Die Lehre vom Noetischen und Dianoetischen Denken bei Platon und Aristoteles: Ein Beitrag zur Erforschung der Geschichte des Bewusstseinsproblems in der Antike [2 ed.] 9783787337231, 9783787306534

Im vorliegenden Buch stellt Klaus Oehler die Lehre vom noetischen und dianoetischen Denken bei Platon und Aristoteles da

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German Pages 294 [305] Year 1985

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Die Lehre vom Noetischen und Dianoetischen Denken bei Platon und Aristoteles: Ein Beitrag zur Erforschung der Geschichte des Bewusstseinsproblems in der Antike [2 ed.]
 9783787337231, 9783787306534

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Klaus Oehler Lehre vom Noetischen und Dianoetischen Denken bei Platon und Aristoteles Ein Beitrag zur Erforschung der Geschichte des Bewußtseinsproblems in der Antike

Meiner

Klaus Oehler Die Lehre vom Noetischen und Dianoetischen Denken bei Platon und Aristoteles

K LAUS OEHLER

Die Lehre vom Noetischen und ­Dianoetischen Denken bei Platon und Aristoteles

Ein Beitrag zur Erforschung der Geschichte des Bewußtseinsproblems in der Antike

FELI X MEI NER VER LAG H A MBURG

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliogra­phi­­sche Daten sind im Internet über ‹http://portal.dnb.de› abrufbar. ISBN 978-3-7873-0653-4 ISBN eBook: 978-3-7873-3723-1

Zweite, mit neuem Vorwort versehene Auflage © Felix Meiner Verlag GmbH, Hamburg 1985. Alle Rechte vorbehalten. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übertragungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, soweit es nicht §§  53 und 54 UrhG ausdrücklich gestatten. Gesamtherstellung: BoD, Norderstedt. Gedruckt auf alterungsbeständigem Werkdruck­ papier, hergestellt aus 100 % chlor­frei gebleich­tem Zellstoff. Printed in www.meiner.de Germany.

V O RWO RT ZUR ZWE ITEN AU FLAGE Die These des Buches, daß das für die neuzeitliche Philosophie zentrale Problem der Reflexion und des Selbstbewußtseins schon, wenn auch nicht in gleicher Weise, in der antiken Philosophie eine Rolle gespielt hat, kann wohl heute als allgemein akzeptiert gelten, wenn man die zahlreichen Belege dafür in der Forschungsliteratur als Indiz nimmt. Die Begründung der These erfolgt durch die erstmalige Darstellung der Lehre vom noetischen und dianoetischen Denken bei Platon und Aristoteles. Sie ist bis heute die einzige Darstellung ge· blieben. Das Buch ist seit vielen Jahren vergriffen. Der Aufforderung, es in einer zweiten Auflage erscheinen zu lassen, bin ich erst nach Zögern gefolgt, da ich immer noch hoffte, einige Ü berarbeitungen und Ergän­ zungen aus gegenwärtiger Sicht vornehmen zu können. Schließlich aber erwies sich nur das photomechanische Verfahren als realisierbar. Für die Verwirklichung dieser Möglichkeit danke ich dem Felix Meiner Verlag, Hamburg. Die Neuauflage soll helfen, das Buch überhaupt wieder zugänglich zu machen in einer Zeit, in der sowohl wissen· schaftsgeschichtliche als auch wissenschaftstheoretische Fragestel­ lungen die Thematik des Buches erneut aktualisieren. Statt hier in eine Erörterung philologischer Detailprobleme einzutreten, möchte ich das Vorwort zur zweiten Auflage dazu benutzen, auf einige der philo' sophisch relevanten Fragestellungen hinzuweisen. Das Komplementärverhältnis zwischen Noesis und Dianoia in der Erkenntnislehre von Platon und Aristoteles hat durch die sich daran anschließende, in allen europäischen Sprachen ausdrückliche Unter· scheidung von Intellekt und Ratio, Intuition und Diskursivität, Ver­ nunft und Verstand, Evidenz (unmittelbare Gewißheit) und Kritik, Vertrautheit und Kontrolle seine bis in die moderne Wissenschafts· theorie hineinreichende Wirkung, wo es im Zusammenhang mit kon­ trovers diskutierten Methodenfragen in veränderter Form wieder auftaucht . Stellvertretend für andere Beispiele sei das Abduktions· und lnduk· tionsproblem erwähnt. Es ist das Verdienst von Charles Sanders Peirce, durch Differenzierung des synthetischen Schließens in Abduk-

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Vorwort zur zweiten Auflage

tion und Induktion auf die besondere Bedeutung der Hypothesen­ bildung im Erkenntnisprozeß aufmerksam gemacht zu haben. Der Differenzierung der beiden Schlußformen der Induktion und der Ab­ duktion liegt seine Feststellung zugrunde, daß allein die Abduktion zu neuen Erkenntnissen führe, sie die einzige kreative Schlußform dar­ stelle. Der Wert der Hypothese hängt davon ab, ob sie durch Deduk­ tion und Induktion überprüfbar ist. Peirce sieht in der Abduktion die primäre synthetische Schlußform, weil die Induktion nur das durch die Abduktion antizipierte Ergebnis bestätigen oder widerlegen kann. Den innovativen Vorgriff leistet die Abduktion, nicht die Induktion. D aher die Differenzierung. Der abduktive Schlußmodus, in dem die Ursachen als die Fälle hypothetisch angenommener Regeln fungieren, stellt ein Verfahren zur Konstruktion von Hypothesen dar. Für die Beantwortung der Frage nach der Geltung der Hypothesen ist die Abduktion nicht zuständig; diese fällt in den Bereich der Deduktion und der Induktion. Charakteristisch für die Peircesche Methodologie ist die Kombination der drei Schlußtypen Abduktion, Deduktion und Induktion. Den durch die induktive Methode erreichbaren Wahrheits­ gehalt macht Peirce von der Länge der Versuchsreihe abhängig ("in the long run"); das Problematische dieser Auffassung kann hier außer Betracht bleiben. Eine andere Frage dagegen ist für unsere Thematik wesentlich, nämlich die Frage, aufgrund welches Kriteriums den vielen möglichen Hypothesen zur Erklärung eines Phänomens unter­ schiedliche W ahrscheinlichkeiten in bezug auf ihren Realitätsgehalt zugeordnet werden können. Denn die Kreativität der Abduktion bedeutet eine Erweiterung der Erkenntnismöglichkeit mit neuer W ahrscheinlichkeitsverteilung. Peirce benennt, dabei an Hume erin­ nernd, als das maßgebliche Unterscheidungskriterium den "Instinkt" : "All the other races of animals certainly have such instincts; why refuse them to mankind ?" (Collected Papers 8. 223 ; vgl. 2. 7 54) . D a Peirce, wie Kant, d e m Menschen d a s Vermögen der Intuition ab­ spricht, kann dieser Instinkt für ihn nicht den Status einer Intuition haben. Aber er hat eben auch nicht den Charakter der Diskursivität. Das ist der entscheidende Punkt. Dem Peirceschen Paradeigma der Komplementarität einer diskur­ siven und einer nicht-diskursiven Einstellung entspricht in der moder­ nen Wissenschaftstheorie die Unterscheidung der Rechtfertigung und der Entdeckung von Theorien, des "context of j ustification" und des " context of discovery" . Dieser Kontextunterscheidung liegt die Ein-

Vorwort zur zweiten Auflage

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sieht zugrunde, daß die Entdeckung von Theorien nicht auf Induktion und überhaupt nicht auf Diskursivität beschränkt werden kann, sondern daß dabei auch andere Erfahrungsweisen einwirken, wie das Erblicken von Strukturen, das Wahrnehmen von Relationen, das Erfassen von Formen, exemplarisches Wissen, Spontaneität, Vertraut· sein, Merken, Selektivität der Aufmerksamkeit, intuitives Begreifen, Gefühl, Gespür, Phantasie und genetische (natürliche) und soziale Faktoren. Dabei ist Peirce weit davon entfernt, den " context of dis­ covery" aus der Logik der Forschung in die Wissenschaftspsychologie, ·Soziologie und -geschichte zu verlagern. Es spricht vieles dafür, daß es die eben erwähnte, der Kontextunterscheidung zugrunde liegende Einsicht ist, die auch die alte Lehre von den zwei komplementären Denkmodellen, das klassische Rechtfertigungsmodell der Wissen­ schaft, anfänglich begründet und zum Ingredienz der gesamten Philo­ sophiegeschichte gemacht hat. Von herausragender Bedeutung in diesem Zusammenhang ist das letzte, 19. Kapitel des zweiten Buches der Analytica Posteriora, wo Aristoteles von der nicht mehr beweis­ baren Prinzipienerkenntnis handelt. Auch hier, wo es um die Begrün· dung der Möglichkeit des rationalen, prinzipiengeleiteten Di&kurses überhaupt geht, ist kein Intuitionismus im Spiel, vielmehr ist die Rede von dem Zusammenwirken aller kognitiven Kräfte des Men­ schen (vgl. S. 165-169) . Was die Ausgangsfrage des Buches nach der Reflexion in der griechi­ schen Philosophie betrifft, so ist die Beantwortung derselben damals, Anfang der 60er Jahre, in einem Punkt, der sich auf die Bedeutung des klassischen griechischen Denkens für unser eigenes Denken be· zieht, bei einigen nicht auf ungeteilte Zustimmung gestoßen. Es geht um die Auffassung, die beispielsweise in dem S atz zum Ausdruck kommt : "Die große Gefahr in unserer gegenwärtigen philosophischen Situation ist der Rückfall in den eben erst und, wie einschränkend hinzugefügt werden muß, auf weiten Strecken und in mancherlei Gestalt noch höchst unvollkommen überwundenen Subj ektivismus" (S. 9) . Man unterstellte dem Autor eine Verweigerung der gegen· wärtigen Bewußtseinslage. Aus heutiger Sicht bin ich geneigt zu sagen, daß meine damalige Diagnose des Zeitgeistes die Gefahr be­ dauerlicherweise noch unterschätzte, wie wir inzwischen durch das Aufkommen eines neuen Irrationalismus und Anarchismus erfahren mußten. Die mir diese Verweigerungsmentalität attestierten, waren nicht selten dieselben, die sich nur wenige Jahre später von dem

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Vorwort zur zweiten Auflage

Konsensus-Gedanken inspirieren ließen, wohl unwissend, daß auch die­ ser von Aristoteles stammt, von dem ihn Peirce übernahm, bei dem er dann in einer allerdings zeitgeschichtlich bedingten Brechung wieder­ entdeckt wurde (vgl. zu Aristoteles vom Vf. Der Consensus omnium als Kriterium der Wahrheit in der antiken Philosophie und der Patri­ stik, Antike und Abendland 1 0, 1961, 1 03-129) . Das stimmt trotz allem zuversichtlich. Solange wir mit unseren angeblich neuen Wahr­ heiten wieder bei den alten Wahrheiten ankommen, besteht noch Hoffnung. HAMBURG, FEBRUAR 1 985

KLAUS ÜEHLER

I N HALT EINLEITUNG .









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ERSTER TEIL DIE PLATONISCHE NOETIK UND DIANOETIK

Erster Abschnitt : Der Rückverweis der A ristotelischen Urteilslehre auf die Pla­ tonische Grundlegung und das Urteil als zentrales Thema der Dianoetik überhaupt I. Der dialektische Ursprung und das Selbstverständnis der Aristote-

lischen Logik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Doppelseitigkeit d e s Urteils und d i e bestimmte Unterscheidung der logischen und der psychischen Seite desselben . . . . . . . . . . . 3. D a s Parallelismus-Schema v o n Sein, D enken u n d Sprache

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Zweiter Abschnitt : Die A ntisthenische Erkenntnistheorie und Logik als polemisches Stimulans ]ur die Explikation der Platonischen Urteilslehre I. Das Einfa che und das Zusammengesetzte

. . . . . . . . . . . 2 . D er erkenntnistheorelische Singularismus . . . . . . . . . . . 3. Die problemgeschichtlichen Vorläufer der Antisthenischen Dogmen

31 41 46

Dritter Abschnitt : Die sachlichen Vorausseizungen der Platonischen Urteilslehre I. Die I deenkommunikation als d·er zureichende Grund für die Möglich-

keit der Prädikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die onomatische Hermeneutik des Seins 3. Der innere und der äußere Logos

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Vierter Abschnitt : Die Platonische Urteilslehre I. Die Einheit des Urteils .

. . 2. Die Int entionalität des Urt eils 3. Die Psychologie des Urteils . . .

74 79 87

Fünfter Abschnitt : Die Platonische Noetik und die Beziehung zwischen noelischem und dianoelischem Denken I. Der Begriff des Wissens vo m Wissen und das Problem des philosophi-

schen Selbstbewußtseins 2. Das noetische D enken . . . . . . . 3 . D er noologische Singularismus 4 . D a s Probl em der Wahrheitssicherung

103 112 119 122

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In h a l t Z WEITER TEIL DIE ARISTOTELISCHE NOETIK UND DIANOETIK

Erster Abschniu: Elemente und Grundzüge der Aristotelischen Logik des Urteils 1 . Die Bestimmungen von Subj ekt, Prädikat und Urteil . . . . . . . . . . 2. Die Einheit des Urteils . 3. D er Doppelaspekt der Kopula und das Existenzurt eil 4. Das Parallelismus-Schema und die o ntologische Stufung .

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Zweiter A bschnitt: Die Aristotelische Psychologie des Urteils 1 . Die Entstehung des Urteils . . . . . . . 2. Das Vermögen zur Einheit des Gedachten

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Dritter Abschnitt: Ontologie und Erkenntnistheorie des dianoetischen Denkens 1 . Präliminarien zu 'Metaphysik 0 1 0 ' 2. Die kategoriale Ontologie und ihre modalen Prinzipien . . . . 3. Das reale Ansichsein und das Sein des Wahren und des Falschen

1 70 1 73 1 76

Vierter Abschnitt: Ontologie und Erkenntnistheorie des noetischen Denkens 1 . Das Unzusa mmengesetzte (Ti% cicrov&e:Tot) . . . . . . 2 . Die einfache Apprehensio n des noetischen Denkens und die v67J entsprechend weit fassen und dabei nicht nur an die spezielle Diairetik der Spätdialektik denken. Angesichts der prinzipiellen Be­ deutung, die dem Namen als Leitfaden bei der Durchführung der Diairesis zufallen kann, muß freilich auch der Umstand in Erinnerung gebracht werden, daß die Sprache in vielen Fällen nur ungenaue oder gar keine Anhaltspunkte für die Einteilung bietet und sich die Ein­ teilung überhaupt an der Sache selbst und gar nicht an der Sprache orientiert und auch die Sprache keine geläufigen Bezeichnungen für die vorgenommenen Distinktionen anbieten kann. Diese Fälle ändern aber nichts an der grundsätzlichen Bedeutung, die die Sprache für die D iairetik hat. Sie lassen nur deutlich Platons Verhältnis zur Sprache erkennen, das nicht durch eine einseitige Abhängigkeit von der Sprache, sondern durch ein souveränes Hinhören auf die Sprache ge· kennzeichnet ist . l E s ist kein Zufall, d a ß gerade d e r Menon, der uns einen besonders tiefen Einblick in die Definitionstechnik der Sokratischen Dialektik 1

Zutreffend be merkt K. v . FRITZ, Gnomon 1 2 , 1 93 6 , 1 2 2, " d a ß Platon im Ge��:ensatz zu gleichzeit igen Spra chbetrachtungen etwa des Antisthenes, gewisser M egariker o der auch anderer Philosophen, deren Theorien sich noch aus dem Kratylos erschließen la ssen, ein sehr freies, in gewissem S i nne möcht e man sagen : modernes Verhältnis zur Sprache hat. Er benutzt sorgfältig die Winke, welche die S prache für das Auffinden und die Unterscheidung der Gegenstände gibt. Aber er ist sich der Unvoll komme nheit der Sprache bewußt (vgl. auch 7 . Brief 343 AB) und sucht, weit entfernt von dem Gl auben an eine prästa biliert e Harmonie zwi­ schen N a men und Gegenständen, in der Erkenntnis über die Grenzen der ge­ gebenen sprachl ichen Bezeichnungen hina uszuko mmen." In seiner Besprechung des Buches von J. DERBOLA V , Der Dialog ' Kratylos' im Rahmen der plato nischen S p rach- und Erkenntnisp hilosophie, Saarbrücken 1 9 5 3 , wird J. LoHMANN dem von K . v. FR ITZ a ngespro chenen Sa chverhalt bei Platon nicht gerecht . Ausgehend von dem Dogma , daß die Griechen bis Aristoteles einschl ießlich keinen Begriff der Sprache gehabt hätten, stellt J. LOHMANN eine erkennt nistheoretische Reflexio n auf die Sprache für Platon in Abrede und sieht sich deshalb genötigt, den 7. Brief zu einem erst im Hellenismus geschriebenen ' Elaborat' zu erklären : 'einfach des­ halb, weil er . . . ein überhaupt erst im Hellenismus so mögliches Verhältnis zur Sprache reflekt iert.' J. L O HMANN, Gno mon 26, 1 9 54, 453. Hier wird zur Recht ­ fert igung eines sprachphilo sophischen Anliegens nicht nur ein Eingriff in den Text vorgenommen. sondern Plat o n !!;Ieich ein l!: a nzes Werk ab!!; esprochen.

D i e o n o m a e ische Hermeneueik des Seins

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gestattet und vieles von dem schon bis zur Spruchreife bringt, was dann erst viel später von Platon, zum Teil erst von Aristoteles ex· pliziert wird, auch die dialektische Bedeutung des Namens als Klassen· bezeichnung zum erstenmal besonders akzentuiert, und zwar in einer terminologisch schon fest fixierten Form. Das geschieht im Zusammen· hang des Versuchs der Definition von axljfLcx, wobei der Umstand, daß dabei bisher statt der Definition nur einzelne bestimmte GX�(.LCX't"CX angegeben wurden, den von Sokrates fingierten Frager nach der De­ finition zu der Äußerung veranlaßt : "Wir kommen immer zu Vielem (&e:t d ist für Platon ein sekundärer Prozeß." Falsch ist hier allerdings die Unterschätzung der Bedeutung, die die Ideenkommuni­ kation für die Prädikation i m e i n z e l n e n hat, das heißt in j enem Prozeß, den Stenze! gemäß seiner Gesamttendenz als sekundär bezeichnet.1 den Aufsatz von J . M. E. M O RAVCSIK, l:!MllAO K H E ILHl N and the Genesis of AOrOl:, Archiv f. Gesch. d. Philosophie 42 , 1 960 , 1 1 7-1 29.

1 Das ist angesichts der gera de auch von STENZEL mit Nachdruck betonten o nto· logischen Grundlage der Aussage bei Platon nicht konsequent gedacht. STENZEL

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D i e Pla t o n i s c h e U r t e i l s l e h r e

Von hier aus ist nun auch einsichtig, weshalb sowohl der Satz ' Der Mensch lernt> als auch der Satz 'Theätet sitzt> dialektisch richtig ist : eben deshalb, weil sich der Urteilende j eweils an die richtige Seite der latent zugrunde liegenden Diairesis hält.1 Hier wird nun aber noch ein Weiteres deutlich, nämlich daß die dialektisch richtige Verbindung von Begriffen keine Gewähr dafür bietet, daß das so ent­ standene Urteil auch immer und überall wahr ist. Nur die Umkehrung dieser Aussage hat Anspruch auf allgemeine Gültigkeit : j edes wahre Urteil beruht dialektisch auf einer ontologisch aufweisbaren Ideen­ kommunikation. gerät hier, wie so oft, wenn er seinen Anschauungsbegriff outriert, in einen Widerspruch zu eigenen Voraussetzungen. Ü ber die ontologische Grundlage der Aussage vgl. besonders STENZELs Ausführungen in seiner Abhandlung "Meta· physik des Altertums" , Handbuch der Philosophie, Abt. I, 1 9 3 1 , 1 44 : " Platon spricht hier ( Sophistes) von Prädikatio n ; er entwickelt eine Theorie des sprach­ lichen Satzes ( 2 6 1 d ff. ), aus der Verknüpfung von Na mensbezeichnungen (ov6{LQI:TCX) (vgl. Studien 88 ff. ). Das darf aber nicht darüber täuschen, daß er immer die o ntologische Grundlage im Sinne hat, auf die hin Aussagen geschehen." 1 An dieser Stelle zeigt es sich, wie verfehlt die APELTsche Interpretation von ISvo{Lcx und p'ij{Lcx ist. Er denaturiert die Pl atonische D ialektik, wenn er sagt ( Plato nische Aufsätze 258, 1 ) : " Die Urteile ohne ausdrückl iches 'Ist' scheinen in Platons Augen nicht den vollen Rang zu haben, sondern, in allerdings nur dunkler Voraussetzung, bloß als Urteile zweiten Gra des zu gelten, indem nicht bloß ihr Subj ekt, sondern auch ihr Prädikat der Sinnenwelt angehört. Ich meine dabei Urteile, wie das weiterhin im Sophistes so wichtige 0c:cxh7JTOt; Koc-lhjTcxL, 0c:CXLT7JTOt; 7tETETCXL, in denen das Prädikat ein Verbum bildet ; in ihnen scheint keine Beziehung auf das Sein an sich, auf die I dee stattzufinden : im Prädikat steht kein ytvot; o der E!8ot; im eigentlichen Sinn und das bedeutsame l:crn fehlt." Da mit entzieht APELT Platon nicht nur praktisch, sondern auch theoretisch den Bo den seiner gesamten Prädikationslehre. Gegen die Auskunft APELTs wendet sich schon MAlER I I 2, 40, 1 mit guten Gründen. Den B eweis für die Wahrheit dieser Aussage, nä mlich daß er Platon den Boden seiner Prä dikationslehre entzieht, liefert APELT selber, wenn er angesichts der beiden S ätze 'Theätet sitzt' und 'Theätet fliegt' sagt (a. a. 0. 2 7 2 ) : "Was entscheidet nun hier über Wahrheit o der Falschheit der Aussage? N icht Dial ektik, wie bei j enen Vergleichungsformeln, sondern die Anschauung, d. h. die unmittelbare Erkenntnis. Diese l ehrt sofort, daß das eine von beiden wahr, das a ndere falsch ist, sie lehrt sofort, welches von beiden der Wirklichkeit (welcher ?) entspricht . . . Also Verweisung an die Anschauung." Dazu die Anm. : "Es tritt hier der Unterschied von l:mcr't'l){L7) und 86�cx in einer eigenart igen Weise hervor. J ene dialektischen Operationen sind für Platon eine Sache der l:7tLcrTi)(L7), wie das 8LcxMyc:cr&cxL im spezifischen Sinn überhaupt. Die l:mcrTi){L7) aber kennt keinen Irrtum. Hier hat also der Unterschied von cXA7J&et; und sagt. Denn an sich ist es nichts, es zeigt nur eine Verbindung mit an, die ohne das Verbundene nicht zu denken ist" (ou yocp "t'o dvocL � f.L� dvocL 0'1) f.Le:'!:6v ka"t'L "t'OÜ 1tflOCYf.LOC"t'O bei Aristoteles . Dabei ist aber ein entscheidend wichtiges Faktum noch unerwähnt geblieben. Es heißt nämlich von dem s:!vcx.� beziehungsweise llv nicht : CTYJ (J.Ottve:� cruv.&e:ow, sondern : 7tpOO'CTY)(J.OtLVE� cruv.&e:ow. Das weist darauf hin, daß die Bedeutung von s:!vcx.� beziehungsweise Öv nicht im Synthesissein ohne Rest aufgeht. Auch noch andere Tat­ bestände weisen in diese Richtung. So dieser, daß das p� !J.Ot für sich ein llvo(J.Ot ist, also in Verbindung wieder mit einem p�!J.Ot ein Wirkliches bezeichnet, das so Substrat eines Urteils ist, was in dem zur Rede stehenden Fall bedeutet, daß der Begriff des Seins Subj ekt eines Urteils werden kann, was j a von Aristoteles ausdrücklich so formuliert wird (lnt . 1 2 . 2 1 b 29 ; 22 a 8-10) . Und auch der Tatbestand, daß die Kopula als drittes Element des Satzes neben dem prädikativen Nomen als das eigentliche p� !J.Ot verstanden wird, verdient in diesem Zusam­ menhang noch einmal erwähnt zu werden.2 Daß der Aristotelische 1 Das muß mit Nachdruck gegenüber allen gegenteiligen Behauptungen fest­ gestellt werden ; zuletzt J. XENAKIS, Essence, Being and Fact in Plato : An Ana· Iysis of one of Theaetetus' ' Koina' , Kaut-Studien 49, 1 95 7 , 1 7 9, 2 2 . - Gü NTHER PATZIG verdanke ich den Hinweis, daß der Doppelaspekt, von dem ich oben spreche, auch in Physik A 8. 191 a 3 3 ff. zum Vorschein ko mmt durch den Ge· danken, daß Seiendes aus nicht schlechthin Seiendem, aber auch nicht schlecht ­ hin Nicht-Seiendem werde ; d a s Seiende werde a u s der Steresis - einem Nicht­ seienden, das aber a n einem Seienden auftrete, und aus einem Seienden, das aber nicht schlechthin sei, sondern durch die Steresis bestimmt sei. Das 'Sein' ist hier E x i s t e n z , das ' Nichtsein' die bloße negative K o p u l a . Trotzdem behan· delt Aristoteles beide als ' Sein' ohne Differenzierung. Darin zeigt sich Abhängig­ keit von Parmenides und Platon, denn so ko mmt es dazu, daß das No chnicht-x­ sein von etwas, das x werden kann, ein Mangel an Realität bedeutet. 2 In dem dunklen und schwerverständlichen Satz lnt. 1 0 . 19 b 20 ff. : /J:.yw BE: otov l!a·n 8txcuoc; &v.&pw7toc;, -ro l!a-rt -rp( -rov 'P7JILL cruyxe:'La.ß-cxt 8vo!J.cx � p'ij!J.cx fv -rfl

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E l e m e n t e u n d G r u n dz ü g e d e r A r i s t o t e l i s c h e n L o g i k d e s U r t e i l s

Begriff des Seins nicht nur ein Relationsbegriff ist, sondern auch ma­ teriale Bedeutung hat, das heißt Bestimmung des Seienden als solchem ist, wird schließlich vollends deutlich an dem von Aristoteles ver­ s chiedentlich herangezogenen ExistenzurteiL Von diesem Urteil ist zunächst zu sagen, daß es äußerlich dieselbe Struktur aufweist, wie j edes andere Urteil auch, dergestalt, daß ein Subj ekt mit einem Prädikat in Beziehung gesetzt, also in diesem Fall ein Subj ekt mit dem Begriff des Seins zu einer Einheit verbunden wird . heißt , das heißt : von einer gegebenen Vorstellung gilt die Aussage, daß sie die Vorstellung eines existierenden Dinges ist, oder : A ist nicht nur als Vorgestelltes, im Bewußtsein, sondern i s t zugleich als Wirkliches, als real Existierendes, als ein von dem Bewußtsein selbst Unabhängiges. Wäre der Begriff des S eins ausschließlich Relationsbegriff, so wäre ein Existenzurteil gar nicht möglich, weil dieses nur die Existenz des Subj ekts aussagt, aber das Subj ekt nicht xcx't"cxcpoccre:t, nehme ich 't"pl't"ov und /Svo(Ltt zusa mmen und fasse 1) nicht rein disj unktiv, sondern korrektiv = "o der vielmehr, o der genau geno mmen", und übersetze : " I ch sage zum Beispiel : 'Mensch ist gerecht', und behaupte, daß das 'ist' als drittes Ono ma o der vielmehr als Rhema in der Bej ahung vorko mmt." Da mit ist alles gesagt. D enn daß das Prädikats n o m e n , wiewohl es in der Struktur des Satzes Rhema ist oder zum Rhema gehört, gerade n e b e n der Kopula als Onoma, als No men, verstanden werden k a n n , ist klar. Andererseits ist deutlich, wieso das e:!vcxt, das ursprünglichste Rhema, als die eigentliche Rhema-Funktion auf sich v ereinigend geda cht werden kann, die eigentliche Rhema-Funktion, das heißt die Aussage von Sein und Zeit. Die Formulierung ist von Aristotcles freilich überspitzt, aber das Gemeinte kann bei richtigem gra mmatischen Verständnis der Stelle dennoch keinem Zweifel unterliegen. Die I nterpreten ko mmen, da sie von gram­ matisch falschen Voraussetzungen ausgehen, zu falschen, zum Teil sogar völlig phantastischen Ergebnissen. So führt zum Beispiel der treffliche STEINTHAL I 2 4 2 zu der Stelle aus : " D a der Satz doch nur e i n pij(Lcx zu haben braucht, dieses aber scho n in lllxcxto� liegt, so weiß Aristoteles nicht, als was EO"'t"t im Satze steht. " Auch die Auffassung MAlERs I 1 1 7, 2, der STEINTHAL zu korrigieren versucht, ist abzulehnen. Er glaubt, daß hier EO"'t"t neben dem Prädikatswort als '2. p'ij(Lcx' gedacht würde, und verweist dabei auf das n-pocrxcxTIJyope:i:'t"cxt vo n 19 b 19 ( ÖTcxv lle 't"O EO"'t"t 't"p l't"ov n-pocrXCXTIJYOPll&'ii ) . Aber dieses Argument zieht nicht, da XCXTIJyope:'Lcr­ .&cxt hier in dem allgemeinsten Sinne, nicht speziell vom Ausgesagtwerden der Prädi­ kate, steht und also gleichermaßen von ISvo(Lcx als Subj ekt gesagt wird . Das liegt in dem 't"p (Tov ! Denn in bezug auf das /Svo(Lcx als Subj ekt kann von einem 7tpW't"O\I XCXTIJYO­ pe:'Lcr.&cxt, das die I nterpretation MAlERs notwendig impliziert, in eben dem enge­ ren Sinne von XCXTIJYOpe:'Lcr.&cxt, den MAlER diesem Verbum hier unterstellt, nicht die Rede sein. Das wäre sinnlos : nicht das Subj ekt, sondern Prädikate w erden prä di­ ziert . Dagegen ist es durchaus sinnvoll, in dem weiteren Sinne dieses Verbums im H inblick auf die verschiedenen Elemente des Urteils, wie es Aristoteles tut, zu sagen : 8Tcx\l IIE: 't"O !!crn 't"pl't"ov 7tpOO"XCXTIJYOP7l&'ii · Man vgl . zu dem Ausgeführten den vorangehenden Text von 19 b 14 an. Vgl . auch G. CALOGERO, I fo nda menti della logica Aristotelica, 35, 1 .

D e r D opp e l a sp e k t der K op u l a u n d d a s E x i s l e n z u r t e i l

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zu etwas Anderem als nur dem Sein selbst in Beziehung setzt. Da aber das Sein j edem Seienden zukommt, ist der Begriff des Seins zwar eine Bestimmung von allem Seienden als solchem, aber sie gilt eben desh alb Aristoteles nicht als Wesensbestimmung irgendeines bestimm­ ten Seienden. Und insofern das Sein allem Seienden als solchem zu­ kommt, erfährt der Begriff von A in dem Urteil 'A ist existent>, inso­ fern A existent ist, auch keine zusätzliche Bestimmung. A ist auch als existierend nur das, was es rein seinem Begriff nach ist. Aber eben, in welcher Weise der Begriff von A das Sein von A bestimmt, das ist die andere entscheidende Frage, die wir in diesem Zusammenhang an Aristoteles zu richten haben, die Frage also, worin nach seiner Auf­ fassung der Inhalt j ener Bestimmung besteht, die allem Seienden als solchem zukommt.l Von den Voraussetzungen der Aristotelischen Ontologie aus gibt es darauf nur die eine Antwort : die Beziehung auf die erste Substanz, das konkrete Einzelding, das heißt, es selbst sein oder von ihm aus­ gesagt sein, sei es nun xcx&' cxu't"6 oder XCX't"cX O"Ufl.ßEß'1jx6c;, so daß die Ko­ pula Ist j edesmal die Bedeutung einer der zehn Kategorien hat (vgl. APr. A 3 7 . 49 a 6-1 0 ; Top . A 9 . 103 b 20-39) . Diese materiale Bedeu­ tung des Seinsb egriffs verbindet sich in der Kopula mit der relationalen Bedeutung desselben, so daß durch sie einerseits die logische Synthesis, andererseits die ontische Entsprechung dieser Synthesis in der gegen­ ständlichen Wirklichkeit zum Ausdruck gehracht wird. In der Existenz­ aussage besteht die Synthesis zwischen dem Subjekt der Aussage und dem materialen Moment des Seinsbegriffs. Da diese Synthesis, die die Identität des Seienden als des Seienden mit sich selbst bedeutet, als Urteilsinhalt logische Synthesis ist, ist das Sein in der Existenzaussage dasselbe wie in j eder anderen Aussage, zumal auch das Subj ekt der Aussage als Existenzaussage nicht ausschließlich der ersten K ategorie angehören muß, sondern auch der zweiten bis zehnten K ategorie ange1 Hier ergibt sich eine interessante Parallele zu der Kantischen Bestimmung des Prä dikates Sein. Aber während Kant aus rein formallogischen Erwägungen zu dem Ergebnis ko mmt, daß das Prädikat Sein zu dem Inhalt der Vorstellung als solcher nichts hinzufügt, kein "reales Prädikat" ist, kam Aristoteles zu sei­ nem mutatis mutandis ganz ähnlichen Ergebnis auf Grund der Abweisung der Platonischen Vorstellung von dem Sein und dem Einen als einem Genus. Man beachte die Gleichungen : &v.&pc:.moc; &v.&pc:.moc; 'rO' (L"YJ' ...1\S:UXOV, ' .. ' XOtL' "(Otp Ot\1 'rO' ...1\S:UXUV (L"YJ 1\S:UX0\1 .1 GUVS:'lT"YJXS:\1 Mit derselben Berechtigung, mit der die Beziehung der Begriffe im Urteil eine cruv-3-e:aLc; genannt wird, kann sie aber auch eine 8Let( p e:aLc; genannt werden : ev 8ex.e:-rOtL ae: xetl. 8Let(pe:aL\I .ou.&oüaoc 7tcXO'OCLc; (sc. octa.&�ae:aLv)2 oder der oc(a.&'YjaLc; XOLV� .S Dem Gemeinsinn zugehörig sind noch zwei weitere bewußtseins­ problematisch relevante Vermögen : die Vorstellung ( cpocv-rocatoc) und das Gedächtnis (fLV�fL'Yl) · Die Vorstellung beruht darauf, daß der empfan1 V gl. NE I 9. 1 1 70 a 2 9 - b 1. Dazu unsere Interpretation im 2. Kapitel des 5. Abschnittes. • So mn. V ig. 2 . 455 a 15 f. 8 De An. r 2 . 4 2 5 a 2 7 . Cf. Mem . 450 a 1 0 f. ; PA 686 a 3 1 .

D i e e i nfa c h e App r e h e n s i o n u n d d i e 11 0 1j C1 1 (; v o 1j a e w r;

·

197

gene Eindruck des Wahrgenommenen nicht in der bloß momentanen Empfindung aufgeht, sondern von dem Wahrnehmungsorgan fest· gehalten und an den Gemeinsinn weitergegeben wird, der kraft seiner ihm eigenen Fähigkeit das ursprüngliche Wahrnehmungsbild repro­ duziert . Von den so entstehenden, auf einem unmittelbaren, vorgängi­ gen Sinneseindruck beruhenden cpocv-rocO"(.LtX:t'IX unterscheidet Aristoteles diej enigen cpocv-rrXO" [.L tX'r 't"O e:u tmocpxe:L ; ou 8E: ycX.p 't"CXU't"O 't"O dvcxt vo�cre:L xcxt vooUf.LEV�.) Die Frage, die hier auf Grund der bewußtseinsanalytisch geforderten begrifflichen Unterscheidung zwi­ schen dem dvcxt vo�cre: t und dem dvcxt voOUf.LEV� im Hinblick auf das göttliche Sein auftaucht, findet sofort ihre Beantwortung durch den Hinw ei s auf die Identität, die das Verhältnis von Denken und Ge­ dachtem unter dem Aspekt der Intelligibilität bestimmt : oux hepou ouv 6noc; 't"OÜ voOUf.LEVOU xcxt 't"OÜ voü, Öcrcx f.L� UA'YlV EXEL, 't"O otU't"O EO"'t"otL, xcxt � v6'1lmc; 't" voOUf.LEV� f.LLCX. Daran schließt sich noch die Frage an, ob der Inhalt des göttlichen Denkens zusammengesetzt sei : d cruv.&e:'t"OV 't"O voouf.Le:vov, was mit der Begründung abgewiesen wird, daß sich das gött­ liche Denken dann zwischen den Teilen des Ganzen hin und her be­ wegen müßte : f.Le:•cxßocJ...J...o t yocp &v �v 't"oi:c; f.LEpe:crt 't"OÜ ÖJ...o u. Denn j edes gedachte Zusammengesetzte besteht aus Teilen, die getrennt gedacht werden können, wiewohl sie vor der diskursiven Explikation in der Ein­ heit eines einzigen Begriffs, eben des Zusammengesetzten, enthalten sind. Die diskursive Explikation aber ist eine Bewegung des Denkens von einem Bestandteil des Begriffs zum anderen. Das göttliche Sein aber ist unbewegt. Woraus folgt, daß der Inhalt des göttlichen Den­ kens unzusammengesetzt, einfach und unteilbar ist, was sich schon aus der Immaterialität seines Gegenstandes ergibt. Aristoteles bezeichnet di e höchste Form des B e wußtseins, das noeti­ sche Selb stbewußtsein, als etwas Göttliches, das dem Menschen, - und damit ist in diesem Zusammenhang überhaupt nur der philosophische Mensch gemeint, wie nachdrücklich hervorgehoben werden muß -, nur in bestimmten ausgezeichneten Augenblicken zuteil wird, während die Seinsweise Gottes, des ersten unbewegten Bewegers, in dieser Form der B ewußtheit wesensmäßig besteht . In Metaphysik A 7. 1 072 b 1 8-25 heißt es : " Das Einsehen rein als Einsehen hat das an sich B este zum Gegenstand und da s reinste Einsehen den reinsten Gegenstand. Sich selbst aber sieht die Einsicht ein auf Grund ihrer Teilhabe am Einsichti­ gen. Denn selber einsichtig wird sie, indem sie berührt und einsieht, so daß Einsicht und Einsichtiges identisch sind. Denn die Einsicht ist das Vermögen zur Aufnahme des Einsichtigen, und zwar des Wesens. Sie verwirklicht aber erst ihr Vermögen, wenn sie ihren Gegenstand wirk..

D i e e i nfa c h e A pp r e h e n s i o n u n d d i e tiiJ 1) 11 1 ' v o � a e w '

203

lieh besitzt . Deshalb besteht das Göttliche, das die Einsicht nach all­ gemeiner Ü berzeugung auszeichnet, mehr in diesem Besitz als in j enem Vermögen zur Aufnahme ; und das Freudvollste und B este ist die reine B etrachtung. Wenn nun, wie wir nur zuweilen, Gott sich immer in diesem glücklichen Zustand befindet, dann ist das etwas Wunderbares." ·� ""' OC:UTY)V . ' ( 1J. OE: � · VO'YJGL� 1J. XOC:'\7" ""' OC:U't"O ·� . ' oc:p ' 'LG't"OU, XOC:L' 1J . fl.OC:/\LG't"OC: 't"OU- fl.OC:/\LG't"OC:. 't"OU- XOC:'O" oc:u-rov 8e voef: o voü� xoc:-rO: fl.E:TcX"A1J\j;LV -roü vo1J-roü vo1J-ro� yocp y(yve-roc:L &Ly­ ycivwv xoc:t vowv, {;}cr-re -roc:u-rov voü� xoc:t V01J-r6v. -ro yocp 8ex-rLxov -roü vo1J-roü xoc:t Tij� oucr(oc:� voü�, &vepyef: 8e �xwv, {;)a-r' &xdvou fl.ii"A"Aov -roü-ro 8 8oxef: o voü� &e:f:ov �XeLv, xoc:t 1) &ewp(oc: -ro � 8Lcr-rov xoc:t &pLcr-rov. d oi:iv oihw� e;i) �XE:L, w� 1J fl.e'i:� 7to-re, 0 &eo­ mand brauchen. Es gibt nämlich auch ein Argument über die Gottheit, das folgendermaßen verläuft : nachdem - so lautet es - Gott alle Güter hat und sich selbst genügt, womit wird er sich beschäftigen ? Er wird doch nicht schlafen ? Antwort : er wird (in geistiger Schau) einen Gegen­ stand betrachten ; denn dies ist die schönste und angemessenste Be­ schäftigung. Welchen Gegenstand nun wird er betrachten ? Betrachtet er nämlich etwas, was nicht er selbst ist, so würde er etwas betrachten, was wertvoller ist als er selbst. Dies aber ist absurd, d aß etwas wert­ voller sein soll als Gott. Also wird er sich selbst betrachten. Allein d as ist absurd, denn auch der Mensch, der eitel sich selbst beschaut - wir schel­ ten ihn als stupide. Also, schließt das Argument, auch für Gott wäre es ab­ surd , wenn er sich selbst betrachtete. Welches nun der Gegenstand ist, den die Gottheit möglicherweise betrachtet, mag erledigt sein."1* (� f.LEV oov EV -roi:c; MyoLc; e:tw.&ui:ot Of.LOL6't'Y)c; Aotf.LßOCVE0'-3-otL &x 't'OÜ .&EoÜ oih' EKEL op.&wc; stotelico e un errore di Werner Jaeger. Nota. Stoa 1 9 5 2 . 0. HAMELIN, La theorie de l' intellect d'apres Aristote et ses co mmentateurs. Ouvrage publie avec une in­ troductio n par E. BARBOTIN, Paris 1 9 5 3 . R. MoND OLFO, L'unite du suj et dans l a gno seologie d' Aristote, Revue philosophique 7 8, 1 9 53 , 3 5 9-378. E. BARBOTIN, La theorie aristotelicienne de l'intellect d' apres Theophraste, Paris 1 9 54. E. v . IVANKA, Zur Problematik der aristotelischen Seelenlehre. In : Autour d' Aristo­ te, Louvain 1 9 5 5 , 245-2 5 3 . P. MoRAUX, A propo s du voüc; .&upoc.&ev chez Aristote. In : Autour d' Aristote, Louvain 1 9 5 5 , 2 5 5-295. J. v . D . MEULEN, Die aristote­ l ische Lehre vom nous in ihrer ontologischen Verwurzelung, Zeitschr. f. philos. Forschung 14 ,1 960 , 5 26-5 3 5 . 1 D i e metho dische Zweckmäßigkeit und d i e sachliche Zulässigkeit dieser the­ matischen Abblendung sind schon von MAlER I I 1, 426, 2 betont worden. Außer­ dem bleiben die meisten Lösungsversuche der bezeichneten Problematik bloße Vermutungen, die in den nur fragmentarisch auf uns geko mmenen Aristotelischen Texten über diese Problematik einer Grundlage entbehren. 1 * Die Ü bersetzung ist der Ü bertragung der Magna Moralia entno mmen, die F. DIRLMEIER im Bd. 8 der Reihe : Aristoteles' Werke in deutscher Ü bersetzung, hrsgg. von E. GRUMACH, vorgelegt hat (S. 88). Mit der Interpretation dieser Stelle durch DIRLMEIER, der einen Bezug auf die Lehre vom unbewegten Beweger leugnet, stimme ich nicht überein. V gl. auch die Einwände von Pu. MERLAN, Studies in Epicurus and Aristotle, Klass. Phil. Stud. 2 2 , 1 960, 8 5 ff.

210

Das noetische Denken

o\h·' oc v ev-rocu&oc eXYJ XP�O"L(J.Oc; . ou yocp e:t 0 &e:6c; EO"'t"LV OCU't"cXpXY)c; XOCL (J.YJ 8e:voc; 8e:"i:-rocL, 8Loc -rou-r' ou 8' �(.Le:"i:c; ou 8e:voc; 8e:Y)0"6(-Le:&oc. E:cr-rL yocp XOCL 't"OLOu-r6c; -rLc; Myoc; hd -rau &e:ou :t.. e: y6(-Le:voc;. htd yocp , cpYJcrC, 1t1Xv-roc E:xeL -r&yoc&a o &e:oc; xoct E!O"-rLv OCU't"cXpXY)c;, 't"L 1tOL�O"EL ; ou yocp xoc&e:u 8�0"EL. &EcXO"E't"OCL 8� 't"L, V ' �� ' � " ' �� 1! " ' , 1 , ooc; I! " I) V, OU"t'Wt; E:O'"t'W ' E:L oe: (1.1) OU"t'Wt;, OUX. i>O'"t'LV . EL1tEf> "t'V, > -, -, I I I 't'l , f , - 't' > > � l_ > 1 I � I l,-, Q_l_ "t'O oe: IU\1)1TI>t; "t'O VOE:LV "t'V yotp "t'Ucpi\O"t'1)t; E:O'"t'LV Wt; CCV EL "t'O V01)"t'LX.OV �1! yv a t1

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242

Das noetische Denken

des Seinsbegriffs , die den Bedeutungen des Wahrheitsbegriffs ent ­ sprechen - bis 1052 a 4 . Diese Interpretation führt in die von Ross selbst aufgezeigte Schwierigkeit, mit dem Stück 1052 a 1--4 fertig zu werden, das sich dann als eine bloße Wiederholung der schon 1 0 5 1 b 2 3-33 behandelten Frage nach der Apprehension des Unzu­ sammengesetzten ausnimmt . Ross spielt hier sogar mit der Möglich­ keit einer doppelten Rezension, wenn er diese Annahme auch mit der Begründung : "but Aristotle seems to be often so careless of form that hypothesis is not necessary" wieder verwirft . Diese ganze Argu­ mentationsreihe entpuppt sich als eine völlig gegenstandslose Kom­ plizierung der S achlage, wenn man das Stück 1 0 5 1 b 33-1 052 a 4 als die Zusammenfassung der Hauptergehnisse des ganzen Kapitels ver­ steht und erkennt - was unsere Interpretation deutlich zu machen ver­ sucht hat -, daß in 1 05 1 b 23-33 nicht nur die Wahrheitsfrage und dann in 1051 b 33-1052 a 4 die Seinsfrage behandelt wird, sondern daß heide Fragen - wie das der Sache nach auch gar nicht anders möglich ist - in diesem Abschnitt diskutiert werden . W as schließlich die Interpretation von 1051 b 34-35 betrifft, so ist zunächst festzustellen, daß das �V fLEV 't"O ae: �V nicht mit Tiefsinn zu belasten ist, wie das von den Erklärern immer wieder versucht worden ist .1 In Wirklichkeit gehört diese Gegenüberstellung zu den im Aristotelischen Sprachgebrauch üblichen Einteilungs- hzw. Auf­ zählungsschemata und bedeutet nichts anderes als : erstens . . . zwei­ t ens ; einerseits . . . andererseits.2 In diesem Sinne gebraucht Ari­ stoteles �v fLEV �v (')€ zum Beispiel in E N Z 2 . 1 1 39 a 6_ff. und Pol. r 1 5 . 1 285 b 3 ? ff; und in Pol. d 1 5 . 1 300 a 12 ff. lautet das Schema : �v fLEV (')et.m:pov (')€ A.omov (')€. Das �v fLEV -ro (')f: �v in Metaph . 0 1 0 ist also so zu fassen, wie es schon Pseudo-Alexander getan hat,3 nämlich als �va. fLEV "t'p67tov &A.A.ov (')f: -rp67tov. •



































1 Zuletzt von J . v. D. MEULEN, Aristoteles, Die Mitte in seinem D enken, Mei­ senheim/Glan 1 9 5 1 , 200, 1, und W. MARX, The Mea ning of Aristotle' s 'Ontology', The Hague 1 9 54, 17 f. 2 L. M. DE RIJK, The Place of the Categories of Being in Aristotle' s Philo sophy 2 2 bemerkt richtig : "The words �v !J.EV (b 34) and TO 8E: fv (b 3 5 ) a ct as an a p p o ­ s i t i o d i s t r i b u t i v a o n the subj ect of the phrase (-.o 8f: e:!vcxL w7t&p ilv st att &L7t&p Öv zu lesen. Der Sinn der Stelle ist j etzt nicht mehr zweifelhaft : andererseits, nämlich wenn ein Einfaches, U nzusammengesetztes, schlechthin Seiendes vorliegt, ist das Wahrsein und das Falschsein in der angegebenen Weise ; wenn es aber nicht in der angegebenen Weise ist, dann liegt kein schlechthin Seiendes (l>7t&p öv) vor. 1 Es ist deshalb ein Irrtum, anzunehmen, o��w� stünde nur für c!:u; �"l&et;, wie DE RIJK 2 3 annimmt.

3 CAG I 60 1 , 4.

F Ü N FTE R AB S C H N I TT DIE KO MPLE MEN TARITÄT V O N N O E TI SCHEM U ND DIANOET I SCHEM DEN KEN UND DA S PROBLEM DES BEWU S STSEI N S

1.

Die Obereinstimmung des Gedachten mit dem Seienden

Fragen wir nun nach den Grundzügen, die die Aristotelische Lehre von der Wahrheit bestimmen, so ergibt sich folgendes Bild. Diej enige Wahrheit , die mit der Falschheit in einem symmetrischen Verhältnis steht , die dianoetische Wahrheit, ist eine Qualität des verbindenden und trennenden Denkens und findet ihren Ausdruck im gedachten Urteil und in der mündlichen und schriftlichen Aussage. Im Sinne dieser Wahrheit sind das Element des Urteils und das einzelne gespro­ chene odet geschriebene Wort ebenso wie das einfach Wahrgenommene als bloßer sinnlicher Eindruck weder wahr noch falsch. Neben dieser alternativen Wahrheit aber gibt es noch eine andere Wahrheit, für die es den Gegensatz der Falschheit nicht gibt . Diese Wahrheit ist die Qualität zweier, ihre Gegenstände unmittelbar erfassenden Erkenntnis­ formen, der einfachen sinnlichen Wahrnehmung und des intuit i" cn, noetischen Denkens, und insofern diese Erkenntnisformen mit ihren Inhalten eins sind, ist die Wahrheit in diesem Sinne eine Bestimmung, die sich zugleich auf eben diese Inhalte bezieht, in bezug auf welche eine positive Täuschung nicht möglich ist . Im Unterschied davon läßt der Inhalt des dianoetischen Denkens, das 8LotVO'YJ't'6v, eine solche Täu­ schung zu. Er ist falsch, wenn ihm nichts Reales entspricht, das heißt wenn d er bestimmten Verbindung der Urteilselemente kein reales Ver­ bundensein in der Wirklichkeit korrespondiert, wobei das reale Nicht­ verbundensein von der Art sein kann, daß es ein momentanes oder aber ein - notwendiges, immerwährendes ist, wie zum Beispiel bei der Diagonale in bezug auf die Kommensurabilität, die sie notwendig aus­ schließt, weshalb ein Urteil, das von der Diagonale die Kommen­ surabilität prädiziert, falsch ist, und entsprechend verhält es sich, wenn man sagt, daß eine bestimmte Person in diesem Augenblick sitze, ohne daß es in Wirklichkeit der Fall ist . Diese Bestimmung der

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D i e K o mp l e m e n t a r i t ä t u n d d a s P r o b l e m d e s B e w uß t s e i n s

Falschheit bezieht sich natürlich nicht auf die Form, sondern auf die Materie des Urteils .1 Sie besteht in der Nichtübereinstimmung des Vorgestellten mit dem realiter seienden Sachverhalt. Eine solche Nichtübereinstimmung liegt faktisch auch dann vor, wenn die Vor­ stellung zwar auf etwas Reales zurückgeht, aber kein zutreffendes Abbild des Realen ist, folglich teilweise oder ganz ein Nichtseiendes darstellt , indem entweder eine Sache anders erscheint als sie in Wirk­ lichkeit beschaffen ist, oder als das erscheint, was in Wirklichkeit nicht existiert . Beispiele dafür sind das Schattenbild und das Traumbild. Auch das Traumbild, selbst wenn es als Ganzes reine Fiktion ist, setzt sich doch wenigstens noch aus Elementen zusammen, die ihre realen Entsprechungen haben, wenn sich auch deren Abbilder im Traumbild in einer von der Wirklichkeit abweichenden Form assoziativ zusam­ menfügen. Aber darauf kommt es bei dem Beispiel mit dem Traum gerade an. Es ergibt sich von hier aus eine interessante Parallele zu der Traumana lyse des Descartes in der Ersten Meditation, die frei­ lich nicht in allen Konsequenzen ausgezogen werden darf, aber gerade für da s Verständnis des eben berührten Punktes einigen Aufschluß gibt .2 Die Anwendung der Begriffe Wahrheit und Falschheit nicht nur auf das dianoetische Denken, sondern auch auf dessen Inhalt, das heißt auf die Urteilsmaterie, ist sehr viel weni ger befremdlich, als es den meisten Interpreten erscheint . So wie das noetische Denken mit seinem Inhalt eins ist, dadurch die Bestimmung der Wahrheit auch auf diesen übertragen wird, so auch beim dianoetischen Denken, so daß nicht nur das Urteil wahr o der falsch ist, sondern auch das, was wahr oder falsch gedacht ist . Dabei gilt aber beide Male, bei der 8tavo toc und beim 8totV01)'t"6v, derselbe W ahrheitsbegriff, und es ist nicht etwa so, daß bei dem 8totV01)'t"6v, der Urteilsmaterie, ein anderer 1 Vgl. dazu und zum Folgenden Metaph. tl 7. 1 0 1 7 a 3 1 -3 5 u. 1 0 2 4 b 1 7- 1 0 2 5 a l . Darüber zuletzt DE RIJK 1 9 ff. unter Bezugnahme auf die ' Divisio nes Aristoteleae' 50, 6- 1 6 (MUTSCHMANN). 2 Man wird R o s s I 3 4 5 in dem, was er über das Traumbild bemerkt ( "the drea m is nothing if not a state of mind"), nicht ohne weiteres zustimmen können. Der Tra u m ist sehr viel mehr als ein Zustand des Geistes. Mindestens durch seine Korn­ po sitionsel emente bl eibt auch das phantastischste Trau mbil d g egenst andsbezogen. Ü ber den Traum als ein Bewußtwerden des Unterbewußtseins, den Traum, in dem der 'tierische und wilde' Teil der Seele ohne die Herrschaft des vernünftigen S eelenteils sich selbst überlassen ist und gewissermaßen zu sich selbst ko mmt, in­ dem er erwa cht und 'den Schlaf abschüttelt', währenddessen der zur Herrschaft bestimmte Seel enteil im Schlaf verharrt, siehe Platon, Politeia 0 5 7 1 C ff.

D i e Ob e r e i n s t i m mung des Gedachten m i t dem S e i e nden

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Wahrheit sbegriff gültig wäre, nämlich diej enige Fassung des Wahr­ heitsbegriffs, die für das noetische Denken in Anspruch genommen und als die "weitere Fassung" des Wahrheitsbegriffs der "engeren" gegenübergestellt wird . I Das ist schon deshalb nicht möglich , w eil die noetische Wahrheit ohne Gegensatz ist, die dianoetische Wahrheit da­ gegen in der dianoetischen Falschh eit ihr negatives Pendant hat . E s ist auch falsch, die gegens atzlose Wahrheit als "uneigentliche, auf ein er Üb ert ragung des ursprünglichen Wahrheit sbegriffs, dessen eigentlich es Anwendungsgebiet das Urteil ist, beruhende" anzuseh en oder gar "aus­ zuscheiden".2 Ü berhaupt ist es historisch und systematisch unrichtig, das Verh ält nis des dianoetischen Wahrheitsbegriffs zu dem noetischen Wahrh eit sbegriff durch die Gegensatzpaare "ursprünglich und abge­ leit et (übertra gen, verändert)" , "weiter und enger", "eigentlich und uneigentlich" bestimmen zu wollen . Unsere Untersuchung hat ge­ zeigt , daß der erkenntnistheoret ische Singularismus seine eigene Ge­ schichte hat und daß die Lehre von einer einheitlichen, absolut ein­ fachen, weder analytischen noch synthetischen Denkform sofort da b egegnet , wo auf die Apprehension des Einen, einheitlich Gegebenen, schlechthin Einfachen reflektiert wird und infolgedessen auch die bei Platon und Ari stoteles bereits stark durchreflektierte Unterscheidung der noetischen und dianoetischen Erkenntnis nicht ohne eine Vorge­ schichte ist . Ab er abgesehen von der histori schen Genesis dieses Problem­ bestandes ist es ja sachlich so, daß das Denken nicht bei der einheit­ lichen noetischen Erfassung des Gegenstandes stehenbleibt, sondern das noetisch Gegebene im Urteil expliziert und damit in den Bereich möglich er Falschheit transponiert . Das bedeutet : das vo'Y)-r6v wird zum Gegenstand der 3tcivotiX, wird bej aht und verneint und wird dadurch ein 3ttXVO'Y)'t"6v.3 Und das ist auch unbedingt gefordert . D enn erst durch die B estimmung in Urteilen kann das v6'Y)f.LIX ein B estandteil des diskur­ siv aufweisbaren und nachprüfbaren Wissens werden . Was zu dem v6'Y)f.LIX als notwendige Bestimmung dazugehört, ist das immer mit ihm Verbundene, was aber das v6'Y)f.LIX notwendig ausschließt , ist das immer von ihm Gesonderte. Dieser Tatbestand legitimiert die Aussage : "Das­ j enige, was immer beisammen ist und unmöglich getrennt werden kann, ist nichts anderes als der Begriff, der Begriff freilich unter dem Ge1 So MAlER I 1 3 . 2 MAlER I 1 3 . a Metaph. r 7 . 1 0 1 2

a

2 f.

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D i e K o mp l e m e n t a r i t ä t u n d d a s P r o b l e m d e s B e w uß t s e i n s

sichtspunkt des Urteils betrachtet . Und die Wahrheit der zeitlosen Urteile hat zur Grundlage den ewigen, einfachen Begriff."1 Diesem ewigen, einfachen Begriff entspricht in der Wirklichkeit die fl.� cruv&e:'t'1) oucrlcx, deren Teile nicht real, nicht &pyql, sondern nur Myql teilbar sind im Gegensatz zur cru v& e:'t'1) oucrlcx . Daß aber für diese beiden Grundfor­ men der Gegebenheit zwei verschiedene Denkformen und zwei ver­ schiedene W ahrheitshegriffe angesetzt werden, ist bereits eine Kon­ sequenz dieses ontologischen Ansatzes und keine willkürliche Kon­ struktion, in der das eine aus dem anderen "abgeleitet" ist und als "uneigentlich" ausgeschieden werden kann. Vielmehr stehen das noetische und das dianoetische Denken ebenso wi e der noetische und der dianoeti sche Wahrheitsbegriff ausgesprochenermaßen in einem Komplementärverhältnis zueinander. Zwar ist es richtig, daß beide Wahrheitshegriffe "ihren Maßstab an der Übereinstimmung des Ge­ dachten mit dem Realen" hahen,2 aber nicht so, "daß dieser Maßstab im eigentlichen Sinne nur an diej enigen Denkakte angelegt werden darf, welche selbst einen Hinweis auf die Wirklichkeit einschließen",3 d. h. die Urteile. Denn es ist für Aristoteles eben nicht so, daß allein im Urteil "unmittelbar die Relation zu einem Realen enthalten ist".4 Das ist für Aristoteles in viel höherem Grade heim Begriff der Fall, dessen Gegenstand es gerade ist, der den vouc; zur VO'YJO"Lc; sollizitiert . Hier ist nicht erst eine nachträgliche "V ergleichung des Gedachten mit dem Wirklichen, die Beziehung des ersteren auf das letztere"5 nötig, um das Gedachte wahr nennen zu können. Diese Beziehung ist immer schon in dem noetisch Gedachten enthalten und bedarf kei­ ner Kontrolle. Gerade darin besteht das Eigentümliche und Aus­ zeichnende der noetischen Denkform, die eo ipso gegenstandsbezogen ist . D azu bedarf es nicht erst des Urteils beziehungsweise der dianoeti­ schen Denkform. In Wirklichkeit ist die Art der Ü bereinstimmung in beiden Fällen entsprechend ihrer Verschiedenartigkeit eine verschie­ dene. D avon also, daß erst im Urteil zu der gegensatzlosen Wahrheit das hinzukommt, was sie zu der "Wahrheit im eigentlichen Sinne"6 macht, kann aus den angegebenen Gründen keine Rede sein . Mit dem zuletzt Berührten aufs engste verknüpft ist das Problem, wie sich für Aristoteles die Frage nach dem Kriterium der Wahrheit stellt und wie er sie beantwortet . Diese Antwort muß gemäß den 1 MAlER I 2 2 . MAlER I 2 3 .

I

a MAlER I 23 f. ' MAlER I 24.

5 MAlER I 1 3 . 8 MAlER I 2 4 .

D i e O b e r e i n s l i m m u ng d e s G e d a c h l e n m i l d e m S e i e n d e n

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beiden Wahrheiten eine doppelte sein. E s hat sich gezeigt, daß Ari­ stoteles, wie Platon, das fertige Urteil als Ergebnis eines Denkaktes betrachtet, und zwar des dianoetischen Denkens, das sich in den syn­ thetisch-diairetischen Funktionen vollzieht . Durch sie zeitigt das Denken als subj ektiver Akt j ene Ergebnisse, in denen die obj ektive Wahrheit und die obj ektive Falschheit beschlossen sind, die die Denk­ gebilde als mit der gegenständlichen Wirklichkeit überei nstimmend oder nicht übereinstimmend charakterisieren. Wie ist aber die Über­ einstimmung zwischen dem Ergebnis des subj ektiv-psychischen Denk­ aktes und einem gegenständlich Seienden überhaupt möglich, zumal das Denken in der synthetisch-diairetischen Funktion eine Bewegung vollzieht, die in der Wirklichkeit gänzlich ohne Entsprechung ist ? Das ist im Prinzip die gleiche Frage, die später Kant mit dem Obersten Grundsatz, daß die Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung über­ haupt zugleich Bedingungen der Möglichkeit der Gegenstände der Erfahrung seien, beantwortet hat (KdrV B 1 97) . Aristoteles hat diese Frage, auf die Platon von den Voraussetzungen seiner Ideenlehre aus eine Antwort gegeben hat, undiskutiert gelassen und damit zugleich auch das mit dieser Frage in dieser Form verbundene Problem der W ahrheitssicherung. Aristoteles läßt die Wahrheit einfach durch die Ü bereinstimmung des Gedachten mit dem gegenständlich Wirk­ lichen gesichert sein, die Ü bereinstimmung, die h eim noetischen D enken als unmittelbar gewiß und heim dianoetischen Denken als durch die Erfahrung nachprüfbar gedacht wird,1 was zum B eispiel im Zusammenhang des Beweises für den ersten unbewegten B eweger Aristoteles dazu veranlaßt, darauf hinzuweisen, daß die Existenz des 7tpW't"o� oupOtvo� nicht nur durch schlußfolgernde Überlegung erweisbar, sondern auch für die sinnliche Wahrnehmung offenbar sei.2 Was nun die sinnliche Wahrnehmung im B ereich der sinnlich erfahrbaren Welt ist, das ist das noetische Denken im B ereich der geistig erfahrharen, einsichtigen Welt . Die Wahrnehmung und das Einsehen sind für Aristoteles so die Kriterien der Wahrheit und die Korrektive der Er­ kenntnis . Von dem einfachen sinnlich Wahrgenommenen und dem 1 Diese na chträgliche Feststellung der Richtigkeit eines Urteils ist zu unter­ scheiden von der subj ektiven Ü berzeugung , die der Urteil ende von der Richtig­ keit seines Urteils hat. Aristoteles nennt diese das Urteilen begleitende Über­ zeugung o der die subj ektive Evidenz n:(aTLc;, die Gewähr. Vgl. dazu die Stellen bei MAlER I 103, 1 u. 2. a V gl . K. ÜEBLER, Der Beweis für den unbewegten Beweg er bei Aristoteles, Philologus 99, 1 9 5 5 , 80.

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einheit lichen noetisch Gegebenen empfängt d a s diskursive Denken die normative Maßgeblichkeit für seinen aktuellen Vollzug . Aber der umfassende B ezugspunkt dieser Kriterien ist bei Aristoteles die all­ gemeine Übereinstimmung der M enschen, der Consensus cmnium. D arin unterscheidet er sich grundsätzlich von Platon, und aus diesem Grunde stellt sich für Aristoteles auch die B egründun gsfrage anders als für Platon.l D er Unt erschied schließlich zwischen der subj ektiv-psychischen Seite am Urteil und dem Urteil als obj ektiver, logischer Gegehenheit, den Aristoteles mit der größt en Genauigkeit beacht et , ist , wie wir geseh en haben, das Ergebnis der methodischen Abschirmung der einen Seite des Urteils von der anderen, also der Trennung j ener beiden Seit en, die das Urt eil in seiner Ganzheit, das ist in seiner psychischen und logisch-ontologischen Faktizit ät best immen . D enn ohne die psychi­ sche, synthetisch-diairetische Funkt ion des D enkens kommt es nicht zu der logischen Gegeb enheit fertiger Synth esen und Diairesen , das heißt , im engeren Sinne dieser Begriffe, zu Bej ahung und Vern einung und, im weiteren Sinne, insofern diese Begriffe das Wes en des Urteils überhaupt bezeichnen, zu Urteilen . Außerdem aber bleibt auch das fertige Urteil an die subj ektive Funktion des dianoetischen D enkens gebunden, ist dessen Inhalt, der zwar ein gegenst ändlich Wirkliches richtig darstellen kann, gleichwohl aber ein Gedanke ist . Als Logiker interessiert sich Aristoteles nur für den in diesen Gedanken einge­ schlossenen logischen Tatbestand . Aber seine erkennt nistheoretische und psychologische B etrachtung des Urt eils zeigt , in welchem Umfa n g e r das Urteil auch als Phänomen des Bewußtseins gesehen h a t . Als Phänomen des Bewußtseins ist das Urteil ein Stück j ener zweiten Wirklichkeit, die das Bewußtsein für uns ist . 2. Die von Platon und A ristoteles erreichte Bewußtseinsstufe und die Grenzen ihrer Phänomenologie des Bewußtseins

In der Reihe der Ergehnisse unserer Untersuchungen betrifft da s der Sache nach erste und grundlegende Ergebnis die Konstituierung des Bewußtseins, das heißt die Frage nach dem Woher des Gewußten . E s hat sich gezeigt, daß für heide Denker das Bewußtsein nicht selbst· 1 Dazu ist noch zu bemerken, daß sich bezüglich des Pro blems der Definition bei Aristoteles allerdings derselbe Einwand geltend machen läßt wie bei Pl aton, nämlich daß es l etztlich eine Frage der Entscheidung ist, welche Bestimmungen

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schöpferisch und autonom ist, sondern daß es seinen Inhalt vom S eienden empfängt und daß auch das apriorische Wissen Plat ons ein empfangenes Wissen und nicht die spontane Leistung eines selbst­ genugsamen, souveränen Bewußtseins ist. Die Inhalte wie die Akte des Bewußtseins werden vom Seienden hervorgerufen, dessen Ansich­ sein sich gerade in dieser Wirkung bekundet . Und umgekehrt verweist die Intentionalität der Phänomene des Bewußtseins selbst auf den transzendenten Grund dieser Phänomene. Die Wirkung des Seienden geschieht auf doppelte Weise : sinnlich durch die äußerlich wahrnehm­ baren Eigenschaften, geistig durch seine immaterielle Wesenheit . D em entspricht eine doppelte Rezeptivität : die sinnliche Wahrnehmung und die geistige Einsicht . Erst das durch die Einsicht oder das noe­ tische D enken Erfaßte kann dann sekundär zum Gegenstand und ln­ halt des Nach denkens oder des dianoetischen Denkens werden, indem die Teile des noetisch Gegebenen in der Form des Urteils nachprüfbar in Beziehung gesetzt werden. Hier erst wird die Spontaneität des D en­ kens wirksa m, eine Spontaneität freilich innerhalb der Grenzen des durch die Einsicht Gegebenen, deren Ergebnisse nicht als autonome S et zungen, sondern als Nachbildungen des ansichseienden Seienden verstanden sind. Das bedeutet natürlich nicht , daß die Aktivität nur beim diskursiven, dianoetischen Denken zu suchen sei und W ahrneh­ mung und noetische Erkenntnis davon gänzlich frei wären . Vielmehr gilt hier das, was Hegel in den Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie1 bezüglich des Wachsgleichnisses gesagt hat : " Die Seele ist die Form, die Form ist das Allgemeine ; und das Aufneh men des­ selben ist nicht wie das des Wachses. Das Aufnehmen ist ebenso sehr Aktivität der Seele ; nachdem das E mpfundene gelitten, hebt es die Passivität auf, bleibt zugleich frei davon . " Das Entscheidende, wor­ auf es bei dem Wahrnehmen und der noetischen Erkenntnis im Unter­ schied zum dianoetischen D enken ankommt , ist nur, daß hier tat­ sächlich eine von außen kommende Einwirkung, ein sinnlicher oder geistiger Eindruck, erlitten wird, dessen transzendenter Grund ein Ansichseiendes ist . Der Inhalt des Bewußtseins ist darum kein ori ­ ginär Produziertes, sondern nachgebildete Wirklichkeit . Eine Aus­ nahme davon bilden die falschen Vorstellungen und Urteile, aber auch als die wesentlichen Bestimmungen eines Begriffs ang esetzt werden. Vgl . dazu auch die berechtigte Frage von S. MosER, Zur Lehre von der Definition bei Aristot eles, S. 3 7. 1 w w (H. GLOCK.NER) XVI I I 3 7 9 .

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sie gehen ihrer Intention nach auf die wirkliche Welt . D a s Traumbild scheidet hier insofern aus, als bei ihm der Wille zur Bewußtheit fehlt . Aber auch wenn wir es als eine weitere Ausnahme gelten lassen, so sind doch die Elemente des Traumbildes bei noch so beliebiger, un­ b ewußter Komposition Bilder von Elementen der wirklichen Welt . Ohne das Seiende also kein Inhalt des Bewußtseins und damit kein Bewußtsein, denn Bewußtsein ohne Inhalt gibt es nicht. E s gilt die Priorität des Seins vor dem Bewußtsein . Damit ist ein Weiteres gegeben : die Phänomenalität der Phänomene des Bewußtseins bestimmt sich nach den Weisen der Gegebenheit des Seienden . Dem einfachen einsichtig Gegebenen entspricht das einfache noetische Erfassen, dem Verbunden- und Getrenntseienden das ver­ bindende und trennende dianoetische Denken. Und was für dieses an sich untrennbare Aktgefüge gilt, das gilt ebenso für die obj ektiven Gestalten des Bewußtseins, für Vorstellung, Begriff und Urteil . Diese Weisen des Bewußtseins beziehen sich auf korrespondierende Weisen des Seins . Das Bewußtsein ist, so gesehen, das Vermögen der E nt­ sp rechung auf den Anspruch des sinnlich und geistig Gegebenen. Die Berücksichtigung dieses Tatbestandes führte uns zur Auf­ findung des erkenntnistheoretischen Singularismus, den wir in seiner geschichtlichen Entwicklung und systematischen Bedeutung insonder­ heit von Antisthenes bis Aristoteles verfolgt haben und dem wir zu einem ganz wesentlichen Teil den Zugang zur Platonischen und Ari­ stotelischen Phänomenologie des Bewußtseins verdanken . Korrelativ dazu verschaffte uns den anderen Zugang die Lehre vom Urteil, in der die Form des dianoetischen Denkens gegeben ist. Unmittelbar damit verbunden war die Untersuchung der verschiedenen Bedeutungen des W ahrheitsbegriffs . Die leitende Kernfrage der Untersuchungen aber war immer, bis zu welchem Grade die Reflexion auf die Voraussetzungen der E rfah­ rung geht, das heißt also nicht nur die Frage nach den Modi der E r­ fahrung und ihren obj ektiven Gehalten, sondern noch darüber hinaus die Frage nach der vorhandenen oder nicht vorhandenen Begründung der Möglichkeit der E rfahrung in einem philosophischen Selbstbe­ wußtsein, das sich inmitten und gegenüber dem Seienden als ein Letzt­ gegebenes aus sich selbst heraus versteht und für das die Außenwelt schlechthin, nicht nur in ihrer sinnlichen Konkretion, Erscheinung ist . Wir haben gesehen, daß die E rschließung dieses Seins des Selbst­ b ewußtseins als einer eigenen, erforschbaren Wirklichkeit, das heißt,

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um eine Formulierung Hegels zu gebrauchen, "das E rkennen dessen, was da s Bewußtsein weiß, indem es sich selbst weiß",1 von Platon wie von Aristoteles ganz entschieden und ausdrücklich als ein absurdes Unternehmen zurückgewiesen wird . Sowohl die E7tLO"TIJfl'1) ibtLO"TIJfll)t:; Platons als auch die v6'1)0"Lt:; vo�O"Ewc; des Aristoteles ist nicht die Selbst­ begründung des Selbst , die man immer wieder dahinter vermutet hat . Beide Formeln sind lediglich formale Konsequenzen einer a n ihre Grenzen gekommenen natürlichen Reflexion, die zwar die Möglichkeit der absoluten Reflexion rein als Möglichkeit sieht, aber diese Möglich­ keit als Absurdität bewußt fallen läßt . Dieser Aufweis, daß es bei Platon und Aristoteles noch nicht zur Konstituierung des philosophischen Selbstbewußtseins kommt, ist nun zwar nur ein negatives Ergebnis, das aber gemeinhin mehr be­ hauptet als bewiesen wird . Vor allem aber : der negativen Seite des Ergebnisses steht eine positive gegenüber, die darin besteht, daß die Untersuchungen zeigen konnten, daß die Reflexion auf die Voraus­ setzungen der Erfahrung, speziell die Reflexion auf Wesen und For­ men des Denkens und des Gedachten, unvergleichlich viel radikaler ist, als das gewohnheitsmäßig dargestellt wird. Wenn diese Reflexion eine < naive• genannt wurde, dann nur im engsten erkenntniskritischen Sinne. Daß es gelingen konnte, eine in sich geschlossene Phänomeno­ logie des Bewußtseins für Platon und Aristoteles nachzuweisen, zeigt an, daß ihre Reflexion bereits auf dem Wege war, der unter veränder­ ten geschichtlichen und systematischen Bedingungen zur Konsti­ tuieruug des philosophischen Selbstbewußtseins geführt hat . Daß die Denkkonsequenz beide Philosophen formal schon bis unmittelbar vor diese Möglichkeit der Weltauslegung führte, beweist mehr als der bloß negative Hinweis darauf, daß eine solche Konstituierung bei ihnen de facto nicht vorliegt . Viel wichtiger ist das, was vorliegt . Und das gestattet immerhin einen Vergleich mit dem Repräsentanten des mo­ dernen philosophischen Selbstbewußtseins, mit Descartes. Wir erinnern an j ene Stelle im neunten Kapitel des neunten Buches der Nikomachischen Ethik, wo Aristoteles ausführt, daß wir uns aller unserer Akte bewußt seien und daß uns diese Akte die Gewiß­ heit unserer Existenz vermittelten : "Der Sehende empfindet, daß er sieht, und der Hörende, daß er hört, und der Gehende, daß er geht, 1 Phäno menologie des Geistes, Bd. V der Gesamtausgabe, hrsgg. von J. H o FF­

MEISTER, S. 1 29.

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und bei den anderen Funktionen ist i n gleicher Weise eine E mpfindung davon vorhanden, daß wir die Funktion ausüben, so daß wir also empfinden, daß wir wahrnehmen und merken, daß wir denken. Die Tatsache aber, daß wir wahrnehmen oder denken, bedeutet, daß wir existieren. Denn unsere Existenz ist wesentlich W ahrnehmcn und ) Q._ I .... O't"L opqt t ..., D en k en " ( 0t o� ' opwv XlltL\ 0t OtXOUWV O't"L OtXOUEL XlltL 0 OtLO"'tTiltVE't"OtL ßet?l(�wv lht ßet?l(�e:L, xetl. btl. Ti:lv ?JJ... 'Awv Of.LO((l)� �O"'t"L n 't"O ettcr.&etv6f.Le:vov Ön eve:pyou f.Le:V, i:lcr't"e: liv ettcr.&etVWf.Le:.&' ' O't"L ettcr.&etVOf.Le:.&et, xliv VOi:lf.LEV, Ön ) Q._ I .:J. ) Q._ � ...., ) I \ \ � 1J VOOUf.lEV, O't"L EO"f.LEV 't"O yetp E LVOtL 'IV OtLO"VOOU f.LEV, 't"O 0�) O't"L OtLO"'tTiltVOf.LE'tTilt M.ve:cr.&etL � voe:i:v, E N I 9 . 1 1 70 a 2 9 -b 1 ) . Als Akte, deren Vollzug uns bewußt ist, nennt Aristoteles das Sehen, Hören und Gehen und dann generell das Wahrnehmen und Denken . Denn auch das Gehen teilt sich dem Bewußtsein durch Wahrnehmung mit . Wie das Be­ wußtsein seiner selbst von dem wahrgenommenen oder gedachten Seienden her konstituiert wird, haben wir gesehen. Aber davon ist hier an der Ethikstelle nicht die Rede. Statt dessen begründet Aristoteles die Gewißheit unserer Existenz mit dem Hinweis auf unser Wahr­ nehmen und Denken : " Die Tatsache aber, daß wir wahrnehmen oder denken, bedeutet, daß wir existieren. Denn unsere Existenz ist wesent­ lich Wahrnehmen und D enken." Äußerst aufschlußreich für unsere ganze Fragestellung ist ein V ergleich dieses Gedankenganges mit der Gewißheilsbegründung bei Descartes. Zunächst ist festzustellen und festzuhalten, daß Aristoteles das Problem der Gewißheit als solches, das heißt als Problem der Grund­ legung und der Letztbegründung als eines fundamenturn inconcussum der Philosophie, von dem aus sie in absoluter Freiheit die Welt von sich her auslegt, ehensowenig gekannt hat, wie Platon oder ein anderer antiker Denker. Aristoteles ist nicht auf der Suche nach dem schlecht­ hin Unbezweifelbaren, da ihm die Wahrheit gar nicht zweifelhaft ist . Deshalb ist auch die Begründung unserer Existenz durch die Wahr­ nehmungs- und Denkfunktion, wie sie von Aristoteles vorgenommen wird, und zwar nur nebenbei vorgenommen wird, wie nachdrücklich bemerkt werden muß, keine Begründung der Selbstgewißheit im Sinne D escartes' . Das zeigen auch die näheren Umstände. Descart.es gewinnt die Gewißheit über das Sein des Ich aus der Selbstgewißheit des Zweifelsaktes und damit des Denkens oder des Bewußtseins . Denn notwendig muß ich etwas sein, der ich etwas he­ zweifle, dieses denke oder ein Bewußtsein von etwas habe. Gassendi hat bekanntlich dagegen den Einwand erhoben, daß es keines so großen C

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Aufwandes bedurft hätte, da Descartes aus j eder anderen Tätigkeit auch auf seine Existenz hätte schließen können, da nach natürlicher Einsicht alles Tätige auch existiere.1 Descartes weist diese Einwen­ dung mit der Bemerkung zurück, daß man von keiner anderen Tätig­ keit als vom Denken allein eine ab solute Gewißheit habe, aus welchem Grunde man zum Beispiel nicht die Folgerung ziehen dürfe : ich gehe spazieren, also bin ich . Nur sofern ich von dieser Tätigkeit ein Be­ wußtsein habe, dieselbe Inhalt meines Bewußtseins ist, kann ich sagen : ich bin. 2 Nur das Bewußtsein vermittelt die Gewißheit der Existenz . Betrachten wir unter diesem Aspekt noch einmal die Aristoteles­ stelle, so wird deutlich, daß die von Descartes erhobene Bedingung nicht erfüllt ist . Es geht daselbst zunächst einerseits um das Empfin­ dungsbewußtsein, soweit es sich um das Begleitwissen der Wahrneh­ mungen handelt, und andererseits um das Begleitwissen des Denkens. In dem entscheidenden Stück aber, auf das hier alles ankommt, geht Aristoteles nicht von dem Akt b e w u ß t s e i n aus, sondern von den Akten selbst, indem er von diesen auf das zugehörige Subj ekt schließt, wie von Akzidentien auf eine Substanz. Das Sehen ist ohne einen Sehenden, das Hören ohne einen Hörenden, das Gehen ohne einen Gehenden und das Denken ohne einen Denkenden nicht möglich. Nach der Voraussetzun g des Descartes aber ist der Schluß auf das Sein des Ich nur von e i n e r Funktion u n m i t t e l b a r möglich, dem Denken, da alle körperlichen Vorgänge mitsamt dem Körper grundsätzlich in Zweifel gezogen werden können. Die Begründung der Gewißheit ist allein an das Denken gebunden. Bei Aristoteles dagegen ist das Wahrnehmen wie das Denken gleichermaßen zureichender Grund für die Selbstgewißheit . Das deutet schon darauf hin, daß auch der Be­ griff des Denkens hier ein anderer ist als bei Descartes. E s ist nicht das sich von der Welt distanzierende, in sich selb st zurückgehende, gegen alles von außen Kommende sich isolierende Denken Descartes', für das das Seiende überhaupt nur i s t, sofern es vorgestellt, das heißt Bewußt­ sein ist, sondern es ist ein grundsätzlich seinsbezogenes, überhaupt erst durch das Seiende konstituiertes Denken, das zusammen mit dem Wahrnehmen für den Menschen das Leben ausmacht . So formuliert es Aristoteles selber im Kontext der Ethikstelle : TO 8e �1jv opt�OVTCU -ro�c; �oL