene verwaltungsrechtliche Vertrag auch nach Maßgabe des § 59 Abs. 1 VwVtG i. V. m. § 134 BGB ungeachtet des Rechtsverstoßes als rechtsgültig anzusehen ist), bestimmen sich die sekundärrechtlichen Reaktionsansprüche (z. B. auf Unterlassung, Beseitigung, Widerruf oder Schadensersatz) nach den allgemeinen Grundsätzen. Unberührt bleibt die Möglichkeit, teilrechtsflihige Vereinigungen des öffentlichen Rechts zu errichten oder sonstige lediglich teilrechtsflihige Subjekte (etwa unselbständige, aber teilrechtsflihige Stiftungen) zu gründen. Überschreiten diese Personen die ihnen durch das Recht gezogenen Schranken des Wirkungskreises, liegt nicht ein Nichtakt vor. Vielmehr ist das Handeln den hinter den teilrechtsflihigen Subjekten stehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts zuzurechnen. Zugleich entflillt im Hinblick auf die hier untersuchten Fallgestaltungen die Notwendigkeit, zwischen einem öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Handeln juristischer Personen des öffentlichen Rechts, juristischen Personen des öffentlichen Rechts und den ganz oder überwiegend von der öffentlichen Hand getragenen Privatrechtssubjekten oder juristischen Personen des öffentlichen Rechts und von Privatpersonen getragenen juristischen Personen unterscheiden zu müssen. Wie das Privatrecht, kommt auch das öffentliche Recht ohne eine Ultra-vires-Lehre aus. Es ist nicht die Absicht der hier vertretenen Rechtsauffassung, Überschreitungen des Wirkungskreises juristischer Personen des öffentlichen Rechts zu erleichtern. Die Einhaltung der Grenzen des Wirkungskreises muß im Gegenteil 72 73

Hefermehl, in: Soergel, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 134 Rn. 6. Vgl. S. 12.

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VIII. Überprüfung der deutschen Lehre von der Teilrechtsilihigkeit

ernster genommen werden als dies in der Vergangenheit unter der Geltung der Lehre von der Teilrechtsflthigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts bzw. der Ultra-vires-Doktrin der Fall gewesen ist. Es geht nur darum, die Rechtsfolgen anders zu bestimmen und den allgemeinen Grundsätzen anzupassen. Verzichtet man darauf, die Überschreitungen der Verbandskompetenz den Nichtakten zuzuordnen, fllllt damit die Kategorie der Nichtakte nicht weg. Allerdings sollte diese Kategorie möglichst gering gehalten werden. So stellt sich auch bei verschiedenen anderen Handlungen, die gemeinhin als Nichtakte angesehen werden (wie z. B. die Nichternennung von Beamten wegen der in § 6 Abs.2 BBG genannten Formmängel der Ernennungsurkunde), die Frage, ob die Rechtsordnung solche Akte de lege ferenda nicht besser als nichtige Akte qualifizieren sollte.

IX. Zusammenfassung 1. Nach der Lehre von der Teilrechtsfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts sind diese Personen nur innerhalb ihres Wirkungskreises rechtlich vorhanden. Die deutsche Ultra-vires-Doktrin besagt, daß Handlungen außerhalb des Wirkungskreises als nicht existent anzusehen sind. 2. Tatsächlich handeln juristische Personen des öffentlichen Rechts in erheblichem Ausmaße außerhalb ihres Wirkungskreises. Das Ausmaß der Aufgabenüberschreitungen wird zumeist nicht zur Kenntnis genommen. 3. Die Anfiinge der Lehre von der Teilrechtsfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts und die Ultra-vires-Doktrin reichen in Deutschland bis in das 19. Jahrhundert zurück. Verbreitete Anerkennung haben diese Lehren aber erst in den fUnfziger Jahren des 20. Jahrhunderts gefunden. Eine nähere Fundierung der Lehren fehlt. Im Gegensatz zum öffentlichen Recht ist die Ultra-vires-Doktrin im Privatrecht seit langem aufgegeben worden. 4. Die deutsche Ultra-vires-Doktrin wird auf angloamerikanische Vorstellungen zurückgefilhrt. Eine Beeinflussung des deutschen Rechts durch angloamerikanische Rechtsvorstellungen läßt sich indessen nicht nachweisen. Darüber hinaus vermögen die Ultra-vires-Lehren des angloamerikanischen Rechtskreises die deutsche Ultra-vires-Doktrin nicht zu stützen. So beruht die englische Ultravires-Lehre auf einem völlig anderen Hintergrund. Heute besagt der Ausdruck ultra vires im englischen Recht nur noch, daß rechtswidrig gehandelt worden ist. In den Vereinigten Staaten von Amerika wird die Ultra-vires-Lehre bemüht, um eine Überschreitung der Ermächtigungsgrundlage zu kennzeichnen. Die Unterscheidung von nichtigen Akten und Nichtakten ist weder dem englischen noch dem US-amerikanischen Recht geläufig. 5. Das Völkerrecht und das europäische Gemeinschaftsrecht haben bisher keine eigenständige Ultra-vires-Doktrin herausgearbeitet. Sofern von einem Handeln ultra vires gesprochen wird, soll damit nur zum Ausdruck gebracht werden, daß eine Kompetenzüberschreitung vorliegt. Insbesondere nötigt das europäische Gemeinschaftsrecht das deutsche Recht nicht zur Anerkennung von Fehlerfolgen, die über die Nichtigkeit hinausgehen. Die Lehre von der Teilrechtsflihigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts und die deutsche Ultra-vires-Doktrin sind aufzugeben, weil sie unnötige Abgrenzungsprobleme verursachen, zur Anerkennung rechtsfreier Räume fllh-

80

IX. Zusammenfassung

ren und rechtsstaatswidrige Konsequenzen haben. Auch juristische Personen des öffentlichen Rechts sind vollrechtsfllhig. Der Wirkungskreis dieser Personen beschränkt nicht das rechtliche Können, sondern nur das rechtliche Dürfen.

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gemeinschaftsrechtswidrige nationale Verwaltungsmaßnahmen 53

Bona-fides-Prinzip 49 Bundesaufsichtsamt rur Versicherungswesen 65

Einbürgerung 71 Energiewirtschaftsgesetz 21 englische Ultra-vi res-Doktrin 39, 46 Ernennung von Bundesbeamten 15 Errichtungjuristischer Personen 73 Estoppe1-Prinzip 44

Landesbanken 28 Lehre vom Gesellschaftsvertrag 19 Lehre von der Teilrechtsfähigkeit juristischer Personen 16,23,33,35, 59, 66 f., 73, 78 - geschichtliche Entwicklung 31 - öffentlich-rechtliche Vollrechtsflthigkeit 35 - privatrechtliche Vollrechtsfähigkeit 35 - Vereinbarkeit mit dem Rechtsstaatsprinzip 68

fehlerhafter Verband 73 Fiskustheorie 20, 67

Mitgliederklagen 24 Mitgliederklagen der Staatsbürger 26

Gefahren rur die öffentliche Sicherheit oder Ordnung 65 gemeinschaftsrechtswidrige Beihilfen 53

Neueres Steuerungsmodell 29 Nichtakte 11-14,23,32,44,46 f., 52 f., 56 f., 67, 72, 75, 77 f. Nichtigkeitsklage 55

Dualistische Theorien 49

innere Wirksamkeit 12,57 interkommunale Zusammenarbeit 18, 30 internationale Organisationen 48 Klagen von Kammermitgliedern 25 Klagen von Mitgliedern einer Sozialversicherung 25 Klagen von Privatpersonen 26 Klagen von Studierenden 24 konkurrierende Kompetenz 52 Kruzifixe 65

88

Sachregister

Noch-nicht-Akte 14

Unterlassungsanspruch 76

öffentlich-rechtlich organisierte Banken 28

Verbandskompetenz 17, 19,24,30, 54, 75, 77 Verstöße der Mitgliedstaaten 50 Vertretungsbefugnis 34 Vertretungsmacht 34 Verwaltungsrefonn 29 Vollrechtsflihigkeit 60 Vollzugslehre 50 Vorverband 73

Pflichtaufgaben zur Erfiillung nach Weisung 72 Pflichtmitgliedschaft 25 Reaktionsansprüche 75 rechtliches Dürfen 76 rechtliches Können 34, 36, 57, 76 Rechtsfolgen einer Überschreitung des Wirkungskreises 22 Schadensersatzansprüche 75 Selbstverwaltung 22 Selbstverwaltungsangelegenheiten 72 Selbstverwaltungsgarantie 18 Teilrechtsflihigkeit natürlicher Personen 60 Territorialitätsprinzip 63 Transformationslehre 49 U1tra-vires-Doktrin 16,23,33,35,37, 59, 66 f., 73, 78 - des englischen Rechts 39 - des europäischen Gemeinschaftsrechts 48 - des US-amerikanischen Rechts 47 - des Völkerrechts 48 - geschichtliche Entwicklung 31 - intra vires 41, 59 - Rechtsfolgen 43 - Vereinbarkeit mit dem Rechtsstaatsprinzip 68 Ultra-vires-Entscheidungen - Rechtsfolgen 66

Wiedervereinigung 73 Wirkungskreis 15, 17, 19, 32, 66 - der Europäischen Gemeinschaften 58 - Grenzen 76 - im Falle einer wirtschaftlichen Betätigung 19 - Kompetenzüberschreitung 71, 73 - örtlich 18 - räumlich 63 - Rechtsfolgen einer Überschreitung 22 - Rechtsschutz gegen die Überschreitung 24 - sachlich 18, 64 - Überschreitung 69, 76 f. - Überschreitung im Zuge der deutschen Wiedervereinigung 30 - Überschreitung im Zuge einer wirtschaftlichen Betätigung 28 - von Bund und Ländern 18 - von Trägem der mittelbaren Staatsverwaltung I 7 Zwangskörperschaften 24 f. Zweckverband 73