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German Pages [273] Year 2021
TRANSZENDENTE ERFAHRUNGEN – PHÄNOMENE UND DEUTUNGEN
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Heiner Schwenke
Die Leben der Anderen Reinkarnation als Fehldeutung von Erfahrungen früherer Leben
VERLAG KARL ALBER
https://doi.org/10.5771/9783495823637
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Heiner Schwenke Die Leben der Anderen
VERLAG KARL ALBER
A
https://doi.org/10.5771/9783495823637 .
Transzendente Erfahrungen – Phänomene und Deutungen Herausgegeben von Heiner Schwenke
Band 3
https://doi.org/10.5771/9783495823637 .
Heiner Schwenke
Die Leben der Anderen Reinkarnation als Fehldeutung von Erfahrungen früherer Leben
Verlag Karl Alber Freiburg / München
https://doi.org/10.5771/9783495823637 .
Heiner Schwenke The Lives of Others Reincarnation as misinterpretation of past-life experiences In ideal-typical past-life experiences, the subjects experience themselves with another physical body as actors in scenes that seem to take place before the time of their current life. Such experiences are regularly understood as memories of the subject’s past life and thus as evidence of reincarnation. It seems that in past-life experiences sometimes actually experiences of a deceased person are relived. However, phenomenology and circumstances of past-life experiences do not support the view that they are memories of the subject’s experiences in a previous life. Rather, past-life experiences could be understood as participation in past experiences of others.
The author: Heiner Schwenke, Doctorate of Natural Sciences and Doctorate of Philosophy, born in 1961, conducts the project »Transcendent Experiences: Phenomena, Ideas, and Judgements« at the Max Planck Institute for the History of Science in Berlin. He has published numerous books, among these Transzendente Begegnungen. Phänomenologie und Metakritik [Transcendent Encounters. Phenomenology and Metacritique] (2014); Die Verwechslung der Welten. Auferstehung, Reich Gottes und Jenseitserfahrungen [The Confusion of Worlds. Resurrection, the Kingdom of God, and Otherworld Experiences] (2017); Jenseits des Vertrauten. Facetten transzendenter Erfahrungen [Beyond the Familiar. Facets of Transcendent Experience] (2018); The Confusion of Worlds. Resurrection, the Kingdom of God, and Otherworld Experiences. rev. ed. (2019).
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Heiner Schwenke Die Leben der Anderen Reinkarnation als Fehldeutung von Erfahrungen früherer Leben Bei idealtypischen Erfahrungen früherer Leben erleben sich die Betroffenen mit einem anderen physischen Körper als Akteure in einem Geschehen, das anscheinend vor der Zeit ihres aktuellen Lebens spielt. Regelmäßig werden solche Erfahrungen als Erinnerung an ein eigenes früheres Leben und somit als Beleg für Reinkarnation aufgefasst. Tatsächlich scheinen in Erfahrungen früherer Leben manchmal Erlebnisse einer verstorbenen Person wiedererlebt zu werden. Jedoch unterstützen Phänomenologie und Begleitumstände von Erfahrungen früherer Leben nicht die Ansicht, dass es sich dabei um eigene Erlebnisse in einem früheren Leben handelt. Eher könnten Erfahrungen früherer Leben als Teilnahme am vergangenen Erleben anderer verstanden werden.
Der Autor: Heiner Schwenke, Dr. rer. nat., Dr. phil., geboren 1961, leitet das Projekt »Transzendente Erfahrungen: Phänomene, Deutungen und Urteile« am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin. Er publizierte zahlreiche Bücher, darunter Transzendente Begegnungen. Phänomenologie und Metakritik (2014), Die Verwechslung der Welten. Auferstehung, Reich Gottes und Jenseitserfahrungen (2017), Jenseits des Vertrauten. Facetten transzendenter Erfahrungen (2018) und The Confusion of Worlds. Resurrection, the Kingdom of God, and Otherworld Experiences (2019).
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Originalausgabe © VERLAG KARL ALBER in der Verlag Herder GmbH, Freiburg / München 2020 Alle Rechte vorbehalten www.verlag-alber.de Umschlagmotiv: Foto: Verlag Karl Alber Satz und PDF-E-Book: SatzWeise, Bad Wünnenberg Herstellung: CPI books GmbH, Leck Printed in Germany ISBN (Buch) 978-3-495-49163-8 ISBN (PDF-E-Book) 978-3-495-82363-7
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Inhalt
Vorwort
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Reinkarnationsglaube und Erfahrungen früherer Leben . . . . . Der Glaube an Reinkarnation (17) · Hat der Reinkarnationsglaube eine Erfahrungsgrundlage? (19) · Was sind Erfahrungen früherer Leben? (21) · Indiz für Reinkarnation oder unmittelbare Teilhabe an fremdem Erleben? (24)
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Personale und nichtpersonale Reinkarnationsbegriffe . . . . . . Herrschende Reinkarnationsvorstellung: Wiedergeburt der Person (25) · Personale Reinkarnation als Voraussetzung für Vergeltung durch Reinkarnation (28) · Personale Reinkarnation als Voraussetzung für Entwicklung durch Reinkarnation (29) · Personale Reinkarnation als Illusion im Advaita-Vedānta (30) · Personale Reinkarnation als Fortsetzung eines Traums (30) · Nichtpersonale Reinkarnation in indigenen Kulturen (32) · Nichtpersonale Reinkarnation im Buddhismus (33) · Nichtpersonale Reinkarnationskonzepte in der Reinkarnationsforschung (34) · Bewusstsein ohne Subjekt? (36) · Erinnerungen ohne transtemporales Subjekt? (37) · Können sich Ereignisse reinkarnieren? (38) · Können Persönlichkeitsmerkmale ohne zugehöriges Subjekt existieren und wiedergeboren werden? (39) · Zur Kritik an begrifflichen Argumenten (39)
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Reinkarnation und Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . Kann Wissenschaft prüfen, ob es Reinkarnation gibt? (40) · Bewusstsein mit intersubjektiven Methoden nicht erfassbar (40) · Epistemische Asymmetrie in Bezug auf Bewusstsein (42) · Epistemische Symmetrie hinsichtlich wissen-
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Inhalt
schaftlicher Gegenstände (42) · Das argumentum ad hominem (43) · Bewusstsein auch in Zukunft nicht wissenschaftlich erfassbar (44) · Existenz von Personen nicht wissenschaftlich erfassbar (46) · Reinkarnation nicht wissenschaftlich erfassbar (46) · Annahme der Existenz von Personen in Wissenschaft und Alltagswelt unverzichtbar (47) · Gewissheit anderer Personen übersteigt die Gewissheit wissenschaftlicher Erkenntnis (48) Erinnerungen als Zugang zur Vergangenheit einer Person . . . . Annahme personaler Transtemporalität in Alltagspraxis und Wissenschaft unverzichtbar (49) · Ist der physische Körper der Träger personaler Identität? (50) · Erfahrungen der Unabhängigkeit einer Person vom physischen Körper (50) · Ist der Begriff einer Person ohne physischen Körper inkohärent? (51) · Personale Identität als Vorbild der Identität körperlicher Dinge (52) · Vorrang des Selbstwissens vom eigenen Personsein (53) · Vorrang des Selbstwissens von der eigenen transtemporalen Identität (54) · Erinnerung als Wiedererleben vs. Erinnerung als Wissen (55) · Erinnerungsartige Erlebnisse als mögliche Scheinerinnerungen (57) · Scheinerinnerungen an fiktive Ereignisse (58) · Scheinerinnerungen an reale Ereignisse (58) · Gibt es zuverlässige phänomenologische Kriterien echter Erinnerungen? (60) · Ich-Perspektive auch bei Scheinerinnerungen (61) · Außenperspektive als Indiz für Scheinerinnerung (62) · Willkürlicher Perspektivenwechsel als Indiz für Scheinerinnerung (63) · Exkurs zu Bernard Williams: Können zwei Menschen identische Erinnerungen haben? (63) · Erinnerungsartiges Erleben, intersubjektiv nachweisbare Fakten und die Erforschung mutmaßlicher Reinkarnationsfälle (64)
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Inhalt
Erfahrungen früherer Leben und ihre Begleitumstände und -erscheinungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fälle kleiner Kinder, die spontan von früheren Leben sprechen . Einleitung (66)
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Historische Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chinesische Fälle (67) · Ramdas (69) · Ein drusischer Junge (70) · Die Zwillinge aus Okshitgon (72)
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Wissenschaftlich erforschte Fälle . . . . . . . . . . . . . Gopal Gupta (73) · Dilukshi Nissaka (75) · Juta (76) · James Leininger (78) · Ryan Hammons (79) · Nur einmal von einem früheren Leben sprechen (81) · Erfahrungen früherer Leben in Träumen (82)
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Allgemeine Merkmale der Fälle . . . . . . . . . . . . . . Haben kleine Kinder überhaupt Erfahrungen früherer Leben? (83) · Erlebnisperspektive der Erfahrungen früherer Leben (85) · Bewusstseinszustand während der Erfahrungen (86) · Beginn und Ende des Sprechens von einem früheren Leben (86) · Vergessen des früheren Lebens? (87) · Weitere Merkmale des Sprechens von einem früheren Leben (88) · Ungewöhnliches Wissen von einem früheren Leben (89) · Besondere Verhaltensweisen, Vorlieben und Phobien (90) · Geschlechtsnonkonformität (92) · Muttermale, angeborene Missbildungen und andere physische Besonderheiten (93) · Vorhersage eines zukünftigen Lebens (93) · Abreise- und Ankündigungsträume, Erscheinungen und mediale Kommunikationen der Person des früheren Lebens (95) · Auftreten der Person des früheren Lebens nach ihrer angeblichen Wiedergeburt in Träumen und medialen Durchsagen (97) · Sprechen über die Zeit zwischen Tod und Wiedergeburt (98) · Oft unnatürliches Ende des früheren Lebens (99) · Kulturelle Abhängigkeit der Fälle (99) · Von mehreren oder vom gleichen früheren Leben sprechen (100) · Überschneidung des früheren und des aktuellen Lebens (101)
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Inhalt
Spontane Erfahrungen früherer Leben bei älteren Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen . . . . . . . . . . . . . . Einleitung (106) · Früheste Berichte (106) · Erfahrungen im Wachzustand (108) · Erfahrungen während Meditation (113) · Erfahrungen im Traum (114) · Erfahrungen während außerkörperlicher Erfahrungen Gesunder (119) · Erfahrungen während Nahtoderfahrungen (121) · Außenperspektive und Perspektivenwechsel (122) · Weitere Befunde (127) Induzierte Erfahrungen früherer Leben bei Erwachsenen . . . Einleitung (128) · Ein Fall von Kryptomnesie (129) · Multiperspektivität (130) · Vielzahl der Leben (134) · Zwei Personen in einer einzigen Rückführungsepisode verkörpern (135) · Begleiterscheinungen und weitere Merkmale (135) Mutmaßliche Erfahrungen früherer Leben bei Tieren . . . . Einleitung (136) · Tuff (137) · Cisco (138) Rückschau und Déjà-vu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rückschau (139) · Déjà-vu (142) Erlebnisse einer unmittelbaren Teilhabe an fremdem Erleben und ihre Begleitumstände und -erscheinungen . . . . . . . . . . . Einleitung (145) Erlebnisse beim Lebensrückblick im Rahmen von Nahtoderfahrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eintauchen in die Perspektive anderer (145) · Tom Sawyer und Steven Fanning (146) · Erschütterung durch den Perspektivenwechsel (148) · Auswirkungen auf die ethische Einstellung (149) · Überzeugung der Echtheit des Erlebens (150) · Außenperspektive (151) · Perspektive eines höheren Wesens (152) · Teilhabe an nichtmenschlichem Erleben und mystische Verbundenheit (154) Erlebnisse und weitere Phänomene im Rahmen von Telepathie Terminologische Klärung (155) · Teilhabe an fremdem Empfinden und Denken (156) · Eintauchen in eine fremde visuelle Perspektive (159) · Telepathische Erlebnisse in veränderten Bewusstseinszuständen (162) · Verhaltensweisen 10 https://doi.org/10.5771/9783495823637 .
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und körperliche Merkmale im Zusammenhang mit Telepathie (163) · Altersabhängigkeit von Telepathie (164) · Eltern-Kind-Telepathie (165) · Telepathie, frühkindliches Bewusstsein und geistige Entwicklung (168) Erlebnisse im Rahmen medialer Erfahrungen . . . . . . . . . Erlebnis einer Kommunikation mit Verstorbenen (169) · Zwei Aspekte medialer Erfahrungen (169) · Eintauchen in das Erleben Verstorbener bei mentalen Medien (170) · Ähnlichkeit mit Erfahrungen früherer Leben? (171) Erlebnisse im Rahmen einer hellseherischen Rückschau . . . Identifikation mit Personen aus der Vergangenheit (171) · Exkurs: Räumliches Hellsehen (172) Erlebnisse und weitere Phänomene nach Herztransplantationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kindliche Alpträume (174) · Ungewöhnliches Wissen und Übernahme von Verhaltensweisen und körperlichen Merkmalen bei einem Kind (174) · Übernahme von Verhaltensweisen bei älteren Personen (176) Erlebnisse im Rahmen von Tierkommunikation . . . . . . . Definition (176) · Zwei Fallbeispiele (177) Erinnerungen an eigene frühere Leben oder Teilhabe an fremdem Erleben? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung (179) Zur Deutung von Erfahrungen früherer Leben bei kleinen Kindern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Probleme der Reinkarnationsdeutung . . . . . . . . . . . Erlebnisperspektive (181) · Überschneidung der Leben (181) · Rettungsstrategie 1: Unterscheidung des Gleichen (183) · Rettungsstrategie 2: Gleichsetzung des Verschiedenen (184) · Rettungsstrategie 3: Reinkarnation durch Seelenaustausch (187) · Rettungsstrategie 4: Fötus ohne Seele (188) · Rettungsstrategie 5: Preisgabe eines personalen Reinkarnationsbegriffs (189)
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Inhalt
Gängige nicht-reinkarnationistische Erklärungen . . . . . Eliminierung der Phänomene (190) · Soziopsychologische Erklärung (190) · Kryptomnesie (191) · Vererbtes Gedächtnis (191) · Besessenheit (192) · Paranormaler Wissenserwerb (ASW) (195) · Gedankenbündel-Theorie (199) Erfahrungen früherer Leben als unmittelbare Teilhabe an fremdem Erleben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung (200) · Wunsch nach Reinkarnation? Versuch der Reinkarnation? (202) · Verstorbene Personen verantwortlich für physische Phänomene? (204) · Zeugnisse für den Wunsch nach Reinkarnation (205) · Zum Zweck der Reinkarnation in ein Kind eindringen? (207) · Einmalige Imprägnierung? (210) · Lebenslange Einwirkung? (211) · Eine mittlere Variante? (211) · Unterschied zu Besessenheit (214) Reinkarnation vs. Einfluss einer verstorbenen Person – Diskussion einzelner Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung (214) · Aufhören des Sprechens von einem früheren Leben (215) · Unterschiedliche Stärke der Fälle (215) · Motiv (216) · Kohärentes Bild einer verstorbenen Person (217) · Identifikation (217) · Fragmentarisches Wissen (218) · Keine Kenntnis von zwischenzeitlichen Veränderungen (219) · Erlebnisse während der Schwangerschaft (220) · Traumerscheinungen und mediale Durchsagen nach der Geburt (220) · Muttermale und angeborene Missbildungen (221) · Fälle nichtmenschlicher Tiere (223) · Fazit (223) Spontane und induzierte Erfahrungen früherer Leben bei älteren Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen . . . . . Probleme der personalen Reinkarnationsdeutung . . . . . Erlebnisperspektive (223) · Einmaliges Auftreten der Erlebnisse (225) · Fehlende Begleitphänomene (226) · Überschneidung der Leben (226) · Multiple Reinkarnationen? (227) · Fazit (228)
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Inhalt
Teilhabe an fremdem Erleben . . . . . . . . . . . . . . . Einfluss einer verstorbenen Person? (228) · Zugang zu einem umfassenden Bewusstsein? (230) Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bibliographie
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Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachen
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Fallberichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Vorwort
Erlebnisse, die Aufschluss über ein nachtodliches Leben versprechen, wie beispielsweise Jenseitsreisen oder Begegnungen mit Verstorbenen, sind weit verbreitet. Das allgemeine Interesse an ihnen ist außerordentlich groß. Allerdings scheinen sie gewohnte Begriffe und Kategorien zu sprengen und daher besondere Herausforderungen an eine angemessene Deutung zu stellen. Leider gilt eine wissenschaftliche Beschäftigung mit derartigen Erlebnissen, die diese nicht von vorneherein als bloße Illusionen abtut, immer noch als Tabu. Selbst die Philosophie meidet ihre Thematisierung, obwohl sie, zumindest nach meinem Verständnis, das ganze Spektrum menschlicher Erfahrung in ihre Betrachtungen einfließen lassen sollte. Dadurch bringt sich die Philosophie nicht nur um die Möglichkeit, ein umfassenderes Verständnis des Menschen und des Lebens im allgemeinen zu entwickeln, sie überlässt auch Experiencer und Rezipienten dieser Erfahrungen den dogmatisch eingeengten Deutungen religiöser, esoterischer und materialistischer Glaubenssysteme. Zwar entzieht sich personales menschliches Leben und Fortleben dem Zugriff wissenschaftlicher Methoden. Die grundsätzliche Leugnung der Möglichkeit eines Fortlebens überschreitet ebenso die Reichweite der Wissenschaft wie der Versuch eines Nachweises. Jedoch könnte Wissenschaft, insbesondere die Philosophie, auf einer Metaebene durch phänomenologische, begriffliche und konzeptionelle Analysen zu einem rationalen, intersubjektiv nachvollziehbaren Verständnis der fraglichen Erlebnisse beitragen. Zu Erlebnissen, die nach Ansicht vieler Auskunft über ein menschliches Fortleben geben, zählen sogenannte Erfahrungen früherer Leben. Die Subjekte erleben sich dabei visionär mit einen anderen physischen Körper als Akteur in einem Geschehen, das sich in einer Zeit vor dem aktuellen Leben abzuspielen scheint. Erfahrungen früherer Leben werden sehr oft als Beleg für Reinkarnation angesehen, nicht zuletzt von den Experiencern selbst. Die Idee zur Unter15 https://doi.org/10.5771/9783495823637 .
Vorwort
suchung dieser Erfahrungsform erwuchs mir allerdings nicht primär aus einem Interesse am Konzept der Reinkarnation, sondern aus einer Beschäftigung mit dem Phänomen des Perspektivenwechsels, das bei verschiedenen Formen transzendenter Erfahrungen beschrieben wird. Zum Beispiel berichten zahlreiche Experiencer, sie hätten bei ihrem Lebensrückblick im Rahmen einer Nahtoderfahrung die Perspektive der Menschen eingenommen, mit denen sie in ihrem Leben zu tun hatten. Sie hätten nicht nur die Gefühle dieser Menschen gespürt, sondern buchstäblich durch ihre Augen geschaut. Mir drängte sich daher die Frage auf, ob Erfahrungen früherer Leben nicht ebenfalls als Eintauchen in fremdes Erleben verstanden werden könnten, sofern sie tatsächlich ein früheres Erleben repräsentieren (siehe zuerst meinen Aufsatz »Lebensrückblick, Perspektivenwechsel, Empathie«, 148–150). Dagmar Schäfer bin ich für die Förderung meiner Forschungen sehr zu Dank verpflichtet. Dem scheidenden Leiter des Verlags Karl Alber, Lukas Trabert, danke ich für seine stete Unterstützung und Ermutigung und dem Lektor und kommenden Verlagsleiter Martin Hähnel für die unkomplizierte, effiziente Zusammenarbeit. Adrian Weibel danke ich für zahlreiche Diskussionen und Literaturhinweise, Michael Nahm für Kommentare zum Manuskript und Eberhard Bauer für Hilfe bei der Literaturbeschaffung. Die Publikation wurde durch das Forschungsprojekt Transcendent Experiences – Phenomena, Ideas, and Judgements am Max PlanckInstitut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin gefördert. Basel, im September 2020
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Reinkarnationsglaube und Erfahrungen früherer Leben
Der Glaube an Reinkarnation Die Zahl der Menschen, die an Reinkarnation glauben, geht vermutlich in die Milliarden. Sie sind der Überzeugung, nach ihrem Tod erneut in einem anderen physischen Körper auf der Erde wiedergeboren werden zu können. 1 Der Glaube an eine solche Wiedergeburt ist – in Variationen – rund um den Erdball vorhanden. 2 Er ist oder war Bestandteil zahlreicher indigener Kulturen, 3 von den Tlingit in Alaska 4 über die Lappen in Nordskandinavien 5 und die Igbo in Nigeria 6 bis hin zu den Trobriandern in der Salomonensee. 7 Für die auf dem indischen Subkontinent entstandenen Religionen des Hinduismus,
1
Auf die Frage »Glauben Sie an Reinkarnation, also daran, dass wir erneut in diese Welt geboren werden?« (»Do you believe in re-incarnation, that is, that we are born into this world again«), antwortete in der World Values Study von 1990 im Länderdurchschnitt ein Drittel der Befragten mit Ja; im Jahr 2000, als Länder mit einem sehr hohen Anteil Reinkarnationsgläubiger wie Indien, Brasilien, Japan und Chile nicht mehr befragt wurden, ein Viertel der Befragten (siehe Inglehart et al.: Human beliefs, 336, 344 [F057_1]). Für Europa lag der Wert bei etwa einem Fünftel, für Nordamerika bei gut einem Viertel, für Mexiko, Argentinien, Chile und Brasilien zwischen 40 und 60 %, für Japan bei 50 % und Indien bei 90 % der Befragten. 2 Siehe die Überblicke in Long: Reincarnation; Matlock: Signs of reincarnation, 53– 86; Matlock: Reincarnation; Obst: Reinkarnation. 3 Siehe Bergunder: Wiedergeburt der Ahnen; Long: Reincarnation; Matlock: Crosscultural study; Matlock: Signs of reincarnation, 53–63; Obst: Reinkarnation, 33–40; Werblowsky & Bremmer: Transmigration. 4 Siehe Matlock: Signs of reincarnation, 53–58; Stevenson: Cultural patterns in cases suggestive of reincarnation; ausführlich zum Reinkarnationsglauben bei den nordamerikanischen indigenen Völkern Mills & Slobodin: American rebirth. 5 Siehe Klemm: Allgemeine Cultur-Geschichte 3:77. 6 Siehe Bergunder: Wiedergeburt der Ahnen, 123–128, und die dort zitierte Literatur; Stevenson: Belief in reincarnation among the Igbo. 7 Siehe Bergunder: Wiedergeburt der Ahnen, 188–190, und die dort zitierte Literatur.
17 https://doi.org/10.5771/9783495823637 .
Reinkarnationsglaube und Erfahrungen früherer Leben
Buddhismus, Sikhismus 8 und Jainismus 9 ist Reinkarnation von zentraler Bedeutung. 10 Der Glaube an Reinkarnation findet sich auch im antiken Griechenland, etwa bei Pythagoras, Empedokles, Pindar und Platon. 11 Später wurde er im Neuplatonismus, in der Gnosis und im Manichäismus gelehrt. 12 Er ist auch in den abrahamitischen Religionen gegenwärtig, obwohl ihre Orthodoxie die Reinkarnation ablehnt. Im Judentum fand der Reinkarnationsgedanke durch die mystische Bewegung der Kabbala zeitweise weite Verbreitung. 13 Im frühen Christentum vertraten gnostische Strömungen die Reinkarnation, 14 im Mittelalter glaubten die Katharer daran. 15 In zwanzigsten und einundzwanzigsten Jahrhundert breitete sich der Reinkarnationsglaube unter Christen aus. 16 Sehr ausgeprägt ist dieser Trend in Brasilien. 17 Im Islam schließlich lehren verschiedene schiitische Gruppen die Reinkarnation, wie die Nusairier in Syrien, die man in neuerer Zeit vor allem unter der Bezeichnung Alawiten kennt. 18 Auf sie gehen die ebenfalls reinkarnationsgläubigen Aleviten der zentra8
Der Sikhismus ist eine im 15. Jahrhundert entstandene Religion, die Muslime und Hindus zu einen suchte und den Glauben an einen Gott und an Karma und Wiedergeburt vertritt. Ihr gehören weltweit etwa 24 Mio. Menschen an (siehe Brockhaus: Sikhs). 9 Von Mahāvīra (gest. um 477 oder 467 v. Chr.) gegründete indische Religion, die ähnlich wie der Buddhismus die Befreiung aus dem Kreislauf der Wiedergeburten anstrebt, insbesondere durch das Gebot der Gewaltlosigkeit (Ahimsa). Die Zahl der Anhänger (Jainas) wird auf 4,2 Mio. Menschen geschätzt (siehe Brockhaus: Jaina; Brockhaus: Mahavira; Dundas: Hinduism and Jainism; Dundas: Jainism). 10 Siehe Long: Reincarnation; Obst: Reinkarnation, 12–32; Werblowsky & Bremmer: Transmigration. 11 Siehe Burkert: Griechische Religion, 444–447; Long: Reincarnation; Obst: Reinkarnation, 43–48. 12 Siehe Obst: Reinkarnation, 50–57; Rudolph: Gnosis, 128, 364–365; Werblowsky & Bremmer: Transmigration. 13 Siehe Gillman: Death; Obst: Reinkarnation, 68–76; Scholem: Gilgul; Zander: Geschichte der Seelenwanderung, 170–199. 14 Siehe Zander: Geschichte der Seelenwanderung, 134–137. 15 Siehe Obst: Reinkarnation, 97–100; Zander: Geschichte der Seelenwanderung, 199–216. 16 Siehe Irwin: Reincarnation, 255–275; Obst: Reinkarnation, 246–254. 17 Siehe Stevenson: Reinkarnation, 199. 18 Wie die Schiiten halten die Nusairier Mohammeds Vetter und Schwiegersohn Ali (ʿAlī ibn Abī Tālib, um 600–661) für dessen rechtmäßigen Nachfolger. Allerdings schreiben sie Ali gottähnliche Eigenschaften zu und stellen ihn über Mohammed selbst. Die Bezeichnung Nusairer leitet sich von Ibn Nusair (10. Jh.) ab, der als Gründer der Alawiten angesehen wird (siehe Bar-Asher: ʿAlawīs; Halm: Schia, 189–191; Stevenson: Cases of the reincarnation type, 3:178–182).
18 https://doi.org/10.5771/9783495823637 .
Reinkarnationsglaube und Erfahrungen früherer Leben
len Südtürkei zurück, die ich im folgenden Nusairier-Aleviten nenne, um sie von den Kizilbasch-Aleviten zu unterscheiden. 19 Dem Reinkarnationsglauben hängen außerdem die Drusen an. 20 In der westlichen Zivilisation teilt ein beachtlicher Teil der Bevölkerung den Reinkarnationsglauben unabhängig von einem religiösen Kontext. 21 Die Wurzeln für den Aufschwung der Reinkarnationslehre im Westen liegen vermutlich im Kardecschen Spiritismus, 22 der besonders in Brasilien Wirkung entfaltete, 23 und in der modernen Theosophie, die maßgeblich von Helena Petrovna Blavatsky (1831–1891) geprägt wurde. 24 Diese Spielart der Theosophie ist der wohl wichtigste Vorläufer der gegenwärtigen Esoterik, in der Reinkarnation einen zentralen Platz einnimmt. 25
Hat der Reinkarnationsglaube eine Erfahrungsgrundlage? Die Vorstellung einer Reinkarnation der menschlichen Person kann auf den ersten Blick kontraintuitiv erscheinen. Sie setzt einen sehr starken Dualismus zwischen Person und physischem Körper voraus. Die Person soll nicht nur in der Lage sein, unabhängig vom (aktuellen) physischen Körper weiterzuleben. Sie soll auch in beliebige andere menschliche Körper oder gar in den Körper eines (nichtmenschlichen) Tieres oder einer Pflanze eingehen und immer noch dieselbe 19
Siehe Stevenson: Cases of the reincarnation type, 3:182–183. Die Kizilbasch(Rotkappen)-Aleviten, in Anatolien, Thrakien, Bulgarien und Albanien beheimatet, glaubten zumindest früher ebenfalls teilweise an Reinkarnation (siehe Dressler: Alevīs; Stevenson: Cases of the reincarnation type, 3:183–185). Alevit, von türk. Alevî, bedeutet wie Alawit, von arab. ʿ alawī, lediglich ›Anhänger Alis‹. 20 Siehe Stevenson: Cases of the reincarnation type, 3:1–8; allgemein zur Religion der Drusen Firro: Druzes; Halm: Schia, 219–224. 21 Siehe z. B. Gecewicz: New Age beliefs; Irwin: Reincarnation, xvi–xvii. 22 Der französische Pädagoge Allan Kardec (bürgerlicher Name: Hippolyte Léon Denizard Rivail) (1804–1869) begründete die Weltanschauung des Spiritismus (siehe Kardec: Buch der Geister, 12). 23 Siehe Stevenson: Reinkarnation, 199. 24 Blavatsky, die den modernen westlichen Reinkarnationsglauben stark prägte, sprach sich erst in The Secret Doctrine (1888), ihrem zweiten Hauptwerk, eindeutig für Reinkarnation aus. Zuvor vertrat sie eine Wiedergeburt in anderen Sphären, was sie als Metempsychose bezeichnete (siehe Chajes: Recycled lives, 19–86; siehe auch Hanegraaff: Dictionary of gnosis & Western esotericism, 135). 25 Siehe Runggaldier: Philosophie der Esoterik, 171: »Wer Esoteriker sein will, glaubt an die Reinkarnation, und wer nicht daran glaubt, kann nicht Esoteriker sein.«
19 https://doi.org/10.5771/9783495823637 .
Reinkarnationsglaube und Erfahrungen früherer Leben
Person sein können. 26 Wie konnte sich eine so ungewöhnliche Idee auf der ganzen Erde und anscheinend an verschiedenen Orten unabhängig herausbilden und zu einer der wirkmächtigsten Vorstellungen vom Leben nach dem Tode werden? Für mich liegt die Vermutung nahe, dass universelle menschliche Erfahrungen zugrunde liegen. 27 Edward Burnett Tylor (1832–1917) führte als mögliche Erfahrungsgrundlage unter anderem an: Träume schwangerer Mütter von Vorfahren, die sich in dem Kind reinkarnieren wollen, ein Muttermal, das an die Narbe eines Ahnen erinnert, oder auch Verhaltensweisen von Säuglingen. 28 Möglicherweise war eine von Tylor nicht erwähnte Erfahrungsform, die die Forschungsliteratur »past-life experience« nennt – was ich mit »Erfahrungen früherer Leben« übersetze 29 – der Entstehung des Reinkarnationsglaubens besonders förderlich. Erfahrungen früherer Leben werden anscheinend auf allen bewohnten Kontinenten auch von kleinen Kindern gemacht. Bei ihnen kann eine Beeinflussung der Erfahrung durch religiöse oder kulturelle Lehren weitgehend ausgeschlossen werden. 30 Viele Menschen, die selbst Erfahrungen früherer Leben hatten oder von solchen Erfahrungen hörten, scheinen durch sie von der Realität von Reinkarnation überzeugt zu werden. 31
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Eine Reinkarnation des Menschen in nichtmenschlichen Tieren oder auch in Pflanzen wird vielfach gelehrt (siehe Long: Reincarnation), auch bedeutende griechische Philosophen vertraten sie, wie etwa Pythagoras (siehe Capelle: Vorsokratiker, 100– 101 [Xenophanes, fr. 7], Empedokles (siehe Capelle: Vorsokratiker, 243 [Diogenes Laertius VIII.77]) und Platon (siehe Politeia 10.15–16 [618a; 620a–d]). 27 Die These, dass der Reinkarnationsglaube durch Beobachtungen und Erfahrungen entstanden und nicht kulturellen Ursprungs sei, sucht Matlock in einer umfangreichen Untersuchung zu belegen (siehe Matlock: Cross cultural study; dazu auch Matlock: Signs of reincarnation, 61–63). 28 Tylor: Primitive Culture, 2:4–5. 29 Der Ausdruck »Reinkarnationserfahrungen«, den Bauer und Keil verwenden (siehe Bauer & Keil: Spontane Reinkarnationserfahrungen) ist nicht so neutral in Bezug auf die Existenz von Reinkarnation wie »Erfahrungen früherer Leben«. Er setzt, genau genommen, die Realität von Reinkarnation voraus, da man nicht etwas erfahren kann, was es nicht gibt. »Erfahrungen früherer Leben« setzt hingegen wie »past-life experience« nur voraus, dass es frühere Leben gibt, was niemand bestreiten wird; der Ausdruck impliziert jedoch nicht, dass es sich dabei um eigene frühere Leben handelt. 30 Siehe Mills & Tucker: Reincarnation, 318. 31 So Waterhouse: Reincarnation belief in Britain, 100–103.
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Reinkarnationsglaube und Erfahrungen früherer Leben
Was sind Erfahrungen früherer Leben? Bei idealtypischen Erfahrungen früherer Leben erlebt sich die Person, die diese Erfahrung macht – ich nenne sie im folgenden auch Experiencer oder Subjekt – mit einen anderen physischen Körper als Akteur in einem Geschehen, das sich in einer Zeit vor dem aktuellen Leben abzuspielen scheint. 32 Der Experiencer identifiziert sich also mit einem Akteur des vergangenen Geschehens. Dieses im weiteren Sinne visionäre Erleben 33 kann sehr realistisch wirken. Es tritt in ver32
Ich übernehme nicht die Definition von Mills und Tucker (siehe Mills & Tucker: Past-life experiences, 305), weil darin das Verhältnis von Ich, Individuum, Person und Identität begrifflich problematisch ist. Nach Mills und Tucker besteht eine past-lifeexperience in »impressions that individuals report in which they have experienced themselves as a particular person with an identity (other than their current life identity) in a previous time or life span« (»Eindrücke[n], die Individuen berichten, in denen sie sich als eine bestimmte Person mit einer anderen Identität [die eine andere ist als die ihres jetzigen Lebens] in einem früheren Leben oder einer früheren Lebensphase erlebt haben«). Nach dem normalen Sprachgebrauch ist ein menschliches Individuum immer eine bestimmte Person. Dann wäre aber die Formulierung »individuals […] experienced themselves as a particular person« trivial. An »particular person« fügen Mills und Tucker die Bestimmung »with an identity« an. Personen haben immer eine Identität, deshalb ist dieser Zusatz ebenfalls ohne zusätzlichen Gehalt. Die Definition wird erst durch die folgende, erstaunlicherweise eingeklammerte Phrase »other than one’s current life identity« interessant, die den wohl wichtigsten, aber auch problematischsten Teil der Definition bildet. Wenn mit »identity« die personale Identität gemeint wäre, dann wäre die Definition inkonsistent, denn eine Person kann keine andere personale Identität annehmen. Das hieße nämlich, dass sie eine andere Person würde. Es gibt zwar andere Formen von Identität, die eine Person suchen, wechseln, verlieren oder sogar stehlen kann, beispielsweise psychologische, soziale oder politische Identitäten. Diese Art wandelbarer Identitäten haben Mills und Tucker aber offensichtlich nicht gemeint. Denn sie unterstellen mit der Formulierung »one’s current life identity« genau eine gleichbleibende Identität pro Leben. Diese Beschränkung trifft jedoch auf psychologische, soziale oder politische Identitäten nicht notwendig zu, weil sie sich während eines Lebens wandeln können. Vielleicht meinen Mills und Tucker mit »a person with an identity other than one’s current life identity«, dass sich das Individuum in einer past-life-experience als eine andere Person erlebt. Dann wäre aber ein solches Erlebnis notwendig illusorisch, denn ein menschliches Individuum kann nach unserer obigen Festlegung nur eine Person sein. Ich glaube aber nicht, dass Mills und Tucker Erfahrungen früherer Leben von vorneherein als Illusionen qualifizieren wollen. Wenn ich wegen der beschriebenen begrifflichen Probleme der Definition von Mills und Tucker eine andere Definition vorschlage, so glaube ich doch, dass meine Definition denselben Umfang hat, das heißt, auf die gleichen Fälle zutrifft. 33 Unter ›visionärem Erleben‹ verstehe ich ein Wahrnehmungserleben, das ohne die Vermittlung der physischen Sinne stattfindet. Ich bezeichne ein derartiges Erleben
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Reinkarnationsglaube und Erfahrungen früherer Leben
schiedenen Bewusstseinszuständen auf, vom Wachen über meditative Zustände, Trance, Traum, außerkörperliche Erfahrungen 34 bis hin zum Koma des klinischen Todes. Spontane Erfahrungen früherer Leben sind anscheinend nicht besonders häufig. Durch Hypnose induzierte Erfahrungen früherer Leben hatten im Laufe der letzten Jahrzehnte hingegen vermutlich Millionen von Menschen. 35 Zwei Berichte sollen diese Erfahrungsform veranschaulichen. Der erste Text stammt von einer Psychologin aus Manhattan namens Edna: Ich lebe seit vier Jahren in Brooklyn. Letztes Jahr begann ich, Visionen davon zu haben, wie ich in der gleichen Gegend lebe, nur in einem früheren Leben. Die erste Vision trat an dem Tag auf, als ich auf der Suche nach nicht als ›Halluzination‹, weil halluzinativem Erleben gewöhnlich der Realitätsbezug abgesprochen und es als Symptom von Geisteskrankheit angesehen wird (siehe zum Halluzinationsbegriff Schwenke: Transzendente Begegnungen, 211–226, 271–274 und die dort zitierte Literatur). Ich spreche auch nicht von ›innerem Erleben‹, weil ein ›innerer‹ Raum, in dem Erlebnisse und Gedanken wohnen, weder empirisch nachweisbar ist noch erkenntnistheoretisch sinnvoll erscheint (siehe dazu ebd., 225). 34 Unter außerkörperlichen Erfahrungen verstehe ich Erlebnisse, bei denen der Experiencer den Eindruck hat, das Zentrum des Wahrnehmens und Handelns liege außerhalb des eigenen physischen Körpers, aber nicht unbedingt außerhalb irgendeines eigenen Körpers (siehe ähnliche Definitionen in Alvarado: Out-of-body experiences, 183; Kelly et al.: Unusual experiences near death, 394; Nahm: Außerkörperliche Erfahrungen, 151; zur Kritik an der Gleichsetzung von außerkörperlichen Erfahrungen mit sog. Autoskopie-Erlebnissen, d. h. mit Wahrnehmungen des eigenen physischen Körpers von einem Punkt außerhalb desselben, siehe Kelly et al.: Unusual experiences near death, 403–404; Nahm: Außerkörperliche Erfahrungen, 160–161). 35 Die Häufigkeit von Erfahrungen früherer Leben ist schwer einzuschätzen. In einer Umfrage in Nordindien im Jahr 1978 gaben 0,2 % der Befragten an, derartige Erfahrungen gemacht zu haben (siehe Barker & Pasricha: Reincarnation cases in Fatehabad). Man darf vermuten, dass es sich dabei in der großen Mehrheit um spontane Fälle handelte. In Gebieten, wo die Bevölkerung überwiegend an Reinkarnation glaubt, werden anscheinend mehr Fälle berichtet (siehe Mills & Tucker: Reincarnation; Stevenson: Reinkarnation in Europa, 409). Nach einer repräsentativen Umfrage zu paranormalen Erfahrungen in Island mit sehr hohem Rücklauf berichteten 1974 zwei Prozent der Befragten, dass sie sich an frühere Leben erinnerten. Hier wurde jedoch nicht zwischen spontanen und induzierten Erfahrungen unterschieden. Im Jahr 2006 betrug der Wert bei Wiederholung der Umfrage allerdings schon zehn Prozent. Der Rücklauf war jedoch deutlicher geringer, so dass die Repräsentativität der Stichprobe nicht mehr gesichert war (siehe Haraldsson & Matlock: I saw a light, 45). In einem westlichen Land wie Island wird man im Gegensatz zu Indien in den 1970er Jahren einen nennenswerten Anteil an induzierten Erfahrungen früherer Leben erwarten. Vielleicht hat eine steigende Verbreitung hypnotischer Rückführungen zum möglichen Anstieg der Erfahrungen beigetragen.
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Reinkarnationsglaube und Erfahrungen früherer Leben
einem Haus war, das ich mieten könnte. Ich hatte von meinem Immobilienmakler den Schlüssel zu einem Haus erhalten. Ich ging dorthin und sah es mir an. Ich schaute aus dem Fenster, und als ich [so] starrte, sah ich zwei kleine Jungen die Straße vor dem Haus entlang gehen. Aber sie waren wie die Jungen auf den Bildern von Norman Rockwell 36 gekleidet. Sie hatten Hosenträger und Knickerbocker an. Dann kam ein Auto die Straße herunter[gefahren] – es war ein alter Ford, die Art, die mein Vater hatte, als ich ein junges Mädchen war. Ich trat vom Fenster zurück, schaute mich im Wohnzimmer um und sah, dass sich alles verändert hatte. Die Möbel waren anders, der Fernseher war weg, und alles schien neuer zu sein. Ich sah auf mein Kleid herab und bemerkte, dass es sich ebenfalls verändert hatte; es ging bis auf den Boden. Ich ging zu einem Spiegel, der dort hing, wo [zuvor] eines der Bilder gewesen war, und schaute mich an. Es war nicht ich, die mir entgegensah; es war ein anderes Gesicht, eine Frau mit rötlichem Haar und sehr dunklen Augen. […] Einige Tage später sprach ich mit einem Mann, der weiter unten im Häuserblock wohnt und seit sechzig Jahren im Quartier lebt. Aus Neugierde fragte ich ihn, ob er sich an ein leeres Grundstück gegenüber dem Haus erinnere. Er sagte, ja, das habe es gegeben, als er noch ein Junge war. Ich fragte ihn nach den Vormietern des Hauses, das ich mir angesehen hatte. Er sagte mir, das Haus sei seit einigen Jahren nicht mehr bewohnt. Aber die letzte Person, die dort gelebt hätte, sei ein Mann gewesen, der das Haus geerbt habe, als seine Eltern gestorben seien. Ich fragte ihn, ob er sich erinnere, wie die Mutter des Mannes ausgesehen habe. Er beschrieb sie, und die Beschreibung passte sehr gut zu dem Gesicht, das ich im Spiegel gesehen hatte. 37
Als zweites Beispiel führe ich eine Passage aus einem Bericht über eine Erfahrung bei einer sogenannten Rückführung in frühere Leben 38 unter Hypnose an. Dabei nahm eine zierliche Frau an sich den Körper eines Gladiators wahr: Von Anfang an fühlte ich mich ausgesprochen – ja, »bullig« wäre wohl das richtige Wort. Ich sah an mir herab und stellte fest, daß ich eine schwere Rüstung trug. In der Hand hielt ich ein Schwert, mit dem ich nach dem Kommando des neben mir stehenden Trainers alle möglichen Hiebe und Stiche übte: Im Staub einer Zirkusarena schulte ich mich in Mord und Totschlag – ich, ein Gladiator im alten Rom. 39
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Norman Rockwell (1894–1978) war ein US-amerikanischer Maler und Illustrator. Lenz: Lifetimes, 147–148. Alle Übersetzungen stammen, sofern nicht anders angegeben, vom Verf. 38 Siehe dazu unten S. 128. 39 Moody: Leben vor dem Leben, 112. 37
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Reinkarnationsglaube und Erfahrungen früherer Leben
Indiz für Reinkarnation oder unmittelbare Teilhabe an fremdem Erleben? Erlebnisse wie diese scheinen für viele Experiencer die Deutung nahezulegen, man erlebe ein eigenes früheres Leben. Allerdings werden phänomenologisch ähnliche Erfahrungen berichtet, bei denen die Reinkarnationsdeutung ausscheidet. Das kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn das andere Wesen, dessen Erlebnisperspektive man während der Erfahrung einnimmt, noch am Leben ist, oder wenn man solche Erfahrungen mit mehreren Personen macht, deren Lebensdaten sich überschneiden. Solche Erlebnisse können zum Beispiel während des Lebensrückblicks im Rahmen von Nahtoderfahrungen, bei telepathischen Erfahrungen oder bei medialen Erfahrungen auftreten. 40 Hier scheint es sich um eine unmittelbare Teilhabe an fremdem Erleben zu handeln, sofern es sich nicht Phantasien handelt. Die vorliegende Studie ließ sich von der Frage leiten, ob Erfahrungen früherer Leben nicht eher als Eintauchen in die Erlebenswelt anderer Wesen verstanden werden könnten. Bevor ich einiges Erfahrungsmaterial präsentiere, das mir für die Antwort auf diese Frage relevant erscheint, werde ich jedoch zunächst einige begriffliche, methodische und sachliche Grundfragen zu klären suchen. Wenn Erfahrungen früherer Leben als Beleg für die Existenz von Reinkarnation verwendet werden sollen, so ist es wichtig, die Form von Reinkarnation, um die es in dieser Studie gehen soll – nämlich personale Reinkarnation – von anderen Spielarten abzugrenzen. 41 Zweitens möchte ich angesichts des meistens beweisorientierten Vorgehens in der Reinkarnationsfrage klären, ob sich die Frage nach dem Vorkommen von Reinkarnation überhaupt wissenschaftlich behandeln lässt. Drittens soll gefragt werden, welche Anforderungen an Erfahrungen früherer Leben als mögliche Erinnerungen an vergangene Leben zu stellen und welchen Irrtümern sie möglicherweise ausgesetzt sind.
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Siehe unten S. 145. Ich verwende ›Reinkarnation‹ im weiteren Verlauf des Buches stets für personale Reinkarnation, sofern nichts anderes gesagt wird.
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Personale und nichtpersonale Reinkarnationsbegriffe
Herrschende Reinkarnationsvorstellung: Wiedergeburt der Person Bevor wir uns mit der Reinkarnationsdeutung von Erfahrungen früherer Leben auseinandersetzen, müssen wir klären, was genau unter ›Reinkarnation‹ verstanden werden soll, denn die Reinkarnationsbegriffe sind vielfältig. Ganz überwiegend ist mit ›Reinkarnation‹ die Wiedergeburt der Person nach ihrem Tod in einem anderen physischen Körper gemeint. 1 Typisch für diesen Reinkarnationsglauben 1
Das ist auch der Sinn von ›Reinkarnation‹ bei Allan Kardec, der diesem Terminus ab 1857 schlagartig weite Verbreitung verschaffte. Für ihn verliert die Seele ihre Individualität nie (siehe Kardec: Buch der Geister, 74, § 150) Die Ausdrücke ›Ich‹ bzw. ›Wir‹, ›Seele‹, ›Geist‹ und ›Mensch‹ sind bei Kardec austauschbar. Sie stehen alle für das Subjekt der Reinkarnation: »die Seele [hat] mehrere leibliche Existenzen« (ebd., 78, § 166); »wir alle haben mehrere leibliche Existenzen« (ebd., 78, § 166); »Er [der Geist] beginnt eine neue Existenz« (ebd., 85, § 199); »hätte der Mensch nur eine Existenz« (ebd., 85, § 199). Der Ausdruck ›Reinkarnation‹ (engl. reincarnation, frz. réincarnation) kam vermutlich im 19. Jahrhundert in der heutigen Bedeutung auf. Vor Kardec ist er beispielsweise 1844 bei Samuel Laing in einer Anmerkung zu seiner Übersetzung des isländischen Epos Heimskringla von Snorro Sturleson nachweisbar: »The pagan Northmen […] held, in common with the Druids and Brahmins, the doctrine of transmigration, or rather reincarnation of souls« (Sturleson: The Heimskringla, 2:182 Anm.). Nach dem Historischen Wörterbuch der Philosophie setzte sich Reinkarnation bald als Sammelbegriff für die älteren Termini Seelenwanderung, Transmigration, Metempsychose und Metensomatose durch (siehe Kross: Reinkarnation). Die Brockhaus-Enzyklopädie gebraucht Reinkarnation, Seelenwanderung, Transmigration, Metempsychose und Palingenese als Synonyme (siehe Brockhaus: Reinkarnation; Brockhaus: Seelenwanderung). Die Encyclopaedia Britannica setzt reincarnation mit transmigration und metempsychosis gleich (siehe Encyclopaedia Britannica: Reincarnation). Ähnliches gilt für philosophische und religionswissenschaftliche Standardwerke. Das Oxford Lexikon der Weltreligionen betrachtet Reinkarnation als synonym mit Wiedergeburt, Transmigration und Metempsychose (siehe Bowker: Das Oxford-Lexikon der Weltreligionen, 1080). Das Oxford Dictionary of Philosophy unterscheidet nicht zwischen reincarnation, metempsychosis und transmigration (siehe Blackburn: Oxford Dictionary, entry »reincarnation«; ebd.: entry
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Personale und nichtpersonale Reinkarnationsbegriffe
sind Äußerungen wie »In einem früheren Leben war ich ein römischer Legionär« 2 oder »In meinem nächsten Leben möchte ich eine Frau sein«. 3 Auch nichtmenschliche Vorleben werden so formuliert: »Ich war in meinem letzten Leben ein Pferd.« 4 Wie man sich in Bezug auf das aktuelle Leben eine Kindheit zuschreibt – »als ich klein war« – oder ein kommendes Alter – »wenn ich pensioniert bin« –, so schreibt man sich ein früheres oder zukünftiges Erdenleben zu. Die zugrundeliegende Vorstellung ist, dass die Person als Subjekt des Erlebens und Handelns im Verlauf der Reinkarnationen dieselbe bleibt, so wie man dieselbe Person bleibt, wenn man sich im Laufe des aktuellen Lebens vom Kind zum Erwachsenen und dann zum alten Menschen wandelt. Die Identität der Person bleibt auch bei Reinkarnationen als (nichtmenschliches) Tier erhalten. Der Glaube an personale Reinkarnation setzt voraus, dass eine Person nicht an einen bestimmten Körper gebunden ist und, falls die »metempsychosis«). Die Encyclopedia of Religion sieht reincarnation, metempsychosis, metensomatosis, palingenesis und transmigration als Synonyme (siehe Long: Reincarnation; Werblowsky & Bremmer: Transmigration); das Dictionary of Gnosis & Western Esotericism unterscheidet nicht zwischen Reinkarnation und Metempsychose und nennt Metensomatose und Transmigration als weitere Synonyme (siehe Hanegraaff: Dictionary of gnosis & Western esotericism, 980). In der Theosophie wird hingegen zwischen Reinkarnation, Transmigration, Metempsychose und Metensomatose sehr sorgfältig unterschieden (siehe z. B. von Purucker: Theosophisches Wörterbuch, 115, 116, 152–153, 184–185). 2 Die Schauspielerin und Tänzerin Shirley MacLaine beschrieb in Dancing in the Light ihre zahlreichen Inkarnationen, unter anderem: »Ich tanzte in einem Harem […]. Ich war ein Mönch, der in einer Höhle meditierte […]. Ich war eine Ballerina in Russland […]. Ich war eine Japanerin in einem farbenfrohen Kimono […]. Ich war ein jugendlicher Inka in Peru« (MacLaine: Dancing, 366). Sie ist mit ihren Erlebnissen und Überzeugungen keineswegs unter Prominenten allein. Die Schauspielerin Katerina Jacob sagte, sie habe vor 1200 Jahren als Nonne gelebt, die PopIkone Madonna glaubt, ein chinesischer Kaiser gewesen zu sein und die Sängerin Tina Turner schreibt sich ein Vorleben als die ägyptische Königin Hatschepsut zu (siehe Hauth: Taschenlexikon Esoterik, 23). 3 Dem früheren Fußballstar Franz Beckenbauer zugeschriebene Äußerung (siehe Simon: »In meinem nächsten Leben«). 4 Versicherungskaufmann Bernhard Gockel, Stuttgart (Red.: »Ich war ein Pferd«); Gockel weiter: »Ich bin [als Pferd] in einem Wald und muß an Eisenketten schwere Baumstämme hinter mir herziehen. Um mich herum Männer, die mich auf kroatisch antreiben« (Red.: »Ich war ein Pferd«). Auch Prominente nehmen für sich nichtmenschliche frühere Leben in Anspruch, wie etwa Franz Beckenbauer: »Ich habe sicher schon einige Male gelebt. Unter anderem als Tier und als Pflanze« und die Schauspielerin Veronica Ferres: »Ich war ein Delfin …« (Hauth: Taschenhandbuch Esoterik, 23).
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Personale und nichtpersonale Reinkarnationsbegriffe
Reinkarnation nicht ohne jeden Zeitverzug nach dem Tod erfolgt, auch ohne physischen Körper existieren kann. 5 Ein personales Verständnis von Reinkarnation liegt auch der führenden Umfrage zum Reinkarnationsglauben zugrunde. »Glauben Sie an Reinkarnation, das heißt, dass wir wieder in diese Welt hinein geboren werden?«, heißt es in der World Values Study. 6 In anderen Erhebungen lautet die Frage nach dem Reinkarnationsglauben ähnlich. 7 Wenn es heißt, dass wir wiedergeboren werden, dann bedeutet das offensichtlich, dass nicht nur irgendwelche Charaktereigenschaften oder körperliche Aspekte von uns wiedergeboren werden, was auch immer das heißen könnte, 8 sondern wir selbst, also die Person, die wir sind. 9 Ein solcherart personales Verständnis von Reinkarnation dominiert die moderne westliche Esoterik 10 wie den Hinduismus, 5
Eine Ausnahme wäre nur die Form der Reinkarnation, wie sie bei den Drusen und den Jainas geglaubt wird, dass nämlich die Seele unmittelbar vom alten zum neuen Körper wechselt. Die Drusen terminieren diesen Körperwechsel auf den Zeitpunkt der Geburt des Kindes, die Jainas auf dessen Empfängnis (siehe Stevenson: Cases of the reincarnation type, 3:3–4). 6 »Do you believe in reincarnation, that is, that we are born into this world again« (Inglehart et al.: Human Beliefs, 344 [F057_1]). Die Formulierung der Frage zu Reinkarnation in der European Values Study von 1999 und 2008 war identisch. 7 In der Umfrage Religious and Moral Pluralism (1999) mussten sich die Teilnehmer zwischen fünf Thesen zum nachtodlichen Leben entscheiden. Die Reinkarnationsthese lautete: »We are being reincarnated – that is, after our physical death we are born in this world again and again« (»Wir werden reinkarniert, das heißt, nach unserem Tod werden wir immer wieder in diese Welt hineingeboren«). Im International Social Survey Project wurde ähnlich gefragt: »Do you believe in reincarnation – being reborn in this world again and again?« (»Glauben Sie an Reinkarnation – immer wieder in diese Welt wiedergeboren zu werden?«) (Siegers: Reincarnation revisited). 8 Siehe dazu unten S. 39. 9 Matlock behauptet, das nichtpersonale Verständnis von Reinkarnation sei das übliche: »Nun zu der Frage. ›Was bedeutet es zu sagen, dass eine Person [den Tod] überlebt hat oder sich reinkarniert hat?‹ Menschen, die ein Kind als die Reinkarnation einer verstorbenen Person identifizieren, meinen [damit] nicht, dass es dieselbe Person wie zuvor ist. Sie erkennen an, dass es eine andere Person ist, die etwas von der Persönlichkeit, dem Verhalten oder den körperlichen Merkmalen der früheren Person besitzt« (Matlock: Signs of reincarnation, 251). Es ist jedoch fraglich, ob das gewöhnliche Denken wirklich einem derart offensichtlichen Widerspruch anhängt. Wenn eine Person A den Tod überlebt und sich reinkarniert, dann ist das gleichbedeutend damit, dass die überlebende und reinkarnierte Person »dieselbe Person wie zuvor ist«, nämlich Person A. Wenn Person A nach dem Tod nicht mehr existiert und erneut inkarniert ist, sondern nur eine andere Person B, dann hat Person A eben nicht den Tod überlebt und sich reinkarniert. 10 Siehe Runggaldier: Philosophie der Esoterik, 171–190.
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Personale und nichtpersonale Reinkarnationsbegriffe
aber anscheinend auch den buddhistischen Volksglauben. 11 Er kommt auch in indigenen Kulturen vor. 12
Personale Reinkarnation als Voraussetzung für Vergeltung durch Reinkarnation Die Bewahrung der Identität der Person im Lauf der Wiedergeburten ist eine Voraussetzung für die Deutung von Reinkarnation als Vergeltung für Taten in früheren Erdenleben. Im Hinduismus ist dieser Gedanke besonders ausgeprägt. Reinkarnation soll dort unter anderem die gesellschaftliche Ordnung, insbesondere auch das Kastensystem, stabilisieren. In den Gesetzbüchern des Manu und des Yajnavalkya 13 werden Verbrechern und Personen, die gegen die Kastenordnung verstoßen, grauenvolle Reinkarnationen vorhergesagt. 14 Der Hinduismus bewertete Reinkarnation traditionell negativ. Erstrebt wurde eine nachtodliche Existenz im Himmel. 15 Jedoch erschien es fast 11
Die buddhistische Nicht-Selbst-Lehre schließt eine personale Reinkarnation aus (siehe dazu unten S. 33), aber dem folgt der buddhistische Volksglaube anscheinend nicht. In einer pers. Mitteilung vom 3. März 2019 schrieb Prof. Shaoyong Ye (Peking University, Department of South Asian Studies) dem Verf., durchschnittliche Buddhisten würden gerade wie Hindus glauben, dass sie wiedergeboren werden und auch annehmen, dass sie in einem zukünftigen Leben die Früchte ihrer Taten in diesem Leben ernten können. Die Nicht-Selbst-Lehre des Buddhismus sei für sie nur leeres Etikett. Aus den von Stevenson untersuchten Fällen mutmaßlicher Reinkarnation in Sri Lanka, Thailand und Myanmar geht hervor, dass sich die buddhistischen Experiencer mit dem früheren Leben ähnlich identifizieren und darüber in Ich-Form sprechen wie hinduistische, drusische oder alevitische Experiencer (siehe zum Beispiel die Aussagen des buddhistischen Abts Chaokhun Rajsuthajarn (1908–1976) über sein früheres und jetziges Leben in Stevenson: Cases of the reincarnation type, 4:174–184). Für einen personalen Reinkarnationsglauben in China sprechen die in de Groot: Religious system of China, 4:143–155 angeführten altchinesischen Fallberichte (siehe unten S. 67–69). 12 Das Vorliegen des Konzepts einer personalen Reinkarnation darf man wohl dann annehmen, wenn in Ich-Form vom vergangenen Leben berichtet wird. Siehe zum Beispiel den Bericht des Winnebago-Indianers Thunder Cloud (Radin: Reincarnations of Thunder Cloud, 60–66); weitere kurze Erinnerungen an frühere Leben siehe z. B. Goulet: Reincarnation as a fact of life, 161; Harkin: Person, time and being, 197. 13 Das Dharmashastra (Gesetzbuch) des Manu stammt möglicherweise aus dem zweiten Jahrhundert, das Dharmashastra des Yajnavalkya aus dem vierten bis fünften Jahrhundert (siehe Olivelle: Dharmaśāstra). 14 Siehe Zander: Geschichte der Seelenwanderung, 31–32; von Glasenapp: Indische Geisteswelt, 155–158. 15 Siehe Bodewitz: Hindu doctrine of transmigration, 13.
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Personale und nichtpersonale Reinkarnationsbegriffe
menschenunmöglich, dem Kreislauf der Wiedergeburten zu entrinnen. 16 Verschiedene indische Bewegungen, wie der Jainismus und der Buddhismus, verfolgten das Ziel, dem bedrückenden Kreislauf der Wiedergeburten zu entkommen. In der europäischen Philosophie der Neuzeit wurde der Gedanke der Vergeltung durch Reinkarnation in positiverem Licht gesehen. Schopenhauer sah den »Mythos von der Seelenwanderung«, der im »Bewusstseyn [der] ewigen Gerechtigkeit« lehre, »daß alle Leiden, welche man im Leben über andere Wesen verhänge, genau durch die selben Leiden wieder abgebüßt werden müssen«, in unübertroffener Nähe zur »philosophischen Wahrheit«. 17
Personale Reinkarnation als Voraussetzung für Entwicklung durch Reinkarnation In der europäischen Moderne entfaltete sich der Gedanke der Entwicklung durch Reinkarnation. 18 Lessing fragte in der Erziehung des Menschengeschlechts: »Warum sollte ich nicht so oft wiederkommen, als ich neue Kenntnisse, neue Fertigkeiten zu erlangen geschickt bin?« 19 Und: »Ist es denn schlechterdings so ganz unsinnig, daß ich auf meinem Wege der Vervollkommnung wohl durch mehr als eine Hülle der Menschheit durchmüßte?« 20 Nach Allan Kardec (1804–1869), dem Begründer des Spiritismus, verhält es sich ähnlich: Das »materielle Leben« ist eine »Prüfung, welche die Geister zu wiederholten Malen zu bestehen haben, um einen gewissen Grad der Vollkommenheit zu erlangen«. 21 Die Geister Kardecs sind die menschlichen Personen. 22 Lessings und Kardecs Entwicklungsgedanke setzt personale Reinkar16
Siehe das in Zander: Geschichte der Seelenwanderung, 32–33, wiedergegebene, häufig zitierte Gedicht des indischen Dichters und Heiligen Tukaram (1598–1650). 17 Schopenhauer: Welt als Wille und Vorstellung, 1:420–422. 18 Siehe Zander: Geschichte der Seelenwanderung, 636–638. 19 Lessing: Erziehung des Menschengeschlechts, 89 (§ 98). 20 Lessing: Anmerkungen, 38. Siehe zu Lessings Bedeutung für die europäische Geschichte der Reinkarnationsidee Zander: Geschichte der Seelenwanderung, 11–12, 344–352. 21 Kardec: Buch der Geister, 22; siehe ausführlicher ebd. 69, §§ 132–133; 78–85, §§ 150–199. Auf Kardecs Grabstein ist zu lesen: »Naitre, mourir, renaitre encore et progresser sans cesse, telle est la loi« (»Geboren werden, sterben, erneut geboren werden und unaufhörlich fortschreiten, das ist das Gesetz«) (de Maubertuis: L’évolution spirituelle, 38). 22 Siehe oben S. 25.
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Personale und nichtpersonale Reinkarnationsbegriffe
nation voraus. Eine Person könnte sich nicht im Lauf der Reinkarnation vervollkommnen, wenn sie keine reinkarnationsübergreifende Existenz besäße. Die westliche Idee einer Entwicklung durch Reinkarnation wirkte zurück auf den modernen Hinduismus. 23
Personale Reinkarnation als Illusion im Advaita-Vedānta Wenn ich nun zu den nicht-personalen Reinkarnationsvorstellungen übergehe, möchte ich zunächst zwei pantheistische Ansätze besprechen, in denen die menschliche Person und damit auch personale Reinkarnation nur als Schein vorkommt. Im Hinduismus, der ursprünglich keine Reinkarnation kannte, 24 herrscht zwar die Idee einer personalen Wiedergeburt. Das individuelle Selbst, Ātman, bleibt im Kreislauf der Wiedergeburten identisch: 25 »So wie ein Mensch abgetragene Kleidung wegwirft und neue, andere anlegt, so wirft das verkörperte Selbst die verbrauchten Körper weg und verbindet sich mit anderen, die neu sind.« 26 Jedoch leugnet das im Westen bekannteste der philosophischen Lehrsysteme des Hinduismus, der Advaita Vedānta, die Existenz eines individuellen Selbst. Es gebe in Wirklichkeit nur das göttliche Brahman. Die Vielheit bewusster Wesen sei eine Illusion, wie auch die Welt der Erscheinungen. 27 »Brahman allein ist real, die Welt ist eine Erscheinung, Ātman nichts als Brahman«, soll Adi Shankara, einer der Begründer des Advaita Vedānta, geschrieben haben. 28 Wenn die Vielzahl von Personen Illusion ist, dann kann auch eine Reinkarnation von Personen nur Illusion sein.
Personale Reinkarnation als Fortsetzung eines Traums Die Auflösung der Person in einer höheren, transpersonalen Realität kennzeichnet auch das Reinkarnationskonzept von Jim Tucker, einem 23
Siehe Zander: Geschichte der Seelenwanderung, 550–554. Siehe Bodewitz: Hindu doctrine of transmigration, 9–11; Schneider: Wiedergeburt, 1534. 25 Siehe von Brück: Ewiges Leben, 276–278; Knott: Hinduismus, 23, 55. 26 Bhgavad Gita 2,13 (Übersetzung von Brück: Ewiges Leben, 276). 27 Siehe ausführlich Bartley: Vedānta. 28 Zitiert nach Bowker: Lexikon der Weltreligionen, 21. 24
30 https://doi.org/10.5771/9783495823637 .
Personale und nichtpersonale Reinkarnationsbegriffe
der derzeit führenden Reinkarnationsforscher. 29 Spekulationen zur Rolle des Beobachters in der Quantenphysik führen Tucker zu der Vorstellung, die physikalische Welt sei durch die Gesamtheit der Beobachter erzeugt. Er vergleicht die Rolle der Beobachter mit Träumern, weil Träumer ebenfalls eine Welt, nämlich die jeweilige Traumwelt, erzeugten. Die physikalische Welt sei im Unterschied zu den normalen, individuellen Traumwelten wie ein Traum, der allen Beobachtern gemeinsam sei. 30 Im Tod begönnen die Menschen einen neuen Traum, der von Individuum zu Individuum unterschiedlich sei. 31 Sie könnten aber unter gewissen Umständen in den Traum vor ihrem Tod zurückfallen. 32 Dieser Rückfall sei das, was Tucker als Reinkarnation bezeichnen würde. Für unsere Fragestellung ist es nun wichtig, dass er die menschlichen Akteure in den Träumen, die die irdische Welt konstituieren, nicht mit dem identifiziert, was man gewöhnlich unter menschlicher Person versteht. Er vergleicht diese Traumakteure vielmehr mit Rollen von Schauspielern. 33 Das Wesen, das denjenigen Traum träumt, der das irdische menschliche Leben ist, nennt Tucker »Träumer«, aber auch »Person«, 34 »Individuum«, 35 »Ich« beziehungsweise »Wir« 36 und »Schauspieler«. 37 Der Träumer wäre dann folglich das potenzielle Subjekt einer Reinkarnation. Jedoch ist auch er keine Person im gewöhnlichen Sinne. Tuckers Traummodell steht nämlich vor der Frage, wie die Träumer so verbunden und koordiniert sein können, dass daraus eine kohärente gemeinsame Traumwelt resultieren kann. Tuckers Antwort, wie ich sie verstehe, lautet: So wie die Figuren in meinen nächtlichen Träumen aus ein und demselben Bewusstsein entstehen, nämlich aus dem meinigen, so entstehen die Träumer 38 ebenfalls aus einem einzigen Be-
29
Siehe Tucker: Return to life, 165–219. Tucker: Return to life, 192. 31 Tucker: Return to life, 195. 32 Tucker: Return to life, 200. 33 Tucker: Return to life, 208. 34 Tucker: Return to life, 210; ebd. 209 wird »Person« hingegen mit dem Subjekt eines einzelnen Lebens identifiziert. 35 Tucker: Return to life, 210. 36 Tucker: Return to life, 208, 210. 37 Tucker: Return to life, 209. 38 Zu Tuckers Modell passt es allerdings nicht, dass er die Träumer, die die physische Welt erschaffen, gleichzeitig auch Individuen in der physischen Welt nennt (Tucker: Return to life, 212). 30
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Personale und nichtpersonale Reinkarnationsbegriffe
wusstsein, 39 einem einzigen Geist, 40 den er auch Gott nennt. 41 Die Wesen, die die physische Welt und die Erdenleben der Menschen träumend erschaffen, werden also ihrerseits von einem allumfassenden Geist geträumt. Sie sind dessen Gedanken. 42 Der Akteur eines menschlichen Erdenlebens ist bei Tucker somit ein Gedanke zweiter Stufe: Er ist der Inhalt eines Traums des eigentlichen individuellen Selbst, des Träumers, dieser ist allerdings wiederum ein Gedanke des einen, allumfassenden Geistes. Personen können aber, begrifflich gesehen, nicht als Gedanken angesehen werden, weil Gedanken keine Bewusstseins- und Handlungssubjekte sein können. Wenn es aber in Tuckers Ansatz keine Personen im normalen Sinne gibt, dann erst recht keine personale Reinkarnation.
Nichtpersonale Reinkarnation in indigenen Kulturen Neben Ansätzen, in denen personale Reinkarnation immerhin als Schein vorkommt, gibt es verschiedene offen nichtpersonale Reinkarnationskonzepte. Man findet sie auch in indigenen Kulturen. Zu nichtpersonalen Reinkarnationskonzepten zählt die Überzeugung, eine verstorbene Person könne sich gleichzeitig in mehreren Lebenden reinkarnieren (multiple Reinkarnation) 43 oder umgekehrt ein Lebender die Reinkarnation mehrerer Verstorbener sein. 44 Auch die Möglichkeit einer Reinkarnation noch zu Lebzeiten (Konvivenz der Inkarnationen) wird angenommen, 45 ebenso der Verbleib und die Ansprechbarkeit des Verstorbenen im Jenseits bei gleichzeitiger Reinkarnation (Mehrfachgegenwart im Jenseits und Diesseits). 46 Bei Formen 39
Siehe Tucker: Return to life, 211–212. Siehe Tucker: Return to life, 215. 41 Siehe Tucker: Return to life, 218. 42 Tucker bezeichnet die Träumer als »bloße Gedankenströme eines einzigen großen Geistes« (Return to life, 219); ein Träumer sei »wie ein einzelner Gedankenstrang in einem großen Geist« (ebd. 217). 43 Siehe Mills: Reincarnation belief, 28–29; Bergunder: Reinkarnationsvorstellungen; Matlock: Signs, 297. In der westlichen Esoterik werden solche Fälle auch als »Seelensplittung« bezeichnet (siehe Matlock: Signs 267, 297). 44 Siehe Bergunder: Wiedergeburt der Ahnen, 249, 253, 366; Matlock: Reincarnation ideologies, 61–62. 45 Siehe Bergunder: Wiedergeburt der Ahnen, 362–366, und die Beispiele ebd. 111, 132, 157. 46 Siehe Bergunder: Wiedergeburt der Ahnen, 362–366; Matthias Güldenstein hat 40
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Personale und nichtpersonale Reinkarnationsbegriffe
von Reinkarnation, die die Zahl der Personen im Reinkarnationsprozess vermindern oder vermehren, kann es nicht um personale Reinkarnation gehen. Personen kann man nach allgemeiner Ansicht nicht fusionieren oder vervielfältigen.
Nichtpersonale Reinkarnation im Buddhismus Im buddhistischen Volksglauben dominiert anscheinend wie im Hinduismus die Überzeugung, dass man selbst, also die Person, wiedergeboren wird. 47 Dem widerspricht jedoch die buddhistische NichtSelbst-Lehre (Sanskrit: Anātman, Pāli: Anattā). Das, was wir eine menschliche Person nennen, sei nur ein temporäres Zusammenkommen von fünf verschiedenen ›Aggregaten‹ (Skandhas). 48 Eine Person, die im Wechsel der körperlichen und seelischen Vorgänge identisch bleibt, gebe es in Wirklichkeit nicht 49 und somit auch niemanden, der für seine Taten verantwortlich gemacht, belohnt oder bestraft werden könnte. Der buddhistische Gelehrte Buddhaghosa soll geschrieben haben: »Kein Täter wird jemals gefunden / Niemand, der jemals die Früchte erntet, / Nur bloße Erscheinungen folgen einander – / Nur diese Erkenntnis ist richtig und wahrhaftig.« 50 Es ist schwierig zu sagen, was eigentlich wiedergeboren wird, wenn es nur Erscheinunsolche Vorstellungen auch auf Bali angetroffen. Der Ahne werde dabei als eine Art Schutzgeist des Kindes angesehen (pers. Mitteilung vom 2. Juli 2018). 47 Siehe oben S. 28. 48 Siehe Bowker: Oxford Lexikon der Weltreligionen, 56–57; Keown: Dictionary of Buddhism, entry »skandha«; Meier: Nachtod- und Wiedergeburtsvorstellungen im Buddhismus, 81; von Brück: Wiedergeburt in Hinduismus und Buddhismus, 96. 49 Paradigmatisch wurde dies im Milindapanha, das eine legendäre Unterredung des buddhistischen Weisen Nagasena (Nagaseno) mit den indogriechischen König Milinda (Menander I.) schildert, am Beispiel eines Wagens erläutert. Nagasena argumentiert, man könne zwar die Deichsel, die Achse, die Räder, den Wagenkasten und so weiter nachweisen, aber der Wagen selbst sei nirgends zu entdecken und existiere daher nicht. Die Bezeichnung ›Wagen‹ sei nur eine »landläufige Ausdrucksweise«. Dann wendet Nagasena dieses Denkschema auf seine eigene Person an: »Gerade so aber auch, o König, entsteht in Abhängigkeit von Kopfhaaren, Körperhaaren, Zähnen, Nägeln usw. der Name, die Bezeichnung, der Begriff, die landläufige Ausdrucksweise und das Wort ›Nāgasena‹. Im höchsten Sinne aber ist da eine Wesenheit nicht vorhanden« (zit. nach Eliade & Lanczkowski: Geschichte der religiösen Ideen – Quellentexte, 435). 50 Buddhaghosha: The path of purification, 627 [XIX.20], Übers. Bor & Petersma: Illustrierte Geschichte der Philosophie, 77.
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Personale und nichtpersonale Reinkarnationsbegriffe
gen und Prozesse geben soll. 51 Trotzdem hat die buddhistische Philosophie versucht, am Reinkarnationsgedanken festzuhalten. Die Lösungsansätze und Diskussionen sind aber zu komplex, um hier darauf eingehen zu können. 52
Nichtpersonale Reinkarnationskonzepte in der Reinkarnationsforschung In der zeitgenössischen, empirischen Reinkarnationsforschung spielen nichtpersonale Reinkarnationskonzepte anscheinend eine etwas größere Rolle als bei der Masse der Reinkarnationsanhänger. Vielleicht liegt dies unter anderem daran, dass die Befunde der Reinkarnationsforschung nicht recht zu einer personalen Reinkarnationsdeutung passen wollen. Ich werde hier kurz die Ansätze von Scott Rogo und James Matlock besprechen. Beide leugnen die Existenz von Personen als Subjekten von Vorstellungen, Erfahrungen und Handlungen. Rogo stützt seinen Ansatz auf die Psychonen-Konzeption von Whately Carington (1892–1947). 53 Diese ist eine Variante der Bündeltheorie des Geistes, deren prominentester Vertreter David Hume ist 54 und die im Ansatz schon in der Nicht-Selbst-Lehre des Buddhismus erkennbar ist. 55 Carington folgt Hume auch darin, dass er den Geist (mind) nur aus Sinneseindrücken und Vorstellungsbildern be51
Siehe dazu auch die Besprechung des prozessontologischen Reinkarnationskonzepts von Matlock unten S. 35–36, 38. 52 Siehe dazu z. B. von Brück: Wiedergeburt in Hinduismus und Buddhismus, 92– 122; Conze: Buddhistisches Denken, 175–176. 53 Ganz ähnliche Konzepte, die sich ebenfalls an Carington anlehnen, wurden von ihren Urhebern hingegen als nicht-reinkarnationistisch verstanden (siehe z. B. Keil: Questions of the reincarnation type, 95–97; Murphy: Caringtonian approach; Roll: Changing perspectives on life after death, 203–212). 54 In Hume empiristischer Erkenntnistheorie beruhen alle Vorstellungen und alle Erkenntnisse auf den Eindrücken der äußeren und inneren Sinne. Es gebe nun aber »keinen konstanten und unveränderlichen Eindruck«, aus dem die »wirkliche Vorstellung« »eines Ich oder einer Persönlichkeit« stammen könne (Hume: Traktat über die menschliche Natur, I, 4, 6 [S. 326]). Diese Ausdrücke stünden vielmehr »für ein Bündel oder ein Zusammen (bundle or collection) verschiedener Perzeptionen« (ebd. I, 4, 6 [S. 327]). Siehe auch allgemeiner zur Ablehnung von Substanzen ebd. I, 1, 6 (S. 27–29). 55 Siehe oben S. 33 und Blackburn: Oxford Dictionary of Philosophy, entry »bundle theory of the mind or self«. Die Nähe zum Buddhismus konstatiert auch Rogo (siehe Rogo: Search for yesterday, 215); siehe ferner Murphy: Caringtonian approach, 120.
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Personale und nichtpersonale Reinkarnationsbegriffe
stehen lässt. 56 Er nennt diese Elemente des Geistes Psychonen, analog zum Aufbau der Materie aus Elektronen, Protonen und anderen Elementarteilchen. 57 Die Psychonen werden durch Assoziationen zusammengehalten. 58 Ein Subjekt der Psychonen, also der Sinneseindrücke und Vorstellungsbilder, gibt es nicht. Das, was man normalerweise als geistiges Individuum oder als Person bezeichnet, ist nur ein System von Psychonen, so wie »ein Körper ein System von Zellen, ein Proteinmolekül ein System von Atomen und eine Galaxie ein System von Sternen ist«. 59 Nach dem Tod des Körpers kann ein solches System von Psychonen fortbestehen. 60 Bei Rogo ist das, was weiterlebt, ein »personalisiertes Netzwerk von Erinnerungen«. 61 Ein solches Netzwerk könne mit einem sich entwickelnden Embryo in Kontakt kommen und ihn prägen. Einerseits sagt Rogo zwar, dieser Vorgang sei »nicht wirklich Reinkarnation«, denn das sich entwickelnde neue Leben des Embryos »zapfe« lediglich das überlebende Erinnerungsnetzwerk eines früheren Menschen »an«. 62 Andererseits wagt er abschließend doch von Reinkarnation zu sprechen, zwar nicht von einer Reinkarnation der Person oder Seele, aber doch davon, »dass gewisse, anscheinend verschwundene Erinnerungen und Persönlichkeitsmerkmale tatsächlich wiedergeboren werden können«. 63 Der etwas anders gelagerte Ansatz von Matlock postuliert in Anlehnung an Whiteheads Prozessphilosophie, 64 dass die »fundamentalen Bausteine der Wirklichkeit momentane Ereignisse« sind. 65 Es gibt demnach keine transtemporalen Entitäten wie Personen, sondern nur Ströme von einzelnen, aufeinanderfolgenden Erlebnisereignissen (experiential events). 66 Wenn ich Matlock recht verstehe, könnte ein derartiger subjektloser Bewusstseinsstrom den Tod des Körpers über56
Siehe Carington: Telepathy, 96; Hume: Traktat über die menschliche Natur, I, 1, 1 (S. 8–9). 57 Siehe Carington: Telepathy, 96. 58 Siehe zur Assoziation von Bewusstseinselementen schon Hume: Traktat über die menschliche Natur, I, 4, S. 20–24. 59 Carington: Telepathy, 96–97. 60 Siehe Carington: Telepathy, 137–139. 61 Rogo: Search for yesterday, 215. 62 Rogo: Search for yesterday, 216. 63 Rogo: Search for yesterday, 218. 64 Siehe Whitehead: Process and reality; Jung: Whiteheads Atomistik der Ereignisse. 65 Matlock: Signs of reincarnation, 299: (»the fundamental building blocks of reality are momentary events«). 66 Siehe Matlock: Signs of reincarnation, 124, 304.
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Personale und nichtpersonale Reinkarnationsbegriffe
leben und sich in einem anderen menschlichen Körper erneut inkarnieren. 67 Reinkarnation bestehe in der »Übertragung […] des Bewusstseinsstromes eines menschlichen Wesens auf den Körper eines anderen menschlichen Wesens«. 68 Durch den Kontakt mit einem neuen, anderen Gehirn würden allerdings viele Inhalte aus dem Bewusstsein verdrängt, im Unterbewusstsein jedoch möglicherweise weiterexistieren. 69
Bewusstsein ohne Subjekt? Ist es sinnvoll, Bewusstsein ohne ein Subjekt anzunehmen? Es gibt viele Bedeutungen von ›Bewusstsein‹. Man kann sie, soweit ich sehe, in zwei Grundkategorien unterteilen, in zuständliches und kognitives Bewusstsein. 70 Das zuständliche Bewusstsein wird auch phänomenales oder intransitives Bewusstsein genannt. Es hat ein Subjekt, aber kein Objekt. Der Satz »ich fühle mich froh« beschreibt einen Fall von zuständlichem Bewusstsein. Wenn ein Wesen zuständliches Bewusstsein besitzt, dann fühlt es sich für dieses Wesen irgendwie an, zu sein. 71 Man kann auch sagen, dass es Erleben hat. Ein kognitives Bewusstsein stellt hingegen einen gedanklichen Bezug auf einen Gegenstand dar, ist also ein Bewusstsein von etwas und hat somit nicht nur ein Subjekt, sondern auch ein Objekt, wie dies etwa der Satz »Ich denke an meine Mutter.« ausdrückt. Man spricht auch von intentio-
67
Siehe Matlock: Signs of reincarnation, 255. Matlock: Signs of reincarnation, 301. In Matlocks vollständiger Definition kommt auch, als Synonym zu Bewusstseinsstrom, die Lebenskraft (life force) vor: »Übertragung der Lebenskraft oder des Bewusstseinsstromes eines menschlichen Wesens auf den Körper eines anderen menschlichen Wesens«; vgl. auch Matlock: Signs of reincarnation, 36–37. Den Begriff der Lebenskraft erläutert Matlock jedoch nicht; die Gleichsetzung von Lebenskraft mit Bewusstseinsstrom ist daher begrifflich nicht ohne Weiteres nachvollziehbar. Wenn er Lebenskraft mit zuständlichem Bewusstsein gleichsetzte, müsste Lebenskraft sich notwendig irgendwie anfühlen, was nicht dem gewöhnlichen Begriff einer Kraft entspricht; wenn er Lebenskraft mit kognitivem Bewusstsein gleichsetzte, müsste Lebenskraft notwendig einen Bezug auf einen Gegenstand haben, was ebenfalls nicht im normalen Begriff einer Kraft liegt. 69 Siehe Matlock: Signs of reincarnation, 255. 70 Siehe zum folgenden Chalmers: Hard problem of consciousness; Metzinger: Einleitung, 36–38; Perler & Schierbaum: Einleitung, 47; Schwenke: Zurück zur Wirklichkeit, 161–163. 71 Siehe Nagel: Wie ist es, eine Fledermaus zu sein? 68
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Personale und nichtpersonale Reinkarnationsbegriffe
nalem oder transitivem Bewusstsein. Kognitives Bewusstsein muss, begrifflich gesehen, vielleicht nicht unbedingt zuständlich bewusst sein, aber das besondere, unmittelbare Selbstwissen vom eigenen kognitiven Bewusstsein scheint vorauszusetzen, dass dieses auch zuständlich bewusst ist. 72 Für uns ist hier entscheidend, dass beide Begriffe von Bewusstsein nicht sinnvoll ohne ein Subjekt formulierbar sind. 73 Es kann kein Fühlen, Wollen, Denken oder Erinnern geben, ohne jemanden, der fühlt, wahrnimmt, denkt oder sich erinnert. Das ist eine begriffliche und keine empirische Einsicht. Konzepte, die Bewusstsein ohne Subjekt postulieren, erscheinen als sinnlos und können sich daher weder als wahr noch als falsch erweisen. Eine wissenschaftliche Prüfung wäre schon aus diesem Grund witzlos.
Erinnerungen ohne transtemporales Subjekt? Aus dieser Überlegung ergibt sich allerdings nur, dass Bewusstsein ein Subjekt benötigt, aber nicht unbedingt ein Subjekt, das durch die Zeit hindurch existiert. 74 Das ändert sich jedoch, wenn wir den gängigen Begriff von Erinnerung als Wiedererleben früherer eigener Er72
Siehe Perler & Schierbaum: Einleitung, 47–48. Dominik Perler erkennt schon bei Leibniz die Auffassung, dass »geistige Zustände« – wie etwa »das Denken an die Infinitesimalrechnung« – keine »eigenständige[n] Entitäten« seien, sondern Modi, und dass sie daher nur als »Zustände von etwas und in etwas existieren« könnten (Perler: Was ist eine Person? 334–335). Teichmüller schrieb: »Vorstellungen sind nicht ohne das Vorstellende, Bewegungen nicht ohne das Bewegende, Wollen nicht ohne das Wollende. Darum sagt man auch ›Ich will, Ich denke, Ich fühle‹« (Teichmüller: Die wirkliche und die scheinbare Welt, 135 [72]). Und an einer anderen Stelle: »Denn wenn einer auch alle seine Vorstellungen nebst ihrem Inhalt und alle seine Gefühle und seine Empfindungen zusammenbrächte, und auf einen Wagen legte, so fehlte immer das Ich dabei, das wie die Pferde vorgespannt werden muss, um alles Genannte erst wirklich zu machen. Lieben und Denken ist gar nichts; man spanne das Ich vor, so ist’s wirklich, wie ›ich denke, ich liebe‹ ; denn nicht einmal eine Abstraction oder ein Name ist jenes Ichlose; erst das Ich abstrahirt und benennt; ohne Ich wird aber nichts genannt oder gedacht« (Teichmüller: Neue Grundlegung der Psychologie und Logik, 200[166–67]). Siehe auch Frege: Der Gedanke, 47: »Kann es ein Erleben geben, ohne jemanden, der es erlebt? […] Kann es einen Schmerz geben, ohne jemanden, der ihn hat? Das Empfundenwerden gehört notwendig zum Schmerze, und zum Empfundenwerden gehört wieder jemand, der empfindet.« Siehe ferner von Kutschera: Grundfragen der Erkenntnistheorie, 199. 74 Siehe allerdings unten S. 49 zur inhärenten Transtemporalität von Bewusstseinszuständen. 73
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Personale und nichtpersonale Reinkarnationsbegriffe
lebnisse näher betrachten. 75 Dieser Erinnerungsbegriff setzt voraus, dass das Subjekt der früheren Erlebnisse mit dem Subjekt der aktuellen Erinnerungserlebnisse identisch ist. Das Subjekt muss eine zeitübergreifende, transtemporale Identität besitzen, die diese Bewusstseinsereignisse umfasst. Im Rahmen einer Konzeption, die ein zeitübergreifendes Bewusstseinssubjekt leugnet, kann es folglich aus begrifflichen Gründen keine Erinnerung im Sinne eines Wiedererlebens geben und erst recht keine derartige Erinnerung an vergangene Leben. Es wäre inkohärent, wie Rogo ein zeitübergreifendes Subjekt zu leugnen und trotzdem von Erinnerungen und gar noch von einer Reinkarnation von Erinnerungen zu sprechen.
Können sich Ereignisse reinkarnieren? An Matlocks prozessontologisches Reinkarnationskonzept knüpft sich die weitergehende Frage, ob es sinnvoll ist, überhaupt von einer Reinkarnation von Ereignissen, welcher Art auch immer, zu sprechen. Reinkarnation setzt voraus, dass das früher Inkarnierte und das später Reinkarnierte identisch ist. Der Zeitpunkt, an dem ein Ereignis stattfindet, ist allerdings für seine Bestimmung wesentlich. 76 Ein Ereignis, das zu einem bestimmten Zeitpunkt stattfand, kann schon deshalb nicht mit einem Ereignis, dass zu einem späteren Zeitpunkt stattfand, identisch sein. Denn wenn ein Ereignis vorbei ist, dann existiert es nicht mehr, und ein Ereignis zu einem späteren Zeitpunkt ist notwendig ein anderes Ereignis. Aus rein begrifflichen Gründen können sich Ereignisse also nicht reinkarnieren. Das verhindert auch, dass sich Ströme von Bewusstseinsereignissen reinkarnieren können, wie dies Matlock annimmt. Ein Strom oder eine Folge von Bewusstseinsereignissen ist nämlich nichts, das zu den einzelnen Bewusstseinsereignissen hinzukommt.
75 76
Siehe dazu ausführlicher unten S. 55. Siehe Lorenz: Ereignis, 359.
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Personale und nichtpersonale Reinkarnationsbegriffe
Können Persönlichkeitsmerkmale ohne zugehöriges Subjekt existieren und wiedergeboren werden? Rogo spricht davon, dass Persönlichkeitsmerkmale wiedergeboren werden können. 77 Gleichzeitig lehnt er aber die Existenz eines Subjekts ab, dem diese Persönlichkeitsmerkmale zukommen und das den Tod überleben und sich reinkarnieren könnte. Er unterstellt also, dass Persönlichkeitsmerkmale wie etwa Fleiß oder Ernsthaftigkeit für sich existieren können. Das ist jedoch keine sinnvolle Vorstellung. Merkmale sind begrifflich immer Merkmale von etwas. Fleiß oder Ernsthaftigkeit können nicht für sich angetroffen werden, sondern nur an einem Subjekt. Wenn es aber rein begrifflich keine Persönlichkeitsmerkmale ohne Subjekt geben kann, dann erst recht keine sich reinkarnierenden Persönlichkeitsmerkmale ohne Subjekt.
Zur Kritik an begrifflichen Argumenten Nach den vorstehenden begrifflichen Überlegungen scheinen die gängigen nichtpersonalen Reinkarnationskonzepte sinnlos zu sein. Man könnte gegen begriffliche Argumentationen grundsätzlich einwenden, dass sich in der Begrifflichkeit, die bei den Urteilen über begriffliche Inkonsistenz als gültig vorausgesetzt wird, bestimmte Theorien manifestierten, die keineswegs unbedingte Geltung besäßen. 78 Andere, entgegenstehende Theorien seien denkbar, auch wenn sie sich etwa im Deutschen nicht formulieren ließen. Diesem Argument könnte man allerdings entgegenhalten, dass bestimmte Theorien so tief in der menschlichen Lebenspraxis verankert sind, dass ein Mensch sie kaum leugnen kann, ohne in Widerspruch zu den stillschweigenden Voraussetzungen des eigenen Handelns zu geraten. Ich werde das weiter unten für den Begriff der Person als transtemporales Bewusstseins- und Handlungssubjekt zu zeigen suchen. 79
77
Siehe Rogo: Search for yesterday, 218. Robert Almeder meint anscheinend ganz ähnlich, dass wesentliche Merkmale einer menschlichen Persönlichkeit ohne das menschliche Subjekt überleben und anschließend in anderen menschlichen Körpern wohnen könnten (siehe Almeder: Critique of arguments offered against reincarnation, 502). 78 In diese Richtung wohl Murphy: Caringtonian approach, 120. 79 Siehe unten S. 49.
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Reinkarnation und Wissenschaft
Kann Wissenschaft prüfen, ob es Reinkarnation gibt? Die moderne wissenschaftliche Reinkarnationsforschung ist nach meinem Eindruck überwiegend beweisorientiert. Ihr oberstes Ziel, so scheint es, ist die Prüfung, ob es tatsächlich Fälle von Reinkarnation gibt. 1 Dagegen möchte ich im Folgenden zeigen, dass ein beweisorientiertes Vorgehen in der Reinkarnationsfrage zum Scheitern verurteilt ist. Meine Argumentation würde nicht nur für personale Reinkarnation, sondern auch für eine nichtpersonale Reinkarnation von Bewusstsein gelten, wenn letztere nicht begrifflich inkonsistent wäre.
Bewusstsein mit intersubjektiven Methoden nicht erfassbar Nach den methodischen Vorgaben der modernen Wissenschaften muss jede wissenschaftliche Untersuchung mit klar definierten, intersubjektiven Methoden operieren, durch deren Anwendung grundsätzlich beliebige Personen zu einem gleichen oder sehr ähnlichen Ergebnis gelangen können. Diese intersubjektive Nachvollziehbarkeit oder Reproduzierbarkeit der Untersuchungsergebnisse ist wohl die zentrale methodische Norm moderner Forschung. Sie ist nicht auf Naturwissenschaften beschränkt. Mathematische Beweise, philologische Interpretationen und philosophische Argumentationen können und sollen intersubjektiv nachvollziehbar sein. 2 Mit intersubjektiven 1 Wissenschaftlich nachzuweisen, dass es keinen Fall von Reinkarnation gibt, scheint bereits logisch unmöglich zu sein. Siehe zur Nichtfalsifizierbarkeit von universellen Es-gibt-Sätzen Popper: Logik der Forschung, 40 mit Anm. 2 Siehe dazu Schwenke: Zurück zur Wirklichkeit, 296–301; Schwenke: Epistemischer Partikularismus, 70–73.
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Reinkarnation und Wissenschaft
Methoden können wir Menschen nun zwar physische Zustände und Vorgänge, wie zum Beispiel auch Gehirnzustände oder -prozesse, ermitteln, aber weder zuständliches noch kognitives Bewusstsein. 3 Daran ändern alle Erkenntnisse zum Zusammenhang zwischen Bewusstsein und physiologischen Vorgängen nichts. Die psychophysische Forschung kommt nämlich zu ihren Ergebnissen nicht ohne eine Befragung von Probanden. Wenn sie Bewusstseinszustände und -inhalte der Probanden mit physiologischen Messdaten korrelieren will, kann sie erstere nicht messen, sondern muss sie von den Probanden erfragen. Die Richtigkeit der Aussagen der Probanden über ihr Bewusstsein kann nicht mit wissenschaftlichen Methoden überprüft werden. Das bedeutet, wenn ein Proband fälschlich zu Protokoll gäbe, er habe Schmerzen gehabt oder an eine Pandemie gedacht, obwohl das nicht der Fall war, dann ist es nicht möglich, die Falschheit der Aussagen des Probanden mit wissenschaftlichen Methoden nachzuweisen. 4 Man könnte zwar bereits anerkannte psychophysische Gesetzmäßigkeiten gegen die Aussage des Probanden ins Feld führen und behaupten, es sei sehr unwahrscheinlich, dass dieser Mensch keine Schmerzen empfunden oder nicht an eine Pandemie gedacht habe, weil andere Probanden bei ähnlichen Gehirnaktivitäten berichteten, sie hätten Schmerzen empfunden oder an eine Pandemie gedacht. Das Problem der wissenschaftlichen Unerreichbarkeit von Bewusstsein wird dadurch aber nicht beseitigt: Ein bereits wissenschaftlich anerkannter Zusammenhang zwischen Gehirnzuständen auf der einen Seite und Bewusstseinszuständen und -inhalten auf der anderen Seite beruht, was die Bewusstseinsseite angeht, auf Vertrauen in die Aus3
Siehe dazu und zum folgenden Schwenke: Begegnungen mit Personen aus anderen Welten, 42–43; ausführlicher Schwenke: Transzendente Begegnungen, 172–178; Schwenke: Außersinnliche Wahrnehmung, 113–116; siehe auch Schwenke: Wissenschaftliche Methode. 4 Siehe den Bericht des Hirnforschers und Anthropologen Andreas Roepstorff, der sich als Proband bei einem psychophysischen Experiment nicht daran hielt, an was er während des Experiments denken sollte (siehe van Lommel: Endloses Bewusstsein, 194–196). Roepstorffs Fazit: »Bewusstsein ist also prinzipiell nicht verifizierbar und genügt somit nicht den Anforderungen der Naturwissenschaften« (ebd. 195). Siehe auch Jack & Roepstorff: Why trust the subject? Dieser Einsicht scheint sich der Neurophilosoph Michael Pauen zu verschließen, wenn er behauptet, wir Menschen seien in der Lage, »mentale Zustände mit objektiven Methoden zu erfassen« (Pauen: Natur des Geistes, 278). Ein Beispiel für eine solche Methode nennt er nicht. Hingegen erkannte schon Bergson, dass es »im Wesen der geistigen Dinge [liegt], dass sie sich zur Messung nicht hergeben« (Bergson: »Geistererscheinungen«, 70).
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Reinkarnation und Wissenschaft
sagen von Probanden. Wenn jemand die Aussage einer Person über ihren Bewusstseinszustand und -inhalt anhand einer etablierten psychophysischen Korrelation in Zweifel zöge, würde er nur denjenigen Probanden, deren Aussagen in die Korrelation eingingen, mehr Vertrauen schenken als der kritisierten Person. Es handelte sich dann um das Ausspielen von Aussage gegen Aussage, um ein mehr und weniger Vertrauen, aber nicht um das Ergebnis einer intersubjektiven Methode.
Epistemische Asymmetrie in Bezug auf Bewusstsein Die Feststellung, dass Bewusstsein außerhalb des Zugriffs intersubjektiver wissenschaftlicher Methoden liegt, wird dadurch erhärtet, dass wir Menschen, soweit ich sehe, im alltäglichen Leben davon ausgehen, dass ein Mensch – und grundsätzlich wohl jede Person – besser als andere über seine eigenen Bewusstseinszustände und -inhalte Bescheid weiß. Wenn ein Patient zu einem Arzt sagte: »Ich habe starke Schmerzen«, und dieser darauf entgegnen würde: »Das kann nicht sein, ich weiß es besser als Sie«, dann würde die Behauptung des Arztes den allermeisten von uns verrückt vorkommen. 5 Wenn nicht jeder den gleichen Erkenntniszugang zu einem bestimmten Gegenstandsbereich hat, besteht eine epistemische Asymmetrie. 6 Auf der Annahme einer epistemischen Asymmetrie in Bezug auf Bewusstsein beruht die besondere epistemische Autorität, die wir Menschen normalerweise einer Person hinsichtlich ihres eigenen Bewusstseins zuerkennen. 7
Epistemische Symmetrie hinsichtlich wissenschaftlicher Gegenstände In den modernen Wissenschaften herrscht hingegen das Postulat der epistemischen Symmetrie. Es wird angenommen, dass jeder, und sei 5
Siehe Schwenke: Intuition und Person, 12. Siehe Baier: Smart on sensations, 99; Metzinger: Einleitung, 40–42. ›Epistemisch‹, von griech. ἐπιστήμη, heißt hier »in Bezug auf Erkenntnis, Wissen«. 7 Siehe zu dieser besonderen epistemischen Autorität der ersten Person Baier: Pains, 3–6; Baier: Smart on sensations, 98; Wright et al.: Introduction, 1–2. 6
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es Albert Einstein selbst, prinzipiell den gleichen Erkenntniszugang zu den Gegenständen der Wissenschaft hat. Dieser gleichartige Erkenntniszugang wird durch intersubjektive Untersuchungsmethoden ermöglicht. Wegen der epistemischen Symmetrie wird niemandem eine besondere epistemische Autorität in Bezug auf die Objekte der Wissenschaft zugestanden. Wäre Bewusstsein mit wissenschaftlichen Methoden erfassbar, dann hätte jeder prinzipiell denselben Erkenntniszugang zum Bewusstsein einer Person. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn Bewusstsein ein Gehirnzustand wäre. Dann würde es keine epistemische Asymmetrie in Bezug Bewusstsein geben, und eine besondere epistemische Autorität hinsichtlich des eigenen Bewusstseins würde nicht anerkannt. Andere könnten eine Person darüber belehren, was sie empfindet, will oder denkt, genauso wie sie sie darüber belehren könnten, was in ihrem Gehirn vor sich geht. Das würden die allermeisten von uns zurückweisen wollen. Wer aber eine besondere epistemische Autorität hinsichtlich des eigenen Bewusstseins für sich in Anspruch nimmt und gleichzeitig zugibt, dass hinsichtlich wissenschaftlicher Gegenstände keine epistemische Autorität gelten soll, kann das eigene Bewusstsein nicht für einen Gegenstand der Wissenschaft erklären, ohne inkonsistent zu sein.
Das argumentum ad hominem Das Argument, das ich zuletzt vorgebracht habe, bezeichne ich in Anlehnung an John Locke und Henry Johnstone als argumentum ad hominem. Locke verstand darunter, »jemanden mit Folgerungen in die Enge zu treiben, die man aus seinen eigenen Prinzipien oder Zugeständnissen hergeleitet hat«. 8 Johnstone schreibt ähnlich, ad hominem zu argumentieren bedeute, jemand aufzufordern, zwischen zwei oder mehr unvereinbaren Prinzipien oder Konzessionen, auf die sich diese Person festgelegt habe, zu wählen. 9 Ich verwende das argumentum ad hominem nicht nur gegen konkrete Opponenten, sondern auch gegen beliebige Vertreter einer bestimmten Überzeugung, die 8
Locke: Essay 4, 17, 21.III (Übers. Locke: Versuch über den menschlichen Verstand, 2:390). 9 Siehe Johnstone: Selbstanwendung, 429. Johnstone vertritt die Ansicht, dass »alle gültigen philosophischen Argumente ad hominem sind«. Es gebe »keine Fakten, die man derart als Basis eines philosophischen Arguments servieren kann, daß alle Philosophen sie anerkennen müssen« (siehe ebd., 420–421).
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Reinkarnation und Wissenschaft
mit mindestens einer anderen Überzeugung nicht vereinbar ist, der sie selbst aller Wahrscheinlichkeit nach zumindest implizit in ihrer alltäglichen Lebenspraxis oder in ihrer Berufspraxis, beispielsweise als Wissenschaftler, zustimmen. Ich werde von diesem Argument im Folgenden noch weiteren Gebrauch machen. 10
Bewusstsein auch in Zukunft nicht wissenschaftlich erfassbar Könnte Bewusstsein, wenn es schon derzeit nicht mit wissenschaftlichen Methoden erfassbar ist, so doch eines Tages wissenschaftlich erfassbar sein? 11 Gegen diese Möglichkeit spricht folgende Überlegung: Nicht jedem beliebigen Versuch des Erkenntnisgewinns wird der Name »Wissenschaft« zuerkannt. Das, was gegenwärtig allgemein als Wissenschaft (und nicht nur als Naturwissenschaft) gilt, ist zwar nicht durch fixe Inhalte, aber doch durch methodische Normen gekennzeichnet. Eine solche Norm habe ich bereits erwähnt: Wissenschaftliche Untersuchungen sollen mit intersubjektiven, das heißt von jedermann prinzipiell gleichermaßen anwendbaren Untersuchungsmethoden durchgeführt werden. 12 Ein weiteres methodisches Gebot ist das Führen eines wissenschaftlichen Diskurses. Das Ergebnis einer wissenschaftlichen Untersuchung stellt noch kein wissenschaftliches Wissen dar, solange es nicht publiziert und von der Fachwelt im Diskurs akzeptiert worden ist. Das bedeutet: Wissenschaftliches Wissen kann nach den in der Wissenschaft geltenden methodischen Normen nicht ohne einen wissenschaftlichen Diskurs erzeugt werden. Nun würde aber ein wissenschaftlicher Diskurs nicht mehr funktionieren, wenn Bewusstsein mit wissenschaftlichen Methoden erfassbar wäre. Denn wenn Bewusstsein wissenschaftlich erfassbar wäre, dann würde es keine epistemische Asymmetrie in Bezug auf Bewusstsein geben. Folglich würde auch keine besondere epistemische Autorität hinsichtlich des je eigenen Bewusstseins anerkannt. Ein wissenschaftlicher Diskurs ist jedoch auf genau diese Autorität angewiesen. In einem Diskurs schreiben sich die Diskursteilnehmer 10
Siehe insbesondere unten S. 47, 49. Siehe zum Folgenden auch Schwenke: Wissenschaftliche Methode; Schwenke: Außersinnliche Wahrnehmung als Erleben, 115–116; Schwenke: Transzendente Begegnungen, 182–184; Schwenke: Begegnungen mit Personen aus anderen Welten, 46. 12 Zu intersubjektiven Methoden in den Geisteswissenschaften siehe Schwenke: Zurück zur Wirklichkeit, 296–301; Schwenke: Epistemischer Partikularismus, 70–73. 11
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Reinkarnation und Wissenschaft
selbst unter anderem Meinungen, Zweifel, Fragen, Wünsche oder Zustimmung zu. Diese Formen von kognitivem Bewusstsein bezeichne ich als epistemische Einstellungen. 13 Sie werden durch Sätze wie »Ich halte diese Theorie für inkohärent«, »Ich bezweifle, dass die Quellen des Autors zuverlässig sind« oder »Ich würde gerne wissen, ob der Autor alle relevanten Daten veröffentlicht hat« ausgedrückt. Selbstzuschreibungen von epistemischen Einstellungen sind für einen wissenschaftlichen Diskurs konstitutiv, das heißt, ohne sie gäbe es keinen Diskurs. Würden sie nicht ohne wissenschaftliche Prüfung akzeptiert, wäre der Diskurs blockiert. Eine wissenschaftliche Prüfung der Selbstzuschreibungen von epistemischen Einstellungen würde nämlich nicht nur Untersuchungen mit intersubjektiven, wissenschaftlichen Methoden, sondern auch einen weiteren wissenschaftlichen Diskurs über das Resultat dieser Untersuchungen erfordern, wenn dieses Resultat wissenschaftliches Wissen werden soll. Dabei würde sich das Problem der Diskursblockade wiederholen, falls die diskurskonstitutiven Selbstzuschreibungen der Diskursteilnehmer nicht ohne wissenschaftlichen Prüfungsversuch akzeptiert würden. Es drohte ein infiniter Untersuchungsregress, der die Bildung eines wissenschaftlichen Konsenses und damit die Erzeugung wissenschaftlichen Wissens unmöglich machte. Solange ein Diskurs als methodisches Erfordernis wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns gilt, wird Wissenschaft nur dann möglich sein, wenn Wissenschaftler die besondere epistemische Autorität einer Person hinsichtlich ihres eigenen Bewusstseins anerkennen und dieses also gerade nicht als Gegenstand der Wissenschaften behandeln.
13
Siehe dazu z. B. Doherty: Epistemische Bedeutung, 18. Ähnlich Begriffe sind ›propositionale Einstellungen‹ und ›doxastische Einstellungen‹. Epistemische Einstellungen werden auch als Untergruppe von propositionalen Einstellungen geführt (siehe Nida-Rümelin: Structural intentions, 41). Andererseits wird ›propositionale Einstellung‹ manchmal zu eng für unsere Zwecke definiert. Nach Ehlich haben es propositionale Einstellungen »mit dem Gewißheitsgrad einer Proposition zu tun. Sie modifizieren also den Wahrheitswert, der einer Proposition zukommt« (Ehlich: Sprache und sprachliches Handeln, 213). Es wird schon aus den oben angeführten Beispielen klar, dass diskurskonstituierende Selbstzuschreibungen nicht immer den Wahrheitswert einer Proposition modifizieren. Außerdem spielt der Wahrheitsbegriff in empirischen Wissenschaften praktisch keine Rolle, es kommt bei Theorien auf Eigenschaften wie Leistungsfähigkeit oder Erklärungskraft an (siehe Schwenke: Wissenschaftliche Methode).
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Reinkarnation und Wissenschaft
Existenz von Personen nicht wissenschaftlich erfassbar Bewusstsein kann als notwendiges, wenn auch nicht als hinreichendes Merkmal von Personen angesehen werden. 14 »Ohne Bewusstsein gibt es keine Person«, schrieb John Locke. 15 Andernfalls könne auch ein Leichnam oder jede beliebige andere Art von Substanz als Person angesehen werden. 16 Personen müssen nicht die ganze Zeit zuständlich bewusst sein – sie sind es zum Beispiel nicht im traumlosen Schlaf –, aber sie müssen die prinzipielle Möglichkeit zu Bewusstsein besitzen. Wenn Bewusstsein aber nicht mit wissenschaftlichen Methoden erfassbar ist und auch nicht in Zukunft erfassbar sein wird, weil dies die Unternehmung, die wir als Wissenschaft bezeichnen, unmöglich machen würde, dann ergibt sich daraus, dass es jetzt und auch in Zukunft unmöglich ist, die Existenz von Personen wissenschaftlich festzustellen. 17
Reinkarnation nicht wissenschaftlich erfassbar Ein beweisorientiertes wissenschaftliches Vorgehen in der Reinkarnationsfrage ist also zum Scheitern verurteilt: Wer an Reinkarnation glaubt, der glaubt damit in aller Regel an ein Weiterleben der Person oder zumindest an ein Weiterleben von Bewusstsein ohne Subjekt nach dem Tod. 18 Da sich jedoch die Existenz von Bewusstsein und damit auch von Personen grundsätzlich dem Zugriff wissenschaftlicher Methoden entzieht, halte ich die übliche beweisorientierte Behandlung der Reinkarnationsfrage für notwendig fruchtlos. 19 14
Zu Person als handelndem Ich oder Subjekt siehe Chisholm: Person and object, 136–137; Müller & Vossenkuhl: Person. 15 Locke: Essay 2, 27, 23. 16 Siehe Locke: Essay 2, 27, 23. 17 Siehe ausführlicher mit weiteren Argumenten Schwenke: Transzendente Begegnungen, 184–186. 18 Siehe dazu kritisch oben S. 36. 19 Deshalb erscheint mir auch die Aussage von Bauer und Keil über Schilderungen von sogenannten »Reinkarnationserfahrungen«, es liege »in der Natur solcher Reinkarnationsberichte, dass man von keinem einzigen Fall mit absoluter Sicherheit sagen kann, er beweise die Reinkarnationshypothese«, als irreführend. Es ist nicht in der »Natur«, also wohl: in bestimmten wesentlichen Merkmalen derartiger Berichte begründet, dass man die Reinkarnationshypothese nicht wissenschaftlich beweisen kann, sondern an der Unmöglichkeit, die Existenz und damit auch die Fortexistenz
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Reinkarnation und Wissenschaft
Annahme der Existenz von Personen in Wissenschaft und Alltagswelt unverzichtbar Wenn es auch unmöglich ist, die Annahme der Existenz von Personen wissenschaftlich zu prüfen und zu belegen, so bedeutet das selbstverständlich nicht, dass es sich dabei um eine besonders fragwürdige Annahme handelt. Vielmehr ist sie eine wesentliche Grundlage sowohl allgemeiner menschlicher Lebenspraxis als auch der Wissenschaftspraxis. Es ist kaum möglich, die Existenz von Personen zu leugnen, ohne mit eigenen, nahezu unverzichtbaren Überzeugungen in Konflikt zu geraten. Vielleicht widerspricht der Akt der Leugnung der Existenz von Personen sogar seinem eigenen Inhalt: Wer etwas leugnet, schreibt sich eine Überzeugung zu, und Wesen, die sich Überzeugungen zuschreiben, darf man wohl als Personen ansehen. Auch in der Wissenschaftspraxis scheint die Annahme der Existenz von Personen unverzichtbar zu sein, und zwar nicht nur von Personen als Bewusstseinssubjekten, sondern auch von Personen als von Bewusstsein geleiteten Handlungssubjekten. Wissenschaftliche Untersuchungen laufen nicht durch sich selbst ab, sondern werden von Personen, die sich von Hypothesen und methodischen Vorschriften, leiten lassen, durchgeführt. Wissenschaftliche Diskurse sind nur dann möglich, wenn die Diskursteilnehmer in der Lage sind, ihr diskursives Handeln, also in erster Linie ihr Reden und Schreiben, durch Gedanken zu bestimmen. Wären die Diskursteilnehmer keine Personen, sondern bewusstlose Biomaschinen, dann würde ihr Verhalten nur durch biologische Mechanismen, aber nicht durch Inhalte bestimmt. 20 Statt eines Diskurses gäbe es nur physische Aktionen und Reaktionen. 21 von Personen wissenschaftlich nachzuweisen. Darüber hinaus gilt natürlich, dass es nirgendwo in den empirischen Wissenschaften, zu denen die Erforschung des Vorkommens von Reinkarnation gehören würde, »absolute Sicherheit« geben kann. Bauer und Keil stellen hier also Anforderungen an die Reinkarnationshypothese, die keine einzige empirisch-wissenschaftliche Hypothese erfüllen kann. Ferner ist die Rede vom »Beweisen« einer Hypothese in den empirischen Wissenschaften nicht sachgerecht, weil man eine empirisch-wissenschaftliche Hypothese mit einer endlichen Anzahl von Versuchen oder Beobachtungen immer nur vorläufig bestätigen kann (siehe Popper: Falsifikation). 20 Siehe Popper: Teil I, 87–88, 105–113; dazu Kuhlmann: Reflexive Letztbegründung, 320–324. 21 Joseph Banks Rhine hielt es für fraglich, dass »der Mensch überhaupt so etwas wie einen Geist hat«, und verlangte dafür eine »faktische Begründung« (Rhine: Zum Pro-
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Reinkarnation und Wissenschaft
Gewissheit anderer Personen übersteigt die Gewissheit wissenschaftlicher Erkenntnis Die Feststellung, dass Personen wissenschaftlich nicht erfassbar sind, aber trotzdem als Grundelement des menschlichen Alltagslebens wie auch des wissenschaftlichen Handelns gelten müssen, wenn man nicht in einen Widerspruch zu eigenen unverzichtbaren Überzeugungen geraten will, wird durch eine weitere Beobachtung harmonisch ergänzt. Alle wissenschaftliche Erkenntnis ist hypothetisch und vorläufig. Der Glaube der meisten Menschen, dass andere Menschen Personen sind, ist jedoch nicht hypothetischer Natur. Wenn jemand sagte, er habe gute wissenschaftliche Belege für die Hypothese, dass seine Mutter eine Person sei und keine bewusstlose Biomaschine, dann käme das den meisten von uns sehr seltsam vor. Denn die Gewissheit, dass die Mutter eine Person ist, übersteigt in aller Regel die Gewissheit, die eine wissenschaftliche Hypothese erreichen kann. 22
blem der spiritistischen Hypothese, 566). Wenn Rhines Begriff des Geistes das Subjekt des Bewusstseins einschließt, dann scheint seine Auffassung von einer mangelnden Reflexion auf die Voraussetzungen von Begründungen zu zeugen, denn alle Begründung setzt Bewusstsein und damit ein Bewusstseinssubjekt voraus.. 22 Siehe Schwenke: Intuition und Person, 14; Schwenke: Lebensrückblick, Perspektivenwechsel, Empathie, 141.
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Erinnerungen als Zugang zur Vergangenheit einer Person
Annahme personaler Transtemporalität in Alltagspraxis und Wissenschaft unverzichtbar Bisher haben wir eine entscheidende Dimension menschlichen Personseins noch nicht thematisiert: die Transtemporalität. Bereits der Umstand, dass Personen Bewusstseinszustände oder Erleben haben, scheint ihre Transtemporalität zu implizieren, denn Bewusstseinszustände sind nicht punktuell, sondern besitzen stets eine zeitliche Ausdehnung. 1 Menschen verstehen sich und andere ganz selbstverständlich als transtemporale Personen, die im Zeitablauf mit sich identisch bleiben. Ohne diese Annahme könnten sie zum Beispiel nicht mehr sinnvoll von ihrer Vergangenheit und ihrer Zukunft sprechen. 2 Sie könnten keiner Person ihre vergangenen Taten vorhalten. Die Sorge um sich selbst oder um andere Personen wegen zukünftiger Ereignisse wäre sinnlos. Auch Wissenschaftler kommen in ihrem Beruf nicht ohne personale Transtemporalität aus. Sie schreiben sich in Veröffentlichungen und Projektanträgen zurückliegende oder geplante wissenschaftliche Arbeiten zu. Sie verfassen Lebensläufe und Publikationslisten, worin sie für sich eine vieljährige personale Exis1
Siehe Crone: Identität von Personen, 42. Siehe dazu z. B. Teichmüller: Neue Grundlegung der Psychologie und Logik, 204 [171]: »Der Begriff von Aelterwerden ist also nur möglich, wenn das Ich numerisch stehen bleibt im Wechsel der Erscheinungen […]. Wäre das Ich nicht qualitativ und numerisch identisch, so wäre es immer bei jedem Bewusstseinsakt neu und könnte die Unterschiede von Jugend und Alter gar nicht machen.« Eine »Biographie« wäre »unmöglich«, »wenn das Subject, dessen Leben erzählt werden soll, immer wechselte«. Nach Teichmüller setzt Zeitbewusstsein grundsätzlich ein »zeitloses«, »unzeitliches«, »ewiges« »Subject« oder »Ich« voraus (Teichmüller: Wirkliche und scheinbare Welt, 240–241 [204–206]); das Ich sei die »Bedingung der Zeitordnung« (Teichmüller: Neue Grundlegung der Psychologie und Logik, 202[169]); »ohne den Gegensatz des Bleibenden gegen das Wechselnde« könne »keine Zeit unterschieden« werden (ebd. 203 [169]).
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Erinnerungen als Zugang zur Vergangenheit einer Person
tenz in Anspruch nehmen. Sie können daher nicht bestreiten, dass es transtemporale Personen gibt, ohne sich in einen Widerspruch zu ihren eigenen Angaben zu verstricken. Wissenschaftliche Preise werden oft für Leistungen verliehen, die Jahrzehnte zurückliegen. Die Preisverleihung wäre sinnlos, wenn die Person, die jene Leistungen erbracht hat, nicht mit dem jetzigen Preisträger identisch wäre.
Ist der physische Körper der Träger personaler Identität? Wie kann man aber nun herausfinden, ob eine bestimmte Person bereits zu einem früheren Zeitpunkt gelebt hat? Wenn der physische Körper einer Person der Träger ihrer Identität wäre, 3 dann hinge der Nachweis, dass eine Person zu einem früheren Zeitpunkt bereits existierte, an dem Nachweis, dass ihr physischer Körper bereits zu diesem Zeitpunkt existierte. Nach dieser Sichtweise wäre Reinkarnation unmöglich, denn sie bedeutet ein erneutes Erdenleben in einem anderen physischen Körper. Vorhin habe ich jedoch zu zeigen versucht, dass die Existenz einer Person als Bewusstseins- und Handlungssubjekt nicht wissenschaftlich erfassbar ist. Wenn man die Existenz einer Person nicht wissenschaftlich erfassen kann, dann auch nicht ihre transtemporale Existenz. Die transtemporale Existenz des physischen Körpers einer Person ist jedoch wissenschaftlich erfassbar. Also scheint sie nicht ausschlaggebend für die transtemporale Existenz einer Person sein zu können.
Erfahrungen der Unabhängigkeit einer Person vom physischen Körper Die Vorstellung, dass der physische Körper nicht entscheidend für die Existenz einer Person ist, deckt sich mit Überzeugungen, zu denen Menschen aufgrund außerkörperlicher Erfahrungen kommen. Zum Beispiel schrieb William Buhlman nach seinem ersten Erlebnis dieser Art:
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So z. B. Penelhum: Survival and disembodied existence, 54–78. Körperliche Identität als notwendige Bedingung personaler Identität vertritt zuvor auch Bernard Williams (siehe Williams: Personal identity and individuation).
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Erinnerungen als Zugang zur Vergangenheit einer Person
Plötzlich musste alles, was ich jemals über meine Existenz und die Welt um mich herum erfahren hatte, neu bewertet werden. Ich hatte immer bezweifelt, dass irgendetwas jenseits der physischen Welt existierte. Jetzt veränderte sich mein Standpunkt vollkommen […]. Vor allem wusste ich nun, dass mein physischer Körper bloß ein vorübergehender Träger für mein wirkliches inneres Ich war[.] 4
Auch die nicht seltenen Erlebnisse der Begegnung mit einer jenseitigen Person, insbesondere mit einem verstorbenen Menschen, werden von vielen Experiencern als Erfahrungsbeweis angesehen, dass eine Person (nach dem Tod) ohne physischen Körper (weiter)leben kann. 5
Ist der Begriff einer Person ohne physischen Körper inkohärent? Terence Penelhum behauptete, die Vorstellung einer Person ohne Körper sei inkohärent und schloss daraus, dass eine körperlose nachtodliche Existenz und anschließende erneute Reinkarnation ebenfalls eine inkohärente Vorstellung sei. 6 Penelhum übersah jedoch, dass eine Existenz ohne physischen Körper nicht bedeutet, ohne irgendeinen Körper zu existieren. Tatsächlich wird die nachtodliche Existenz von Personen weithin subtil-körperlich vorgestellt. 7 Bei Erlebnissen mit jenseitigen Personen werden diese oft mit einem subtilen nichtphysischen Körper wahrgenommen. 8 Bei außerkörperlichen Erfahrungen erleben die Experiencer oft einen subtilen Körper an sich, der vom physischen Körper ablösbar ist und sich wieder mit ihm verbinden kann. 9 Die Vorstellung, dass ein derartiger subtiler Körper den Tod überlebt und sich im Fall der Reinkarnation wieder mit dem neuen physischen Körper verbindet, ist in meinen Augen begrifflich nicht zu beanstanden. Darüber hinaus ist es allerdings fraglich, ob 4
Buhlman: Out of Body, 16. Siehe dazu ausführlich Schwenke: Transzendente Begegnungen, 52–140, 164–165. 6 Siehe z. B. Penelhum: Survival and disembodied existence, 11, 90–91, 103. 7 Siehe Moore: Where are the dead?, 187; Sprandel: Seele der Analphabeten im Mittelalter, und beispielhaft die körperlichen Seelenvorstellungen in Homer: Odyssee XI,206–208; Platon: Phaidon 70a5, 77d8, 80d10. Siehe ferner Poortman: Vehicles of consciousness. 8 Siehe Schwenke: Transzendente Begegnungen, 96–136; Schwenke: Verwechslung der Welten, 27–30. 9 Siehe z. B. Buhlman: Out of Body, 15–16, 21–22, 24–27, 30–31, 47, 50–51; Monroe: Mann mit den zwei Leben, 17–18; Moody: Leben nach dem Tod, 43–47; Ritchie: Return from tomorrow, 36–74. 5
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Erinnerungen als Zugang zur Vergangenheit einer Person
Penelhum Recht hat mit der Behauptung, dass Personsein begrifflich an einen Körper gebunden ist. Dann wäre zum Beispiel der traditionelle Gottesbegriff unsinnig, wonach Gott Person, 10 aber auch reiner Geist ist. 11 Das gleiche würde für Berichte über personale Erfahrungen mit jenseitigen Wesen, die nicht körperlich wahrgenommen wurden, gelten. Teresa von Ávila schildert ein solches Erlebnis. 12 Sind solche Berichte tatsächlich sinnlos, so wie Behauptungen, Cäsar sei eine Primzahl oder es gebe einen Schmerz ohne ein Subjekt, das ihn empfindet, sinnlos sind? Oder geht es nicht hier eher um verschiedene Theorien von Personsein?
Personale Identität als Vorbild der Identität körperlicher Dinge Vielleicht darf eine nichtkörperliche personale Identität sogar als Vorbild für die Identität physischer Körper gelten. Nach Thomas Reid (1710–1796) 13 ist die Identität von Personen vollkommen und ohne Abstufungen: »Die Identität einer Person ist eine vollkommene Identität; wo immer sie real ist, lässt sie keine Grade zu; und es ist unmöglich, dass eine Person zum Teil dieselbe und zum Teil eine andere ist.« 14 Die Identität von Körpern sei hingegen niemals vollkommen; wir würden hier eher aus Gründen sprachlicher Bequemlichkeit von Identität sprechen. 15 Joseph Butler (1692–1752) schrieb bereits ein halbes Jahrhundert zuvor, Personen werde in »strikter und philosophischer Redeweise« Identität zugesprochen, körperlichen Dingen hingegen lediglich in einem »weiten und populären Sinn«. 16 Die transtemporale Identität eines physischen menschlichen Körpers ist tatsächlich weit von vollkommener Identität entfernt. Nicht nur wer10
Siehe Brugger: Summe einer philosophischen Gotteslehre, 196–203. Siehe Origenes: De principiis 1, 1–9; siehe ferner Becker: Gott, 874; von Rudloff: Kleine Laiendogmatik, 48–49. 12 Siehe Teresa von Avila: Buch meines Lebens, XXVII, 2–3 (S. 384–386); siehe ähnliche Beispiele in Alexander: Proof of heaven, 46–48; Fanning: In a place beyond; Schwenke: Transzendente Begegnungen, 76, 79, 83–87. 13 Siehe Kulenkampff: Reid, Thomas. 14 Reid: Essays on the intellectual powers, 319 (»The identity of a person is a perfect identity; wherever it is real, it admits of no degrees; and it is impossible that a person should be in part the same, and in part different«). 15 Reid: Essays on the intellectual powers, 321. 16 Butler: Dissertation 1, 442–443 (»in a strict and philosophical manner«; »in a loose and popular sense«). 11
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Erinnerungen als Zugang zur Vergangenheit einer Person
den alle Atome im Laufe der Jahre ausgewechselt. Auch die Form wandelt sich drastisch vom Embryo bis zum Greis. Selbst das Erbgut des menschlichen Körpers verändert sich mit der Zeit durch spontane und durch Umwelteinflüsse induzierte Mutationen. 17 Es ist wie bei dem vielbemühten Schiff des Theseus, dessen Teile nach und nach durch neue ersetzt werden, weshalb sich irgendwann die berechtigte Frage stellt, ob es sich noch um dasselbe Schiff handelt. 18 Es liegt eigentlich nahe, die Quelle der Vorstellung einer strikten transtemporalen Identität nicht in der Wahrnehmung physischer Gegenstände zu suchen. Thomas Reid schrieb, die personale Identität, die vollkommen sei, sei das »natürliche Maß« der unvollkommenen Identität der Körper. 19 Gustav Teichmüller, der als Begründer des philosophischen Personalismus gelten darf, 20 sah die Identität, die das menschliche Ich an sich selbst erlebt, als Vorbild der transtemporalen Identität physischer Dinge an. 21
Vorrang des Selbstwissens vom eigenen Personsein Im Gegensatz zum physischen Körper scheint Bewusstsein für eine personale Existenz unverzichtbar zu sein. In Bezug auf Bewusstsein herrscht jedoch, wie oben bereits erläutert, nach allgemeiner Auffassung epistemische Asymmetrie: 22 Der epistemische Zugang eines Wesens zu seinem eigenen Bewusstsein ist demjenigen anderer Wesen überlegen. Für Wissenschaft scheint Bewusstsein überhaupt nicht erfassbar zu sein. Aber auch nichtwissenschaftliche, intuitive Zugänge zum Bewusstsein anderer reichen nicht an das Wissen vom eigenen Bewusstsein heran. Nach zahlreichen Erlebnisberichten zu urteilen scheint es zwar möglich zu sein, unmittelbar am Bewusstsein eines anderen Wesens teilzuhaben. 23 Doch würde wohl niemand 17
Siehe Graw: Genetik, 413–429. Siehe Blackburn: Oxford dictionary of philosophy, entry »Ship of Theseus«; Chisholm: Person and object, 89–90, 95–97, 209. 19 Reid: Essays on the intellectual powers, 319. 20 Siehe zu Teichmüller (1832–1888) Schwenke: Zurück zur Wirklichkeit, 29–129. 21 Siehe Teichmüller: Die wirkliche und scheinbare Welt, 240–241[204–206]; dazu Schwenke: Einleitung [WSW], 29–30; Teichmüller: Neue Grundlegung der Psychologie und Logik, 202–206[169–174]; dazu Schwenke: Einleitung [NGPL], 26. 22 Siehe oben S. 42. 23 Siehe unten S. 145. 18
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Erinnerungen als Zugang zur Vergangenheit einer Person
ernsthaft behaupten, dass er gleichgut wie ein anderes Wesen wissen könnte, ob es Bewusstsein besitzt und, wenn ja, was es gerade fühlt, will und denkt. Da der Besitz von Bewusstsein für Personsein essenziell ist, scheint ein Wesen also besser als Dritte wissen zu können, ob es selbst eine Person ist. Der Nachrang des Wissens anderer in Bezug auf die eigene personale Existenz wird vielleicht am Beispiel des Wachkomas anschaulich. Es kommt vor, dass ein Mensch jahrelang bei Bewusstsein und nach unseren Maßstäben eine Person ist, und dies natürlich auch weiß, ohne dass andere, die mit diesem Menschen zu tun haben, dies bemerken und wissen. Ein bekannter Fall ist Julia Tavalaro. 24 Sie wusste während ihres langjährigen Komas, dass sie eine Person war, aber die Menschen um sie herum wussten es nicht. Dasselbe gilt erst recht für den Zustand des klinischen Todes: Ob ein Mensch dann noch eine Person in unserem Sinne, also ein Wesen mit der Fähigkeit zu Bewusstsein ist, können Dritte offensichtlich nicht so gut wissen wie dieser Mensch selbst. 25
Vorrang des Selbstwissens von der eigenen transtemporalen Identität Wenn ein Wesen grundsätzlich besser als andere weiß, ob es eine Person ist, dann scheint es grundsätzlich auch am ehesten wissen zu können, ob es mit einer bestimmten Person, die zu einem früheren Zeitpunkt lebte, identisch ist. Ich meine damit nicht nur die personale Identität im Verlauf möglicher Reinkarnationen, sondern transtemporale Identität im allgemeinen Sinne: Bin ich mit der Person identisch, die bei der-und-der Gelegenheit das-und-das empfunden, gewollt oder gedacht hat? Wissenschaft kann das Wissen um die eigene transtemporale Identität nicht begründen. Denn wenn Wissenschaft nicht feststellen kann, ob ein Wesen eine Person ist, dann kann sie erst recht nicht die transtemporale Identität von Personen ermitteln. 26 Auch nichtwissenschaftliche, intuitive Zugänge Dritter sind nach allgemeiner Überzeugung dem Zugang zur eigenen per24
Siehe Tavalaro & Tayson: Bis auf den Grund des Ozeans. Die neurophysiologisch anerkannten Voraussetzungen für Bewusstsein scheinen im klinischen Tod übrigens nicht mehr erfüllt zu sein, siehe Fenwick & Fenwick: Art of dying, 206–210; Kelly et al.; Unusual experiences near death, 418–419; van Lommel: Endloses Bewusstsein, 174–195. 26 Bei Amnesie können körperliche, wissenschaftlich zugängliche Kriterien selbstverständlich Anhaltspunkte dafür geben, ob es sich um dieselbe Person handelt oder 25
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Erinnerungen als Zugang zur Vergangenheit einer Person
sonalen Vergangenheit unterlegen. 27 Wenn das für die personale Vergangenheit in diesem Leben gilt, dann würde es wohl erst recht für eine mögliche Vergangenheit in einem früheren Leben gelten, also für die Frage, ob jemand die Reinkarnation einer Person aus früheren Zeiten ist. Anders ist es, wenn es um Identität, Merkmale und Aktionen des physischen Körpers einer Person geht. Hier sind andere Personen, also auch Wissenschaftler, epistemisch gleichberechtigt.
Erinnerung als Wiedererleben vs. Erinnerung als Wissen Woher weiß nun aber eine Person, ob sie mit einer Person in der Vergangenheit identisch ist? Die wesentliche Quelle scheinen Erinnerungen zu sein. 28 Bei Erinnerungen müssen wir hier vor allem zwei Formen unterscheiden, nämlich Erinnerung als Wiedererleben und Erinnerung als Wissen. 29 Die erste Form der Erinnerung besteht in einem Wiedererleben eines früheren Erlebnisses und involviert eine Art geistiger Zeitreise. 30 Die zweite Form besteht in einem Abrufen nicht, auch für die Person selbst. Aber streng genommen besteht die Identität einer Person eben nicht in der körperlichen Identität. 27 In sehr seltenen Fällen sind vielleicht Ausnahmen möglich. Über den katholischen Priester und Ordensgründer Giovanni Bosco (1815–1888) wird in den Heiligsprechungsakten berichtet, dass er den Beichtenden oft Sünden nannte, die sie vergessen hatten, und die er anscheinend auf gewöhnlichem Weg nicht hatte wissen können (siehe Schamoni: Wunder sind Tatsachen, 292–301). 28 Siehe schon Thomas Reid (siehe Reid: Essays on the intellectual powers, 318). Möglicherweise spielen auch implizite oder latente Erinnerungen eine Rolle bei der Überzeugung, eine transtemporale Existenz zu besitzen; siehe Crone: Identität von Personen, 136–143. 29 In der Gedächtnisforschung wird zwischen »remembering« und »knowing« unterschieden (siehe Gardiner & Richardson-Klavehn: Remembering and knowing, 229). Das entspricht der Unterteilung in episodisches und semantisches Gedächtnis (siehe Tulving: Episodic and semantic memory). 30 Vgl. etwa den Duden, der unter Erinnerung unter anderem ein »wieder lebendig werdendes Erlebnis« versteht (Duden: Eintrag »2. Erinnerung«). Das Oxford Handbook of Memory definiert ausführlicher, aber im Grundsatz ähnlich: »Erinnern bezieht sich auf intensive persönliche Erfahrungen der Vergangenheit – solche, in denen wir frühere Ereignisse und Erfahrungen mit dem Bewusstsein, diese Ereignisse und Erfahrungen geistig wieder zu erleben, nachzubilden scheinen. Erinnern beinhaltet eine mentale Zeitreise, die das eigene Selbstgefühl eng mit einbezieht« (»Remembering refers to intensely personal experiences of the past – those in which we seem to recreate previous events and experiences with the awareness of reliving these events and experiences mentally. Remembering entails mental time travel that inti-
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Erinnerungen als Zugang zur Vergangenheit einer Person
von früher einmal erworbenem Wissen ohne Beteiligung von Erleben. 31 Die Reinkarnationsforschung hat diese Unterscheidung vernachlässigt. Als Quelle für das Wissen um eine eigene frühere personale Existenz ist die erste Form der Erinnerung, das Wiedererleben früherer Erlebnisse, dem Erinnern als Wissen vorzuziehen. Denn nur man selbst kann Erlebnisse, die man früher hatte, wiedererleben. Erinnerungserlebnisse scheinen die wichtigste Grundlage des Bewusstseins der eigenen transtemporalen Existenz zu sein. 32 Hingegen setzt Wissen von der Vergangenheit einer Person, begrifflich gesehen, nicht voraus, dass man diese Person früher selbst war. Das bedeutet für die Frage der Reinkarnation: Selbst wenn eine Person ein Wissen über die Erlebnisse einer bestimmten Person, die früher einmal gelebt hat, besitzt, das sie nicht auf normalem Wege hat erwerben können, bedeutet das nicht, dass sie mit dieser Person identisch ist. Allerdings können erinnerungsartige Erlebnisse zu einem objektiven Erinnerungswissen führen: Wenn ich eine vergangene Szene wiedererlebe,
mately engages one’s sense of self«) (Gardiner & Richardson-Klavehn: Remembering and knowing, 229; siehe auch Rowlands: The remembered, 281; Soteriou: The past made present; Wheeler: Episodic memory, 598). In der Philosophie gibt es zahlreiche vergleichbare Definitionen. beispielsweise in der Enzyklopädie Philosophie: »Erinnerung ist in ihrer allgemeinen Bedeutung die Wiederholung einer Anschauung« (Koßler: Erinnerung, 574). Nach dem Philosophischen Wörterbuch ist Erinnerung das »Wiederauftauchen von Bewußtseinsinhalten, die dem ursprünglichen Erleben mehr oder weniger ähnlich sind« (Schmidt: Philosophisches Wörterbuch, 163). Nach Gilbert Ryle »rufe [ich] mir nur das ins Gedächtnis zurück, was ich selbst gesehen, gehört, getan und gefühlt habe« (Ryle: Begriff des Geistes, 374). Vor über hundert Jahren verfasste Eisler in seinem Wörterbuch der philosophischen Begriffe kein Stichwort ›Erinnerung‹, jedoch scheint er Gedächtnis als die Fähigkeit zu dem, was wir als Erinnerung bezeichnen, zu betrachten: »Gedächtnis ist die Fähigkeit, […] psychische Erlebnisse zu erneuern, zu reproduzieren. […] Das (genügend intensiv oder wiederholt) Erlebte hinterläßt in der Psyche ›Spuren‹, d. h. bei gegebenem Anlaß ist die Psyche nun befähigt, ein dem vergangenen mehr oder weniger ähnliches Erlebnis zu produzieren« (Eisler: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, 1:382). Ganz ähnlich schreibt um dieselbe Zeit Offner, das Gedächtnis sei »die Fähigkeit der Seele, früher gehabte Bewusstseinserlebnisse – Inhalte und Ich-Erlebnisse – unter bestimmten Bedingungen, aber ohne Wiederkehr der äußeren Umstände, welche sie einmal veranlaßt haben, in mehr oder weniger ähnlicher Weise wiederzuerleben« (Offner: Gedächtnis, 5). Nach Locke lässt man in der Erinnerung Wahrnehmungen, die man einmal gehabt habe, wiederaufleben (siehe Locke: Essay 2, 10, 2). 31 Siehe Gardiner & Richardson-Klavehn: Remembering and knowing, 229; siehe auch Wheeler: Episodic memory, 598. 32 Siehe dazu Crone: Identität von Personen, 136–143.
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Erinnerungen als Zugang zur Vergangenheit einer Person
dann kann ich auf der Grundlage dieses Erlebens zu richtigen Überzeugungen über einen Ausschnitt der Vergangenheit kommen.
Erinnerungsartige Erlebnisse als mögliche Scheinerinnerungen Erinnerungen werden oft mit Täuschungen in Verbindung gebracht. Betrachten wir zunächst Erinnerung als Wissen. Der Sprachgebrauch ist hier nicht konsequent. Man kann zwischen einem strengen und einem schwachen Sinn von Erinnern unterscheiden. Erinnerung als Wissen im strengen Sinn kann nicht falsch sein, denn falsches Wissen gibt es nicht. Andererseits spricht man zunehmend, etwa in der Erinnerungsforschung, von falschen Erinnerungen. Hier wird anscheinend mit einem schwachen Erinnerungsbegriff operiert, bei dem Erinnerung eher einer Überzeugung gleichkommt und wie diese wahr oder falsch sein kann. Erinnerung als Wiedererleben kann, wie alles Erleben, nicht wahr oder falsch sein. Doch auch in diesem Bereich ist die Möglichkeit von Täuschungen allgegenwärtig. Erinnerungserlebnisse können beim Subjekt zu falschen Überzeugungen führen. Diese können erstens die Wirklichkeit des erlebten Geschehens betreffen. Der Extremfall wäre, dass man ein gänzlich fiktives Geschehen erlebt, aber den Eindruck hat, es handele sich um ein Geschehen, das tatsächlich stattfand. Man könnte sagen, in einem strengen Sinn handele es sich dabei um keine Erinnerung, sondern um eine Fantasie, die nur wie eine Erinnerung wirkt, also um eine Scheinerinnerung. Da eine Erinnerung keine Scheinerinnerung sein kann, wäre es korrekter, von einem erinnerungsartigen Erleben zu sprechen, das sich entweder als (echte) Erinnerung oder als Scheinerinnerung herausstellen kann. Neben Scheinerinnerungen an fiktive Ereignisse sind zweitens auch Scheinerinnerungen an reale Geschehnisse möglich. Die Täuschung betrifft dann den Aspekt des Wiederlebens: Das im erinnerungsartigen Erleben erlebte Geschehnis hat tatsächlich stattgefunden, es handelt sich aber entgegen dem Eindruck des Experiencers nicht um ein Wiedererleben, weil er das originale Geschehnis damals nicht erlebte oder zumindest nicht so erlebte, wie es sich im erinnerungsartigen Erleben präsentierte. Wenn Erfahrungen früherer Leben als Erinnerungen an ein früheres irdisches Leben gelten sollen, müssen sie in beiden Hinsichten zuverlässig sein: Die erinnerten objektiven Geschehnisse und das erinnerte Erleben müssen tatsächlich wie erlebt stattgefunden haben. 57 https://doi.org/10.5771/9783495823637 .
Erinnerungen als Zugang zur Vergangenheit einer Person
Scheinerinnerungen an fiktive Ereignisse Mittlerweile ist weithin bekannt, dass es lebhafte, plastische Scheinerinnerungen an fiktive Ereignisse gibt. Dazu ein Erfahrungsbericht: Ich bin 1979 in Australien geboren, und 1980 zogen wir wieder nach Großbritannien zurück, nach Coventry in den West Midlands, wo ich aufwuchs. Ich habe eine Erinnerung, in der ich im Kinderwagen neben der Baustelle der Kathedrale von Coventry sitze, die etwa zu Hälfte wieder aufgebaut und überall voller Baugerüste ist. Meine Mutter ist auch da und trägt ein langes grünes Kleid. 33
Das Erleben wirkt wie eine Erinnerung, aber der Wiederaufbau der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Kathedrale war 1962 bereits vollendet. Scheinerinnerungen an fiktive Ereignisse können in psychologischen Experimenten gezielt hervorgerufen werden. 34 Berüchtigt sind Scheinerinnerungen als Ergebnis suggestiver Befragungen mutmaßlicher Verbrechensopfer. 35
Scheinerinnerungen an reale Ereignisse Etwas weniger Beachtung finden Scheinerinnerungen an reale Ereignisse. 36 Sie sind jedoch für die Reinkarnationsforschung sehr aufschlussreich. Dort prüfen die Forscher in aller Regel, ob der objektive Gehalt einer mutmaßlichen Erinnerung an ein früheres Leben den Tatsachen entspricht, achten jedoch kaum darauf, ob der Experiencer das Ereignis tatsächlich wie geschildert erlebt hat oder zumindest haben könnte. Im folgenden Fallbericht schreibt der Neuropsychologe Oliver Sacks über zwei seiner Kindheitserinnerungen. Seine Schilderung ist besonders aufschlussreich, weil sie eine authentische Erinnerung an ein reales Ereignis und eine Scheinerinnerung an ein sehr ähnliches reales Ereignis beschreibt: Ich akzeptierte, dass ich viel vergessen oder verloren haben müsste, nahm aber an, dass die Erinnerungen, die ich hatte – besonders jene, die sehr 33
Shaw: Das trügerische Gedächtnis, 39. Siehe z. B. Hyman & Pentland: The role of mental imagery; Hyman et al.: False memory; Loftus: Planting misinformation. 35 Siehe z. B. Loftus: Falsche Erinnerungen; Loftus: Memories of things unseen; Shaw: Das trügerische Gedächtnis, 241–264. 36 Siehe einige Beispiele in Shaw: Das trügerische Gedächtnis, 187–191. 34
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lebhaft, konkret und reich an Einzelheiten waren – im Wesentlichen gültig und verlässlich waren; und es war ein Schock für mich, als ich feststellte, dass einige von ihnen es nicht waren. Ein markantes Beispiel dafür, das erste, das mir auffiel, steht im Zusammenhang mit den beiden Bombenangriffen, die ich in Uncle Tungsten 37 beschrieb. Sie ereigneten sich beide im Winter 1940–1941, als London im Blitzkrieg bombardiert wurde: Eines Nachts fiel eine 1000-Pfund-Bombe in den Nachbargarten, aber zum Glück explodierte sie nicht. Wir alle, die ganze Straße, so schien es, schlichen sich in dieser Nacht davon (meine Familie in die Wohnung eines Cousins) – viele von uns im Pyjama. Wir gingen so vorsichtig wie möglich (könnten die Vibrationen das Ding auslösen?). Die Straßen waren stockdunkel, denn die Verdunkelung war in Kraft, und wir alle hatten elektrische Taschenlampen, die mit rotem Krepppapier gedimmt waren. Wir hatten keine Ahnung, ob unsere Häuser morgens noch stehen würden. Bei einer anderen Gelegenheit fiel eine Brandbombe, eine Thermitbombe, hinter unser Haus und brannte mit einer schrecklichen, weißglühenden Hitze. Mein Vater hatte eine Kübelspritze, und meine Brüder brachten ihm eimerweise Wasser, aber Wasser schien nutzlos gegen dieses höllische Feuer, ja machte, dass es noch wütender brannte. Es gab ein bösartiges Zischen und Sprudeln, als das Wasser auf das weißglühende Metall traf, und derweil zerschmolz die Bombe ihre eigene Hülle und schleuderte Klümpchen und Strahlen aus geschmolzenem Metall in alle Richtungen. Ein paar Monate nach der Veröffentlichung des Buches sprach ich mit meinem Bruder Michael über diese Bombenangriffe. Michael ist fünf Jahre älter als ich und war mit mir in Braefield gewesen, dem Internat, in das wir zu Beginn des Krieges evakuiert worden waren ([…]). Mein Bruder bestätigte sofort den ersten Bombenangriff und sagte: »Nach meiner Erinnerung ist es genau so, wie du es beschrieben hast.« Aber bezüglich des zweiten Bombenangriffs sagte er: »Du hast es gar nicht gesehen. Du warst nicht da.« Michaels Worte trafen mich. Wie konnte er eine Erinnerung bestreiten, die vor Gericht zu beschwören ich nicht zögern würde, und die ich nie als real bezweifelt hatte? Ich erhob Einspruch: »Wie meinst du das? Ich sehe jetzt die Bombe vor meinem geistigen Auge, Papa mit seiner Pumpe und Marcus und David mit ihren Wassereimern. Wie könnte ich sie so klar sehen, wenn ich nicht da war?« »Du hast es nicht gesehen«, wiederholte Michael. »Wir waren beide zu der Zeit in Braefield. Aber David (unser älterer Bruder) schrieb uns darüber einen Brief. Einen sehr anschaulichen, dramatischen Brief. Du warst davon gefesselt.« Offensichtlich war ich nicht nur davon gefesselt, sondern muss die Szene in meinem Kopf aus den Worten Davids konstruiert und sie mir dann angeeignet und für meine eigene Erinnerung genommen haben. Nachdem Michael dies gesagt hatte, versuchte ich, die beiden Erinnerungen – die pri37
Sacks: Uncle Tungsten. ›Tungsten‹ ist der englische Ausdruck für das chemische Element Wolfram.
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märe, bei der die direkte Prägung durch die Erfahrung nicht in Zweifel stand, mit der konstruierten oder sekundären – zu vergleichen. Bei der ersten Begebenheit konnte ich mich in den Körper des kleinen Jungen hineinfühlen, der in seinem dünnen Pyjama zitterte – es war Dezember, und ich war voller Angst – und wegen meiner Kleinheit im Vergleich zu den großen Erwachsenen um mich herum musste ich meinen Kopf nach oben heben, um ihre Gesichter zu sehen. Das zweite Bild, von der Thermitbombe, erschien mir ebenso – sehr lebendig, detailliert und konkret. Ich versuchte mir einzureden, dass es eine andere Qualität als das erste Bild hatte, dass es Anzeichen für seine Aneignung aus der Erfahrung eines anderen Menschen und seine Übersetzung von der verbalen Beschreibung in ein Bild enthielt. Aber obwohl ich jetzt intellektuell weiß, dass diese Erinnerung »falsch« war, erscheint sie mir immer noch so real, so intensiv wie früher. War sie, so fragte ich mich, so wirklich, so persönlich, so stark in meine Psyche (und vermutlich auch in mein Nervensystem) eingebettet, als wäre sie eine echte primäre Erinnerung gewesen? Würde die Psychoanalyse oder, was das betrifft, die Bildgebung des Gehirns den Unterschied erkennen können? Meine »falsche« Bombenerfahrung war der wahren sehr ähnlich, und es hätte leicht ebenfalls meine eigene Erfahrung sein können. 38
Der Fall veranschaulicht, dass die Prüfung des objektiven Gehalts von erinnerungsartigen Erlebnissen nicht ausreicht, um zu bestimmen, ob es sich um eine Erinnerung im Sinne eines Wiedererlebens handelt. Sacks Erleben gab in beiden Fällen vermutlich vergangene Szenen in der raumzeitlichen Welt einigermaßen wirklichkeitsgetreu wieder. Aber im zweiten Fall handelte es sich eine Scheinerinnerung an ein reales Ereignis, denn Sacks hatte die betreffende Szene nicht erlebt. Dieser Fall scheint mir für die Frage, ob Erfahrungen früherer Leben Erinnerungen sind, besonders einschlägig. Es gibt anscheinend zahlreiche Erfahrungen früherer Leben, in denen vergangene Geschehnisse wirklichkeitsnah erlebt werden. Die entscheidende Frage ist: Waren die Subjekte dieser Erfahrungen damals tatsächlich dabei?
Gibt es zuverlässige phänomenologische Kriterien echter Erinnerungen? Oliver Sacks fand seine Scheinerinnerung genauso »lebendig, detailliert und konkret« wie seine authentische Erinnerung. Es scheint sehr schwierig zu sein, phänomenologische Kriterien auszumachen, mit 38
Sacks: Speak, memory.
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deren Hilfe man echte Erinnerungen von Scheinerinnerungen unterscheiden kann. In der Gedächtnisforschung herrscht sogar die Auffassung, dass man es (potenziellen) Erinnerungen nicht ansieht, ob sie zuverlässig sind. Dies gilt insbesondere für die häufig verwendeten Kriterien des objektiven Wirklichkeitsbezugs, wie vor allem ein Reichtum an Einzelheiten. Bei experimentell erzeugten Scheinerinnerungen an fiktive Ereignisse ließ sich im Hinblick auf diese Kriterien kein qualitativer Unterschied zu Erinnerungen an tatsächlich erlebte Ereignisse feststellen. 39 Geht es nicht um den objektiven Gehalt eines Erinnerungserlebnisses, sondern um die Frage, ob es sich um ein Wiedererleben handelt, so könnte vielleicht das Gefühl der Vertrautheit oder Bekanntheit ein Kriterium sein. Es wird manchmal bei Erfahrungen früherer Leben als Beleg dafür gewertet, dass es sich tatsächlich um Erinnerungen an eigene frühere Erlebnisse handelt. 40 Aber auch dieses Kriterium scheint nicht zuverlässig zu sein. Sonst hätte Oliver Sacks erkennen müssen, dass es sich beim erinnerungsartigen Erleben des zweiten Bombenangriffs nicht um ein Wiedererleben handelte. 41 Auch bei bildhaftem Erleben, das aufgrund von suggerierten Erinnerungen entsteht, erkennen die Probanden offenbar nicht zuverlässig am (fehlenden) Gefühl der Vertrautheit, dass es sich um bloße Phantasien und nicht um ein Wiedererleben handelt. 42
Ich-Perspektive auch bei Scheinerinnerungen Bei echten Erinnerungen im Sinne eines Wiedererlebens sollte das sich erinnernde Subjekt die Perspektive einnehmen, die es bei dem originalen Erlebnis einnahm. Diese Ich-Perspektive, auch Feldperspektive oder Erste-Person-Perspektive genannt, 43 ist in aller Regel die Perspektive des eigenen physischen Körpers. Jedoch gibt es auch Scheinerinnerungen aus der Ich-Perspektive. Das gilt sogar für ex39
Siehe Bernstein & Loftus: How to tell if a particular memory is true or false. Siehe zum Gefühl der Bekanntheit bei Erfahrungen früherer Leben unten S. 136. 41 Siehe auch Ernst et al.: Overcoming familiarity illusions; Kersten & Earles: Feeling of familiarity. 42 Siehe z. B. Loftus & Pickrell: The formation of false memories, sowie Hyman & Pentland: Mental imagery; Hyman et al.: Manipulating remember and know judgements. 43 Siehe z. B. Akhtar et al.: Switching memory perspective; Rice & Rubin: Remembering from any angle; 40
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perimentell durch suggestive Interviewtechniken erzeugte Scheinerinnerungen an gänzlich fiktive Ereignisse. 44 Die Ich-Perspektive ist also kein zuverlässiges Kriterium für eine echte Erinnerung im Sinne eines Wiedererlebens.
Außenperspektive als Indiz für Scheinerinnerung Bei erinnerungsartigen Erlebnissen wird häufig die Außenperspektive eingenommen, die auch als Beobachterperspektive oder DrittePerson-Perspektive bezeichnet wird. 45 Diese ist, wenn man unseren Begriff der Erinnerung als Wiedererleben zugrunde legt, ein Indiz für eine Scheinerinnerung, selbst wenn das erinnerte Geschehen real ist. Denn sofern man das originale Geschehen damals nicht von einem Punkt außerhalb des physischen Körpers wahrnahm, was sehr unwahrscheinlich ist, bedeuten Erinnerungen aus der Außenperspektive, dass man sich an »Erfahrungen erinnert, die man niemals hatte«, 46 weil man die ursprüngliche Erfahrung nicht aus der in der Scheinerinnerung erlebten Perspektive machte. 47 Erfahrungen früherer Leben, bei denen das Subjekt die Außenperspektive einnimmt, können 44
Siehe Shaw & Porter: Corrigendum, 673; Shaw & Porter: Constructing, 297–298. Oliver Sacks nahm in seiner oben geschilderten Scheinerinnerung an einen realen Bombenangriff auf sein Elternhaus vermutlich die Ich-Perspektive ein. Er sagt es zwar nicht ausdrücklich, aber er fand diese Erinnerung phänomenologisch nicht unterscheidbar von einer echten Erinnerung an einen anderen Bombenangriff, von der er ausdrücklich sagt, dass sie aus der Ich-Perspektive erfolgte. 45 Siehe Nigro & Neisser: Point of view in personal memories; Rice & Rubin: Remembering from any angle; Robinson & Swanson: Field and observer modes of remembering; Rubin: Remembering our past, 88–89; ferner auch Mace et al.: Accuracy and perspective. 46 Rowlands: Memory and the Self, 46 (»you […] remember experiences, you never actually had«). 47 Vgl. ähnlich Vendler: Vicarious experience, 169: »Man kann sich nicht daran erinnern, sich selbst aus einer anderen Perspektive gesehen zu haben, aus dem einfachen Grund, weil es unmöglich ist, sich selbst aus einer anderen Perspektive gesehen zu haben«; Wollheim: The thread of life, 103–104: »Bei der Erinnerung an ein Ereignis muss nicht nur das Ereignis, das ich erinnere, ein Ereignis sein, das ich erlebt habe, ich muss es auch erinnern, wie ich es erlebt habe […] Ein Ereignis so zu erinnern, wie es von mir erlebt wurde, würde einfach bedeuten, eine Repräsentation des Standpunkts, von dem aus das Ereignis erlebt wurde, einzuführen oder wieder einzuführen (to introduce, or to re-introduce, a representation of the point of view from which the event was experienced)«; siehe auch die Diskussion in McCarroll & Sutton: Memory and perspective; Rowlands: The remembered, 281–283.
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also nicht als Erinnerung an ein früheres Leben gewertet werden, auch wenn in der Erfahrung ein reales Geschehen aus früherer Zeit wirklichkeitsgetreu erlebt wird.
Willkürlicher Perspektivenwechsel als Indiz für Scheinerinnerung In Untersuchungen zur Perspektive von erinnerungsartigen Erlebnissen berichten Probanden, dass sie willentlich von der Ich-Perspektive zur Außenperspektive wechseln können und umgekehrt. 48 Die Möglichkeit des willentlichen Perspektivenwechsels schwächt die IchPerspektive als Kriterium echter Erinnerungen. Der willkürliche Wechsel kann nach Auskunft von Probanden sogar innerhalb einer einzigen Erlebnisepisode stattfinden. 49 Dadurch würde die Authentizität der potenziellen Erinnerungsepisode insgesamt in Frage gestellt.
Exkurs zu Bernard Williams: Können zwei Menschen identische Erinnerungen haben? In seinem Aufsatz Personal Identity and Individuation aus dem Jahre 1957 entwickelt Bernard Williams ein Argument, das gegen Erinnerungen als Beleg für Reinkarnation gerichtet ist. 50 Er hält es für logisch möglich, dass zwei zur gleichen Zeit lebende Personen, Charles und Robert, identische zutreffende und umfassende Erinnerungen hinsichtlich der Wahrnehmungen und Taten einer bestimmten früheren Person, Guy Fawkes, haben. Jedoch könnten sie nicht beide die Wiedergeburt von Guy Fawkes sein, weil sie, Charles und Robert, sonst identisch wären, was sie offensichtlich nicht sein können. Williams betrachtet allerdings lediglich Erinnerung als Wissen. Aber nur eine authentische Erinnerung im Sinne eines Wiedererlebens könnte als Beleg für eine Existenz zum Zeitpunkt des ursprünglichen Erlebnisses gelten. Zwei Menschen können zwar grundsätzlich dasselbe Wissen von den Wahrnehmungen und Hand48
Siehe z. B. Rice & Rubin: I can see it both ways; Rice & Rubin: Remembering from any angle; Akhtar et al.: Switching memory perspective. 49 Siehe Rice & Rubin: I can see it both ways; McCarroll & Sutton: Memory and perspective, 114–115. 50 Siehe dazu auch MacIntosh: Reincarnation and relativized identity; Noonan: Possibility of reincarnation.
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lungen eines Menschen aus früheren Zeiten haben. Aber sie können nicht identische Erinnerungen im Sinne eines Wiedererlebens früherer Erlebnisse haben, zumindest nicht, was Erlebnisse raumzeitlicher Geschehnisse angeht. Sie können zwar unter Umständen dasselbe Geschehen erlebt haben, jedoch nicht aus derselben Perspektive. Da sich ihre physischen Körper nicht durchdringen können, müssen sie verschiedene Raumzeitstellen bei ihrem Erleben einnehmen. Deshalb sind auch ihre Erlebnisse unterschiedlich. Daher können zwei Menschen auch nicht identische Erinnerungen im Sinne eines Wiedererlebens früherer Geschehnisse haben.
Erinnerungsartiges Erleben, intersubjektiv nachweisbare Fakten und die Erforschung mutmaßlicher Reinkarnationsfälle Erfahrungen früherer Leben sollten den Ausgangspunkt für die Erforschung möglicher Fälle von Reinkarnation bilden. Nur wenn ein Subjekt über derartige erinnerungsartige Erlebnisse verfügt, gibt es in meinen Augen einen ausreichenden Anhaltspunkt, um das Vorliegen von Reinkarnation ernsthaft in Betracht zu ziehen. Erinnerungsartige Erlebnisse können jedoch, wie oben besprochen, in verschiedener Hinsicht unzuverlässig sein. Deshalb ist es notwendig, zu prüfen, ob es sich bei ihnen um ein Wiedererleben früherer Erlebnisse handeln könnte. Hier scheint die Perspektive des Erlebens ein wichtiges Kriterium zu sein. Zweitens erscheint es geboten, die mit diesem Erleben verknüpften historischen Überzeugungen zu prüfen. Denn ein früheres Erdenleben ist immer mit einem physischen Körper verbunden. Wenn ein erinnerungsartiges Erleben als Beleg für Reinkarnation gelten soll, würde man deshalb erwarten, dass das Subjekt auf seiner Grundlage zu korrekten historischen Aussagen über einen bestimmten physischen Körper und dessen Aktionen kommt. Eine objektive Hürde für die Reinkarnationsdeutung von erinnerungsartigem Erleben bestünde, wenn dieses die Identität des Experiencers mit einer Person nahelegte, deren irdische Lebensdaten sich mit denen des Experiencers überschnitten. Intersubjektiv nachweisbare Befunde können aber das Vorkommen von Reinkarnation nicht in dem Sinne bestätigen oder entkräften, wie eine naturwissenschaftliche Hypothese durch Beobachtungsdaten bestätigt oder entkräftet werden kann. Denn aus intersubjektiv nachweisbaren Fakten kann überhaupt nicht auf die Existenz und transtemporale Identität einer Per64 https://doi.org/10.5771/9783495823637 .
Erinnerungen als Zugang zur Vergangenheit einer Person
son geschlossen werden. Deshalb werde ich im Folgenden nicht wissenschaftlich zu prüfen versuchen, ob es Fälle von Reinkarnation gibt, sondern nur, ob die Reinkarnationsdeutung zwanglos mit Berichten über Erfahrungen früherer Leben und die sie begleitenden Phänomene vereinbar ist oder ob andere Ansätze, insbesondere die Vorstellung einer Teilhabe an fremdem Erleben, besser zu dem Fallmaterial passt.
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Erfahrungen früherer Leben und ihre Begleitumstände und -erscheinungen
Fälle kleiner Kinder, die spontan von früheren Leben sprechen Einleitung In der Reinkarnationsforschung stehen Fälle im Mittelpunkt, in denen kleine Kinder spontan von einem früheren Leben sprechen. 1 Die Gründe für diesen Fokus sind vermutlich erstens, dass sich in den Äußerungen kleiner Kinder über das frühere Leben weitaus mehr verifizierbare Angaben finden als in Aussagen älterer Personen. Zweitens kann man bei kleinen Kindern im Gegensatz zu Erwachsenen Kryptomnesie als Erklärung mit ziemlicher Sicherheit ausschließen. Diese Erklärung besagt, dass jemand sein Wissen über ein früheres Leben auf gewöhnlichem Wege erworben, den Ursprung dieser Quelle jedoch vergessen hat und daher irrtümlich das frühere Leben für die Quelle dieses Wissens hält. 2 Da die gegenwärtige Reinkarnationsforschung beweisorientiert ist, sprechen diese beiden Faktoren für eine Fokussierung auf Fälle von kleinen Kindern. Es ist allerdings merkwürdig, dass man unter Titeln wie »Past-Life Experiences« oder »Spontane Reinkarnationserfahrungen« keine einzige Schilderung einer derartigen Erfahrung findet. 3 Woran liegt das? Tatsächlich sind die Aussagen kleiner Kinder über ihr früheres Leben fast ausschließlich objektiv-faktischer Natur: Es habe früher da-und-da gelebt, habe 1
Siehe Mills & Tucker: Past-life experiences; Bauer & Keil: Spontane Reinkarnationserfahrungen. 2 Siehe Bauer & Keil: Spontane Reinkarnationserfahrungen, 184, die feststellen, dass es in Stevensons Material »keinen eindeutigen Fall von Kryptomnesie« gebe. Der Begriff ›Kryptomnesie‹ (wörtlich: verborgene Erinnerung) wurde anscheinend von Théodore Flournoy geprägt (siehe Flournoy: Des Indes à la Planète Mars, 258). 3 Siehe Mills & Tucker: Past-life experiences; Bauer & Keil: Spontane Reinkarnationserfahrungen.
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Fälle kleiner Kinder
so-und-so geheißen, seine Eltern seien die-und-die gewesen, und so weiter. Schilderungen von Erfahrungen früherer Leben finden sich in den publizierten Falldokumentationen praktisch nicht. 4 Die Reinkarnationsforschung problematisiert diese Sachlage kaum, sondern unterstellt mehr oder weniger fraglos, dass die Erfahrungen früherer Leben die wesentliche Grundlage ihres Sprechens von einem früheren Leben bilden. Es fehle den Kindern nur an »verbalen Fähigkeiten«, »bildhafte Vorstellungen von einem früheren Leben« auszudrücken. 5 Vielleicht rührt das mangelnde Problembewusstsein der Reinkarnationsforschung unter anderem daher, dass sie den Unterschied zwischen Erinnerung als Wiedererleben und Erinnerung als Wissen vernachlässigt 6 und zudem durch ihre Beweisorientierung vor allem am Wissen und nicht am Erleben der Kinder interessiert ist. Trotz der schlechten Quellenlage hinsichtlich Erfahrungen früherer Leben bei kleinen Kindern, die von früheren Leben sprechen, werde ich mich mit Berichten über solche Kinder ausführlich auseinandersetzen müssen, weil sich die Reinkarnationsforschung der vergangenen sechzig Jahre fast ausschließlich mit ihnen beschäftigt hat.
Historische Fälle Chinesische Fälle Berichte über Kinder, die spontan von früheren Leben sprechen, reichen weit zurück. Die ältesten mir bekannten Schilderungen liegen aus China vor. Der Sinologe Jan J. M. de Groot veröffentlichte 1901 eine kleine, wenig bekannte Fallsammlung im vierten Band seines Monumentalwerkes The Religious System of China. Viele Aspekte moderner Berichte werden darin vorweggenommen. Die frühesten Aufzeichnungen stammen aus der Jin-Dynastie (265–420), wie auch das folgende Beispiel: 7
4
Pers. Mitteilung von Jim Tucker vom 6. März 2018. Stevenson: Wiedergeburt, 116. 6 Siehe oben S. 55. 7 de Groot schreibt sie ›Tsin-Dynastie‹ (siehe de Groot: Religious system of China, 4:143, vgl. ebd. 1:xix) Matlock nimmt irrtümlich an, de Groot beziehe sich auf die Qin-Dynastie (221–207 v. Chr.) (siehe Matlock: Reincarnation accounts pre-1900). 5
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Erfahrungen früherer Leben und ihre Begleitumstände und -erscheinungen
Ein gelehrter Mann aus jener Epoche »namens Pao Tsing sagte im Alter von fünf Jahren zu seinen Eltern, er sei das Kind einer bestimmten Li-Familie in Khüh-yang gewesen und dort im Alter von neun Jahren in einem Brunnen gestorben. Seine Eltern suchten dann nach dieser Familie, und als sie sie entdeckten, bestätigten ihre Anfragen die Angelegenheit.« 8
De Groots Zusammenstellung enthält auch Berichte, in denen sehr spezifische Kenntnisse der Kinder von Begebenheiten in einem früheren Leben beschrieben werden. Der folgende Bericht datiert aus der Sui-Dynastie (581–618): Hiang Tsing, auch bekannt unter seinem Beinamen Fung-jen, gebürtig aus Ho-nei, hatte, während er in der Wu-hing-Region lebte, eine Tochter, die im Alter von einigen Jahren starb. Zu Beginn ihrer Krankheit spielte sie mit einem Messer, und als ihre Mutter versuchte, es ihr wegzunehmen, wollte sie es nicht hergeben und verletzte ihre Mutter an der Hand. Ein Jahr nach ihrem Tod gebar ihre Mutter eine weitere Tochter. Dieses Mädchen sprach zu ihr, als sie vier Jahre alt war: »Wo ist das Messer, das ich hatte?« – »Du hattest keins«, war die Antwort. Darauf erwiderte das Mädchen: »Wir stritten uns damals darüber, und ich verwundete deine Hand damit; ist es nicht mehr hier?« Sehr erschrocken und verwundert erzählte die Mutter Tsing den Fall, der sie fragte: »Ist das Messer noch da?« – »Es war eine traurige Erinnerung an mein verstorbenes Kind; ich habe es nicht zerstört«, lautete die Antwort. »Holen Sie es mit anderen Messern«, sagte Tsing, »und legen Sie sie zusammen aus, und lassen Sie das Mädchen das ihrige herausfinden.« Das Mädchen schaute auf die Messer und erkannte, hocherfreut, sofort sein eigenes. 9
In de Groots Sammlung kommt auch die Weissagung einer zukünftigen Reinkarnation durch das sterbende Kind vor, der Einsatz von Kennzeichnungen am Leichnam des Kindes (sogenannte experimentelle Muttermale), 10 die der Identifizierung einer zukünftigen Reinkarnation des Kindes dienen sollen, und ein ungewöhnliches Wissen über die Örtlichkeiten des früheren Lebens: Im Bezirk Fu-yang, in Siang-cheu, gab es einen buddhistischen Mönch mit Namen Yuen-kao. Er lebte im Kloster Chi-leh und sein Nachname war Chao. Der Sohn seines älteren Bruders hatte eine frühere Existenz als Kind der Familie Ma, die mit ihm im selben Dorf lebte. Dieses Kind starb im letzten Jahr der Ching-Kwan-Periode (649 n. Chr.). Vor seinem letzten
8
de Groot: Religious system of China, 4:143. de Groot: Religious system of China, 4:146. 10 Siehe dazu unten S. 93 9
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Fälle kleiner Kinder
Atemzug sah es sich um und sagte zu seiner Mutter: »Ich, dein Kind, habe Verbindungen zur Familie von Chao Tsung; Ich werde nach meinem Tod sein Enkel werden«. Dieser Chao Tsung lebte mit ihnen im selben Dorf. Die Mutter, die den Worten, die sie gehört hatte, keinen Glauben schenkte, machte einen schwarzen Fleck auf dem rechten Ellbogen des Kindes. Und die Frau von Chao träumte davon, dass dieses Kind mit den Worten »Ich muss dein Nachkomme werden« zu ihr kam, worauf sie schwanger wurde. Ihre Vision ähnelte sehr jenem Sohn der Familie Ma, und als sie ihn zur Welt brachte, wurde der schwarze Fleck auf seinem Körper an derselben Stelle gefunden. Als er drei Jahre alt war, ging er zum Haus von Ma, ohne dass ihm jemand den Weg dorthin zeigte; und dort erklärte er, dass es seine ehemalige Wohnung sei. 11
Weiterhin werden von de Groot Beispiele einer zeitlichen Überschneidung des früheren Lebens mit dem neuen Leben überliefert. Im Fall Ts’ain-niang endete die frühere Inkarnation erst, als ihre Reinkarnation bereits im Bauch der Mutter heranwuchs, im Fall Sze-tao gar erst bei der Geburt der neuen Inkarnation. 12 In einem weiteren Fall berichtet ein Kind über verifizierbare Erlebnisse in einer früheren Inkarnation als Tier (zahmer Fuchs) und über jenseitige Erlebnisse zwischen den Inkarnationen. 13
Ramdas Aus anderen Ländern kennt man ähnliche Berichte nach meiner Kenntnis erst aus der Neuzeit. Nach einer persischen Quelle soll der Großmogul von Indien, Muhammad Aurangzeb (1618–1707) selbst einen solchen Fall geprüft haben. 14 Darin kommen Geburtsmale, die mit Verletzungen der Person des früheren Lebens 15 zu korrespondieren scheinen, und ein ungewöhnliches Wissen des Kindes von der Person des früheren Lebens vor. Im vierzigsten Jahr der Regentschaft des Herrschers [ca. 1698] lebte ein Ortsvorsteher namens Rawat Sukharam in Dorf Bhakar. Er hatte eine alte 11
de Groot: Religious system of China, 4:144. Siehe einen weiteren Fall mit experimentellen Geburtsmalen ebd. 150. 12 Siehe de Groot: Religious system of China, 4:147–149. 13 Siehe de Groot: Religious system of China, 4:153. 14 Siehe Matlock: Signs of reincarnation, 89. 15 Unter der Person des früheren Lebens verstehe ich den Protagonisten der Erfahrungen früherer Leben, mit dem sich der Experiencer mehr oder weniger identifiziert.
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Erfahrungen früherer Leben und ihre Begleitumstände und -erscheinungen
Fehde mit einer anderen Person, die ihn gewaltsam überwältigte und am Rücken und am Ansatz eines Ohres verwundete. Als Folge dieser Verletzungen starb Rawat. Einige Monate später wurde seinem Schwiegersohn ein Sohn geboren, der Ramdas genannt wurde. Dieser Junge hatte Male am Rücken und am Ansatz eines Ohres. Die Nachricht verbreitete sich, dass sich Rawat Sukharam, der nach den Verletzungen gestorben war, wieder reinkarniert habe und wiedergeboren sei. Und als dieser Junge sprechen konnte, sagte er, dass er Rawat Sukharam sei. Er gab seine korrekte Adresse an und andere Informationen, die geprüft und für richtig befunden wurden. Als der Herrscher von dieser seltsamen Begebenheit hörte, bestellte er den Jungen an seinen Hof und überzeugte sich persönlich von diesen Tatsachen. 16
Möglicherweise überschneiden sich die Leben von Rawat und Ramdas, denn die Formulierung »einige Monate« deutet auf einen Zeitraum von weniger als neun Monaten zwischen dem Tod des Rawat und der Geburt des Ramdas hin.
Ein drusischer Junge Ein detailreicher drusischer Fall vom Anfang des neunzehnten Jahrhunderts wurde 1860 von dem Orientalisten Julius Heinrich Petermann überliefert. Die Drusen glauben an eine Reinkarnation, die sich unmittelbar an den Tod anschließt. 17 Ein Aufenthalt der Seele im Jenseits zwischen den Inkarnationen ist nicht vorgesehen. Der Bericht stellt ausführlich das ungewöhnliche Wissen des Kindes über seine mutmaßliche frühere Existenz dar: So behaupten sie [die Drusen], dass vor 50 Jahren ein Kind von ihnen auf dem »hohen Gebirge,« el Dschebel el a’la 18 in dem Gebiete von Haleb 19 noch vor seinem 5ten Lebensjahre über die ärmliche Lebensweise seiner Eltern sich beklagte und versicherte, dass es in Ueberfluss gelebt habe. Als man es fragte, wo es gewesen sei, behauptete es, es habe in Damascus gelebt, Abu Hasan al Qabbâni geheissen, sein Haus habe in der Strasse, dem Stadtviertel der Teimener gelegen, und es habe bei seinem Tode Frau und Kinder hin16
Matlock: Signs of reincarnation, 89–90. Eine leicht abweichende Übersetzung findet sich in Rawat & Rivas: Reincarnation, 27–28. 17 Siehe Stevenson: Cases of the reincarnation type, 3:3–4; für die Mehrheit der türkischen Nusairier-Aleviten gilt nach Stevenson dasselbe, siehe ebd. 186–187. 18 Ein Gebirge zwischen Aleppo und Antiochien, dem heutigen Antakya. 19 Das heutige Aleppo.
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Fälle kleiner Kinder
terlassen. Alsdann sei es in dem Orte N.N. geboren worden, aber schon nach einem halben Jahre gestorben, und darauf zu ihnen gekommen. Da es diese Erzählung mehrmals wiederholte, so suchte man sich endlich darüber Gewissheit zu verschaffen. Man brachte es nach Damascus, und, als es in dessen Nähe kam, sagte es den Eltern, dass es den Weg kenne, so wie die Ortschaften, welche sie berührten. Es sagte ihnen auch die Namen der Flecken, Aecker und Strassen, bis sie nach Damascus kamen. Hier nannte es die Gassen und Märkte, über die sie gingen, ja selbst einige Personen, die ihnen unterwegs begegneten. Als sie darauf in das Stadtviertel der Teimener gelangten, zeigte es ihnen sein Haus. Es klopfte an die Thüre, eine Frau antwortete ihm von innen, und da es ihre Stimme hörte, sagte es zu denen, die bei ihm waren: »diess ist meine Gattin.« Der Knabe rief sie bei ihrem Namen, und sagte: »Oeffne.« Sie öffnete die Thüre, und er erzählte ihr, dass er ihr Gatte sei. Sogleich kamen erstaunt die Drusen, die in der Nähe wohnten, und die Geschichte erfahren hatten, herbei, und es bestätigte sich vollkommen, was er berichtet hatte: 1) dass der Tod des Abu Hasan el Qabbâni in die Zeit fiel, welche er angegeben hatte, 2) von der Zahl seiner Kinder, ihren Namen und ihrem Lebensalter, 3) von dem gemeinschaftlichen Besitz von Pferden, die er mit andern zusammen gehalten hatte, 4) dass ihn während der Krankheit, an der er gestorben war, ein gewisser Muhammedaner besucht, eine Nargîle [Wasserpfeife] mit ihm geraucht habe, dass aus derselben eine Kohle auf seine Decke, in die er sich gehüllt hatte, gefallen, und ein Loch in dieselbe gebrannt sei; und man fand die Decke noch in demselben Zustande aufbewahrt, 5) von den (ausstehenden) Schulden, die er hinterlassen hatte, wobei ein kleiner Posten von einem Talarbereiter nicht in seinem Rechnungsbuche eingetragen war. Seine Frau und Kinder bestätigten Alles genau nach seiner Angabe mit Ausnahme der Schuld des Schneiders. Man liess ihn kommen, er gestand auf erfolgte Anfrage die Schuld, und sagte, dass er nur aus Noth davon gegen seine (dessen) Kinder geschwiegen hatte. 6) dass er an einem geheimen Orte seines Hauses ein irdenes Gefäss mit Geldstücken gefüllt, deren verschiedene Sorten er aufzählte, vergraben hatte. Er fragte sie, ob sie es gefunden haben? Auf ihre verneinende Antwort grub man an der bezeichneten Stelle nach, und fand Alles genau so, wie er es angegeben hatte. Nach dieser Zeit blieb er noch einige Tage bei seiner Frau und Kindern, die älter waren, als er selbst; man gab ihm einen Theil des Vermögens, und dann reiste er mit seinen neuen Eltern wieder ab.20
20
Petermann: Reisen im Orient, 1:400–401. Petermann nennt als Quelle dieses Berichts (und weiterer Informationen zur Religion der Drusen) einen »der gebildetsten Araber in Damascus, ein evangelischer Christ« (ebd. 375).
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Erfahrungen früherer Leben und ihre Begleitumstände und -erscheinungen
Die Zwillinge aus Okshitgon Der letzte der hier zitierten historischen Fallberichte findet sich im Buch The Soul of a People (1898) von Harold Fielding-Hall, ein hoher britischer Regierungsbeamter in Burma, dem heutigen Myanmar. Die beiden burmesischen Jungen Maung Gyi und Maung Nyè, die eine Reinkarnation eines verstorbenen Ehepaares sein sollen, zeigten nach dem Bericht nicht nur ein ungewöhnliches Wissen über ihr mutmaßliches früheres Leben, sondern besaßen anscheinend auch ein erinnerungsartiges Erleben mit Bezug auf eine mutmaßliche frühere Existenz: Vor etwa fünfzig Jahren wurden in einem Dorf namens Okshitgon zwei Kinder geboren, ein Junge und ein Mädchen. Sie kamen am selben Tag in benachbarten Häusern zur Welt, wuchsen zusammen auf, spielten zusammen und liebten einander. Zu gegebener Zeit heirateten sie, gründeten eine Familie und ernährten sich von der Bebauung der trockenen, unfruchtbaren Felder in der Umgebung des Dorfes. Sie waren bekannt wegen ihrer tiefen gegenseitigen Zuneigung, und sie starben, wie sie gelebt hatten: zusammen. Dieselbe Todesart raffte sie am gleichen Tag hinweg […]. Es war das Jahr nach der Einnahme von Mandalay durch die britische Armee. 21 Ganz Burma war im Aufruhr. […] Okshitgon lag in der Mitte eines der meistbetroffenen Distrikte. Viele Einwohner flohen, und einer von ihnen, ein Mann namens Maung Kan, begab sich mit seiner jungen Frau in das Dorf Kabyu und lebte dort. Nun hatte die Frau des Maung Kan ihm Zwillingssöhne geschenkt, die in Okshitgon geboren worden waren, kurz bevor die Eltern flüchten mussten. Der ältere wurde Maung Gyi genannt, das bedeutet ›Bruder großer Kerl‹, und der jüngere Maung Ngè oder ›Bruder kleiner Kerl‹. Die Jungen wuchsen in Kabyu auf und lernten bald sprechen. Und als sie älter wurden, hörten die Eltern zu ihrem Erstaunen, dass sie sich beim Spielen nicht Maung Gyi und Maung Ngè nannten, sondern Maung San Nyein und Ma Gywin. Das letztere ist ein Frauenname, und die Eltern erinnerten sich, dass dies die Namen des Mannes und der Frau waren, die um die Zeit starben, als die Kinder geboren wurden. Also dachten die Eltern, dass die Seelen dieses Mannes und dieser Frau in die Kinder eingetreten seien, und sie nahmen sie mit nach Okshitgon, um sie zu testen. Die Kinder kannten alles in Okshitgon, die Straßen, die Häuser und die Leute, und sie erkannten die Kleidungsstücke wieder, die sie in ihrem früheren Leben getragen hatten. Es war kein Zweifel möglich. Einer von ihnen, der Jüngere, erinnerte sich auch, dass [er im früheren Leben als] sie [Ma Gywin] einmal
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Die Briten eroberten Mandalay 1885.
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Fälle kleiner Kinder
von einer gewissen Ma Thet zwei Rupien geliehen hatte, ohne dass ihr Mann davon wusste, und dass diese Schuld nicht bezahlt worden war. Ma Thet lebte noch, und so befragte man sie, und sie erinnerte sich, dass es stimmte, dass sie das Geld vor langer Zeit geliehen hatte. […] Kurz nach diesem Vorfall traf ich die Kinder. Sie haben ihr sechstes Jahr vollendet. Der Ältere, in den die Seele des Mannes eintrat, ist ein fetter, pausbäckiger kleiner Kerl, der jüngere Zwillingsbruder aber ist schmaler und hat einen sonderbar träumerischen Gesichtsausdruck, mehr wie ein Mädchen. Sie erzählten mir viel über ihre früheren Leben. Nach ihrem Tod, sagten sie, hätten sie einige Zeit ganz ohne Körper gelebt, seien in der Luft umhergeschweift und hätten sich in den Bäumen verborgen. Das sei wegen ihrer Sünden gewesen. Dann, nach einigen Monaten, seien sie als Zwillinge wiedergeboren worden. »Das war mal ganz deutlich«, sagte mir der ältere Junge, »ich konnte mich an alles erinnern, aber es trübt sich immer mehr; ich kann mich nicht mehr so gut erinnern wie früher.« 22
Die Äußerung von Maung Gyi, seine Erinnerungen seien früher »ganz deutlich« gewesen, deutet auf ein visuelles erinnerungsartiges Erleben hin und nicht nur auf ein Wissen. Der Rückgang der mutmaßlichen Erinnerungen an das frühere Leben im Alter von etwa sechs Jahren wird häufig konstatiert. Eine weitere, ebenfalls häufige Beobachtung ist die Überschneidung der jetzigen und der früheren Leben. Maung Gyi und Maung Ngè wurden etwa zum selben Zeitpunkt geboren, als das alte Ehepaar, das die Kinder in ihrem früheren Leben gewesen zu sein schienen, starb. Der Fall enthält auch die Schilderung von Erlebnissen zwischen den Inkarnationen, wie sie in etwa einem Fünftel der Fälle berichtet werden. 23
Wissenschaftlich erforschte Fälle Gopal Gupta Die wissenschaftliche Feldforschung zu Kindern, die von früheren Leben sprechen, begann mit Ian Stevenson (1918–2007). Im Verlauf von vierzig Jahren untersuchte er mehr Fälle als alle anderen Forscher auf diesem Gebiet zusammen. Die von ihm begründete Sammlung der Division of Perceptual Studies an der University of Virginia um22
Fielding-Hall: Soul of a people, 338–341. Siehe dazu auch Haraldsson & Matlock: I saw a light, 178. 23 Siehe Tucker: Life before life, 168.
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Erfahrungen früherer Leben und ihre Begleitumstände und -erscheinungen
fasst mehr als 2500 ›Fälle vom Reinkarnationstyp‹. 24 Davon sind etwa 1700 gelöste Fälle, das heißt, die Person des früheren Lebens konnte mit befriedigender Sicherheit ermittelt werden. 25 Einer der bekannteren von Stevensons Fällen ist der von Gopal Gupta. Dieser wurde am 26. August 1956, als Sohn einfacher Leute in Dehli, Indien, geboren. Als Gopal ungefähr zweieinhalb Jahre alt war, hatte die Familie Besuch. Gopal reichte dem Gast ein Glas Wasser, aber er weigerte sich, das benutzte Glas wieder abzuräumen. Er werde es nicht anfassen, denn er sei ein Sharma. Sharmas sind eine Unterkaste der höchsten Kaste, der Brahmanen. Diese berühren keine Gegenstände, die Angehörige einer geringeren Kaste berührt haben. Die Guptas gehören zu einer tieferen Kaste. Gopal bekam bei der erwähnten Gelegenheit sogar einen Wutanfall und zerbrach einige Gläser. Auf Nachfrage zu seinem Verhalten sagte Gopal, er käme aus Mathura (160 Kilometer südlich von Dehli). Dort habe er einen anderen Vater und zwei Brüder. Einer der Brüder habe ihn erschossen. Weiterhin sagte er unter anderem, er besitze ein Unternehmen, das mit Medikamenten zu tun habe. Der Name des Unternehmens sei Sukh Shancharak. Er habe ein großes Haus und viele Diener. Erst Jahre später, 1964, kam Gopals Vater, S. P. Gupta, zum ersten Mal, wegen religiöser Feierlichkeiten, nach Mathura. Bei dieser Gelegenheit suchte er das Unternehmen Sukh Shancharak auf, von dem sein Sohn gesprochen hatte. Es stellte in der Tat Medikamente her. Der Vater sprach mit dem Verkaufsleiter der Firma, K. B. Pathak, über die Dinge, die Gopal gesagt hatte. Pathak war beeindruckt und sagte ihm, der frühere Firmenleiter, Shaktipal Sharma, sei von seinem jüngeren Bruder Brijendrapal am 24. Mai 1948 angeschossen worden und drei Tage später seinen Verletzungen erlegen. Pathak erzählte Shaktipal Sharmas Familie von Gopal. Familienangehörige reisten zu den Guptas nach Dehli und luden Gopal auch nach Mathura ein. Er identifizierte die Witwe des Ermordeten und zahlreiche weitere Familienmitglieder, einschließlich des Mörders. Viele seiner Aussagen über den Ermordeten und dessen Umgebung wurden bestätigt. 26 Die Witwe fiel 24
Siehe Mills & Tucker: Past-life experiences, 309. Siehe Mills & Tucker: Reincarnation, 318. Dort wird gesagt, dass 68 % der Fälle der Division of Perceptual Studies gelöst seien; vgl. Matlock: Signs of reincarnation, 209. Dabei wurde natürlich versucht, Fälle mit falschen oder irreführenden Zeugenaussagen auszuschließen (siehe zu sieben inauthentischen Fällen Stevenson et al.: Deception and self-deception). 26 Siehe die Liste in Stevenson: Cases of the reincarnation type, 1:82–95. 25
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Fälle kleiner Kinder
buchstäblich in Ohnmacht, als man ihr von Gopals Aussage berichtete, Shaktipal Sharma habe sie vor seiner Ermordung um Geld für seinen verschwendungssüchtigen Bruder angebettelt, aber sie habe es ihm verweigert. 27 Dieser Vorgang war vermutlich nur den betroffenen Familienangehörigen bekannt gewesen. Auch zeigte Gopal eine Reihe Verhaltensweisen, die für Shaktipal Sharma typisch waren. 28 Die Familie von Shaktipal Sharma kam zu der Überzeugung, dass Gopal dessen Reinkarnation war. Gopals überhebliches Verhalten verlor sich mit dem Älterwerden allmählich, und er sprach weniger von seinem früheren Leben. Aber selbst mit achtzehn Jahren, so glaubte sein Vater, habe er sich noch an vieles daraus erinnert. 29 Stevenson zählt den Fall von Gopal Gupta zu den »überzeugenden Fällen« der Reinkarnationsforschung, da Gopal sein Wissen über Shaktipal Sharma kaum auf »normalem Weg« habe erlangen können. 30 Stevenson konzentriert sich hier also auf ein paranormales Wissen der untersuchten Kinder und nicht darauf, ob sie Erlebnisse mit Bezug auf ein früheres Leben haben. Das ist für alle hier zitierten modernen Fälle und, wie bereits gesagt, für die Reinkarnationsforschung insgesamt charakteristisch.
Dilukshi Nissaka Der nächste Fall stammt aus Sri Lanka. Er wurde von Erlendur Haraldsson untersucht, der Ende 1980er Jahre Feldforschungen zu Kindern, die von früheren Leben sprechen, in Sri Lanka, im Libanon und in Island aufnahm. 31 Die Protagonistin ist ein am 4. Oktober 1984 geborenes Mädchen namens Dilukshi Nissanka aus Veyangoda auf Sri Lanka. Dilukshi begann mit weniger als zwei Jahren von einem früheren Leben zu sprechen. Sie habe bei Dambulla gelebt und sei in einem Fluss ertrunken. Sie weigerte sich, ihre Eltern Mutter und Vater zu nennen und wollte zu ihrem früheren Haus gebracht werden. Ihre Eltern versuchten sie, auch mit Drohungen, davon abzubringen, über ihr mutmaßliches früheres Leben zu reden, aber ohne Erfolg. 27
Siehe Stevenson: Cases of the reincarnation type, 1:102. Siehe die Liste in Stevenson: Cases of the reincarnation type, 1:101. 29 Der Fall wurde zusammengefasst nach Stevenson: Cases of the reincarnation type, 1:70–106; Stevenson: Wiedergeburt, 87–90. 30 Stevenson: Wiedergeburt, 90. 31 Siehe Haraldsson & Matlock: I saw a light. 28
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Erfahrungen früherer Leben und ihre Begleitumstände und -erscheinungen
Über ihre Aussagen wurden schriftliche Aufzeichnungen gemacht, bevor Nachforschungen begannen. Als Dilukshi fünf Jahre alt war, wurden ihre Aussagen in der Presse dargestellt. Daraufhin meldete sich der Vater eines Mädchens namens Shiromi Ranatunga, das am 27. September 1983, also gut ein Jahr vor Dilukshis Geburt, bei Dambulla in einem Fluss ertrunken war. Dilukshi wurde von einem Journalisten mit ihren Eltern nach Dambulla gebracht und führte die Erwachsenen etwa vier Meilen von Dambulla zum Haus von Shiromi Ranatunga. Nachdem sie Personen und Objekte wiedererkannte und zahlreiche ihrer Aussagen bestätigt werden konnten, akzeptierte die Familie Ranatunga Dilukshi als ihre wiedergeborene Tochter. Allerdings nannte sie falsche Vornamen für Shiromi und deren Mutter (den Vornamen des Vaters wusste sie nicht), und ihre Aussagen über die Hautfarbe der Eltern und des Bruders von Shiromi waren unzutreffend. Mit zweiundzwanzig Jahren hatte Dilukshi laut Haraldsson noch einige ihrer (mutmaßlichen) Erinnerungen. 32
Juta Den Fall eines thailändischen Jungen namens Juta gebe ich vor allem deshalb wieder, weil dieser bereits einige Monate alt war, als die Person des früheren Lebens starb und weil er auch erst dann Male auf der Haut entwickelte, die mit Hautläsionen dieser Person übereinstimmten. Der ansonsten recht typische Fall wurde von Tucker untersucht, der die Reinkarnationsforschung Stevensons an der Division of Perceptual Studies der University of Virginia fortsetzt. [Juta] war etwas über vier Jahre alt, als wir ihn zum ersten Mal trafen. Wir besuchten seine Familie in ihrem Haus, einem hübschen Haus in einer kleinen Stadt im Nordosten Thailands, wo Juta mit seiner Mutter und seinen Großeltern lebte. Vier Monate nach seiner Geburt wurde sein Onkel mütterlicherseits, der ältere Bruder seiner Mutter, bei einem Motorradunfall in der Nähe von Bangkok getötet. Er wurde von einem Lastwagen angefahren und schlug mit dem Kopf gegen die Leitplanke einer Brücke. Drei oder vier Monate später entwickelte Juta mehrere Tage lang Atemwegsbeschwerden und hohes Fieber, sein Körper zitterte und seine Zähne klapperten vor Schüttelfrost. Nachdem er sich erholt hatte, bemerkte seine Familie, dass er zwei dunkle Flecken auf seinem linken Oberarm bekommen hatte, die 32
Siehe Haraldsson & Matlock: I saw a light, 73–80.
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Fälle kleiner Kinder
noch deutlich sichtbar waren, als wir ihn trafen. Sie waren unregelmäßig geformt, weitestgehend dreieckig und etwa ein Viertel Zoll im Durchmesser. Sie stimmten mit den Flecken auf dem linken Arm seines verstorbenen Onkels überein. Sein Onkel hatte geplant, sich dort tätowieren zu lassen. Die Prozedur war jedoch so schmerzhaft, dass er sie abbrach, nachdem er drei Flecken als Anfang des Bildes erhalten hatte, von denen nun zwei auf Jutas Arm reproduziert zu sein schienen. Juta entwickelte auch einen hervorstehenden Nabel, einen »Outie«, wie sein Onkel ihn gehabt hatte. Obwohl Jutas Mutter seine Hauptbetreuerin war, nannte er, als er alt genug war, um zu sprechen, seine Großeltern Mutter und Vater. Sein verstorbener Onkel war das einzige ihrer Kinder gewesen, das sie mit dem förmlicheren Ausdruck Mutter und Vater und nicht mit Mama und Papa anredete. Und seine eigene Mutter, deren Name Noey war, benannte er mit einem Ausdruck, der »kleine Noey« oder »dumme Noey« bedeutete. Sein Onkel hatte seine kleine Schwester mit diesen Spitznamen gerufen, um sie zu necken, aber niemand sonst benutzte ihn. Jutas Großeltern erzählten uns zuerst davon, und als wir seine Mutter später danach fragten, lachte sie und sagte, sie müsse damit drohen, Juta den Hintern zu versohlen, damit er aufhöre, sie so zu nennen. Juta zeigte weitere Verhaltensweisen, die seine Familie an seinen Onkel erinnerten, vor allem, wenn die Freunde des Onkels zu Besuch kamen. Er scherzte mit ihnen auf die rüde Art und Weise, wie es Kumpels untereinander machen. Er tat gewöhnlich Eis in mehrere Gläser, schüttete Bier oder Whisky darauf und rührte sie mit dem Finger um, so wie es sein Onkel getan hatte. Er pflegte die Getränke an seine Freunde zu verteilen und dann selbst eines zu trinken(!). Ein Freund bemerkte, dass er beim Biereinschenken wie sein Onkel auf den Boden der Flasche schlug, um das letzte bisschen herauszubekommen. Als Juta zwei Jahre alt war, sagte er, er habe für eine Firma in Bangkok gearbeitet und Eigentumswohnungen gebaut, was sein Onkel laut Informanten tatsächlich getan hatte. Er zeigte auch großes Interesse an Baumaschinen. Er pflegte auf das Motorrad seines Onkels zu deuten und zu sagen, es sei seins. Acht Monate nach unserem ersten Treffen besuchten wir die Familie wieder. Zu diesem Zeitpunkt wurde Juta gerade fünf Jahre alt. Er sprach nicht mehr über das Leben seines Onkels und hatte aufgehört, seine Großeltern Mutter und Vater zu nennen. Stattdessen nannte er seine eigene Mutter »Mutter« oder »Mutter Noey« (was ungewöhnlich war). Er trank keinen Alkohol mehr und lehnte Bier ab, wenn ihm ein Glas gegeben wurde, im Gegensatz zu seinem Verhalten im Alter von zwei Jahren, als er kleine Mengen Whisky zu trinken pflegte. Die Flecken auf seinem Arm wurden immer schwächer. Er schien zu diesem Zeitpunkt ein typischer kleiner Junge zu sein. 33
33
Tucker: Return to life, 23–25.
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Erfahrungen früherer Leben und ihre Begleitumstände und -erscheinungen
James Leininger In westlichen Ländern gibt es wenige überzeugende Fälle von Kindern, die von früheren Leben sprechen. 34 Das wohl berühmteste Kind aus einem westlichen Land, das behauptet, früher schon einmal gelebt zu haben, ist James Leininger. Sein Fall wurde ebenfalls von Tucker untersucht. 35 James wurde 1998 in San Francisco geboren. Seine Erlebnisse mit Bezug auf ein früheres Leben schienen sich zu einem wesentlichen Teil in Träumen, also in einem veränderten Bewusstseinszustand, zu ereignen. Mit gerade zwei Jahren begannen bei ihm Albträume, die sich wöchentlich mehrmals wiederholten. 36 In diesen Träumen befand er sich in einem abstürzenden, brennenden Flugzeug. James war der Überzeugung, dass er sich tatsächlich, in einem früheren Leben, in diesem abstürzenden Flugzeug befunden hatte: »Mama, bevor ich geboren wurde, war ich ein Pilot, und mein Flugzeug wurde in den Motor geschossen und es stürzte ins Wasser und so bin ich gestorben«. 37 Er habe damals ebenfalls James geheißen. Sobald er malen konnte, ab dem Alter von drei Jahren, fing er an, Bilder von Seeschlachten mit Propellerflugzeugen zu malen. Er zeigte auch Verhaltensweisen eines Piloten. Wenn er in seinem Kindersitz angeschnallt wurde, machte er Bewegungen, als würde er sich Kopfhörer überziehen und eine Sauerstoffmaske vor seinen Mund ziehen. Auch hatte er die Angewohnheit zu prüfen, ob die Feuerlöscher an ihrem Ort waren. 38 Mit vier Jahren baute er sich eine Art Cockpit, imitierte militärische Funksprüche und grüßte militärisch. Seine Angaben führten auf die Spur von James McCready Huston Jr., der am 3. März 1945 bei der Insel Chichi-Jima im Pazifik südlich von Japan von Japanern abgeschossen wurde. Sehr spezifische Aussagen von James Leininger stimmten mit dem Leben von James Huston überein. 39 Als er im Alter von acht Jahren an die Absturzstelle der Maschine von James Huston im Japanischen Meer kam, weinte er fünf34
Siehe Stevenson: Reinkarnation in Europa, 413. Siehe Tucker: Case of James Leininger; Tucker: Return to life, 63–87. 36 Siehe Leininger & Leininger: Soul survivor, 3–5, 10–12, 46, 55, 57–58, 62–65, 69– 70, 77–79, 81. 37 Tucker: Return to life, 77; Tucker: Case of James Leininger, 204. 38 Hassler: Indizienbeweise für ein Leben nach dem Tod und die Wiedergeburt, 1:147. 39 Siehe die Aufstellungen in Tucker: Return to life, 78; Tucker: Case of James Leininger, 204, sowie Hassler: Indizienbeweise für ein Leben nach dem Tod und die Wiedergeburt, 1:148–150. 35
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Fälle kleiner Kinder
zehn Minuten lang und verabschiedete sich dann von James Huston mit den Worten »Ich werde dich niemals vergessen«. 40 Danach schien das Leben von Huston aus seinem Bewusstsein zu schwinden. 41 Der Fall von James Leininger ist einer der wenigen, in dem es kaum bezweifelt werden kann, dass das Kind Erfahrungen früherer Leben hatte. James Leininger sprach nicht nur von einem früheren Leben und besaß anscheinend ein ungewöhnliches Wissen davon, sondern hatte offensichtlich in Träumen entsprechende Erlebnisse, in denen er tatsächlich Szenen wie aus dem Luftkrieg zwischen den USA und Japan als beteiligter Pilot durchlebte. Obwohl er, wie wir sahen, explizit die Überzeugung ausdrückte, dass er schon einmal gelebt habe, distanzierte er sich gegen Ende seiner Erfahrungen von der Person des früheren Lebens. Auffallend ist weiterhin, dass James Leininger nach dem Besuch der Absturzstelle aufhörte, von einem früheren Leben zu sprechen. Man hätte sich durchaus vorstellen können, dass der Besuch des Sterbeortes seine Erlebnisse noch befeuert hätte.
Ryan Hammons Den ebenfalls von Tucker untersuchten Fall von Ryan Hammons, geboren 2004, aus Muskogee in Oklahoma, 42 präsentiere ich unter anderem, weil Ryan Hammons über sein Verhältnis zur Person des früheren Lebens reflektierte. Er sprach ab dem Alter von vier Jahren 43 von einem früheren Leben in Hollywood. In einem Buch über Hollywood entdeckte er – anscheinend mit fünf Jahren – auf einem Foto den Mann, der er in seinem früheren Leben gewesen sei. 44 Nach langwierigen Nachforschungen konnte ermittelt werden, dass es sich dabei um den wenig bekannten Hollywood-Darsteller und Schauspie-
40
Kean: Surviving death, 34. Siehe Kean: Surviving death, 34; Tucker: Return to life, 85; Tucker: Case of James Leininger, 203. 42 Siehe zu diesem Fall Tucker: Return to life, 88–119 sowie Hammons: »The old me«; Haraldsson & Matlock: I saw a light, 214–218; Kean: Surviving death, 67–79; Lyons: The science of reincarnation. 43 Ryan sprach erst mit vier Jahren in ganzen Sätzen, nachdem seine vergrößerte Rachenmandel entfernt worden war. Vorher schien er Schwierigkeiten mit dem Hören und dadurch auch mit dem Spracherwerb gehabt zu haben (siehe Haraldsson & Matlock: I saw a light, 215). 44 Siehe Hammons: »The old me«, 55–56. 41
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Erfahrungen früherer Leben und ihre Begleitumstände und -erscheinungen
ler-Agenten Marty Martyn (1903–1964) handelte. Zahlreiche Aussagen von Ryan Hammons über Marty Martyn, die er machte, bevor die Identität des Mannes auf dem Foto festgestellt worden war, hielten der Nachprüfung stand. 45 Er identifizierte sich anscheinend so stark mit dem Leben von Marty Martyn, dass er eine Art Heimweh danach hatte. 46 Manchmal fiel es ihm schwer, zwischen sich und der Person des früheren Lebens zu unterscheiden. Es waren dann nicht einfache Erinnerungen, die kamen und gingen und ihn dann wieder lange Zeit in der Gegenwart ließen, bis die nächste Erinnerung auftauchte, wie dies normalerweise bei jüngeren Kindern wie James Leininger der Fall ist. Ryan schien manchmal durcheinanderzubringen, was damals und was heute war, und konnte nicht richtig einschätzen, was jetzt im Gegensatz zu früher angemessene Erwartungen waren. Er dachte, er solle seine Mutter für die Reinigung seines Zimmers bezahlen, weil er früher ein Dienstmädchen hatte, das jeden Tag zum Saubermachen in sein Haus kam. Er erwartete, seine Freunde zu sehen, als er nach Hollywood fuhr, und sagte, dass er eine Weile bei ihnen bleiben und nach seinen Eltern nach Hause kommen könnte. 47
Als die Mutter ihm im Alter von fünf oder sechs Jahren zu erklären versuchte, dass er nicht mehr die Person des früheren Lebens sei, sagte er: »Mama, verstehst du es immer noch nicht? Ich bin äußerlich nicht derselbe wie der Mann auf dem Bild, aber innerlich bin ich immer noch dieser Mann.« 48 Wie bei James Leininger trat bei Ryan Hammons aber auch eine gedankliche Differenzierung zwischen ihm und der Person des früheren Lebens zutage. Mit gerade sechs Jahren bemerkte er: »Mama, weißt du, dass da irgendwie zwei Leute in mir sind? Da ist Ryan und da ist Marty«. 49 Ryan hatte wie James Leininger häufige Träume von einem früheren Leben. Darin scheint er unter anderem er das Gesicht einer Person aus jenem Leben gesehen zu haben, das er später auf einem Foto wiedererkannte und dadurch die Person identifizieren konnte. 50 Er hatte anscheinend außerdem Albträume von Marty Martyns Tod. Ob sie den tatsächlichen Umständen entsprachen, ist allerdings un-
45 46 47 48 49 50
Siehe Kean: Surviving death, 70–72. Siehe Hammons: »The old me«, 61. Kean: Surviving death, 75–76. Hammons: »The old me«, 61. Kean: Surviving death, 76. Siehe Tucker: Return to life, 96.
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Fälle kleiner Kinder
klar. 51 Die Identifikation mit Marty Martyn schien mit vier Jahren am stärksten, mit sieben Jahren begann sie zu verschwinden. 52 Nach dem abendlichen Bad sprach er am häufigsten vom früheren Leben. 53 An manchen Tagen, schreibt seine Mutter, war er »einfach nur Ryan«. 54 Das bedeutet wohl, dass sein Verhalten das eines normalen kleinen Jungen war und nicht das eines Mannes aus Hollywood. Ryan Hammons scheint auch unabhängig von Marty Martyns Leben in einer Reihe von Fällen ein Wissen demonstriert zu haben, das er kaum auf normalem Wege erworben haben konnte. 55
Nur einmal von einem früheren Leben sprechen Neben Fällen, in denen Kinder jahrelang von einem früheren Leben sprechen, gibt es auch solche, bei denen sie es nur ein einziges Mal tun. Die Phänomenologie der Fälle ist aber ähnlich. Dazu zwei von Ian Stevenson untersuchte Beispiele. Jenny McLeod wurde 1949 in Aberdeen geboren und lebte bis zu ihrem fünften Lebensjahr in Kingussie, einer kleinen Stadt in den schottischen Highlands. Sie begann mit etwa einem Jahr zusammenhängend zu sprechen. Mit etwa zwei Jahren machte sie eine Reihe von Aussagen über ein früheres Leben, die auf das Leben ihrer Urgroßmutter Bessie Gordon passten: Eines frühen Nachmittags saß sie auf dem Schoß ihrer Großmutter, die sie fütterte. Ihre Mutter war im gleichen Raum. Da sagte Jenny überraschend: »Erinnerst du dich noch, wie ich dich gefüttert habe, Oma?« Offenbar von irgendeiner Assoziation angeregt, erwähnte Jenny dann einen Hügel in Portree namens »The Lump«. Sie sprach über das Haus dort, das eine eigene kleine Anlegebrücke hatte. Sie erinnerte sich an einige Stufen, die einen kürzeren Zugang zum Haus boten als die Straße am »Lump«. Sie redete über die »netten kleinen Hunde«, die sie gehabt habe. (Die MacLeods hatten keine Hunde, weder große noch kleine.) In seiner kurzen Zusammenfassung des Falles schrieb Pfarrer Muir, dass Jenny noch weitere Aussagen gemacht habe, und nannte Namen und Bezeichnung von anderen Orten und Straßen in Portree. [… Ihre Mutter sagte,] Jenny sei nach ihrem Mit51
Siehe Tucker: Return to life,112; Haraldsson & Matlock: I saw a light, 215 mit Fn. 19. 52 Siehe Haraldsson & Matlock: I saw a light, 216–217. 53 Siehe Haraldsson & Matlock: I law a light, 216. 54 Siehe Hammons: »The old me«, 61. 55 Siehe Tucker: Return to life, 113–117.
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Erfahrungen früherer Leben und ihre Begleitumstände und -erscheinungen
tagessen schläfrig geworden, und damit sei das Gespräch über Portree zu Ende gegangen. Sie sprach nie wieder darüber. 56
Im anderen Fallbeispiel geht es um Gillian Cunningham, die 1958 in Ilford (Essex, England) geboren wurde. Wie Jenny McLeod sprach sie mit zwei Jahren von einem früheren Leben, ihre Angaben waren allerdings für eine Überprüfung nicht spezifisch genug. Die Schilderung des Falles verfasste ihre Mutter, Lilian Cunningham: Es war am Abend, etwa um 18.30 Uhr, als ich sie [Gillian] badete, bevor ich sie zu Bett brachte. Wie Mütter zu ihren Kindern reden, sagte ich, wenn sie groß wäre, könnte sie alles sein, was sie wollte. Da fing sie an, wie eine Erwachsene zu sprechen. Sie korrigierte mich mit Bestimmtheit: Als sie groß war, sei sie die Frau eines Bauern gewesen. Ich sagte: »Nein, wenn du groß bist, kannst du die Frau eines Bauern sein«, doch sie wiederholte: »Als ich die Frau eines Bauern war, hatte ich vier Söhne«, und sie nannte deren Namen. […] Dann versuchte ich sie zu überlisten und sagte: »Was für ein Bauernhof war das denn?« Sie sagte: »Milchwirtschaft.« Wieder probierte ich: »Was hält man auf einer Milchwirtschaft?« Sie antwortete: »Natürlich Kühe!« Dann wechselte sie zurück und sprach wieder wie ein Kleinkind. Ich habe seitdem viele Male versucht, sie dazu zu bewegen, zu versuchen, sich an ihr altes Leben zu erinnern, aber es ist mir nie gelungen. 57
Erfahrungen früherer Leben in Träumen Menschen fast jeden Alters scheinen Erfahrungen früherer Leben im Traum zu haben. Manchmal werden solche Traumerfahrungen auch von kleinen Kindern berichtet, die von früheren Leben sprechen. 58 Beispiele dafür haben wir bei den Fällen von James Leininger und Ryan Hammons kennengelernt. Ein weiteres ist der Fall von Salem Andary. 59 Er wurde am 4. November 1944 in Falougha im Libanon geboren. Mit zwei Jahren begann er zusammenhängend zu sprechen. Seine ersten Worte waren »Beduinen«, »Stein« oder »Steine« und »getroffen«. Zu seinen ersten Sätzen zählte »Sultan tötet viele«. Als er etwa vier Jahre alt war, begann er Einzelheiten eines früheren 56
Stevenson: Reinkarnation in Europa, 96. Stevenson: Reinkarnation in Europa, 132. 58 Stevenson: Reincarnation and biology, 1386–1387 Fn. 3, zählt elf Kinder auf, auf die das zutrifft, also nur ein kleiner Anteil seiner über 2500 Fälle. 59 Siehe Stevenson: Cases of the reincarnation type, 3:159–174, zur folgenden Kurzdarstellung seines Falls siehe ebd. 159–160. 57
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Fälle kleiner Kinder
Lebens zu berichten: Er sei ein gewisser Hasan Hamed von Krayyé, ein Ort in Syrien, gewesen und ein Freund des Sultans Pasha Atrash, ein bekannter Drusenführer und -held. Er beschrieb, wie er im früheren Leben durch Beduinen getötet worden war: Sie steckten ihn in einen Mühlenschacht und warfen Steine auf ihn, bis er tot war. Das mutmaßliche frühere Leben von Salem Andary tauchte nach Ian Stevensons Darstellung nicht nur in seinem Sprechen auf, sondern auch in wiederholten Alpträumen, die bis ins Erwachsenenalter anhielten. Die Alpträume waren immer gleich. Sie begannen mit einer »Empfindung«, wie seine (früheren) Onkel ihn verraten und den Beduinen ermöglicht hatten, ihn zu fangen und zu töten. Dann folgten klare Bilder der Szenen, die Hasans Tod vorausgingen. Wenn Salem den Punkt in dem Traum erreichte, an dem Hasan getötet wurde, wachte er für gewöhnlich auf; manchmal hörten seine Eltern ihn im Schlaf reden und weckten ihn auf. Seine Mutter fand heraus, dass sie ihn nur beruhigen konnte, indem sie ihm sagte, dass Sultan Pasha Atrash kommen würde. Sie sagte, dass Salem ihr gegenüber nie den Inhalt der Alpträume erwähnt habe – und sie schien [auch] nicht danach gefragt zu haben. Ich [Stevenson] habe nicht in Erfahrung gebracht, wie oft Salem als Kleinkind diese Alpträume hatte; aber 1968, als er 23 Jahre alt war, sagte er, dass er sie noch fünf- bis sechsmal im Jahr hatte. 60
Allgemeine Merkmale der Fälle Haben kleine Kinder überhaupt Erfahrungen früherer Leben? Ich habe schon darauf hingewiesen, dass kleine Kinder sehr selten Erfahrungen früherer Leben beschreiben, sondern meistens faktische Aussagen über ein früheres Leben machen. Die allgemeine Annahme der Reinkarnationsforschung ist, wie ebenfalls bereits erwähnt, dass diese Aussagen auf Erfahrungen früherer Leben basieren. Es gibt Indizien, dass Kinder, die spontan von einem früheren Leben sprechen, tatsächlich über Erfahrungen früherer Leben verfügen. Die meisten 60
Stevenson: Cases of the reincarnation type, 3:165, 169. Stevenson nennt ebd. 169, Fn. 3 als weitere Beispiele für Erfahrungen früherer Leben im Traum Prakash Varshnay, Suleyman Andary, Shamlinie Prema, Sujith Lakmal Jayaratne und Wijama Kithsiri (siehe Stevenson: Reinkarnation, 35; Stevenson: Cases of the reincarnation type 3:53; 2:15, 267, 341, 347). In keinem dieser Fälle berichtet das Kind von einem Traum; es wird vielmehr aus seinem Verhalten geschlossen, dass es von einem früheren Leben träumte.
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Erfahrungen früherer Leben und ihre Begleitumstände und -erscheinungen
Kinder formulieren ihre Aussagen über das frühere Leben aus der Ich-Perspektive. Die damit verbundenen Gefühle wirken oft so intensiv, als ob sie das Berichtete nicht nur wüssten, sondern tatsächlich erlebt hätten. 61 Sie erkennen manchmal spontan Angehörige der Person des früheren Lebens oder vergleichen die äußere Erscheinung ihrer jetzigen Eltern mit den Eltern des früheren Lebens. 62 Sie fertigen gelegentlich Zeichnungen an, die etwas aus ihrem früheren Leben darstellen sollen. 63 Manche Kinder haben offenbar lebhafte Alpträume, in denen anscheinend Szenen dieses Lebens wiedererlebt werden. Wenn die Kinder älter werden und als Jugendliche oder Erwachsene über das frühere Leben sprechen, dann streuen sie manchmal Bemerkungen über ein visuelles erinnerungsartiges Erleben mit Bezug auf das frühere Leben ein. Tom Shroder, der Stevenson auf seinen beiden letzten Forschungsreisen begleitete, überliefert die Aussage einer einundzwangigjährigen Drusin namens Ulfat, die an ein eigenes früheres Leben als ein Mädchen glaubte, das überfallen und ermordet wurde. Über die Mordnacht sagt sie: »Wenn ich meine Augen schließe, erinnere ich mich. Ich kann dann sehen, wie ich ging, alles [sehen], was diese Nacht angeht«. 64 Eine andere Drusin, Itidal Abul-Hisn, die als kleines Kind von einem früheren Leben als eine arme Mutter von zahlreichen Kindern sprach, sagte als 35jährige Frau: »Ich erinnere mich immer noch an einige meiner Kinder [aus meinem früheren Leben], ich kann sie sehen«. 65 Bongkuch Promsin aus Burma sagte mit achtzehn Jahren zu Stevenson, er würde sich noch immer an Gesichter aus dem früheren Leben erinnern. 66 Kinder, die spontan von einem früheren Leben sprechen, scheinen also nicht selten über Erlebnisse und nicht nur über Wissen hinsichtlich eines früheren Lebens zu verfügen. Der Umfang eines derartigen Erlebens und seine Bedeutung für das kindliche Reden von einem früheren Leben bleibt jedoch weitgehend unklar. Wenn zum Beispiel sehr klei61
Siehe Tucker: Return to life, 116–117. Roberta Morgan aus Minnesota, geboren 1961, sagte zu ihrer Mutter in Bezug auf ihre angebliche frühere Mutter: »Du verhältst dich wie sie, aber du siehst nicht aus wie sie« (Stevenson: Wiedergeburt, 91); ähnlich Chatura Buddika Karunaratne, geboren 1989 (siehe Haraldsson & Matlock: I saw a light, 89). 63 Siehe Leininger & Leininger: Soul survivor, Bildteil zwischen S. 144 und 145; Kean: Surviving death, Bildteil zwischen S. 150 und 151; siehe auch den Fall Gedeon Haich, geboren 1921, in Stevenson: Reinkarnation in Europa, 188–205. 64 Shroder: Old souls, 56. 65 Shroder: Old souls, 123. 66 Siehe Stevenson: Cases of the reincarnation type, 4:138. 62
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Fälle kleiner Kinder
ne Kinder mit Äußerungen über ein früheres Leben herausplatzen, scheint es mir, dass es sich nicht unbedingt um eine Versprachlichung einer zuvor gemachten Erfahrung eines früheren Lebens handeln muss, sondern auch spontan erfolgen könnte.
Erlebnisperspektive der Erfahrungen früherer Leben Da Beschreibungen von Erfahrungen früherer Leben bei kleinen Kindern weitgehend fehlen, muss ihre phänomenologische Analyse notwendig sehr fragmentarisch bleiben. Ich konnte ein paar kurze Schilderungen von Erfahrungen geringfügig älterer Kinder finden. Carol Bowman gibt in ihrem Buch Children’s Past Lives Aussagen ihrer beiden Kinder wieder. Deren Erfahrungen früherer Leben wurden unter Anleitung eines Rückführungstherapeuten ausgelöst, allerdings ohne ersichtliche tranceinduzierende Maßnahmen. Was hier besonders interessiert, ist die Erlebnisperspektive. Mit fünf Jahren hatte Chase, der Sohn Bowmans, die Erfahrung eines früheren Lebens, die möglicherweise die Außenperspektive involvierte. Er beschrieb sie nämlich ein Jahr später mit den Worten »als ich sah, dass ich ein Soldat gewesen war«. 67 Mit acht Jahren schilderte er anderes derartiges Erlebnis, in dem er eindeutig die Außenperspektive einnahm: »Ich sehe einen schwarzen Mann auf der Veranda, der eine Pfeife raucht – das bin ich.« 68 Bei der Erfahrung der neunjährigen Sarah Bowman schien der Erlebnisstandpunkt von der Außen- zur Ich-Perspektive zu wechseln. Zunächst berichtete sie laut ihrer Mutter wie eine Beobachterin, dass sie sich selbst als ein elf- oder zwölfjähriges Mädchen in einem früheren Leben sah. Dann, als das Geschehen dramatisch wurde, habe ihre Perspektive zu der des jungen Mädchens gewechselt. 69 In einer der eben zitierten Äußerungen Erwachsener über ihre kindlichen Erfahrungen früherer Leben könnte ebenfalls die Außenperspektive anklingen: »Ich kann dann sehen, wie ich ging, alles [sehen], was diese Nacht angeht«. 70
67 68 69 70
Bowman: Children’s past lives, 15. Bowman: Children’s past lives, 19. Siehe Bowman: Children’s past lives, 11. Shroder: Old souls, 56.
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Erfahrungen früherer Leben und ihre Begleitumstände und -erscheinungen
Bewusstseinszustand während der Erfahrungen Kinder, die spontan von einem früheren Leben sprechen, scheinen in der Regel bei normalem Bewusstsein und auch normal ansprechbar zu sein. Stevenson schreibt: »Die meisten Kinder der Wiedergeburtsfälle […] erzählen über ihr vergangenes Leben sporadisch hier und da, ohne dabei ihr gewohntes Spiel oder [ihre gewohnte] Arbeit zu unterbrechen. Etwas, das sie an irgendein Geschehen aus dem vergangenen Leben erinnert, animiert sie zu einigen Bemerkungen über jenes Leben, mit denen sie dann wieder aufhören.« 71 Wenn man annimmt, dass kindliche Erfahrungen früherer Leben in einem geringen zeitlichen Abstand zum Sprechen von einem früheren Leben auftreten, dann könnte man vermuten, dass die Erfahrungen früherer Leben überwiegend in einem kaum veränderten Wachbewusstsein stattfinden. Nach Stevenson werden zwar »einige von den Kindern etwas geistesabwesend […], wenn sie sich ihre früheren Leben vorstellen oder wenn sie dieses Leben in ihr Gedächtnis zurückzurufen scheinen.« 72 Es sei aber fraglich, ob diese Geistesabwesenheit stärker sei als gewöhnliche Versuche, sich emotionale Ereignisse aus diesem Leben ins Gedächtnis zurückzurufen. Bowman ist allerdings der Meinung, dass Kinder müheloser als Erwachsene in Trance gehen könnten und sich häufig in einem leichten Trancezustand befänden, wenn sie sich auf eine »innere Realität« konzentrieren. 73 Wenn das zuträfe, könnten Erfahrungen früherer Leben von kleinen Kindern doch häufiger in veränderten Bewusstseinszuständen gemacht werden, als in der Reinkarnationsforschung zumeist angenommen wird. In Fällen wie dem von James Leininger, in denen zentrale Elemente des früheren Lebens in Träumen erfahren wurden, spielt ein veränderter Bewusstseinszustand offensichtlich eine wichtige Rolle.
Beginn und Ende des Sprechens von einem früheren Leben Das kindliche Sprechen von einem früheren Leben beginnt in der Regel im Alter von etwa zwei Jahren, also ab dem Zeitpunkt, ab dem ein Kind zusammenhängend sprechen kann, und hört häufig 71 72 73
Stevenson: Reinkarnation, 362. Stevenson: Reinkarnation, 362. Bowman: Children’s past lives, 75.
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Fälle kleiner Kinder
mit Erreichen des fünften bis siebten Lebensjahres wieder auf. 74 Die betreffenden Kinder betrachten sich dann oft nicht mehr als reinkarnierte Person, selbst wenn sie in einem Umfeld leben, das das Konzept der Reinkarnation uneingeschränkt akzeptiert. 75 Verhaltensweisen, die an die Person des früheren Lebens erinnern, gehen tendenziell zurück. 76
Vergessen des früheren Lebens? Wenn Erfahrungen früherer Leben die wesentliche Grundlage für das kindliche Sprechen von einem früheren Leben sind, dann könnte man vermuten, dass das Aufhören dieser Erfahrungen zum Aufhören des Sprechens darüber und zum Vergessen führt. 77 Fielding-Hall berichtete schon Ende des neunzehnten Jahrhunderts über dieses Phänomen bei Kindern im damaligen Burma: »Viele Kinder, das werden Ihnen die Burmesen sagen, erinnern sich an ihre früheren Leben. Wenn sie älter werden, verblassen die Erinnerungen und sie [die Kinder] vergessen [sie], aber für die kleinen Kinder sind sie sehr klar. Ich habe viele solche [Fälle] gesehen.« 78 Nach Untersuchungen von Haraldsson in Sri Lanka und im Libanon bleiben aber mutmaßliche Erinnerungen an ein früheres Leben oft bis ins Erwachsenenalter in einem nennenswerten Ausmaß bestehen. 79 Er befragte Erwachsene, 74
Siehe Mills & Tucker: Past-Life Experiences, 309. Mills & Tucker: Past-Life Experiences, 309. 76 Siehe Stevenson: Reinkarnation, 366–367. Das kann sich auch in einer Veränderung der Einstellung zur Familie der Person des früheren Lebens ausdrücken. Sukla Gupta, geboren 1954 in Westbengalen, begann mit anderthalb Jahren von einem früheren Leben zu sprechen. Nach dem siebten Lebensjahr »gingen ihre spontanen Äußerungen über das frühere Leben zurück, und gleichzeitig veränderte sich ihre Beziehung zu der früheren Familie von starker Anhänglichkeit zu Gleichgültigkeit und sogar einer gewissen Feindseligkeit« (Stevenson: Reinkarnation, 84). 77 Tucker: Life before life, 90, schreibt, wenn Kinder aufhören, von einem früheren Leben zu sprechen, würden sie oft auch die Erinnerung daran abstreiten, wenn man sie danach fragt. Er meint, die allermeisten Kinder hätten nach einigen Jahren alles über das angebliche frühere Leben vergessen (ebd. 91). 78 H. Fielding-Hall: Soul of a people, 338. Ein vollständiges Vergessen berichtet Stevenson zum Beispiel für die Fälle Sukla Gupta, Wolfgang Neurath und Salli Kaartinen (siehe Stevenson: Reinkarnation, 85; Stevenson: Reinkarnation in Europa, 167, 230). 79 Siehe dazu Haraldsson: Persistence of past-life memories; Haraldsson & Abu-Izzedin: Persistence of »past-life« memories in Adults in Lebanon; Haraldsson & Matlock: I saw a light, 119–124; siehe zustimmend Matlock: Signs of reincarnation, 195–196. 75
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Erfahrungen früherer Leben und ihre Begleitumstände und -erscheinungen
die als kleine Kinder von einem früheren Leben sprachen. In Sri Lanka sagten zwölf Prozent der Befragten, dass sie noch »klare Erinnerungen« an das frühere Leben hatten, an das sie sich auch in der Kindheit erinnerten. Von den befragten Drusen im Libanon behaupteten dies sogar über vierzig Prozent. 80 ›Klar‹ ist ein Prädikat, das eher auf Erleben als auf Wissen anwendbar zu sein scheint. Demnach könnte also ein nennenswerter Teil der Erwachsenen noch Erfahrungen früherer Leben haben, die in Kontinuität mit ihren kindlichen Erfahrungen stehen. Das Aufhören des Sprechens von einem früheren Leben wäre demnach kein sicheres Zeichen dafür, dass die Erfahrungen früherer Leben verschwinden. Stevenson behauptete zwar »ein fast universelles Vergessen, das die Subjekte im Alter von vier oder fünf bis sieben oder acht Jahre befällt«. 81 Wer aber seine vierbändige Sammlung besonders gut belegter, starker Fälle – Cases of the Reincarnation Type – durchsieht, wird entdecken, dass sich viele der dort beschriebenen Experiencer noch an das frühere Leben erinnerten, wenn Stevenson sie im Jugend- oder Erwachsenenalter befragte. 82
Weitere Merkmale des Sprechens von einem früheren Leben In der Regel identifizieren sich Kinder, die spontan von einem früheren Leben sprechen, mit der Person des früheren Lebens. Sie sagen »ich«, wenn sie diese Person meinen, und »meine Eltern« und »mein Haus«, wenn sie sich auf die Eltern und das Haus der Person des früheren Lebens beziehen. Wie wir oben an den Beispielen von James Leininger und Ryan Hammons sahen, distanzieren sich einige der Kinder sprachlich von der Person des früheren Lebens und drücken das Verhältnis zu ihr als Zweiheit aus. Manchmal sprechen diese Kinder von dem früheren Leben im Präsens, wenn sie zum Beispiel zu ihren Eltern sagen, sie seien nicht ihre Eltern, sie wollten zu ihren 80
Über dreißig Prozent in Sri Lanka und über vierzig Prozent im Libanon gaben an, noch einige Erinnerungen an das Leben zu haben, von dem sie in ihrer Kindheit sprachen (siehe Haraldsson: Persistence of past-life memories; Haraldsson & AbuIzzedin: Persistence of »past-life« memories in adults in Lebanon). 81 Stevenson: Wiedergeburt, 173 (Übers. korrigiert vom Verf.). 82 Siehe Stevenson: Cases of the reincarnation type, 1:106, 143, 172, 202, 239 mit Fn. 18, 335; 3:50–51, 74, 115–116, 157, 173–174, 234–235, 259, 298; 4:138, 171, 251–252.
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Fälle kleiner Kinder
richtigen Eltern gebracht werden. 83 In anderen Fällen reden sie in der Vergangenheitsform von ihrem früheren Leben. Manche Kinder sprechen ständig von einem früheren Leben, andere nur zwischendurch oder in Zuständen der Entspannung, 84 wieder andere nur ein einziges Mal. Interessant ist, dass manche Kinder in einem Augenblick sehr emotional von einem früheren Leben sprechen, im nächsten aber wieder in ihr Spiel vertieft sind. 85 Tucker glaubt, dass viele Kinder nur zeitweise Zugang zu ihren (mutmaßlichen) Erinnerungen an ein früheres Leben haben. 86
Ungewöhnliches Wissen von einem früheren Leben Wie oben schon gesagt, schenkt die Reinkarnationsforschung dem objektiven Gehalt der kindlichen Äußerungen über das frühere Leben große Aufmerksamkeit. Es steht außer Frage, dass viele Kinder ein Wissen über eine bestimmte Person in der Vergangenheit und deren Umfeld besitzen, das sie kaum auf gewöhnlichem Wege erworben haben können. 87 Sie kennen Namen von Angehörigen und erkennen diese nicht selten, wie auch Örtlichkeiten und Gegenstände aus dem früheren Leben. Gleichzeitig ist dieses Wissen aber auffällig fragmentarisch. Über emotionale Ereignisse des früheren Lebens, wie zum Beispiel über die Umstände eines gewaltsamen Todes der Person des früheren Lebens, wissen die Kinder vergleichsweise gut Bescheid, über andere Ereignisse des früheren Lebens wissen sie jedoch oft gar nichts. 88 Zudem ist das Wissen der Kinder meistens nicht auf dem neuesten Stand. Wenn sie die Orte des früheren Lebens besuchen, wundern sie sich zum Beispiel, wie alt die Menschen aus dem Umfeld der Person des früheren Lebens geworden sind und wie verändert das Haus und die Umgegend sind. 89
83 84 85 86 87 88 89
Siehe Tucker: Life before life, 94. Siehe Tucker: Life before life, 94. Siehe Tucker: Life before life, 94. Siehe Tucker: Life before life, 94, 112. So auch Bauer & Keil: Spontane Reinkarnationserfahrungen, 184. Siehe Stevenson: Reinkarnation, 381. Siehe dazu Stevenson: Reinkarnation, 382.
89 https://doi.org/10.5771/9783495823637 .
Erfahrungen früherer Leben und ihre Begleitumstände und -erscheinungen
Besondere Verhaltensweisen, Vorlieben und Phobien Nicht nur im Sprechen, sondern auch im Verhalten kann sich die Identifikation mit der Person des früheren Lebens ausdrücken. Stevenson schreibt: Viele der Subjekte [d. h. der Kinder, die spontan von einem früheren Leben sprechen] reagieren auf sehr emotionale und angebrachte Weise auf Stimuli, die mit der früheren Persönlichkeit in Zusammenhang stehen. İsmail Altınkılıç zum Beispiel klatschte freudig in die Hände, als er erfuhr, daß die Mörder des Mannes, dessen Leben er erinnerte – nach besonders langwierigen Gerichtsverhandlungen – gehängt worden waren. [… A]ndere Subjekte, Imad Elawar und Sukla Gupta zum Beispiel, [konnten] allein durch die Erwähnung mißlicher Ereignisse im Leben einer Person, an der die frühere Persönlichkeit ihrer Fälle gehangen hatte, zum Weinen gebracht werden[.] 90
Häufig werden spezifische Verhaltensweisen beobachtet, die einen Bezug zum Leben der Person des früheren Lebens zu haben scheinen. 91 Oben haben wir dafür schon Beispiele gesehen: Gopal Gupta führte sich wie ein Brahmane auf, James Leininger benahm sich wie ein Pilot, Juta trank als Kleinkind Whiskey on the rocks, ganz entsprechend der jeweiligen Personen, die sie in ihrem früheren Leben gewesen sein wollten. 92 Ein kleines Kind namens Judith Krishna, das ein Leben als Straßenkehrerin erinnerte, band Zweige zu einem Besen zusammen und kehrte damit das Familiengrundstück. 93 Sujith Lakmal Jayaratne, der sich an eine Existenz als Alkoholiker erinnerte, amüsierte sich damit, wie ein Betrunkener herumzutorkeln. 94 Ma Tin Aung Myo, die behauptete, in ihrem früheren Leben ein japanischer Soldat gewesen zu sein, spielte gerne Soldat. 95 Manche Kinder weisen eine sexuelle Frühreife auf. 96 Besonders auffällig sind Phobien, die im 90
Stevenson: Wiedergeburt, 172 (Übers. korrigiert vom Verf.). Siehe die Überblicke in Stevenson: Wiedergeburt, 198–216; Tucker: Life before life, 114–140. 92 Zu ungewöhnlichen Vorlieben und Geschmäcken bei Kindern, die von früheren Leben sprechen, siehe Tucker: Life before life, 120–122; Stevenson: Wiedergeburt, 130, 205. 93 Siehe Stevenson: Wiedergeburt, 203. 94 Siehe Stevenson: Cases of the reincarnation type, 2:271. 95 Siehe Stevenson: Cases of the reincarnation type, 4:235; zu weiteren Beispielen für besonderes Spielverhalten siehe Tucker: Life before life, 122–123. 96 Siehe Stevenson: Wiedergeburt, 89. 91
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Fälle kleiner Kinder
Zusammenhang mit dem früheren Leben stehen. Stevenson stellte in einer Studie an 387 Fällen von kleinen Kindern, die von früheren Leben sprechen, fest, dass bei 36 % der Kinder Phobien beobachtet wurden und dass diese Phobien praktisch immer der Art des Todes der Person des früheren Lebens korrespondierten. In einer Untergruppe von 240 indischen Kindern zeigte sich, dass Phobien bei 39 % der Kinder auftraten, deren Person des früheren Lebens eines gewaltsamen Todes gestorben war, aber nur in 3 % der Fälle, in denen diese auf natürliche Weise aus der Welt geschieden war. Die Phobien können sich schon bald nach der Geburt zeigen, lange bevor ein Kind von einem früheren Leben zu sprechen beginnt. 97 Ein Beispiel dafür ist der von Stevenson untersuchte Fall von Shamlinie Prema, geboren am 16. Oktober 1962, aus Gonagela auf Sri Lanka, die sich an das Leben von Hemaseelie Gunaratne im nahegelegenen Dorf Galtudawa zu erinnern schien: 98 Sie hatte schon als Säugling hochgradige Angst davor, in Wasser eingetaucht zu werden. Drei Personen mussten sie beim Baden festhalten. Ab dem Alter von sechs Monaten zeigte sie auch große Angst vor Bussen. Als sie alt genug war, um zu sprechen, berichtete sie von Erinnerungen an das Leben eines Mädchens in dem nahe gelegenen Dorf Galtudawa, und tatsächlich waren ihre ersten Worte »Galtudawa Mutter«. Das Mädchen in Galtudawa war elf Jahre alt, als es starb, anderthalb Jahre vor der Geburt von Shamlinie. Es ging auf einer schmalen Straße, als ein Bus vorbeikam. Als es versuchte, ihm auszuweichen, fiel es in ein überschwemmtes Reisfeld neben der Straße und ertrank. 99
Shamlinies Angst vor dem Baden war mit vier Jahren verschwunden, die Angst vor Bussen ging mit fünfeinhalb Jahren zurück, als sie aufhörte, spontan von ihrem mutmaßlichen früheren Leben zu sprechen. 100 Im Allgemeinen bilden sich die Phobien zurück, wenn die Kinder aufhören, von einem früheren Leben zu sprechen. 101
97
Siehe Stevenson: Phobias in children who claim to remember previous lives. Siehe Stevenson: Cases of the reincarnation type, 2:15–42; Stevenson: Wiedergeburt, 76–78. 99 Tucker: Life before life, 119. 100 Siehe Tucker: Life before life, 119. 101 Siehe Stevenson: Phobias in children who claim to remember previous lives, 249. 98
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Erfahrungen früherer Leben und ihre Begleitumstände und -erscheinungen
Geschlechtsnonkonformität Kinder, die spontan von einem früheren Leben sprechen, behaupten manchmal, damals ein anderes Geschlecht besessen zu haben als heute. Entsprechend neigen sie auch zu Geschlechtsnonkonformität, also zu einem Verhalten, das nicht mit ihrem jetzigen Geschlecht konform ist. 102 Tucker und Keil untersuchten den Fall eines 1990 in Thailand geborenen Jungen, den sie KM nannten. KM behauptete im Alter zwischen einem und drei Jahren, er sei die Mutter seiner Mutter. Er erklärte das Reisfeld der Großmutter für sein Eigentum. KM sagte auch, dass er ein Mädchen sein wollte, und er zeigte eine Reihe weiblicher Verhaltensweisen. Als er jünger war, setzte er sich meistens zum Urinieren. Nach der Einschulung tat er dies weniger, setzte sich aber weiterhin ab und zu hin. Auch das Tragen von Frauenkleidung machte ihm immer wieder Spaß. Er trug oft den Lippenstift seiner Mutter, ihre Ohrringe und ihre Kleider. In der Schule nahm er an den Spielen der Mädchen teil, und er mochte nicht auf Bäume klettern oder andere männliche Verhaltensweisen, die für Jungen in dieser Gegend typisch sind. Er zog es auch vor, Zeit mit seinen weiblichen Klassenkameraden zu verbringen, statt mit seinen männlichen. All diese Verhaltensweisen setzten sich trotz der Versuche seines Vaters fort, KM männlicher zu machen. Beide Eltern von KM beschwerten sich über sein weibliches Verhalten, und sie sagten, dass sie nie mit ihm über die Wiedergeburt gesprochen hätten. 103
Tucker und Mitarbeiter untersuchten den Aspekt der Geschlechtsnonkonformität unter anderem bei Kindern, deren Aussagen über ihr früheres Leben so spezifisch waren, dass die Person des früheren Lebens identifiziert werden konnte. Wenn die Kinder angaben, im früheren Leben eine Person des anderen Geschlechts gewesen zu sein, wiesen sie zu über achtzig Prozent ein nichtgeschlechtskonformes Verhalten auf. Wenn sie behaupteten, früher eine Person des gleichen Geschlechts gewesen zu sein, zeigte sich nur bei gut fünf Prozent ein nichtgeschlechtskonformes Verhalten, was in etwa dem Durchschnitt aller Kinder entspricht. 104
102 Siehe Stevenson: Wiedergeburt, 206–208; Tucker & Keil: Can cultural believe cause a gender disorder? 103 Tucker & Keil: Can cultural belief cause a gender identity disorder? 25. 104 Siehe Pehlivanova et al.: Childhood gender nonconformity.
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Fälle kleiner Kinder
Muttermale, angeborene Missbildungen und andere physische Besonderheiten Bei manchen Kindern, die von früheren Leben sprechen, treten unter anderem Muttermale, angeborene Missbildungen, Pigmentstörungen, Gesichtsformen und Körperhaltungen auf, die körperlichen Merkmalen der Person des früheren Lebens dieser Kinder entsprechen. 105 Derartiges wurde bereits im historischen Fall Ramdas überliefert. 106 In seinem monumentalen Werk Reincarnation and Biology dokumentierte Ian Stevenson 225 derartiger Fälle. Er sah dieses Phänomen als den stärksten verfügbaren Beweis für Reinkarnation an. Wie der oben beschriebene Fall von Juta zeigt, können mit Wunden der Person des früheren Lebens korrespondierende Muttermale allerdings auch Monate nach der Geburt des Kindes entstehen, wenn die Person des früheren Lebens erst nach der Geburt des Kindes stirbt. In einigen Ländern gibt es die Praxis, am Leichnam eines Verstorbenen einen Fleck anzubringen, zum Beispiel mit Ruß. 107 Bei den historischen chinesischen Fällen haben wir bereits einen solchen Fall kennen gelernt. Wenn später ein neugeborenes Kind an dieser Stelle ein Muttermal aufweist, gilt dies als Hinweis, dass es sich um die Reinkarnation dieses Verstorbenen handelt. Stevenson nennt diese Muttermale »experimentell«. Muttermale, die experimentellen Muttermalen auf der Leiche der Person des früheren Lebens entsprechen, werden auch bei Kindern gefunden, die spontan von einem früheren Leben sprechen. 108
Vorhersage eines zukünftigen Lebens In manchen Fällen kommt es vor, dass eine Person zu irdischen Lebzeiten Vorhersagen über ihre spätere Wiedergeburt macht. 109 Schon 105
Siehe Stevenson: Reincarnation and biology; Stevenson: Reinkarnationsbeweise. Siehe oben S. 69. 107 Siehe oben S. 68 den historischen Fall von Chao Tsungs Sohn. 108 Siehe Stevenson: Reincarnation and biology, 871–879; Stevenson: Reinkarnationsbeweise, 101, 122–125; Tucker & Keil: Experimental birthmarks; Tucker: Life before life, 77–82. 109 Siehe Stevenson: Wiedergeburt, 112, 272–273; Stevenson: Reinkarnation, 201– 202, vgl. auch ebd. 35; Stevenson: Reinkarnationsbeweise, 21; zu einer Ankündigung der Wiedergeburt kurz vor dem Tod, aber in gesundem Zustand, siehe Stevenson: Reinkarnation, 247–248. 106
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Erfahrungen früherer Leben und ihre Begleitumstände und -erscheinungen
in den alten chinesischen Berichten trafen wir einen derartigen Fall an. 110 Ein modernes Beispiel wird aus Nordindien überliefert. 111 Im April 1950 starb ein Junge von zehn Jahren namens Nirmal, Sohn von Sri Bholanath Jain, an Pocken im Hause seiner Eltern in Kosi Kalan, einer Stadt im Distrikt Mathura im Staate Uttar Pradesh. Am Tag seines Todes war er im Delirium und reizbar gewesen. Er sagte zu seiner Mutter: »Du bist nicht meine Mutter. Du bist eine Jatni. Ich will zu meiner Mutter gehen.« Als er dies sagte, deutete er in Richtung von Mathura und einer kleineren Stadt in der gleichen Richtung mit Namen Chhatta; er nannte aber keine der beiden Städte namentlich. (Chhatta liegt neun Kilometer von Kosi Kalan an der Straße von Kosi Kalan nach Mathura.) Kurz nachdem er diese Bemerkungen gemacht hatte, starb er. Im August 1951 wurde der Ehefrau von Sri Brijal Varshnay in Chhatta ein Sohn geboren, den man Prakash nannte. [… Außer vermehrtem Schreien] zeigte er kein ungewöhnliches Benehmen, bis er etwa viereinhalb Jahre alt war. Zu dieser Zeit begann er, mitten in der Nacht aufzuwachen und aus dem Haus auf die Straße zu laufen. Wenn man ihn anhielt, pflegte er zu sagen, er »gehöre« nach Kosi Kalan, sein Name sei Nirmal und er wolle zu seinem alten Hause gehen. Er sagte, sein Vater sei Bholanath. So versuchte er vier oder fünf Nächte nacheinander, und dann in größeren Abständen, wegzulaufen. 112
Prakashs Familie versuchte ihm die Gedanken an Nirmal und Kosi Kalan mit verschiedenen Mitteln auszutreiben, auch mit Schlägen. Der Vater von Nirmal, Bholanath Jain, hörte schließlich von Prakash und kam nach Chhatta. Prakash erkannte ihn als seinen ›Vater‹. Nirmals Familie kam zu der Überzeugung, Prakash sei der wiedergeborene Nirmal. 113 Ein anderes Beispiel bietet der Fall von Maria Januaria de Oliveiro, geboren um 1890, etwa 160 km südwestlich von Porto Alegre, Brasilien. Sie starb im Oktober 1917. Auf dem Sterbebett weissagte sie ihrer guten Freundin Ida Lorenz, dass, »wenn ich wiedergeboren und in einem Alter bin, in dem ich über das Geheimnis der Wiedergeburt im Körper des kleinen Mädchens sprechen kann, das deine Tochter sein wird, ich viele Dinge aus meinem jetzigen Leben berichten werde und du so deren Wahrheit anerkennen wirst«. 114 Etwa zehn Monate nach ihrem Tod, am 14. August 1918, gebar Ida Lorenz eine 110 111 112 113 114
Siehe oben S. 68 den Fall von Chao Tsungs Sohn. Siehe Stevenson: Reinkarnation, 35–50. Stevenson: Reinkarnation, 35. Siehe Stevenson: Reinkarnation, 36. Stevenson: Reinkarnation, 201.
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Fälle kleiner Kinder
Tochter namens Marta. Diese begann mit zweieinhalb Jahren in zahlreichen Einzelheiten von einem früheren Leben zu sprechen, das als das Leben Marias identifiziert werden konnte. 115 Zwei Geschwister Martas bescheinigten dieser übrigens eine »ungewöhnliche Begabung zur außersinnlichen Wahrnehmung, als sie jung war«. 116
Abreise- und Ankündigungsträume, Erscheinungen und mediale Kommunikationen der Person des früheren Lebens Zwischen dem Tod der Person des früheren Lebens und der Geburt der Person des aktuellen Lebens werden nicht selten Erlebnisse berichtet, die so verstanden werden können, als würde die verstorbene Person des früheren Lebens sich zu ihrer beabsichtigten Reinkarnation äußern. Das gilt zum Beispiel für sogenannte Abreiseträume nach dem Tod dieser Person. Sie erscheint dann beispielsweise ihrer Mutter oder einem anderen Familienmitglied im Traum mit der Botschaft, sie werde sich dort-und-dort reinkarnieren. 117 Häufiger sind »Ankündigungsträume«, in denen ein Verstorbener erscheint und mehr oder weniger explizit seine Wiedergeburt ankündigt. 118 Typischerweise ist der Träumer eine Frau, die schwanger ist oder bald schwanger werden wird. 119 Manchmal erkennt die zukünftige Mutter die Person im Ankündigungstraum nicht, stellt dann aber später fest, dass ihr Baby der Person im Traum in gewisser Hinsicht ähnelt:
115
Siehe Stevenson: Reinkarnation, 201–218. Stevenson: Reinkarnation, 220. 117 Siehe z. B. Stevenson: Cases of the reincarnation type, 3:44; Stevenson: Wiedergeburt, 114; Stevenson: Reincarnation and biology, 703, 1442–1443, 1598, 1603, 1718; siehe auch Hassler: Indizienbeweise für ein Leben nach dem Tod und die Wiedergeburt, 1:180–182; Nahm & Hassler: Thoughts about thought bundles, 311. 118 Siehe Stevenson: Cultural patterns in cases suggestive of reincarnation; Stevenson: Cases of the reincarnation type, 3:45, 190, 194, 236, 272, 288, 324–325; 4:123, 196–197, 224, 232, 245, 249, 255, 272, 280–281; Stevenson: Wiedergeburt, 73, 87, 94, 113–115, 273; Stevenson: Reinkarnation, 48; Stevenson: Reinkarnation in Europa, 40; Pasricha: Claims of reincarnation, 125; siehe auch Hassler: Indizienbeweise für ein Leben nach dem Tod und die Wiedergeburt, 1:174–180; Nahm & Hassler: Thoughts about thought bundles, 311. 119 Siehe Hassler: Indizienbeweise für ein Leben nach dem Tod und die Wiedergeburt, 1:175–176. Manchmal kündigt auch eine spirituelle Figur die Wiedergeburt des Verstorbenen im Traum an, siehe z. B. Stevenson: Cases of the reincarnation type, 4:245. 116
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Erfahrungen früherer Leben und ihre Begleitumstände und -erscheinungen
Zum Beispiel träumte Necip Ünlütaskirans Mutter, ehe sie mit ihm schwanger war, von einem ihr unbekannten Mann, der mehrere blutende Wunden aufwies. Als Necip geboren wurde, besaß er deutliche Muttermale, die, wie sich später herausstellte, den Wunden am Körper des Mannes, dessen Leben Necip (ebenfalls erst später) zu erinnern behauptete, entsprachen; aber seine Mutter wußte, als sie ihren Traum träumte, nichts über diesen Mann oder seine Ermordung. 120
Eine Kombination von Voraussagen der Reinkarnation auf dem Sterbebett und einem Ankündigungstraum findet sich in einem der alten, bereits oben zitierten chinesischen Berichte. 121 Erstaunlicherweise werden auch Ankündigungsträume nach der Geburt des Kindes berichtet. 122 Manchmal werden Erscheinungen der Person des früheren Lebens zwischen ihrem Tod und der Geburt des Kindes erwähnt, in denen diese anscheinend auf ihre kommende Reinkarnation im Kind Bezug nimmt. 123 Es gibt Fälle, in denen Kinder, die spontan von einem früheren Leben sprechen, behaupten, dass sie einem Familienangehörigen vor ihrer Geburt im Traum oder im Wachzustand erschienen sind, und die betreffenden Angehörigen erinnern sich auch daran. 124 Schließlich sind mediale Kommunikationen überliefert, bei denen der Kommunikator mehr oder weniger deutlich seine Wiedergeburt als das Kind, das später von einem früheren Leben als dieser Kommunikator zu sprechen scheint, ankündigt. 125
120
Stevenson: Wiedergeburt, 114. Siehe oben S. 68 den Fall von Chao Tsungs Sohn. 122 Siehe das unten zitierte Beispiel aus Stevenson: Cases of the reincarnation type, 3:236 sowie ebd., 256. 123 Siehe Stevenson: Cases of the reincarnation type, 4:288–289; Stevenson: Reinkarnation in Europa, 37–38, und die Hinweise in Matlock: Signs of reincarnation, 165– 166; Nahm & Hassler: Thoughts about thought bundles, 312, sowie einen chinesischen Fall in der Sammlung von de Groot (siehe de Groot: Religious system of China, 4:152). 124 Siehe Stevenson: Reincarnation and biology, 255, 594, 598; Stevenson: Cases of the reincarnation type, 4:280–281, 288–289; siehe auch Stevenson: Cases of the reincarnation type, 1:328–329. 125 Siehe die Fallberichte in Stevenson: Reinkarnation 221–222; Stevenson: Reinkarnation in Europa, 39–46, 70–74; weitere Hinweise in Nahm & Hassler: Thoughts about thought bundles, 312. 121
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Fälle kleiner Kinder
Auftreten der Person des früheren Lebens nach ihrer angeblichen Wiedergeburt in Träumen und medialen Durchsagen Wie eben angedeutet, scheint die Person des früheren Lebens manchmal nach ihrer mutmaßlichen Wiedergeburt noch in Träumen und medialen Durchsagen aufzutreten. Stevenson berichtet dies im Zusammenhang mit den recht gut bestätigten Fällen von İsmail Altınkılıç (geboren vermutlich 30. September 1957) und Cevriye Bayrı (geboren 1. Oktober 1958) aus Adana. İsmail begann mit anderthalb Jahren vom Leben des Gemüsebauern Abit Süzülmüş zu sprechen und identifizierte sich mit ihm. 126 Abit Süzülmüş war etwa acht Monate vor der Geburt İsmails zusammen mit einer seiner beiden Frauen, Şehide Süzülmüş, und mit zweien seiner Kinder ermordet worden. Cevriye schien schon mit knapp einem Jahr Worte im Zusammenhang mit dem Leben von Şehide zu äußern und beschrieb ab dem Alter von zwei Jahren ihre Ermordung als Şehide. 127 An ihrem Fall interessiert mich hier, dass Abit Süzülmüş dem Vater von Cevriye nach deren Geburt im Traum erschien, obwohl İsmail bereits seit einem Jahr geboren war. Im Traum sagte Abit zum Vater, er übermache ihm ein Geschenk, für das er gut sorgen solle. Als der Vater im Traum zurückfragte, was denn das Geschenk sei, habe Abit gesagt: »Diejenige, die sich dir angeschlossen hat.« 128 Man könnte sich fragen, wie Abit dem Vater von Cevriye erscheinen konnte, wenn er sich in İsmail, der gut ein Jahr zuvor geboren wurde, reinkarniert hatte. Und wenn er zum Zeitpunkt des Traumes İsmail war, warum trat er im Traum noch als Abit auf? Stevenson schreibt, er habe einige weitere derartiger Fälle in seiner Sammlung und schildert einen davon: Ein Tlingit-Mann musste eines Tages einen langen Schneemarsch mit nassen Füssen machen. Er erlitt starke Erfrierungen und verlor einige Zehen. Auch ein paar tiefe Narben in den Fußsohlen blieben zurück. Später starb er und anschließend wurde in einer anderen Familie ein Kind geboren, bei dem die Zehen fehlten und Geburtsmale an den Füßen den Entstellungen des Mannes entsprachen, dessen Füße erfroren waren. Der Vater dieses Säuglings war Alkoholiker. Als das Kind etwa ein Jahr alt war, träumte seine Mutter, dass die frühere Persönlichkeit (der Mann, dessen Zehen erfroren und verloren gegangen waren) zu ihr kam und sagte: »In diesem Haus wird
126 127 128
Siehe Stevenson: Cases of the reincarnation type, 3:194–195 mit Fn. 1. Siehe Stevenson: Cases of the reincarnation type, 3:236–237. Stevenson: Cases of the reincarnation type, 3:236.
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Erfahrungen früherer Leben und ihre Begleitumstände und -erscheinungen
zu viel getrunken. Wenn ihr nicht aufhört, werde ich gehen.« Der Vater veränderte seine Verhaltensweisen nicht, und nach kurzer Zeit starb der Säugling. 129
Ähnliches wird auch von medialen Durchsagen berichtet. In dem gut bestätigten Fall von Marta Lorenz soll sich die Person des früheren Lebens, Maria Januaria de Oliveiro nach der Geburt Martas durch ein Medium mit den Worten geäußert haben: »Rufe mich nicht herbei, ich habe mich reinkarniert«. 130 Dies geschah, bevor Marta von ihrem angeblichen Vorleben als Maria Januaria zu sprechen begann.
Sprechen über die Zeit zwischen Tod und Wiedergeburt Nach Tucker ergab die Auswertung von 1100 Fällen aus der von Stevenson begründeten Sammlung, dass etwa zwanzig Prozent der Kinder auch über die Zeit zwischen dem früheren und jetzigen Leben sprechen. 131 Aussagen über einen Zwischenaufenthalt im Jenseits können nicht verifiziert werden, wohl aber Beschreibungen einer Behandlung der sterblichen Überreste der Person des früheren Lebens. 69 Kinder in Tuckers Auswertung machten darüber Angaben; bei 25 Kindern waren die Angaben genau genug für eine Nachprüfung und enthielten tatsächlich korrekte Einzelheiten, wie etwa die, dass die Asche der Person des früheren Lebens unter einem bestimmten Baum verstreut wurde. Es wurden auch zutreffende Aussagen über das Leben ihrer Eltern in der Zeit vor der Empfängnis und über die Schwangerschaft gemacht. Erlebnisse aus der Zeit der Schwangerschaft werden zum Teil aus der Außenperspektive geschildert. Tucker berichtet von einem Kind namens William, das um 1997 geboren wurde. Als William ein Foto seiner Mutter im schwangeren Zustand sah, bemerkte er, sie habe sich beim Treppensteigen immer den Bauch gehalten, als sie mit ihm schwanger war. Auf die Frage der Mutter, woher er das wisse, sagte er, er habe sie dabei beobachtet. Das würde bedeuten, dass William bei dieser Wahrnehmung nicht den Erlebnis-
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Stevenson: Cases of the reincarnation type, 3:255. Siehe Stevenson: Cases of the reincarnation type, 3:256. 131 Tucker: Life before life, 168–170. Siehe eine Zusammenstellung von Auszügen aus Berichten über die Zeit zwischen Tod und Wiedergeburt Hassler: Indizienbeweise für ein Leben nach dem Tod und die Wiedergeburt, 1:376–411. 130
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standpunkt des Kindes im Mutterleib einnahm, sondern die Außenperspektive. 132
Oft unnatürliches Ende des früheren Lebens Ein weiterer auffallender und erklärungsbedürftiger Befund ist die Tatsache, dass viele Personen des früheren Lebens eines gewaltsamen oder unerwarteten Todes starben. In den Fällen, in denen der Tod der Person des früheren Lebens aufgeklärt werden konnte, beläuft sich ihr Anteil nach Tuckers Auswertungen auf etwa siebzig Prozent. 133 Dementsprechend sind sie zum Todeszeitpunkt relativ jung. Nach Tucker beträgt der Median 134 des Sterbealters 28 Jahre. 135
Kulturelle Abhängigkeit der Fälle Die Fälle von Kindern, die von früheren Leben sprechen, weisen eine deutliche Kulturabhängigkeit auf. Ihre Häufigkeit ist in jenen Ländern anscheinend am größten, in denen der Reinkarnationsglaube herrscht. 136 Es kommt hinzu, dass die Stärke oder Beweiskraft dieser Fälle dort erheblich größer ist als bei westlichen Kindern. 137 Der Zeit132
Siehe Tucker: Life before life, 178. Siehe Tucker: Life before life, 92, 214; siehe auch Lyons: Science of reincarnation. Bei gelösten Fällen (also Fälle, in denen die Person des früheren Lebens identifiziert wurde) war der Wert etwas geringer, siehe Stevenson: Reincarnation and biology, 1093; Haraldsson & Matlock: I saw a light, 221–222. 134 Der Median ist ein Mittelwert, der eine Stichprobe in zwei gleich große Gruppen teilt. Die Werte der einen Gruppe sind nicht größer als der Median, die Werte der anderen Gruppe nicht kleiner als dieser. 135 Siehe Lyons: Science of reincarnation. 136 Siehe Mills & Tucker: Past-life experiences, 308–309; Mills & Tucker: Reincarnation, 318; Bauer & Keil: Spontane Reinkarnationserfahrungen, 181. 137 Siehe Stevenson: Reinkarnation in Europa, 413: »[D]ie europäischen Fälle [sind] in ihrer Beweiskraft für einen paranormalen Vorgang insgesamt viel schwächer als die stärkeren Fälle, die in Asien, besonders in Indien und Sri Lanka, gefunden wurden«. Als weitere kulturabhängige Merkmale nennen Bauer und Keil den Aspekt, ob die mutmaßliche Reinkarnation innerhalb oder außerhalb der Familie stattfindet, die Verbreitung von Träumen, die eine Reinkarnation ankündigen und das Auftreten bei Muttermalen, die entsprechenden Malen oder Verletzungen der Person des mutmaßlichen früheren Lebens entsprechen (Bauer & Keil: Spontane Reinkarnationserfahrungen, 181–182). 133
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raum zwischen dem Tod der Person des früheren Lebens und der Geburt der jetzigen Person ist ebenfalls je nach Kultur verschieden. Bei den Drusen, die an eine unmittelbar an den Tod anschließende Geburt des neuen Lebens glauben, ist dieses Intervall kürzer als bei Kulturen, die diesen Glauben nicht teilen. 138 Sehr stark ist die Kulturabhängigkeit bei einem Wechsel des Geschlechts zwischen dem früheren und dem aktuellen Leben. In Kulturen, die keinen Geschlechtswechsel im Verlauf der Inkarnationen lehren, wie die Drusen, Nusairier-Aleviten und Tlingit (ein Indianervolk an der Nordwestküste Nordamerikas), wird auch keiner berichtet. 139 In anderen Kulturen wie Myanmar oder Sri Lanka, wo ein Geschlechtswechsel als möglich erachtet wird, betrifft er bis zu ein Drittel der Fälle. 140
Von mehreren oder vom gleichen früheren Leben sprechen Kinder, die spontan von früheren Leben sprechen, beziehen sich nur ausnahmsweise auf mehr als ein früheres Leben. 141 Noch seltener scheinen zwei Kinder vom gleichen früheren Leben zu sprechen. Jürgen Keil berichtet einen Fall aus der Türkei. Zwei Kinder gaben recht detaillierte Informationen über anscheinend die gleiche verstorbene Person. Eine Zeitlang hätten deren Verwandte beide Kinder als Reinkarnation dieser Person akzeptiert, dann jedoch nur noch eines der Kinder. Keil vermutet, der Grund sei, dass dieses Kind dem Zuhause der Person des früheren Lebens schon früh einen Besuch abgestattet hatte. Es habe allerdings auch erheblich näher gewohnt. 142
138 Siehe Stevenson: Characteristics of cases of the reincarnation type, 211; Haraldsson & Matlock: I saw a light, 224–225. Der Median des Intervalls zwischen Tod und Wiedergeburt beträgt bei Stevensons drusischen Fällen acht Monate. Nach dem Glauben der Drusen müsste die Geburt des neuen Lebens allerdings unmittelbar auf den Tod des alten folgen. Um diese Lücke zu füllen, werden kurze (in der Regel nicht erinnerte) Zwischenreinkarnationen postuliert (siehe Stevenson: Cases of the reincarnation type, 3:3–4). 139 Siehe Stevenson: Wiedergeburt, 191–192; Haraldsson & Matlock: I saw a light, 225–226; siehe auch Keil: Questions of the reincarnation type, 92–93. 140 Siehe Stevenson: Wiedergeburt, 191–192; Haraldsson & Matlock: I saw a light, 225–226. 141 Siehe Stevenson: Wiedergeburt, 190, 242–243. 142 Siehe Keil: Questions of the reincarnation type, 92–93.
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Überschneidung des früheren und des aktuellen Lebens Für die Deutung von Erfahrungen früherer Leben als Beleg für Reinkarnation ist der Zeitraum zwischen dem Ende des früheren Lebens und dem Anfang des aktuellen Lebens bedeutsam. Im historischen Teil hatten wir schon einige Fälle erwähnt, in denen sich Geburt oder Schwangerschaft mit dem Tod der mutmaßlichen früheren Inkarnation überschnitten. 143 Ian Stevenson hat sich ebenfalls mit der Frage der Überschneidung der Leben auseinandergesetzt. Er ist Fällen nachgegangen, bei denen sich Sterbedatum der Person des früheren Lebens und Geburtsdatum des Kindes, das von diesem früheren Leben zu sprechen schien, den Angaben nach überschnitten. In mindestens zehn Fällen habe er dies definitiv bestätigen können. 144 Jedoch hat Stevenson anscheinend nicht auf die gleiche Weise die Lebensdaten der Fälle geprüft, bei denen das überlieferte Sterbedatum der Person des früheren Lebens ganz kurz vor der Geburt des Kindes lag, das sich mit der Person des früheren Lebens identifizierte. Dies könnte zu einer systematischen Untererfassung der Überschneidungsfälle ge143
Siehe oben S. 69–70, 73. Siehe Stevenson: Children who remember, 120. In der Anmerkung zur Stelle schreibt Stevenson, er habe drei derartige Fälle publiziert, nämlich die Fälle von Jasbir Singh, der etwa dreieinhalb Jahre vor dem Tod der mutmaßlichen früheren Inkarnation geboren wurde (siehe Stevenson: Reinkarnation, 51), von Chaokhun Rajsuthajarn, der etwa einen Tag alt war, als die Person, die er früher gewesen zu sein glaubte, starb (siehe Stevenson: Cases of the reincarnation type, 4:185–187), und von Sumitra Singh, bei der erst im Alter von siebzehn Jahren eine Persönlichkeitsveränderung eintrat und die die zwei Jahre zuvor verstorbene Shiva Tripathi zu sein behauptete (siehe Stevenson et al.: A case of the possession type in India). In Reincarnation and Biology, 1068, erwähnt Stevenson ausführlich einen Fall, in dem die Person des früheren Lebens »zweifellos« vier Monate vor dem Tod der Person des früheren Lebens geboren sei, und einen weiteren, in dem ein dreijähriges Mädchen plötzlich über ein früheres Leben als ein Mädchen zu sprechen begann, das etwa sechs Monate zuvor gestorben war. In Reinkarnation in Europa, 341–363, schildert Stevenson den Fall von Ruprecht Schulz, der als Erwachsener spontane Eindrücke aus einem früheren Leben hatte. Er wurde fünf Wochen vor dem Tod der Person des früheren Lebens geboren (siehe dazu unten S. 123). Oben haben wir den Fall von Juta kennengelernt, der vier Monate alt war, als die Person, die er später in seinem früheren Leben gewesen zu sein behauptete, starb (siehe oben S. 76). Siehe auch den von Pasricha untersuchten Fall von Sudhakar Misra, die im November 1959 geboren wurde, während die Person ihres mutmaßlichen früheren Lebens erst am 8. Mai 1960 starb (siehe Pasricha: Claims of reincarnation, 104–109). Matlock schreibt, dass er zehn in der parapsychologischen Literatur beschriebene Fälle einer postnatalen Reinkarnation kenne (Matlock: Signs of reincarnation, 174). 144
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führt haben. Ferner berichtet Keil einen türkischen Fall, bei dem ein Kind fünfzehn bis achtzehn Tage vor dem Tod der Person des früheren Lebens geboren worden sei, und behauptet, er sei auf dreißig bis fünfzig derartiger Fälle gestoßen. 145 Wenn die Überschneidung nur wenige Tage betrug, sei man in der Regel davon ausgegangen, dass die überlieferten Daten nicht korrekt seien. Keil glaubt auch, dass solche Fälle tendenziell weniger berichtet würden, weil im Umfeld des Kindes die Überzeugung herrsche, dass ein Kind nach dem Tod der früheren Inkarnation geboren werden müsse, wenn es als deren Reinkarnation gelten solle. 146 Träfe das zu, wäre das ein weiteres Indiz für eine Untererfassung der Überschneidungsfälle in der Reinkarnationsforschung. Stevenson setzt sich mit Fällen, bei denen die Person des früheren Lebens um den Zeitpunkt der Geburt oder während einer schon fortgeschrittenen Schwangerschaft stirbt, verhältnismäßig wenig auseinander. Doch scheinen sie nicht selten zu sein und überdies zu seinen besten zu gehören. Dazu einige Beispiele, bei denen viele spezifische Aussagen der Kinder über die Person des früheren Lebens bestätigt werden konnten. Im dritten Band von Cases of the Reincarnation Type stellt Stevenson zwölf Fälle aus dem Libanon und der Türkei ausführlich dar. Bei sechsen, also bei der Hälfte der Fälle, müsste man von einer Konvivenz der Personen des früheren und des aktuellen Lebens sprechen, wenn man den Beginn einer personalen Existenz des Fötus nur einem Monat vor der Geburt ansetzen würde. Von den sechs drusischen Fällen, die Stevenson ausführlich beschreibt, fallen zwei in diese Kategorie. Faruq Faris Andary wurde wahrscheinlich 147 am selben Tag in Ain El-Sohha (Libanon) geboren, nämlich am 3. September 1963, an dem sein mutmaßliches früheres Leben als Afif Mahmoud Elawar aus dem nahen Ort Kornayel mit sechzehn Jahren nach dem Genuss von Insektenvernichtungsmittel endete. 148 145 Siehe Keil: Questions of the reincarnation type, 9. Wo er auf diese Fälle gestoßen ist, sagt Keil nicht. 146 Keil: Questions of the reincarnation type, 93. 147 Siehe zur Diskussion des Geburtsdatums Stevenson: Cases of the reincarnation type, 3:77 mit Fn. 1, 92–93. Faruqs Personalausweis lautete auf den 4. Oktober 1963. Faruqs Mutter sagte jedoch, er sei am 3. September 1963 um 10 Uhr morgens geboren worden, sein Vater Faris Andary nannte dasselbe Datum und als Uhrzeit »vor Mittag«. Stevenson hält das von den Eltern angegebene Datum für »wahrscheinlich« korrekt. 148 Siehe Stevenson: Cases of the reincarnation type, 3:77–80.
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Zouheir Chaar wurde am 21. Juni 1948 in Ainab (Libanon) geboren. Die Person des früheren Lebens, Jamil Adnan Zhar aus der Nähe von Abadye, etwa zwanzig Kilometer von Ainab entfernt, starb mit fünfunddreißig Jahren wahrscheinlich an selben Tag, vermutlich an einer Bronchitis. 149 Bei den südtürkischen Nusairier-Aleviten, die nicht durchweg so streng wie die Drusen an eine unmittelbare Wiedergeburt glauben, 150 sind unter den sechs von Stevenson dargestellten Fällen sogar vier, bei denen die Geburt innerhalb eines Monats nach dem Ende des mutmaßlichen früheren Lebens stattfand. Süleyman Zeytun wurde wahrscheinlich 1938 »ein paar Tage« nach dem Tod der Person des früheren Lebens, Mehmet geboren, die mit etwa vierzig Jahren im Fluss Seyhan ertrank. 151 Erkan Kiliç wurde am 13. März 1962 in Adana geboren, sein mutmaßliches früheres Erdenleben als Ahmet Delibalta, ebenfalls aus Adana, endete fünf Tage zuvor, am 8. März 1962, mit etwa fünfunddreißig Jahren bei einem Flugzeugabsturz, oder sogar geringfügig später. 152 Necati Çaylak wurde 1963 in Karaali nahe Antakya geboren, etwa einen Monat nach dem Tod der Person des früheren Lebens, Abdülkerim Hadduroğlu, aus dem nahegelegenen Bedirge am 26. Februar 1963 mit etwa neunundzwanzig Jahren bei einem Verkehrsunfall. 153 Nasır Toksöz wurde am Morgen des 21. August 1960 in Yukari Ekinci bei Antakya geboren; Nasır Alev aus demselben Ort, der er in der früheren Existenz gewesen sein wollte, starb am selben Tag um 10.30 Uhr an Tetanus. 154 Bei den zehn von Stevenson ausführlich geschilderten indischen Fällen im ersten Band von Cases of the Reincarnation Type befand sich bei drei Kindern die Schwangerschaft nach normalem Ermessen schon im vierten beziehungsweise fünften Monat, bevor die Person des früheren Lebens starb. Im Fall von Jagdish Chandra, geboren am 4. März 1923 in Bareilly im Staat Uttar Pradesh, nach Stevenson einer der am besten belegten Fälle, starb die Person, die Jagdish früher gewesen zu sein behauptete, Jai Gopal Pandey aus Benares (Varansi), etwa fünf Mona-
149
Siehe Stevenson: Cases of the reincarnation type, 3:98–101. Siehe Stevenson: Cases of the reincarnation type, 3:186. 151 Siehe Stevenson: Cases of the reincarnation type, 3:269. 152 Siehe Stevenson: Cases of the reincarnation type, 3:272–273 mit Fn. 1. Delibalta starb laut Turkish Airlines an Erfrierungen, nicht an Verletzungen aufgrund des Absturzes. 153 Siehe Stevenson: Cases of the reincarnation type, 3:299 mit Fn. 1, 305. 154 Siehe Stevenson: Cases of the reincarnation type, 3:324, 327. 150
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te vor Jagdish Chandras Geburt im Oktober 1922. 155 Die Zwillinge Ramoo und Rajoo Sharma, die sich beide an ein früheres Leben erinnerten, wurden im August 1964 geboren, ihre mutmaßlichen früheren Existenzen, die Zwillinge Bhimsen und Bhism Pitamah Tripathi, wurden zwischen dem 28. April und 2. Mai 1964 ermordet, 156 also nur drei bis vier Monate früher. In Twenty Cases suggestive of Reincarnation beschreibt Stevenson ausführlich den Fall von Ravi Shankar aus der Stadt Kanauji im Staat Uttar Pradesh, der 1951 sechs Monate nach dem Tod der Person des früheren Lebens, Ashokumar aus einem von Kanauji, geboren wurde. 157 Im ebenfalls von Stevenson untersuchten Fall der Drusin Suzanne Ghanem, geboren am 21. März 1972 in Choueifat (Libanon), starb die Person ihres mutmaßlichen früheren Lebens, Hanan Mansour, 158 nur zehn Tage vor der Geburt von Suzanne. 159 In Reincarnation and Biology stellt Stevenson 225 Fälle von Kindern dar, die von früheren Leben sprachen und die außerdem noch besondere Muttermale oder Missbildungen aufwiesen, die mit der Person des früheren Lebens in Zusammenhang 155
Siehe Stevenson: Cases of the reincarnation type, 1:144, 154. Siehe Stevenson: Cases of the reincarnation type, 1:337, 342–344. 157 Siehe Stevenson: Twenty cases, 91–105 (dt. Stevenson: Reinkarnation, 109–124). 158 Siehe Shroder: Old souls, 81. Stevenson gibt den Namen der Person des früheren Lebens mit Saada Hatoum an (siehe Stevenson: Reincarnation and biology, 1920, 1923). Mansour ist anscheinend der durch Heirat angenommene Name des Mannes, Farouk Mansour. 159 Siehe Stevenson: Reincarnation and biology, 1920, 1923–1924; Stevenson: Reinkarnation in Europa, 124; Stevenson: Wiedergeburt, 162, 235–236, 272; ausführlich in Shroder: Old souls, 80–92. Stevenson schrieb 1997 (Reincarnation and biology, 1920), er plane einen detaillierten Bericht des Falles von Suzanne Ghanem in einem zukünftigen Werk, wozu es allerdings nicht mehr kam. Nach Stevenson hält Suzanne Ghanem in den von ihm untersuchten Fällen den Rekord an korrekten Namenszuschreibungen in Bezug auf die Personen, die in ihrem mutmaßlichen früheren Leben eine Rolle spielten (siehe Stevenson: Reincarnation and biology, 1920; Stevenson: Wiedergeburt, 162; siehe auch Shroder: Old souls, 81). Ghanem lebte noch als Erwachsene in dem starken Bewusstsein, die in Virginia verstorbene Hanan Mansour zu sein (siehe Shroder: Old souls, 84–85). Stevenson weist auf die Ähnlichkeit des Gesichts beider Personen hin (siehe Stevenson: Reincarnation and biology, 1920, 1923–1924), vgl. auch das Portraitfoto der erwachsenen Suzanne Ghanem mit dem Portraitfoto von Hanan Mansour in einem nur wenig jüngeren Alter (siehe Abbildungen Nr. 5 und 6 in Shroder: Old souls, zwischen S. 128 und 129). Die Mutter von Suzanne Ghanem, Munira Ghanem, berichtete zudem von einem Traum kurz vor Suzannes Geburt, in dem ihr eine unbekannte Frau ankündigte, sie werde zu ihr kommen. Später habe sie entdeckt, dass diese Frau der ihr damals unbekannten Hanan Mansour ähnelte (siehe Shroder: Old souls, 81). 156
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Fälle kleiner Kinder
gebracht werden können. Nach Stevenson fand die Empfängnis bei einundzwanzig dieser Kinder vor dem Tod der Person des früheren Lebens statt. Bei elf Kindern dieser Liste dauerte die Schwangerschaft schon sechs oder mehr Monate an, als die Person des früheren Lebens starb, drei Kinder wurden innerhalb von drei Tagen nach dem Tod der Person des früheren Lebens geboren. 160 Nur für einen kleinen Teil der von Stevenson begründeten, umfangreichen Sammlung von Berichten über Kinder, die spontan von einem früheren Leben sprechen, sind die genauen Sterbe- und Geburtsdaten publiziert. Jedoch veröffentlichte Stevenson 1986 eine Statistik zum Zeitraum zwischen dem Tod der Person des früheren Lebens und der Geburt des Kindes auf der Grundlage von 624 Fällen. 161 Der Median dieses Zeitraums schwankte stark je nach Kultur zwischen vier und 141 Monaten, im Durchschnitt betrug er etwa fünfzehn Monate. Uns interessieren hier die kürzeren Intervalle. Bei den Haida in British Columbia und Alaska betrug der Median des Intervalls vier Monate (Stichprobenumfang N = 17), bei den Drusen im Libanon betrug der Median acht Monate (N = 79), bei den Nusairier-Aleviten in der Türkei achteinhalb Monate (N = 64) und in Indien zwölf Monate (N = 170). Wenn der Median des Intervalls zwischen dem Ende des früheren Lebens und der Geburt des aktuellen Lebens bei vier, acht oder achteinhalb Monaten liegt, dann bedeutet das bei normaler Schwangerschaftsdauer, dass mehr als die Hälfte der jeweiligen Kinder schon im Mutterleib lebte, bevor ihr mutmaßliches früheres Leben zu Ende ging. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass sich zudem ein beträchtlicher Prozentsatz der Kinder beim Tod der Person des früheren Lebens bereits in einem fortgeschrittenen Schwangerschaftsmonat befand. Auch einige Überschneidungen von Geburts- und Sterbedatum dürften vorgekommen sein. Bei den 170 indischen Fällen, wo der Median des Intervalls zwölf Monate betrug, dürfte ebenfalls ein substanzieller Anteil der Kinder bei dem Tod der Person des früheren Lebens bereits im Mutterleib gelebt haben. Es scheint somit recht häufig zu sein, dass sich das Todesdatum des früheren Lebens und die Schwangerschaft oder gar Geburt der neuen Existenz überschneiden. Phänomenologische Unterschiede zu ande-
160
Siehe Stevenson: Reincarnation and biology, 1095. Siehe Stevenson: Characteristics of cases of the reincarnation type, 212; siehe auch Haraldsson & Matlock: I saw a light, 224–225. 161
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Erfahrungen früherer Leben und ihre Begleitumstände und -erscheinungen
ren Fällen, in denen keine Überschneidung vorliegt, werden meines Wissens nicht berichtet.
Spontane Erfahrungen früherer Leben bei älteren Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen Einleitung Fälle, in denen spontane Erfahrungen früherer Leben erst ab dem höheren Kindesalter oder noch später auftreten, wurden von der Reinkarnationsforschung wenig beachtet. Möglicherweise sind sie seltener als Erfahrungen von kleinen Kindern. 162 Berichte mit spezifischen, verifizierbaren Details sind jedenfalls rar. Zweitens ist – im Gegensatz zu Fällen kleiner Kinder – Kryptomnesie meistens nicht auszuschließen. Die Zahl der gelösten Fälle, bei denen Kryptomnesie wohl nicht in Frage kommt, scheint kaum größer als zehn zu sein. 163 Man muss natürlich einräumen, dass Kryptomnesie nicht in allen Fällen, in denen sie möglich war, auch tatsächlich stattgefunden haben muss. Öfters fingen die Erfahrungen früherer Leben schon in der Kindheit an und zogen sich bis ins Erwachsenenalter hin. 164 Hier konzentrieren wir uns auf Fälle, in denen die Erfahrungen frühestens im höheren Kindesalter begannen.
Früheste Berichte Berichte über spontane Erfahrungen früherer Leben bei Erwachsenen sind anscheinend die ältesten erhaltenen Zeugnisse dieser Erfah162
So jedenfalls Mills & Tucker: Past-life experiences, 305, 308. Siehe Matlock: Past-life memories in adults. Der Fall Pratomwan Inthanu ist der wohl bestbelegte Fall (siehe unten S. 113). Siehe weiter zum Beispiel die Fälle von Laure Raynaud, geboren 1868, deren Erfahrungen früherer Leben auf Giovanna Spontini, gestorben 1809 in Genua, passte (siehe Stevenson: Reinkarnation in Europa, 48–53) und von Ruprecht Schulz (siehe unten S. 123). 164 Beispiele sind Jenny Cockell (siehe Cockell: Unsterbliche Erinnerung, 11–29; Hassler: Indizienbeweise für ein Leben nach dem Tod und die Wiedergeburt, 2:219– 224) und Guiseppe Costa (siehe Stevenson: Reinkarnation in Europa, 25–37). 163
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Spontane Erfahrungen bei älteren Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen
rungsform überhaupt. Pythagoras ist meines Wissens die erste historische Figur, der solche Erfahrungen zugeschrieben werden. Nach Diogenes Laertius verstand er diese Erfahrungen als Indiz für Reinkarnation: Herakleides Pontikos 165 schreibt ihm [Pythagoras] als Äußerung, die er oft wiederholte, zu, er sei vor Zeiten schon auf der Erde gewesen als Aithalides 166 und für des Hermes Sohn gehalten worden; Hermes aber habe ihm erlaubt, zu wählen, was er nur immer wünsche, ausgenommen die Unsterblichkeit. So habe er sich denn die Gabe erbeten, alle Geschehnisse im Leben wie im Tode im Gedächtnis zu behalten. Alles nun, was er erlebt habe, sei ihm im Gedächtnis geblieben, aber auch nach seinem Tode sei ihm diese Gedächtnisstärke verblieben. Einige Zeit darauf sei er als Euphorbos 167 wieder auf Erden erschienen und von Menelaos verwundet worden. Euphorbos aber erklärte, er sei einst Aithalides gewesen; auch erzählte er von dem Geschenk, das er von Hermes erhalten, sowie von der Wanderung seiner Seele und von allen den Pflanzen und Tieren, in die er sich verwandelt, und von Erlebnissen der Seele im Hades sowie von dem, was die übrigen Seelen durchzumachen haben. Nachdem Euphorbos gestorben, sei seine Seele übergegangen in den Leib des Hermotimos, 168 der seinerseits sich beglaubigen wollte und zu dem Ende sich zu den Branchiden 169 begab; dort wies er nach seinem Eintritt in den Tempel des Apollon auf den Schild hin, den Menelaos da aufgehängt hatte. Menelaos nämlich – so sagte er – habe nach seiner Abfahrt von Troja dem Apollon den Schild geweiht, der bereits stark vom Zahne der Zeit gelitten, so daß nur noch das elfenbeinerne Antlitz erhalten war. Nach dem Tode des Hermotimos sei er als delischer Fischer Pyrrhos wieder aufgetreten, und immer wieder habe er sich an alles erinnert, wie er vordem Aithalides, dann Euphorbos, sodann Hermotimos und weiterhin Pyrrhos gewesen. Nachdem Pyrrhos gestorben, sei er Pythagoras geworden und bewahre alles das Gesagte treu im Gedächtnis. 170
Eine andere Figur der griechischen Antike, dem eine Erinnerung an frühere Leben nachgesagt wurde, ist Apollonios von Tyana, der gegen 165
Griechischer Philosoph, etwa 390–322 v. Chr. Figur der griechischen Mythologie, Sohn des Hermes und der Eupolemeia, Herold der Argonauten. 167 Figur der griechischen Mythologie, Sohn des Panthoos und der Phrontis, trojanischer Kämpfer. 168 Hermotimos von Klazomenai, legendärer griechischer Philosoph (evtl. 8. oder 7. Jh. v. Chr.) (siehe Curnow: The philosophers of the ancient world, 147). 169 Mythisches, von Branchos begründetes Priestergeschlecht, das den Appollondienst in Didyma versah. 170 Diogenes Laertius: Vitae philosophorum, VIII.1.4–5 (Übers. Diogenes Laertius: Leben und Meinungen berühmter Philosophen, 2:106–107). 166
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Erfahrungen früherer Leben und ihre Begleitumstände und -erscheinungen
Ende des ersten Jahrhunderts starb. Nach der legendenhaften Darstellung des Philostratos begegnete er auf seiner Reise nach Indien dem Brahmanen Iarchas. Dieser fragte ihn: »Kannst du mir sagen, wer du gewesen bist und welches dein früherer Leib gewesen ist?« Apollonius gab zur Antwort: »Ich erinnere mich wenig daran, weil es für mich eine unrühmliche Episode war.« Iarchas fiel ihm ins Wort und sagte: »Hältst du es für unrühmlich, Steuermann auf einem ägyptischen Schiff gewesen zu sein? Denn dies bist du doch, wie ich sehe, gewesen.« »Du sprichst wahr, mein Iarchas«, versetzte Apollonios, »denn dies bin ich tatsächlich gewesen. Ich halte aber diesen Beruf nicht für unrühmlich, sondern auch für verächtlich.« 171
Apollonios erzählt dann von einer guten Tat in seinem mutmaßlichen früheren Leben als Steuermann, wie er sich nämlich nicht von Piraten bestechen ließ, ihnen die Fracht und Passagiere seines Schiffes auszuliefern. 172
Erfahrungen im Wachzustand Spontane Erfahrungen früherer Leben bei älteren Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen treten anscheinend meistens in veränderten Bewusstseinszuständen auf. 173 Das Spektrum reicht von kurzen Geistesabwesenheiten im Wachzustand bis hin zum Koma des klinischen Todes. In einigen überlieferten Fällen befanden sich die Experiencer vor der Erfahrung im normalen Wachzustand, glitten dann aber mehr oder weniger merklich in einen veränderten Bewusstseinszustand hinüber. Einen Bericht über einen derartigen Fall habe ich oben bereits zitiert. 174 Er ist übrigens neben den Fällen von Pratomwan Inthanu und Ruprecht Schulz das einzige der in diesem Unterkapitel angeführten Beispiele, in dem zumindest der Experiencer den Eindruck hatte, die Person des früheren Lebens identifiziert zu haben. Das erste der hier präsentierten Erlebnisse im Wachzustand wurde von Alexis, einem Geschäftsmann im Ruhestand aus South Carolina, berichtet. 171 Philostratos: Vita Apollonii, III.23 (Übers. Philostratos: Leben des Apollonius, 279, 281). 172 Siehe Philostratos: Vita Apollonii, III.24 (Übers. Philostratos: Leben des Apollonius, 281, 283, 285). 173 So auch Matlock: Signs of reincarnation, 206. 174 Siehe oben S. 22.
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Spontane Erfahrungen bei älteren Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen
Alexis hatte ein lebenslanges Interesse am amerikanischen Sezessionskrieg, besonders an der Schlacht von Gettysburg. Wenn er als Kind Krieg spielte, wollte er immer ein Soldat der Konföderierten (Südstaatler) sein. Als Ruheständler besuchte er zur Vorbereitung eines Vortrags den Ort der Schlacht von Gettysburg. Dort hatte er eine Vision, die ihm den Eindruck vermittelte, in einem früheren Leben als Soldat auf der Seite der Konföderierten in Gettysburg gefallen zu sein. 175 Zu Beginn des Erlebens nahm er anscheinend eine Außenperspektive ein, später dann die Ich-Perspektive eines beteiligten Soldaten. Als ich einen der Schauplätze der Schlacht besuchte, hörte ich Schüsse. Ich schaute mich um und sah in der Ferne eine Reihe von Männern in grauen Uniformen. Sie rückten auf einen Trupp Soldaten in Blau vor. Sie bildeten eine massive Wand, und ich konnte sie kreischen und brüllen hören, als sie angriffen. Das Gelände war voller Kanonen- und Gewehrrauch. Ich konnte den Schall der donnernden Kanonen hören, den scharfen Geruch des Schießpulvers riechen und das ständige Schießen ihrer Gewehre hören. Dann sah ich, wie die beiden Armeen zusammentrafen und in der Hitze des Kampfes verschmolzen. Meine Perspektive wechselte von der Stelle, von der aus ich [die Szene] beobachtet hatte, zur Mitte des Schlachtgeschehens. Ich lag auf dem Boden und mein Bein tat furchtbar weh. Man hatte mir in das Bein geschossen und ich blutete. Einer meiner Freunde riss mein Hosenbein auf und versuchte, einen Blick auf die Wunde zu werfen. Plötzlich sah ich vier Soldaten in blauen Uniformen über den Hügel kommen. Sie zielten mit ihren Waffen, und bevor ich meinem Freund [etwas] zuschreien konnte, feuerten sie. Mein Freund fiel auf den Boden und Blut spritzte über sein ganzes Gesicht. Mir wurde schlecht und dann sehr heiß. Alles dröhnte und dann verblasste das Licht. Ich befand mich wieder in der Gegenwart. 176
Der letzte Satz deutet darauf hin, dass sich der Experiencer während der Erfahrung in einer Art Geistesabwesenheit befand. Das scheint auch beim nächsten Erlebnis der Fall zu sein, das eine junge Frau hatte, als sie in einer Vorlesung saß: Plötzlich füllte sich der Raum mit intensivem Licht. Es wurde warm, fast stickig. Ich drehte mich um, um zu sehen, woher das Licht kam, und stutzte, als ich sah, dass der Baum (draußen vor dem Hörsaal) in voller Blüte stand, die Sonne hell schien und die Fenster geöffnet waren. Meine Aufmerksamkeit galt den Schülern vor dem Fenster. Sie waren sehr sonderbar gekleidet. Die Mädchen trugen lange Kleider und Bänder – die meisten Kleider hatten 175 176
Siehe Lenz: Lifetimes, 28. Lenz: Lifetimes, 29.
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Erfahrungen früherer Leben und ihre Begleitumstände und -erscheinungen
hohe Kragen – und kein Make-up (was völlig ungewöhnlich war). Die Jungen trugen Kniebundhosen aus Kord, hochgeschlossene Schuhe oder Sneakers, kragenlose Hemden und sehr seltsame Haarschnitte. Mein eigenes Kleid war ähnlich wie das der anderen Mädchen. Ich war völlig platt, weil ich immer Jeans trug. Ich muss nach Luft gerungen haben, denn das nächste, woran ich mich erinnere, war, dass die Lehrerin etwas dahingehend sagte, dass ich auf ihre Frage achten und sie beantworten sollte, wenn ich könnte. Am verblüffendsten war für mich, dass ich anscheinend nicht viel von der Vorlesung verpasst hatte, da ich die Frage richtig beantwortete, mich aber weder erinnere, was die Frage war oder an die Tatsache, dass eine Frage an mich gerichtet wurde. 177
Jane, eine siebzehnjährige High School-Studentin, hielt ihre spontane Vision, in der sie an der griechischen Meeresküste Schafe hütete, zunächst für einen lebhaften Tagtraum, bis sie später auf einer Reise den Ort ihrer Vision erkannte und das Gefühl hatte, dort schon einmal gelebt zu haben. Jane war zwar unmittelbar vor der Erfahrung bei normalem Bewusstsein, die Erfahrung leitete sich jedoch mit Hörempfindungen ein, wie sie bei mystischen Erfahrungen immer wieder berichtet werden: Es geschah, als ich gerade siebzehn war. Ich war zu Hause und hütete meine kleine Schwester. […] Ich war in der Küche und kochte das Abendessen, als ich ein lautes Klingeln in meinem Kopf hörte. Es wurde immer lauter, bis ich Angst bekam. Der Klang kam nicht von außen, sondern von innen. Der Raum begann sich zu verschieben und zu verblassen, und ich dachte, ich würde ohnmächtig werden. Das nächste, an das ich mich erinnere, war, dass ich auf einer Klippe mit Blick auf das Meer stand. Ich beobachtete, wie die Wellen heranrollten und auf den Felsen weit unter mir zerbrachen. Ich hörte das Hämmern der Brandung und roch die salzige Luft. Ich drehte mich um und begann, durch ein Feld zu laufen, das hinter mir lag. Die Sonne schien und ich fühlte mich warm und glücklich. Ich kehrte zu meiner Schafherde zurück, die ich auf der Weide zurückgelassen hatte. Als ich ging, sang ich ein Lieblingslied, bis ich die Kuppe des Hügels erreichte. Ich dachte an viele griechische Städte, die ich eines Tages gerne besuchen wollte. Ich setzte mich unweit der Schafe nieder und wiegte mich hin und her, ganz allein, und sang. Dann endete die Vision, und ich war wieder in meiner Küche. Ich wusste nicht, was ich von dem, was mir widerfahren war, halten sollte, und dachte, dass ich eine Art lebendigen Tagtraum gehabt hätte. Einige Jahre später, als ich im Urlaub vom College war, ging ich jedoch nach Europa, und eines der Länder, die ich besuchte, war Griechenland. Ich fühlte mich sehr angezogen von einigen der kleinen Küstenstädte. Als ich eines Tages 177
Rogo: Search for yesterday, 32.
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Spontane Erfahrungen bei älteren Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen
mit Freunden im Auto fuhr, kamen wir zu einer Straße, die das Meer überblickte. Ich war von widersprüchlichen Gefühlen erfüllt, aber eines war klar: Ich wollte aus dem Auto steigen. Ich bat meine Freunde, für eine Minute anzuhalten; sie fuhren an den Straßenrand und ich stieg aus. Ich ging hinüber zum Rand der Straße mit Blick auf das Meer und blickte nach unten. Und als ich es tat, sah ich genau die Szene, die ich einige Jahre zuvor in meiner Vision in der Küche gesehen hatte. Ich drehte mich um und ging vom Auto und meinen Freunden weg. Ich ging zielstrebig, als ob ich den Weg kennte. Ich folgte einem Weg durch ein Feld und begann, eine Böschung zu besteigen. Als ich oben ankam und mich umsah, erkannte ich die Stelle, an der ich mit den Schafen in meiner Vision gewesen war. Es war genauso, wie ich es in Erinnerung hatte. Ich war voller Erinnerungen an Orte und Szenen, und ich wusste, dass ich »nach Hause« zurückgekehrt war. Obwohl es keinen Sinn machte, fühlte ich, dass ich dort in einer anderen Zeit gelebt hatte. 178
Frederick Lenz, der dieses und auch drei der vier vorangegangenen Erlebnisse überliefert, schreibt, dass seine Interviewpartner den Übergang zu einem veränderten Bewusstseinszustand zuerst an einem hohen, immer lauter werdenden Klingelton bemerkten. 179 Geräuschempfindungen werden oft vor visionären Erfahrungen berichtet. Raymond Moody zählt sie zu den typischen Merkmalen einer Nahtoderfahrung. Die von ihm befragten Experiencer berichten von einem als unangenehm empfundenen »Dröhnen«, »Tönen«, »Knacken«, »Brausen«, »Krachen« oder »Pfeifen«, aber auch von einer Art »Glockenläuten« und »wunderschöne[r] Musik«. 180 Geräuschempfindungen gehen oft auch außerkörperlichen Erfahrungen gesunder Menschen voraus. 181 Schon in der antiken mystischen Literatur ist von derartigen Erscheinungen die Rede. Die Fahrt des Vorsokratikers Parmenides zum »Tor der Bahnen von Tag und Nacht« ist von einem »hellen Pfeifenton« begleitet, 182 die Entrückung des alttestamentlichen Propheten Ezechiel von »Getöse« und »Rauschen«. 183 Deutlich verändert war das Bewusstsein auch bei einem Erlebnis aus dem Jahr 1975, das ein Mann namens Tom in seinen Endfünfzigern hatte: 178
Lenz: Lifetimes, 27–28. Lenz: Lifetimes, 49. 180 Moody: Leben nach dem Tod, 32–33. 181 Siehe z. B. Buhlman: Out of Body, 19–24, 32, 40–41, 50; Crookall: Out-of-thebody, 47–48; Ziewe: Multi-dimensional man, 20–21. 182 Parmenides: Über das Sein, 5 (DK 28 B 1). 183 Ez 3,12–13 (Lutherbibel 2017). 179
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Erfahrungen früherer Leben und ihre Begleitumstände und -erscheinungen
Eines Tages Ende Oktober war ich draußen in meinem Garten und harkte Laub zusammen. Ich hatte den ganzen Morgen hart gearbeitet und spürte, dass es Zeit für eine Pause war. Ich setzte mich unter einen Ahornbaum und entspannte mich. Da begann mein ganzer Körper heftig zu zittern. Ich verlor das Bewusstsein für den Ort, an dem ich war. Alles, was ich sehen konnte, war Schwärze in alle Richtungen. Ich fühlte, dass ich in einen langen schwarzen Tunnel stürzte; mir wurde schlecht vom Fallen. Dann begann ich, Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Ich fand mich aufrecht auf einem Stuhl in meinem Wohnzimmer sitzen. Einer meiner Diener näherte sich und sagte mir, dass mein Pferd für meinen Ritt in die Stadt bereit sei. Ich folgte ihm vor das Haus, bestieg mein Pferd und ritt in die Stadt. Ich erinnere mich, dass ich auf dem Weg in die Stadt an einer Gruppe von Händlern auf Kamelen vorbeikam. Sie alle waren Bekannte von mir, und jeder hielt einen Augenblick inne, um sich kurz [mit mir] zu unterhalten. Wir diskutierten das Wetter und den Zustand der Ernte. Nach jeder Begegnung setzte ich meine Reise in Richtung Stadt fort. Als ich in der Stadt ankam, stieg ich ab und betrat eine Schenke. Dort schloss ich mich mehreren meiner Freunde an und wir tranken und scherzten eine Zeit lang. Am meisten fiel mir auf, wie real alles war. Ich konnte die Menschenmassen im Inneren [der Schenke] sehen, den metallenen Kelch in meinen Händen spüren und das Getränk schmecken. Ich war sogar sexuell erregt, als ich einige der Frauen dort sah. Eine Schlägerei brach aus. Es wurde geschrien und geflucht. Ich wurde heftig zu Boden geworfen. Bevor ich mich erheben konnte, wurde ich in den Kopf getreten und verlor das Bewusstsein. Ich war wieder von Schwärze umgeben. … Ich stellte fest, dass ich in die Gegenwart zurückgekehrt war. Ich saß aufrecht unter dem Ahorn in meinem Garten. 184
Wiederum wird die Erfahrung eingeleitet von Phänomenen, die man von anderen transzendenten Erfahrungen kennt. Empfindungen einer starken Vibration des Körpers gehen oft außerkörperlichen Erfahrungen voraus. 185 Eine Fahrt durch einen dunklen Tunnel zu einem Licht ist ein sehr häufiges Merkmal von Nahtoderfahrungen 186 und kommt auch bei außerkörperlichen Erfahrungen Gesunder vor. 187
184
Lenz: Lifetimes, 39–40. Siehe z. B. Buhlman: Out of Body, 19–25, 31–32, 43, 47, 52; Fischer: Raumfahrt der Seele, 44, 193; Lischka: Jenseits der Schwelle, 107, 109–112; Monroe: Mann mit den zwei Leben, 11–21; 245–252; Ziewe: Multi-dimensional man, 20–21. 186 Siehe Fenwick & Fenwick: Truth in the light, 69–96; Moody: Life after life, 33–36; van Lommel: Endloses Bewusstsein, 54–57. 187 Siehe Crookall: Out-of-the-body, 49. 185
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Erfahrungen während Meditation Erfahrungen früherer Leben können auch während einer Meditation spontan auftreten. 188 Ein Beispiel ist der von Stevenson untersuchte Fall der thailändischen Nonne Pratomwan Inthanu, die am 1. Oktober 1944 in Südthailand geboren wurde. Mit zwanzig Jahren erlebte sie während einer Meditation Szenen eines früheren Lebens, in dem sie ein als Baby gestorbenes Mädchen zu sein schien. Ihre Erfahrung enthielt so viele Einzelheiten, dass sie die Eltern des – zum Zeitpunkt ihres Todes mit drei Monaten noch namenlosen – Mädchens, Samran Wang Pri Chaa und Nag Chob, in einem äußerst abgelegenen Dorf aufspüren konnte. 189 Ein Erlebnisbericht von Pratomwan selbst liegt leider nicht vor. Stevenson schreibt über ihre Erfahrung, dass sich eine »Reihe von Bildern« in ihrem Geist entfaltete, die einem »Bewegtbildfilm« auf einer Leinwand geglichen hätten. 190 Das spricht für die Außenperspektive. Eine Außenperspektive nahm auch eine jüngere Frau namens Joan bei einer Erfahrung mehrerer früherer Leben während einer Meditation ein. Trotz der Außenperspektive identifizierte sie sich mit den Protagonisten der früheren Leben: Ich war auf der Veranda und meditierte, als ich merkte, dass etwas Ungewöhnliches vorging. Gewöhnlich fühle ich beim Meditieren große Ruhe. An diesem Abend war meine Meditation anders. Ich fing an, Farben aller Art zu sehen – Farben, die ich noch nie zuvor gesehen hatte. Sie begannen vor mir zu tanzen und zu wirbeln. Dann nahmen Szenen und Bilder Gestalt an. Zuerst waren sie undeutlich, und ich konnte vage sehen, wie sich Menschen bewegten; dann kamen sie langsam in den Fokus, und alles wurde 188
Siehe auch unten S. 125 den Fall Scheffler. Siehe Stevenson: Cases of the reincarnation type, 4:140–170. 190 Siehe Stevenson: Cases of the reincarnation type, 4:141–142. An anderer Stelle sagt Stevenson, während ihrer Erfahrung eines früheren Lebens habe Pratomwan zumindest eine Zeitlang die Ereignisse des früheren Lebens innerlich wie einen Film gesehen (Stevenson: Cases of the reincarnation type, 4:166). Sie habe unterschiedliche Antworten auf die Frage gegeben, ob sie Erfahrungen der Person des früheren Lebens, eines kleinen Mädchens, wiedererlebt habe, in dem Sinn, dass sie sich in einem kleineren Körper als dem jetzigen gefühlt habe. Pratomwan berichtete später von Erfahrungen eines anderen früheren Lebens, deren Protagonistin ebenfalls ermittelt werden konnte. Dieser Fall war allerdings nicht so detailreich (siehe Stevenson: Cases of the reincarnation type, 4:162–165). Pratomwan glaubte sich auch vage an ein oder zwei frühere Leben als Affe erinnern zu können (siehe Stevenson: Cases of the reincarnation type, 4:167). 189
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kristallklar. Ich sah eine Frau auf einer langen Couch sitzen. Sie sah mir aus, als wäre sie etwa siebzig Jahre alt. Sie schien allein zu sein; zumindest war mir die Anwesenheit von jemand anderem nicht bewusst. Als ich sie ansah, wusste ich, dass ich mich in einem anderen Leben ansah. Aus diesem Leben sickerten kleine Erinnerungen in meinen Kopf. Ich erinnerte mich an meine Hochzeit, meine Kinder, den Tod meines Mannes. Dann verblasste die Szene und eine andere erschien. Ich war an einem Strand und da waren zwei Kinder, einen Jungen und ein Mädchen, die im Sand spielten. Das Mädchen trug einen rotbedruckten Rock, und sein Haar war zu Zöpfen geflochten. Wieder hatte ich das Gefühl, dass ich mich selbst ansah; diesmal in einem anderen Leben als dem, das ich zuvor gesehen hatte. Wieder kamen Erinnerungen und Gefühle. Ich dachte an meine Eltern, mein Zuhause – einfache, kindliche Gedanken. Diese Szene verblasste und eine andere erschien … Im Laufe meiner Erfahrung sah ich sechs oder sieben verschiedene Leben. Jede von ihnen gab mir einen kurzen Einblick in etwas, das ich früher war. Jede zeigte mir etwas Intimes und Besonderes über mich selbst. 191
Erfahrungen im Traum Oben haben wir schon von Erfahrungen früherer Leben in Träumen gesprochen, die bei kleinen Kindern, die von vergangenen Leben sprechen, auftreten. Es gibt auch Fälle, in denen Kinder unterschiedlichen Alters zwar Träume von einem früheren Leben haben und im Wachzustand von diesen Träumen reden, aber anscheinend keine neuen Erfahrungen früherer Leben im Wachzustand machen. Die Träume können auch erst im Erwachsenenalter auftreten. In keinem der hier angeführten Fälle konnte die Person des früheren Lebens ermittelt werden. Aber die meisten bieten immerhin konkrete historische Anhaltspunkte. Ich gebe zunächst vier von Stevenson überlieferte Schilderungen wieder. Im ersten Fall scheint die Ich-Perspektive vorzuherrschen: [E]in amerikanisches Mädchen, Alice Robertson (ein Pseudonym), [litt] viele Jahre (beginnend mit der frühen Kindheit) an wiederkehrenden Alpträumen, deren lebhafte Details sich niemals änderten. In den Alpträumen war sie eine erwachsene Frau, die, in ein köchellanges Gewand gekleidet, friedlich eine Straße entlangging, zusammen mit einem kleinen Mädchen, von dem sie wusste, dass es ihre Tochter war. Es war Abend und die Sonne näherte sich dem Horizont. Plötzlich nahm sie ein ohrenbetäubendes Brül191
Lenz: Lifetimes, 38–39.
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Spontane Erfahrungen bei älteren Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen
len wahr, und die Erde schien unter ihren Füßen nachzugeben. An dieser Stelle wachte sie jeweils schreiend vor Angst auf. Hierauf eilte dann ihre besorgte Mutter an ihre Seite. Das Kind, das Alice damals war, versuchte ihrer Mutter zu erklären, dass sie die Szene des Alptraums wirklich durchlebt habe; aber ihre Mutter, Ehefrau eines Bischofs der Episkopalkirche, versicherte ihr, daß dies nicht möglich sein konnte und sie »nur geträumt« habe. Schließlich gab Alice ihre Versuche auf, die Mutter zu überzeugen, dass sie in ihren Alpträumen reale Ereignisse erinnerte, die sie früher einmal erlebt hatte. Die Alpträume blieben jedoch bestehen, wenngleich sie im späteren Leben allmählich in ihrer Häufigkeit abnahmen. Als Alice erwachsen geworden war, identifizierte sie das knöchellange Gewand, das sie im Traum getragen hatte, als einen Sari. Dieses Detail passte zur starken Anziehungskraft, die Indien auf sie ausübte. Als junge Frau sah sie einen Film über Darjeeling (in Nordostindien), der in ihr ein starkes Gefühl des déjà vu auslöste. Dann erst las sie erstmals etwas über Darjeeling und hörte von den schrecklichen Erdrutschen, die dort zu verschiedenen Malen zwischen 1890 und 1920 vorgekommen waren. Sie gewann nun die Überzeugung, daß das frühere Leben ihrer Alpträume sich in Darjeeling abgespielt habe. 192
Im nächsten Fall geht es um Jenny McLeod, die 1949 in Aberdeen geboren wurde. Sie sprach mit etwa zwei Jahren einmal von einem früheren Leben. 193 Später, mit etwa sieben bis acht Jahren, hatte Jenny sich wiederholende Träume von einem anderen früheren Leben. Die Träume dauerten an, bis sie dreizehn oder vierzehn Jahre alt war. [Ich] lag auf einem Feld. Seitlich konnte [ich] meinen Körper sehen. Rechts von mir war ein Tor, nicht ein modernes Tor, sondern ein Durchgang, der aus Birken gebildet wurde. Er war zerbrochen. Verschiedene Menschen, nicht mehr als vier, kamen über einen Hügel auf mich zu. Sie waren in sehr dunkles Olivgrün gekleidet. [Ihre] Kappen waren wohl von dem gleichen Material. Nicht deutlich zu erkennen. Sie waren [alle] auf [die] gleiche Weise [gekleidet]. [Hier unterbrach sich Jenny und ergänzte, dass sie die Uniform nicht erkannte, die jene Männer trugen.] Ich dachte, sie seien im Begriff, etwas Böses zu tun. Sie kamen auf mich zu, ich tat so, als wäre ich verwundet. Jemand wollte sein Schwert in mich stechen, aber dann unterließ er das. Sie gingen wieder fort. Als sie auf mich zukamen, hielten sie an und hieben auf andere Leute ein. Sie schienen eher kurze, flache Schwerter zu haben. Im Traum war ich älter [als ich tatsächlich war, als die Träume begannen.] Ich war [damals, im Traum] nicht sieben, sondern fühlte mich
192 Stevenson: Children who remember previous lives, 49–50 (Übers. Stevenson: Wiedergeburt, 60–61, bearbeitet vom Verf.). 193 Siehe oben S. 81.
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im Kopf wie vierzehnjährig. Ich schien auch einen größeren Körper zu haben, aber nicht den eines ganz Ausgewachsenen. Ich trug einen roten Kilt, hatte aber kurzes Haar. [Ich bin] nicht sicher, ob [ich] ein Mädchen oder ein Junge war. Jene Leute töteten vier oder fünf andere, bevor sie zu mir gelangten. Ich wartete, bis sie fort waren. Ich begann zu frieren, und es wurde dunkel. Ich fürchtete mich davor, allein zurückgelassen zu werden. Ich bewegte [zuerst] den Kopf, [dann] stand ich auf. Ich vernahm ein Heulen – Menschen, die weinten. Ich versuchte durch das Tor zu gelangen. Es rührte sich nicht. Ich versuchte, es zu schließen. Es verklemmte sich. Ich kam an eine große Mauer. Ich fand heraus, dass sie zur Rückwand eines Hauses gehörte. Dort war eine alte Frau. Ich bat sie um Hilfe, und sie weigerte sich, mir zu helfen, fort zu kommen. Dann begann ich zu rennen, weinend. An diesem Punkt bin ich normalerweise aufgewacht. 194
Die Erlebnisperspektive ist aus der Schilderung nicht eindeutig zu ersehen. Die Formulierung »seitlich (at the side) konnte ich meinen Körper sehen« könnte vielleicht auf eine Außenperspektive hindeuten, eventuell auch die Bemerkung über die eigene Haarlänge. Jenny assoziierte den Traum später mit der Schlacht von Culloden, die am 16. April 1746 bei Inverness stattfand. 195 In dieser Schlacht erlitt der schottische Widerstand eine vernichtende Niederlage. Auf der Seite der angegriffenen Jakobiten – die Anhänger des schottischen Kronprätendenten Charles Eduard Stuart (1720–1788) – kämpften tatsächlich zahlreiche Jugendliche und sogar Kinder. Das dunkle Olivgrün der angreifenden Truppen in Jennys Traum scheint der Bekleidung der angreifenden schottischen Truppen unter Leitung von John Campbell (1723–1806) 196 zu entsprechen, die auf der Seite Englands kämpften. Im Fall von Thomas J. Evans, geboren 1886, begannen die Träume ebenfalls in der Grundschulzeit, setzten sich aber bis ins Alter von über fünfundsiebzig Jahren fort: Er [der Traum] kam zu ersten Mal, als ich etwa acht Jahre alt war, Ich träumte, dass ich mich am Rand eines Waldes befand; es schien ein großer Wald zu sein. Jemand legte mir eine Schlinge um den Hals und zog mich hoch, so daß ich den Boden unter den Füßen verlor. Da wurde ich hängen gelassen, während eine Menschenmenge lachte und mich verhöhnte. Das
194 Stevenson: Reinkarnation in Europa, 265–266 (Einfügungen in eckigen Klammern von Stevenson; Übers. bearbeitet vom Verf.). 195 Siehe Stevenson: Reinkarnation in Europa, 267–268. 196 Später 5. Duke of Argyll und Feldmarschall.
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Spontane Erfahrungen bei älteren Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen
Gefühl, das ich hatte, als ich erhängt wurde, war, dass ich für etwas eingetreten war, an das ich mich nicht zu erinnern vermochte … 197
Evans hatte mit siebenundsiebzig Jahren auch eine Wachvision desselben Inhalts, in der er »Szenen seines wiederkehrenden Traumes […] als Beobachter, der die Ereignisse beobachtet, statt dass er sie selbst – wie in den Träumen – von neuem erlebte«. 198 Danach scheinen die Träume nicht mehr aufgetreten zu sein. Luigi Gioberti aus Venedig, geboren 1958, träumte mit elf Jahren, dass er sich in einem Militärflugzeug befand, das abgeschossen wurde. Der Traum kehrte etwa ein Dutzend Mal innerhalb weniger Monate wieder. 199 Das Geschehen erlebte er aus der Ich-Perspektive. Er schrieb darüber mit zwanzig Jahren an Stevenson: »Ich flog [in diesem Traum] eine beschädigte Maschine, die schließlich abstürzte.« Und in einem anderen Brief, ein Jahr später: »Ich beobachtete die Szene mit den [durch die] 200 Augen des Piloten. Ich sah den Piloten nicht wie ein Beobachter von außen. […] Ich habe nicht nur gesehen. Ich fühlte alles, was es zu spüren gab, und das ist vielleicht der unangenehmste Teil der Sache«. 201 Diesen Traum schätzte er später als ein »Wieder-Erlebnis« ein. 202 Gioberti kam durch weitere bildliche Eindrücke, anscheinend vor allem im Wachzustand und aus der Außenperspektive, zu der Überzeugung, er habe den Abschuss eines schottischen Kampfpiloten bei der Royal Air Force namens John Graham, geboren 1920, bei der Schlacht um Monte Cassino 1943/44 erlebt. Ein Pilot namens John Graham fand sich jedoch in den Verzeichnissen der Royal Air Force nicht. Auch eine Nachforschung bei der Commonwealth-Kriegsgräberkommission blieb ergebnislos. Giobertis Traum scheint ein Beispiel dafür zu sein, dass die Ich-Perspektive bei Erfahrungen früherer Leben kein zuverlässiger Indikator für ein Wiedererleben ist. Der nächste Fallbericht wurde von Rogo überliefert. Es handelt sich um einen einzigen Traum. Eine Vierzehnjährige aus Washington hatte ihn in einem Ort in Wyoming. Zum Zeitpunkt des Traumes sei ihr das Konzept der Reinkarnation gänzlich unvertraut gewesen, aber 197 198 199 200 201 202
Stevenson: Reinkarnation in Europa, 272. Stevenson: Reinkarnation in Europa, 274. Stevenson: Reinkarnation in Europa, 333. Klammer im Original. Stevenson: Reinkarnation in Europa, 335. Stevenson: Reinkarnation in Europa, 335.
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Erfahrungen früherer Leben und ihre Begleitumstände und -erscheinungen
sie habe gespürt, dass sie irgendwie mit der Frau in dem Traum verbunden gewesen sei. Am Anfang des Traumes schien sie sich von außen zu sehen: Der Traum spielte in einer Gegend etwa 10 oder 12 Meilen südlich von La Barge, Wyoming, und ich konnte mich in einer Art langem, schlichtem Kleid sehen. Ich stand mit meinen drei kleinen Mädchen (Alter etwa drei bis fünf Jahre) vor einem wirklich primitiv aussehenden kleinen Haus. Ich schaue durch dieses lange Tal in Richtung Norden. Da ist eine Menge Rauch, der aus dieser Mine entweicht (Kohle, nehme ich an) und mein Herz schlägt sehr heftig und ich habe Angst. Ich weiß, dass mein Mann in der Mine ist, und nur er scheint darin zu sein. Als wäre es eine private Mine. Unsere? Ich laufe zu einer kleinen Koppel neben dem Haus, hole mir ein Pferd und sage den kleinen Mädchen, dass sie dableiben müssten. Dass ich Hilfe holen müsse. Dann reite ich in vollem Galopp auf La Barge zu und das Gefühl der Panik begleitet mich die ganze Zeit. Ich kann den Rauch sehen, während ich durch dieses Tal mit hohem Gras und Salbeisträuchern galoppiere, und ich scheine zu wissen, dass mein Mann tot ist. Aber ich muss Hilfe holen. Dann wachte ich entsetzt und weinend auf. Der Traum war für mehrere Tage in meinem Gedächtnis, sehr real, und mit 14 Jahren konnte ich nicht herausfinden, warum ich so etwas träumen sollte.
Zwei Jahre später arbeitete die junge Frau auf einer Heufarm in Fontenelle, Wyoming: Ich half der Frau eines Ranchers beim Kochen und Babysitten und beim Reinigen des Hauses. Sie hatten einen 14jährigen Sohn, der sich für alte Kutschen und Fuhrwerke interessierte. Eines Nachmittags, als wir ein paar freie Stunden hatten, nahm die Frau, für die ich arbeitete, ihren Sohn, mich und ihre anderen beiden Kinder mit und sagte, wir würden zu einer benachbarten Ranch fahren, weil sie einen Haufen alter Fuhrwerke hatten und ihr Sohn sehen wollte, ob es welche gab, die ihn interessierten. Die Ranch erstreckt (oder erstreckte sich damals) entlang der Autobahn, die nach La Barge führt. Wir sprachen mit dem Rancher dort. Er sagte, dass die Wagen an der alten Wohnstätte draußen in den Bergen waren und beschrieb uns den Weg. Wir überquerten die Autobahn und fuhren nach Westen. Wir waren ein paar Meilen gefahren, als wir oben an einer Erhebung ankamen. Plötzlich bekam ich überall Gänsehaut, weil da das gleiche Tal wie in meinem Traum lag. Mein Traum war mir sofort wieder gegenwärtig. Ich wusste, dass ich schon mal dort war. Ich schaute sofort dahin, wo das Haus und die Koppel gewesen waren, und dann quer über das Tal, wo der Rauch aus der Mine gekommen war, aber da war nichts. Nur ein Tal mit Salbeisträuchern. 203 203
Rogo: Search for yesterday, 30–31.
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Spontane Erfahrungen bei älteren Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen
Erfahrungen während außerkörperlicher Erfahrungen Gesunder Erfahrungen früherer Leben können auch im Rahmen von außerkörperlichen Erfahrungen 204 auftreten. Derartige Erfahrungen können beim klinischen Tod, aber oft auch bei gesunden Personen auftreten, wie in den hier aufgeführten Fällen. Tom G. aus Dayton in Ohio berichtet William Buhlman folgendes Erlebnis: Gelegentlich mache ich im Schlaf eine spontane außerkörperliche Erfahrung. Das ist für mich oft schockierend, denn die Realität ist absolut, überhaupt nicht traumartig. Am denkwürdigsten war eine außerkörperliche Erfahrung, die mich in eine Schlacht im Zweiten Weltkrieg in Frankreich versetzte. Ich und meine Leute wurden durch deutsches Maschinengewehrfeuer festgenagelt. Zwei meiner engsten Freunde wurden direkt neben mir getötet. Ich hatte solche Angst, dass ich einnässte. Ich verlor völlig die Kontrolle und kämpfte wie ein Verrückter, bis ich von einer Explosion hochgeschleudert wurde. Sofort wurde alles ganz still und ich schwebte über dem, was von meinem Körper übrig war. Das war so real wie irgendetwas, das ich je in meinem Leben erlebt habe, und ließ mich erkennen, dass Reinkarnation absolut real ist. 205
Im nächsten Fall geht der Erfahrung wieder ein besonderes Geräuscherleben voraus. Die Schilderung wird ebenfalls von Buhlman überliefert. Ich hörte ein Rauschen und befand mich in einer neuen Umgebung. Als ich nach unten in die Küche ging, wurde mir plötzlich klar, dass das Haus, in dem ich derzeit wohne, keine Küche im Erdgeschoss hat. Aber ich »kannte« jedes Detail des Hauses, und es war mein Haus. Ich bemerkte den Kühlschrank und sah hinein. Er war voller Eisblöcke, wie diese altmodischen Kühlschränke. Dann bemerkte ich einen Kalender an der Wand und sah, dass es September 1936 war! Ich ging mit meinem Mann – nicht aus diesem Leben – zur Arbeit in der Fischerei. Ein Vorarbeiter kam auf mich zu und schlug vor, dass ich meinen Job aufgeben sollte, da es Männer ohne Arbeit gab, die Arbeit bräuchten. Ich habe über die Illusion der Zeit gelesen, und ich habe das Gefühl, dass dies eine frühere Existenz gewesen sein könnte. Diese Erfahrung verschaffte mir eine neue Sicht auf Spiritualität in meinem jetzigen Leben. 206
204
Siehe zur Definition von außerkörperlichen Erfahrungen oben S. 22. Buhlman: Secret of the soul, 71. 206 Erlebnis von T. L. aus Joplin im Staat Missouri, USA (Buhlman: Secrets of the soul, 70–71). 205
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Erfahrungen früherer Leben und ihre Begleitumstände und -erscheinungen
Buhlman berichtet auch von eigenen Erfahrungen früherer Leben im außerkörperlichen Zustand. Allerdings arbeitet er im hier wiedergegebenen Fall mit einer Autosuggestion, weshalb sein Erlebnis nicht im strengen Sinn als spontan gelten kann. Die Schilderung setzt ein, als sich Buhlman bereits im außerkörperlichen Zustand befindet. Die Erlebnisperspektive wird nicht explizit genannt, aber sie scheint die Außenperspektive zu sein. Buhlmans Bericht enthält eine Deutung von Reinkarnation als Vehikel individueller Evolution, wie sie in der westlichen Esoterik verbreitet ist: 207 Eine einfache Bitte dringt in mein Bewusstsein: »Ich muss mein Leben sehen.« Sofort erscheinen glasklare Bilder vor mir. Eine Reihe dreidimensionaler Bilder vergrößert und entfaltet sich: Hunderte, dann Tausende, dann Zehntausende von Bildern rücken ins Blickfeld. Ich weiß instinktiv, dass jedes Bild von mir ist. Ich konzentriere mich auf eines. Das Bild ist lebendig. Ich bin ein kleiner Junge in Tunika und Sandalen; Fußböden und Wände sind aus Stein und Marmor. Das bin ich vor zweitausend Jahren. Ich bin weder erschrocken noch überrascht – ich scheine einfach Bescheid zu wissen. Wie die Erinnerung an ein lange vergessenes Ereignis zieht dieser Augenblick in der Zeit kurz an mir vorüber. Dann wende ich meine Aufmerksamkeit ab und schaue auf die unzähligen anderen Bilder, die vor mir lebendig werden. Jedes ist mein Leben: Manche zeige Geschehnisse auf der Erde, manche solche in nicht physischen Bereichen des Universums. Während ich diese Ereignisse beobachte, scheinen sie einen Sinn zu ergeben: jedes einzelne erreichte einen bestimmten Zweck. Wie die Teile eines Puzzles rückt jedes Bild an seinen Platz, trägt jedes zum Ganzen bei. Jedes Bild, jede Erfahrung wurde benötigt, um die Summe dessen zu erschaffen, was ich heute bin. Plötzlich bin ich überwältigt von der Großartigkeit und Weisheit all dessen, was ich beobachte. Ich sehe das Gute und das Schlechte, die Triumphe und die Niederlagen. Ich sehe meine zahllosen Schwächen und Fehler und meine gelegentlichen Stärken. Da verstehe ich, dass ich durch tausende von Lebensjahren Zeuge meiner Evolution bin. Jedes individuelle Leben war ein Schritt, eine Erfahrung des Wachstums; jedes Leben baute auf dem vorausgegangenen auf. Ein Gefühl der Freunde [sic] durchströmt mich, als ich die Notwendigkeit von Entbehrungen und Not begreife. Jede Herausforderung war eine wichtige Lernsituation, ein Lernumfeld, speziell geschaffen um meiner Entwicklung willen. Ich begreife die Weisheit von
207 Siehe z. B. Runggaldier: Philosophie der Esoterik, 171; die gegenwärtig herrschende Vorstellung von Reinkarnation als Motor von Entwicklung hat wichtige Wurzeln in Spiritismus, Theosophie und Anthroposophie, siehe dazu Bischofberger: Der Reinkarnationsgedanke, 85–94; eine evolutive Interpretation der Reinkarnation bot auch Aurobindo Ghose, siehe Müller: »Karma« und »Wiedergeburt«, 62–73.
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Spontane Erfahrungen bei älteren Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen
alledem. […] Eine innere Erkenntnis durchströmt mich: Die einzige Möglichkeit, etwas vollkommen zu erkennen und zu verstehen, ist, es selbst zu erfahren. […] Das körperliche Leben ist ein interaktiver Lehrgang, ein unerbittliches Ausbildungslager für sich entwickelnde Seelen. […] Das gesamte Universum, das physische wie das nichtphysische, ist ein Trainingskurs für sich entwickelnde Seelen. […] Zum ersten Mal in meinem Leben macht alles um mich herum absolut Sinn. 208
Erfahrungen während Nahtoderfahrungen Der Kardiologe Pim van Lommel, der durch seine große, in der führenden medizinischen Fachzeitschrift The Lancet publizierten Studie zu Nahtoderfahrungen bekannt wurde, 209 überliefert den folgenden Fallbericht. Der Experiencer hatte offenbar eine Lebensrückschau im Rahmen seiner Nahtoderfahrung. In dieser Rückschau sah er sich zunächst zweimal in einem früheren Leben. Beide Male war er Soldat, beim zweiten und vielleicht auch beim ersten Mal kam er gewaltsam ums Leben. Er stellte allerdings fest, dass diese beiden früheren Leben weniger deutlich präsentiert wurden als sein jetziges Leben. Die Perspektive wird nicht explizit beschrieben. Die Rede vom ›Bilder sehen‹ könnte auf die Außenperspektive schließen lassen. Ganz am Anfang sah ich Bilder aus meinen ersten beiden Leben. Das erste Mal fand ich in der Römerzeit auf einem Feldzug in England den Tod. Ich war der Anführer einer Kohorte, die eine Reihe weiblicher Gefangener zur Küste brachte. Auf dem Weg dorthin wurden wir von Einwohnern dieses Landstriches überfallen. Ich habe auch mein Sterben im Ersten Weltkrieg durchlebt. Es muss im Jahr 1917 gewesen sein, als ich in einem Jagdflieger saß und in einen Kampf mit einer deutschen Maschine verwickelt wurde. Ich wurde abgeschossen und stürzte zwischen den Fronten in den Tod. Ich denke, es war 1917, weil ich auf Fotos aus diesem Jahr den Maschinentyp, den damals die englische Luftwaffe flog, wiedererkannt habe. Ich weiß nicht, warum ich auch diese beiden Leben in Bruchstücken sah. Und ich habe überhaupt keinen Bezugspunkt, um irgendetwas davon zu überprüfen. Was mir viel besser in Erinnerung geblieben, sind die Bilder aus meinem letzten – oder wenn so will – jetzigen Leben. 210
208 209 210
Buhlman: Out of body, 70–73. Siehe van Lommel et al.: Near-death experiences in survivors of cardiac arrest. van Lommel: Endloses Bewusstsein, 64.
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Außenperspektive und Perspektivenwechsel Obwohl bei Erfahrungen früherer Leben eher die Ich-Perspektive vorzuherrschen scheint, so werden doch zahlreiche Erlebnisse berichtet, in denen eine Außenperspektive eingenommen wird oder ein Wechsel von der Ich-Perspektive zur Außenperspektive und umgekehrt stattfindet. Dies trifft auch auf eine Reihe bereits zitierter Schilderungen von Erfahrungen früherer Leben zu. Darunter sind auch solche, in denen die Erfahrungen früherer Leben korrekte historische Einzelheiten enthielten, die die Experiencer kaum auf normalem Wege gewusst haben konnten, wie vor allem im Fall von Pratomwan Inthanu. 211 Ich werde weitere Beispiele anführen, weil die Perspektive für die Frage bedeutsam ist, ob eine Erfahrung früherer Leben als Erinnerung im Sinne eines Wiedererlebens gelten kann. Zunächst drei von Stevenson untersuchte Fälle. Im ersten geht es um den wohlhabenden Engländer John East, der 1883 geboren wurde. 212 Er hatte mit 44 Jahren in zwei aufeinanderfolgenden Nächten zwei sehr realistische Träume, mit 67 Jahren folgte ein dritter Traum, der mit den beiden früheren zusammenhing. East deutete die Hauptfigur des Traumes, mit der er sich identifizierte, als einen englischen Offizier, der in Shredfield Hall in Staffordshire gewohnt und im ersten Burma-Krieg gekämpft habe. 213 Stevenson hält es für sehr unwahrscheinlich, dass John East das Wissen, das seine Erfahrungen früherer Leben enthielten, auf normalem Wege erwarb. 214 John East hatte anscheinend durchgehend eine Außenperspektive auf den Protagonisten seines Traumes. 215 Er habe die Hauptperson »immer von einer Position ein wenig hinter und etwas rechts« von ihr wahrgenommen, 216 gleichzeitig aber auch alles, was der Hauptperson durch den Kopf ging. Trotzdem empfand der Träumer John East, dass es zwei Bewusstseine gab, das des Offiziers und das des beobachten-
211
Siehe oben S. 113. John East soll ein Pseudonym für Henry Burton Tate (1883–1962) sein, den Enkel des Zuckerfabrikanten und Kunstmäzens Henry Tate (siehe Muller: Reincarnation, 93). 213 Siehe Stevenson: Reinkarnation in Europa, 301–309. 214 Siehe Stevenson: Reinkarnation in Europa, 319. 215 Siehe Stevenson: Reinkarnation in Europa, 311. 216 Siehe Stevenson: Reinkarnation in Europa, 304. 212
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Spontane Erfahrungen bei älteren Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen
den Träumers. 217 Erst beim Sterben des Offiziers schien der Träumer mit diesem zu verschmelzen. 218 Traude von Hutten, eine 1905 geborene Frau aus Dresden, nahm in ihren Träumen über ein früheres Leben in einer mittelalterlichen Burg zumindest manchmal die Außenperspektive ein: »Ich sehe mich, wie ich die Stufen hinunter eile, nach einem Schal greife und, so schnell ich kann, den Berg hinunter renne«. 219 An anderen Stellen deutet sich die Ich-Perspektive an: »Ich spüre, wie beim Gehen die Falten meines langen Kleides meine Beine berühren«; »Mein Blick ist auf den Reiterzug fixiert«. 220 Das dritte Beispiel aus Stevensons Sammlung ist einer der wenigen gelösten Fälle in der Gruppe der spontanen Erfahrungen früherer Leben bei älteren Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Der Experiencer ist Ruprecht Schulz, der am 19. Oktober 1887 in Berlin geboren wurde. Seine Eindrücke von einem früheren Leben führten auf die Spur von Helmut Kohler, der allerdings erst am 23. November 1887 in Wilhelmshaven starb, fünf Wochen nach der Geburt von Schulz. 221 Schulz bietet keine ausführlichen Erlebnisschilderungen, aber in einer seiner von Stevenson überlieferten Aussagen ist die Erlebnisperspektive erkennbar. Es ist offenkundig die Außenperspektive: »[S]chließlich […] konnte ich es wie direkt vor meinen Augen wahrnehmen und erkennen, wie ich damals aussah. Ich trug einen hohen Kragen und formelle Kleidung«. 222 Die Fallsammlung von Lenz enthält zahlreiche Berichte über Erfahrungen früherer Leben, in denen eine Außenperspektive oder ein Perspektivenwechsel beschrieben wird. Vier werde ich hier auszugsweise wiedergeben. Die erste Schilderung stammt von Mary, einer College-Dozentin auf Long Island. Sie lud ihre Kollegin Alice zu sich zum Lunch ein. Als wir in meiner Küche saßen, hatte ich eine Vision. Ich sah uns beide in einem anderen Raum sitzen. Ich nahm meine Küche nicht mehr wahr und wusste nicht einmal mehr, wer ich war. Ich war jemand anderes geworden, oder man könnte sagen, ich war es selbst in einer anderen Zeit. Meine
217 218 219 220 221 222
Siehe Stevenson: Reinkarnation in Europa, 304. Siehe Stevenson: Reinkarnation in Europa, 308. Stevenson: Reinkarnation in Europa, 324. Stevenson: Reinkarnation in Europa, 323. Siehe Stevenson: Reinkarnation in Europa, 360. Stevenson: Reinkarnation in Europa, 347.
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Freundin saß mir gegenüber. Wir trugen beide die Tracht katholischer Nonnen. 223
Manchmal erscheint die Erfahrung eines früheren Lebens wie die Betrachtung eines Films, in dem man selbst mitspielt, zum Beispiel in der Erfahrung von Pamela Cohen: Ich kann mich immer noch lebhaft an die Szenen aus meiner Erfahrung eines früheren Lebens erinnern. Ich sah Städte, Burgen und Bauernhöfe. […] Ich sah mich selbst als arme Bäuerin. […] Ich hatte das Gefühl, ein Stück über jemanden zu sehen, den ich nur vage kannte. Ich sah Hunderte von verschiedenen Szenen pro Minute. Es war wie bei einer verrückten Diashow, bei der die Dias so schnell gezeigt werden, dass man kaum noch mithalten kann. Trotzdem konnte ich jedes einzelne betrachten und komplett verstehen. 224
Ein Pilot aus Philadelphia berichtete Lenz, dass er eine Erfahrung eines früheren Lebens hatte, als er im zweiten Weltkrieg auf seiner Flucht über die Alpen bewusstlos wurde. In seiner Erfahrung befand er sich auf einem arabischen Marktplatz. Er sah einen alten Mann, der zu einer Reihe von Jungen sprach. Er schlüpfte dann in die Perspektive des alten Mannes und identifizierte sich mit ihm als seiner früheren Existenz: »Mit einem Mal fühlte ich, wie ich mich vorwärts bewegte und auf den Mann zuging. Es ging so schnell – ich stand neben ihm, und im nächsten Moment war ich er. Ich schaute die Jungen zu meinen Füßen an, ich sah sie aus der Sicht des alten Mannes. Ich war ein reicher Landbesitzer gewesen.« 225 Der Kurator eines Museums aus Boston erzählte Lenz von einer Erfahrung eines früheren Lebens, die er hatte, als er eines Abends mit zwei Freundinnen zuhause zusammensaß. Die Perspektive änderte sich während der Erfahrung: Ich schloss meine Augen und wurde in eine andere Zeit versetzt. Ich sah drei Indianer. Ein Indianer war eindeutig ein Häuptling. Er hatte einen wunderschönen Körper […]. Plötzlich betrachtete ich die ganze Szene aus einer anderen Perspektive. Ich sah, dass über dem Häuptling, sehr hoch in der Luft, ein Adler langsam in großen Kreisen über seinen Kopf flog. Ich hatte den Eindruck, dass ich mich über dem Adler am Himmel befand. Da erinnerte ich mich, dass ich der Häuptling gewesen war. 226 223 224 225 226
Lenz: Lifetimes, 31. Lenz: Lifetimes, 56. Siehe Lenz: Lifetimes, 119–121, Zitat 120. Siehe Lenz: Lifetimes, 133–134, Zitat 134. Siehe weitere Fälle einer Außenper-
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Spontane Erfahrungen bei älteren Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen
Der nächste Fall wird von der Buchautorin und Regressionstherapeutin, Carol Bowman, selbst erlebt und überliefert. Sie lag mit sechsunddreißig Jahren schwerkrank im Bett, als sie eine klare, realistische Vision eines hinfälligen Mannes ihres Alters hatte. Sie berichtet: »Er lag im Bett, in einem weißen [Nacht-]hemd, von vielen Kissen gestützt. Ich konnte ihn husten, nach Luft schnappen und Blut in ein Taschentuch spucken sehen und hören. […] Die Kraft dieser Bilder zog mich [in sie] hinein: Sie hatten eine Leuchtkraft und Vitalität, die sich von Tagträumen unterschied. Und ich wusste, dass ich nicht schlief«. Die Szene kam ihr zunehmend bekannt vor und mit einem schlagartigen Gefühl des Wiedererkennens wurde ihr klar, dass sie dieser Mann in einem früheren Leben gewesen war. Die Außenperspektive blieb jedoch bestehen. 227 Zum Abschluss dieses Abschnitts zwei länger zurückliegende Fälle. Der britische Offizier, Spiritualist und Anhänger des BahaiReligion, Wellesley Tudor-Pole, geriet beim Besuch des Amon-Tempels in Karnak in einen visionären Zustand und sah vor seinen Augen eine antike Prozession der Hohepriester des Amon Râ. »Besonders einer,« sagte er, »zog meine Aufmerksamkeit auf sich; er war blond mit blauen Augen und unterschied sich grundlegend von allen seinen Gefährten.« Diese Person kam dem Major bekannt vor. »Ich weiß nicht warum,« sagte er, »ich sah die Prozession um die zerbrochene Säule ziehen, auf der wir uns befanden: mein Blick wurde beständig zu dem Priester mit dem blonden Haar hingezogen. Als er vor mir stand, streckte er seine Arme in meine Richtung aus, und ich hatte den Eindruck, dass ich es selbst war. Ich war mir dessen sicher und verlor das Bewusstsein für das, was um mich herum war.« 228
Der Autor Karl Otto Schmidt berichtet von einem Sprachlehrer namens H. G. Scheffler, der eine Erfahrung eines früheren Lebens während des Yoga hatte. Wie Tudor-Pole nahm er die Außenperspektive auf sein früheres Leben ein. Der Zeitpunkt der Erfahrung wird nicht genau genannt, aus dem Kontext ergibt sich aber eine Zeit um 1920: Gemäß der Vorschriften des Yoga schritt ich nacheinander von einer zur anderen der vier Versenkungs-Exerzitien. Und eines Tages machte ich, in der Tiefe der 4. Versenkungsübung angelangt, […] die ungeheuerlichste spektive und eines Perspektivenwechsels bei Erfahrungen früherer Leben ebd. 56, 62– 64, 67–69, 75–77, 118, 132. 227 Siehe Bowman: Children’s past lives, 25. 228 Siehe Delanne: Reincarnation, 246.
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Erfahrung meines Lebens: In dem Augenblick, als ich, wie aus tiefer Bewußtlosigkeit erwachend, das Auge wieder aufschlug, hatte ich ein Bild vor Augen. […] Klar, deutlich, fast plastisch war dieses Bild: Ich sah einen Menschen, der sich als Gärtner im Schloß eines Parkes betätigte. Durch die Bäume des Bosketts im Hintergrunde des Parks leuchteten im FrühmorgenSonnenschein die Zinnen eines schottischen Schlosses. Auf der Hauptallee des Parkes näherte sich eilenden Schrittes ein anderer Mensch, der sich schon von weitem dem Gärtner durch den Zuruf »Hallo Duddley![«] bemerkbar machte. Es war der Butler des Schlosses. Als sich der also Angeredete umwandte und sein bisher abgewandtes Antlitz sichtbar wurde, da durchzuckte mich wie ein greller Blitz, wie eine plötzliche Erleuchtung das klare Wissen: »Das bin ja ich!«. Dieser Gärtner, dieser »Duddley« war ich! Und nun wußte ich auch plötzlich: Es war das Jahr 1587. Das Schloß, in dessen Park ich beschäftigt war, lag nordwestlich von Edinburgh. Der Butler, auf engste mit mir befreundet, teilte mir in hastigen Worten die Hinrichtung Maria Stuarts mit und knüpfte daran die Befürchtung von der möglicherweise zu erwartenden Gefangennahme des schottisches Barons, in dessen Diensten wir beide standen. Dann verschwamm das Bild allmählich, löste sich auf in einen welligen Dünenstrand, in dessen grauer Ferne ich den Butler und mich langsam verschwinden sah. 229
Scheffler ist der Überzeugung, dass es sich bei diesem Erlebnis nicht um Einbildung handelte, da er eine intersubjektive Bestätigung dafür fand. 1926 stieß er nämlich nach eigener Aussage in Berlin, Köpenickerstraße, Ecke Querstraße, mit einem fremden Mann zusammen, der ihm aber irgendwie bekannt vorkam. Dieser stellte sich als Dr. Thomas vor, der das Zusammentreffen ebenfalls als merkwürdig empfand und Scheffler im weiteren Verlauf der Begegnung von seinen früheren, in tiefer Kontemplation wahrgenommenen Existenzen erzählte: Besonders aus seiner Daseinsphase in Schottland, z. Zt. der großen Elisabeth und Maria Stuart wisse er, daß er dort als Haushofmeister eines schottischen Barons in der Nähe von Edinburgh gelebt habe. Er sei damals schon ebenso einsam gewesen wie heute. Nur einen Freund habe er gehabt: den Verwalter der großen Gartenanlagen jenes Schlosses, einen ebenfalls sehr zurückgezogen lebenden Menschen, der sich um nichts kümmerte, was draußen in der Welt vorging, und der sich immer von ihm über alle Neuigkeiten informieren ließ, so z. B. über das tragische Ende Maria Stuarts usw. Atemlos, mit wachsender Spannung hatte ich den Worten Dr. Thomas’ gelauscht. Mit keinem Wort hatte ich noch etwas von meinem gleichartigen
229
Schmidt: Wir leben nicht nur einmal, 263–264.
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Erleben gesprochen. Jetzt aber konnte ich nicht mehr an mich halten. Ich unterbrach ihn und stellte die Zwischenfrage: »Erinnern Sie sich vielleicht noch, wie Ihr damaliger Freund hieß?« Darauf er: »Oh ja, ganz genau sogar; er hieß JAMES DUDDLEY!« 230
Ein derartiges Zusammenpassen der Erfahrungen früherer Leben zweier Personen kann als starker Beweis für Realität von Reinkarnation empfunden werden. 231
Weitere Befunde Zu weiteren Merkmalen von Erfahrungen früherer Leben bei älteren Kindern und Erwachsenen gibt es meines Wissens kaum Forschungen. Nach meinem Eindruck ist die Kulturabhängigkeit geringer als bei kleinen Kindern, die spontan von früheren Leben sprechen. Die Zahl der erlebten früheren Leben erscheint hingegen deutlich höher. Oben habe ich den Bericht einer Frau zitiert, die in einer einzigen Meditation Erfahrungen von sechs oder sieben früheren Leben hatte. 232 Ein Amerikaner mit dem Pseudonym Will berichtete Karen Wehrstein, er habe spontane Erfahrungen von etwa dreißig früheren Leben gemacht. 233 William Buhlman hatte im außerkörperlichen Zustand anscheinend Erfahrungen zahlreicher früherer Leben. Von Siddharta Gautama wird gar gesagt, dass er sich in seiner legendären Versenkung unter dem Bodhi-Baum an Hunderttausende von Wiedergeburten erinnerte. 234 Eine Überschneidung der Leben kommt selbst bei den wenigen gelösten Fällen dieser Gruppe vor. Im Fall von Ruprecht Schulz starb die Person des früheren Lebens erst fünf Wochen nach der Geburt der Person des neuen Lebens. 235 Multiple Reinkarnationen von gelösten Fällen, bei denen Kryptomnesie ausgeschlossen werden könnte, sind mir in dieser Fallgruppe nicht be230 Schmidt: Wir leben nicht nur einmal, 266–267. Siehe auch weitere Fallberichte mit der Beschreibung der Außenperspektive: »Ich sah mich selbst mit zwei römischen Soldaten herankommen. Ich war in eine weiße Toga gehüllt« (ebd. 36); »Ich sah mich, wie ich in einem Duell mein Leben verlor« (Delanne: Reincarnation, 262). 231 Siehe Schmidt: Wir leben nicht nur einmal, 262. Siehe einen ähnlichen, nicht so markanten Fall in Lenz: Lifetimes, 31–32. 232 Siehe oben S. 113. 233 Siehe Wehrstein: An adult reincarnation case, 1. 234 Siehe Eliade & Lanczkowski: Quellentexte, 396. 235 Siehe oben S. 123.
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kannt. In Bezug auf berühmte Persönlichkeiten wird jedoch manchmal von mehreren Personen die Behauptung erhoben, diese Person gewesen zu sein. Rudolf Steiner, der selbst die Reinkarnation lehrte, litt erkennbar unter diesem Phänomen: »[A]ls sich jemand beklagte, Frau Z. hielte sich für die wiederverkörperte Maria Magdalena, antwortete er seufzend: ›Leider ist das fünfzigste Fall in meiner Erfahrung.‹« 236 Ich vermute, dass allerdings nicht immer Erfahrungen früherer Leben hinter derartigen Ansprüchen stehen.
Induzierte Erfahrungen früherer Leben bei Erwachsenen Einleitung Wohl mit Abstand am häufigsten treten Erfahrungen früherer Leben bei sogenannten hypnotischen Rückführungen auf. Sie werden in einem mehr oder weniger stark veränderten Bewusstseinszustand erlebt. 237 Dabei wird dem Experiencer in aller Regel explizit oder implizit suggeriert, dass er ein früheres Leben hatte. 238 Es ist wahrscheinlich, dass derartige Suggestionen Erfindungen des Unterbewusstseins auslösen. 239 Berichte über Erfahrungen früherer Leben bei hypnotischen Rückführungen enthalten oft nachweislich falsche Angaben über historische Ereignisse oder Sachverhalte. 240 In der Masse der hypnotischen Rückführungen scheint es jedoch einige Fälle zu geben, die auf ein ungewöhnliches Wissen über eine frühere Zeit schließen lassen. 241 In seltenen Fällen konnte die Person des früheren Lebens 236
Belyi: Verwandeln des Lebens, 98. Siehe Hassler: Indizienbeweise für ein Leben nach dem Tod und die Wiedergeburt, 2:193–195. Bei sehr tiefen Hypnosen treten möglicherweise keine Erfahrungen früherer Leben auf; die Versuchsperson spricht dann in Trance von einem früheren Leben, hat aber kein Bewusstsein von dem, was sie sagt. 238 Siehe Mills & Tucker: Past-life experiences, 305. 239 Siehe z. B. die Experimente in Pyun: Creating past-life identity; siehe auch Mills & Tucker: Past-life experiences, 306; siehe allgemein auch oben S. 58. 240 Siehe etwa die Beispiele in Stevenson: Case of the psychotherapist’s fallacy, und allgemein Mills & Tucker: Past-life experiences, 305–306. 241 Siehe den vielleicht detailreichsten Fall in Tarazi: An unusual case of hypnotic regression; siehe dazu auch Hassler: Indizienbeweise für ein Leben nach dem Tod und die Wiedergeburt, 2:279–298. 237
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ermittelt und Kryptomnesie oder andere gewöhnliche Quellen nach menschlichem Ermessen ausgeschlossen werden. 242 Das lässt es als gerechtfertigt erscheinen, Erfahrungen früherer Leben aus hypnotischen Rückführungen nicht von vorneherein aus der Betrachtung auszuschließen, obwohl die Fälle bisher anscheinend nur von den betroffenen Therapeuten oder Experiencern untersucht worden sind, nicht aber von unabhängigen Wissenschaftlern. 243 Es werden auch sogenannte hybride Fälle diskutiert, in denen spontane Erfahrungen früheres Leben anscheinend durch Erlebnisse unter hypnotischer Regression ergänzt wurden. Ein Beispiel ist der Fall von Jenny Cockell, die 1953 in Barnet in Hertfordshire geboren wurde und Erfahrungen früherer Leben in Bezug auf das Leben von Mary Sutton, geboren 1898 in Dublin, hatte. 244 Stevenson schreibt hingegen, er habe dreizehn Experimente durchgeführt oder angeregt, spontane Erfahrungen früherer Leben durch Rückführung unter Hypnose um weitere Details anzureichern. Nicht ein einziger dieser Versuche sei erfolgreich gewesen. 245
Ein Fall von Kryptomnesie Bei zutreffenden Angaben der rückgeführten Personen ist es oft schwierig, Kryptomnesie auszuschließen, da es sich in der Regel um Erwachsene handelt. Ein Beispiel dafür, dass in einer Rückführung vergessene Kindheitserlebnisse zutage treten können, überliefert Raymond Moody: 242 Hassler stellt acht solcher Fälle ausführlicher dar, siehe Hassler: Indizienbeweise für ein Leben nach dem Tod und die Wiedergeburt, 2:218–237, 263–278, 318–405. Bei diesen acht Fällen beruhen die Informationen allerdings nur in vieren ausschließlich auf Rückführungen, bei den anderen kommen auch Träume, Verhaltensweisen und andere Phänomene hinzu. Weitere achtzehn derartige Fälle beschreibt Hassler kurz oder erwähnt sie zumindest (siehe ebd.: Indizienbeweise für ein Leben nach dem Tod und die Wiedergeburt, 2:128, 134–138, 162–163, 175, 181–184, 354, 417, 651, 675– 676, 701). Matlock: Signs of reincarnation, 219–221, erwähnt fünfzehn gelöste vertrauenswürdige Fälle einer Rückführung in ein früheres Leben. 243 Siehe Hassler: Indizienbeweise für ein Leben nach dem Tod und die Wiedergeburt, 2:769.* 244 Siehe Cockell: Unsterbliche Erinnerung; zu ihren hypnotischen Rückführungen siehe ebd. 50–97. Hassler: Indizienbeweise für ein Leben nach dem Tod und die Wiedergeburt, 2:219–236; Gibbs: Tucker, Stevenson, Weiss and Life, 130–132. 245 Siehe Stevenson: Wiedergeburt, 73.
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Erfahrungen früherer Leben und ihre Begleitumstände und -erscheinungen
Ted war ein Psychologe in einer kleinen Stadt im Süden, der aus Neugierde eine hypnotische Regression versuchte. Er war überrascht, als er feststellte, dass die Ergebnisse eine sehr lebendige Rückkehr zu einem Leben als Indianer in einem alten südwestlichen Stamm waren: »Ich fand mich von Gebäuden aus Stein umgeben. Es waren keine anderen Menschen in der Nähe, aber die Gebäude sahen relativ neu und bewohnt aus. Ich konnte durch dieses Dorf laufen. Es gab Gebäude, von denen ich instinktiv wusste, dass sie religiöse Gebiete waren. Sie waren rund, mit einem abgesenkten Boden und Fenstern, die so platziert waren, dass das Licht majestätisch einfloss. Ich schaute mich in diesem Raum um und ging weiter. In einer Szene duckte ich mich durch eine Türöffnung und [kam] in einen Raum. Es war eine Wohnung. Es gab Wohnungen über uns und an den Seiten. Ich hatte das Gefühl, dass dies meine Wohnung war, dass ich hier lebte. In einer anderen Szene stand ich auf einem Erdhügel mitten in diesem Dorf. Ich betrachtete die Berge um mich herum, die grünen Hügel und die Täler, die sich in der hellen südwestlichen Landschaft ausdehnten. Ich fühlte mich sehr frei und so, als ob ich hierher gehöre.« [… D]ie Quelle seines ›vergangenen Lebens‹ wurde ihm durch Zufall offenbart. Eines Tages besuchte er seine Eltern, und seine Mutter überzeugte ihn, dass sie sich einige der alten Familienfilme ansehen sollten, die sie in einem Schrank gefunden hatte. Als die Familie sich hinsetzte, um sich die kratzigen 8-mm-Filme anzusehen, sah Ted zu seiner Überraschung seine Regression auf der Leinwand! Er hatte sich an einen Familienfilm erinnert, der in einer südlichen indianischen Ruine während einer Autoreise durch das Land aufgenommen worden war. »Es war alles da«, sagte er. »Der runde Raum, den sie für religiöse Zeremonien benutzten, die Wohnung, die fernen Berge, alles so, wie ich es gesehen habe.« 246
Multiperspektivität Protokolle von hypnotischen Rückführungen sind phänomenologisch meist unergiebig. Der Rückführende scheint eher an Aussagen über die Vergangenheit interessiert zu sein. 247 Manchmal kann man die Perspektive aus den Rückführungsprotokollen erschließen oder zumindest erahnen. Ein klarer Hinweis auf die Außenperspektive ist die Formulierung, dass man die Person des früheren Lebens sieht. Sandy Rovner zum Beispiel berichtete von ihrer Rückführung durch 246
Moody: Life before Life, 152–154. Siehe zum Beispiel die Protokolle in Bernstein: Fall Bridey Murphy; Brown: Reincarnation of James; Dethlefsen: Leben nach dem Leben; Dethlefsen: Erlebnis der Wiedergeburt; Goldberg: Search for Grace. 247
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Induzierte Erfahrungen bei Erwachsenen
Bruce Goldberg: »Ich sehe sie [die Person des früheren Lebens] vor einem klaren Wasserbecken in einer gewaltigen Höhle knien.« 248 Manchmal legt die Beschreibung der Person früheren Lebens die Außenperspektive nahe. Goldberg fragte eine Frau namens Jane während einer Rückführung, ob sie beschreiben könne, wie sie gerade aussehe, worauf diese antwortet: »Ich bin ein Mann. Ich kleide mich wie ein Eskimo. Ich trage Pelze. Ich habe schwarzes Haar, dunkle Augen. Mir fehlt ein Schneidezahn.« 249 In einer Umgebung, in der Spiegel fehlen, ist es kaum möglich, die Augenfarbe aus der Ich-Perspektive wahrzunehmen. 250 Auch die Erwähnung eines fehlenden Schneidezahnes deutet auf die Außenperspektive. Raymond Moody ist der einzige mir bekannte Autor, der der Erlebnisperspektive bei induzierten Erfahrungen früherer Leben größere Aufmerksamkeit geschenkt hat. Moody ist vor allem als Pionier der Erforschung von Nahtoderfahrungen hervorgetreten und hat sich ausführlich mit der Phänomenologie dieser Erfahrungen beschäftigt. In seinem Buch Life before Life berichtet er, dass er sich interessehalber einmal einer hypnotischen Rückführung in frühere Leben unterzogen und dabei Szenen aus neun verschiedenen Leben erlebt habe. Anscheinend hat er danach auch selbst Rückführungen bei anderen Personen durchgeführt. Für uns ist hier insbesondere seine Beschreibung der Multiperspektivität der Erlebnisse aufschlussreich, wie man sie ähnlich auch vom Lebensrückblick im Rahmen von Nahtoderfahrungen kennt. Moody stellt den Zusammenhang zu Nahtoderfahrungen in seinem Buch allerdings nicht explizit her. Es sei ein allgemeines Merkmal von Rückführungserlebnissen, schreibt Moody, dass sie aus verschiedenen Perspektiven, aus der »Außen- und Innenansicht« erlebt werden könnten, das heißt aus der Perspektive eines externen Beobachters, der selbst nicht zum Geschehen gehört, und aus der Ich-Perspektive eines Akteurs im Geschehen. 251 Der Wechsel der Perspektiven erfolgt oft unversehens: In der dritten Episode sah ich mich zunächst in der Außenperspektive. Ich war ein sehniger Greis mit blauen Augen und schlohweißem langem Haar, der sich trotz seines hohen Alters noch in seinem Gewerbe als Bootsbauer plagen mußte. Ich arbeitete in einer langgestreckten, an der einen – zu 248 249 250 251
Goldberg: Search for Grace, 13. Goldberg: Search for Grace, 24. Siehe einen ähnlichen Fall in Weiss: Die zahlreichen Leben der Seele, 118. Moody: Leben vor dem Leben, 67.
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Erfahrungen früherer Leben und ihre Begleitumstände und -erscheinungen
einem breiten Fluß hin gelegenen – Schmalseite offenen Halle. Langholz und mächtige Holzklötze in vielerlei Formen lagerten hier. An den Wänden und über den Boden verstreut waren die einfachen Gerätschaften und Werkzeuge des Bootsbauerhandwerkes zu sehen. […] Dann auf einmal – ohne daß für mich irgendein Grund zu erkennen gewesen wäre oder daß ich auch nur den geringsten Einfluß auf die Situation gehabt hätte – steckte ich in meinem Leib drin und betrachtete die Welt durch die Augen des alten Bootsbauers. 252
In einer anderen Rückführungsepisode erlebte er sich als Germane in einer Löwengrube in Rom: Für einen kurzen Moment sah ich mich selbst aus der Außenperspektive […] [I]ch fing an, mich gehetzt nach einer Fluchtmöglichkeit umzusehen. Mein Gesichtspunkt hatte jäh gewechselt, ich war unversehens in meinen Körper gerutscht und schaute jetzt aus der Innenperspektive nach draußen. 253
Moody berichtet Ähnliches von einer Frau, Angela, die sich in einer Rückführung als Gladiator empfand. Sie berichtet: »Ich sah an mir herab und stellte fest, daß ich eine schwere Rüstung trug. […] Dann sah [ich] mich aus der Außenperspektive, so wie wenn ich eine Fernsehsendung sähe.« 254 Eine Frau mit Namen Kerry berichtet ebenfalls von einem Perspektivenwechsel in ihrem Rückführungserlebnis: »Ich war ein Mann, ein Matrose, der vom Heck eines einlaufenden Frachtdampfers zurück aufs weite Meer hinausschaute. […] An Land konnte ich die Perspektive wechseln und mich von außen sehen.« 255 Die Überlagerung der Perspektiven kommt in Moodys Schilderungen eigener Erlebnisse freilich ebenfalls vor, zum Beispiel in einer Episode, in der er sich als Mammutjäger erlebte: »Die ganze Zeit über konnte ich das Geschehen nicht nur aus der Innensicht des Teilnehmers, sondern zugleich auch aus der Außensicht des Beobachters – etwa wie wenn ich im Kino säße – verfolgen. Diese Überlagerung der Perspektiven hatte anfangs etwas Verwirrendes.« 256 Als Moody in ein früheres Leben als chinesische Malerin eintauchte, erlebte er sogar die Perspektive der Leinwand: »In mehreren Szenen konnte ich mir beim Malen zusehen. Ein paarmal erlebte ich den Vorgang aus 252 253 254 255 256
Moody: Leben vor dem Leben, 33, 47. Moody: Leben vor dem Leben, 38–39. Moody: Leben vor dem Leben, 113. Moody: Leben vor dem Leben, 131. Moody: Leben vor dem Leben, 35–36.
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Induzierte Erfahrungen bei Erwachsenen
der Perspektive der Leinwand. Ich nahm die Aufeinanderfolge meiner Pinselstriche wahr und merkte, wie jeder von ihnen den Sinn des entstehenden Bildes miterzeugte.« 257 Ein Regressand, von dessen Erlebnis Moody berichtet, konnte nach Belieben die Perspektive wechseln: Ich sah einen Mann auf der Straße gehen, in so einer Art Blouson und Kniebundhose, wie das in der Renaissance Mode war. Ich stellte fest, daß ich alles, was vorging, einmal von oben und dann wieder aus der Perspektive dieses Mannes beobachten konnte. Ich konnte ganz nach Belieben die Perspektive wechseln, beinahe so, wie die im Fernsehen zwischen den Kameras hin und her schalten, um den Blickwinkel zu verändern. 258
Willkürlichen Perspektivenwechsel und simultane Multiperspektivität beschreibt auch Carol Bowman. Bei einer Rückführung hatte sie die Erfahrung eines früheren Lebens, in der sie sich mit einem Mann identifizierte. Zunächst war es anscheinend eher wie das Anschauen eines Films, aber dann nahm sie die Szenen aus der Perspektive dieses Mannes wahr: Ich konnte durch die Augen dieses Mannes »sehen«, ich konnte durch seine Ohren »hören«, ich konnte fühlen, wie die Liebe sein Herz anschwellen ließ, und ich wusste, was er dachte. Noch erstaunlicher war, dass ich meine Perspektive mühelos von der eines Beobachters in den Körper der Figur, die ich sah, verlagern oder an beiden Orten gleichzeitig sein konnte. Ich konnte aus meinem Körper herausspringen und mich aus jedem Winkel des Raumes beobachten. In diesem veränderten Zustand besaß ich eine surreale Allwissenheit. Ich hatte Zugang zu allem, was dieser Mann wusste, verstand und erinnerte. Zusätzlich verfügte ich über einen größeren Überblick, ein Verständnis für die Muster in seinem Leben, das über das hinausging, was selbst er wusste. 259
Auch wenn Beschreibungen der Erlebnisperspektive von Rückführungen selten sind, kommt selbst bei den besten Fällen – also solchen, bei denen die Person des früheren Lebens identifiziert werden und ein Vorwissen des Experiencers nach menschlichem Ermessen ausgeschlossen werden konnte – die Außenperspektive vor. Robert Snow konnte die Hauptperson des in Rückführung erlebten früheren Lebens zweifelsfrei als den ihm unbekannten Maler J. Carroll
257 258 259
Moody: Leben vor dem Leben, 43–44 (Übers. bearbeitet vom Verf.). Moody: Leben vor dem Leben, 67. Bowman: Children’s past lives, 33.
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Erfahrungen früherer Leben und ihre Begleitumstände und -erscheinungen
Beckwith (1852–1917) identifizieren. 260 Snow schrieb, er sei während seiner Erfahrung teils über Beckwith geschwebt, teils habe er sich in dessen Körper befunden. 261 Bei Bruce Kelly, der anscheinend Szenen aus dem Leben des ihm unbekannten U-Boot-Soldaten James Johnston (1921–1942) erlebte und ungewöhnliche Kenntnisse über dessen Leben und Sterben zeigte, konnte der Rückführungstherapeut anscheinend die Außenperspektive durch seine Anweisungen hervorrufen. 262
Vielzahl der Leben Ein auffallendes Merkmal von induzierten Erfahrungen früherer Leben ist die zum Teil sehr beträchtliche Anzahl früherer Leben. Moody erlebte in einer einzigen Rückführung neun Vorleben. 263 Brian Weiss schreibt, in den Sitzungen mit einer Frau namens Catherine seien Fragmente von zehn bis zwölf früheren Leben zutage getreten; Catherine selbst habe in Trance die Gesamtzahl ihrer (vermutlich menschlichen) Leben auf der Erde mit 86 angegeben. 264 Bruce Goldberg behauptete gegenüber Dieter Hassler, eine junge, von ihm Ivy genannte Pharmazeutin in 64 Leben zurückgeführt zu haben. 265 Derart zahlreiche Vorleben machen Überschneidungen wahrscheinlich. Goldberg schildert denn auch ausführlich zwei sich überschneidende Vorleben von Ivy, eines als die Pariser Prostituierte Monique, die von 1780 bis zu ihrer Ermordung durch ihren Geliebten und Zuhälter 1798 lebte, und ein anderes als Sophia, eine polnische Pianistin, die 1782 geboren und 1807 durch ihren Freund, einen Straßenmusikanten, ermordet wurde. 266 Ivys Erfahrungen dieser sich überschneidenden Vorleben schien sich nicht von ihren anderen Rückführungserfahrungen zu unterscheiden. Goldberg sieht in dieser Gleichzeitigkeit der 260 Siehe zu diesem Fall Hassler: Indizienbeweise für ein Leben nach dem Tod und die Wiedergeburt, 2:327–337. Nach Hassler kann Kryptomnesie im Fall Snow ausgeschlossen werden (siehe ebd. 332–334, 337). 261 Siehe Snow: Als ich Carroll Beckwith war, 61–62. 262 Siehe Brown: Reincarnation of James, 116–117. 263 Siehe Moody: Leben vor dem Leben, 23–52. 264 Siehe Weiss: Die zahlreichen Leben der Seele, 192. 265 Siehe Hassler: Indizienbeweise für ein Leben nach dem Tod und die Wiedergeburt, 2:263. 266 Siehe Goldberg: Search for Grace, 100–118, 27–39, dazu auch Hassler: Indizienbeweise für ein Leben nach dem Tod und die Wiedergeburt, 2:266–267.
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Induzierte Erfahrungen bei Erwachsenen
Leben kein Problem. Da »alle Zeit letztlich gleichzeitig sei«, könne sich auch eine Seele mit zwei Körpern gleichzeitig verbinden. 267
Zwei Personen in einer einzigen Rückführungsepisode verkörpern In einem Fall Goldbergs, den Hassler »für den relativ besten Fall von Rückführungen hält, für den sich Reinkarnation als die am meisten überzeugende Erklärung anbietet«, 268 wird ein merkwürdiges Phänomen geschildert. Die schon erwähnte Ivy sprach in verschiedenen Rückführungen von einem Leben als Grace Doze aus Buffalo, die am 17. Mai 1927 von ihrem Geliebten ermordet wurde. Diese und zahlreiche andere Aussagen von Ivy über Grace Doze konnten anscheinend bestätigt werden. Ivy und ihr Therapeut Goldberg scheinen kein Vorwissen über Grace Doze besessen zu haben. In den betreffenden Rückführungen spricht Ivy in der Rolle der Grace Doze. Als es auf ihre Ermordung zugeht, spricht sie jedoch Dialoge gleichzeitig als Grace Doze und mit tieferer Stimme und anderem Gesichtsausdruck als ihr Geliebter und zukünftiger Mörder Jake. 269 In diesem Rückführungsabschnitt repräsentierte Ivy also beide Figuren. Goldberg und auch Hassler lassen dieses Phänomen unkommentiert.
Begleiterscheinungen und weitere Merkmale Unter den gelösten Fällen, die offensichtlich nicht durch Kryptomnesie zu erklären ist, sind einige, bei denen Begleiterscheinungen mit einem möglichen Bezug zu einem früheren Leben vorkamen. Bruce Kelly berichtete lang anhaltende Phobien und körperliche Beschwerden, die mit dem Protagonisten von Kellys Erfahrungen früherer Leben, James Johnston, in Verbindung gebracht werden können und die nach der Rückführungstherapie anscheinend verschwunden waren. 270 Ivy hatte nach Goldberg Erstickungsängste, Angst vor Rollkragen267 Goldberg: Search for Grace, 134, 99; siehe auch Hassler: Indizienbeweise für ein Leben nach dem Tod und die Wiedergeburt, 2:266–268. 268 Hassler: Indizienbeweise für ein Leben nach dem Tod und die Wiedergeburt, 2: 278. 269 Siehe Goldberg: Search for Grace, 181–183. 270 Siehe Brown: Reincarnation of James, 27–28, 38, 185, 211–212; Hassler: Indizienbeweise für ein Leben nach dem Tod und die Wiedergeburt, 2:318–319, 321, 325–326.
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Erfahrungen früherer Leben und ihre Begleitumstände und -erscheinungen
pullovern und konnte Berührungen am Hals nicht ertragen. Nach den Rückführungen in das Leben der erwürgten Grace Doze seien diese Symptome verschwunden. 271 Bei einem anderen gelösten Fall, nämlich dem von Robert Snow, fehlen Begleitphänomene anscheinend völlig. 272 Zu den Merkmalen von Rückführungserlebnissen, die Moody nennt, zählt neben der Multiperspektivität auch die Bekanntheit, die das Erlebte ausstrahle. Der Intensitätsgrad könne dabei »von einer vagen Reminiszenz bis zum Eindruck von jähem prägnantem Sicherinnern an Vorgänge, die man scheinbar längst vergessen hatte«, reichen. 273 Weiter seien Rückführungserlebnisse gewöhnlich visueller Natur und führten ein Eigenleben, der Regressand identifiziere sich mit einer einzelnen Person und die affektive Komponente des Vorlebens werde in der Rückführung miterlebt. Moody führt ferner an, dass das Erlebnis häufig die aktuelle Problemsituation des Rückgeführten widerspiegele, dass Rückführungen das seelische Befinden bessern und sich auch auf den körperlichen Gesundheitszustand auswirken könnten, dass die Reihenfolge der Rückführungserlebnisse nicht von der Chronologie, sondern von der Logik bestimmt werde, und dass Rückführungen Übungssache seien und größtenteils auf Profanniveau spielten. 274
Mutmaßliche Erfahrungen früherer Leben bei Tieren Einleitung Die Grenzen zwischen Menschen und (nichtmenschlichen) Tieren verschwimmen durch neuere Erkenntnisse der Verhaltensforschung. Ansatzweise werden Tieren die allermeisten kognitiven Fähigkeiten des Menschen zugeschrieben, Empfindungen und Gefühle ohnehin. So erscheint die Frage nicht völlig abwegig, ob sie auch Erfahrungen 271 Siehe Goldberg: Search for Grace, 157, 184; Hassler: Indizienbeweise für ein Leben nach dem Tod und die Wiedergeburt, 2:269, 272. 272 Siehe Hassler: Indizienbeweise für ein Leben nach dem Tod und die Wiedergeburt, 2:238–262, 299–317, 327–337. 273 Moody: Leben vor dem Leben, 63. 274 Siehe Moody: Leben vor dem Leben, 61–77.
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Mutmaßliche Erfahrungen bei Tieren
früherer Leben machen. Nichtmenschliche Tiere kann man kaum nach Erfahrungen früherer Leben befragen. Manchmal jedoch scheinen sie sich zu verhalten, als verfügten sie über solche Erfahrungen oder hätten zumindest Anteil am Wissen eines verstorbenen Wesens, zum Beispiel am Wissen über Örtlichkeiten, die die Person des früheren Lebens gekannt hat.
Tuff June Alexander berichtete Peter und Elizabeth Fenwick von einem auffälligen Verhalten eines jungen Springer Spaniels, das an das Verhalten kleiner Kinder, die von früheren Leben sprechen, erinnert: Einer meiner Hunde – ein Springerspaniel namens Ruff, der im März 1988 im Alter von sechzehn Jahren starb – reiste immer mit mir im Auto, schlief an meinem Bett und wir hingen sehr aneinander. In der Stunde, in der er starb, wurden Tuff und Rufus geboren, zwei leberbraun-weiße Spaniel mit neun schwarz-weißen Geschwistern von schwarz-weißen Eltern. Tuff kam zu mir, als er etwa vierzehn Wochen alt war. Ich nahm ihn mit im Auto zu einem Wohnheim. Ruff hatte es sein ganzes Leben lang wöchentlich besucht. Er pflegte dort die alten Damen zu begrüßen und dann oben in das Wohnzimmer der Oberschwester zu gehen, wo ich Tee trank und Ruff einen Schokoladenkeks bekam. Nachdem ich die Bewohnerinnen begrüßt hatte, bemerkte ich zu meinem Erstaunen, wie dieser Welpe nach oben kletterte und den Flur entlang zum Wohnzimmer der Oberschwester ging. Dann kratzte er am Schrank, wo die Schokoladenkekse aufbewahrt wurden! Zwei Wochen später besuchten wir meine Mutter, die in einer Anlage von 72 Wohnungen in Blundellsands bei Liverpool wohnte. Der Welpe sprang aus dem Auto und rannte zum richtigen Haus, hinauf in den ersten Stock und in die richtige Wohnung. Mehr noch, Ruff suchte immer einen Spiegel im Esszimmer auf, der bis zum Boden reichte. Er genoss es immer, sich dort hinzusetzen und über sich selbst zu ›lachen‹. Zu meinem Erstaunen saß dieser Welpe, als ich in die Wohnung ging, am Spiegel und mit geschürzten Lippen, ›lachend‹. Ich habe keine Erklärung dafür. 275
Als Tuff älter wurde, habe er sich wie alle die eigensinnigen Springer Spaniel verhalten. So wie es bei Kindern zu geschehen scheine, so schienen auch Tuffs (mutmaßliche) Erinnerungen zu verblassen, sagte Alexander. 276 Wie in vielen menschlichen Fällen überschneidet sich 275 276
Fenwick & Fenwick: Past lives, 63–64. Fenwick & Fenwick: Past lives, 64.
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Erfahrungen früherer Leben und ihre Begleitumstände und -erscheinungen
allerdings auch hier das jetzige und das frühere Leben: Die Person des mutmaßlichen früheren Lebens, Ruff, starb erst, als Tuff geboren wurde.
Cisco Die Tierkommunikatorin Marta Williams berichtet den folgenden Fall: Eine Frau namens Jeanne Owen suchte ein neues Pferd. Auf eine Anzeige hin schaute sie sich den Wallach Cisco an, der ihr allerdings sehr verängstigt und potenziell aggressiv schien, weshalb sie vom Kauf Abstand nehmen wollte. Da hörte sie eine Stimme sagen: »Du verstehst nicht: Ich bin Danny.« Danny hieß ein vielgeliebtes WelshPony aus ihrer Kinderzeit. Sie unternahm einen längeren Proberitt, auf dem Cisco und sie sehr gut harmonierten, und kaufte ihn. Aber sie rätselte immer noch über diese Stimme, die sagte, sie sei Danny: 277 Ein paar Wochen, nachdem sie ihn nach Hause gebracht hatte, saß sie an einem Picknicktisch. Cisco graste nicht angebunden in der Nähe. Sie drehte sich zu ihm um und sagte: »Also, du bist wirklich Danny, oder was?« Cisco hob den Kopf, hörte auf zu grasen und ging zum Picknicktisch. Er stand genau am Ende des Tisches und stieß sie mit seiner Nase weg. Er stellte beide Vorderfüße auf den Tisch, als ob er darauf steigen würde. Dann senkte er seine Nase auf den Tisch und wartete darauf, dass Jeanne reagierte. Sie lachte und weinte gleichzeitig, als sie den Trick erkannte: Sie und ihr Bruder hatten Danny gelehrt, seine Vorderfüße auf ein Geländer zu stellen, das ihr Vater gebaut hatte, um ihren Hof von der Einfahrt zu trennen. Mit den Füßen auf dem Geländer lehrten sie Danny dann, seinen Kopf zwischen seinen Füßen zu senken, um sich zu verbeugen. Hier war dieses großartige Pferd, das Jeanne sagte: »Okay, hier ist der Beweis. Erinnerst du dich daran?« 278
Owen meint, Ciscos Verhalten zeige, dass er sich an die früheren gemeinsamen Zeiten erinnere, als sie ein dreijähriges Mädchen war. Sie ist überzeugt, dass er der wiedergeborene Danny sei.
277 278
Siehe Williams: Beyond words, 133–136. Williams: Beyond words, 135–136.
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Rückschau und Déjà-vu
Rückschau und Déjà-vu Rückschau Ich möchte kurz zwei andere Erfahrungsformen besprechen, Rückschau und Déjà-vu, die ebenfalls zur Überzeugung führen können, früher schon einmal gelebt zu haben. Sie ähneln Erfahrungen früherer Leben und können auch in sie übergehen, sind aber meistens davon zu unterscheiden. Unter Rückschau verstehe ich hier ein visionäres Erleben vergangener Geschehnisse oder Szenen. 279 Annie Besant und Charles Leadbeater unterscheiden zwei Varianten der Rückschau: Bei der ersten erlebe man die vergangene Szene als Beobachter, bei der anderen würde man sich mit dem Bewusstsein einer der Personen der vergangenen Szene identifizieren. 280 Jedoch scheint letzteres nicht ohne weiteres mit dem Gefühl verbunden zu sein, dass man diese Person einmal war. Hier werde ich nur die erste Art von Rückschau vorstellen. 281 Der Parapsychologe Wilhelm Tenhaeff berichtet solche Fälle von Rückschau aus seiner Forschung: Als einmal eine meiner paragnostischen Versuchspersonen im Zuge einer Konsultation für Polizeizwecke die Einrichtung eines Sommerhäuschens schilderte, zeigte sich bei der Nachprüfung, daß ihre Angaben mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmten. Eine nähere Untersuchung ergab jedoch, daß die Beschreibung des Paragnosten dem Inneren des Häuschens entsprach, wie es etwa vor zehn Jahren ausgesehen hatte. Anläßlich einer anderen polizeilichen Untersuchung befand sich dieser Paragnost in einem Schulgebäude in Den Haag. Plötzlich war ihm zumute, als ob er in die Vergangenheit versetzt würde, und er gab eine genaue Beschreibung eines altmodischen Sägewerks. Obwohl diese Angaben für die Zwecke, für die man die Hilfe des Paragnosten angefordert hatte, wertlos waren, entschloß sich 279 Ähnlich Emil Mattiesen, der unter Rückschau ein »rückschauendes Gesicht«, also ein primär visuelles Erleben verstand (siehe Mattiesen: Der jenseitige Mensch, 423; siehe ebd. 420–427 mehrere Beispiele). Gustav Pagenstecher spricht von einem »Hellsehen in die Vergangenheit« (siehe Pagenstecher: Geheimnisse der Psychometrie oder Hellsehen in die Vergangenheit). Der von Frederic W. H. Myers geprägte Ausdruck ›Retrokognition‹ (retrocognition) ist in seiner aktuellen Bedeutung nicht für unsere Zwecke brauchbar, weil er kein Erleben, sondern eine in die Vergangenheit gerichtete außersinnliche Wahrnehmung (ASW), also einen paranormalen Informationserwerb bezeichnet (siehe Parapsychological Assocation: Glossary; zu ASW siehe unten S. 195). 280 Siehe Besant & Leadbeater: Man, 346–348. 281 Zur zweiten Art von Rückschau siehe unten S. 171.
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Erfahrungen früherer Leben und ihre Begleitumstände und -erscheinungen
einer der Anwesenden, die Richtigkeit der Schau zu prüfen. Da zeigte es sich, daß, noch ehe der damals etwa fünfundreißig Jahre alte Paragnost geboren war, an Stelle des Schulgebäudes dort ein Sägewerk gestanden hatte. 282
Derartige Erfahrungen, so Tenhaeff, könnten die Betroffenen zum Glauben an Reinkarnation veranlassen: 283 Das war zum Beispiel bei Dr. X der Fall. Er hatte eine Stadt in Süddeutschland aufgesucht, wo er früher nie gewesen war und über deren Geschichte er auch nie etwas gelesen hatte. Trotzdem hatte er den lebhaften Eindruck, daß an der Stelle, wo sich das Hotel befand, früher einmal ein Kloster gestanden haben müßte. Er konnte sich des Eindruckes nicht erwehren, in einem früheren Leben Insasse des Klosters gewesen zu sein. Auf diesen ›Eindruck‹ hin folgte ein nicht weniger lebenswahrer Traum, worin er bis in einzelne gehende Bilder aus dem Kloster schaute. Später ermittelte er, daß sich früher einmal dort wirklich ein Kloster befunden hatte und daß seine ›Visionen‹ darüber richtig waren.
Tenhaeff meint dazu jedoch kritisch, dass ihn der Fall des Dr. X nicht dazu bewege, an Reinkarnation zu denken, weil er sich nur durch den Zeitabstand der in der Rückschau erlebten Szene vom ersten Fall unterscheide, bei dem Reinkarnation wegen des Alters des Experiencers nicht in Betracht käme. Die isländische Visionärin Erla Stefánsdóttir berichtet, dass ihr Erleben mitunter unversehens in eine vergangene Zeit gleite. Für sie ist dies weniger ein Beweis für Reinkarnation als ein Anlass, an der Realität der Zeit zu zweifeln. Die Rückschau wird durch die Anwesenheit an einem bestimmten Ort ausgelöst. Das erste Erlebnis bezieht sich eine Schlacht auf Island vor vielen hundert Jahren: Wir wollten damals einen Ausflug machen, die ganze Familie, ausgerüstet mit Zelt, Gaskocher und Schlafsäcken. Im Westland [von Island] fanden wir auch bald einen guten Platz für uns, und dort bauten wir die Zelte auf. Die Kinder redeten dann davon, daß wir hier gar nicht allein wären: Es gab so viele Pferde, auch waren Rufe und Geschrei von irgendwelchen Leuten zu hören. […] Nach einigen Spielen und dem Aufwasch wollten wir uns zum Schlafen hinlegen. Doch da war plötzlich alles ganz anders geworden: völlig ungewohnter Lärm, Schwerterklirren, Schreie und Stöhnen war zu hören. Ich spähte dem Zelt hinaus und traute meinen Augen nicht: Wir waren mitten im Kampfgetümmel. Und damit war unser Ausflug zu Ende, wir 282 283
Tenhaeff: Hellsehen und Telepathie, 146. Siehe Tenhaeff: Hellsehen und Telepathie, 147.
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Rückschau und Déjà-vu
packten schnell unsere Sachen zusammen und fuhren in die Stadt zurück. Später stellte sich heraus, daß wir uns auf das Gebiet und in das Jahrhundert der Sturlungar-Kämpfe – das war etwa um 1200 – verirrt hatten. So ist das mit dem Hellsehen, man kann sich leicht in der Zeit irren. – Oder gibt es überhaupt eine Zeit? 284
Im nächsten Beispiel von Stefánsdóttir geht es um das Leben in einem vergangenen Indianerdorf und um seine Zerstörung: An Ostern 2007 fuhren wir, meine Tochter Uta, ihre Kinder und ich, zu Stefán, meinem Sohn, nach New Jersey in den USA. – […] Sarah, meine Schwiegertochter [wollte] mir einen Ort zeigen, an dem besonders hochgewachsene Bäume stehen. […] Wir kamen bald in diesen Wald [… und hielten] an einem großen, baumlosen Platz an. […] Und auf einmal sah ich eine große Zeltstadt, in der viele Menschen waren, in völlig anderer Kleidung, mit anderer Hautfarbe, Kinder, Frauen und Männer, jung und alt. Viele saßen da und schnitzten, manche rührten in Töpfen, andere woben oder schienen Wolle zu filzen. Ich versuchte energisch, diese Visionen zu vertreiben. Ich stand auf und folgte den beiden Jungen meines Sohnes einen Hang hinunter, da unten war ein Fluß. Dort standen Frauen, die Wäsche wuschen, Kinder spielten in ihrer Nähe, und ich überlegte, ob meine Enkelkinder wohl auch in die Zeit zurücksehen könnten? Da rief Ymir: »Seht mal!« – Und im gleichen Augenblick sah ich viele Pferde und Reiter mit Gewehren bewaffnet; sie begannen auf die Frauen und Kinder zu schießen, die versuchten zu fliehen, und ich rief meinen Kindern zu: Oh kommt! Kommt schnell, hier können wir doch nicht bleiben! Ich konnte nichts tun, als zum Auto zurückzugehen. ich weinte und zitterte und sagte meinem Sohn, daß wir hier nicht bleiben könnten, es sei ja ganz schrecklich. Die Reiter schossen auf die Menschen, viele fielen, andere versuchten zu fliehen, und die Zelte der Indianer wurden angezündet. [… Später sagte mir Sarahs Vater:] »Dort war […] einmal ein großes Indianerdorf. Die meisten Menschen wurden damals umgebracht. Mein Gott, ich schäme mich, daß ich zur weißen Rasse gehöre!« 285
Wie Stefánsdóttir schreibt, hatten ihre spontanen Rückschauen für sie auch praktische Probleme im Gefolge: In der Zeit, in der ich den Führerschein machte, geschahen ganz seltsame Dinge. Wenn ich z. B. in der Nähe des alten Friedhofs unterwegs war – besonders auf der Suðurgata – mußte ich oft das Auto anhalten, weil ich mich plötzlich auf einer Wiese mit Kühen und Menschen wiederfand, die
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Stefánsdóttir: Erlas Elfengeschichten, 86–87. Stefánsdóttir: Erlas Elfengeschichten, 92–95.
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Erfahrungen früherer Leben und ihre Begleitumstände und -erscheinungen
Heu machten, mitten im Friedhof. Nach kurzer Zeit konnte ich dann – wieder in der Gegenwart – weiterfahren. 286
Déjà-vu Bei einem Déjà-vu erlebt man kein vergangenes Geschehen, sondern hat bei einer gegenwärtigen Szene das Gefühl, dass man sie schon einmal genauso gesehen und erlebt hat, obwohl sie im aktuellen Leben anscheinend noch nicht vorgekommen ist. 287 Im Unterschied zu spontanen Erfahrungen früherer Leben sind spontane Déjà-vuErlebnisse sehr verbreitet. In Umfragen geben im Durchschnitt etwa zwei Drittel der Befragten an, bereits einmal ein solches Erlebnis gehabt zu haben. 288 Ein Déjà-vu wird nicht selten in Zusammenhang mit Reinkarnation gebracht, wie in den beiden folgenden, häufig zitierten Fällen. Charles Dickens schreibt in seinen Pictures from Italy: Als ich gegen Sonnenuntergang allein weiterging, während die Pferde rasteten, erreichte ich einen kleinen Ort. Infolge einer jener seltsamen Auswirkungen des Geistes, die wir alle kennen, schien er mir völlig bekannt, und ich sehe ihn jetzt noch deutlich vor mir. Es war dort nichts Besonderes los. […] Wäre ich hier in einem früheren Leben ermordet worden, ich hätte mich der Örtlichkeit nicht besser oder mit tieferer Bewegung erinnern können. 289
Bei Dickens wird das Déjà-vu-Erlebnis auf Reisen eine fremde Gegend ausgelöst, wie auch bei Lamartine, der in Voyage en Orient notiert: Ausgenommen die Thäler des Libanon, die Ruinen von Baalbek, die Gestade am Bosporus in Konstantinopel, und die erste Aussicht auf Damaskus von der Höhe des Antilibanon, habe ich beinahe nie einen Ort und einen Gegen-
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Stefánsdóttir: Lífssýn mín, 22. Oft wird Déjà-vu als Illusion definiert, wie etwa vom Duden: »Erinnerungstäuschung, bei der der Eindruck entsteht, gegenwärtig Erlebtes in gleicher Weise schon einmal erlebt zu haben« (Duden: Eintrag »Déjà-vu«). Ähnlich der Brockhaus: »Erinnerungsverfälschung mit einem Gefühl der Vertrautheit; man glaubt, einen Ort oder eine Situation identisch schon früher gesehen oder erlebt zu haben« (Brockhaus: Déjà-vu-Erlebnis). Ein Überblick über die zahlreichen wissenschaftlichen Definitionen von Déjà-vu-Erfahrung findet sich in Brown: Déjà vu experience, 9–17. 288 Siehe Brown: Déjà vu experience, 33. 289 Dickens: Pictures, 101–102 (Übers. Tenhaeff: Hellsehen, 125). 287
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Rückschau und Déjà-vu
stand getroffen, dessen erster Anblick mir nicht wie eine Erinnerung war! Haben wir zweimal, oder tausendmal gelebt? 290
Der schottische Schriftsteller und Politiker John Buchan deutet seine Déjà-vu-Erlebnisse noch entschiedener als Erinnerungen an frühere Leben: »Ich finde mich selbst in einer Szene, welche ich nicht vorher besucht haben konnte und welche mir doch vollkommen vertraut ist. Ich weiß, dass es die Bühne für eine Handlung war, an welcher ich einst teilnahm und nun im Begriff bin, erneut daran teilzunehmen.« 291 Im Folgenden ausführlichen, von Rogo überlieferten Bericht geht ein Déjà-vu-Erlebnis in eine mutmaßliche Erinnerung an ein früheres Leben über, die allerdings eher ein mögliches Wissen als ein Wiedererleben zu sein scheint: Wir fuhren den New Jersey Turnpike hinunter, und ich fühlte mich sehr seltsam, die ganze Landschaft war mir sehr vertraut … Ich wandte mich an Joanne und sagte: »Weißt du, ich war noch nie hier, aber ich glaube, etwa eine Meile weiter die Straße entlang ist ein Haus, in dem ich früher gelebt habe.« Als wir den Turnpike hinunterfuhren (Richtung Norden), war alles vertraut … die älteren Häuser. Ich begann zu beschreiben, was wir sehen würden, bevor wir es sahen. Etwa drei Meilen oder so verstrichen, und ich sagte meiner Freundin, dass wir hinter der Kurve zu einer kleiner Stadt kommen würden, die sehr nah am Turnpike liege. Ich erzählte ihr, dass dort weiße Holzrahmenhäuser seien, zweistöckig, ziemlich dicht beieinander … und dass ich das Gefühl hatte, dort gelebt zu haben, als ich etwa sechs Jahre alt war, und dass ich oft mit meiner »Oma« auf der Veranda saß. Die Erinnerungen übermannten mich, und ich konnte mich daran erinnern, dass ich auf der Hollywoodschaukel auf der Veranda saß, und meine Großmutter meine hohen Schuhe zuknöpfte. Ich konnte es nicht selbst tun. Als wir in der Stadt ankamen, erkannte ich das Haus sofort, nur die Veranda-Schaukel war nicht da … aber zu der Zeit, als ich dort mit meiner Oma lebte, gab es auch Weidenmöbel auf der Veranda mit grünen Stoffkissen. Ich erzählte meiner Freundin, dass ich mich daran erinnerte, dort gesessen zu haben, und dass meine Oma mit mir über zwei Querstraßen hinweg zu einer Drogerie zu gehen pflegte. Es gab [dort] eine hohe Marmortheke, weiß, und wir besorgten uns Limonade aus der Drogerie, und ich liebte es, dahin zu gehen. Als wir die kleine Straße hinunterfuhren, brachte ich sie zur Drogerie, oder wo sie früher war. Sie war noch da, oder besser gesagt, das Gebäude war
290
Lamartine: Reise, 2:133. Buchan: Memory hold-the-door, 122 (Übers. Stevenson: Reinkarnation in Europa, 379). 291
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Erfahrungen früherer Leben und ihre Begleitumstände und -erscheinungen
noch da, so wie es früher aussah, aber es war mit Brettern zugenagelt, und wir konnten nicht hineinschauen. Als wir dort standen, »wusste« ich, dass ich starb, als ich etwa sechs oder sieben Jahre alt war … und ich versuchte Joanne dazu zu bewegen, sie zum Friedhof zu leiten, wo ›ich‹ begraben war, aber sie hatte solche Angst, dass sie nicht [dahin] fahren wollte. Als wir die Stadt verließen, sagte ich zu ihr: »Nach etwa drei Querstraßen gibt es einen kleinen sanften Hügel, und da ist der Friedhof, und dort haben sie mich begraben«. Es traf zu … der Friedhof war dort und so wie ich ihn beschrieben hatte. Wir gelangten wieder auf den Turnpike und fuhren weiter nach Paterson … und ich weiß immer noch, dass ich einmal, in den frühen 1900ern, dort lebte und starb. 292
292
Rogo: Search for yesterday, 36–37.
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Erlebnisse einer unmittelbaren Teilhabe an fremdem Erleben und ihre Begleitumstände und -erscheinungen
Einleitung Es gibt Erlebnisse, die Erfahrungen früherer Leben aus phänomenologischer Sicht ähneln. Auch hier erlebt das Subjekt ein Geschehen, das nicht zum eigenen aktuellen Leben gehört. Nicht selten nimmt das Subjekt dabei eine visuelle Ich-Perspektive ein, es erlebt sich als Teilnehmer des Geschehens. Im Gegensatz zu Erfahrungen früherer Leben werden die nachfolgend vorgestellten Erlebnisse jedoch als Teilhabe an fremdem Erleben gedeutet. Es gibt ein breites Spektrum von Erlebnissen der unmittelbaren Teilnahme an fremdem Erleben. Ich werde mich auf Erfahrungsformen beschränken, die für unsere Fragestellung besonders einschlägig erscheinen.
Erlebnisse beim Lebensrückblick im Rahmen von Nahtoderfahrungen Eintauchen in die Perspektive anderer Die vielleicht eindrucksvollsten Erlebnisse einer unmittelbaren Teilhabe an fremdem Erleben werden vom Lebensrückblick im Rahmen von Nahtoderfahrungen berichtet. Unter Nahtoderfahrungen im engeren Sinne verstehe ich Erfahrungen in physischer Todesnähe, typischerweise beim klinischen Tod. 1 Während einer Nahtoderfahrung im engeren Sinn kann das Gehirn anscheinend nicht so funktionie1
Zu Nahtoderfahrungen allgemein siehe Holden et al.: Handbook of near-death experiences; Kelly et al.: Unusual experiences near death; Moody: Leben nach dem Tod; Ring & Elsaesser-Valarino: Lessons from the light; Sabom: Recollections; van Lommel: Endloses Bewusstsein.
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Erlebnisse einer unmittelbaren Teilhabe an fremdem Erleben
ren, wie es normalerweise für Bewusstsein erforderlich ist. 2 Trotzdem berichten die Experiencer häufig eine »enhanced mentation«, ein schärferes und intensiveres Wahrnehmen und Denken. 3 Es handelt sich also um einen veränderten, ungewöhnlichen Bewusstseinszustand. Im Verlauf von Nahtoderfahrungen erleben die Experiencer oft einen Lebensrückblick. Dieser Lebensrückblick wirkt realer, klarer und vollständiger als gewöhnliche Erinnerungen. 4 Dabei erlebt man sein Leben nicht nur aus der eigenen Ich-Perspektive wieder, sondern auch aus anderen Perspektiven, manchmal aus mehreren Perspektiven gleichzeitig. Dabei tauchen die Experiencer nicht selten sehr realistisch in die Ich-Perspektive anderer Menschen ein. Aus deren Perspektive scheinen sie das eigene vergangene Handeln zu erleben. 5 Solche Erfahrungen können sehr plastisch und eindrucksvoll sein und zu einer grundlegenden Änderung der Lebenseinstellung führen, weil die Experiencer die Wirkungen ihres Handelns auf die Betroffenen unmittelbar zu spüren überzeugt sind. 6 Es geht dabei also um die Teilhabe an vergangenem Erleben von anderen noch lebenden oder bereits verstorbenen Personen.
Tom Sawyer und Steven Fanning Ein in der Nahtodforschung bekanntes Beispiel für einen Lebensrückblick ist die Schilderung von Tom Sawyer (1945–2007) aus Rochester im Staat New York. Im Alter von neunzehn Jahren schlug er einen Mann zusammen. In seiner Nahtoderfahrung im Jahr 1978, also vier2
Siehe Kelly et al.: Unusual experiences near death, 418–419; Fenwick & Fenwick: Art of dying, 206–210; van Lommel: Endloses Bewusstsein, 174–175. 3 Siehe Kelly et al.: Unusual experiences near death, 384, 386–387. 4 Die Experiencer sprechen nicht davon, sie hätten sich an dieses oder jenes erinnert, sondern davon, dass sie ihr »gesamtes Leben noch einmal durchleben« (Ring & Elsaesser Valarino: Im Angesicht des Lichts, 138–139). Phyllis M. H. Atwater schrieb: »Ich hatte keine Rückschau, sondern ich erlebte alles noch einmal. Ich dachte jeden Gedanken, den ich je gedacht hatte, noch einmal, ich sprach jedes Wort, das ich je gesprochen hatte, noch einmal und tat alles, was ich getan hatte, noch einmal.« (Atwater: Coming back, 36; Übers. Ring & Elsaesser-Valarino: Im Angesicht des Lichts, 152). 5 Siehe Ring & Elsaesser-Valarino: Im Angesicht des Lichts, 136–193. 6 Ring & Elsaesser-Valarino: Im Angesicht des Lichts, 154–155, sprechen von der Erfahrung der Goldenen Regel.
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Erlebnisse beim Lebensrückblick im Rahmen von Nahtoderfahrungen
zehn Jahre später, hatte er dann einen Lebensrückblick, worin er das Geschehen anscheinend aus der Perspektive seines Opfers erlebte: Ich sah auch, wie Tom Sawyers Faust direkt in mein Gesicht schlug. Und ich fühlte die Empörung, die Wut, die Beschämung, die Frustration, den körperlichen Schmerz. Ich fühlte, wie sich meine Zähne durch die Unterlippe bohrten – mit anderen Worten, ich sah durch die Augen dieses Mannes. Ich war im Körper dieses Mannes. Ich erlebte alles, was sich an diesem Tag zwischen Tom Sawyer und diesem Mann abspielte. 7
Ein zweites Fallbeispiel ist der Bericht von Steven Fanning (1947– 2018), Professor für Geschichte an der University of Illinois in Chicago, über seine Nahtoderfahrung im Jahr 1988. Über den Lebensrückblick während seiner Nahtoderfahrung schreibt Fanning: Es war ein Wiedererleben meines Lebens, gleichzeitig aus [… verschiedenen] Perspektiven. Eine Perspektive war meine Version meines Lebens […]. Genau gleichzeitig […] erlebte ich aber auch mein Leben aus der Perspektive derer, mit denen ich zu tun hatte. Ich fühlte, was sie fühlten, ich machte ihre Emotionen durch, die sie im Zusammenhang mit mir hatten. […] Wenn ich […] mit Wut oder Gedankenlosigkeit [auf sie] reagierte, spürte ich ihre Schmerzen und ihre Enttäuschung. […] Es war schockierend, den Schmerz zu fühlen, den eine andere Person wegen meines Verhaltens empfand. […] Ihre Schmerzen waren real. Es tat weh. 8
Sawyer und Fanning beschreiben hier ein buchstäbliches Eintauchen in das Erleben anderer Personen. Sie erschließen das fremde Erleben nicht, sondern nehmen nach ihrer Überzeugung unmittelbar daran teil. Allerdings glauben sie nicht, dass sie diese Personen sind, so wie sich Subjekte von Erfahrungen früherer Leben mit der Person des früheren Lebens identifizieren. Das könnte daran liegen, dass die Personen, in deren Erleben die Experiencer bei einem Lebensrückblick einzutauchen scheinen, oft noch am Leben sind und außerdem die Subjekte selbst in den Szenen gleichzeitig mit dieser Person vorkommen.
7
Farr: What Tom Sawyer learned from dying, 33 (Übers. Ring & Elsaesser-Valarino: Im Angesicht des Lichts, 169). 8 Fanning: In a place beyond.
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Erlebnisse einer unmittelbaren Teilhabe an fremdem Erleben
Erschütterung durch den Perspektivenwechsel Bei Saywer und Fanning klang deutlich an, welche Erschütterung das Erlebnis des Eintauchens in das Erleben anderer bei ihnen auslöste. Dazu noch einige weitere Beispiele. Der erste Bericht schildert einen mehrfachen Perspektivenwechsel: Alles, was ich gesagt, getan, ja sogar gedacht hatte, war [im Lebensrückblick wieder] da […]. Ich dachte jeden Gedanken erneut, ich spürte jedes Gefühl erneut, wie es sich damals ereignete, in einem einzigen Augenblick. Und ich fühlte auch, wie mein Tun, und sogar meine Gedanken, auf andere gewirkt hatten. Wenn ich über jemand etwas gesagt hatte, erlebte ich mich selbst, wie ich es tat. Dann wechselte ich die Rolle und die Perspektive und erlebte, wie mein Urteil bei der betreffenden Person angekommen war. Dann kam ich wieder zurück, um auf das Drama, das ich eben gesehen und miterlebt hatte, reagieren zu können – damit ich beispielsweise Scham oder Reue spüren konnte. Ich spürte die Schmerzen der Menschen, die unter meinen aus Gemeinheit, Unfreundlichkeit oder Zorn erwachsenen Handlungen oder Gedanken litten. Ich erlebte das sogar dann, wenn ich mich damals dafür entschieden hatte zu ignorieren, wie es auf die anderen wirken würde. Und ich spürte den Schmerz der anderen die ganze Zeit über, den sie unter meinem Tun gelitten hatten. Denn ich war in einer anderen Dimension, in der man die Zeit, so wie man sie auf der Erde kennt, nicht messen kann; ich konnte dies alles auf einmal wissen und erleben, in einem einzigen Augenblick, und ich war sogar fähig, alles zu verstehen! 9
Für einen Experiencer, der eine Haftstrafe abbüßte, war es äußerst belastend, an dem Erleben der von seinen Handlungen Betroffenen teilzuhaben. Er berichtet, dass er im Lebensrückblick seine lange kriminelle Karriere bis ins kleinste Detail noch einmal [durchlebte], plus all die kleinen Verletzungen, die ich unbewußt durch gedankenlose Reden und Blicke und Versäumnisse verursacht hatte. Es war in diesem Alptraum der Verletzungen offenbar nichts weggelassen, aber das Schrecklichste daran war, daß ich jedes Leid, das ich anderen zugefügt hatte, jetzt selbst spürte. 10
9
Aus einem Newsletter der Seattle IANDS Group, zit. nach Ring & Elsaesser-Valarino: Im Angesicht des Lichts, 151. 10 Lorimer: Whole in one, 23 (Übers. Ring & Elsaesser-Valarino: Im Angesicht des Lichts, 152).
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Erlebnisse beim Lebensrückblick im Rahmen von Nahtoderfahrungen
Ein anderer Experiencer spricht von einer »demütigende[n] Erfahrung«, sich im Lebensrückblick durch die Augen der Menschen, mit denen er in seinem Leben zu tun hatte, zu sehen: Es zeigte mir in einer Art dreidimensionalem Panoramarückblick jedes Ereignis meines 22jährigen Lebens … jede Sekunde all dieser Jahre bis ins kleinste Detail, und all das anscheinend innerhalb eines einzigen Augenblicks. All diese Ereignisse zu sehen und noch einmal zu erleben, veränderte für mich alles. Es war eine Gelegenheit, alle die Liebe, die ich geteilt hatte, zu spüren und, wichtiger noch, auch all die Schmerzen, die ich verursacht hatte. Ich konnte gleichzeitig nicht nur meine eigenen Gefühle und Gedanken noch einmal erleben, sondern auch die aller Menschen, mit denen ich je zu tun gehabt hatte. Mich durch ihre Augen zu sehen war eine demütigende Erfahrung. 11
Auswirkungen auf die ethische Einstellung Das intensive und subjektiv glaubwürdige Erfahrung einer unmittelbaren Teilnahme am Erleben der Personen, die vom eigenen Handeln betroffen waren, führt zu einer veränderten ethischen Einstellung, 12 wie es zum Beispiel eine junge Frau gegenüber Raymond Moody zum Ausdruck brachte: Ich erinnere mich an einen bestimmten Vorfall während dieser Rückschau, als ich noch klein war und meiner Schwester den Osterkorb aus der Hand riß, weil darin ein Spielzeug war, das ich haben wollte. Aber in der Rückschau spürte ich ihre Enttäuschung, ihr Verlustgefühl und ihr Gefühl der Zurückweisung. Was wir anderen antun, wenn wir uns so lieblos verhalten! […] Ich war die Leute, die ich verletzte, und ich war die Leute, denen ich zu guten Gefühlen verhalf. […] Es ist eine echte Herausforderung für jeden Tag meines Lebens, zu wissen, daß ich, wenn ich sterbe, jede einzelne meiner Handlungen noch einmal ansehen muß, nur daß ich dann die Wirkungen fühle, die ich bei den anderen Menschen hervorgerufen habe. Das läßt mich schon innehalten und nachdenken. 13
11
Aus einem Newsletter der IANDS Group, zit. nach Ring & Elsaesser-Valarino: Im Angesicht des Lichts, 152; vgl. ähnlich Nicolay: Konfrontation mit den Schattenseiten, 84. 12 Siehe dazu ausführlich Ring & Elsaesser-Valarino: Im Angesicht des Lichts, 163– 193. 13 Moody: The light beyond, 46–47 (Übers. Ring & Elsaesser-Valarino: Im Angesicht des Lichts, 152, bearbeitet vom Verf.).
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Erlebnisse einer unmittelbaren Teilhabe an fremdem Erleben
Dasselbe gilt für Neevon Spring, der als achtjähriger Junge bewusst die Blumen ausriss, die ihn seine Tante Gay zu schonen gebeten hatte. In seinem Lebensrückblick mit 33 Jahren erlebt er nun diese Sache aus der Perspektive der Tante. »Ich […] war im Körper meiner Tante, ich war in ihren Augen, in ihren Gefühlen, in ihren unbeantworteten Fragen. Ich erlebte ihre Enttäuschung, ihre Demütigung. Es war sehr schlimm für mich. Und es hat meine Einstellung ganz schön verändert.« 14 Eine Frau Born sagte Joachim Nicolay über ihren Lebensrückblick: »Wenn man jemanden verletzt, kriegt man dessen Gefühle von Traurigkeit [im Lebensrückblick] so mit, als wären es die eigenen.« 15 Das Empfinden einer unmittelbare Teilnahme am Erleben anderer lässt also die verbreitete Vorstellung einer grundlegenden Trennung der Individuen als Illusion erscheinen. Das Leid, das man anderen verursacht, lässt sich nicht vom eigenen Sein fernhalten. 16
Überzeugung der Echtheit des Erlebens Die Auswirkungen auf die ethischen Einstellungen der Experiencer bezeugen, dass sie ihre Erfahrungen für echt halten. Sie zweifeln nicht an, dass sie tatsächlich in die Gefühle und Gedanken anderer eingetaucht sind. Hin und wieder scheinen die Experiencer im Umgang mit Personen, in deren Erleben sie ihrer Überzeugung nach eingetaucht waren, eine Bestätigung dafür zu erhalten, dass diese tatsächlich die betreffenden Gedanken und Gefühle hatten. So möglicherweise Dorothea Rau-Lemke, die bei ihrer Nahtoderfahrung den Eindruck hatte, »als ob ich in die andere Person hineinschlüpfen, als ob ich plötzlich alle Geheimnisse dieser Person lüften könnte« und in Bezug auf einen befreundeten Mann »Dinge wahrgenommen [habe], die ich ihm hinterher auf den Kopf zusagen konnte und die alle stimmten.« Sie erinnere sich allerdings nur daran, vom Erleben anderer während des Lebensrückblicks unmittelbar gewusst zu haben. Es sei ihr jedoch so gewesen, als ob sie das Erleben anderer zuvor in ihrer Nahtoderfahrung gespürt habe. 17 Der Glaube an die Echtheit des Perspektivenwechsels könnte auch dadurch bestärkt werden, dass 14 15 16 17
Ring & Elsaesser-Valarino: Im Angesicht des Lichts, 164. Nicolay: Lebensrevision, 189. Siehe Ring & Elsaesser-Valarino: Im Angesicht des Lichts, 169. Weirauch: Begleitung in den letzten Augenblicken des Lebens, 14.
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Erlebnisse beim Lebensrückblick im Rahmen von Nahtoderfahrungen
das Erlebte der Erinnerung an die Geschehnisse nicht widerspricht. Eine Frau berichtete Moody: »Ich sah [im Lebensrückblick] auf mich selbst als Kind in all diesen Situationen, in genau denselben Situationen, die ich erlebt hatte und an die ich mich erinnern kann.« 18 Die Erlebnisse der Lebensrückschau scheinen allerdings weit über die eigenen Erinnerungen hinausgehen zu können. Neevon Spring berichtete: In meiner Lebensrückschau habe ich [diesen Vorfall] nicht nur noch einmal erlebt, sondern dazu auch ganz genau jeden Gedanken und alles – sogar die Lufttemperatur und Dinge, die ich als Achtjähriger unmöglich hätte beurteilen können. Ich habe damals zum Beispiel nicht bemerkt, wie viele Mücken es dort gab. Aber in der Lebensrückschau hätte ich die Mücken zählen können! Alles war viel exakter als in der Realität des tatsächlichen Ereignisses. […] In der Rückschau war es so, daß mir praktisch jeder Grashalm auffiel, und jede Art von Empfindung oder Wahrnehmung – Gefühl, Tastsinn, Geruch – war verstärkt. Es war nicht nur visuell. 19
Außenperspektive Beim Lebensrückblick nehmen die Subjekte nicht nur die eigene Perspektive und die Perspektive anderer beteiligter Personen ein. Viele erleben die Szenen des Lebensrückblicks aus einer Außenperspektive. Ein Beinahe-Ertrunkener berichtete, er habe sein Leben gesehen »wie ein Panorama ganz weit unten«. 20 Über einen Lebensrückblick mitten in einer Explosion sagte ein Mann: »Es war, als würde ich auf einer Wolke sitzen und auf die ganze Szene herunterschauen – Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.« 21 Neevon Spring erzählte: »Ich erlebte Dinge, die man nicht wahrnehmen kann. Ich beobachtete mich von weit oben aus verschiedenen Entfernungen, als sei ich eine Kamera, wie ich den Rasen mähte. Ich habe alles beobachtet.« 22 Eine von Raymond Moody befragte Frau sagte über die Wahrnehmung in ihrem Lebensrückblick:
18
Moody: Leben nach dem Tod, 64–65. Ring & Elsaesser-Valarino: Im Angesicht des Lichts, 164, 168. 20 Ring & Elsaesser-Valarino: Im Angesicht des Lichts, 142. 21 Noyes & Kletti: Panoramic memory, 188 (Übers. Ring & Elsaesser-Valarino: Im Angesicht des Lichts, 142). 22 Ring & Elsaesser-Valarino: Im Angesicht des Lichts, 164. 19
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Erlebnisse einer unmittelbaren Teilhabe an fremdem Erleben
Das kleine Mädchen, das ich sah, schien jemand anderes zu sein, eine Gestalt aus einem Film, irgendeine Kleine unter all den anderen Kindern, die sich da auf dem Spielplatz tummelten. Und doch war ich es selbst. Ich sah auf mich selbst als Kind in all diesen Situationen, in genau denselben Situationen, die ich erlebt hatte und an die ich mich erinnern kann. 23
Perspektive eines höheren Wesens Manchmal wird auch die Perspektive eines höheren Wesens beschrieben. Dessen Perspektive scheint nicht in erster Linie eine Perspektive der sinnlichen Wahrnehmung zu sein, sondern eine geistige Perspektive, die durch Liebe, Wissen und Urteilslosigkeit gekennzeichnet ist. Eine der klarsten Beschreibungen dieser Erfahrung bietet der Bericht von Steven Fanning, aus dem wir weiter oben bereits zitiert haben. Ich gebe ihn noch einmal im Zusammenhang und ausführlicher wieder: Neben mir war ein Wesen, das ich nie sah, dessen Präsenz ich aber ständig spürte. Ich spürte die ständige, enorme, kraftvolle Präsenz des Wesens. Mit dem Sein neben mir, das Liebe und Trost ausstrahlt, habe ich mein Leben neu erlebt, […] aber aus drei verschiedenen Perspektiven gleichzeitig. Eine Perspektive war meine Version meines Lebens, wie ich sie jedem, der genügend Geduld hatte, um zuzuhören, erzählt haben könnte. Es war jedoch kein Wiedererleben von Ereignissen, sondern ein erneutes Durchleben und Erfahren der Emotionen, Gefühle und Gedanken meines Lebens. Da waren die Emotionen, die ich gefühlt hatte […]. Da waren meine bewussten Gründe für meine Handlungen. Da waren die Schmerzen, die ich fühlte, und meine Reaktionen darauf. Da war mein Gefühlsleben, wie ich mich daran erinnerte, es erlebt zu haben. Ich kann mich jetzt nur noch an die wichtigsten Ereignisse meines Lebens erinnern, und wenn das Wiedererleben [in der Lebensrückschau] jedes einzelne Ereignis meines Lebens beinhaltete, hat nicht alles davon in meinem Gedächtnis überlebt. Aber genau zur gleichen Zeit, als ich meine Version meines Lebens neu erlebte, erlebte ich mein Leben auch aus der Perspektive derjenigen, mit denen ich zusammen war. Ich fühlte, was sie fühlten, ich durchlebte ihre Emotionen, [die sie hatten,] während sie mit mir interagierten. Das war ihre Version meines Lebens. Als ich dachte, dass sie sich eindeutig schlecht benahmen und mit Wut oder Gedankenlosigkeit reagierte, spürte ich ihren Schmerz und ihre Frustration. Ich spürte die Auswirkungen und Konsequenzen meiner Handlungen. Das war eine ganz andere Perspektive auf mein Leben, und es war keine schöne. 23
Moody: Leben nach dem Tod, 64–65.
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Erlebnisse beim Lebensrückblick im Rahmen von Nahtoderfahrungen
Es war schockierend, den Schmerz zu spüren, den eine andere Person durch das, was ich getan hatte, erlitt, auch wenn ich mich, als ich es tat, wegen der Handlungen dieser Person für völlig gerechtfertigt hielt. Ich sagte mir [damals], dass ich im Recht sei, aber ihr Schmerz war real. Er tat weh. Aber zur gleichen Zeit erlebte ich auch eine dritte Schau auf mein Leben. Sie war nicht meine Version, mit meinen Begründungen. Sie war nicht die der anderen in meinem Leben, ihre Version meines Lebens und ihre eigenen Rechtfertigungen für ihre eigenen Handlungen, Gedanken und Gefühle. Es war eine unvoreingenommene Sichtweise, frei von den subjektiven und egoistischen Rationalisierungen, die die anderen und ich benutzt hatten, um die unzähligen Akte des Egoismus und des Mangels an wahrer Liebe in unserem Leben zu unterstützen. Für mich kann es nur als Gottes Sicht auf mein Leben beschrieben werden. Es war das, was wirklich passiert war, die wahren Beweggründe. Weggeräumt waren meine Lügen an mich selbst, die ich tatsächlich glaubte, meine Selbstgerechtigkeit, meine Vorliebe, mich immer im besten Licht zu sehen. […] All dies – die dreiseitige Wiedererfahrung meines Lebens und die Selbstbeurteilung – waren gleichzeitig und doch getrennt und deutlich. Es gab keine Reihenfolge der Ereignisse, die wir für die Zeit halten. 24
Neevon Spring spricht von den Augen Gottes, deren Perspektive er neben der eigenen Perspektive, der Perspektive seiner Tante und einer Außenperspektive von weit oben eingenommen habe: Er habe die oben erwähnte peinliche Szene mit seiner Tante Gay 25 »absolut und ohne Einschränkung […] durch die bedingungslose Liebe der Augen Gottes« beobachten können. 26 Die Perspektive der Augen Gottes kommt in Nahtoderfahrungen auch unabhängig vom Lebensrückblick vor, wie es zum Beispiel Thomas Mellen-Benedict in einem Gespräch mit Kenneth Ring beschreibt: »Plötzlich war ich in dieser Leere, und ich war mir aller Sachen bewußt, die jemals erschaffen worden waren. Es war, wie wenn ich aus Gottes Augen schaute. Ich war Gott geworden. […] Das einzige, was ich sagen kann, ist, daß ich mit Gottes Augen schaute. Und plötzlich wußte ich, warum jedes Atom war, und ich konnte alles sehen.« 27
24 25 26 27
Fanning: In a place beyond. Siehe oben S. 150. Ring & Elsaesser-Valarino: Im Angesicht des Lichts, 164–165. Ring & Elsaesser-Valarino: Im Angesicht des Lichts, 289.
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Erlebnisse einer unmittelbaren Teilhabe an fremdem Erleben
Teilhabe an nichtmenschlichem Erleben und mystische Verbundenheit In den Berichten über Lebensrückblicke finden sich auch Erlebnisse einer unmittelbaren Teilhabe an fremdem nichtmenschlichem Erleben. Nada Eberhard hatte 1995 zwei Nahtoderfahrungen. In ihrem Lebensrückblick habe sie die Angst und die Schmerzen einer Schlange und auch von Insekten erlebt: Man ist nicht nur in dem anderen [Menschen] drin. Man fühlt alles, jede Lebensbewegung. Es ist auch nicht so, dass man nur mit Menschen verbunden ist. Wir sind auch mit dem Frosch und der Ameise verbunden. Wenn du aus Versehen eine Ameise zertreten hast, spürst du ihren Schmerz. Als kleines Kind habe ich manchmal Käfern und Fliegen die Flügel abgetrennt. Ich habe dann [im Lebensrückblick der Nahtoderfahrung] den Schmerz von diesem Käfer gespürt. Deswegen bin ich heute sehr empfindlich, wenn mein Enkel so etwas machen will. Ich habe noch ein Beispiel. Ich habe meine Mathelehrerin gehasst. Weil ich nicht gut war in Mathe, hat sie mich immer terrorisiert und ist auf mich losgegangen. Ich hatte dann erfahren, dass sie eine totale Angst vor Schlangen hatte. Dann habe ich mal eine Schlange gepackt und in meine Tasche gesteckt. Es war keine harmlose Schlange. In meinem Lebensrückblick habe ich gespürt, dass die Schlange Angst gehabt hat. Sie hat versucht aus meiner Tasche herauszukommen. Aber ich habe sie immer wieder hineingeschubst und habe sie dann in der Klasse laufen lassen. Als die Lehrerin die Schlange sah, bekam sie eine panische Angst und ist rausgerannt. Dann wurde die Schlange gejagt und getötet. Ich war nicht dabei. Aber ich habe im Rückblick gesehen, wie die Schlange umgebracht wurde. Das waren zwei Jungen, die haben richtig mit Genuss diese Schlange erschlagen. Ich habe gespürt, wie sie sich richtig gefreut haben, als sie mit dem Stock draufschlugen! Mir war bewusst: Es war meine Schuld. Ich habe die Schmerzen und die Angst der Schlange gespürt, als ob ich selber die Schlange wäre. Man spürt alles, als ob alles eins wäre. Alles, was mit dieser Schlange zu tun hatte, alles, was mit der Lehrerin zu tun hatte, habe ich mitbekommen, als seien diese Jungen oder diese Lehrerin oder diese Schlange ein Teil von mir. 28
Tom Sawyer berichtete, er habe in seinem Lebensrückblick die Liebe und Bewunderung, die er als Neunjähriger einem Baum entgegenbrachte, aus der Perspektive dieses Baumes erlebt. 29 Aus diesem Erleben erwächst für viele Experiencer ein Gefühl der Verbundenheit mit 28 29
Nicolay: Lebensrevision, 194–195. Siehe Farr: What Tom Sawyer learned from dying, 34.
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Erlebnisse und weitere Phänomene im Rahmen von Telepathie
allem. Ein Geschäftsmann, der mit 62 Jahren einen Herzstillstand erlitt, berichtete Moody über die Wirkung seiner Nahtoderfahrung: Eine große Sache, die ich lernte, als ich starb, war, daß wir alle Teil eines großen, lebendigen Universums sind. Wenn wir glauben, wir könnten einem anderen Menschen oder einem anderen Wesen weh tun, ohne uns selbst zu verletzen, dann befinden wir uns in einem traurigen Irrtum. Ich schaue heute auf einen Wald oder eine Blume oder einen Vogel und sage: »Das bin ich, das ist ein Teil von mir.« Wir sind mit allen Dingen verbunden, und wenn wir durch diese Verbindungen Liebe aussenden, dann sind wir glücklich. 30
Erlebnisse und weitere Phänomene im Rahmen von Telepathie Terminologische Klärung Auf den ersten Blick könnte man Telepathie fast mit einer Teilhabe an fremdem Erleben identifizieren. Im Duden lesen wir die Definition: »Wahrnehmung von Gedanken, Gefühlen o. Ä. einer anderen Person ohne Vermittlung der Sinne« und etwas ausführlicher im Brockhaus: »die unmittelbare Übertragung seelischer Vorgänge (Gefühle, Empfindungen, Antriebe, Gedanken) von einer Person auf eine andere, ohne Vermittlung der bekannten Sinnesorgane und unabhängig von der räumlichen Distanz«. Doch hinter meinem Begriff einer unmittelbaren Teilhabe an fremdem Erleben steht nicht die Idee zweier getrennter Erlebniswelten, zwischen denen Wahrnehmungen oder Übertragungen stattfinden, sondern vielmehr die eines Miterlebens, das heißt einer partiellen Überlappung oder Verschmelzung des Erlebens verschiedener Bewusstseinssubjekte. Das Erleben des anderen ist dann wie eigenes Erleben. Der herrschende wissenschaftliche Begriff von Telepathie ist davon noch erheblich weiter entfernt. Dort wird Telepathie nämlich verstanden als »paranormaler Informationserwerb, der sich auf Gedanken, Gefühle und Handlungen eines anderen bewußten Lebewesens erstreckt«. 31 Es geht nach dieser Definition 30
Moody: Light beyond, 42 (Übers. Ring & Elsaesser-Valarino: Im Angesicht des Lichts, 171). 31 Red.: Glossary, 439 (Übers. Bauer: Parapsychologisches Glossar). Nach Umfragen
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Erlebnisse einer unmittelbaren Teilhabe an fremdem Erleben
bei Telepathie also weder um ein Miterleben fremden Erlebens noch um eine Übertragung von Erleben, sondern um den Erwerb von Informationen. Erleben und Information sind jedoch kategorial verschieden. Erleben, wie etwa eine Schmerzempfindung, besitzt unter anderem eine Dauer und eine Intensität, kann aber nicht wahr oder falsch sein. Information hingegen, als der Gehalt einer Nachricht, 32 hat weder eine Dauer noch eine Intensität, kann aber, wie wir alle wissen, wahr oder falsch sein. Das fremde Erleben ist als solches keine Information und die Teilhabe daran kein Informationserwerb. Obwohl Telepathie als Informationserwerb ganz ohne Erleben auskommen kann, wird im Zusammenhang mit Phänomenen, die als Telepathie bezeichnet werden, immer wieder von Erlebnissen berichtet, die man als eine unmittelbare Teilhabe an fremdem Erleben deuten kann und die von den Experiencern auch so gedeutet werden. Sie werden im Gegensatz zu Nahtoderfahrungen häufig im Wachzustand gemacht. Derartige Erlebnisse im Rahmen von Telepathie werde ich in Ermangelung eines alternativen Ausdrucks als telepathische Erlebnisse bezeichnen.
Teilhabe an fremdem Empfinden und Denken Oft scheint es bei telepathischen Erlebnissen so, als würden Gefühle und Empfindungen einer anderen Person geteilt. Das ist den Experiencern allerdings während des Erlebnisses vielfach nicht bewusst. 33Als erstes gebe ich einen Bericht von Joan Ruskin Severn (1847–1924) von 27. Oktober 1883 wieder. Er betrifft ein Erlebnis aus der Zeit um 1880 in Brantwood am Coniston Water in Cumbria. Joan Severn war die Ehefrau des Landschaftsmalers Arthur Severn und Cousine des Intellektuellen und Künstlers John Ruskin. Ihr Erlebnis ereignete sich auf der Schwelle zwischen Schlaf und Wachen: ist Telepathie relativ häufig, wobei sich der dabei verwendete Telepathiebegriff allerdings nicht unbedingt mit der wissenschaftlichen Definition als Informationserwerb deckt. In den USA sagten über 50 % und in Westeuropa über ein Drittel der Befragten, dass sie schon einmal das Gefühl hatten, »mit jemand, der weit von ihnen entfernt ist, in Verbindung zu stehen« (Haraldsson & Houtkouper: Psychic experiences in the multinational human values study, 149; siehe weitere Zahlen in Sheldrake: Der siebte Sinn des Menschen, 34). 32 Siehe Duden: Eintrag »Information«. 33 Siehe Schwenke: Intuition und Person, 17–19.
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Erlebnisse und weitere Phänomene im Rahmen von Telepathie
Ich schreckte aus dem Schlaf auf, mit dem Gefühl, einen harten Schlag auf meinen Mund erhalten zu haben, und mit der deutlichen Empfindung, aus einer Platzwunde unterhalb der Unterlippe zu bluten. Ich ergriff mein Taschentuch und drückte es zusammengeknüllt an diese Stelle, als ich mich im Bett aufsetzte. Als ich es nach einigen Sekunden wieder wegnahm, war ich überrascht, kein Blut [daran] zu sehen. Da erst begriff ich, dass es unmöglich war, dass mich irgendetwas geschlagen hatte, denn ich hatte fest in meinem Bett geschlafen. Und so dachte ich, es sei nur ein Traum [gewesen]! Aber ich schaute auf meine Uhr und stellte fest, dass es sieben war. Ich bemerkte, dass Arthur [mein Ehemann] nicht im Zimmer war, und schloss daraus, dass er zu einer frühen Segeltour auf dem See war, denn es war so schönes Wetter. Ich schlief dann [wieder] ein. Zum Frühstück [um halb zehn] kam Arthur ziemlich verspätet, und ich merkte, dass er sich absichtlich weiter weg von mir setzte als gewöhnlich und immer wieder mit einer verstohlenen Bewegung sein Taschentuch an seine Lippe drückte, wie ich es getan hatte. Ich sagte: »Arthur warum machst Du das?« und fügte etwas besorgt hinzu: »Ich weiß, dass du dich verletzt hast! Aber ich erzähle es dir später.« Er sagte: »Nun ja, als ich segelte, kam plötzlich eine Böe und warf abrupt die Ruderpinne herum. Sie schlug mir böse auf den Mund unter die Unterlippe, und es hat ganz schön geblutet und wollte nicht aufhören.« Ich sagte dann: »Hast Du eine Ahnung, um wie viel Uhr das passierte?«, und er, antwortete: »Es muss um sieben Uhr gewesen sein.« 34
Das zweite Fallbeispiel stammt aus derselben Epoche. Das Erlebnis wurde am 4. September 1884 von einer Miss Martyn aus Long Melford Rectory, Suffolk, berichtet. Es ist zeitlich ausgedehnter als das Erlebnis von Joan Severn und fand eindeutig im Wachzustand statt. Am 16. März 1884 saß ich allein im Empfangszimmer, las ein interessantes Buch und fühlte mich vollkommen wohl, als ich plötzlich ein unbestimmtes Gefühl von Furcht und Grauen empfand. Ich schaute auf die Uhr und sah: Es war gerade 19 Uhr. Ich war gänzlich unfähig, weiterzulesen. Deshalb stand ich auf und ging im Raum umher und versuchte, das Gefühl abzuschütteln, aber es gelang mir nicht. Ich [wohl: mein Körper] wurde kalt, und ich hatte die bestimmte Empfindung, dass ich im Begriff war, zu sterben. Die Empfindung hielt rund eine halbe Stunde lang an, dann ging sie vorbei. Sie ließ mich den ganzen Abend sehr aufgewühlt zurück. Als ich zu Bett ging, fühlte ich mich sehr schwach, als ob ich ernsthaft krank sei. Am nächsten Morgen erhielt ich ein Telegramm, das mir den Tod einer nahen und [mir] sehr teuren Cousine meldete, Mrs. K. in Shropshire, mit der ich auf das Innigste mein ganzes Leben lang verbunden gewesen war. Doch in den letzten beiden Jahren hatte ich wenig von ihr gesehen. Ich hatte dieses 34
Gurney et al.: Phantasms of the living, 1:188–189.
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Erlebnisse einer unmittelbaren Teilhabe an fremdem Erleben
Gefühl des Todes nicht mit ihr verbunden noch mit irgendjemand anderem, aber ich hatte den ganz klaren Eindruck gehabt, dass gerade etwas Furchtbares vor sich ging. Dieses Gefühl überkam mich, wie ich im Nachhinein herausfand, gerade zu der Zeit, zu der meine Cousine starb (19 Uhr). Ich habe zuvor niemals etwas Derartiges erlebt. Mir war nicht bekannt, dass Mrs. K. krank war, und ihr Ende war besonders traurig und unerwartet. 35
Als drittes Beispiel führe ich das Erlebnis eines Mannes in Israel im zwanzigsten Jahrhundert an. Es ist wie das Erlebnis von Joan Ruskin Severn sehr kurz: Es war am Donnerstag den … Gegen fünf Uhr nachmittags war ich von meiner Arbeit zurückgekehrt. Bald darauf kam ein Nachbar zu mir und bat mich, sein Feuerzeug zu reparieren. Ich bin unter meinen Bekannten wegen meiner Fingerfertigkeit beliebt, und alle kommen zu mir, um in kleinen technischen Dingen Hilfe zu suchen. Ich lasse mich auch nicht von den kompliziertesten Dingen aus meiner Ruhe bringen. An diesem Tage geschah etwas höchst Merkwürdiges: Ich hielt kaum das Feuerzeug in meinen Händen, als ich es wie eine glühende Kohle fallen ließ, einen nahestehenden Stuhl ergriff und ihn in unglaublicher Erregung, fast wie in Selbstverteidigung durch das Zimmer schleuderte. Er traf die Türe und zerschmetterte die Glasscheibe. Mein Nachbar und meine hinzueilende Frau fanden mich sozusagen ›außer mir‹. Ich selbst wußte kaum, was ich getan hatte, schon gar nicht, warum dieser scheinbar sinnlose Ausbruch geschehen war. Am nächsten Morgen erst erfuhr ich, daß mein Bruder, ein Lastwagenchaffeur, auf dem Weg von Eilath nach Beerschewa überfallen und erschossen worden war. Es war am Spätnachmittag des Donnerstag[s] geschehen. Die Zeit seines Todes wurde vom Arzt mit etwa 5.30 Uhr angegeben. 36
In den drei vorstehenden Berichten denken die Experiencer zunächst gar nicht daran, dass ihr Erleben etwas mit einer anderen Person zu tun haben könnte. Sie identifizieren sich also unbewusst mit der anderen Person, an deren Erleben sie teilhaben und betrachten dieses nicht als fremdes Erleben. Im folgenden Fall ist es hingegen für das Erlebnissubjekt, die Philosophin Gerda Walther (1897–1977), schon während des Erlebnisses klar, dass es am Denken und Fühlen einer anderen Person teilhat. 37 Interessant ist Walthers Beschreibung einer Art doppelten Bewusstseins:
35
Gurney et al.: Phantasms of the living, 1:197–198. Behrendt: Parapsychologie, 51–52. 37 Walther hatte nach eigenem Bekunden häufig derartige »telepathische Erlebnisse«. Anfänglich habe sie nicht wie im vorliegenden Fall »unmittelbar […] an der eigen36
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Erlebnisse und weitere Phänomene im Rahmen von Telepathie
[A]m 26. Juli 1928 [war ich] auf Besuch bei Bekannten in Nürnberg und lauschte abends voller Begeisterung der Übertragung von Richard Wagners »Meistersingern« aus den Münchener Festspielen. Kammersänger Rode sang den Hans Sachs, ich lauschte begeistert seiner wundervollen Stimme. Da mein Vater Wagnerianer war, hatte ich diese Oper seit meiner Kindheit immer wieder gehört und konnte den Text fast auswendig. Während ich hingerissen jedes Wort der Wahnmonologe in mich aufnahm, kamen plötzlich innerlich folgende Gedanken daher: »Ach, ist das langweilig, ich verstehe kein Wort, wie lange geht das noch weiter, wann hört er endlich auf?« und dann: Was ich wohl in Nürnberg treiben mochte. »Durchtränkt« war das von der Ausstrahlung des mir gut bekannten österreichischen Mediums Rudi Schneider. Ich hörte den Wahnmonolog also gleichzeitig auf zweifache, entgegengesetzte Weise: voller Begeisterung »als ich selbst«, äußerst gelangweilt »als Rudi Schneider«. Ich war tatsächlich »gespalten«, nicht in meinem Ichzentrum, sondern durch diese unvereinbaren, in es einströmenden, auf den gleichen äußeren Gegenstand gerichteten Erlebnisse […]. Mehrere Tage später traf ich (nach München zurückgekehrt) Rudi Schneider; […] ich zog ihn auf mit seiner Vorliebe für Militär- und Operettenmusik. Bitte sehr, war die Antwort, er habe am 26. Juli die Übertragung der »Meistersinger« gehört. Ja – sagte ich –: und bei dem langen Monolog Rodes, habe er sich da nicht furchtbar gelangweilt und gewünscht, er möge doch endlich aufhören? Erröten: »Es ist schrecklich mit Ihnen, man traut sich schon gar nichts mehr zu denken!« klagte Rudi … 38
Eintauchen in eine fremde visuelle Perspektive Bei einer telepatischen Teilhabe an fremdem Erleben kann anscheinend auch, wie im Lebensrückblick der Nahtoderfahrungen, 39 die visuelle Perspektive einer anderen Person eingenommen werden. Walther berichtete, dass sie einige telepathische Erfahrungen hatte, in denen sie die andere Person sah, »wie sie sich sah und nicht wie ich sie gesehen hätte, wenn ich bei ihr gewesen wäre«. 40 Einen Fall beschrieb sie ausführlich. 41 Es geht um ein Erlebnis, das sie im Herbst 1919 in München hatte. Walther hatte bei der konzentrierten Lektüre tümlichen innerseelischen Färbung [erkennen können], von wem so ein Erlebnis kam« (Walther: Phänomenologie der Mystik, 67). 38 Walther: Phänomenologie der Mystik, 72–73. 39 Siehe nur die Fälle von Tom Sawyer und Neevon Spring oben S. 146, 150. 40 Walther: On the psychology of telepathy, 439. 41 Ein weiterer, nur kurz skizzierter Fall findet sich in Walther: On the psychology of telepathy, 440.
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Erlebnisse einer unmittelbaren Teilhabe an fremdem Erleben
eines Buches plötzlich das Empfinden, die »Atmosphäre« eines früheren Mitstudierenden aus Freiburg, den sie L. nennt und mit dem sie sich »verkracht« hatte, zu spüren. Ich weiß auch auf einmal, daß er jetzt an mich denkt und was er denkt: nämlich ob er mir schreiben solle. […] In einer deutlichen Vorstellung […] sehe ich das, was L. in diesem jetzigen Augenblick etwa visuell vor sich haben dürfte. Ich »sehe« ihn in seinem (mir bekannten) Zimmer auf dem Sofa liegen, aber so, wie man sich selbst sieht, wenn man auf dem Sofa liegt, nicht so, wie jemand anders einen sieht, der vor einem steht. (Dies scheint mir äußerst bemerkenswert und wichtig zu sein!) Ich sehe all das nicht, was er von diesem Punkt, an dem er sich befindet, aus nicht sehen kann: sehe also nur den unteren Teil seines Körpers und den darum befindlichen Teil des Sofas, nicht aber seinen Kopf (das Gesicht von vorn) oder die Wand usw. dahinter. Wohl aber »sehe« ich in perspektivischer Verkürzung den Teil von L.’s Zimmer, den er vom Sofa aus vor sich hat. Ich sehe noch, daß er ein Buch in der einen, auf dem Sofa liegenden Hand hält, die herabgesunken ist, weil er jetzt nicht liest. Ferner erfasse ich, daß er jetzt raucht, »rieche«, »schmecke« innerlich förmlich den Duft seiner Zigarette und werde sogar dadurch angeregt, jetzt selbst zu rauchen. Der Sinn des Ganzen aber, das worum L.s Gedanken kreisen, ist, daß er überlegt, ob er mir schreiben sollte. Das aber erscheint mir angesichts unseres Kraches völlig ausgeschlossen. […] Doch siehe da: nach der üblichen Frist kam zu meiner nicht geringen Überraschung doch ein Brief von L.! Gemeinsame Bekannte, die von unserem »Krach« nichts wußten, hatten ihn gebeten, mir etwas auszurichten. 42
Walther schrieb, bei dem beschriebenen Erleben habe es sich nicht um »Hellsehen« gehandelt, »denn ich erlebte alles ja von seinem Blickpunkt aus, nicht etwa so, wie es sich mir hätte darstellen müssen, wenn ich in seinem Zimmer besuchsweise bei ihm gewesen wäre.« 43
42
Walther: Phänomenologie der Mystik, 65–66. Walther: Phänomenologie der Mystik, 66–67. In einem Aufsatz kommentiert sie dieses Erlebnis etwas ausführlicher: »Beachtenswert war dabei, dass ich ihn nicht so auf dem Sofa liegen sah, wie ich ihn gesehen hätte, wenn ich bei ihm im Zimmer gewesen wäre – dann hätte es sich ja auch um räumliches Hellsehen handeln können – sondern so, wie man sich selbst sieht. Sich selbst sieht man aber bekanntlich – ausser wenn man sich im Spiegel sieht – nicht als ganze Gestalt, sondern von einem ›Nullpunkt der Orientierung‹ im Kopf aus, als ohne Gesicht, nur einen Teil des Oberkörpers, der Gliedmassen, usw. […] Genauso ›sah‹ ich in einer intensiven Vorstellung damals meinen Bekannten auf dem Sofa liegen. Neben der Durchtränktheit mit seiner Aura war gerade das für mich ein besonders deutlicher phänomenaler Beweis dafür, dass es sich hierbei wirklich um ein telepathisches Erlebnis handelte. Ganz abgesehen von allen äussern Beweisen und Schlüssen liegt hier also, wie gesagt,
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Erlebnisse und weitere Phänomene im Rahmen von Telepathie
Bei dem irischen Schriftsteller und Zeitungsverleger George William Russell findet sich eine Andeutung der Übernahme der visuellen Perspektive eines anderen. Er sann einmal über einen Freund nach, dessen aktueller Aufenthaltsort ihm unbekannt war: Ich fühlte alsbald, dass ich in der Nacht umherging. In meiner Nähe war die Sphinx, und etwas entfernt, eine schemenhafte Pyramide. […] Ich sah ihn [den Freund] nicht (selbst) in einer Vision, sondern ich schien dort in der Nacht umherzugehen. Warum veränderte sich der Winkel meiner visuellen Wahrnehmung wie bei jemand, der herumgeht? Sah ich durch seine Augen? 44
Der Freund, der erst Monate später nach Irland kam, sagte ihm, er sei zur Zeit der Vision in Ägypten gewesen und habe auch eine Nacht bei der Sphinx und den Pyramiden verbracht. 45 Insgesamt ist die Literatur zum visuellen Perspektivenwechsel bei telepathischen Erfahrungen dünn. Im Internet finden sich einige Schilderungen. Das folgende Beispiel stammt aus dem Jahr 2008: Ich erzähle meine Geschichte, weil ich noch nichts zu diesem Thema gesehen habe, noch kann ich irgendwo etwas darüber geschrieben oder einen Namen dafür finden. Vor etwa 25 Jahren gingen ich, mein damaliger Mann und sechs seiner Cousins in diesen Nachtclub. Während wir in der Schlange standen, wurde ich ohnmächtig (ich war sehr hungrig), aber es ging mir [dann wieder] gut, also gingen wir rein. Auf dem Weg dorthin gab es eine Verlosung, also füllte ich den Losschein aus, den Namen, die Adresse usw., dann setzten wir uns hin. Das nächste, an das ich mich erinnere, ist, dass alles schwarz wurde. Ich fühlte meine Augen, ich spürte, wie sie sich öffneten, dann schaute ich plötzlich auf die Hände eines Mannes herab, mit seinen Augen. Er hob ein Papier auf und ich sah, dass es mein Name und meine Adresse war, dann konnte ich wieder durch meine eigenen Augen sehen. Ich wandte mich an meinen Mann und sagte: »Oh nein, ich werde diesen Wettbewerb gewinnen, jetzt muss ich da runter gehen.« Er sah zu Tode erschrocken aus. Dann riefen sie [bei der Bekanntgabe des Gewinners] natürlich meinen Namen, und er ging sofort auf die Toilette und übergab sich. […] Ich erinnere mich, dass ich vor Jahren einen Film mit dem Titel
schon in der Art der Gegebenheit der Hinweis auf die telepathische Natur eines Erlebnisses, also seine Herkunft aus einer fremden Psyche« (Walther: Die innerseelische Seite parapsychologischer Phänomene, 410–411; vgl. auch Walther: On the psychology of telepathy, 440). 44 Russell: Candle of vision, 52. 45 Siehe Russell: Candle of vision, 52.
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Erlebnisse einer unmittelbaren Teilhabe an fremdem Erleben
»The Eyes of Laura Mars« 46 gesehen habe, in dem es um eine Frau ging, die mit den Augen einer anderen Person sehen konnte, und das ist alles, was mir je zu diesem Thema begegnet ist. 47
Telepathische Erlebnisse in veränderten Bewusstseinszuständen Bis auf das erste Beispiel fanden die telepathischen Erlebnisse eindeutig im wachen Zustand statt. Sie können auch in veränderten Bewusstseinszuständen auftreten, zum Beispiel im Traum oder während Nahtoderfahrungen. 48 Bei Berichten über letztere werden regelmäßig telepathische Episoden mit jenseitigen Personen erwähnt, 49 die allerdings kaum nachprüfbare Elemente aufweisen. Manchmal werden aber auch telepathische Erlebnisse mit irdischen Personen geschildert. Dazu ein Fallbeispiel: Der Neuropathologe George Rodonian berichtete der Nahtodforscherin Phyllis Atwater, dass er während seiner Nahtoderfahrung unter anderem in das Bewusstsein (mind) seiner Ehefrau eingedrungen sei. Sie sei dabei gewesen, eine Grabstelle für ihn auszusuchen. Als sie an dieser Grabstelle gestanden und auf sie geblickt habe, habe sie sich im Geist verschiedene Männer bildlich vorgestellt, die sie als ihren nächsten Ehemann in Betracht gezogen habe. Sie habe im Kopf eine Liste der Vor- und Nachteile dieser Männer angefertigt, um entscheiden zu können, wer am besten zu ihr passen würde. Als Rodonian aus dem Koma aufwachte, habe er ihr die Szene an der Grabstelle beschrieben, die Männer genannt, die sie als zukünftigen Ehemann in Betracht gezogen habe und auch die Liste der jeweiligen Vor- und Nachteile dieser Männer, die sie im Kopf durchgegangen sei, detailliert wiedergegeben. Atwater kommentierte, sie habe den Eindruck, als ob Rodonian sich im Bewusstsein (mind) seiner Frau befunden habe: »Er sah, was sie sah. Er sah, was sie dachte.« Die Ehefrau bestätigte seine Angaben auf Nachfrage von Atwa46 Der Spielfilm Eyes of Laura Mars stammt aus dem Jahr 1978. Die Regie führte Irvin Kershner, die Hauptfigur Laura Mars spielte Faye Dunaway. 47 mj: Seeing through another’s eyes. 48 Siehe zum Beispiel zur Traumtelepathie Behrendt: Parapsychologie, 56–58; Roe: Die Erforschung anomalistischer Träume, 144–148; Schmidt: Experimentelle Psi-Forschung, 117–118; Ullman et al.: Dream telepathy; Ullman et al.: Experimentally induced telepathic dreams; siehe zu telepathischen Erlebnissen während Nahtoderfahrungen Rivas et al. 127–133. 49 Siehe z. B. Atwater: The new children, 74; Faulstich: Das innere Land, 103; Gibson: Fingerprints of god, 110; Ring & Elsaesser-Valarino: Lessons from the light, 37.
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Erlebnisse und weitere Phänomene im Rahmen von Telepathie
ter, und auch, dass sie wegen dieses Eindringens in ihre innersten Gedanken schockiert war und deshalb ein Jahr lang nicht viel mit ihm zu tun haben wollte. 50
Verhaltensweisen und körperliche Merkmale im Zusammenhang mit Telepathie Bei Kindern, die von früheren Leben sprechen, werden oft Verhaltensweisen und körperliche Merkmale berichtet, die mit der Person des früheren Lebens übereinstimmen. Im Zusammenhang mit Telepathie zwischen Zwillingen soll Ähnliches zu beobachten gewesen sein. Zunächst ein Beispiel zu übereinstimmenden Verhaltensweisen. Eine Ms. Powles aus Pennsylvania berichtete Guy Playfair eine friedliche Episode aus dem Leben ihrer anscheinend weniger als ein Jahr alten Zwillinge: Eines Abends schliefen meine Jungs auf dem Sofa mit mir ein. Sie lagen an den beiden Enden, ich saß in der Mitte. Keiner berührte den anderen. Ich saß da so etwa zehn Minuten lang, bis ich aufschrak, als ich sie im Schlaf beobachtete. Einer bewegte einen Finger, ich drehte mich um, um den anderen zu anzuschauen und dieser bewegte den gleichen Finger. Das ging […] zehn Minuten lang so weiter – Füße, Hände, Daumen, egal welche sich bewegten, der andere tat das Gleiche. 51
Berichte über eine anscheinende Übertragung von körperlichen Empfindungen und Merkmalen existieren ebenfalls. In Playfairs Buch Twin Telepathy findet sich Beispiele aus dem Leben der Zwillinge Marta und Silvia Landa. Im Jahr 1976 habe sich die vierjährige Marta einmal die Hand an einem Bügeleisen verbrannt, wodurch sich eine große Brandblase gebildet habe. Gleichzeitig sei eine nahezu identische Blase an der gleichen Stelle der gleichen Hand bei ihrer Schwester erschienen, obwohl sich diese an einem anderen Ort, etwa fünfzehn Kilometer entfernt, aufhielt. Sie empfand einen scharfen Schmerz und wurde zum Arzt gebracht, der Wundsalbe auf die Stelle
50
E-mail von Atwater an Rivas vom 28. Juli 2015 (abgedruckt in: Rivas et al.: The self does not die, 130–132, Zitat 131). 51 Playfair: Twin telepathy, 41. Die zahlreichen von Playfair berichteten Fälle eines übereinstimmenden Verhaltens bei Zwillingen reichen bis zum Mord (siehe Playfair: Twin telepathy, 60–62).
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Erlebnisse einer unmittelbaren Teilhabe an fremdem Erleben
schmierte. 52 Derartige Spontanphänomene ereigneten sich bei den Zwillingen öfters. Es wurde daher eine Reihe parapsychologischer Tests durchgeführt. Zum Beispiel wurde bei Marta am linken Bein der Kniereflex-Test durchgeführt, worauf Silvia im Stockwerk darüber so stark mit dem linken Bein zuckte, dass ihr Vater, der bei ihr war und nicht wusste, was unten geschah, es festhalten musste. 53 In einem anderen Fall mit fünfjährigen Zwillingsmädchen holte sich das eine, K., ein schlimmes blaues Auge, als ein anderes Kind beim Trampolinspringen mit ihrer Ferse in K.s Gesicht landete. Bei der Zwillingsschwester A. schwoll das gleiche Auge offensichtlich zur selben Zeit ohne Außeneinwirkung an und wurde leicht violett, allerdings, ohne dass es schmerzte. 54
Altersabhängigkeit von Telepathie Es ist eine bislang unerklärte Beobachtung, dass Kinder, die spontan von einem früheren Leben sprechen, häufig im Alter von fünf bis sechs Jahren damit aufhören. Möglicherweise kann die Betrachtung kindlicher Telepathie etwas Licht auf dieses Rätsel werfen. Ernesto Spinelli untersuchte in seiner 1978 fertiggestellten Dissertation Human Development and Paranormal Cognition an der University of Surrey in telepathischen Experimenten eine große Anzahl Kinder und Erwachsener im Alter von drei bis siebzig Jahren. Mit drei Jahren hätten die Kinder hochsignifikante Ergebnisse erreicht. Danach habe die festgestellte telepathische Kognition rasch abgenommen bis zum Alter von acht Jahren, wo sie sich von der Zufallswahrscheinlichkeit kaum noch unterschieden habe. Spinelli fand auch eine negative Korrelation zwischen der geistigen Entwicklung der Kinder und ihren telepathischen Fähigkeiten. 55
52
Playfair: Twin telepathy, 37. Playfair: Twin telepathy, 39. 54 Playfair: Twin telepathy, 141–142; siehe weitere Fälle in Stevenson: Reincarnation and biology, 89–103. 55 Siehe Spinelli: Human development and paranormal cognition. Siehe auch ebd. 166–175 den Überblick über frühere Arbeiten zum Thema, unter anderem von J. G. van Busschbach, Nicolauda G. Louwerens und Louisa E. Rhine. 53
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Erlebnisse und weitere Phänomene im Rahmen von Telepathie
Eltern-Kind-Telepathie Telepathische Phänomene scheinen nicht gleichstark zwischen beliebigen Personen aufzutreten. Wenn eine enge Beziehung zwischen zwei Personen besteht, wie etwa zwischen Haustieren und ihren menschlichen Bezugspersonen, Ehepartnern, Verliebten, eineiigen Zwillingen oder Eltern und Kindern, werden telepathische Phänomene meines Wissens häufiger berichtet. 56 Auf die letztgenannte Konstellation möchte ich hier näher eingehen, weil dazu eine ausführliche, ergiebige Fallstudie des Psychiaters Berthold E. Schwarz existiert, die ebenfalls Hinweise auf eine Altersabhängigkeit telepathischer Leistungen von Kindern liefert. Schwarz beobachtete in den 1950er und 1960er Jahren seine beiden Kinder, Lisa und Eric, über viele Jahre hinweg in Bezug auf mögliche telepathische Episoden. 57 Im Folgenden gebe ich einige seiner Berichte über Erlebnisse mit seiner Tochter Lisa wieder, die am 24. November 1956 geboren wurde. Ähnlich wie bei Kindern, die von früheren Leben sprechen, schildern die folgenden Fallberichte nicht das Erleben der Kinder, sondern nur ihr Reden und Tun. Die erste Gruppe von Fallberichten stammt aus der Zeit, in der Lisa zwischen einem Jahr und zehn Monaten und zwei Jahren und acht Monaten alt war. Die oft erwähnte Ardis ist die Ehefrau von Schwarz und die Mutter von Lisa. 12. Oktober 1958, Sonntag. Ich sprach mit Ardis über den Kauf einiger kleiner Plastikbehälter, in denen sie Essensreste aufbewahren konnte. Obwohl ich es nicht sagte, dachte ich, dass ihre ziemlich großen Behälter nur für den Nachtisch, Jello, die geeignete Größe hätten. In der Sekunde, in der mir dieser Gedanke kam, schrie Lisa »Jello, Jello!« 58 20. Oktober 1958, Montag 17:00 Uhr. Ich ging in die Küche und fühlte mich ziemlich ausgelassen und dachte, ich könnte den Clown spielen, indem ich Lisa einen Nijinsky-artigen Beinschlag (kick) zeigte. Bevor ich ihn jedoch vorführen konnte, begann sie Beinschläge zu machen (started to kick) und ein wenig zu tanzen. Sie hatte das vorher noch nie gemacht. 59 27. Dezember 1958, Samstag, 12:05 Uhr. Ardis war ratlos. Unsere normale Babysitterin musste sich um ihren außer Gefecht gesetzten Ehemann kümmern, und wegen der Ferienzeit war es schwierig, einen Ersatz-Baby56
Siehe dazu ausführlich Sheldrake: Der siebte Sinn des Menschen, 34–166, und die dort zitierte Literatur. 57 Schwarz: Parent-child-telepathy. 58 Schwarz: Parent-child-telepathy, 24. 59 Schwarz: Parent-child-telepathy, 24.
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Erlebnisse einer unmittelbaren Teilhabe an fremdem Erleben
sitter für nur eine Nacht zu finden. Früher hatte Ardis einmal den Namen einer Frau gehört, den sie sich in diesem Moment gerade still in Erinnerung rief, bevor sie zum Telefon griff. Genau zu diesem Zeitpunkt begann Lisa zu sagen: »Mrs. Axwell, Mrs. Axwell«, den Namen der Babysitterin. Lisa hatte diese Babysitterin nie kennen gelernt, und falls ihr Name jemals in Lisas Gegenwart erwähnt worden sein sollte, wäre das viele Monate zuvor gewesen. 60 28. März 1959, Samstag. Ardis dachte: »Ich muss mir die Haare frisieren lassen.« Lisa platzte unmittelbar nach Ardis’ Gedanken mit genau diesen Worten in Bezug auf sich selbst heraus. 61 21. April 1959, Dienstag. Als Ardis dachte: »Warum hing die weiße Schürze im hinteren Vestibül?«, sprach Lisa diese Worte aus. In diesem Moment war Ardis in der Küche und mit anderen Dingen beschäftigt. Die Schürze hatte den ganzen Tag im Vestibül gehangen, und niemand hatte etwas über sie gesagt, bis Ardis über sie nachdachte und Lisa ihre Äußerung machte. 62 8. Juli 1959, Mittwoch, 9:00 Uhr. Als ich Lisa an der Hand die Treppe hinunter geleitete, dachte ich daran, den Hybridmais zu »bestrahlen«. Dies war Teil einer Kontrolle in einigen Experimenten, die zu dieser Zeit durchgeführt wurden. Gleichzeitig mit diesem Gedanken sagte Lisa: »Strahlung, Strahlung.« Obwohl sie das in der Vergangenheit gesehen hatte, verstand sie die Bedeutung dieses Wortes nicht, und abgesehen von meinem stillen Gedanken gab es keinen erkennbaren Grund, warum sie das hätte sagen sollen. 63 21. Juli 1959, Dienstag, 18:00 Uhr. Ich machte nach dem Abendessen mit Lisa einen Spaziergang im Garten hinterm Haus. Als ich den Hügel hinunterging und sie an ihrer Hand hielt, bemerkte ich ein paar vereinzelte Blätter auf der Erde unter den Birn- und Apfelbäumen. Der Gedanke kam mir in den Sinn: »Ich frage mich, ob der Birnbaum sterben wird, wenn diese Blätter herunterkommen?« Lisa wiederholte dann mündlich die gleichen Worte. Als ich sie fragte, warum sie das dachte, sagte sie: »Mami hat das gesagt.« Ich habe später mit Ardis gesprochen, die sagte, dass sie den Birnbaum oder andere Bäume gegenüber Lisa nie kommentiert hat. 64
Lisa zeigt spontane Äußerungen und Verhaltensweisen, die von Schwarz als Anzeichen einer telepathischen Verbindung mit ihren Eltern gedeutet werden. Sie spricht anscheinend öfters wörtlich Gedanken der Erwachsenen aus, auch ihr kaum oder gar nicht bekannte Worte einschließlich Nachnamen (»Ms. Axwell«). Außerdem ist be60 61 62 63 64
Schwarz: Parent-child-telepathy, 24. Schwarz: Parent-child-telepathy, 26. Schwarz: Parent-child-telepathy, 26. Schwarz: Parent-child-telepathy, 27–28. Schwarz: Parent-child-telepathy, 28.
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Erlebnisse und weitere Phänomene im Rahmen von Telepathie
merkenswert, dass Lisas Äußerungen manchmal zeitgleich mit den Gedanken der Eltern zu erfolgen scheinen. Später werden die telepathischen Bezüge indirekter und komplizierter, was sich auch in der wachsenden Durchschnittslänge der Berichte über telepathische Episoden in Schwarz’ Buch niederschlägt. Ich zitiere zwei Beispiele aus der Zeit, in der Lisa knapp neun Jahre alt ist. Zunächst ein für diese Altersphase sehr kurzer Bericht: 30. Oktober 1965, Samstag, 17:20 Uhr. Auf der Fahrt zum Haus sinnierte Ardis: »Wir leben wirklich in einem großen Haus, das viel Arbeit macht. Das Haus wurde um die Jahrhundertwende gebaut, als es viele Diener gab und ein günstiges Leben möglich war. Jetzt machen Bert und ich alles in unserem großen Haus.« Lisa schwang sich in die Träumerei ihrer Mutter ein mit den Worten: »Es ist schon lange, lange her, und es gab Diener, die die Kutsche vor das Haus brachten und den Leuten beim Ein- und Aussteigen halfen.« 65 5. November 1965, Freitag, 18:00 Uhr. Ich war an meinem Schreibtisch und suchte nach einem verlegten Papier. Lisa huschte in meinem Büro ein und aus. Als sie gerade nicht im Zimmer war, dachte ich: »Hmm, ich hätte sicher gerne einen schönen Whiskey und Soda, aber ich bin mitten in der Arbeit und möchte meinen Gedankengang nicht unterbrechen, indem ich sie mir selbst hole.« Ich schwankte kurz zwischen der Vorstellung, wie schön es wäre, wenn Lisa das für mich tun könnte, da sie sowieso in meinem Büro aus- und eingeht, und: »Das ist eine höchst unvernünftige Bitte; ich würde nie ein Kind um so etwas bitten. Es ist als Vorbild schlimm genug, dass ich in ihrer Gegenwart trinke. Ich weise die Heuchelei der Kindercocktails von ganzem Herzen zurück.« (In Restaurants, in denen den Eltern Schnaps serviert wird, schlägt der Kellner immer einen Kindercocktail vor: Ginger Ale und eine Kirsche für die Minderjährigen). Kaum hatte mein Gewissen diese Frage entschieden, da kam Lisa wieder ins Zimmer und sagte: »Daddy, kann ich einen Tee haben?« Diese Bitte war für Lisa ungewöhnlich, denn nur selten bittet sie um Tee oder Kaffee (mit Milch), und wenn, dann fragt sie immer ihre Mutter (die gerade in der Küche war und das Essen vorbereitet hat) und nie ihren Vater. Könnte es sein, dass Lisas Gewissen, das sich noch in der Entwicklung befand, um ein besonderes Zugeständnis von mir (Tee) bat, ein Zugeständnis, das ich mir selbst nicht gewähren würde (Whisky und Soda). Unsere Ansichten kreuzten sich und die Vernunft setzte sich durch. 66
Die berichteten telepathischen Leistungen in der frühen Kindheit wirken unmittelbarer und präziser. Wer nicht so sehr darauf geachtet 65 66
Schwarz: Parent-child-telepathy, 186. Schwarz: Parent-child-telepathy, 188.
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Erlebnisse einer unmittelbaren Teilhabe an fremdem Erleben
hätte wie Schwarz, hätte die letztzitierte telepathische Episode der älteren Lisa vielleicht auch übersehen können. Wie im Fall von Kindern, die von früheren Leben sprechen, scheint das Phänomen im Alter von zwei bis drei Jahren prägnanter zu sein als mit acht oder neun Jahren.
Telepathie, frühkindliches Bewusstsein und geistige Entwicklung Spinelli fand, wie erwähnt, bei Kindern eine negative Korrelation zwischen geistiger Entwicklung und Telepathiefähigkeiten. Die Anekdoten von Schwarz deuten in dieselbe Richtung. Ein frühkindliches Bewusstsein könnte also für eine Teilhabe an fremdem Bewusstsein offener sein als das normale Bewusstsein eines Erwachsenen. Bei Erwachsenen scheint eine gezielte Leerung des Bewusstseins der Erzielung telepathischer Leistungen förderlich zu sein. So beschrieb der 1852 geborene brasilianische ›Gedankenleser‹ Georges Ninoff seine Vorbereitung für telepathische Experimente: Man darf nicht glauben, daß ich zu jeder Stunde des Tages und ohne Vorbereitung in den Gedanken des Erstbesten lesen könnte. Nein! Bevor ich ein Experiment versuche, muß ich mich in gewisser Weise innerlich leeren (que je me vide), tabula rasa machen in meinem Geist, in meinem Willen. An solchen Tagen esse und trinke ich nicht; die Verdauung würde alles stören. Noch mehr, je m’annihile, ich bemühe mich – der Ausdruck ist bizarr, aber es ist in der Tat so – meinen Willen kraft meines Willens zu töten (de tuer ma volonté à force de volonté). Ich tue, alles in allem, was die Fakire tun: mein Gehirn wird so ein untätiges, eindrucksfähiges Ding (une chose inerte et malléable), auf das sich die fremden Willensregungen eindrücken. 67
Vielleicht versuchte Ninoff also, seinen Geist in einen Zustand zu versetzen, der dem kleinkindlichen Zustand ähnlich ist. Die Vermutung liegt nahe, dass auch geistig eingeschränkte Personen, deren Bewusstsein dem eines kleinen Kindes gleicht, besondere telepathische Leistungen zeigen könnten. 68 Marcelle de Thy beschrieb zahlreiche Fälle mutmaßlicher Telepathie mit ihrem geistig behinderten Bruder Robert de Thy, der im Alter von fünfundvierzig Jahren kognitiv auf dem Stand eines Kleinkindes von achtzehn Monaten gewesen
67 68
Mery: Un liseur de pensées, 719. So etwa Wassiliew: Experimentelle Untersuchungen zur Mentalsuggestion, 143.
168 https://doi.org/10.5771/9783495823637 .
Erlebnisse im Rahmen medialer Erfahrungen
sei. Robert habe wörtlich Eigennamen und Wortsequenzen ausgesprochen, die seine Schwester nur gedacht hatte. 69
Erlebnisse im Rahmen medialer Erfahrungen Erlebnis einer Kommunikation mit Verstorbenen Bei medialen Erfahrungen, wie ich sie hier verstehe, hat der Experiencer den Eindruck, dass er mit dem aktuellen Bewusstsein einer jenseitigen Person verbunden ist und diese mit ihr mental kommuniziert und mentale Eindrücke vermittelt. Ein Experiencer sagte: »Es fühlt sich so an, als ob jemand mit mir spricht«, und kontrastierte dies mit sogenannten psychic experiences, also mit hellseherischen Erfahrungen, bei denen diese Kommunikation fehle und es nur um die Gewinnung von »Information über jemanden« gehe. 70
Zwei Aspekte medialer Erfahrungen Bei medialen Erfahrungen kann für den Experiencer oft der Eindruck entstehen, am Erleben einer jenseitigen Person unmittelbar teilzunehmen. Hier können zwei verschiedene Aspekte unterschieden werden. Der Experiencer kann zum einen die Empfindung haben, er verschmelze bis zu einem gewissen Grad mit dem aktuellen Fühlen und Denken der jenseitigen Person. Es heißt dann zum Beispiel: »Nichts musste gesagt werden – unsere Seelen [spirits] verbanden sich einfach.« 71 An anderer Stelle habe ich dieses Erleben ausführlich behandelt. 72 Der Experiencer kann aber auch den Eindruck gewinnen, er nehme, obwohl er sich aktuell mit der verstorbenen Person verbunden fühlt, an deren vergangenem irdischen Erleben teil. Wegen 69
Siehe de Thy: Télépathie et déficience mentale. Beischel et al.: Quantitative and qualitative analyses of mediumistic and psychic experiences, 57. 71 Guggenheim & Guggenheim: Trost aus dem Jenseits, 28. Eine ähnliche Unmittelbarkeit kann Berichten nach auch mit jenseitigen Personen erlebt werden, die nicht unbedingt als Verstorbene wahrgenommen werden, wie etwa mit Lichtwesen in einer Nahtoderfahrung (siehe z. B. Storm: My descent into death, 25–29. 72 Siehe Schwenke: Transzendente Begegnungen, 81–135, 196. 70
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Erlebnisse einer unmittelbaren Teilhabe an fremdem Erleben
der Empfindung der Präsenz der verstorbenen Person dürfte es für den Experiencer klar sein, dass es sich bei seinem erinnerungsartigen Erleben vergangener irdischer Erlebnisse nicht um ein Wiedererleben eigener Erlebnisse aus einer früheren Inkarnation handelt.
Eintauchen in das Erleben Verstorbener bei mentalen Medien Die unmittelbare Teilnahme am vergangenen irdischen Erleben einer als präsent wahrgenommenen verstorbenen Person ist nach Berichten typisch für sogenannte mentale Medien. Darunter verstehe ich hier mit Julie Beischel und Nancy Zingrone Personen, die »die Erfahrung einer regelmäßigen Kommunikation mit Verstorbenen berichten«. 73 Derartige Medien haben den Eindruck, dass die Verstorbenen sie oft an Erlebnissen aus der Zeit ihres Erdenlebens teilhaben lassen, um etwa dem Empfänger der Botschaft des Mediums ihre Identität oder die Umstände ihres Todes zu verdeutlichen. Mediale Erlebnisberichte sind allerdings selten, weil es den Medien eher um die Korrektheit der übermittelten Informationen über den Verstorbenen geht als um die Schilderung des eigenen Erlebens. Ich führe zwei einfache Beispiele an. James van Praagh, ein bekanntes US-amerikanisches mentales Medium, beschreibt in seiner Autobiographie, wie er einmal in seiner medialen Wahrnehmung eine Person an einer sehr großen und dicken Eiche hinter ihrem Elternhaus mithilfe einer Leiter hochklettern sah: »Da spürte ich plötzlich, wie sich mir die Kehle zuschnürte und ich konnte nicht mehr atmen.« Der Verstorbene, um den es ging, hatte sich an dem betreffenden Baum erhängt. 74 In einem anderen Fall schildert van Praagh, wie er die Gegenwart einer verstorbenen Person spürte und dabei visuelle Eindrücke verschiedener Plätze in einem Haus hatte. Er nannte auch den Namen dieser Person, Charlie. Die Empfängerin der Botschaft identifizierte die Person als ihren verstorbenen Hund Charlie. Van Praagh zu seinen visuellen Eindrücken: »Es war mir seltsam vorgekommen, alles von so weit unten zu sehen, aber jetzt verstehe ich, weshalb: Ich sehe alles mit Charlies Augen.« 75 Er beschreibt hier also auch das Eintauchen in das Erleben nichtmenschlicher Lebewesen. Beruflich tätige Medien 73 74 75
Beischel & Zingrone: Mental mediumship, 302. van Praagh: Und der Himmel tat sich auf, 151. van Praagh: Und der Himmel tat sich auf, 181.
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Erlebnisse im Rahmen einer hellseherischen Rückschau
wie van Praagh haben nach eigenem Bekunden Kontakte zu Tausenden von Verstorbenen, die in den letzten Jahrzehnten oder Jahrhunderten auf der Erde lebten. Deren Lebensdaten müssen sich zwangsläufig überschneiden. Das ist ein einleuchtender Grund, derartige Erlebnisse nicht als Erinnerungen an eigene frühere Leben anzusehen.
Ähnlichkeit mit Erfahrungen früherer Leben? Das Empfinden der Präsenz einer jenseitigen Person ist bei manchen medialen Erlebnissen schwach ausgeprägt. Das Erleben hat dann eher den Charakter einer Rückschau, in der man sich mit dem Protagonisten der Szene identifiziert. 76 Die Ähnlichkeit mit einer Erfahrung früherer Leben kann dabei anscheinend groß sein. David Fontana schrieb, Medien, mit denen er zusammengearbeitet habe, hätten ihm erklärt, unerfahrene Personen könnten bei medialen Erfahrungen häufig auf den Gedanken kommen, es handele sich um Details aus ihrem eigenen früheren Leben und nicht um Eindrücke aus dem Geist einer verstorbenen Person. 77 Die Tatsache, dass derartige Erlebnisse phänomenologisch kaum von eigenen Erinnerungen zu unterscheiden sind, trägt vermutlich dazu bei, dass selbst erfahrene Medien oft in Ichform über die Erlebnisse der verstorbenen Person reden, mit der sie in Kontakt zu stehen glauben, obwohl sie überzeugt sind, dass sie nicht mit ihr identisch sind. 78
Erlebnisse im Rahmen einer hellseherischen Rückschau Identifikation mit Personen aus der Vergangenheit Bei der bereits oben besprochenen Rückschau 79 kann es nicht nur zu einem visionären Erleben von vergangenen Szenen kommen, wie es oben bereits geschildert wurde, sondern auch zu einer temporären Identifikation mit Personen aus der Vergangenheit. Der Hellseher 76 77 78 79
Siehe unten S. 171. Siehe Fontana: Is there an afterlife?, 441. So auch Stevenson: Reinkarnation, 364. Siehe oben S. 139.
171 https://doi.org/10.5771/9783495823637 .
Erlebnisse einer unmittelbaren Teilhabe an fremdem Erleben
Alexis Didier (1826–1886) 80 versuchte dieses Erleben zu beschreiben. Ausgelöst zum Beispiel durch das Berühren einer Haarlocke oder eines Briefes könne er in eine »direkte Gemeinschaft« mit anderen (fremden, nicht anwesenden) Personen treten. In diesem Zustand »leben sie ihr Leben in mir, fühle ich mich ihren Schmerz erleiden, genieße ihre Freude, liebe ihre Liebe; meine Seele, befreit von den Fesseln des Fleisches, berührt sie und vereinigt sich im Geist mit ihnen«. 81 Diese Erfahrung könne sich auf eine beliebige Zeit im Leben dieser Person beziehen. Seine Wahrnehmung werde nicht durch die »Hindernisse der Zeit und des Raumes eingeschränkt«. 82 Detaillierte Erlebnisberichte für diese Erfahrungsform konnte ich jedoch nicht finden. 83 Den Andeutungen Didiers können wir aber entnehmen, dass es bei dieser hellseherischen Identifikation nicht – wie bei idealtypischen medialen Erfahrungen – zum Erlebnis einer mentalen Kommunikation mit einer verstorbenen Person kommt.
Exkurs: Räumliches Hellsehen Neben dem Hellsehen in die Vergangenheit wird von Alexis Didier auch das Hellsehen in die räumliche Ferne berichtet. Diese Facette seiner mutmaßlichen hellseherischen Leistungen ist ebenfalls für die Beurteilung der Fälle der Kinder, die spontan von früheren Leben sprechen, von Bedeutung. Nicht selten werden deren Kenntnisse von der häuslichen Umgebung der Person des früheren Lebens als Beleg dafür angesehen, dass sie diese Person waren. Aber das Ausmaß und die Detailliertheit ihres ungewöhnlichen Wissens über fremde Örtlichkeiten geht kaum über das hinaus, was in dieser Hinsicht von Didier überliefert wurde. Als Beispiel sei der Bericht des Reverend Chauncey Hare Townshend (1798–1868) über seine Befragung von Didier zitiert. Dieser befand sich bei seiner Schau in Trance: Sobald M. Marcillet fort war, begann ich mit der Prüfung des Hellsehens von Alexis, was das Sehen von weit entfernten Orten betrifft. Ich fragte ihn, 80
Zu Didiers paranormalen Leistungen siehe Podmore: The newer spiritualism, 153– 156. 81 Didier: Sommeil magnetique, 20. 82 Didier: Sommeil magnetique, 72–73. 83 Siehe kurze Berichte in Tenhaeff: Der Blick in die Zukunft, 210–211. Tenhaeff spricht hier von ›retroskopischer Identifikation‹.
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Erlebnisse im Rahmen einer hellseherischen Rückschau
ob er mein Haus (in Gedanken) besuchen würde. Er fragte sofort: »Welches? denn Sie haben zwei! Sie haben ein Haus in London und eines auf dem Land. Zu welchem soll ich zuerst gehen?« Ich sagte: »Zum Haus auf dem Land.« Nach einer Pause sagte Alexis: »Ich bin da!« […] »Nun«, fragte ich, »was sehen Sie?« »Ich verstehe«, sagte er, »ein Haus von mittlerer Erscheinung. Es ist ein Haus, kein Schloss. Es gibt einen Garten drum herum. Auf der linken Seite befindet sich ein kleineres Haus auf dem Grundstück«. […] Ich selbst war überrascht über die Genauigkeit der Beschreibung meines Hauses in der Nähe von Lausanne, insbesondere bei der Erwähnung des kleinen Hauses auf der linken Seite, in dem nach Schweizer Brauch meine Vermieterin wohnt. […] »Nun«, sagte ich zu Alexis, »welchen Ausblick haben Sie?« »Wasser, Wasser!« sagte er rasch, als ob er den [Genfer] See sähe, der sich tatsächlich vor meinen Fenstern ausbreitet. Dann: »Gegenüber dem Haus stehen Bäume« (alles wahr). »Nun«, sagte ich, »wir gehen jetzt in den Salon. Was sehen Sie?« Er schaute sich um und sagte [(…)]: »Sie haben eine ganze Menge Gemälde an den Wänden. Doch nun, das ist das merkwürdig, sie sind alle modern, außer zweien.« »Und diese beiden«, sagte ich, »können Sie die Themen sehen?« »Oh ja! Das eine ist ein Seestück; das andere ist ein religiöses Sujet«. Ich fühlte wirklich eine Art Schauder angesichts dieser extremen Präzision. Wie war ich dann [erst] erstaunt, als Alexis anfing, das religiöse Sujet – ein Bild, das ich erst kürzlich von einem italienischen Flüchtling gekauft und das viele auffällige Besonderheiten hatte – genau zu beschreiben. Er sagte sofort: »Es sind drei Figuren auf dem Bild – ein alter Mann, eine Frau und ein Kind. Kann die Frau die Jungfrau [Maria] sein? (fragte er sich sinnend.) Nein! sie ist zu alt! (fuhr er fort, seine eigene Frage beantwortend, während ich vollkommen still blieb.) Die Frau hat ein Buch auf dem Schoß und das Kind zeigt mit dem Finger auf etwas in dem Buch! Da ist ein Spinnrocken in der Ecke.« Tatsächlich stellte das Bild die heilige Anna da, die [ihrer Tochter,] der Jungfrau [Maria] das Lesen beibrachte, und jede Einzelheit bezüglich des Bildes war korrekt. 84
In dieser Art ging es weiter, auch hinsichtlich des anderen Hauses von Townshend und anderer Aufgaben, die Townshend Didier stellte. 85
84 85
Townshend: Recent clairvoyance of Alexis Didier, 405–406. Siehe Townshend: Recent clairvoyance of Alexis Didier, 406–407.
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Erlebnisse einer unmittelbaren Teilhabe an fremdem Erleben
Erlebnisse und weitere Phänomene nach Herztransplantationen Kindliche Alpträume Organtransplantationen, insbesondere Herztransplantationen, können anscheinend ebenfalls das Erlebnis einer Teilhabe am Erleben einer verstorbenen Person zur Folge haben. Eine Psychiaterin berichtete den folgenden Fall: Ich habe eine Patientin, ein achtjähriges Mädchen, der das Herz eines zehn Jahre alten ermordeten Mädchens implantiert wurde. Die Mutter brachte die Kleine zu mir, als sie nachts im Schlaf zu schreien begann, weil sie von dem Mann träumte, der ihre Organspenderin umgebracht hatte. Die Mutter war überzeugt, daß ihre Tochter den Mörder kannte. Nach mehreren Sitzungen gelangte ich ebenfalls zu der Ansicht, daß an der Sache etwas dran sein müsse. Ihre Mutter und ich beschlossen, die Polizei einzuschalten, und anhand der Beschreibung des kleinen Mädchens konnte der Mörder gefaßt werden. Die Beweise, die meine Patientin lieferte, waren so hiebund stichfest, daß der Mann problemlos überführt und verurteilt wurde. Tatzeit, Tatwaffe, Tatort, die Kleidung, die er trug, was sein Opfer zu ihm gesagt hatte … alle Angaben der kleinen Herztransplantatempfängerin erwiesen sich als hundertprozentig zutreffend. 86
Die Erwähnung von Alpträumen legt nahe, dass das Mädchen mit dem Spenderherz nicht nur über ungewöhnliche Informationen über den Mord an ihrer Spenderin verfügte, sondern auch entsprechende Erlebnisse hatte. Bemerkenswert sind die anscheinend verifizierbaren Aussagen über den Mörder und den Mord, die in der Genauigkeit den Aussagen von kleinen Kindern, die von früheren Leben sprechen, nicht nachzustehen scheinen.
Ungewöhnliches Wissen und Übernahme von Verhaltensweisen und körperlichen Merkmalen bei einem Kind Ähnlich wie Kinder, die spontan von früheren Leben sprechen, oft nicht nur ein ungewöhnliches Wissen, sondern auch Verhaltensweisen und körperliche Merkmale besitzen, die mit der Person des früheren Lebens in Zusammenhang gebracht werden können, zeigen 86
Pearsall: Heilung aus dem Herzen, 29.
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Erlebnisse und weitere Phänomene nach Herztransplantationen
anscheinend auch Herztransplantatempfänger manchmal Verhaltensweisen, ungewöhnliches Wissen und sogar körperliche Merkmale mit einem möglichen Bezug zum Spender, wie im folgenden Fall: Bei dem Spender handelte es sich um einen sechzehn Monate alten Jungen, der in einer Badewanne ertrank. Der Empfänger war ein sieben Monate alter Junge mit der Diagnose Fallot-Tetralogie (erbliche Herzfehlbildung mit vier Defekten: Loch in der Ventrikelscheidewand, Verlagerung der Aorta, Verengung des Ausgangs der rechten Herzkammer zur Lunge und Verdickung der Muskulatur der rechten Herzkammer). Die Mutter des Spenders ist Ärztin: »[…] Als Carter [der Empfänger] mich zum ersten Mal [mit sechs Jahren] sah, rannte er zu mir und drückte seine Nase gegen mich und rieb und rieb sie. Es war genau das, was wir mit Jerry getan hatten. […] Carter sagte die gleichen Babysprache-Wörter, die Jerry benutzte. Carter ist sechs, aber er sprach Jerrys Babysprache und spielte mit meiner Nase genau wie Jerry. Wir blieben an diesem Abend bei der (Empfängerfamilie). Mitten in der Nacht kam Carter herein und fragte, ob er bei meinem Mann und mir schlafen könnte. Er kuschelte sich zwischen uns, genauso wie Jerry es tat, und wir begannen zu weinen. Carter sagte uns, wir sollten nicht weinen, weil Jerry sagte, alles sei in Ordnung. Mein Mann, ich, unsere Eltern und diejenigen, die Jerry wirklich kannten, haben keine Zweifel. Das Herz unseres Sohnes enthält viel von unserem Sohn und schlägt in Carters Brust. In gewisser Hinsicht ist unser Sohn noch am Leben.« Die Mutter des Empfängers berichtete: »Ich sah, wie Carter zu ihr [der Mutter des Spenders] ging. Er hat das [sonst] nie gemacht. Er ist sehr, sehr schüchtern, aber er ging zu ihr gerade so wie er immer zu mir gelaufen kam, als er noch ein Baby war. Als er flüsterte: ›Es ist in Ordnung, Mama‹, brach ich zusammen. Er nannte sie Mutter, oder vielleicht war es Jerrys Herz, das sprach. Und noch eine Sache, die uns an die Nieren ging: Wir erfuhren im Gespräch mit Jerrys Mutter, dass Jerry eine leichte zerebrale Lähmung vor allem auf der linken Seite hatte. Carter hat eine Steifheit und etwas Zittern auf derselben Seite. Er hatte es als Baby nicht. Es tauchte erst nach der Transplantation auf. […] Noch eine Sache, über die ich gerne etwas wissen möchte. Als wir zusammen in die Kirche gingen, hatte Carter Jerrys Vater noch nie gesehen. Wir kamen spät, und Jerrys Vater saß mit einer Gruppe von Leuten in der Mitte der Gemeinde. Carter ließ meine Hand los und lief direkt zu diesem Mann. Er kletterte auf seinen Schoß, umarmte ihn und sagte ›Daddy‹. Wir waren entgeistert. Wie konnte er ihn kennen? Warum nannte er ihn Papa? Er hat so etwas nie getan. Er würde nie meine Hand loslassen und zu einem Fremden laufen. Als ich fragte, warum er es getan hat, sagte er, dass er es nicht getan hat. Er sagte, Jerry habe es getan und sei mit ihm gegangen.« 87 87
Pearsall et al.: Changes in heart transplant recipients.
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Erlebnisse einer unmittelbaren Teilhabe an fremdem Erleben
Übernahme von Verhaltensweisen bei älteren Personen Verhaltensweisen, die im Zusammenhang mit dem Spender zu stehen scheinen, sind auch bei älteren Herztransplantatempfängern zu beobachten. Dazu zwei Beispiele. Ein junger Herztransplantatempfänger sagte als erstes nach der Narkose »alles paletti« und benutzte den Ausdruck auch fortan; früher hatte er ihn nie benutzt. Für den Spender war er hingegen ein wichtiges Codewort in der Kommunikation mit seiner Frau gewesen. Der Empfänger war vor der Operation gesundheitsbewusster Vegetarier und Heavy-Metal-Fan, jetzt war er – ganz wie der Herzspender – »ganz versessen auf Fleisch und fettreiche Nahrung«. Er bevorzugte Rock ’n’ Roll aus den Fünfzigern; der Spender hatte in seiner Studentenzeit in einer Rock-’n’-Roll-Band gespielt. 88 In einem anderen Fall erhielt ein 52jähriger Mann das Herz eines 17jährigen und sagte dazu: »Bevor ich das neue Herz bekam, habe ich klassische Musik geliebt. Jetzt setze ich Kopfhörer auf, drehe die Stereoanlage voll auf und spiele laute Rock ’n’ Roll-Musik. Ich liebe meine Frau, aber dauernd spuken mir Mädels im Teenageralter im Kopf herum. Meine Tochter meint, ich […] würde mich aufführen wie ein 16jähriger.« Seine Tochter kommentierte die Persönlichkeitsveränderung ihres Vaters: »Manchmal ist es richtig peinlich. Wenn meine Freunde mich besuchen, erkundigen sie sich, ob mein Vater in die zweite Kindheit kommt. Er ist verrückt nach lauter Musik«. 89
Erlebnisse im Rahmen von Tierkommunikation Definition Ein Eintauchen in das Erleben anderer wird auch aus der sogenannten Tierkommunikation berichtet. 90 Darunter wird eine rein mentale Kommunikation zwischen Mensch und (nichtmenschlichem) Tier ohne Hilfe der physischen Wahrnehmung verstanden. Der menschliche Kommunikator befindet sich dabei im Wachzustand. Tierkom88
Pearsall: Heilung aus dem Herzen, 141–142. Pearsall: Heilung aus dem Herzen, 163; siehe weitere Fälle ebd. 160–164. 90 Siehe z. B. Kinkade: Straight from the horse’s mouth; Smith: Animal talk; Williams: Learning their language. 89
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Erlebnisse im Rahmen von Tierkommunikation
munikation soll mit diesseitigen, hier auf der Erde lebenden wie auch mit jenseitigen, verstorbenen Tieren möglich sein.
Zwei Fallbeispiele Einen Fall der letzteren Art haben wir bereits kennengelernt. 91 Deshalb führe ich hier zwei Berichte über Erlebnisse mit einem (noch auf der Erde) lebenden Tier an. Im ersten wird die Übernahme der visuellen Perspektive eines Katers durch Julie Barone während eines Tierkommunikationsseminars geschildert: Nach der Meditation machten wir eine Übung, bei der Amelia [Kinkade] wollte, dass wir uns ein Foto anschauten. Ich tauschte Fotos mit der Dame neben mir aus. Ich schaute mir Sergio, den Kater, an. Ich konzentrierte mich auf sein Gesicht und schloss meine Augen. Ich stellte mir vor, wie ich Sergio die blaue Kugel aus Licht übermittelte. Plötzlich konnte ich in ein Zimmer schauen, so als würde ich aus Sergios Augen sehen! Ich hatte das Gefühl, ich besäße Schnurrhaare! Ich konnte deutlich alles sehen, was Sergio sah, als er den Kopf drehte. Ich fragte ihn, ob ihn etwas störte, und er zeigte mir ein Klavier, auf dem ein weißes Tuch lag. Ich fragte ihn, ob es der Klang des Klaviers sei, den er nicht mochte, und er sagte: »Nein, es ist das Tuch. Es ist zu rutschig, wenn ich auf das Klavier springe.« Ich fragte ihn, was er gerne essen möchte. »Mehr kleine gelbe Vögel«, antwortete er, »und mehr Dosenfutter. Das knusprige Zeug tut meinen Zähnen weh«. Ich fragte ihn, ob er jemanden vermisse und ich bekam den Eindruck, dass eine orangefarbene Katze in seinem Leben fehlte. Er sagte auch, er wolle öfter nach draußen gehen, so wie früher. Drinnen sei es zu langweilig. Ich habe das alles meinem Partner gemeldet, und es stellte sich heraus, dass alles stimmte! Sergio pflegte nach draußen zu gehen, um gelbe Finken [Goldzeisige] zu fressen, bis seine Besitzerin ein Gehege baute, um die Katzen von den Vögeln fernzuhalten. Und sie hatte einen Flügel mit einem weißen Tuch drauf! Das Tuch lag oft auf dem Boden, wenn sie nach Hause kam, und Sergio liebte es, dort oben auf dem Klavier zu sitzen. Die orangefarbene Katze war sein Bruder, der ihn seit einigen Wochen zu Gunsten anderer Katzen im Haus ignorierte. 92
Im zweiten Beispiel geht es ebenfalls um eine Hauskatze. Die Tierärztin und Tierkommunikatorin Angelika Güldenstein berichtete mir von einem Fall, in dem eine Frau ihre Katze vermisste und sich des91 92
Siehe oben S. 170. Kinkade: Language of miracles, 42.
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Erlebnisse einer unmittelbaren Teilhabe an fremdem Erleben
halb an sie wandte. Sie habe versucht, sich geistig mit dieser Katze zu verbinden und dabei den Eindruck erhalten, sie selbst befinde sich in einem Keller, schaue auf Holzlatten, wie man sie zur Abtrennung der Kellerabteile in Mehrfamilienhäusern kennt, und sehe so etwas wie Schlittschuhe, die frei von der Decke über ihr herunterhängen. Sie habe dazu auch körperliche und gefühlsmäßige Empfindungen gehabt, insbesondere den Eindruck, in eine Ecke gedrückt zu hocken, hochzuschauen und verängstigt zu sein. Durch diese Beschreibung veranlasst schaute die Halterin (noch einmal) in einem bestimmten Kellerabteil nach und konnte die Katze dort finden.
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Erinnerungen an eigene frühere Leben oder Teilhabe an fremdem Erleben?
Einleitung In phänomenologischer Hinsicht haben die präsentierten Erlebnisse einer unmittelbaren Teilhabe an fremdem Erleben viele Gemeinsamkeiten mit Erfahrungen früherer Leben. Bei beiden Erlebnisformen können die Experiencer die Perspektive einer Person mit einem anderen physischen Körper einnehmen und das Gefühl der Identität mit dieser Person haben. Wenn sie am Erleben dieser Person teilzunehmen scheinen, können sie auch einen Perspektivenwechsel oder simultane Multiperspektivität erleben. So wie diejenigen, die Erfahrungen früherer Leben machen, ähnliche körperliche Merkmale und Verhaltensweisen wie die Person des früheren Lebens zeigen können, so können Personen, die Erlebnisse einer Teilhabe an fremdem Erleben haben, körperliche Merkmale und Verhaltensweisen der Subjekte des fremden Erlebens aufweisen. Aus phänomenologischer Sicht könnten Erfahrungen früherer Leben durchaus als eine besondere Form der Teilhabe an fremdem Erleben aufgefasst werden. Aber wäre diese Interpretation tatsächlich besser als die Reinkarnationsdeutung mit der Gesamtheit der Befunde vereinbar? Das ist die Grundfrage, der ich in diesem Kapitel nachgehen werde. Daneben werde ich allerdings auch andere Ansätze zur Erklärung von Erfahrungen früherer Leben besprechen. Es erscheint mir sinnvoll, die Fälle kleiner Kinder, die spontan von einem früheren Leben sprechen, und die Fälle von Personen, die erst in späterem Alter über spontane oder induzierte Erfahrungen früherer Leben verfügen, getrennt zu diskutieren. Die Unterschiede zwischen diesen beiden Fallgruppen sind nämlich erheblich. Bei den Fällen kleiner Kinder mangelt es im Gegensatz zur zweiten Fallgruppe an phänomenologisch ergiebigen Beschreibungen der Erfahrungen früherer Leben. Eine Rekonstruktion der Erlebnisperspektive ist deshalb nur ansatzweise möglich. Damit fehlt bei dieser Fallgruppe ein 179 https://doi.org/10.5771/9783495823637 .
Erinnerungen an eigene frühere Leben oder Teilhabe an fremdem Erleben?
wichtiges Kriterium für die Frage, ob es sich bei Erfahrungen früherer Leben von kleinen Kindern um Erinnerungen im Sinne eines Wiedererlebens handeln könnte. Wenn man danach fragt, ob die Erfahrungen einen Bezug zur historischen Realität haben, so stellt man erstens fest, dass kleine Kinder, vermutlich vor allem auf der Grundlage ihrer Erfahrungen früherer Leben, häufig detaillierte, objektiv nachprüfbare Fakten zum früheren Leben nennen. Die Forschung konnte in mehr als siebzehnhundert Fällen die Person des früheren Lebens identifizieren. Bei der anderen Gruppe ist die Person des früheren Lebens, sofern normale Wissensquellen wie Kryptomnesie ausgeschlossen werden konnten, sehr selten zu ermitteln. Kleine Kinder berichten in der Regel nur von einem früheren Leben, Subjekte der anderen Gruppe anscheinend häufig von mehreren, mitunter auch von sehr zahlreichen Leben. Bei kleinen Kindern umfassen die Äußerungen nicht selten die Zeit zwischen dem Tod der Person des früheren Lebens und der Geburt der neuen, bei der anderen Gruppe sind mir solche Berichte nicht bekannt. Weitere Unterschiede betreffen die Begleitumstände und -erscheinungen der Erfahrungen früherer Leben. Der Bewusstseinszustand kleiner Kinder scheint bei ihren Erfahrungen relativ normal zu sein, während er bei älteren Personen meistens deutlich verändert ist. Die Fälle kleiner Kinder erscheinen erheblich kulturabhängiger als die der älteren Experiencer. In der Gruppe kleiner Kinder stirbt die Person des früheren Lebens auch in sehr gut bezeugten, detailreichen Fällen nicht selten erst dann, wenn sich das Kind, das sich später für die Wiedergeburt dieser Person halten wird, bereits in einem fortgeschrittenen Schwangerschaftsmonat befindet oder gar unmittelbar vor der Geburt steht. In der anderen Fallgruppe konnten solche Überschneidungen der Leben, vermutlich wegen der geringen Anzahl gelöster Fälle, kaum festgestellt werden. Erfahrungen früherer Leben sind bei kleinen Kindern oft von auffälligen Verhaltensweisen im normalen Leben begleitet, die mit der Person des früheren Lebens in Zusammenhang gebracht werden können. Das betrifft unter anderem das Spielverhalten, Phobien, Vorlieben und geschlechtsnonkonforme Verhaltensweisen. Bei der anderen Fallgruppe scheinen Verhaltensweisen, die tatsächlich mit einem früheren Leben in Verbindung gebracht werden können, im Durchschnitt schwächer ausgeprägt zu sein. Kinder, die von früheren Leben sprechen, weisen auch häufig Muttermale, angeborene Missbildungen, Pigmentierungsabnormalitäten und andere erbliche Merkmale auf, die mit dem Protagonisten 180 https://doi.org/10.5771/9783495823637 .
Zur Deutung von Erfahrungen früherer Leben bei kleinen Kindern
ihrer Erfahrungen früherer Leben in Zusammenhang gebracht werden können; in den Fällen der anderen Gruppe scheint dieses Element zu fehlen. Zu den Begleiterscheinungen gehören bei kleinen Kindern gelegentlich auch Vorhersagen der Person des früheren Lebens über seine Wiedergeburt vor ihrem Tod und, dem Anschein nach, auch in Abreise- und Ankündigungsträumen, Erscheinungen und medialen Kommunikationen; bei Fällen älterer Experiencer scheinen derartige Phänomene zu fehlen.
Zur Deutung von Erfahrungen früherer Leben bei kleinen Kindern Probleme der Reinkarnationsdeutung Erlebnisperspektive Die wenigen Hinweise zur Erlebnisperspektive bei Erfahrungen früherer Leben in dieser Fallgruppe deuten darauf hin, dass dieser Aspekt ähnlich wie bei den Erfahrungen von älteren Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen ausgeprägt ist. Wie bei diesen scheinen nicht nur die Ich-Perspektive, sondern auch die Außenperspektive und ein Wechsel der Perspektiven innerhalb einer Erfahrungsepisode vorzukommen. Die beiden letzten Charakteristika sprechen gegen die Deutung dieser Erfahrungen als Erinnerungen in Sinne eines Wiedererlebens und damit gegen ihre Deutung als Erinnerungen an ein eigenes früheres Leben. Denn es ist sehr unwahrscheinlich, dass sich die Person des früheren Lebens bei den Originalerlebnissen von außen sah oder einen Wechsel zwischen Ich- und Außenperspektive erlebte. Die Anhaltspunkte zur Erlebnisperspektive sind in dieser Fallgruppe aber zu schwach, um daraus belastbare Schlüsse ziehen.
Überschneidung der Leben Erheblich besser belegt ist ein anderer Befund: die Überschneidung der Leben. Es sind zwar nur ganz wenige gelöste, gut bestätigte Fälle berichtet worden, in denen die Kinder nachweislich deutlich vor dem 181 https://doi.org/10.5771/9783495823637 .
Erinnerungen an eigene frühere Leben oder Teilhabe an fremdem Erleben?
Tod der Person des früheren Lebens geboren wurden. 1 Aber oft ging das frühere Leben erst nach der Empfängnis, mitten in der Schwangerschaft oder gar erst um die Geburt der Kinder zu Ende. Diese Fälle unterscheiden sich weder phänomenologisch noch hinsichtlich ihrer historischen Nachweisbarkeit von Fällen, in denen die Person des früheren Lebens vor der Empfängnis des neuen Lebens starb. Stevenson führt sogar etliche derartiger Überschneidungsfälle als Paradebeispiele seiner ›Fälle vom Reinkarnationstyp‹ an. 2 Man findet eine Überschneidung der Leben auch unter den historischen Fallberichten. 3 Sogar bei einem der beiden von mir angeführten Beispiele von mutmaßlichen Erfahrungen früherer Leben bei (nichtmenschlichen) Tieren stirbt das alte Tier am selben Tag, an dem das junge Tier, das sein Verhalten imitieren und als seine Reinkarnation vermutet wird, zur Welt kommt. 4 Überschneidungsfälle sind also keine vernachlässigbare Seltenheit, sondern gehören zur Normalität. Ihre Deutung als Fälle personaler Reinkarnation erscheint mir allerdings sehr unplausibel, da sie vorauszusetzen scheint, dass das neue Leben schon beginnen kann, bevor das alte abgeschlossen ist. Lehnte man daher die Reinkarnationsdeutung für die Überschneidungsfälle ab, hätte das Auswirkungen auch auf die Deutung der Fälle ohne Überschneidung, da diese sich, wie gesagt, weder phänomenologisch noch hinsichtlich ihrer historischen Nachweisbarkeit von den Überschneidungsfällen unterscheiden. Gleichartige Befunde verlangen aber gleichartige Deutungen. Wenn die Reinkarnationsdeutung für die Überschneidungsfälle ausschiede, käme sie in meinen Augen auch für Fälle ohne Überschneidung der Leben nicht mehr ernsthaft in Betracht.
1
Siehe oben S. 101. Siehe oben S. 102. 3 Siehe die beiden oben S. 69 erwähnten chinesischen Fälle, wonach ein Kind bereits im Bauch der Mutter heranwuchs und das andere sogar geboren wurde, als die Person des früheren Leben starb. Der indische Junge Ramdas wurde nur »einige Monate« nach dem Tod seiner mutmaßlichen früheren Inkarnation, Rawat Sukharam, geboren (siehe oben S. 69); die Geburt der burmesischen Zwillinge Maung Gyi und Maung Ngè ereignete sich ungefähr zur Zeit des Todes ihrer mutmaßlichen früheren Inkarnationen, Maung San Nyein und Ma Gywin (siehe oben S. 73). 4 Siehe oben S. 137. 2
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Zur Deutung von Erfahrungen früherer Leben bei kleinen Kindern
Rettungsstrategie 1: Unterscheidung des Gleichen In der Forschungsliteratur sehe ich vor allem fünf Strategien, die Reinkarnationsdeutung vor der Bedrohung durch eine Überschneidung der Leben zu retten. Die erste findet sich bei Stevenson. Er versucht, eine klare Trennlinie innerhalb der Menge phänomenologisch gleichartiger Fälle von Erfahrungen früherer Leben zu ziehen, um die Reinkarnationsdeutung für Fälle ohne eine Überschneidung der Leben zu sichern. Dazu verwendet er den Geburtstermin: Fälle, bei denen das frühere Leben erst nach der Geburt des neuen Lebens endet, seien keine Fälle von Reinkarnation, sondern Fälle von Besessenheit. 5 Der Geburtstermin eignet sich jedoch nicht als sachliches Kriterium. Eine Geburt kann auf vielfältige Weise zufällig oder willkürlich eingeleitet oder hinausgezögert werden. Ihr Termin kann durch einen ärztlichen Eingriff wie die Schnittentbindung sogar exakt festgelegt werden. Durch die Fortschritte der Neonatologie können Kinder mittlerweile schon außerhalb des Mutterleibs lebensfähig sein, wenn sie in der zweiundzwanzigsten Schwangerschaftswoche zu Welt kommen, also nach nur etwas mehr als der Hälfte der normalen Schwangerschaftsdauer von vierzig Wochen. 6 Es erscheint aber abwegig anzunehmen, dass der Fortschritt der Neonatalogie und ärztliche Entscheidungen einen Einfluss darauf ausüben könnten, ob ein Kind die Reinkarnation einer früheren Person oder aber besessen ist. Der Versuch, den Geburtstermin zur Unterscheidung phänomenologisch gleichartiger Fälle zu nutzen, erscheint vielmehr als ein Manöver zur Immunisierung der Reinkarnationsdeutung, indem die Fälle, die sie falsifizieren würden, ad hoc definitorisch ausgeklammert werden. 7 5
Siehe Stevenson: Reinkarnation, 378–379: »Wenn die frühere Persönlichkeit sich mit dem früheren Organismus zur Zeit der Empfängnis oder während der embryonalen Entwicklung zu verbinden scheint, sprechen wir von Reinkarnation; wenn die Vereinigung zwischen früherer Persönlichkeit und physischen Organismus erst später stattfindet, sprechen wir von Besessenheit.« Siehe auch Stevenson: Reincarnation and biology, 1142. Robert Almeder schließt sich hier Stevenson an: »Das Wort Besessenheit könnte auf Fälle eine anscheinenden ›Übernahme‹ eines Körpers nach seiner Geburt angewendet werden; aber wenn die Besessenheit vor der Geburt auftritt, dann ist es das, was wir mit Reinkarnation meinen.« (Almeder: Death and survival, 158). Siehe zu Besessenheit ausführlicher unten S. 185. 6 Siehe Ahmad: Two-year neurodevelopmental outcome of an infant born at 21 weeks’ 4 days’ gestation; Rysavy & Ehret: Extremely preterm birth outcomes in Sweden. 7 Siehe zu derartigen ad-hoc-Modifikationen Chalmers: Wege der Wissenschaft, 64– 66; siehe auch Popper: Logik der Forschung, 51–52. Das Bemühen Stevensons nach
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Rettungsstrategie 2: Gleichsetzung des Verschiedenen Der Versuch einer Aufteilung der Fälle in Reinkarnations- und Besessenheitsfälle anhand des Geburtstermins geht bei Stevenson Hand in Hand mit einer Tendenz zur sachlichen Angleichung beider Konzepte. Das ist fast unausweichlich, da er Reinkarnation und Besessenheit für sehr ähnlich halten muss, wenn sie allein durch den Geburtstermin auseinandergehalten werden können. Obwohl Stevenson, wie wir sahen, einerseits bemüht ist, Reinkarnation von Besessenheit abzugrenzen, versteht er andererseits Reinkarnation doch auch als Form von Besessenheit. Fälle von Reinkarnation seien nämlich »Fälle vollständiger, dauerhafter Besessenheit«, und zwar solche, bei denen die Besessenheit entweder »nach der Empfängnis, aber vor der Geburt eintritt« oder »wahrscheinlich mit der Empfängnis beginnt«. 8 Mateiner definitorischen Abtrennung der problematischen Fälle wird besonders deutlich, wenn er Muttermale als weiteres Kriterium hinzuzieht: »Es bleibt jedoch eine Gruppe von Beispielen, die eine klare Unterscheidung zwischen Besessenheit und Reinkarnation erlauben. Ich meine hier diejenigen eine Wiedergeburt nahelegenden Fälle mit angeborenen Muttermalen oder Gebrechen. […] Die Entstehung eines Muttermales muß begriffsnotwendig vor der Geburt des Kindes liegen. Wenn dann das Muttermal und die anscheinenden Erinnerungen an ein früheres Leben zusammenpassen, so daß wir, wenn die anscheinenden Erinnerungen an das frühere Leben bestätigt werden, in der Lage sind, das Muttermal zu erklären, können wir eine Besessenheit von der Art, wie wir sie behandelt haben, ausschließen. Denn das Muttermal setzt einen vor der Geburt liegenden Einfluß voraus, Besessenheit aber einen solchen nach der Geburt, und zwar mit Versuchen, jene Persönlichkeit ganz oder teilweise zu ersetzen, die an der Gestaltung des physischen Organismus vor der Geburt mitgewirkt hat.« (Stevenson: Reinkarnation, 383). Siehe ganz ähnlich Stevenson: Reinkarnationsbeweise, 166: »Eine Schwäche des Konzepts der Besessenheit besteht darin, daß es nicht das Auftreten von Muttermalen zu erklären vermag. Der Definition gemäß müssen diese [die Muttermale] zum Zeitpunkt der Geburt vorhanden sein, was bedeutet, daß die körperlose Persönlichkeit ihre Einflußnahme auf das Subjekt bereits bei dem heranreifenden Embryo ausüben muß.« Gegen diese Argumentation Stevensons kann man vorbringen, dass Muttermale (birthmarks) auch nach der Geburt entstehen können. Das gilt auch für solche Muttermale, die in einen Bezug zur Person des früheren Lebens gebracht werden können (siehe als Beispiel den Fall von Juta, oben S. 76). Es liegt außerdem nicht im normalen Begriff der Besessenheit, dass sie erst außerhalb des Mutterleibes auftreten kann. Stevenson gibt dies auch implizit zu. Er schreibt unter anderem, es sei eine Frage der persönlichen Präferenz, ob man beim Tod der Person des früheren Lebens während der Schwangerschaft des neuen Lebens von Reinkarnation oder Besessenheit sprechen wolle (siehe Stevenson: Reincarnation and biology, 1142; siehe zur Besessenheit des Embryos bzw. Fötus auch Stevenson: Reinkarnation, 378). 8 Stevenson: Reinkarnation, 378. Ein Indiz für die begriffliche Nähe beider Konzepte
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lock setzt die Idee von Reinkarnation als Form von Besessenheit konsequent um. Er definiert Reinkarnation ohne Einschränkungen hinsichtlich des Zeitpunkts ihres Beginns als langfristige Besessenheit (long-term possession). 9 Dadurch kann er einen Begriff von Reinkarnation erschleichen, für den die Problematik der Überschneidung des früheren und jetzigen Lebens begrifflich nicht mehr existiert. Seine Reinkarnationsdefinition ist aber weit vom gewöhnlichen Sprachgebrauch entfernt. Bei ›Reinkarnation‹ in der normalen Verwendung des Wortes geht es um ganze irdische Leben, um frühere, aktuelle oder kommende Leben, aber nicht um Phasen während eines Lebens. Damit verträgt es sich nicht, dass Reinkarnation irgendwann während eines Lebens beginnt oder aufhört. Aber genau das ist aus begrifflicher Sicht bei Besessenheit möglich. Die Brockhaus-Enzyklopädie definiert sie als »Inbesitznahme der betroffenen Person durch einen Gott, Dämon oder Geist«. 10 Auch das Oxford English Dictionary sieht als Subjekt der Besessenheit eine Person, ebenso die Encyclopaedia Britannica. 11 Nach diesem Verständnis könnte Besessenheit grundsätzlich jederzeit während des Lebens einer Person eintreten und wieder beendet werden. Wenn Matlock Reinkarnation als Form von Besessenheit definiert, dann gewinnt er jedenfalls die Möglichkeit, Fälle, bei denen das frühere Leben erst nach der Empfängnis oder gar nach der Geburt des jetzigen Lebens endete, ebenfalls als Reinkarnation zu deklarieren. Bei seinem Bemühen, Reinkarnation als Form von Besessenheit erscheinen zu lassen, weicht er allerdings nicht nur vom gewöhnlichen Reinkarnationsbegriff, sondern auch gewöhnlichen Besessenheitsbegriff ab. Er definiert Besessenheit nicht als Besetzung einer Person, sondern als »Besetzung eines Körpers durch einen Geist.« 12 Nach dieser Definition könnte man allerdings jedes beseelte Leben als Fall von Besessenheit ansehen. Da Besessenheit in Stevensons Denken ist zum Beispiel, dass er den Fall Uttara Huddar / Sharada als »Fall vom Reinkarnationstyp« bezeichnet, den sehr ähnlichen Fall Sumitra Singh / Shiva Tripathi als »Fall vom Besessenheitstyp« (siehe Stevenson & Pasricha: Preliminary report of an unusual case of the reincarnation type with xenoglossy; Stevenson et al.: A case of the possession type in India). 9 Siehe Matlock: Signs of reincarnation, 174. 10 Brockhaus: Besessenheit (Hervorhebung Verf.). 11 Siehe Oxford English Dictionary: Possession: »Domination or control of a person by a demon or spirit«; Encyclopaedia Britannica: Possession: »a condition […] that is interpreted as evidence that the person is under the direct control of an external supernatural power«. 12 Matlock: Signs of reincarnation, 174 (Hervorhebung Verf.).
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als eine Art Störung gelten kann, würde folgen, dass jedes beseelte Wesen gestört ist. Das wäre jedoch absurd, weil eine Störung nur im Gegensatz zu einem intakten Zustand definiert werden kann. Wenn es diesen begrifflich gar nicht geben könnte, verlöre auch der Begriff der Störung seinen Sinn. Nun sagt man aber für gewöhnlich Besessenheit nicht von einem Körper aus, sondern von einer Person, wie es auch die eben angeführten Definitionen formulieren. Wenn, wie im Neuen Testament oftmals beschrieben, ein Besessener geheilt wird, dann wird kein Körper geheilt, sondern eine Person. 13 Nach dem gewöhnlichen Begriff der Besessenheit sind also zwei Wesen im Spiel, nämlich eine Wirtsperson und eine besetzende Entität. Deshalb ist es auch sinnvoll zu sagen, dass eine Besessenheit durch eine Austreibung der besetzenden Entität beendet werden kann. Die von der Besessenheit befreite Person bleibt zurück und kann geheilt weiterleben. Bei Reinkarnation geht es nach dem üblichen Verständnis hingegen nur um ein Wesen: Eine Person verbindet sich in einer Reinkarnation erneut mit einem physischen Körper. Würde man sie definitiv austreiben, hätte das den Tod zur Folge. Die üblichen Begriffe von Besessenheit und Reinkarnation sind also grundverschieden. Zwischen einem Konzept, bei dem es um den Zustand eines Wesens geht und einem anderen, das eine Beziehung zwischen zwei Wesen beschreibt, kann es auch kein begriffliches Kontinuum geben, denn so etwas wie anderthalb Wesen gibt es nicht. 14 Stevenson postuliert jedoch ein solches Kontinuum zwischen Reinkarnation und Besessenheit, wenn er schreibt: »Der Unterschied zwischen Reinkarnation und Besessenheit liegt im Grad der Ausschaltung der Primärpersönlichkeit, verursacht durch den Einfluß der ›eintretenden‹ Persönlichkeit.« Fließende Übergänge in Bezug auf den »Grad der Ausschaltung der Primärpersönlichkeit« bestehen zwar nicht zwischen Reinkarnation und Besessenheit, wohl aber zwischen Besessenheit im engeren Sinne und anderen, schwächeren Formen der Einwirkung fremder Wesenheiten auf eine Person. 15 13
Siehe zur Besessenheit im Neuen Testament zum Beispiel Mt 8:16; 8:28–34; 12,22– 30; Mk 1,23. Es wird dort auch Jesus von Nazareth und Johannes dem Täufer nachgesagt, sie seien besessen und nicht etwa, dass ihre Körper besessen seien (siehe Mt 11,18; Lk 7,33; Joh 7,20; 8,48–49.52; 10,20). 14 So aber zum Beispiel Stevenson: Reinkarnation, 377–379. 15 Siehe den Abschnitt »Categories of possession on a continuum« in Palmer: Science of spirit possession, 85–90.
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Wenn der bedeutendste Reinkarnationsforscher überhaupt, Ian Stevenson, und der derzeit wohl beste Kenner der Forschungsliteratur, James Matlock, mutmaßliche Reinkarnationsfälle zwar dem Wort nach durch Reinkarnation erklären, diese aber entgegen dem üblichen Sprachgebrauch in eine übergroße Nähe zum Begriff der Besessenheit bringen oder Reinkarnation gar unter Besessenheit subsumieren, dann drängt sich die Vermutung auf, diese Fälle könnten womöglich besser durch einen fremdseelischen Einfluss als durch Reinkarnation erklärt werden.
Rettungsstrategie 3: Reinkarnation durch Seelenaustausch In einer dritten Strategie, die Reinkarnationsdeutung vor der Falsifizierung durch Fälle sich überschneidender Leben zu bewahren, operiert Matlock mit der Vorstellung von Reinkarnation durch einen Austausch der Seelen (spirits). Er prägte dafür den Terminus ›Austauschreinkarnation‹ (replacement reincarnation). 16 Nach diesem Konzept wird beim Vorgang der Reinkarnation eine bereits mit dem physischen Körper verbundene Person vor oder auch nach der Geburt durch die sich reinkarnierende Person definitiv und nicht nur vorübergehend aus dem physischen Körper hinausgedrängt. Wenn man die traditionelle Lehre vom Tod als der Trennung der personhaften Seele vom Körper akzeptierte, 17 müsste man einräumen, dass im Fall einer Austauschreinkarnation die bereits mit dem Körper verbundene kindliche Person getötet wird. Für eine definitive Verdrängung der ursprünglichen Person sehe ich allerdings keinen Anhaltspunkt in den Berichten über Erfahrungen zwischen den Reinkarnationen. 18 Der sehr detaillierte Bericht des buddhistischen Abtes Chaokhun Rajsuthajarn (1908–1976) über seine mutmaßliche Reinkarnation in einem Neugeborenen enthält nicht die Spur von einem derartigen 16
Siehe Matlock: Signs of reincarnation, 175–177, 302; Matlock: Replacement reincarnation. Stevenson sprach schon von »exchange incarnation« (Stevenson: Twenty cases, 2). 17 Siehe nur Platon: Phaidon, 30 (67d): »Heißt aber das nicht Tod, diese Lösung und Trennung der Seele vom Leibe?« Dass diese Seele bei Platon die eigentliche Person darstellt, ergibt sich zum Beispiel aus der Äußerung des Sokrates, dass er sich nach dem Trinken des Giftbechers »auf und davon machen« und »zu gewissen Freuden der Seligen« »fortgehen« werde (siehe ebd., 131–132 [115d–e]). 18 Das scheint auch Matlock: Signs of reincarnation, 176, einzuräumen.
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Austauschprozess. 19 Rajsuthajarn glaubt auch selbst nicht, dass er eine kindliche Seele bei seiner Reinkarnation verdrängt habe. Vielmehr sei das Baby ohne Geist (mind) gewesen, bevor er in es eingedrungen sei. 20
Rettungsstrategie 4: Fötus ohne Seele Diese Überzeugung Rajsuthajarns drückt den Kern einer weiteren Strategie aus, die Reinkarnationsdeutung vor Fällen sich überschneidender Leben zu schützen. Matlock hält es mit Verweis auf den Glauben animistischer Kulturen für denkbar, dass ein lebendiger kindlicher physischer Körper auch bei fortgeschrittener Schwangerschaft oder sogar noch bei der Geburt ein bloßer Körper ohne »spirit«, das heißt ohne eine personale Wesenheit sein könnte. 21 Eine sich reinkarnierende Person könnte sich demnach zu einem beliebigen Zeitpunkt der Schwangerschaft mit dem kindlichen Körper verbinden, ohne eine andere Person verdrängen zu müssen. Matlock glaubt, dass dies sogar bei Rajsuthajarn der Fall war, dessen Person des früheren Lebens vermutlich erst einen Tag nach der Geburt des neuen Lebens starb. 22 Ähnliches scheint auch Bowman unter Berufung auf Helen Wambach anzunehmen. 23 In hypnotischen Gruppenrückführungen hatte Wambach an Probanden die Frage gestellt, wann sich ihre Seele mit dem Fötus verbunden habe. Ein Drittel gab an, dass dies erst kurz vor oder während der Geburt geschehen sei. 24 Eine Fötus-ohne-SeeleKonzeption scheint jedoch kaum zu Erkenntnissen über die seelischgeistige Entwicklung des Fötus und ihrer Kontinuität mit der Säuglingsentwicklung zu passen. Säuglinge erkennen anscheinend nicht nur die Stimme ihrer Mutter und auch ihres Vaters, sondern auch Melodien und Wörter wieder, die sie im Mutterleib gehört haben. 25 19
Siehe Stevenson: Cases of the reincarnation type, 4:177–178. Siehe Stevenson: Cases of the reincarnation type, 4:188. 21 Siehe Matlock: Replacement reincarnation. 22 Siehe Matlock: Signs of reincarnation, 175. 23 Siehe Bowman: Return from heaven, 177–181. 24 Siehe Wambach: Leben vor dem Leben, 32, 35, 38, 42, 101–122. Bowman und Wambach verknüpfen diese Vorstellung auch mit der ethischen Bewertung der Abtreibung, siehe Bowman: Return from heaven, 176–178, 181–187; Wambach: Leben vor dem Leben, 101–102, 122. 25 Siehe DeCasper & Spence: Prenatal maternal speech influences newborns’ perception of speech sound; Shahidullah & Hepper: Hearing in the foetus; Lee & Kisilevsky: 20
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Sie bevorzugen ferner Geschmäcke der Nahrungsmittel, mit denen sie als Föten über die Nabelschnur in Kontakt kamen. 26 Das fötale Lernen scheint keine biologische Randerscheinung zu sein, sondern der Vorbereitung auf das Leben außerhalb des Mutterleibs zu dienen. 27 Die gesamte Persönlichkeit wird anscheinend schon durch Erfahrungen während der Schwangerschaft geprägt. 28 Die Fötus-ohneSeele-Konzeption und auch das Konzept der Austauschreinkarnation würden hingegen keine psychisch-geistige Kontinuität zwischen Fötus und Säugling erwarten lassen.
Rettungsstrategie 5: Preisgabe eines personalen Reinkarnationsbegriffs Ein fünfter Weg, trotz einer Überschneidung des jetzigen und des früheren Lebens an der Reinkarnationsdeutung festzuhalten, besteht in der Preisgabe eines personalen Reinkarnationskonzepts zugunsten einer nichtpersonalen Reinkarnationsvorstellung. Wenn sich nicht Personen, sondern nur Erinnerungen, Charaktermerkmale oder Verhaltensweisen reinkarnieren würden, dann wäre es nicht zwingend erforderlich, dass das frühere Leben zum Anfang des jetzigen Lebens bereits beendet ist. Rogo und Matlock betonen diesen Vorteil ihrer nichtpersonalen Reinkarnationskonzepte. 29 Ich halte sie jedoch, wie ich oben zu erläutern versucht habe, für begrifflich unhaltbar. 30
Fetuses respond to father’s voice but prefer mother’s voice after birth; Partanen et al.: Prenatal music exposure induces long-term neural effects; Granier-Deferre et al.: A melodic contour repeatedly experienced by human near-term fetuses; Partanen et al.: Learning-induced neural plasticity of speech processing before birth; dazu Skwarecki: Babies learn to recognize words in the womb. Zum embryonalen Lernen von Melodien bei Vögeln siehe Colombelli-Négrel et al.: Prenatal learning in an Australian songbird. 26 Siehe Menella et al.: Prenatal and postnatal flavor learning. 27 Siehe Mellor: Preparing for life after birth. 28 Wenn die Mutter zum Fötus spricht und ihm auch Musik zu hören gibt, soll sich das Risiko verringern, später als dreijähriges Kind ein autismusartiges Verhalten zu zeigen (siehe Ruan et al.: Antenatal training with music and maternal talk concurrently). 29 Siehe Rogo: Search for yesterday, 217; Matlock: Signs of reincarnation, 174. 30 Siehe oben S. 34.
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Gängige nicht-reinkarnationistische Erklärungen Eliminierung der Phänomene Es ist relativ unstreitig unter Reinkarnationsforschern, dass bei Kindern, die von früheren Leben sprechen, Phänomene auftreten, die den Rahmen gewohnter Erklärungskategorien sprengen. Dazu zählen insbesondere ein Wissen, das sie anscheinend nicht auf normalem Wege erworben haben können und Verhaltensweisen, Muttermale und Missbildungen, die mit der Person des früheren Lebens in Zusammenhang gebracht werden können. Es gibt Versuche wie die von Paul Edwards, diese Phänomene vom akademischen Lehnstuhl aus grundsätzlich zu bezweifeln, indem die Feldforschungen, in denen sie ermittelt wurden, unter den Generalverdacht der Nachlässigkeit und Fehlerhaftigkeit gestellt werden. 31 Nachlässigkeit und Fehler kommen in allen Forschungsgebieten aller Wissenschaften vor. Für die Annahme, dass die Erforschung der Fälle von Kindern, die von früheren Leben sprechen, so ungewöhnlich nachlässig und inkompetent war, dass eine grundsätzliche Bezweiflung aller Phänomene gerechtfertigt wäre, gibt es jedoch keinen Anhaltspunkt. Die Motivation hinter diesem Generalverdacht scheint weniger in methodischer Besorgnis zu bestehen, als vielmehr im Bestreben, Phänomene zu eliminieren, die dem eigenen Weltbild widersprechen. 32
Soziopsychologische Erklärung Eine andere Form der Wegerklärung bietet die soziopsychologische These. In Stevensons Version lautete sie so: Wenn ein Kind beginnt, 31
Siehe z. B. Edwards: Reincarnation, 253–278. Siehe auch die Diskussion ähnlicher Vorwürfe in Matlock: Signs of reincarnation, 103–106. Zur Wegerklärung der Phänomene als Einbildung allzu reinkarnationsgläubiger Angehöriger siehe Matlock: Signs of reincarnation, 112–116. Zur Verlässlichkeit der Aussagen der Zeugen siehe zum Beispiel Stevenson: Wiedergeburt, 157–159; Stevenson: Reincarnation and biology, 1138–1139. 32 Auf einen Widerspruch zum bestehenden wissenschaftlichen Wissen können sich Versuche, die in Frage stehenden Phänomene a limine zu eliminieren oder ignorieren, nicht berufen. Zur Frage, inwieweit ungewöhnliche Phänomene dem wissenschaftlichen Wissen widersprechen können, siehe Schwenke: Außersinnliche Wahrnehmung als Erleben, 113–123; Schwenke: Transzendente Begegnungen, 172–191; Schwenke: Verwechslung der Welten, 214–221.
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von einem früheren Leben zu sprechen, suchen seine (reinkarnationsgläubigen) Eltern in ihrem Umfeld nach einer verstorbenen Person, auf die die Aussagen des Kindes passen. Sie treten in Kontakt mit der Familie der verstorbenen Person, erfahren dadurch neue Einzelheiten über sie, schreiben diese Informationen aber mehr oder weniger unbewusst dem eigenen Kind als Quelle zu und erwecken so den Anschein eines ungewöhnlichen Wissens über ein früheres Leben auf Seiten des Kindes. 33 Diese These wurde von Schouten und Stevenson in einer empirischen Studie entkräftet. Sie verglichen Fälle, in denen die Aussagen des Kindes vor dem Versuch einer Verifikation schriftlich aufgezeichnet wurden, mit solchen, in denen solche Aufzeichnungen erst nach der Verifikation erfolgten. 34 Die Aufzeichnungen der ersten Fallgruppe enthielten sogar mehr Aussagen als die der zweiten, und der Anteil der korrekten Aussagen war ungefähr gleich. Gegen einen sozialen oder kulturellen Ursprung der Fälle scheint auch die Beobachtung zu sprechen, dass bei nichtmenschlichen Tieren ähnliche Phänomene wie bei kleinen Kindern, die spontan von früheren Leben sprechen, auftreten können. 35
Kryptomnesie Es gibt wenige Ansätze einer normalen Erklärung von Erfahrungen früherer Leben und der sie begleitenden Phänomene, die keine Wegerklärung sind. Bereits erwähnt haben wir den Versuch, das in Erfahrungen früherer Leben transportierte Wissen durch Kryptomnesie zu erklären. 36 Sie scheidet aber bei kleinen Kindern in vielen Fällen nach menschlichem Ermessen ohne weiteres aus.
Vererbtes Gedächtnis Eine andere Erklärung versteht Erfahrungen früherer Leben als Erinnerungen, die durch Vererbung von der Person des früheren Lebens 33
Siehe Stevenson & Samararatne: Three new cases of the reincarnation type in Sri Lanka, 237. 34 Siehe Schouten & Stevenson: Does the socio-psychological hypothesis explain cases of the reincarnation type? 35 Siehe oben S. 136. 36 Siehe oben S. 66, 106, 129.
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auf den kindlichen Experiencer übertragen werden. Selbst wenn es einen solchen Vererbungsmechanismus gäbe, käme er in den allermeisten Fällen als Erklärung nicht in Betracht, entweder weil das Kind kein direkter Nachfahr der Person des früheren Lebens ist oder weil sich seine Äußerungen auf Ereignisse beziehen, die sich nach der Weitergabe des Erbguts durch die verstorbene Person ereigneten, beispielsweise auf den Tod der Person des früheren Lebens. 37 Beide Ansätze zielen ohnehin nur auf das ungewöhnliche Wissen der Kinder und können ohne Zusatzannahmen weder ihr Erleben im Zusammenhang mit dem früheren Leben, noch ungewöhnliche Verhaltensweisen, Muttermale, angeborene Missbildungen oder Vorhersagen und Erscheinungen der Person des früheren Lebens erklären.
Besessenheit Besessenheit wird verschiedentlich als Erklärung der kleinkindlichen Fälle mutmaßlicher Reinkarnation diskutiert. 38 Wie wir bereits sahen, besteht Besessenheit, dem gewöhnlichen Begriff nach, in der Beeinflussung einer Person durch ein anderes Wesen. 39 Dieser fremdseelische Einfluss kann verschiedene Grade annehmen, die manchmal allesamt als Besessenheit bezeichnet werden. Oft wird der Ausdruck Besessenheit aber nur für die stärkste Form des Einflusses reserviert. 40 Bei dieser Besessenheit im engeren Sinne übernimmt das be37
Siehe Matlock: Signs of reincarnation, 118; Stevenson: Reinkarnation, 351; Stevenson: Wiedergeburt, 170; Tucker: Life before life, 43. 38 Siehe Stevenson: Reinkarnation, 377–384; Stevenson: Wiedergeburt, 173–174; Stevenson: Reincarnation and biology, 1141–1142; Stevenson: Reinkarnationsbeweise, 166–167; Tucker: Life before life, 46–47; siehe auch Almeder: Death and survival, 155–178; Braude: Immortal remains, 177–224. 39 Siehe oben S. 185. 40 Diesbezügliche terminologische Differenzierungen wurden vor allem in der christlichen Dämonologie entwickelt. 1883 heißt es in Wetzer und Welte’s Kirchenlexikon: »Man unterscheidet zwei Arten oder Stufen solcher gewaltsamen Einwirkung finsterer Mächte: Besessenheit und Umsessenheit (possessio – obsessio). Diese Namen haben erst in neuerer Zeit eine fixirte Bedeutung angenommen, während sie durchgängig und auch jetzt noch nicht selten miteinander verwechselt werden. Geringer ist die Gewalt des Satans in der obsessio (auch circumsessio genannt), bei welcher er nur gleichsam von außen, ohne Inwohnung und in einzelnen Acten seinen Einfluß ausübt. Bei der eigentlichen Besessenheit (possessio, insessio) nimmt der Dämon innerhalb der leiblichen Sphäre habituell seinen Aufenthalt, bemächtigt sich, soweit Gott es zuläßt, der Herrschaft über die leiblichen Organe und niederen Seelenkräfte und quält
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setzende Wesen die Kontrolle über den Körper dieser Person und agiert durch ihn. 41 Die Wirtsperson tritt sozusagen in den Hintergrund und hat im typischen Fall weder während der Besessenheit noch nachher ein Bewusstsein von der besetzenden Wesenheit, von ihrem Erleben, ihren Aktionen und ihrer Lebensgeschichte. 42 Sie identifiziert sich dementsprechend auch nicht mit ihr. 43 Während einer idealtypischen Besessenheit erinnert sich die Wirtsperson sogar nicht an ihr eigenes Leben. 44 sein Opfer in verschiedener, oft grauenvoller Weise. Beides, das Inwohnen und das gewaltsame Beherrschen der Kräfte, bezieht sich direct nur auf die leibliche Seite des Menschen.« (Jeiler: Besessene, 515). Heutzutage wird im Katholizismus eine ähnliche Unterscheidung zwischen obsessio als intensivem, anhaltenden dämonischen Angriff auf den Geist des Opfers und possessio als zeitweiliger vollständiger Kontrolle des Dämons über den Körper der Wirtsperson beobachtet, wobei der obsessio noch schwächere Formen des Einflusses vorangestellt werden können (siehe Palmer: Science of spirit possession, 85–90). 41 Siehe Goodman: Besessenheit. 42 In manchen Fällen scheint die besetzte Person die Aktionen der besetzenden Entität wahrzunehmen, ohne jedoch darauf einwirken zu können. Stewart Alexander schreibt über sein erstes Erlebnis dieser Art: »Etwas näherte sich mir von hinten. Was auch immer es war, als es an mich herankam, begann alles in meinem ganzen Körper, jeder Nerv, jeder Muskel, zu zucken und zu hüpfen, und plötzlich war es da – in meinem Körper – und ich war draußen. Und dann hörte ich ›mich‹ aus der Entfernung sprechen: ›Ich komme, spreche, Bruder, Schwester‹.« (Alexander: Life in two worlds, 346). Diese Worte wurden auch von anderen Personen vernommen; siehe ausführlicher Alexander: Extraordinary journey, 33–35. 43 Nach Alan Gauld hat »in Besessenheitsfällen die Haupt- oder Gastpersönlichkeit keine Empfindung der Identifikation mit der parasitären Persönlichkeit« (pers. Mitteilung an S. Braude, siehe Braude: Immortal remains, 180). Siehe ähnlich Almeder: Death and survival, 54. 44 Siehe Tucker: Life before life, 46–47. Stevenson selbst operiert mit unterschiedlich engen Besessenheitsbegriffen. Einerseits vertritt er einen starken, engen Besessenheitsbegriff, wonach eine »entkörperte Persönlichkeit einen physischen Körper, der schon von einer anderen Persönlichkeit bewohnt wurde, besetzt oder von ihm Besitz ergreift, wobei die andere Persönlichkeit hinausgeworfen wird«. Der Ausdruck »hinauswerfen« lässt keine Grade zu. Man kann nicht jemanden ein wenig hinauswerfen. Wenige Zeilen weiter schreibt Stevenson aber: »Man mag Besessenheit als vollständig oder teilweise […] auffassen« und schlägt vor, »einzuräumen, dass eine entkörperte Persönlichkeit den Körper einer lebenden Person in jedem beliebigen Ausmaß kontrollieren kann« (Stevenson: Reincarnation and biology, 1141). Bereits über zwanzig Jahre zuvor sagt Stevenson: »Besessenheit bedeutet entweder eine teilweise Beeinflussung der ursprünglichen Persönlichkeit, die aber noch eine gewissen Kontrolle über den physischen Leib behält, oder aber eine zeitweise, anscheinend vollständige Beherrschung des physischen Organismus mit späterer Rückkehr der früheren Persönlichkeit« (Stevenson: Reinkarnation, 377). Die Tatsache, dass Stevenson im Ge-
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Der klassische Fall von Besessenheit ist das sogenannte WatsekaWunder. Mary Lurancy Vennum aus Watseka im Staate Illinois, geboren 1864, begann mit dreizehn Jahren immer wieder in Trance zu fallen, worauf dann fremde Wesenheiten aus ihr zu sprechen schienen. Am 31. Januar 1877 erklärte sie in Trance, ein Geist namens Mary Roff wolle gerne kommen. Der Vater einer 1865 im Alter von achtzehn Jahren verstorbenen Mary Roff war anwesend und sagte, das sei seine Tochter. Am nächsten Tag erklärte Lurancy, sie sei Mary Roff. Ihr Wesen hatte sich gänzlich gewandelt, Sie schien niemanden aus der Familie Vennum zu erkennen und bat beständig unter Weinen, nach Hause gehen zu dürfen. Nach einer Woche kamen die Mutter und Schwester von Mary Roff vorbei, die von der Sache gehört hatten. Lurancy als Mary Roff erkannte die beiden von weitem durchs Fenster, fiel ihnen um den Hals, weinte vor Freude und nannte die Schwester beim Kosenamen ihrer Kindheit. Ihr Heimweh wuchs, und sie durfte schließlich bei den Roffs wohnen: 45 Das Mädchen, jetzt in ihrem neuen Zuhause, schien vollkommen glücklich und zufrieden zu sein, denn es kannte jeden Menschen und wusste alles, was Mary wusste, als sie vor zwölf bis fünfundzwanzig Jahren in ihrem ursprünglichen Körper war. Es erkannte und nannte diejenigen beim Namen, die von 1852 bis 1865, als Mary starb, Freunde und Nachbarn der Familie waren; es machte auf Dutzende, ja Hunderte von Vorfällen aufmerksam, die sich während seines irdischen (natural) Lebens ereignet hatten. Während der ganzen Zeit seines Aufenthaltes bei Mr. Roff wusste es nichts von Mr. Vennums Familie und deren Freunden oder Nachbarn und erkannte sie auch nicht; dennoch besuchten Mr. und Mrs. Vennum und ihre Kinder es und Mr. Roffs Familie, und es wurde ihnen wie irgendwelchen Fremden vorgestellt. Nach häufigen Besuchen und nachdem es hörte, dass oft und wohlwollend über es gesprochen wurde, lernte es sie als Bekannte lieben und besuchte es mit Mrs. Roff dreimal. Es erschien jeden Tag natürlich, unbefangen, umgänglich und fleißig, kümmerte sich sorgfältig und gensatz zu Tucker Besessenheit ernsthaft als Erklärung seiner ›Fälle vom Reinkarnationstyp‹ erwägt (siehe Stevenson: Reinkarnation, 376–383; Stevenson: Wiedergeburt, 173–174; Stevenson: Reinkarnationsbeweise, 166–167; Stevenson: Reincarnation and biology, 1141–42), zeigt, dass er meistens nicht den engeren, eigentlichen Begriff von Besessenheit im Sinn hat. Denn Besessene im engeren Sinne sprechen nicht wie die von Stevenson untersuchten Personen von einem früheren Leben unter anderem Namen und mit einem anderen physischen Körper. Stevensons Verwendung von ›Besessenheit‹ läuft vielmehr meistens auf eine schwächere Beeinflussung durch eine verstorbene Person hinaus (siehe z. B. Stevenson: Reinkarnation, 379). 45 Stevens: Watseka wonder, 1–4, 6–7.
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Zur Deutung von Erfahrungen früherer Leben bei kleinen Kindern
zuverlässig um seine häuslichen Pflichten, half bei der allgemeinen Arbeit der Familie, wie es eine treue, umsichtige Tochter tun sollte, sang, las oder unterhielt sich, wenn sich ihm die Gelegenheit bot, über alle Angelegenheiten von privatem oder allgemeinem Interesse für die Familie. 46
Auffällig und für unser Thema interessant ist, dass Lurancy als Mary Roff anscheinend keine Kenntnisse von Veränderungen seit ihrem Tod hatte: Eines Tages traf sie [Lurancy als Mary Roff] eine alte Freundin und Nachbarin von Mr. Roff, die eine Witwe war, als Mary als Mädchen zuhause lebte. Einige Jahre später heiratete die Dame einen Mr. Wagoner, mit dem sie bis jetzt zusammenlebt. Aber als sie Mrs. Wagoner traf, umschlang sie ihren Hals und sagte: »O Mary Lord, Sie sehen ganz so aus, wie ich Sie in Erinnerung hatte (look so very natural) und haben sich von allen, die ich seit meiner Rückkehr gesehen habe, am wenigsten verändert.« Mrs. Lord war irgendwie mit der Familie Vennum verwandt und lebte [nun] in ihrer Nähe, aber Mary konnte sie nur mit dem Namen anreden, unter dem sie sie vor fünfzehn Jahren gekannt hatte, und schien sich nicht bewusst zu sein, dass sie verheiratet war. Mrs. Lord wohnte mehrere Jahre lang direkt gegenüber dem Haus von Mr. Roff, vor und bis wenige Monate nach Marys Tod; beide waren Mitglieder derselben Methodistenkirche, sie waren eng befreundet. 47
Am 21. Mai 1877 verabschiedete sich Lurancy als Mary von den Roffs, den Nachbarn und Freunden, und die eigentliche Lurancy kehrte dauerhaft zurück. 48 Es ist klar, dass Besessenheit, wie wir sie an diesem Beispiel sehen, kein Modell für die Fälle kleiner Kinder, die spontan von früheren Leben sprechen, sein kann. Das schließt jedoch nicht aus, dass schwächere Formen des Einflusses eines nichtphysischen Wesens, bei denen das Bewusstsein der Wirtsperson von sich selbst und ihrer Lebensgeschichte erhalten bleibt, als Erklärung in Frage kommen könnten.
Paranormaler Wissenserwerb (ASW) Häufiger als Besessenheit wird außersinnliche Wahrnehmung als Erklärung für die Fälle kleiner diskutiert. Unter außersinnlicher Wahr46 47 48
Stevens: Watseka wonder, 7. Stevens: Watseka wonder, 7–8. Siehe Stevens: Watseka wonder, 13–14.
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nehmung versteht man in der Parapsychologie »ein[en] Informationserwerb, der sich auf ein äußeres Ereignis, Objekt oder Geschehen bezieht (sei es psychisch oder physisch, vergangen, gegenwärtig oder zukünftig), ohne daß daran ein bekanntes Sinnesorgan beteiligt ist«. 49 Nach dieser maßgeblichen Definition involviert außersinnliche Wahrnehmung kein sinnliches Erleben, im Gegensatz zu Wahrnehmung im normalen Sinn. 50 Deshalb verwende ich im Folgenden nur, wie in der Parapsychologie üblich, das Kürzel ASW, um dem Eindruck entgegenzuwirken, das parapsychologische Konzept der außersinnlichen Wahrnehmung beschreibe eine Form von Wahrnehmung. Es wird von den Reinkarnationsforschern praktisch nicht bestritten, dass Kinder, die spontan von früheren Leben sprechen, nicht selten über ein Wissen verfügen, das sie nicht auf gewöhnliche Weise haben erwerben können. 51 Einen ungewöhnlichen Wissenserwerb würde auch die Reinkarnationsdeutung zugeben, denn das Wissen der kleinen Kinder über ihr mutmaßliches früheres Leben konnte in der Regel weder auf gewöhnliche Weise in diesem Leben erworben worden noch auf normalen Wegen aus dem früheren Leben in das jetzige gelangt sein. Die Feststellung, dass ASW in diesen Fällen eine Rolle spielt, ist eine Sache. Eine andere ist es jedoch, Erfahrungen früherer Leben mit ASW zu erklären. Hier ergeben sich mehr Fragen als Antworten. Wie kann zum Beispiel aus ASW, das heißt aus einem Informationserwerb, ein Erleben in Bezug auf ein früheres Leben entstehen? Dieses Problem wird kaum behandelt. Möglicherweise liegt es daran, dass nicht zwischen Information und Erleben unterschieden wird. 52 Man könnte zwar an den oben zitierten Fall von Oliver Sacks denken, bei dem die Lektüre eines aufregenden Briefes die Grundlage für ein erinnerungsartiges Erleben bildete. 53 Aber können zweijährige Kinder tatsächlich aus Informationen ein komplexes und konsistentes 49
Bauer: Parapsychologisches Glossar. Siehe Schwenke: Außersinnliche Wahrnehmung als Erleben, 112–113. 51 Siehe z. B. Bauer & Keil: Spontane Reinkarnationserfahrungen, 184: »Zwar ist es nicht immer möglich, eine konventionell zustande gekommene Informationsübertragung mit absoluter Sicherheit auszuschließen, doch zeigen zahlreiche Fallstudien, dass Kinder verschiedene Einzelheiten über die entsprechenden zuvor verstorbenen Personen oder deren Lebensumstände angegeben haben, die nicht durch ›normale‹ Informationsübertragung erklärt werden konnten«. 52 Siehe dazu oben S. 156. 53 Siehe oben S. 58. 50
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Erleben aufbauen, das ein Geschehen, das ihre kleinkindliche Erfahrungswelt übersteigt, wirklichkeitsgetreu wiedergibt? Könnten sie aus Informationen eine visuelle Vorstellung einer Person aufbauen, die so genau ist, dass sie die Person spontan wiedererkennen können? Eine weitere, gängige Frage an die ASW-Erklärung ist, wie und warum die diversen Informationen zu einem kohärenten Bild einer bestimmten Person zusammengefügt werden. 54 Und daran anschließend, wie man durch einen ungewöhnlichen Informationserwerb erklären will, dass ein kleines Kind nicht nur – manchmal zutreffend – sagt, da-und-da habe es früher eine bestimmte Person gegeben, der das-und-das widerfahren sei, sondern dass es sich oft jahrelang mit dieser Person identifiziert und vom Leben dieser Person als seinem eigenen früheren Leben spricht? Tucker meint, ASW könne vielleicht erklären, dass ein Kind den Namen seiner verstorbenen Urgroßmutter nennt, obwohl es ihn auf normalem Wege nicht habe wissen können. Aber ASW könne nicht erklären, warum ein Kind denkt, es sei seine Urgroßmutter gewesen. 55 Ferner ist unklar, wie aus einem durch ASW gewonnenen Wissen ein kohärentes Muster von Verhaltensweisen, Vorlieben und Phobien entstehen kann, das zum Teil schon im Säuglingsalter zu beobachten ist und mitunter wie eine Imitation der Person des früheren Lebens wirkt. 56 Kann ein ungewöhnlicher Informationserwerb erklären, das kleine Kinder nach Whisky und Zigaretten verlangen? Dass sie sich in ihrem Geschlecht nicht wohlfühlen? Dass sie sehr spontane Verhaltensweisen zeigen, die aus ihrer Identifikation mit der Person des früheren Lebens entstehen? Ziemlich aussichtslos erscheint der Versuch einer Erklärung von Muttermalen und angeborenen Missbildungen durch einen ungewöhnlichen Informationserwerb des Embryos oder Fötus im Mutterleib. 57 Zu diesen Problemen kommt hinzu, dass Kinder, die spontan 54
Siehe Stevenson: Reinkarnation, 375: »Die außersinnliche Wahrnehmung allein bietet […] keine Erklärung dafür, daß die Hauptperson die Informationen zu einem Komplex verarbeitet hat, der für die frühere Persönlichkeit charakteristisch ist«; siehe auch: Stevenson: Reincarnation and biology, 1141. 55 Siehe Tucker: Life before life, 45. 56 Siehe Stevenson: Wiedergeburt, 172. 57 Stevenson: Reinkarnationsbeweise, 166, sagt lapidar, die ASW-Erklärung lasse sich auf Muttermale und angeborene Missbildungen nicht anwenden. Siehe auch Stevenson: Reincarnation and biology, 1141; Tucker: Life before life, 45. Einen Versuch der Erklärung durch ASW unternimmt allerdings Braude: Immortal remains, 181.
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von früheren Leben sprechen, sich meistens nicht durch (andere) auffällige ASW-Fähigkeiten hervortun. 58 Kindliche ASW als Erklärung scheidet grundsätzlich aus bei Vorhersagen der Person des früheren Lebens hinsichtlich ihrer Wiedergeburt und auch bei Erscheinungen dieser Person bei Angehörigen in Träumen und im Wachzustand, zumindest vor der Empfängnis des Kindes. Obwohl die ASW-Erklärung so schwach wirkt, 59 wird sie nach meinem Eindruck in der Parapsychologie bevorzugt behandelt. Dies hängt möglicherweise damit zusammen, dass sie für wissenschaftlicher gehalten wird als etwa die Reinkarnations- oder die Besessenheitsdeutung. So schreiben Bauer und Keil, die Reinkarnationserklärung sei wissenschaftlich »von nachgeordnetem Interesse«, »weil sie sich der Möglichkeit eines wissenschaftlichen Beweises letztlich entzieht«. 60 Von der »ASW- oder Psi-Hypothese« sagen sie das nicht und besprechen diese als einzige Erklärung von »spontane[n] Reinkarnationserfahrungen« kleiner Kindern ausführlicher. Wäre denn die ASW-Hypothese einer wissenschaftlichen Prüfung tatsächlich zugänglich oder gar wissenschaftlich beweisbar? Nach ihr soll ASW zu einem ungewöhnlichen Wissen der Kinder führen. Kann man aber wissenschaftlich feststellen, ob eine Person etwas weiß und was sie weiß? Dagegen könnte man zum Beispiel folgendermaßen argumentieren: Wir gehen für gewöhnlich davon aus, dass Wissen ein Fürwahrhalten einschließt. Wenn jemand sagte: »Ich weiß, dass es regnet, aber ich halte nicht für wahr, dass es regnet«, dann wäre das inkonsistent. Fürwahrhalten ist eine epistemische Einstellung. Oben habe ich bereits zu zeigen versucht, dass Wissenschaft nur dann möglich ist, wenn eine besondere epistemische Autorität hinsichtlich je eigener epistemischer Einstellungen anerkannt wird. 61 Diese episte58
Siehe Stevenson: Reinkarnation, 360; Stevenson: Wiedergeburt, 171; Stevenson: Reincarnation and biology, 1140; Stevenson: Reinkarnationsbeweise, 166; Tucker: Life before life, 45–46. 59 Auf eine Stärkung der ASW-These durch die Annahme grenzenloser »Super-Psi«Fähigkeiten, wie sie etwa Braude erwägt (siehe Braude: Immortal remains, 181, 217; Braude: Super-psi hypothesis) gehe ich nicht ein, weil mir die Super-Psi-These nicht nur praktisch unfalsifizierbar erscheint, was Braude offensichtlich zugibt, sondern auch logisch nicht, was er nicht thematisiert (siehe ebd.). Das würde bedeuten, dass es keinen denkbaren Beobachtungssatz gibt, durch den eine Super-Psi-Erklärung falsifiziert werden könnte (siehe zur Falsifizierbarkeit im logischen Sinne Popper: Falsifizierbarkeit). 60 Bauer & Keil: Spontane Reinkarnationserfahrungen, 183. 61 Siehe oben S. 44.
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mische Autorität dürfte aber nicht anerkannt werden, wenn Fürwahrhalten ein Gegenstand der Wissenschaft und mit wissenschaftlichen Methoden erforschbar wäre. Aus dieser Überlegung folgt, dass Wissenschaft nicht feststellen kann, ob eine Person etwas weiß, geschweige denn, was sie weiß. 62 Danach wäre also auch die ASW-Hypothese »der Möglichkeit eines wissenschaftlichen Beweises« entzogen.
Gedankenbündel-Theorie Die ASW-Hypothese wird manchmal mit Spielarten der oben vorgestellten Psychonen-Theorie von Carington verknüpft, 63 wie zuletzt in der Gedankenbündel-Theorie von Jürgen Keil. 64 Nach Keils Ansatz werden in der »letzten Lebensphase« eines Menschen »Gedankenbündel« abgesondert, »die sich jenseits der Grenzen der sterbenden Person ausbreiten« und von dieser unabhängig »eine Zeitlang« weiterexistieren würden. Diese »frei flottierenden« Gedankenbündel könnten von »besonders empfängliche[n]« kleinen Kindern, deren Persönlichkeitsgrenzen sich noch nicht geschlossen haben, »absorbiert« werden. 65 Dadurch kämen diese Kinder in den Besitz von Informationen über die verstorbene Person. Es würde sich demnach um einen Fall von ASW handeln. Keils Gedankenbündel-Theorie ist jedoch bereits begrifflich sehr problematisch. Wenn er, was das Nächstliegende wäre, unter »Gedanken« Inhalte des Denkens verstünde, 66 dann wäre es sinnlos zu sagen, dass sie »eine Zeit lang bestehen bleiben«, sich »ausbreiten« und sich »an Objekte und Situationen anheften« 67 können. Inhalte haben, begrifflich gesehen, keine zeitliche Ausdehnung und keinen Ort im Raum und können darin nicht agieren. Gebündelt werden können sie auch nicht. Wenn Keil mit »Ge62
Siehe Schwenke: Außersinnliche Wahrnehmung als Erleben, 116–117. Siehe oben S. 34. Siehe dazu den Überblick in Matlock: Signs of reincarnation, 119– 120, und insbesondere Murphy: Caringtonian approach; Roll: Changing perspectives on life after death, 203–212; Rogo: Search for yesterday, 205, 214–215. 64 Siehe Keil: Questions of the reincarnation type, 95–97; Bauer & Keil: Reinkarnationserfahrungen, 185. 65 Keil: Questions of the reincarnation type, 96; Bauer & Keil: Spontane Reinkarnationserfahrungen, 185. 66 Siehe Duden: Eintrag »Gedanke, 1.«; für diese Deutung sprechen Keil: Questions of the reincarnation type, 91, 93, 95; Bauer & Keil: Spontane Reinkarnationserfahrungen, 185 (»psychische[] Informationsübertragung«). 67 Keil: Questions of the reincarnation type, 96. 63
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danken« Denkakte gemeint haben sollte, also geistige Handlungen, bei denen Inhalte gedacht werden, 68 dann dürfte er aus begrifflicher Sicht zwar sagen, dass sie »eine Zeitlang bestehen« bleiben. Räumliche Aktionen und Bündelungen von Denkakten wären jedoch ebenfalls begrifflich unmöglich. Außerdem können geistige Handlungen nicht ohne ein Subjekt bestehen oder »absorbiert« werden. 69 Zu diesen begrifflichen Problemen kommen alle oben bereits angeführten sachlichen Schwierigkeiten einer ASW-Erklärung, und noch einige weitere, wie etwa die Erklärung von zutreffenden kindlichen Aussagen und realitätsnahen Erlebnissen, die die Zeit zwischen den Inkarnationen, also zwischen dem Tod der Person des früheren Lebens und der Entstehung des eigenen betreffen. 70
Erfahrungen früherer Leben als unmittelbare Teilhabe an fremdem Erleben Einleitung Nach der Reinkarnationsdeutung sind Erfahrungen früherer Leben Erinnerungen an ein eigenes früheres Leben. In der Fallgruppe der kleinen Kinder, die spontan von früheren Leben sprechen, erscheint jedoch das Problem der Überschneidung der Leben für die Reinkarnationsdeutung unüberwindlich zu sein. Die alternative Interpretation drängt sich auf: Erfahrungen früherer Leben stellen eine unmittelbare Teilhabe an fremdem Erleben dar, sofern sie keine Fantasien sind, sondern das Erleben einer verstorbenen Person wirklichkeits68
Siehe zu dieser Bedeutung Duden: Eintrag »Gedanke, 2.« Vermutlich meint Keil mit ›Gedankenbündel‹ etwas ähnliches wie William Roll mit ›psi structure‹ (siehe Roll: Changing perspectives on life after death, 203–212). Dann wären Keils ›Gedankenbündel‹ materielle Strukturen, die sich vom Körper der sterbenden Person lösen, aber irgendwie deren Erinnerungen enthalten oder mit ihnen verknüpft sind. Wenn ein empfängliches Kind mit diesen Psi-Strukturen in Kontakt käme, könnte es diese Erinnerungen durch ASW aufnehmen. Roll nennt diesen Informationserwerb in Anlehnung u. a. an William James und Pagenstecher ›psychometrisch‹ (siehe ebd., 205–206). Materielle Strukturen können aber, begrifflich gesehen, nicht wahr oder falsch und somit auch keine Gedanken sein. Denkakte können sie ebenfalls nicht sein, weil Denkakte, begrifflich gesehen, auf einen Inhalt bezogen (intentional) sind, materielle Strukturen hingegen nicht. 70 Siehe Nahm & Hassler: Thoughts about thought bundles; Hassler: Indizienbeweise für ein Leben nach dem Tod und die Wiedergeburt, 1:364–366. 69
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getreu wiedergeben. Eine Überschneidung der Leben, das Kardinalproblem der Reinkarnationsdeutung in dieser Fallgruppe, wäre mit dieser Deutung ohne weiteres kompatibel. Wenn kindliche Erfahrungen früherer Leben auch als Teilhabe an fremdem Erleben gedeutet werden, so bedeutet das nicht, dass man sie mit einer der bereits besprochenen Varianten dieser Erfahrungsform identifizieren kann. Vielleicht sind die Gemeinsamkeiten mit typischen telepathischen Erlebnissen stärker ausgeprägt als etwa mit Erlebnissen während des Lebensrückblicks im Rahmen von Nahtoderfahrungen oder mit medialen Erlebnissen, bei denen Verstorbene als präsent erlebt werden. Die Übereinstimmungen mit telepathischen Erlebnissen betreffen erstens den Bewusstseinszustand, der in beiden Fallgruppen oft wenig verändert ist. 71 Zweitens ist die Teilhabe in beiden Fällen häufig auf besonders intensive, emotionale Erlebnisse beschränkt. Drittens scheint es bei beiden Erlebnisformen ein ähnliches Alter zu geben, in dem die Erfahrungen besonders intensiv ausgeprägt sind. Viertens treten vergleichbare Begleiterscheinungen auf. Zum Beispiel kann im Zusammenhang mit telepathischen Erlebnissen auch eine Übertragung von Verhaltensweisen und körperlichen Merkmalen beobachtet werden. Eine weitere Parallele zwischen Kindern, die von früheren Leben sprechen, und Kindern, die anscheinend telepathisch erworbenes Wissen kundtun, scheint in dem Auftreten spontaner Äußerungen zu bestehen. Den Berichten nach platzen kleine Kinder manchmal mit einem Gedanken heraus, den ihre Eltern anscheinend im selben Augenblick gefasst hatten. Möglicherweise geschieht dies ganz spontan, ohne die Versprachlichung eines vorherigen mentalen Eindrucks des elterlichen Gedankens. 72 Ähnlich scheinen aus kleinen Kindern manchmal ganz unvermittelt Äußerungen über das frühere Leben herauszubrechen, ohne dass eine Erfahrung früherer Leben unmittelbar vorhergegangen zu sein
71
Das könnte allerdings auch daran liegen, dass die Forschung sich vor allem für telepathische Leistungen im Wachzustand interessiert und dadurch auch telepathische Erlebnisse im Wachzustand überrepräsentiert sind. Der Unterschied zu Erlebnissen während einer Nahtoderfahrung ist allerdings deutlich, da diese niemals im Wachzustand stattfinden. Auch bei medialen Erlebnissen scheint das Bewusstsein in der Regel verändert zu sein, wie unter anderem EEG-Messungen nahelegen (siehe Delorme et al: Electrocortical activity associated with subjective communication with the deceased). 72 Siehe oben S. 165.
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scheint. 73 Gegen die Vermutung einer Nähe von Erfahrungen früherer Leben zu telepathischen Erlebnissen spricht nicht, dass kleinen Kindern, die spontan von früheren Leben sprechen, meistens keine besonderen (anderweitigen) parapsychologischen Fähigkeiten zugesprochen werden. 74 Die Stärke telepathischer Phänomene scheint nicht nur vom Experiencer abzuhängen, sondern auch davon, mit wem dieser in Verbindung steht. Zwischen Menschen, die eine besonders enge Beziehung haben, wie Zwillingen oder kleinen Kindern und ihren Eltern, scheinen telepathische Phänomene häufiger und intensiver zu sein. 75 Es ist denkbar, dass die Person des früheren Lebens von sich aus eine besonders enge psychische Verbindung zum Kind herstellt. Ich werde darauf gleich zu sprechen kommen.
Wunsch nach Reinkarnation? Versuch der Reinkarnation? Es ist vergleichsweise einfach, dafür zu argumentieren, dass es sich bei kleinkindlichen Erfahrungen früherer Leben nicht um Erinnerungen, sondern, bei wirklichkeitsgetreuen Erlebnissen, um eine Teilhabe an fremdem Erleben handelt. Viel schwieriger und spekulativer ist der Versuch, die Frage zu beantworten, wie diese Teilhabe zustande kommen könnte. Ich glaube mich dieser naheliegenden Frage dennoch nicht ganz entziehen zu können und möchte einige skizzenhafte Überlegungen dazu anstellen. Dabei werde ich versuchen, mich möglichst vom Erfahrungsmaterial und von allgemeinen Plausibilitätsüberlegungen leiten zu lassen. Ich beginne mit dem Befund, dass das Erleben des Kindes mitunter ein konsistentes Bild einer verstorbenen Person ergibt. In solchen Fällen darf es als unwahrscheinlich angesehen werden, dass das Kind sich rein zufällig mit dem Erleben dieser verstorbenen Person verbindet. Das vorhandene Material passt in meinen Augen am ehesten zu der Vorstellung, dass die verstorbene Person des früheren Lebens eine Verbindung zum Kind anstrebt und dass aus dieser Verbindung die Erfahrungen früherer Leben und auch deren Begleiterscheinungen 73
Siehe Stevenson: Reinkarnation, 380. Siehe aber oben S. 81, 95 die Fälle von Ryan Hammons und Marta Lorenz. 75 Es wurde schon von wissenschaftlicher Seite darüber nachgedacht, welche biologische Funktion die Eltern-Kind-Telepathie haben könnte, siehe den Überblick in FitzHerbert: Extra-sensory perception in early childhood. 74
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hervorgehen. Für idealtypische Fälle schlage ich vor, dass die Aktivität der verstorbenen Person vom Wunsch nach Reinkarnation geleitet ist. Ein Indiz dafür könnten Ankündigungsphänomene sein. Der Wunsch nach Reinkarnation könnte in einen Versuch der Reinkarnation münden. Dieser Ansatz würde in meinen Augen fast alle Stärken der Reinkarnationsdeutung aufweisen, jedoch ohne ihre Schwächen. In vielen starken Fällen von Kindern, die spontan von früheren Leben sprechen, gibt es eine Reihe von Befunden, die sich am einfachsten zu der Annahme einer Aktivität der verstorbenen Person fügen. Nehmen wir etwa den hohen Anteil unnatürlicher Tode der Personen des früheren Lebens. Soll man kleinen Kindern unterstellen, bevorzugt mit derart unerfreulichen Schicksalen in Kontakt kommen zu wollen? Psychologisch näher liegt die Deutung, dass eine Person, die verfrüht oder gar gewaltsam verstorben ist, eine stärkere Motivation zur Wiederkehr in das irdische Leben besitzt als andere Verstorbene. Auch die Kulturabhängigkeit der Fälle lässt sich aus der Perspektive eines Kindes, das seine Kultur noch nicht kennt, kaum verstehen. Warum sind spontane Fälle in Kulturen, die an Reinkarnation glauben, häufiger und stärker? Warum zeigt die Rate des Geschlechtswechsels von einem zum anderen Leben eine Tendenz zur Übereinstimmung mit den einschlägigen Überzeugungen der jeweiligen Kultur? Dasselbe gilt, wenn auch nicht so ausgeprägt, für das Intervall zwischen den Leben und für den Anteil der Fälle, in denen die Person zur gleichen Familie gehört wie das Kind. Das kleine Kind kann nicht für diese Unterschiede verantwortlich sein, weil es erstens die religiösen Überzeugungen seiner Kultur noch nicht kennt und zweitens auf sein Geschlecht, auf das Intervall zwischen den Leben und auf die Familienzugehörigkeit keinen Einfluss hat. Möglich ist eine soziale Unterdrückung der Fälle, die nicht zum Glaubenssystem passen. 76 Doch Stevenson bezweifelt, dass dies die beobachtete Kulturabhängigkeit ausreichend erklären kann. 77 Er schlägt vor, dass ›diathanatische‹ Überzeugungen, 78 das heißt, Überzeugungen, die eine Person durch den Tod hindurch beibehält, zur beobachteten Kulturabhängigkeit der Fälle beitragen. Es erscheint nachvollziehbar, dass 76
Siehe z. B. Stevenson: Cases of the reincarnation type, 4:188 Fn. 11. Siehe Stevenson: Wiedergeburt, 194. 78 Siehe Stevenson: Reincarnation and biology, 2074–2079; Stevenson: Reinkarnationsbeweise, 261; siehe auch Stevenson: Wiedergeburt, 194, und Matlock: Signs of reincarnation, 189–191. 77
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eine Person, die an Reinkarnation glaubt und die diesen Glauben durch den Tod hindurch beibehält, eher versuchen wird, sich zu reinkarnieren, als eine Person, die diesem Glauben nicht anhängt. Das würde auch analog für Modalitäten der Reinkarnation wie Geschlecht, Familienzugehörigkeit und Intervall zwischen den Leben gelten.
Verstorbene Personen verantwortlich für physische Phänomene? Ist es aus wissenschaftlicher Sicht vertretbar, bei einer Deutung von Erfahrungen früherer Leben mit ihren zum Teil physischen Begleitphänomenen auf die Aktivität von verstorbenen Personen zurückzugreifen? Oben hatte ich bereits erläutert, dass die Existenz von Personen als Bewusstseins- und Handlungssubjekten offensichtlich nicht wissenschaftlich prüfbar ist, jedoch im alltagsweltlichen und wissenschaftlichen Handeln vorausgesetzt werden muss, wenn man nicht zu praktisch unverzichtbaren eigenen Überzeugungen in Widerspruch geraten will. Beispielsweise sind wissenschaftliche Diskurse nur dann denkbar, wenn man unterstellt, dass die Diskursteilnehmer in der Lage sind, ihr Handeln, insbesondere ihr Schreiben und Reden, durch ihre Gedanken zu bestimmen. 79 Es ist also eine Voraussetzung für das Funktionieren der Wissenschaft, dass Personen entsprechend ihrer Gedanken und Wünsche physikalische Phänomene, wie etwa Schriftzüge oder Schallwellen, hervorbringen können. Wer Wissenschaft betreibt oder befürwortet, kann deshalb nicht ohne Selbstwiderspruch leugnen, dass es Personen gibt, die verantwortlich für physische Phänomene sind. 80 Da nun der Begriff einer Person nicht den Besitz eines physischen Körpers einschließt, 81 sehe ich keine grundsätzlichen wissenschaftlichen Hindernisse für die Vorstellung, dass verstorbene Personen ohne physischen Körper physische Phänomene hervorrufen können. 82 79
Siehe oben S. 47. Siehe zum Einwand, eine derartige Handlungskausalität würde dem wissenschaftlichen Wissen, insbesondere der kausalen Abgeschlossenheit der physischen Welt widersprechen, Schwenke: Verwechslung der Welten, 215–217. 81 Siehe oben S. 50. 82 Diese Vorstellung ist auch nicht besonders exotisch, wenn man berücksichtigt, dass in Umfragen etwa ein Viertel der Befragten oder auch mehr Erfahrungen mit verstorbenen Personen gehabt haben will (siehe Haraldsson: Experiences of encounters 80
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Zeugnisse für den Wunsch nach Reinkarnation Eine Reihe von Zeugnissen deutet bei den Fällen kleiner Kinder nicht nur auf eine Aktivität der Personen des früheren Lebens, sondern spricht auch von ihrem Wunsch nach Reinkarnation. Einige Personen des früheren Lebens sagten anscheinend zu ihren Lebzeiten ihre Wiedergeburt voraus. 83 Andere schienen ihre Reinkarnation nach ihrem Tod durch Erscheinungen in Träumen oder im Wachzustand anzukündigen. Dabei waren sie zum Teil den Experiencern unbekannt. 84 Wieder andere sprachen dem Anschein nach über ihre zukünftige Reinkarnation durch Medien. 85 Auch außerhalb der Fälle von kleinen Kindern, die von früheren Leben sprechen, wurde durch Medien von mutmaßlichen Verstorbenen über den Wunsch nach Reinkarnation gesprochen. Darauf möchte ich hier kurz eingehen, weil sich dazu etwas ausführlichere Beispiele in dem Buch Dreißig Jahre unter den Toten des Psychiaters Carl August Wickland finden. 86 Wickland berichtet von medialen Tieftrancesitzungen mit seiner Frau Anna Wickland. Die Trancepersönlichkeiten, die Carl Wickland als Verstorbene deutete, scheinen immer wieder nachprüfbare Angaben zu ihrer Identität und zu anderen Sachverhalten gemacht zu haben, die den Wicklands unbekannt waren. Auch das Phänomen der Xenoglossie soll aufgetreten sein. Die Trancedurchsagen kamen nach Wicklands Darstellung in sechs verschiedenen Sprachen, obwohl Anna Wickland nur zwei Sprachen beherrscht habe. 87 Carl Wickland berichtete von mehreren Trancepersönlichkeiten, die zu irdischen Lebzeiten und auch danach an Reinkarnation geglaubt hätten und vom Wunsch nach Wiedergeburt beseelt gewesen seien. Eine Trancepersönlichkeit, die sich William Stanley genannt habe, formulierte nach Wicklands Darstellung in einer Sitzung mehrfach ihren Wunsch nach Wiederverkörperung und redete auch über einen entsprechenden Versuch: »Ich wollte [ins Erdenleben] zurückkehren und mich in einem Kind with the dead, 92; McClenon: A survey of Chinese anomalous experiences). Siehe zu Erfahrungen einer Begegnung mit verstorbenen Menschen ausführlich Schwenke: Transzendente Begegnungen. 83 Siehe oben S. 93. 84 Siehe oben S. 95. 85 Siehe oben S. 96. 86 Siehe zu Wickland Crabtree: Multiple man, 109–110, 115–117; Palmer: Science of spirit possession, 15–19. 87 Siehe Wickland: Thirty years among the dead, 37.
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reinkarnieren. Hinein [in das Kind] kam ich wohl, konnte aber nicht wieder heraus. […] Ich war Theosoph und wollte mich wiederverkörpern, um etwas Großartiges zu werden. Ich drang in den Körper eines Kindes ein […]. Ich blieb in dem Kind, weil ich nicht wußte, wie ich [wieder] herauskommen konnte. […] Ich wollte mich so gern wiederverkörpern und ins Erdenleben zurückkehren, um mein weiteres Karma auszuleben. […] Ich hatte mir vorgenommen, den Theosophen zu zeigen, daß ich zurückkehren und mich in einem Kinde reinkarnieren kann.« 88 Über seine Erfahrung mit dem Körper von Anna Wickland während der Trancesitzung sagte Stanley: »Als ich hier [im Körper von Anna Wickland] angekommen war, dachte ich [erst], dass ich [wieder] zum Leben erwacht sei und mich hatte reinkarnieren können und mit ihnen [den anderen Menschen] reden könnte wie zu Lebzeiten.« 89 Über Äußerungen einer anderen Trancepersönlichkeit, Charlie Hermann, 90 die nach Wicklands Einschätzung »in die seelische Aura« eines fünfjährigen Jungen namens Jack T. aus Chicago, eingedrungen war, schreibt Wickland: »Jemand hätte ihm mal gesagt, daß Menschen sich nach ihrem Tode reinkarnieren und dann werden könnten, was immer sie gerne sein möchten. Da sein ganzes Verlangen war, gut auszusehen, so dass andere ihn nicht schnitten [er sei sehr häßlich gewesen mit einem unschönen Gesicht voller Pockennarben], beschloss er es mit der Reinkarnation zu versuchen.« 91 Edward Jackson, eine dritte Trancepersönlichkeit, nach eigenen Angaben ebenfalls Theosoph, war nach Wicklands Überzeugung als Verstorbener ›in‹ einen siebenjährigen Jungen, J. A. aus Chicago, geraten. Wickland fordert Jackson auf, seine »Reinkarnationsversuche aufzugeben«, doch habe dieser unbelehrbar daran festgehalten: »Ich weiß, die einzige Wahrheit ist Reinkarnation. Ich habe mich reinkarniert und werde es wieder tun.« 92
88
Wickland: Thirty years among the dead, 334 (Übers. Wickland: Dreißig Jahre unter den Toten, 409–410, bearbeitet vom Verf.). 89 Wickland: Thirty years among the dead, 335 (Übers. Wickland: Dreißig Jahre unter den Toten, 411, bearbeitet vom Verf.). 90 Siehe zum mutmaßlichen Erdenleben dieser Trancepersönlichkeit Wickland: Gateway of understanding, 213. 91 Wickland: Thirty years among the dead, 333 (Übers. Wickland: Dreißig Jahre unter den Toten, 408–409, bearbeitet vom Verf.). 92 Wickland: Thirty years among the dead, 338, 340 (Übers. Wickland: Dreißig Jahre unter den Toten, 414, 417, bearbeitet vom Verf.).
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Zum Zweck der Reinkarnation in ein Kind eindringen? In Wicklands Protokollen artikulieren die Trancepersönlichkeiten nicht nur den Wunsch nach Reinkarnation, sondern sprechen auch über ihre Versuche, zum Zweck der Reinkarnation in ein Kind einzudringen. Ob es sich bei den zitierten Trancepersönlichkeiten Anna Wicklands tatsächlich um Verstorbene handelt, ist allerdings nicht einfach zu entscheiden. Doch gibt es einen glaubhaft wirkenden Bericht, in dem ein Experiencer das Verlangen beschreibt, zum letztendlichen Zweck der Reinkarnation im außerkörperlichen Zustand in den Körper eines Kindes zu einzudringen. Die Schilderung stammt von einem Mann aus Liverpool namens W. Martin. Er beschreibt darin seine Nahtoderfahrung, die eintrat, nachdem ihm ein großer Mauerstein auf den Kopf gefallen war. Während seines außerkörperlichen Zustandes verspürte Martin den fast unwiderstehlichen Wunsch, in ein gerade neugeborenes Kind einzugehen. Er war auch nachher der Überzeugung, dass er als dieses Kind weitergelebt hätte, wenn er es getan hätte. Nach dem Bericht Martins konnten verschiedene seiner Beobachtungen, die er in seinem außerkörperlichen Zustand machte, nachher von anderen Personen bestätigt werden. Ich gebe deshalb den ganzen Bericht wieder und nicht nur die Passage, in der es um das Neugeborene geht. Im Jahr 1911, im Alter von sechzehn Jahren, wohnte ich vorübergehend etwa zwölf Meilen von meinem eigentlichen Zuhause entfernt. Als ich an einer hohen Mauer vorüberging, wurde diese von einer plötzlichen Bö umgeblasen. Ein riesiger Stein aus der Mauerkrone traf mich am oben am Kopf. Dann schien es, als könnte ich mich selbst auf dem Boden liegen sehen, zusammengekauert, mit einer Ecke des Steins auf dem Kopf und einer ganzen Reihe von Menschen, die auf mich zu gerannt kamen. Ich sah zu, wie sie den Stein bewegten, und jemand zog seinen Mantel aus und legte ihn unter meinen Kopf, und ich hörte all ihre Kommentare: »Holen Sie einen Arzt.« »Sein Genick ist gebrochen.« »Sein Schädel ist zerschmettert wie eine Eierschale.« Er [anscheinend ein Arzt] wollte dann wissen, ob jemand wüsste, wo ich wohne, und als man ihm sagte, dass ich gleich um die Ecke logiere, wies er sie [die Passanten] an, mich dorthin zu tragen. Nun schien es die ganze Zeit so, als wäre ich körperlos, von der am Boden liegenden Form [getrennt], würde in der Luft schweben, mitten in der [Menschen-]Gruppe, und alles hören können, was gesagt wurde. Als sie begannen, mich wegzutragen, bemerkte man, dass dies ein Schock für meine Familie sein würde. Ich wurde mir direkt des Wunsches bewusst, bei meiner Mutter zu sein. Sofort war ich zu Hause. Vater und Mutter setzten
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Erinnerungen an eigene frühere Leben oder Teilhabe an fremdem Erleben?
sich gerade zum Mittagessen. Bei meinem Eintreffen richtete sich die Mutter kerzengerade auf ihrem Stuhl auf und sagte: »Bert, unserem Jungen ist etwas zugestoßen«. »Unsinn«, sagte er, »was hat dich auf so eine Idee gebracht?« Es folgte ein Wortwechsel, aber Mutter ließ sich nicht beruhigen und sagte, wenn sie den 14-Uhr-Zug erwische, könne sie vor drei Uhr bei mir sein und sich selbst [von meinem Befinden] überzeugen. Kaum hatte sie den Raum verlassen, klopfte es an der Haustür. Es war ein Dienstmann vom Bahnhof mit einem Telegramm, in dem stand, dass ich schwer verletzt sei. Dann wurde ich plötzlich wieder [an einen anderen Ort] versetzt – diesmal schien es gegen meinen Wunsch zu sein – [und zwar] in ein Schlafzimmer, wo eine Frau, die ich erkannte, im Bett lag, und zwei andere Frauen leise geschäftig hin und her liefen: Ein Arzt beugte sich über das Bett. Dann hielt der Arzt ein Baby in den Händen. Sofort verspürte ich den fast unwiderstehlichen Impuls, mein Gesicht durch den Hinterkopf des Babys zu pressen, damit mein Gesicht an die gleiche Stelle wie das des Kindes käme. Der Arzt sagte: »Es sieht so aus, als hätten wir beide verloren.« Und wieder verspürte ich den Drang, den Platz des Babys einzunehmen, um ihm zu zeigen, dass er sich irrte, aber der Gedanke, dass meine Mutter weinte, lenkte meine Gedanken in ihre Richtung, und schnurstracks befand ich mich mit ihr und meinem Vater in einem Eisenbahnwagen. Er schaute [gerade] auf seine Uhr, und sie sagte, dass Züge immer schlichen, wenn man in Eile war, und Vaters Antwort war, dass der Zug genau pünktlich war. Ich war immer noch bei ihnen, als sie in meiner Unterkunft ankamen und in mein Zimmer geführt wurden, wo ich in ein Bett gelegt worden war. Mutter saß neben dem Bett, und ich sehnte mich danach, sie zu trösten. Mir wurde klar, dass ich dasselbe tun sollte, wozu ich mich im Falle des Babys gedrängt fühlte, [nämlich] in den Körper im Bett zu steigen. Endlich gelang es mir, und die Anstrengung brachte mein wahres Ich dazu, sich bei vollem Bewusstsein im Bett aufzusetzen. Mutter zwang mich, mich wieder hinzulegen, aber ich sagte, dass es mir gut ginge, und bemerkte, es sei merkwürdig, dass sie wusste, dass etwas nicht stimmte, bevor der Dienstmann das Telegramm gebracht hatte. Sowohl sie als auch Vater waren erstaunt über mein Wissen. Ihr Erstaunen wurde noch größer, als ich einiges aus ihren Gesprächen, die sie zu Hause und im Zug geführt hatten, fast Wort für Wort wiederholte. Mutter meinte, sie glaube, dass manche Menschen, wenn sie dem Tod nahe waren, mit dem zweiten Gesicht begabt seien. Ich antwortete, dass ich ebenfalls kurz vor der Geburt gestanden hatte, und erzählte ihnen, dass Frau Wilson, die zu Hause in unserer Nähe wohnte, an diesem Tag ein Baby bekam, das aber tot war, weil ich nicht in seinen Körper eingedrungen war. Später erfuhren wir, dass Mrs. Wilson am selben Tag um 14.05 Uhr nach der Entbindung eines totgeborenen Mädchens gestorben war. Ich bin überzeugt, dass ich, wenn ich mich in den Körper dieses Babys gezwungen
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Zur Deutung von Erfahrungen früherer Leben bei kleinen Kindern
hätte, heute eine Miss Wilson wäre, anstatt immer noch – W. Martin, 107 Grove Street, Liverpool. 93
Stevenson schrieb, er habe – anscheinend bisher unveröffentlichte – Notizen zu zwei Fällen und vorläufige Informationen zu einem dritten Fall, in denen das Subjekt, ebenfalls im außerkörperlichen Zustand, vor der Wahl zu stehen schien, in den Körper eines Neugeborenen einzugehen oder aber in seinen eigenen, erwachsenen Körper zurückzukehren. 94 In Stevensons Publikationen findet sich aber der folgende Bericht, in dem der Experiencer zwar nicht eindeutig den Wunsch ausdrückt, als Verstorbener in den Körper eines Neugeborenen zu gelangen, aber immerhin ein seltsames, unüberwindliches Verlangen nach dem Kind beschreibt, in dem er sich dann nach seiner Überzeugung reinkarnierte. Die Schilderung stammt von dem schon erwähnten thailändischen Abt Chaokhun Rajsuthajarn. Dieser war überzeugt, dass er in seinem voraufgegangenen Leben sein Onkel Nai Leng (um 1863–1908) war. Er beschrieb zunächst aus der Perspektive des gerade verstorbenen Nai Leng, wie er den Wunsch verspürte, ein neugeborenes Kind anzufassen und zu küssen, jedoch von der Mutter des Kindes, die ihn laut Bericht in seinem nachtodlichen Zustand sah, fortgeschickt wurde: Nach einer Weile, als ich dachte, dass sie [die Mutter des Neugeborenen] wieder schlief, kam ich hervor, um noch einmal einen Blick auf das Kind zu werfen. Sie [die Mutter] öffnete erneut die Augen und sagte [wieder] das gleiche zu mir. Ich ging zurück, um mich zu verbergen. Ich sagte mir, dass die Zeit für mich gekommen sei, mich ein für alle Mal zu entscheiden. Ich war hin- und hergerissen zwischen zwei Gefühlen. Obwohl ich gerne bleiben würde, sollte ich gehen, ja, ich musste gehen. Vor meinem Abschied wünschte ich mir jedoch, das Kind noch einmal genau zu betrachten. Nachdem ich es mir genau angesehen hatte, wollte ich wieder gehen. Sobald ich mich umdrehte, fing mein Körper an, sich wie ein Kreisel zu drehen. Ich konnte mein Gleichgewicht nicht halten. Ich versuchte, meinen Kopf, mein Gesicht und meine Ohren mit den Händen zu bedecken, bevor ich bewusstlos wurde. […] Ich wusste nicht, wie lange es ging, bis ich das Bewusstsein wiedererlangte. Ich fragte mich, wo ich war. […] Ich fühlte mich voller 93
Cook et al.: Do any near-death-experiences provide evidence for the survival of human personality after death? 387–388; der Text ist auch abgedruckt in Brownell: Reincarnation, 15–17. 94 Siehe Stevenson: Cases of the reincarnation type, 3:12 mit Fn. 15; vgl. Cook et al.: Do any near-death-experiences provide evidence for the survival of human personality after death? 388 Fn. 2.
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Erinnerungen an eigene frühere Leben oder Teilhabe an fremdem Erleben?
Lebenskraft. Wenn ich mich an die Vergangenheit erinnerte, fragte ich mich oft, warum ich in einem so hilflosen Zustand war. Ich fühlte mich etwas frustriert. Später war ich sehr froh, dass ich mich auf den Bauch drehen konnte. Umso mehr, als ich jeden erkennen konnte, der zu mir kam. Ich erinnerte mich an ihre Namen. Ich winkte mit den Händen und versuchte, sie zu rufen. Es kamen jedoch nur kehlige Laute heraus, wie sie für Babys normal sind. 95
Rajsuthajarns Bericht schweigt sich über den Vorgang der mutmaßlichen Reinkarnation aus, aber er scheint doch zu besagen, dass sein Verlangen, in der Nähe des neugeborenen Kindes zu sein, in seiner (mutmaßlichen) Wiedergeburt im Kind mündete.
Einmalige Imprägnierung? Bei der hypothetischen Einwirkung des Verstorbenen auf das Kind sind in zeitlicher Hinsicht zwei Extremvarianten denkbar. Die eine postuliert einen einmaligen, kurzfristigen, intensiven Kontakt des Verstorbenen mit dem Kind beim Versuch der Reinkarnation. Dabei könnte eine Art psychophysischer Imprägnierung erfolgen, die die Grundlage bildet für Erfahrungen früherer Leben sowie auffällige Verhaltensweisen, psychische Eigenheiten wie Phobien oder Vorlieben, und körperliche Merkmale, die mit dem Leben des Verstorbenen in Zusammenhang gebracht werden können. Eine derartige Imprägnierung würde sich wohl unwillkürlich vollziehen, denn jemand, der sich reinkarnieren will, dürfte kaum den Wunsch haben, mit Phobien oder Missbildungen zu leben. Der Verstorbene würde binnen kurzem realisieren, dass er sich nicht wirklich im Kind reinkarnieren kann, sich vom Kind zurückziehen und nicht weiter auf es einwirken. Der Einfluss der Imprägnierung würde im Laufe der Zeit schwinden, weil sie verblasst, von der Persönlichkeitsentwicklung und den Erfahrungen des Kindes überlagert wird oder weil das Kind mit zunehmendem Alter unsensibler gegen sie wird, ähnlich wie man dies für telepathische Einflüsse vermuten könnte. Diese Variante würde eher zu einem Aufhören der Erfahrungen früherer Leben und dem Schwinden entsprechender Verhaltensweisen im ungefähr gleichen Alter passen.
95
Stevenson: Cases of the reincarnation type, 4:177.
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Zur Deutung von Erfahrungen früherer Leben bei kleinen Kindern
Lebenslange Einwirkung? Das andere Extrem wäre eine lebenslange kontinuierliche Einwirkung des reinkarnationswilligen Verstorbenen auf das Kind. Dergleichen wird in einigen zum Teil bereits zitierten Aussagen von Trancepersönlichkeiten des Mediums Anna Wickland angedeutet. Danach soll es für den Verstorbenen nicht einfach sein, sich wieder vom Kind zu lösen. Eine Persönlichkeit namens William Stanley sagte: »Hinein [in das Kind] kam ich wohl, konnte aber nicht wieder heraus.« 96 Von Charlie Hermann schrieb Carl Wickland, dass er den Versuch der Wiederverkörperung habe machen wollen: »Das Ergebnis war, daß er sich in der magnetischen Aura eines kleinen Jungen verstrickte und sich daraus nicht wieder befreien konnte.« 97 Ein anderer Kommunikator, Ralph S., sprach explizit von einer lebenslangen Verbindung des Reinkarnationswilligen mit einem Kind. Er sagte, nach der Lehre der Reinkarnation sei es für ihn jetzt an der Zeit, sich zu reinkarnieren, gab aber zu bedenken: »Sollte ich reinkarnieren und ein Kind besetzen (obsess) 98 und uns beide in einem Körper aneinander fesseln bis zu dem Zeitpunkt, an dem das Kind seinen sterblichen Körper wieder verlässt?« 99 Die Wirkung des fremdseelischen Einflusses könnte auch nach diesem Modell tendenziell im Laufe der Jahre abnehmen, da sich die Persönlichkeit und das Denken des Kindes zunehmend entwickelt und dadurch weniger empfänglich für die Einwirkung des Verstorbenen werden könnte.
Eine mittlere Variante? Auf Fälle von Kindern, die spontan von früheren Leben sprechen, würden vielleicht am besten Konzepte passen, die zwischen diesen 96
Wickland: Thirty years among the dead, 334 (Übers. Wickland: Dreißig Jahre unter den Toten, 409, bearbeitet vom Verf.). 97 Wickland: Thirty years among the dead, 333 (Übers. Wickland: Dreißig Jahre unter den Toten, 409, bearbeitet vom Verf.). 98 ›to obsess‹ würde eigentlich eine Wirkung eines Wesens von außen auf die Wirtsperson bedeuten, aber hier scheint es eher eine Position des Verstorbenen im Körper des Kindes zu bezeichnen. 99 Wickland: Thirty years among the dead, 341–342 (Übers. Wickland: Dreißig Jahre unter den Toten, 418–419, bearbeitet vom Verf.); siehe auch Wickland: Gateway of understanding, 215.
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Erinnerungen an eigene frühere Leben oder Teilhabe an fremdem Erleben?
beiden Extremen liegen. Die Ergebnisse von Haraldssons Untersuchungen sprechen für eine recht variable Dauer der Erfahrungen früherer Leben. Das wäre mit der Imprägnierungsdeutung allein nicht besonders gut zu erklären. Man könnte stattdessen eine anfängliche psychophysische Imprägnierung durch den Verstorbenen in der Schwangerschafts- oder auch Säuglingsphase erwägen. Hinzu könnte eine zeitlich variable und unterschiedlich intensive akute Einwirkung des Verstorbenen kommen. Das könnte erklären, warum Kindern ihre mutmaßlichen Erinnerungen nicht immer zur Verfügung zu stehen scheinen oder warum Ryan Hammons an manchen Tagen »einfach nur Ryan« war, also seine Verhaltensweisen nicht von dem früheren Leben geprägt waren. 100 Im Fall von James Leininger würde die These einer einmaligen Imprägnierung durch die Person des früheren Lebens nicht erhellen, warum die Erfahrungen früherer Leben nach dem Besuch der Absturzstelle der Person des früheren Lebens offenbar markant zurückgingen. Dieser Rückgang könnte eher verständlich werden, wenn man hypothetisch annähme, dass die Person des früheren Lebens, James Thurston, ihren traumatischen Tod mit dem Besuch der Absturzstelle durch James Leininger aufarbeiten konnte und sich danach von diesem zurückzog. Es fällt auf, dass James Leininger die Person des früheren Lebens am Ende des Besuchs der Absturzstelle als ein Du anredet, sich also sprachlich nicht mehr mit ihr identifiziert. 101 Zur Veranschaulichung der Vorstellung einer Kombination von anfänglicher Imprägnierung und erneutem späterem fremdseelischen Einfluss könnte man den oben angeführten Fall des Transplantatempfängers Carter heranziehen. 102 Er weist gewisse phänomenologische Ähnlichkeiten mit Fällen von Kindern, die spontan von einem früheren Leben sprechen, auf. Nach der Herztransplantation mit sieben Monaten zeigte Carter ein ähnliches körperliches Symptom wie der Spender Jerry, nämlich linksseitige Steifheit mit Zittern. Andere Gemeinsamkeiten mit Jerry manifestierten sich anscheinend erst bei der Begegnung mit dessen Eltern: die Verwendung von Jerrys Babysprache, Jerrys Nasereiben und das Einkuscheln bei Jerrys Eltern. Carter ging trotz seiner sonstigen Schüchternheit zu Jerrys Mutter hin und sprach sie spontan mit Mama an. Jerrys Vater, den er noch nie 100 101 102
Siehe oben S. 81. Siehe oben S. 78. Siehe oben S. 175.
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Zur Deutung von Erfahrungen früherer Leben bei kleinen Kindern
gesehen hatte, erkannte er anscheinend unter anderen Leuten, sprang auf seinen Schoß und begrüßte ihn mit Daddy. Das erinnert an das Verhalten kleiner Kinder, die den Eltern der Person des früheren Lebens begegnen. Der bei dieser ersten Begegnung sechsjährige Carter drückte sich allerdings so aus, als ob Jerry gerade anwesend sei. Er sagte den Eltern, sie sollten nicht weinen, denn Jerry würde sagen, alles sei in Ordnung. Als seine Mutter ihn fragte, warum er dem fremden Mann, Jerry Vater, auf den Schoß gesprungen sei, sagte Carter, Jerry habe das getan und sei mit ihm gegangen. Bei Kindern, die von früheren Leben sprechen, ist das Bewusstsein der Zweiheit der Personen in der Regel weniger stark ausgeprägt als in diesem Fall. Außerdem sind die Verhaltensweisen, die an das frühere Leben erinnern, oft jahrelang kontinuierlich sichtbar. Im Fall von Carter und Jerry wäre die Annahme plausibel, dass sich Jerry nicht in Carters Körper reinkarnieren wollte und deshalb kein permanentes enges Verhältnis mit ihm anstrebte. Erst als sich Carter mit Jerrys Eltern traf, machte sich dem Anschein nach Jerrys psychischer Einfluss bemerkbar. Das plausibelste Motiv für Jerrys Einwirkung wäre, seinen Eltern Trost zu spenden. Carter wirkt mit seinen Aktionen und Äußerungen wie ein Medium für die Botschaft Jerrys an seine Eltern. In typischen Fällen kleiner Kinder, die von früheren Leben sprechen, läge aber eine andere Situation vor. Die Einwirkung des Verstorbenen auf das Kind würde dann nicht vom Wunsch getrieben, Dritten eine Botschaft zu übermitteln, sondern selbst wieder am irdischen Leben teilzunehmen. Eine Kommunikation mit dem Kind und durch das Kind mit Dritten wäre nicht zu erwarten. Man darf außerdem vermuten, dass das Bewusstsein und die kognitiven Möglichkeiten eines Verstorbenen stark eingeschränkt würden, wenn er sich eng mit dem psychophysischen System eines Fötus oder Säuglings verbände. 103 Eine Einschränkung des Bewusstseins gibt es nach einer Trancepersönlichkeit Anna Wicklands, die sich als der den Wicklands bekannte Konsul P. J. Peebles ausgab, bereits bei medialen Kontakten. Man vergesse dabei manchmal sogar, wie man auf Erden geheißen habe. 104 103 Siehe auch William Stanley, eine Trancepersönlichkeit Anna Wicklands: »Man kommt ganz durcheinander, wenn man versucht, zum Zweck der Reinkarnation in den Körper eines anderen zu gelangen« (Wickland: Thirty years among the dead, 335). 104 Siehe Wickland: Thirty years among the dead, 349; siehe auch Schwenke: Transzendente Begegnungen, 154 Fn. 201. Bei sehr materiell wirkenden Erscheinungen
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Erinnerungen an eigene frühere Leben oder Teilhabe an fremdem Erleben?
Unterschied zu Besessenheit Man könnte nun einwenden, dass sich mein Ansatz nicht wesentlich von der Besessenheitshypothese unterscheide. In der Tat schlage ich einen Einfluss einer verstorbenen Person auf das Kind als Erklärung seiner Erfahrungen früherer Leben mit den zugehörigen Verhaltensweisen und körperlichen Merkmalen vor. Jedoch ist dieser Einfluss von anderer Art als bei Fällen von Besessenheit im eigentlichen, engeren Sinne. Wie bereits gesagt, nimmt dabei die Wirtsperson die besetzende Person nicht wahr, hat keine Kenntnis von deren Leben und identifiziert sich nicht mit ihr. In den Phasen der Besessenheit ist sie mehr oder weniger bewusstlos. Der Einfluss des Verstorbenen auf das Bewusstsein des Kindes, den ich vorschlage, wäre vielmehr von ähnlicher Art wie der vermutete fremdseelische Einfluss bei telepathischen oder medialen Erlebnissen, der meines Wissens in aller Regel nicht als Besessenheit bezeichnet wird. Hier behält der Experiencer das Bewusstsein von sich selbst. Das Ungewöhnliche wäre bei den starken Fällen kleiner Kinder, die von früheren Leben sprechen, die lange Dauer der intensiven Verbindung zur fremden, verstorbenen Person. 105 Stevensons Verwendung von ›Besessenheit‹ als Terminus für alle Formen eines fremdseelischen Einflusses könnte dazu geführt haben, dass diese Erklärung der Phänomene kaum erwogen wurde. 106
Reinkarnation vs. Einfluss einer verstorbenen Person – Diskussion einzelner Aspekte Einleitung Obwohl die Reinkarnationsdeutung der Fälle der Kinder, die spontan von einem früheren Leben sprechen, am Problem der Überschneidungen der Leben zu scheitern scheint, möchte ich im Folgenden prüVerstorbener treten diese manchmal wie benommen oder geistesabwesend auf (siehe ebd., 151–153). 105 So auch Stevenson: Reinkarnation, 364. 106 Beispielsweise erklärt Hassler: Indizienbeweise für ein Leben nach dem Tod und die Wiedergeburt, 368, recht lapidar, dass Erklärungen, die einen fremdseelischen Einfluss bemühen, bei dem die »ursprüngliche Persönlichkeit« nicht »hinausgedrängt« würde, »keine große Bedeutung« hätten.
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Zur Deutung von Erfahrungen früherer Leben bei kleinen Kindern
fen, ob die von mir als Alternative vorgeschlagene These eines fremdseelischen Einflusses auch bei anderen Aspekten der Fälle eine ähnliche Erklärungskraft wie die Reinkarnationsdeutung besitzt.
Aufhören des Sprechens von einem früheren Leben Stevenson behauptet, die Reinkarnationsdeutung könne das »fast universelle Vergessen […], das die Subjekte im Alter von vier oder fünf bis sieben oder acht Jahren befällt« besser erklären als die Hypothese der Besessenheit, das heißt bei ihm, als die Hypothese des Einflusses durch eine verstorbene Person. 107 Nun zeigten aber, wie erwähnt, die Untersuchungen von Haraldsson, dass das spontane Sprechen von einem früheren Leben kein zuverlässiger Indikator für Erfahrungen früherer Leben ist. Bei einem substanziellen Teil der Experiencer scheinen sich die Erfahrungen bis ins Erwachsenenalter fortgesetzt zu haben. Das ist erstaunlicherweise auch bei Stevensons eigenen exemplarischen Fällen zu beobachten. Die sehr unterschiedliche Dauer der Erfahrungen früherer Leben würde mit einem fremdseelischen Einfluss leichter zusammenstimmen als mit der Reinkarnationsdeutung. 108
Unterschiedliche Stärke der Fälle Manche Kinder reden nur ein einziges Mal von einem früheren Leben, andere fast unausgesetzt über mehrere Jahre. Die Fälle, in denen Kinder nur einmal von einem früheren Leben sprechen, unterscheiden sich aber phänomenologisch nicht grundsätzlich von den Fällen, in denen Kinder über Jahre hinweg von einem früheren Leben sprechen. Aber dass ein früheres Leben nur ein einziges Mal in das Bewusstsein einbricht, ist in meinen Augen erklärungsbedürftig. Die geschilderten Umstände – das Sitzen auf dem Schoß der Oma be107
Siehe Stevenson: Wiedergeburt, 173. Selbst wenn die Erfahrungen früherer Leben in einem bestimmten Alter bei der großen Mehrheit der Experiencer allesamt schwinden würden, wäre das ein größeres Problem für die Reinkarnationsdeutung als Stevenson einräumt. Wenn sich schon die angeblichen Erinnerungen über die Kluft des Todes hinübergerettet haben, warum würden sie dann im Kindesalter verblassen? (siehe Murphy: Caringtonian approach, 123). 108
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Erinnerungen an eigene frühere Leben oder Teilhabe an fremdem Erleben?
ziehungsweise in der Badewanne – wirken nicht so einmalig, dass man mit ihnen erklären könnte, warum das frühere Leben nur in dieser Situation bewusst werden konnte. Die Hypothese, dass eben nur ein einziges Mal ein intensiverer Kontakt mit dem Bewusstsein einer verstorbenen Person stattfand, würde dieser Einmaligkeit besser gerecht werden als die Reinkarnationsdeutung. Denn Reinkarnation hat keine Grade. Man könnte so unterschiedlich starke Fälle wohl nur mit einer sehr unterschiedlichen Erinnerungsfähigkeit der Kinder erklären. Schon Platon argumentierte ähnlich. 109 Ein fremder seelischer Einfluss kann jedoch vom Begriff her unterschiedlich häufig, lang und intensiv sein. Gleichzeitig kann auch auf der Seite der Person, auf die der Einfluss einwirkt, eine verschiedene Empfänglichkeit für derartige Einflüsse angenommen werden. Die Reinkarnationsdeutung ist bei der Erklärung der unterschiedlichen Stärke mutmaßlicher Reinkarnationsfälle im Nachteil, da sie, soweit ich sehe, nur einen variablen Faktor, die unterschiedliche Erinnerungsfähigkeit, aufbieten kann. Ähnliches gilt auch für das Phänomen, dass selbst Kinder, die oft von einem früheren Leben sprechen, nicht immer einen kognitiven Zugang zu diesem Leben zu haben scheinen, und dass ihr Verhalten selbst in starken Fällen nicht gleichmäßig vom früheren Leben geprägt ist. Diese Beobachtungen passen ebenfalls besser zu einem fremdseelischen Einfluss, der im Gegensatz zu Reinkarnation nicht permanent sein muss.
Motiv Stevenson behauptete gegen die Erklärung der Erfahrungen früherer Leben durch den Einfluss einer verstorbenen Person, »daß ein Motiv für die Beeinflussung einer irdischen Persönlichkeit von seiten der entkörperten Persönlichkeiten, die in diesen Fällen eine Rolle spielen, nicht ersichtlich ist«. 110 Die von mir vorgeschlagene Hypothese löst dieses Problem: Das Hauptmotiv für die Beeinflussung der Kinder, die spontan von früheren Leben sprechen, ist der Wunsch des Verstorbenen nach Reinkarnation. 109 Die Fähigkeit zur Erinnerung an frühere Leben knüpfte er an die Menge des unmittelbar vor der Wiedergeburt aus dem Fluss Ameles (Lethe) getrunkenen Wassers (siehe Platon: Politeia X.16 [621a]). 110 Stevenson: Reinkarnation, 382.
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Kohärentes Bild einer verstorbenen Person Das Sprechen der Kinder über das frühere Leben ergibt oft ein kohärentes Bild einer verstorbenen Person. Dieses Phänomen wird von beiden Ansätzen ähnlich leicht erklärt. Bei der Reinkarnationsdeutung ergibt sich die Kohärenz dadurch, dass sich das Sprechen aus den Erinnerungen an ein eigenes vergangenes Erleben speist, bei der These des fremdseelischen Einflusses dadurch, dass es sich um die Teilhabe am vergangenen Erleben einer einzigen anderen Person handelt, die sich auf eine besondere Weise mit dem Experiencer verbunden hat.
Identifikation Das Empfinden der Identifikation mit einer Person, die früher einmal gelebt hat, kommt nicht nur bei Kindern, die von früheren Leben sprechen, sondern auch bei typischen telepathischen, medialen und hellseherischen Erfahrungen vor, wenn es auch meist nur kurz ist. 111 Stevenson gibt zu, dass der Unterschied zwischen beiden Gruppen nur in der Länge der Identifikation liegt sowie in der Anzahl der Personen, mit der sich die Experiencer identifizieren. 112 Nimmt man einen besonders starken, andauernden Einfluss durch eine verstorbene Person an, wäre auch eine langfristige Identifikation mit ihr nachvollziehbar. Die Identifikation mit der Person des früheren Lebens ist bei den Fällen der Kinder, die spontan von früheren Leben sprechen, sehr unterschiedlich stark. James Leininger sprach, wie bereits erwähnt, gegen Ende seiner Erfahrungen von der Person des früheren Lebens wie von einer anderen Person. Ein ernstes Problem für die 111
Das räumt auch Stevenson ein (siehe Stevenson: Reinkarnation, 364, 369). Siehe Stevenson: Reinkarnation, 364: »Im allgemeinen finden wir jedoch keine Unterschiede zwischen den bei den Wiedergeburtsfällen behaupteten Identifizierungen und den von Sensitiven bei der anscheinenden Beschreibung anderer Personen erlebten, wenn wir die Fälle nur über einen kurzen Zeitraum hinweg im Auge behalten. Die meisten Menschen, die Anspruch darauf erheben, sich an ein früheres Leben zu erinnern, unterscheiden sich von anderen indessen durch die lange Zeitdauer (die gewöhnlich Jahre beträgt), während der sie ihre Behauptung aufrechterhalten, mit der anderen Persönlichkeit identisch zu sein, sowie durch die Beschränkungen der Identifizierung auf eine andere Persönlichkeit, selten auf zwei oder mehr.« Siehe auch ebd. 369. Ältere Subjekte von Erfahrungen früherer Leben identifizieren sich allerdings häufig mit zahlreichen verstorbenen Personen. 112
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Erinnerungen an eigene frühere Leben oder Teilhabe an fremdem Erleben?
Reinkarnationsdeutung sehe ich darin, dass sich viele Experiencer in späteren Jahren nicht mehr mit der Person des früheren Lebens identifizieren. 113 Denn im Reinkarnationsfall würden sie nicht aufhören, die Person des früheren Lebens zu sein. Die These des fremdseelischen Einflusses könnte die veränderliche Identifikation mit der Person des früheren Lebens daher besser abbilden als die Reinkarnationsdeutung. Es erscheint im Übrigen vorstellbar, dass sich sehr kleine Kinder grundsätzlich stärker mit der Person des früheren Lebens identifizieren, weil ihnen die gedanklichen Möglichkeiten zur Distanzierung fehlen. Wir haben oben von Fontana gelesen, dass Erfahrung nötig sei, um mediale Erlebnisse nicht für Erfahrungen früherer Leben zu halten. 114
Fragmentarisches Wissen Das Problem des fragmentarischen Wissens vom früheren Leben ist entgegen Stevensons Annahme für die Reinkarnationsdeutung eher größer als für das Konzept des fremdseelischen Einflusses. Er fragt: »Wenn der besitzergreifende Geist auf eine Persönlichkeit einen derart starken Einfluß ausübt, daß diese behauptet, jemand anderes zu sein, warum erinnert sich die besitzergreifende Persönlichkeit dann nicht dann nicht an alles aus dem früheren Leben?« 115 Man kann erstens die Gegenfrage stellen: Wenn ein Kind die Person des früheren Lebens war, warum erinnert es sich dann nicht an alles aus seinem früheren Leben? Das Wissen des Kindes von seinem eigenen früheren Leben wäre wohl nur durch die eigene Erinnerungsfähigkeit begrenzt. Das Wissen des Kindes von einem fremden früheren Leben hinge, wenn es von der verstorbenen fremden Person übermittelt würde, erstens in ähnlicher Weise von der Erinnerungsfähigkeit der fremden verstorbenen Person an ihr vergangenes Erdenleben ab und zweitens von der Möglichkeit der Übermittlung dieses Wissens an das Kind. Spontane telepathische Eindrücke beschränken sich oft auf intensive Erfahrungen einer fremden Person. Ähnlich eingeschränkt 113 Die Identifikation mit der Person des früheren Lebens ist nicht zwingend an die Erfahrungen früherer Leben gekoppelt. Suzanne Ghanem identifizierte sich als Erwachsene weiterhin intensiv mit der Person des früheren Lebens, auch wenn sie keine Erfahrungen dieser Art mehr hatte (siehe Shroder: Old souls, 84–85). 114 Siehe oben S. 171. 115 Stevenson: Reinkarnation, 381.
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könnten die Möglichkeiten einer verstorbenen Person sein, ihre Erinnerungen an das Kind weiterzugeben. Zweitens kann man zum Nachteil der Reinkarnationsdeutung vorbringen, dass das Wissen der anscheinend im echten Sinne besessenen Lurancy Vennum vom Leben der Mary Roff das Wissen der kleinen Kinder von ihren mutmaßlichen früheren Leben selbst in den stärksten Fällen zu übertreffen schien.
Keine Kenntnis von zwischenzeitlichen Veränderungen Stevenson und andere Befürworter der Reinkarnationsdeutung machen gegen die These einer Vermittlung des Wissens vom früheren Leben durch einen Verstorbenen geltend, dass die Kinder »gewöhnlich nichts von Änderungen, die bei Menschen und Gebäuden stattgefunden haben [wissen], seit die frühere Persönlichkeit verstarb«. Er »würde eine körperlose Persönlichkeit, die eine andere ›besetzt‹, zwar nicht für allwissend halten, aber doch in höherem Maße über Veränderungen informiert, als die Subjekte [von Erfahrungen früherer Leben] das sind«. 116 Dagegen könnte man erstens einwenden, dass in gut bezeugten Fällen von Besessenheit wie etwa bei Lurancy Vennum die mutmaßliche besetzende Person, Mary Roff, anscheinend keinerlei Kenntnis von Veränderungen in ihrem irdischen Umfeld nach ihrem Tod hatte. 117 Zweitens gibt es auch in Fällen von Kindern, die spontan von früheren Leben sprechen, manchmal längere Intervalle zwischen dem früheren und dem aktuellen Leben. Beispiele dafür sind die Fälle von James Leininger und Ryan Hammons. James wurde über fünfzig Jahre nach dem Tod der Person des früheren Lebens geboren, Ryan knapp vierzig Jahre danach. Ryan war jedoch verwirrt, dass die Tochter der Person des früheren Lebens nicht mehr ein kleines Mädchen, sondern eine Frau in den Fünfzigern war. 118 Und James schien perplex angesichts des hohen Alters der Schwester der Person
116
Stevenson: Wiedergeburt, 227. Siehe oben S. 195. Ähnliches war auch in anderen Fällen von Besessenheit im engen Sinne zu beobachten, wie im Fall Uttara Huddar / Sharada (siehe Stevenson & Pasricha: Preliminary report of an unusual case of the reincarnation type with xenoglossy, 334–336) und im Fall Sumitra Singh / Shiva Tripathi (siehe Stevenson et al.: A case of the possession type in India, 95). 118 Siehe Tucker: Return to life, 107–108; Hammons: »The old me«, 65. 117
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des früheren Lebens zu sein. 119 Beide hätten in der langen Zeit zwischen den Leben Gelegenheit gehabt, als Verstorbene bei ihren Verwandten aus dem früheren Leben vorbeizuschauen, wie es Stevenson von einer »körperlose[n] Persönlichkeit« erwartete. Aber sie schienen weder über die Alterung der Verwandten noch über irgendwelche anderen Entwicklungen seit dem Ende des früheren Lebens im Bilde zu sein.
Erlebnisse während der Schwangerschaft Manchmal berichten kleine Kinder, die spontan von früheren Leben sprechen, auch über die Zeit der Schwangerschaft. Oben haben wir einen Fall kennen gelernt, in dem ein Junge namens William erzählte, wie er seine mit ihm selbst offenbar hochschwangere Mutter beim Treppensteigen beobachtete. 120 Die Beschreibung der Szene spricht eindeutig für die Außenperspektive. Wenn man nicht annehmen wollte, dass sich die kindliche Person erst kurz vor oder gar während der Geburt mit dem physischen Körper verbindet, wogegen ich oben argumentiert habe, 121 wäre die Deutung solcher Erlebnisse als Erinnerungen nur unter der Voraussetzung einer außerkörperlichen Erfahrung des Fötus plausibel. Mir scheint Williams Erleben eher als Teilhabe an fremdem Erleben verständlich. Es ist denkbar, dass eine verstorbene Person, die sich in dem Fötus reinkarnieren möchte, die schwangere Frau von außen wahrnimmt, bevor sie versucht, sich mit dem Fötus zu verbinden.
Traumerscheinungen und mediale Durchsagen nach der Geburt Wenn man Traumerscheinungen der Person des früheren Lebens nicht als bloße Phantasie ansehen, sondern ihnen einen objektiven Wert beimessen wollte, dann wäre eine Erscheinung deutlich nach der Geburt des Kindes, das später von diesem Leben sprechen wird, durchaus ein Problem für die Reinkarnationsdeutung. Solche Fälle
119 120 121
Siehe Leininger & Leininger: Soul survivor, 271; Keen: Surviving death, 32. Siehe oben S. 98. Siehe oben S. 188.
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Zur Deutung von Erfahrungen früherer Leben bei kleinen Kindern
haben wir aber oben kennen gelernt. 122 Wie könnte die Person des früheren Lebens noch erscheinen, wenn sie sich bereits erneut inkarniert hätte? Die Deutung, dass sich die nicht-reinkarnierte Person des früheren Lebens in diesen Träumen in ihrer irdischen Gestalt meldete, wirkt einfacher. Das gleiche gilt für mutmaßliche mediale Durchsagen der Person früheren Lebens, wenn das Kind, das später behaupten wird, diese Person gewesen zu sein, bereits ein Säugling ist. 123
Muttermale und angeborene Missbildungen Nach der Reinkarnationsdeutung wären Muttermale und angeborene Missbildungen, die mit körperlichen Merkmalen der Person des früheren Lebens übereinstimmen, selbstverursacht. Es gibt tatsächlich gut bestätigte Fälle von Veränderungen am eigenen Körper durch intensive Vorstellungen oder Hypnose. Auch der Placebo- und NoceboEffekt gehört in diese Rubrik. 124 Stevenson schildert den folgenden Fall von anscheinend vorstellungsbedingten Verletzungen am eigenen Körper: In den zwanziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts stieß ein deutscher Arzt auf ein junges Mädchen – eine Protestantin – die leicht hypnotisiert werden konnte. Dieses Mädchen (Elisabeth K.) besaß einen hohen Grad an Beeindruckbarkeit. Es besuchte einen Lichtbildervortrag über den Kreuzweg Jesu. Am nächsten Tag klagte es über starke Schmerzen in seinen Händen und Füßen (an jenen Stellen, an denen die Nägel in die Glieder Jesu getrieben worden waren). Der Arzt nutzte die Gelegenheit, hypnotisierte das Mädchen und forderte es auf, sich vorzustellen, daß man Nägel tief in ihre Hände und Füße bohrte. Am nächsten Tag zeigten sich an diesen Stellen offene Wunden. Danach rief der Arzt unter Hypnose auch das Abbild der übrigen Wunden, einschließlich der dreieckförmigen Verletzungen einer Dornenkrone, hervor. 125
Ähnlich plausibel wäre aber die Erklärung durch eine seelische Fremdeinwirkung. Beispiele haben wir im Rahmen von telepathischen Phänomenen kennen gelernt. Auch und gerade in Bezug auf das Kind im Mutterleib werden solche Fremdeinwirkungen beschrie122 123 124 125
Siehe oben S. 97. Siehe oben S. 98. Kelly: Psychophysiological influence, 139–148. Stevenson: Reinkarnationsbeweise, 39 (Übers. vom Verf. korrigiert).
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Erinnerungen an eigene frühere Leben oder Teilhabe an fremdem Erleben?
ben. Mütterliche Vorstellungen können danach mitunter das Kind schädigen. Stevenson hat etliche Fälle sogenannter mütterlichen Impressionen beschrieben, 126 unter anderem auch den folgenden: Ein typischer Fall – der veröffentlich wurde – ist jener, bei dem die schwangere Frau auf der Straße einen Mann mit teilweise amputierten Füßen sah. Dieser Zwischenfall beunruhigte sie in einer Weise, daß sie fürchtete, ihr Baby könnte mit ähnlichen Defekten geboren werden, was auch tatsächlich eintraf. Die Füße des Kindes waren nicht vollkommen ausgebildet und glichen denjenigen des Mannes, den die Mutter auf der Straße gesehen hatte. 127
In einem anderen Fall, den Stevenson erwähnt, trieb die »Neugierde einer schwangeren Frau, deren Bruder sich einer Amputation seines Penis zur Beseitigung von Krebszellen unterziehen mußte, […] dazu, einen Blick auf die Amputationswunde zu werfen. Später gebar sie einen Jungen ohne Penis.« 128 Die Wahrscheinlichkeit einer solchen Missbildung beziffert Stevenson auf eins zu dreißig Millionen. Auch Fälle von Missbildungen im Zusammenhang mit Verfluchungen durch Dritte werden von Stevenson geschildert, wie der Fall von Sampath Priyasantha, der ohne Arme und mit missgebildeten Füßen geboren wurde. Sein Vater hatte zusammen mit seinem Bruder einen jungen Mann getötet, indem sie ihm die Arme und Beine fast vollständig abschlugen. Die Mutter des Mordopfers verfluchte wiederholt den Vater und seine Familie. Sie würden zur Strafe ein verkrüppeltes Kind haben. 129 Das Phänomen angeborener Missbildungen, die mit Körpermerkmalen der Person des früheren Lebens korrespondieren, deutet bei beiden hier diskutierten Ansätzen eher auf eine unwillkürliche, unterbewusste Erzeugung. Wer würde sich absichtlich Missbildungen mit auf den Lebensweg geben wollen? Und welche nur etwas mitfühlende Person würde das absichtlich bei einem anderen Wesen tun? Nicht erklären kann die Reinkarnationsdeutung Fälle von Muttermalen, die zwar Merkmalen der Person des früheren Lebens entsprechen, jedoch während der fortgeschrittenen Schwangerschaft oder
126 127 128 129
Siehe Stevenson: Reincarnation and biology, 104–175. Stevenson: Reinkarnationsbeweise, 52. Stevenson: Reinkarnationsbeweise, 54. Siehe Stevenson: Reinkarnationsbeweise, 56–57.
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Spontane und induzierte Erfahrungen früherer Leben bei Älteren
gar erst, wie im Fall Juta, etliche Monate nach der Geburt entstanden. 130 Die Erklärung dieser Überschneidungsfälle durch einen Fremdeinfluss ist begrifflich jedoch ohne Weiteres möglich.
Fälle nichtmenschlicher Tiere Fälle mutmaßlicher Erfahrungen früherer Leben und begleitender Verhaltensweisen bei nichtmenschlichen Tieren würde ich grundsätzlich ähnlich wie die Fälle der kleinen Kinder deuten, also als Einfluss eines verstorbenen Tieres auf das Tier, an dem sich die Phänomene zeigen. Diese Erklärung kommt sowohl mit der berichteten Überschneidung der Leben als auch mit dem vollständigen Verschwinden der einschlägigen Verhaltensweisen beim Heranwachsen des Tieres besser zurecht als die Reinkarnationsdeutung.
Fazit Die Diskussion einzelner Aspekte von Fällen, in denen kleine Kinder spontan von früheren Leben sprechen, ergibt insgesamt eher einen Nachteil für die Reinkarnationsdeutung im Vergleich mit der These vom Einfluss einer verstorbenen Person. In keinem Fall kann die Erklärungskraft der Reinkarnationsdeutung ihr Versagen bei den Fällen sich überschneidender Leben kompensieren.
Spontane und induzierte Erfahrungen früherer Leben bei älteren Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen Probleme der personalen Reinkarnationsdeutung Erlebnisperspektive In dieser zweiten Fallgruppe kann die Erlebnisperspektive während der Erfahrungen früherer Leben analysiert werden, weil sie in den Berichten gelegentlich explizit beschrieben wird oder zumindest er130
Siehe oben S. 76.
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Erinnerungen an eigene frühere Leben oder Teilhabe an fremdem Erleben?
schlossen werden kann. 131 Die Befunde sprechen gegen die Deutung von Erfahrungen früherer Leben als Erinnerungen. Neben der IchPerspektive scheint nämlich oft die Außenperspektive vorzukommen, in einigen der beschriebenen Erfahrungen sogar ausschließlich. Mehrmals wird überdies ein Wechsel zwischen Ich-Perspektive und Außenperspektive innerhalb einer einzigen Erfahrungsepisode berichtet. In besonders auffälligem Widerspruch zur Erinnerungsdeutung stehen Fälle, bei denen die Erlebnisperspektive willentlich gewechselt werden konnte. 132 Beispiele für Außenperspektive und Perspektivenwechsel finden sich auch in den wenigen gelösten Fällen, bei denen Kryptomnesie oder andere gewöhnliche Wissensquellen ausgeschlossen werden konnten. Im Fall von Pratomwan Inthanu, dem wohl eindrucksvollsten Beispiel gelöster spontaner Fälle, scheint die Außenperspektive vorzuherrschen. 133 Auch in den meisten anderen zitierten spontanen Fällen, die einen historischen Kern zu haben schienen, 134 kam die Außenperspektive oder auch ein Perspektivenwechsel vor. Im Fall von H. G. Scheffler, der insofern eine intersubjektive Bestätigung des Erlebten bot, als eine andere Person eine korrespondierende Erfahrung berichtete, wurde die Person des früheren Lebens anscheinend nur aus der Außenperspektive erlebt. 135 Unter den Berichten über die wenigen gelösten Fälle induzierter Erfahrungen früherer Leben finden sich ebenfalls gelegentlich Anhaltspunkte für die Erlebnisperspektive. Robert Snow beschreibt einen Wechsel von der Ich- zur Außenperspektive innerhalb einer einzigen Erfahrungsepisode. 136 Bruce Kelly konnte anscheinend auf Anweisung seines Hypnotherapeuten die Außenperspektive während seiner Erfahrungen einnehmen. 137 Da es, wie schon im voraufgehenden Unterkapitel erläutert, äußerst unwahrscheinlich ist, dass die Person des früheren Lebens in ihrem Originalerlebnis die Außenperspektive auf sich einnahm oder einen Perspektivenwechsel erlebte, muss man davon ausgehen, dass es sich bei derartigen Erlebnissen nicht um Er-
131
Siehe oben S. 122, 133. Siehe oben S. 133. 133 Siehe oben S. 113. 134 Siehe etwa die Fälle der jungen Frau aus Washington und von John East, Traude von Hutten und von Ruprecht Schulz oben S. 118, 122–123. 135 Siehe oben S. 125. 136 Siehe oben S. 134. 137 Siehe oben S. 134. 132
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Spontane und induzierte Erfahrungen früherer Leben bei Älteren
innerungen im Sinne eines Wiedererlebens handelte. Man könnte zwar argumentieren, dass die Erlebnisabschnitte, die aus der Ich-Perspektive erlebt werden, echte Erinnerungen sind. Aber mir scheint, dass man sie nicht sauber von Erlebnissen aus anderen Perspektiven abtrennen kann. Deshalb würde ich Erlebnisepisoden, in denen auch andere Perspektiven als die Ich-Perspektive vorkommen, insgesamt nicht als Erinnerungen im Sinne eines Wiedererlebens ansehen und folglich auch nicht als Beleg für Reinkarnation gelten lassen. Es ist unklar, wie häufig Erfahrungen früherer Leben sind, in denen nur die Ich-Perspektive vorkommt, weil die Erlebnisperspektive keineswegs in jedem Bericht erwähnt wird. Folgt man Moody, so ist Multiperspektivität ein charakteristisches Merkmal zumindest induzierter Erfahrungen früherer Leben. 138 Ob sich spontane Erfahrungen phänomenologisch grundlegend von induzierten unterscheiden, ist fraglich. Zudem muss man sich vergegenwärtigen, dass auch die Ich-Perspektive kein Garant dafür ist, dass es sich bei einem Erleben tatsächlich um Erinnerungen handelt, wie auch der Fall Gioberti zeigt, wo offensichtlich ein fiktives Geschehen wie eine Erinnerung aus der Ich-Perspektive erlebt wurde. 139
Einmaliges Auftreten der Erlebnisse Nicht selten haben ältere Kinder, Jugendliche und Erwachsene nur eine einzige Erfahrung von einem bestimmten früheren Leben. 140 Wenn der Experiencer die Person dieses früheren Lebens war, wie die Reinkarnationsdeutung annimmt, dann fragt sich wie in ähnlichen Fällen kleiner Kinder, warum dieses Leben nur ein einziges Mal erinnert wird. Die Umstände der Erlebnisse wirken oft unauffällig und nicht einzigartig.
138
Siehe oben S. 131. Siehe oben S. 117. 140 Das gilt anscheinend auch für den Fall Pratomwan Inthanu, siehe oben S. 113. Das es sich nur um ein einziges Erlebnis handelt, wird selten ausdrücklich gesagt (siehe aber S. 117), andere Fälle lassen es vermuten (siehe z. B. die Fälle S. 109–114, 123– 126). 139
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Erinnerungen an eigene frühere Leben oder Teilhabe an fremdem Erleben?
Fehlende Begleitphänomene In manchen der wenigen gelösten Fälle, wie denen von Pratomwan Inthanu oder Robert Snow, scheint der Experiencer überhaupt keine Verhaltensmerkmale aufzuweisen, die an die Person des früheren Lebens erinnern. In anderen Fällen, wie etwa bei Bruce Kelly, werden starke Phobien berichtet, die mit der Person des früheren Lebens in Zusammenhang gebracht werden können. 141 Da es keine Grade von Reinkarnation geben kann, ist es erklärungsbedürftig, warum ein wichtiger Phänomenbereich bei Fällen, die mit zu den stärksten zählen, gänzlich fehlen kann.
Überschneidung der Leben Die Zahl der gelösten Fälle, bei denen Kryptomnesie und andere normale Erklärungen ausgeschlossen werden können, ist in der Gruppe älterer Kinder, Jugendlicher und Erwachsener sehr klein. Trotzdem befindet sich darunter auch ein Fall mit nachweislich sich überschneidenden Lebensdaten, der Fall von Ruprecht Schulz. 142 Das Problem der Überschneidung der Leben wird auch im Zusammenhang mit den Rückführungen von Ivy durch Bruce Goldberg deutlich. Goldberg gibt Protokolle zweier Rückführungen Ivys in zwei verschiedene frühere Leben wieder, die sich, von der Geburt an gerechnet, um sechzehn Jahre überschneiden. 143 Die Personen dieser früheren Leben konnten nicht identifiziert werden, es wurde wohl auch nicht versucht. 144 Wenn man annehmen wollte, dass diese beiden sich überschneidenden Leben Ivys frühere Leben in einem personalen Sinn waren, müsste man nicht nur akzeptieren, dass eine Person gleichzeitig mit zwei physischen Körpern auf der Erde leben und zum Beispiel mit sich selbst Kinder zeugen könnte, sondern zum Beispiel auch, dass sie sich selbst mit einem Geschenk hätte überraschen können, was absurd ist. 145 Eine Person, die zwei physische Körper zur selben Zeit besäße, hätte notwendig verschiedene Erlebnisse und Er141 142 143 144 145
Siehe oben S. 135. Der Fall von Ruprecht Schulz, siehe oben S. 123. Siehe oben S. 134. Siehe Goldbergs Bemerkung in Goldberg: Search for Grace, 187. Siehe dazu Pardey: Identität, Existenz und Reflexivität, 209.
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Spontane und induzierte Erfahrungen früherer Leben bei Älteren
innerungen von ein- und demselben Ereignis, schon allein deshalb, weil die beiden Körper nicht dieselbe Raumzeitstelle einnehmen könnten. Sie wäre von zwei Personen nicht zu unterscheiden. Wenn die sich überschneidenden früheren Leben Ivys aber nicht als Reinkarnation gelten können, dann würde sich das auch auf die Deutung ihrer sich nicht überschneidenden früheren Leben auswirken, da sich diese ausweislich der Protokolle in ihrer Phänomenologie und historischen Plausibilität nicht von den Überschneidungsfällen unterscheiden. Wenn es sich bei ersteren nicht um Reinkarnation handeln kann, sondern eine andere Erklärung gesucht werden muss, stellt das auch die Reinkarnationsdeutung der letzteren einschließlich des einzigen gelösten Falles Ivys in Frage. Näherliegend wäre es, für alle gleichartigen Fälle eine gleichartige, nicht-reinkarnationistische Erklärung zu suchen. Das Problem der Überschneidung der Leben betrifft in gewisser Hinsicht auch einen der stärksten gelösten Fälle induzierter Erfahrungen früherer Leben, nämlich den Fall, in dem sich Ivy als Grace Doze erlebte. In einer Rückführungssitzung sprach Ivy den dem Mord an Grace vorangehenden Dialog sowohl in der Rolle der Grace als auch, mit tieferer Stimme und verändertem Gesichtsausdruck, in der Rolle ihres Geliebten und Mörders Jake. 146 Wenn man nicht annehmen will, dass Ivy früher gleichzeitig als Grace und Jake lebte, könnte sie also entweder Grace oder Jake oder weder Grace noch Jake gewesen sein. Da sie in dieser Szene Jake nicht auf grundsätzlich andere Art repräsentierte als Grace, liegt der Schluss nahe, dass sie weder Grace noch Jake war. Ivys Repräsentation von Grace und Jake würde also einer anderen Erklärung als Reinkarnation bedürfen. Da sich diese Sitzung außer in Bezug auf die Doppelrolle von Ivy nicht von anderen Sitzungen unterschied, wird die Reinkarnationsdeutung dieses Falles insgesamt geschwächt.
Multiple Reinkarnationen? In der hier behandelten Fallgruppe wird manchmal eine hohe Zahl an Vorleben berichtet. 147 Nähme man an, das träfe auf alle Menschen zu, würden daraus multiple Reinkarnationen folgen. Das heißt, Men146 147
Siehe oben S. 135. Siehe oben S. 127, 134.
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Erinnerungen an eigene frühere Leben oder Teilhabe an fremdem Erleben?
schen müssten sich Vorleben teilen. Die derzeitige Weltbevölkerung wird auf etwas über siebeneinhalb Milliarden Menschen geschätzt, die Gesamtzahl aller Menschen, die jemals auf diesem Planeten lebten und starben, auf 108 Millionen. 148 Danach müsste es zwangsläufig zu Fällen multipler Reinkarnation kommen, wenn jeder Mensch auch nur fünfzehn menschliche Vorleben hätte.
Fazit Die Analyse der Erfahrungen früherer Leben und ihrer Begleiterscheinungen spricht in dieser Fallgruppe gegen die Reinkarnationsdeutung. Ihr steht zwar nicht im selben Ausmaß die objektive Hürde der Überschneidung der Leben entgegen wie bei der Gruppe der kleinen Kinder. Der nächstliegende Grund dafür scheint jedoch zu sein, dass es überhaupt nur sehr wenige gelöste, überzeugende Fälle gibt. Dieser Umstand kann nicht als Vorteil für die Reinkarnationsdeutung angesehen werden. Die Suche nach anderen Interpretationen scheint angezeigt.
Teilhabe an fremdem Erleben Einfluss einer verstorbenen Person? Wie bei den Fällen der kleinen Kinder schlage ich vor, auch die Erlebnisse dieser Fallgruppe als eine Teilhabe an fremdem Erleben zu verstehen. Die Person des früheren Lebens wäre dann nicht mit dem Experiencer identisch, sondern eine fremde, verstorbene Person. Die Heterogenität der Fälle legt es aus meiner Sicht nahe, mehrere Deutungsansätze in Betracht zu ziehen. Das erste Konzept, das ich hier vorschlage, ähnelt dem Ansatz, den ich zur Erklärung der Fälle von kleinen Kindern, die spontan von einem früheren Leben sprechen, vorgeschlagen habe: Erfahrungen früherer Leben gehen auf den Einfluss einer verstorbenen Person, die der Protagonist dieser Erfahrungen ist, zurück. Dieser Einfluss würde aber kaum auf den Wunsch nach Reinkarnation zurückzuführen sein. Man könnte wohl nur großer Verwirrtheit ernsthaft glauben, dass man sich in älteren Kindern 148
Kaneda & Haub: How many people have ever lived on earth?
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Spontane und induzierte Erfahrungen früherer Leben bei Älteren
oder gar Erwachsenen reinkarnieren könnte. 149 In vielen Fällen müsste man den Einfluss der verstorbenen Person als eher punktuell ansehen. Die aus diesem Einfluss entstehenden Erfahrungen wären allerdings nicht einfach mit medialen Erfahrungen gleichzusetzen, da diese eher als Interaktion zwischen Experiencer und Verstorbenem erlebt werden. Eine gewisse Erfahrungsgrundlage für meinen Vorschlag bietet ein Bericht von Paul Meek, ein englisches mentales Medium. Meek beschreibt eine Beobachtung während einer hypnotischen Rückführung. Da er in seinem Buch Der Himmel ist nur einen Schritt entfernt die Reinkarnationslehre propagiert, 150 kann seine Schilderung im gleichen Buch nicht auf eine Voreingenommenheit gegen Reinkarnation zurückgeführt werden: Vor vielen Jahren, als ich noch in London lebte, hatte ich Gelegenheit, zusammen mit einigen anderen Medien an einem Seminar teilzunehmen. Es war ein Übungswochenende und wurde geleitet von einer Reihe von Fachleuten auf dem Gebiet der Reinkarnation und Rückführung. Mehr als einmal sah ich eine Person in Hypnose, die während dieses Zustands von einer geistigen Wesenheit besetzt worden war. Sie sprach von ihrem eigenen früheren Leben, und zwar mitunter in einer altenglischen Sprachweise, die sich im Laufe der Durchsagen auf verschiedene wichtige historische Ereignisse bezog. Viele der Anwesenden waren davon überzeugt, dass die Frau selbst es war, die über Erlebnisse aus einem früheren Leben sprach. Wir Medien, und bei diesem Seminar auch der Rückführungstherapeut, konnten jedoch in ihrer Aura sehen, dass das nicht stimmte. Sie war in Trance, und eine andere Wesenheit war es, die von ihr Besitz ergriffen hatte. Nicht, dass wir das nur sehen konnten, wir fühlten das auch, und ein Freund von mir, ebenfalls ein Medium, hatte von Anfang an telepathisch Verbindung mit dieser Wesenheit aufgenommen. Aber darüber wurde dann erst am Ende der Behandlung gesprochen. 151
Vielleicht der früheste, sicherlich aber der bekannteste Vertreter der These, dass Erfahrungen früherer Leben auf einen mentalen Einfluss Verstorbener zurückgehen könnten, ist der schwedische Universalgelehrte und Seher Emanuel Swedenborg. 1758 schreibt er in De coelo et de inferno: 149 Derartiges könnte man in Wicklands Fällen postulieren, in denen die Opfer der mutmaßlichen Besetzungen durch reinkarnationswillige Verstorbene fünf- bzw. siebenjährige Jungen waren (siehe oben S. 206). 150 Siehe Meek: Der Himmel ist nur einen Schritt entfernt, 188–205. 151 Meek: Der Himmel ist nur einen Schritt entfernt, 192–193; Meek über Reinkarnation ebd. 188–205.
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Erinnerungen an eigene frühere Leben oder Teilhabe an fremdem Erleben?
Engel oder Geister haben ein Gedächtnis wie der Mensch. Wenn ein Geist aus seinem eigenen Gedächtnis heraus mit einem Menschen spräche, so könnte dieser nur meinen, daß es seine eigenen Gedanken seien, was er dann denkt, während sie doch dem Geist angehören. Es gleicht der Erinnerung an etwas, das der Mensch doch niemals gehört oder gesehen hat. Diese Tatsache durfte ich aufgrund eigener Erfahrung erkennen. Daher bildeten sich einige der Alten die Meinung, daß sie nach Ablauf einiger tausend Jahre wieder in ihr früheres Leben und alle ihre Taten zurückversetzt würden, ja, daß sie bereits zurückgekehrt seien. Sie schlossen das daraus, daß ihnen zuweilen etwas wie eine Erinnerung an Dinge kam, die sie doch (in ihrem jetzigen Leben) niemals gesehen oder gehört haben konnten. Dies war aber geschehen, weil Geister aus ihrem eigenen Gedächtnis heraus in die Vorstellungen des Denkens dieser Menschen eingedrungen waren. 152
Die These eines fremdseelischen Einflusses passt zur sehr unterschiedlichen Stärke der Begleitphänomene. In einem Fall wie dem von Robert Snow, der keine Begleitphänomene aufweist, läge vor dem Hintergrund des vorgeschlagenen Konzeptes die Annahme nahe, dass sich der Einfluss der verstorbenen Person im Wesentlichen auf die Zeit der Rückführungssitzungen beschränkte. In Fällen lange anhaltender Beschwerden wie bei Bruce Kelly und Ivy könnte eine länger anhaltende, intensivere Einwirkung postuliert werden. Die Reinkarnationsdeutung kann solchen Unterschieden weniger gut gerecht werden, da Reinkarnation keine Grade hat.
Zugang zu einem umfassenden Bewusstsein? Nach meinem zweiten Deutungsvorschlag werden Erfahrungen früherer Leben durch den Zugang zu einem umfassenden Bewusstsein ermöglicht. Dieses umfassende Bewusstsein hat Anteil am Erleben vieler oder gar aller Wesen. Ein temporärer Zugang zum umfassenden Bewusstsein ist mit einer Bewusstseinserweiterung des Individuums verbunden, wie sie zum Beispiel bei außerkörperlichen Erfahrungen, Nahtoderfahrungen oder auch in tiefer Meditation erlebt werden kann. 153 Über den Zugang zum umfassenden Bewusstsein könnten Individuen eine Teilhabe am Erleben anderer Individuen er152 Swedenborg: De coelo et ejus mirabilius, § 256 (Übers. Swedenborg: Himmel und Hölle, 161, bearbeitet vom Verf.). 153 Ein erweitertes Bewusstsein im außerkörperlichen Zustand scheint schon Plotin zu beschreiben (siehe Plotin: Enneade 4, 8, 1).
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Spontane und induzierte Erfahrungen früherer Leben bei Älteren
langen, wie es häufig von Lebensrückblicken im Rahmen von Nahtoderfahrungen berichtet wird. Eine interessante Parallele zu Nahtoderfahrungen und außerkörperlichen Erfahrungen Gesunder ist, dass bei spontanen Erfahrungen früherer Leben, die bei normalem Bewusstsein beginnen, mitunter ähnliche einleitende Geräuscheindrücke, körperliche Vibrationen oder auch Tunnelempfindungen berichtet werden. 154 Bei einer Beeinträchtigung oder gar einem Ausfall der körperlichen Funktionen, an die das menschliche Bewusstsein normalerweise gekoppelt ist, insbesondere beim klinischen Tod, wird oft ein weiteres und klareres Bewusstsein als gewöhnlich erlebt. 155 Möglicherweise können Meditationstechniken ähnliche, wenn vielleicht auch nicht so deutliche Wirkungen haben. Eine Erklärung für eine derartige Bewusstseinserweiterung könnte die alte Vorstellung bieten, dass das menschliche Bewusstsein durch die Verbindung mit dem physischen Körper tendenziell eingeschränkt wird. 156 Dieser zweite Ansatz scheint besonders zur Erklärung von Erfahrungen früherer Leben geeignet zu sein, in denen zahlreiche frühere Leben in schneller Abfolge und vor allem aus der Außenperspektive erlebt werden. Oben hatte ich Fallbeispiele dafür angeführt. 157 Für Fälle kleiner Kinder, die spontan von früheren Leben sprechen, scheint diese Erklärung weniger passend, da ihre Erfahrungen früherer Leben anscheinend überwiegend bei wenig verändertem Bewusstsein auftreten und sich zudem meistens nur auf ein früheres Leben beziehen. Überschneidungen der Lebensdaten wären für dieses Konzept kein Problem. Phänomene wie Phobien oder körperliche Beschwerden im Zusammenhang mit einem früheren Leben scheinen in solchen Fällen kaum aufzutreten und müssten deshalb auch nicht erklärt werden. In neuerer Zeit wurde ein derartiger Ansatz unter anderem von van Lommel vorgeschlagen: 158
154
Siehe oben S. 110. Siehe Kelly et al.: Unusual experiences near death, 384. 386–387. 156 Siehe Grosso: »Transmission« model of mind and body; Kelly: Toward a psychology for the 21st century, 603–638. 157 Siehe oben S. 113, 120. 158 Siehe van Lommel: Endloses Bewusstsein, 375–377; siehe ähnlich Dossey: Transplant, cellular memory, and reincarnation. Der Begriff des nichtlokalen Geistes oder Bewusstseins scheint im Wesentlichen von Dossey geprägt worden zu sein, siehe Dossey: Recovering the soul, insbesondere 1–11. 155
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Erinnerungen an eigene frühere Leben oder Teilhabe an fremdem Erleben?
Erinnerungen an ein früheres Leben lassen sich durch das Konzept eines nicht-lokalen Bewusstseins erklären, denn diese Sichtweise schließt die Möglichkeit ein, nicht-lokal mit dem Bewusstsein eines Menschen aus der Vergangenheit in Verbindung zu stehen. […] Für manche stellt diese Möglichkeit der Kontaktaufnahme einen Beweis für Reinkarnation dar; ich selbst sehe darin eher einen Hinweis auf den nicht-lokalen Aspekt des endlosen Bewusstseins. Das schließt jedoch die Möglichkeit der Reinkarnation eines oder mehrerer Aspekte eines nicht-lokalen Bewusstseins und somit Erinnerungen aus einem früheren Leben nicht aus. Mit der Annahme, dass ein Mensch mit seiner ganzen Persönlichkeit und seinem Ego später wieder in einen anderen Körper zurückkehrt, bin ich zurückhaltend. 159
So wie van Lommel sein Konzept formuliert, halte ich es allerdings für begrifflich und sachlich problematisch. Er beschreibt nämlich Bewusstsein in physikalischen Begriffen. Das gewöhnliche Wachbewusstsein des Menschen sei das physische, lokale Bewusstsein. Dieses schwinge in derselben Frequenz wie gewisse Teile des Gehirn und resoniere dadurch mit ihnen. 160 Das nicht-physische, nicht-lokale Bewusstsein bezeichnet er als »Wellenfunktionen im nicht-lokalen Raum«. 161 Oben habe ich bereits zu zeigen versucht, dass sich weder Bewusstsein im üblichen Sinn noch Person als überzeitliches Bewusstseinssubjekt mit wissenschaftlichen Methoden erfassen lassen. 162 Bewusstsein als Erleben und Personen als Subjekte von Erleben lassen sich mit van Lommels Ansatz nicht formulieren. Außerdem scheint mir, dass er keine personalen Individuen jenseits einer Verknüpfung mit einem Gehirn vorsieht. Im nicht-lokalen Raum der Wellenfunktion scheint es nur ein einziges, endloses Bewusstsein zu geben. Es ist unklar, wie mit einem solchen Ansatz eine personale Identität im Verlauf der Reinkarnationen postuliert werden kann. Aber die Vorstellung eines höheren Bewusstseins, das an individuellen Erlebenswelten teilhat und an dem Personen unter gewissen Umständen ihrerseits partizipieren können, ohne ihre Individualität aufzugeben, ist weder an eine wissenschaftlich-gegenständliche Formulierung von Bewusstsein noch an die Kopplung von personaler Identität an ein Gehirn gebunden.
159 160 161 162
van Lommel: Endloses Bewusstsein, 377. Siehe van Lommel: Endloses Bewusstsein, 283. Siehe van Lommel: Endloses Bewusstsein, 284. Siehe oben S. 40.
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Schlussbetrachtung
Schlussbetrachtung Die Deutung von Erfahrungen früherer Leben als Erinnerungen an eigene frühere Erdenleben kann nicht überzeugen. Eher sind diese Erfahrungen als eine unmittelbare Teilnahme an fremdem Erleben zu verstehen, falls in ihnen tatsächlich ein früheres Erleben wiedererlebt wird. Haupthindernisse der Reinkarnationsdeutung sind einerseits die Erlebnisperspektive bei Erfahrungen früherer Leben und andererseits die nicht seltene Überschneidung des jetzigen und des früheren Lebens in Verbindung mit dem Befund, dass sich diese Überschneidungsfälle offensichtlich weder phänomenologisch noch im Grad ihrer objektiven Bestätigung von den anderen Fällen unterscheiden. Der Versuch einer Antwort auf die weiterführende Frage, wie denn Erfahrungen früherer Leben als Teilhabe an fremdem Erleben erklärt werden könnten – immer vorausgesetzt, dass tatsächlich ein früheres Erleben wiedererlebt wird – muss sehr spekulativ bleiben, denn die einschlägigen Erfahrungsberichte bieten kaum Anhaltspunkte hinsichtlich des Ursprungs der Erfahrungen früherer Leben. Zwei Ansätze kommen aus meiner Sicht näher in Betracht: Der Einfluss einer verstorbenen Person auf den Experiencer und der temporäre Zugang zu einem umfassenden Bewusstsein, das auch das Erleben anderer Menschen einschließt. In den Fällen kleiner Kinder, die spontan von einem früheren Leben sprechen, favorisiere ich den ersten Ansatz. Als mögliches Hauptmotiv für den Einfluss einer verstorbenen Person schlage ich deren Wunsch nach Reinkarnation vor. Dieser Wunsch könnte, so die Erklärung, in einen Versuch der Reinkarnation münden, der unter Umständen zu einer massiven psychophysischen Einwirkung auf das Kind führt, die dann hauptverantwortlich ist für dessen erinnerungsartige Erfahrungen früherer Leben und die begleitenden psychischen und körperlichen Phänomene. Bei einem Teil der Experiencer, die als ältere Kinder oder noch später erstmals Erfahrungen früherer Leben machen, lassen die Befunde ebenfalls den Einfluss einer verstorbenen Person als plausibelste Erklärung erscheinen. Der Wunsch nach Reinkarnation scheint hier als Motiv der Einflussnahme jedoch weniger in Frage zu kommen. Für Erfahrungen zahlreicher früherer Leben in schneller Abfolge und vor allem aus der Außenperspektive in stark veränderten Bewusstseinszuständen könnte ein vorübergehender Zugang zu einem umfassenden Bewusstsein eine plausiblere Erklärung sein als der Einfluss verstorbener Personen. 233 https://doi.org/10.5771/9783495823637 .
Erinnerungen an eigene frühere Leben oder Teilhabe an fremdem Erleben?
Aus dem wesentlichen Ergebnis der Studie, dass nämlich die Erfahrungen früherer Leben zusammen mit den ihnen assoziierten Phänomenen nicht als ernsthafter Beleg für Reinkarnation gelten können, folgt nicht, dass es keine Reinkarnation gibt. Da allerdings die nach allgemeiner Ansicht stärksten Erfahrungsbelege für Reinkarnation von der Kritik betroffen sind, wird der Reinkarnationsglaube doch in Frage gestellt. Dadurch würde zwar der Glaube an ein postmortales Leben der Person kaum erschüttert, denn Reinkarnation setzt in den meisten Kulturen die Idee einer (mit der Person mehr oder weniger identischen) unsterblichen Seele voraus, die auch ohne physischen Körper weiterleben könnte. Reinkarnation wird aber mit zwei Vorstellungen verknüpft, die sie für viele als besonders attraktiver Modus des Überlebens erscheinen lassen: postmortale Gerechtigkeit und nachtodliche Entwicklung. Beide Ideen haben wir oben bereits kennengelernt. 163 Postmortale Gerechtigkeit ist zwar ein intuitiv nachvollziehbares Postulat. Ohne sie würden sehr oft weder die Täter mit den Folgen ihrer Taten konfrontiert werden noch die Opfer Heilung und Wiedergutmachung erfahren können. Aber eine derartige postmortale Gerechtigkeit könnte nicht nur durch Reinkarnation realisiert werden. Eine Konfrontation der Täter mit ihren Taten wird in oben zitierten Erfahrungsberichten von Lebensrückblicken im Rahmen von Nahtoderfahrungen geschildert. Danach erleben die Experiencer die Leiden, die sie anderen zufügten, dem Anschein nach aus deren Perspektive wie eigene. 164 Das erscheint zumindest sinnvoller als eine Vergeltung durch Leiden in einem neuen irdischen Leben, in dem man offensichtlich normalerweise nicht mehr weiß, welche Missetaten in früheren Leben damit vergolten werden sollen. Heilung und Wiedergutmachung für die Opfer könnten auch in einem glücklichen jenseitigen Leben erfolgen, wie es von Menschen mit Nahtod- und Jenseitserfahrungen oft geschildert wird. 165 Eine postmortale Entwicklung ist ebenfalls konzeptionell nicht an Reinkarnation gekoppelt. Zwar wurde der Himmel in der klassischen griechischen Philosophie grundsätzlich als ewig gleichbleibend gedacht. 166 Danach konnte Entwicklung nur in der zeitlich verfassten 163
Siehe oben S. 28. Siehe oben S. 146. 165 Siehe z. B. Vicky Umipeg in Ring & Cooper: Mindsight, 16–17, und die Sammlung von Schilderungen in Fenwick & Fenwick: Truth in the light, 109–138. 166 Siehe z. B. Aristoteles: De caelo II,1. 164
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Schlussbetrachtung
Welt erfolgen. Aber schon Origenes sah eine Entwicklung der Seelen nach dem Tod durch einen Aufstieg durch die Sphären vor. 167 Mit der Einführung des Fegefeuers gewann die christliche Lehre auch offiziell Raum für eine Entwicklung der Person nach dem Tod. 168 In Swedenborgs Lehre wurde Entwicklung gar zu einem Prinzip des jenseitigen Lebens. 169 Wenn man den Bestand transzendenter Erfahrungsberichte durchmustert, findet man zahlreiche Schilderungen einer nachtodlichen Entwicklung in einem Jenseits. 170 Auch wenn man Erfahrungen früherer Leben nicht als Evidenz für Reinkarnation ansieht, sondern als Teilhabe am Leben anderer deutet, bleiben sie philosophisch aufschlussreich. Zumindest in einigen Fällen scheinen sie so eindrücklich wie kaum eine andere Erfahrungsform zu belegen, dass wir mit den Leben der Anderen enger verbunden sind, als es das immer noch wirkmächtige neuzeitliche Modell strikt getrennter individueller Bewusstseinswelten postuliert. 171 An die letzte Bemerkung anknüpfend möchte ich zum Schluss einen Gedanken aus dem Vorwort aufgreifen. 172 Eine wichtige Aufgabe der Philosophie sehe ich darin, menschliche Erfahrungen theoretisch zu verarbeiten, mit dem Ziel, deren überwältigende Komplexität bei größtmöglicher phänomenologischer Treue in ein kognitiv fassliches Modell oder System bringen. Dabei sollten möglichst viele wichtige Erfahrungsformen berücksichtigt werden, um ein umfas167
Siehe z. B. Origenes: De principiis 2, 11, 6–7. Siehe Le Goff: Geburt des Fegefeuers, insbesondere zu Dante ebd. 414–416. 169 Siehe Lang & McDannell: Himmel, 249, 255–256, 272–284; siehe zu späteren Vorstellungen eines jenseitigen Fortschritts auch ebd. 367–407. 170 Siehe z. B. den Bericht von Vicky Umipeg über ihre Nahtoderfahrung, in der sie zwei verstorbenen Schulkameradinnen begegnete, die nicht nur geheilt, sondern auch geistig und körperlich herangewachsen erschienen (siehe van Lommel: Endloses Bewusstsein, 52–53); siehe auch den Fall in Guggenheim & Guggenheim: Trost aus dem Jenseits, 289–290. Zur Wahrnehmung der geistigen Entwicklung einer Verstorbenen siehe etwa den Fallbericht ebd. 295–297. 171 Norbert Elias verwendete für dieses Modell den Ausdruck ›homo clausus‹ (siehe Elias: Prozess der Zivilisation, XLVI–LXVI; siehe dazu auch Schwenke: Zurück zur Wirklichkeit, 131–133; Schwenke: Transzendente Begegnungen, 198–203, 225, 270– 271; Schwenke: Intuition und Person, 20–21). Das Modell radikal getrennter Erlebenswelten liegt offensichtlich der immer noch verbreiteten Pathologisierung der Erlebnisse einer unmittelbaren Teilnahme am Erleben anderer zugrunde. Danach seien solche Erfahrungen schlichtweg unmöglich und müssten als Wahn angesehen werden, der durch eine Störung der Selbst-Fremd-Differenzierung zu erklären sei (siehe die in Schwenke: Transzendente Begegnungen, 196–197, besprochene Literatur). 172 Siehe zum folgenden bereits ähnlich Schwenke: Intuition und Person, 24. 168
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Erinnerungen an eigene frühere Leben oder Teilhabe an fremdem Erleben?
sendes Bild zu erhalten. Sogenannte außergewöhnliche oder, wie ich sie nenne, transzendente Erfahrungen, 173 zu denen ich auch Erfahrungen früherer Leben zähle, sind keineswegs besonders selten. 174 Für die Experiencer sind sie zudem oft von nachhaltiger Bedeutung. Die Philosophie hat sie jedoch bisher ohne triftigen Grund vernachlässigt. Wenn sie diese Erfahrungen einbezöge und dadurch die Datenbasis ihrer Theorien verbreiterte, könnte dies »erstaunliche Folgen« 175 für das philosophische Menschen- und Weltbild haben.
173 Unter transzendenten Erfahrungen verstehe ich Erfahrungen, in denen Grenzen der vertrauten Wirklichkeit transzendiert, also überschritten werden, zum Beispiel dadurch, dass eine andere Welt oder Wirklichkeitsebene als die gewohnte erlebt wird, wie etwa in Jenseitserfahrungen, oder durch innerweltliche Erfahrungen, bei denen die Grenzlinien dessen überschritten werden, was nach dem herrschenden Verständnis möglich ist, wie bei Wahrnehmungen ohne Hilfe der physischen Sinne (siehe Schwenke: Was sind und zu welchem Ende erforscht man transzendente Erfahrungen?, 11). 174 Zur Transformierung weitverbreiteter, von den Experiencern oft als alltäglich empfundener Erfahrungen zu außergewöhnlichen Erfahrungen, die aus der Alltagswelt exkludiert, sozial stigmatisiert und pathologisiert werden, mit dem Ziel, die Hegemonie eines (vermeintlich) wissenschaftlich-rationalen Denkens zu sichern, siehe Schetsche: Soziale Kontrolle durch Pathologisierung? 175 Kant: Träume eines Geistersehers, 311 (AA II 318).
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Beckenbauer, Franz 26 Becker, J. A. 52 Beckwith, J. Carroll 134 Behrendt, Heinz C. 158, 162 Beischel, Julie 169–170
Belyi, Andrej 128 Bergson, Henri 41 Bergunder, Michael 17, 32 Bernstein, Daniel M. 61, 130 Besant, Annie 139 Bischofberger, Norbert 120 Blackburn, Simon 25, 34, 53 Blavatsky, Helena Petrovna 19 Bodewitz, Henk 28, 30 Bor, Jan 33 Bosco, Giovanni 55 Bowker, John 25, 30, 33 Bowman, Carol 85–86, 125, 133, 188 Bowman, Chase 85 Bowman, Sarah 85 Braude, Stephen E. 192–193, 197–198 Bremmer, Jan N. 17–18, 26 Brown, Alan S. 142 Brown, Rick 130, 134–135 Brownell, George B. 209 Brugger, Walter 52 Buchan, John 143 Buddhaghosa Himi 33 Buhlman, William 50–51, 111–112, 119–121, 127
Burkert, Walter 18 Butler, Joseph 52 Campbell, John 116 Capelle, Wilhelm 20 Carington, Whately 34–35, 199 Çaylak, Necati 103 Chaa, Samran Wang Pri Chaa 113 Chaar, Zouheir 103 Chajes, Julie 19 Chalmers, David 36, 183
259 https://doi.org/10.5771/9783495823637 .
Personen Chandra, Jagdish 103–104 Chao Tsung 69 Chao Yuen-kao 68 Chisholm, Roderick 46, 53 Cockell, Jenny 106, 129 Cohen, Pamela 124 Colombelli-Négrel, Diane 189 Conze, Edward 34 Cook, Emily Williams 209 Cooper, Sharon 234 Costa, Guiseppe 106 Crabtree, Adam 205 Crone, Katja 49, 55–56 Crookall, Robert 111–112 Cunningham, Gillian 82 Cunningham, Lilian 82 Curnow, Trevor 107 Dante Aligieri 235 de Groot, Jan Jakob Maria 28, 67–69, 96
de Maubertuis, Georges 29 de Oliveiro, Maria Januaria 94–95, 98 de Thy, Marcelle 168–169 de Thy, Robert 168 DeCasper, Anthony J. 188 Delanne, Gabriel 125, 127 Delibalta, Ahmed 103 Delorme, Arnaud 201 Dethlefsen, Thorwald 130 Dickens, Charles 142 Didier, Alexis 172–173 Diogenes Laertius 20, 107 Doherty, Monika 45 Dossey, Larry 231 Doze, Grace 135–136, 227 Dressler, Markus 19 Dunaway, Faye 162 Dundas, Paul 18 Earles, Julie L. 61 East, John 122–123, 224 Eberhard, Nada 154 Edwards, Paul 190 Ehlich, Konrad 45 Ehret, Danielle E. Y. 183 Eisler, Rudolf 56
Elawar, Afif Mahmoud 102 Elawar, Imad 90 Eliade, Mircea 33, 127 Elias, Norbert 235 Elsaesser-Valarino, Evelyn 145–151, 153, 155, 162
Empedokles 18, 20 Ernst, Alexandra 61 Evans, Thomas J. 116–117 Ezechiel 111 Fanning, Steven 52, 147, 152–153 Farr, Sidney Saylor 147, 154 Faulstich, Joachim 162 Fenwick, Elizabeth 54, 112, 137, 234 Fenwick, Peter 54, 112, 137, 234 Ferres, Veronica 26 Fielding-Hall, Harold 72–73, 87 Firro, Kais M. 19 Fischer, Reinhard 112 FitzHerbert, Joan 202 Flournoy, Théodore 66 Fontana, David 171, 218 Frege, Gottlob 37 Gardiner, John M. 55–56 Gauld, Alan 193 Gecewicz, Claire 19 Ghanem, Munira 104 Ghanem, Suzanne 104, 218 Gibbs, John C. 129 Gibson, Arvin S. 162 Gillman, Neil 18 Gioberti, Luigi 117, 225 Gockel, Bernhard 26 Goldberg, Bruce 130–131, 134–136, 226
Goodman, Felicitas 193 Gordon, Nessie 81 Goulet, Jean-Guy A. 28 Granier-Deferre, Carolyn 189 Graw, Jochen 53 Grosso, Michael 231 Guggenheim, Bill 169, 235 Guggenheim, Judy 169, 235 Güldenstein, Angelika 177–178 Güldenstein, Matthias 32
260 https://doi.org/10.5771/9783495823637 .
Personen Gunaratne, Hemaseelie 91 Gupta, Gopal 74–75, 90 Gupta, S. P. 74 Gupta, Sukla 87, 90 Gurney, Edmund 157–158 Hadduroğlu, Abdülkerim 103 Haich, Gedeon 84 Halm, Heinz 18–19 Hamed, Hasan 83 Hammons, Cyndi 79–81, 219 Hammons, Ryan 79–82, 88, 202, 212, 219
Hanegraaff, Wouter J. 19, 26 Haraldsson, Erlendur 22, 73, 75–76, 79, 81, 84, 87–88, 99–100, 105, 156, 204, 212, 215 Harkin, Michael 28 Hassler, Dieter 78, 95–96, 98, 106, 128– 129, 134–136, 200, 214 Hatoum, Saada 104 Hatschepsut 26 Haub, Carl 228 Hauth, Rüdiger 26 Hepper, Peter G. 188 Herakleides Pontikos 107 Hermotimos von Klazomenai 107 Hiang Tsing (Fung-jen) 68 Holden, Janice Miner 145 Homer 51 Houtkouper, Joop M. 156 Huddar, Uttara 185 Hume, David 34–35 Huston, James McCready, Jr. 78–79 Hyman, Ira E., Jr. 58, 61
Ibn Nusair 18 Inglehart, Ronald 17, 27 Inthanu, Pratomwan 108, 113, 122, 224, 226
Irwin, Lee 18–19 Jack, Anthony I. 41 Jacob, Katerina 26 Jain, Nirmal 94 Jain, Sri Bholanath 94 James, William 200
Jayaratne, Sujith Lakmal 90 Jeiler, Ignatius 193 Jesus von Nazareth 186 Johannes der Täufer 186 Johnston, James 134–135 Johnstone, Henry W., Jr. 43 Jung, Walter 35 Juta 76–77, 93, 101, 184, 223 Kaartinen, Salli 87 Kaneda, Toshiko 228 Kant, Immanuel 236 Kardec, Allan 19, 25, 29 Karunaratne, Chatura Buddika 84 Kean, Leslie 79–80, 84 Keil, Jürgen 20, 34, 46–47, 66, 89, 92–93, 99–100, 102, 196, 198–200
Kelly, Bruce 134–135, 224, 226, 230 Kelly, Edward F. 231 Kelly, Emily Williams 22, 54, 145–146, 221, 231
Keown, Damien 33 Kershner, Irvin 162 Kersten, Alan W. 61 Kiliç, Erkan 103 Kinkade, Amelia 176–177 Kisilevsky, Barbara S. 188 Klemm, Gustav 17 Kletti, Roy 151 Knott, Kim 30 Koßler, Matthias 56 Kross, Matthias 25 Kuhlmann, Wolfgang 47 Kulenkampff, Arend 52 Laing, Samuel 25 Lamartine, Alphonse de 142–143 Lanczkowski, Günter 33, 127 Landa, Marta 163–164 Landa, Silvia 163–164 Lang, Bernhard 235 Le Goff, Jacques 235 Leadbeater, Charles 139 Lee, Grace Y. 188 Leibniz, Gottfried Wilhelm 37 Leininger, Andrea 78, 84, 220 Leininger, Bruce 78, 84, 220
261 https://doi.org/10.5771/9783495823637 .
Personen Leininger, James 78–80, 82, 86, 88, 90, 212, 217, 219 Leng, Nai 209
Lenz, Frederick 23, 109, 111–112, 114, 123–124, 127
Lessing, Gotthold Ephraim 29 Lischka, Alfred 112 Locke, John 43, 46, 56 Loftus, Elizabeth F. 58, 61 Long, J. Bruce 17–18, 20, 26 Lorenz, Ida 94 Lorenz, Kuno 38 Lorenz, Marta 95, 98, 202 Lorimer, David 148 Louwerens, Nicolauda G. 164 Lyons, Sean 79, 99 Ma Gywin 72, 182 Ma Thet 73 Mace, John H. 62 MacIntosh, John James 63 MacLaine, Shirley 26 Madonna (Popstar) 26 Mahāvīra 18 Mansour, Farouk 104 Mansour, Hanan 104 Manu 28 Maria Magdalena 128 Martin, W. 207–209 Martyn, Marty 80–81 Matlock, James G. 17, 20, 22, 27, 32, 34–36, 38, 67, 69–70, 73–76, 79, 81, 84, 87, 96, 99–101, 105–106, 108, 129, 185, 187–190, 192, 199, 203 Mattiesen, Emil 139 Maung Gyi 72–73, 182 Maung Kan 72 Maung Ngè 72–73, 182 Maung San Nyein 72, 182 McCarroll, Christopher Jude 62–63 McClenon, James 205 McDannell, Colleen 235 McLeod, Jenny 81–82, 115–116 Meek, Paul 229 Meier, Erhard 33 Mellen-Benedict, Thomas 153 Mellor, David J. 189
Menella, Julie A. 189 Mery, Gaston 168 Metzinger, Thomas 36, 42 Milinda (Menander I.) 33 Mills, Antonia 17, 20–22, 32, 66, 74, 87, 99, 106, 128
Misra, Sudhakar 101 mj 162 Mohammed 18 Monroe, Robert A. 51, 112 Moody, Raymond A., Jr. 23, 51, 111– 112, 129–134, 136, 145, 149, 151–152, 155, 225 Moore, Peter 51 Morgan, Roberta 84 Muller, Bernard E. 122 Müller, Hans-Peter 120 Müller, Max 46 Murphy, Gardner 34, 39, 199, 215 Myers, Frederic W. H. 139 Myo, Ma Tin Aung 90
Nag, Chob 113 Nagasena (Nagaseno) 33 Nagel, Thomas 36 Nahm, Michael 22, 95–96, 200 Neisser, Ulric 62 Neurath, Wolfgang 87 Nicolay, Joachim 149–150, 154 Nida-Rümelin, Julian 45 Nigro, Georgia 62 Ninoff, Georges 168 Nissanka, Dilukshi 75–76 Noonan, Harold W. 63 Noyes, Russell, Jr. 151 Obst, Helmut 17–18 Offner, Max 56 Olivelle, Patrick 28 Origenes 52, 235 Owen, Jeanne 138 Pagenstecher, Gustav 139, 200 Palmer, Terence 186, 193, 205 Pandey, Jai Gopal 103 Pardey, Ulrich 226 Parmenides 111
262 https://doi.org/10.5771/9783495823637 .
Personen Partanen, Eino 189 Pasricha, Satwant K. 22, 95, 101, 185, 219
Pathak, K. B. 74 Pauen, Michael 41 Pearsall, Paul 174–176 Pehlivanova, Marieta 92 Penelhum, Terence 50–52 Pentland, Joel 58, 61 Perler, Dominik 36–37 Petermann, Julius Heinrich 70–71 Petersma, Errit 33 Philostratos, Flavius 108 Pickrell, Jacqueline E. 61 Pindar 18 Platon 18, 20, 51, 187, 216 Playfair, Guy Lyon 163–164 Plotin 230 Podmore, Frank 172 Poortman, Johannes Jacobus 51 Popper, Karl R. 40, 47, 183, 198 Porter, Stephen 62 Prema, Shamlinie 91 Promsin, Bongkuch 84 Pythagoras 18, 20, 107 Pyun, Young Don 128 Radin, Paul 28 Rajsuthajarn, Chaokhun 28, 101, 187– 188, 209–210
Ramdas 70, 93, 182 Ranatunga, Shiromi 76 Rau-Lemke, Dorothea 150 Rawat, Kirti Swaroop 70 Raynaud, Laure 106 Reid, Thomas 52–53, 55 Rhine, Joseph Banks 47–48 Rhine, Louisa E. 164 Rice, Heather J. 61–63 Richardson-Klavehn, Alan 55–56 Ring, Kenneth 145–151, 153, 155, 162, 234
Ritchie, George G. 51 Rivas, Titus 70, 162–163 Robertson, Alice 114–115 Robinson, John A. 62 Rockwell, Norman 23
Rode, Wilhelm 159 Rodonian, George 162 Roe, Chris 162 Roepstorff, Andreas 41 Roff, Mary 194 Rogo, D. Scott 34–35, 38–39, 110, 117– 118, 143–144, 189, 199
Roll, William G. 34, 199–200 Rovner, Sandy 130 Rowlands, Mark 56, 62 Ruan, Zeng-Liang 189 Rubin, David C. 61–63 Rudolph, Kurt 18 Runggaldier, Edmund 19, 27, 120 Ruskin, John 156 Russell, George William 161 Ryle, Gilbert 56 Rysavy, Matthew A. 183 Sabom, Michael 145 Sacks, David 59 Sacks, Michael 59 Sacks, Oliver 58–62, 196 Samararatne, Godwin 191 Sawyer, Tom 146–148, 154 Schamoni, Wilhelm 55 Scheffler, H. G. 125, 224 Schetsche, Michael 236 Schierbaum, Sonja 36–37 Schmidt, Heinrich 56 Schmidt, Karl Otto 125–127 Schmidt, Stefan 162 Schneider, Johannes 30 Schneider, Rudi 159 Scholem, Gershom 18 Schopenhauer, Arthur 29 Schouten, Sybo A. 191 Schulz, Ruprecht 101, 106, 108, 123, 224, 226
Schwarz, Ardis 165–167 Schwarz, Berthold E. 165–168 Schwarz, Eric 165 Schwarz, Lisa 165–167 Schwenke, Heiner 22, 36, 40–42, 44–46, 48, 51–53, 156, 169, 190, 196, 199, 204– 205, 213, 235–236 Severn, Arthur 156–157
263 https://doi.org/10.5771/9783495823637 .
Personen Severn, Joan Ruskin 156–158 Shahidullah, Sara 188 Shankara 30 Sharma, Rajoo 104 Sharma, Ramoo 104 Sharma, Shaktipal 74–75 Shaw, Julia 58, 62 Sheldrake, Rupert 156, 165 Shroder, Tom 84–85, 104, 218 Siddharta Gautama 127 Siegers, Pascale 27 Simon, Violetta 26 Singh, Jasbir 101 Singh, Sumitra 101, 185, 219 Skwarecki, Beth 189 Slobodin, Richard 17 Smith, Penelope 176 Snow, Robert L. 133–134, 136, 224, 226, 230
Sokrates 187 Soteriou, Matthew John 56 Spence, Melanie J. 188 Spinelli, Ernesto 164, 168 Spontini, Giovanna 106 Sprandel, Rolf 51 Spring, Neevon 150–151, 153 Stefánsdóttir, Erla 140–142 Steiner, Rudolf 128 Stevens, E. Winchester 194–195 Stevenson, Ian 17–19, 22, 27–28, 66–67, 70, 73–76, 78, 81–84, 86–106, 113–117, 122–123, 128–129, 143, 164, 171, 182– 188, 190–194, 197–198, 202–203, 209– 210, 214–222 Storm, Howard 169 Stuart, Charles Eduard 116 Sturleson, Snorri 25 Sukharam, Rawat 69–70, 182 Sutton, John 62–63 Sutton, Mary 129 Süzülmüş, Şehide 97 Süzülmüş, Abit 97 Swanson, Karen L. 62 Swedenborg, Emanuel 229–230, 235 Sze-tao 69
Tarazi, Linda 128
Tate, Henry 122 Tate, Henry Burton 122 Tavalaro, Julia 54 Tayson, Richard 54 Teichmüller, Gustav 37, 49, 53 Tenhaeff, Wilhelm 139–140, 142, 172 Teresa von Ávila 52 Thunder Cloud 28 Toksöz, Nasır 103 Townshend, Chauncey Hare 172–173 Tripathi, Bhimsen 104 Tripathi, Bhism Pitamah 104 Tripathi, Shiva 101, 185, 219 Tsing, Pao Tsing 68 Ts’ain-niang 69 Tucker, Jim B. 20–22, 30–32, 66–67, 73– 74, 76–81, 84, 87, 89–93, 98–99, 106, 128–129, 192–194, 197–198, 219 Tudor-Pole, Wellesley 125 Tukaram 29 Tulving, Endel 55 Turner, Tina 26 Tylor, Edward Burnett 20
Ulfat 84 Ullman, Montague 162 Umipeg, Vicky 234–235 Ünlütaskiran, Necip 96 van Busschbach, J. G. 164 van Lommel, Pim 41, 54, 112, 121, 145– 146, 231–232, 235
van Praagh, James 170–171 Varshnay, Prakash 94 Varshnay, Sri Brijal 94 Vendler, Zeno 62 Vennum, Mary Lurancy 194–195, 219 von Brück, Michael 30, 33–34 von Glasenapp, Helmuth 28 von Hutten, Traude 123, 224 von Kutschera, Franz 37 von Purucker, Gottfried 26 von Rudloff, Leo 52 Vossenkuhl, Wilhelm 46 Wagner, Richard 159 Walther, Gerda 158–161
264 https://doi.org/10.5771/9783495823637 .
Personen Wambach, Helen 188 Wassiliew, Leonid L. 168 Waterhouse, Helen 20 Wehrstein, Karen 127 Weirauch, Wolfgang 150 Weiss, Brian L. 129, 131, 134 Werblowsky, R. J. Zwi 17–18, 26 Wheeler, Mark A. 56 Whitehead, Alfred North 35 Wickland, Anna 205–207, 211, 213 Wickland, Carl August 205–207, 211, 213, 229
Williams, Bernard 50, 63 Williams, Marta 138, 176
Wollheim, Richard 62 Wright, Crispin 42 Xenophanes 20 Yajnavalkya 28 Ye, Shaoyong 28 Zander, Helmut 18, 28–30 Zeytun, Süleyman 103 Zhar, Jamil Adnan 103 Ziewe, Jurgen 111–112 Zingrone, Nancy 170
265 https://doi.org/10.5771/9783495823637 .
Sachen
Abreiseträume 95, 181 Advaita Vedānta 30, 238 Ahimsa 18 Aithalides 107 Alawiten 18–19 Aleviten 18–19, 70, 100, 103, 105 Ameles 216 Amnesie 54 Anātman, Anattā 33 Ankündigungsträume 20, 95–97, 99, 181, 203
Anthroposophie 120 argumentum ad hominem 43 Ātman 30 außergewöhnliche Erfahrungen 236 außerkörperliche Erfahrungen 22, 50, 111–112, 119–120, 207–209, 230– 231
außersinnliche Wahrnehmung (ASW) 139, 195–200 Austauschreinkarnation 187, 189 Bekanntheit, Gefühl der 61, 136 Besessenheit 183–187, 192–195, 214– 215, 219
Bewusstsein 36–37, 40, 42, 44–46, 230– 232
Bewusstseinsstrom 35–36, 38 Brahman 30 Brasilien 18, 94, 98 Buddhismus 18, 28–29, 33–34, 68, 187 Bündeltheorie des Geistes 34 China 28, 67–68 Christentum 18, 192, 235 circumsessio 192
Dämonologie, christliche 192 Déjà-vu-Erlebnisse 142–143 diathanatische Überzeugungen 203 doxastische Einstellung 45 Drusen 19, 27, 70–71, 83, 88, 100, 103, 105
Dualismus 19 Entwicklung durch Reinkarnation 29, 120, 234
Entwicklung, jenseitige 234 epistemische Asymmetrie 42–44, 53 epistemische Autorität 42–45, 198 epistemische Einstellung 45 epistemische Symmetrie 42 Erfahrungen früherer Leben –, Erklärung durch Zugang zu umfassendem Bewusstsein 230, 233 –, als Erinnerung an ein eigenes früheres Leben 57, 63, 122, 181, 224– 225, 233
–, als unmittelbare Teilhabe an fremdem Erleben 24, 65, 179, 200–202, 217, 228, 230, 233
–, Bekanntheitsgefühl 136 –, Definition 21 –, einleitende Geräuschempfindungen 110–111, 119 –, einleitende Vibrationsempfindungen 112 –, einleitendes Tunnelerlebnis 112 –, Erklärung durch Einfluss einer verstorbenen Person 210–212, 214–218, 223, 228–230, 233
–, Erklärung durch Reinkarnation 24, 65, 179, 181–183, 185, 187–189, 200
266 https://doi.org/10.5771/9783495823637 .
Sachen –, Erlebnisperspektive 85, 109, 113– 114, 116–117, 120–126, 130–131, 133– 134, 179, 181, 224–225, 231, 233 –, Häufigkeit 22 –, Indizien bei kleinen Kindern 73, 79, 83–84 –, induzierte 22 –, spontane 22 Erinnerung 38, 55, 57, 61 erinnerungsartiges Erleben 57
Erlebenswelten, radikale Trennung 235
Esoterik 19, 27, 32, 120 Euphorbos 107 Europäische Fälle vom Reinkarnationstyp, schwache Beweiskraft
Iarchas 108 Identität, personale 21 Igbo 17, 255 Indien 69, 74, 94, 99, 105, 108, 115 indigene Kulturen 17, 28, 32–33 inneres Erleben 22 insessio 192 International Social Survey Project 27 intersubjektive Methoden 40–44 Intervall zw. Tod d. früheren u. Geburt d. aktuellen Lebens 105 Islam 18 Jainismus 18, 27, 29 Jenseitserfahrungen 234 Judentum 18
99
European Values Study 27 Eyes of Laura Mars (Film) 162 Fälle vom Reinkarnationstyp 74 Falsifizierbarkeit 198 Fegefeuer 235 fötales Lernen 188–189 Fötus-ohne-Seele-Konzeption 188– 189
Kabbala 18 Karma 18, 206 Kastensystem 28 Katharer 18 klinischer Tod 54 Konvivenz der Inkarnationen 32 Körper, subtiler 51 Kreislauf der Wiedergeburten 18, 29– 30
Fötus-Säugling-Kontinuität, geistigseelische 188–189 früheres Leben, Gefühl der Gegenwärtigkeit / Vergangenheit 89 Gedächtnis 55–56, 191 Gedankenbündel-Theorie 199–200 Geschlechtsnonkonformität mit Bezug zum früheren Leben 92, 180
Kryptomnesie 66, 106, 127, 129, 134– 135, 180, 191, 224, 226
Kulturabhängigkeit der Fälle kl. Kinder, die von früheren Leben sprechen 99–100, 127, 203–204 Lappen 17 Lebenskraft 36 Lebensrückblick im Rahmen einer Nahtoderfahrung 24, 121, 131, 145–
Gnosis 18, 26 Goldene Regel, Erfahrung der 146 Gruppenrückführungen 188
Lethe 216 Libanon 75, 82, 87–88, 102–105, 142
Haida 105 Halluzination 22 Hellsehen, räumliches 172–173 Hermes 107 Hermotimos von Klazomenai 107 Hinduismus 17–18, 27–30, 33 Homo-clausus-Modell 235
Manichäismus 18 mediale Erfahrungen 24, 169–172, 229 Median, Definition 99 Medium, mentales 170 Menelaos 107 Metempsychose 19, 25–26 Metensomatose 25–26
151, 153–154, 159, 201, 231, 234
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Sachen mütterliche Impressionen 222 Muttermale u. Missbildungen 20, 70, 77, 93, 96, 99, 104, 180, 184, 190, 192, 197, 221–222 Muttermale, experimentelle 68–69, 93 Myanmar (vorm. Burma) 72, 84, 87, 122
Nahtoderfahrungen 24, 111–112, 121,
–, Multiperspektivität 131, 225 –, Multiperspektivität, simultane 133, 146–147, 179
–, Perspektivenwechsel 85, 109, 122– 123, 125, 132, 148, 150, 179, 181, 224
–, Perspektivenwechsel, willkürlicher 63, 133 Phobien mit Bezug zu einem früheren Leben 90–91, 135, 180, 197, 210, 226, 231
131, 145–147, 150, 153–156, 162, 207– 208, 230–231, 234 Neonatalogie 183 Neuplatonismus 18 Nicht-Selbst-Lehre 28, 33–34 Nusairier 18
possessio 192–193 propositionale Einstellung 45 Prozessphilosophie 35, 38 Psi-structure-Konzept 200 Psychonen 34–35, 199 Pyrrhos (Fischer) 107
obsessio 192–193
Reinkarnation –, durch Austausch der Seelen 187 –, Abgrenzung von Besessenheit durch Geburtstermin 183 –, als Form von Besessenheit 184–185 –, als Pflanze 20 –, als Tier 20, 69, 113 –, Begriffsgeschichte 25 –, Definition 17, 25, 185 –, eines Bewusstseinsstromes 36 –, gewöhnliches Verständnis 25 –, keine Grade 216, 226 –, Mehrfachgegenwart im Jenseits und Diesseits 32 –, multiple 32 –, nichtpersonales Verständnis 27, 30,
Palingenese 25 Person 19, 21, 26–28, 32–33, 35, 37, 46– 56, 64, 187, 204, 232, 234
Person des früheren Lebens 69, 74, 84, 87–91, 93, 95–98, 100–102, 104–105, 114, 128, 130, 133, 172, 180–182, 184, 190–191, 197, 200, 202, 212, 217–221, 224, 226, 228
Perspektive des Erlebens –, Außenperspektive 62–63, 85, 98–99, 109, 113, 116–117, 120–123, 125, 127, 130–134, 151, 153, 181, 220, 224, 231, 233 –, Beobachterperspektive 62 –, Dritte-Person-Perspektive 62
–, Eintauchen in die Perspektive anderer 146–150, 152, 160–161, 234 –, Eintauchen in die Perspektive Gottes 153 –, Eintauchen in die Perspektive nichtmenschlicher Tiere 154 –, Eintauchen in eine fremde visuelle Perspektive 161–162, 170, 177–178 –, Erste-Person-Perspektive 61 –, Feldperspektive 61 –, Ich-Perspektive 61–63, 84–85, 109, 114, 117, 122–123, 131, 145–146, 181, 224–225
32–33, 35, 38–40, 189
–, personales Verständnis 17, 24–25, 27–28, 30, 40
–, Synonyme 25–26 –, Versuch der 203, 205–206, 208–211 –, wissenschaftliche Prüfbarkeit 40, 46
–, Wunsch nach 203, 205–209, 233 Reinkarnationserfahrungen 20, 46, 66, 198
Reinkarnationsforschung, Beweisorientierung 40, 46, 66–67 Reinkarnationsglaube 17, 19–20, 27, 99, 234
268 https://doi.org/10.5771/9783495823637 .
Sachen Religious and Moral Pluralism (Umfrage) 27 Retrokognition 139 Rückführung in frühere Leben 23, 85,
Transmigration 25–26 transzendente Erfahrungen 236 Trobriander 17 Türkei 19, 100, 102–103, 105
128–136, 188, 226–227, 229–230
Rückschau, hellseherische 139–141,
Überschneidung der Leben 69–70, 73, 101–106, 127, 134, 137, 171, 182, 200, 223, 226–228
171–172
Scheinerinnerung 57–60, 62–63 Schiff des Theseus 53 Schiiten 18 Seele, körperliche 51 Seelensplittung 32 Seelenwanderung 25 Selbst-Fremd-Differenzierung 235 Sikhismus 18 Skandhas 33 Spiritismus 19, 29, 120 Sprechen von einem früheren Leben, kindliches 86, 89 Sri Lanka 28, 75, 87–88, 91, 99–100 Super-Psi-These 198 Teilhabe an fremdem Erleben, unmittelbare 24, 145, 156, 159, 162, 170, 172, 174, 176–179, 200, 228
Telepathie, telepathische Erfahrungen 24, 155–169, 201–202, 210, 214,
Verbundenheitserfahrung 154–155 Verfluchungen 222 Vergeltung durch Reinkarnation 28– 29, 234
Verhaltensweisen mit Bezug zur Person d. früheren Lebens 75, 77–78, 87, 90, 92, 137–138, 179–180, 190, 192, 197, 210, 213–214, 216, 223, 226 Vielzahl früherer Leben 127, 134 visionäres Erleben 21
Wachkoma 54 Watseka-Wunder 194 Wiedergeburt 25 Wissen vom früheren Leben, ungewöhnliches 56, 63, 66–72, 74–76, 79– 81, 83–84, 89, 122–123, 128, 133–135, 137, 172, 180, 190, 196, 219 World Values Study 17, 27
217–218, 221, 229
Theosophie 19, 26, 120, 206 Tierkommunikation 176–178 Tlingit 17, 100
Xenoglossie 205 Zwischenreinkarnationen 100
269 https://doi.org/10.5771/9783495823637 .
Fallberichte
Ankündigungsträume –, Cevriye Bayrıs Vater 97 –, Munira Ghanem 104 –, Necip Ünlütaskirans Mutter 96 –, Tlingit-Mutter 98 Besessenheit i. e. S. –, Anna Wickland 205–206, 211 –, Lurancy Vennum / Mary Roff 194– 195, 219
–, Stewart Alexander 193 –, Sumitra Singh / Shiva Tripathi 101, 185, 219
–, Uttara Huddar / Sharada 185, 219 Déjà-vu –, anon. (New Jersey, überl. Rogo)
–, anon. (jg. Frau bei Vorlesung) 109– 110
–, anon. (jg. Frau, La Barge) 117–118, 224
–, anon. (Mädchen, 4 Mon. vor Tod d. Person d. fr. Lebens geboren 101
–, anon. (Mädchen, mind. 2,5 J. vor Tod d. Person d. fr. Lebens geboren) 101 –, anon. (Museumskurator, Boston) 124
–, anon. (Pilot aus Philadelphia) 124 –, Apollonios von Tyana 108 –, Bernhard Gockel 26 –, Bongkuch Promsin 84 –, Bruce Kelly 134–135, 224, 226, 230
143–144
–, Charles Dickens 142 –, Lamartine 142–143 Erfahrungen aus der Zeit der Schwangerschaft –, William 99, 220 Erfahrungen früherer Leben –, İsmail Altınkılıç 90, 97 –, Alexis 108–109 –, Alice Robertson 114–115 –, Angela 132 –, anon. (als Fischereiarbeiterin) 119
–, anon. (als Jagdflieger 1917) 121 –, anon. (als Mann aus der Renaissance) 133 –, anon. (drus. Junge, 19. Jh.) 70–71 –, anon. (Frau, als Gladiator) 23
–, Carol Bowman 125, 133 –, Catherine 134 –, Cevriye Bayrı 97 –, Chao Tsungs Sohn 68–69, 93–94, 96 –, Chaokhun Rajsuthajarn 28, 101, 187–188, 209–210
–, Chase Bowman 85 –, Chatura Buddika Karunaratne 84 –, Cisco (Pferd) 138 –, Dilukshi Nissaka 75–76 –, Dr. Thomas 126 –, Edna 22–23 –, Erkan Kiliç 103 –, Faruq Faris Andray 102 –, Gedeon Haich 84 –, Gillian Cunningham 82 –, Gopal Gupta 74–75, 90 –, Guiseppe Costa 106
270 https://doi.org/10.5771/9783495823637 .
Fallberichte –, H. G. Scheffler 113, 125–127, 224 –, Hiang Tsings Tochter 68 –, Imad Elawar 90 –, Itidal Abul-Hisn 84 –, Ivy 134–135, 226–227, 230 –, Jagdish Chandra 103–104 –, James Leininger 78–80, 82, 86, 88, 90, 212, 217, 219–220
–, Jane (überl. Goldberg) 131 –, Jane (überl. Lenz) 110–111 –, Jasbir Singh 101 –, Jenny Cockell 106, 129 –, Jenny McLeod (Fall 1) 81–82 –, Jenny McLeod (Fall 2) 115–116 –, Joan 113–114 –, John East 122–123, 224 –, Judith Krishna 90 –, Juta 76–77, 90, 93, 101, 184, 223 –, Kerry 132 –, KM 92 –, Laure Raynaud 106 –, Luigi Gioberti 117, 225 –, Ma Tin Aung Myo 90 –, Marta Lorenz 95, 98 –, Mary (College-Dozentin) 123–124 –, Maung Gyi und Maung Ngè (Okshitgon) 72–73, 182 –, Nasır Toksöz 103 –, Necati Çaylak 103 –, Necip Ünlütaskiran 96 –, Pamela Cohen 124 –, Pao Tsing 68 –, Prakash Varshnay 83, 94 –, Pratomwan Inthanu 106, 108, 113, 122, 224–226
–, Pythagoras 107 –, Ramdas 69–70, 93, 182 –, Ramoo u. Rajoo Sharma 104 –, Ravi Shankar 104 –, Raymond A. Moody, Jr. (als Bootsbauer) 131–132 –, Raymond A. Moody, Jr. (als chines. Malerin) 132–133 –, Raymond A. Moody, Jr. (als Germane im Zirkus) 132 –, Raymond A. Moody, Jr. (als Mammutjäger) 132
–, Robert L. Snow 133–134, 136, 224, 226, 230
–, Roberta Morgan 84 –, Ruprecht Schulz 101, 106, 108, 123, 224, 226
–, Ryan Hammons 79–82, 88, 212, 219
–, Salem Andary 82–83 –, Salli Kaartinen 87 –, Sandy Rovner 130 –, Sarah Bowman 85 –, Shamlinie Prema 83, 91 –, Sudhakar Misra 101 –, Sujith Lakmal Jayarantne 83, 90 –, Sukla Gupta 87, 90 –, Suleyman Andary 83 –, Süleyman Zeytun 103 –, Suzanne Ghanem 104, 218 –, Sze-tao 69 –, Thomas J. Evans 116–117 –, Tom (überl. Lenz) 111–112 –, Tom G. 119 –, Traude von Hutten 123, 224 –, Ts’ai-niang 69 –, Tuff (Springer Spaniel) 137–138 –, Ulfat 84 –, Wellesley Tudor-Pole 125 –, Wijama Kithsiri 83 –, Will (überl. Wehrstein) 127 –, William Buhlman 120–121 –, Wolfgang Neurath 87 –, Zouheir Chaar 103 Hellsehen, räumliches –, Alexis Didier 172–173 Herztransplantationen, Erlebnisse und Phänomene danach –, anon. (8j. Mädchen, überl. Pearsall) 174 –, anon. (52j. Mann, überl. Pearsall) 176
–, anon. (jg. Mann, überl. Pearsall) 176
–, Carter 175, 212–213 Kryptomnesie –, Ted 130
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Fallberichte Lebensrückblick im Rahmen einer Nahtoderfahrung –, anon. (22jähriger Experiencer, überl. IANDS-Newsletter) 149 –, anon. (Frau sah sich als kl. Mädchen, überl. Moody) 152 –, anon. (Geschäftsmann, überl. Moody) 155 –, anon. (junge Frau, überl. Moody) 149
–, anon. (überl. IANDS-Newsletter) 148
–, anon. (überl. Lorimer) 148 –, Dorothea Rau-Lemke 150 –, Frau Born 150 –, Nada Eberhard 154 –, Neevon Spring 150–151, 153, 159 –, Steven Fanning 147–148, 152–153 –, Tom Sawyer 147–148, 154, 159 mediale Ankündigungen der Reinkarnation –, Maria Januaria de Oliveiro 98 mediale Erfahrungen –, James van Praagh 170 –, Paul Meek 229 Missbildungen im Zusammenhang mit mütterlichen Impressionen oder mit Verfluchungen –, anon. (Schwangere sah Mann mit teilw. amputierten Füßen) 222 –, anon. (Schwangere sah PenisAmputationswunde) 222 –, Sampath Priyasantha 222 Nahtoderfahrung (allg.) –, George Rodonian 162 –, Thomas Mellen-Benedict 153 –, Vicky Umipeg 235 –, W. Martin 207–209 Rückschau, hellseherische –, anon. (Paragnost bei Tenhaeff) 139–140
–, Erla Stefánsdóttir (Kühe auf dem Friedhof) 141–142 –, Erla Stefánsdóttir (SturlungarKämpfe) 140–141 –, Erla Stefánsdóttir (Überfall auf Indianerdorf) 141 Scheinerinnerung an fiktive Geschehnisse –, anon. (Aufbau Kathedrale von Coventry) 58 Scheinerinnerung an reale Ereignisse –, Oliver Sacks 58–62, 196 Telepathische Erlebnisse –, anon. (Mann aus Israel) 158 –, George Rodonian 162–163 –, George William Russell 161 –, Gerda Walther (mit Ex-Kommilitonen) 160 –, Gerda Walther (mit Rudi Schneider) 159 –, Joan Ruskin Severn 157 –, Miss Martyn 157–158 –, mj 161–162 telepathische Verhaltensweisen und körperliche Phänomene –, K. und A. (überl. Playfair) 164 –, Lisa Schwarz 165–167 –, Marta und Silvia Landa 163–164 –, Ms. Powles (Zwillinge) 163 –, Robert de Thy 168–169 Tierkommunikation, Erlebnisse –, Angelika Güldenstein 177–178 –, Julie Barone 177 Vorhersagen eines zukünftigen Lebens auf dem Sterbebett –, Ma-Familie, Sohn 69 –, Maria Januaria de Oliveiro 94 –, Nirmal Jain 94 vorstellungsbedingte Verletzungen am eigenen Körper –, Elisabeth K. 221
–, Dr. X (überl. Tenhaeff) 140
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