Die kommunalen Gebühren: Ökonomische, ökologische und rechtliche Ansätze einer gesamtwirtschaftlichen Neuorientierung [1 ed.] 9783428484744, 9783428084746


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German Pages 415 Year 1995

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Die kommunalen Gebühren: Ökonomische, ökologische und rechtliche Ansätze einer gesamtwirtschaftlichen Neuorientierung [1 ed.]
 9783428484744, 9783428084746

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Erik Gawel · Die kommunalen Gebühren

Finanzwissenschaftliche Forschungsarbeiten Finanzwissenschaftliches Forschungsinstitut an der Universität zu Köln Begründet von Günter Schmölders Herausgegeben von Karl-Heinrich Hansmeyer und Klaus Mackscheidt

Neue Folge Band 64

Die kommunalen Gebühren Ökonomische, ökologische und rechtliche Ansätze einer gesamtwirtschaftlichen Neuorientierung

Von

Erik Gawel

Duncker & Humblot · Berlin

Gutachten im Auftrag der Kommunalen Gemeinschaftsstelle (KGSt), Köln. Erstellt mit Unterstützung des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen

Die Deutsche Bibliothek- CIP-Einheitsaufnahme

Gawel, Erik: Die kommunalen Gebühren : ökonomische, ökologische und rechtliche Ansätze einer gesamtwirtschaftlichen Neuorientierung ; [Gutachten] I von Erik Gawel. [Im Auftr. der Kommunalen Gemeinschaftsstelle (KGSt), Köln]. Berlin : Duncker und Humblot, 1995 (Finanzwissenschaftliche Forschungsarbeiten ; N. F., Bd. 64) ISBN 3-428-08474-8 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten © 1995 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Wemer Hildebrand, Berlin Printed in Gerrnany ISSN 0430-4977 ISBN 3-428-08474-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 i§

Inhaltsübersicht Kurzfassung ........................................................................................................... 15 A. Problemskizze ........................................................... .......................... ............. 79 I.

Kommunale Entgelte in der Diskussion....................................................... 79

ll. Kommunale Gebühren - die finanzwissenschaftliche Problemsicht ............. 83 ill. Zum Vorgehen der Arbeit ........................................................................... 87

B. Die gesamtwirtschaftliche Neuausrichtung gemeindlicher Entgelte als Herausforderung der kommunalen Abgabenwissenschaften ......................... 91 I.

Begriff und Abgrenzung .............................................................................. 91

ll. Formen gesamtwirtschaftlich lenkender Entgeltgestaltung am Beispiel der Ökologisierung...................................................................................... 94 ill. Gegenwärtige Ausgangslage ........................................................................ 100

C. Finanzwissenschaftliche Gebührentheorie: Traditionelle Gebührenlehre und neuere Entwicklungen ............................................................................ 102 I.

Der klassische Gebührenbegriff im Wandel... ............................................. 102

ll. Funktion und Auftrag der Gebührenerhebung - Gebühren aus allokationstheoretischer Sicht .............................................................................. 107 ill. Die Höhe der Gebühr: Ein theoretisches System von Gebühreneinflußfaktoren ....... ............. .. ..... ................ .. ........ .... ............ .. . ........ ...... .. ...... ....... 126

IV. Der Gebührentarif ..................................................................................... 157 D. Allgemeine Aspekte ökonomisch rationaler Entgeltpolitik: Das Gebüh· reninstrumentarium als Hebel gesamtwirtschaftlicher Ressourcenverantwortung? .................................................................................................... 196 I.

Das Knappheitspostulat im Zielkonflikt....... .. ... ......... ........ ...... ..... .. ...... .... . 197

Inhaltsübersicht

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II. Lenkungs- und Finanzierungszwecke der Gebührenerhebung.................... 207 ill. Ökologisch lenkende Gebühren im umweltpolitischen Policy Mix ............ 211

IV. Internalisierung externer Kosten als dezentrale Kommunalaufgabe? ........... 221 V. Zum Steuerungspotentiallenkender Gebühren .......................................... 233 E. Kalkulatorische Aspekte ökonomisch rationaler Entgeltpolitik: Betriebswirtschaftliche Probleme von Kommunalabgaben ........................................ 239 I.

Überblick ................................................................................................... 239

II. Kostenbegriff und Bewertungsfragen .......................................................... 240 ill. Kostenarten im Rahmen der Gebührenbedarfsberechnung ........................ 269

IV. Kalkulatorische Abschreibungen ................................................................ 271 V. Kalkulatorische Zinsen ............................................................................... 294 VI. Kalkulatorische Wagniskosten .................................................................... 330 VII. Soziale Zusatzkosten .................................................................................. 344

F. Rechtliche Aspekte ökonomisch rationaler Entgeltpolitik: Probleme des Kommunalabgaben- und Verfassungsrechts .................................................. 349 I.

Vorbemerkungen ....................................................................................... 349

II. Verfassungsrechtliche Lenkungshindernisse ............................................... 353 ill. Kommunalabgabenrechtliche Lenkungs- und Ö kologisierungshindernisse ................................................................................................................ 363

IV. Zusammenfassung: Zur Zulässigkeit ökonomisch rationaler Gebührenpolitik im geltenden Rechtsrahmen ............................................................ 366 G. Implementationspolitische Aspekte ............................................................... 368 I.

Zur Implementationsagenda: ein Zwischenfazit .......................................... 368

II. Das Kommunalabgabenrecht vor der gesamtwirtschaftlichen LenkungsHerausforderung ........................................................................................ 370 ill. Zusammenfassung ...................................................................................... 375

Literaturverzeichnis ............................................................................................. 378

Inhaltsverzeichnis Kurzfassung ........................................................................................................... 15 A. Problemskizze .................................................................................... .............. 79 I. Kommunale Entgelte in der Diskussion .......................................................... 79

II. Kommunale Gebühren - die finanzwissenschaftliche Problemsicht................ 83 III. Zum Vorgehen der Arbeit............................................................................ 87 B. Die gesamtwirtschaftliche Neuausrichtung gemeindlicher Entgelte als Herausforderung der kommunalen Abgabenwissenschaften ......................... 91 I. Begriff und Abgrenzung ..... ................. .. .... ....... ... ............... ... ...... .. ... . .. ........... 91

II. Formen gesamtwirtschaftlich lenkender Entgeltgestaltung am Beispid der Ökologisierung ....................................................................................... 94 1. Ökologisierung des Zielsystems ................................................................ 95 2. Ökologische Kalkulation .......................................................................... 96

3. Ökologische Maßstabsgestaltung und Tarifierung ..................................... 97 4. Ökologisierung als Ökonomisierung des administrierten Preissystems kommunaler Benutzungsgebühren? ................ .. ........ ...... ....... .. .. . .. ......... .. 98 III. Gegenwärtige Ausgangslage ......................................................................... 100 1. Gesetzeslage und Rechtsprechung ............................................................ 100 2. Kalkulationspraxis ................................................................................... 100

C. Finanzwissenschaftliche Gebührentheorie: Traditionelle Gebührenlehre und neuere Entwicklungen ............................................................................ 102 I. Der klassische Gebührenbegriff im Wandel.. ................................................. 102

II. Funktion und Auftrag der Gebührenerhebung - Gebühren aus allokationstheoretischer Sicht ................................................................................ 107 1. Gebühren als Instrumente der Preisadministrierung gemischt-öffentlicher Güter .............................................................................................. 107

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Inhaltsverzeichnis

2. Begründungsmuster öffentlicher Güterbereitstellung ............................... 109 3. Das Grundmodell optimaler Gebühren- und Beitragsbemessung ............. 118 4. Zur Übertragbarkeit des Grundmodells auf verschiedene Gemeindegüter ........................................................................................................... 122 ill. Die Höhe der Gebühr: Ein theoretisches System von Gebühreneinfluß. faktoren ......... ........... .. ..... .. ............... .. . .. .......... ..... ... ........... .......... .. .... . ........ 126 1. Kosten als Ausgangspunkt der Gebührenkalkulation ............................... 127

a) Relevante Kosten: ein systematisierender Überblick........................... 127 b) Volkswirtschaftliche Kosten als Determinanten der Gebührenhöhe .. 128 c) Einzelfragen der Erfassung und Zurechnung volkswirtschaftlicher Kosten ............................................................................................... 135 2. Aufwandsabstrakte ("kostenfremde") Gebührenbestimmungsfaktoren .... 142 a) Zum Begriff des "öffentlichen Interesses" ........................................... 142 b) Gemeindliche Eigennutzung: Privatinteresse der öffentlichen Hand .. 143 c) Externalitäten ..................................................................................... 144 d) Meritorisierung .................................................................................. 149 e) Distributive Zielsetzungen .................................................................. 149 f) Stabilisierungsziele ............. ............... .. ... .. ................... ........... ... ....... ... 151 g) Kostenanlastung durch Nichtgebühren-lnstrumente........................... 153 3. Fazit: Kommunale Entsorgungsleistungen als gebührenpolitisches "Bepreisungsfeld"- ein konkretes System von Gebühreneinflußfaktoren ...... 154 IV. Der Gebührentarif ...................................................................................... 157 1. Theoretische Aspekte des Abgabentarifs .................................................. 157

a) Zur finanzwissenschaftliehen Tariflehre hoheitlicher Abgaben .......... 157 b) Tariflehre einer lenkenden Wirkungszweckabgabe am Beispiel umweltökonomischer Abgabenkonstruktionen ................................. 161 c) Tarifgestaltung kommunaler Entgeltabgaben aus theoretischer Sicht .................................................................................................. 165 2. Tarifierung kommunaler Benutzungsgebühren ........................................ 166 a) Überblick ........................................................................................... 166 b) Gebührentatbestände ......................................................................... 168 c) Wirklichkeits- und Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe ............................... 170 d) Zuschlagsmodelle: Das Beispiel "Starkverschmutzerzuschlag" ............ 183 e) Grund- und Arbeitspreise ................................................................... 186 f) Progressions- und Degressionstarife .. ...... ............. ........... ... .... ........ ..... 192 g) Leistungsfähigkeitselemente im Gebührensystem: Zur Sozialtarifierung von Gebühren ..............................·......................................... 194

Inhaltsverzeichnis

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D. Allgemeine Aspekte ökonomisch rationaler Entgeltpolitik: Das Gebühreninstrumentarium als Hebel gesamtwirtschaftlicher Ressourcenverantwortung?.. .... ............ ........ .......... ... ...... ......... .... ........ .. ........ ........ ... ..... ...... .. 196 I. Das Knappheitspostulat im Zielkonflikt .. .. ...... .. .. .. ......... ...... .. .. .. .. .. .. .. .... .. .. ... 197

1. Vorbemerkungen..................................................................................... 197 2. Konkurrierende Leitbilder einer ökonomisch rationalen Entgeltgestaltung ........ ................................ ... .... ........ ... ... .. ...... ........ ...... ... .. ...... ... .. 197 a) Finanzwirtschaftlich: Die Refinanzierungs-Perspektive ...................... 198 b) Betriebswirtschaftlich: Die Kapitalerhaltungs-Perspektive .................. 200 c) Volkswirtschaftlich: Die Ressourcenlenkungs-Perspektive.................. 202 d) Politisch: Die Opportunitäts-Perspektive ........................................... 206 II. Lenkungs- und Finanzierungszwecke der Gebührenerhebung ...................... 207 1. Das Finanzierungspotentiallenkender Abgaben als Gestaltungspro-

blem........................................................................................................ 207

2. Zum Problem der Vereinnahmung von Knappheitsrenten ...................... 208 III. Ökologisch lenkende Gebühren im umweltpolitischen Policy Mix ............. 211 1. Problemstellung ....................................................................................... 211

2. Zur Anreizfunktion kommunaler Entsorgungsgebühren im Rahmen mischinstrumenteller (Umwelt-) Politik .................................................. a) Zum Steuerungsumfeld der Gebühr - das Beispiel der Abwasserentsorgung......................................................................................... b) Gebühren und andere Anreizverfahren im Spannungsfeld ................. c) Gebühren und imperative (nicht-pretiale) Verfahren ..........................

212 212 215 216

3. Benutzungsgebühren in der Fiskalkonkurrenz......................................... 217 a) Gebühren und Beiträge....................................................................... 218 b) Gebühren und Zuwendungen ............................................................ 219 4. Fazit ........................................................................................................ 220 IV. Internalisierung externer Kosten als dezentrale Kommunalaufgabe?............ 221 1. Überblick ................................................................................................ 221

2. Ressourcennutzung als gebührenfähige Leistung? .................................... 221 3. Pretiale Lenkung der Ressourcennutzung durch Kommunalabgaben? ..... 225 a) Zentrale versus dezentrale Umweltpolitik .......................................... 225 b) Theoretische Ansätze: Ökonomische Theorie des Föderalismus und Umweltpolitik ............................................................................ 226 c) Praktische Probleme bei der Behandlung externer Effekte von kommunalen Umweltgütern ............................................................. 231

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Inhaltsverzeichnis 4. Zusammenfassung.................................................................................... 233 V. Zum Steuerungspotentiallenkender Gebühren ............................................ 233 1. Allgemeines ............................................................................................. 233 2. Exogene Determinanten des Lenkungspotentials ..................................... 236 3. Gestaltungsfähige Determinanten des Lenkungspotentials ....................... 237

E. Kalkulatorische Aspekte ökonomisch rationaler Entgdtpolitik: Betriebswirtschafdiebe Probleme von Kommunalabgaben ........................................ 239 I. Überblick ...................................................................................................... 239

ll. Kostenbegriff und Bewertungsfragen ............................................................ 240 1. Kostenbegriffe in der Wirtschaftswissenschaft und ihre Gebührenrelevanz .................................................................................................. 240

a) Überblick ........................................................................................... 240 b) Inhalt und Bedeutung" betriebswirtschaftlicher Grundsätze" ............. 248 c) Das Kodifizierungsproblem gesamtwirtschaftlicher Kostenverantwortung........................................................................................ 256 2. Der Zeitwert als Maßstab der Gebührenbemessung ................................. 260 a) Zum Pluralismus an "zeitnahen" Wertmaßstäben ............................... 260 b) Schattenpreis und Zeitwert................................................................. 262 3. Kostendeckung als Entscheidungsproblem ............................................... 264 a) Angemessene Kostendeckungsgrade.................................................... 264 b) Zeitliche Reichweite der Deckungsvorschrift: Zum Problem des Periodenausgleichs ............................................................................. 267 c) Institutionelle Reichweite der Deckungsvorschrift: Gesamt- und Einzeldeckung ................................................................................... 269 Ill. Kostenarten im Rahmen der Gebührenbedarfsberechnung ......................... 269 IV. Kalkulatorische Abschreibungen ................................................................. 271 1. Gebühren, Beiträge und Zuschüsse .......................................................... 271

2. Substanzerhaltung als Ziel der Abschreibungsermittlung? ........................ 275 3. Brutto- und Netto-Substanzerhaltung ...................................................... 279 4. Inkompatibilität mit externen Bewertungsregeln? .................................... 281 5. Fehlender Wettbewerb? ........................................................................... 282 6. Berücksichtigung von Zinserträgen? ........................................................ 282 7. Zweckentfremdung der Abschreibungen? ................................................ 284

Inhaltsverzeichnis

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8. Gleichmäßigkeit und Verursachergerechtigkeit der Gebührenbelastung ....................................................................................................... 285 9. Mangelnde Objektivierbarkeit? ................................................................ 287 10. Abschreibungen mit negativem Restwert? .............................................. 287 V. Kalkulatorische Zinsen ................................................................................. 294 1. Problemstellung und -abgrenzung ............................................................ 294

a) Einleitung ........................................................................................... 294 b) Problemkreise .................................................................................... 294 c) Prüfmaßstäbe...................................................................................... 296 2. Zweck der Verzinsung ............................................................................. 298 3. Bemessungsgrundlage (Zinsbasis) ............................................................. 301 a) Reichweite des relevanten Kapitalbegriffs (Ansatz dem Grunde nach) ................................................................................................. 301 aa) Kalkulatorische Zinsen auf Eigenkapital ...................................... 301 bb) Kalkulatorische Zinsen auf "Abzugskapital" ............................... 303 cc) Kalkulatorische Zinsen auf Fremdkapital...................................•. 308 b) Bewertung {Ansatz der Höhe nach) .................................................... 309 4. Zinssatz ................................................................................................... 312 a) Einheitlichkeit versus Spaltung des Zinssatzes..................................... 312 b) Satzhöhe ............................................................................................ 313 aa) Opportunitätskostenprinzip ........................................................ 313 bb) Anlagealternativen der Gemeinde ............................................... 314 cc) Bemessungsgrundlage und Zinssatz als simultanes Problem ......... 316 5. Berechnungsmethode ............................................................................... 321 a) Zeitliches Kapitalbindungsprofil des aufgewandten Kapitals ................ 321 b) Behandlung von Beiträgen und Zuschüssen ........................................ 325 6. Zusammenfassung.................................................................................... 326 VI. Kalkulatorische Wagniskosten .................................................................... 330 1. Umweltrisiken und kalkulatorische Wagnisse .......................................... 330

2. 1nternalisierung durch Umweltwagnisse .................................................. 331 3. Das Wagnis verschärfter Anforderungen ................................................. 333 a) Problemstellung.................................................................................. 333 b) Umweltwagnisse am Beispiel der Abfalldeponierung .......................... 334 c) Die Frage ökonomischer Verursachung bei der Aldasten-Sanierung ... 336 d) Die Kostenanlastung........................................................................... 340 4. Zur Operationalisierung kalkulatorischer Wagnisse ................................. 342

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Inhaltsverzeichnis

5. Zusammenfassung.................................................................................... 343 Vll. Soziale Zusatzkosten .................................................................................. 344 1. Gnmdsätzliches ....................................................................................... 344

2. Der Vermeidungskostenansatz als tragfähige Konzeption? ....................... 345 F. Rechdiebe Aspekte ökonomisch rationaler Entgeltpolitik: Probleme des Kommunalabgaben· und Verfassungsrechts .................................................. 349 I. Vorbemerkungen .......................................................................................... 349

ll. Verfassungsrechtliche Lenkungshindernisse.................................................. 353 1. Der verfassungsrechtliche Gebührenbegriff ............................................. 353

2. Aufwandsunabhängige Gebührengestaltung? ........................................... 354 a) Die herrschende Gebührenlehre ......................................................... 354 b) Zum Konzept einer Ressourcennutzungsgebühr ................................ 356 3. Probleme des Äquivalenzprinzips ............................................................ 357 4. Sonstige Gebührenprinzipien................................................................... 360 a) Gebührengerechtigkeit ....................................................................... 360 b) Kostendeckung................................................................................... 361 5. Rechtsstaatliche Bestimmtheit .................................................................. 361 ill. Kommunalabgabenrechtliche Lenkungs- und Ö kologisienmgshindernisse ............................................................................................................. 363 1. Kostenbegriff des KAG ............................................................................ 363 2. Kostendeckung und Kostenüberschreitung .............................................. 364 a) Überschußerzielung............................................................................ 365 b) Zur Reichweite der Deckungsvorschrift ............................................. 365 3. Sonstige Einzelbestimmungen .................................................................. 366 IV. Zusammenfassung: Zur Zulässigkeit ökonomisch rationaler Gebührenpolitik im geltenden Rechtsrahmen .............................................................. 366 G. Implementationspolitische Aspekte ............................................................... 368 I. Zur Implementationsagenda: ein Zwischenfazit ............................................. 368

ll. Das Kommunalabgabenrecht vor der gesamtwirtschaftlichen LenkungsHerausfordenmg .......................................................................................... 370 1. Allgemeine Tauglichkeit des gegebenen Rechtsrahmens........................... 371

2. Rechtspolitische Problemfelder ................................................................ 372

Inhaltsverzeichnis

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a) Zur Verankerung der Zielvorgabe ...................................................... 372 b) Der Grundsatz der speziellen Entgeltlichkeit ..................................... 372 c) Grundsatz der Leistungsproportionalität ............................................ 373 d) Kostendeckung ................................................................................... 373 e) *Betriebswirtscbaftliche Grundsätze• .................................................. 374 f) Referenz auf einzelne Kostenarten ...................................................... 374 g) Gebührensubventionierungen ............................................................ 374

ill. Zusammenfassung ....................................................................................... 375 Literaturverzeichnis ............................................................................................. 378

Tabellen- und Abbildungsverzeichnis Tabellen Tab. 1:

Begründungsmuster öffentlicher Güterbereitstellung im Überblick...... 117

Tab. 2:

Rechtliche Dimensionen einer gesamtwirtschaftlichen Ausrichtung der kommunalen Benutzungsentgeltordnung ....................................... 352

Tab. 3:

Implementationschancen alternativer Aspekte einer gesamtwirtschaftlichen Gebührengestaltung .......................................................... 377

Abbildungen Abb. 1a:

Kapazitätsverknappung bei kurzfristigen Grenzkosten (KGK) ............. 138

Abb. 1b:

Kapazitätsverknappung bei anlagenbezogenen Durchschnittskosten .... 138

Abb. 1c:

Kapazitätsverknappung bei langfristigen Grenzkosten (LGK) .............. 139

Abb. 2a:

Grenz- und Durchschnittsabgabenfunktion bei linearem Tarif ............ 160

Abb. 2b:

Durchschnittsabgabenfunktion bei progressiven Tarifen...................... 160

Abb. 2c:

Grenz- und Durchschnittsabgabenfunktion bei linearem Tarif mit Freibetrag (indirekte Progression) ........................................................ 160

Abb. 2d:

Durchschnittsabgabenfunktion bei degressiven Tarifen........................ 161

Abb. 3:

Vollkostenrechnung und Deckungslücken ........................................... 188

Abb.4:

Steuerungsumfeld der Indirekteinleiter-Regulierung ............................. 213

Abb. 5:

Überblick über betriebswirtschaftliche Betriebserhaltungskonzepte..... 279

Kurzfassung 1. An das System kommunaler Entgeltabgaben (Gebühren und Beiträge) werden gegenwärtig vielfältige und sich zum Teil widersprechende Reformanliegen herangetragen. Hierzu zählt auch der Versuch, über Vorzugslasten ökonomisch rationale Ressourcenpreise zu administrieren, d. h. eine auch gesamtwirtschaftlichen Ansprüchen genügende Form der Gebührenfestsetzung zu finden. Die Studie erörtert die Problematik gesamtwirtschaftlicher Kostenverantwortung unter besonderer Berücksichtigung einer Ökologisierung kommunaler Benutzungsgebühren in den Entsorgungsbereichen "Abfall" und "Abwasser".

Zur Ausgangslage

2. Die von Städten und Gemeinden erhobenen Vorzugslasten, die unverändert einen beachtlichen Teil an den gesamten kommunalen Einnahmen abdecken, sind in jüngster Zeit erneut verstärkt in die Kritik geraten. Insbesondere mit Blick auf Kalkulation und Gestaltung der Benutzungsgebühren in den klassischen Gebührenhaushalten der Ver- und Entsorgung (Wasser, Abwasser und Abfall) artikuliert sich breites Unbehagen an den geltenden Prinzipien der kommunalen Entgeltermittlung. Verschiedene Ansätze einer Neuorientierung klassischer Entgeltinstrumente von Städten und Gemeinden insbesondere im Bereich ökologisch sensibler kommunaler Dienste verfolgen dabei freilich höchst unterschiedliche Ziele: 3. So machen sich einerseits Bestrebungen anheischig, die Rolle der Gebühren wieder vermehrt auf klassische Aufgabenfelder finanzwirtschaftlicher Refinanzierung zu beschränken, um die Gebührenschuldner vor fiskalisch motivierten Zugriffen der Gemeinden zu schützen, Deformationen der Vorzugslasten zu verdeckten Kommunalsteuern abzuwehren und "heimliche" Gewinnerzielungen der kommunalen Haushaltswirtschaften zu vereiteln. 4. Das für derartige Gebühren-Vorstellungen maßgebliche Leitbild der Entgeltgestaltung steht allerdings in scharfem Widerspruch zu Ansätzen, kommunale Entgelte als lenkende Kostenpreise zu verstehen, die eine gesamtwirtschaftliche Ressourcenverantwortung der Nachfrager nach kom-

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Kurzfassung

munalen {Umwelt-) Gütern zutreffend zum Ausdruck bringen sollen. Danach ist der gebührenrelevante Kostenbegriff volkswirtschaftlichen Maßstäben entsprechend neu zu formulieren. Eine spezielle Fragestellung in diesem Zusammenhang bildet das Problem, wie angesichts zunehmend drängender werdenden Umweltproblemen mit lokalem Wirkungsbezug (Abwasser, Abfall, Verkehr etc.) eine verstärkte Inpflichtnahme von Städten und Gemeinden im Rahmen einer dezentralen Umweltpolitik gelingen kann. Einen möglichen Ansatzpunkt hierzu stellt die ökologische Ausrichtung der Benutzungsentgelte (Benutzungsgebühren, Beiträge, privatrechtliche Entgelte) umweltpolitisch relevanter kommunaler Leistungen dar, etwa bei der Bereitstellung von Energie und Wasser sowie der Abfall- und Abwasserbeseitigung. Ein derartiger Ansatz sucht das bestehende Instrumentarium gemeindlicher Entgeltabgaben zum Zwecke einer ökonomisch rationalen Nutzung kommunaler Umweltdienste fortzuentwickeln. Kommunale Entgelte könnten auf diese Weise zu Umweltabgaben eigener Art umgestaltet werden und einen konsequenten Einsatz preislicher Hebel im Bereich örtlicher Ökologiepolitik ermöglichen ("Ökologisierung kommunaler Gebühren"). 5. Daneben schließlich soll die Entgeltgestaltung den Erfordernissen einer auch privatwirtschaftliehen Aufgabenerfüllung in der kommunalen Daseinsvorsorge Rechnung tragen: Neben Aspekten steuerlicher Gleichbehandlung privatrechtlicher Organisationsformen verweist auch die Frage, wie eine effiziente Bereitstellung öffentlicher Leistungen auf kommunaler Ebene durch entsprechende Gestaltung von Gebühren und Preisen ermöglicht bzw. erleichtert werden kann, auf die Bedeutung, die einem kommunalen Entgeltsystem für die Realisierung kommunalpolitischer Deregulierungs-, Privatisierungs- und Effizienzsteigerungsziele zukommt. 6. Die damit von verschiedenen Seiten erneut aufgeworfene Frage nach der "richtigen", d. h. zielorientiert angemessenen Gebühr, trifft gegenwärtig auf eine komplexe kommunal- und gebührenpolitische Umbruchsituation mit stark divergierenden landesgesetzlichen Grundlagen, zahlreichen keineswegs einheitlichen oder gar konsistenten obergerichtliehen Judikaturen und unverändert strittigen betriebswirtschaftliehen und gebührenrechtlichen Grundsatzfragen in Kostenrechnung und Gebührenbedarfsermittlung. Gegenüber den erwähnten Ansätzen einer grundsätzlichen Neubestimmung kommunaler und hoheitlicher Gestaltungsaufgaben in Verwaltung und Umweltschutz, die unterschiedliche Leitbilder über Aufgabe und Stellung öffentlicher Daseinsvorsorge im kommunalen Bereich spiegeln, nimmt der herrschende "betriebswirtschaftliche Ansatz" eine- allerdings unbestimmteMittelstellung ein: Seit der Kommunalreform Ende der 60er I Anfang der 70er Jahre weisen die Kommunalabgabengesetze (KAG) der Länder "betriebswirtschaftliche Grundsätze" als maßgeblich für die Kalkulation von

Kurzfassung

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Benutzungsgebühren aus. Mit dem Aufkommen des modernen "wertmäßigen Kostenbegriffes" in der Betriebswirtschaftslehre, der Kosten jeweils in Abhängigkeit vom angestrebten Kalkulationszweck abgrenzt und bewertet ("different costs for different purposes"), muß aber selbst der gesetzliche bindende Verweis auf das "Betriebswirtschaftliche" ohne gleichzeitigen gesellschaftlichen Zielkonsens über Sinn und Zweck der Gebührenerhebung letztlich ohne befriedende Wirkung bleiben. 7. Damit kann zusammenfassend die Frage nach der "richtigen" (angemessenen) Gestaltung kommunaler Benutzungsentgelte derzeit als strittiger denn je gelten. Die Studie betrachtet vor diesem Hintergrund neuere Ansätze einer ökonomisch rationalen Entgeltgestaltung im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge der Entsorgungswirtschaft und analysiert ihre Umsetzungschancen aus rechdieher und kommunalpolitischer Sicht. Problemstellung

8. Mit Blick auf die Frage nach der richtigen Gebührengestaltung (Höhe, Tarifierung etc.) besteht mittlerweile Konsens darüber, daß deren Beantwortung unmittelbar auf die mit der Gebührenerhebung verbundenen Ziele verweist, d. h. die Entgeltgestaltung ist stets ein Ziel-Mittel-Problem. Der hier zu erörternde Ansatz beschreibt, welche Konsequenzen sich für die kommunale Gebührenpolitik ergeben, wenn als Maßstab der Gebührenerhebung konsequent die Widerspiegelung volkswirtschaftlicher Knappheiten angestrebt und kommunale Entgeltabgaben damit zu lenkenden Ressourcenpreisen umgestaltet werden (Knappheitsparadigma der Gebührengestaltung). Dieser Ansatz bezieht seine Berechtigung nicht zuletzt daraus, daß die Gemeinden infolge ihrer Dispositionsgewalt über beträchtliche Teile öffentlicher Budgets erhebliche gesamtwirtschaftliche Ausstrahlungswirkungen auslösen und sich daher - ihrer ressourcenlenkenden Verantwortung eingedenk - auch gesamtwirtschaftlichen Anforderungen an die Ausgestaltung ihrer finanzpolitischen Handlungsspielräume zu stellen haben. Ein solches gesamtwirtschaftliches Leitbild sucht die Kostenverantwortung individueller Nachfrager nach kommunalen Entsorgungs-Diensten zu stärken, dem Verursacherprinzip bei der Entgeltbemessung Rechnung zu tragen und durch Orientierung an den sozialen Gesamtkosten ökonomischer Aktivitäten eine optimale Ressourcenallokation anzunähern, indem ein entsprechend administriertes Entgelt ausdrücklich allokative Preisfunktionen übernimmt. Die Höhe einer derart kalkulierten Gebühr soll den potentiellen Abnehmern öffentlicher Leistungen den gesamtwirtschaftlichen Wert des Faktorverzehrs anzeigen, der jeweils erforderlich wird, um die Leistungserstellung vor2 Gawel

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Kurzfassung

nehmen zu können. Die Benutzungsgebühr avanciert auf diese Weise zu einem volkswirtschaftlichen Knappheitspreis für die Inanspruchnahme einer öffentlichen Leistung, die die Nachfrager in den Stand versetzt, anhand des preislichen Signals kommunaler Entgelte auch gesamtwirtschaftlich richtige Entscheidungen über alternative Ressourcenverwendungen zu treffen. Entspricht das Reglement für die Entgeltermittlung diesen Anforderungen nicht, wird insbesondere eine Verkürzung der des bei der Abgabe öffentlicher Leistungen effektiv anfallenden Verbrauchs an Produktionsfaktoren betrieben, so fällt die resultierende Gebühr zu niedrig aus; der durch eine derart verkürzte Gebühr indizierte Werteverbrauch entspricht nicht den gesamtwirtschaftlichen Einbußen, die als Folge der Nutzung öffentlicher Leistungsangebote tatsächlich in der Gesamtwirtschaft auftreten. Die Folge wird eine überhöhte Nachfrage sein, die einen übermäßig hohen Anteil volkswirtschaftlich knapper Ressourcen in dem durch Gebühren finanzierten Sektor absorbiert. Denn um die Übernachfrage zu befriedigen, müssen Teile des der Volkswirtschaft insgesamt zur Verfügung stehenden Potentials produktiver Faktoren aus anderen Verwendungen abgezogen und in die gemeindliche Leistungserstellung umgelenkt werden. Der Zusatznutzen aus diesem Überangebot öffentlicher Leistungen fällt dann jedoch geringer aus als der zusätzliche Verzicht, der durch Aufgabe alternativer Ressourcennutzungen entstanden wäre; die kommunale Leistungserstellung ist damit suboptimal. 9. Diese gesamtwirtschaftliche Verantwortung der Gemeinden kommt bei den umweltpolitisch sensiblen Bereichen der kommunalen Entsorgungswirtschaft besonders deutlich zum Ausdruck: Die Bewältigung neuer ökologischer Herausforderungen bei der Lösung von Abfall- und Abwasserbeseitigungsproblemen ist mit herkömmlichen Kalkulationsverfahren der Gebührenbedarfsrechnungen nicht zu leisten. Gesamtwirtschaftliche Kostenverantwortung und eine verursachergerechte Anlastung des vollständigen Werteverzehrs bei der Inanspruchnahme von Entsorgungsdiensten erfordern eine grundsätzliche Neuorientierung kommunaler Finanzgebarung im Bereich der Entgeltermittlung. Dies betrifft sowohl den Umfang verrechneter Kosten, die nicht länger nach einzelwirtschaftlich-betrieblichen Maßstäben oder gar als Spiegelbild bloßer pagatarischer Ausgabenäquivalente angesetzt werden dürfen. Aber auch das dem einzelnen Gebührenschuldner überbrachte pretiale Signal bedarf gegenüber den herrschenden Überwälzungspraktiken der Stärkung individueller Kostenverantwortung und systembezogener Verursachergerechtigkeit. Im Bereich der Entsorgung wird daher die Notwendigkeit zu gesamtwirtschaftlicher Ressourcenverantwortung bei der Kalkulation kommunaler Entgelte in exemplarischer Weise deutlich. Der entsorgungs-

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wirtschaftliche Problemdruck offenbart mithin in beispielhafter und mittlerweile besonders krasser Form die Mängel einer Gebührenbedarfsberechnung, die sich unverändert den Luxus gestattet, von der Einbeziehung sämtlicher volkswirtschaftlichen Kosten der kommunalen Leistungserstellung abzusehen und statt dessen einen aus gesamtwirtschaftlicher Sicht eher willkürlichen Ausschnitt für maßgeblich zu erklären. 10. Begreift man das Programm der "Ökonomisierung der kommunalen Benutzungsentgeltordnung" gleichsam als kommunalpolitische Handlungsanweisung aus dem theoretischen Konzept rationaler Entgelte, so erscheint eine Problemstrukturierung zweckmäßig, die das Handlungsfeld wie folgt partitioniert: Eine Ökonomisierung des der Gebührenerhebung zugrunde liegenden gemeindlichen Zielsystems ("Zielproblem"), die daraus folgende Ökonomisierung der Entgeltkalkulation im Rahmen der Gebührenbedarfsberechnung ("Niveauproblem") sowie eine entsprechende Gestaltung von Entgeltmaßstab und Abgabentarif (" Strukturproblem ") bilden hierbei die Komponenten. Die Auffassungen darüber, was im Rahmen einer gesamtwirtschaftlichen, insbesondere umweltpolitischen Neuorientierung der kommunalen Entgeltpolitik not tut, gehen im Schrifttum weit auseinander. So wird insbesondere in der rechtswissenschaftliehen und anwendungsorientierten Literatur das Teilprogramm einer Ökologisierung kommunaler Gebühren - oftmals implizit - verkürzt auf Maßstabs- und Tarifierungsfragen. Erst in jüngerer Zeit zeichnen sich hier umfassendere Ansätze ab, die auch das Gebührenniveau unter volkswirtschaftlich-ökologischen Rationalitätsvorbehalt stellen. Finanzwissenschaftliche Gebührenlehre 11. Aus finanzwissenschaftlicher Sicht repräsentieren Gebühren "eine an politischen Zielen orientierte Mittelübertragung von i. d. R. privaten Wirtschaftssubjekten an den öffentlichen Sektor beim Vorliegen solcher öffentlicher Leistungen, die dem Ausschlußprinzip unterworfen werden können" (Bohley). Nach dieser Interpretation sind es drei Begriffsmerkmale, die eine Gebühr nach neuerem Verständnis bestimmen: (1) eine Kaufkraftübertragung an den öffentlichen Sektor, (2) deren Höhe und Struktur unter Berücksichtigung von erwünschten Verhaltensweisen, Verteilungsaspekten, Kosten und Nachfrageelastizitäten politisch festgelegt wird, und (3) die an das Vorliegen typischer öffentlicher Mischgüter geknüpft wird. Gebühren können danach nur für bestimmte Typen öffentlicher Leistungen erhoben werden, und zwar für öffentliche Kuppelproduktionen, die sowohl eine Privat- als auch eine Kollektivgutkomponente besitzen. Bei diesen gemischten öffentli-

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chen Gütern haben einzelne Wirtschaftssubjekte ein besonderes Interesse an der Privatgutkomponente bzw. rivalisieren um sie; mit der Produktion bzw. mit dem Konsum sind aber zugleich positive und negative externe Effekte für die Allgemeinheit verbunden. 12. Der klassische Gebührenbegriff betonte demgegenüber den Entgeltcharakter bei unmittelbarer Inanspruchnahme einer staatlichen bzw. kommunalen Leistung (finanzwissenschaftliches Äquivalenzprinzip) und knüpfte insoweit an der Analogie zum privat- und marktwirtschaftliehen Tauschprozeß an. Die Gebühr ist danach Gegenleistung für eine individuell voll zurechenbare öffentliche Leistung; über die Gebührenbemessung werden die Interessenten zur Offenlegung ihrer Präferenzen veranlaßt, Güterangebot und Güternachfrage ausbalanciert und so öffentliche Leistungen bzw. Ausgaben nach Umfang und Struktur optimal gestaltet sowie die dafür benötigten Ressourcen effizient eingesetzt. Konsequenterweise ist dann bei der Gebührenfestsetzung preisanalog nach der Grenzkosten-Preis-Reget zu verfahren.

13. Geht man dieser klassischen Vorstellung entsprechend zunächst von einem mit allokativen Funktionen betrauten "Gebührenpreis" aus, so ist zu fragen, für welche öffentlich bereitgestellten Güter Gebühren erhoben werden sollen und wie diese zu bemessen sind, damit eine weitgehende Annäherung an eine gesamtwirtschaftliche optimale Ressourcenallokation erzielt wird. Die Grundregel für eine pareto-optimale Preissetzung bei Gütern, die unterschiedliche Rivalitätsgrade aufweisen, besagt, daß der Preis den Grenznutzungskosten, die durch die individuelle Inanspruchnahme des "bepreisten" Gutes hervorgerufen werden, entsprechen soll. Einen Unterfall dieser Regel stellt die Forderung dar, daß der Preis für Individualgüter, bei denen der Konsum vollständig rivalisiert, den Grenzkosten der letzten Gutseinheit entsprechen soll (Grenzkosten-Preis-Regel). 14. Als annähernd wohlfahrtsoptimierende Strategie zur Administrierung von "Gebührenpreisen" für Gemeindegüter kann zusammenfassend die folgende Regel aufgestellt werden: Erhebe Nutzungsgebühren in Höhe der Grenznutzungskosten; decken die Gebühreneinnahmen nicht alle Kosten der Gutsbereitstellung ab, so lege diesen Kostenblock, insbesondere die Fixkosten, über Beiträge auf die potentiellen Nutznießer des Gutes um. Orientiere die Kapazitätsplanung an der Bereitschaft, entsprechende Beiträge zu entrichten. Diese werden dabei als Preis für die Option auf die jederzeitige Nutzung eines Gutes verstanden. 15. Über die Zugrundelegung langfristiger Grenzkosten bei der Bestimmung der Gebührenhöhe - im Gegensatz zu der vorgenannten kombinierten

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Gebühren-Beitrags-Strategie- wird eine jederzeitige Anpassung der Kapazität

simuliert, wobei alle Faktoren als variabel unterstellt werden. Damit wird

die zusammengesetzte Preissetzungsstrategie zugunsten des einen Instruments "Gebühr" aufgegeben. Im Regelfall wird hiermit auch das Finanzierungsproblem gelöst. Lediglich bei im relevanten Bereich fallenden langfristigen Grenzkosten besteht das Problem eines Defizits, für dessen Finanzierung auf einen ergänzenden Beitrag zurückzugreifen ist. Fallende langfristige Grenzkosten sind erheblich unwahrscheinlicher als kurzfristige. Im Regelfall dürften die Durchschnittskosten, die bei optimaler Kapazitätsauslastung anfallen, eine gute Annäherung an die langfristigen Grenzkosten darstellen. Für ein längerfristig optimales Nachfrageverhalten bieten die langfristigen Grenzkosten zwar theoretisch bessere Anreize als die Kombination von Gebühren und Beiträgen. Das kurzfristige Problem der optimalen Kapazitätsnutzung wird durch dieses Vorgehen jedoch nicht gelöst. Die Abweichungen vom Pareto-Optimum aufgrund der Orientierung an Durchschnittskosten werden um so gravierender ausfallen, je elastischer die Nachfrage in der kurzen Frist auf Preisänderungen reagiert. Ist die Nachfrage kurzfristig weitgehend unelastisch und wird sie eher durch längerfristige Entscheidungen der privaten Wirtschaftssubjekte determiniert, so geben die an Durchschnittskosten orientierten Gebühren die besseren Lenkungssignale. Die Entscheidung für eine der beiden Preissetzungsstrategien ist also von den Nachfragecharakteristika des zu "bepreisenden" Gutes abhängig zu machen. 16. Ausgehend von der Vorstellung, daß die betrachteten Gemeindegüter im wesentlichen einer klar abgrenzbaren Gruppe, den Gemeindeeinwohnern oder einer Teilmenge von diesen, zugute kommen, ist nach dem Prinzip der fiskalischen Äquivalenz zu fordern, daß diese Gruppe auch die Bereitstellungskosten vollständig tragen soll. Die zuvor skizzierten Preissetzungsmodelle sind grundsätzlich beide in der Lage, eine vollständige Umlage der Bereitstellungskosten auf Angehörige der Gruppe der durch das Gemeindegut Begünstigten herbeizuführen, wenn sie auch zu einer unterschiedlichen Verteilung der Finanzierungslasten führen. Diesen klassischem Gebühren-Denken verhafteten "Gebührenpreis"-Modellen stehen jedoch modernere Überlegungen zu einer Gebührenfestsetzung gegenüber, die von der Forderung nach Aufwandsäquivalenz ("Vollkostendeckung") aus verschiedenen Gründen abweicht und damit einempluralenkommunalen Zielbündel bei der Entgeltgestaltung Raum bietet. 17. Hierfür maßgeblich ist die Einsicht, daß eine klassische preisanaloge Gebührenkonzeption vor zahlreichen ungelösten ökonomischen Problemen steht: Am Anfang steht dabei bereits die Frage nach ihrer Relevanz für die vielfältigen Formen der real existierenden, am Äquivalenzprinzip orientier-

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ten Zwangsabgaben und der mit ihrer Hilfe finanzierten öffentlichen Leistungen. Je höher der Öffentlichkeitsgrad der bereitgestellten staatlichen und kommunalen Güter ist, je weniger also Ausschließbarkeit und Konsumrivalität gegeben sind, desto unbrauchbarer wird das Konzept: 18. Reine öffentliche Güter müssen über Steuern finanziert und diese nach anderen Kriterien bemessen werden; insoweit werden auch die Entscheidungen über Art und Umfang der Bereitstellung öffentlicher Leistungen und über ihre Finanzierung voneinander entkoppelt. Für private Güter, deren marktliehe Austauschkriterien das Vorbild für die klassische Gebührenanalogie darstellen, stellt sich demgegenüber die Frage, warum sie unter diesen Voraussetzungen überhaupt von der öffentlichen Hand produziert bzw. bereitgestellt und nicht dem Privatbereich überlassen werden. 19. Relevant wird die Gebührenkonzeption daher nur für Mischgüter, in denen sich öffentliche und private Gutskomponenten miteinander verbinden und bei denen die "Bepreisung" der Privatgutkomponente zur Offenlegung individueller Präferenzen und der Ausschluß bei Nichtentrichtung der Gebühr technisch und ohne prohibitiven Aufwand möglich und mit sonstigen Zielvorstellungen vereinbar ist; vor allem darf dadurch die nach politischen Entscheidungen vorzunehmende Sicherstellung der öffentlichen Gutskomponenten nicht gefährdet werden. Da die Erfüllung der meisten öffentlichen Aufgaben über eine Mischgüterproduktion erfolgt, eröffnet sich der Gebührenkonzeption durchaus ein breiter Anwendungsspielraum. Der Anwendung der Grenzkosten-Preis-Regel stehen indessen weitere Hindernisse entgegen: 20. Zunächst muß das im Mischgut vorhandene "öffentliche Interesse" abgegrenzt werden. Die öffentliche Gutskomponente nutzt der Allgemeinheit; die entsprechenden Kosten dürfen demgemäß nicht den identifizierbaren Inanspruchnehmern der gebührenfähigen Leistung angerechnet werden. 21. Die öffentliche Aufgabenerfüllung bedient sich ferner- auch wenn sie Leistungen von Gebührenhaushalten umfaßt - keineswegs nur pretialer Sanktionsmechanismen; neben die Gebühr treten in aller Regel andere einnahme- und ausgabepolitische Maßnahmen. So wird die Allokation knapper Ressourcen zur Sicherung einer bestimmten Umweltqualität nicht nur über kommunale Entsorgungseinrichtungen und dafür erhobene Gebühren gesteuert. Im Gewässerbereich z. B. sind die Gemeinden als sog. DirekteinleiteT ebenso wie die ihre Entsorgungsleistungen in Anspruch nehmenden Indirekteinleiter zugleich Normadressaten der staatlichen Ordnungspolitik, die Indirekteinleiter unterliegen zusätzlich den Vorschriften und Begrenzungen der Ortsentwässerungssatzungen. Gerade die gebührenzahlenden Indi-

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rekteinleiter werden in immer stärkerem Maße - und zwar zwecks Bereitstellung bzw. Sicherung des gemischten öffentlichen Gutes "Gewässerqualität" - in staatliches Ordnungsrecht und damit in nicht-pretiale Allokationsmechanismen eingebunden, ihre Reaktionen hängen nicht nur, vielleicht nicht einmal überwiegend von den Gebühren ab. Insoweit sind Gebühren selbst Bestandteil eines gemischten Instrumentariums. Ihre isolierte Orientierung am Effizienzmaßstab kann daher durchaus zu suboptimalen Ergebnissen führen. 22. Gemischte Instrumentarien werden in der Regel zur Reallokation, Umverteilung und/oder Stabilisierung nach politischen Einzelzielvorgaben eingesetzt. Dadurch wird der äquivalenztheoretische Grundzusammenhang in mehrfacher Hinsicht durchbrachen. An die Stelle einer unmittelbar präferenzorientierten und von der Zahlungsbereitschaft abhängigen öffentlichen Leistungserstellung tritt ein nach politischen Kriterien bereitgestelltes öffentliches Angebot, das auf kommunaler Ebene zudem oft bereits das Ergebnis staatlicher Normsetzung ist. Seine Inanspruchnahme kann unter Auferlegung bestimmter Zusatzanforderungen obligatorisch werden; bei seiner Finanzierung rücken wirtschafts- und sozialpolitische oder auch andere fachspezifische Lenkungsaspekte in den Vordergrund, die - außerhalb der Leistungserstellung in öffentlichen Einrichtungen - durch andere rechtliche Instrumentarien und Subventionen bzw. Sozialtransfers unterstützt werden können. 23. Je mehr dabei- und dies gilt in besonderem Maße für den Bereich der Umweltpolitik -politisch gewünschte Lenkungseffekte bzw. konkrete Lenkungsziele dominieren, desto stärker büßen die pretialen Instrumente, also auch die Gebühren für unmittelbare öffentliche Leistungsinanspruchnahmen, ihren Bezug zu den (sozialen) Grenzkosten ein. Wo das politische Ziel in konkreten Nachfragereaktionen bzw. Substitutionsprozessen besteht, sind nicht mehr die Kosten der öffentlichen Einrichtung Maßstab für die Preisbzw. Gebührenhöhe; die Abgabenbelastung muß sich an den Kosten der Substitutionsprozesse orientieren, die für die Erreichung des politischen Lenkungszieles gerade noch als erforderlich angesehen werden. 24. Vor diesem Hintergrund verschwimmen die Konturen der Gebühr nach klassischem Verständnis. Die Entfernung vom marktliehen Äquivalenzgedanken und von den damit zusammenhängenden Kosten-Preis-Regeln kommt in zahlreichen "kostenfremden" Gebührenbestimmungsfaktoren zum Ausdruck, die die volkswirtschaftlichen Produktionskosten der Einrichtung als Ausgangspunkt der Gebührenbemessung überlagern. Hierzu zählen das öffentliche Interesse an der Gutsbereitstellung, positive oder negative externe Effekte, Meritorisierungen des lokalen Güterangebotes sowie

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Ienkungs-, Verteilungs- oder stabilisierungspolitische Ziele kommunaler Entgeltpolitik. Die Höhe der Gebühr

25. Folgt man der Idee zweckorientierter Entgeltgestaltung und deutet einen insoweit modifizierten "Gebührenpreis" als kalkulatorisches Ergebnis unterschiedlicher kommunalpolitischer "Bepreisungsabsichten", so gilt für ein gesamtwirtschaftliche Ressourcenverantwortung spiegelndes Entgelt, daß Ausgangspunkt der Betrachtung stets volkswirtschaftliche Kosten sind. Zunächst sind hierbei (1) aufwandsgleiche Kosten zu betrachten, d. h. der Aufwand der staatlichen Einrichtung zur Bereitstellung der gebührenfähigen öffentlichen Leistung. Ihre Bestimmung erfolgt im Rahmen der traditionellen Gebührenauffassung nach Maßgabe eines betriebswirtschaftliehen Kostenbegriffs (Ziff. 76 ff.). Sodann ergibt sich eine stufenweise Anreicherung und Überformung dieser aufwandsäquivalenten Gebühr: (2) Eine volkswirtschaftliche Deutung des Einrichtungsaufwandes, d. h. die Einbeziehung gesamtwirtschaftlicher Knappheitsmaßstäbe, kann zur Schlichtung betriebswirtschaftlicher Streitfragen (z. B. Zinssatzbestimmung, Eigenkapitalkosten, Wagnisse) beitragen und ergänzt herkömmliche Kostenarten um bislang vernachlässigte Sozial- und Umweltwirkungen. (3) Die Einbeziehung aufwandsabstrakter Kosten, die als Folge der Leistungsinanspruchnahme nicht bei der öffentlichen Einrichtung, wohl aber an anderer Stelle der Volkswirtschaft inzidieren, etwa als externe Effekte bei Dritten innerhalb oder außerhalb der Kommune oder bei nachfolgenden Gebührenschuldner-Generationen sind als echte soziale Zusatzkosten gesondert zu betrachten. (4) Schließlich kommt die Einbeziehung sonstiger, gänzlich kostenabstrakter Maßstäbe in Betracht, z. B. Verteilungs- oder auch lenkungspolitischer Art. 26. Für die Bereitstellung eines jeden Gutes werden Ressourcen eingesetzt. Der Wert dieser Ressourcen und damit die Kosten der Gutsbereitstellung bemißt sich aus volkswirtschaftlicher Sicht nach dem Nutzen, den diese Ressourcen in der nächstbesten anderen Verwendung hätten stiften können (Opportunitätskosten). Kosten sind nach volkswirtschaftlichem Verständnis "das Ergebnis jeder Handlung, die irgend jemand zwingt, auf die sonst mögliche Realisierung eines oder mehrerer seiner Ziele - für ihn fühlbar - ganz oder teilweise zu verzichten" (Kirsch). An welcher Stelle der Gesamtwirtschaft diese entgangenen Nutzen entstehen, ist für die volkswirtschaftliche Betrachtung nicht maßgeblich; auch Einbußen, die den betrieblichen Wahrnehmungs- und Rechnungshorizont transzendieren, stellen aus gesamtwirtschaftlicher Sicht (Opportunitäts-) Kosten dar und

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müssen im Entscheidungszusammenhang Berücksichtigung finden. Damit gelten grundsätzlich volkswirtschaftliche Kosten als maßgebliche Determinanten der Gebührenhöhe. 27. Als Maß für "Opportunitätskosten" der Gutsbereitstellung können bei privaten Gütern normalerweise die Beschaffungskosten der eingesetzten Ressourcen dienen. Denn auf funktionsfähigen Beschaffungsmärkten spiegeln die Preise die marginale Zahlungsbereitschaft der anderen Wirtschaftssubjekte wider, die an der jeweiligen Ressource interessiert sind. Wenn jemand eine höhere marginale Zahlungsbereitschaft für die bei der Bereitstellung des betreffenden Gutes eingesetzten Ressourcen besäße, so könnte er sich durch das Überbieten des Marktpreises diese Ressourcen verschaffen. Es gibt jedoch zwei Gründe, warum die Opportunitätskosten der Nutzung von Gemeindegütern nur teilweise über die Beschaffungskosten der zur Güterbereitstellung eingesetzten Faktoren bestimmt werden können: 28. Zum einen können die Daten der betrieblichen Kostenrechnung aus volkswirtschaftlicher Sicht unvollständig oder verzerrt sein. Dieser Fall ist zum Beispiel beim Einsatz von Ressourcen gegeben, die sich bereits seit langem im Eigentum der Gemeinde befinden und für die deshalb allenfalls noch zeitferne Beschaffungspreise zu ermitteln sind, die zur Bestimmung der aktuellen Opportunitätskosten nur bedingt geeignet sind. Des weiteren können im Rahmen der Gutsbereitstellung Ressourcen verzehrt werden, die ohne Zahlung eines Marktentgelts in Anspruch genommen werden können, obwohl sie nicht zu den "freien" Gütern zählen, sie also gemessen an der Gesamtnachfrage knapp sind; ihr Verzehr ist daher mit bisher unentgoltenen "externen Effekten" verbunden. 29. Zum anderen stellt sich bei den kurzfristigen Grenznutzungskosten das folgende Problem: Bei den "normalen" Grenzkosten geht es um die Erfassung von Ressourcenverbräuchen und deren Zurechnung, die durch die Bereitstellung des Gemeindegutes verursacht worden sind. Bei den für (teil-) öffentliche Gütern typischen Überfüllungs-und Verdrängungskosten im Konsum ist das öffentlich bereitgestellte Gut jedoch selbst die Ressource, um deren optimale Verwendung konkurriert wird. Dies bedeutet im Hinblick auf die Erfassung dieser beiden Sonderkostenkategorien teilöffentlicher Güterbereitstellungsprozesse, daß hierfür keine Daten aus der betrieblichen Kostenrechnung zur Verfügung stehen. Diese Unterscheidung spielt in der "herkömmlichen" Kostentheorie privater Güter keine Rolle, weil bei den dort betrachteten Individualgütern bereitstellungsbedingte Grenzkosten und marginale Verdrängungskosten (Überfüllungskosten existieren hier annahmegemäß nicht) im Marktgleichgewicht zusammenfallen. Dies ist bei den

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hier betrachteten teilöffentlichen Gemeindegütern nicht notwendigerweise der Fall. 30. Grundsätzlich gilt, daß Opportunitätskosten als "Schattenpreise" der Ressourcennutzung nicht ohne weiteres Marktbewertungen entnommen werden können. Schattenpreise bündeln den gesamten volkswirtschaftlichen Werteverzehr unabhängig von seiner effektiven (Markt-) Bepreisung. Die bloße Verfügbarkeit über Marktpreise für gewisse Güter und Faktoren gibt volkswirtschaftlich noch keine Veranlassung, hierin bereits zutreffende Bewertungsmaßstäbe zu erblicken. Dies gilt in besonderer Weise dann, wenn die verfügbare Marktbewertung in der Vergangenheit erfolgte und zwischenzeitliche Aktualisierungen nicht mehr vorgenommen wurden, z. B. bei historischen W ertansätzen. 31. Damit gilt zusammenfassend als Ansatzpunkt der finanzwissenschaftliehen Analyse öffentlicher Einnahmekategorien in der Regel eine Korrespondenzbetrachtung zwischen Gutscharakteristik der bereitgestellten Leistungen und hierzu adäquaten Finanzierungsinstrumenten. Das Einsatzfeld der Gebühr als einer speziellen Kategorie im System öffentlicher Einnahmen wird dabei grundsätzlich durch öffentliche Mischgüter gebildet, die im kontinuierlich gedachten Gutsspektrum zwischen polarem öffentlichen Gut und polarem Privatgut angesiedelt ist. Das Finanzierungsinstrument der Gebühr bewegt sich insoweit zwischen den Extremen einer reinen Steuerlösung und einem privaten Marktentgelt. Als grundlegend für die Entgeltgestaltung kommunaler Leistungen gilt dabei die Einsicht, daß über eine "richtige" Preisadministrierung öffentlicher Dienste nur im Lichte der mit der Leistungserstellung verfolgten Ziele befunden werden kann. Herauszuarbeiten sind daher konkrete Zielaspekte kommunaler Aufgabenwahrnehmung und ihre Korrespondenz zu angemessenen entgeltlichen Bemessungsmaßstäben (Preiskomponenten). Die Grundlage für eine derartige plurale Ziel/Preiskomponenten-Betrachtung ist das klassische Leitbild entgeltlicher Äquivalenz {sog. "marktmäßige Äquivalenz"), das stufenweise angereichert, modifiziert und überformt wird. Aspekte einer derartigen Überformung des klassischen Gebührenverständnisses sind u. a. {1) über den Äquivalenzgedanken hinausreichende Zielvorstellungen {Verteilung, Lenkung), {2) neben das kommunale Entgelt tretende weitere, auch nicht-pretiale Instrumente sowie {3) die Binnendifferenzierung einer Gebührenleistung in wohlunterschiedene Teilnutzungen, die je einzelnen Entgeltgestaltungen zugänglich sind. 32. Die sich in einem solchen komplexen kommunalen Zielsystem öffentlicher Leistungserstellung spiegelnden {impliziten) Bepreisungsabsichten sind dabei sehr vielgestaltig: Neben dem Äquivalenzaspekt, der die Bereitstellung öffentlicher Mischgüter nach Maßgabe der Präferenzen privater Nachfrager

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und damit eine Entgeltgestaltung nach dem Wert bzw. dem Nutzen der Leistung für die Empfänger betont (Darbietungs- und Bereitstellungsziel) treten "Nebenziele" der Leistungsabgabe: Ein von der individuellen Zahlungsbereitschaft gelöstes politisch fixiertes Angebot öffentlicher Leistungen verfolgt neben einem präferenzkorrigierend gedachten Lenkungsziel (Meritorisierung) auch ein rein fiskalisches Finanzierungsziel (defizitfreie Mittelaufbringung). Zugleich bestehen sozialpolitisch motivierte Distributionsziele, schließlich noch Internalisierungs- und sonstige Lenkungsziele im Hinblick auf andere, z. B. umweltpolitische Politikfelder. 33. Das einer Gebühr innerhalb dieses pluralen Lenkungs- und Gestaltungsfeldes schließlich zugedachte Spektrum an Entgeltzwecken ("Bepreisungsabsichten ") zerfällt in einzelne Preissetzungskomponenten, die hinter einer institutionell abgegrenzten Gebühr (- Entgelt für die Nutzung einer öffentlichen Einrichtung) ökonomisch die Nutzung eines Bündels volkswirtschaftlicher Elementargüter sichtbar werden lassen. Eine Zerlegung realer Leistungsströme, die aus technischen oder sonstigen Gründen in verbundener Form abgegeben und genutzt werden, in elementare Teilnutzungen wohlunterschiedener ökonomischer (Guts-) Qualität mit entsprechenden Entgeltgestaltungsmaßstäben (Gebührenanalyse) leistet hier hilfreiche Vorarbeiten. Unter Gebührenanalyse fällt sowohl die klassische Abgrenzung des sog. "öffentlichen Interesses" (positive externe Effekte kommunaler Leistungerstellung über den Kreis der Entgeltverpflichteten hinaus) als auch die zur Stärkung des Äquivalenzgedankens postulierte "Differenzierung der Gebührentatbestände". Diesen identifizierten, im einzelnen gebührenfähigen "Elementargütern w kann jeweils ein adäquater instrumenteller Mechanismus zugeordnet werden (z. B. die Finanzierung des Anteils sog. öffentlichen Interesses aus allgemeinen Deckungsmitteln). Die instrumentellen Kategorien zur Finanzierung können dabei nach der Art des Instruments (als pretiale Hebel etwa die Gebühr, allgemeine Steuererhebung oder eine Umwelt(sonder)abgabe; als nicht-pretiales Instrument z. B. kommunales Ordnungsrecht), nach der gebietskörperschaftliehen Ebene der instrumentellen Trägerschaft (z. B. Abgeltung des kommunalen Gutsbestandteils "Nutzung öffentlicher Umweltressourcen" durch eine Abgabe auf Landes- oder Bundesebene) oder auf sonstige Weise differenziert werden. Als "richtige" Gebühr einer institutionell bzw. technisch abgegrenzten Leistung (Inanspruchnahme einer kommunalen Einrichtung) kann dann im umgekehrten Wege (synthetischer Pfad) die Bündelung der Komponenten-Bepreisung gewisser Elementargüter verstanden werden (Gebührensynthese). Komplexere Spannungsverhältnisse, die im Rahmen der Frage nach korrekter Leistungsbereitstellung bzw. Gebührenkalkulation auftreten- etwa die Zielkonflikte zwischen Kostendeckungs- und Äquivalenz-Prinzip, zwischen

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(politischen) Lenkungs- und allokativen Effizienzzielen oder zwischen internalisierenden und stabilisierungspolitischen Anliegen etc. - mögen sich auf diese Weise zumindest partiell auflösen lassen. Denn innerhalb eines stark gebündelten, lediglich institutionell abgegrenzten und daher ökonomisch inhomogenen Gemeindegutes (Abfallbeseitigung, Abwasserreinigung) mit Hilfe eines als einheitlich gedachten Gebührenmaßstabes kann vielfältigen Zielnormen kaum bzw. nur unter Verletzung einzelner Zielaspekte entsprochen werden. Die Synthese in einzelne (homogene) Elementarleistungen gestattet hingegen eine präzisere Ausrichtung auf einzelne Teilziele der kommunalen Güterbereitstellung. Der Gebührentarif 34. Neben der Frage, in welcher Höhe Gebühren zur Finanzierung öffentlicher Leistungen verrechnet werden sollen, muß die Frage beantwortet werden, welche Struktur die Umlage des auf diese Weise abgegrenzten Mittelrahmens auf die einzelnen Gebührenschuldner annehmen soll. Die mit der Überwälzung auf individuelle Nachfrager nach kommunalen Diensten angesprochenen ökonomischen Fragen sind sowohl theoretisch als auch mit Blick auf die konkrete Tarifierung kommunaler Benutzungsgebühren anzugehen. 35. Die traditionelle finanzwissenschaftliche Lehre vom Steuertarif versteht unter "Tarif" die funktionale Beziehung zwischen der Bemessungsgrundlage und der Abgabenschuld des zur Zahlung Verpflichteten. Der Tarif beantwortet damit die Frage, in welcher Form die Zahllast aus dem steuerlich belasteten Sachverhalt heraus generiert wird. Sein formales Abbild ist die Steuerbetragsfunktion, die die festzustellende Bemessungsgrundlage B , an die die Abgabenpflicht geknüpft ist, in den Zahlbetrag T (Abgabenschuld) transformiert. Aufgrund der Abgabenbetragsfunktion T (B) können für alternative Werte der Bemessungsgrundlage die durchschnittliche Abgabenbelastung Tl B (Durchschnittsabgabensatz) sowie die marginale Abgabenbelastung dT!dB (Grenzabgabensatz) ermittelt werden. Nach der Veränderung der durchschnittlichen Abgabenlast bei steigender Bemessungsgrundlage werden proportionale ~ineare), progressive und degressive Tarife unterschieden. 36. Vor dem Hintergrund der allgemeinen finanzwissenschaftliehen Tarifsystematik erhebt sich die Frage, welche Aussagen sich für den Fall einer lenkenden Wirkungszweckabgabe über d!e speziellen Tarifprobleme eines Mittelabschöpfungsinstruments treffen lassen, das zugleich anreizende

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Signale übermitteln soll; gesucht wäre mithin eine spezielle Tariflehre z. B. lenkender Umweltabgaben. 37. Die theoretisch orientierte Abgabenliteratur befaßt sich nur am Rande mit tariflichen Gesichtspunkten. Aus theoretischer Sicht ist eine Oenkende) Umweltabgabe durch die Bemessungsgrundlage individuell verursachter Emissionen sowie den konstanten oder ggf. der Progression unterliegenden Abgabensatz erschöpfend charakterisiert. Regelmäßig wird vereinfachend die Emissionsmenge als bester Indikator für das Ausmaß externer Kosten zur Bemessungsgrundlage erhoben. Die vergleichsweise intensive Diskussion um die adäquate Bemessungsgrundlage einer lenkenden Umweltabgabe hat die Aufmerksamkeit auf die Effizienzeinbußen bei erhebungstechnisch bedingter Verwendung nicht verursachergerechter Indikator- und Ersatzgrößen (Inputs, Produkte etc.) gelenkt und als Ergebnis die Forderung nach höchstmöglicher Adäquanz von Lenkungszweck und Bemessungsgrundlage hervorgebracht. Auch ohne ausdrücklichen Rekurs auf die im Gebührenzusammenhang übliche Fragestellung, welcher Maßstab im Rahmen äquivalenztheoretischer Abgabenbemessung zur Anwendung zu kommen habe und wie "wirklichkeitsnah" dieser auszugestalten sei, wird hierbei- auf abstraktem Niveau - das gleiche Problem diskutiert: Ein perfekter Äquivalenzzusammenhang müßte sämtliche Sozialkosten individueller Umweltnutzung zurechnen und entgelten lassen. Da dies unlösbar erscheinenden Problemen der Abgabenbemessung begegnet, stellt sich die weitergehende Frage, wie dieser Zusammenhang möglichst weitgehend angenähert werden kann, ohne des beabsichtigten Lenkungseffekts unnötig verlustig zu gehen. Mit Blick auf die allgemeine Kausalkette "betriebliche Faktortransformation - Emission - Immission - resultierende Sozialkosten" wird dann vor dem skizzierten Hintergrund die individuelle Emissionsmenge als vertretbare Näherungslösung propagiert. 38. Hinsichtlich des Tarifs wird in aller Regel eine proportionale Veranlagung befürwortet, welche so zu bemessen ist, daß die Summe der nach individueller Anpassung an die Abgabenerhebung noch verbleibenden Emissionsmengen der gesamtwirtschaftlichen Sollvorgabe entspricht. Im Rahmen standardsetzender Umweltpolitik erscheint lediglich der Anreizeffekt zur Erfüllung des vorgegebenen Lenkungsziels relevant; da eine Ausgleichsfunktion (Entsprechung von Abschöpfung und externen Schäden) oder der Aufkommenseffekt von Abgaben dahinter zurücktreten, kann nach dem Prinzip des unzureichenden Grundes eine lineare T arifierung als ausreichend bezeichnet werden. Da hier die informatorischen Voraussetzungen einer zielgenauen Steuerung (Kenntnis der Vermeidungskostenfunktionen) erfüllt sind oder aber- bei Unkenntnis hierüber- statt dessen ein iterativer Annäherungsprozeß durch Neufestsetzung des Preissignals erforderlich wird, bedarf

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es zur Zielerfüllung insoweit keiner Anreizverstärkung durch progressive Elemente. Die Tarifprogression legitimiert sich im umweltökonomischen Internalisierungs-Zusammenhang insoweit stets über Kosten- bzw. Schadensüberlegungen oder ist im Rahmen lediglich standardsetzender Umweltpolitik Ausdruck der Tatsache, daß über bloße Richtungs- und Spargebote hinaus keine explizite politische Zielformulierung vorliegt. 39. Damit bleibt zusammenfassend der eher schmale Befund, daß die Theorie der Wirkungszweckabgabe einen linearen oder ggf. progressiven Tarif ohne jedwede Freibetrags- oder Freigrenzenregelung propagiert, wobei die Bemessungsgrundlage möglichst eng am Internalisierungs- bzw. Lenkungszweck der Abgabe auszurichten ist. Verrechnungen von Vermeidungsaufwand und Abgabenschuld sind im Grundsatz abzulehnen. 40. Für das Gelingen einer an volkswirtschaftlichen Knappheitsmaßstäben orientierten Umgestaltung kommunaler Benutzungsgebühren ist es aber von zentraler Bedeutung, daß nicht nur eine gesamtwirtschaftlich befriedigende Identifizierung und Bemessung der durch kommunale (Entsorgungs-) Leistungen hervorgerufenen Ressourcenverbräuche gelingt, sondern darüber hinaus auch sichergestellt werden kann, daß die auf diese Weise zutreffend und vollständig ermittelten Kosten den Nutzern gemeindlicher (Umwelt-) Güter auch verursachungsgerecht zugeordnet werden. Es obliegt daher dem Gebührentarif, die insgesamt festgestellten Kosten nicht nur vom Gebührenschuldnerkollektiv als Ganzes einzufordern, sondern gezielte pretiale Verhaltensempfehlungen zu überbringen, die den Nutzer mit individueller Kostenverantwortlichkeit konfrontiert. Es liegt auf der Hand, daß auch ambitionierte Versuche der Kostenevaluierung und -erfassung mit Blick auf die angestrebte Verhaltenslenkung letzlieh scheitern müssen, wenn es nicht gelingt, die preislichen Signale unmittelbar an die über Ressourcenverbräuche disponierenden Entscheidungsträger zu übermitteln. 41. In diesem Sinne muß das gemeindliche Tarifierungssystem insgesamt daraufhin überprüft werden, ob und inwieweit es eine derartige verursachungsgerechte Kostenanlastung gestattet. Dabei ist zunächst die Bemessungsgrundlage selbst kritisch in den Blick zu nehmen, d. h. der Maßstab, nach dem grundsätzlich eine Verteilung der Gesamtkosten auf individuelle Leistungs-Inanspruchnahmen erfolgen soll. Zuvor jedoch stellt sich bereits die Frage, welche Abgrenzung eine gebührenfähige Leistung im Einzelfall nehmen soll, d. h. es ist aufgrund ökonomischer Kriterien die Reichweite zu bestimmen, für die jeweils eine zu verteilende Kostensumme ermittelt werden soll. M. a. W.: Es sind geeignete Gebührentatbestände abzugrenzen, die jeweils für sich die Frage der Kostenermittlung und -Verteilung zu beantworten haben. Dies entspricht der unter Ziff. 33 bereits heraus-

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gestellten Notwendigkeit zur Identifizierung und Isolierung elementarer Gebührentatbestände, die eine je spezifische "Bepreisung" heischen; eine nach institutionellen Gesichtspunkten abgegrenztes Gebührenvolumen (Kosten der Einrichtung X) entspricht den zuvor entwickelten ökonomischen Anforderungen hingegen nicht. 42. Sowohl im Abfall- als auch im Abwasserbereich bereiten kommunale

Zweckverbände spezielle Probleme einer verursachungsgerechten Kostenan-

lastung, da hier ein weiterer Intermediär in die Überwälzungskette eingeschaltet wird, dessen Interesse am öffentlichen Gut verursachergerechter Allokation eher gering zu veranschlagen ist, zumal dieses einzelwirtschaftliche Feststellungs-, Anlastungs- und Überwachungskosten produziert. Hier sind geeignete Vorkehrungen zu treffen, eine verursachergerechte Kostenanlastungspraxis auch in den Fällen zu gewährleisten, in denen die Entsorgung kommunalen Verbänden obliegt. Die in Zweckverbänden übliche kameralistische Rechnung führt oftmals dazu, daß keine kalkulatorischen Kosten angesetzt werden. Da die Mitgliedsgemeinden über Umlagen zur Finanzierung herangezogen werden, sind sie zum einen "zu gering" belastet, können aber zum anderen auch nicht die "richtigen" Kosten weiterwälzen. In solchen Fällen ist es nicht legitim, daß Gemeinden den Umlagebetrag für die eigene Gebührenkalkulation um Eigenansätze für kalkulatorische Kosten ergänzen; dazu fehlt es am kommunaleigenen Ressourcenverzehr. Eine Lösung des Problems kann letztlich nur darin bestehen, daß auch Zweckverbände unter das Regime des Kommunalabgabenrechts gestellt und zur Kalkulation betriebswirtschaftlicher Kosten gezwungen werden. 43. Als Gebührentatbestand gilt ein (homogenes) Bündel gebührenfähiger staatlicher Elementarleistungen, die gemeinsam abgerechnet und auf die Gebührenschuldner nach einem einheitlichen Verfahren überwälzt werden. Ökonomisch identifizierbare homogene (Teil-) Leistungen im Rahmen entsorgender Daseinsvorsorge der Gemeinden und institutionelle Abgrenzung gebührenpflichtiger Leistungen werden dabei allenfalls zufällig übereinstimmen; in der Praxis jedenfalls ist die gemeinsame Verrechnung inhomogener Teilleistungen regelmäßig zu beobachten. Bei Zusammenveranlagung inhomogener öffentlicher Leistungen nimmt das Entgelt Pauschalcharakter an und läßt den einzelnen Nutzer weder das Ausmaß individueller Inanspruchnahme erkennen noch ist es möglich, die Gebührenschuld durch zurückhaltende Nutzung einzelner Teilleistungen unmittelbar zu beeinflussen. Die anzustrebende Dissoziation von Gebührentatbeständen nach dem Kriterium homogener Leistungsbündel unter dem Aspekt verursachergerechter Preisbildung unterliegt dabei ihrerseits der Optimierung: Eine "Atomisierung" der Gebührentatbestände ist unter Kosten- und Praktikabilitätsgesichtspunkten ebenso kontraindiziert wie die gegenwärtig etwa im Ab-

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fallhereich praktizierte, stark suboptimale preisliche Zusammenfassung höchst unterschiedlicher Einzelleistungen der Gemeinde in einer "Müllgebühr". 44. Daher ist eine Differenzierung der gebührenfähigen Tatbestände anzustreben, wo dies nach den finanzwissenschaftliehen Kriterien der Homogenität sowie der Korrespondenz von ökonomischem Gutscharakter und Finanzierungsform angezeigt erscheint. Insbesondere als ungeeignet abzulehnen, weil die genannten ökonomischen Kriterien ignorierend, ist der in der Praxis überwiegende "institutionelle" Maßstab: Alle im Rahmen einer kommunalen Einrichtung anfallenden Werteverzehre werden tendenziell ohne Ansehen ihrer jeweiligen Gutscharakteristik über einen einheitlichen Maßstab (noch dazu im Einzelfall strittiger Güte) überwälzt. Das Ergebnis sind die Abfall- oder die Entwässerungsgebühr, welche alle unter dem Dach der jeweiligen kommunalen Einrichtung angefallenen Kosten bündeln. 45. Die in Praxis und Rechtsprechung zwischenzeitlich in Gang gekommene intensive Diskussion etwa um die Spaltung der Gebührenumlage im Abwasserbereich nach Schmutz- und Niederschlagswasserbeseitigung hat die Sensibilität dafür geschärft, daß eine einheitliche Umlage nach institutionellen Kriterien ökonomischen Ansprüchen nicht gerecht werden kann, ja diesen in derart grober Weise zuwiderlaufen kann, daß selbst eine Vereinbarkeit mit den diesbezüglich eher "duldsamen" Gebührenprinzipen der Gleichheit und der Äquivalenz mehrheitlich abgelehnt wird. Dies allerdings mutet eher als Einstieg in eine grundsätzliche Überprüfung der hergebrachten Gebührentatbestände an, die danach zu fragen hat, welche öffentlichen Leistun-

gen jeweils als gebührenfähig einer separaten Gebührenumlage zu unterwerfen sein sollen. Daß es sich hierbei um ein Optimierungsproblem handelt, bei

dem die Kosten der Differenzierung, Kostenspaltung und getrennten Umlage den hierdurch bewirkten Erträgen ökonomisch rationaler Bepreisung entegegenzustellen sind, liegt auf der Hand. Dennoch erscheint es offensichtlich, daß die gegenwärtige Gebührenpraxis weit von einem solchen Optimierungsergebnis entfernt liegt und ein Aufbrechen der bislang gemeinsam veranlagten Leistungen dringlich erscheint. 46. Die Ergebnisse einer ökonomischen Analyse des Problems adäquater

Maßstäbe der Gebührenbemessung (Wirklichkeits- und Wahrscheinlich-

keitsmaßstäbe) lassen sich wie folgt zusammenfassen: (1) Für die Bemessung der individuellen Gebührenschuld (als Gebührenmaßstab) ist die Nutzungsmenge ein bloßer Indikator. Der Maßstab der "Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung" ist grundsätzlich bereits als V.'ertgröße zu verstehen. (2) Die jeweilige Brauchbarkeit von Mengenmaßstäben ist im Einzelfall zu prüfen: Sie erscheinen oftmals ungeeignet, soweit hierdurch inhomogene

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Leistungsabgaben als "gleich" erfaßt werden müssen, z. B. bei der Entsorgung von Abwasser differierender Verschmutzungsgrade. (3) Der Grundsatz der Leistungsproportionalität verpflichtet zur Gebührenbemessung nach "Umfang" und" Art" der Inanspruchnahme und legitimiert daher keine grob kostenignoranten MengenschlüsseL (4) Das "Wirkliche" eines Wirklichkeitsmaßstabes kann je nach Kalkulationskonzept unterschiedlich gesehen werden; als Referenzsystem kommen u. a. die aktuelle Anlage ("Einrichtung") oder aber die Wirkungen auf die Gesamtgesellschaft in Frage. Als zweckmäßig erweist sich hierbei allerdings eindeutig die volkswirtschaftliche Perspektive, da ein betriebswirtschaftlicher Maßstab zwar Kostenorientierung verspricht, aber nur einen irreführenden Teilausschnitt der gesamten Nutzungswirkungen ökonomischer Entsorgungsaktivitäten betrachtet. (5) Auf die Dichotomie zwischen Wirklichkeits- und Wahrscheinlichkeitsmaßstab sollte von vorneherein zugunsten eines Kontinuums an Maßstäben verzichtet werden, für das insgesamt einheitliche Regeln gelten (Anspruchsniveau der Verursacherorientierung, Ausrichtung an einem gemeinsamen Kalkulations- und Überwälzungszweck etc.). (6) Der optimale Standort eines Maßstabes auf dieser kontinuierlichen Skala ergibt sich aus dem Abwägungsproblem zwischen Ertrag aus kostenechter Zuordnung und Aufwand der Bemessung. Daher geben auch Praktikabilitätsaspekte keine Hinderungsgründe für volkswirtschaftliche Bemessungsmaßstäbe ab, da diese bereits im Ansatz mit verarbeitet sind. (7) Volkswirtschaftliche Bemessungsmaßstäbe, die auch bei der Kostenzurechnung die einzelwirtschaftliche Anlagenperspektive überwinden, heben sowohl den unhaltbaren Widerspruch zwischen kostenbasierter Gesamtkostenermittlung und kostenignorantem Individualmaßstab als auch zwischen ökologischen Lenkungszielen und individueller Kostenverursachung auf: Soweit Lenkung nicht a priori gegen Kostenüberlegungen gerichtet sondern allgemein als preisgestützte Verhaltensbeeinflussung gesehen wird, harmonieren ökologische Lenkungsund gesamtwirtschaftliche Allokationsziele innerhalb einer sozialkostenorientierten Gebühr. Disharmonien ergeben sich allerdings, wenn Lenkung wider Kosten oder aber ein zu enger (betriebswirtschaftlicher) Anlagenmaßstab zugrunde gelegt werden. 47. Der zurückhaltende Einsatz verursacherorientierter Maßstäbe in der kommunalen Praxis ist jedoch gerichtlich traditionell sanktioniert und kann überdies ökonomisch kaum überraschen, betrachtet man die Anreize der Gemeinden zur satzungsrechtlichen Implementation allokativ ambitionierterer Gebühren-Maßstäbe. Auch haben sich lange Zeit gehegte Hoffnungen auf verursachergerechte Anstöße durch das Abwasserabgabengesetz (AbwAG) bei der Gebührenbemessung nicht erfüllen können- eher hat sich umgekehrt die traditionelle "Verursacherträgheit" des klassischen Abwasser3 Gawel

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gebührenwesens auf die binnenräumliche Weiterwälzung der Abwasserabgaben-Last negativ ausgewirkt. Von einem initialen Impuls zur verursachergerechten Umgestaltung des gesamten Entgeltsystems im Abwassersektor jedenfalls kann nicht einmal entfernt gesprochen werden. Die Praxis der Maßstabsgestaltung und Tarifier-ung mutet jedoch zunehmend als ökonomisch widersinnig, kommunalpolitisch unbefriedigend und sachlich nicht legitimiert an; das Unbehagen wird im übrigen auch durch zunehmend kritischere Stimmen in der Literatur und eine sich öffnende Rechtsprechung geteilt. Allerdings bleibt die neuere Einsicht in die Kostenabhängigkeit der individuellen Gebührenschuld auf den betriebswirtschaftliehen Horizont begrenzt und zwingt zu ökologisch kontraproduktiven Maßstabsgestaltungen, z. B. der äußerst kontrovers debattierten Degression im Behältermaßstab der (Rest-) Abfallgebühr. Statt dessen sollte gesamtwirtschaftlich orientierten Maßstäben der Vorzug gegeben werden, die kontraproduktive Tarifgestaltungen mit Blick auf rein betriebliche Kostenverläufe überwinden. 48. Darüber hinaus sind mit Blick auf eine "richtige" Gebührenstruktur auch Tariffragen im engeren Sinne zu diskutieren: Hierzu gehören die Differenzierung in Grund- und Arbeitspreise, der Einbau progressiver oder degressiver Tarifelemente sowie die Berücksichtigung von Merkmalen persönlicher Leistungsfähigkeit im Rahmen von Sozialtarifierungen. 49. Die Differenzierung des Gebührentarifs in eine nutzungsinvariante ("Grund-" oder "Bereitstellungspreis") sowie eine verbrauchsabhängige Komponente ("Arbeitspreis") wird im Rahmen ökologisch orientierter Abgabenpolitik ebenfalls kontrovers diskutiert. Soweit Kostenüberlegungen für die Bemessung von Entgeltabgaben kommunaler Daseinsvorsorge im Vordergrund stehen, legitimieren sich derart zweigliedrige Tarifstrukturen aus der Tatsache, daß nicht sämtliche Kosten der Bereitstellung einer öffentlichen Leistung mit dem Ausmaß der tatsächlichen Inanspruchnahme, sondern oftmals mit der bloßen Vorhaltung von Kapazität, insbesondere von Spitzenkapazität variiert. Der finanzwissenschaftlich daher zutreffender als Beitrag zu klassifizierende, nutzungsunabhängige Grundpreis stellt das Entgelt für die im Rahmen der Bereitstellung von Nutzungsmöglichkeiten realisierten Kostenträgerschaft der Gemeinde dar. Überdies sichert ein beitragsähnlicher Grundpreis im Falle sinkender Grenzkosten (Grenzkosten niedriger als Durchschnittskosten} die "Eigenwirtschaftlichkeit" der öffentlichen Einrichtung, d. h. ihre Fähigkeit, die bei der Leistungsabgabe anfallende Kosten durch Entgelte abzudecken: Bei economies of scale der entsorgungswirtschaftlichen Produktionstechnologie sind Grenzkostenpreise grundsätzlich nicht kostendeckend. Zur Erzielung der Vollkostendeckung ist daher eine Abkehr von der Grenzkosten-Preis-P.egel durch Erhebung eines Beitrages erforderlich ("Grundpreis"), der als Differenz zwischen den spezifisch umlage-

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fähigen verbrauchsabhängigen Kosten und den Gesamtkosten der Einrichtung erhoben wird. Allerdings sind Tarifkonstruktionen der vorgenannten Art in die Kritik geraten, da sie aufgrund ihrer Zweigliedrigkeit mit einem konstanten Basisentgelt zu fortlaufend sinkenden Durchschnittsabgaben bei Ausdehnung der nachgefragten Menge führen. Eine derartige Belastungsdegression sei mit dem Anliegen der Überbringung ressourcenschonender Preissignale unvereinbar, da nachlassende Durchschnittsentgelte vielmehr zu zusätzlichem Verbrauch anregten, zumindest aber keine ökologisch gebotene Überprüfung des individuellen Nachfragerverhaltens induzierten. Ein derartiges Lenkungsverständnis, das im Interesse mengensparender Anreize ohne Ansehen der Kostenverursachung einen möglichst großen Kostenanteil als variable Preiskomponente überbringen möchte, erscheint freilich nicht unproblematisch und zeigt überdies theoretische Mängel hinsichtlich der Konsistenz der zugrunde gelegten Argumentation (Probleme Vollkostendeckung, Überformung von Gebühren und Beiträgen, fragliche Anreizeffekte). Es bleibt daher die Feststellung, daß Grund- und Arbeitspreise prinzipiell Entgelte für unterschiedliche Elementargüter der öffentlichen Leistungsbereitstellung repräsentieren, die nicht ohne Not vermengt werden dürfen (Kongruenzprinzip des Gebührentatbestandes): Die ständige Leistungsvorhaltung und damit die Option auf jederzeitige Nutzung eines Systems und die tatsächliche Inanspruchnahme in bestimmter Höhe sind ökonomisch wohlverschiedene öffentliche Leistungen, die aufgrund differenter Kostenstruktur unterschiedliche Bepreisungsstrategien geradezu erfordern. Beitrag und Gebühr stellen hier - bei "richtiger" Bemessung und Abgrenzung - angemessene Finanzierungsformen dar, die nicht willkürlich überformt werden dürfen. Unter Berufung auf volkswirtschaftliche Gebührenmaßstäbe können so zwar kaum durchgehend lineare Tarife gefordert, wohl aber beachtliche Teile anlagenfixer Kosten als gesamtwirtschaftlich variabel verbrauchsabhängig umgelegt werden. 50. Gegenüber der zuvor erörterten Alternative eines durchgehend linearen gegenüber indirekt degressiven Tarifen werden in der Literatur gerade auch progressive Tarifgestaltungen als Anreizmoment mengenmäßiger Begrenzung der Leistungs-Inanspruchnahme befürwortet. Dabei ist zunächst einer Überbewertung der Progression entgegenzutreten: Die Progression gilt weithin sogar als Inbegriff ökologischer Gebührengestaltung, ja als Lenkung schlechthin. Nach volkswirtschaftlichem Verständnis lenken Preise aber gerade durch ihre (mehr oder weniger zufriedenstellend gelingende) Repräsentanz von Kosten- und Nutzengrößen; "Lenkung" findet dementsprechend stets dann statt, soweit rational handelnde Disponenten mit Verfügungsgewalt über Ressourcen unter dem Eindruck preislicher Kostenverantwortung Verwendungsentscheidungen treffen. Diesen Lenkungseffekt der Preise kann

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sich naturgemäß auch eine hoheitliche Instanz durch Entgeltadministrierung oder Erhebung einer eigenständigen Abgabe zunutze machen. Damit stellt die Frage eines progressiven Gebührentarifs nur einen Teilausschnitt im gesamten Lenkungs- und Ökologisierungssystem und auch nur ein Teilproblem innerhalb der speziellen Tarifierungsproblematik dar. Auch ist "Progression" im Rahmen einer ökonomisch rationalen Entgeltgestaltung keineswegs als Selbstzweck zu verstehen, sondern kann nur im Zusammenhang eines ökologischen Gesamtkonzepts überhaupt als tragfähig angesehen werden: So kann ein progressiver Tarif wohl nur in Verbindung mit einem "Wirklichkeitsmaßstab" der Gebührenbemessung als sachadäquat zu bezeichnen sein, d. h. es ist zuvor sicherzustellen, daß im Überwälzungspfad der Gebühr keine sachfremden oder verursachungswidrigen Störungen auftreten. In der Theorie der Umweltabgabe kann sich Progression prinzipiell kostenseitig (progessives Schadensprofil) oder lenkungspolitisch legitimieren (vgl. Ziff. 38); letzteres war theoretisch freilich kaum zu begründen, soweit ein festes Punktziel als Gegenstand administrativ lenkender Gebührenpolitik gilt: Linearität des Tarifs reicht hier zur Zielerreichung aus. Allerdings hat die Diskussion um Grundbeträge/Arbeitspreise bzw. Grenz/Durchschnittsgebühren gezeigt, daß auch progressive Tarifgestaltungen angezeigt sein können. Über ihren Einsatz sollte jedoch nur im Zusammenhang anderer tarifpolitischer Parameter und als Teilaspekt einer umfassenden Lenkungs- bzw. Ökologisierungsperspektive beraten werden. 51. Im Zusammenhang mit der Gebührentariffrage wird immer wieder die Frage diskutiert, ob soziale, verteilungs- und regionalpolitische Überlegungen den strengen äquivalenztheoretischen Zusammenhang zwischen Leistung und Gebührenentgelt lockern dürfen bzw. sollen. Damit greifen Aspekte persönlicher Leistungsfähigkeit im weitesten Sinne, aber auch konkurrierende raumwirtschaftliche Ziele überformend in den Tarifzusammenhang ein. Galt also bisher eine Bemessung nach Äquivalenzgesichtspunkten in unterschiedlichen Schattierungen als maßgeblich, war also jeweils auf das Nutzungsverhältnis abzus~ellen, geraten nunmehr Merkmale ins Blickfeld, die in der Person des Nutzers begründet liegen (persönliches Einkommen, Haushaltsgröße, regionale Lokalisierung etc.). Aus ökonomischer Sicht bestehen grundlegende Bedenken gegenüber einer derartigen Verteilungspolitik über den Preis. Diese gelten in besonderem Maße für die hier diskutierten Benutzungsentgelte kommunaler Entsorgungsdienste. Soweit nicht lediglich Grenzen der "Vertretbarkeit" oder der "Zumutbarkeit" postuliert werden, die einer weiteren Erhöhung von Gebühren - gleich aus welchen Gründen entgegendstünden, bleibt bislang auch unklar, wie eine soziale Staffelung von Abwasser- oder Abfallgebühren aussehen könnte. Allenfalls in regionalpolitischer Hinsicht könnte ein allzu starkes Auseinanderdriften der Entsor-

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gungsentgelte in Verdichtungs- und Streusiedlungsbereichen durch entsprechend verrechnende Entgeltkorrekturen ausgestaltet werden. Sieht man einmal von den grundsätzlichen ökonomischen Einwänden gegen Sozialpolitik mittels Gebühren ab (Probleme der Treffsicherheit von Objektförderung), so bleibt ferner die Feststellung, daß mit dem hier in Aussicht genommenen Reformprogramm erstmals ernstzunehmende Annäherungen an das Prinzip der Kostenwahrheit in der kommunalen Entsorgung unternommen werden sollen. Es kann daher nicht "unzumutbar" oder "unvertretbar" sein, für die Inanspruchnahme lokaler Umweltdienste den Preis einzufordern, der - annähernd- die Opportunitätskosten der Nachfrage widerspiegeln soll. Die Zurückweisung der über Gebühren offenbarten Kosten steht dabei in merkwürdigem Kontrast zu allfälligen Forderungen nach mehr Umweltschutz in den Bereichen Abwasser und Abfall. Eine explizite "soziale Staffelung" von Entsorgungsgebühren bleibt dagegen bislang im Dunkeln und ist ernsthaft nicht eingefordert worden. Allerdings sind Probleme sozialer Tarifierung von Benutzungsgebühren keineswegs vernachlässigbar, denn die bislang gesellschaftlich akzeptierte Sozialindifferenz kommunaler Entsorgungsentgelte herkömmlichen Zuschnitts dürfte bei deutlicher Steigerung der Gebührenhöhe durch konsequente Ausrichtung an Gegenwartswerten, die Einbeziehung externer Werteverzehre und Orientierung an äquivalenztheoretischen Maßstäben der Anlastung deutlich abnehmen. Über die Verfolgung gesamtwirtschaftlicher Kostenverantwortung gewinnen Entsorgungsgebühren dadurch u. U. erstmals einen auch sozialpolitisch relevanten Stellenwert. 52. Neben der unmittelbaren Umgestaltung der Gebührenkalkulation mit Blick auf lenkende, insbesondere ökologische Ziele bietet sich hilfsweise die Möglichkeit, von Kosten- oder Leistungsgesichtspunkten auch teilweise abstrakt formulierte Lenkungsanreize über Gebührenzuschläge zu setzen, d. h. die Lenkungsfunktion der Gebühr wird abgabetechnisch verselbständigt: Die "Gebühr" übernimmt insoweit die hergebrachten Refinanzierungsfunktionen, wohingegen es dem Zuschlag obliegen würde, lenkenden Ansprüchen der Gebührengestaltung gerecht zu werden. Auch kann mit Hilfe eines Zuschlages versucht werden, einzelne in sich homogene Elementarleistungen von den übrigen Komponenten der Güterbereitstellung abzuschichten und separat zu verrechnen (Beispiel: verschmutzungsabhängiger Teil der Abwasserbeseitigungskosten per Starkverschmutzerzuschlag; Restkosten per "Grundgebühr"). In der Praxis ist hiervon im Abwasservereich in der Form sog. "Starkverschmutzerzuschläge" Gebrauch gemacht worden. Die Zuschlagslösungen sind freilich über Behelfe kaum hinausgekommen und haben sich dem Idealbild einer verursachungsgerechten Gebühr ebenso wenig nähern können wie dem Musterfall eines "lenkenden Zu-

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schlags" in Gestalt der grundsätzlich schädlichkeitsorientierten Abwasserabgabe. Damit bleibt es dabei, daß das Kommunalabgabenrecht von den Anliegen einer verursachungsgerechten Kostenalastung abstrakte Anreize setzt, die allenfalls partiell eine ökologisch produktive Lenkungswirkung begründen können. So nimmt etwa ein (exemplarisch) auf CSB-Frachten abstellender Starkverschmutzerzuschlag andere Wertungen hinsichtlich der Dringlichkeit der Einleitungs-Vermeidung vor als eine schadstoffspezifisch differenzierte Abgabe, welche auch den Eintrag von Schwermetallen zu belasten sucht. Starkverschmutzerzuschläge sind daher auch - bei insgesamt eher mäßiger Verbreitung - zwischenzeitlich verstärkt in der Kritik als "Auslaufmodell" einer alles in allem verfehlten Kostenüberwälzungsstrategie, die dem Grundsatz der Kostenverantwortung und des Verursacherprinzips nur unzureichend und in pauschalierter Form Geltung zu verschaffen bereit ist. Nicht das Instrument des Zuschlags an sich ist daher kritikwürdig, sondern seine bisherige Einbettung in ein eher kostenträges Gesamtkonzept, das sich nur zu groben Annäherungen an verursachungsadäquate Überwälzungsstrategien zu bequemen scheint. In der gegenwärtig praktizierten Form muten denn zahlreiche Zuschlags-Konstruktionen eher willkürlich an und bieten eine nur zweifelhafte Verbesserung gegenüber reinen Mengenmaßstäben. Solange etwa die Überwälzung des Schädlichkeits-"Zuschlages", der durch das Abwasserabgabengesetz gebildet wird, nicht zufriedenstellend gelingt, ja nicht einmal versucht wird, bleiben andere rudimentäre Formen von Zuschlagstarifen anreizpolitisch Makulatur. Gesamtwirtschaftliche Probleme 53. Bevor eine ökonomisch rationale Entgeltkonstruktion mit Problemen rechtlicher Zulässigkeit, administrativer Praktikabilität oder kommunalpolitischer Implementierbarkeit konfrontiert wird, bedarf es zunächst einer Prüfung, ob sich nicht bereits aus ökonomischen Gründen Beschränkungen oder Kontraindikationen für eine über administrierte Gebührenpreise transportierte gesamtwirtschaftliche Kostenverantwortung ergeben. Mit Blick auf derartige gesamtwirtschaftliche Probleme einer Ökonomisierung der kommunalen Benutzungsentgeltordnung ergeben sich überblicksartig folgende Felder: 54. Wie kann sich der nach diesem "volkswirtschaftlichen" Ansatz verfolgte Maßstab gesamtwirtschaftlicher Knappheit für die Gebührenbemessung im Zielkonflikt mit anderen kommunalen Entgeltabsichten behaupten; auf welche Weise kann speziell die im Abgabenzusammenhang grundsätzlich problematische Zusammenführung von (Re-) Finanzierungs- und Len-

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kungszwecken in der Gebührenfrage gelöst werden? Wie ist insbesondere mit gesamtwirtschaftlich motivierten Über- und Unterdeckungen der kalkulierenden Einheit umzugehen? 55. Weiche Rolle kann eine solchermaßen bestimmte Gebühr im Konzert anderer, mit gleicher Zielrichtung eingesetzter pretialer und nicht-pretialer Instrumente gerade im Umweltbereich noch übernehmen, die ebenfalls auf die Erfüllung ökologischer Schutzpflichten, die Erreichung umweltpolitischer Lenkungsziele sowie die (feil-) Internalisierung externer Kosten der Umweltnutzung gerichtet sind (Seiteneinflüsse des Ordnungsrechts sowie anderer Ai:treizinstrumente, z. B. der Abwasserabgabe)? 56. Können internalisierende bzw. lenkende Abgabenzwecke 1m Formenkleid kommunaler Benutzungsgebühren überhaupt adäquat wahrgenommen werden: Sind einerseits Vorzugslasten eine angemessene Abgabenform zur Administrierung lenkender Preise (etwa gegenüber Steuern oder Sonderabgaben), und erscheint es andererseits überhaupt zweckmäßig, bestimmte Abgabenzwecke auf kommunaler Ebene zu verfolgen? 57. Wie wird es schließlich um den beabsichtigten Lenkungseffekt ökologisierter Gebühren vor diesem Problemhintergrund bestellt sein? Existieren mithin gewisse Spielräume, die Lenkungspotentiale kommunaler Entgeltadministrierung zu verbessern (Merklichkeit, Transparenz, Verursachergerechtigkeit, Verhaltensrestriktionen durch Anschluß- und Benutzungszwang etc.), und welche objektiven, außerhalb des Gestaltungs- und Einwirkungsbereiches der Gemeinden liegenden Faktoren (z. B. Preiselastizitäten) sind für einen erfolgreichen Lenkungseingriff zu beachten?

58. Vor dem Hintergrund konkurrierender Leitbilder einer ökonomisch rationalen Entgeltgestaltung erweist sich zunächst das Finanzierungspotential lenkender Kommunalabgaben als Problem: Während eine auf bloße verwaltungsexterne Ressourcenfinanzierung (Refinanzierung) verpflichtete Gebühr Mittel nur in Höhe des als abgeschlossen betrachteten Voraus-Engagements der Gemeinde erbringen darf, resultiert aus einer an der Überbringung eines pretialen Signals zum Zwecke der Verhaltensbeeinflussung (Lenkung) interessierten Gebühr ein über oder auch unterhalb dieses Refinanzierungsvolumens liegendes Aufkommen. Der lenkende Einsatz von Abgaben, d. h. die gezielte Indienstnahme pekuniärer Anreize der Abgabenerhebung zur Verhaltenssteuerung der zur Zahlung Verpflichteten weist hoheitlichen Abgaben neben oder gar noch vor der Einnahmeerzielung neuartige Zweckbestimmungen zu, die sich untereinander in einem gewissen Spannungsverhältnis befinden: Lenkende Abgaben übernehmen damit grundsätzlich eine duale Funktion: Einer "Verhaltensempfehlung" der Abgabe(= Lenkungsas-

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pekt) steht die Androhung eines Vermögensnachteils für den Fall der Nichtreaktion gegenüber, die zu öffentlichen Einnahmen führt (- Finanzierungsaspekt). Die pekuniär übermittelte Verhaltensempfehlung (als Alternative zum sanktionsbewehrten Verhaltenszwang) konfligiert dabei nicht nur zielseitig mit aufkommensorientierten Erfordernissen, sie macht auch eine abweichende Ausgestaltung der Abgabe hinsichtlich Bemessungsgrundlage, Tarif und Erhebungsverfahren erforderlich. 59. In dem Maße, wie vermittels einer nach lenkenden Maßstäben ausgerichteten Entgeltpolitik der Gemeinden öffentliche Einnahmen entstehen, die nicht mehr oder nur zum Teil durch Aufwendungen der öffentlichen Hand gedeckt sind, sich vielmehr über andere gebührenbegründende Kostenfaktoren legitimieren (externe Effekte, Knappheitskorrekturen, Lenkungsziele), übersteigt das Gebührenaufkommen die Kosten der öffentlichen Leistungabgabe im traditionellen gebührenrechtlichen Sinne. Ökonomisch betrachtet werden auf diesem Wege Knappheitsrenten privater Umweltnutzer abgeschöpft, die dadurch entstehen, daß die Indienstnahme ökologischer Ressourcen unterhalb ihres volkswirtschaftlichen Wertes (Schattenpreis) möglich ist. Die öffentliche Vereinnahmung von Knappheitsrenten ist als finanzierungstechnisches Spiegelbild der allokativ beabsichtigten Preiskorrektur anszusehen. Die auf diese Weise erlösten "freien", da für die Gemeinde ohne Einsatz ihres Vermögens zustande gekommenen Einnahmen stellen freilich vor dem Hintergrund der traditionellen Gebührenauffassung und ihrer kommunalabgabenrechtlichen Reflexe ein erhebliches Problempotential dar: Ein traditionell imparitätisch ausgelegtes Kostendeckungsprinzip als striktes Kostenüberschreitungsverbot, jedoch bloß gestattendes Kostendeckungsgebot dürfte einer derartigen Kalkulation "über Einrichtungskosten" besonders kritisch gegenüber stehen (Lehre von der gleichzeitigen Ober- und Untergrenze des Kostendeckungsprinzips). Denn Knappheitsrenten abschöpfende Gebühren vermögen nicht mehr nur - wie noch im Rahmen weiter betriebswirtschaftlicher Kostenauffassungen (Wiederbeschaffungszeitwerte etc.) - im wesentlichen temporäre Finanzierungseffekte auszulösen, sondern führen vielmehr dauerhaft und endgültig zu Einnahmen, denen auch zukünftig keine Verpflichtung zur Reinvestition, Ersatzbeschaffung oder allgemeiner Substanzerhaltung kommunaler Einrichtungen gegenübersteht. 60. Da in der gebührenpolitischen Diskussion immer wieder kritisch auf "Finanzierungseffekte" des Kalkulationsgebarens kostenrechnender Einrichtungen für den allgemeinen Gemeindehaushalt Bezug genommen wird, bedürfen diese Finanzierungswirkungen aufgrund ihrer neuartigen Qualität besonderer Vorkehrungen. Sofern man zunächst davon absieht, die auf dem Ökologisierungswege kommunaler Entgeltpolitik im Gebührenhaushalt an-

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fallenden gesamtwirtschaftlichen Zusatzkosten und Knappheitsrenten durch entsprechende Dehnung des betriebswirtschaftliehen Kostenbegriffes im Sinne "gemeinwirtschaftlicher Wirtschaftlichkeit" als kostendeckende Einnahmen zu deklarieren, so bleiben nur noch haushaltswirtschaftliche Sonderregelungen, um dem besonderen Charakter der Einnahmen adäquat Rechnung zu tragen. Denn es liegt auf der Hand, daß es nicht darum gehen kann, die diesbezügliche Einnahmeerzielung zu verhindern: Die Richtigstellung des relativen Preisgefüges erfordert eine entsprechende administrative Entgeltkorrektur, die mit zusätzlichen Mittelabschöpfungen im privaten Sektor und anschließender Etatisierung in Rechnungszusammenhang öffentlicher Haushalte zwingend einhergeht. Die Einnahmeentstehung ist daher ökonomisch nicht zu inkriminieren; wohl aber können mit Blick auf die Verwendung der so erlösten Mittel traditionelle Überlegungen des Gebührenschuldnerschutzes Platz greifen. 61. Da Kostendeckungsregeln, Äquivalenzprinzip und Gewinnerzielungsverbote keinen Selbstzweck verkörpern, sondern für die den hoheitlich statuierten Zahlungspflichten Unterworfenen Schutzcharakter entfalten und überdies eine im öffentlichen Interesse liegende Regulierung staatlicher Leistungsabgabe vornehmen sollen, erscheint es verfehlt, den skizzierten Konflikt in der Weise zu lösen, daß zum Zwecke von Gebührenschuldnerschutz und öffentlicher Regulierung auch dann noch an überkommenen Verfahrensnormen festgehalten wird, wenn deutlich wird, daß diese einen geziehen Einsatz des Gebühreninstrumentariums für lenkungspolitische Zwecke vereiteln. Aus finanzwissenschaftlicher Sicht gilt es vielmehr, den Schutzabsichten der lenkungskritischen Regelungen auch unter einem volkswirtschaftlichen Gebührenverständnis angemessen Rechnung zu tragen. Die Bewältigung ökologischer Risiken über den Preis kann dabei nicht gleichgesetzt werden mit willkürlicher Abgabenlast, vor der zu bewahren sich die Gebührenprinzipien traditionellerweise anheischig machen: Die lnstrumentalisierung der Gebühr ist durch den öffentlichen Auftrag zum Umweltschutz und die Existenz sozialer Nachteile angesichts individueller Umweltnutzung hinreichend legitimiert. Es erscheint daher sinnvoll, den Konflikt mit traditionellen Finanzierungsregeln durch deren Anpassung an die Notwendigkeiten lenkender Indienstnahme kommunaler Entgeltabgaben zu lösen. Der Gefahr einer Denaturierung zur verkappten Kommunalsteuer mit weitreichendem Steuererfindungs- und -gestaltungsmöglichkeiten der Gemeinden könnte einerseits durch Verwendungsauflagen, andererseits durch konkrete gesetzliche Zieleingrenzungen und Kalkulationsvorschriften grundsätzlich entgegengewirkt werden. 62. Das Bemühen um ökonomisch rationale und ökologisch effektive Gebühren darf darüber hinaus nicht übersehen, daß Umweltpolitik mit kam-

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munalem Zielfeld längst nicht mehr nur auf dem traditionellen Instrumentarium der Kommunalabgaben basiert. Vielfältige, mit den Gebührenfunktionen zum Teil konkurrierende Eingriffstatbestände wirken mittlerweile auf den Bereich gemeindlicher Entsorgungspolitik ein (policy-mix-Problem). Hierzu zählen insbesondere speziell zur Effektivierung und Effizienzsteigerung konzipierte marktsteuernde Ansätze im Gewässerschutz. Ihre Einführung macht eine sorgfältige Abstimmung mit dem bestehenden kommunalen Gebührensystem erforderlich. Neben der Frage, wie alternative Gebühren-systeme auf die Funktionstüchtigkeit der jeweiligen Anreizinstrumente einwirken, bleibt auch zu klären, welche Reformanforderungen bestimmte ökonomische Instrumente auch an das gegebene Kommunalabgabenwesen herantragen. Daneben büßt die gegenwärtig angestrebte Aufwertung der Gebühr als eigenständigem Lenkungsinstrument nachhaltig an Legitimation ein, sofern konzeptionell analog begründete Parallelabgabenverpflichtungen bereits bestehen oder geplant sind (z. B. Abwasserabgabe, Abfallabgabe). Über die weitere Zukunft von Abfall- und Abwassergebühren wie auch aller anderen kommunalen Entgeltformen mit Umweltbezug sollte vor diesem Hintergrund nicht länger in einer isolierten, einzelinstrumentell orientierten Lenkungsperspektive diskutiert werden. Dies gilt vornehmlich auch für den allgegenwärtigen, gebührenrechtliche Anreize überformenden Einfluß ordnungsrechtlicher Zugriffe. 63. Die anreizpolitische Interaktion mit anderen Instrumentarien kann zunächst danach unterschieden werden, ob die Gebühr als pretialer Hebel mit weiteren preislichen Steuerungsstrukturen zusammentrifft (z. B. Abwasserabgabe) oder aber auf ordnungsrechtlich-imperative Steuerungsstrukturen stößt (z. B. Anschluß- und Benutzungszwang), welche den Steuerungsspielraum entgeltpolitischer Maßnahmen regulativ begrenzen. Darüber hinaus erscheint jeweils beachtlich, in welcher Bepreisungs- und Steuerungsabsicht die Gebühr (partiell) durch Seiteneinflüsse berührt wird: Betrachtet man die systematische Ökonomisierung der Nutzung kommunaler (Umwelt-) Güter als zentrales Anliegen gemeindlicher Abgabenpolitik, dann rücken Probleme der Abstimmung und Verzahnung mit anderen Ansätzen der Ökonomisierung in den Mittelpunkt des Interesses. Daneben ergeben sich aber auch in den klassischen Gebührenfunktionen der Finanzierung eher traditionelle Konfliktfelder der Entgelterhebung, etwa in Gestalt des Nebeneinanders von Gebühren und Beiträgen bzw. von Gebühren und Zuweisungen; Gebühren präsentieren sich hierbei gleichsam in der "Fiskalkonkurrenz". 64. Insbesondere die gebührenpolitische Abstimmung mit Beiträgen und Zuweisungen beschreibt ein Problem gesamtwirtschaftlich und ökologisch orientierter Abgabenpolitik: Mit Blick auf das Nebeneinander von Gebüh-

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ren und Zuweisungen übergeordneter Gebietskörperschaften gilt zunächst, daß jede Zuwendung an die Gemeinden, die diese an die Gebührenschuldner gebühreDermäßigend weiterreichen, zu einem öffentlichen Angebot "unter Kosten" führt und daher zunächst dem Anliegen gesamtwirtschaftlicher Kostenverantwortung widerspricht. Allerdings kann es gerade Zweck der Zuweisungsgewährung sein, diesen Zusammenhang aufzuheben - sei es, daß bereits allokative Korrekturen an der kommunalen Rechnungslegung erforderlich sind oder für erforderlich gehalten werden, sei es, daß aus distributiven Gründen ermäßigend auf die Gebührengestaltung eingewirkt werden soll. In diesen Fällen kann es nicht Aufgabe der Gemeinden sein, die Absichten des Mittelgebers zu konterkarieren, indem die Mittel zwar vereinnahmt, nicht aber weitergegeben werden. Hier gehören vielmehr Zuweisungsziele und Vergabepraxis auf den Prüfstand einer allokativ legitimierten und ökologisch orientierten Gebührenpolitik. 65. Aus ökonomischer Sicht wird die Gebührenfähigkeit kommunaler Entsorgungs- und Umweltdienste grundsätzlich zu bejahen sein. Zweifel ergeben sich allerdings bei der Ansiedlung einer internalisierenden Umweltgebühr auf den einzelnen gebietskörperschaftliehen Ebenen. Dabei konnte aufgrund ökonomischer Kriterien der Theorie des Förderalismus herausgestellt werden, daß die kommunale Ebene für überörtliche spill overs (interkommunale Externalitäten) nicht als geeignet anzusehen ist. Als spezifisch kommunale Kompetenzräume zur Erhebung auch internalisierender Entgeltabgaben bleiben daher im wesentlichen örtliche (kommunale i. e. S.) Umweltaufgaben, deren (ökologische) Wirkungen noch im Entscheidungs- und Verantwortungsbereich der Gemeinde inzidieren. 66. Obgleich im Fall refinanzierender Gemeinden eine Weiterwälzung externer Kosten an die Entgeltpflichtigen attraktiv erscheint, da hier haushaltspolitisch "freie Einnahmen" durch Abschöpfen umweltbezogener Knappheitrenten erzielt werden können, muten die kommunalpolitischen Anreize, dem eigenen Kollektiv externe Lasten aufzubürden, dennoch eher zweifelhaft an: Wo dies "freiwillig" geschehen sollte, also im Ermessen des kommunalen Satzungsgebers stünde, dürfte ein kontraproduktiver Unterbietungs-Wettbewerb um interkommunal mobile Faktoren einsetzen- ein Wettbewerbsprozeß, der in der Theorie öffentlicher Güter als "Abstimmung mit den Füßen" zwischen Regionen unterschiedlicher lokaler Güterversorgung diskutiert wird. Die Folge dürfte eine wettbewerblieh veranlaßte Tendenz hin zur Ausgangslösung des erneuten völligen Verzichts auf ZusatzÖkolasteD in der Gebührenhöhe sein ("Öko-Dumping"). Landesrechtlicher Zwang wiederum zum Ausweis der externen Kosten wird letztlich ebenfalls an der Operationalisierungsschwäche der Konzepte scheitern; der Dumping-

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Wettbewerb dürfte hier im Rahmen der Bewertungsspielräume der Gemeinden weitgehend ungehindert ablaufen können. 67. Neben dem interkommunalen Wettbewerb um mobile Faktoren, etwa im Zuge der Standort- und Ansiedlungspolitik der Gemeinden, dürfte auch die Durchsetzung auf politischen Stimmenmärkten der Gemeinde zweifelhaft erscheinen. Auch hier könnte eine Parteienkonkurrenz um Wählerzustimmung zu einem Schleifen des freiwilligen "Öko-Surplus" führen. Die in der Theorie diskutierten Anreizprobleme freiwilliger Internalisierung lassen sich daher für überörtliche Externalitäten letztlich kaum umgehen. Es erscheint daher zweckmäßig, ihre umweltpolitische Inangriffnahme dem Verantwortungsbereich der Gemeinden zu entziehen, wie dies im Gewässerschutzbereich mit der Abwasserabgabe ja bereits geschehen ist. 68. Hinsichtlich der effektiven Lenkungswirkung einer gesamtwirtschaftlich ausgerichteten Gebühr gilt es schließlich, die Wirkungspotentiale abzuschätzen, um so Aufschluß über die Chancen einer auf dem Gebührenwege initiierten Verhaltensänderung im Sinne kommunaler Lenkungsbemühungen zu erhalten. Die Voraussetzungen erfolgreicher Lenkungswirkungen beim Einsatz von Umweltabgaben sind in der Literatur ausführlich erörtert worden. Hierzu zählen u. a. das Vorhandensein von Verhaltensalternativen im Möglichkeitenraum der Zensiten (Substitutionsmöglichkeiten), ein ausreichender Anreizeffekt durch Gegenüberstellung der angedrohten Entzugswirkung und den Kosten der Abgabevermeidung und damit eine merkliche Abgabelast, ferner eine preissensible Dringlichkeitseinschätzung der belasteten Güter seitens der Abgabeschuldner (hinreichend preiselastische Nachfrage) sowie eine verursachungsgerechte bzw. zielgenaue Überbringung der Preissignale an die zur Zahlung Verpflichteten. Mit Blick auf die Gestaltung kommunaler Benutzungsgebühren unter Lenkungsgesichtspunkten ergibt sich daraus bereits, daß neben Faktoren, die außerhalb der Zugriffs- und Beeinflussungsmöglichkeiten der Gemeinden angesiedelt sind (Preiselastizitäten, technische Substitutionsalternativen), auch Bedingungen von erheblichem Gewicht bestehen, die sich für eine gezielte Ausgestaltung der Entgeltabgaben offen erweisen. Hierzu zählen insbesondere die Einbindung der Gebühr in ein kommunal- und entgeltpolitisches Policy Mix, das den Lenkungsbeitrag einer Benutzungsgebühr begrenzt, sowie sämtliche abgabetechnischen Grundvoraussetzungen lenkender Entgeltgestaltung wie der Merklichkeit des pretialen Signals oder dessen zielgenaue (verursachungsgerechte) Ausrichtung auf die zu steuernde Aktivität. Es wird darauf ankommen, gerade diesen gestaltbaren Teil des Lenkungspotentials durch systematische gebührenpolitische Maßnahmen abzusichern und zu erweitern:

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69. (1) Ein instrumentelles Policy Mix definiert maßgeblich die noch verbleibenden Freiheitsgrade für Substitutionsmöglichkeiten der Verbraucher und Produzenten (Anschluß- und Benutzungszwang; verbindliche Entsorgungspfade etc.) und sendet konkurrierende Preis·Signale, die die Lenkungsanliegen der Gebühr konterkarieren können (Zuschläge, überwälzte Abwasserabgabe, Lizenzentgelte). (2) Mit dem offenen Ausweis der Gebührenumlage (und ggf. ihrer Bestandteile), einer angemessenen Gesamt-Höhe des Entgelts und einer adäquaten Tarifgestalt werden die Voraussetzungen für eine Merklichkeitsschwellen überschreitende und konzeptkonform wahrnehmungsfähige Gebühr geschaffen, die dem Signaldestinatar ein zutreffendes Bild von den durch seine Nachfrage ausgelösten gesellschaftlichen Verzichts- und Verdrängungsfolgen vermittelt. (3) Eine verursachungsgerechte Zuordnung der zu überwälzenden Kosten schließlich entscheidet maßgeblich über Zielgenauigkeit und Lenkungspräzision des pretialen Signals. Erfolgreiche Lenkung setzt daher eine störungsfreien und gezielte Impulsübermittlung im Tarif voraus. 70. Dem Postulat der Beachtlichkeit sozialer Gesamtkosten kann bei kommunalen Entgeltabgaben grundsätzlich im Wege der Preiskorrektur Geltung verschafft werden, d. h. das bisher kalkulierte Entgelt wird um externe Zusatzeffekte der Leistungsinanspruchnahme entsprechend nach oben (oder unten) korrigiert. Allerdings hat die bisherige Diskussion bereits deutlich gemacht, daß eine einfache additive Beziehung zwischen "privat kalkuliertem Basisentgelt" und "administriertem sozialem Surplus" nicht existiert. Das Allokationsziel wird sich vielmehr in einem komplexen Zielkatalog einfügen müssen, der eine simple additive Entgeltsynthese aus einzelnen Zielbeiträgen nicht gestattet. 71. Wie bereits herausgestellt wurde, kann gesamtwirtschaftliche Lenkung zudem unterschiedliche Formen annehmen, d. h. auch unter dem volkswirtschaftlichen Knappheitsparadigma sind wohlunterschiedene Ansätze der Preiskorrektur auszumachen: {1) Zur optimalen Verteilung gesamtwirtschaftlicher Ressourcen auf unterschiedliche und miteinander rivalisierende Verwendungsarten müssen auch {kommunale) Umweltgüter mit jenen Knappheitsfolgen belastet . werden, die mit der individuellen Nutzung verbunden sind. Eine allokationsoptimierende Kommunalabgabe hätte daher die Funktion, die über die einrichtungsbezogenen Bereitstellungskosten hinausgehenden volkswirtschaftlichen bzw. sozialen Zusatzkosten der privaten Indienstnahme des Öko-Kapitalstocks zu internalisieren. Die Abgabe bliebe dabei an eine {erweiterte) Kostendimension gebunden; sie wäre insoweit ein monetäres Äquivalent für den volkswirtschaftlichen Werteverzehr und die volkswirtschaftlichen Opportunitätskosten des jeweiligen Ressourcenverbrauchs. {2) Die Nutzung von Umweltgütern kann aber auch mit einer

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Abgabe belastet werden, um das Verbraucherverhalten bewußt nach politischen Zielvorstellungen zu verändern, also die private Nachfrageentfaltung in bezug auf ökologisch sensible Ressourcen zu steuern. Eine solche Lenkungsabgabe hätte z. B. die Funktion, die bisherigen Nutzungsmengen insgesamt zu verringern (wassersparende Maßnahmen, Abfallmengenpolitik, Reduzierung der Schadstoffeinleitung), die Nutzungsstruktur zu beeinflussen (Wahl abfallwirtschaftlicher Entsorgungspfade) oder qualitativ bedenkliche Nutzungsformen einzuschränken. Allgemein bestünde die Aufgabe also darin, nach Maßgabe politisch fixierter Ziele im privatwirtschaftliehen Bereich geeignete Substitutionsprozesse zu induzieren. Die Abgabe löst sich daher zunächst von den Kosten öffentlicher Leistungen und - mangels exakter Kenntnis - auch von den volkswirtschaftlichen Kosten der Abwasserund Abfallbewältigung. Sie muß sich vielmehr an den betriebswirtschaftliehen Substitutionskosten orientieren, um Lenkungserfolge möglich zu machen. 72. Die Abgabepflicht beabsichtigt damit im Rahmen eines theoretischen Internalisierungsansatzes die Anlastung bislang externer Sozialkosten, die mit der individuellen Umweltnutzung für assimilative und depositive Zwecke einhergeht. Auch wenn eine im theoretischen Sinne vollständige Internalisierung aufgrund informationeller Beschränkungen nicht zu leisten ist und die Umweltpolitik zu lenkenden Rechtfertigungsansätzen übergegangen ist, die lediglich die Einhaltung politisch fixierter Qualitätsziele anreizen sollen, so kann aus diesem paradigmatischen Wechsel keineswegs geschlossen werden, daß Internalisierung als Spürbarmachen überindividueller Folgelasten eigenen Handeins für die Umweltpolitik damit obsolet wäre. Als Maßstab für Intensität und Reichweite des hoheitlichen Verknappungseingriffs hat sich die Internalisierung damit zwar verabschiedet, nicht jedoch als richtungweisendes Leitbild grundlegender umweltpolitischer Orientierung. Dies kommt bereits in der unverrückbaren Verankerung des Verursacherprinzips in der Umweltpolitik zum Ausdruck.

73. Obgleich beide Konzepte inhaltlich eng verwandt sind und sich insbesondere zunächst nur über das Ausmaß informationeHer Problemlösungskapazität staatlicher Allokationsinstanzen unterscheiden (marktendogene oder staatliche Zielbestimmung), ergeben sich doch in praktischer Konsequenz weit auseinanderfallende Kalkulationsverfahren und Entgeltausrichtungen. Hierbei stellt sich zugleich das Problem des Wechsels der Begründungszusammenhänge: Eine um die Einbringung sozialer Werteverzehre bemühte Entgeltkalkulation bleibt kostenbezogen und fügt sich zumindest formal in den äquivalenztheoretischen Begründungszusammenhang der Entgeltabgaben. Ein an der pretialen Induktion politisch erwünschter Verhaltensweisen ausgerichtetes Gebühreninstrumentarium büßt diesen Kosten-Nexus

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weitgehend ein und bemißt sich allenfalls entgelt-technisch an privaten Substitutionskosten. Soziale Kosten verflüchtigen sich hier zur pauschalen Legitimationsquelle einer demeritorisierenden Allokationspolitik, bieten aber keinen kalkulatorischen Maßstab mehr. 74. Es stellt sich daher angesichts der praktischen Irrelevanz des strengen Internalisierungs-Ansatzes die Frage, ob an der Fiktion einer unbedingt "kostenechten" Kalkulation festzuhalten ist, die den Kostenbegriff weniger inhaltlich als vielmehr methodisch-abgabetechnisch vor dem Hintergrund tradierter finanzwirtschaftlicher Vorstellungen in kaum konsensfähiger Weise überdehnt. Es erscheint hilfreicher, für die kalkulatorische Behandlung der Gebühren auf ein Kostenäquivalent zugunsten des offenen Eingeständnisses lenkender Spielräume zu verzichten. Das Insistieren auf volkswirtschaftlichen Kostenäquivalenten lenkungspolitisch motivierter Gebührenaufschläge mag legitimationsbegründend wirken und einer tradierten Gebührenauffassung entgegenkommen, ihm droht freilich zugleich ein kontraproduktiver Glaubwürdigkeitsverlust, wenn traditionelle Erwartungen an Konkretisierung und Kalkulierbarkeit von Kostengrößen dabei enttäuscht und letztlich an politische Entscheidungsträger delegiert werden müssen. 75. Diese Position ist jedoch mitnichten gleichbedeutend mit der Freigabe der Gebühr als kommunaler Einnahmequelle oder der Überantwortung eines traditionellen Entgeltinstrumentariums an politische Opportunitäten unter Hintaostellung der Interessen der Gebührenzahler. Mit der (kalkulatorischen) Lösung von einer strengen Kostenorientierung wird vielmehr zugleich ein offener Diskurs über alternative Formen des Gebührenschuldnerschutzes und der Mißbrauchsabwehr in Gang zu setzen sein. Hierbei kommen sowohl Verwendungsauflagen als auch klare gesetzliche Zieleingrenzungen und Kalkulationsvorgaben in Betracht. Betriebswirtschaftliche Probleme 76. Soweit über die Kalkulation sichergestellt werden soll, daß die in der Gebührenbedarfsberechnung als Kosten erfaßten Beträge den durch den Leistungsbezug ausgelösten Werteverzehr vollständig und in "richtiger" Bewertung widerspiegeln, sind wesentlich auch betriebswirtschaftliche Kalkulations- und Rechnungslegungsfragen angesprochen. Bei der Ermittlung des Gebührenbedarfs sind die bei der Erbringung öffentlicher Leistungen verzehrten Produktionsfaktoren so abzugrenzen und zu bewerten, daß eine gesamtwirtschaftlich optimale Allokation der insgesamt vorhandenen knappen Ressourcen angestrebt werden kann. Gestützt auf den zielseitig insoweit erweiterten Auftrag der Gebührenerhebung, auch die Indikation volkswirt-

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schafdieher Knappheiten bzw. die gezielte Verhaltensbeeinflussung beim Verzehr insbesondere ökologisch bedeutender Ressourcen in der Entgeltgestaltung zu berücksichtigen, ist es Aufgabe einer "gesamtwirtschaftlichen Kalkulation" sicherzustellen, daß die im Wege der Gebührenbedarfsberechnungen ermittelten Beträge über den mit dem Leistungsbezug verbundenen Resourcenverbrauch "korrekt" (zieladäquat) informieren und damit ein geeignetes Lenkungssignal setzen. Dies betrifft im Kalkulationsbereich zunächst die Höhe der Gebühr, d. h. Reichweite, Umfang und Wertsansatz der über Gebühren verrechneten W erteverzehre. Die im Rahmen einer betrieblichen Kostenrechnung zu ermittelnden Kosten sollen nicht länger auf Aufwandsgrößen beschränkt bleiben, die der kommunalen Einrichtung durch den Leistungsbezug entstehen, sondern den gesamten Ressourcenverbrauch spiegeln, die mit der privaten Aneignung von (kommunalen) Umweltgütern einhergeht. Daneben rückt erneut auch die Struktur der Entgelte/Gebühren in den Mittelpunkt des Interesses, d. h. die Frage, in welcher Weise ein spezifisch abgegrenztes Kostenaggregat den einzelnen Nachfragern öffentlicher Leistungen individuell zugerechnet werden soll. 77. Eine entsprechend zielseitig erweiterte Kalkulation ist damit einerseits gesamtwirtschaftlich als spezielle Ökonomisierungsform kommunaler Entgeltabgaben anzusprechen, repräsentiert andererseits aus betriebswirtschaftlicher Sicht eine wiederbelebte Form gesellschaftsbezogener Rechnungslegung, die sich gegenüber älteren Formen sozialbilanzieller Berichterstattung und Versuchen eines offenen Sozialkostenausweises als verwandt darstellt. 78. Zu wesentlichen Bausteinen einer gesamtwirtschaftlich, insbesondere ökologisch ausgerichteten Kostenrechnung muß zunächst das Ringen um einen angesichts der gesamtwirtschaftlichen Herausforderungen angemessenen Kostenbegriff gezählt werden, d. h. die Herausarbeitung einer Kostenanschauung, die auch dem speziell um umweltpolitische Zwecke erweiterten Zielsystem gerecht zu werden vermag. Innerhalb einer solchen Kostenlehre sind einzelne Kostenarten zu erörtern; dabei kommt es sowohl darauf an, gegenüber herkömmlichen Kalkulationsmethoden auch neuartige Kostenarten einzubeziehen, die dem erweiterten Kreis relevanter Werteverzehre Rechnung tragen (kalkulatorische Wagnisse, soziale Zusatzkosten), als auch die bei der Verrechnung traditioneller Kostenarten auftretenden strittigen Fragen im volkswirtschaftlich-ökologischen Rechnungslegungszusammenhang in neuem Licht zu betrachten. Dies gilt vorzugsweise für die kalkulatorischen Kapitalkosten (kalkulatorische Abschreibungen, kalkulatorische Zinsen). Als wichtigstes Einzelproblem quer zu der Kostenartenbetrachtung erscheint hier die Bewertung, d. h. die Wertzuweisung des

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zunächst mengenmäßig festgestellten Werteverzehrs. Schließlich sind allgemeine Deckungsfragen zu behandeln, d. h. das Ausmaß, in dem ein projektiertes Gebührenaufkommen das nach Maßgabe der vohergehenden Überlegungen ermittelte Kostenaggregat auszugleichen hat. Neben Fragen des optimalen Deckungsgrades sind in diesem Zusammenhang auch Probleme von Gesamt- bzw. Einzeldeckung, d. h. der sachlichen und zeitlichen Reichweite des Deckungspostulats, sowie evtl. Absetzungen "fiskal konkurrierender" Einnahmen zu erörtern, d. h. es muß festgelegt werden, welcher Kostenblock durch Benutzungsentgelte anstelle anderer staatlicher Einnahme- und Finanzierungsformen {z. B. Beiträge, Zuweisungen, allgemeine Deckungsmittel) abzugelten ist. 79. Die unbestrittene Grundlage der Kalkulation gemeindlicher Benutzungsgebühren stellen die mit der Leistungserstellung und -abgabe anfallenden Kosten dar. Es fragt sich allerdings, welche Kostenvorstellung vor dem Hintergrund der Notwendigkeit gesamtwirtschaftlicher Knappheitsindikation einerseits, hergebrachten Gebührenauffassungen und den sich dahinter verbergenden Kostenlehren sowie dem rechtlich kodifizierten Kostenbegriff andererseits im Rahmen der gemeindlichen Gebührenpolitik als tragfähig anzusehen ist. Zu diesem Zwecke ist es zunächst erforderlich, sich über die differierenden Kostenbegriffe in der Gebührendiskussion und ihre jeweilige Verwurzdung in unterschiedlichen Zielvorstellungen über die kommunale Leistungabgabe Klarheit zu verschaffen. 80. Der wirtschaftliche Kostenbegriff geht grundsätzlich von einem bewerteten Verzehr an Wirtschaftsgütern aus. "Verzehr" versteht sich dabei allgemein als Minderung der in den eingesetzten Gütern jeweils gebundenen Nutzungspotentiale für einen bestimmten Zweck; er ist dabei in sachlicher, zeitlicher und räumlicher Hinsicht abzugrenzen: Die sachliche Begrenzung ist durch den Zweck des Ressourceneinsatzes gegeben, mithin die Erstellung und Verwertung betrieblicher Leistungen; nicht sachzielbezogene ("leistungsbedingte") Güterverbräuche stellen daher keine Kosten dar. In zeitlicher Hinsicht gilt das Periodisierungsgebot: Nur der in der Betrachtungsperiode anfallende bzw. ihr zuzurechnende Verzehr hat Kostencharakter. Bei langjährigen Wirtschaftsgütern mit überjährig einsetzbarem Nutzungsvorrat ist eine zeitliche Abgrenzung der einzelnen Nutzungsperioden erforderlich. In räumlicher Hinsicht schließlich ist danach zu fragen, bei wem der durch betriebliches Wirtschaften eintretende Verzehr anfällt: Der räumliche Horizont des betriebswirtschaftliehen Kostenbegriffs ist an der Wirtschafts- und Rechnungslegungssphäre der betrachteten Wirtschaftseinheit {"Betrieb") ausgerichtet; Güterverzehr, der jenseits dieser Wahrnehmungsgrenze inzidiert, bleibt in der Regel von der Betrachtung ausgeschlossen. Sieht man einmal von theoretischen Ansätzen ab, externe Werteverzehre {"externe Effekte") 4 Gawel

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im Rahmen des Konzepts "gemeinwirtschaftlicher Wirtschaftlichkeit" freiwillig in die einzelwirtschaftliche Rechnung einzubeziehen, so bleibt es wohl dem volkswirtschaftlichen Kostenbegriff vorbehalten, die individuelle Rechnungslegung um Kostenbestandteile zu ergänzen, die außerhalb des Wahrnehmungshorizontes der verursachenden Einheit als soziale Kosten bei Dritten anfallen, etwa als Folge der Nutzung von Umweltmedien als Reststoffempfänger betrieblicher Produktionsabfälle. 81. Der auf diese Weise jeweils erfaßte und abgegrenzte Verzehr ist zunächst eine Gütergröße, der das (mengenmäßige) Ausmaß für betriebliche Zwecke genutzter Ressourcen umschreibt. Diese in Gütereinheiten ("Mengengerüst") zu beschreibende Größe bedarf schließlich der Bewertung: Nach dem jeweils zugrunde gelegten Bewertungsprinzip unterscheidet man im wesentlichen zwei bedeutende Kostenanschauungen: 82. Der pagatorische Kostenbegriff wählt als Bezugssystem der Kostenbewertung tatsächlich am Markt vorgefundene Faktorpreise (Marktpreise) und ist damit an Zahlungsvorgängen orientiert. Zu Kosten kann im Rahmen dieser Deutung nur ein mit effektiven Ausgaben (Änderung des Nettovermögens) verbundener Güterverzehr zählen und entspricht daher in besonderer Weise einer verbreiteten vorwissenschaftliehen Kostenanschauung. 83. Der wertmäßige Kostenbegriff soll demgegenüber eine Informationsund Lenkungsfunktion erfüllen, d. h. die Kostenhöhe soll ein Maß für die Vorteilhaftigkeit der Verwendung von Einsatzgütern geben. Die Vorteilhaftigkeit ist zu messen an dem jeweils mit der Kostenermittlung verfolgten Ziel. Ein solches Ziel kann einmal die optimale interne Verwendung der Produktionsmittel sein; dann hat sich die Bewertung in der Weise zu vollziehen, daß der durch einen alternativen Einsatz sonst mögliche Ertrag (= Opportunitätskosten) minimiert wird. Zielt die Kalkulation hingegen auf die Optimierung einer auch betriebsextern orientierten Mittelverwendung, so nähert sich die Betrachtung der in der Volkswirtschaftslehre analysierten optimalen Ressourcenallokation, die die Preisfestsetzung nach den langfristigen sozialen Grenzkosten zum Zeitpunkt der jeweiligen Güterinanspruchnahme vornimmt. Verbleibt man zunächst in der betrieblichen Sphäre, so kann als Ziel ferner auch die unternehmensbezogene Substanzerhaltung angestrebt werden; dann sind die Kosten so zu ermitteln, daß die durch Kostenverrechnung erwirtschafteten Gegenwerte dauerhaft im Betrieb einsetzbar bleiben und nicht etwa als Betriebsgewinn ausgewiesen und ggf. ausgeschüttet oder dem Betrieb auf andere Weise (Steuern etc.) verloren gehen.

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84. Beide Kostenkonzepte beantworten offensichtlich unterschiedliche Fragestellungen des betrieblichen Rechnungswesens; sie sind als Konzepte zur gedanklichen Erfassung des Phänomens "Werteverzehr" im Rahmen einer zielgerichteten Kalkulation allein nach Zweckmäßigkeit zu beurteilen (angemessener Kostenbegriff). Dabei schließt der wertmäßige Kostenbegriff eine Bewertung zu Marktpreisen als Ausdruck einer speziellen kalkulatorischen Zwecksetzung durchaus mit ein; die pagatorische Kostenlehre kann daher letztlich dem wertmäßigen Kostenbegriff subsumiert werden. Aufgrund dieser umfassenden Anlage des wertmäßigen Kostenkonzepts ist dieses in der modernen Betriebswirtschaftslehre zum herrschenden Kostenbegriff avanciert. 85. Je nach Zweck der betrieblichen Kostenrechnung (interne Wirtschaftlichkeitssteuerung I Kontrolle, Entgeltkalkulation als Teil einer umfassenden Entscheidungs- und Planungsrechnung, Wahrnehmung extern orientierter Informations- und Dokumentationsaufgaben) werden unterschiedliche Kostenkonzeptionen angemessen erscheinen ("different costs for different purposes"). Die betriebswirtschaftliche Kostenrechnung gerät damit zu einem flexiblen Informationsinstrument für unternehmensinterne Zwecke, das man auf unterschiedliche Zielsetzungen hin ausrichten kann. Damit gilt zusammenfassend die in der Betriebswirtschaftslehre herrschende Kostenauslegung, derzufolge unter "Kosten" der in Geld bewertete, periodisierte Verzehr von Faktorleistungen zum Zwecke betrieblicher Leistungserstellung subsumiert wird, dessen Wert nach der zielorientierten Vorteilhaftigkeit ihrer Verwendung zu bemessen ist (wertmäßiger Kostenbegriff). Soweit aber Kosten den bei der Erstellung der Betriebsleistung anfallenden Werteverzehr wertmäßig repräsentieren, muß auch ein Verzehr erfaßt werden, der in einer rein pagatorischen Rechnung keinen Niederschlag findet, da er nicht gleichzeitig zu Ausgaben führt (Zusatzkosten). In derbetriebswirtschaftlichen Kostenrechnung werden daher als kalkulatorisch auch Kosten geführt, die nicht oder in anderer Höhe mit betrieblichem Aufwand bzw. Ausgaben einhergehen. Die kalkulatorische Verzinsung gilt neben der kalkulatorischen Abschreibung als wichtigste kalkulatorische Kostenart. 86. Im Rahmen wertmäßiger Kostenanschauung kommt es daher für die hier verfolgte Fragestellung darauf an, die Zwecksetzung der Kalkulation dem insoweit veränderten gemeindlichen Zielsystem entsprechend - auf gesamtwirtschaftliche Bezüge hin auszurichten. Über die neuartige Zielbestimmung der Kostenrechnung rücken damit betriebswirtschaftliche Überlegungen in die Nähe zum volkswirtschaftlichen Kostenbegriff und den damit verfolgten gesamtwirtschaftlichen Anliegen optimaler Ressourcenlenkung. Für diese zielseitige Neuausrichtung der betriebswirtschaftliehen Kostenkalkulation stehen prinzipiell bereits Ansätze gemeinwirtschaftlicher

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Rechnungslegung und sozialbilanzieller Transzendenz einzelwirtschaftlicher Erfolgskontrolle zur Verfügung. So wird im Rahmen der "Gemeinwirtschaftslehre" etwa diskutiert, inwieweit herkömmliche Formen betrieblicher Rechnungslegung ausreichen, um speziell die Tätigkeiten öffentlicher Betriebe adäquat zu erfassen und zu bewerten. Die Forderungen nach Ergänzung und Modifizierung des tradierten, einzelwirtschaftlich orientierten Rechnungswesens zugunsten gesellschaftsbezogener Rechnungslegungsformen sind dabei ebenso wohlfeil wie ihre Umsetzung in der Praxis als umstritten gelten muß- soweit nicht ohnehin im Rahmen "gesellschaftsbezogener Rechnungslegung" weniger eine kostenseitige Vervollständigung des betrieblichen Rechnungswesens als vielmehr eine allgemeine Sozialberichterstattung für erstrebenswert gehalten oder mit Kapitalfluß- und W ertschöpfungsrechungen andere Ziele der "Gesellschaftsorientierung" verfolgt werden. 87. Die im Rahmen dieser Diskussion angestellten Überlegungen bieten damit zwar eine theoretische Grundlage zur klassifikatorisch-begrifflichen Handhabung sozialer Kosten im Rahmen der Betriebswirtschaftslehre, eine konsensfähige Sozialrechnungslegung konnte sich freilich hieraus bislang nicht entwickeln. Zudem scheint sich trotz bisweilen aufflackernder gegenteiliger akademischer Bemühungen wohl ein Konsens über die praktische Handhabung des Sozialkostenproblems dahingehend gebildet zu haben, daß gesellschaftliche Kosten im Wege hoheitlicher Zuweisung von außen an das Kostenrechnungssystem herangetragen werden. Der Nachweis, daß soziale Kosten dem Konzept des wertmäßigen Kostenbegriffes vollständig subsumierbar sind und damit "echte Kosten im betriebswirtschaftliehen Sinn" darstellen, hat freilich noch nicht zur Durchsetzung einer eigenen kalkulatorischen Kostenart "soziale Zusatzkosten" geführt. Umfangreiche und weitgehend ungelöste Feststellungs-, Zurechnungs- und Bewertungsprobleme externer Vor- und Nachteile betrieblicher Aktivität haben bislang - trotz unverkennbarer Fortschritte bei der Monetarisierung sozialer Folgekosten eine Etablierung als Standardmodul betriebswirtschaftlicher Rechnungslegung verhindert. Auch neuere betriebswirtschaftliche Ansätze umweltorientierter Kostenrechnung (z. B. die "ökologische Umweltkostenrechnung" nach Kloock) scheinen eher an der Erfassung und dem zu Entscheidungszwecken erwünschten getrennten Ausweis umweltschutzbedingter Kostenanteile im Rahmen der jeweiligen Kostenanschauung interessiert zu sein als an der Neuformulierung und Überprüfung hergebrachter Kostenbegrifflichkeiten angesichts neuer ökologischer Herausforderungen. 88. Damit gilt zusammenfassend: Externe Nachteile stellen als soziale Zusatzkosten ohne weiteres (kalkulatorische) Kosten im Sinne des wertmäßigen Kostenbegriffes dar. Ihre "freiwillige" Einbeziehung scheitert freilich

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bisher einerseits an weitgehend ungelösten Ermittlungs- und Bewertungsproblemen; andererseits bestehen erhebliche Anreizprobleme seitens des Kalkulationsträgers, "freiwillig" zu internalisieren (vgl. Ziff. 66 f.). 89. Nach Feststellung der zielorientiert abgegrenzten und entsprechend bewerteten Kostensumme, die die Bereitstellung öffentlicher Leistungen (gesamtwirtschaftlich) auslöst, bleibt als kommunales Entscheidungsproblem ferner die Frage, welcher Anteil dieser Kosten durch Auferlegung von Benutzungsgebühren zu decken ist. Sieht man an dieser Stelle von Problemen der "Fiskalkonkurrenz" zunächst ab, d. h. von der Möglichkeit, bestimmte Kostenteile alternativ auch über Beiträge oder Zuschüsse zu finanzieren (vgl. Ziffer 64), so ist damit wesentlich die Frage nach dem anzustrebenden Kostendeckungsgrad angesprochen. 90. Nach verbreiteter Vorstellung hält das im Kommunalabgabenrecht der Länder verankerte Kostendeckungsgebot eine zweifache Grenzziehung bereit: Als Grenze nach oben verbiete es die Vereinnahmung von Mitteln über die relevante Kostensumme hinaus (Gewinnerzielungsverbot), als Grenze nach unten gebiete es ferner, sämtliche angefallenen Kosten durch Gebühren (bzw. den hierauf nach Abzug von Beiträgen und Zuschüssen entfallenden Anteil) decken zu lassen. Für kostenrechnende Einrichtungen besteht mithin das Ideal der Vollkostendeckung, von der freilich nach unten hin abgewichen werden darf, indem andere Komponenten des gemeindlichen Zielsystems oder ein starkes öffentliches Interesse an der Güterbereitstellung eine entsprechende Unterdeckung nahelegen. 91. In diesen traditionellen Kostendeckungszusammenhang fügt sich die hier entwickelte gesamtwirtschaftliche Kalkulationssystematik bruchlos ein: Nimmt man zunächst von Vorstellungen Abstand, der Imperativ der Kostendeckung treffe bereits materiell Aussagen über das zu verrechnende Kostengesamt, so erkennt eine ökologische Kalkulation ebenso sehr die Maxime der Gewinnvermeidung an wie sie sich zugleich im Rahmen des Verursacherprinzips dem Gebot der Vollkostendeckung verpflichtet sieht. Daß die Einhaltung des Gewinnerzielungsverbotes freilich durch die mögliche Erzielung freier Einnahmen im Rahmen internalisierender Gebührensetzung eine (nicht unproblematische) neue Akzentuierung erfährt, ist bereits in Ziff. 59 ff. erörtert worden. Dennoch bleibt die Feststellung, daß stets nur die Abgel· tung effektiver Ressourcenverbräuche durch die Gebühr erfolgt, d. h. (gesamtwirtschaftliche) Kosten gedeckt werden. Soweit man als Anliegen des Kostendeckungsprinzips auch den Gedanken der gerechten Lastverteilung anerkennt, demzufolge die Nutzer einer gebührenpflichtigen Leistung - und nicht etwa die Allgemeinheit - für die daraus erwachsenden Kosten zu belangen sind, so führt gerade die ökologische Kalkulation zu

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einer ökonomisch befriedigenden Abgrenzung der Kostentragung nach dem Verursacherprinzip; eine Abwälzung von Kosten auf die Allgemeinheit wird so gerade verhindert bzw. beendet. Daher kann unter diesem Gesichtspunkt des Kostendeckungsgebotes wohl kein Widerspruch zum lenkenden Gebühreneinsatz konstruiert werden. Der dennoch verbleibende besondere Charakter abgeschöpfter Knappheitsrenten sollte vielmehr zu speziellen Vorkehrungen Anlaß geben, um die faktische Gewinnqualität aus der Sicht der erhebenden Gebietskörperschaft gebührenpolitisch zu neutralisieren. Eine Verkürzung des Kostendeckungsprinzips auf die Budget-Perspektive des jeweiligen Gemeindehaushalts erscheint freilich nicht sachadäquat. Die sich aus dieser speziellen Sicht allerdings ergebenden Probleme der "einzelwirtschaftlichen Überschußerzielung" mögen jedoch im Wege haushaltswirtschaftlicher Sonderregelungen aufgefangen werden. 92. Eindeutiger hingegen fällt die Kongruenz einer verursacherorientierten volkswirtschaftlichen Gebührengestaltung mit dem Ziel der Vollkostendeckung aus: Jeder ökonomischen Aktivität sind grundsätzlich sämtliche hierdurch ausgelösten Verzichte (- Opportunitätskosten} an anderer Stelle der Gesamtwirtschaft in Rechnung zu stellen. Daß sich überdies der anzustrebende Kostendeckungsgrad nach Maßgabe des jeweils verfolgten gemeindlichen Zielbündels letztlich als kommunales Entscheidungsproblem darstellt, liegt nach den allgemeinen Ausführungen zur Zielbedingtheit der Entgeltgestaltung auf der Hand: Neben der primären Preisfunktion der Gebühr (verursachergerechte Vollanlastung sämtlicher durch eine Güternutzung ausgelösten Ressourcenverbräuche) bestimmen weitere allokative Aspekte (externe Nutzen, öffentliches Interesse), meritorische und distributive Überlegungen, in welchem Umfang die Kosten der Inanspruchnahme der öffentlichen Leistung durch Gebührenerhebung effektiv zu decken sind. Es kann gezeigt werden, daß bereits aus allokativen Gründen eine Unterdeckung bis hin zum Extremfall eines "Nulltarifs" - wenngleich gegen Ergebung einer Grund- oder Mindestgebühr - angezeigt sein kann, z. B. bei Gefahr desAusweichensauf illegale Entsorgungspfade. 93. Das Kostendeckungsprinzip als formale Vorschrift gibt sich damit keineswegs lenkungsfeindlich" -im Gegenteil. Als hinderlich erweist sich vielmehr eine tradierte Auslegung, die a priori nur bestimmte Kosten in einer je bestimmten Bewertung zulasssen will, welche nicht mit allen Kalkulationsabsichten offener Ressourcenlenkung harmonieren. Lenkungsfeindlichkeit könnte überdies nur dann festgestellt werden, wenn sich Lenkung von der Sozialkostenorientierung emanzipieren wollte: Wenn Lenkung erst dort ausgemacht wird, wo sie sich von der Sozialkostenperspektive zu lösen beginnt, mag dies angängig erscheinen. Eine (sozial-) kostensensible Lenkung ("qualifizierte Lenkung") hingegen steht hierzu nicht im Wider-

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spruch. Aufgrund des notwendig formalen Charakters des Deckungsgebotes aber ist - wie bereits herausgestellt wurde - die Diskussion der materiellen Aspekte, insbesondere der Kalkulationsziele von größerer Bedeutung. Alles konzentriert sich dann auf den Begriff der öffentlichen Leistung, dessen Inanspruchnahme die Gebührenpflicht dem Grunde nach auslöst und der Höhe nach begründet. Nach gesamtwirtschaftlichem Verständnis ist die mit der Güterbereitstellung verbundene Leistung nicht auf denjenigen Teil begrenzt, für den der öffentliche Anbieter unter Einsatz seines Vermögens Werteverzehr erlitten hat; Leistung ist vielmehr der soziale Gesamtwert abgegebener Güter zu Opportunitätskosten. 94. Im ZusaUJ.menhang mit der zeitlichen Erstreckung des Kostendekkungsprinzips wird auch intensiv darüber diskutiert, inwieweit sich die aufgrund der Gebührennachkalkulation in der Regel ergebenden Fehlbeträge oder Überschüsse in die Bedarfsberechung kommender Rechnungsperioden einbezogen werden sollen. Sieht man einmal von rechtswidrigen Fehlkalkulationen ab, so wird Über- bzw. Unterdeckung im Rahmen betriebswirtschaftlicher Kalkulationsgrundsätze zunächst mehrheitlich der Kostencharakter abgesprochen, da es sich um periodenfremde Aufwendungen handelt. Fehlbeträge oder Überschüsse der Vergangenheit sind demnach keine Kosten der laufenden Periode und mithin nicht verrechenbar. Dies gilt erst recht aus volkswirtschaftlich-allokationstheoretischem Blickwinkel, da hier stets die zum Zeitpunkt der Disposition über Ressourcen maßgeblichen Kosten relevant erscheinen. Allerdings erscheint bei grundsätzlicher Anerkennung des finanzwirtschaftliehen Ziels der Refinanzierung der betroffenen öffentlichen Einrichtung die Zurückweisung von Beträgen als "periodenfremd" überzogen, soweit es sich lediglich um schätzungs- und prognosebedingte erratische Kostenabweichungen handelt - sei es, daß die tatsächliche Kostensumme von der geschätzten abweicht, sei es, daß die Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung von der geplanten Nutzungsmenge abweicht und sich daher der Gebührensatz als fehlerhaft erweist. Gegen die Verrechnung mit der Folgeperiode werden aus allokativer Sicht vor diesem Hintergrund kaum Bedenken geltend gemacht werden können, soweit sichergestellt ist, daß sämtliche Diskrepanzen auf zufälligen oder schätzbedingten Abweichungen beruhen. Anders zu beurteilen sind freilich Überlegungen, die Deckungsperiode von vorneherein auf mehrere Kalenderjahre auszudehnen. Hier werden Spielräume geschaffen, eine Gebührenfestsetzung nach Maßgabe kommunalpolitischer Opportunität vorzunehmen, die erst in mittelfristiger Perspektive zum Ausgleich gezwungen wäre. Insbesondere eine willkürliche Nachholung gewollter Unterdeckungen in Vorperioden wäre damit möglich. Hilfreicher erscheint hier eine strenge Periodenfixie-

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rung der Kalkulation in Verbindung mit einer Vortragsmöglichkeit auf die Nachbarperiode bei unabweisbarer Fehlkalkulation. 95. Das für die Durchsetzung gesamtwirtschaftlicher Kostenverantwortung maßgebliche Verursacherprinzip ist auch für die Klärung der Frage nach der institutionellen Reichweite der Kostendeckungsvorschrift, d. h. dem Problem der Gesamt- bzw. Einzeldeckung, hilfreich: Danach hat ebenso wie die Kostenteilung zwischen Nutzern und Allgemeinheit (Gebührenfähigkeit der Leistung bzw. Finanzierung aus allgemeinen Steuermitteln), zwischen einzelnen Nutzern (Verursachergerechtigkeit des Tarifsystems) und der Gestaltung des ökonomischen Maßstabes der Bemessung (Abgrenzung homogener gebührenfähige Elementargüter) auch die nach institutionellen Einrichtungen erfolgende Deckungsregel auf das Prinzip der Verursachergerechtigkeit Rücksicht zu nehmen: Damit kommt grundsätzlich nur eine Einzeldeckung in Frage, d. h. Quersubventionierungen zwischen Einrichtungen, Einrichtungsteilen oder heterogenen Teilleistungen derselben Anlage sind zu vermeiden, da sie Preissignale verzerren und Nutzer mit Kosten fremder Einrichtungen oder Leistungen belasten. Die in der juristischen Literatur als Gefamtkostendeckung verstandene Kostendeckungsregel ist daher ökonomisch zu präzisieren, indem die Verbindung zu dem für die Binnendifferenzierung der Entgelte als maßgeblich angesehenen Äquivalenzprinzip klarer herausgearbeitet wird: Nicht mehr nur grober Mißbrauchsschutz des Gebührenschuldners, sondern der Anspruch auf verursachungsgerechte Kostenanlastung tun hierbei not. 96. Im Rahmen einer gesamtwirtschaftlich orientierten Kalkulation stehen neuere volkswirtschaftliche und herkömmliche betriebswirtschaftliche Ansätze nur scheinbar im Widerspruch zueinander: Es ist nicht zuletzt das Anliegen dieser Untersuchung aufzuzeigen, daß der Einsatz kommunaler Entgeltabgaben im Dienste gesamtwirtschaftlicher Ressourcenschonung nach dem Leitbild einer auch volkswirtschaftlich "richtigen" Preisbildungsstrategie als gesamtwirtschaftliche Zielvorgabe zur Vornahme betrieblicher Kalkulations- und Bedarfsermittlungsrechnungen betriebswirtschaftliehen Konzepten öffentlicher Wirtschaftseinheiten nicht widersprechen müssen. Vielmehr muß auch bei gesamtwirtschaftlichen Zielgrößen letztlich eine betriebswirtschaftlich überzeugende Kalkulationskonzeption gefunden werden. Dies bedeutet nicht etwa Verzicht oder Überwölbung, sondern konsequente, zielorientierte Fortführung der wertmäßigen Kostenlehre als universell verwendbares und hoch entwickeltes methodisches System der betrieblichen Rechnungslegung; die theoretische Klammer für eine derartige Verknüpfung bietet der wertmäßige Kostenbegriff. Eine künstliche Dichotomisierung des Problemfeldes in eine volkswirtschaftliche und eine betriebswirtschaftliche Dimension erscheint daher irreführend und wird hier zugunsten

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eines ganzheitlich-" ökonomischer" Ansatzes abgelehnt: Gesamtwirtschaftliche Orientierungen geben eine kalkulatorische Zielsetzung vor, die im Rahmen betriebswirtschaftlicher Rechnungslegungsformen angemessen und rechtssicher auszufüllen ist. Der Einsatz kommunaler Entgeltabgaben im Dienste dezentraler Umweltpolitik und gesamtwirtschaftlicher Ressourcenschonung nach dem Leitbild einer auch volkswirtschaftlich "richtigen", d. h. zieladäquaten Preisbildungsstrategie bildet einen ökonomischen Ansatz der Entgeltgestaltung aus, der als gesamtwirtschaftliche Zielvorgabe für betriebliche Kalkulationszwecke nicht im Konflikt zum wertmäßigen Kostendenken in der kommunalen Abgabenwirtschaft steht. 97. Die auf diese Weise gegenüber herkömmlichen Entgeltbedarfsberechnungen erforderlich werdenden Neuerungen muten entsprechend gemäßigt an: Neben einer stärkeren Akzentuierung kalkulkatorischer Wagniskosten treten im wesentlichen eine konsequente Kostenbewertung zu Zeitwerten sowie eine gewisse Modifizierung des herkömmlichen Kostendeckungsdenkens in Erscheinung. Als Ergebnis kann eine vorläufige lmplement4tionsagenda formuliert werden, d. h. die resümierende Herausstellung desjenigen Teils des zuvor diskutierten Reform-Programmes, der sich aufgrund der ökonomischen Diskussion volks- und betriebswirtschaftlicher Aspekte als besonders dringlich und empfehlenswert darstellt. Den ökonomischen Desiderata einer kommunalen Gebührenpolitik sind anschließend Änderungsnotwendigkeiten im Rechtsrahmen und Probleme einer politischen Umsetzung beizusteHen, deren Bewältigung es erlauben könnte, den (zuvor bereits) gefilterten Reformbedarf in der Gebührenfrage rechtspolitisch umzusetzen. Die ausführliche Diskussion ökonomischer Aspekte gesamtwirtschaftlich ausgerichteter kommunaler Entgeltabgaben hat gezeigt, daß einzelne Bausteine einer zunächst als umfassend gedachten Umgestaltung der Gebühr zu einem veritablen administrierten Ressourcenpreis bereits ökonomisch nicht sinnvoll anmuten, so z. B. die Internalisierung überörtlicher Externalitäten. Mit Blick auf ein insoweit "geläutertes" Programm einer gesamtwirtschaftlichen Neuorientierung der kommunalen Benutzungsentgeltordnung ergeben sich drei Schwerpunkte: 98. Es muß sichergestellt sein, daß im Bereich von Ver- und Entsorgung eine konsensuale Verpflichtung des umweltrelevanten kommunalen Entgeltsystems auf eine (insbesondere ökologische) Lenkungsverantwortung gelingt. Hierzu ist das kommunale Zielsystem der Gebührenerhebung explizit zu erweitern. 99. Im Rahmen einer "ökologischen Kalkulation" sind die Grundlagen für die Umsetzung eines ressourcenschonenden Lenkungspreises in Gestalt der Gebühr dadurch zu schaffen, daß die zur Umlage kommenden Kosten ziel-

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adäquat abgegrenzt, erlaßt und bewertet werden. Als hierzu angemessener Kostenbegriff wird der wertmäßige Kostenbegriff der Betriebswirtschaftslehre für ausreichend und zweckmäßig gehalten. Die Herausarbeitung einer Kostenanschauung, die auch dem um umweltpolitische Zwecke erweiterten Zielsystem gerecht zu werden vermag, erfordert allerdings (deklaratorische) Klarstellungen, die verdeutlichen, welchem Ziel die Kalkulation verpflichtet ist. Innerhalb einer solchen Kostenlehre sind einzelne Kostenarten neu aufzunehmen, z. B. kalkulatorische Umweltwagnisse. Von der Einbeziehung sozialer (externer) Kosten wird bereits ökonomisch grundsätzlich abgeraten, soweit es sich um interlokale Externalitäten handelt. Bei intrakommunalen externen Effekten kommen etwa im Bereich der Abfallentsorgung Preisgestaltungen in Betracht, die intertemporale Knappheitsentwicklungen antizipieren und den Gegenwarts-Verursachern in Rechnung stellen. An derartige Sozialkostenzuschläge, die in ihrer Höhe lediglich geschätzt werden können, sind besonders strenge Anforderungen zu stellen. Gegenüber herkömmlichen Kalkulationsmethoden sind auch die bei der Verrechnung traditioneller Kostenarten auftretenden strittigen Fragen im volkswirtschaftlich-ökologischen Rechnungslegungszusammenhang in neuem Licht zu betrachten. Dies gilt vorzugsweise für die kalkulatorischen Kapitalkosten (kalkulatorische Abschreibungen, kalkulatorische Zinsen). Als wichtigstes Einzelproblem erscheint hier die Frage der Bewertung, d. h. die Wertzuweisung des zunächst mengenmäßig festgestellten Werteverzehrs zu aktuellen Opportunitätskosten. Aufgrund der mangelnden Operationalisierbarkeit ergibt sich legitimatorisch zumindest eine Stützung wiederbeschaffungszeitwertorientierter Kalkulation. Gebührensubventionierungen durch alternative Einnahme- und Finanzierungsformen (z. B. Beiträge, Zuweisungen, allgemeine Dekkungsmittel) sind nach Maßgabe fehlender allokativer Rechtfertigung abzubauen, da sie die Kostenrelationen verzerren. 100. Mit Blick auf die Umlage der auf diese Weise ermittelten Werteverzehre ergibt sich die Forderung, eine auch im Binnenraum kostenorientierte und verursachergerechte Unterverteilung auf die Gebührenschuldner zu ermöglichen. Die Kostenschlüssel können dabei den engeren betriebswirtschaftlich-einrichtungsbezogenen Kalkulationshorizont transzendieren und auf gesamtwirtschaftliche Grenz- bzw. Durchschnittskosten referieren, soweit diese bei der Kalkulation der Kostensumme bereits in Rechnung gestellt wurden. Die Kostensensibilität der Gebührenumlage im Rahmen möglichst verursachergerechter Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe unterliegt der Optimierung zwischen (Grenz-) Ertrag aus der korrekten Zuweisung und dem (Grenz-) Aufwand der Ermittlung und Anlastung. Dem kommunalen Satzungsgeber ist daher aufzugeben, Maßstäben der Verursachungsgerechtigkeit bei sämtlichen Maßstabs-, Bemessungs- und Tariffragen der Gebührenerhe-

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bung- soweit vertretbar- Geltung zu verschaffen. Gegenüber der Kalkulationspraxis deutlicher fallen damit die - rechtlich freilich leichter implementierbaren - Veränderungsnotwendigkeiten hinsichtlich der Struktur der Entgelte aus: Eine konsequent am Verursacherprinzip orientierte ökologisch orientierte Kostenüberwälzung greift dabei in Entgelttatbestand, Entgeltmaßstab und Entgelttarif zum Teil erheblich ein. In diesem Zusammenhang genießen verursachergerechte Anlastungsverfahren sachlichen Priorität gegenüber Versuchen einer Vervollständigung der Kostenartenrechnung ("Höhe der Gebühr"), denn nur ein zielgerecht überbrachtes preisliches Signal vermag die beabsichtigten Verhaltensänderungen zu induzieren- selbst wenn die hierbei zugrunde gelegte Entgelthöhe aus konzeptioneller Sicht noch Schwächen aufweist.

Kalkulatorische Kosten 101. Als relevante Kostenarten im Rahmen der Gebührenbedarfsberechnung kommen zunächst alle nach betriebswirtschaftliehen Grundsätzen ansatzfähige Kostenarten in Betracht. Von besonderer Bedeutung, weil nach unterschiedlichen Kostenbegriffen strittig, sind dabei sog. kalkulatorische Kosten, d. h. Werteverzehre, die nicht oder nicht in gleicher Höhe in der gleichen Rechnungsperiode zu Ausgaben führen. Kalkulatorische Abschreibungen sollen tatsächlich eingetretene Wertminderungen als Kosten erfassen, die als Folge der betrieblichen Nutzung von Wirtschaftsgütern entstehen, welche dem Betrieb länger als eine Abrechnungperiode zur Verfügung stehen. In der anwendungsorientierten Gebühren-Literatur werden üblicherweise zwei Haupt-"Funktionen" von Abschreibungen unterscheiden, die unterschiedliche betriebswirtschaftliche Sichtweisen des Phänomens des Werteverzehrs langlebiger Wirtschaftsgüter und dessen periodengerechter Erfassung verkörpern und daher an gesamtwirtschaftlichen Maßstäben noch zu messen sind: 102. Hierzu zählen (1) die "Verteilungsfunktion" kalkulatorischer Abschreibungen: Der bei der Anschaffung eines langlebigen Wirtschaftsgutes hinzugebende Betrag entspricht nicht dem Werteverzehr des Erwerbsjahres, sondern ist nach Maßgabe der in den einzelnen Nutzungsperioden eintretenden sachzielbezogenen Wertminderung des Anlagevermögens auf die Abrechnungszeiträume verursachungsgerecht zu verteilen. (2) Ferner soll einer "Finanzierungsfunktion" zufolge aus den über Entgelte verrechneten, d. h. dem Betrieb über Gebühren wieder zufließenden Abschreibungsgegenwerten zu einem späteren Zeitpunkt eine Ersatzbeschaffung des verbrauchten Wirtschaftsgutes möglich sein. Der Ansatz von kalkulatorischen Ab-

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schreibungskosten in der Gebührenkalkulation stellt damit sicher, daß über die Entgelte Abschreibungsgegenwerte in einer Höhe zurückfließen, die nach Ablauf der Nutzungsdauer die Finanzierung einer Wiederbeschaffung ermöglichen. 103. Strittig ist bei der Bemessung kalkulatorischer Abschreibungen für die Kalkulation von Benutzungsgebühren i. d. R. nur die Bewertungskomponente (Bewertung zu Anschaffungs-, Zeit- oder Wiederbeschaffungswerten). Daneben ist die Behandlung von Kapitalanteilen Dritter (Beiträge, Zuweisungen) bei der Abschreibungsverrechnung von Bedeutung. 104. Kalkulatorische Zinsen stellen das Entgelt für die Bereitstellung des betriebsnotwendigen Kapitals dar. Sie sind grundsätzlich unabhängig von der Kapitalstruktur (Eigen-, Fremdkapital) zu berechnen, da auch der Einsatz von Eigenkapital in einem Gebührenhaushalt Kosten in Höhe des Verzichts auf alternative Anlage- und Verwendungsmöglichkeiten bedeutet {Opportunitätskosten). Die Kommunalabgabengesetze der Länder erkennen daher regelmäßig kalkulatorische Zinsen als Kostenbestandteil grundsätzlich an und sehen eine "angemessene Verzinsung des aufgewandten Kapitals" bei der Gebührenbedarfsberechnung vor. Vor dem Hintergrund der gesamtwirtschaftlichen Kalkulationsziele stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage nach dem Wertansatz für das "aufgewandte Kapital", dem kalkulatorischen Zinssatz sowie der Behandlung und Bewertung des sog. Abzugskapitals. 105. Für eine ökologisch orientierte Vollkostenrechnung sind daneben aber auch Kostenarten von Bedeutung, die in der herkömmlichen Gebührendebatte bislang kaum eine Rolle gespielt haben: Umweltbedingte kalkulatorische Wagnisse und kalkulatorische Sozialkosten. 106. Nach den Maßstäben der volkswirtschaftlichen Preistheorie sind sämtliche in die Entgeltkalkulation einzubeziehenden Faktorverbräuche mit den zum Zeitpunkt ihrer Inanspruchnahme geltenden Knappheitspreisen zu bewerten. Dahinter steht die Vorstellung, daß individuelle Entscheidungen der Nachfrager nach (hier: öffentlichen) Leistungen nur dann zu einer gesamtwirtschaftlich optimalen Situation führen, wenn die Gebühren die im Zeitpunkt der Entscheidung herrschenden Knappheitsverhältnisse für alle eingesetzten Produktionsfaktoren widerspiegeln. Auf diese Weise werden die Nutzer mit den dadurch ausgelösten Verzichtsfolgen (Opportunitätskosten) korrekt belastet, anhand derer individuell entschieden werden kann, ob der eigene Bedarf im Lichte gesellschaftlicher Dringlichkeit konkurrierender Verwendungen der genutzten Ressourcen Bestand haben kann. Insoweit könnte in der Tat von einem in der Allokationstheorie maßgeblichen "Zeitwert" gesprochen werden, der sich von fiktiven Zukunfts- oder historischen

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und damit i. d. R. überholten Vergangenheitswerten abhebt. In der Allokationstheorie ist hier freilich von Schattenpreisen die Rede, welche den gesamten Werteverzehr unabhängig von ihrer effektiven (Markt-) Bepreisung bündeln. Offen bleibt damit allerdings, ob diese Feststellung über die "Zeitnähe" allokationstheoretischer Bewertungsregeln für die kommunalabgabenwirtschaftliche Kontroverse um die zutreffende Bewertung von Faktorverbräuchen Klärendes bereithalten kann. Dies könnte nur dann bejaht werden, wenn der so verstandene volkswirtschaftliche "Zeitwert" mit einer der in der betriebswirtschaftliehen Kalkulations- und Bewertungslehre befürworteten Wertgröße übereinstimmen würde. Dies aber ist ersichtlich nicht der Fall: Selbst wenn man zunächst davon absehen wollte, daß zeitwertorientierte Kalkulation höchst unterschiedliche Ausprägungen erfahren hat und eine einheitliche Zeitwertdefinition in der Theorie des betrieblichen Rechnungswesens nicht existiert, so bleibt die grundsätzliche Feststellung, daß kalkulatorische Zeitwerte regelmäßig andere Bewertungszwecke verfolgen als die Sicherstellung paretaoptimaler Allokationszustände der Gesamtwirtschaft. Vor diesem Hintergrund erscheint die Favorisierung eines volkswirtschaftlichen Bewertungs-Reglements keineswegs als Stütze gängiger Zeitwert-Argumentationen, sondern vielmehr als tertium, das auch die tradierten Zeitwertkalkulationen in Frage stellen würde. 107. Im Rahmen volkswirtschaftlich optimaler Preisbildung geht es- hinsichtlich der Zeitdimension der Preisermittlung - naturgemäß weniger um betriebswirtschaftliche Wiederbeschaffung als um Fragen intra- und intertemporaler Optimierung der Ressourcennutzung. Der in der Betriebswirtschaftslehre diskutierte Zusammenhang der Wiederbeschaffung im Leistungserstellungsprozeß eingesetzter Wirtschaftsgüter und die damit zu leistende Substanzerhaltung eines historischen Kapitalstocks erscheinen unter dem Gesichtspunkt volkswirtschaftlicher Preisregeln sekundär. Allerdings wird aus volkswirtschaftlicher Sicht die Unhaltbarkeit historischer Wertansätze unterstrichen: Historische Wertansätze sind bei der Lebensdauer kommunaler Einrichtungen der Ver- und Entsorgung nicht geeignet, den gegenwärtigen Verzehr an Leistungen angemessen widerzuspiegeln. Gesamtwirtschaftliche Preisbildungsund Allokationsregeln können daher zumindest qualitativ die Verwendung zeitnaher Bewertungsmaßstäbe stützen. 108. Für die Verrechnung von Abschreibungen im Bereich kommunaler Entsorgungsbetriebe folgt daraus der uneingeschränkte Einsatz von Wiederbeschaffungszeitwerten in der Kalkulation. Zwar wurde im theoretischen Teil ausgeführt, daß es nicht Zweck einer gesamtwirtschaftlichen Kapitalkostenermittlung sein kann, der kalkulierenden Einheit die bloße Weiterführung des Betriebes durch ausreichende Zuführung von Rückflußkapital zu

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ermöglichen. Dennoch wurde dort bereits auf ambitioniertere allokative Bewertungsabsichten unter Praktikabilitätsaspekten verzichtet zugunsten einer betriebswirtschaftliehen Erhaltungskonzeption, die durch ihre Zeitwertausrichtung und ihren Gegenwartsbezug verursacherorientierten Bewertungsregeln nahe steht. Dabei wurde der Einsatz von Wiederbeschaffungszeitwerten · als Ausdruck substanzerhaltender Kalkulationsabsichten · als vertretbares Substitut auch im Rahmen gesamtwirtschaftlicher Gebührenkonzeptionen befürwortet. 109. Dem steht auch nicht die Einrede entgegen, im Rahmen einer sog. Netto-Substanzerhaltung komme es lediglich auf die reale Wiedergewinnung des investierten Eigenkapitals an; eine Substanzerhaltung auch fremdfinanzierter Vermögensteile ("Brutto-Substanzerhaltung") führe zu einer problematischen Verschiebung der Kapitalstruktur im Zeitablauf, die nicht Aufgabe substanzerhaltender Kalkulation sein könne. Auch wenn die Beschränkung kapitalerhaltender Kalkulationsabsichten auf den Eigenkapitalanteil in der betriebswirtschaftliehen Bilanztheorie (nicht aber der Kostenrechnung) mittlerweile als herrschend anzusehen ist, folgt hieraus keine Relevanz für gesamtwirtschaftlich orientierte Rechnungslegungsformen: Der Surrogatcharakter der realen Kapitalerhaltung für schattenpreisorientierte gesamtwirtschaftliche Zeitwerte macht eine von der Kapitalstruktur abstrakte aktuelle Bewertung des gesamten bedtriebsnotwendigen Vermögens erforderlich. Die Brutta-Substanzerhaltung ist mithin als eine adäquate Ersatzkonzeption für allokationstheoretisch "richtige" Zeitwerte anzusehen. 110. Aus dem wertmäßigen Kostenbegriff folgt bei gesamtwirtschaftlicher Orientierung der Kalkulation grundsätzlich auch für kommunale Regie- und Eigenbetriebe die Erhaltung der betrieblichen Substanz als unabdingbares MinimalzieL Dies harmoniert im übrigen mit dem Auftrag der Gemeinden zur Daseinsvorsorge als pflichtiger Daueraufgabe und damit zur Substanzerhaltung ihrer Betriebseinheiten. Danach kann im Grundsatz eine zumindest auf reale Kapitalerhaltung gerichtete Kalkulation von Abschreibungen als sachadäquat betrachtet werden. Hierzu ist auf fortgeführte Anschaffungsoder Herstellungswerte (i. e. Zeitwerte) zurückzugreifen, die den in der Zwischenzeit eingetretenen Kaufkraftverfall des investierten Gesamt-Kapitals berücksichtigen. 111. Im Rahmen einer volkswirtschaftlichen Betrachtung tritt daneben das Ziel einer Spiegelung aktuellen Werteverzehrs in den Entgelten, d. h. nicht die Wiedergewinnung investierten Kapitals, sondern die Indikation gesamtwirtschaftlicher Knappheit ist über die Bewertung des Anlagevermögens sicherzustellen. Auch wenn beide Bewertungszwecke zu unterschiedlichen Wertansätzen führen (volkswirtschaftlicher Schattenpreis des

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Restanlagevermögens versus Wiederbeschaffungszeitwert bezogen auf reale Kapitalerhaltung), ist beiden doch gemeinsam, daß sie Bewertungsregeln mit historischen Wertziffern als unbrauchbar zurückweisen: Anschaffungs- und Herstellungskosten der u. U. weit zurückliegenden Investitionsperiode berücksichtigen weder zwischenzeitlich eingetretene Kaufkraftveränderungen des im Anlagevermögen gebundenen Kapitals noch dessen Knappheitsvariation im gesamtwirtschaftlichen Kontext; historische Werte erweisen sich gegenüber zwischenzeitliehen Bewertungsveränderungen grundsätzlich als blind. Dies muß als um so mißlicher gelten, je länger die Nutzungs- und Kapitalbindungsdauer anhält und damit veraltete Wertansätze Gültigkeit beanspruchen. 112. Die Bewertung des zu betrieblichen Zwecken eingesetzten Kapitals kommunaler Entsorgungsbetriebe hat nach dem hier verfolgten Ansatz gesamtwirtschaftlicher Kostenverantwortung grundsätzlich nach volkswirtschaftlichen Opportunitätskosten zu erfolgen. Orientiert sich die Gebührenkalkulation an den langfristigen Grenzkosten, so folgt aus einem volkswirtschaftlichen Opportunitätskostenkalkül, daß langfristig gebundenes Kapital zeitwertorientiert zu bewerten ist. Allerdings ist zu berücksichtigen, daß bei der Verzinsung der gebundenen Kapitalien betriebswirtschaftlich keine Substanzerhaltungszwecke mehr verfolgt werden, sondern die Erfassung des Nutzenentgangs einer der Verfristung unterliegenden Dispositionschance anstreben {Kapital als dem Werteverzehr unterliegende "Vorrätigkeit"). 113. Die kalkulatorische Verzinsung von betrieblichen Eigenmitteln ist im Rahmen der unbestritten herrschenden wertmäßigen Kostenanschauung Standard der betrieblichen Kostenkalkulation. Einwände, die auf die Sonderstellung öffentlicher Haushaltswirtschaften abzielen, oder der Gebühr vermittels Äquivalenz- und Kostendeckungsprinzip eine immanente "pagatorische Komponente" entnehmen wollen, sind unberechtigt und verkennen Stellung und Bedeutung betriebswirtschaftlicher Grundsätze im Rahmen des Kommunalabgabenrechts, wie es sich etwa in Nordrhein-Westfalen gegenwärtig noch darstellt. Auch fehlende Anlagealternativen der Gemeinden in den Pflicht-Bereichen kommunaler Daseinsvorsorge begründen keine Außerachtlassung von Opportunitäten der Kapitalnutzung: Nicht reale Freiheitsgrade im Alternativenraum individueller Portfolioentscheidungen, sondern gerade deren faktischer Ausschluß - auch als Folge rechtlicher Verpflichtungen - konstituiert damit den abzugeltenden Nutzenentgang. Wirtschaftlich werden hier Kosten verursacht durch zwangsweise entgangene Verfügungschancen, für deren erzwungene Nichtwahrnehmung die Kapitaleigner während der Dauer der Überlassung ihrer Mittel zu entschädigen sind.

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114. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht bedarf es - von den zuvor genanten Überlegungen gänzlich unabhängig - einer preislichen Lenkung über den Zins, um volkswirtschaftlich knappe Kapitalressourcen in die jeweils dringlichsten Verwendungen lenken zu können: Die im Bereich kommunaler Daseinsvorsorge gebundenen Mittel sind an anderer Stelle des Wirtschaftskreislaufs abgeschöpft worden und können dort nicht mehr zur Wirtschaftsleistung beitragen. Da Kapitalressourcen aber in einer Volkswirtschaft nur begrenzt verfügbar und daher knapp sind, bedarf es zu ihrer wohlfahrtsoptimalen Allokation eines preislichen Lenkungsmechanismus', der eine rationale Mittelverwendung auch im Rahmen einer Kapitalbewirtschaftung im öffentlichen Bereich vorsieht. Ohne eine Zinskomponente auf eigenfinanziertes Vermögen signalisiert die Gebühr einen volkswirtschaftlich zu geringen Verzehr an Ressourcen und leitet auf diese Weise zu überhöhter Nachfrage und Fehlleitung knapper Mittel an. 115. Auf der Grundlage einer gesamtwirtschaftlichen Verpflichtung der Kalkulation im Rahmen einer zieloffenen, wertmäßigen betriebswirtschaftliehen Kostenanschauung kann eine restriktive Zinskostenauslegung keinen Bestand haben: Bei der Verzinsung sind unter Opportunitätskostengesichtspunkten sowohl die Einbeziehung von Eigenkapitalteilen, eine finanzierungsstrukturunabhängige Erfassung von W erteverzehren, ein einheitlicher Zinsfuß sowie die Einbeziehung verschiedener, ökonomisch unzutreffend als "Abzugskapital" gekennzeichneter Werte angezeigt. Eine volkswirtschaftlich "richtige", d. h. konsequent am Opportunitätskostenprinzip ausgerichtete Gebühr muß daher zahlreiche gegenwärtig praktizierte Beschränkungen bei der Verzinsung entsorgungswirtschaftlich eingesetzten Kapitals überwinden. 116. Bei der Frage des Wertansatzes für die Verzinsungsbasis muß gegenüber Abschreibungen eine eigenständige Begründung gesucht werden, da die Zwecksetzungen der Kostenverrechnung bei beiden Kostenarten differieren: Im Gegensatz zu verrechneten Abschreibungen werden bei der Verzinsung gebundener Kapitalien keine Substanzerhaltungszwecke mehr verfolgt; vielmehr wird eine Erfassung des Nutzenentgangs durch der Verfristung unterliegende Dispositionschancen über Ressourcen angestrebt (Kapital als dem Werteverzehr unterliegende "Vorrätigkeit"). Aus dieser Sicht folgt zunächst ein gegenüber Abschreibungen unabhängiger Bewertungsansatz, der darüber Auskunft geben muß, wie das für betriebliche Zwecke gebundene ("aufgewandte") Kapital hinsichtlich entgangener Verfügungsmöglichkeiten zu bewerten ist. 117. Auch vor diesem Problemhintergrund kann jedoch die Verzinsung bereits betriebswirtschaftlich auf der Basis von Wiederbeschaffungszeitwerten erfolgen, indem lediglich reale Zinsfüße in die Kalkulation eingespeist wer-

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den; diese spiegeln lediglich den Preis für die Kapitalüberlassung (zuzüglich eines Risiko-Surplus), nicht jedoch bereits einen Inflationsausgleich. Die Bemessung der kalkulatorischen Zinssätze sollte daher zurückhaltender erfolgen als dies bislang in der Praxis der Fall war. Es wird hierzu ein langjähriger Durchschnittswert von Kapitalmarktrenditen in Höhe von 4-5 % empfohlen. Der zwingende Ansatz von Anschaffungswerten, wie er nunmehr nach dem Spruch des OVG Münster vorgesehen ist, muß freilich konsequenterweise zum Ausgleich mit nominalen Zinsfüßen einhergehen, was die effektiven Wirkungen der erforderlich werdenden Kalkulationsumstellung eher gering halten dürfte und gegenüber der hier favorisierten Lösung sogar noch zusätzliche Spielräume verschafft, sofern die Abschreibungen parallel zu Zeitwerten kalkuliert werden. 118. Aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive ergibt sich hingegen eine eindeutige Befürwortung zeitwertorientierter Kalkulation von Zinskosten: Zinsen sollen danach als gesamtwirtschaftlicher Knappheitspreis für die zeitliche Inanspruchnahme von Kapitalnutzungsmöglichkeiten angesetzt werden. Die wirtschaftliche Dispositionsgewalt über Kapitalien, deren Nutzungschance der zeitlichen Verfristung unterliegt, verursacht Opportunitätskosten, die nur nach jeweils aktuellen Knappheitsmaßstäben bemessen werden können. Der Verlust, der einer Volkswirtschaft durch den Einsatz insgesamt begrenzter Mittel bei der Wahrnehmung von Aufgaben der kommunalen Daseinsvorsorge durch entsprechenden Abzug von Kapitalien aus anderen nutzenstiftenden Verwendungen zum Kalkulationszeitpunkt entsteht, kann nicht am Wert der vormals hingegebenen Kapitalsumme ermittelt werden. Das eingesetzte Kapital hat vielmehr Wertsteigerungen erfahren, die die gegenwärtige (vermehrte) reale Vorrätigkeit an Nutzungsmöglichkeiten ausdrücken. Nur diese können für eine volkswirtschaftliche Bewertung des Kapitaleinsatzes relevant sein. Das zu Zeitwerten bewertete, gebundene Kapital repräsentiert die reale im Zeitpunkt der Kostenermittlung geltende Vorrätigkeit an Nutzungsmöglichkeiten. Sofern also Fehlallokationen knapper Ressourcen als Folge verzerrter Gebührenpreise verhindert werden sollen, wie dies im Ansatz kalkulatorischer (Opportunitäts-) Kosten der Kapitalüberlassung gerade zum Ausdruck kam, so muß sich auch die Bewertung an dieser Zielvorstellung messen lassen. Hieraus folgt, daß nur gegenwartsbezogene Wertansätze zutreffend Auskunft über reale Verzichtskosten der Gesamtwirtschaft zum Bewertungszeitpunkt geben können. Damit sind aus gesamtwirtschaftlicher Sicht Zeitwerte auch bei der Verzinsung zugrunde zu legen. Auch hier gilt selbstverständlich ein realer Zinssatz als relevante Kostengröße, so daß im Ergebnis sowohl betriebs- als auch volkswirtschaftliche Überlegungen zum gleichen Ergebnis führen.

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119. Aus gesamtwirtschaftlichen Überlegungen heraus ist auch dem Verfahren der Durchschnittswertverzinsung der Vorzug zu geben: Zwar kann das Restwertverfahren als das theoretisch richtige Verfahren zur Ermittlung des in den einzelnen Abrechnungsperioden im abnutzbaren Anlagevermögen jeweils gebundenen Kapitals betrachtet werden, es erscheint aber fraglich, ob die exakte Anzeige jeweiliger Kapitalbindungsgrade und die hieraus resultierenden aktuellen Zinslasten über das Gebührenentgelt zeitpfadgetreu weiterzugeben sind. Die dadurch realisierte diskontinuierliche Entwicklung der Zinslast über die Zeit gewinnt gesamtwirtschaftliche Bedeutung, soweit von zeitlich variierenden Kapitalbindungsgraden und ihrer zeitpfadgetreuen Verarbeitung in der Gebührenbedarfsberechnung kontraproduktive Lenkungssignale ausgehen. Dies aber kann angenommen werden, da sich über die zinsbedingt schwankende Gebührenhöhe (u. U. zyklische) Nachfrageveränderungen nach öffentlichen Leistungen ergeben, die sachlich nicht gerechtfertigt erscheinen, d. h. nicht als Ausdruck veränderter Knappheiten gelten können. 120. Die Außerachtlassung von Beiträgen und Zuschüssen Dritter bei der Verzinsung (wie in den KAG gefordert) oder gar weitergehend auch bei der Abschreibungsverrechnung (wie in der Literatur bisweilen vertreten) sind in dieser pauschalen Form weder betriebswirtschaftlich noch gesamtwirtschaftlich überzeugend. Da kalkulatorische Zinsen als Entgelt für die zeitliche Inanspruchnahme von Nutzungschancen über betrieblich disponible Kapitalbeträge begriffen werden können, erscheint die Herkunft der Mittel sekundär; entscheidend ist ihre der Verfristung unterliegende Verfügbarkeit für betriebliche Zwecke. Daher müssen grundsätzlich sämtliche in der betrieblichen Sphäre gebundenen sachzielbezogenen Kapitalien in die Zinsberechnung Eingang finden. Mit Blick auf derart verstandene Zinskosten ist es irrelevant, aus welchen Quellen die Finanzierung der Einrichtung erfolgte: Auch Beiträge und Zuschüsse führen der Gemeinde Kapital zu, das ein kostenträchtiges Nuztungspotential birgt, denn die Mittel sind an anderer Stelle des volkswirtschaftlichen Kreislaufs abgeschöpft worden, um sie der kommunalen Einrichtung zuzuführen, und sind daher am Entzugsort nicht mehr verfügbar. Sie verursachen aus diesem Grunde in jedem Falle volkswirtschaftliche Verzichte an anderer Stelle; die mit ihrer Hilfe erstellten Leistungen sind entsprechend zu bepreisen. Lediglich allokativ legitimierte Zuschüsse Dritter (externe Effekte, Meritorisierung etc.) dürfen bei der Ermittlung von Kapitalkosten außer Betracht bleiben, da sich u. U. erst nach dieser Außen-Korrektur der Entgeltermittlung eine gesamtwirtschaftlich "richtige" Gebührenhöhe ergibt. 121. Als weitere Kostenart sind grundsätzlich auch Wagnisse zu berücksichtigen: Diskontinuierliche und hinsichtlich Eintrittszeitpunkt und

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Kostenträchtigkeit unabsehbare Verschärfungen der umweltrechtlichen Anforderungen an die dauerhafte Entsorgung (Wagnis verschärfter Anforderungen) sowie haftungsrechtliche Schadenseintritte infolge nicht-ordnungsgemäßen Betriebsablaufs (allgemeines Umweltwagnis) begründen "ökologische Gewährleistungswagnisse" für kommunale (und private) Entsorger, die in der jeweiligen Kostenrechnung zur Periodisierung aperiodischen Kostenanfalls angesetzt werden sollten. 122. Eine Berücksichtigung in der Gebührenkalkulation sollte jedoch nur insoweit erfolgen, wie dies durch geltendes Recht bereits vorgeprägt ist etwa als Folge dynamisierter Anforderungen nach dem Stand der Technik oder Stand von Wissenschaft und Technik- und erweiterte technische Optionen bereits absehbare Verschärfungen ankündigen. Im Falle allgemeiner Umweltwagnisse sollten überörtliche Durchschnittserwartungswerte für den mutmaßlichen ökologischen Regreß der Gemeinden gefunden werden. 123. Als soziale Zusatzkosten sollen hier nur noch solche Kosten verstanden werden, die nicht als Wagniskategorie bereits verrechenbar sind, d. h. externe Werteverzehre, für die die Gemeinde weder zukünftig in Regreß genommen werden kann, noch für die in absehbarer Zeit besorgt werden müßte, daß sie qua Verschärfung der Rechtsanforderungen zu internen Kosten werden. Soziale Kosten bleiben daher in absehbarer Zukunft jenseits des kommunalen Rechnungszusammenhangs. Sie unterscheiden sich von den Umwelt-Wagnisarten dadurch, daß sie (voraussichtlich) dauerhaft extern bleiben; dies wird vorzugsweise bei interkommunalen externen Effekten der Fall sein, deren beeinträchtigende Wirkungen jenseits der kalkulierenden Gemeinde auftreten. 124. Soziale Zusatzkosten sind echte Kosten im betriebswirtschaftliehen Sinne; gleichwohl sollte von ihrer Verrechnung - in der hier verwendeten Definition als eigenständiger Kostenart neben den Wagnissen - Abstand genommen werden. Als maßgeblich hierfür erweisen sich einerseits kalkulatorische Unzulänglichkeiten aufgrund der Operationalisierungsschwäche des theoretischen Konzepts: Soziale Zusatzkosten bieten derzeit keine Gewähr für eine nachvollziehbare und objektiv prüfbare Kalkulation. Daneben stehen für den hier relevanten Bereich interkommunaler Externalitäten erhebliche Anreizprobleme zur Internalisierung auf kommunaler Ebene; es konnte theoretisch gezeigt werden, daß hierfür Lösungen auf überörtlicher Ebene zu suchen sind und im Abwasserbereich mit dem AbwAG schon bereitstehen. 125. Allerdings können intrakommunale externe Effekte legitimatorisch in die Bewertung anderer Kostenarten eingreifen: Ihr Einfluß kann sich etwa in

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der Tarifsystematik der Benutzungsgebühren widerspiegeln, indem ohne expliziten Kostenrekurs eine als abstrakte "Lenkung" gleichsam sublimierte Sozialkostenbetrachtung zu von betriebswirtschaftliehen Tarifverläufen abweichenden Gestaltung Anlaß gibt. Hier können etwa auch progressive Tarifverläufe oder die variable Verrechnung anlagenfixer Kosten unter Verweis auf langfristige Sozialkosten Platz greifen. 126. Vom Surrogat eines Vermeidungskostenansatzes (l.Angenbrinck) bei der Kalkulation sollte hingegen ebenfalls abgesehen werden, da dieser unter mißverständlicher Anknüpfung an die umweltökonomische Lenkungskonzeption gleichen Namens gerade kein Äaquivalent für nicht ermittelbare Sozialkosten liefert, sondern an privaten Entsorgungskosten orientiert ist. Die hilfsweise Berücksichtigung entsprechender Vermeidungskosten über den tatsächlich geleisteten Entsorgungsrahmen hinaus würde überdies fiktive Kosten in Ansatz bringen, die die Gemeinde gerade nicht aufgewendet hat. Das Kostendeckungsprinzip steht daher diesem Ansatz bereits entgegen. Rechtliche Probleme

127. Zur Frage der rechtlichen Zulässigkeit unterschiedlicher Konzepte gesamtwirtschaftlich lenkender Gebühren sind mittlerweile ein kaum mehr überschaubares Schrifttum und eine ebenfalls umfangreiche Judikatur vorgelegt worden. Dabei wird immer wieder deutlich, daß Probleme rechtlicher Zulässigkeit aufscheinen und ökonomischen Konzeptionen rationaler Entgeltgestaltung im Einzelfall deutliche Grenzen einziehen können. Gilt es zunächst, eine - von juristischen Einwendungen zunächst weitgehend freie finanzwissenschaftliche Gebührenkonzeption für gesamtwirtschaftlich lenkende Entgelte zu entwerfen, so muß anschließend gefragt werden, inwieweit sich die hier entwickelte Systematik lenkender Gebühren mit dem gegebenen bzw. einem neu zu schaffenden Rechtsrahmen als kompatibel zu erweisen vermag. Zu diesem Zweck wird- nach Verfassungs- und aktuellen kommunalabgabenrechtlichen Kriterien jeweils getrennt - betrachtet, welche Konfliktfelder eine lenkende, insbesondere die "ökologisierte" Gebühr berührt und welche Chancen aus ökonomischer Sicht für eine konzeptkonforme Ausgestaltung verbleiben. 128. Hierbei wird erneut zu unterscheiden sein zwischen Versuchen, die Gebühr vordringlich durch verursachergerechte Kosten-Überwälzung lenkungspolitisch zu mobilisieren ("Strukturproblem"), und Ansätzen, auch die über Gebühren verrechneten Aufwendungen insgesamt einem ökologischökonomischen Rationalitätsvorbehalt zu unterstellen ("Niveauproblem"), kurz: unterschiedliche Formen einer gesamtwirtschaftlichen Ausrichtung

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kommunaler Entgelte sind in ihrer jeweils spezifischen Rechtsfähigkeit zu bewerten. Hierfür maßgeblich ist die Einsicht, daß für eine lenkende Gestaltung des zu verrechnenden Kostenvolumens und des jeweiligen Umlageschlüssels je eigene Gebührenprinzipien mit differierendem und zum Teil umstrittenem Rang in der Rechtsquellenhierarchie maßgeblich erscheinen. Die Frage der verfassungsmäßigen Verankerung wiederum befindet über die kommunalabgabenrechtlichen Implementationschancen eines ggf. ökonomisch modifizierten Gebührensystems. 129. Ein ganz anderes Problem stellt sich mit der potentiell unterschiedlichen Rechtsqualität von Benutzungsverhältnissen, unter denen Entgelte jeweils erhoben werden können. Die Frage, ob insbesondere privatrechtliche bzw. öffentlich-rechtliche Handlungsformen staatlicher Einrichtungen zu abweichenden kalkulatorischen Entgeltbestimmungsverfahren führen, wurde aus ökonomischer Sicht klar verneint: Die Entgeltbemessung hat sich an den Zielen der Preissetzung zu orientieren und sieht von rechtlichinstitutionellen Umständen der Erhebung grundsätzlich ab. Da die grundsätzlichen ökonomischen Begründungsmuster einer gesamtwirtschaftlich orientierten Preisgestaltung im Kommunalbereich zunächst unabhängig von der jeweiligen rechtlichen Organisationsform Geltung beanspruchen, kann verallgemeinernd von kommunalen Entgelten gesprochen werden; es bleibt freilich vom jeweils gesetzten rechtlich-institutionellen Rahmen abhängig, inwieweit ökonomisch für zweckmäßig erachtete Preisregeln im Rechtskleid der kommunalen Benutzungsgebühr oder eines privatrechtliehen Entgelts realisierbar erscheinen. Die Frage, ob bei Gebühren und privatrechtliehen Entgelten bzw. bei Regie-, Eigenbetrieben oder kommunalen Eigengesellschaften möglicherweise rechtlich noch abweichende Preisermittlungsregeln Platz greifen, wird freilich an dieser Stelle nicht weiter verfolgt. 130. Damit ergibt sich zusammenfassend eine dreidimensionale Problemstrukturierung: Die rechtliche Zulässigkeit eines ökonomisch rationalen Entgeltsystems auf kommunaler Ebene wird nach der Dimension "Rechtsqualität des der Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen zugrunde liegenden Benutzungsverhältnisses" nach Formen und Anteilen privat- bzw. öffentlich-rechtlicher Handlungstypen der Verwaltung zu differenzieren sein. Sie entscheidet überdies in der Dimension "Normenrang in der Rechtsquellenhierarchie" über die Potentiale einer einfachgesetzlichen Modifizierung überkommener kommunalabgabenrechtlicher Strukturen. Schließlich sind materiell nach der "Art der lenkungspolitischen Indienstnahme von Entgelten" jeweils verschiedene Zulässigkeitsnormen berührt. 131. Normative Kriterien rechtlicher Zulässigkeit verdichten sich dabei regelmäßig in Gestalt sog. "Gebührenprinzipien", die sich im Einzelfall in

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variierender Anzahl, Stufung und inhaltlicher Auslegung präsentieren. Im Lichte der jeweils maßgeblichen Gebührenprinzipien sind einzelne Aspekte des Reform-Programms der kommunalen Benutzungsentgeltordnung unterschiedlich zu bewerten: So wirken etwa auf die Reichweite gebührenfähiger öffentlicher Leistungen ("Anlaß der Entgeltpflicht") zunächst der Gebührenbegriff selbst und seine als wesenhaft-konstitutiv verstandenen Abgabenmerkmale, insbesondere der Grundsatz der speziellen Entgeltlichkeit, ein. Die Abgrenzung der durch Gebühren insgesamt abzuschöpfenden Beträge ("Ermittlung umlagefähiger Kosten") liegt bei Benutzungsgebühren maßgeblich beim Kostendeckungsprinzip. Die Unterverteilung auf einzelne Gebührenpflichtige schließlich wird in vertikaler Hinsicht 01erhältnis Staat - Bürger) durch das Aquivalenzprinzip, in horizontaler Hinsicht 01erhältnis der Gebührenschuldner untereinander) durch das Gleichheitsgebot (Gebührengerechtigkeit) bestimmt. Die einzelnen Prinzipien stehen darüber hinaus in einem komplexen Beziehungsgefüge, das im Einzelfall zu umstrittenen Abgrenzungen führt, so etwa beim Verhältnis von spezieller Entgeltlichkeit und Äquivalenz oder von Äquivalenzgedanken und Kostendeckungsgebot. 132. Die Skizze rechtlicher Probleme einer (insbesondere: ökologisch) lenkenden Entgeltordnung läßt deutlich werden, daß die notwendige verfassungsrechtliche Basis für das Projekt eines auch ökonomisch rationalen "Gebührenpreises" wohl gegeben sein dürfte. Anders als im geltenden landesspezifischen Kommunalabgabenrecht, wird die Zulässigkeit auch ökologisch lenkender Gebühren grundsätzlich zu bejahen sein. Die herrschende Lehre geht freilich von im Einzelfall unterschiedlich weit gesteckten Grenzen des lenkenden Einsatzes kommunaler Entgelte aus. Insbesondere hinsichtlich eines nicht einrichtungsbezogenen Aufwandes (z. B. in Gestalt sozialer Kostenkomponenten) bestehen noch massive verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine lenkungspolitische Indienstnahme der Gebühr z. B. als Umweltabgabe klassischen Zuschnitts. Die in dieser Frage jedoch zu beobachtende Bewegung - etwa in Gestalt des Konzeptes einer "Ressourcennutzungsgebühr" (Murswiek) - wird ökonomisch unterstützt durch eine "qualifizierte" Lenkung, die sich nicht von der Kostenperspektive unter staatlichen Lenkungsgesichtspunkten vollständig löst, sondern bestrebt ist, gerade auch Kosten einzubeziehen, die den klassischen Horizont des Beziehungsgefüges zwischen leistender Verwaltung und Gebührenschuldner transzendieren. Die vielzitierte Lenkungsfeindlichkeit der Gebührenprinzipien büßt jedoch an Stringenz ein, soweit eine in diesem Sinne kostenseitig qualifizierte Lenkung angestrebt wird.

133. Der moderne Phänotyp der "lenkenden Gebühr", der weniger an der Zurechnung individuell verursachter einrichtungsbezogener Ressourcenverbräuehe (Refinanzierung) als vorrangig an der Überbringung eines pretialen

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Signals zum Zwecke der Verhaltensbeeinflussung nach staatlichen Vorstellungen (Lenkung) gelegen ist, wird zwar zunehmend anerkannt, seine Fruktifizierung für eine ökonomisch sinnvolle Entgeltgestaltung bedarf jedoch noch erheblicher konzeptioneller Anstrengungen. Auch wenn daher zusammenfassend verfassungsrechtlich letztlich kaum ernsthafte Hindernisse auszumachen sind, bedarf es auf einfachgesetzlicher Ebene weiterreichender Schritte. In diesem Zusammenhang nicht zu unterschätzen ist wohl die Bedeutung konsensbildender Maßnahmen einer erneuten allgemeinen Verständigung über Sinn und Zweck der Gebührenerhebung. Gerade hierzu kann eine gesamtwirtschaftlich-ökonomische Entgeltperspektive W esentliches beitragen. Implementationschancen 134. Eine konzeptionelle Neuorientierung der kommunalen Gebührenpolitik angesichts drängender werdender umweltpolitischer Notwendigkeiten und wachsender gesamtwirtschaftlicher Verantwortung der Gemeinden muß abschließend die Frage klären, welche Wege und Chancen zu einer sachbezogenen und konzeptkonformen lmplementation bestehen. 135. Die Umgestaltung des Kommunalabgabenrechts mit Blick auf die gesamtwirtschaftliche Verantwortung der Städte und Gemeinden bedarf weiterhin der Klärung wichtiger rechtlicher und wirtschaftlich-konzeptioneller Fragen. Angesichts der aktuellen restriktiven Tendenzen im Gebührenrecht kann eine (ökologisch) lenkende Gebühr nur auf der Grundlage gesicherter finanzwissenschaftlicher und rechtsdogmatischer Konzeptionen für die Neugestaltung kommunaler Entgeltabgaben Erfolg versprechen. Die rechtlich-ökonomischen Ausgangsbedingungen muten dabei für die kommunale Abwasserbeseitigung deutlich anders an als im Bereich der Abfallentsorgung oder der Versorgungswirtschaft. Zumindest aber bietet die Diskussion um volkswirtschaftliche Kosten kommunaler Umweltdienste Handhabe genug, um dem sich gegenwärtig abzeichnenden gebührenpolitischen Rückschritt in kameralistische Denkweisen entgegenzutreten. 136. Die Spielräume der Gemeinden stellen sich hierbei de lege lata für die Bereiche "Höhe der Gebühr" (Niveauproblem) und "verursachungsgerechte Anlastung" (Strukturproblem) deutlich anders dar: Während der Spielraum hinsichtlich der Höhe des Entgelts und damit der zu verrechnenden Kosten gegenwärtig gering erscheint und eine Erweiterung eine Neuorientierung im Kommunalabgabenwesen erforderlich macht, besteht bezüglich der anreizorientierten Überbringung gebührengestützter Preissignale in der Praxis ein weites Feld bislang unausgenutzter Lenkungs-Poten-

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tiale. Die unterschiedlichen Ausnutzungsgrade werden freilich verständlich, soweit die Anreize zu einer gemeindlichen Umorientierung in den Blick geraten: Während eine gesamtwirtschaftliche Neuausrichtung der Gebühr über das Kostenniveau zusätzliche und dazu noch weitgehend "freie" Einnahmen verspricht, bedeuten Versuche einer verursachungsgerechten Anlastung erhöhte Aufwendungen im Festellungs-, Meß- und Kontrollprocedere, ohne hierfür nennenswerte Gebühreneinnahmen erlösen zu können. Angesichts der noch weitgehend ungelösten Probleme einer umfassend "lenkenden Kalkulation" und der sachlichen Priorität verursachergerechter Anlastungsverfahren sollte daher der gegenwärtige Reformschub dazu genutzt werden, verstärkt das Strukturproblem der Gebühren in Angriff zu nehmen. 137. Damit ergibt sich zusammenfassend ein implementationspolitisch gespaltener Befund: In den Bereichen, die ökonomisch als besonders dringlich einzustufen sind und für die rechtlich deutlich weniger Hindernisse ausgemacht werden können (binnenwirtschaftliche Lenkung), sind kaum Anreize zu einer kommunalpolitischen Umsetzung gegeben; ja die bislang bereits bestehenden Spielräume liegen gegenwärtig weitgehend brach. Dort hingegen, wo sich ökonomisch und vor allem rechtlich gewisse Probleme abzeichnen {Umfang der Kostenverrechnung), werden massive Bestrebungen zur allokativen Legitimierung neuer Finanzbedarfe deutlich, die Aspekten klassischen Gebührenschuldnerschutzes neue Dringlichkeit bescheren. Aufgrund der verschränkten Problemstruktur dürfte daher kurzfristig kaum eine befriedigende Umsetzung ökonomischer rationaler Entgelte im Bereich der kommunalen Ver- und Entsorgung gelingen. Die Landesgesetzgeber bleiben folglich aufgefordert, die verfügbaren Spielräume zu nutzen und insbesondere die einsetzende Sensibilisierung für verursachergerechte Gebührenüberwälzungen bei Städten und Gemeinden zu unterstützen. Schlußbemerkungen und Empfehlungen

138. Vor dem Hintergrund der Rechtskompatibilität des Ökonomisierungsprogrammes kommunaler Entgelte muß zunächst grundsätzlich bezweifelt werden, ob Gebühren herkommliehen Zuschnitts ohne grundlegende Revision der gebührenpolitischen und -rechtlichen Gesamtkonzeption zur Übermittlung von Knappheitssignalen hinreichend geeignet sind. Die im Schrifttum vereinzelt anzutreffende, diesbezüglich zuversichtliche Einschätzung des geltenden Rechtsrahmens, derzufolge sich die gegenwärtig verankerten Gebührengrundsätze auch bei Anerkennung ökologischer Lenkungsaspekte bei der Entgeltfixierung als tragfähig erweisen und insbesondere eine (substantielle) Änderung des Kommunalabgabenrechts entbehrlich

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sei, kann vor dem Hintergrund der hier entwickelten Problemgesamtsicht nicht geteilt werden. Die Einschätzung ist bereits deshalb unbefriedigend, weil sich als Folge landesgesetzgeberischer Novellierungsakte zwischenzeitlich das länderspezifische Kommunalabgabenrecht in einer Weise auseinanderentwickelt hat, die jedenfalls eine durchgehende Kompatibilität mit den hier für erforderlich gehaltenen Gebührenregeln keineswegs gestattet. Darüber hinaus bieten auch lenkungspolitisch offene Landesregelungen, wie etwa in Nordrhein-Westfalen, für wesentliche Aspekte einer gesamtwirtschaftlichen Kalkulation bisher keine Handhabe. Die "Harmoniethese" geht ferner auch deshalb fehl, weil ihr eine unzweckmäßige und ökonomisch unbefriedigende Verkürzung des Problemzusammenhangs auf Fragen der binnenkommunalen Tarif- und Maßstabsstruktur der Entgelte zugrunde liegt. Die Probleme der Abgrenzung umlagefähiger Kosten, des zweckmäßigen Kostenbegriffs und einer angemessenen Kostendeckung werden auf diese Weise ausgeklammert. Auch erscheint nicht klar, inwieweit mit demselben kommunalabgabenrechtlichen Instrumentarium nunmehr etwa umweltpolitischen Lenkungsanliegen entsprochen werden können soll, das zwischenzeitlich wieder verstärkt zur Stützung pagatorisch orientierter Refinanzierungsziele herangezogen wird und nach verbreiteter Lesart gerade keine nennenswerten Lenkungsspielräume bereithält. Hier offenbaren sich Auslegungs- und Konsensprobleme einer kommunalen Gebührenpolitik, die zumindest klarstellende Zielvorgaben und Umsetzungsanweisungen emer "ökologischen Kalkulation" angezeigt erscheinen lassen. 139. Es kann daher wohl keinem Zweifel unterliegen, daß eine allokativ ambitionierte Umgestaltung kommunaler Benutzungsentgelte in der umweltpolitisch relevanten Daseinsvorsorge der Städte und Gemeinden nur über eine zumindest klarstellende, zum Teil aber auch substantiell ändernde Reform des Kommunalabgaben- und Haushaltsrechts ins Werk zu setzen ist. An welchen Stellen eine solche Reformnotwendigkeit wohl Platz greifen müßte, mögen folgende Überlegungen andeuten. 140. Angesichts der weitreichenden Auswirkungen einer ökologisierten Gebührenkalkulation gegenüber herkömmlichen Standards und als legitimierende Stütze auslegungsbedürftiger Generalnormen im Gebührenrecht erscheint es zwingend, die konzeptionelle Neuorientierung in Gestalt einer allgemeinen Zielnorm in das Kommunalabgabenrecht aufzunehmen. Hierbei könnte analog zu den Bestimmungen etwa des § 5 Abs. 1 Satz 3 NKAG ("können niedrigere Gebühren erheben oder von Gebühren absehen, soweit daran ein öffentliches Interesse besteht") daran gedacht werden, eine Generalnorm einzufügen, die eine lenkungspolitische Öffnung für den Fall der Umweltrelevanz der Benutzungsverhältnisse vorsieht.

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141. Als zentrale Kalkulationsnorm der Kommunalabgabengesetze kann die Verankerung sog. "betriebswirtschaftlicher Grundsätze" gelten. Im Lichte dieser kalkulatorischen Generalnorm erhebt sich die Frage nach einer zweckmäßigen Kodifizierung gesamtwirtschaftlicher Kostenverantwortung. Können den betriebswirtschaftliehen Grundsätzen nunmehr im Auslegungswege aufgrund veränderter gesellschaftlicher Zielprioritäten kurzerhand überbetriebliche, volkswirtschaftlich lenkende Funktionen entnommen werden oder empfiehlt sich eine Revision zugunsten explizit volkswirtschaftlicher Maßstäbe? In diesem Zusammenhang stellt sich zunächst weniger das Problem genereller "Tragfähigkeit" der betriebswirtschaftliehen Grundsätze als vielmehr ihrer Unterbestimmtheit: Der Gesetzgeber hat es vermieden und - so mag man rückblickend werten - wohl auch versäumt, über die bloße Öffnung des Kostenbegriffes hinaus, welche insoweit die Entwicklung der modernen Betriebswirtschaftslehre nachvollzieht, eine verbindliche Zielaussage für die Kalkulation zu treffen. Eine solche Zielkonkretisierung ist offenbar auch nicht, wie die unvermindert anhaltende Diskussion belegt, im Konsens einer herrschenden Auffassung zu gewinnen. Hergebrachte Gebührengrundsätze, speziell das Kostendeckungsgebot, leisten hierzu - wie ausgeführt - ebenfalls keinen weiterführenden exegetischen Beitrag. Auch die vereinzelt in Aussicht genommene Substitution oder hilfsweise "Überwölbung" betriebswirtschaftlicher Grundsätze durch volkswirtschaftliche Kostenanschauungen allein liefert - soweit ersichtlich - aus dieser Problematik keinen gangbaren Lösungsweg: Denn der vermeintliche Zugewinn an Auslegungssicherheit, der traditionelle Streitpunkte der anwendungsorientierten Literatur im Lichte volkswirtschaftlicher Maßstäbe vielfach erübrigt, geht unvermeidlich mit einer eklatanten Operationalisierungsschwäche der theoretischen Konzepte Qangfristige Grenzkosten, Internalisierung) einher, zumal bei einer bloßen "Überwölbung" das Verhältnis zwischen ursprünglicher und überformend hinzutretender Auslegung letztlich ungeklärt bliebe und der bestehenden Unbestimmtheit letztlich nur weitere Freiheitsgrade der Auslegung hinzugefügt würden. 142. Es dürfte allerdings letztlich irrelevant sein, unter welchem Rubrum (betriebs- oder volkswirtschaftlich) beispielsweise eine ökologische Kalkulation rechtlich abgesichert wird: Entscheidend bleibt die Durchführung eines Reform-Programmes, soweit über dessen Ziel und seine Reichweite hinsichtlich der Veränderung hergebrachter Erscheinungsformen der klassischen Benutzungsgebühr Konsens hergestellt werden kann. Ein solcher Konsens ist zweifellos auch im Rahmen des betriebswirtschaftliehen Kostenbegriffes theoretisch denkbar, soweit bislang eher randständige Sozialkostenlehren gemeinwirtschaftlicher Prägung die neue Grundlage für ein erweitertes wertmäßiges Rechnungslegungs-Verständnis der Gebühr abgeben. Allerdings

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mutet ein solcher Konsens im Rahmen betriebswirtschaftlicher Denkungsart letztlich weniger wahrscheinlich an: Die Vergangenheit lehrt, daß unter dem Rubrum des "Betriebswirtschaftlichen" eine Annäherung an ökologisch taugliche Rechnungslegungsformen nicht einmal ansatzweise gelingen konnte, ja daß nicht einmal ein Konsens über moderne betriebswirtschaftliehe Kalkulationsformen im Rahmen der Gebührenbedarfsberechnung erzielbar war. Auch wird mit der Zurückweisung kommunalabgabenrechtlicher Änderungsbestrebungen und dem Festhalten an betriebswirtschaftliehen Kalkulationsformen u. U. eine verschleierte Verkürzung des Programmes ressourcenlenkender Gebühren betrieben, indem tariflichen und maßstabsbezogenen Ökologisierungsformen im Rahmen geltender Vorschriften das Plazet, weitergehenden Überlegungen zur systematischen Preis- und Knappheitsorientierung der Gebühr hingegen eine Absage erteilt werden soll. Damit könnte die Kontroverse um die Kodifizierung auch unterschiedlichen Vorstellungen von gesamtwirtschaftlicher Ausrichtung und Ökologisierung entspringen, wobei die Grenzziehung zwischen lenkungspolitischen Umgestaltungen der Gebühr verlaufen würde, die lediglich Fragen verursachergerechter Tarifierung und Maßstabsgestaltung in den Blick nehmen ("Strukturproblem"), bzw. ambitionierteren Formen, denen auch an dem korrekten Ausweis der Gesamtkosten der Nutzung kommunaler Umweltgüter gelegen ist ("Niveauproblem"). 143. Daher ist zusammenfassend sowohl aus implementationspolitischen Gründen als auch zum Zwecke der Dokumentation der Reichweite des angestrebten Reform-Programmes ein Beharren auf hergebrachten betriebswirtschaftlichen Rechnungslegungsformen kontraindiziert. Damit ist aber keine Zurückweisung betriebswirtschaftliehen Denkens verbunden, denn eine bloße Substitution durch den Terminus "volkswirtschaftlich" oder gar eine lediglich exegetische "Überwölbung" erscheinen aus den genannten Gründen ebenfalls nicht zweckmäßig: Der Übergang zu einem volkswirtschaftlichen Gebührenverständnis angesichts der gesamtwirtschaftlicher Herausforderungen wird nachdrücklich bejaht, zugleich aber erkannt, daß dies nur als Etikett für eine im Konsens gefundene Neubestimmung der Gebührenrolle dienen kann. Soweit dies nicht unmittelbar gelingen will, bedarf es einer abgabenrechtlichen Konkretisierung des Lenkungsprogrammes im Detail. Dann aber mag es auch ausreichen, es bei den "betriebswirtschaftlichen Grundsätzen" zu belassen, welche die gesamtwirtschaftlichen Überlegungen zumindest theoretisch ebenfalls tragen, und die für nötig befundenen Ergänzungen und Klarstellungen einzeln zu kodifizieren. Der volkswirtschaftlich-ressourcentheoretische Ansatz zeigt zwar eine klare Strenge hinsichtlich der Zwecksetzung von Preisadministrierungen, bleibt aber im Kalkulatorischen letztlich unverbindlich; betriebswirtschaftliche Grundsätze leisten hier als

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hochentwickeltes Instrumentarium der Rechnungslegung wertvolle Dienste, soweit nur sichergestellt ist, daß das auf unterschiedliche Kalkulationsabsichten hin ausrichtbare, flexible Informationsinstrument der betrieblichen Kostenrechnung den Anforderungen gesamtwirtschaftlicher Kostenverantwortung verpflichtet werden kann. Diesem Anliegen aber mag angesichts der begrenzten Reichweite konkreter Reformnotwendigkeiten bezüglich der Höhe der Gebühr auch hinreichend dadurch entsprochen werden, daß "betriebswirtschaftlichen Grundsätzen" entsprechende Ziel- und Kalkulationsimperative beigegeben werden; ein "volkswirtschaftlicher Kostenbegriff" bleibt aufgrundseiner kalkulatorischenUnschärfen auf seine Rolle als Zweckbestimmer beschränkt und daher zur völligen Substitution betriebswirtschaftlicher Verfahren nicht legitimiert. Dem hier propagierten ganzheitlich-ökonomischen Ansatz entspricht es, wenn gesamtwirtschaftliche Zweckbestimmung aus einem volkswirtschaftlich-ressourcentheoretischen Referenzsystem und betriebswirtschaftliche Kalkulation als Module einer einheitlichen ökonomischen Fundierung der Gebühr verstanden werden. Die hieraus resultierenden Reformnotwendigkeiten richten sich nicht gegen "betriebswirtschaftliches Denken" im Sinne wertmäßiger Kostenanschauung, sondern vielmehr gegen hergebrachte Deutungen kommunalabgabenwirtschaftlicher Selbstbezogenheit unter dem Deckmantel einer gesamtwirtschaftlich kontraproduktiven pagatarischen Kostenlehre. 144. Benutzungsgebühren werden in den Kommunalabgabengesetzen der Länder regelmäßig als spezielle einrichtungsbezogene Entgelte definiert: Der strenge Einrichtungsbezug ist für die Zwecke einer ökologischen Gebühr zu lockern. Ob hierfür (terminologisch) ein neuartiger Gebührentypus neben der klassischen Benutzungsgebühr zu schaffen ist, kann hier dahingestellt bleiben. Zwar erscheint die generelle Bewertung, nach der die Verankerung des Grundsatzes der "speziellen Entgeltlichkeit" "Nebenzwecke der Gebührenerhebung, also auch Lenkungsfunktionen ausdrücklich" ausschließe, überzogen. Soweit aber dieser Grundsatz im Kommunalabgabenrecht in der Form niedergelegt ist, daß auf Art und Umfang der Inanspruchnahme ge· meindlicher Einrichtungen und Anlagen referiert wird, so erscheint eine gesamt· bzw. gemeinwirtschaftliche Kostenverrechnung, die die Sphäre kommunaler Einrichtungen bewußt transzendiert, in der Tat kaum haltbar. Hier empfiehlt sich wohl eine Änderung zugunsten einer "anlagenabstrakt" formulierten speziellen Entgeltlichkeit, d. h. der Leistungsbegriff ist zu modifiZieren. 145. Der Grundsatz der Leistungsproportionalität im Kommunalabgabenrecht (Umlage "nach Art und Umfang der Inanspruchnahme") war nach bisher vorherrschender Interpretation einer kosten- und verursacherorien-

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tierten Unterverteilung der Gestehungskosten öffentlicher Leistungen abträglich. Da gezeigt werden konnte, daß wohl der Grundsatz, nicht aber die herrschende Auslegung eine ökonomisch rationale Entgeltgestaltung zulassen, dürfte eine Klarstellung dergestalt ausreichen, daß nach Maßgabe einer Vertretbarkeitsnorm kostenorientiert umgelegt werden muß; dabei dürfen im Umlageschlüssel auch soziale Kosten berücksichtigt werden. 146. Das Kostendeckungsgebot ist lenkungspolitisch zu öffnen: Entweder wird klargestellt, daß eine gesamtwirtschaftliche Vollkostendeckung dem Kostendeckungspostulat genügt, oder aber die bisherige imparitätische Handhabung (Überschreitungsverbot und Unterschreitungsmöglickeit) wird gelockert: Im öffentlichen Interesse wäre demnach auch eine legitimierte "Überschreitung" möglich, die freilich rechtfertigungs- und nachweisbedürftig auszugestalten wäre. Die Kostendeckungsnorm sollte deklaratorisch auf den jeweils zugrunde gelegten Kostenbegriff verweisen. 147. Auf die explizite Normierung eines erweiterten, etwa eines "volkswirtschaftlichen" Kostenbegriffs kann und sollte zwar verzichtet werden; in Verbindung mit der Zielnorm muß jedoch klargestellt werden, auf welchen Kalkulationszweck der diesbezüglich offene wertmäßige Kostenbegriff verpflichtet wird. Auch die ausdrückliche Verweisung auf einen wertmäßigen Kostenbegriff erscheint hilfreich. 148. Als Ergänzung bezüglich der ansatzfähigen kalkulatorischen Kostenarten sollten kalkulatorische Wagnisse Aufnahme finden. Eine Vermeidungskostenklausel als Surrogat einer zusätzlichen (sozialen) Kostenart erscheint hingegen entbehrlich. Hinsichtlich der Bewertung sind zeitnahe Wertansätze festzuschreiben. Soweit dies auch für die Verzinsung gelten soll, muß jedoch auf eine nachprüfbare Realverzinsung langfristiger Kapitalanlagen Bezug genommen werden. 149. Abgaben- und haushaltsrechtlich ist sicherzustellen, daß sämtliche Subventionierungen des Gebührenvolumens unter einen allokativen und zweckgerichteten Überprüfungsvorbehalt gestellt werden; insbesondere sind distributionspolitisch motivierte Gebührennachlässe für den Bereich umweltpolitisch relevanter Entsorgungshaushalte einzustellen. Eventuelle "Vertretbarkeitsklauseln" im Kommunalabgabenrecht sind vor diesem Hintergrund zielgerecht zu präzisieren. 150. Zwar hat es sich zwischenzeitlich geübte Kritik angelegen sein lassen, das gesamte Projekt der Einbeziehung ökologischer Zusatzkosten kommunaler Entsorgungsleistungen unter Rekurs auf verschiedene ungelöste Praxisprobleme des Konzepts als "untauglich", "unzulässig", ja als

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"unzweckmäßig" zu disqualifizieren (F. Zimmermann). Daß einer beim Verzehr umweltrelevanter Kommunalgüter der Ver- und Entsorgung Geltung verschafften gesamtwirtschaftlichen Kostenwahrheit größte Bedeutung zur Bewältigung kommunaler Umweltprobleme zukommt, kann wohl als unstrittig gelten. Ob es dabei zweckmäßig erscheint, die bereitstehenden pretialen Hebel kommunaler Entgeltabgaben hierfür zu instrumentalisieren, darf nach den bisherigen Untersuchungen bejaht werden. Mit Blick auf die rechtliche Zulässigkeit, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann, kommen auch für zweckmäßig und verfassungsrechtlich unbedenklich erachtete Änderungen im kommunalabgabenrechtlichen Rechtsrahmen in Frage. Hinsichtlich der "Tauglichkeit" schließlich geht es im Rahmen der hier angestellten Überlegungen folgerichtig vielmehr darum, denjenigen Teil ökologisch orientierter Entgeltpolitik abzuschichten, der sich unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen de lege lata und de lege ferenda als tragfähige Kalkulationsgrundlage abzeichnet. Zu dieser differenzierten Betrachtung gehört auch, sich über verschiedene Formen der "Ökologisierung" kommunaler Benutzungsgebühren und den ihnen je beigegebenen Spielräumen und Zulässigkeitsgrenzen Klarheit zu verschaffen. Hierbei wird dann auch deutlich, daß soziale Zusatzkosten lediglich einen Teilausschnitt aus der Gesamtproblematik bilden. 151. Damit gilt abschließend, daß speziell eine ökologisierte Gebühr mitnichten ein "Widerspruch in sich" darstellt. Vielmehr haben sich Gebühren als Prototyp kommunaler Benutzungsentgelte einem nicht zuletzt durch Umweltprobleme veränderten gesellschaftlichen Zielpanorama zu stellen. Die stärkere Akzentuierung des pretialen Charakters kommunaler Entgelte mag in diesem Zusammenhang tradierte Leitbilder einer refinanzierenden Gebühr (Prinzip der Kostenumlage) überwinden, das Wesen der modernen Gebühr als zielflexiblem "Instrument der Nachfragelenkung bei öffentlichen Leistungen" (Hansmeyer I Fürst) erleidet hierdurch keine Beeinträchtigung im Gegenteil: Die Neuausrichtung am veränderten Leitbild ökologischgesamtwirtschaftlicher Kostenverantwortung sorgt für die erforderliche Wiederangleichung der öffentlichen Einnahmekategorie "Gebühr" an die mit ihrer Erhebung verbundenen und beständig zunehmenden staatlich-gesellschaftlichen Steuerungsansprüche der Gegenwart.

A. Problemskizze I. Kommunale Entgelte in der Diskussion

Die von Städten und Gemeinden erhobenen Vorzugslasten, die unverändert einen beachtlichen Teil an den gesamten kommunalen Einnahmen abdecken, 1 sind in jüngster Zeit wieder einmal verstärkt in die Kritik geraten. Insbesondere mit Blick auf Kalkulation und Gestaltung der Benutzungsgebühren in den klassischen Gebührenhaushalten der Ver- und Entsorgung (Wasser, Abwasser und Abfall) artikuliert sich breites Unbehagen an den geltenden Prinzipien der kommunalen Entgeltermittlung. Damit muß die Frage nach der "richtigen" (angemessenen) Gestaltung kommunaler Benutzungsentgelte derzeit als strittiger denn je gelten. Verschiedene Ansätze einer Neuorientierung klassischer Entgeltinstrumente von Städten und Gemeinden insbesondere im Bereich ökologisch sensibler kommunaler Dienste verfolgen dabei freilich höchst unterschiedliche Ziele. Auch reichen die hiervon berührten Aspekte der gegenwärtigen Gebührendiskussion weit über die bislang ungelöste Fragen der betriebswirtschaftliehen Entgeltkalkula· tion im Recht der Benutzungsgebühren hinaus: (1) Die umwelt- und gebührenpolitische Diskussion kreist zum einen verstärkt um die Möglichkeit einer umfassenden "Ökologisierung" des Kommunalabgabenrechts.2 Als diskussionsbeherrschende Leitfrage gilt das Problem, wie das bestehende Gebühreninstrumentarium zum Zwecke einer ökonomisch rationalen Nutzung kommunaler Umweltdienste verändert werden und damit als Mittel dezentraler Umweltpolitik zur Bewältigung ökologischer Probleme im Einflußbereich von Städten und Gemeinden eingesetzt werden kann. Bestrebungen zur Öffnung des Gebührenbegriffs für volkswirtschaftliche Lenkungszwecke und ökologisierte Entgeltgestaltungen ge1 So weist der Gemeindefinanzbericht 1995 aus, daß im Zeitraum von 1992 bis 1995 allein die Gebühren im Westen gut 15% der kommunalen Einnahmen- mit im übrigen leicht steigender Tendenz- ausmachten; vgl. ebenda, in: Der Städtetag, 48. Jg (1995), S. 116. 2 So z. B. bei Chantelau I Möker 1989; Bals I Nölke 1990; WiebeI Lindemann 1990; F. Zirn· mermann 1991; Brückmann 1991; Mohl I Backes 1991; Sander 1992; Holzkämper 1993; Langen· brinck 1993.

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hen damit über die geltende kommunalabgabenrechtliche Kalkulationsgrundlage zum Teil weit hinaus. Seit nunmehr über 25 Jahren wird in Umweltökonomie und Finanzwissenschaft auch für die Praxis der Einsatz hoheitlicher Abgaben im Dienste des Umweltschutzes diskutiert. 3 Nachdem umweltpolitische Problemlagen in bedeutenden Teilbereichen lokalen Güterbereitstellungs- und Nachfrageprozessen entspringen (Wassernutzung, Abfallerzeugung etc.) und mit der Erhebung kommunaler Entgelte für Entsorgungsdienstleistungen der Städte und Gemeinden bereits institutionell preisliche Hebel zur Beeinflussung der Nachfrage nach kommunalen Umweltgütern zur Verfügung stehen, erscheint es eher überraschend, daß erst in jüngerer Zeit verstärkt die Überlegung diskutiert wird, entsorgungswirtschaftliche Kommunalabgaben gezielt als Umweltabgaben auszugestalten und als Entgelte für die Umweltnutzungen in den Dienst ökologischer Kommunalpolitik zu stellen. Dieser Ökologisierungsvorstoß trifft freilich gegenwärtig auf eine komplexe kommunal- und gebührenpolitische Umbruchsituation mit stark divergierenden landesgesetzlichen Grundlagen, zahlreichen keineswegs einheitlichen oder gar konsistenten obergerichtliehen Judikaturen und unverändert strittigen betriebswirtschaftliehen und gebührenrechtlichen Grundsatzfragen in Kostenrechnung und Gebührenbedarfsermittlung. Daneben ist auch die Gebührenrelevanz verstärkter kommunaler Umweltschutzanstrengungen in den Blick zu nehmen:4 Der durch Umweltschutzauflagen in den Bereichen Abfall und Abwasser in der jüngsten Vergangangenheit im Kommunalbereich ausgelöste Investitionsschub beginnt nunmehr, sich im Wege der W eiterwälzung über Gebühren kostenmäßig bemerkbar zu machen. Daß die Zustimmung zu ökologischen Ausgabenprogrammen unter dem Eindruck verspätet spürbarer Lasten erodiert, kann gegenwärtig erneut beobachtet werden. Die empirisch festzustellenden Gebührensteigerungen der letzten Jahre spiegeln aber nicht zuletzt gesellschaftliche Anforderungen an eine leistungsfähige Ökologiepolitik im Kommunalbereich wider, deren nunmehr aufgedeckte Kosten zurückgewiesen werden. 5 (2) Demgegenüber machen sich in jüngster Zeit verstärkt Bestrebungen anheischig, die Rolle der Gebühren wieder vermehrt auf klassische Auf3 Zur allgemeinen Umweltabgaben-Diskussion siehe zusammenfassend in jüngster Zeit Hansjürgens 1992; Zimmermann I Hansjürgens 1993; Eckhardt 1993; sowie die Beiträge in Mackscheidtl Ewringmann I Gawe/1994; aus rechtlicher Sicht unveränden grundlegend Mrßerschmidt 1986. 4 Zum Problemkreis kommunalen Umweltschutzes siehe Hoppe 1990, aus ökonomischer Sicht auch Ebert 1992. 5 So wohl der Hinweis auf "überzogene" gemeindliche Umweltschutzanforderungen- Städtetag NRW, Pressedienst Nr. 101 v. 8.8.1994.

I. Kommunale Entgelte in der Diskussion

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gabenfelder finanzwirtschaftlicher Refinanzierung zu beschränken, um die Gebührenschuldner vor fiskalisch motivierten Zugriffen der Gemeinden zu schützen, Deformationen der Vorzugslasten zu verdeckten Kommunalsteuern abzuwehren und "heimliche" Gewinnenielungen der kommunalen Haushaltswirtschaften zu vereiteln.6 Das für derartige Gebühren-Vorstellungen maßgebliche Leitbild der Entgeltgestaltung steht nicht nur in scharfem Widerspruch zu den zuvor angesprochenen Bestrebungen, den gebührenrelevanten Kostenbegriff nach volkswirtschaftlichen Maßstäben neu zu formulieren und damit materiell auszudehnen ("Ökologisierung kommunaler Gebühren"), sie wenden sich auch bereits gegen den in einzelnen Bundesländern noch geltenden kommunalabgabenrechtlichen Kalkulationsrahmen. (3) Schließlich sind Fragen privatwirtschaftlicher Aufgabenerfüllung und effizienter Verwaltungsorganisation angesprochen: Auch die intensive Privatisierungsdebatte der jüngeren Vergangenheit um private Organisationsformen kommunaler Entsorgungsdienste7 ist mit der Gebührenfrage verzahnt. Dies zeigt die aktuelle Diskussion um die umsatzsteuerliche Behandlung hoheitlicher Aufgabenerfüllung der Gemeinden besonders deutlich: Die geplante Einstufung von Abwasser- und Abfallentsorgungseinrichtungen als Betriebe "gewerblicher Art" soll die gegenwärtig bestehende umsatzsteuerliehe Diskriminierung privatwirtschaftlicher und hoheitlicher Leistungserstellung beseitigen.8 Aber auch die Frage, wie eine effiziente Bereitstellung öffentlicher Leistungen auf kommunaler Ebene durch entsprechende Gestaltung von Gebühren und Preisen ermöglicht bzw. erleichtert werden kann, verweist auf die Bedeutung, die einem kommunalen Entgeltsystem für die Realisierung kommunalpolitischer Deregulierungs-, Privatisierungs- und Effizienzsteigerungsziele zukommt. Die in jüngster Zeit besonders intensiv geführte Diskussion und die dabei zunehmend massiv vorgebrachte Kritik an der Kalkulationsgebarung der Städte und Gemeinden mit dem Ziel eines Rückbaus kommunalabgabenrechtlicher Vorgaben hin zu einer erneut rein refinanzierenden Gebühr macht deutlich, daß gegenwärtig diametral entgegengesetzte Positionsbestimmungen für Kommunalabgaben die Debatte beherrschen. Daher hat sich eine gesamtwirtschaftliche Neuausrichtung, insbesondere der Aspekt einer

6 Siehe hierzu nur in jüngster Zeit von Zweh/1988; ders. 1989; Brüning 1990a und 1990b; ders. 1994; Reichstein 1989; Brawanski 1988; Ostholtho/!1993; Siekm4nn 1995. 7 Hierzu statt vieler nur Schach 1994 für die Abfallbeseitigung, Ottm4nn 1988; Freund 1991 für den Abwasserbereich; allgemein auch die Beiträge in Ipsen 1994; zur Effizienzdiskussion ferner Rolo/fI Pi/der 1984 sowie OstholthoffI Nikulski 1990.

8 Hierzu im Überblick Bach 1994; ferner auch Sinz 1994; Mohl I Dicken 1994. 6 Gawel

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"Ökologisierung" des Kommunalabgabenwesens gegen massive Widerstände zu behaupten. Diese gebührenpolitische Regressionstendenz darf freilich nicht vergessen lassen, daß die Grundmuster der nunmehr vorgetragen Argumentation prinzipiell seit Einführung betriebswirtschaftlicher Preiskalkulation und der Verabschiedung kameralistisch-finanzwirtschaftlicher Gebührenbedarfsbestimmungsverfahren in den Kommunalabgabengesetzen der Länder Ende der 60er/Anfang der 70er Jahre nahezu unverändert die Diskussion bestimmen, ohne daß dabei ein Konsens über die "richtige" Gebührenhöhe hätte hergestellt werden können oder auch nur in Aussicht wäre. Neu sind daher keinesfalls die Argumente, die nunmehr gegen die Kalkulationspraxis zu Wiederbeschaffungswerten und die Anwendung anderer betriebswirtschaftliche Kalkulationsmethoden erwerbswirtschaftlicher Betriebe im Kommunalbereich vorgebracht werden. Wohl aber haben veränderte quantitative Dimension und gestiegener Stellenwert der Kommunalabgaben speziell im Bereich der umweltpolitisch relevanten Entsorgungshaushalte (Abwasser, Abfall) die seit langem virulenten Einwände gegen eine betriebswirtschaftliche Entgeltkalkulation im öffentlich gebundenen Bereich erneut katalysiert. Auch das heftige Ringen um die Neubestimmung von Auftrag und Durchführung staatlicher Aufgabenerfüllung speziell im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge9 läßt das zentrale Problem der Gebührenermittlung erneut an Bedeutung gewinnen. Wie ferner der Blick auf die zahlreichen Judikaturen der zuständigen Obergerichte erweist, 10 bestehen insgesamt erhebliche Unsicherheiten bei der konkreten Abgrenzung rechtlich zulässiger Kalkulationsverfahren. Auch die seit der Kommunalabgabenreform einsetzende Veröffentlichungsflut zum Thema 11 läßt in ihrer unverändert kontroversen Auseinandersetzung wohl keinen anderen Schluß zu, daß ein Konsens über eine verbindliche Auslegung "betriebswirtschaftlicher Grundsätze" für kostenrechnende Einrichtungen der Kommunen auf diskursive Weise oder im Wege richterlicher Rechtsfortbildung nicht zu gewinnen ist. Entsprechend haben einzelne Landesgesetzgeber bereits Konsequenzen dahingehgend gezogen, daß der Ansatz von Anschaffungs- bzw. Herstellungswerten in der gemeindli9 Hierzu

allgemein auch Laux 1994.

10 Siehe nur OVG Lüneburg, Urteil v. 9.10.1990 - 9 L 279/89; OVG Münster, Urt. v. 27.10.1992 · 9 A 835/91. ll Statt vieler (neben den in Fn. 6 genannten Arbeiten) Budäus 1978; von Zweh/1989; Trau· mann·Reinheimer 1977; Giesen 1980; Danek e 1984; Dahmen 1990a; Langenbrinck 1993; J. Schmidt 1991; Gawel1994b.

II. Kommunale Gebühren - die finanzwissenschaftliche Problemsicht

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chen Kostenkalkulation obligatorisch wird. 12 Allerdings bietet das klarstellende Tätigwerden des Landesgesetzgebers keine Gewähr für ein Verstummen der Diskussion, wie die ökologisch motivierte Kritik an der restriktiven Gebührenpolitik Bayerns zeigt. 13 Ohne gesellschaftlichen Konsens in der Gebührenfrage wird keine Befriedung der zum Teil erbittert geführten Diskussion zu erwarten sein. Die vorliegende Arbeit möchte hierzu einen Beitrag aus volkswirtschaftlich-finanzwissenschaftlicher Perspektive leisten. Vor dem Hintergrund dieser gegenwärtig zu verzeichnenden Umbruchphase einer grundsätzlichen Neubestimmung kommunaler und hoheitlicher Gestaltungsaufgaben in Verwaltung und Umweltschutz, in der an das System kommunaler Gebühren und Beiträge vielfältige und z. T. widerstrebende Anforderungen aus dem gesellschaftlichen Raum herangetragen werden, Kommunalabgeben unter massiven Veränderungsdruck geraten sind und erheblicher politischer und rechtlicher Klärungsbedarf besteht, wird nachfolgend der Frage nachzugehen sein, welche Rolle und welchen Stellenwert kommunale Gebühren und Beiträge zukünftig einnehmen können, um der gesamtwirtschaftlichen, insbesondere ökologiepolitischen Verantwortung gerecht zu werden, ohne dabei traditionelle Entgeltfunktionen und die dabei verfolgten Schutzabsichten zu vernachlässigen.

II. Kommunale Gebühren - die finanzwissenschaftliche Problemsicht

Bohley stellte Ende der 70er Jahre fest, daß Gebühren und Beitrage "fast völlig aus dem Gesichtskreis zumindest der Theoretiker" verschwunden seien; 14 er glaubte allerdings, hier einen Umschwung zu erkennen. Für den deutschen Sprachraum kann diese Prognose mit Blick auf die Situation der 90er Jahre nur mit erheblichen Einschränkungen bestätigt werden. In jüngster Zeit wird den Gebühren als potentiellem ökologischen Lenkungsinstrument verstärkte Aufmerksamkeit gewidmet. 15 Daneben gibt es traditionell eine Fülle von Beiträgen teils aus betriebswirtschaftlicher, teils aus rechtlicher Sicht, die sich mit Einzelfragen der Gebührengestaltung, insbesondere der Kalkulation auseinandersetzen. 16 Die Tatsache, daß in diesen Beiträgen 12 Siehe z. B. die entsprechende Änderung des KAG für Rheinland-Pfalz: hierzu u. a.

mennann 1986; Schweer 1986. 13 Siehe hierzu Langenbrinck 1993; dm. 1994. 14 Bohley 1980, S. 916. 15 Siehe z. B. Chantelau I Möker 1989. 16 Siehe dazu das ausführliche Literaturverzeichnis bei Bals I Nölke 1990, S. 221-225.

F. Zirn·

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A . Problemskizze

bestimmte, scheinbar unvereinbare Positionen einander immer aufs neue gegenübergestellt werden, sollte für die Finanzwissenschaft, in deren ureigenes Arbeitsgebiet die Gebühren als traditionelle Kategorie öffentlicher Einnahmen fallen, eine Herausforderung zur gesamtwirtschaftlichen Einbindung dieser Einzelfragen darstellen. Finanzwissenschaftliche Arbeiten, die sich diesem Anspruch stellen, liegen aus den letzten Jahren jedoch nicht vor.1 7 Zur Schließung dieser Lücke will die vorliegende Arbeit beitragen. Es wird der Versuch unternommen, aus einem gesamtwirtschaftlich orientierten, finanzwissenschaftliehen Ansatz Grundsätze einer ökonomisch rationalen Gebührenkalkulation und -ausgestaltung abzuleiten und die Streitfragen in der eher pragmatisch orientierten "Kalkulationsliteratur" anhand dieser Grundsätze zu klären oder - wo dies nicht möglich ist - zumindest in einen einheitlichen Bewertungsrahmen einzuordnen.18 Diese allgemeinen Grundsätze werden dem geltenden Rechtsrahmen gegenübergestellt, auf Berührungspunkte zur betriebswirtschaftliehen Kalkulationslehre geprüft und schließlich hinsichtlich ihrer Implementationschancen bewertet. Der klassische Gebührenbegriff betonte den Entgeltcharakter bei unmittelbarer Inanspruchnahme einer staatlichen bzw. kommunalen Leistung und knüpfte insoweit an der Analogie zum privat- und marktwirtschaftliehen Tauschprozeß an. Die Gebühr ist danach Gegenleistung für eine individuell voll zurechenbare öffentliche Leistung; über die Gebührenbemessung werden die Interessenten zur Offenlegung ihrer Präferenzen veranlaßt, Güterangebot und Güternachfrage ausbalanciert und so öffentliche Leistungen bzw. Ausgaben nach Umfang und Struktur optimal gestaltet sowie die dafür benötigten Ressourcen effizient eingesetzt. Konsequenterweise ist dann bei der Gebührenfestsetzung preisanalog nach der Grenzkosten-Preis-Regel zu verfahren. Eine solche Gebührenkonzeption steht allerdings gleich vor mehreren Problemen: Am Anfang steht dabei die Frage nach ihrer Relevanz für die vielfältigen Formen der real existierenden, am Äquivalenzprinzip orientierten Zwangsabgaben und der mit ihrer Hilfe finanzierten öffentlichen 17 Daß die Gebühr in der Finanzwissenschaft eher ein Schattendasein fristet, ist auch aus der Tatsache zu ersehen, daß dieser Einnahmeart in den meisten finanzwissenschaftliehen Lehrbüchern nur wenig Raum eingeräumt wird. So enthält das dreibändige Standardwerk "Die öffentlichen Finanzen in Theorie und Praxis" von R. A. Musgrave, P. B. Musgrave und L. Kullmer (Musgrave I Musgrave I Kullmer 1992) lediglich ein Kapitel zur öffentlichen Preisbildung, während der allgemeinen und speziellen Steuerlehre immerhin 12 Kapitel gewidmet sind.

18 Zu ersten Ansätzen einer gesamtwirtschaftlich ausgerichteten Gebührenpolitik siehe insbesondere Bats 1973b; BMWi 1976; Traumann-Reinheimer 1977, passim, z. B. S. 5, 172 ff., 204 ff.; Bals I Nölke 1990; Brückmann 1991; Langenbrinck 1993.

li. Kommunale Gebühren - die finanzwissenschaftliche Problemsicht

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Leistungen. Je höher der Öffentlichkeitsgrad der bereitgestellten staatlichen und kommunalen Güter ist, je weniger also Ausschließbarkeit und Konsumrivalität gegeben sind, desto unbrauchbarer wird das Konzept: -

-

Reine öffentliche Güter müssen über Steuern finanziert und diese nach anderen Kriterien bemessen werden; insoweit werden auch die Entscheidungen über Art und Umfang der Bereitstellung öffentlicher Leistungen und über ihre Finanzierung voneinander entkoppelt. Für private Güter, deren marktliehe Austauschkriterien das Vorbild für die klassische Gebührenanalogie darstellen, stellt sich demgegenüber die Frage, warum sie unter diesen Voraussetzungen überhaupt von der öffentlichen Hand produziert bzw. bereitgestellt und nicht dem Privatbereich überlassen werden.

Relevant wird die Gebührenkonzeption daher nur für Mischgüter, in denen sich öffentliche und private Gutskomponenten miteinander verbinden und bei denen die "Bepreisung" der Privatgutkomponente zur Offenlegung individueller Präferenzen und der Ausschluß bei Nichtentrichtung der Gebühr technisch und ohne prohibitiven Aufwand möglich und mit sonstigen Zielvorstellungen vereinbar ist; vor allem darf dadurch die nach politischen Entscheidungen vorzunehmende Sicherstellung der öffentlichen Gutskomponenten nicht gefährdet werden. Da die Erfüllung der meisten öffentlichen Aufgaben über eine Mischgüterproduktion erfolgt, eröffnet sich der Gebührenkonzeption durchaus ein breiter Anwendungsspielraum. Der Anwendung der Grenzkosten-Preis-Reget stehen indessen weitere Hindernisse entgegen: (1) Zunächst muß das im Mischgut vorhandene "öffentliche Interesse" abgegrenzt werden. Die öffentliche Gutskomponente nutzt der Allgemeinheit; die entsprechenden Kosten dürfen demgemäß nicht den identifizierbaren Inanspruchnehmern der gebührenfähigen Leistung angerechnet werden. (2) Die öffentliche Aufgabenerfüllung bedient sich - auch wenn sie Leistungen von Gebührenhaushalten umfaßt - keineswegs nur pretialer Sanktionsmechanismen; neben die Gebühr treten in aller Regel andere einnahmeund ausgabepolitische Maßnahmen. So wird die Allokation knapper Ressourcen zur Sicherung einer bestimmten Umweltqualität nicht nur über kommunale Entsorgungseinrichtungen und dafür erhobene Gebühren gesteuert. Im Gewässerbereich z. B. sind die Gemeinden als sog. Direkteinleiter ebenso wie die ihre Entsorgungsleistungen in Anspruch nehmenden Indirekteinleiter zugleich Normadressaten der staatlichen Ordnungspolitik, die Indirekteinleiter unterliegen zusätzlich den Vorschriften und Begrenzungen der Ortsentwässerungssatzungen. Gerade die gebührenzahlenden Indi-

A. Problemskizze

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rekteinleiter werden in immer stärkerem Maße - und zwar zwecks Bereitstellung bzw. Sicherung des gemischten öffentlichen Gutes "Gewässerqualität" - in staatliches Ordnungsrecht und damit in nicht-pretiale Allokationsmechanismen eingebunden, ihre Reaktionen hängen nicht nur, vielleicht nicht einmal überwiegend von den Gebühren ab. Insoweit sind Gebühren selbst Bestandteil eines gemischten Instrumentariums. Ihre isolierte Orientierung am Effizienzmaßstab kann daher durchaus zu suboptimalen Ergebnissen führen. (3) Gemischte Instrumentarien werden in der Regel zur Reallokation, Umverteilung und/oder Stabilisierung nach politischen Einzelzielvorgaben eingesetzt. Dadurch wird der äquivalenztheoretische Grundzusammenhang in mehrfacher Hinsicht durchbrachen. An die Stelle einer unmittelbar präferenzorientierten und von der Zahlungsbereitschaft abhängigen öffentlichen Leistungserstellung tritt ein nach politischen Kriterien bereitgestelltes öffentliches Angebot, das auf kommunaler Ebene zudem oft bereits das Ergebnis staatlicher Normsetzung ist. Seine Inanspruchnahme kann unter Auferlegung bestimmter Zusatzanforderungen obligatorisch werden; bei seiner Finanzierung rücken wirtschafts- und sozialpolitische oder auch andere fachspezifische Lenkungsaspekte in den Vordergrund, die - außerhalb der Leistungserstellung in öffentlichen Einrichtungen - durch andere rechtliche Instrumentarien und Subventionen bzw. Sozialtransfers unterstützt werden könnnen.

(4) Je mehr dabei - und dies gilt in besonderem Maße für den Bereich der Umweltpolitik - politisch gewünschte Lenkungseffekte bzw. konkrete Lenkungsziele dominieren, desto stärker büßen die pretialen Instrumente, also auch die Gebühren für unmittelbare öffentliche Leistungsinanspruchnahmen, ihren Bezug zu den (sozialen) Grenzkosten ein. Wo das politische Ziel in konkreten Nachfragereaktionen bzw. Substitutionsprozessen besteht, sind nicht mehr die Kosten der öffentlichen Einrichtung Maßstab für die Preisbzw. Gebührenhöhe; die Abgabenbelastung muß sich an den Kosten der Substitutionsprozesse orientieren, die für die Erreichung des politischen Lenkungszieles gerade noch als erforderlich angesehen werden. Vor diesem Hintergrund verschwimmen die Konturen der Gebühr nach klassischem Verständnis. In der neueren Finanzwissenschaft wird die Gebühr daher verstanden als "eine an politischen Zielen orientierte Mittelübertragung von i. d. R. privaten Wirtschaftssubjekten an den öffentlichen Sektor beim Vorliegen solcher öffentlicher Leistungen, die dem Ausschlußprinzip unterworfen werden können";19 z. T. wird sogar auf die Anwendbarkeit 19 Bohley 1980 S. 921.

ill. Zum Vorgehen der Arbeit

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des Ausschlußprinzips verzichtet und allein eine Zurechenbarkeit der öffentlichen Leistung vorausgesetzt. Die Entfernung vom marktliehen Äquivalenzgedanken und von den damit zusammenhängenden Kosten-PreisRegeln haben Hansmeyer und Fürst wie folgt formuliert: Die Gebühr "ist sowohl Preis für eine öffentliche Leistung, ohne dessen Funktion voll wahrnehmen zu dürfen, sie ist auch öffentliche Abgabe, ohne jedoch die Beziehung zur Gegenleistung verloren zu haben[...] Gebühren werden für öffentliche Leistungen erhoben, bei denen der Umfang der Leistungserstellung dem Marktprozeß entrückt und in mehr oder weniger starkem Maße der politischen Entscheidung vorbehalten ist. Die Preisfunktionen der Gebühr werden dadurch insoweit reduziert, als die Gebühr nur noch bedingt Auskunft über die Höhe des zu erstellenden Leistungsangebots geben kann. Die Gebührenhöhe bildet sich nicht aus dem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage, sondern richtet sich in ihrer Höhe nach dem politischen Ziel, das mit dem Angebot der jeweiligen öffentlichen Leistungen verfolgt werden soll"20.

111. Zum Vorgehen der Arbeit Zentrales Anliegen der hiermit vorgelegten Untersuchung ist die Frage nach dem richtigen Preis (der richtigen Gebühr) für kommunale Leistungen. Die Fragestellung erscheint keineswegs neu oder originell, aber weiterhin klärungsbedürftig und vor dem Hintergrund neuerer Erkenntnisse und Anforderungen an kommunale Leistungserstellung unverändert aktuell. Eine "richtige", d. h. angemessene Entgeltgestaltung wird dabei nach volkswirtschaftlichen Maßstäben abzuleiten sein. Zugleich werden im Rahmen dieser Untersuchung aber auch rechtliche Schranken und betriebswirtschaftliche Kalkulationsimplikationen zu betrachten sein. Das kalkulatorische Ziel gesamtwirtschaftlich optimaler Ressourcenallokation erscheint auch für die Gebührengestaltung vernünftig, entbindet freilich nicht von der Verpflichtung zur Rechtskompatibilität und Praxisrelevanz der daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen. 21

20 Hansmeyer I Fürst 1968, S. 31. 21 Insoweit unterscheidet sich der hier verfolgte Ansatz von der reinen Wohlfahrtstheorie: Offene Gebührenfragen sind abschließend im Lichte der allokativen Überlegungen, aber im Rahmen eines kommunalpolitisch eigenverantwortlichen und rechtskonformen Entscheidungsprozesses zu klären.

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A. Problemskizze

Soweit die Frage nach der richtigen Gebührengestaltung (Höhe, Tarifierung etc.) unmittelbar auf die mit der Gebührenerhebung verbundenen Ziele verweist, sich mithin stets eine Ziel-Mittel-Verschränkung der Entgeltgestaltung ergibt, bleibt zunächst der Maßstab offen und umstritten. Die vorliegende Arbeit untersucht, welche Konsequenzen sich für die kommunale Gebührenpolitik ergeben, wenn als Maßstab der Gebührenerhebung konsequent die Widerspiegelung volkswirtschaftlicher Knappheiten angestrebt wird. Dabei wird auch zu erörtern sein, inwieweit eine Verpflichtung auf die Kriterien allokationsoptimaler Preisregeln im Rahmen des Gebührenrechts überhaupt als zulässig und vor dem Hintergrund des kommunalen Zielbündels und des zu seiner Erreichung eingesetzten Instrumenten-Sets als zweckmäßig anzusehen ist. Ferner ist zu prüfen, ob sich pretial aufgewertete Gebühren überhaupt entsorgungswirtschaftlich als wirksam erweisen und darüber hinaus einen für die praktische Kalkulation operationalisierbaren und verwaltungsgerichtlicher Überprüfung standhaltenden Modus der Bedarfsberechnung bereithalten können. Die hier verfolgte Ausrichtung kommunaler Entgelte an der gesamtwirtschaftlichen Kostenverantwortung individuellen Handeins wollen wir kurz als Knappheitsparadigma der Gebührengestaltung bezeichnen. Ein solcher Ansatz bezieht seine Berechtigung nicht zuletzt daraus, daß die Gemeinden infolge ihrer Dispositionsgewalt über beträchtliche Teile öffentlicher Budgets erhebliche gesamtwirtschaftliche Ausstrahlungswirkungen auslösen und sich daher- ihrer ressourcenlenkenden Verantwortung eingedenk- auch gesamtwirtschaftlichen Anforderungen an die Ausgestaltung ihrer finanzpolitischen Handlungsspielräume zu stellen haben.22 Die Verfolgung des Knappheitsparadigmas ist jedoch keineswegs gleichbedeutend mit der Empfehlung, die Gebührengestaltung möglichst konsequent an der theoretischen Grenzkosten-Preis-Regel auszurichten; diese ist vielmehr Bestandteil und theoretischer Ausgangspunkt eines komplexeren Entscheidungszusammenhangs. Dabei geht es - zunächst in negativer Abgrenzung - nicht um die Aufarbeitung der wohlfahrtstheoretischen Ergebnisse aus dem Bereich der Theorie der öffentlichen Unternehmung; deren Aufgabe besteht darin, die wohlfahrtsoptimalen Preise, Güter- und Faktoreinsatzmengen für die Herstellung öffentlicher Mischgüter unter Modellprämissen und unter Zugrundelegung einer Wohlfahrtsfunktion zu bestimmen.23 Diese Ergebnisse können hier gleichwohl als Ausgangspunkt dienen, 22 Dazu allgemein auch Postlep 1993. 23 Siehe dazu ausführlicher Bös 1980 oder Blankart 1980.

m. Zum Vorgehen der Arbeit

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besagen sie doch u. a., daß bei Befolgung der Grenzkosten-Preis-Regel theoretisch ein Wohlfahrtsoptimum erreichbar ist. Im folgenden kommt es jedoch darauf an, eine Art Pragmatisierung dieses Konzeptes vorzunehmen. Die Grenzkosten-Preis-Reget muß daraufhin überprüft werden, inwieweit sie unter Berücksichtigung unterschiedlicher Gebührenfunktionen und zahlreicher, vom Modell abweichender Rahmenbedingungen des gebührenpolitischen Einsatzes Gültigkeit behält bzw. inwieweit Abweichungen geboten oder zulässig sind. Die Überprüfung soll dabei, um den institutionellen, funktionalen und instrumentellen Rahmen genauer spezifizieren zu können, auf die Bereiche der Abfall- und Gewässerpolitik bzw. auf Abfall- und Entwässerungsgebühren beschränkt werden, also auf zwei Bereiche, in denen es um die Produktion gemischter Umweltgüter mit Hilfe eines (kommunalen) Policy Mix geht. Soweit konkrete rechtlich-institutionelle Bedingungen zu berücksichtigen sind, wird sich die Studie zudem auf die Situation des Landes Nordrhein-Westfalen konzentrieren; abweichende Bedingungen in anderen Bundesländern werden eher nachrichtlich und zu Vergleichszwecken erwähnt. Dennoch versteht sich die Untersuchung als länderübergreifende Analyse kommunaler Entgeltinstrumente; lediglich dort, wo theoretische Ansätze mit institutionellen Anforderungen konfrontiert werden sollen, wird vorzugsweise auf das Recht des Landes Nordrhein-Westfalen referiert. Der im Rahmen der weiteren Untersuchung verfolgte Gebührenbegriff ist dabei institutioneller Art: Die in der Praxis eingeforderten Entgelte für kommunale Leistungen werden als "Gebühr" bezeichnet. Anders gewendet: Die Gebührenbegrifflichkeit gibt im Hinblick auf die Analyse nicht den Ausgangspunkt der Betrachtung ab: Es kann daher nicht darum gehen, unter dem Stichwort "Gebühr" eine Neubegründung (oder Wiederaufnahme) einer finanzwissenschaftliehen Einnahmekategorie zu betreiben. Vielmehr sind die in der kommunalen Praxis vorkommenden Entgeltgestaltungen, für die vereinfachend der Terminus "Gebühr" vereinbart wird, auf ihre Bemessungsprinzipien und deren Vereinbarkeit mit volkswirtschaftlichen Kriterien zu untersuchen.24 Die Arbeit gliedert sich grob in fünf Teile B - F, in denen eine allgemeine Erörterung gesamtwirtschaftlich orientierter Gebührengestaltungen vorgenommen wird, wobei spezielle Anwendungfelder eher exemplarisch herangezogen werden. In einer gesonderten Veröffentlichung werden die allgemeinen Aussagen zur Benutzungsgebühr für die spezifischen Entsorgungsprob24 Ähnlich auch Bals I Nölke 1990, die den Gebührenbegriff pars pro toto für jeweils geeignet erscheinende kommunalwirtschaftliche Entgelte verwenden.

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A. Problemskizze

Iernfelder der Abfallwirtschaft und der Abwasserbeseitigung exemplifiziert (vgl. Gawel I van Mark 1995). Dabei werden die vorangegangenen allgemeinen Überlegungen für zwei besonders wichtige kommunale Anwendungsbereiche, die Abfall- sowie die Abwassergebühren, konkretisiert. In der hier vorgelegten Untersuchung allgemeiner Gebührenfragen gilt es zunächst, das Erkenntnisziel und den Stand der Diskussion in einer Bestandsaufnahme herauszustellen (Kapitel B). Die finanzwissenschaftliche Sicht der Gebühr als Instrument zur "Bepreisung" bestimmter, öffentlich bereitgestellter Güter wird in Kapitel C dargestellt. Die Stellung der Gebühr zwischen Marktpreis auf der einen und Steuer auf der anderen Seite wird aus dem besonderen Charakter der mit einer Gebühr belegten Güter abgeleitet, deren Bereitstellung aus verschiedenen Gründen nicht privaten Anbietern überlassen wird. Dabei werden die Kosten der Güterbereitstellung als Ausgangspunkt der Gebührenkalkulation, den die Gebühr mit dem Marktpreis gemeinsam hat, festgemacht. Abweichungen von diesem Ausgangspunkt werden aus den Zielen abgeleitet, die mit der öffentlichen Güterbereitstellung verfolgt werden. Neben der Höhe wird anschließend die Struktur der Gebühr ('fariffragen etc.) zu erörtern sein. Die bei der allgemeinen finanzwissenschaftliehen Analyse der Gebühr in ihrer neuartigen, gesamtwirtschaftlichen Rolle aufscheinenden Problemfelder werden sodann in Kap. D vertieft. Kapitel E ist im Anschluß daran betriebswirtschaftliehen Kalkulationsproblemen gewidmet, die das Spannungsfeld zwischen theoretischem Gebührenkonzept und praktischer Gebührenbedarfsberechnung behandeln. Schließlich werden in Kapitel F die rechtlichen Rahmenbedingungen der Gebührenkalkulation abgesteckt. Insbesondere wird der Frage nachgegangen, ob dieser Rahmen eine ökonomisch rationale Gebührenkalkulation zuläßt oder ob hierfür eine Änderung der Rahmenbedingungen erforderlich ist. Hierauf gestützte Überlegungen zur Implementation eines ökonomisch und ökologisch rationalen Gebührenregimes (Kapitel G) beschließen die Studie. Eine Kurzfassung der Überlegungen, die zugleich eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse darstellt, ist der Studie vorangestellt.

B. Die gesamtwirtschaftliche Neuausrichtung gemeindlicher Entgelte als Herausforderung der kommunalen Abgabenwissenschaften I. Begriff und Abgrenzung

Aus den gegenwärtig an das System kommunaler Entgeltabgaben (Gebühren und Beiträge) herangetragenen Reformanliegen wird im folgenden der Versuch, über Vorzugslasten ökonomisch rationale Ressourcenpreise zu administrieren, eingehender analysiert werden. Ein solches gesamtwirtschaftliches Leitbild sucht die Kostenverantwortung individueller Nachfrager nach kommunalen Entsorgungs-Diensten zu stärken, dem Verursacherprinzip bei der Entgeltbemessung Rechnung zu tragen und durch Orientierung an den sozialen Gesamtkosten ökonomischer Aktivitäten eine optimale Ressourcenallokation anzunähern, indem ein entsprechend administriertes Entgelt ausdrücklich allokative Preisfunktionen übernimmt. Die Höhe einer derart kalkulierten Gebühr soll den potentiellen Abnehmern öffentlicher Leistungen den gesamtwirtschaftlichen Wert des Faktorverzehrs anzeigen, der erforderlich wird, um die Leistungserstellung vornehmen zu können. Die Benutzungsgebühr avanciert auf diese Weise zu einem volkswirtschaftlichen Knappheitspreis für die Inanspruchnahme einer öffentlichen Leistung, die die Nachfrager in den Stand versetzt, anhand des preislichen Signals kommunaler Entgelte auch gesamtwirtschaftleih richtige Entscheidungen über alternative Ressourcenverwendungen zu treffen. Entspricht das Reglement für die Entgeltermittlung diesen Anforderungen nicht, wird insbesondere eine Verkürzung der des bei der Abgabe öffentlicher Leistungen effektiv anfallenden Verbrauchs an Produktionsfaktoren betrieben, so fällt die resultierende Gebühr zu niedrig aus; der durch eine derart verkürzte Gebühr indizierte Werteverbrauch entspricht nicht den gesamtwirtschaftlichen Einbußen, die als Folge der Nutzung öffentlicher Leistungsangebote tatsächlich in der Gesamtwirtschaft auftreten. Die Folge wird eine überhöhte Nachfrage sein, die einen übermäßig hohen Anteil volkswirtschaftlich knapper Ressourcen in dem durch Gebühren finanzierten Sektor absorbiert. Denn um die Übernachfrage zu befriedigen, müssen -

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B. Gesamtwinschaftliche Neuausrichtung von Kommunalabgaben

auf welchem konkreten Wege auch immer 1 - Teile des der Volkswirtschaft insgesamt zur Verfügung stehenden Potentials produktiver Faktoren aus anderen Verwendungen abgezogen und in die gemeindliche Leistungserstellung umgelenkt werden. Der Zusatznutzen aus diesem Mehrangebot öffentlicher Leistungen fällt dann jedoch geringer aus als der zusätzliche Verzicht, der durch Aufgabe alternativer Ressourcennutzungen entstehen würde; die kommunale Leistungserstellung ist damit ineffizient (suboptimal).2 Im Rahmen dieser Untersuchung wird die Problematik gesamtwirtschaftlicher Kostenverantwortung vorzugsweise am Beispiel der Ökologisierung kommunaler Benutzungsgebühren erörtert. Die Ökologisierung kann als exemplarische Behandlung eines gesamtwirtschaftlich lenkenden Gebühreneinsatzes gelten, dem gegenwärtig im Entsorgungsbereich besondere Aktualität zukommt. Hierbei wird speziell der Ressourcenverbrauch durch Inanspruchnahme öffentlicher Umweltgüter betrachtet, dessen Außerachtlassung keine Ableitung gesamtwirtschaftlich kostenwahrer Entgelte möglich erscheinen läßt. An den ökologisch sensiblen Bereichen der kommunalen Entsorgung lassen sich in exemplarischer und mittlerweile besonders krasser Form die Mängel einer Gebührenbedarfsberechnung ablesen, die sich den Luxus gestattet, von der Einbeziehung sämtlicher volkswirtschaftlichen Kosten der kommunalen Leistungserstellung abzusehen und statt dessen einen aus gesamtwirtschaftlicher Sicht eher willkürlichen Ausschnitt für maßgeblich zu erklären. "Ökologisierung" kann auf diese Weise als Schlagwort für die verstärkte Instrumentalisierung der Kommunalabgaben für den örtlichen Umweltschutz und damit für den konsequenten Einsatz preislicher Hebel im Bereich kommunaler Ökologiepolitik, aber zugleich auch als Beispiel eines lenkenden Einsatzes kommunaler Entgelte mit Blick auf eine gesamtwirtschaftliche Ressourcenverantwortung gelten. Allerdings sind in diesem Zusammenhang zunächst nicht nur (Benutzungs-) Gebühren, sondern auch andere Entgeltabgaben (Beiträge) in ihrer Lenkungswirkung angesprochen; ja auch im Bereich der Kommunalsteuern bieten sich lenkungspolitische Ansätze für eine ökonomisch rationale, über den Preis organisierte Ressourcenpolitik, 3 wie das jüngst ergangene Urteil des BVerwG zur Frage kommunaler Verpackungssteuern erneut unterstrichen hat.4 Daneben stehen naturgemäß auch privatrechtliche Entgelte etwa in der Versorgungswirtschaft (Wasser, Elektrizität) unter ökologischem Ver1 Zu Beispielen für diese Reallokationsvorgänge siehe etwa Traumann·Reinheimer 1977, S. 177. 2

Siehe zum Ganzen bereits Bais 1973b; BMWi 1976; Traumann-Reinheimer 1977, S. 173 ff.;

Bais I Nölke 1990.

3 Ähnlich auch das weite Begriffsverständnis bei Mohl I Backes 1991. 4 Vgl. BVerwG, Beschluß v. 19.8.1994- 8 N 1.93; siehe hierzu auch

Schefold I Göcke 1994.

I. Begriff und Abgrenzung

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änderungsdruck und bieten als preisliche Hebel Ansatzmöglichkeiten zu umweltpolitisch motivierter Einflußnahme. 5 Dennoch soll an dieser Stelle eine Beschränkung auf die spezifischen Problemlagen bei der Umgestaltung kommunaler Entgeltabgaben erfolgen: Im Vordergrund steht der Prototyp der gemeindlichen Benutzungsgebühr für Ver- und Entsorgungsdienstleistungen von Städten und Gemeinden in den umweltpolitisch relevanten Bereichen "Abwasser" und "Abfall". Da allerdings die grundsätzlichen ökonomischen Begründungsmuster einer ökologisch orientierten Preisgestaltung im Kommunalbereich zunächst unabhängig von der jeweiligen rechtlichen Organisationsform Geltung beanspruchen, kann verallgemeinernd von kommunalen Entgelten gesprochen werden; 6 es bleibt freilich vom jeweils gesetzten rechtlich-institutionellen Rahmen abhängig, inwieweit ökonomisch für zweckmäßig erachtete Preisregeln im Rechtskleid der kommunalen Benutzungsgebühr oder eines privatrechtliehen Entgelts realisierbar erscheinen. Der hiermit angesprochene Problemkreis berührt sämtliche kommunalen Abgabenwissenschaften: Neben dem kommunalen und verfassungsbezogenen Abgabenrecht sind aus ökonomischer Sicht vor allem finanzwissenschaftliche Aspekte und Fragen der Betriebswirtschafslehre öffentlicher Betriebe angesprochen. Im Rahmen dieser Untersuchung wird eine finanzwissenschaftlich und volkswirtschaftstheoretische Perspektive als erkenntnisleitend zugrunde gelegt. Die auf diese Weise gewonnenen Ergebnisse hinsichtlich einer ökologisch orientierten Kommunalabgabenpolitik sind jedoch anschließend mit den Erkenntnissen anderer kommunalwissenschaftlicher Disziplinen zu verknüpfen: So wird das Anliegen einer ökonomisch rationalen, gesamtwirtschaftlichen Neuausrichtung kommunaler Entgelte zunächst zu entwickeln und ökonomisch zu fundieren sein (Kap. C und D); darüber hinaus aber wird es erforderlich sein, die betriebswirtschaftliche Umsetzung gesamtwirtschaftlicher, insbesondere ökologisierter Preisregeln (Kap. E) sowie deren rechtliche Zulässigkeit (Kap. F) zu betrachten. Aus diesem Spannungsfeld wird sich schließlich eine implementations- und rechtspolitische Bewertung für das Vorhaben ergeben (Kap. G).

5 Siehe zum Nebeneinander ökologisch orientierter Preisgestaltung bei öffentlichen Einrichtungen, die durch Hoheitsträger selbst bzw. in privatrechtlicher Form geführt werden, z. B. Groß 1989. 6 Ebenso Bals I Nölke 1990, S. 202.

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B. Gesamtwirtschaftliche Neuausrichtung von Kommunalabgaben

II. Formen gesamtwirtschaftlich lenkender Entgeltgestaltung am Beispiel der Ökologisierung Der Einsatz kommunaler Entgeltabgaben im Dienste gesamtwirtschaftlicher Ressourcenschonung nach dem Leitbild einer volkswirtschaftlich "richtigen" Preisbildungsstrategie wirft die Frage auf, wie denn eine derartige gesamtwirtschaftliche Kostenverantwortung des Gebührenapparates konkret ins Werk gesetzt werden kann, d. h. welche Parameter der Gebührenbemessung, -tarifierung und -erhebung für lenkungspolitische, speziell ökologisch sensible Gestaltungen zur Verfügung stehen und wie die sich hieraus ergebenden entgeltpolitischen Optionen genutzt werden sollen. Die Frage nach den Dimensionen der Ökologisierung berührt dabei sowohl das Problem der Einfügung umweltpolitischer Zielkategorien in ein gegebenes kommunalpolitisches Zielsystem der Abgabenerhebung als auch rein erhebungs- und gestaltungstechnische Aspekte der Ökologisierung. Wir wollen hier unterscheiden zwischen der Ökologisierung des der Gebührenerhebung zugrunde liegenden gemeindlichen Zielsystems (Abschnitt 1), der daraus folgenden Ökologisierung der Entgeltkalkulation im Rahmen der Gebührenbedarfsberechnung (Abschnitt 2) sowie einer entsprechenden Gestaltung von Entgeltmaßstab und Abgabentarif (Abschnitt 3); schließlich stellt sich die Frage, inwieweit diese ökologisch motivierten Gestaltungsabsichten kommunaler Abgaben als Ausdruck einer systematischen Ökonomisierung administrierter Entgelte begriffen und entsprechend legitimiert werden können (Abschnitt 4). Die Auffassungen darüber, was im Rahmen einer umweltpolitischen Neuorientierung der kommunalen Entgeltpolitik not tut, gehen im Schrifttum weit auseinander. So wird insbesondere in der rechtswissenschaftliehen und anwendungsorientierten Literatur das Programm einer Ökologisierung kommunaler Gebühren oftmals implizit verkürzt auf Maßstabs- und Tarifierungsfragen? Erst in jüngerer Zeit zeichnen sich hier umfassendere Ansätze ab, die auch das Gebührenniveau unter volkswirtschaftlich-ökologischen Rationalitätsvorbehalt stellen.S Wie noch aufzuzeigen sein wird, bringen Verkürzungen der Ökologisierungsperspektive auf einzelne Teilbereiche spezifische Probleme und argumentative Brüche mit sich, wenn etwa an die zu verteilende Kostensumme andere Anforderungen gestellt werden als an die individuell zugerechnete Gebührenschuld.9 7 So etwa mustergültig bei Chantelau I Möker 1989; weniger scharf auch bei Mohl I Backes 1991.

8 So etwa Bats I Nölke 1990; Langenbrinck 1993. 9 Dazu näher unter Abschnitt C.IV.2.

II. Formen der Ökologisierung

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1. Ökologisierung des Zielsystems

Im Rahmen einer unter umweltpolitischen Vorzeichen angestrebten stärkeren Akzentuierung der volkswirtschaftlichen Preisfunktionen kommunaler Entgelte kommt es zunächst darauf an, den Orientierungsrahmen für die Entgelterhebung, d. h. das kommunale Zielsystem um umweltpolitische Aspekte gezielt zu arrondieren.lO Das kommunale Zielsystem für die Bereitstellung gemeindlicher Güter und Leistungen sowie die hieraus abzuleitenden Entgeltmaßstäbe, die bislang eine explizite umweltpolitische Zielkomponente vermissen ließen, sind entsprechend zu erweitern. Die Zielformulierung hat dabei legitimierende und gestaltende Funktion: Durch normtechnische Kodifizierung im Recht der Kommunalabgaben, zumindest aber durch Erzielung eines diesbezüglichen gesellschaftlichen Konsenses ist die ausdrückliche Zuweisung kommunaler Ökologieanliegen als Funktion der Entgeltpolitik Rechtfertigungsmoment für die gezielte Umgestaltung des gemeindlichen Gebühren- und Beitragswesens. Zugleich leiten sich aus den Zielvorgaben Handlungsanweisungen für die eigentliche entgeltpolitische Gestaltungsaufgabe ab. Darüber hinaus strahlt der umweltpolitische Zielbezug auf die Klärung strittiger Fragen im Bereich der Kommunalabgabenpolitik aus und verschafft ökologischen Anliegen so die nötige Repräsentanz im Rahmen der gemeindlichen Gebührenpolitik Voraussetzung hierfür sind eine hinreichend klare Zielformulierung sowie eine sorgfältige Abstimmung mit anderen Zielen der Gebührenerhebung. Das bloße Bekenntnis zur "lenkenden Gebühr", wie es der herrschenden Rechtswissenschaft seit geraumer Zeit zu entnehmen ist, oder die Anerkennung faktischer umweltpolitischer Lenkungseffekte im Bereich kommunaler Entsorgungsgebühren hat die bislang eher kühle Aufnahme entsprechender Konzeptionen nicht verhindert und vermag daher eine derartige konsensuale Zielreformulierung nicht zu leisten. Das Ausmaß gelungener Präzisierung der eigenständig umweltpolitischen Zielkomponente sowie die frühzeitige (konzeptionelle) Abstimmung möglicher Zielkonflikte innerhalb des komplexen gemeindlichen Zielsystems werden daher über die Erfolgsaussichten des Ökologisierungsanliegens maßgeblich mitentscheiden.

10 Ähnlich auch Huter I

Lahl I Zeschmar 1985.

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B. Gesamtwinschaftliche Neuausrichtung von Kommunalabgaben

2. Ökologische Kalkulation

Gestützt auf den zielseitig formulierten Auftrag der Gebührenerhebung, auch die Indikation volkswirtschaftlicher Knappheiten bzw. die gezielte Verhaltensbeeinflussung beim Verzehr ökologisch bedeutender Ressourcen in der Entgeltgestaltung zu berücksichtigen, ist es Aufgabe einer "ökologischen Kalkulation" sicherzustellen, daß die im Wege der Gebührenbedarfsberechnungen ermittelten Beträge über den mit dem Leistungsbezug verbundenen Resourcenverbrauch "korrekt" informieren bzw. ein geeignetes Lenkungssignal setzen. Dies betrifft im Kalkulationsbereich zunächst die Höhe der Gebühr, d. h. Reichweite, Umfang und Wertsansatz der über Gebühren verrechneten W erteverzehre. Die im Rahmen einer betrieblichen Kostenrechnung zu ermittelnden Kosten sollen nicht länger auf Aufwandsgrößen beschränkt bleiben, die der kommunalen Einrichtung durch den Leistungsbezug entstehen, sondern den gesamten Ressourcenverbrauch spiegeln, die mit der privaten Aneignung von (kommunalen) Umweltgütern einhergeht. In diesem Sinne relevant für eine "ökologische Kalkulation" ist zunächst die Frage nach den zu berücksichtigenden Kostenarten: Nachdem sich der Ansatz kalkulatorischer Kostenarten grundsätzlich als Grundlage der Gebührenbedarfsberechnung durchgesetzt hat, erhebt sich im Rahmen einer ökologischen Kalkulation das Problem der Einbeziehung kalkulatorischer Wagniskosten sowie sozialer Zusatzkosten, also gesellschaftlichen W erteverzehren, die- anders als betriebliche Wagnisse- auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt in der finanziellen Sphäre der Einrichtung, sondern bei Dritten, etwa der Allgemeinheit, inzidieren. Auch die Einbeziehung strittiger Kostenarten, etwa der Eigenkapitalverzinsung, erscheint im volkswirtschaftlich-ökologischen Rechnungszusammenhang u. U. in einem anderen Licht. Neben der Erweiterung der Kostenartenrechnung stellen sich weiterhin grundsätzliche Bewertungsfragen: So muß die Bewertung auch der bisher bereits verrechneten Kosten im Lichte des Ökologisierungspostulates daraufhin überprüft werden, ob die jeweils gewählten Wertansätze den Maßstäben knappheits- bzw. lenkungsadäquater Wertzuweisung gerecht zu werden vermögen. Als wohl prominentestes Problem erweist sich in diesem Zusammenhang die Kontroverse um historische (anschaffungswertorientierte) bzw. zeitnahe ("wiederbeschaffungsorientierte") Bewertungsregeln des Anlagevermögens. Aber auch die Preisansätze "kostenlos" überlassener oder über Faktormärkte bezogener Produktionsfaktoren spiegeln keineswegs in allen Fällen die Verzichte wider, die der Volkswirtschaft durch die spezielle Verwendung im Rahmen gemeindlicher Leistungserstellung entstehen {"Opportunitätskosten"), korrekt wider. Eine ökologische Kalkulation wird daher

II. Formen der Ökologisierung

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sämtliche Wertansätze auf ihre Vereinbarkeit mit dem umweltpolitischen (Teil-) Ziel zu überprüfen haben. Schließlich ist die Frage zu beantworten, in welchem Umfang jeweils das ermittelte Kostenaggregat im Gebührenwege umlagefähig werden soll (Kostendeckungsproblem): Hier sind Fragen der "Über"- bzw. "Unterdeckung" der einrichtungsbezogenen Kosten, das Problem der Gesamt- oder Einzelkostendeckung sowie der Gebühreneinfluß von Kosteuerstauungen Dritter (Zuweisungen etc.) zielverträglich zu klären.

3. Ökologische Maßstabsgestaltung und Tarifierung Die angestrebten volkswirtschaftlichen Preisfunktionen wird eine Gebühr darüber hinaus nur übernehmen können, wenn es der Zuweisung von Kosten über ein administriertes Entgelt an einzelne Gebührenschuldner gelingt, eine dem individuellen Resourcenverbrauch entsprechende Bepreisung vorzunehmen und damit zielgenaue Preissignale an diejenigen Wirtschaftseinheiten zu übermitteln, die über den Bezug öffentlicher Leistungen und damit den Ressourcenverzehr disponieren. Anders gewendet: Auch eine nach den zuvor entwickelten Maßstäben perfekte Kostenerfassung und -bewertung muß zur erfolgreichen Bewältigung der ökologischen Preisgestaltungsaufgabe die Hürde der individuellen Zurechnung nehmen, um nicht durch Fehlzurechnungen oder Pauschalierungen allokative Verzerrungen u. U. sogar zu vergrößern. Umgekehrt kann eine verursachungsgerechte Kostenzuordnung selbst dann noch allokativ positiv wirken, wenn die hierüber zur Verrechnung kommenden Kostenaggregate "fehlerhaften" Regeln der Erfassung und Bewertung unterliegen. Im Rahmen einer ökologisch orientierten Abgabenpolitik wird es daher entscheidend darauf ankommen, inwieweit es gelingt, vermittels geeigneter Bemessungsgrundlagen und Tarifstrukturen präzise Lenkungssignale und Preisimpulse zu setzen. In diesem Zusammenhang von Bedeutung sind insbesondere eine angemessene Abgrenzung der Gebührentatbestände, über die je gesondert abgerechnet wird, um Quersubventionierungen und preisliche Verzerrungen zwischen ökonomisch verschiedenen Teilleistungen zu vermeiden, die Wahl geeigneter Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe als Bemessungsgrundlage der Gebührenerhebung, die Tarifgestaltung (Progression, Linearität, Degression, Spaltung in Grund- und Arbeitspreise etc.) sowie die Rolle von Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten (soziale Tarifkomponenten) im

7 Gawel

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B. Gesamtwinschaftliche Neuausrichtung von Kommunalabgaben

Rahmen einer äquivalenztheoretisch ausgerichteten Abgabenkonstruktion der Vorzugslasten (vgl. Abschnitt C.IV).

4. Ökologisierung als Ökonomisierung des administrierten Preissystems kommunaler Benutzungsgebühren? Die bisherigen Überlegungen legen es nahe, die Ökologisierung kommunaler Entgelte als Ausdruck einer konsequenten Ökonomisierung der Nutzung kommunaler Umweltgüter und der hierzu erhobenen administrierten Entgelte zu betrachten. Nach dieser Vorstellung könnte es für eine ökologisch orientierte Abgabenpolitik ausreichend sein, volkswirtschaftlichen Preisregeln bei der Kalkulation und Bemessung umweltrelevanter Gemeindeentgelte systematisch zum Durchbruch zu verhelfen. Zweifellos verspricht die neoklassische Umweltökonomie im Rahmen ihrer theoretischen Modellbetrachtung eine Überwindung der ökologischen Krise durch Beseitigung allokativer Preisverzerrungen zu Lasten der Umwelt, so daß die Beachtung volkswirtschaftlicher Preisregeln bei der Entgeltgestaltung als hinreichend für eine abgabengestützte kommunale Ökologiepolitik anzusehen wäre. Sieht man zunächst einmal von der grundsätzlichen Frage ab, ob dieser Anspruch des Naturerhalts durch Befolgung gewisser allokativer Preisregeln tatsächlich ökologisch als hinreichend zu betrachten ist oder ob vielmehr Spezifika des ökologischen Subsystems eine "ökologische Ökonomie" erforderlich machen, die den Eigengesetzlichkeiten des Systems natürlicher Lebensgrundlagen Rechnung zu tragen versucht, 11 so stellt sich auch bei vorläufiger Anerkennung der ökologischen Tauglichkeit des klassischen allokativen Rüstzeugs die Frage, was in diesem Zusammenhang konkret unter Ökonomisierung zu verstehen sein soll. Daß etwa nur uneingeschränkt der Grenzkosten-Preis-Regel Geltung verschafft werden müsse, ist in der Diskussion um die Brauchbarkeit marginaler Bepreisungsstrategien im Bereich öffentlicher Unternehmen eindrucksvoll widerlegt worden.12 Wie also stellt sich Ökonomisierung kommunaler Entgeltpolitik konkret dar? Die Tatsache unterschiedlicher Konzepte für preisliche Hebel in der Umweltpolitik, etwa als strenge Internalisierungsbzw. abgeschwächte Demeritorisierungsansätze mit politisch fixiertem Lenkungsziel, verdeutlicht, daß das Bekenntnis zu volkswirtschaftlicher Harnpicke 1992. nur Thiemeyer 1964; Hansmeyer I Fürst 1968 m. w. Nachw.

11 Hierzu in jüngster Zeit umfassend 12 Siehe

li. Formen der Ökologisierung

99

Preisgestaltung über einer klare Zielbestimmung mit Blick auf die konkrete Gebührengestaltung nicht hinweghilft. Daß die volkswirtschaftliche Fundierung umweltpolitischer Entgeltansprüche im Kommunalbereich keineswegs selbstverständlich ist, wird spätestens dann deutlich, wenn Forderungen nach Ablösung tradierter betriebswirtschaftlicher Kalkulationsformen zugunsten einer zielseitig offenen, explizit politischen Kalkulation von Gebühren und Beiträgen ins Blickfeld geraten. 13 Hierbei greifen Vorstellungen Platz, die Entgeltgestaltung an politischen Opportunitäten auszurichten; auf den Rekurs auf herkömmliche Bewertungs- und Kalkulationsmethoden wird in diesem Zusammenhang weitgehend verzichtet, da diese ökologisch als kontraproduktiv entlarvt und kommunalpolitisch als Handlungsspielräume beschränkend wahrgenommen werden. Zugleich wird aber auch kein Versuch einer theoretischen Neufundierung erkennbar, wie dies in anderen Beiträgen 14 - und auch im Rahmen der hier vorgelegten Arbeit - angestrebt wird. Schließlich bleibt zu beachten, daß Ökonomisierung auch auf anderem Wege als der Gebührenpolitik ins Werk gesetzt werden kann und sich daher keineswegs in der Umgestaltung kommunaler Entgelte erschöpft. Vielmehr ist der Ökonomisierungsauftrag der Gebühr sorgfältig abzustimmen mit anderen Konzepten, zu einer ökonomisch rationalen kommunalen Umweltpolitik zu gelangen (vgl. auch Abschnitt D.IV). Auch wird bisweilen ein Spannungsverhältnis zwischen ökonomisch rationalen und ökologisch lenkenden Entgelten ausgemacht, wo eine streng kostenorientierte Kalkulation etwa umweltpolitischen Zielen zuwiderlaufe. 15 Dies kann als allgemeiner Ausdruck von Zielkonflikten zwischen dem Allokationsziel kostenechter Ressourcenpreise und hiervon zunächst abstrakten politischen Lenkungsabsichten gedeutet werden, die sich z. B. als distributions- oder ökologiepolitische Anliegen im Widerspruch zu den Notwendigkeiten allokativ rationaler Preisadministrierung bewegen können, jedoch keineswegs müssen. Es bleibt daher die Erkenntnis, daß sich Ökologisierung und Ökonomisierung keineswegs als deckungsgleich darstellen: Volkswirtschaftliche Ansätze der Allokationstheorie gemischt-öffentlicher Güter im Kommunalbereich erweisen sich gegenüber kommunaler Ökologiepolitik als weiter und enger zugleich; allerdings leisten volkswirtschaftstheoretische Überlegungen gute Dienste zur Konzipierung einer ökologisch ausgerichteten Entgeltpolitik und zur Legitimierung kommunaler Umweltpolitik über den Preis; ent13 Hierzu näher Abschnitt D.l.2.d.

Bals I Nölke 1990. Hierzu ausführlich in Abschnitt C.IV.

14 Etwa bei 15

100

B. Gesamtwirtschaftliche Neuausrichtung von Kommunalabgaben

sprechenden Ansätzen einer ökonomischen Abgabentheorie wird denn auch im folgenden nachzugehen sein.

111. Gegenwärtige Ausgangslage 1. Gesetzeslage und Rechtsprechung

Die für die Gestaltung kommunaler Benutzungsgebühren einschlägigen Kommunalabgabengesetze der Länder sowie die (ober-) verwaltungsgerichtliche Judikatur haben von den zuvor skizzierten Entgeltabsichten für den Anwendungsbereich der klassischen Benutzungsgebühr bislang keine Notiz genommen. Von der hier entworfenen Lenkungs- und Ökologisierungsperspektive ist der gegenwärtige Rechtszustand denkbar weit entfernt. Zwar wurde mit der Anerkennung lenkender Ziele der Gebührenerhebung16 die wichtigste dogmatische Vorbereitung getroffen; ob dies allerdings über den Rang einer bloß deklamatorischen Fügung in die unvermeidliche Einsicht effektiver Lenkungswirkungen kommunaler Entgelte hinausreicht und für gestalterische Eingriffe der Gemeinden echte Spielräume eröffnet, erscheint fraglich. Auf die Frage der Überbrückung dieser Kluft zwischen gegenwärtiger Rechtsposition und konzeptionell für erforderlich gehaltenen Umstrukturierungen im Kommunalabgabenwesen wird in den Kapiteln F. und G. zurückzukommen sein.

2. Kalkulationspraxis

Auch die gegenwart1ge Kalkulationspraxis der Städte und Gemeinden, soweit hierüber verläßliche empirische Daten vorliegen, 17 zeigt sich bislang von den verschiedenen Überlegungen zu einer lenkenden, insbesondere ökologisch orientierten Abgabenpolitik weitgehend unbeeindruckt; allenfalls lassen sich vereinzelt Ansatzpunkte einer Gebührengestaltung ausmachen, die unter Rückgriff auf Gesichtspunkte volkswirtschaftlicher Kostenzurechnungsregeln, ökologischer Ressourcenschonung und verursachergerechter Kostenanlastung die gängige Kalkulationspraxis (z. B. Zeitwerte, Tarife etc.) 16 Hierzu näher in Kap. F. 17 Siehe hierzu u. a. Deutsches Institut für Urbanistik 1976; für den Abwasserbereich in neuerer Zeit Pecher 1992; Pecher et al. 1995.

ID. Gegenwänige Ausgangslage

101

verstärkt zu legitimieren bestrebt ist; eine systematische Umgestaltung und Neuausrichtung gebührenpolitischer Instrumente auf eine neues Zielsystem ist diesen Versuchen freilich bislang nicht zu entnehmen. So finden sich speziell im Tarifsystem Ansätze einer ökologischen Ausrichtung (z. B. Starkverschmutzerzuschläge, Tarifverläufe, Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe etc.). Geringeres Echo hat das Ökologisierungsanliegen bislang im Bereich der "ökologischen Kalkulation" finden können. Hier dominieren auch bei der Diskussion ökologisch relevanter Größen (Zeitwerte, Kostenvollständigkeit etc.) traditionelle vorökologische Betrachtungen einzelwirtschaftlichen Zuschnitts. Vielmehr zeigt sich in neuerer Zeit sogar eine gewisse Tendenz zu einer gebührenpolitischen Regression als Reaktion auf gesetzgeberische und judikative Beschränkungen der Gebührenerhebungsspielräume, die in bemerkenswertem Kontrast zu den hier referierten und nachfolgend zu analysierenden Bestrebungen um Erweiterungen des kommunalabgabenwirtschaftlichen Einsatzfeldes auf gesamtwirtschaftliche Optimierungsaspekte steht. Danach droht die Gebühr entgegen den hier zu entwickelnden Anforderungen noch hinter den bisher erreichten Erkenntnisstand einer betriebswirtschaftlieh zielflexiblen Instrumentkategorie zurückzufallen; die gegenwärtig mehr den je umstrittene Aufgabenzuweisung der Benutzungsgebühr unterliegt starken Bestrebungen, an restriktive finanzwirtschaftliche Gebührenauslegungen der abgabenrechtlichen Dogmengeschichte anzuknüfen. Gesamtwirtschaftlich bzw. ökologisch lenkende Entgeltgestaltungsabsichten haben sich daher nicht nur gegen beharrende, sondern sogar gegen rückwärts gewandte gebührenpolitische Veränderungsbestrebungen durchzusetzen.

C. Finanzwissenschaftliche Gebührentheorie: Traditionelle Gebührenlehre und neuere Entwicklungen I. Der klassische Gebührenbegriff im Wandel Gebühren sind traditionelle Finanzierungsinstrumente öffentlicher Finanzwinschaften. Zusammen mit den Beiträgen und den Steuern gehören sie nach der finanzwissenschaftliehen Einteilung der öffentlichen Einnahmen zu den Abgaben, die hoheitlich festgesetzt werden. 1 Im Unterschied zu den Steuern, die als Abgaben ohne einen besonderen Gegenleistungsanspruch erhoben werden, sind Gebühren "Entgeltabgaben", die- zumindest im traditionellen Verständnis - für die Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen als monetäres Äquivalent gezahlt werden; im Unterschied zu den Beiträgen, mit denen einer Gruppe zugutekommende öffentliche Leistungen unabhängig von der konkreten Inanspruchnahme der Leistung durch die einzelnen Gruppenmitglieder abgegolten werden sollen, knüpfen sie an eine tatsächliche, dem Einzelnen zurechenbare Leistungsinanspruchnahme an. Die klassische ökonomische Definition, nach der Gebühren Gegenleistungen für die unmittelbare Inanspruchnahme einer öffentlichen Leistung sind, geht von der Vorstellung eines marktanalogen Tauschvorgangs aus: Der öffentliche Anbieter produzien in einer öffentlichen Einrichtung Güter und Leistungen, die einzeln veräußen und dem Ausschlußprinzip unterworfen werden können; über eine Gebühr lastet er dem Nachfrager den zurechenbaren Teil der Produktionskosten an bzw. schöpft unmittelbar den aus der Leistungsinanspruchname erwachsenden individuellen Nutzen ab. Die Gebühr hat in diesem äquivalenztheoretischen Sinn Preisfunktion; sie soll den Mitteleinsatz im öffentlichen Bereich an den individuellen Präferenzen orientieren und allokationseffizient steuern. Die Gebührenpolitik ist diesem theoretischen Leitgedanken freilich niemals zur Gänze gefolgt. Angesichts der Anwendungsprobleme des reinen Äquivalenzprinzips war und ist dies ohnehin kaum je vollständig möglich; 1 Zu den Gebühren im System öffentlicher Einnahmen siehe auch Patzig 1981; Henneke 1990; Hansjürgens 1992, S. 102 ff.; speziell mit Blick auf Umweltabgaben auch Meßerschmidt 1986, S. 110 ff.

I. Der klassische Gebührenbegriff im Wandel

103

darüber hinaus ist der Äquivalenzgedanke aber auch häufig bewußt verletzt worden. Die Gebührenerhebung wurde stets an unterschiedlichen politischen Zielen orientiert. Staats-, sozial- und finanzierungspolitische Überlegungen standen dabei zumeist im Vordergrund; neben die Aufgabe, den Aufwand für zurechenbare Leistungen zu finanzieren, traten stets auch weitere staatliche Lenkungsinteressen. Mit dem Vordringen des Leistungsfähigkeitsprinzips und der daran orientierten "voraussetzungslosen" Besteuerung war allerdings die fiskalische Bedeutung von Äquivalenzabgaben im allgemeinen und der Gebühren im besonderen geringer geworden. Konsequenterweise ist die Finanzverfassung der Bundesrepublik Deutschland eine Steuerverfassung; das Grundgesetz enthält keine explizite Regelung der Gebühr. Seit einiger Zeit hat sich allerdings das theoretische wie das politische Interesse an der Gebühr und an anderen nichtsteuerliehen Abgabeformen belebt; dazu haben neue öffentliche Finanzierungsnotwendigkeiten und Lenkungsanforderungen beigetragen. Trotz zahlreicher Wandlungen in ihren praktischen Erscheinungsformen und trotz verschiedendieher Versuche von Rechts- und Finanzwissenschaft, den Gebührenbegriff zu präzisieren und der Gebühr neue Aufgaben zu erschließen, ist die Gebühr stets eine Art Zwitter geblieben: "Sie ist sowohl Preis für eine öffentliche Leistung, ohne dessen Funktion voll wahrnehmen zu dürfen, sie ist auch öffentliche Abgabe, ohne jedoch die Beziehung zur Gegenleistung verloren zu haben [...]Gebühren werden für öffentliche Leistungen erhoben, bei denen der Umfang der Leistungserstellung dem Marktprozeß entrückt und in mehr oder weniger starkem Maße der politischen Entscheidung vorbehalten ist. Die Preisfunktionen der Gebühr werden dadurch insoweit reduziert, als die Gebühr nur noch bedingt Auskunft über die Höhe des zu erstellenden Leistungsangebots geben kann. Die Gebührenhöhe bildet sich nicht aus dem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage, sondern richtet sich [... ] nach dem politischen Ziel, das mit dem Angebot der jeweiligen öffentlichen Leistungen verfolgt werden soll." 2 Faßt man diese Merkmale zu einer Definition zusammen, so erscheint die Gebühr als eine hoheitlich festgesetzte Abgabe, die für individuell zurechenbare öffentliche Leistungen entrichtet werden muß und sich in ihrer Höhe nach politischen Zielen richtet. 3 Diese Definition, die an einer wenngleich politischer Gestaltung zugänglichen - Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung orientiert ist, entspricht auch weitgehend dem allgemeinen rechtlichen Gebührenbegriff. Danach sind Gebühren Geldleistungen, 2 Hansmeyer I Fürst 1968, S. 31. 3 Hansmeyer I Fürst 1968, S. 34.

C. Finanzwissenschaftliche Gebührenlehre

104

die als Gegenleistung für eine besondere Leistung, Amtshandlung oder sonstige Tätigkeit, der Verwaltung in Form von Verwaltungsgebühren oder für die Inanspruchnahme öffentlicher Sachen, Einrichtungen oder Anlagen in Form von Benutzungsgebühren erhoben werden. 4 Das Bundesverfassungsgericht hat die Gebühren enger an die Kosten öffentlicher Leistungen gebunden; danach sind Gebühren "öffentlich-rechtliche Geldleistungen, die aus Anlaß individuell zurechenbarer öffentlicher Leistungen durch eine öffentlich-rechtliche Norm oder sonstige hoheitliche Maßnahme auferlegt werden und dazu bestimmt sind, in Anknüpfung an diese Leistung deren Kosten ganz oder teilweise zu decken" .5 Dies bedeutet allerdings nicht, daß die Gebühr auf eine kostendeckende Finanzierungsfunktion beschränkt bleiben und die Gebührenhöhe durch die Kosten abschließend bestimmt sein muß. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu erläuternd ausgeführt: "Aus dieser Zweckbestimmung folgt indes von Verfassungs wegen nicht, daß die Gebührenhöhe durch die Kosten der Leistung der öffentlichen Hand allgemein oder im Einzelfall in der Weise begrenzt sein müsse, daß Gebühren diese Kosten nicht übersteigen oder nicht unterschreiten dürfen. Desgleichen folgt hieraus verfassungsrechtlich nicht, daß eine Gebührenregelung neben der Erzielung von Einnahmen zum Zwecke der vollständigen oder teilweisen Kostendeckung nicht noch weitere Zwecke verfolgen dürfe".6 Lenkungsgebühren zur "begrenzten Verhaltenssteuerung" werden damit ausdrücklich anerkannt; das Kostendeckungsprinzip dient dann zwar nicht mehr als Maßstab für die Gebührenhöhe, es bildet indessen die Legitimationsgrundlage für eine Gebührenerhebung. Der Gebührenbegriff ist allerdings sowohl von der Rechtswissenschaft als auch von der Finanzwissenschaft in verschiedener Hinsicht relativiert und erweitert worden. So haben sich im Bereich des öffentlichen Rechts die Kategorien von Sondernutzungs- und Verleihungsgebühr herausgebildet, bei denen die Aufwandsdeckung in den Hintergrund tritt und durch die vielmehr ein (rechtlich abgesicherter) wirtschaftlicher Vorteil abgeschöpft werden soll? Das Prinzip der Vorteilsabschöpfung gerät dann zu einem eigenständigen, zunächst aufwandsabstrakten gebührenbegründeneo Merkmal. Danach bietet es sich an, Gebühren auch für die Nutzung von Umweltressourcen unabhängig von jedem Verwaltungsaufwand mit dem Ziel zu erheben, einen Teil der wirtschaftlichen Vorteile abzuschöpfen, die mit der 4

Salzwfxie/1986, S. 53.

5 BVerfGE 50, S. 226. 6 Ebenda. 7 Hierzu u. a. F.

Kirchho/1987; Patzig 1981; Pietzcker 1987; Salzwfxie/1986, S. 54.

I. Der klassische Gebührenbegriff im Wandel

105

Verwertung der Ressourcen verbunden sind.S In diesem Zusammenhang wird sowohl auf die Sondernutzungsgebühren nach Bundesfernstraßen- und Landesstraßengesetz als auch auf die bergrechtliche Förderahgabe als Verleihungsgebühr verwiesen. Ob allerdings eine Qualifizierung als Verleihungsgebühr in Frage kommt, erscheint äußerst umstritten und wird nach h. L. abgelehnt. 9 Demnach liegt hier kein Entgelt für die Einräumung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes und damit auch keine Verleihungsgebühr vor. Der überdies fragliche Kostenzusammenhang scheint daneben kaum mit dem Erhebungszweck der Aufwandsdeckung in Zusammenhang zu bringen. 10 D. h. es müßte sich um eine kostenunabhängige Gebühr handeln, die den individuellen Vorteil bzw. den zugeflossenen Nutzen erfaßt. Diese Position entspricht aber nicht dem ökonomischen Kriterium der Nutzenäquivalenz. Die in Form der Umweltbewirtschaftung und-reinhaltungerbrachte öffentliche Leistung stiftet nämlich einen allgemeinen Nutzen, der über den Kreis der unmittelbaren Entnehmer hinausgeht. Besonders deutlich wird dies in jenen Fällen, in denen Ressourcen nach dem Vorsorgeprinzip für potentielle künftige Nutzungen geschützt werden, also ein konkreter Nutzer noch nicht vorhanden ist. Auch die Finanzwissenschaft ist allerdings bemüht, den Gebührenbegriff weiter zu fassen und von der klassischen Kostendeckungsregel zu lösen. Zum einen lag es nahe, das betriebswirtschaftliche Kostendenken zu überwinden und auch die volkswirtschaftlichen Zusatzkosten in der Gebührenkalkulation zu berücksichtigen. Durch solche Internalisierungsansätze wird der Tatsache Rechnung getragen, daß die Allokationseffizienz nur gewährleistet werden kann, wenn auch die sonst extern bleibenden Effekte in die Angebots- und Nachfrageentscheidungen Eingang finden. Zum anderen besteht die Tendenz, die Gebührenhöhe unter Meritorisierungs- und Lenkungsaspekten ganz von der Kostenäquivalenz zu lösen. Die Gebühr hat dann nicht mehr die Aufgabe, in Marktanalogie öffentliche Leistungsangebote an die individuellen Präferenzen über monetäre Äquivalente anzupassen und so eine pareto-optimale Allokation zu sichern. Vielmehr sollen private Präferenzen bewußt an politische Prioritäten angepaßt, die Nachfrage soll abweichend von den erkennbaren Präferenzen erhöht oder verringert werden. Die Gebühr ist auf eine politische Allokationslenkung - zumeist verbunden mit Verteilungszielen- gerichtet, die nur noch zufällig pareto-op8 So mit Blick auf den baden-württembergischen Wasserpfennig Salzwedel 1986, S. 56; siehe auch Mußgnug 1986, S. 21 ff. Allgemein auch Murswiek 1994.

9 Zum Diskussionsstand ausführlich Murswiek 1994; siehe hierzu auch Kap. F. 10 Salzwedel 1986, S. 55.

106

C. Finanzwissenschaftliche Gebührenlehre

timal ist. Das Lösen vom Konzept der Kostenäquivalenz geschieht dabei in beide Richtungen. Einerseits sollen bestimmte öffentliche Leistungen "unter Kosten" bis hin zur Nulltarif-Strategie angeboten werden (Meritorisierung). Andererseits erfolgt in verschiedenen Bereichen aber auch eine Demeritorisierung durch Tarife, die über jene Kosten hinausgehen, die bei marktanalogem Verhalten gerechtfertigt wären. Anlaß für eine Neuorientierung von Gebührentheorie und -politik bietet erstens die sich wandelnde Struktur öffentlicher Aufgaben, Tätigkeiten und Leistungen, vor allem das Vordringen gemischter öffentlicher Güter, bei denen sowohl Kollektivgut- als auch Privatgutkomponenten enthalten und daher auch besondere Finanzierungsformen anzuwenden sind; gerade der Umweltschutz bietet dafür zahlreiche Beispiele. Angesichts der Steigerung auch des öffentlichen Aktivitätsniveaus entsteht zweitens immer dringlicher die Frage nach den Möglichkeiten, wieder stärker von der anonymen Lastverteilung der allgemeinen Leistungsfähigkeitsbesteuerung abzuweichen und das Äquivalenzprinzip wieder stärker zur Geltung zu bringen, um die Angebote öffentlicher Leistungen, die private Gutskomponenten aufweisen, besser auf individuelle Präferenzen abstimmen zu können; durch spezielle Finanzierungsbeiträge anläßlich der Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen hofft man nicht zuletzt, die "Anspruchslawine" eher in Grenzen halten zu können. Schließlich hat sich auch eine intensive Verknüpfung von ausgabe- und einnahmepolitischen Instrumentarien zur öffentlichen Aufgabenerfüllung und damit ein zunehmender Funktionenverbund im einnahmenpolitischen Instrumentarium herausgebildet: Finanzierungs- und Lenkungsfunktionen überlagern sich in einem solchen Maße, daß immer mehr gemischte und den klassischen Kategorien kaum noch zuzuordnende Abgabenformen entstanden sind. Es wird immer schwieriger, diese in die traditionelle finanzwissenschaftliche Abgabensystematik einzugliedern und sie mit Hilfe der Dichotomie von Opfer- und Äquivalenzprinzip erschöpfend zu erfassen und zu erklären. Vor diesem Hintergrund gibt es bereits seit längerem finanzwissenschaftliehe Ansätze, den Gebührenbegriff in einen erweiterten Bezugsrahmen zu stellen und das Vorliegen von Leistungserstellungskosten oder empfangenen individuellen Nutzen nicht als prägendes Begriffsmerkmal der Gebühr zu berücksichtigen. Derartige Versuche, Gebühren stärker in die Konzepte der öffentlichen Güter und der externen Effekte einzubinden, sind zwar noch nicht soweit entwickelt, um alle vorgefundenen Abgabenformen trennscharf einordnen zu können, zumal siez. T. lediglich die Problematik in die Definition und Abgrenzung öffentlicher Güter und Leistungen verschieben. Sie bieten jedoch einen brauchbaren Anhaltspunkt zur Beurteilung von Ökologisierungs- und sonstigen Lenkungs-Anliegen bei Vorzugslasten.

Il. Funktion der Gebührenerhebung aus allokationstheoretischer Sicht

107

Die "klassische" Gebührendefinition knüpft - wie bereits erwähnt - an dem Gedanken des marktanalogen Tauschvorgangs und damit an der Kostenäquivalenz an. Diese Grundvorstellung - sieht man einmal von Anwendungsproblemen ab - deckt indessen die Eigenschaften moderner staatlicher Aufgabenerfüllung immer weniger ab. Gerade im Bereich der Umwelt- und Ressourcenbereitstellung sowie der Inanspruchnahme von Umweltgütern ist ein nachfragelenkendes Eingreifen des Staates bekanntlich deswegen unerläßlich, weil sich hier bei den bestehenden Rahmenbedingungen ein Marktpreis nicht bilden kann. Dazu darf aber nicht an der Kostendeckung und an der Grenzkosten-Preis-Regel festgehalten werden, die den staatlichen Anbieter in die Rolle eines reinen Mengenanpassers drängen, einen gerade hier beabsichtigten Einfluß auf die Nachfrage aber praktisch ausschließen würden.l1 Es gibt daher Gründe, Gebühren über die bereitstellungsbedingten Kosten hinaus bzw. unabhängig von den einrichtungsorientierten Kosten zu erheben. Als solche kommen nach Bohley - neben den direkten Nachfragelenkungs-Zwecken - u. a. auch die durch staatliche Aktivitäten entstehenden "Sondervorteile" in Form von Konsumenten- und Produzentenrenten in Frage, die durch Gebühren abgeschöpft werden können.l2 Voraussetzung ist allerdings, daß die Begünstigten auch von der Vorteilsnahme ausgeschlossen werden können. In diesem Sinne wird die Gebühr letztlich zu einem flexiblen Instrument der Nachfragelenkung, 13 das freilich unverändert auf einer grundlegenden Äquivalenzbetrachtung fußt. Im nachfolgenden Abschnitt werden die allokationstheoretischen Grundlagen und W eiterentwicklungen der Gebührentheorie im einzelnen nachgezeichnet und auf ihre Verwendbarkeit für eine gesamtwirtschaftliche Gebührenausrichtung überprüft.

II. Funktion und Auftrag der GebührenerhebungGebühren aus allokationstheoretischer Sicht 1. Gebühren als Instrumente der Preisadministrierung

gemischt-öffentlicher Güter

In der traditionellen finanzwissenschaftliehen Systematik öffentlicher Einnahmen werden die Gebühren (sowie die Beiträge) damit zwischen den 11 Hansmeyer I Fürst 1968, S. 138. 12 Bohley 1980.

13 So Hansmeyer I Fürst 1968.

108

C. Finanzwissenschaftliche Gebührenlehre

Steuern auf der einen und den Erwerbseinkünften auf der anderen Seite eingeordnet, wobei die Beurteilung, zu welchem der genannten Pole die Gebühr eher hinneigt, im Zeitablauf wiederholt gewechselt hat.14 Die Steuer als "Zwangsabgabe ohne Anspruch auf Gegenleistung" 15 entbehrt definitionsgemäß jedes Entgeltcharakters, die Erwerbseinkünfte hingegen basieren auf der Unternehmertätigkeit der öffentlichen Hand, die hier als "gewöhnlicher" Marktpartner fungiert und zum Zwecke der Gewinnerzielung ein Entgelt von den Käufern ihrer Leistungen verlangt. 16 Entsprechend der zuvor entwickelten Charakteristik der modernen Gebühr wollen wir Gebühren kurz als staatliche Instrumente der Preisadministrierung für gemischt-öffentliche Güter auffassen. Dieses Verständnis der Gebühr als flexibles "Bepreisungsinstrument" soll zum Ausdruck bringen, daß die Gebühr insbesondere für den Gebührenpflichtigen einen preisähnlichen Charakter besitzt, zugleich jedoch ein Instrument zur Verwirklichung politischer Ziele darstellt.17 Entscheidendes Merkmal der Gebühr ist die Koppelung an das Vorliegen einer öffentlichen Leistung, die dem Gebührenpflichtigen individuell zugute kommt oder die von ihm verursacht worden ist. 18 W eieher Maßstab hingegen zur Belastung des Gebührenschuldners zur Anwendung kommt und welchen Bezug dieser speziell zu dem der öffentlichen Hand entstehenden Bereitstellungs-Aufwand aufweist, bleibt danach zunächst offen und erweist sich als ziel- und gestaltungsabhängig. Die enge Verknüpfung der Gebühr mit der Zurverfügungstellung bestimmter öffentlicher Leistungen bzw. Güter legt es darüber hinaus nahe, diese Ziele der Gebührenerhebung, die für die Beurteilung von Gebührenhöhe und ausgestaltung maßgeblich sind, aus den Zielen der eigentlichen Güterbereitstellung abzuleiten.19 Fürst 1968, S. 38. I Hansmeyer 1980, S. 64. 16 Siehe Hansmeyer I Fürst 1968, S. 32 ff., die allerdings zugestehen, daß die Bezugnahme auf die Zielsetzung des öffentlichen Handeins die Operationalisierung der Abgrenzung zwischen Erwerbseinkünften und Gebühren erschwert. Als theoretisches Abgrenzungskriterium bleibt die primäre Einnahmeorientierung jedoch schlüssig. Anders Bohley 1977, S. 76. 17 Hansmeyer I Fürst 1968, S. 31, sprechen in diesem Zusammenhang von der "Zwittergestalt" der Gebühr. 18 Siehe Bohley 1980. 191m weiteren wird die Annahme eines Staates, der die Wohlfahrtsverbesserung seiner Bürger als oberstes Ziel verfolgt, zugrundegelegt. Dies entspricht dem traditionellen Vorgehen in der Theorie der Wirtschaftspolitik- siehe z. B. Giersch 1961177. Demgegenüber haben in jüngerer Zeit Arbeiten zunehmende Bedeutung erlangt, die auf der Annahme eigennützigen Verhaltens der Entscheidungsträger innerhalb des öffentlichen Sektors beruhen. Aus dieser Annahme kann als Extrem ein einnahmenmaximierendes Staatswesen, der "Leviathan", abgeleitet werden- siehe Brerman I Buchanan 1980. Im weiteren wird dieser positive Analyseansatz jedoch nicht weiter 14 Siehe Hansmeyer I 15 Schmölders

ß. Funktion der Gebührenerhebung aus allokationstheoretischer Sicht

109

Im folgenden wird daher zunächst den Begründungmustern einer öffentlichen Leistungsabgabe im Bereich gemischt-öffentlicher Güter nachgegangen (Abschnitt ll.2). Sodann wird ein Grundmodell optimaler Gebühren- und Beitragsbemessung entworfen (Abschnitt 11.3), dessen Übertragbarkeit auf verschiedene Gemeindegüter abschließend auf dem Prüftsand steht (Abschnitt ll.4).

2. Begründungsmuster öffentlicher Güterbereitstellung

Als wohlfahrtsökonomischer Fundamentalsatz der Preisbildung gilt bekanntlich die Aussage, daß Ressourcen in einer marktgesteuerten Volkswirtschaft mit ausschließlich privaten Anbietern und Nachfragern unter bestimmten Bedingungen "optimal" eingesetzt werden.20 Optimale Verwendung besagt hierbei, daß ein Zustand erreicht wird, in dem keine Person besser gestellt werden kann, ohne eine andere Person schlechter zu stellen; ein solcher Zustand wird als "Pareto-Optimum" bezeichnet. Diese Aussage über die Existenz eines Marktoptimums stellt die öffentliche Güterbereitstellung vor einen Rechtfertigungszwang. Hierfür kommen grundsätzlich zwei Argumentationslinien in Betracht: {1) Die Bedingungen, auf denen das Ergebnis eines optimalen Ressourceneinsatzes beruht, sind in der Realität nicht erfüllt; damit führt der Marktprozeß nicht zu einem Optimum im zuvor definierten Sinne. (2) Der zugrunde gelegte Optimalitätsbegriff kann kritisiert werden; in diesem Falle wären die Marktergebnisse nicht mehr "optimal". (1) Marktunvollkommenheiten Zu den Bedingungen, die für einen voll funktionsfähigen Marktprozeß erfüllt sein müssen, zählen vollständige Rivalität beim Konsum der angebotenen Güter (eine Gutseinheit kann nur einmalig von einem Wirtschaftssubjekt genutzt werden) sowie die Möglichkeit, zahlungsunwillige Wirtschaftssubjekte vom Konsum der Güter auszuschließen (Rationierungsfunktion der Preise). Geradezu "klassisches" Beispiel für ein Gut, bei dem weder Rivalität im Konsum gegeben ist, noch der Ausschluß nicht Zahlungswilliger vom Konsum möglich erscheint, ist die Landesverteidigung. Die Sicherheit des verfolgt; es bleibt daher bei nonnativen Überlegungen zur Gebührengestaltung, die zu ihrer Realisierung gemeinwohlorientierte Politiker und Bürokraten unterstellen. 20 Siehe

statt vieler z. B. Sohmen 1976.

110

C. Finanzwissenschaftliche Gebührenlehre

Bürgers A gegenüber Angriffen äußerer Feinde wird dadurch, daß Bürger B diese Sicherheit ebenfalls genießt, in keiner Weise eingeschränkt. Es scheint auch schwer vorstellbar, wie B, der für die Landesverteidigung keinen Beitrag leisten will, von deren Vorteilen ausgeschlossen werden könnte, sofern man ihn nicht des Landes verweist. Die Eigenschaften der fehlenden Konsumrivalität und der fehlenden Anwendbarkeit des Ausschlußprinzips charakterisieren die sogenannten "öffentlichen Güter". Überläßt man deren Bereitstellung privaten Anbietern, so ist mit einer gesamtwirtschaftlich suboptimalen Ausbringung zu rechnen. Dies liegt zunächst daran, daß der einzelne sein Interesse an dem betreffenden Gut herunterspielen wird, weil er hoffen kann, nach einmal erfolgter Bereitstellung auch ohne eigenen Zahlungsbeitrag in den Genuß des Gutes zukommen. Aber selbst wenn aufgrund des großen Interesses eines einzelnen Konsumenten die Bereitstellung des Gutes nicht völlig unterbleibt, so werden doch die positiven Auswirkungen auf die möglichen "Mitnutzer" bei der Entscheidung des einzelnen nicht berücksichtigt, so daß auch in diesem Fall eine, gemessen an der Zahlungsbereitschaft aller Konsumenten, zu geringe Menge des betreffenden Guts bereitgestellt wird.21 Hauptvorteil der öffentlichen Hand gegenüber privaten Anbietern ist bei der Bereitstellung öffentlicher Güter die Möglichkeit, von den privaten Wirtschaftssubjekten Zwangsabgaben erheben zu können. Damit wird das Problem, daß alle potentiellen Nachfrager ihr Interesse an dem betreffenden Gut zu verschleiern bestrebt sein werden, zwar nicht völlig gelöst, jedoch in seinen wohlfahrtschädigenden Auswirkungen abgemildert. Demnach ist die Begründung der Bereitstellung öffentlicher Güter durch staatliche Institutionen mit den besonderen Einnahmemöglichkeiten der öffentlichen Hand verbunden. Das "reine" öffentliche Gut, bei dem keinerlei Konsumrivalität gegeben ist Gede Gutseinheit steht beliebig vielen Nutzern uneingeschränkt [gemeinsam] zur Verfügung) und für das sich keine Technik zur Ausschließung Zahlungsunwilliger, keine sogenannte Exklusionstechnik, finden läßt, stellt einen Grenzfall dar.22 Zwischen diesem Extrem23 auf der einen und dem des rein privaten Gutes, das sich durch vollständige Rivalität im Konsum und durch unproblematische Anwendbarkeit des Ausschlußprinzips 21 Bezogen auf die Landesverteidigung kann die "Menge" des Gutes als Grad an Sicherheit verstanden werden. 22 Das oben genannte Beispiel der Landesverteidigung kommt diesem Grenzfall recht nahe, doch auch in diesem Beispiel ist immerhin die Exklusionstechnik der Ausweisung von Zahlungsunwilligen gegeben. 23 Daß nur wenige öffentlich bereitgestellte Güter diesem Gutstyp annähernd entsprechen, wird aufgezeigt bei Münch 1976, S. 54 ff.

ll. Funktion der Gebührenerhebung aus allokationstheoretischer Sicht

111

auszeichnet, auf der anderen Seite findet sich eine Vielzahl von Gutstypen, die gemeinhin mit dem Oberbegriff "Mischgüter" belegt werden. Grossekettler hat einen Versuch unternommen, diesen Bereich zu strukturieren und aus einer genaueren Gutscharakteristik Hinweise für Bereitstellungsund Finanzierungsregeln für die verschiedenen Gutstypen abzuleiten.24 Um die Kriterien "Rivalität im Konsum" und "Ausschließbarkeit" präziser handhaben zu können, führt er als Meßgrößen den Rivalitätsgrad sowie den Exkludierbarkeitsgrad ein. Der Rivalitätsgrad zeigt an, um welchen Prozentsatz die Versorgungskosten steigen, wenn die Anzahl der Nutzer eines Gutes sich um 1% erhöht.25 Für ein Gut, dessen Angebotsmenge kurzfristig erhöht werden kann, bestimmt sich der Rivalitätgrad aus zwei Größen: Zum einen ist festzustellen, in welchem Umfang die Angebotsmenge bei einer Erweiterung des Nutzerkreises auszuweiten ist, um die Versorgungsqualität für den einzelnen Nutzer konstant zu halten. Zum anderen hängt der Rivalitätsgrad von der Steigerung der Herstellungskosten in Abhängigkeit von der Steigerung der Angebotsmenge ab. Diese Definition des Rivalitätsgrades schließt also sowohl Konsum- als auch Produktionseigenschaften der betrachteten Güter ein. Ein niedriger Rivalitätsgrad kann daraus resultieren, daß mehrere Nutzer einander nicht behindern, wie es für das Beispiel der Landesverteidigung oder des drahtlosen Rundfunks zutrifft. Ein ähnliches Ergebnis resultiert aber auch aus sinkenden kurzfristigen Grenzkosten, also auf einer Eigenschaft der Produktionsfunktion.26 Nach dem Gesagten dürfte deutlich geworden sein, daß der Rivalitätsgrad bei einem reinen öffentlichen Gut Null beträgt, da zusätzliche Nutzer weder eine Erhöhung der Angebotsmenge erforderlich machen, noch andere Nutzer verdrängen, noch eine Nutzenminderung der übrigen Nutzer bewirken. Ausgehend von der Vorstellung, daß die Bereitstellung eines Gutes zu bestimmten Nutzenänderungen bei verschiedenen Wirtschaftssubjekten führt, gibt demgegenüber der Exkludierbarkeitsgrad an, inwieweit für diese Nutzenänderungen ein Entgelt eingefordert und Zahlungsunwillige von der Leistung ausgeschlossen werden können. Mit anderen Worten: Je geringer die externen Effekte sind, die von der Güterbereitstellung ausgehen, desto höher ist der Exkludierbarkeitsgrad. Betrachtet man den Fall eines Gutes, von dem zum folgenden Grossekettler 1985, S. 211-252; ders. 1991. Grossekettler 1985, S. 220. 26 Auf diesem Weg gelingt es, den Fall sinkender Grenzkosten, der zwar traditionell als Begründung für öffentliche Güterbereitstellung oder zumindest für öffentliche Interventionen akzeptiert wird, von der Theorie der öffentlichen Güter jedoch völlig getrennt behandelt wird, in die Kollektivgütertheorie zu integrieren. Die Begründung öffentlicher Güterbereitstellung gewinnt damit an Geschlossenheit. Siehe auchAmold 1992, S. 234 ff. 24 Siehe 25

112

C. Finanzwissenschaftliche Gebührenlehre

ausschließlich Nutzensteigerungen hervorgerufen werden, ist der Exkludierbarkeitsgrad um so höher, je weitgehender die Nutznießer des Gutes zu Zahlungen herangezogen werden können. Der Exkludierbarkeitsgrad wird von zwei Größen bestimmt: Zum einen sind die verfügbaren Exklusionstechniken von Bedeutung. Die Definition des Exkludierbarkeitsgrades beruht auf der Vorstellung, daß diejenige Exklusionstechnik angewandt wird, die die weitestgehende Reduzierung externer Effekte ermöglicht, wobei vorausgesetzt wird, daß die Vorteile des Ausschlusses dessen Kosten überwiegen. Gilt die letztgenannte Voraussetzung nicht, so wird auf die Anwendung einer Exklusionstechnik verzichtet. Von ebenso großer Bedeutung ist das "Extensionsniveau", das ein Maß für den Umfang des angestrebten Nutzerkreises des betreffenden Gutes darstellt. Grossekettler verwendet für Individualgüter das Extensionsniveau 0, für Vereinsgüter das Niveau 1, für Gemeindegüter 2 und so weiter bis hin zum Weltkollektivgut mit dem Extensionsniveau 9. Dieses Niveau beeinflußt den Exkludierbarkeitsgrad, weil beispielsweise für ein Gut der Ausschluß auf der individuellen Ebene äußerst schwierig zu bewerkstelligen sein kann, für eine größere Gruppe jedoch nahezu unproblematisch ist. So kann der einzelne, zahlungsunwillige Rundfunkhörer vom (drahtlosen) Empfang nur schwer ausgeschlossen werden. Signalisieren hingegen die Entscheidungsträger einer Region, daß an der Errichtung von Sendeeinrichtungen kein ausreichendes Interesse besteht, so ist der Ausschluß der dortigen Wohnbevölkerung vom Rundfunkempfang sehr wohl praktizierbar. Mit den Merkmalen "Rivalitätsgrad", "Exkludierbarkeitsgrad" und "Extensionsniveau" lassen sich nun eine Vielzahl von Gutstypen klassifizieren, auf deren Bereitstellung die öffentliche Hand aus wohlfahrtsökonomischer Sicht in unterschiedlicher Weise Einfluß nehmen sollte. Einige, für unsere Fragestellung besonders wichtige Typen sollen herausgegriffen werden: Das wohlfahrtsökonomische Grundmodell, innerhalb dessen die Optimalität ausschließlich privater Güterbereitstellung abgeleitet wird, zielt auf den Typ des Individualgutes ab. Es besteht vollständige Rivalität im Konsum des Gutes und seine Produktionsfunktion weist im relevanten Bereich keine sinkenden Grenzkosten auf; damit beträgt der Rivalitätsgrad mindestens 1. Wie der Name offenbart, wird das Gut für ein Individuum bereitgestellt; das Extensionsniveau beträgt mithin 0. Schließlich existiert eine Exklusionstechnik, die eine vollständige Internalisierung des Güternutzens bei dem zahlungswilligen Nachfragern ermöglicht.27 Wegen dieser vollständigen Internalisierung des Gutsnutzens bei gleichzeitiger Konsumrivalität kann die 27 Diese vollständige Internalisierung wird von Grossekettler 1985 nicht verlangt, ist für das Ergebnis eines Pareto-Optimums durch privates Anbieter- und Nachfrageverhalten jedoch zentral.

Il. Funktion der Gebührenerhebung aus allokationstheoretischer Sicht

113

Artikulation der Nachfrage vollständig den einzelnen privaten Wirtschaftssubjekten überlassen bleiben. Da keine sinkenden Grenzkosten vorliegen, ist auch angebotsseitig keine öffentliche Intervention zu rechtfertigen. Produktions- und Nachfrageentscheidungen können vollständig dem privaten Sektor überlassen bleiben. Allen Gütern auf höheren Extensionsniveaus ist gemeinsam, daß mehr oder minder große Gruppen von der Versorgung mit diesen Gütern profitieren sollen. Ein pareto-optimales Ergebnis ist bei diesen Gütern deshalb nur zu erwarten, wenn die einzelnen Individuen nicht isoliert, sondern unter Berücksichtigung des gemeinsamen Interesses über die Bereitstellung des jeweiligen Gutes entscheiden. Trotz dieser Gemeinsamkeit ergeben sich Unterschiede in Abhängigkeit von der Höhe des Extehsionsniveaus: Bei Gütern mit relativ kleinem Nutzerkreis besteht Aussicht auf den freiwilligen Zusammenschluß der potentiellen Nutznießer zu einer Gemeinschaft ("Verein"), die die Bereitstellung des Gutes übernimmt, sofern eine Exklusionstechnik zum Ausschluß von Nichtmitgliedern von der Nutzung existiert. Bei größeren Nutzerkreisen (höheren Extensionsniveaus) gewinnt das Problem der Vereinsgründung zunehmende Bedeutung. 28 Erweist sich dieses Problem für die privaten Wirtschaftssubjekte als unlösbar, so ist die öffentliche Hand aufgefordert, die Zusammenfassung der individuellen Nachfragewünsche zu realisieren. Dabei ist eine möglichst weitgehende Entsprechung zwischen Extensionsniveau des Gutes und räumlicher und vor allem personeller Ausdehnung der bereitstellenden öffentlichen Einheit zu fordern. 29 Die in dieser Arbeit interessierenden Gemeindegüter wären demnach wie folgt zu charakterisieren: Zumindest bis zu einer bestimmten Ausbringung des jeweiligen Gutes liegt der Rivalitätsgrad deutlich unter 1, was sowohl auf Konsum- als auch auf Produktionseigenschaften beruhen kann. Es ist deshalb sinnvoll, den Kreis der nicht vollständig um den Konsum Rivalisierenden zu einer Gruppe zusammenzufassen. Dieser Kreis umfaßt bei Gemeindegütern zumindest einen großen Teil der Gemeindeeinwohner. Bei deutlich kleineren Nutzerkreisen sind große Chancen einer freiwilligen Zusammenfassung von Nachfragerinteressen über "Vereinsgründungen" gegeben. Bei größeren Nutzerkreisen, also höheren Extensionsniveaus, sind übergeordnete Gebietskörperschaften zur Güterbereitstellung aufgefordert.30 28 Grundlegend hierzu BuchaMn 1965, S. 1·14; einen Überblick geben Sandler/Tschirhart

1980.

29 Dies

entspricht der Grundforderung der ökonomischen Theorie des Föderalismus. ist hier auch die Möglichkeit freiwilliger Zusammenschlüsse nachgeordneter Gebietskörperschaften gegeben; ein Beispiel hierfür sind Zweckverbandsbildungen. 30 Allerdings

8 Gawel

114

C. Finanzwissenschaftliche Gebührenlehre

Hinsichtlich der Exkludierbarkeit sind zwei Fälle zu unterscheiden: Im ersten Fall existiert eine Exklusionstechnik, die es erlaubt, einzelne Wirtschaftssubjekte von der Nutzung auszuschließen. Im zweiten Fall ist die individuelle Ausschließbarkeit nicht gewährleistet, die Nutzung ist jedoch räumlich begrenzt, und positive externe Effekte werden auf diese Weise in Grenzen gehalten. Im Beispiel der Region, die sich gegen die Errichtung von Sendeanlagen entschieden hat, können die dort Ansässigen kaum daran gehindert werden, sich in der Nachbarregion mittels Auto- und Kofferradios als Schwarzhörer zu betätigen. Einen sehr bedeutenden Umfang dürfte dieses sogenannte free-rider-Verhalten jedoch nicht annehmen. Damit bleibt der Exkludierbarkeitsgrad hoch.31 Eine für die Fragestellung dieser Arbeit zentrale Unterscheidung ist die zwischen überlasteten und nicht überlasteten (teilöffentlichen) Gütern: Bei nicht überlasteten Gütern ist der Rivalitätsgrad sehr gering; ein zusätzlicher Nutzer ruft nur sehr geringe Grenznutzungskosten hervor. Bei den überlasteten Gütern fallen hingegen spürbare Grenznutzungskosten an. Diese können in unterschiedlicher Form auftreten. Der einfachste Fall sind die Kosten, die mit einer erhöhten Ausbringung verbunden sind, d. h. die Opportunitätskosten infolge produktionsbedingter Zweckbindung von Ressourcen, die für andere Zwecke mithin nicht mehr zur Verfügung stehen. Dies sind die "üblichen" Grenzkosten. Bei vielen Gemeindegütern sind diese Kosten von untergeordneter Bedeutung. Demgegenüber gewinnen Verdrängungsko· sten und Überfüllungskosten an Gewicht. Erstere bezeichnen beispielsweise den entgangenen Nutzen des Einleiters B, der eine Abwasserbehandlungsanlage nicht mehr nutzen kann, weil dort Einleiter A die Behandlungskapazität durch eigene Schmutzwassereinleitungen bereits absorbiert hat, dieser jenen somit in der Nutzung "verdrängt". Überfüllungskosten bezeichnen die Summe der Nutzenminderungen der bisherigen n Nutzer, die durch Hinzutreten eines weiteren (n+ 1). Nutzers im gemeinsamen Konsum ergeben: So werden etwa die bereits vorhandenen 20 Schwimmer in einem Schwimmbad durch das Hinzukommen eines 21sten Schwimmers "gestört". Diese drei Formen der Grenznutzungskosten werden bei der Frage nach der "richtigen" Gebührenhöhe wieder aufgegriffen. Es bleibt festzuhalten, daß das zentrale Argument für die Bereitstellung der hier diskutierten Gemeindegüter durch die öffentliche Hand in dem Umstand besteht, daß ein großer Teil der Gemeindeeinwohner aus diesen Gütern Nutzen ziehen kann, ohne hierbei vollständig miteinander zu rivalisieren. Diese Tatsache spricht zunächst gegen eine pareto-optimale 31 Ein Problem stellt in diesem Zusammenhang die Wahrnehmung sogenannter zentralört· licher Funktionen durch große Städte und Gemeinden dar. Siehe z. B. Hansmeyer u. a. 1984.

Il. Funktion der Gebührenerhebung aus allokationstheoretischer Sicht

115

Bereitstellung im Zuge von Marktprozessen. Ein optimales Ergebnis ist allerdings auch bei öffentlicher Intervention keineswegs garantiert. Eine erste Voraussetzung hierfür ist altruistisches Verhalten der im öffentlichen Bereich Tätigen. Doch auch wenn dieses Verhalten unterstellt wird, verbleiben erhebliche Informationsprobleme, die eine pareto-optimale Bereitstellung erschweren.32 Insbesondere stellt sich das Problem, die Präferenzen der Bürger und insbesondere deren Zahlungsbereitschaft für das betreffende Gut zu erfahren. Der marktliehe Allokationsmechanismus besitzt den Vorteil, daß durch das Erfordernis, den Marktpreis für die Nutzung eines Individualgutes zu entrichten, die Offenlegung der Zahlungsbereitschaft für dieses Gut erzwungen wird. Aus allokativer Sicht ist es wünschenswert, diesen Vorzug der marktliehen Güterbereitstellung auch für den öffentlichen Sektor zu nutzen. Hier kann der Rückgriff auf die Gebühr als preisähnliche Einnahmeart, die an die private Nutzung öffentlich bereitgestellter Güter anknüpft, zu Informationsgewinnen führen. Bevor diese Funktion der Gebühr ausführlicher dargestellt wird, sind noch zwei Begründungsmuster öffentlicher Güterbereitstellung darzustellen, die nur schwer in das bisherige Argumentationsschema hineinpassen. Im Gegensatz zu den bisher betrachteten öffentlichen Gütern beruht das Konzept der sogenannten "meritorischen" Güter nicht auf einer Kritik bestimmter "technischer" Annahmen über die Eigenschaften der Güter, sondern auf der Kritik einer fundamentalen Annahme über das Verhalten der einzelnen Wirtschaftssubjekte. Es wird in Zweifel gezogen, daß diese jederzeit am besten wissen, wie sie die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel zur Maximierung ihres Nutzens einzusetzen haben. Meritorische Güter können Individualgüter sein,33 bei denen vollständige Rivalität im Konsum gegeben ist und für die auch das Ausschlußprinzip angewandt werden kann. Für diese Güter wird üblicherweise angenommen, daß die privaten Wirtschaftssubjekte entsprechend ihren Präferenzen ihr Einkommen so auf die Güterkäufe verteilen werden, daß sie ihren Nutzen maximieren. Bei meritorischen Gütern glauben die politischen Entscheidungsträger jedoch, die Entscheidung über die Nachfrage nach diesen Gütern den Nachfragern nicht vollständig überlassen zu können, da deren Präferenzen "verzerrt" seien, d. h. nicht ihre wahren Interessen wiedergeben würden. Um die wahren Präfe32 Zum Für und Wider unterschiedlicher Allokationsverfahren bei öffentlichen Gütern siehe Blüme/.1987. 33 Prinzipiell ist das Konzept auch auf reine öffentliche Güter übenragbar. Eine Meritorisierung dieser Güter bedeutet, daß sie in größerem Ausmaß zur Verfügung gestellt werden, als dies bei ausschließlicher Orientierung an den Bürgerwünschen der Fall wäre. Dies ist allerdings im konkreten Fall kaum nachweisbar, da die Präferenzen der privaten Winschaftssubjekte für öffentliche Güter nicht exakt erfaßt werden können und strategisch bedingten Offenbarungsproblemen unterliegen; siehe dazu Musgrave I Musgrave I Kullmer 1990, Bd. 1, Kap. 3.

116

C. Finanzwissenschaftliche Gebührenlehre

renzen durchzusetzen, können diese Güter beispielsweise subventioniert werden, um durch verminderte Preise eine Erhöhung der Nachfrage herbeizuführen. Ein anderer Weg besteht in einer Nachfrageverpflichtung.34 Der Hinweis auf eine Strategie subventionierter Preise, die bis zur kostenlosen Überlassung meritorischer Güter reicht, verweist auf den Zusammenhang mit der in dieser Arbeit interessierenden Frage nach der "richtigen" Gebührenhöhe. (2) Korrektur der Marktergebnisse Eingangs war unterschieden worden zwischen Begründungen öffentlicher Güterbereitstellung, die darauf beruhen, daß der Marktprozeß kein ParetoOptimum herbeiführt, auf der einen und Begründungen, die auf der Kritik an dem Pareto-Kriterium basieren, auf der anderen Seite. Das Konzept der meritorischen Güter wurde hier noch der ersten Gruppe zugerechnet. Theoretisch hiervon zu trennen, in der Praxis jedoch sehr eng hiermit verknüpft, ist die öffentliche Güterbereitstellung zum Zwecke der Einkommensumverteilung. Umverteilungsmaßnahmen sind mit Hilfe des Pareto· Kriteriums nicht zu begründen, da die Besserstellung einzelner Personen die Schlechterstellung anderer Personen, die zur Finanzierung dieser Maßnahmen herangezogen werden, mit sich bringt. Es wird oft darauf verwiesen, daß die Umverteilung über die nicht kostendeckende Überlassung bestimmter öffentlich bereitgestellter Güter gegenüber der Umverteilung mittels allgemeiner Transferzahlungen an die zu begünstigenden Personen zwei Nachteile aufweist:35 -

-

Zum einen ist Umverteilung über Preissubventionen wenig zielgenau, da alle Personen, die das betreffende Gut nutzen, in den Genuß der Begünstigung kommen, auch wenn sie nicht zu dem Personenkreis zählen, der begünstigt werden soll. Zum anderen werden die Handlungsmöglichkeiten der Zahlungsempfänger durch allgemeine Transfers gegenüber Umverteilung über einzelne Güter deutlich erhöht. Im ersten Fall sind die Begünstigten in der Verwendung der umverteilten Mittel frei und werden sie dort einsetzen, wo

34 Das Konzept hat verschiedene Änderungen erfahren (siehe dazu u. a. HeAd 1988/89 oder Ande/1984). Ursprünglich wurden die verzernen Präferenzen vor allem mit Informationsmängeln erklän. Der Hinweis, dann solle man lieber informieren, als Bürger zu ihrem Glück zu zwingen, fühne dazu, das Konzept noch enger zu fassen und auf Fälle zu beschränken, in denen zumindest kurzfristig durch Informationspolitik keine Präferenzkorrektur zu erreichen sei. Hierbei ist vor allem der Fall einer Nachfrage, die über die wahren Präferenzen hinausgeht, das sog. dementorisehe Gut, ins Blickfeld gerückt. Als Beispiel ist der Drogenkonsum zu nennen. 35 Siehe z. B. Mackscheidt I Steinhausen 1977, S. 147 ff. Vgl. hierzu auch die gebührenpolitische Kritik an der "Objektförderung" durch Sozialtarifierungen in Abschnitt C.IV.

ll. Funktion der Gebührenerhebung aus allokationstheoretischer Sicht

117

sie sich den höchsten Nutzen versprechen. Im zweiten Fall bleibt ihnen diese Möglichkeit verwehrt. Hier wird der Bezug zu den meritorischen Gütern besonders deutlich. Umverteilung über öffentliche Güterbereitstellung ist nur dann zu rechtfertigen, wenn die Begünstigten zugleich zu einem bestimmten Konsumverhalten angehalten werden sollen. Dies muß nicht an "paternalistischen" Erwägungen der politischen Entscheidungsträger liegen, sondern kann seinen Grund auch in den Einstellungen der Mittelgeber haben. Auch wenn diese zwangsweise zur Finanzierung durch Steuern herangezogen werden, können sie doch eher bereit sein, zur Finanzierung bestimmter Güter, die verbilligt abgegeben werden, als zur Finanzierung allgemeiner Transfers beizutragen, weil sie Vorstellung über "gute" Konsumpläne haben. Auch bei der Umverteilungsbegründung öffentlicher Güterbereitstellung wird der Bezug zur "Bepreisung" dieser Güter unmittelbar deutlich, die im weiteren untersucht wird. Abschließend gibt Tab. 1 einen Überblick über die skizzierten Begründungsmuster öffentlicher Güterbereitstellung. Tabelle 1 Begründungsmuster öffentlicher Güterbereitstellung im Überblick Gutstyp

Ziel der öffentlichen Bereitstellung

Begründung

Kollektivgut

Herstellung eines Pareto-Optimurns

Geringer Exkludierbarkeitsgrad sowie geringer Rivalitätsgrad führen zu einer suboptimalen Angebotsmenge bei markdieher Bereitstellung.

meritorisches Gut

Korrektur der Präferenzen Nach Ansicht der politischen Entscheiprivater Wirtschaftssubjekte dungsträger erwerben die privaten WirtSchaftssubjekte von dem betroffenen Gut weniger als ihren "wahren" Interessen entsprechen würde.

[Gut zur Deckung emes

Umverteilung zugunsten bestimmter Personengruppen

Grund· bedürfnisses]

Durch nicht kostendeckende Gutsabgabe wird die Einkommensverteilung zugunsten der Nutzer des betreffenden Gutes verändert; die Umverteilung über dieses Instrument kann durch die Präferenzen der Mittelgeber begründet sein.

C. Finanzwissenschaftliche Gebührenlehre

118

3. Das Grundmodell optimaler Gebühren· und Beitragsbemessung

Kommunales Handeln muß sich wie jede wirtschaftliche Aktivität des Staates am grundsätzlichen ökonomischen Zielbündel gerechter Einkommen- und Vermögensverteilung (Distribution), des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts (Stabilität) und des effizientem Mitteleinsatzes (Allokation) messen lassen. Im Sinne dieser Musgraveschen Einteilung staatlicher Aktivität in Allokations-, Distributions- und Stabilisierungspolitik36 überwogen im letzten Abschnitt allokative Überlegungen. Dies kann nicht verwundern, da die Bereitstellung von Gütern durch die öffentliche Hand, die voraussichtlich nicht in gleicher Art und gleichem Umfang durch private Anbieter bereitgestellt würden, eine Veränderung der Ressourcenverwendung und somit eine allokativ bedeutsame Maßnahme darstellt. Die "Bepreisung" dieser Güter darf bei rationaler Wirtschaftspolitik den allokativen Zielsetzungen der Güterbereitstellung nicht zuwiderlaufen. Diese Ziele sind somit auch für die Frage nach der "richtigen" Gebührenhöhe maßgebend. Distributive Zielsetzungen können ergänzend hinzutreten. Für eine primär distributiv ausgerichtete Politik dürften die Gebühren jedoch ein ungeeignetes Instrument darstellen, da sie die Größen Einkommen und Vermögen, die durch die Distributionspolitik verändert werden sollen, nur mittelbar und vor allem wenig zielsicher beeinflussen. Diese Aussage gilt in verstärktem Maße für einen an stabilisierungspolitischen Zielen orientierten Einsatz des Gebühreninstrumentariums.37 Ausgehend von dem Primat des allokationspolitischen Einsatzes des Gebühreninstrumentariums ist zu fragen, für welche öffentlich bereitgestellten Güter Gebühren erhoben werden sollen und wie diese zu bemessen sind, damit eine weitgehende Annäherung an ein ParetoOptimum erzielt wird. Vorbedingung für die Gebührenerhebung ist die Nachweisbarkeit der individuellen Inanspruchnahme eines öffentlich bereitgestellten Gutes. In der im vorhergehenden Abschnitt entwickelten Terminologie heißt dies, daß eine Exklusionstechnik existieren muß, die den Ausschluß einzelner zahlungsunwilliger Wirtschaftssubjekte ermöglicht. Für die Beitragserhebung ist die individuelle Anwendbarkeit des Ausschlußprinzips hingegen nicht erforderlich. Es muß lediglich gewährleistet sein, daß die Mitglieder einer Gruppe, denen der Beitrag auferlegt wird, einen deutlich höheren Nutzenzuwachs aus der Bereitstellung eines Gutes ziehen, als dies bei den Nichtmitgliedern der Fall ist. Beiträge können also auch für Güter erhoben werden, die auf dem Extensionsniveau 0 einen sehr niedrigen, auf dem Ex36 Siehe Musgrave 1959. 37 Siehe dazu unten, Abschnitt C.Ill.2.e und f.

Il. Funktion der Gebührenerhebung aus allokationstheoretischer Sicht

119

tensionsniveau 1 oder 2 jedoch einen relativ hohen Exkludierbarkeitsgrad aufweisen; dieser beruht im Regelfall auf der räumlich beschränkten Nutzenabgabe der betreffenden Güter. Mit der Abgrenzung von möglichen Einsatzfeldern dieser beiden Einnahmeinstrumente ist noch nicht gesichert, daß Gebühren und Beiträge überall dort zur Anwendung kommen sollen, wo dies möglich ist. Insbesondere können Beiträge auch bei "gebührenfähigen" Gütern sinnvoll eingesetzt werden; dies ist der Grund für ihre Berücksichtigung in einer Arbeit, die sich primär den Gebühren widmet. Wertvolle Aufschlüsse für die optimale Gebühren- und Beitragsgestaltung lassen sich anhand des Referenzmodells eines vollständig funktionsfähigen Marktes für Individualgüter gewinnen. Vereinfachend sei eine große Zahl von Anbietern mit identischen, linearen Gesamtkostenkurven und hieraus resultierenden konstanten Grenzkosten unterstellt; Fixkosten seien keine gegeben. In diesem Fall wird der einzelne Anbieter durch den Wettbewerb gezwungen, seinen Angebotspreis bis auf die Höhe der Grenzkosten zu senken.38 Unter diesen Bedingungen erfüllt der Preis sowohl seine Lenkungsals auch seine Finanzierungsfunktion in optimaler Form: Der Preis spiegelt als Wertgröße wider, welcher Ressourcenverzehr mit der Produktion der letzten Gutseinheit verbunden ist.39 Entscheidet sich ein Wirtschaftssubjekt zum Erwerb dieser Einheit, so bewertet es den Nutzen aus diesem Gut mindestens ebenso hoch wie den entgangenen Nutzen aus der nächstbesten anderen Verwendung dieser Wertgröße. Läge der Preis unter den Grenzkosten, so würde der potentielle Käufer den tatsächlichen Ressourcenverzehr unter-, im umgekehrten Fall überbewerten. Dem sich aus der Sicht des Unternehmers ergebenden Finanzierungserfordernis wird bei dieser Preissetzung ebenfalls entsprochen. Der Gesamterlös entspricht exakt den Gesamtkosten, was sich in diesem Fall schon daraus ergibt, daß jede Gutseinheit zu ihren Stückkosten verkauft wird, die bei der unterstellten Kostenfunktion den Grenzkosten entsprechen. Diese Argumentation ist auf Güter, die aus den im vorhergehenden Abschnitt skizzierten Gründen von der öffentlichen Hand bereitzustellen sind, nicht ohne weiteres übertragbar. Betrachten wir den Fall eines Gutes mit Gruppenvorteilen im Konsum und nicht ausgelasteter Kapazität; es existiere eine Exklusionstechnik zum individuellen Ausschluß. Als Beispiel kann ein gemeindeeigenes Schwimmbad betrachtet werden, das zeitweise nur von wenigen Schwimmern genutzt wird. Eine kurzfristige Ausdehnung der 38 Ein höherer Preis ist nicht durchsetzbar, ein niedrigerer ist mit Verlusten und damit Ietzt· lieh mit dem Ausscheiden des Anbieters verbunden. 39 Wegen der konstanten Grenzkosten werden in dieser Konstellation alle Gutseinheiten zu ihren Produktionskosten verkauft.

120

C. Finanzwissenschaftliche Gebührenlehre

Schwimmbadgröße ist zwar ausgeschlossen, eine Verbesserung des Angebots ist jedoch durch Erhöhung der Wassertemperatur möglich; hieran seien alle aktuellen Schwimmer interessiert. Ausgehend von einem bisherigen "Nulltarif" würde ein Eintrittspreis in Höhe der Kosten der letzten Gutseinheit, also der Erhöhung der Wassertemperatur um ein Grad, offenkundig zu einem nicht pareto-optimalen Ergebnis führen: Der einzelne würde bei seiner Nutzungsentscheidung abwägen, ob ihm eine Schwimmstunde die gesamten Kosten der Temperaturerhöhung wert wäre. Dies dürfte im Normalfall zum Verzicht auf den Schwimmbadbesuch führen. Da alle Schwimmer in den Genuß des wärmeren Wassers kommen, ist es jedoch nicht sinnvoll, jedem einzelnen die gesamten Heizkosten anzulasten. Die ideale Verteilung dieser Kosten sähe vielmehr folgendermaßen aus: Jeder Schwimmer gibt an, wieviel ihm eine Temperaturerhöhung um ein Grad, zwei Grad usw. wert ist bzw. wieviel er hierfür zu zahlen bereit wäre. Durch Addition der Zahlungsbereitschaften aller berücksichtigten Individuen wird die gesamte Zahlungsbereitschaft für die verschiedenen Temperaturerhöhungen ermittelt. Diese werden der Kostenkurve gegenübergestellt. Geben beispielsweise 100 Personen an, daß ihnen die Erhöhung um 1 Grad DM 1,- wert wäre und kostet diese Erhöhung DM 100,-, so sollte jeder einzelne seine Zahlung für die Schwimmbadbenutzung um DM 1,- erhöhen. Alle Schwimmer gemeinsam zahlen in Höhe des Ressourcenverzehrs, den sie gemeinsam hervorrufen. Dieses Ergebnis entspricht der berühmten "Samuelson-Bedingung" für die optimale Allokation öffentlicher Güter, wonach im Pareto-Optimum die Grenzkosten der Ausbringung eines öffentlichen Gutes der Summe der marginalen Zahlungsbereitschaft der Konsumenten dieses Gutes entsprechen.40 Die Samuelson-Bedingung gibt die optimale Höhe der Zahlungen an, die von den begünstigten Wirtschaftssubjekten für die Bereitstellung eines öffentlichen Gutes zu leisten sind. Diese Zahlungen können jedoch nicht in Form von Gebühren erhoben werden, wie eine Anwendung auf unser Beispiel deutlich zeigt: Entscheidet sich die Gruppe der potentiellen Schwimmbadbesucher dafür, die Schwimmbadtemperatur zu erhöhen, so ist es richtig, daß diese Gruppe die erhöhten Heizkosten trägt. Die Entscheidung über den Schwimmbadbesuch und eine damit zusammenhängende Gebührenzahlung wird jedoch nicht von einer Gruppe, sondern von unabhängigen Individuen getroffen. Die Gebühr soll in diesem Fall dafür sorgen, daß der Ressourcenverzehr beziehungsweise der Nutzenentzug bei anderen Wirtschaftssubjekten, der durch die Entscheidung für den Schwimmbadbesuch hervorgerufen wird, die sogenannten Grenznutzungskosten, dem Besu40 Siehe

Samuelson 1954.

II. Funktion der Gebührenerhebung aus allokationstheoretischer Sicht

121

eher angelastet wird. Im Fall eines fast leeren Schwimmbades fallen derartige Kosten jedoch nicht an; damit ist in dieser Situation die Erhebung einer Gebühr, die jemand von der Nutzung des Schwimmbades abhält, allokativ ineffizient. Der Nutzen dieser Person könnte gesteigert werden, ohne daß eine andere Person schlechter gestellt würde; das Pareto-Kriterium wird verletzt. Die Grundregel für eine pareto-optimale "Bepreisung" von Gütern, die unterschiedliche Rivalitätsgrade aufweisen, besagt also, daß der Preis den Grenznutzungskosten, die durch die individuelle Inanspruchnahme des "bepreisten" Gutes hervorgerufen werden, entsprechen soll. Einen Unterfall dieser Regel stellt die Forderung dar, daß der Preis für Individualgüter, bei denen der Konsum vollständig rivalisiert, den Grenzkosten der letzten Gutseinheit entsprechen soll. Bei der Charakterisierung der Gemeindegüter werden die unterschiedlichen Formen der Grenznutzungskosten, "bereitstellungsbedingte" Grenzkosten, die aus der Erhöhung der Ausbringungsmenge resultieren, Verdrängungskosten sowie Überfüllungskosten bereits kurz charakterisiert. Aufgabe der Gebühr ist es aus allokationstheoretischer Sicht, diese drei Kostenarten dem Grenznutzer anzulasten. Im zweiten Teil dieser Arbeit wird versucht, diese Kostenkategorien zu konkretisieren. Hier ist zunächst bedeutsam, daß bei Gemeindegütern im oben definierten Sinne derart bemessene Gebühren die Finanzierungsfunktion im Normalfall nicht vollständig erfüllen; d. h. die Gesamterlöse liegen u. U. unter den Gesamtkosten. Bei Gemeindegütern, die nicht mit zu kleiner Kapazität bereitgestellt werden, ist der Rivalitätsgrad typischerweise kleiner als 1; damit können Gebühren, die sich an den bereitstellungsbedingten Grenzkosten orientieren, nicht die Gesamtkosten abdecken. Sogenannte Rationierungsgebühren, die zur Verteilung einer knappen Kapazität auf die Nutzer mit der höchsten Zahlungsbereitschaft erhoben wrden, also die marginalen Verdrängungskosten widerspiegeln, können bei regelmäßig überlasteter Kapazität zur Deckung der Gesamtkosten ausreichen oder diese gar übersteigen. Dieser letzte Fall wäre überdies ein Indiz für eine aus wohlfahrtsökonomischer Sicht zu kleine Kapazität. Abschließend sei der in der Praxis häufige Fall eines Gutes angenommen, bei dessen Bereitstellung Fixkosten anfallen, die durch wohlfahrtsoptimierende Gebühren nicht gedeckt werden. Um auch für diesen Kostenanteil eine individuelle Abwägung zwischen Nutzen und Kosten herbeizuführen, ist die Erhebung von Beiträgen von den potentiellen Nutznießern das geeignete Instrument. Im Fall eines Vereinsgutes können die an diesem Gut interessierten Personen abwägen, ob ihnen die Option auf die Nutzung des Gutes, also der aus der Nutzungsmöglichkeit in Zukunft zu erwartende Nutzen, die Zahlung des Mitgliedsbeitrages wert ist. Bei den Beiträgen im

C. Finanzwissenschaftliche Gebührenlehre

122

engeren Sinne, also bei den öffentliche-rechtlichen Abgaben, ist diese individuelle Abwägung allerdings mehr oder minder stark erschwert, da die Entscheidung über Zahlung beziehungsweise Nichtzahlung des Beitrags und damit verbundenem Verzicht auf das Gemeindegut häufig nicht isoliert von anderen Entscheidungen getroffen werden kann. In diesem Fall verliert die "Entscheidung", den Beitrag zu entrichten, weitgehend ihren Informationswert für eine an den Nachfragewünschen orientierte Kapazitätsplanung. Abstrahieren wir zunächst noch von diesem Problem, so kann als annähernd wohlfahrtsoptimierende "Bepreisungsstrategie" für Gemeindegüter die folgende Regel aufgestellt werden: Erhebe Nutzungsgebühren in Höhe der Grenznutzungskosten; decken die Gebühreneinnahmen nicht .alle Kosten der Gutsbereitstellung ab, so lege diesen Kostenblock, insbesondere die Fixkosten, über Beiträge auf die potentiellen Nutznießer des Gutes um. Orientiere die Kapazitätsplanung an der Bereitschaft, die Beiträge zu entrichten.41

4. Zur Übertragbarkeit des Grundmodells auf verschiedene Gemeindegüter

Die im vorigen Abschnitt abgeleitete Bepreisungsstrategie stellt einen Kompromiß dar, der notwendig wird, weil sich bei der Bepreisung von Gemeindegütern zwei unterschiedliche Allokationsprobleme stellen: Einerseits sollen bereits vorhandene Kapazitäten optimal genutzt werden, andererseits sind diese Kapazitäten selbst von Zeit zu Zeit neu festzulegen. Der skizzierte Kompromiß legt das Schwergewicht auf die Lösung des ersten Problems, das auf diese Weise freilich ebenfalls nicht optimal gelöst werden kann: Gebühren in Höhe der Grenznutzungskosten können bei dieser Kombination von Gebühren- und Beitragsfinanzierung nur von den Personen erhoben werden, die einen Beitrag entrichtet haben. Im anderen Falle bestünde kein Anreiz zur Beitragszahlung. So kann aber die Situation eintreten, daß bei ungenutzten Kapazitäten (und hieraus resultierenden Grenznutzungskasten von Null) eine Person, die keinen Beitrag entrichtet hat, diese freistehende Kapazität nutzen will, hiervon jedoch durch eine positive Gebühr abgehalten wird. Wegen der erforderlichen Anreize zur Beitragszah-

41 Man kann den Beitrag auch als Zahlung für die öffentliche Gutskomponente, die Gebühr hingegen als Zahlung für die komplementäre Privatgutkomponente betrachten. Siehe dazu Henry

1974.

Il. Funktion der Gebührenerhebung aus allokationstheoretischer Sicht

123

lung muß diese offenkundige Pareto-Ineffizienz in Kauf genommen werden.42 Bei dieser Argumentation wurde unterstellt, daß die Beitragszahlung die Funktion eines Mitgliedsbeitrags übernimmt, der die Zugangsberechtigung zur Gutsnutzung verschafft. Öffentlich-rechtliche Beiträge sind üblicherweise nicht in dieser Form ausgestaltet. Dies liegt entweder daran, daß keine Exklusionstechnik zum Ausschluß von Nicht-Beitragszahlern existiert oder daß dieser Ausschluß politisch unerwünscht ist. Beide Fälle interessieren hier (zunächst) jedoch nicht: Das Vorhandensein einer geeigneten Exklusionstechnik wird vorausgesetzt, da nur gebührenfähige Güter betrachtet werden. Politische Vorbehalte gegen den Ausschluß von Personen, die keinen Beitrag zu zahlen bereit sind, sind allokativ nicht zu begründen. Dieses Problem wird deshalb erst bei den nicht-allokativen Zielsetzungen behandelt. Im folgenden werden Beiträge also als Preis für die Option auf die Nutzung eines Gutes verstanden. Können diese Preise in gleicher Weise wie Preise für die Inanspruchnahme von Individualgütern Aufschluß über die Zahlungsbereitschaft für das Optionsgut geben? Wäre diese Frage zu bejahen, so könnte das Problem der Bestimmung der optimalen Kapazität mit Hilfe der Optionspreise gelöst werden. Eine solche Nutzbarmachung von Beiträgen für die Kapazitätsbestimmung ist jedoch nur in Grenzen möglich, was an dem eingeschränkten Rivalitätsgrad der betrachteten Gemeindegüter liegt. Soweit keine Rivalität im Konsum besteht, wäre aus wohlfahrtsökonomischer Sicht die Verwirklichung der Samuelson-Bedingung zu fordern. Die Beitragsbemessung hätte sich an der Zahlungsbereitschaft der einzelnen Nutzer für das Gemeindegut zu bemessen. Da bei den betrachteten Gemeindegütern jedoch ein gewisses Maß an Nutzungskonkurrenz gegeben ist, müßte der Beitrag des einzelnen so groß sein, daß zu erwartende Veränderungs- und Überfüllungskosten, die durch den zusätzlichen Beitragszahler in Zukunft verursacht werden dürften, hierdurch mindestens kompensiert werden.43 Grundsätzlich ist also eine Differenzierung der Beiträge erforderlich, wobei das voraussichtliche Nutzungsverhalten verschiedener Typen von Beitragszahlern zu berücksichtigen ist. Eine Befragung oder ein individuelles Aushandeln der individuellen Beitragshöhe ist wenig erfolgversprechend, da sich hier das für öffentliche Güter typische Problem strategischen Verhaltens stellt: Der einzelne wird dazu verleitet, sein Interesse an dem Optionsgut herunterzuspielen, da er durch seine Beitragszahlung dessen Menge nur 42 Siehe zu diesem "Gästeproblem" Kulenkampff1991. 43 Siehe Buchanan 1965.

124

C. Finanzwissenschaftliche Gebührenlehre

marginal beeinflussen kann.44 Es müssen also bestimmte Beiträge, möglichst nach Nutzertypen differenziert, vorgegeben werden. Der einzelne potentielle Nutzer beurteilt dann, ob der für ihn vorgegebene Beitrag den Nutzen aus der Nutzungsmöglichkeit übersteigt oder nicht. Im zweiten Fall wird er sich für, im ersten Fall gegen die Beitragszahlung entscheiden. Die Wohlfahrtsverluste aus diesem Vorgehen sind um so größer, je weniger es gelingt, eine geeignete Abgrenzung der Nutzertypen zu finden. Das scheinbar naheliegende Verfahren, von den Nutzungen in der Vergangenheit auf den potentiellen Nutzen beispielsweise einer Kapazitätserweiterung zu schließen, widerspricht der Logik der angestrebten Bepreisungsstrategie: Der einzelne erkennt bei der aktuellen Inanspruchnahme, daß ihm jetzt zwar nur die Grenznutzungskosten in Rechnung gestellt werden, daß er durch die jetzige Inanspruchnahme jedoch auch den später zu zahlenden Beitrag erhöht. Damit sind nicht nur die Grenznutzungskosten für die Entscheidung über die Inanspruchnahme bedeutsam, was im Hinblick auf die kurzfristig optimale Kapazitätsnutzung vermieden werden soll.45 Es verbleiben demnach beträchtliche Informationsprobleme bei der geeigneten Beitragsbestimmung. Diese Probleme könnten durch relativ kurze Abstände, in denen die Beitragszahlung zu erfolgen hätte, gemildert werden. Soll die vollständige Finanzierung der Fixkosten über freiwillige Beiträge jedoch gesichert bleiben, so muß die Feststellung des voraussichtlichen Beitragsaufkommens der Entscheidung über einen Kapazitätsaufbau oder eine -erweiterung vorausgehen. Die Periodizität der Beitragszahlungen kann also nicht beliebig verändert werden. Eine häufigere Beitragszahlung hätte auch den Vorteil, daß den privaten Wirtschaftssubjekten häufiger vor Augen geführt würde, daß die Grenznutzungskosten nicht die Gesamtkosten des öffentlich bereitgestellten Gutes abdecken. Werden die anteilsmäßig mitverursachten Fixkosten bei Überlegungen über eine eventuelle Substitution des Gemeindegutes nicht berücksichtigt, so werden Entscheidungen mit längerer Bindungswirkung verzerrt. Es ist zwar richtig, daß bei einer Verbrauchsentscheidung ohne derartige Bindungswirkungen nur die kurzfristigen Grenznutzungskosten Berücksichtigung finden. Wird jedoch heute entschieden, daß z. B. auf abwasserreduzierende betriebliche Investitionen verzichtet wird, weil die niedrigen, an Grenznutzungskosten orientierten Abwassergebühren derartige Investitionen als unrentabel 0, wobei

(4)

dT!dB > T/B.

Der Progressionsverlauf selbst kann linear, beschleunigt oder verzögert verlaufen, je nachdem, ob die zweite Ableitung der Durchschnittsabgabenfunktion verschwindet, positiv oder negativ ist (Abb. 2b):

(5)

rJ2(T!B )IdB2

(6)

rF(T/B )IdB2 > 0 ;

(7)

rJ2(T/B )Idß2 < 0 .

=

0;

Ein indirekt progressiver Tarif ist gegeben, sofern ein proportionaler Tarif mit einem Freibetrag kombiniert wird, so daß im Bereich der Steuerpflicht der Durchschnittsabgabensatz mit wachsendem B fortlaufend zunimmt und sich dem konstanten Grenzabgabensatz asymptotisch annähert (Abb. 2c).·104

Degressive Tarife 105 zeichnen sich durch fallende Durchschnittsabgabenbelastungen aus; die Grenzabgabenlast liegt hier stets unterhalb der Durchschnittsbelastung; wie im Falle der progressiven Tarifgestaltung läßt sich hier je nach Ausmaß der Degression nach linearen, beschleunigten und verzögerten Formen unterscheiden. Indirekt degressive Tarife entstehen, wenn eine proportionale Tarifgestaltung nur bis zu einer Bemessungsgrenze Gültigkeit besitzt und die Abgabenschuld fortan konstant bleibt (Abb. 2d).106

104 Eine solche Konstruktion ist häufig bei der T arifierung von Starkverschrnutzerzuschlägen zu beobachten, wenn der Versehenutzungsgrad häuslicher Abwässer als von Zuschlägen freier Sollzustand definiert wird. Dazu näher in Abschnitt C.IV.2.c. 105 Andel1992 spricht hier abweichend bereits von Regression. 106 Quelle: Alle Abbildungen verändert nach Sr:hmölders I Harnmeyer 1980, S. 84 f. und 89.

160

C. Finanzwissenschaftliche Gebührenlehre

dT dB T B

Abbildung 2a: Grenz- und Durchschnittsabgabenfunktion bei linearem Tarif

T B

~--------------------.

B

Abbildung 2b: Durchschnittsabgabenfunktion bei progressiven Tarifen

dT dB T B

dT dB T/B B

Abbildung 2c: Grenz- und Durchschnittsabgabenfunktion bei linearem Tarif mit Freibetrag (indirekte Progression)

161

IV. Der Gebührentarif

T B

B

Abbildung 2d: Durchschnittsabgabenfunktion bei degressiven Tarifen 107

Im Gegensatz zur "voraussetzungslosen" Steuer ist jedoch die Zahllast bei Entgeltabgaben inhaltlich bestimmt, d. h. hier durch Überlegungen zur angemessenen Höhe einer Gebühr (vgl. Abschnitt C.III). Das zur Legitimation der Gebührenerhebung maßgebende Äquivalenzprinzip liefert in diesem Zusammenhang jedoch zugleich einen Maßstab zur individuellen Anlastung von Abgabepflichten. Nachfolgend ist daher die Frage der angemessenen Verteilung der gesamten Gebührenschuld auf einzelne Nutzer, genauer: Nutzungseinheiten, weiterzuverfolgen. Hierzu bietet das analytische Werkzeug der finanzwissenschaftliehen Tariflehre ein geeignetes Instrumentan um.

b) Tariflehre einer lenkenden Wirkungszweckabgabe am Beispiel umweltökonomischer Abgabenkonstruktionen Vor dem Hintergrund der allgemeinen finanzwissenschaftliehen Tarifsystematik erhebt sich die Frage, welche Aussagen sich für den Fall einer Wirkungszweckabgabe über die speziellen Tarifprobleme eines Mittelabschöpfungsinstruments treffen lassen, das zugleich anreizende Signale übermitteln soll; gesucht wäre mithin eine spezielle Tariflehre lenkender Umweltabgaben. 107 Quelle: verändert nach Schmölders I Hansmeyer 1980, S. 89. II Gawel

162

C. Finanzwissenschaftliche Gebührenlehre

Die theoretisch orientierte Abgabenliteratur befaßt sich nur am Rande mit tariflichen Gesichtspunkten.1°8 Regelmäßig wird vereinfachend die Emissionsmenge e als bester Indikator für das Ausmaß externer Kosten zur Bemessungsgrundlage erhoben ( B - e ). Die vergleichsweise intensive Diskussion um die adäquate Bemessungsgrundlage einer lenkenden Umweltabgabe109 hat die Aufmerksamkeit auf die Effizienzeinbußen bei erhebungstechnisch bedingter Verwendung von Indikator- und Ersatzgrößen (Inputs, Produkte etc.) gelenkt und als Ergebnis die Forderung nach höchstmöglicher Adäquanz von Lenkungszweck und Bemessungsgrundlage hervorgebracht; diese wird i. d. R. bei der individuellen Emissionsmenge vermutet (Siebert 1992, S. 135 f.). 110 Hierbei fließen aber bereits Praktikabilitäts-Überlegungen ein, da letztlich für die Schadwirkungen (Opportunitätskosten) nur Immissionen der besteuerten Aktivitäten ausschlaggebend sind. Der primäre Zweck der Erfassung gesellschaftlich verursachter Nutzeneinbußen wird aufgrund informationeUer Restriktionen erhebungstechnisch statt dessen über einen als geeignet angesehenen Ersatz-Maßstab geleistet, dessen Qualifikation sich nach dem kausalen Zusammenhang zu den damit hervorgerufenen Opportunitätskosten der Gesellschaft bemißt. An die Stelle einer "wirklichen" Erfassung externer Werteverzehre treten hier bereits plausibilitätsgestützte Mutmaßungen über geeignete Indikatoren. Auch ohne ausdrücklichen terminologischen Rekurs auf die im Gebührenzusammenhang übliche Fragestellung, welcher Maßstab im Rahmen äquivalenztheoretischer Abgabenbemessung zur Anwendung zu kommen habe und wie "wirklichkeitsnah" dieser auszugestalten sei, wird hiermit- auf abstraktem Niveau - das gleiche Problem diskutiert: Ein perfekter Äquivalenzzusammenhang müßte sämtliche Sozialkosten individueller Umweltnutzung zurechnen und entgelten lassen. Da dies unlösbar erscheinenden Problemen der Abgabenbemessung begegnet, stellt sich die weitergehende Frage, wie dieser Zusammenhang möglichst weitgehend angenähert werden kann, ohne des beabsichtigten Lenkungseffekts unnötig verlustig zu gehen. Mit Blick auf die allgemeine Kausalkette "betriebliche Faktortransformation - Emission - Immission - resultierende Sozialkosten" wird dann vor dem skizzierten Hintergrund die individuelle Emissionsmenge als vertretbare Näherungslösung propagiert. 108 109

Hierzu im Überblick Gawell995.

Hierzu statt vieler Sieben 1992, S. 135 f.

Ausnalunen hiervon bilden Emissionen mit abweichender Immissionswirkung (Gewichtung durch lmmissionskoeffizienten), Fälle, in denen Emissionsstrom und Indikator bereits P.hysisch zusammenfallen (Verpackungsabgabe als Produktsteuer und zugleich Emissionsabgabe auf Abfall) sowie Umweltbelastungen, die nicht frachtbewgen, sondern nach Spitzenbelastungen relevant werden (z. B. Konzentrationswerte bei toxischen Substanzen). 110

163

IV. Der Gebührentarif

Hinsichtlich des Tarifs wird in aller Regel eine proportionale Veranlagung (Abgabensatz t - const.; Grenzabgabensatz t' - 0) befürwortet, 111 welche so zu bemessen ist, daß die Summe der nach individueller Anpassung an die Abgabenerhebung noch verbleibenden Emissionsmengen der gesamtwirtschaftlichen Sollvorgabe entspricht. Bisweilen wird auch ein progressiver Tarif t = t (e), t' > 0 vertreten in Anlehnung an den regelmäßig als progressiv vermuteten Verlauf der sozialen Schadens- bzw. Grenzschadensfunktion.112 Geringere informationeHe Anforderungen und höhere Anreizwirkungen im Restbelastungsbereich lassen jedoch eine lineare Abgabenbetragsfunktion als durchweg geeignete Tarifierung lenkender Umweltabgaben erscheinen. Aus theoretischer Sicht ist eine Oenkende) Umweltabgabe damit durch die Bemessungsgrundlage individuell verursacheter Emissionen B = e sowie den konstanten oder ggf. der Progression unterliegenden Abgabensatz t erschöpfend charakterisiert.113 Die Pigou-Steuer als genealogische Ahnfigur sämtlicher Wirkungszweckabgaben mit Umweltbezug kennt streng genommen keinen eigentlichen Tarif, da sie nach dem marginalen sozialen Grenzschaden s' umweltzehrender Aktivität im jeweiligen gesellschaftlichen Optimum e* zu bemessen ist. Der Pigou-Steuersatz kann daher für ein gegebenes Ausmaß der Umweltnutzung in Abhängigkeit von im Zeitablauf schwankender Sozialschädlichkeit und ebenso variablem Vermeidungsaufwand prinzipiell beliebige Werte annehmen (nicht-autonomer Tarif). Die Pigou-Steuerfunktion ist daher c. p. zunächst nur für einen (Optimal-) Punkt definiert; sie ist eher Interventionsregel als Tarif. Dieses Konzept eines "Tarif-Punktes" wird lediglich überwölbt durch das Konstrukt einer hieran ausgerichteten Oinearen) Abgabenfunktion mit einem nutzungsinvarianten Steuersatz in Höhe des marginalen Grenzschadens im Optimum:

(8)

T-t(e)·e

(9)

t* - s'(e*)

mit

t(e)-t*

Folgerichtig wurde in der Literatur auch verschiedentlich die Frage aufgeworfen, ob aus dem Optimalitätskriterium auch zwingend eine Belastung sämtlicher Nutzungseinheiten mit dem unveränderten Optimierungs-Grenz-

111 Z. B. bei

Siebert 1992.

112 Vgl. nur ebenda. 113 Siehe nur

Siebert 1992; Buck 1983; Baumol I Dates 1988; Endres 1976.

164

C. Finanzwissenschaftliche Gebührenlehre

steuersatz zu folgern sei. 114 Die damit angesprochene Unterbestimmtheit der Pigou-Steuerfunktion, für deren allokative Leistung eine Belastung der letzten genutzten Einheit an Umweltgütern im Optimum als ausreichend zu betrachten ist, wirft sowohl distributive (staatliche Mittelabschöpfung über das Ausmaß sozialer Verluste hinaus) als auch allokative Fragen auf (fotalbedingung der exakten Anlastung sozialer Zusatzkosten). Unter der Nebenbedingung, daß der abgeschöpfte Steuerbetrag stets dem sozialen Wohlfahrtsvertust durch Umweltnutzung zu entsprechen habe (fotalbedingung), könnte die Pigou-Steuerfunktion auch als identisch mit der Funktion des marginalen Grenzschadens betrachtet werden, welche üblicherweise als durch den Ursprung verlaufende progressive Funktion der Umweltnutzung unterstellt wird. Allein die gegenüber der Lösung als (proportionaler) Stücksteuer auftretende zusätzliche informationeile Überforderung der steuererhebenden Instanz - hierbei müßte der exakte Funktionsverlauf, nicht nur die Höhe im Optimum als bekannt gelten - lassen die hergebrachte Vereinfachung zum linearen Tarif angängig erscheinen. Die Pigou-Steuerschuld ist danach pauschales Entgelt für die mit der privaten Nutzung knapper Umweltressourcen einhergehenden positiven, aber in ihrem exakten Ausmaß unbekannten Opportunitätskosten der Gesellschaft.

s''

(10)

T

(11)

T=

~ t ( e)

re

·e

mit

t ( e) - s'( e)

I s'(e) d e Jo

Aufgrund der in der Literatur durchgängig getroffenen Annahme s' > 0, > 0 folgt hieraus eine direkt progressive Abgabenfunktion.

Im Rahmen standardsetzender Umweltpolitik erscheint lediglich der Anreizeffekt zur Erfüllung des vorgegebenen Lenkungsziels relevant; da eine Ausgleichsfunktion (Entsprechung von Abschöpfung und externen Schäden) oder der Aufkommenseffekt von Abgaben dahinter zurücktreten, kann nach dem Prinzip des unzureichenden Grundes eine lineare Tarifierung als ausreichend bezeichnet werden: t - const. Da hier die informatorischen Voraussetzungen einer zielgenauen Steuerung (Kenntnis der Vermeidungskostenfunktionen) erfüllt sind oder aber - bei Unkenntnis hierüber - statt dessen ein iterativer Annäherungsprozeß durch Neufestsetzung des Preissignals erforderlich wird, bedarf zur Zielerfüllung insoweit keiner Anreizverstärkung durch progressive Elemente. Die Ta1·ifprogression legitimiert sich im

umweltökonomischen Internalisierungs-Zusammenhang insoweit stets über Kosten· bzw. Schadensüberlegungen oder ist im Rahmen lediglich standardsetzender 114 So z. B. bei Fischer 1981, S. 315.

IV. Der Gebührentarif

165

Umweltpolitik Ausdruck der Tatsache, daß über bloße Richtungs- und Spargebote hinaus keine explizite politische Zielformulierung vorliegt. Von ökonomischer Seite ganz überwiegend abgelehnt werden überdies die in der Praxis hartnäckig eingeforderten Tarifgestaltungen, welche eine Befreiung oder Ermäßigung der nach Anpassung an den staatlichen Verknappungseingriff verbleibenden Nutzungsmengen (Minderung der "Restbelastung" durch Freibeträge oder Freigrenzen} vorsehen.115 Die hierfür von interessierter Seite vorgebrachten und von rechtswissenschaftlicher Seite mit wohlwollender Indifferenz aufgenommenen Begründungen halten einer ökonomischen Prüfung regelmäßig nicht Stand.116 Damit bleibt zusammenfassend der eher schmale Befund, daß die Theorie der Umweltabgabe einen linearen oder ggf. progressiven Tarif ohne jedwede Freibetrags- oder Freigrenzenregelung propagiert, wobei die Bemessungsgrundlage möglichst eng am Internalisierungs- bzw. Lenkungszweck der Abgabe auszurichten ist. Verrechnungen von Vermeidungsaufwand und Abgabenschuld sind im Grundsatz abzulehnen.117

c) Tarifgestaltung kommunaler Entgeltabgaben aus theoretischer Sicht Mit Blick auf die speziellen Tarifbedingungen kommunaler Entgeltabgaben ist zunächst zu trennen, was aus den vorgenannten allgemeinen Überlegungen relevant bzw. für Gebühren und Beiträge spezifisch zu bewerten ist. So gibt etwa die Freistellung der Restbelastung bei Entgeltabgaben kein Thema ab, da die unbestrittene primäre Finanzierungsfunktion von Gebühren und Beiträgen eine (teilweise} kostenlose Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen nicht zuläßt. Ähnliches gilt für die Frage der Schuldverrechnung. Es verbleiben aber die beiden Komplexe des angemessenen Entgeltmaßstabes ( = Bemessungsgrundlage} sowie der eigentlichen Tarif/unktion.

115 Statt vieler siehe nur Zimmermann I Hansfürgens 1993, S. 5; Cansier 1978, S. 153 f.; Siebert 1976, S. 24; Maas 1987; Meyer-Renschhausen 1990; Gawe/1991, S. 86 ff.; Hansmeyer 1989; jüngst zusammenfassend Gawel I Ewringmann 1994b. 116 Ausführlich zu diesem Problemkreis Gawel I Ewringmann 1994b m. w. Nachw. Leider sind auch ökonomische Beiträge nicht immer frei von Ungereimtheiten, was den Sinn von Restverschmutzungsbelastungen angeht; so etwa die diesbezüglichen Ausführungen von Kabelitz I Köhler 1977, S. 51 f., sowie des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen 1974, S. 40; ders. 1978, Tz. 1799. 117 Hierzu ausführlich Gawell993b.

166

C. Finanzwissenschaftliche Gebührenlehre

Hinsichtlich der Bemessungsgrundlage ist zunächst einmal zu klären, was der eigentliche Gebührentatbestand sei (Abschnitt 2.b). Dies ist keineswegs selbstverständich, da es sich um ein ökonomisches Abgrenzungsproblem handelt, möglichst homogene Bündel öffentlicher Leistung einem gemeinsamen Verrechnungsregime der Gebührenkalkulation zu unterwerfen. Innerhalb der so abgegrenzten Gebührentatbestände kommen als Bemessungsgrundlage Wirklichkeits- bzw. Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe in Frage (Abschnitt 2.c). Neben dem Versuch, alle Bepreisungsabsichten in einem einheitlichen Kalkulationsprocedere zu bündeln und ein entsprechend kalkuliertes einheitliches Entgelt auszuweisen, werden auch Zuschlagsmodelle diskutiert, die einzelne Entgeltfunktionen abgabetechnisch als Zuschlag verselbständigen und einer gesonderten Kalkulation unterwerfen (Abschnitt 2.d). Bezüglich der eigentlichen Tariffunktion sind die Tarifspaltung in Grundbzw. Mindest- und Arbeitspreise sowie der effektive Tarifverlauf (Linearität, Degression, Progression) von besonderer Bedeutung. Neben den hiervon ausgehenden Anreizwirkungen hat die Entgeltbemessung aber stets als Totalbedingung die Kostendeckung durch die gesamten vereinnahmten Gebührenerlöse zu beachten (Ziel der "Eigenwirtschaftlichkeit" 118). Hierbei stehen die Ziele der Defizitvermeidung und der allokativ richtigen Preissetzung in einem gewissen Spannungsverhältnis zueinander (Abschnitte 2.e und 2.f). Die Frage, ob mithilfe des Tarifsystems auch verteilungspolitische Ziele verfolgt werden können, beschließt diese Betrachtung (Abschnitt 2.g).

2. Tarifierung kommunaler Benutzungsgebühren

a) Überblick Für das Gelingen einer an volkswirtschaftlichen Knappheitsmaßstäben orientierten Umgestaltung kommunaler Benutzungsgebühren mit Blick auf gemeindliche Umweltschutzbelange ist es von zentraler Bedeutung, daß nicht nur - wie im vohergehenden Abschnitt C.ill über die Höhe der Gebühr diskutiert - eine gesamtwirtschaftlich befriedigende Identifizierung und Bemessung der durch kommunale (Entsorgungs-) Leistungen hervorgerufenen Ressourcenverbräuche gelingt, sondern darüber hinaus auch sichergestellt werden kann, daß die auf diese Weise zutreffend und vollständig ermit118 Vgl. auch Eichhorn 1977; ders. 1981a, S. 116.

IV. Der Gebührentarif

167

telten Kosten den Nutzern gemeindlicher (Umwelt-) Güter auch verursachungsgerecht zugeordnet werden. Es obliegt daher dem Gebührentarif im oben entwickelten weiten Sinne, die insgesamt festgestellten Kosten nicht nur vom Gebührenschuldnerkollektiv als Ganzes einzufordern, sondern gezielte pretiale Verhaltensempfehlungen zu überbringen, die den Nutzer mit individueller Kostenverantwortlichkeit konfrontiert. Es liegt auf der Hand, daß auch ambitionierte Versuche der Kostenevaluierung und -erfassung mit Blick auf die angestrebte Verhaltenslenkung letztlich scheitern müssen, wenn es nicht gelingt, die preislichen Signale unmittelbar an die über Ressourcenverbräuche disponierenden Entscheidungsträger zu übermitteln. In diesem Sinne muß das gemeindliche Tarifierungssystem insgesamt daraufhin überprüft werden, ob und inwieweit es eine derartige verursachungsgerechte Kostenanlastung gestattet. Dabei ist zunächst die Bemessungsgrundlage selbst kritisch in den Blick zu nehmen, d. h. der Maßstab, nach dem grundsätzlich eine Verteilung der Gesamtkosten auf individuelle LeistungsInanspruchnahmen erfolgen soll (Abschnitt 2.b). Zuvor jedoch stellt sich bereits die Frage, welche Abgrenzung eine gebührenfähige Leistung im Einzelfall nehmen soll, d. h. es ist aufgrund ökonomischer Kriterien die Reichweite zu bestimmen, für die jeweils eine zu verteilende Kostensumme ermittelt werden soll. M. a. W.: Es sind geeignete Gebührentatbestände abzugrenzen, die jeweils für sich die Frage der Kostenermittlung und -Verteilung zu beantworten haben (Abschnitt 2.a). Dies entspricht der unter C .ill.3 herausgestellten Notwendigkeit zur Identifizierung und Isolierung elementarer Gebührentatbestände, die eine je spezifische "Bepreisung" heischen; eine nach institutionellen Gesichtspunkten abgegrenztes Gebührenvolumen (Kosten der Einrichtung X) entspricht den zuvor entwickelten ökonomischen Anforderungen hingegen nicht. Sowohl im Abfall- als auch im Abwasserbereich bereiten kommunale Zweckverbände spezielle Probleme einer verursachungsgerechten Kostenanlastung, da hier ein weiterer Intermediär in die Überwälzungskette eingeschaltet wird, dessen Interesse am öffentlichen Gut verursachergerechter Allokation eher gering zu veranschlagen ist, zumal dieses einzelwirtschaftliche Feststellungs-, Anlastungs- und Überwachungskosten produziert. Hier sind geeignete Vorkehrungen zu treffen, eine verursachergerechte Kostenanlastungspraxis auch in den Fällen zu gewährleisten, in denen die Entsorgung kommunalen Verbänden obliegt. Die in Zweckverbänden übliche kameralistische Rechnung führt oftmals dazu, daß keine kalkulatorischen Kosten angesetzt werden. Da die Mitgliedsgemeinden über Umlagen zur Finanzierung herangezogen werden, sind sie zum einen "zu gering" belastet, können aber zum anderen auch nicht die "richtigen" Kosten weiterwälzen. In solchen Fällen ist es nicht legitim, daß Gemeinden den Umlagebetrag für die eigene

168

C. Finanzwissenschaftliche Gebührenlehre

Gebührenkalkulation um Eigenansätze für kalkulatorische Kosten ergänzen; dazu fehlt es am kommunaleigenen Ressourcenverzehr. Eine Lösung des Problems kann letztlich nur darin bestehen, daß auch Zweckverbände unter das Regime des Kommunalabgabenrechts gestellt und zur Kalkulation betriebswirtschaftlicher Kosten gezwungen werden (Brückmann 1990). Darüber hinaus sind mit Blick auf eine "richtige" Gebührenstruktur spezielle Tariffragen im engeren Sinne zu diskutieren: Hierzu gehören die Differenzierung in Grund- und Arbeitspreise (Abschnitt 2.c), der Einbau progressiver oder degressiver Tarifelemente (Abschnitt 2.d) sowie die Berücksichtigung von Merkmalen persönlicher Leistungsfähigkeit im Rahmen von Sozialtarifierungen (Abschnitt 2.e). Die Ausführungen nehmen dabei Bezug auf eine intensiv geführte Diskussion um die Tarifgestaltung kommunaler Entgelte in den Bereichen Wasserversorgung119, Abwasserbeseitigung120, Abfallwirtschaft121 und Energieversorgung122. b) Gebührentatbestände Als Gebührentatbestand gilt ein (homogenes) Bündel gebührenfähiger staatlicher Elementarleistungen, die gemeinsam abgerechnet und auf die Gebührenschuldner nach einem einheitlichen Verfahren überwälzt werden. Ökonomisch identifizierbare homogene (feil-) Leistungen im Rahmen entsorgender Daseinsvorsorge der Gemeinden und institutionelle Abgrenzung gebührenpflichtiger Leistungen werden dabei allenfalls zufällig übereinstimmen; in der Praxis jedenfalls ist die gemeinsame Verrechnung inhomogener Teilleistungen regelmäßig zu beobachten. Daher stellt sich im Rahmen einer (insbesondere ökologisch) lenkenden Tarifgestaltung zunächst das Problem eines angemessenen Aggregationsniveaus gemeinsam zu verrechnender Leistungen. 123 Bei Zusammenveranlagung inhomogener öffentlicher Leistungen nimmt das Entgelt Pauschalcharakter an und läßt den einzelnen Nutzer weder das Ausmaß individueller Inanspruchnahme erkennen noch ist es möglich, die Gebührenschuld durch zurückhaltende Nutzung einzelner Teilleistungen unmittelbar zu beeinflussen. Die anzustrebende Dissoziation von Gebührentatbeständen nach dem Kriterium homogener Leistungsbündel unter dem Aspekt verursachergerechter Preisbildung unterliegt 1987; Scholz 1988; Giesen 1988. Doose 1981; Braut/echt I Drees 1994; Dedy 1995. 121 Statt vieler nur Dietz 1980; Otto 1985; Dahmen 1988; ders. 1989a; Braut/echt I Drees 1994. 122 Siehe z. B. fäckel1986; Badura I Kern 1983; G. Zimmermann 1990; Hein 1991. 119 Löffler

120 U . a.

123 Vgl. hierzu Abschnitt C.ill.J.

IV. Der Gebührentarif

169

dabei ihrerseits der Optimierung: Eine "Atomisierung" der Gebührentatbestände ist unter Kosten- und Praktikabilitätsgesichtspunkten ebenso kontraindiziert wie die gegenwärtig etwa im Abfallbereich praktizierte, stark suboptimale preisliche Zusammenfassung höchst unterschiedlicher Einzelleistungen der Gemeinde in einer "Müllgebühr". Daher ist eine Differenzierung der gebührenfähigen Tatbestände anzustreben, wo dies nach den finanzwissenschaftliehen Kriterien der Korrespondenz von ökonomischem Gutscharakter und Finanzierungsform {vgl. zusammenfassend C.ill.3) erforderlich erscheint. Diese Forderung ist zum Teil deckungsgleich mit den nachfolgend unter c) vorgetragenen Anforderungen an adäquate Bemessungsmaßstäbe der Gebührenerhebung, soweit bei differenzierten Gebührentatbeständen jeweils unterschiedliche {spezifisch angemessene) Bemessungsgrundlagen zur Anwendung kommen. Insbesondere als ungeeignet abzulehnen, weil die genannten ökonomischen Korrespondenzkriterien ignorierend, ist der in der Praxis überwiegende "institutionelle" Maßstab: Alle im Rahmen einer kommunalen Einrichtung anfallenden Werteverzehre werden tendenziell ohne Ansehen ihrer jeweiligen Gutscharakteristik über einen einheitlichen Maßstab {noch dazu im Einzelfall strittiger Güte) überwälzt. Das Ergebnis sind die Abfall- oder die Entwässerungsgebühr, welche alle unter dem Dach der jeweiligen kommunalen Einrichtung angefallenen Kosten bündeln.124 Die in Praxis und Rechtsprechung zwischenzeitlich in Gang gekommene intensive Diskussion etwa um die Spaltung der Gebührenumlage im Abwasserbereich nach Schmutz- und Niederschlagswasserbeseitigung125 hat die Sensibilität dafür geschärft, daß eine einheitliche Umlage nach institutionellen Kriterien ökonomischen Ansprüchen nicht gerecht werden kann, ja diesen in derart grober Weise zuwiderlaufen kann, daß selbst eine Vereinbarkeit mit den diesbezüglich eher "duldsamen" Gebührenprinzipen der Gleichheit und der Äquivalenz mehrheitlich abgelehnt wird. Dies allerdings mutet eher als Einstieg in eine grundsätzliche Überprüfung der hergebrachten Gebührentatbestände an, die danach zu fragen hat, welche öffentlichen Leistun· gen jeweils als gebührenfähig einer separaten Gebührenumlage zu unterwerfen sein sollen. Daß es sich hierbei um ein Optimierungproblem handelt, bei

124 So hat das BVerwG noch 1975 (- KStZ 1975, S. 191} betont, eine einheitliche Abwasseranlage dürfe nicht nach der Menge der einzelnen Abwasserarten und ihrer Kostenverursachung in einzelne Teile aufgespalten werden - eine mittlerweile völlig überholte Auffassung, die das "Einheitliche• der Anlage in einem (in gewissen Grenzen willkürlichen} institutionellen Bereitstellungsverfahren erblickt, jedoch zur ökonomischen Charakteristik des Güterangebotes nicht vorzustoßen vermag. 125 Sehr früh bereits Barocka 1968; ferner Brockholf I Salzwede/1978; Doose 1981; in neuerer Zeit u. a. Fabry 1992; Zahra.lnik 1994.

170

C. Finanzwissenschaftliche Gebührenlehre

dem die Kosten der Differenzierung, Kostenspaltung und getrennten Umlage den hierdurch bewirkten Erträgen ökonomisch rationaler Bepreisung entegegenzustellen sind, liegt auf der Hand. Dennoch erscheint es offensichtlich, daß die gegenwärtige Gebührenpraxis weit von einem solchen Optimierungsergebnis entfernt liegt und ein Aufbrechen der bislang gemeinsam veranlagten Leistungen dringlich erscheint.126 c) Wirklichkeits- und Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe

(1) Gebührenmaßstäbe aus ökonomischer Sicht Soweit eine ökonomisch befriedigende Abgrenzung der gebührenfähigen (Teil-) Leistungen gemäß b) gelungen ist, fragt sich weiter, nach welchem Maßstab die individuelle Gebührenschuld zu bemessen ist (Problem des Gebührenmaßstabes). Beide Aspekte der Gebührenbemessung sind ersichtlich nicht unabhängig voneinander: Denn welche Spielräume blieben für eine angemessene Maßstabsgestaltung im Falle eines Einheitsmaßstabes sämtlicher Abfallkosten? Erst differenzierte Gebührentatbestände schaffen die nötigen Freiräume für eine Diskussion um wirklichkeitsnahe Maßstäbe. Wie zuvor ausgeführt wurde, sind die Anreizwirkungen der Entsorgungsgebühren wesentlich von dem Schlüsselungsmaßstab abhängig, nach dem die umzulegenden Kosten auf die einzelnen Nutzer verteilt werden. Ökonomisch ist dabei anzustreben, die im Gebührenwege erfolgende Kostenanlastung nach dem Verursacherprinzip auszurichten. Eine ideal verursachergerechte Gebühr verfolgt ausschließlich das Allokationsziel der individuellen Zuweisung sämtlicher gesamtwirtschaftlichen Werteverzehre, die mit dem privatenGenuß kommunaler (Umwelt-) Güter einhergehen. Allerdings ist eine Realisierung dieser idealen Gebühren-Konstruktion auch ökonomisch nicht anzustreben, da das hierzu erforderliche ambitionierte Zuordnungsverfahren seinerseits Kosten verursacht. Eine optimal verursachergerechte Gebühr wird daher ebenfalls den Aufwand in Rechnung stellen, der durch den Versuch möglichst verursachergerechter Weiterwälzung entsteht und auf weitere Verfeinerungen im Maßstab verzichten, sofern die hierzu nötigen Aufwendungen den volkswirtschaftlichen Effizienzertrag übersteigen. Unter Effizienzgesichtspunkten ist der Einsatz kommunaler Ressourcen für Informationsgewinnung und Kontrolle nur solange sinnvoll, 126 Wie dies konkret aussehen könnte, wird in Gawel I van Mark 1995 exemplarisch für den Bereich der Abfallgebühren demonstriert.

IV. Der Gebührentarif

171

wie "die - mit zunehmender Genauigkeit steigenden - Grenzkosten der Informationsgewinnung und -Verarbeitung niedriger sind als der Grenznutzen in Form eingesparter Ressourcen oder einer erhöhten Verteilungsgerechtigkeit." 127 Daher kann es gerade im Rahmen volkswirtschaftlicher Gebührengestaltung nicht darauf ankommen, eine "ideal verursachergerechte" Anlastung vorzunehmen, sondern vielmehr eine "optimale Verursachungsgerechtigkeit" anzustreben, die das Verhältnis von Grenzaufwand der Zurechnung und Grenzertrag aus der Allokationsverbesserung im Blick behält.

(2) Kostenorientierung der Gebührenmaßstäbe? Prinzipiell schreiben die Kommunalabgabengesetze der Länder sog.

Wirklichkeitsmaßstäbe vor, bei denen von der tatsächlichen Inanspruch-

nahme einer öffentlichen Leistung durch den jeweiligen Gebührenschuldner auszugehen ist.128 In den Fällen, in denen Wirklichkeitsmaßstäbe "besonders schwierig oder wirtschaftlich nicht vertretbar sind", können sog. Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe zugrunde gelegt werden.129 Für die Abwasserbeseitigung gelten Wasserverbrauchsmaßstäbe als typische und gegenwärtig weit verbreitete Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe. Diese kommen etwa im Abwasserbereich erstens in der Form reiner Mengenmaßstäbe vor, bei welchen z. B. der Wasserverbrauch als Näherungswert für den Abwasseranfall zugrunde gelegt wird (Frischwassermaßstab). 130 Zweitens besteht die Möglichkeit, über einen "Starkverschmutzerzuschlag" bei besonders stark verschmutztem Abwasser den hierdurch verursachten Mehraufwand direkt den einzelnen Verursachern anzulasten.131 In Literatur und Rechtsprechung wird im Rahmen der Diskussion um zweck- und rechtmäßige Maßstäbe der Kostenanlastung stets betont, daß der Maßstab "tatsächliche Inanspruchnahme" [sc. der Einrichtung] Ieistungs-, nicht jedoch kostenorientiert zu verstehen sei.132 Daraus wird bisweilen gefolgert, daß ambitionierte Maßstäbe verursachungsgerechter Zuordnung bei der Feststellung der individuellen Gebührenschuld nicht erforderlich, ja 1994, S. 54. hierzu ausführlich Dahmen, in: Driehaus, Rn. 200 ff. zu S6. 129 So z. B. § 6 Abs. 2 Satz 2 KAG Nordrhein-Westfalen. 130 ATV 1980a, S. 554. Bei den modifizienen Mengenmaßstäben bleiben Wassermengen, welche nachweislich oder nach bestimmten Pauschalwerten nicht eingeleitet werden, bei der Gebührenberechnung unberücksichtigt. Siehe ATV 1987; Chantelau I Möker 1989, S. 92. 131 Siehe hierzu den folgenden Abschnitt c). 132 So z. B. Zimmermann 1971, S. 21; dazu auch Dahmen, in: Dahmen I Driehaus I Küffmann I WieSe, S 4, Rn. 74. 127 Meyer·Renschhausen 128 Vgl.

172

C. Finanzwissenschaftliche Gebührenlehre

nicht einmal geboten seien.l33 Im Rahmen des Äquivalenzprinzips könne nicht verlangt werden, daß der jeweils zweckmäßigste, vernünftigste, gerechteste oder der Wirklichkeit am nächsten kommende Maßstab angewendet werde.l34 Folgerichtig wird die Frage, ob ein Gebührenmaßstab "im Rahmen seiner Leistungsorientiertheit" die durch die konkrete einzelne Inanspruchnahme verursachten Kosten berücksichtigen müsse, dahingehend beantwortet, daß es "nicht [... ] um die kostenmäßige Aufsplitterung einer einheitlichen Einrichtung oder darum [gehen kann], den Gebührenschuldner nur an den Kosten für den Teil oder die Funktion einer Einrichtung zu beteiligen, den oder die er in Anspruch genommen hat." 135 Dem ist entschieden zu widersprechen: Die hier in negativer Bewertung skizzierte Kostensensibilität individueller Gebührenschuld ist nicht nur zentrales Preisdogma markdieher Allokationslogik sondern auch - wie bereits ausgeführt wurde - Basis jedweder ökologischen Ausrichtung kommunaler Gebühren: Nur wenn es gelingt, in kommunalen Entgelten kostenechte Preissignale zu überbringen, können Gebühren zielgerichtet lenkende Funktionen übernehmen; zugleich ergeben alle weitergehenden Überlegungen zur Ökologisierung des Kommunalabgabenwesens nur dann Sinn, wenn sichergestellt werden kann, daß der eigentliche gebührentechnische Überwälzungs- und Anlastungsweg von verzerrenden und störenden Einflüssen weitgehend freigehalten werden kann. Die Frage berührt daher den Dreh- und Angelpunkt der gesamten Lenkungs- und Ökologisierungsdebatte. Die zitierten Deutungen, die eine gemeindliche Wahlfreiheit bezüglich der auszuwählenden Gebührenmaßstäbe im Rahmen wahrscheinlichkeitsorientierter Bemessung postulieren, stehen überdies in auffallendem Widerspruch zu der Tatsache, daß der Wirklichkeitsmaßstab für Benutzungsgebühren beispielsweise in § 6 Abs. 3 Satz 1 KAG NW zur "Leitidee des Rechts der Gebührenmaßstäbe•l36 erhoben wurde.l37 Wo aber gegenüber "Wahrscheinlichem" das "Wirkliche" vorzuziehen sein soll, kann innerhalb der Klasse "wahrscheinlicher Bemessungsmaßstäbe" kaum Beliebigkeit der Auswahl Platz greifen.l38 Die entscheidende Frage bleibt daher, was im gebührenpolitischen Kontext als das jeweils "Wirkliche" angesprochen wer133 Dahmen, in: Dahmen I Driehaus I Küffmann I Wiese, § 4, Rn. 66. 134 So etwa BVerwG in BVerwGE 26, S. 320 - KStZ 74, S. 171. Weitere Nachweise bei Dah· men in: Dahmen I Driehaus I Kü/fmannn I Wiese, Rn. 66 zu§ 4 KAG NW; Dahmen in: Driehaus,§ 4, Rn. 51 und§ 6, Rn. 206. 135 Dahmen in: Dahmen I Driehaus I Kü/fmannn I Wrese, Rn. 74 zu§ 4 KAG NW. 136 Dahmen in: Dahmen I Driehaus I Kü/fmannn I Wiese, Rn. 70 zu§ 4 KAG NW. 137 Ebenso Chantelau I Möker 1989, S. 41. 138 Ebenso Dahmen, in: Driehaus, § 6 Rn. 209 ff.

IV. Der Gebührentarif

173

den kann, zu dessen Annäherung der gemeindliche Satzungsgeber kommunalabgabenrechtlich grundsätzlich verpflichtet wird. Diese Frage wird aber - wie noch aufzuzeigen ist - keineswegs eindeutig beantwortet, wenn sich ihr die kommentierenden Stimmen überhaupt stellen. In diesem Zusammenhang erscheint zunächst einmal die Unterscheidung zwischen Leistungs- und Kostenorientierung der Gebührenumlage unklar: Die von staatlicher Seite erbrachte "Leistung", deren Gegenleistung die Abschöpfung einer Gebühr darstellen soll, kann grundsätzlich nach dem Kosten- oder dem Nutzenprinzip bemessen werden.l3 9 Das Kostenprinzip orientiert sich bei der Gebührenbemessung daran, daß die Kosten der öffentlichen Einrichtung durch die Gebühreneinnahmen gedeckt werden sollen; das Nutzenprinzip hingegen stellt bei der Gebührenbemessung auf den Wert des wirtschaftlichen Vorteils bei den durch die öffentliche Leistung Begünstigten ab. Da der Nutzen als individueller Wert der Leistung für die Nachfrager kaum faßbar erscheint, erfolgt bei den hier diskutierten Benutzungsgebühren der Entsorgung regelmäßig Rekurs auf die Kosten.140 Dieser soll nach der zuvor zitierten Auffassung jedoch ausschließlich für die Feststellung des gebührenfähigen Umlagevolumens, nicht mehr jedoch für die individuelle Gebührenschuld maßgeblich sein.l41 Zweck der Gebührenerhebung ist es unbestritten, die der Gemeinde durch Tätigwerden im Bereich der Daseinsvorsorge entstehende Kosten dem Kreis jeweiliger Nutznießer anzulasten. Im Gegensatz zum Beitrag, dessen Bemessung von einem tatsächlichen Leistungsbezug abstrahiert, stellt die Gebühr auf den durch Nutzung konkret zuwachsenden Vorteil ab. Warum die nutzungsabhängige Überwälzung eines Kostenvolumens ihrerseits nicht mehr nach individuellen Kostenbeiträgen erfolgen soll, erscheint unerfindlich, soweit nicht lediglich unter Praktikabilitätsaspekten die Gemeinde vor als "überzogen" gedeuteten Ansprüchen auf Maßstabs- und Schuldifferenzierung im öffentlichen Interesse geschützt werden soll. Der statt dessen erfolgende Verweis auf den angeblichen "Leistungsbezug" der Gebühr bleibt in diesem Zusammenhang unklar und argumentativ unnötig.

139 Siehe u. a. Bohley 1977b, S. 104; Münch 1976, S. 114 ff., 120 ff.; Hansmeyer I Fürst 1968, S. 122; F. Zimmermann 1989, S. 905; Schmidt 1989, S. 816 ff.; Langenbrinck 1993, S. 70 f. 140 Eine Ausnahme bildet hier die Straßenbenutzung. 141 So soll es nach der bei Dahmen, in: Driehaus, § 6, Rn. 218, eindrucksvoll zitierten obergerichtliehen Judikatur "grundsätzlich unerheblich [sein], welche Kosten dem Träger der Einrichtung durch den einzelnen Benutzungsfall entstehen".

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C. Finanzwissenschaftliche Gebührenlehre

Der etwa in§ 6 Abs. 3 Satz 1 KAG NW niedergelegte Grad der "Inanspruchnahme" 142 wird offensichtlich häufig verkürzend als Leistungsabgabe in Mengeneinheiten gedeutet.143 Diese Interpretation aber erscheint nicht hinreichend legitimiert, ja sogar sachwidrig: Aus dem Bemessungsprinzip "Art und Umfang der Inanspruchnahme" kann weder ein sachlich unangemessen erscheinender Widerspruch zwischen Leistungsvolumen und den dabei angefallenen Kosten konstruiert werden noch die Relevanz von Kosten für die individuelle Gebührenschuld zurückgewiesen werden. Denn die Kosten sollen zwar für das Gesamtvolumen der Gebührenschuld (ggf. neben anderen Aspekten) zunächst maßgeblich sein, zur Unterverteilung an die individuellen Schuldner hingegen angeblich nicht mehr. M. a. W.: Bei Geltung des Kostendeckungsprinzips sind die Gesamtkosten relevant, individuell soll jedoch plötzlich eine kostenabstrakte "Leistung" Platz greifen, die sich bei näherer Analyse noch dazu regelmäßig als bloße Menge entpuppt. Hier haben offensichtlich vorauseilende Praktikabilitätsecwägungen oder eine fragwürdige "ständige Übung" ("Gewohnheitsrechtsprechung•144) den Blick für die Zusammenhänge so lange getrübt, bis Ausgangspunkt und Zweck der Argumentation miteinander vermengt, zumindest aber das angestrebte Ergebnis (Schutz der Gemeinden vor allzu strengen Überwälzungsansprüchen) nicht mehr konsistent abgeleitet bzw. legitimiert wurde. So darf es auch nicht überraschen, daß sich zwischenzeitlich hinsichtlich der Abwehr kostenorientierter Gebührenschlüssel ganz erhebliche Aufweichungtendenzen ergeben haben. So findet die Feststellung Anerkennung, daß "der Umfang der Leistung/Inanspruchnahme [...] sich nicht von den ihm zugrundeliegenden Kosten trennen•145 lasse, und es werden unter Hinweis auf unannehmbar kostenignorante Überwälzungsergebnisse "im groben kostenorientierte" Umlageverfahren propagiert 146. Auch die Rechtsprechung erkennt im Einzelfall sogar auf eine Verpflichtung zur Berücksichtigung abweichender Kostenintensitäten der Nutzung, sobald diese als erheb-

142 In der Literatur wird dies auch als Grundsatz der Leistungsproportionalität bezeichnet vgl. statt vieler Holzkämper 1993, S. 89 ff.; Wilke 1973, S. 203 ff. 143 So sprechen Chantelau I Möker 1989, S. 39, reichlich unklar davon, daß ein Wirklichkeitsmaßstab "zumeist an den Umfang der Benutzung, also die Menge des entsorgten Abfalls oder Abwassers" anknüpfen werde (Hervorh. d. Verf.). 144 So etwa der VGH BW 1980 nach Dahmen, in: Dahmen I Driehaus I Küffmann I Wiese,§ 4, Rn. 74. 145 Dahmen, in: Dahmen I Driehaus I Kü/fmann I Wiese 1981, Rn. 78 zu S 4; ähnlich Born

1978, s. 30.

146 So von Dahmen, in: Dahmen I Driehaus I Kü/Jmann I Wiese haus, § 6, Rn. 225.

1981, Rn. 78; ders.

in: Drie-

IV. Der Gebührentarif

175

lieh in Erscheinung treten. 147 Auf diese Weise wird offensichtlich, daß selbstverständlich differierende Kostenwertigkeiten bei der Gebührenbemessung zu berücksichtigen sind und daß lediglich bei Geringfügigkeit auf eine diesbezüglich differenzierte Schuldermittlung verzichtet werden kann. Damit verdichtet sich zunehmend die Erkenntnis, daß "neben dem Umfang auch die Art (Intensität) der Benutzung Anknüpfungspunkt der Gebührenbemessung sein" müsse 148 und nur ein entsprechend differenzierter Maßstab als Wirklichkeitsmaßstab angesprochen werden könne 149. Obgleich das Ausmaß der Inanspruchnahme bereits sachlogisch als Wertgröße gedeutet werden könnte, die einen bewerteten mengenmäßigen Verzehr (- Kosten) zugrunde legt, verpflichtet spätestens der kommunalabgabenrechtliche Zusatz der "Art" der Nutzung dazu, inhomogene Leistungsabgaben spezifisch zu bepreisen. 150 Reine Mengenmaßstäbe mögen in Ausnahmenfällen angemessene Indikatoren für das Maß der Inanspruchnahme gelten, soweit die Kostenumlage auf der Grundlage durchgängig homogener Leistungabgaben der Gemeinde erfolgt; eine explizite Differenzierung nach der Intensität der Nutzung würde hier zu (im wesentlichen) gleichen Ergebnissen führen. Dies ist etwa bei der Wasserversorgung der Fall, die homogene Gütereinheiten vertreibt und ihre Leistung ohne weiteres nach der Lidermenge bemessen kann. Bei inhomogener Leistungsabgabe jedoch büßen Mengenmaßstäbe diese Indikatoreigenschaft ein und müssen durch geeignetere Maßstäbe ersetzt oder ergänzt werden. Was also ist das "Wirkliche" an einem Wirklichkeitsmaßstab? Ein Wirklichkeitsmaßstab zeichne sich dadurch aus, daß sich die Gebühr durch Anwendung des Gebührensatzes auf die konkret ermittelte, d. h. individuell zurechenbare Leistung beziehe,151 d. h. es kommt ein Maßstab zur Anwendung, bei dem das tatsächliche Maß der individuellen Inanspruchnahme die Grundlage für die Bemessung der Gebührenschuld bildet.152 Was aber wird hierbei konkret geleistet bzw. in Anspruch genommen? Soweit die gesetzliche Vorgabe des Maßstabes "Art und Umfang der Inanspruchnahme" bevor-

H7 Siehe dazu die Nachweise bei Dahmen in: Dahmen I Driehaus I Kü/Jmann I Wiese 1981, Rn. 75-77 zu § 4 KAG NW. Zu entsprechenden neueren Entwicklungen in der einschlägigen Rechtsprechung Dahmen, in: Driehaus, § 6, Rn. 226. 148 Chantelau I Möker 1989, S. 39. 149 Bauernfeind I Zimmer:m4nn 1979, Rn. 44 zu § 6 KAG NW; ferner Barteis 1987, S. 154; Chantelau I Möker 1989, S. 40. 150 Ebenso Chantelau I Möker 1989, S. 39. 151 Dahmen, in: Dahmen I Driehaus I Kü/fmann I Wiese 1981, Rn. 55 zu§ 2; Rn. 58 zu§ 4. 152 Chantelau I Möker 1989, S. 39.

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zugt als Menge gedeutet 153 und zugleich wegen offensichtlicher Unhaltbarkeit der dann zu gewärtigenden Ergebnisse kostenseitig aufgeweicht wird, so liegt offensichtlich eine Fehldeutung des Begriffes der "Inanspruchnahme" im Interesse verwaltungstechnischer Vereinfachung und kommunalpolitischer Praktikabilität vor. Die einschlägige Judikatur stellt sich - vor dem skizzierten Problemhintergrund wenig überraschend- denn auch als "außerordentlich vielfältig, unübersichtlich und teils sogar widersprüchlich" dar. 154 Gegenüber mangelnder Konsistenz der Argumentation und fehlerhafter Rationalisierung der Kostenignoranz über antizipierte Praktikabilitätsaspekte bieten gesamtwirtschaftliche Kostenzurechnungsregeln eine inhaltliche Auffüllung an, die zugleich Probleme und Grenzen der verwaltungstechnischen Handhabbarkeit berücksichtigt: Das Mengengerüst der Leistungsabgabe ist lediglich als Kostenindikator ceteris paribus brauchbar, z. B. als Abwassermenge oder Abfallaufkommen bei gleicher "Sozialschädlichkeit". Sobald aber die spezifischen Kosten variieren, erscheint es ökonomisch widersinnig, diese differenten Wertigkeits-Koeffizienten durch Insistieren auf dem bloßen Mengengerüst als Maßstab zu ignorieren. Das in der Literatur zunehmend artikulierte Unbehagen an rein mengenorientierten Maßstäben in kraß kostendifferenten Fällen 155 macht bereits deutlich, daß auch die Menge lediglich ein Indikator der Inanspruchnahme ist, der nur für homogene Nutzungsformen ("Art") brauchbare Ergebnisse liefert. So wird etwa die Abfallmenge als Maßstab der Inanspruchnahme öffentlicher Entsorgungsdienste anders zu bewerten sein als die Abwassermenge, da das öffentlich Geleistete in unterschiedlicher Form vom jeweiligen Mengengerüst der Nutzung abhängt. Bei inhomogenen Nutzungsformen hingegen hat eine Differenzierung der Gebürenschuld nach der spezifischen Belastung der Gemeinde durch die jeweilige Nutzungsform zu erfolgen.

153 So wollen Chantelau I Möker 1989, S. 40, als Wirklichkeitsmaßstab "in einem weiteren Sinne" auch Gebührenmaßstäbe verstehen, denen "mindestens eine tatsächlich gemessene Größe" zugrunde liegt. Diese Definition mutet skurril an, da es nicht auf den Meßakt, sondern die Güte der Adäquation zwischen Maßstab und Verursachung ankommt. Der Frischwassermaßstab qualifiziert sich so jederzeit als Wirklichkeitsmaß, ohne weiter der Prüfung zu unterliegen, ob das durch ihn Festgestellte als sinnvoller Maßstab für die beabsichtigte Anlastung tauglich erscheint. Zum Problem von Messung und verursachergerechter Anlastungauch Gawe/1995 (ZfU). 154 Dahmen in: Dahmen I Driehaus I Kü./fmann I Wiese 1981, Rn. 66 zu§ 4 KAG NW, der im Zusammenhang richterlicher Äußerungen zum Thema auch von "Allgemeinplätzen" spricht, die im Einzelfall auch disponibel erscheinen und gegenteilige Judikaturen zulassen. Vgl. auch entsprechend Dahmen, in: Driehaus, S 6 Rn. 206. 155 So etwa Dahmen in: Dahmen I

Driehaus I Kü./fmann I Wiese 1981, Rn. 78 und 79.

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(3) Zum relevanten Maßstab der Kostenorientierung Nun stellt sich allerdings die weitergehende Frage, in bezug worauf Inhomogenitäten der Leistungsabgabe gemessen werden sollen. Denn Homogenität gilt stets nur in bezug auf eine interessierende Referenzgröße. Sind also öffentliche Leistungen homogen und damit gleich zu bepreisen, wenn sie zum Zufluß gleich hoher nutzbarer Mengeneinheiten führen (Menge entsorgten Abwassers, Gewicht entsorgten Abfalls), wenn sie gleich hohe Kosten der Bereitstellung seitens der gemeindlichen Einrichtung hervorrufen oder aber wenn sie mit identischem gesellschaftlichem Werteverzehr einhergehen? Die Antworten auf die erweiterte Homogenitätsfrage fallen offensichtlich sehr unterscheidlieh aus: Während der einfache Mengenmaßstab als unzureichend bereits verworfen wurde, stellt sich jedoch weiterhin die Frage nach dem relevanten Kostenmaßstab: Ist die Ausnutzung der jeweiligen Anlage bzw. Einrichtung (betriebswirtschaftliche Sicht) oder aber der Werteverzehr in der Gesamtwirtschaft (volkswirtschaftliche Sicht) zugrunde zu legen? Für die Betrachtung der Totalkosten einer öffentlichen Leistung wurde zuvor stets die volkswirtschaftliche Sichtweise für maßgeblich erklärt. Es erschiene wenig überzeugend, nunmehr für die Bemessung der individuellen Gebührenschuld einen anderen Maßstab für verbindlich anzusehen. So wird insbesondere im Rahmen der hier vertretenen Position eine betriebswirtschaftlichen Anforderungen genügende Schlüsselung eines in toto aber volkswirtschaftlich ermittelten Kostenaggregats nicht zu voll befriedigenden Ergebnissen führen. Nach betriebswirtschaftlichem Kostenmaßstab müßte die Gebührenbemessung dahin tendieren, die Kosten der Einrichtung individuell perfekt zuzuweisen. Aufgrund des hohen Anteils (anlagen-) fixer Kosten im Bereich anlagenintensiver Bereitstellung von Entsorgungsdienstleistungen führt dieses Vorgehen zwangsläufig zu einem hohen Anteil nutzungsinvarianter Entgelte (Beiträge im finanzwissenschaftliehen Sinne) und nur schwer schlüsselbarer Gemeinkosten; Gebühren im Sinne der Definition, die in Anhängigkeit einer individuell zurechenbaren Leistung zu erheben wären, fallen hingegen kaum an. Das Ergebnis einer derartigen Kalkulationsweise sind gespaltene Tarife mit Grundpreiselementen, offene oder indirekte Mengendegressionen als Folge fixer Entgeltbestandteile u. a. m . Nach volkswirtschaftlichen Kostenmaßstäben ist diese Anlagenfixierung der Kalkulation als unmaßgeblich zu überwinden: Wie zuvor in Abschnitt C.II. deutlich gemacht wurde, entspringt vieles Anlagenfixe gesamtwirtschaftlich allenfalls zufälliger institutioneller Bündelung und kann 12 Gawel

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mit Blick auf langfristige Grenzkosten durchaus variabel bepreist werden. 156 Am Beispiel der Abfalldeponierung wurde dabei offenbar, daß vermeintliche Degressionseffekte im laufenden Betrieb oder Knappheitsverschärfungen gegen Ende der Lebenszeit der Einrichtung auf gesamtwirtschaftlich unmaßgebliche "Zufälligkeiten" des jeweils gewählten Anlagenmaßstabs und seiner institutionellen Kapazitätsbündelung zurückgehen. Langfristig Grenzkosten, an denen öffentliche Entgelte mit Preisfunktionen grundsätzlich auszurichten sind, sehen von diesen temporären Kapazitätsbeschränkungen ab und eröffnen Spielräume zu variabler Preissetzung auch für betriebswirtschaftlich fix anmutende Kostenblöcke. Grundsätzlich gilt, daß die Zugrundelegung eines echten Wirklichkeitsmaßstabes, der auf eine "tatsächliche [kostenorientierte] Inanspruchnahme" Bezug nehmen wollte, nur bei echten Einzelkosten gelingen kann. Soweit solche Einzelkosten im Rahmen anlagenintensiver Entsorgungsdienstleistungen überhaupt existieren (z. B. Fällmitteleinsatz für spezifischen Schmutzfrachteintrag eines Indirekteinleiters) erscheinen sie jedoch zunächst unbekannt und auch regelmäßig nur zu unvertretbaren Konditionen ermittelbar. Im übrigen aber wird die Kostenrechnung der Entsorgungshaushalte von Gemeinkosten dominiert. Damit jedoch gerät die strikte Unterscheidung zwischen Wirklichkeits- und Wahrscheinlichkeitsmaßstab wenig sachdienlich: Vielmehr ist ein Kontinuum von Maßstäben anzuerkennen, das nach dem Grad der Annäherung an einen perfekten Wirklichkeitsmaßstab gereiht werden kann. Es existiert jeweils nur ein echter Wirklichkeitsmaßstab je Kalkulationsabsicht, der aber weder bekannt noch ökonomisch anzustreben ist, geschweige denn praktisch durchführbar wäre; als Folge der Pluralität der Kalkulationszwecke ist dieser aber noch nicht einmal eindeutig! So könnte - je nach Sichtweise des zuvor erörterten Kapazitätsproblems - ein betriebswirtschaftlicher Wirklichkeitsmaßstab verfolgt werden, der sämtliche zur Zeit gegebenen Kapazitätsschranken anerkennt, aber zugleich ein volkswirtschaftlicher, der statt dessen langfristige Grenzkosten betrachtet und Inkonsistenzen der Kostenüberwälzungen (Gebührendegression trotz erhöhter Sozialschädlichkeit; Gebührensprünge bei Erschließung neuer Anlagen) vermeidet. Entscheidend bleibt der Grad der Verursacherorientierung, d. h. die "Wahrscheinlichkeit" für eine gelungene Kostenzuordnung. Vor diesem Problemhintergrund erscheint auch die Umlage nutzungsinvarianter Anlagekosten, insbesondere die Gebührendegression bei Großnutzern, in einem anderen Licht.

156

Hierzu ausführlich Gawel1994f .

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Der vermeintliche Konflikt zwischen kostenorientierter Verursachergerechtigkeit und ökologischen Lenkungsanliegen 157 erweist sich als nur "scheinbar", 158 da eine gesamtwirtschaftlichen Allokationskriterien gehorchende Gebührenbemessung nicht einen tatsächlichen oder wahrscheinlichen Anteil des Gebührenschuldners an den jeweiligen betriebswirtschaftliehen Anlagekosten, sondern vielmehr die Verantwortung für einen volkswirtschaftlichen Werteverzehr auch und gerade am Kapitalstock ökologischer Ressourcen widerspiegeln muß. Um der Verantwortung für ökologische Folgekosten Rechnung zu tragen, muß eine ökologische Kalkulation den betriebswirtschaftliehen Kostenhorizont bewußt tanszendieren; dann aber kann auch für die Bemessung nicht maßgeblich sein, wie sich die anlagenbezogene Kostenverursachung darstellt. Die hier befürwortete stärkere Akzentuierung des Kostengesichtspunktes auch in der individuellen Gebührenschuld darf daher nicht - wie neueren Tendenzen in Schrifttum und Rechtsprechung zu entnehmen ist - dazu führen, daß Kostenmaßstäbe streng in betriebswirtschaftliehen Kategorien gesucht werden. Der Fehlschluß besteht dann darin, die "neue" Kostenorientierung der individuellen Gebührenschuld an einer gesamtwirtschaftlich irrelevanten Kalkulationsmaxime auszurichten. Die auf diese Weise erzielten Ergebnisse (degressive Gebührenmaßstäbe, Gebührensprünge) stellen u. U. sogar eine Verschlechterung der kommunalpolitischen Allokationsergebnisse dar. Konzeptionelle Brüche ergeben sich überdies dann, wenn zwar einer Ökologisierung des Tarifsystems das Wort geredet wird, das zu verteilende Kostengesamt der Gemeinde jedoch weiterhin allenfalls engeren betriebswirtschaftliehen Werteverzehrskonzepten genügt, sprich: eine explizit ökologische Kalkulation allenfalls verschwommen konturiert bleibt. 159 In diesen Fällen würde bei der Maßstabsgestaltung gesamtwirtschaftlichen Lenkungsanliegen Rechnung getragen, das Volumen insgesamt anzulastender Kosten jedoch verbleibt in den hergebrachten konzeptionellen Grenzen - m. a. W.: Kostenbeträge würden nach anderen Maßstäben verteilt als zunächst insgesamt ermittelt. Daß sich hierbei das Kostendeckungsprinzip als "lenkungsfeindlich" erweist, 160 da ökologische Lenkung stets nur im Korsett betriebswirtschaftlicher Anlagekosten gedacht werden kann, 161 darf nicht weiter überraschen. Bals I Nölke 1990, S. 211. Chantelau I Möker 1989, S. 52. 159 So etwa bei Chantelau I Möker 1989. 160 So bereits Kloepfer 1972, S. 248 ff.; zuletzt erneut Holzkämper 1993, S. 104 ff.

157 So noch bei

158 So zutreffend bereits

161 Die dann auftretenden konzeptionellen Probleme zeigen sich am deutlichsten bei Chantelau I Möker 1989, S. 50 f., denen im Rahmen konventioneller Kostendeckungslogik keine über-

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C. Finanzwissenschaftliche Gebührenlehre

Im Rahmen der hier vertretenen Lenkungs- und Ökologisierungsperspektive ergeben sich diesbezüglich keine Bruchstellen, da sowohl das relevante Kostenaggregat als auch seine Unterverteilung auf die nachfragenden Kommunalbürger aus einem einheitlichen volkswirtschaftlichen Konzept abgeleitet werden, das Widersprüche zwischen ökologisierten Maßstäben und einer vorökologischen Ermittlung der Gesamtkosten vermeidet. Machen wir uns diese Zusammenhänge anband eines aktuellen Beispiels aus dem Abfallbereich klar: So wird etwa diskutiert, ob die Zurverfügungstellung getrennter Sammelsysteme für organische Abfälle und das Angebot zentraler Biokompostierung neben der traditionellen Restmüllabfuhr eine Gebührengestaltung derart gestatte, daß Anreize zur Nutzung dieser speziellen Verwertungseinrichtungen und damit zur Vermeidung von Restmüll gesetzt werden können.162 Als lenkungspolitisch adäquat wird dabei zunächst die Verhinderung positiver Preisdifferentiale von der Restmüll- zur Bioabfallentsorgung ausgemacht, um Anreize zur Wahrnehmung entsprechend getrennter Entsorgungspfade zu erhalten - sei es in Gestalt einer groben, verursacherseitig freilich suboptimalen Einheitsgebühr über alle Entsorgungswege hinweg, sei es in Form einer Gebührenstaffelung, derzufolge die Benutzung der Restmülltonne die teuerste Entsorgungsalternative darstellt. An diese Konstruktion werden jedoch gebührenrechtliche Bedenken geknüpft, die nur unter Rückgriff auf entsprechende Anreizgebote bundesund landesrechtliehen Abfallrechts 163 hintangestellt und lenkende Gebühren damit als satzungsrechtlich legitim anerkannt werden können.164 Eines solchen Rekurses bedürfte es im Rahmen der hier vertretenen Gebührenauffassung jedoch nicht - ganz abgesehen davon, daß das zusätzliche kommunale Angebot einer Option auf Biokompostierung bei gegebenem Abfallaufkommen zunächst keine "Mehrleistung" oder gar "doppelte Leistung•l65 der Gemeinde darstellt, sondern eine kostenspezifisch zu bepreisende Differenzierung von Entsorgungspfaden. Daß hierbei die Restmüllabfuhr preislich am höchsten veranschlagt wird, ist in gesamtwirtschaftlicher Sicht gerade Ausdruck der enormen Sozialkosten, die mit dieser Form der Entsorgung einhergehen und die mithin Anlaß geben, verstärkt nach sozialverträglicheren Alternativen der abfallwirtschaftlichen Verwertung und Vermeidung zu suchen. Das lenkungspolitisch Erwünschte (im Beispiel die rege Inanspruchzeugende Lenkungsgestaltung gelingen will, da die Ökologisierung des Maßstabs allein nicht hin· reicht bzw. sich in Widersprüche zur Kostengrundlage begibt. 162 Vgl. hierzu jüngst Schink 1995. 163 So z. B. die ZielnonneninS 1a AbfG bzw. § 1 LAbfGNW sowie die verbindliche Konkretisierung inS 9 Abs. 2 Satz 2 LAbfG NW. 164 So die Argumentation von Schink 1995. 165 So aber Schink 1995, S. 59, 60.

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nahme gemeindlicher Biokompostierung) ist daher zugleich das weniger Sozialschädliche und daher aus gesamtwirtschaftlichen Gründen mit einem Entgeltdifferential zur Restmüllbeseitigung auszustatten. Im Rahmen einer sozialkostenorientierten Gebührenermittlung lösen sich daher - gerade bei ökologisch relevanten Diensten - zahlreiche vermeintliche Widersprüche zwischen Kostenumlage und Lenkungsabsicht auf, sofern man den betrieblichen Horizont zu transzendieren gewillt ist. Als Problem der hier skizzierten Konzeption ergibt sich freilich, daß die Kostendeckung der Einrichtung als eigenständiger Zielkategorie bei strenger Verfolgung allokationspolitischer Preisregeln weiter erschwert wird, da insoweit ja gerade eine abstrakte Bemessung gefordert wird (z. B. freie Einnahmen aus Internalisierung externer Nachteile, Irrelevanz der eigentlichen Einrichtungs- und Anlagekosten etc.). Die hier zu treffende Aussage kann daher nur lauten, daß sich die kommunale Gebührenpolitik im Rahmen gesamtwirtschaftlicher Kostenverantwortung von finanzwirtschaftliehen Restriktionen modellkonsistent emanzipieren kann; der Modellrahmen hebt insbesondere innere Widersprüche (Kostenverantwortung/Lenkung) als nur scheinbar auf, da es wohl auf Kostenahgeltung nicht jedoch um bloße Einnahmebeschaffung ankommen kann. Ob dieser pretialen Allokationslogik für die Gebührenbemessung - etwa mit Blick auf die budgetären Konsequenzen der kalkulierenden Gebietskörperschaft - tatsächlich stets zu folgen ist, bleibt eine an dieser Stelle offene Frage_l66

{4) Zusammenfassung und Empfehlungen 1. Für die Bemessung der individuellen Gebührenschuld (als Gebührenmaßstab) ist die Nutzungsmenge ein bloßer Indikator. Die Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung ist grundsätzlich bereits als Wertgröße zu verstehen. 2. Die jeweilige Brauchbarkeit von Mengenmaßstäben ist im Einzelfall zu prüfen: Sie erscheinen oftmals ungeeignet, soweit hierdurch inhomogene Leistungsabgaben als "gleich" erfaßt werden müssen. 3. Der Grundsatz der Leistungsproportionalität verpflichtet zur Gebührenbemessung nach "Umfang" und "Art" der Inanspruchnahme und legitimiert daher keine grob kostenignoranten MengenschlüsseL 4. Das "Wirkliche" eines Wirklichkeitsmaßstabes kann je nach Kalkulationskonzept unterschiedlich gesehen werden; als Referenzsystem kommen u. a. die aktuelle Anlage oder die Wirkungen auf die Gesamtgesellschaft in Frage. Als zweckmäßig erweist sich hierbei allerdings eindeutig die volkswirtschaftliche Perspektive, da ein betriebswirtschaftlicher Maßstab zwar Kostenorientierung verspricht, aber 166 Vgl. zu dieser Problematik näher die Diskussion in Abschnitt D.I-D.II.

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nur einen irreführenden Teilausschnitt der Nutzungswirkungen betrachtet. 5. Auf die Dichotomie zwischen Wirklichkeits- und Wahrscheinlichkeitsmaßstab sollte von vorneherein zugunsten eines Kontinuums an Maßstäben verzichtet werden, für das insgesamt einheitliche Regeln gelten {Anspruchsniveau der Verursacherorientierung, Ausrichtung an einem gemeinsamen Kalkulations- und Überwälzungszweck etc.). 6. Der optimale Standort eines Maßstabes auf dieser kontinuierlichen Skala ergibt sich aus dem Abwägungsproblem zwischen Ertrag aus kostenechter Zuordnung und Aufwand der Bemessung. Daher geben auch Praktikabilitätsaspekte keine Hinderungsgründe für volkswirtschaftliche Bemessungsmaßstäbe ab, da diese bereits im Ansatz mit verarbeitet sind. 7. Volkswirtschaftliche Bemessungsmaßstäbe heben ferner sowohl den unhaltbaren Widerspruch zwischen kostenbasierter Gesamtkostenermittlung und kostenignorantem Individualmaßstab als auch zwischen ökologischen Lenkungszielen und individueller Kostenverursachung auf - soweit Lenkung nicht a priori gegen Kostenüberlegungen gerichtet gesehen wird. Der zurückhaltende Einsatz verursacherorientierter Maßstäbe in der Praxis167 kann ökonomisch kaum überraschen, betrachtet man die Anreize der Gemeinden zur satzungsrechtlichen Implementation allokativ ambitionierterer Gebühren-Maßstäbe, und ist überdies gerichtlich traditionell sanktioniert. Auch haben sich lange Zeit gehegte Hoffnungen auf verursachergerechte Anstöße durch das AbwAG168 bei der Gebührenbemessung nicht erfüllen können -eher hat sich umgekehrt die traditionelle "Verursacherträgheit" des klassischen Abwassergebührenwesens auf die binnenräumliche Weiterwälzung der Abwasserabgaben-Last negativ ausgewirkt. Von einem initialen Impuls zur verursachergerechten Umgestaltung des gesamten Entgeltsystems im Abwassersektor jedenfalls kann nicht einmal entfernt gesprochen werden. Dennoch mutet die Praxis der Maßstabsgestaltung zunehmend als ökonomisch widersinnig, kommunalpolitisch unbefriedigend und sachlich nicht legitimiert an; das Unbehagen wird im übrigen auch durch zunehmend kritischere Stimmen in der Literatur und eine sich öffnende Rechtsprechung geteilt. Allerdings bleibt die neuere Einsicht in die Kostenabhängigkeit der individuellen Gebührenschuld auf den betriebswirtschaftliehen Horizont begrenzt und zwingt zu ökologisch kontraproduktiven Maßstabsgestaltungen, z. B. der äußerst kontrovers debattierten Degression im Behältermaßstab der (Rest-) Abfallgebühr. 167 So für den Abwasserbereich auch Dedy 1995. 168 Wicke 1981; Kibat 1983; ders. 1984; Doetsch I Kanowski I Pöppinghaus 1980. Rückblickend Gawel I Ewringmann 1994a, S. 16 ff.

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Herrschende Lehre und vor allem Gebührenjudikatur haben den hier entwickelten Grundsätzen wenig entgegenzusetzen. Zwischen "Allgemeinplätzen", 169 Widersprüchlichkeiten und F ehldeutungen, die auch durch ständige Übung keinen Zugewinn an Überzeugungskraft oder gar rechtsnormativer Wirkung erzielen können, bleiben allenfalls Bedenken bezüglich der Praktikabilität; diese freilich sind einem genuin ökonomischen Ansatz bereits immanent und bedürfen daher grundsätzlich der Berücksichtigung.

d) Zuschlagsmodelle: Das Beispiel"Starkverschmutzerzuschlag" Neben der unmittelbaren Umgestaltung der Gebührenkalkulation mit Blick auf lenkende, insbesondere ökologische Ziele bietet sich hilfsweise die Möglichkeit, von Kosten- oder Leistungsgesichtspunkten auch teilweise abstrakt formulierte Lenkungsanreize über Gebührenzuschläge zu setzen, 170 d. h. die Lenkungsfunktion der Gebühr wird abgabetechnisch verselbständigt: Die "Gebühr" übernimmt insoweit die hergebrachten Refinanzierungsfunktionen, wohingegen es dem Zuschlag obliegen würde, lenkenden Ansprüchen der Gebührengestaltung gerecht zu werden. Auch kann mit Hilfe eines Zuschlages versucht werden, einzelne in sich homogene Elementarleistungen von den übrigen Komponenten der Güterbereitstellung abzuschichten und separat zu verrechnen (Beispiel: verschmutzungsabhängiger Teil der Abwasserbeseitigungskosten per Starkverschmutzerzuschlag; Restkosten per "Grundgebühr"). In der Praxis ist hiervon im Abwasservereich in der Form sog. "Starkverschmutzerzuschläge" Gebrauch gemacht worden. Für die Abwasserbeseitigung sind gegenwärtig Wasserverbrauchsmaßstäbe typische Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe. Diese kommen mittlerweile vorwiegend in der Gestalt reiner Mengenmaßstäbe vor, bei denen der Wasserverbrauch als Näherungswert für den Abwasseranfall zugrunde gelegt wird (Frischwassermaßstab). Daneben besteht die Möglichkeit, über einen "Starkverschmutzerzuschlag" bei besonders stark verschmutztem Abwasser den hierdurch verursachten Mehraufwand direkt den einzelnen Verursachern anzulasten. Basis für den Starkverschmutzerzuschlag sind nur die direkt zurechenbaren Kosten der

169 Dahmen, in: Dahrnen I Driehaus I Küffmann I Wiese, Rn. 75 zu § 4. 170 So z. B. aus rechtlicher Sicht bei Chantelau I Möker 1989, S. 45 f. , 188 ff.; kritsch dazu F. Zimmermann 1991, S. 224; ferner auch Hendler 1991.

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Abwasserbehandlung.171 Erhoben werden die Starkverschmutzerzuschläge zumeist auf der Basis des BSB5, des CSB oder auch der absetzbaren Stoffe. 172 Sofern die Starkverschmutzerzuschläge auf Basis des BSB5 oder CSB erhoben werden, 173 stellen sie z. B. in bezugauf AOX oder Schwermetalle keine Verbesserung gegenüber einer reinen mengenmäßigen Überwälzung dar, weil die Berücksichtigung unterschiedlicher AOX- oder Schwermetallfrachten nicht möglich ist. Die Zuschlagslösungen sind damit über Behelfe kaum hinausgekommen174 und haben sich dem Idealbild einer verursachungsgerechten Gebühr ebenso wenig nähern können wie dem Musterfall eines "lenkenden Zuschlags" in Gestalt der grundsätzlich schädlichkeitsorientierten Abwasserabgabe. Damit bleibt es dabei, daß das Kommunalabgabenrecht von den Anliegen einer verursachungsgerechten Kostenalastung abstrakte Anreize setzt, die allenfalls partiell eine ökologisch produktive Lenkungswirkung begründen können. So nimmt etwa ein (exemplarisch) auf CSB-Frachten abstellender Starkverschmutzerzuschlag andere Wertungen hinsichtlich der Dringlichkeit der Einleitungs-Vermeidung vor als eine schadstoffspezifisch differenzierte Abgabe, welche auch den Eintrag von Schwermetallen zu belasten sucht. Starkverschmutzerzuschläge sind daher auch - bei ingesamt eher mäßiger Verbreitung175 - zwischenzeitlich verstärkt in der Kritik als "Auslaufmodell" einer alles in allem verfehlten Kostenüberwälzungsstrategie, die dem Grundsatz der Kostenverantwortung und des Verursacherprinzips nur unzureichend und in pauschalierter Form Geltung zu verschaffen bereit ist. 176 Nicht das Instrument des Zuschlags an sich ist daher kritikwürdig, sondern seine bisherige Einbettung in ein eher kostenträges Gesamtkonzept, das sich nur zu groben Annäherungen an verursachungsadäquate Überwälzungsstrategien zu bequemen scheint. In der gegenwärtig praktizierten Form muten denn zahlreiche Zuschlags-Konstruktionen eher ATV 1990, S. 1075 f. Hierzu auch Chantelau I Möker 1989, S. 99 f. Bischofsherger 1987, S. 464. Siehe hierzu auch ZAnders I Esch 1993; kritisch zu Starkver· schmutzerzuschlägen auch Seyfried I Scheer 1993. 173 Siehe ATV 1990, S. 1076. 174 Zur Kritik praktischer Starkverschmutzerregelungen auch Meyer·Renschhausen 1994. 175 Siehe hierzu ATV 1980a, S. 554; ATV 1980b, S. 506. Aus einer Aufstellung der Gebüh· renmaßstäbeder größeren Städte in NRW von 1985 ist zu entnehmen, daß alle dort aufgeführten Städte einen Frischwassermaßstab benutzen. Da der Aufsatz sich aber mit der Frage unterschied· liccher Bemessungsgrundlagen für Schmutzwasser und Niederschlagswasser beschäftigt, wird diese Aufstellung als nicht vollständig eingeschätzt. Vgl. Kilzer 1985. Dazu ferner auch Ewring· mannet al. 1981, S. 86; Bischofsherger 1987, S. 463; ATV 1987, S. 877; Böhm 1989, S. 137. 176 Zu dieser Diskussion u. a. Seyfried I Scheer 1993; ZAnders I Esch 1993; ATV 1990; Meyer· Renschhausen 1994; Cramer 1992. 171

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willkürlich an und bieten eine nur zweifelhafte Verbesserung gegenüber reinen Mengenmaßstäben. Solange etwa die Überwälzung des Schädlichkeits-" Zuschlages", der durch das Abwasserabgabengesetz gebildet wird, nicht zufriedenstellend gelingt, ja nicht einmal versucht wird, bleiben andere rudimentäre Formen von Zuschlagstarifen anreizpolitisch Makulatur. Darüber hinaus geraten Starkverschmutzerzuschläge im kommunalen Abwasserentsorgungssystem in Widersprüche zwischen jeweiliger Lenkungskonzeption und Systemrationalität: 177 -Eine interne Ausrichtung des Lenkungszweckes von Zuschlägen an den Entsorgungszielen des Binnensystems wird mangels problemstoffspezifischer Leistungen der zentralen Abwasserbehandlungsanlage nur begrenzt zu legitimieren sein, nämlich nur insoweit, wie tatsächlich Mehrkosten aufgrund stoffspezifischer Reinigungsaktivitäten vorliegen (Lenkung als Kostenanlastung), was in praxi jedoch kaum der Fall ist (Lübbe- Wolf! 1993, Tz. 539); überdies kann eine Lenkung, die sich auf die Reinigungsziele des Binnensystems richtet, also insbesondere CSB- und BSBFrachten zu reduzieren bestrebt ist, sogar kontraproduktiv wirken, soweit anreizvermittelte Umschichtungen in der stofflichen Zusammensetzung des Zulaufs die Aktivitäten der zentralen Klärwerkes behindern oder erschweren. 178 Im übrigen berühren lenkende Zuschläge nachträglich die für die Lebensdauer der Gesamtanlage kaum variierbare Kapazitätsentscheidung und damit die Aufteilung der Reinigungsaktivitäten auf dezentrale Vorbehandlung und zentrale nachgeschaltete Abwasserreinigung: Als Folge binnenlenkender Zuschlagsregelungen kann u. U. eine Unterauslastung der Kläranlage eintreten, die aber aufgrundvon Skaleneffekten zu kostengünstigerer Entsorgung in der Lage wäre. Ökonomisch ergiebige Lenkungswirkungen sind daher im wesentlichen nur bei der Kapazitätsplanung, d. h. der Organisation der Arbeitsteilung zwischen Indirekteinleitern und Klärwerk sowie im Hinblick auf die nur an den Vorfluter weitergeleiteten Problemstoffe zu erwarten: -Eine externe Ausrichtung hingegen etwa an gewässergütepolitischen Zielen, die über den Anlagenbezug des kommunalen Satzungsrechts hinausreichen, wird nach h. L. bislang rechtlich als nicht zulässig erachtet (keine Leistung der Gemeinde) und gerät auch ökonomisch - wie dargelegt - in Konflikte mit anderen anreizvermittelnden Institutionen, speziell der Abwasserabgabe, die der Interlokalität der Abwasserexternalitäten 177 Vgl. dazu auch Lübbe-Wolff1993, Tz. 536 ff. 178 Beispiele hierfür sind bei der Stiffstoffelimination gegeben, die auf einen ausreichend hohen Gehalt des Abwassers an leicht abbaubaren organischen Inhaltstoffen angewiesen ist · vgl. LübbeWolff1993, Tz. 536 mit weiteren Nachweisen.

186

C. Finanzwissenschaftliche Gebührenlehre

in theoretisch angemessener Form Rechnung trägt. Aus ökonomischer Sicht bleibt hier aber das bislang unzureichned gelöste Problem der Übermittlung verursachergerechter Anreize, welche bisher weder durch Zuschlagsregelungen noch durch adäquate Überwälzungsnmechnaismen bezüglich der Abwasserabgabenschuld erreicht werden konnte.

e) Grund- und Arbeitspreise Die Differenzierung des Gebührentarifs in eine nutzungsinvariante ("Grund-" oder "Bereitstellungspreis") sowie eine verbrauchsabhängige Komponente (" Arbeitspreis") wird im Rahmen ökologisch orientierter Abgabenpolitik ebenfalls kontrovers diskutiert. Soweit Kostenüberlegungen für die Bemessung von Entgeltabgaben kommunaler Daseinsvorsorge im Vordergrund stehen, legitimieren sich derart zweigliedrige Tarifstrukturen aus der Tatsache, daß nicht sämtliche Kosten der Bereitstellung einer öffentlichen Leistung mit dem Ausmaß der tatsächlichen Inanspruchnahme, sondern oftmals mit der bloßen Vorhaltung von Kapazität, insbesondere von Spitzenkapazität variiert. 179 Der finanzwissenschaftlich daher zutreffender als Beitrag zu klassifizierende, nutzungsunabhängige Grundpreis stellt das Entgelt für die im Rahmen der Bereitstellung von Nutzungsmöglichkeiten realisierten Kostenträgerschaft der Gemeinde dar. Überdies sichert ein beitragsähnlicher Grundpreis im Falle sinkender Grenzkosten (Grenzkosten niedriger als Durchschnittskosten) die "Eigenwirtschaftlichkeit" der öffentlichen Einrichtung, d. h. ihre Fähigkeit, die bei der Leistungsabgabe anfallende Kosten durch Entgelte abzudecken: Bei economies of scale der entsorgungswirtschaftlichen Produktionstechnologie sind Grenzkostenpreise grundsätzlich nicht kostendeckend. Zur Erzielung der Vollkostendeckung ist daher eine Abkehr von der Grenzkosten-Preis-Reget durch Erhebung eines Beitrages erforderlich ("Grundpreis"), der als Differenz zwischen den spezifisch umlagefähigen verbrauchsabhängigen Kosten und den Gesamtkosten der Einrichtung erhoben wird. Dieses Tarifierungs-Modell entspricht daher zunächst sowohl dem theoretisch unter Abschnitt C.ll entworfenen Grundmodell der Preisbildung als auch der zuvor in diesem Abschnitt skizzierten Notwendigkeit zu kostenorientierter Bemessung der individuellen Entgelte, die über bloße Nutzungsmengen hinausreicht.

179 Mit Bezug auf die Elektrizitätswirtschaft kritisch gegenüber dieser Argumentation (degressiver Kostenverlauf und "Zwei-Güter-These") Werheck 1994a m. w. Nachw.

IV. Der Gebührentarif

187

Allerdings sind Tarifkonstruktionen der vorgenannten Art in die Kritik geraten, da sie aufgrund ihrer Zweigliedrigkeit mit einem konstanten Basisentgelt zu fortlaufend sinkenden Durchschnittsabgaben bei Ausdehnung der nachgefragten Menge führen. Eine derartige Belastungsdegression sei mit dem Anliegen der Überbringung ressourcenschonender Preissignale unvereinbar, da nachlassende Durchschnittsentgelte vielmehr zu zusätzlichem Verbrauch anregten, zumindest aber keine ökologisch gebotene Überprüfung des individuellen Nachfragerverhaltens induzierten. 180 Da nur der verbrauchsabhängige Teil des Entgelts entscheidungswirksam werde, führt insbesondere bei einer Kostenstruktur der Einrichtung, die stark von kapazitätsbedingten Vorhaltungs-und Bereitstellungskosten dominiert wird, der residuale Arbeitspreis nur noch zu minimalen Anreizeffekten, da die pekuniären Entlastungswirkungen einer Verbrauchsenschränkung auf die darauf entfallende (geringe) "Arbeitsgebühr" beschränkt bleiben. Gefordert wird daher eine generelle "Linearisierung" des Tarifs, bei dem sämtliche Kosten nach Maßgabe eines verbrauchsabhängigen Schlüssels verteilt werden, so daß die "Anreizmasse" um den vormals entscheidungsirrelevanten Fixkostenblock aufgestockt werden kann.181 Ein derartiges Lenkungsverständnis, das im Interesse mengensparender Anreize ohne Ansehen der Kostenverursachung einen möglichst großen Kostenanteil als variable Preiskomponente überbringen möchte, erscheint freilich nicht unproblematisch und zeigt überdies theoretische Mängel hinsichtlich der Konsistenz der zugrunde gelegten Argumentation. Zunächst ist aus der Theorie der (Voll-) Kostenrechnung bekannt, daß die variable Umlage fixer Kosten die effektive Kostendeckung zu einer Frage des tatsächlichen Kapazitätsauslastungsgrades macht, der ex ante nur geschätzt werden kann (Abb. 3). 182 Nur für die der Kalkulation zugrunde gelegte geschätzte Nachfrage nach öffentlichen Leistungen stimmen dann Voll- und Teilkostenrechnung überein; 183 übersteigt (unterschreitet) die tatsächliche die projektierte

180 Zu dieser Kritik, die vor allem im Bereich der Elektrizitätswirtschaft im Zusammenhang mit der Neuordnung der Bundestarifordnung zum 1.1.1990 erhoben wurde, statt vieler Finsinger 1979; Fraunhofer·lnstitut 1987; Hoven I Schulz 1989; Werheck 1994a; ders. 1994b; für den Bereich der kommunalen Entsorgung ähnlich Bals I Nölke 1990. 181 Zu entsprechenden Linearisierungsvorstellungen im Bereich ~er Stromtarife u. a. Spreer 1987; Brandt I HöflichHäberlein I ]ochum 1988; Finsinger 1979; im Uberblick auch G. Zimmer· mann 1990, S. 35 ff. 182 Zu diesen Standardmängeln der Vollkostenkalkulation statt vieler Haberstock 1985; Wöbe 1993, s. 1319 ff. 183 Zu Ansätzen einer Teilkostenrechnung auch für öffentliche Einrichtungen- bislang aller· dings eher mit Blick auf Wirtschaftlichkeitsrechnungen - insbesondere Lachhammer 1982; Gornas 1977; Heinrich 1988.

188

C. Finanzwissenschaftliche Gebührenlehre

Nutzungsmenge, so wird eine Überdeckung (Unterdeckung) infolge der fehlerhaften Vollkostenrechnung eintreten. Dieser systematische Kalkulationsfehler, der von Schätzfehlern allgemeiner Art einer ex-ante-Kalkulation abzugrenzen ist, wird um so gravierender ausfallen, je höher der Anteil künstlich variabilisierter fixer Kosten liegen wird. D. h. bereits bei geringen Abweichungen in der Nachfragemenge, die in dem hier verfolgten Zusammenhang schon deshalb wahrscheinlicher sind, weil ein expliziter Lenkungsanspruch, also die kalkulatorische Absicht einer Variation der in Anspruch genommenen Mengen verfolgt wird, treten starke Verfehlungen des Kostendeckungszieles auf. Entsprechende Verwerfungen gäben zu Versuchen Anlaß, im Rahmen periodenübergreifender Deckungs-Ansätze184 Abhilfe zu schaffen, was freilich erneut zu Fehlkalkulationen und damit zur Gefahr einer Kumulation von Über- bzw. Unterdeckungen führt. Hierin könnte ein echter Verstoß gegen das Kostendeckungsprinzip erblickt werden, da nicht mehr nur Plan- und Schätzfehler oder die Einrechnung ansonsten legitimierter Kostengrößen für die "Verfehlung" ursächlich wäre, sondern eine offene, mit systematischen Verzerrungen behaftete Fehlkalkulation.

verrechnete

K

Kosten

tatsächlidle

Kosten

variable

Kosten

0

Abbildung 3: Vollkostenrechnung und Deckungslücken 185

184 Siehe hierzu näher unter E.II.J. 185 Verändert nach

Wöbe 1993, S. 1320:

IV. Der Gebührentarif

189

Abb. 3 verdeutlicht die Zusammenhänge: Nur bei der (geschätzten) Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung in Höhe von m 1 werden verrechnete Kosten und tatsächlich angefallene Kosten übereinstimmen. Steigt die Inanspruchnahme unerwartet auf m2, so entsteht durch Mehrverrechnung fixer Kosten eine Überdekkung in Höhe von B1B. Umgekehrt tritt bei einer nicht vorhergesehenen Minderinanspruchnahme eine Unterdeckung auf. Im Rahmen einer einfachen Vollkostenkalkulation muß daher sogar mit steigenden Gebührensätzen auf {tendenziell erwünschte) Nachfragerückgänge geantwortet werden, um Kostendeckung sicherzustellen186 - eine für insbesondere ökologisch lenkende Gebührengestaltungen außerordentlich kontraproduktive Konsequenz, da die den Nachfragern zustehende Dividende anreizorientierten Verhaltens (zum Teil) abgeschöpft wird und damit u. U. sogar eine Spirale der Mindernutzung und mangelnder Kapazitätsauslastung in Gang kommt.187 Nun liegt es auf der Hand, daß mit einer "Linearisierung", d. h. der Verschmelzung sämtlicher Entgeltkomponenten zu einer einzigen, nutzungabhängig bemessenen Abgabe, das Lenkungsziel gegenüber dem finanzwirtschaftliehen Kostendeckungsgebot aufgewertet werden soll. Es fragt sich allerdings, ob neben der mit dieser Akzentverschiebung einhergehenden Verletzung von Deckungsregeln dem Lenkungsgedanken auf diese Weise adäquat Rechnung getragen werden kann. Zunächst stellt sich die Frage, ob das Entscheidungsverhalten rationaler Gebührenschuldner von Durchschnitts- oder vielmehr von Grenzpreisen gesteuert wird.1 88 Im Modell rationaler Wahlhandlung liegt die Antwort auf der Hand, da als entscheidungrelevant stets nur die Grenzkosten einer Handlungsalternative ins Kalkül zu ziehen sind; Pauschalbeträge bleiben als versunkene Kosten ("sunk costs") außer Betracht und werden nur entscheidungserheblich, wenn als Alternative auch der völlige Verzicht auf die jeweils fixe Kosten auslösende Tätigkeit betrachtet wird {z. B. Betriebseinstel-

186 Ebenso

von Zwehl I Kaufmann 1994. Daher sind auch Stimmen nicht überzeugend, die zwar einerseits eine Tarifspaltung unter Verweis auf die kontraproduktiven Wirkungen abnehmender Durchschnittsbelastungen verwerfen, zugleich aber in einem derart linearisierten Modell der Gemeinde unter Anreizgesichtspunkten ebenfalls keine Anpassung der Gebührensätze nach Maßgabe der Nachfragerreaktion zugestehen wollen (so von Zwehl I Kaufmann 1994, S. 451 bzw. 453): Hier wird das Kostendeckungsanliegen dem Lenkungsziel offenbar vollständig untergeordnet, was nicht angängig erscheint. 188 Hierzu für die Nachfrage nach Wasser- und Abwasserdiensten u. a. Jones I Morris 1984; MartinI WJder 1992; für die Elektrizitätswirtschaft G. Zimmermann 1990, S. 40 f. 187

190

C. Finanzwissenschaftliche Gebührenlehre

lung, Verzicht auf Elektrizitätsbezug oder Kfz-Haltung).189 Die für die Praxis kommunaler Leistungen interessantere Frage, wie sich unter den Bedingungen eingeschränkt rationalen Verhaltens, unvollständiger Information und gefilterter Wahrnehmung Nachfrager tatsächlich preislich orientieren, bleibt hingegen regelmäßig empirisch offen. 190 Ob etwa das Tarifsystem überhaupt hinreichend transparent erscheint oder den Zensiten die abgabewirtschaftliche Marginalwirkung ihre Handlungen stets bewußt ist oder nicht vielmehr die absolute Höhe der Gebührenschuld pro bezogener Einheit und damit Durchschnittswerte als maßgeblich betrachtet werden, steht für die Praxis dahin. Ob daher bei einem zweigliedrigen Tarif, bei dem sich der Durchschnittspreis pro Einheit bei zunehmendem Absatz fortlaufend ermäßigt, nur das verbrauchsabhängige Tarifelement das Nachfrageverhalten steuert und "die notwendigen Signale zur Ausweitung oder Einschränkung des Verbrauchs" gibt, wie G. Zimmermann vermutet, 191 erscheint keineswegs ausgemacht. Der Durchschnittspreis stellt zwar für den "homo oeconomicus" eine bloß "rechentechnische Größe" dar, welche das Verbrauchsverhalten der Kunden nicht tangiert, 192 eine empirisch gehaltvolle Abbildung kommunalen Nachfragerverhaltens ist mit diesem Postulat freilich noch nicht gelungen. Auch liegt es auf der Hand, daß mit dem durch Festpreise bereits abgeschöpften Kostenvolumen für verbrauchsabhängige Entgelte nur noch entsprechend geringere Volumina zur Verfügung stehen; ob deren verbleibende Anreizwirkungen ausreichen, sich gegen die Substitutionskosten anderer Nachfragealternativen durchzusetzen (merkliche Gebühr), darf bezweifelt werden. Allerdings bleibt die Feststellung, daß Grund- und Arbeitspreise prinzipiell Entgelte für unterschiedliche Elementargüter der öffentlichen Leistungsbereitstellung repräsentieren, die nicht ohne Not vermengt werden dürfen (K.ongruenzprinzip des Gebührentatbestandes): Die ständige Leistungsvorhaltung und damit die Option auf jederzeitige Nutzung eines Systems und die tatsächliche Inanspruchnahme in bestimmter Höhe sind ökonomisch wohlverschiedene öffentliche Leistungen, die aufgrund differenter Kostenstruktur unterschiedliche Bepreisungsstrategien geradezu erfordern. 193 Beitrag und Gebühr stellen hier - bei "richtiger" Bemesung und Abgrenzung 189 Im Falle eines Anschluß- und Benutzungszwanges kann sich das Wirtschaftssubjekt auch durch völlige Verzichtsleistung hiervon nicht befreien. 190 So auch Martin I Wilder 1992, S. 96. In der empirisch orientierten Literatur wird daher auch stets von beiden Verhaltenshypothesen parallel ausgegangen. 191 G . Zimmermann 1990, S. 40. 192 Ebenda. 193 Insoweit zutreffend für die Bereitstellung von Elektrizität G. Zimmermann 1990, S. 41; Zy· bel/1986, s. 57.

IV.

Der Gebührentarif

191

angemessene Finanzierungsformen dar, die nicht willkürlich überformt werden dürfen. 194 Auch darf nicht übersehen werden, daß der sunk-cost-Effekt eines (Zwangs-) Beitrages, d. h. seine Irrelevanz bei der Entscheidung über die Nutzung einer weiteren Leistungseinheit, je nach relevanter Alternative im Nachfragerverhalten u. U. sogar zu begrüßen ist. Dies ist etwa der Fall, sofern gerade eine verstärkte Anreizung zur Nutzung der Einrichtung zwecks Vermeidung illegaler ( ~ sozial schädlicherer) Alternativen angestrebt wird; dies kann bis hin zum Nulltarif (= 100%-Pflichtbeitrag) einer an sich gebührenfähigen Leistung reichen.195 So wird etwa bei der aperiodischen Entsorgung großer Hausratsgegenstände (Sperrmüll, Kühlschränke, Kfz) eine spezifische kostenechte Bepreisung das Risiko illegaler Entledigung bergen; ein Pflichtbeitrag entsprechender Höhe gestattete demgegenüber die Teilhabe an einem "kostenlosen" Entsorgungsprogramm (Grenzkosten des entsorgenden Haushalts gleich Null), mit der auch die illegale Handlungsalternative i. d. R. nicht mehr konkurrieren kann. Es liegt daher auf der Hand, daß die Bepreisung der Versorgung mit einem Gut (z. B. Stromversorgung) vor diesem Hintergrund anders vorzunehmen ist als die Entgeltgestaltung für die Entgegennahme eines Ungutes (Beispiel Abfallentsorgung). Die Tarifermäßigung zur Vermeidung sozial schädlicherer außerinstitutioneller Entsorgungswege kann zugleich als Meritorisierung der gemeinwohlverträglichen Entsorgung angesehen werden: Auf diese Weise wird paternalistisch durchgesetzt, was im Wege der Anlastung echter Sozialkosten u. U. nicht gelingen würde. Allerdings wurde weiter oben bereits darauf aufmerksam gemacht, daß gesamtwirtschaftlich die Grenzziehung zwischen Festkosten und flexiblen Kosten anders zu beurteilen sein wird als aus der Warte der betroffenen Einrichtung, d. h. eine Linearisierung des Tarifs ist gesamtwirtschaftlich u. U. teilweise gedeckt: Im Einzelfall mag daher eine Umschichtung zugunsten des variablen Preiselementes angezeigt sein, wenn so lediglich willkürlich anlagenbezogene Festkosten, die gesamtwirtschaftlich als variabel anzusehen wären, flexibilisiert werden könnten. Auch wenn daher die kontraproduktiven Lenkungseffekte zweigliedriger Tarife weniger klar anmuten als zum Teil behauptet, und diese als betriebswirtschaftlich kostenorientiert sowie finanzwissenschaftlich als dem Kongruenzprinzip von Leistungsbereitstellung und Finanzierung entsprechend zu begrüßen sind, bleiben gewisse Spielräume im Einzelfall, die Grenzziehung anders vorzunehmen als durch tradi-

194 Kritisch

zu dieser Argumentation allerdings Werheck 1994a; ders. 1994b. Ähnlich auch bereits Chantelau I Möker 1989, S. 44, die Grund· oder Mindestgebühren insoweit als Verstärker des Anschluß. und Benutzungszwanges gutheißen. 195

192

C. Finanzwissenschaftliche Gebührenlehre

tionelle Überlegungen zur betriebswirtschaftliehen Kostenspaltung angezeigt sem mag. Unter Berufung auf volkswirtschaftliche Gebührenmaßstäbe können so zwar kaum durchgehend lineare Tarife gefordert, wohl aber beachtliche Teile anlagenfixer Kosten verbrauchsabhängig umgelegt werden.

f) Progressions- und Degressionstarife Gegenüber der zuvor erörterten Alternative eines durchgehend linearen gegenüber indirekt degressiven Tarifen werden in der Literatur gerade auch progressive Tarifgestaltungen als Anreizmoment mengenmäßiger Begrenzung der Leistungs-Inanspruchnahme befürwortet.196 Dabei ist zunächst einer Überbewertung der Progression entgegenzutreten: Die Progression gilt weithin sogar als Inbegriff ökologischer Gebührengestaltung, ja als Lenkung schlechthin.197 So wird bei Chantelau I Möker der Lenkungsbegriff auf Tarifgestaltungen verkürzt, die "bestimmtes, unerwünschtes Benutzerverhalten überproportional zu ihrer Kostenverursachung durch höhere Gebühren 'bestrafen'"198. Die Unzweckmäßigkeit einer derartigen Lenkungskonzeption wird bereits daran deutlich, daß hiernach sämtlichen Marktpreisen, also durch unmittelbaren Interessenausgleich von Angebot und Nachfrage ohne administrative Intervention zustande gekommenen Entgelten, eine Lenkungsfuntktion abgehen müßte, da diese erst jenseits der Kosten- (und Nutzen-) Verarbeitung der getauschten Güter beginnen würde. Nach volkswirtschaftlichem Verständnis lenken Preise aber gerade durch ihre (mehr oder weniger zufriedenstellend gelingende) Repräsentanz dieser Kosten- und Nutzengrößen. "Lenkung" findet dementsprechend stets dann statt, soweit rational handelnde Disponenten mit Verfügungsgewalt über Ressourcen unter dem Eindruck preislicher Kostenverantwortung Verwendungsentscheidungen treffen; diesen Lenkungseffekt der Preise kann sich naturgemäß auch eine hoheitliche Instanz durch Entgeltadministriertung oder Erhebung einer eigenständigen Abgabe zunutze machen. 199 Als 196 So etwa Huter I Lab/ I Zeschmar 1985, S. 190 f., allerdimgs ohne nähere Begründung für den W asserbereich, ähnlich für den Mechanismus von Starkverschmutzerzuschlägen im Abwasserbereich; für den Abfallbereich vorsichtiger auch Groß 1989, S. 378; allgemein Bals I Nölke 1990. 197 So z. B. Chantelau I Möker 1989, S. 45. 198 Chantelau I Möker 1989, S. 45; Hervorh. d. Verf. 199 Vgl. hierzu jüngst Gawel I Ewringmann 1994b.

IV. Der Gebührentarif

193

Lenkung nur solche "wider das Marktprinzip", d. h. kostenabstrakt zulassen zu wollen, erscheint angesichts der insoweit gefestigten Terminologie nicht nur unangemessen, sondern setzt auch das Ökologisierungsanliegen der erhöhten Gefahr des Scheiteros aus, da so verstandene Lenkung auf volkswirtschaftlich-allokationstheoretische Begründungszusammenhänge weitgehend verzichten müßte und sich wohl eher Formen der "politischen Kalkulation"200 verpflichtet sieht. Wie aus den bisherigen Darlegungen, insbesondere der Formenübersicht in Kap. B, deutlich geworden ist, stellt die Frage eines progressiven Gebührentarifs nur einen Teilausschnitt im gesamten Lenkungs- und Ökologisierungssystem und auch nur ein Teilproblem innerhalb der speziellen Tarifierungsproblematik dar. Auch ist "Progression" im Rahmen einer ökonomisch rationalen Entgeltgestaltung keineswegs als Selbstzweck zu verstehen, sondern kann nur im Zusammenhang eines ökologischen Gesamtkonzepts überhaupt als tragfähig angesehen werden. So wird etwa verschiedentlich zu Recht darauf hingewiesen, daß ein progressiver Tarif nur in Verbindung mit einem "Wirklichkeitsmaßstab" der Gebührenbemessung sachadäquat sei,201 d. h. es ist zuvor sicherzustellen, daß im Überwälzungspfad der Gebühr keine sachfremden oder verursachungswidrigen Störungen auftreten. In der Theorie der Umweltabgabe kann sich Progression prinzipiell kostenseitig (progessives Schadensprofil) oder lenkungspolitisch legitimieren; letzteres war theoretisch freilich kaum zu begründen, soweit ein festes Punktziel als Gegenstand administrativ lenkender Gebührenpolitik gilt: Linearität des Tarifs reicht hier zur Zielerreichung aus. Allerdings hat die Diskussion um Grundbeträge/Arbeitspreise bzw. Grenzgebühr/Durchschnittsgebühr gezeigt, daß auch progressive Traifgestaltungen angezeigt sein können. Über ihren Einsatz sollte jedoch nur im Zusammenhang anderer tarifpolitischer Parameter und als Teilaspekt einer umfassenden Lenkungs- bzw. Ökologisierungsperspektive beraten werden.

200 Dazu Abschnitt B.II.

201 So z. B. zutreffemnd Langenbrinck 13 Gawel

1993, S. 168 ff.

194

C. Finanzwissenschaftliche Gebührenlehre

g) Leistungsfähigkeitselemente im Gebührensystem: Zur Sozialtarifierung von Gebühren

In der Literatur ist immer wieder die Frage diskutiert worden, ob soziale, verteilungs- und regionalpolitische Überlegungen den strengen äquivalenztheoretischen Zusammenhang zwischen Leistung und Gebührenentgelt lokkern dürfen bzw. sollen. 202 Damit greifen Aspekte persönlicher Leistungsfähigkeit im weitesten Sinne, aber auch konkurrierende raumwirtschaftliche Ziele überformend in den Tarifzusammenhang ein. Galt also bisher eine Bemessung nach Äquivalenzgesichtspunkten in unterschiedlichen Schattierungen als maßgeblich, war also jeweils auf das Nutzungsverhältnis abzustellen, geraten nunmehr Merkmale ins Blickfeld, die in der Person des Nutzers begründet liegen (persönliches Einkommen, Haushaltsgröße, regionale Lokalisierung etc.). Es ist bereits in Abschnitt C.III dargelegt worden, daß aus ökonomischer Sicht grundlegende Bedenken gegenüber einer derartigen Verteilungspolitik über den Preis bestehen. Diese gelten in besonderem Maße für die hier diskutierten Benutzungsentgelte kommunaler Entsorgungsdienste. Soweit nicht lediglich Grenzen der "Vertretbarkeit" oder der "Zumutbarkeit" postuliert werden, die einer weiteren Erhöhung von Gebühren - gleich aus welchen Gründen - entgegendstünden, bleibt bislang auch unklar, wie eine soziale Staffelung von Abwasser- oder Abfallgebühren aussehen könnte. Allenfalls in regionalpolitischer Hinsicht könnte ein allzu starkes Auseinanderdriften der Entsorgungsentgelte in Verdichtungs- und Streusiedlungsbereichen durch entsprechend verrechnende Entgeltkorrekturen ausgestaltet werden. Sieht man einmal von den grundsätzlichen ökonomischen Einwänden gegen Sozialpolitik mittels Gebühren ab, so bleibt auch die Feststellung, daß mit dem hier in Aussicht genommenen Ökologisierungsprogramm erstmals ernstzunehmende Annäherungen an das Prinzip der Kostenwahrheit in der kommunalen Entsorgung unternommen werden sollen. Es kann daher nicht "unzumutbar" oder "unvertretbar" sein, für die Inanspruchnahme lokaler Umweltdienste den Preis einzufordern, der - annähernd - die Opportunitätskosten der Nachfrage widerspiegeln soll. Die Zurückweisung der über Gebühren offenbarten Kosten steht dabei in merkwürdigem Kontrast zu allfälligen Forderungen nach mehr Umweltschutz in den Bereichen Abwasser und Abfall. Eine explizite "soziale Staffelung" von Entsorgungsgebühren bleibt dagegen bislang im Dunkeln und ist ernsthaft nicht eingefordert wor202 Dazu bereits Barocka 1960; Seeger 1976; Windemuth 1978; Menger 1977; Gern 1984; Schmid 1985; Rogosch 1987; Brückmann 1988; Reinhard 1992.

IV. Der Gebührentarif

195

den. Hierzu besteht nach ökonomischen Kriterien - w1e dargelegt - auch keine Veranlassung. Die in der Literatur vertretene These, Probleme sozialer Tarifierung von Benutzungsgebühren seien zumindest im Bereich der hier diskutierten kommunalen Entsorgung vernachlässigbar, da hier keine explizit sozialen oder distributiven Zielsetzungen verfolgt würden und entsprechende Forderungen bislang nicht artikuliert worden seien, was durch die traditionell hohen Kostendeckungsgrade der Entsorgungshaushalte unterstrichen werde, 203 greift allerdings in gewisser Weise zu kurz: Denn hierbei wird in wenig überzeugender Weise von der gesellschaftlich akzeptierten Sozialindifferenz kommunaler Entsorgungsentgelte herkömmlichen Zuschnitts auf die mutmaßliche sozialpolitische Relevanz ökologisierter Gebührenkonzeptionen geschlossen. Soweit dieser Konzeption jedoch eine deutliche Steigerung der Gebührenhöhe durch konsequente Ausrichtung an Gegenwartswerten und Einbeziehung externer Werteverzehre bei gleichzeitiger Orientierung an äquivalenztheoretischen Maßstäben der Anlastung immanent ist, gewinnen Entsorgungsgebühren hierüber u. U. erstmals einen auch sozialpolitisch relevanten Stellenwert. 204 So kann es nicht verwundern, daß in der Diskussion um ökologisierte Gebühren bereits Grenzen aus Gründen der "sozialen Vertretbarkeit" eingezogen werden.205 Dies ändert zwar nichts an der hier vertretenen Position, sollte aber eine offensive Auseinandersetzung auch mit sozialen Effekten nahelegen, bevor Rufe nach Ermäßigungen für Mehr-Personen-Haushalte oder benachteiligte Landgemeinden unter Hinweis auf sozial- oder regionalpolitische Gründe eine wirksame Ökologisierung nachhaltig erschweren oder verhindern.

203 So Bals I Nölke

1990, S. 205 f.

1994, S. 50 ff. 1989, S. 451. Ähnlich auch Chantelau I Möker 1989, S. 51, die es für

20-4 Ähnlich auch Meyer·Renschhausen

205 So Hock I Krähmers

"bedenklich" halten, "wenn soziale Umstände wie Kinderreichtum" zu höheren Gebührenlasten im Abwasser- und Abfallbereich führten.

D. Allgemeine Aspekte ökonomisch rationaler Entgeltpolitik: Das Gebühreninstrumentarium als Hebel gesamtwirtschaftlicher Ressourcenverantwortung?

Nachfolgend sollen zentrale ökonomische Aspekte einer (insbesondere ökologisch) lenkenden Gebühr, wie sie sich aus der vorangegangenen finanzwissenschaftliehen Gebührenanalyse ergeben haben, einer vertieften Diskussion zugeführt werden. Bevor daher im nachfolgenden Kapitel E. die kalkulatorische Basis ökonomisch rationaler Kommunalentgelte näher betrachtet werden soll, bietet sich anschließend zunächst Raum, grundsätzliche konzeptionelle Probleme einer gesamtwirtschaftlichen Ausrichtung kommunaler Gebühren zu erörtern. Hierzu zählen im wesentlichen die Fragen, wie sich der hier primär verfolgte Maßstab gesamtwirtschaftlicher Knappheit für die Gebührenbemessung im Zielkonflikt mit anderen kommunalen Entgeltabsichten behauptet (Abschnitt D.l), wie insbesondere die im Abgabenzusammenhang grundsätzlich problematische Zusammenführung von Finanzierungs- und Lenkungszwecken in der Gebührenfrage gelöst werden kann (Abschnitt D.II), welche Rolle die solchermaßen bestimmte Gebühr im Konzert anderer, mit gleicher Zielrichtung eingesetzter pretialer und nicht-pretialer Instrumente gerade im Umweltbereich noch übernehmen kann (Abschnitt D.III), ob internalisierende Abgabenzwecke im Formenkleid kommunaler Benutzungsgebühren adäquat wahrgenommen werden können (Abschnitt D.IV) und schließlich wie es um den beabsichtigten Lenkungseffekt ökologisierter Gebühren vor diesem Problemhintergrund letztlich bestellt sein wird (Abschnitt D.V).

I. Das Knappheitspostulat im Zielkonflikt

197

I. Das Knappheitspostulat im Zielkonflikt 1. Vorbemerkungen

Mit der Betonung gesamtwirtschaftlicher Knappheitsindikation und ökologischer Ressourcenschonung als Funktion der Gebührenbemessung und Gebührenerhebung bleibt zunächst die Stellung gegenüber anderen Bepreisungsabsichten und den darin zum Ausdruck kommenden, zum Teil miteinander konkurrierenden Leitbildern einer ökonomisch rationalen Entgeltgestaltung im Kommunalabgabenbereich fraglich. Anders gewendet, stellt sich hier die Frage der Gewichtung einzelner Zwecksetzungen im Rahmen einer grundsätzlich offenen Ziel- und Funktionsbestimmung gemeindlicher Entgeltinstrumente. Das Knappheitsparadigma kann offensichtlich nicht die alleinige Richtschnur der Gebührensetzung abgeben; die Deutung kommunaler Entsorgungsleistungen als gebührenpolitisches "Bepreisungsfeld" hat vielmehr deutlich werden lassen, daß kommunale Entgeltabgaben zum Fokus unterschiedlicher Preissetzungsabsichten werden, deren Systematisierung und Gewichtung eines übergeordneten Maßstabes sowie einer transparenten Entscheidungsfindung bedarf.

2. Konkurrierende Leitbilder einer ökonomisch rationalen Entgeltgestaltung

Auf die Frage, woran sich die Gestaltung kommunaler Entgelte grundsätzlich ausrichten soll, sind - wie dargestellt - je nach öffentlichem Zielsystem theoretisch vielfältige Antworten möglich und diese in der Praxis entsprechend auch in sehr unterschiedlicher Form gegeben worden. Es liegt auf der Hand, daß einzelne Vorstellungen über die jeweils "richtige" Entgeltbestimmung divergierende Auffassungen über Ziele und Funktion öffentlicher Leistungserstellung und der hierzu eingesetzten Betriebseinheiten reflektieren und mit je unterschiedlicher Unterstützung in aktuellen verfassungsund kommunalabgabenrechtlichen Sollsätzen rechnen können. Wenn aber in der gegenwärtigen Umbruchphase einer grundsätzlichen Neubestimmung kommunaler und hoheitlicher Gestaltungsaufgaben in Verwaltung und Umweltschutz an das Kommunalabgabensystem vielfältige und z. T. widerstrebende Anforderungen aus dem gesellschaftlichen Raum herangetragen werden, die von unterschiedlichen Leitbildern über Aufgabe und Stellung öffentlicher Daseinsvorsorge im kommunalen Bereich gestützt werden, erscheint es hilfreich, sich zunächst über die konkurrierenden Ge-

198

D. Gebühren als Hebel für Ressourcenverantwortung?

staltungsprinzipien als Leitbildern einer angemessenen ("richtigen") Bemessung von Entgeltabgaben zu vergewissern und die im Rahmen dieser Untersuchung verfolgte Orientierungslinie hierzu in Beziehung zu bringen.

a) Finanzwirtschaftlich: Die Refinanzierungs-Perspektive Die kommunale Gebührenpolitik versteht sich traditionell in erster Linie als ein Refinanzierungsinstrumentarium für gemeindliche Einrichtungen, das erfahrungsgemäß kaum mit lenkungs- oder umweltpolitisch relevanten Verursachungskriterien in Einklang zu bringen ist. Kommunale Entgeltabgaben sind somit oftmals auf die Deckung bereits entstandener Entsorgungskosten etwa im Abwasser- oder Abfallbereich fixiert. Die Gebühr erscheint hier in klassischer Form als "finanzwirtschaftliche Größe", der "in erster Linie" an der "verwaltungsexternen Ressourcenfinanzierung" 1 gelegen ist. Das finanzwirtschaftliche Leitbild der Entgeltgestaltung ist damit als statisch zu charakterisieren: Die Gebühr übernimmt hier die Aufgabe, einen kommunalen Refinanzierungsbedarf, der durch das Engagement der Gemeinde im Interesse der Gebührenschuldner ausgelöst wurde, im Wege der Abgabenerhebung im Kreise dieses Kollektivs zu decken. Im Rahmen dieser Vergütungsperspektive historischer Vorleistungen der Gemeinde kann es folgerichtig nur auf eine ausgabenorientierte Rechnungslegung ankommen, denn das Ziel der Gebührenerhebung besteht in diesem Falle nur darin, durch die Übernahme kollektiver Daseinsvorsorge keine Einbußen ihrer Vermögensposition zu erleiden; ebenso scheiden Vermögensmehrungen als Folge des Mittelrückflusses aus. In einer häufig gebrauchten Wendung der anwendungsorientierten Literatur ist entsprechend auch davon die Rede, daß die Gemeinde durch die Gebührenerhebung langfristig "weder ärmer noch reicher" werden solle.2 Als adäquates Kalkulationsinstrumentarium erscheint hier eine streng ausgabenorientierte, pagatarische Kostenorientierung der Gebühr mit einem strikt ausgelegten Kostenüberschreitungsverbot. Im Rahmen dieser Gebührenvorstellung sind folgerichtig verschleierte Überschüsse, verdeckte Gewinnerzielungen oder bedenkliche Querfinanzierungen zugunsten des allgemeinen Gemeindehaushalts unzulässig und dem so verstandenen Wesen 1 Budäus 1978, S. 364. 2 So etwa Brüning 1990a, S. 25.

I. Das Knappheitspostulat im Zielkonflikt

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der (Refinanzierungs-) Gebühr widersprechend. Die nicht enden wollende Auseinandersetzung im Schrifttum um verdeckte Gewinnerzielungen,3 "überstrapazierte" Gebührenerhebungen4 und mißbräuchliche Einnahmeerzielungen legt von der starken Besorgnis Zeugnis ab, die Gebühr könne über die Mittelbeschaffung der betroffenen Einrichtung hinaus weitere fiskalische Aufgaben übernehmen und so den Gebührenschuldner formenmißbräuchlich zur Finanzierung allgemeiner Haushaltszwecke heranziehen. Der Widerstand gegen die inkriminierten "Kostenüberschreitungen" speist sich dabei aus der Überzegung, daß die Gebühr ausschließlich der Abgeltung öffentlicher Bedarfe für die im Rahmen der jeweiligen Einrichtung getätigten Ausgaben verpflichtet sei. Diese Sichtweise führt naturgemäß auch dazu, daß die Gemeinden die Einholung vorausinvestierter Mittel durch Umlage auf das Gebührenschuldnerkollektiv unter Hintanstellung ambitionierter Maßstäbe der Verursachungsgerechtigkeit bei der Anlastung und statt dessen unter besonderer Beachtung des Prinzips der Erhebungbilligkeit betreiben. Beispielhaft sei hier die hartnäckige Weigerung angeführt, Abwassergebühren auch nur Minimalstandards individuell vertretbarer Kostenzurechnung anzunähern. 5 Bemerkenswerterweise werden hier Ansprüche an Äquivalenzstrenge und Kostenzurechnung im individuellen Verursachungszusammenhang stark gelockert, die gegenüber vermeintlichen Kostenüberschreitungen der Einrichtung insgesamt in scharfer Form eingefordert werden: Denn beabsichtigt ist gerade nicht die Überbringung eines zielgerichteten preislichen Signals an die Nutzer gemeindlicher Einrichtungen, sondern vorrangig eine möglichst erhebungsbillige Einholung volumenmäßig allerdings korrekt abgegrenzter Mittelbindungen zugunsten des Nutzerkollektivs, welche lediglich grobe Mißverhältnisse zwischen empfangener Leistung und veranschlagter Gebührenschuld im Rahmen des Äquivalenzprinzips ausschließen muß. Von einer mit der Unterverteilung bereits entstandener Finanzierungslasten betrauten Gebühr können dabei keine präventiven Anreizsignale mehr erwartet werden; dem tragen auch traditionelle Tarifgestaltung und Gebührentatbestände insoweit durchaus konsistent Rechnung. Für eine allgemeine lenkungs- oder eine spezielle umweltpolitische Instrumentierung der Gebühr besteht im Rahmen dieser Konzeption mithin kein Platz; Umweltpolitik ist 3 So jüngst erneut Brüning 1994.

4 Reichstein 1989. 5 Exemplarisch hierfür die von Doose 1981 referiene Stellungnahme der ATV, in der elaborienen Kostenzurechnungsmaßstäben sämtlich unter Verweis auf angeblich mangelnde Praktikabilität und hohen Vollzugsaufwand eine Absage eneilt und auf dem gerichtlich zugestandenen Verzicht auf verursachungsgerechte Anlastung insistien wird.

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D. Gebühren als Hebel für Ressourcenverantwonung?

nach dieser Vorstellung wohl grundsätzlich außerhalb des Kommunalabgabenrechts zu betreiben.6 Diese Gebührenauffassung hat sich freilich in ihrer strengen Fixierung auf pagatarische Ersatzleistungen der Gebührenschuldner als wirtschaftlich unhaltbar und kommunalpolitisch kontraproduktiv erwiesen, da ein starres Festhalten an historischen Wertansätzen etwa gerade einen langfristig steigenden Zuschußbedarf der kostenrechnenden Einheit durch den allgemeinen Gemeindehaushalt impliziert? Der Einsicht in die Unzulänglichkeiten einer auf die finanzwirtschaftliche Funktion der Gebühr reduzierten pagatarischen Entgeltbemessung folgte zunächst die Weiterentwicklung des Kommunalabgabenrechts zur Maßgeblichkeit "betriebswirtschaftlicher Grundsätze" im Rahmen der Kommunalrechtsreform Ende der 60er/Anfang der 70er Jahre. Betriebswirtschaftliches Denken verstand sich danach als Abkehr vom Korsett eines kameralistischen Gebührenwesens zugunsten des in der BWL aufgekommenen wertmäßigen Kostenbegriffes und seiner zielorientiert lenkenden Ausrichtung. Die "betriebswirtschaftlichen Grundsätze" in den Kommunalabgabengesetzen der Länder haben freilich die finanzwirtschaftliche Gebührensicht nicht verdrängen können und stehen ihr gegenüber bis heute in einem letztlich ungeklärten Spannungsverhältnis zwischen einer als finanzwirtschaftliche Rechnungsgröße gedeuteten Gebühr und einem offen ressourcenlenkenden Kostenpreis. 8

b) Betr)._~•>wirtschaftlich: Die Kapitalerhaltungs-Perspektive Im Rahmen betriebswirtschaftlicher Gebührenkalkulation erstarken Kommunalentgelte zu echten kalkulatorischen Kostenpreisen, die auf der Grundlage eines wertmäßigen Kostenverständnisses 9 nicht mehr länger bloß getätigte Ausgaben der Gemeinde auf den Nutzerkreis zu verteilen bestrebt sind, sondern die der öffentlichen Einrichtung entstehenden Kosten zu erfassen und entgeltmäßig in Rechnung zu stellen beabsichtigen. Dem wertmäßigen Kostenbegriff ist die zielgeleitete Ressourcenlenkung bereits immanent, wobei die "Refinanzierung" in der Regel zur Substanzer6 So spricht P. Kirchho/1993, S. 3, bezeichnenderweise sogar grundsätzlich davon, benrecht und Umweltrecht [ ...]kaum thematische Berührungspunkte [haben]." 7 Vgl. nur

daß"Abga-

Giesen 1980, S. 129.

8 Statt vieler siehe Budäus 1978, S. 364; Eifert 1970, S. 149 ff.; Eichhorn 1971, S. 39 ff. 9 Hierzu ausfürlieh in Abschnitt E.II.

I. Das Knappheitspostulat im Zielkonflikt

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haltung als betriebliche Zielsetzung weiterentwickelt wird. Dies bedeutet, daß Kosten so zu bemessen sind, daß ihre Verrechnung in der Gebühr die Sicherstellung der jeweils angestrebten betrieblichen Zielsetzung (z. B. Substanz- oder Kapitalerhaltung) gewährleistet. Neben der grundsätzlichen Öffnung der Gebührenbedarfsberechnung für spezifische kalkulatorische Zwecksetzungen werden damit auch dynamische Entgeltgestaltungen ermöglicht, die sich von historischen Wertansätzen und pagatarischen Eingrenzungen der Kosten lösen. Damit einherzugehen hatte die Weiterentwicklung kameraler Rechnungslegungsfarmen in Richtung auf eine leistungsfähige Kostenrechnung, die eine von Ein- und Ausgang von Geldmitteln gelöste Kostenerfassung , eine periodengerechte Zuordnung von Erfolgsgrößen sowie interne Verrechnungen interdependenter Leistungsverflechtungen im Gemeindehaushalt10 ermöglicht. Auch wenn sich - speziell bei kleineren Gemeinden - die Leistungsfähigkeit des kommunalen Rechnungswesens von modernen Kostenrechnungsanforderungen noch weit entfernt darstellt, gilt doch als Minimalforderung eine "erweiterte kamerale Rechnungslegung", die die wichtigsten Kostengrößen jenseits des (pagatorischen) gemeindlichen Vermögenshaushalt zu erfassen in der Lage ist.ll Die betriebswirtschaftliche Perspektive weist je nach Reichweite des wertmäßigen Kostenbegriffs zudem einen bemerkenswerten Übergangsbereich zu gesamtwirtschaftlichen, d. h. überindividuell angelegten Rechnungslegungsperspektiven auf: Im Rahmen der sog. "gemeinwirtschaftlichen" Betriebswirtschaftslehre werden die Unzulänglichkeiten einer auf einzelwirtschaftlich-betriebliche Rechnungszusammenhänge begrenzten Problemsicht der Kostenermittlung diskutiert, gesamtwirtschaftlich orientierte Extensionen der betrieblichen Rechnungslegung propagiert und die freiwillige Einbeziehung sozialer Kostenbestandteile in den einzelbetrieblichen Kalkulationszusammenhang erwogen.12 Allerdings bleiben derartige Überlegungen akademisch und eher spekulativ; die h. L. verzichtet dessenungeachtet regelmäßig auf die kalkulatorische Transzendenz des einzelwirtschaftlichen Rechnungslegungshorizontes. Damit bleibt das betriebswirtschaftliche Rechnungswesen praktisch auf betriebliche Zielsetzungen hin zentriert.

10 Dazu Brückmann 1989, S. 385; ders. 1991, S. 141; Langenbrinck 1993, S. 71 f. 11 Hierzu näherE. Zimmermann 1984. 12 Hierzu näher in Abschnitt E.ll.

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D. Gebühren als Hebel für Ressourcenverantwortung?

c) Volkswirtschaftlich: Die Ressourcenlenkungs-Perspektive Der volkswirtschaftliche Kostenbegriff überwindet hingegen die Beschränkung auf individuale lnzidenzsphären: U nahhängig von den räumlichen und zeitlichen Bedingungen des Kostenanfalls (wo, bei wem und wann treten Folgekosten einer ökonomischen Aktivität auf?) werden einer ökonomischen Aktivität sämtliche mit ihr einhergehenden Ressourcenverbräuehe angelastet. Diese können beim Nutzer einer Ressource selbst und in der betreffenden Entscheidungsperiode, aber bei diesem auch zu einem späteren Zeitpunkt, bei anderen Wirtschaftssubjekten sofort oder bei Dritten erst in der Zukunft eintreten: Über den Einsatz von Gütern und Faktoren kann volkswirtschaftlich "richtig" nur disponiert werden, wenn der erwarteten Nutzenstiftung sämtliche, jetzt oder später, beim Disponenten oder bei extern betroffenen Dritten hierdurch ausgelösten Nutzenentgänge gegenübergestellt werden können. Der volkswirtschaftlich-ökologische Kalkulationsansatz mit seinen Komponenten der überindividuellen und supratemporalen Vollständigkeit (voller Sozialkostenausweis), des Opportunitätsprinzips (Wertmaßstab des Ressourcenverbrauchs sind jeweils entgangene Nutzungsmöglichkeiten) und der Zeitnähe (Maßgeblichkeit der Wertansätze zum Zeitpunkt der Ressourcendisposition) strebt die Gewährleistung einer optimalen Ressourcenallokation an, indem auch eine an volkswirtschaftlichen Gesamtkosten orientierte Gebühr ausdrücklich allokative Preisfunktionen übernimmt. Als entscheidungsrelevant sind dabei marginale Kasten-Nutzenveränderungen durch Aufnahme oder Unterlassen einer wirtschaftlichen Aktivität anzusehen; die prominenteste, aus dieser Problemsicht abgeleitete Kalkulationsregel stellt folglich die Forderung nach Ausrichtung privater und öffentlicher Entgelte an den vollständigen langfristigen Grenzkosten ("Grenzkosten-Preis-Regel" 13) dar. Bei Gütern mit einem von Null verschiedenen Öffentlichkeitsgrad, deren Konsum oder Herstellung also mit externen Effekten einhergehen, kann dem Postulat der Beachtlichkeit sozialer Gesamtkosten - je nach institutionellen Entgeltvoraussetzungen -grundsätzlich auf zwei Wegen Geltung verschafft werden: -Soweit eine entgeltliche Bereitstellung des mit sozialen Kosten verbundenen Gutes noch gar nicht erfolgt, d. h. knappe Güter institutionell als frei verfügbar ausgebeutet werden (z. B. Luftnutzung), können Entgelte 13 Einführend hierzu Blankart 1986; ausführlicher hierzu siehe die Ausführungen in Kap. C.

I. Das Knappheitspostulat im Zielkonflikt

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im Wege hoheitlicher Administration erstmals in voller Höhe gesetzt werden. - Soweit jedoch bereits ein entgeltliches privates oder öffentliches Angebot besteht, kommen Formen der Preiskorrektur in Betracht, d. h. das bisher kalkulierte Entgelt wird um externe Zusatzeffekte der Leistungsinanspruchnahme entsprechend nach oben (oder unten) korrigiert. Im Falle kommunaler Benutzungsgebühren werden definitionsgemäß derartige Preiskorrekturen angebracht sein. Allerdings hat die bisherige Diskussion bereits deutlich gemacht, daß eine einfache additive Beziehung zwischen "privat kalkuliertem Basisentgelt" und "administriertem sozialem Surplus" nicht existiert. Das Allokationsziel wird sich vielmehr in einem komplexen Zielkatalog einfügen müssen, der eine simple additive Entgeltsynthese aus einzelnen Zielbeiträgen nicht gestattet. Zudem sind auch unter dem volkswirtschaftlichen Knappheitsparadigma durchaus unterschiedliche Ansätze der Preiskorrektur auszumachen: -Zur optimalen Verteilung gesamtwirtschaftlicher Ressourcen auf unterschiedliche und miteinander rivalisierende Verwendungsarten müssen auch (kommunale) Umweltgüter mit jenen Knappheitsfolgen belastet werden, die mit der individuellen Nutzung verbunden sind. Eine allokationsoptimierende Kommunalabgabe hätte daher die Funktion, die über die einrichtungsbezogenen Bereitstellungskosten hinausgehenden volkswirtschaftlichen bzw. sozialen Zusatzkosten der privaten Indienstnahme des Öko-Kapitalstocks zu internalisieren. Die Abgabe bliebe dabei an eine (erweiterte) Kostendimension gebunden; sie wäre insoweit ein monetäres Äquivalent für den volkswirtschaftlichen Werteverzehr und die volkswirtschaftlichen Opportunitätskosten des jeweiligen Ressourcenverbrauchs. -Die Nutzung von Umweltgütern kann aber auch mit einer Abgabe belastet werden, um das Verbraucherverhalten bewußt nach politischen Zielvorstellungen zu verändern, also die private Nachfrageentfaltung in bezug auf ökologisch sensible Ressourcen zu steuern. Eine solche Lenkungsabgabe hätte z. B. die Funktion, die bisherigen Nutzungsmengen insgesamt zu verringern (wassersparende Maßnahmen, Abfallmengenpolitik, Reduzierung der Schadstoffeinleitung), die Nutzungsstruktur zu beeinflussen (Wahl abfallwirtschaftlicher Entsorgungspfade) oder qualitativ bedenkliche Nutzungsformen einzuschränken. Allgemein bestünde die Aufgabe also darin, nach Maßgabe politisch fixierter Ziele im privatwirtschaftliehen Bereich geeignete Substitutionsprozesse zu induzieren. Die Abgabe löst sich daher zunächst von den Kosten öffentlicher Leistungen und - mangels exakter Kenntnis - auch von den volkswirtschaftlichen

D. Gebühren als Hebel für Ressourcenverantwonung?

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Kosten der Abwasser- und Abfallbewältigung. Sie muß sich vielmehr an den betriebswirtschaftliehen Substitutionskosten orientieren, um Lenkungserfolge möglich zu machen. Die Abgabepflicht beabsichtigt damit im Rahmen eines theoretischen Internalisierungsansatzes die Anlastung bislang externer Sozialkosten, die mit der individuellen Umweltnutzung für assimilative und depositive Zwecke einhergeht. Auch wenn eine im theoretischen Sinne vollständige Internalisierung aufgrund informationeHer Beschränkungen nicht zu leisten ist und die Umweltpolitik zu lenkenden Rechtfertigungsansätzen übergegangen ist, die lediglich die Einhaltung politisch fixierter Qualitätsziele anreizen sollen, so kann aus diesem paradigmatischen Wechsel keineswegs geschlossen werden, daß Internalisierung als Spürbarmachen überindividueller Folgelasten eigenen Handeins für die Umweltpolitik damit obsolet wäre. Als Maßstab für Intensität und Reichweite des hoheitlichen Verknappungseingriffs hat sich die Internalisierung damit zwar verabschiedet, 14 nicht jedoch als richtungweisendes Leitbild grundlegender umweltpolitischer Orientierung.15 Dies kommt bereits in der unverrückbaren Verankerung des Verursacherprinzips in der Umweltpolitik zum Ausdruck. Obgleich beide Konzepte inhaltlich eng verwandt sind und sich insbesondere zunächst nur über das Ausmaß informationeHer Problemlösungskapazität staatlicher Allokationsinstanzen unterscheiden (marktendogene oder staatliche Zielbestimmung), ergeben sich doch in praktischer Konsequenz weit auseinanderfallende Kalkulationsverfahren und Entgeltausrichtungen. Hierbei stellt sich zugleich das Problem des Wechsels der Begründungszusammenhänge: Eine um die Einbringung sozialer Werteverzehre bemühte Entgeltkalkulation bleibt kostenbezogen und fügt sich zumindest formal in den äquivalenztheoretischen Begründungszusammenhang der Entgeltabgaben. Ein an der pretialen Induktion politisch erwünschter Verhaltensweisen ausgerichtetes Gebühreninstrumentarium büßt diesen KostenNexus weitgehend ein und bemißt sich allenfalls entgelt-technisch an privaten Substitutionskosten. Soziale Kosten verflüchtigen sich hier zur pauschalen Legitimationsquelle einer demeritorisierenden Allokationspolitik, bieten aber keinen kalkulatorischen Maßstab mehr. Es stellt sich daher angesichts der praktischen Irrelevanz des strengen Internalisierungs-Ansatzes die Frage, ob an der Fiktion einer unbedingt "kostenechten" Kalkulation festzuhalten ist, die den Kostenbegriff weniger inhaltlich als vielmehr methodisch-abgabetechnisch vor dem Hintergrund tra14 Hierzu jüngst zusammenfassend 15 Ebenso

Endres 1994, S. 30 ff.

Streissler 1993.

I. Das Knappheitspostulat im Zielkonflikt

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dierter finanzwirtschaftlicher Vorstellungen in kaum konsensfähiger Weise überdehnt. Es erscheint hilfreicher, für die kalkulatorische Behandlung der Gebühren auf ein Kostenäquivalent zugunsten des offenen Eingeständnisses lenkender Spielräume zu verzichten. Das Insistieren auf volkswirtschaftlichen Kostenäquivalenten lenkungspolitisch motivierter Gebührenaufschläge mag legitimationsbegründend wirken und einer tradierten Gebührenauffassung entgegenkommen, ihm droht freilich zugleich ein kontraproduktiver Glaubwürdigkeitsverlust, wenn traditionelle Erwartungen an Konkretisierung und Kalkulierbarkeit von Kostengrößen dabei enttäuscht und letztlich an politische Entscheidungsträger delegiert werden müssen. Diese Position ist überdies mitnichten gleichbedeutend mit der Freigabe der Gebühr als kommunaler Einnahmequelle oder der Überantwortung eines traditionellen Entgeltinstrumentariums an politische Opportunitäten unter Hintaostellung der Interessen der Gebührenzahler. Mit der Lösung von einer strengen Kostenorientierung wird vielmehr zugleich ein offener Diskurs über alternative Formen des Gebührenschuldnerschutzes und der Mißbrauchsabwehr in Gang zu setzen sein. Hierbei kommen sowohl Verwendungauflagen als auch klare gesetzliche Zieleingrenzungen und Kalkulationsvorgaben in Betracht. In allen Fällen gilt freilich, daß der moderne Phänotyp der "lenkenden Gebühr" 16, die weniger an der Zurechnung individuell verursachter einrichtungsbezogener Ressourcenverbräuche (Refinanzierung) als vorrangig an der Überbringung eines pretialen Signals zum Zwecke der Verhaltensbeeinflussung nach staatlichen Vorstellungen (Lenkung) interessiert ist, zwar zunehmend anerkannt wird, 17 aber freilich unverändert der Dominanz hergebrachter finanzwirtschaftlicher Zielsetzungen gegenüber steht, die das Gebührenverständnis weiter prägen. Volkswirtschaftliche Kalkulationsansätze finden bislang keine Stütze im kommunalen Abgabenrecht der Gebühr sieht man von der eher deklamatorischen Anerkennung tatsächlicher Lenkungswirkungen einmal ab; wo sich auf das Lenkungspotential von Entgeltabgaben gestützte gestalterische Absichten erkennen lassen, bleibt das Abgabenrecht jedoch weiter skeptisch.18 Die Erweiterung des gegenwärtig auf "betriebswirtschaftliche Grundsätze" verpflichteten Gebührenbegriffs um gesamtwirtschaftliche Kosten- und 16 Dazu insbesondere Kloepfer 1972, S. 232-275. 17 Siehe nur Kloepfer 1972, S. 232 ff.; G. Clausen 1978, S. 202 f.; Weber 1990, S. 133 ff.; F. Kirchhof1981, S. 131 ff.; K. Meßerschmidt 1986, S. 115; Rogosch 1985, S. 105; Wilke 1973, S. 303 ff.; Wendt 1975, S. 65 ff. 18 Hierzu ausführlich Kap. F.

D. Gebühren als Hebel für Ressourcenverantwortung?

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Lenkungsmaßstäbe wird uns zunächst in Abschnitt E.II unter dem Gesichtspunkt der Vereinbarung beider Rechnungssysteme sowie in Kapitel G. mit Blick auf die implementationspolitischen Konsequenzen für das Kommunalabgabenrecht der Länder erneut beschäftigen.

d) Politisch: Die Opportunitäts-Perspektive Unzulänglichkeiten hergebrachter Kalkulationsgebarung im gemeindlichen Angebotsverhalten haben schließlich auch zu Forderungen nach Ablösung tradierter betriebswirtschaftlicher Kalkulationsformen zugunsten einer zielseitig offenen, explizit politischen Kalkulation von Gebühren und Beiträgen geführt.19 Soweit hiermit nicht lediglich die Beschreibung effektiver politischer Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen realiter regelmäßig unterbestimmter Rechnungssysteme20 oder die grundsätzliche Anerkennung politisch lenkender Absichten bei der Entgeltbemessung gemeint ist (Gebühr als auch "politischer Preis"),2 1 folgen derartige Vorstellungen einer Reform des Kommunalabgabenwesen unter politisch-ökologischen Vorzeichen offensichtlich einem "Opportunitätsprinzip der Entgeltgestaltung"; denn die Bezugnahme auf herkömmliche Bewertungs- und Kalkulationsmethoden wird weitgehend abgelehnt, da hiermit ein ökologisch kontraproduktives Anbieter- und Preissetzungsverhalten sowie eine kommunalpolitisch als beschränkend wahrgenommene Verkürzung von Handlungsspielräumen einhergeht. Geht diese Kritik in der Analyse der Schwachstellen bisheriger Kommunalentgeltpolitik mit der zuvor skizzierten volkswirtschaftlich-ressourcentheoretischen Perspektive weitgehend konform, so wird im Rahmen politischer Ökologie jedoch auch auf den Versuch einer Neufundierung der Abgabenpolitik verzichtet und an ihrer Stelle die Öffnung des abgabenrechtlichen Instrumentariums für kommunalpolitische Gestaltungsvornahmen unter ökologischen Vorzeichen gefordert. Politisches Dafürhalten im demokratisch legitimierten kommunalen Entscheidungszusammenhang übernimmt nach dieser Vorstellung die ökologische Ressourcenverantwortung, welche eine regelgebundene Rechnungslegung herkömmlichen Zuschnitts nicht zu leisten imstande ist.

etwa bei Huter I Lahl I Zeschmar 1985. Hierzu exemplarisch für die Abwasserbeseitigung Rudolph I Geliert

19 So 20

21 Dazu umfassend Hansmeyer I Fürst

1968.

1988.

li. Lenkungs· und Finanzierungszwecke der Gebührenerhebung

207

Aus dem Erfordernis einer notwendig politischen Vorgabe der Ziele kommunaler Ver- und Entsorgungsleistungen wird dabei jedoch auch in unzulässiger Weise auch auf die daraus abzuleitende Kalkulationsgebarung geschlossen. Die Gefahren eines solchen Ansatzes liegen auf der Hand, wenn die Gebührenkalkulation zum Hebel politischer Opportunitäten im Kommunalbereich denaturiert. Im Rahmen der hier vorgelegten Untersuchung soll statt dessen die ursprüngliche Refinanzierungperspektive nicht verworfen, sondern in eine neue Positionsbestimmung der kommunalen Benutzungsgebühr eingebunden werden. Dies bedeutet zunächst Anerkennung der finanzwirtschaftliehen Perspektive als eigenständiger Zielkomponente; zugleich Fortführung der wertmäßigen Kostenlehre als universell verwendbares und hoch entwickeltes methodisches System der betrieblichen Rechnungslegung. Diese "Kalkulationsmodule" sind freilich im Zielkanon mit volkswirtschaftlicher Ressourcenlenkung zu vereinen und neu zu justieren. 22 Daß dabei gewiß zugleich auch neue politische Handlungsspielräume eröffnet werden, soweit eine kalkulatorische Konkretisierung in Einzelfällen nicht hinreichend möglich ist, bleibt hiervon unberührt.

II. Lenkungs- und Finanzierungszwecke der Gebührenerhebung 1. Das Finanzierungspotentiallenkender Abgaben als Gestaltungsproblem

Der lenkende Einsatz von Abgaben, d. h. die gezielte Indienstnahme pekuniärer Anreize der Abgabenerhebung zur Verhaltenssteuerung der zur Zahlung Verpflichteten weist hoheitlichen Abgaben neben oder gar noch vor der Einnahmeerzielung neuartige Zweckbestimmungen zu, die sich untereinander in einem gewissen Spannungsverhältnis befinden. Lenkende Abgaben übernehmen damit - unabhängig von ihrer jeweiligen Schwerpunktsetzung und von irrelevanten Randlösungen, etwa der "erdrosselnden" Abgabe, einmal abgesehen - grundsätzlich eine duale Funktion: Einer "Verhaltensempfehlung" der Abgabe (= Lenkungsaspekt) steht die Androhung eines Vermögensnachteils für den Fall der Nichtreaktion gegenüber,

22 Zum Verhältnis von volks-und betriebswirtschaftlicher Kosten- und Gebührenanschauung im Rahmen des heir verfolgten Ansatzes näher unter E.l.

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D. Gebühren als Hebel für Ressourcenverantwortung?

die zu öffentlichen Einnahmen führt (= Finanzierungsaspekt).23 Die pekuniär übermittelte Verhaltensempfehlung (als Alternative zum sanktionsbewehrten Verhaltenszwang) konfligiert dabei nicht nur zielseitig mit aufkommensorientierten Erfordernissen, sie macht auch eine abweichende Ausgestaltung der Abgabe hinsichtlich Bemessungsgrundlage, Tarif und Erhebungsverfahren erforderlich. Diese Dualität stellt zunächst ein generelles Problem von Wirkungszweckabgaben (insbesondere Umweltabgaben) dar; speziell bei Gebühren anders als bei klassischen Umweltlenkungsabgaben-erscheint dies aber auch aus ökonomischer Sicht nicht irrelevant, da hier die Finanzierungsfunktion anerkannt und für die Abgabenbemessung essentiell ist (Refinanzierung, Vermeidung von Defiziten etc.). Der Konflikt zwischen Verhaltenslenkung und Mittelaufbringung stellt sich im Falle der Entgeltabgaben anders dar als in der diesbezüglich breit diskutierten Steuerfrage24: Nicht die Besorgnis einer evtl. als Ergebnis erfolgreicher Lenkungswirkung eintretenden Erosion der Bemessungsgrundlagen und damit schwindender Aufkommenswerte, sondern der mögliche Konflikt zwischen verfassungs- (Äquivalenzgebot) bzw. landesrechtlich (Kostendeckungsprinzip) normierten Finanzierungsvorgängen und den Gestaltungsnotwendigkeiten einer u. a. ökologischen Abgabenpolitik steht hierbei im Vordergrund. 2. Zum Problem der Vereinnahmung von Knappheitsrenten

In dem Maße, wie vermittels einer nach lenkenden Maßstäben ausgerichteten Entgeltpolitik der Gemeinden öffentliche Einnahmen entstehen, die nicht mehr oder nur zum Teil durch Aufwendungen der öffentlichen Hand gedeckt sind, sich vielmehr über andere gebührenbegründende Kostenfaktoren legitimieren (externe Effekte, Knappheitskorrekturen, Lenkungsziele), übersteigt das Gebührenaufkommen die Kosten der öffentlichen Leistungabgabe im traditionellen gebührenrechtlichen Sinne. Ökonomisch betrachtet werden auf diesem Wege Knappheitsrenten privater Umweltnutzer abgeschöpft, die dadurch entstehen, daß die Indienstnahme ökologischer Ressourcen unterhalb ihres volkswirtschaftlichen Wertes (Schattenpreis) möglich ist. Die öffentliche Vereinnahmung von Knappheitsrenten ist als finanzierungstechnisches Spiegelbild der allokativ beab23 Zu dieser in der juristischen Sicht gepflegten Sichtweise statt vieler Meßerschmidt 1986. In der Sprache der Wirtschaftswissenschaft wäre hier von Substitutions· und Einkommenseffekten der Abgabeerhebung zu sprechen. 24 Hierzu ausführlich Bergmann I Ewringmann 1989; Hansmeyer I Ewringmann 1990; Zimmermann 1994; Hansjürgens 1995b.

ß. Lenkungs- und Finanzierungszwecke der Gebührenerhebung

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sichtigten Preiskorrektur anszusehen. Die auf diese Weise erlösten "freien", da für die Gemeinde ohne Einsatz ihres Vermögens zustande gekommenen Einnahmen stellen freilich vor dem Hintergrund der traditionellen Gebührenauffassung und ihrer kommunalabgabenrechtlichen Reflexe ein erhebliches Problempotential dar: Ein traditionell imparitätisch ausgelegtes Kostendeckungsprinzip als striktes Kostenüberschreitungsverbot, jedoch bloß gestattendes Kostendeckungsgebot dürfte einer derartigen Kalkulation "über Kosten" (in der hier gewählten Terminologie: "über Einrichtungskosten") besonders kritisch gegenüber stehen (Lehre von der gleichzeitigen Ober- und Untergrenze des Kostendeckungsprinzips25). Nun dürfte exakt hierin politisch der besondere Charme einer ökologisch orientierten kommunalen Entgeltpolitik begründet liegen. Knappheitsrenten abschöpfende Gebühren vermögen nicht mehr nur - wie noch im Rahmen weiter betriebswirtschaftlicher Kostenauffassungen (Wiederbeschaffungszeitwerte etc.) - im wesentlichen temporäre Finanzierungseffekte auszulösen, sondern führen vielmehr dauerhaft und endgültig zu Einnahmen, denen auch zukünftig keine Verpflichtung zur Reinvestition, Ersatzbeschaffung oder allgemeiner Substanzerhaltung kommunaler Einrichtungen gegenübersteht. Da in der gebührenpolitischen Diskussion immer wieder kritisch auf "Finanzierungseffekte" des Kalkulationsgebarens kostenrechnender Einrichtungen für den allgemeinen Gemeindehaushalt Bezug genommen wird, 26 bedürfen diese Finanzierungswirkungen aufgrund ihrer neuartigen Qualität besonderer Vorkehrungen. Sofern man zunächst davon absieht, die auf dem Ökologisierungswege kommunaler Entgeltpolitik im Gebührenhaushalt anfallenden gesamtwirtschaftlichen Zusatzkosten und Knappheitsrenten durch entsprechende Dehnung des betriebswirtschaftliehen Kostenbegriffes im Sinne "gemeinwirtschaftlicher Wirtschaftlichkeit" 27 als kostendeckende Einnahmen zu deklarieren, so bleiben nur noch haushaltswirtschaftliche Sonderregelungen, um dem besonderen Charakter der Einnahmen adäquat Rechnung zu tragen. Denn es liegt auf der Hand, daß es nicht darum gehen kann, die diesbezügliche Einnahmeerzielung zu verhindern: Die Richtigstellung des relativen Preisgefüges erfordert eine entsprechende administrative Entgeltkorrektur, die mit zusätzlichen Mittelabschöpfungen im privaten Sektor und anschließender Etatisierung in Rechnungszusammenhang öffent25 Dazu exemplarisch Langenbrinck 1993, S. 39; Brückmann 1991, S. 39. 26 Siehe u. a. Budäus 1978; Seüer 1978; Gornas I Bornhalm 1990. 27 Hierzu ausführlicher in Abschnitt E.II. 14 Gawel

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D. Gebühren als Hebel für Ressourcenverantwonung?

licher Haushalte zwingend einhergeht. Die Einnahmeentstehung ist daher ökonomisch nicht zu inkriminieren; wohl aber können mit Blick auf die Verwendung der so erlösten Mittel traditionelle Überlegungen des Gebührenschuldnerschutzes Platz greifen. 28 Da Kostendeckungsregeln, Äquivalenzprinzip und Gewinnerzielungsverbote keinen Selbstzweck verkörpern, sondern für die den hoheitlich statuierten Zahlungspflichten Unterworfenen Schutzcharakter entfalten und überdies eine im öffentlichen Interesse liegende Regulierung staatlicher Leistungabgabe vornehmen sollen, erscheint es verfehlt, den skizzierten Konflikt in der Weise zu lösen, daß zum Zwecke von Gebührenschuldnerschutz und öffentlicher Regulierung auch dann noch an überkommenen Verfahrensnormen festgehalten wird, wenn deutlich wird, daß diese einen geziehen Einsatz des Gebühreninstrumentariums für umweltpolitische Zwecke vereiteln. Daß auf diese Weise kommunale Vorzugslasten auf lokale Umweltgüter als gleichsam prädestinierte Umweltabgaben auch angesichts der ökologischen Herausforderung kaum umweltpolitisch einsetzbar anmuten, mag man ökonomisch zunächst bedauern. Ob aber auch die rechtliche Würdigung sich hiervon unbeeindruckt zeigen kann und "die Vorzüge des Preismechanismus nicht die Fiktion staatlicher Leistung" bei der Nutzung von Umweltgütern rechtfertigen29 oder ob dieses Negativergebnis vielmehr Veranlassung geben sollte, die rechtliche Gebührendogmatik zu überdenken und eine offen lenkende "Ressourcennutzungsgebühr" anzustreben,3° darf hier zunächst offen bleiben und wird in Kap. F. näher untersucht. Aus finanzwissenschaftlicher Sicht gilt es vielmehr, den Schutzabsichten der lenkungskritischen Regelungen auch unter einem volkswirtschaftlichen Gebührenverständnis angemessen Rechnung zu tragen. Die Bewältigung ökologischer Risiken über den Preis kann dabei nicht gleichgesetzt werden mit willkürlicher Abgabenlast, vor der zu bewahren sich die Gebührenprinzipien traditionellerweise anheischig machen: Die Instrumentalisierung der Gebühr ist durch den öffentlichen Auftrag zum Umweltschutz und die Existenz sozialer Nachteile angesichts individueller Umweltnutzung hinreichend legitimiert. Es erscheint daher sinnvoll, den Konflikt mit traditionellen Finanzierungsregeln durch deren Anpassung an die Notwendigkeiten 28 Dies gilt selbstverständlich bereits für die Bestimmung der Höhe einer "ökologischen Zusatzgebühr". 29 Trzaskalik 1992, S. 144; der Autor bezeichnet denn auch "ökonomische Vorstellungen[ ... ] in diesem Zusammenhang" als "wenig hilfreich" (ebenda). 30 So Murswiek 1994.

ill. Gebühren im Policy Mix

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lenkender Indienstnahme kommunaler Entgeltabgaben zu lösen. Der Gefahr einer Denaturierung zur verkappten Kommunalsteuer mit weitreichendem Steuererfindungs- und -gestaltungsmöglichkeiten der Gemeinden könnte einerseits durch Verwendungsauflagen, andererseits durch konkrete gesetzliche Zieleingrenzungen und Kalkulationsvorschriften grundsätzlich entgegengewirkt werden.

111. Ökologisch lenkende Gebühren im umweltpolitischen Policy Mix 1. Problemstellung

Es wurde im Verlauf der bisherigen Darstellung wiederholt darauf aufmerksam gemacht, daß kommunale Entgelte im Regelfall keineswegs die einzige anreizvermittelnde Institution darstellen, sondern daß diese sich vielmehr in einem komplex strukturierten, multiinstrumentell besetzten Regulierungsumfeld zu behaupten haben.

Die anreizpolitische Interaktion mit anderen Instrumentarien kann zunächst danach unterschieden werden, ob die Gebühr als pretialer Hebel mit weiteren preislichen Steuerungsstrukturen zusammentrifft {Abschnitt 2.b) oder aber auf ordnungsrechtlich-imperative Steuerungsstrukturen stößt {Abschnitt 2.c), welche den Steuerungsspielraum entgeltpolitischer Maßnahmen regulativ begrenzen. Darüber hinaus erscheint jeweils beachtlich, in welcher Bepreisungs- und Steuerungsabsicht die Gebühr {partiell) durch Seiteneinflüsse berührt wird: Betrachtet man die systematische Ökonomisierung der Nutzung kommunaler (Umwelt-) Güter als zentrales Anliegen gemeindlicher Abgabenpolitik, dann rücken Probleme der Abstimmung und Verzahnung mit anderen Ansätzen der Ökonomisierung in den Mittelpunkt des Interesses. Daneben ergeben sich aber auch in den klassischen Gebührenfunktionen der Finanzierung eher traditionelle Konfliktfelder der Entgelterhebung, etwa in Gestalt des Nebeneinanders von Gebühren und Beiträgen bzw. von Gebühren und Zuweisungen; Gebühren präsentieren sich hierbei gleichsam in der "Fiskalkonkurrenz" {Abschnitt 3). Bleibt man zunächst bei anreizseitigen Policy-Mix-Problemen, so gilt, daß das Knappheits- bzw. Ökonomisierungsanliegen einer ökologisch orientierten Benutzungsgebühr in unterschiedlicher Form und Reichweite auch von bestimmten anreizorientierten Instrumenten kommunaler und überört-

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D. Gebühren als Hebel für Ressourcenverantwonung?

lieber Umweltpolitik verfolgt wird: Parallel zur Gebührendiskussion werden gerade im kommunalen Gewässerschutz, aber auch in der Abfallwirtschaft seit längerem, in jüngster Zeit jedoch verstärkt, verschiedene marktsteuernde Instrumente diskutiert, die eine Ökonomisierung der gemeindlich bzw. verbandlieh organisierten Abwasser-(Abfall-)Entsorgung gewährleisten sollen. Hierzu zählen einerseits Kompensations- und Lizenzkonzepte im Indirekteinleitungsbereich sowie andererseits die Ausdehnung der Abwasserabgabenpflicht auf Indirekteinleiter. Daneben ist auch ein zunehmender ordnungsrechtlicher Regulierungseifer im Bereich von Wasser- und Abfallrecht zu beobachten, der ebenfalls auf die Erfüllung ökologischer Schutzpflichten, die Erreichung umweltpolitischer Lenkungsziele sowie die (feil-) Internalisierung externer Kosten der Umweltnutzung gerichtet ist. Hier stellt sich bereits grundsätzlich die Frage nach den gebührenpolitischen und gebührenrechtlichen Implikationen derartiger Lenkungskonzepte auf das gegenwärtig praktizierte Kommunalabgabensystem. Angesichts der auf breiter Front in Gang gekommenen Diskussion um eine Umgestaltung des Kommunalabgabenwesens in Richtung auf ein effizientes Lenkungsinstrumentarium für die Entsorgungsdienstleistungen der Kommunen erhebt sich in zusätzlich die Frage nach der verbleibenden Lenkungsfunktion kommunaler Gebühren im Rahmen einer insoweit instrumentell diversifizierten dezentralen Umweltpolitik. Der Problemkreis soll nachfolgend am Beispiel der Abwasserentsorgung näher analysiert werden. Dabei soll der zuvor entwickelten allgemeinen Ökologisierungsperspektive, die die Gebühr als universelles ökonomisches Anreizinstrument einzusetzen trachtet, eine Perspektive gegenübergestellt werden, in der Maßnahmen umweltpolitischer Lenkung bereits weitgehend auf andere, nicht den Gebühren zuzurechnende Instrumente verlagert worden sind oder aber eine derartige Verlagerung u. U. beabsichtigt ist. In diesem Fall muß die Rolle einer gleichsam "ökologisierten Gebühr" neu überdacht werden.

2. Zur Anreizfunktion kommunaler Entsorgungsgebühren im Rahmen mischinstrumenteller (Umwelt-) Politik

a) Zum Steuerungsumfeld der Gebührdas Beispiel der Abwasserentsorgung Im Bereich der Abwasserentsorgung steht die Indirekteinleitung und damit das System kommunaler Kläranlagen als spezieller umweltpolitischer

m. Gebühren im Policy Mix

213

Regelungsbereich unter dem Einfluß vielfältiger und in ihrer Gesamtwirkung zunehmend schwer durchschaubarer Einflüsse umweltrechtlich-regulativer wie ökonomisch-anreizender Art {vgl. Abb. 4).31 Hierzu zählen neben der wasserrechtlichen Normsetzung, wie sie sich aus dem Wasserhaushaltsgesetz und nachgeordneten Rechtsvorschriften nach der 5. Novelle 1987 erstmals für den Indirekteinleiterbereich ergibt, auch das jeweilige kommunale Satzungsrecht. Neben diese ordnungsrechtliche Reglementierung von Einleitungen treten zusätzlich anreizende Effekte durch die kommunale Entwässerungssatzung, die die Nutzung von Kanalnetz und zentraler Abwasserbehandlungsanlage einer Gebühr unterwirft, sowie die auf Indirekteinleiter im Unterverteilungswege bereits jetzt weitergewälzten Abwasserabgabenanteile. Schließlich ist im Indirekteinleitungs-Bereich eine Diskussion um die Einführung von Marktinstrumenten in Gang gekommen, die ordnungsrechtliche Punkteingriffe durch dezentrale Abmachungen der Emittenten in mehr oder minder großem Umfang zu substituieren suchen {Kompensations- und Lizenzlösungen)32 oder einen ergänzenden pekuniären Anreiz setzen wollen (Indirekteinleiterabgabe). 33 GEWÄSSERGÜTEPOL. STEUERUNGSFORMEN IM INDIREKTEINLEITER- BEREICH ------! IMPERATIVÖKONOMISCHI I ANREIZENDER ART ORDNUNGSRECHTLICHER ART

-----

-----

zentrale wasserrechtliche Normsetzung gern. § 7a WIIG für gefährliche Stoffe

Entwässerungsdezentrale satzungsrechtliche u. Kanalgebühren Normsetzung

darunter: überwälzte AbwAbgabe auf Direktein Ieiter

Abwasset-. · .abgabe· · · au'flE

-----· Märkte für IE (Komp.,

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Abbildung 4: Steuerungsumfeld der Indirekteinleiter-Regulierung 34

Der nachfragelenkende Einsatz von Gebühren kann aus finanzwissenschaftlicher Sicht zwar als traditionelles Gestaltungsfeld kommunaler Ge31 Zum umweltrechtlichen Einflußrahmen im Indirekteinleiter-Bereich siehe van Mark I Gawel I Ewringmann 1992, S. 73 ff. 32 Siehe Schafhausen 1983; Kernper 1993, S. 294 ff.; Gawe/1991h, ders. 1992a; van Mark I Gawei.IEwringmann 1992; GawellvanMark 1993;Rehbinder 1994. 33 Siehe Gawel1992h; Gawel I Ewringmann 1994a. 34 Quelle: Gawel1992b, S. 501.

214

D. Gebühren als Hebel für Ressourcenverantwonung?

bührenpolitik gelten.35 Insoweit scheint die Renaissance der Gebühr als volkswirtschaftliches Lenkungsinstrument, wie sie sich gegenwärtig andeutet, durchaus das Bemühen um ökonomisch rationale Entgeltgestaltung widerzuspiegeln. Eine isolierte Betrachtung von Zielen und Wirkungen des traditionellen gebührenpolitischen Instrumentariums verbietet sich jedoch vor dem dargestellten kommunalen Regulierungshintergrund im Entsorgungsbereich von selbst: Denn im potentiellen Lenkungsfeld der Gebühr besteht ein zunehmend dichteres Geflecht an Wechselwirkungen mit teils flan· kierenden, teils konkurrierenden Eingriffsinstrumenten: Die öffentliche Aufgabenerfüllung bedient sich · auch wenn sie Leistungen von Gebührenhaushalten umfaßt · keineswegs nur pretialer Sanktionsmechanismen; neben die Gebühr treten in aller Regel andere einnahme- und ausgabepolitische Maßnahmen. So wird die Allokation knapper Ressourcen zur Sicherung einer bestimmten Umweltqualität nicht nur über kommunale Entsorgungs· einrichtungen und dafür erhobene Gebühren gesteuert. Im Gewässerbereich z. B. sind die Gemeinden als sog. Direkteinleiter ebenso wie die ihre Entsorgungsleistungen in Anspruch nehmenden Indirekteinleiter zugleich Normadressaten der staatlichen Ordnungspolitik, die Indirekteinleiter unterliegen zusätzlich den Vorschriften und Begrenzungen der Ortsentwässerungssat· zungen. Gerade die gebührenzahlenden Indirekteinleiter werden in immer stärkerem Maße · und zwar zwecks Bereitstellung bzw. Sicherung des gemischten öffentlichen Gutes "Gewässerqualität" · in staatliches Ordnungsrecht und damit in nicht-pretiale Allokationsmechanismen eingebunden: Ihre Reaktionen hängen nicht nur, vielleicht nicht einmal überwiegend von den Gebühren ab. Insoweit sind Gebühren selbst Bestandteil eines gemischten Instrumentariums. Die aktuelle Gebührendiskussion geht dessenungeachtet regelmäßig davon aus, daß die kommunale Benutzungsgebühr im jeweils betrachteten Ent· sorgungshaushalt das alleinige umweltpolitische Lenkungsinstrument darstellt, dessen Gestaltung ökologisch wirksame und ökonomisch effiziente Lenkungsergebnisse sicherzustellen habe. 36 Wenn und soweit aber andere als Gebühreninstrumente • seien sie regulativer (Ordnungsrecht) oder anreizen· der Art (marktsteuernde Ansätze) · bereits auf die Erzielung vorsorgender umweltpolitischer Lenkungsziele, den Schutz gefährdeter Güter oder die Internalisierung bislang externaler Kostenbestandteile gerichtet eingesetzt werden, büßen Gebühren ihre eigenständige Lenkungsfunktion ein. Sie werden dann im Umfang bereits "nebeninstrumentell" erbrachter Lenkungsaufgaben auf ihre ursprüngliche Finanzierungs- und Bereitstellungsfunktion re· 35 Statt vieler siehe Hansmeyer I

Fürst 1968; Wendt 1975. Vgl. Kap. C .

36 Für den Abwasserbereich siehe etwa Rudolph I Geliert 1988; BeckhoffI Münstermann 1990;

Hoppe 1990; OstholthoffI Nikulski 1990; Pecher 1992; Rudolph 1990; Steenbock 1990.

m. Gebühren im Policy Mix

215

duziert bleiben müssen. Eine isolierte Orientierung an einem volkswirtschaftlichen Effizienzmaßstab kann daher durchaus zu suboptimalen Ergebnissen führen. So darf die beabsichtigte systematische "Anreicherung" kommunaler Abwassergebühren um einleitungsbedingte Sozialkosten der Gewässernutzung37 nicht übersehen, daß ein konzeptionell wesentlich auf Anlastung externer Kosten gestütztes bundesrechtliches Instrument bereits existiert die Abwasserabgabe. Dem allokativen Ziel, im Wege hoheitlicher Benutzungsentgelte den gesamten volkswirtschaftlichen Ressourcenverzehr im Nutzungspreis zu verankern, darf dann aber nicht dadurch entsprochen werden, daß die kommunale Gebühr ohne Ansehen anderer pretialer Systeme preistheoretisch optimiert wird. Im Ausmaß lenkender oder internalisierender Beiträge der Abwasserabgabe ist der volkswirtschaftliche Lenkungsanspruch kommunaler Abgaben suspendiert. Geht man überdies davon aus, daß mit dem Übergabepunkt des Abwassers an den Vorfluter nicht nur die gewässergütepolitisch relevante "externale Sphäre" beginnt, sondern im wesentlichen auch zugleich die kommunale Gestaltungshoheit kompetenzrechtlich endet (Gemeindegrenze), so bleibt grundsätzlich für die Beachtung volkswirtschaftlicher Externalitäten kommunaler Einleitungen auf dem Gebührenwege kaum Spielraum. 38 Das Beispiel mag genügen, die Problematik gesteigerter allokativer Ansprüche an das Gebühreninstrumentarium im Rahmen institutionell komplex organisierter Umweltpolitik zu beleuchten.

b) Gebühren und andere Anreizverfahren im Spannungsfeld Die Implementation und Durchführung eines marktliehen Einleitungsmanagements im Abwasserbereich - sei es durch handelbare Emissionsrechte (Kompensationen, Lizenzen) oder durch Abgaben - ist mit der Ausgestaltung des jeweiligen Gebühren- und Finanzierungssystems der Gemeinde in zweierlei Hinsicht verknüpft: Einem Finanzierungsaspekt, der die Frage der Mittelaufbringung für den ordnungsgemäßen Betrieb von Kläranlage und Kanalnetz bei Einführung spezieller ökonomischer Lenkungsinstrumente umgreift, steht ein marktlieber Anreiz· oder Lenkungsaspekt gegenüber, der das individuelle Verhalten von Einleitern angesichts komplexer Anreizstrukturen beleuchtet. Die Komplexität erwächst dabei aus der gleichzeitigen Anbei Bals / Nölke 1990. 38 Hierzu ausführlicher unter D.IV.3.

37 So

216

D. Gebühren als Hebel für Ressourcenverantwortung?

wendung mehrerer Instrumente, die funktional zumindest partiell deckungsgleich konzipiert werden ("Ökologisierung", Lenkung). Als Folge ergibt sich insbesondere eine mehrfache Entgeltlichkeit der Kanal- und Systemnutzung durch Marktpreise/Abgabenpflicht und traditionelle Abwassergebühr. Kommunale Gebühren bilden damit einerseits Rahmenbedingungen für eine marktorientierte Umgestaltung des gemeindlichen Gewässerschutzes. Dies führt auf die Frage, in welcher Weise das bestehende Gebührensystem auf die Funktionstüchtigkeit paralleler Lenkungskonzeptionen einwirkt. Andererseits entfalten auch marktsteuernde Ansätze im Indirekteinleitungsbereich Einfluß auf die Notwendigkeit einer marktadäquaten Gestaltung des Kommunalabgabenrechts. Hier erhebt sich die Frage, wie ein marktfreundliches kommunales Gebührensystem jeweils instrumentenspezifisch auszusehen hat; dies kann an dieser Stelle freilich nicht weiter verfolgt werden.39

c) Gebühren und imperative (nicht-pretiale) Verfahren Das Spannungsverhältnis zwischen imperativer Umweltpolitik durch direkte Verhaltenssteuerung (Ge- und Verbote) und verbleibendem Anreizbeitrag durch pretiale Ansätze (z. B. Gebühren) ist in der Literatur bereits ausführlich diskutiert worden.40 In diesem Zusammenhang bieten vorzugsweise die kommunale Wasser- und Abfallwirtschaft41 hervorragendes Anschauungsmaterial für eine systematische Begrenzung des potentiellen Lenkungsfeldes einer Entsorgungsgebühr: Durchgehender Anschluß- und Benutzungszwang, satzungs- und landesrechtliche Mindestreinhaltevorschriften, verbindliche Entsorgungspfade u. a. m. begrenzen hierbei systematisch die Freiräume zu individueller Verhaltensanpassung an veränderte Preisund Knappheitssituationen. Pretiale Verfahren setzen grundsätzlich gewisse Freiheitsgrade der Abgabendestinatare voraus, sich unter dem Eindruck des Preissignals im Rahmen des individuellen Möglichkeitenraumes einzelwirtschaftlich optimal einzurichten. Soweit aber durch ordnungsrechtliche Rahmensetzung bereits die Entscheidungs- und Handlungsfreiheit der Gebührenschuldner stark ein39 Dazu ausführlicher Gawel1993. 40 So am Beispiel der Abwasserabgabe gegenüber dem Ordnungsrecht des WHG; siehe etwa Hansmeyer 1989; Gawel1991a, S. 84 ff.; Meyer·Renschhausen 1990. 41 Zu ökonomischen Interaktionen von Gebühren und "Auflagen" im Abfallrecht siehe z. B. Holm-Müller 1994.

m. Gebühren im Policy Mix

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geschränkt ist, läuft der Anreizimpuls des administrierten Entgelts leer, es bleibt insoweit bei lenkungsneutralen Entzugswirkungen. Anders gewendet bedeutet dies, daß eine Ökologisierung kommunaler Benutzungsentgelte nur sinnvoll anmutet, wenn zugleich sichergestellt ist, daß die ordnungsrechtlichen Rahmenbedingungen der kommunalen Entsorgungswirtschaft hinreichende Handlungsspielräume der Abgabendestinatare belassen, um einzelwirtschaftlich optimale Anpassungen an die Preissignale und ihre Veränderungen im Zeitablauf zu gewährleisten. Andernfalls droht der preisliche Hebel der Gebühr zu einem reinen Kaufkraft-Abschöpfungsinstrument zu denaturieren. In diesem Falle aber, da das Ordnungsrecht bereits sämtliche Anpassungszustände der wirtschaftlichen Einheiten vorausbestimmt hätte, bedarf es keinerlei lenkender Preisinstrumente mehr; die Gebühr könnte sich in einem derartigen Regulierungsumfeld auf ihre klassische Refinanzierungsfunktion beschränken. Allerdings darf nicht verkannt werden, daß es durchaus produktive Verschränkungen zwischen imperativer Rahmensetzung und preislicher Einzelsteuerung geben kann: Als Beispiel diene hier die Problematik (einzelwirtschaftlich) kostengünstiger illegaler Entsorgungswege, die jedoch gemeinwirtschaftlich als mit besonders hohen Sozialkosten befrachtet angesehen werden müssen: Hier helfen Anschluß- und Benutzungszwang in Verbindung mit einem allgemeinen Mindestbeitrag bei nur geringem (symbolischem) oder Null-Gebührentarif, der sozial erwünschten (gesamtwirtschaftlich kostengünstigsten) Entsorgung zur Durchsetzung zu verhelfen.42 Es bedarf daher der Betrachtung im Einzelfall, inwieweit die Verzahnung imperativer und pretialer Ansätze als allokationspolitisch jeweils gelungen bezeichnet werden kann.

3. Benutzungsgebühren in der Fiskalkonkurrenz

Kommunale Benutzungsgebühren stehen nicht nur anreizseitig, d. h. mit Blick auf ihre Lenkungs- und Internalisierungsfunktion im Spannungsfeld gemischt-instrumenteller Politikansätze; auch hinsichtlich ihrer ureigenen fiskalischen Funktion der Mittelaufbringung stehen sie neben anderen budgetären Finanzierungsformen. Hier sind vor allem Beiträge und Zuwendun-

42 Dazu näher in Abschnitt C.IV.2.e.

218

D. Gebühren als Hebel für Ressourcenverantwortung?

gen Dritter, hauptsächlich Landeszuschüsse und -Zuweisungen, anzusprechen.43

a) Gebühren und Beiträge Das Nebeneinander von Gebühren und Beiträgen wird in der kommunalwirtschaftlichen Praxis oftmals als Problem betrachtet.44 Zentrales Anliegen in diesem Zusammenhang ist die Vermeidung einer unangemessenen Bereicherung der Gemeinde, die für die gleiche Leistung sowohl Gebühren als auch Beiträge erhebt und damit den Nutzern eine Doppelbelastung aufbürde. Demgegenüber steht die bisher entwickelte theoretische Perspektive, derzufolge zwar Gebühren und Beiträge Finanzierungsalternativen für kommunale Leistungen darstellen, diese aber für wohlunterschiedene Leistungskategorien der ver- oder entsorgenden Gebietskörperschaft erhoben werden und daher bei sachgemäßer Abgrenzung keine Besorgnis der Mehrfachbelastung besteht. So wurden Beiträge in Kap. C., ihrer Definition entsprechend, als öffentlich-rechtlich geregelte Entgelte für besondere staatliche Leistungen an die Zahlungsverpflichteten, für deren Erhebung die Nutzungsmöglichkeit ausreicht,45 zur Abgeltung kapazitätsbereitstellungsbedingter Kosten der Gemeinde eingesetzt, wohingegen daneben Gebühren zur Abgeltung der konkret nutzungsabhängigen (Grenz-) Kosten traten. Ob es in der Praxis bisweilen der sachgemäßen Abstimmung beider Finanzierungsformen ermangelt, bedarf der Betrachtung im Einzelfall. Insbesondere bei der Abschreibungsverrechnung sind gewisse Konstellationen denkbar, die zu einer Doppelverrechnung und damit zu Kostenüberschreitungen führen. 46 Auch geraten Tarifspaltungen in Grund-/Mindest- und Arbeitspreis in die Nähe einer Differenzierung von Beitrag und Gebühr auf den gleichen Gebührentatbestand. 47 -43 Daneben werden in der Litreratur aber auch weitere finanzierende Formen diskutiert, die die Kostentragung durch die Leistungsabnehmer auch unter Durchbrechung des Verursacherprinzips vermindern, siehe z. B. Eichhorn 1981a, S. 120, oder Rudolph 1994, S. 455; hierher gehören auch rechtsformabhängige Zuschüsse, Steuerprivilegien oder Kalkulationsspiel räume, die das Kalkulationsergebnis bei gleicher ökonomischer Leistungsabgabe verzerren. -4-4 Hierzu u. a. Sander 1972; Bals 1973b; ders. 1975 Reimer 1975; Kog/in 1983; F. Zimmermann 1985; Giesen 1990. -45 So z. B. Bohley 1977a, S. 348. -46 Hierzu Abschnitt E.IV.l.

47 Dazu Abschnitt C.IV.2.e.

m. Gebühren im Policy Mix

219

Überdies werden "Gebühren" in der Praxis häufig der Definition und Abgrenzung zu Beiträgen nicht einmal gerecht. So weist etwa Brückmann zu Recht darauf hin, daß in vielen Fällen Entsorgungsgebühren aufgrund ihrer nutzungsabstrakten Bemessung eher als Oaufende) Beiträge zu bezeichnen wären, da sie eher auf Potentialität der Inanspruchnahme als auf eine effektive Nutzung abstellen48 bzw. bei nachgewiesener tatsächlicher Inanspruchnahme eher pauschal bepreisen und so die Grenzziehung verwischen.

b) Gebühren und Zuwendungen Hinsichtlich der Relevanz von Zuweisungen und Zuschüssen Dritter für die Gebührenkalkulation49 gilt zunächst die Zweckabhängigkeit der Mittelgewährung, d. h. es ist bei der Entscheidung, ob zuwendungsfinanzierte Investitionen z. B. nochmals gebührenerhöhend abgeschrieben werden sollen, auf den Zweck der Mittelvergabe abzustellen: Zwar lockert jede zuweisungsbedingte Gebührenermäßigung die Kostenverantwortung der Gebührenzahler für die von ihnen verursachten Knappheiten und könnten insoweit volkswirtschaftlichen Bedenken kostenechter Preise begegnen. 50 Allerdings kann die Gewährung zweckbezogener Zuschüsse gerade in der Verrechnung interkommunaler spill-over-Effekte oder der Dokumentation überörtlichen öffentlichen Interesses wurzeln und insoweit allokativen Zwecken dienen, die von der Gemeinde nicht mehr pretial zu korrigieren sind. Allokativ motivierte Zuwendungen stellen sich insoweit endgültig dar und sind gebührenmindernd an die Nachfrager kommunaler Leistungen weiterzugeben. Soll die Gewährung - wie dies überwiegend der Fall ist - distributiven Zwecken dienen und zwar die Gemeinde, nicht aber den Gebührenschuldner entlasten, so liegt es auf der Hand, daß nach der Vergabelogik eine Absetzung nicht in Betracht kommt. Dieser Entlastungseffekt ginge verloren, wäre die Gemeinde gezwungen, die empfangenen Zuwednungen über entsprechende Gebührennachlässe weiterzugeben. Hier stellt sich allerdings die Frage der Angemessenheit von Zweckzuweisungen für eine allgemeine Ent-

48 Brückmann 1991, S. 141. Beispiele für Abgaben, bei denen (hergebrachte) Bezeichnung und wirtschaftlicher Gehalt offensichtlich differieren, bietet mit Blick auf Gebühren und Beiträge auch Bohley 1977a. 49 Zum speziellen Problem der Baukostenzuschüsse in der Wasserversorgung siehe Giesen 1990. 50 So vehement Bals I Nölke 1990, S. 206 f.; ähnlich Langenbrinck 1993, S. 88; Brückmann 1991, 146.

s.

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D. Gebühren als Hebel für Ressourcenverantwortung?

lastung der Gemeinden;Sl für den hier verfolgten Zweck sind offenbar allgemeine Zuweisungen das adäquate Finanzierungsinstrument. Vor diesem Hintergrund sind nicht nur die Weitergabe in den Gebühren sondern vor allem auch die Vergabepraxis übergeordneter Gebetskörperschaften zu überprüfen. Damit gilt zusammenfassend, daß jede Zuweisung an die Gemeinden, die diese an die Gebührenschuldner gebührenermäßigend weiterreichen, zu einem öffentlichen Angebot "unter Kosten" führt und daher zunächst dem Anliegen gesamtwirtschaftlicher Kostenverantwortung widerspricht. Allerdings kann es gerade Zweck der Zuweisungsgewährung sein, diesen Zusammenhang aufzuheben - sei es, daß bereits allokativ Korrekturen an der kommunalen Rechnungslegung erforderlich sind oder für erforderlich gehalten werden, sei es, daß aus distributiven Gründen ermäßigend auf die Gebührengestaltung eingewirkt werden soll. In diesen Fällen kann es nicht Aufgabe der Gemeinden sein, die Absichten des Mittelgebers zu konterkarieren, indem die Mittel zwar vereinnahmt, nicht aber weitergegeben werden. Hier gehören vielmehr Vergabepraxis und Zuweisungsziele auf den Prüfstand einer ökologisch orientierten bzw. allgemein lenkenden Gebührenpolitik.

4. Fazit Das Bemühen um ökonomisch rationale und ökologisch effektive Gebühren darf nicht übersehen, daß Umweltpolitik mit kommunalem Zielfeld längst nicht mehr nur auf dem traditionellen Instrumentarium der Kommunalabgaben basiert. Vielfältige, mit den Gebührenfunktionen zum Teil konkurrierende Eingriffstatbestände wirken mittlerweile auf den Bereich gemeindlicher Entsorgungspolitik ein. Hierzu zählen insbesondere speziell zur Effektivierung und Effizienzsteigerung konzipierte marktsteuernde Ansätze im Gewässerschutz. Ihre Einführung macht eine sorgfältige Abstimmung mit dem bestehenden kommunalen Gebührensystem erforderlich. Neben der Frage, wie alternative Gebührensysteme auf die Funktionstüchtigkeit der jeweiligen Anreizinstrumente einwirken, bleibt auch zu klären, welche Reformanforderungen bestimmte ökonomische Instrumente an das gegebene Kommunalabgabenwesen herantragen. Auch büßt die gegenwärtig angestrebte Aufwertung der Gebühr als eigenständigem Lenkunsginstrument nachhaltig an Legitimation ein, sofern konzep51 Vgl. bereits Abschnitt C.III.2.

IV. Internalisierung als Kommunalaufgabe?

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tionell analog begründete Parallelabgabenverpflichtungen bereits bestehen oder geplant sind (z. B. Abwasserabgabe, Abfallabgabe). Daneben bleibt die "Fiskalkonkurrenz" alternativer kommunaler Finanzierungsformen entsorgungswirtschaftlicher Investitionen, d. h. die Abstimmung mit Beiträgen und Zuweisungen, ein Problem ökologisch orientierter Abgabenpolitik. Über die weitere Zukunft von Abfall- und Abwassergebühren wie auch aller anderen kommunalen Entgeltformen mit Umweltbezug sollte vor diesem Hintergrund nicht länger in einer isolierten, einzelinstrumentell orientierten Lenkungsperspektive diskutiert werden. 52 Dies gilt vornehmlich auch für den allgegenwärtigen, gebührenrechtliche Anreize überformenden Einfluß ordnungsrechtlicher Zugriffe.

IV. Internalisierung externer Kosten als dezentrale Kommunalaufgabe? 1. Überblick

Die bisherigen Überlegungen haben kommunale Benutzungsgebühren stets als hoheitliche Abgabeform gesehen, deren volkswirtschaftliche Preisfunktion zu stärken war. Dabei ergeben sich allerdings zwei Fragestellungen: Kommt das gesamtwirtschaftliche Lenkungsanliegen in der Abgabeform der Gebühr und - darüber hinaus - als Kommunalabgabe überhaupt in Frage? Die Antworten hierauf fallen aus ökonomischer und aus juristischer Sicht durchaus unterschiedlich aus. Soweit das Modell externer Effekte der Umweltnutzung als Leitbild der Entgeltbemessung dient, wird es darauf ankommen, zwischen intrakommunalen externen Effekten, d. h. Externalitäten mit örtlichem Wirkungskreis, und interkommunalen Effekten mit überörtlicher Inzidenz zu unterscheiden.

2. Ressourcennutzung als gebührenfähige Leistung?

Soweit im umweltökonomischen Zusammenhang pretiale Ansätze staatlicher Administrierung als Mittel der Umweltpolitik diskutiert werden, ist regelmäßig verallgemeinernd von "Abgabenlösungen" die Rede. Ohne auf 52

Hierzu bereits Gawe/1993; zustimmend Dahmen, in: Driehaus 1994, § 4 Rn. 56.

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D. Gebühren als Hebel für Ressourcenverantwortung?

die abgabentypologische Binnendifferenzierung zwischen Steuern, Vorzugslasten oder sonstigen Abgabeformen näher einzugehen, hat die ökonomische Theorie in diesem Zusammenhang zumindest anfänglich auch in unbefangener Weise vom Gebührenbegriff Gebrauch gemacht. 53 Die umweltökonomische "Abgabe" war damit im finanzwissenschaftliehen Sinne entweder als (Wirkungszweck-) Steuer ("Pigou-Steuer", tax) oder als Umweltnutzungsgebühr (charge) zu verstehen.54 Zwar geriet im Laufe der umweltpolitischen Abgabendiskussion mit der aufkommenden finanz- und steuerrechtliehen Abgrenzungs- und Kategorienlehre, die insbesondere den Typus der "Sonderabgabe" hervorgebracht hat, die Steuerlösung als Instrument zur Aufbringung allgemeiner Deckungsmittel mit zweifelhaftem Lenkungsanteil eher in den Hintergrund der Lenkungs-Diskussion und hat erst in jüngster Zeit als "Öko-Steuer" unter ausdrücklicher Betonung des Einnahmenziels erneut an Gewicht gewonnen. Unabhängig von der Tatsache, daß die ökonomische Theorie zunehmend zum allgemeineren Abgabenbegriff Zuflucht genommen hat, um der Überformung ihres theoretischen Entgeltkonzeptes durch juristisch-institutionelle Einnahmekategorisierungen zu entgehen, war aber die klassische, lenkende Umweltabgabe in der Wirtschaftstheorie stets auch als Gebühr vorstellbar. Daß die Theorie damit freilich auf die Betrachtung von Form- und Zweckdifferenzierungen hoheitlicher Einnahmen weitgehend verzichtet hat, erweist sich zwischenzeitlich zunehmend als Defizit, zumal die Rechtswissenschaft bereits umfangreiche Bemühungen um eine typologische Verortung Ienkungs- und umweltpolitischer Anliegen vorzuweisen hat. Diese formentypologische Zurückhaltung der Ökonomie mag durchaus verständlich erscheinen, da die Unterscheidung aus volkswirtschaftstheoretischer Sicht zunächst unerheblich anmutet und auch abgabenrechtlich insbesondere im anglo-amerikanischen Raum ohnehin keine Entsprechung findet. Zudem war anfangs auch der Phänotyp der Umweltsonderabgabe noch keineswegs hinreichend scharf konturiert, als daß sich eine Abgrenzung als erforderlich erwiesen hätte. Mit der Vorstellung einer nach ökonomischen Kriterien ja keines'' .gs "voraussetzungslosen" Mittelabschöpfung zu (umweit-) lenkenden Zwecken und der Deutung der Einräumung von Verfügungsrechten an Umweltressourcen als staatlicher Leistung - der Staat gleichsam als Sachwalter ökologischer Interessen der Allgemeinheit -liegt die Ausformung als Gebühr überaus nahe.

Siebert 1974; ders. 1976. Siebert 1976, der unter Abgabenlösungen Steuern und Gebühren subsumiert. Ähnlich auch der Sprachgehruch z. B. bei Cansier 1983. In der angloamerikanischen Literatur ist oh53 Siehe z. B. 54 So auch

nehin die Bezeichnung tax (neben charge) dominierend.

IV. Internalisierung als Kommunalaufgabe?

223

Die Frage also, ob eine lenkende Umweltabgabe klassischen Zuschnitts zweckmäßigerweise im Rechtskleid der Gebühr erhoben werden könne, wird ökonomisch daher grundsätzlich bejaht werden können.55 Allerdings wird dabei vorausgesetzt werden müssen, daß von Null verschiedene Opportunitätskosten der Nutzung vorliegen. Neuere finanzwissenschaftliche Ansätze zur Gebührenfähigkeit von Umweltdiensten gehen folgerichtig davon aus, daß nicht jede Umweltnutzungapriori einer Gebühr unterworfen werden könne. 56 Als Voraussetzung der Gebührenfähigkeit werden hierzu u. a. der Anfall von Opportunitätskosten bzw. das Vorliegen von Substitutionsund Ausweichmöglichkeiten genannt. Auch werden Umwelt-Leistungen, die primär der Allgemeinheit dienen und bei denen überwiegend ein öffentliches Interesse ("Gemeinwohl") wahrgenommen wird, mangels spezieller Entgeltlichkeit kaum als gebührenfähig anzusprechen seinY Von derartigen "Randfällen" einmal angesehen, dürfte aber speziell für die hier in Rede stehenden kommunalen Leistungen die Gebührenfähigkeit auch desjenigen Teils anzuerkennen sein, der auf die allgemeine Nutzungsgewährung lokaler Umweltgüter zurückgeht (Produktion von Abfall und Abwasser) und nicht die konkret erbrachte Entsorgungsleistung der gemeindlichen Einrichtung betrifft. Diese Vorstellungen treffen auf rechtswissenschaftlicher Seite freilich auf große Vorbehalte: Gestützt auf eine bereits seit längerem anhaltende Diskussion um die mögliche Formenlehre von Umweltabgaben58 wird die Gebührenfähigkeit klassischer Umweltlenkungsanliegen juristisch von der überwiegenden Mehrzahl der Autoren abgelehnt. 59 Das eher ökonomischen Vorstellungen zugerechnete "Entgeltmodell"60 der Abgabenpflichtigkeit von Umweltnutzjngen könne juristisch nicht ohne weiteres der Gebühr zugeordnet werden.61 Erst in neuerer Zeit finden sich vereinzelt abweichende Stimmen, die eine Gebührenauffassung fordern, die auch gegenüber umweltpolitisch lenkenden Zwecken Offenheit bewahrt.62 Die rechtliche Problematik soll freilich an dieser Stelle nicht weiter erörtert werden; auf sie wird an späterer Stelle in Kap. F. im Zusammenhang mit allgemeinen 55 So auch Bohley auch Voigt 1980.

1977, S. 5; Benkert I Zimmermann 1979; Hansjürgens 1992, S. 96. Ähnlich

Ewringmann 1987, S. 50 f. Reidenbach 1994, S. 51. 58 Siehe hierzu nur Meßerschmnidt 1986, Trzaskalik 1992; Weyreuther 1988. 59 Siehe hierzu den Schrifttumsüberblick bei Murswiek 1994. 60 Kloepfer 1975, S. 593. 61 Köck 1991, S. 150. 62 So z. B. dezidiert Murswiek 1994. 56 Siehe hierzu insbesondere Hansmeyer I 57 Ebenda; ähnlich auch Henkel I

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D. Gebühren als Hebel für Ressourcenverantwortung?

Rechtsproblemen ökologisch orientierter Kommunalabgabenpolitik zurückzukommen sein. Der zentrale juristische Einwand, daß der Abgeltung externer Nachteile die Eigenschaft staatlicher Gegenleistung abgehe, wird im Falle einer Gebühren erhebenden entsorgungspflichtigen Körperschaft besonders deutlich illustriert, schöpfte hier doch die Gemeinde aufgrund der spezifischen Nutzungs-Struktur zwischen Abfall-/Abwasser-Produzenten und (teil-) entsorgender Kommune gerade für eine ausdrückliche Nichtleistung gemeindlicher Einrichtungen Mittel ab: Da externe Nachteile nur soweit auftreten können, wie die gemeindliche Entsorgungsdienstleistung unvollständig bleibt (Teilreinigung des Abwassers, lediglich Transport, Sammlung und Verwahrung des Abfalls), führt die Vereinnahmung internalisierender Entgelte zu einer Abgeltung gerade nicht geleisteter Entsorgung. Die Gemeinde bietet im Rahmen der gesetzlichen Verpflichtungen regelmäßig unvollständige Entsorgungsleistungen an und beläßt bewußt einen "externen Rest", der jedoch ökonomisch den Verursachern ebenfalls anzulasten ist. Würde die Gemeinde beschließen, weitere Entsorgungsanstrengungen selbst vorzunehmen, so wären diese unbestritten als Teil einrichtungsbezogener Kosten gebührenfähig. Auf die (historisch zufällige und im Zeitablauf der Veränderung unterliegende) Aufteilung in hoheitlich zwangsweise bereits internalisierte und zur Zeit noch belassene Externalitäten kann es aber aus ökonomischer Sicht nicht ankommen: Da die Gemeinde insoweit als Sachwalterin öffentlichen Interesses auftritt, entscheidet sie zwar zunächst im Rahmen gesetzlicher Verpflichtungen darüber, in welchem Umfang sie selbst entsorgend tätig wird; an der Aufgabe, sämtliche externen Werteverzehre zu belasten, ändert dies freilich nichts.63 Es bleibt abschließend darauf hinzuweisen, daß die soeben diskutierte Problemstellung der adäquaten Einnahmeform lenkender Umweltabgaben nur einen Teilbereich der hier zu untersuchenden Ökologisierung kommunaler Entgelte berührt: Wie zu Anfang (vgl. Kap. B) herausgestellt wurde, sind vielfältige Formen denkbar, insbesondere gemeindliche Benutzungsentgelte als Mittel umweltpolitischer Gestaltung in Dienst zu nehmen. Soweit hierbei nicht nur ökologisch motivierte gebührengestaltende Maßnahmen (Tariffragen, Differenzierung der Gebührentatbestände etc.) ins Auge gefaßt, 63 Wohl aber stellt sich hier ein simultanes Entscheidungsproblem, da die dem Ausmaß gemeindlicher Entsorgungsaktivität angemessene Kapazitätsvorhaltung durch Anpassungsreaktionen privater Nutzer als Folge der zusätzlichen Internalisierungslast hinfällig werden kann, indem Vorreinigung oder Vermeidung die Nach- bzw. Entsorgung durch die Gemeinde insoweit erübrigen können- vgl. auch Bongarts I Kraemer 1986, S. 21.

IV. Internalisierung als Kommunalaufgabe?

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sondern substantielle Erweiterungen der gebührenpolitischen Bepreisungsabsichten angestrebt werden (Internalisierung externer Effekte, lenkungspolitischer Einsatz), steht die ökonomische Zweckmäßigkeit und rechtliche Zulässigkeit einer insoweit qualitativ veränderten kommunalen Benutzungsgebühr zunächst grundsätzlich in Frage. Daß diese Fragen insbesondere aus juristischer Sicht bislang überwiegend für "gebührennahe" Umweltabgaben diskutiert wurden, die sich im Sinne des klassischen allokativen Abgabenparadigmas ausschließlich lenkender bzw. internalisierender Absichten verschreiben, hindert nicht daran, diese Überlegungen fruchtbar zu machen für das Problem der Ökologisierung kommunaler Entgelte, bei denen entsprechende Bepreisungsabsichten neben die insoweit unverändert bestehen bleibenden klassischen n Benutzungsgebührenfunktionen der Refinanzierung, Kostendeckung etc. treten sollen. II

Während also zusammenfassend die Gebührenfähigkeit ökologischer Lenkungs- und Internalisierungsanliegen aus ökonomischer Sicht im wesentlichen unzweifelhaft erscheint, bleibt die Frage offen, ob eine pretiale Steuerung der Nutzung gemeindlicher Umweltgüter im Wege der Ökologisierung von Kommunalabgaben, d. h. örtlicher Abgabesysteme, angemessen erscheint.

3. Pretiale Lenkung der Ressourcennutzung durch Kommunalabgaben? a) Zentrale versus dezentrale Umweltpolitik Umweltpolitische Gestaltungskompetenzen sind nach Maßgabe der Verfassungs- und einfachgesetzlichen Kompetenzregeln auf die Gebietskörperschaften von Bund, Ländern und Gemeinden (sowie in zunehmendem Maße auf übernational-europäischer Ebene auf EU-Gremien) verteilt. Den Gemeinden kommt dabei in weiten Bereichen des Umweltschutzes eine unbestrittene Schlüsselrolle zu.64 Es fragt sich allerdings, ob die Zuordnung umweltpolitischer Entscheidungsgewalt auf die einzelnen föderalen Ebenen und damit der Gestaltungsbereich dezentraler Umweltpolitik aus ökonomischer Sicht befriedigend gelingt. Fragen dezentraler umweltpolitischer Aufgaben-

M Siehe hierzu beispielhaft Brandt 1981; Ahrens 1987; Hoppe 1990; Dippe/1995 aus juristischer sowie Kar/1989; Ebert 1992 aus ökonomischer Sicht. 15 Gawel

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D. Gebühren als Hebel für Ressourcenverantwortung?

erfüllung werden in diesem Zusammenhang traditionell aus politikwissenschaftlicher,65 ökonomischer66 und juristischer Sicht67 erörtert. Die folgenden Abschnitte versuchen nunmehr, ökonomische Kriterien dafür zu entwickeln, wie eine Aufteilung umweltpolitischer Kompetenzen zwischen verschiedenen gebietskörperschaftliehen Ebenen innerhalb eines föderalen Gemeinwesens vorzunehmen ist. Dabei soll nicht der gesamte gegebene Kompetenzrahmen gemeindlicher Umweltbefugnisse kritisch hinterfragt, sondern lediglich das bislang kaum oder gar nicht geregelte Problem der Internalisierung externer Kommunaleffekte vor dem Hintergrund ökonomischer Kompetenzkriterien betrachtet werden. Zweck der Überlegungen ist es, einen bislang kompetenzrechtlich offenen Bereich vor einer vorschnellen Verortung im gemeindlichen Entscheidungszusammenhang auf seine ökonomische Tauglichkeit für eine dezentrale Bewältigung hin zu überprüfen. Der theoretische Ansatzpunkt hierfür ergibt sich aus den Überlegungen der ökonomischen Theorie des Föderalismus. b) Theoretische Ansätze: Ökonomische Theorie des Föderalismus und Umweltpolitik Die Frage nach der optimalen Entscheidungsebene zur Lösung eines wirtschaftlichen Problems, d. h. nach der zweckmäßigen Zuordnung politischer Befugnisse auf verschiedene föderale Ebenen, tritt naturgemäß in nahezu allen Politikbereichen auf. In den sechziger Jahren hat sich zur Beantwortung dieser Frage eine allgemeine "ökonomische Theorie des Föderalismus" herausgebildet.68 Daneben werden in jüngster Zeit auch institutionelle Fragen der umweltpolitischen Kompetenzverteilung insbesondere in föderalen Strukturen verstärkt erörtert und damit Anwendungen speziell auf umweltpolitische Fragestellungen versucht.69 Mit Hilfe der ökonomischen Theorie des Föderalismus läßt sich u. a. zeigen, daß unter bestimmten Bedingungen die Übertragung von Kompetenzen von einer dezentralen auf eine zentrale Politikebene die Effizienz öffentli-

65 Siehe hierzu u. a. Hucke 1983; Götz 1980. Zur normativen und positiven Analyse von Kompetenzfragen in der umweltpolitischen Steuerung siehe auch Michelsen 1979. 66 Hierzu u. a. Ebert 1992; Wasserman 1992; Michelsen 1979. 67 Statt vieler siehe nur Hoppe 1990; Lübbe-Woljf1993. 68 Grundlegend hierzu Buchanan 1950; Musgrave 1959; Olson 1969. 69 Siehe dazu nach der frühen Arbeit von Michelsen 1979 in jüngster Zeit etwa Scheele 1993; Huckestein 1993; Klemmer I Werheck I Wink 1993, S. 17 und 52 ff.; Zimmermann I Kahlenborn 1994; Hansjürgens 1992, S. 216 f.; ders. 1995a; im Überblick auchfunkernheinrich 1995a.

IV. Internalisierung als Kommunalaufgabe?

227

eher Leistungsbereitstellung deutlich verringern kann.7° Dies kann darauf zurückgeführt werden, daß - unter der Annahme regional differierender Präferenzen - die zentrale Versorgung mit öffentlichen Leistungen die unterschiedlichen Präferenzen nicht ausreichend berücksichtigt und es somit zu einer Unter- bzw. Überversorgung einzelner Teilgruppen kommt. Eine solche suboptimale Allokation öffentlicher Leistungen läßt sich für reine öffentliche Güter, von deren Nutzung niemand ausgeschlossen werden kann, nicht vermeiden: Da das Angebot für jedes Individuum identisch gleich ausfallen muß, besteht keine Möglichkeit einer präferenzorientierten Individual- oder Gruppenzuweisung öffentlicher Leistungen. Wie zuvor dargestellt wurde, erfüllt hingegen die überwiegende Mehrzahl der hoheitlich bereitgestellten Leistungen die Voraussetzungen reiner öffentlicher Güter nicht; ihr Angebot kommt mithin nicht allen Bürgern gleichermaßen zugute. Aus finanzwissenschaftlicher Sicht sind die Zuständigkeiten für das Angebot dieser (teil-) öffentlichen Güter nach dem Grundsatz der fiskalischen .A"quivalenz aufzuteilen: Danach sollen die Nutznießer öffentlicher Leistungen auch zur Finanzierung dieser Leistungen herangezogen werden, und zwar vollständig und ausschließlich. 71 Damit wird dem tauschwirtschaftliehen Äquivalenzprinzip auf Gruppenebene genügt, da nur die Gruppenmitglieder, diese jedoch zugleich auch vollständig die Kostenverantwortung für die von ihnen artikulierten Güterwünsche zu übernehmen haben. Eine Externalisierung von Finanzierungslasten und damit ein ineffizientes Überangebot an öffentlichen Leistungen wird auf diese Weise verhindert. Stimmen Kosten- und Nutzeninzidenz der öffentlichen Güterbereitstellung hingegen nicht überein, so spricht man von spill-overs als räumlich gedeuteten externen Effekten zwischen Regionen bzw. den dort ansässigen Kollektiven. In diesen Fällen bleiben die (positiven oder negativen) Auswirkungen der Leistungserstellung nicht auf den Kreis der Finanzierer (Steuer-, Gebührenzahler) beschränkt. Die mit derartigen Effekten einhergehende staatliche Leistungsabgabe bleibt ineffizient, da gemessen an den regionalen Präferenzen bei externen Nutzen ein Unterangebot, bei externen Kosten hingegen ein Überangebot zu erwarten ist. Danach sollte auch bei der umweltpolitischen Entscheidungsfindung eine Kompetenzabgrenzung so erfolgen, daß Entscheidungsbefugnis und Kosten70 Siehe zu diesem Aspekt die Arbeiten von Buchanan 1950; Tiebout 1956; Rotbenberg 1970 und Oates 1972.

71 Siehe hierzu grundlegend Olson 1969; ausführlich auch Oates 1972. Für den Bereich kommunaler Umweltdienste bereits eingehend Brückmann 1986, S. 206 ff.

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D. Gebühren als Hebel für Ressourcenverantwortung?

Verantwortung bei den von (positiven oder negativen) Auswirkungen Betroffenen angesiedelt wird?2 Diese umweltpolitsche Äquivalenzregel umfaßt sowohl eine horizontale als auch eine vertikale Komponente: Danach sind Entscheidungsbefugnisse zunächst in der Weise abzugrenzen, daß die in den Zuständigkleitsbereich einer Gebietskörperschaft fallenden Umweltbelastungen keine Auswirkungen auf benachbarte Gebietskörperschaften entfalten (horizontaler Aspekt), zugleich aber auch dergestalt, daß jede Ebene die von ihr ausgelösten Umwelteffekte selbst zu tragen und zu verantworten hat und damit eine Abwälzung auf andere gebietskörperschaftliche Ebenen ausgeschlossen bleibt (vertikaler Aspekt)?3 Damit idealiter der regionale Wirkungskreis eines öffentlichen Gutes mit den Komptenzgrenzen einer entscheidungbefugten Einheit übereinstimmt, kann es bei rein lokalen Gütern mit ausschließlich örtlicher Inzidenz bei der Alleinverantwortung der Gemeinden bleiben. Sobald freilich die Wirkungen der Gutsbereitstellung über den Entscheidungshorizont des Kollektivs transzendiert oder umgekehrt das Kollektivgut nur einen Teil der betreffenden Entscheidungseinheit berührt, bedarf es aus allokativen Gründen einer Korrektur im komptenzrechtlichen Arrangement. Sieht man einmal von der utopischen Forderung der Theorie ab, "für jedes Kollektivgut mit spezifischem Wirkungsbereich eine separate Regierungsinstitution" 74 einzurichten, und mag auch die ebenfalls in der Theorie diskutierte Empfehlung, auf eine Kompetenz-Verlagerung auf die nächsthöhere Ebene abzusehen, soweit zwischen betroffenen Lokaleinheiten ein Interessenausgleich im Verhandlungswege erreichbar scheint,75 so bleibt in der Praxis nur die Wahl zwischen der Hinnahme institutionell unabdingbar erscheinender Verletzungen des Äquivalenzgebotes und der Verlagerung von Entscheidungsbefugnissen auf übergeordnete Ebenen bei Gefahr gravierender Allokationsverzerrungen. Obgleich daher theoretisch eine freiwillige Internalisierung noch vor einer Zentralisierung als Lösung überörtlicher Externalitäten-Probleme rangiert, da Zentralisierungen i. d. R. ebenfalls Verletzungen des ÄquivalenzPrinzips bedeuten, indem das nunmehr verantwortliche Kollektiv u. U. weit

72 Huckestein 1993, S. 332, spricht hier analog zum Olsonschen Fiskaläquivalenzprinzip von einem "Grundsatz ökologischer Äquivalenz".

73 Dazu auch Huckestein 1993, S. 333 f. 74 Olson 1969; hier zitiert nach der Übersetzung Olson, M.: Das Prinzip "fiskalischer Gleichheit" : Die Aufteilung der Verantwortung zwischen verscheidenen Regierungsebenen, in: Kirsch, G. (Hrsg.): Föderalismus, Stuttgart I New York 1977, S. 71. 75 So Coase 1960. Zur Internalisierung durch Verhandeln in diesem Zusammenhang auch Huckestein 1993, S. 335 f., und Ebert 1992, S. 100 f.

IV. Internalisierung als Kommunalaufgabe?

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über den ursprünglichen Kreis der Betroffenen hinausreicht,76 dürften derartige Lösungen realiter kaum zustande kommen können, da unlösbar scheinende Informations-, Zurechnungs- und Verhandlungsprobleme emen marktliehen Interessenausgleich über Externalitäten erschweren.77 Geht man daher im allgemeinen davon aus, daß "die Zentralität der Aufgabenwahrnehmung mit größer werdendem Wirkungskreis der Maßnahmen•78 zunehmen muß, so fragt sich, inwieweit dies für den Bereich kommunaler Umweltdienste relevant wird, sobald die systematische Einbeziehung externer Effekte ins Blickfeld gerät. Hierbei wäre danach zu unterscheiden, welche Reichweite jeweils dem ökonomische Wirkungskreis umweltpolitischer Aufgabenerfüllung zukommt. Hiernach kann - wie eingangs bereits herausgestellt - grob zwischen zwischen intrakommunalen externen Effekten, d. h. Externalitäten mit örtlichem Wirkungskreis, und interkommunalen Effekten mit überörtlicher Inzidenz unterschieden werden. Betrachtet man vor diesem Hintergrund die beiden hier im Vordergeund stehenden Entsorgungsb~reiche "Abfall" und "Abwasser", so kann der Wirkungskreis der Abfallentsorgung als überwiegend lokal, derjenige der Abwasserentsorgung hingegen mit seinen örtlichen Nah-, aber auch starken Fernwirkungen als maßgeblich überörtlich gekennzeichnet werden?9 Im Abfallbereich erscheint weitgehend sichergestellt, daß die Benutzer kommunaler Entsorgungssysteme mit dem Gemeindekollektiv identisch sind und daher zugleich für Betrieb und Finanzierung verantwortlich zeichnen, d. h. "der Personenkreis, der die Kosten, die durch die abfallpolitischen Maßnahmen entstehen, zu tragen hat, ist weitgehend identisch mit dem Kreis der Personen, der durch die Reduzierung der Entsorgungskosten Vorteile erhält."80 Allerdings wird dieser Zusammenhang naturgemäß bereits bei durch mehrere Gemeinden gemeinsam benutzten Abfallentsorgungsanlagen (Deponien, Verbrennungsöfen) gelockert: Führt hierbei eine Gemeinde verstärkt vermeidungsorientierte abfallpolitische Maßnahmen durch, so hat sie hierfür die entstehenden Zusatzkosten zu tragen; die sich dadurch ergebenden Nutzen freilich fallen allen am Entsorgungssystem beteiligten Gemeinden zu. Der Anreiz zu umweltpolitisch verantwortlicher Politik verflüchtigt sich

76 Huckestein 1993, S. 335.

77 Zur Diskussion der Transaktionskosten bei der Durchführung von "Verhandlungslö-

sungen" in der Tradition von Coase 1960 siehe exemplarisch Endres 1994, S. 33 ff., m. w. Nachw.

78 Ebert 1992, S. 98. 79 So auch Ebert 1992, S. 99 ff. 80 Ebert 1992, S. 99.

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D. Gebühren als Hebel für Ressourcenverantwortung?

entsprechend, da die Ökologisierungsdividende mit untätigen Dritten geteilt werden muß. Ähnliches gilt zunächst für den Abwasserbereich: Auch hier sind Nutznießer der lokalen Abwassersammlung und -entsorgung zunächst die Kostenträger der hierzu erforderlichen gemeindlichen Transport- und Behandlungsanlagen. Allerdings reichen die Nutzen der Abwasserreinigung weit über den Kreis der zur lokalen Entsorgung Verpflichteten hinaus: 81 Über die Weiterleitung im Vorfluter kommen sämtliche Unterlieger kostenlos in den Genuß entsprechend vorgereinigter Gewässer. Anders als im Abfallbereich führen die abwassertypischen Fernwirkungen zu systematischen spill-overEffekten, die Kosten- und Nutzenkreise u. U. stark auseinanderfallen lassen. Analog zur überörtlich organisierten Abfallbeseitigung kann dies freilich auch bereits für die Nahwirkungen der Abwasserentsorgung eintreten, soweit Verbände mehrerer beteiligter Kommunen eine gemeinsame Entsorgung betreiben; hierbei kommt es stets darauf an, wie im Binnenraum des überörtlichen Kollektivs Anreize zur Kostenverantwortung formuliert und durchgesetzt werden können. Festzuhalten bleibt zunächst, daß im Unterschied zur typischen Abfallproblematik - sieht man von Komplikationen gemeinsamer überörtlicher Aufgabenwahrnehmung zunächst ab - im Abwasserbereich bereits die unmittelbare lokale Entsorgung mit externen Effekten verbunden ist, die zu einer Zentralisierung zumindest der Reinhaltegütevorschriften Anlaß gibt, um unzulängliche Reinigungsanstrengungen einzelner Gemeinden zu unterbinden.S2 Aufgrund dieser Überlegungen lassen sich so für unterschiedliche Problemfelder optimale (De-)Zentralisierungsgrade der entsorgungspolitischen Aufgabenerfüllung annähern. Aus dieser Problemanalyse ergibt sich dann aber ebenfalls, wie mit den nach Durchführung der entsprechend zentral oder dezentral angesiedelten Entsorgung noch verbleibenden externen Effekten umweltpolitisch umzugehen ist: Wurden bislang Externalitäten der Entsorgungsvornahme betrachtet (Bau eines Klärwerks entlastet Unterlieger, einseitige Abfallvermeidung begünstigt andere deponiebetreibende Kommunen), so fragt sich nunmehr, wie die Externalitäten der unterlassenen Entsorgung komptenzräumlich verortet werden sollen. Soweit von verfüllten Deponien, dem Betrieb von Verbrennungsanlagen oder geklärtem Abwasser noch externe Nachteile ausgehen (Restschmutz, Luftverunreinigung, Grundwasserkontamination etc.), bedürfen diese ökonomisch der Internalisierung, um deren Urhebern den ge81 So auch Ebert 1992, S. 100. 82 Vgl. auch Ebert 1992, S. 100.

IV. Internalisierung als Kommunalaufgabe?

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samten gesellschaftlichen Werteverzehr ihrer Aktivität vor Augen zu führen. Bleiben diese externen Effekte kompetenzräumlich lokal (intrakommunale externe Effekte}, inzidieren die sozialen Nachteile folglich im Kreise der Gemeindemitglieder, etwa zu einem späteren Zeitpunkt oder als kollektive Last, so kann die Internalisierungsvornahme ebenfalls bei der Kommune angesiedelt bleiben. Reicht der Wirkungskreis der externen Nachteile über die Gemeindegrenze hinaus, d. h. sind die Effekte im wesentlichen überörtlich radiziert (interkommunale externe Effekte}, so bedarf es einer überörtlichen (zentralen} Problemlösung, um fehlenden Anreizen der einseitigen Selbstbelastung entgegenzuwirken. Weil mit dem Übergabepunkt des Abwassers an den Vorfluter nicht nur die gewässergütepolitisch relevante "externale Sphäre" beginnt, sondern im wesentlichen auch zugleich die kommunale Gestaltungshoheit kompetenzrechtlich endet (Gemeindegrenze), bleibt demnach grundsätzlich für die Beachtung volkswirtschaftlicher Externalitäten kommunaler Einleitungen auf dem Gebührenwege kaum Spielraum, da im wesentlichen sämtliche Abwasserexternalitäten überörtlich anfallen und damit als spill-overs die Gemeindegrenze überschreiten. Anders stellt sich der Fall jedoch bei innerörtlichen Externalitäten, etwa der Verknappung von Deponieraum im Abfallbereich dar (intertemporale externe Effekte): Hier erscheinen intrakommunale Internalisierungsaktivitäten (Berechnung von Knappheitspreisen der Abfallentsorgung} allokativ sinnvoll und auch anreizseitig unmittelbar durchsetzbar.

c} Praktische Probleme bei der Behandlung externer Effekte von kommunalen Umweltgütern Für überörtliche Externalitäten erscheint daher nach dem Prinzip fiskalischer Äquivalenz sinnvollerweise nicht die Urhebergemeinde zuständig; soweit eine Internalisierung im Verhandlungswege zwischen den Betroffenen aufgrund kaum lösbarer Informations-, Zurechnungs- und Transaktionskostenprobleme ausscheidet, kommt insoweit nur eine Zentralisierung der Problemlösung in Frage. Dieser theoretische Befund übersieht freilich in seiner Anreizanalyse die reale Entscheidungsstruktur der Gemeinden, die als Prinzipal-Agenten-Beziehung gedeutet werden kann:83 Nicht das Kollektiv unmittelbar müßte sich einer freiwilligen Internalisierung unterwerfen, was mangels Anreiz in-

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D. Gebühren als Hebel für Ressourcenverantwortung?

dividueller Rationalität widersprechen würde und in der Theorie Anlaß gibt, die Lösung auf höherer Ebene anzustreben. Vielmehr delegiert das Kollektiv als "Prinzipal" die Entscheidungsgewalt an politische und bürokratische Mandatsträger ("Agenten"), denen Anreize zu eigen sind, durch "freiwillige" Internalisierung freie Einnahmen zu erlösen, die zwar dem Gebührenschuldnerkollektiv angelastet werden, jedoch den eigene Dispositionsgewalt über budgetäre Ressourcen erweitern helfen. Die in diesem Zusammenhang bisweilen diskutierte umweltpolitische Lösung, daß der Externalisierungkonflikt nicht auf der nächsthöheren gebietskörperschaftlichen Ebene aufgehoben (Zentralisierung), sondern durch die Verursachergemeinde im Wege freiwilliger einseitiger Internalisierung (z. B. in der Benutzungsgebühr) gelöst werden könne, erscheint dennoch wenig überzeugend: Die kommunalpolitischen Anreize, dem eigenen Kollektiv externe Lasten aufzubürden, muten durchaus zweifelhaft an, auch wenn zu Lasten der Gebührenschuldner freie Einnahmen realisiert werden könnten. Wo dies "freiwillig" geschehen sollte, also im Ermessen des kommunalen Satzungsgebers stünde, dürfte ein kontraproduktiver Unterbietungs-Wettbewerb um interkommunal mobile Faktoren einsetzen - ein Wettbewerbsprozeß, der in der Theorie öffentlicher Güter als "Abstimmung mit den Füßen" zwischen Regionen unterschiedlicher lokaler Güterversorgung diskutiert wird. 84 Die Folge dürfte eine wettbewerblieh veranlaßte Tendenz hin zur Ausgangslösung des erneuten völligen Verzichts auf Zusatz-Ökolasten in der Gebührenhöhe sein ("Öko-Dumping"). Landesrechtlicher Zwang wiederum zum Ausweis der externen Kosten dürfte letztlich an der Operationalisierungsschwäche der Konzepte scheitern; der Dumping-Wettbewerb dürfte hier im Rahmen der Bewertungsspielräume der Gemeinden weitgehend unbehindert ablaufen können. Neben dem interkommunalen Wettbewerb um mobile Faktoren, etwa im Zuge der Standort- und Ansiedlungspolitik der Gemeinden, dürfte auch die Durchsetzung auf politischen Stimmenmärkten der Gemeinde zweifelhaft

83 Im Rahmen der Principal-Agent-Theorie werden üblicherweise vertragliche Marktbeziehungen als Verhältnis eines Ressourceneigners bzw. Auftraggebers (Prinzipal) und eines mit der Disposition beauftragten Agenten gedeutet; von der Aktivität des Agenten hängt das wirtschaftliche Ergebnis ab, das nach Maßgabe vertraglicher Bestimmungen zwischen beiden Partnern auf· zuteilen ist. Bei asymmetrischer Informationsverteilung gibt diese Problemsicht eine ~_echt universelle Theorie von Delegations· und Auftragsbeziehungen wieder. Hierzu im Uberblick Pratt / Zeckhauser 1985. 84 Hierzu grundlegend Tiebout 1956.

V. Zum Steuerungspotentiallenkender Gebühren

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erscheinen. Auch hier könnte eine Parteienkonkurrenz um Wählerzustimmung zu einem Schleifen des freiwilligen Öko-Surplus führen. Die in der Theorie diskutierten Anreizprobleme freiwilliger Internalisierung lassen sich daher für überörtliche Externalitäten letztlich kaum umgehen. Es erscheint daher zweckmäßig, ihre umweltpolitische Inangriffnahme dem Verantwortungsbereich der Gemeinden zu entziehen, wie dies im Gewässerschutzbereich mit der Abwasserabgabe ja bereits geschehen ist.

4. Zusammenfassung Aus ökonomischer Sicht wird die Gebührenfähigkeit kommunaler Umweltdienste grundsätzlich zu bejahen sein. Zweifel ergeben sich allerdings bei der Ansiedlung einer internalisierenden Umweltgebühr auf den einzelnen gebietskörperschaftliehen Ebenen. Dabei konnte aufgrund ökonomischer Kriterien der Theorie des Förderatismus herausgestellt werden, daß die kommunale Ebene für überörtliche spill overs (interkommunale Externalitäten) nicht als geeignet anzusehen ist. Als spezifisch kommunale Kompetenzräume zur Erhebung auch internalisierender Entgeltabgaben bleiben daher im wesentlichen örtliche (kommunale i. e. S.) Umweltaufgaben, deren (ökologische) Wirkungen noch im Entscheidungs- und Verantwortungsbereich der Gemeinde inzidieren.

V. Zum Steuerungspotentiallenkender Gebühren 1. Allgemeines

Soweit Anstrengungen unternommen werden sollen, nachfragelenkende Potentiale im Rahmen der Gebührenpolitik systematisch zu verstärken und auszubauen, so bleibt abschließend die Frage, inwieweit und unter welchen Bedingungen mit einem erfolgreichen, d. h. zielführenden Lenkungseinsatz von Entgeltabgaben im Kommunalbereich gerechnet werden kann. Nachdem zuvor ausführlicher das Warum und das Wie einer lenkenden, insbesondere ökologisch orientierten Kommunalabgabenpolitik erörtert wurde, gilt es nun, das mutmaßliche Wirkungspotential abzuschätzen und so Aufschluß über die Chancen einer auf dem Gebührenwege initiierten Verhaltensänderung im Sinne kommunaler Umweltschutzbemühungen zu erhalten.

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D. Gebühren als Hebel für Ressourcenverantwortung?

Die Voraussetzungen erfolgreicher Lenkungswirkungen beim Einsatz von Umweltabgaben sind in der Literatur ausführlich erörtert worden.S5 Hierzu zählen u. a. das Vorhandensein von Verhaltensalternativen im Möglichkeitenraum der Zensiten (Substitutionsmöglichkeiten), ein ausreichender Anreizeffekt durch Gegenüberstellung der angedrohten Entzugswirkung und den Kosten der Abgabevermeidung und damit eine merkliche Abgabelast, ferner eine preissensible Dringlichkeitseinschätzung der belasteten Güter seitens der Abgabeschuldner (hinreichend preiselastische Nachfrage) sowie eine verursachungsgerechte bzw. zielgenaue Überbringung der Preissignale an die zur Zahlung Verpflichteten. Mit Blick auf die Gestaltung kommunaler Benutzungsgebühren unter Lenkungsgesichtspunkten ergibt sich daraus bereits, daß neben Faktoren, die außerhalb der Zugriffs- und Beeinflussungsmöglichkeiten der Gemeinden angesiedelt sind (Preiselastizitäten, technische Substitutionsalternativen), auch Bedingungen von erheblichem Gewicht bestehen, die sich für eine gezielte Ausgestaltung der Entgeltabgaben offen erweisen. Hierzu zählen insbesondere die Einbindung der Gebühr in ein kommunal- und entgeltpolitisches Policy Mix, das den Lenkungsbeitrag einer Benutzungsgebühr begrenzt, sowie sämtliche abgabetechnischen Grundvoraussetzungen lenkender Entgeltgestaltung wie der Merklichkeit des pretialen Signals oder dessen zielgenaue (verursachungsgerechte) Ausrichtung auf die zu steuernde Aktivität. Es wird darauf ankommen, diesen gestaltbaren Teil des Lenkungspotentials durch systematische gebührenpolitische Maßnahmen abzusichern und zu erweitern. Soweit Lenkungseffekte und Substitutionsmöglichkeiten angesprochen sind, geht es letztlich auch um die Analyse der konkreten Anpassungsmechanismen von Abfall- und Abwasserproduzenten auf kommunale Gebühren(änderungen) unter Berücksichtigung der aus nicht-gebührenpolitischen Parametern resultierenden Einflüsse. Eine konkretere Abschätzung von Substitutionspotentialen, deren Kosten sowie von Nachfrageelastizitäten bleibt jedoch der fallorientierten Ergänzungsstudie zu Abfall- und Abwassergebühren (hierzu Gawel I van Mark 1995) vorbehalten. An dieser Stelle sollen lediglich allgemeine Überlegungen zum lenkenden Gebühreneinsatz angestellt und dabei insbesondere kritische Stimmen diskutiert werden, die eine effektive umweltpolitische Lenkung über Kommunalabgaben bezweifeln. Die effektive Lenkungswirkung konkreter Abgabenlösungen in Zweifel zu ziehen, hat speziell in der umweltabgabenpolitischen Diskussion eine ge85 Siehe Ewringmann I Schafhausen 1985; Ewringmann 1984.

V. Zum Steuerungspotentiallenkender Gebühren

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wisse Tradition: Diesbezüglich skeptische Einschätzungen reichen vom allgemeinen Hinweis auf die "Lenkungsunschärfe" preislicher Steuerung, die ein bestimmtes Verhaltensergebnis lediglich nahelegen, nicht jedoch mit annähernder Sicherheit erwarten kann oder gar - wie bei imperativem Mitteleinsatz - ggf. zu erzwingen in der Lage wäre,86 über die Betonung vielfältiger "Wirkungsbrüche", denen das Preissignal bei der Bewältigung komplexer Anreiz- und Wirkungsketten bis zum erwünschten Verhaltensergebnis ausgesetzt sei,87 bis hin zu einzelfallbezogenen Einwänden und daraus abgeleiteten Empfehlungen auf einen völligen Verzicht lenkender Abgabenkonstruktionen.88 Der in der umweltpolitischen Diskussion zweifellos zentrale Begriff der "Lenkung" erscheint in diesem Zusammenhang unerfreulich unscharf. Die Existenz (implizit) abweichender Lenkungskonzepte erschwert dabei den Diskurs über marktsteuernde Ansätze der Umweltpolitik ganz erheblich. "Lenkung" wird offenbar in der engsten Version als Variation der aggregierten Bemessungsgrundlagen besteuerter Einheiten verstanden. 89 Viele im Zusammenhang mit dem Lenkungsprinzip vorgebrachte Bewertungen - etwa der Hinweis auf dessen Irrelevanz bei preisrigider Nachfrage - ergeben nur vor dem Hintergrund einer derart verengten Lenkungsvorstellung Sinn. Lenkung kann aber in Übereinstimmung mit der wirtschaftstheoretischen Deutung allgemeiner als hoheitliche Verhaltensbeeinflussung gesehen werden, die sich einer abschließenden Wirkungsverortung insoweit enthält.90 Auch von Arnim versteht unter "Lenkung" die Induktion erwünschter Verhaltensweisen privater Aktoren durch wirtschaftspolitische Maßnahmen und sieht unmittelbare Nähe zum Anreizbegriff. 91 Daß der Lenkungsbegriff auch in der Diskussion um den umweltpolitischen Einsatz kommunaler Entgeltabgaben unerfreuliche Unschärfen ausfweist, wird am deutlichsten in der von Chantelau I Möker vertretenen Auffassung, unter Lenkung nur mehr Tarifgestaltungen zu verstehen, die ein "Benutzerverhalten überproportional zu ihrer [sie!] Kostenverursachung durch höhere Gebühren 'bestrafen' [...]" .92 Der damit ohne Not konstruierte 86 Siehe hierzu statt vieler Meßenchmidt 1986. 87 Statt vieler exemplarisch Sieben 1976a. 88 So in der Diskussion um die vierte Novelle des Abwasserabgabengesetzes; ferner u. a. für die verschiedensten Umweltabgabenvorschläge Borrel I Schemmel I Stern 1990.

89 Siehe hierzu näher Gawel I Ewringmann 1994b. 90 Siehe dazu auch in jüngster Zeit Zimmermann I Hansjürgens 1993, S. 18. 91 VonAmim 1983, S. 728. 92 Chantelau I Möker 1989, S. 45.

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D. Gebühren als Hebel für Ressourcenverantwortung?

Gegensatz zwischen Kostenverursachung und Lenkung sowie die faktische Reduzierung des Lenkungsanliegens auf progressive Tarifgestaltungen erscheinen weder sachgemäß noch zweckmäßig.93 Demgegenüber bleibt bezüglich des Lenkungspotentials grundsätzlich festzuhalten: 1. Zunächst entfalten Umweltabgaben über die bloße Variation der aggregierten Bemessungsgrundlagen besteuerter Einheiten hinaus weitere Marktund Preiswirkungen, die bei der Beurteilung von Lenkungseffekten mitbedacht werden müssen; auch die preisinflexible Verarbeitung einer Abgabenzahllast bedeutet noch keineswegs das Ausbleiben sämtlicher Abgabeneffekte im gesamtwirtschaftlichen Preissystem.94

2. Es kommt offenbar im Rahmen der Ökologisierung von Gebühren darauf an, die Lenkungswirkung gezielt zu steigern; die gegenwärtig oftmals beklagte Verhaltensrigidität gab ja gerade Anlaß zu Veränderungen und ist in vielen Fällen auch Folge einer anreizpolitisch desinteressierten Gebührenpolitik; das lenkende Potential von Kommunalabgaben wird hier mit dessen aktuellem Anreizbeitrag verwechselt. 3. Ein erhebliches Lenkungspotential darf jedoch vermutet werden, da die preisrigiden Grundbedarfe - etwa im Abfallbereich - offensichtlich deutlich überschritten sind; ein Abbau der Umweltnutzung wird daher durch merkliche Preisanhebungen initiierbar sein. Merklichkeit bedeutet dabei einerseits, daß die Gebührenpolitik identifizierbare, d. h. zu individuellem Verhalten zurechenbare Abgabenlasten überbringt, andererseits ist auch eine Spürbarkeit im Sinne betraglicher Relevanz (Höhe der Gebühr) anzustreben.

2. Exogene Determinanten des Lenkungspotentials Ob die wesentlichen exogenen Determinanten erfolgreicher Lenkungsintervention, hohe Preiselastizitäten der Nachfrage und (technische) Substitutionsmöglichkeiten innerhalb des institutionellen Handlungs- und Möglichkeitenraumes der Gebührenpflichtigen, im Bereich der kommunalen Ent-

93 Hierzu bereits ausführlicher die Kritik in Abschnitt C.IV.2.f (Progressionstarife).

94 Siehe hierzu näher Gawel I Ewringmann 1994b. So sind etwa im marktliehen Zusammen-

hang das Ausscheiden von Anbietem, die Einstellung von Produktionsverfahren oder Standortverlagerungen typische Reaktionen jenseits der unmittelbaren Nachfrageanpassung.

V. Zum Steuerungspotentiallenkender Gebühren

237

sorgung als erfüllt anzusehen sind,95 kann nur empirisch beantwortet werden. Neuere US-amerikanische Untersuchungen für den Abwasser- und Wasserbereich deuten dabei zumindest auf gewisse Spielräume im Rahmen eines nicht völlig unelastischen privaten Bedarfs.96 Die Bedeutung exogener Bestimmungsfaktoren für effektive Lenkungswirkungen gebührenpolitischer Anreize darf freilich nicht überschätzt werden; insbesondere dürfen hierüber nicht die Einflußmöglichkeiten der Gemeinde auf das Wirksamwerden lenkender Potentiale aus dem Blick geraten. Aussagen über Wahrscheinlichkeit und Ausmaß lenkender Effekte sollten daher erst unter den Bedingungen eines anreizpolitisch günstigen GebührenRahmens abgeleitet werden.

3. Gestaltungsfähige Determinanten des Lenkungspotentials

Weitaus bedeutender aus kommunalpolitischer Sicht stellen sich demgegenüber diejenigen Determinanten des Lenkungspotentials dar, die sich als "gestaltungsfähig" erweisen: - Ein instrumentelles Policy Mix definiert maßgeblich die noch verbleibenden Freiheitsgrade für Substitutionsmöglichkeiten der Verbraucher und Produzenten (Anschluß- und Benutzungszwang; verbindliche Entsorgungspfade etc.) und sendet konkurrierende Preis-Signale, die die Lenkungsanliegen der Gebühr konterkarieren können (Zuschläge, überwälzte Abwasserabgabe, Lizenzentgelte). -Mit dem offenen Ausweis der Gebührenumlage (und ggf. ihrer Bestandteile), einer angemessenen Gesamt-Höhe des Entgelts und einer adäquaten Tarifgestalt werden die Voraussetzungen für eine Merklichkeitsschwellen überschreitende und konzeptkonform wahrnehmungsfähige Gebühr geschaffen, die dem Signaldestinatar ein zutreffendes Bild von den durch seine Nachfrage ausgelösten gesellschaftlichen Verzichts- und Verdrängungsfolgen vermittelt. - Eine verursachungsgerechte Zuordnung der zu überwälzenden Kosten entscheidet maßgeblich über Zielgenauigkeit und Lenkungspräzision des pretialen Signals. Erfolgreiche Lenkung setzt daher eine störungsfreien und gezielte Impulsübermittlung im Tarif voraus. 95 Kritisch diesbezüglich u. a. Hardt 1988, S. 163

ff.; a. A. Bais I Lah/1991, S. 609.

96 Für den Wasser- und Abwasserbereich in neuerer ZeitMartinI Wilder 1992 m. w. N. aus

dem anglo-amerikanischen Bereich; einen älteren Überblick für Luft und Wasser gibt auch Suhr 1989.

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D. Gebühren als Hebel für Ressourcenverantwonung?

Diese Kurzübersicht verdeutlicht, daß die Klage über die angebliche Unmöglichkeit effektiver Lenkung im Kommunalbereich oftmals nur verschleiert, daß in den genannten Bereichen offensichtlich noch erhebliches Optimierungspotential geborgen liegt, das es vielmehr gezielt zu aktivieren gilt. Die Besorgnis mangelnder Effektivität lenkender Impulse erweist sich damit abschließend allzu oft als bloß bequemer Deckmantel einer anreizpolitisch desinteressierten Gebührenpolitik. Allerdings macht die Kritik zugleich deutlich, daß neben der Umgestaltung der Gebühr auch die Wirkungsbedingungen pretialer Anreize beachtet werden müssen, um Lenkungspolitik zum Erfolg führen zu können.

E. Kalkulatorische Aspekte ökonomisch rationaler Entgeltpolitik: Betriebswirtschaftliche Probleme von Kommunalabgaben I. Überblick Nachdem zuvor bereits der Stellenwert volkswirtschaftlicher Knappheitsanliegen im gemeindlichen Zielsystem erörtert {Kap. C und D) und auch grundsätzliche Fragen der Tarifierung behandelt wurden (Kap. C), widmet sich das nun folgende Kapitel der Frage, wie die als dritte Form der Ökologisierung bezeichnete "gesamtwirtschaftlich-ökologische Kalkulation" ins Werk gesetzt werden kann. Damit sind vordringlich betriebswirtschaftliche Probleme des kommunalen Rechnungswesens angesprochen, soweit über die Kalkulation sichergestellt werden soll, daß die in der Gebührenbedarfsberechnung als Kosten erfaßten Beträge den durch den Leistungsbezug ausgelösten Werteverzehr vollständig und in "richtiger" Bewertung widerspiegeln. Dabei stehen neuere volkswirtschaftliche und herkömmliche betriebswirtschaftliche Ansätze nur scheinbar im Widerspruch zueinander: Es ist nicht zuletzt das Anliegen des nachfolgenden Kapitels aufzuzeigen, daß der Einsatz kommunaler Entgeltabgaben im Dienste gesamtwirtschaftlicher Ressourcenschonung nach dem Leitbild einer auch volkswirtschaftlich "richtigen" Preisbildungsstrategie als gesamtwirtschaftliche Zielvorgabe zur Vornahme betrieblicher Kalkulations- und Bedarfsermittlungsrechnungen nicht im Widerspruch steht zu betriebswirtschaftliehen Konzepten öffentlicher Wirtschaftseinheiten. Vielmehr muß auch bei gesamtwirtschaftlichen Zielgrößen letztlich eine betriebswirtschaftlich überzeugende Kalkulationskonzeption gefunden werden. Dies bedeutet nicht etwa Verzicht oder Überwölbung, sondern konsequente, zielorientierte Fortführung der wertmäßigen Kostenlehre als universell verwendbares und hoch entwickeltes methodisches System der betrieblichen Rechnungslegung; die theoretische Klammer für eine derartige Verknüpfung bietet der wertmäßige Kostenbegriff. Eine künstliche Dichotomisierung des Problemfeldes in eine volkswirtschaftliche und eine betriebswirtschaftliche Dimension erscheint daher irreführend und wird hier zugunsten eines ganzheitlich-"ökonomischen"

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E. Betriebswirtschaftliche Aspekte

Ansatzes abgelehnt: Gesamtwirtschaftliche Orientierungen geben eine kalkulatorische Zielsetzung vor, die im Rahmen betriebswirtschaftlicher Rechnungslegungsformen angemessen und rechtssicher auszufüllen ist. In Abschnitt B.II.2 wurden bereits wesentliche Bausteine einer entsprechend gesamtwirtschaftlich ausgerichteten Kostenrechnung skizziert: Hierzu zählte zunächst das Ringen um einen insbesondere angesichts der ökologischen Herausforderung angemessenen Kostenbegriff, d. h. die Herausarbeitung einer Kostenanschauung, die auch dem um Ienkungs- und umweltpolitische Zwecke erweiterten Zielsystem gerecht zu werden vermag (Abschnitt E.II.l). Innerhalb einer solchen Kostenlehre sind einzelne Kosten· arten zu erörtern (Abschnitt E.III); dabei kommt es sowohl darauf an, gegenüber herkömmlichen Kalkulationsmethoden auch neuartige Kostenarten einzubeziehen, die dem erweiterten Kreis relevanter Werteverzehre Rechnung tragen (kalkulatorische Wagnisse, soziale Zusatzkosten), als auch die bei der Verrechnung traditioneller Kostenarten auftretenden strittigen Fragen im volkswirtschaftlich-ökologischen Rechnungslegungszusammenhang in neuem Licht zu betrachten. Dies gilt vorzugsweise für die kalkulatorischen Kapitalkosten (kalkulatorische Abschreibungen, kalkulatorische Zinsen) (Abschnitte E.IV - E.VII). Als wichtigstes Einzelproblem quer zu der Kostenartenbetrachtung erscheint hier die Bewertung, d. h. die W ertzuweisung des zunächst mengenmäßig festgestellten Werteverzehrs (Abschnitt E.II.2). Schließlich sind allgemeine Deckungsfragen zu behandeln, d. h. das Ausmaß, in dem ein projektiertes Gebührenaufkommen das nach Maßgabe der vohergehenden Überlegungen ermittelte Kostenaggregat auszugleichen hat (Abschnitt E.II.3). Neben Fragen des optimalen Deckungsgrades sind in diesem Zusammenhang auch Probleme von Gesamt- bzw. Einzeldeckung, d. h. der sachlichen und zeitlichen Reichweite des Deckungspostulats, sowie evtl. Absetzungen fiskal konkurrierender Einnahmen zu erörtern, d. h. es muß festgelegt werden, welcher Kostenblock durch Gebühren anstelle anderer staatlicher Einnahmeformen abzugelten ist.

II. Kostenbegriff und Bewertungsfragen 1. Kostenbegriffe in der Wirtschaftswissenschaft und ihre Gebührenrelevanz a) Überblick Die unbestrittene Grundlage der Kalkulation gemeindlicher Benutzungsgebühren stellen die mit der Leistungserstellung und -abgabe anfallenden

li. Kostenbegriff und Bewertungsfragen

241

Kosten dar. Die aus volkswirtschaftlicher Sicht auch für die Gebührenbemessung maßgebliche Kostenbetrachtung wurde in Kap. C ausführlich erörtert. An dieser Stelle fragt sich nunmehr, welche Kostenvorstellung vor dem Hintergrund der Notwendigkeit gesamtwirtschaftlicher Knappheitsindikation einerseits, hergebrachten Gebührenauffassungen und den sich dahinter verbergenden Kostenlehren sowie dem rechtlich kodifizierten Kostenbegriff andererseits im Rahmen der gemeindlichen Gebührenpolitik als tragfähig anzusehen ist. Zu diesem Zwecke ist es zunächst erforderlich, sich über die differierenden Kostenbegriffe in der Gebührendiskussion und ihre jeweilige Verwurzdung in unterschiedlichen Zielvorstellungen über die kommunale Leistungabgabe sowie deren Vereinbarkeit mit Verfassungs- und Landesabgabenrecht Klarheit zu verschaffen. Nach Kirsch 1971 sind Kosten "das Ergebnis jeder Handlung, die irgend jemand zwingt, auf die sonst mögliche Realisierung eines oder mehrerer seiner Ziele - für ihn fühlbar - ganz oder teilweise zu verzichten" . 1 Dieses bereits als Opportunitätskostenansatz charakterisierte Kostenverständnis stützt sich auf die Grundannahme, daß das Ressourcenangebot knapp ist und einer hierum rivalisierenden Nachfrage unterliegt: Ressourcen, die an einer Stelle des Wirtschaftssystems eingesetzt werden, stehen daher an anderer Stelle nicht mehr zur Befriedigung individueller Bedürfnisse zur Verfügung. Dabei ist freilich noch nicht sichergestellt, daß alle Zielverzichte, die im Rahmen dieses Konzepts theoretisch Berücksichtigung zu finden hätten, auch tatsächlich erfaßbar sind und insbesondere bewertet werden können: Die Unterscheidung zwischen tangiblen und intangiblen Kosten stellt daher ausdrücklich auf das Kriterium der monetären Bewertbarkeit ab.2 Tangihle Kosten sind alle negativen Einwirkungen auf individuelle Nutzenpositionen, die - direkt (z. B. als Nutzungsausfall, Reparaturen oder Ersatzinvestitionen) oder indirekt (z. B. per Zahlungsbereitschaftsanalysen) - in monetären Größen quantifizierbar sind. Intangible Kosten (Einwirkungen) können dagegen nur qualitativ beschrieben werden, etwa im Falle psychosozialer Beeinträchtigungen. Dabei hängt die Entscheidung darüber, ob bestimmte Wirkungen als monetär quantifizierbar angesehen werden sollen, nicht nur von der jeweils verfügbaren Erhebungstechnik ab, sondern auch von der (subjektiven) Einschätzung ihrer jeweiligen methodischen Verläßlichkeit sowie nicht zuletzt auch von den Möglichkeiten ihrer Finanzierung. Eine eindeutige Grenzziehung zwischen tangiblen und intangiblen Kosten ist daher kaum möglich. 1 Kirsch 1971, S. 68. 2 Siehe hierzu etwa Hanusch 1987, S. 10; Hautau et al. 1987, S. 13. 16 Gawel

242

E. Betriebswirtschaftliche Aspekte

Der Begriff "volkswirtschaftliche Kosten•3 wird in unterschiedlichen Begriffsinhalten verwendet: Zum einen steht er in einer engen Variante lediglich für die hier als "soziale Zusatzkosten" bezeichnete Kostenkategorie, die sich von "einzelwirtschaftlichen" Kosten abhebt und eher diffus bei der Allgemeinheit anfällt - gleichsam als Differential gesamtwirtschaftlicher gegenüber individuellen Kostenanschauungen. Zum anderen wird auch die Summe aus einzelwirtschaftlichen Kosten und sozialen Zusatzkosten als "volkswirtschaftliche Kosten" bezeichnet, gleichsam als die gesellschaftlichen Totalkosten einer ökonomischen Aktivität. 4 Aufgrund seiner Mehrdeutigkeit wird nachfolgend auf die Verwendung des Begriffs "volkswirtschaftliche Kosten" weitgehend verzichtet; für die Summe aus einzelwirtschaftlichen und sozialen (Zusatz-) Kosten findet statt dessen die Bezeichnung "gesamtwirtschaftlicher Ressourcenverzehr" bzw. "gesamtwirtschaftliche Kosten" Verwendung, die grundsätzlich sowohl tangible als auch intangible Bestandteile umschließt. Der "gesamtwirtschaftliche" Charakter dieses Ansatzes kommt - wie bereits ausgeführt - in seinen Komponenten der überindividuellen und supratemporalen Vollständigkeit (voller Sozialkostenausweis), des Opportunitätsprinzips C.:Wertmaßstab des Ressourcenverbrauchs sind jeweils entgangene gesellschaftliche Nutzungsmöglichkeiten) und der Zeitnähe (Maßgeblichkeit der Wertansätze zum Zeitpunkt der Ressourcendisposition) zum Ausdruck. Dieser der bisherigen Darstellung unterlegte gesamtwirtschaftliche Opportunitätskostenbegriff konkurriert zunächst mit alternativen Kostenkonzepten, die- jeweils gestützt auf abweichende Vorstellungen über die mit der Abgabe kommunaler (Umwelt-) Güter verfolgten Zielsetzungen- andere Abgrenzungen und Bewertungen der für relevant zu erachtenden W erteverzehre vornehmen. Inwieweit sich gesamtwirtschaftliches Kostendenken gegenüber engeren, einzelwirtschaftlich orientierten Rechnungsformen für kalkulatorische Zwecke kommunaler Benutzungsgebühren durchsetzen läßt, hängt neben der rechtlichen Zulässigkeit auch vom Verhältnis der einzelnen Kostenbegriffe und den ihnen zugrunde liegenden Bewertungs- und Erfassungsabsichten ab.

3 Dazu etwajürgensen 1970, Sp. 879 ff. 4 Siehe dazu z. B. SRU 1974, S. 166. Auf den Sachverständigenrat für Umweltfragen geht schließlich ein drittes, von beiden genannten Ansätzen abweichendes Konzept zurück, nach dem volkswirtschaftliche Kosten definiert sind als "Realisierungsverzichte innerhalb eines Spektrums volkswirtschaftlicher und damit staatlicher Ziele": SRU 1974, S. 167.

li. Kostenbegriff und Bewertungsfragen

243

Der wirtschaftliche KostenbegriffS geht grundsätzlich von einem bewerteten Verzehr an Wirtschaftsgütern aus. "Verzehr" versteht sich dabei allgemein als Minderung der in den eingesetzten Gütern jeweils gebundenen Nutzungspotentiale für einen bestimmten Zweck; er ist dabei in sachlicher, zeitlicher und räumlicher Hinsicht abzugrenzen. Die sachliche Begrenzung ist durch den Zweck des Ressourceneinsatzes gegeben, mithin die Erstellung und Verwertung betrieblicher Leistungen; nicht sachzielbezogene ("leistungsbedingte") Güterverbräuche stellen daher keine Kosten dar. In zeitlicher Hinsicht gilt das Periodisierungsgebot: Nur der in der Betrachtungsperiode anfallende bzw. ihr zuzurechnende Verzehr hat Kostencharakter. Bei langjährigen Wirtschaftsgütern mit überjährig einsetzbarem Nutzungsvorrat ist eine zeitliche Abgrenzung der einzelnen Nutzungsperioden erforderlich. Dabei hängt es vom Zweck der Kostenbetrachtung ab, welche Periodisierung Qahre, Monate etc.) zugrundezulegen ist; in der sog. T otalperiode, d. h. der gesamten Lebenszeit einer betrieblichen Organisationseinheit von der Errichtung bis zum wirtschaftlichen Untergang fallen sämtliche Verbräuche in einen Betrachtungszeitraum, so daß alle zeitlich unterschiedlich definierten Verzehrskonzepte inhaltlich koinzidieren. In räumlicher Hinsicht schließlich ist danach zu fragen, bei wem der durch betriebliches Wirtschaften eintretende Verzehr anfällt: Der räumliche Horizont des betriebswirtschaftliehen Kostenbegriffs ist an der Wirtschaftsund Rechnungslegungssphäre der betrachteten Wirtschaftseinheit ("Betrieb") ausgerichtet; Güterverzehr, der jenseits dieser Wahrnehmungsgrenze inzidiert, bleibt in der Regel von der Betrachtung ausgeschlossen. Sieht man einmal von theoretischen Ansätzen ab, externe Werteverzehre ("externe Effekte") im Rahmen des Konzepts "gemeinwirtschaftlicher Wirtschaftlichkeit" (Schmalenbach) freiwillig in die einzelwirtschaftliche Rechnung einzubeziehen,6 so bleibt es wohl dem volkswirtschaftlichen Kostenbegriff vorbehalten, die individuelle Rechnungslegung um Kostenbestandteile zu ergänzen, die außerhalb des Wahrnehmungshorizontes der verursachenden Einheit als soziale Kosten bei Dritten anfallen/ etwa als Folge der Nutzung von Umweltmedien als Reststoffempfänger betrieblicher Produktionsabfälle. Der auf diese Weise jeweils erfaßte und abgegrenzte Verzehr ist zunächst eine Gütergröße, die das (mengenmäßige) Ausmaß für betriebliche Zwecke 5 Für die Betriebswirtschaftslehre siehe statt vieler Hummel I Männel1986, S. 7~. ff.; Schweitzerl Küpper 1986; mit Blick auf das Kommunalabgabenrecht auch Gornas 1977b; im Uberblick ferner Traumann I Reinheimer 1977, S. 30 ff. Aus volkswirtschaftlicher Sicht hingegen z. B. Kapp 1950; ders. 1956; Richter 1960; Thiemeyer 1964; Jürgensen 1970. 6 Dazu bereits Schmalenbach 1963; ferner Heinen I Picot 1974; Widenmayer 1981. 7 Siehe zum Konzept "sozialer Kosten" u. a. Kapp 1956; Dittrich 1956; Lauschmann 1959; Evers 1958; Richter 1960 sowiefürgensen 1970.

244

E. Betriebswirtschaftliche Aspekte

genutzter Ressourcen umschreibt. Diese in Gütereinheiten ("Mengengerüst") zu beschreibende Größe bedarf schließlich der Bewertung: Nach dem jeweils zugrunde gelegten Bewertungsprinzip unterscheidet man im wesentlichen zwei bedeutende Kostenanschauungen:8

(1) Der pagatorische Kostenbegrif/9 wählt als Bezugssystem der Kostenbewertung tatsächlich am Markt vorgefundene Faktorpreise (Marktpreise) 10 und ist damit an Zahlungsvorgängen orientiert. Zu Kosten kann im Rahmen dieser Deutung nur ein mit effektiven Ausgaben (Änderung des Nettovermögens) verbundener Güterverzehr zählen und entspricht daher in besonderer Weise einer verbreiteten vorwissenschaftliehen Kostenanschauung.11 (2) Der wertmäßige Kostenbegrif/ 12 soll demgegenüber eine Informationsund Lenkungsfunktion erfüllen, d. h. "die Kostenhöhe soll ein Maß für die Vorteilhaftigkeit der Verwendung von Einsatzgütern geben" .13 Die Vorteilhaftigkeit ist zu messen an dem jeweils mit der Kostenermittlung verfolgten Ziel. Ein solches Ziel kann einmal die optimale interne Verwendung der Produktionsmittel sein; dann hat sich die Bewertung in der Weise zu vollziehen, daß der durch einen alternativen Einsatz sonst mögliche Ertrag (= Opportunitätskosten14) minimiert wird. Zielt die Kalkulation hingegen auf die Optimierung einer auch betriebsextern orientierten Mittelverwendung, so nähert sich die Betrachtung der in der Volkswirtschaftslehre analysierten optimalen Ressourcenallokation, die die Preisfestsetzung nach den langfristigen sozialen Grenzkosten zum Zeitpunkt der jeweiligen Güterinanspruchnahme vornimmt. Verbleibt man zunächst in der betrieblichen Sphäre, so kann als Ziel ferner auch die unternehmensbezogene Substanzerhaltung angestrebt werden; dann sind die Kosten so zu ermitteln, daß die durch Kostenverrechnung erwirtschafteten Gegenwerte dauerhaft im Betrieb einsetzbar bleiben und nicht etwa als Betriebsgewinn ausgewiesen und ggf. ausgeschüttet oder 8 Bei anderen als den beiden hier genannten Ansätzen, wie z. B. dem von Riebel 1990 pro· pagierten "entscheidungsorientierten Kosten begriff" dürfte es sich weniger um eine eigenständige (dritte) Kostengattung handeln, sondern eher um die Anwendung des wertmäßigen Kostenbegriffs auf eine speziellen Zwecksetzung. 9 Siehe etwa dessen Vertreter während der Nachkriegskontroverse um die Durchsetzung wert· mäßiger Kostenanschauungen, u. a. Schäfer 1950; Seischab 1952; Linhardt 1952; Koch 1966. 10 Küpper 1981, Sp. 1015 f.

11 Ähnlich auch von Zweh/1989, S.

1346.

Schmalenbach 1963 insbesondere zu nennen Hei· nen 1956; Kosio/1958; Mellerowicz 1974; Adam 1970. 13 Küpper 1981, Sp. 1015 f. 1-4 Hierzu mit Blick auf die betriebliche Sphäre bereits Münstermann 1966, S. 18 ff.; ders. 1969, s. 169 ff. 12 Als maßgebliche Vertreter sind hier neben

245

II. Kostenbegriff und Bewertungsfragen

dem Betrieb auf andere Weise (Steuern etc.) verloren gehen. Wertmäßige Kosten sind daher stets zweckbezogen "bewertete sachzielbezogene Güterverbräuche einer Periode eines Unternehmens, wobei der Wertansatz auf dem monetären Grenznutzen beruht" .15 Beide Kostenkonzepte beantworten offensichtlich unterschiedliche Fragen des betrieblichen Rechnungswesens; sie sind als zweckgebundene Konzepte zur gedanklichen Erfassung des Phänomens "Werteverzehr" nicht nach dem Merkmal zutreffender Wirklichkeitsanschauung zu reihen, sondern im Rahmen einer zielgerichteten Kalkulation allein nach Zweckmäßigkeit zu beurteilen (angemessener Kostenbegriff). Dabei schließt der wertmäßige Kostenbegriff eine Bewertung zu Marktpreisen als Ausdruck einer spe· zieHen kalkulatorischen Zwecksetzung durchaus mit ein; die pagatarische Kostenlehre kann daher letztlich dem wertmäßigen Kostenbegriff subsumiert werden.16 Aufgrund dieser umfassenden Anlage des wertmäßigen Kostenkonzepts ist dieses in der modernen Betriebswirtschaftslehre zum herrschenden Kostenbegriff avanciert.1 7 Innerhalb dieses Konzepts findet auch das Opportunitätskostenprinzip angemessene Berücksichtigung. 18 Sieht man als Zwecke der betrieblichen Kostenrechnung neben der internen Wirtschaftlichkeitssteuerung (Kontrolle) auch die Entgeltkalkulation als Teil einer umfassenden Entscheidungs- und Planungsrechnung sowie schließlich die Wahrnehmung von extern orientierten Informations- und Dokumentationsaufgaben nach Maßgabe außerbetrieblich gesetzter Fragestellungen (z. B. Preisermittlung für öffentliche Aufträge)19, so wird deutlich, daß je nach Aufgabenstellung unterschiedliche Kostenkonzeptionen angemessen erscheinen ("different costs for different purposes"). Die betriebswirtschaftliche Kostenrechnung avanciert damit zu einem "flexiblen Informationsinstrument für unternehmensinterne Zwecke, das man auf unterschiedliche Zielsetzung[en] hin ausrichten kann"20.

15 Kloock I Sieben I Schildbach

1991, S. 29. Vgl. dazu auch Hummel I Männel1986, S. 73.

16 Siehe auch von Zwehl1989, S. 1346. 17 Vgl.u. a. Wöbe 1990, S.

1218; Delimann 1979. 1986, S. 74,

18 So z. 8. auch Hummel I Männe/

denenzufolge immer dann ein "Güterverbrauch" vorliegt, wenn wirtschaftliche Güter i. w. S. "vollständig oder teilweise ihre Fähigkeit verlieren, zur Bewältigung alternativ realisierbarer Aufgaben verwendet werden zu können". 19 Siehe J Kloock S. 13 ff.

I G. Sieben I Tb. Schildbach, Kosten· und Leistungsrechnung,

3. Aufl.

1991,

20 Brüning 1990, S. 23. Daß insoweit Handelsrecht, Steuerrecht und betriebliche Kostenrechnung zu durchaus unterschiedlichen Wertungen kommen, liegt auf der H and. So auch Brod I Steenbock 1980, S. 88 f.

246

E. Betriebswirtschaftliche Aspekte

Wir erhalten damit zusammenfassend die in der Betriebswirtschaftslehre seit Schmalenbach herrschenden Kostenauslegung, derzufolge unter "Kosten" der in Geld bewertete, periodisierte Verzehr von Faktorleistungen zum Zwecke betrieblicher Leistungserstellung subsumiert wird, dessen Wert nach der zielorientierten Vorteilhaftigkeit ihrer Verwendung zu bemessen ist (wertmäßiger Kostenbegriff). Soweit aber Kosten den bei der Erstellung der Betriebsleistung anfallenden Werteverzehr wertmäßig repräsentieren, muß auch ein Verzehr erlaßt werden, der in einer rein pagatorischen Rechnung keinen Niederschlag findet, da er nicht gleichzeitig zu Ausgaben führt (Zusatzkosten). In der betriebswirtschaftliehen Kostenrechnung werden daher als kalkulatorisch auch Kosten geführt, die nicht oder in anderer Höhe mit betrieblichem Aufwand bzw. Ausgaben einhergehen. Die kalkulatorische Verzinsung gilt neben der kalkulatorischen Abschreibung als wichtigste kalkulatorische Kostenart. Im Rahmen wertmäßiger Kostenanschauung kommt es daher für die hier verfolgte Fragestellung darauf an, die Zwecksetzung der Kalkulation - dem insoweit veränderten gemeindlichen Zielsystem entsprechend - auf gesamtwirtschaftliche, insbesondere ökologische Bezüge hin auszurichten. Über die neuartige Zielbestimmung der Kostenrechnung rücken damit betriebswirtschaftliche Überlegungen in die Nähe zum volkswirtschaftlichen Kostenbegriff und den damit verfolgten gesamtwirtschaftlichen Anliegen optimaler Ressourcenlenkung. Für diese zielseitige Neuausrichtung der betriebswirtschaftlichen Kostenkalkulation stehen prinzipiell bereits Ansätze gemeinwirtschaftlicher Rechnungslegung und sozialbilanzieller Transzendenz einzelwirtschaftlicher Erfolgskontrolle zur Verfügung.21 So wird im Rahmen der "Gemeinwirtschaftslehre" etwa diskutiert, inwieweit herkömmliche Formen betrieblicher Rechnungslegung ausreichen, um speziell die Tätigkeiten öffentlicher Betriebe adäquat zu erfassen und zu bewerten. Die Forderungen nach Ergänzung und Modifizierung des tradierten, einzelwirtschaftlich orientierten Rechnungswesens zugunsten gesellschaftsbezogener Rechnungslegungsformen sind dabei ebenso wohlfeil wie ihre Umsetzung in der Praxis als umstritten gelten muß22 - soweit nicht im Rahmen "gesellschaftsbezogener Rechnungslegung" weniger eine Vervollständigung des betrieblichen Rechnungswesens als vielmehr eine allgemeine Sozialberichterstattung

21 Hierzu statt vieler Budäus 1977; Brockho/f 1978; von Wysocki 1978; Eichhorn 1974; ders. 1981b; Widenmayer 1981. 22 Hierzu u . a. Budäus 1977; Widenmayer 1981.

II. Kostenbegriff und Bewertungsfragen

247

für erstrebenswert gehalten23 oder mit Kapitalfluß- und Wertschöpfungsrechnungen andere Ziele der "Gesellschaftsorientierung" verfolgt werden. 24 Die im Rahmen dieser Diskussion angestellten Überlegungen bieten damit zwar eine theoretische Grundlage zur klassifikatorisch-begrifflichen Handhabung sozialer Kosten im Rahmen der Betriebswirtschaftslehre, eine konsensfähige Sozialrechnungslegung konnte sich freilich hieraus bislang nicht entwickeln. Zudem scheint sich trotz bisweilen aufflackernder gegenteiliger akademischer Bemühungen25 wohl ein Konsens über die praktische Handhabung des Sozialkostenproblems dahingehend gebildet zu haben, daß gesellschaftliche Kosten im Wege hoheitlicher Zuweisung von außen an das Kostenrechnungssystem herangetragen werden. Entsprechend wurde die praktische Relevanz bereits auf den Aspekt einer "Aufforderung an die öffentliche Ordnungsmacht" verkürzt, "diejenigen Güterverzehre, die nicht marktmäßig entgolten und die unter den gegebenen Marktverhältnissen nicht freiwillig[ ...] einbezogen werden, mit Hilfe von wirtschaftspolitischen Maßnahmen (Steuern, Gebühren, Auflagen, Verboten usw.) faktisch in die Extension des wertmäßigen Gebührenbegriffs einzufügen."26 Der Nachweis, daß soziale Kosten dem Konzept des wertmäßigen Kostenbegriffes vollständig subsumierbar sind und damit "echte Kosten im betriebswirtschaftliehen Sinn" darstellen,27 hat freilich noch nicht zur Durchsetzung einer eigenen kalkulatorischen Kostenart "soziale Zusatzkosten" geführt. Umfangreiche und weitgehend ungelöste Feststellungs-, Zurechnungs- und Bewertungsprobleme externer Vor- und Nachteile betrieblicher Aktivität haben bislang trotz unverkennbarer Fortschritte bei der Monetarisierung sozialer Folgekosten28 - eine Etablierung als Standardmodul betriebswirtschaftlicher Rechnungslegung verhindert.

23 Zu weicheren Formen sozialbilanzieller Berichterstattung im Rahmen gesellschaftsbezogener Rechnungslegung Eichhorn 1981b, vergleichend auch Widenmayer 1981, S. 202 ff. 2-4 Siehe z. B. Reichmann I Lange 1980. 25 Zuletzt ausführlicher Widenmayer 1981. 26 Heinen I Picot 1974, S.

360.

27 Dazu Wtdenmayer 1981, hier: S. 211. 28 Siehe hierzu in neuerer Zeit u. a. Ewerset al. 1986; Beckenbach I Schreyer 1988; Pearce I Mar· kandya 1989; Römer 1991; Endres I ]arre I Klemmer I Zimmermann 1991; Holm-Müller et al. 1991; ]ohansson 1991, Wicke 1986; Schutz 1985; ders. 1989; faeckel 1992, ders. 1993; Harnpicke 1993; Hanley I Spash 1993 sowie die Beit räge in Junkernheinrich I Klemmer 1992. Diese Fort-

schritte gehen einher mit methodischen Verbesserungen auf dem Gebiet der Präferenzerfassung für allgemeine öffentliche Güter; hierzu etwa Pommerebne I Römer 1992; Becker et al. 1992.

248

E. Betriebswirtschaftliche Aspekte

Auch neuere betriebswirtschaftliche Ansätze umweltorientierter Kostenrechnung29 scheinen eher an der Erfassung und dem zu Entscheidungszwekken erwünschten getrennten Ausweis umweltschutzbedingter Kostenanteile im Rahmen der jeweiligen Kostenanschauung interessiert zu sein als an der Neuformulierung und Überprüfung hergebrachter Kostenbegrifflichkeiten angesichts neuer ökologischer Herausforderungen. Immerhin wird mit Ansätzen einer "ökologischen Umweltkostenrechnung" (im Gegensatz zu rein internen Rechnungsformen) auch zunehmend den bislang nur externen Umweltbelastungen Rechnung getragen- allerdings nur soweit diese betrieblich relevant werden, z. B. über staatlich veranlaßte oder freiwillige Vermeidungskosten.30 Damit gilt zusammenfassend: Externe Nachteile stellen als soziale Zusatzkosten ohne weiteres (kalkulatorische) Kosten im Sinne des wertmäßigen Kostenbegriffes dar. Ihre "freiwillige" Einbeziehung scheitert freilich bisher an weitgehend ungelösten Ermittlungs- und Bewertungsproblemen. Ob angesichts der drängender werdenden ökologischen Probleme und der zwischenzeitlich eingetretenen Verbesserung in der Behandlung von Sozialkosten weiterhin allein auf die hoheitlich vermittelte Internalisierung über Umweltschutzstandards etc. vertraut werden kann, erscheint durchaus zweifelhaft. Der betriebswirtschaftliche Kostenbegriff erweist sich auf diese Weise auch für die Lösung des "Niveauproblems" der Ökologisierung, d. h. der Einbeziehung sämtlicher Opportunitätskosten der Umweltnutzung im kommunalen Bereich, als durchaus offen; ob diese generelle "Tragfähigkeit" jedoch im kommunalabgabenrechtlichen Bereich Bestand haben kann (Abschnitt b) und ob es sich überhaupt empfliehlt, zur Verankerung gesamtwirtschaftlicher Kostenverantwortung im Gebührenrecht auf gemeinwirtschaftliche Überlegungen der BWL zu rekurrieren (Abschnitt c), wird nachfolgend zu erörtern sein.

b) Inhalt und Bedeutung "betriebswirtschaftlicher Grundsätze" Die Kommunalabgabengesetze der Länder schreiben regelmäßig vor, daß die für die Entgeltgestaltung zu kalkulierenden Kosten "nach betriebswirt-

29 Dazu u. a. Schreiner 1990; ders. 1992; Frese I Kloock 1989; Kloock 1993; ders. 1995; Haasis 1992 oder Wicke I Haasis I Schafhausen I Schutz 1992; Roth 1992 ferner Wagner 1992. Allgemein zu Ansätzen einer "ökologieorientierten Betriebswirtschaftslehre" u. a. Strebet 1980; Freimann 1987; Seidel I Menn 1988; Wicke 1993, S. 89 ff.; sowie die Beiträge in Freimann 1990. 30 Vgl. zu entsprechenden Ansätzen Kloock 1995.

li. Kostenbegriff und Bewenungsfragen

249

schaftliehen Grundsätzen" 31 zu bemessen sind. Speziell mit Blick auf § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG NW wird damit nach nahezu einhelliger Auffassung in betriebswirtschaftlicher, finanzwissenschaftlicher und kommunalabgabenrechtlicher Literatur eine Verweisung auf den wertmäßigen betriebswirtschaftlichen Kostenbegriff vorgenommen.32 Es mag an dieser Stelle offen bleiben, ob der Gesetzgeber damit eine unzulässige "dynamische Fremdverweisung"33 vorgenommen oder lediglich einen unbestimmten Rechtsbegriff verwendet hat. 34 Auch seien hier verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der rechtsstaatliehen Qualität dieser landesrechtliehen Normen außer acht gelassen; kritische Stimmen wollen hier einen Verstoß gegen das Gebot des Gesetzesvorbehalts erblicken, da sich der Gesetzgeber mit der Formel von den "betriebswirtschaftlichen Grundsätzen" seiner Pflicht zur gesetzlichen Konkretisierung hoheitlicher Abgabelasten und damit zum Treffen we· sendieher Festlegungen im Gesetz selbst entledigt habe.35 Fest steht wohl, daß an die Formulierung von den "betriebswirtschaftlichen Grundsätzen" in Literatur und Rechtsprechung bisweilen erhebliche konkretisierende Erwartungen gestellt werden, deren Vereinbarkeit mit Stellung und Bedeutung der "Grundsätze" im Kommunalabgabenrecht fraglich erscheint; auch greifen beim Versuch einer Normexegese Bestrebungen Platz, diese Grundsätze im Lichte der gebührenrechtlichen Prinzipien, speziell der Kostendeckung und der Äquivalenz, restriktiv zu deuten. Generell erhebt sich damit die Frage der Auslegung dieser Grundsätze im Rahmen kommunalabgabenrechtlicher Normierung: Existiert mithin eine spezielle kommunalabgabenrechtliche Ausprägung der Kalkulationsgrundsätze, gleichsam ein "betriebswirtschaftlicher Kostenbegriff der Kommunalabgabengesetze"36? Anders formuliert: Erfahren die mit Blick auf erwerbswirtschaftliche Betriebseinheiten konzipierten Verfahren der BWL durch spezielle gebührenrechtliche Zwecke eine Überformung dahingehend, daß U. a. § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG NW; § 5 KAG NS; § 9 KAG BW; An. 8 Bay. KAG. Statt vieler Giesen 1980; Ostholthoff 1993. Die anfängliche Kontroverse - siehe hierzu nur Mülhaupt I Gomas 1974; Scholl 1973; Bals 1973; Gomas 1976, S. 79; zum Ganzen auch Traumann-Reinheimer 1977, S. 32 ff. ·scheint damit geklän, wenngleich neuere kommunalabgabenrechtliche Entwicklungen einzelner Länder die Eindeutigkeit des Befundes erneut in Frage stellen. Dies ist allerdings kein Deutungsproblem mehr sondern Ausdruck politischen Wollens. 33 Dahmen, in: Driehaus, Rn. 125 zu§ 6; ders. 1994, S. 22 ff. 34 So das OVG NW, U. v. 27.10.1992-9 A 835/91-, S. 13 - StGR 1993, S. 313, sowie erneut im U. v. 5.8.1994- 9 A 1248/92, S. 12; zustimmend auch VG Gelsenkirchen, U . v. 21.4.199431

32

13 K 3474/93, S. 11.

35 Zu dieser Kritik insbesondere Dahmen, in: Driehaus, Rn. 125 zu S 6; ders. 1994, S. 22 ff.; ders. 1990, S. 25-28; a. A. W. Hinsen 1986, S. 181-186; OVG NW, U. v. 5.8.1994- 9 A 1248/92,

s. 12.

36 Brüning

1990, S. 23; ablehnend Giesen 1995.

250

E. Betriebswirtschaftliche Aspekte

die kommunalwirtschaftlichen und gebührenrechtlichen Anforderungen Zielbestimmungen, wenigstens aber Zieleingrenzungen formulieren, die eine hinreichende Konkretisierung der "Grundsätze", zumindest aber eine Trennung zulässiger von unzulässigen Kalkulationsmethoden gestatten? Eine verbreitete Auffassung bejaht diese Frage und deutet speziell das Gewinnerzielungs- bzw. Kostenüberschreitungsverbot als wesentliche Auslegungshilfe bei der Konkretisierung der Kalkulationsprinzipien.37 So formuliert etwa Budäus die Ausgangsvermutung, daß "unterschiedliche Funktionen von Kosten und Gebühren, verbunden mit in der Regel unterschiedlichen Zielsetzungen des Ressourceneinsatzes im privaten und öffentlichen Bereich" wohl zumindest eine strenge Orientierung betriebswirtschaftlicher Kalkulationsgebarung am finanzwirtschaftlich gedeuteten Wesen der Gebühr erforderlich mache. 38 Bei der Deduktion inhaltlicher Ausprägungen der betriebswirschaftlichen Grundsätze machen sich damit freilich Prinzipien des Gebührenrechts anheischig, unter Rückgriff auf eine in dieser Strenge antiquierte Gebührenlehre die gesetzgeberische Entscheidung zugunsten eines modernen Kalkulationsinstrumentariums für Kommunalentgelte auszuhebeln. Der verfassungsrechtliche Rang der "Prinzipien•39 strahlt dabei offenbar auf den materiell eher schwachen Regelungsgehalt in wenig überzeugender Weise aus. Denn die mit dieser Vorgehensweise verbundene Verkürzung des betriebswirtschaftliehen Kostenbegriffs erscheint bei genauer Prüfung zum Teil verfehlt, zumindest jedoch in ihrem auslegenden Anspruch überzogen. Es liegt im Wesen der Definition einer saldierten Erfolgsgröße ("Gewinn" als Differenz von Erlös minus Kosten), daß sie inhaltlich dem Verständnis und der Konkretisierung der in Abzug zu bringenden "Kosten" folgen muß.40 Aus diesem Grunde existieren ebenso viele Erfolgsbegriffe wie Zwecksetzungen der Betrachtung (steuerlicher Gewinn, Handelsbilanzgewinn, "ökonomischer Gewinn", Betriebsergebnis etc.). Der Versuch, dem wertabstrakten Kostenüberschreitungsverbot bereits eine bestimmte inhaltliche Kostenauslegung zu entnehmen und mit Hinweis auf das Kostendekkungserfordernis bestimmte Kosten apriorisch als Gewinn auszuweisen, geht daher bereits sachlogisch fehl. Man mag daher bedauern, daß die vermeintlich ehernen Gebührengrundsätze41 faktisch zu Formeln im 37 So

statt vieler z. B. Brüning

38 Budäus

1978, S. 364.

1990, S. 23 ff.

für das Kostendeckungsgebot erneut Rogosch 1988, S. 1 ff. Vgl. im einzelnen Kap. F. in erfreulich klarer Form auch das OVG NW, U. v. 5.8.1994- 9 A 1248/92, S. 24. 41 Zum Fundamentalprinzip der gebührenrechtlichen Kostendeckung bereits Ehle 1962, S. 45 ff., Räcke 1971 oder Clausen 1978. 39 Hierzu 40 So

ll. Kostenbegriff und Bewenungsfragen

251

Einzelfall unbestimmten Inhalts "denaturieren" und damit letztlich nur ein bloßes Verbot des offenen Gewinnaufschlages bzw. der Kalkulation nicht ansatzfähiger Kosten bereithalten.42 Die Enttäuschung entspringt dabei jedoch offensichtlich einer impliziten Wertauffüllung des Kostendeckungsgrundsatzes, wonach bestimmte Kostenarten und Kostenbemessungen (Zinsen auf Eigenkapital, Wiederbeschaffungswerte) von vorneherein als unzulässig zu verwerfen sind. Der Grundsatz der zweckgebundenen Bewertung macht es erforderlich, sich über die speziellen Ziele einer betriebswirtschaftliehen Kostenrechnung im Rahmen kommunaler Gebührenhaushalte zu vergewissern.43 Folgt man dieser modernen Bewertungsauffassung und verzichtet daher auf das Konstrukt eines dem Wesen der Gebühr als finanzwirtschaftlicher Größe vermeintlich immanenten pagatarischen W ertansatzes,44 so wird die Entgeltkalkulation offensichtlich abhängig von dem Bewertungs- und Kalkulationszweck, der mit der Anlastung von Benutzungsentgelten verfolgt wird. Die zielvariable Offenheit des wertmäßgen Kostenbegriffs führt freilich dazu, daß "die Anwendung 'betriebswirtschaftlicher Grundsätze' [... ] für den öffentlichen Bereich [... ] keineswegs eine vollständige Antwort auf die Frage [gibt], in welcher Höhe Kosten in die Gebühren eingehen sollen•45.

Aus dem regelmäßig im Kommunalabgabenrecht der Länder ausdrücklich verankerten Kostenüberschreitungsverbot46 mehr entnehmen zu wollen als den lapidaren Sollsatz, Gebührenerlöse maximal in Höhe verrechneter Kosten zu erzielen, erscheint daher methodisch fragwürdig. Auch Paraphrasierungen der Art, daß die Gemeinde durch Gebührenvereinnahmung "langfristig weder reicher noch ärmer werden" solle, im Zusammenhang "mit der Leistungserstellung weder finanzielle Überschüsse zu erwarten hat noch Subventionszahlungen leisten soll"47 oder "mit Hilfe der Gebührenerhebung [keinesfalls] eine zusätzliche Einnahmequelle geschaffen"48 werden dürfe, ge-

42 So das VG Gelsenkirchen, U. v. 21.4.1994- 13 K 3474/93, S. 11 ff. So im übrigen auch die bereits historisch geglaubte Klage von Seischab 1952, der - als Reaktion auf die Herausforderung wenmäßigen Kostendenkens - infolge unzulässiger Kostenextension eine "Demontage" des Gewinnbegriffs am Werke sah. 43 Ebenso Brüning 1990, S. 24: "Für den öffentlichen Bereich kommt es darauf an, welche Ziele durch den Gesetzgeber vorgegeben sind." 44 So etwa VG Gelsenkirchen, U. v. 21.4.1994- 13 K 3474/93, S. 13. 45 Budäus 1978, S. 364. 46 Z. B. S 5 KAG NS; S 6 Abs. 1 KAG NW. 47 So Brüning 1990a, S. 25; ähnlich auch Zahradnik 1995. 48 VG Düsseldorf, U . v. 5.2.1975-5 K 265/73- KStZ 1976, S. 116.

252

E. Betriebswirtschaftliche Aspekte

statten über den eher bescheidenen materiellen Gehalt des Gebotes hinaus keinen weiteren exegetischen Ertrag. Wer dem Erfordernis der Kostendeckung bereits eine bestimmte Kostenanschauung zu entnehmen beabsichtigt, unterliegt der Gefahr der Verwechslung von formalem Deckungsgrundsatz und inhaltlicher Zielsetzung: Der auf diese Weise deduzierte Kostenbegriff verschleiert nur implizite Werthaltungen gegenüber gebührenfähigen Entgelten, denen bei Anerkennung des wertmäßigen Kostenbegriffes nichts "Wesensmäßiges" mehr anhaftet: Die inhaltliche Bestimmung dessen, was als Kosten anzusehen ist, hat sich unter Ausrichtung an einer Zielvorstellung der Kalkulation und Bewertung zu orientieren. Eine derartige Zwecksetzung mag im Rahmen der von den Gebührenkritikern vorgetragenen Auffassung in der nominellen Kapitalerhaltung erblickt werden; diese ist freilich nach überwiegender Auffassung auch im öffentlich gebundenen Bereich als unbrauchbar anzusehen. 49 Das argumentative Ergebnis ist damit nicht zwingender Ausfluß des Kostenüberschreitungs- oder Gewinnerzielungsverbots, sondern Resultante einer impliziten Zielverpflichtung kommunaler Betriebe auf die nominelle Kapitalerhai tung. Die Kommunalabgabengesetze, das jeweilige Haushaltsrecht sowie nicht zuletzt die sachbezogenen gesetzlichen Vorschriften für die öffentliche Leistungserstellung der Gemeinden formulieren freilich gleichwohl auch im Rahmen wertmäßiger Kostenlehre brauchbare Zieleingrenzungen: So sind die kommunalen Gebietskörperschaften beispielsweise nach § 53 Abs. 1 LWG NW zur dauerhaften, ordnungsgemäßen Abwasserbeseitigung verpflichtet. Aus dieser pflichtigen Daueraufgabe wird u. a. für den Bereich der Abwasserentsorgung regelmäßig das Ziel der Sicherstellung dauerhafter Betriebsfähigkeit als Betriebszweck abgeleitet ("Substanzerhaltung").50 Damit wird zugleich deutlich, daß diese Auslegungsdiskussion betriebswirtschaftlicher Grundsätze untrennbar mit einer nie recht geklärten und neuerlich erneut aufgeflammten Zieldiskussion kommunaler Preispolitik verwoben ist:51 Nach welchem Leitbild sollen danach kommunale Benutzungsgebühren speziell in den umweltpolitisch sensiblen Bereichen der Entsorgung künftig zu kalkulieren sein?

49

Hierzu ausführlich Gawel1994b, m. w. N.

Ostholthoff 1993, daß in der Abwasserwirtschaft "die F_inanzierung der Substanzerhaltung auf Dauer als Betriebszweck" gelte (Hervorh. i. Original). Ahnlieh auch F. Zimmermann 1985, S. 143; Knobloch 1985, S. 46; Gawe/1994b, S. 82 ff.; so bereits/acob 1963. 50 So formuliert etwa

51 Zu diesem Aspekt ausführlich Gawel1995a.

li. Kostenbegriff und Bewertungsfragen

253

Auch der jüngste Versuch des Oberverwaltungsgerichtes (OVG) von Nordrhein-Westfalen in Münster, vor diesem Problemhintergrund eine gesetzesabstrakte Exegese "betriebswirtschaftlicher Grundsätze" vorzunehmen und derartige Grundsätze losgelöst von kommunalspezifischen Anforderungen nichtgewinnorientierter Betriebe zu ermitteln,52 erscheint - um eine gebräuchliche juristische Formel zu verwenden - bereits im Ansatz verfehlt. Daß gerade und nur die Übertragung im wesentlichen unbestrittener Grundsätze erwerbswirtschaftlicher Einheiten auf kostenrechnende Kommunalbetriebe Bedenken und Gegenstimmen evoziert und sich damit vielmehr die Frage stellt, wie Stellung und Bedeutung betriebswirtschaftlicher Grundsätze im kommunalabgabenrechtlichen Zusammenhang gemeinwirtschaftlicher Wirtschaftsformen zu sehen sind, wird schlicht negiert. Die erwerbswirtschaftliche, gewinnmaximierende Unternehmung mag ordnungspolitisches und wirtschaftstheoretisches Leitbild betriebswirtschaftlicher Forschungsausrichtung sein, eine erschöpfende Auskunft über den "betriebswirtschaftlichen Kostenbegriff des KAG•53 vermag eine für diesen betrieblichen Prototyp entwickelte Kostenrechnung hingegen nicht zu liefern. Die "betriebswirtschaftlichen Grundsätze" der KAGs machen demnach wohl betriebswirtschaftliches Denken - im Gegensatz zu finanzwirtschaftlich-kameralistischen Auffassungen -, nicht aber die BWL erwerbswirtschaftlicher Betriebe zum Maßstab, auch wenn diesen aufgrund ihrer ordnungspolitisch herausragenden Stellung in der Betriebswirtschaftslehre der Rang emes betrieblichen Prototyps zuwächst. 54 Ein derartiges Grundsatz-Verständnis macht jedoch den Übergang auf die konkreten kommunalabgabenrechtlichen Probleme fraglich: Daß überall dort, wo das Gesetz keine eindeutigen Regelungen vorsieht, unmittelbar betriebswirtschaftliche Grundsätze greifen, welche nach dem Verständnis des Senats überdies der Kalkulationsgebarung von der Gewinnmaximierung verpflichteten erwerbswirtschaftlichen Einheiten zu entnehmen seien, kann kaum angängig erscheinen. Da das Gericht die Antwort schuldig bleibt, wie aus dem (erwerbswirtschaftlichen) Grundsatz ein (gemeinwirtschaftlicher) Spezialsatz zu deduzieren sein soll, ergeben sich als Resultat unnötige argu-

52 OVG Münster, U. v. 5.8.1994- 9 A 1248/92 - Gernl-frl 1994, S. 233 ff. - KStZ 1994, S. 213 ff. 53 Brüning 1990a; ablehnend gegenüber dieser Spezialkonstruktion Giesen 1995. 5-4 Eines speziellen Hinweises etwa auf die Überformung betriebswirtschaftlicher Anschauung durch Charakteristika öffentlicher Unternehmen bedarf es hierzu - entgegen der Meinung des Gerichts-aufgrund der Stellung der Verweisung im KAG ganz offensichtlich nicht mehr.

254

E. Betriebswirtschaftliche Aspekte

mentative Brüche, auf die verschiedentlich bereits aufmerksam gemacht wurde. 55 Die gebührenrechtlichen Prinzipien der Kostendeckung bzw. der Äquivalenz sind damit freilich nach dieser Deutung keineswegs inhaltsleer geworden:56 Neben den unbestrittenen Maßgaben etwa der Vollständigkeit der Kostenerfassung und der (allerdings nur formal zu verstehenden) Deckungsregel der Gebührenhöhe durch Kosten der Leistungserstellung,57 entfalten sie gegenüber den betriebswirtschaftliehen Grundsätzen durchaus weitergehende Wirkungen: 58 (1) Grundsatz der zielbezogenen Legitimation Die betriebswirtschaftliche Bedeutung des Kostenüberschreitungsverbots liegt zuvörderst im Legitimationszwang für ansatzfdhige Kosten ("Prinzip des zureichenden Grundes"): Jedwede angesetzten Kosten bedürfen danach der zielorientierten Legitimation. Werteverzehre, die mittels Zielverweis nicht gedeckt erscheinen, führen bei ihrer Verrechnung über Gebühren zu "Gewinnen" im Sinne der jeweils zugrunde gelegten Kalkulationskonzeption. Die moderne Gebührenauffassung sieht in Übereinstimmung mit der Kostenlehre die Bemessung der Gebühr als Reflex der damit verfolgten Zielsetzungen der gebührenerhebenden Körperschaft: Wie bereits mehrfach betont, verweist die Frage nach der "richtigen" Gebührenhöhe" unmittelbar auf die hinter der Gebührenerhebung und -bemessung stehenden Zielvorstellungen.59 Diese Zielbedingtheit der Gebührenkalkulation führt- unabhängig von der hier nicht verfolgten Frage, ob eine konkrete Gebührenberechnung "richtig" und zulässig ist, - zu einem zweistufigen Prüfprozeß:60

55 Für die Frage der Abschreibungsverrechnung hierzu bereits Gawel1994e; mit Blick auf die Verzinsung Gawe/1994d- siehe dazu auch Abschnitt E.V. 56 So aber Huter I Lahl I Zeschmar 1985, S. 189, die bereits mangels eindeutiger Definition des Kostendeckungsprinzips von einer "Leerforrnel" sprechen, welche den Übergang zu einer "politischen Kalkulation" rechtfertige- vgl. hierzu auch Abschnitt D.l.2.d. Differenzierter zum Leerformel-Charakter bzw. der Mehrdeutigkeits-Problematik des Kostendeckungspostulats Eich· hom 1981a, S. 118 ff.; Kirsch 1992; ders. 1993. 57 Budäus 1978, S. 362. 58 Siehe

hierzu bereits Gawe/1995a. 59 Statt vieler Hammeyer I Fürst 1968, S. 31; Bohley 1977, S. 132; Oettle 1976, S. 101 ff.; Bätz 1979, S. 86 ff.; Bals I Nölke 1990, S. 210 ff. 60 Zu dieser methodischen Doppelprüfung bereits Gawel1994b, S. 81.

li. Kostenbegriff und Bewertungsfragen

255

1. Befinden sich die zu prüfenden Kalkulationsgrundsätze in Übereinstimmung mit den vorgegebenen Zielerfüllungsabsichten (zweckmäßige Gebühr)? 2. Sind diese Zielformulierungen selbst rechtlich zulässig? Kosten, die mit der beabsichtigten Zielerfüllung in Einklang stehen (Kriterium 1) und auf ein rechtlich zulässiges oder wirtschaftlich angemessen erscheinendes Ziel Bezug nehmen (Kriterium 2), sind daher legitime Aufwandsgrößen und keine verschleierten Gewinnbestandteile. Vor diesem Hintergrund mutet auch die Klage befremdlich an, daß es um die Betriebswirtschaftslehre wohl schlecht bestellt sein müsse, wenn es ihr nicht gelinge, eine eindeutige und allgemein verbindliche Kostenbegrifflichkeit zu entwickeln.61 Die betriebswirtschaftliche Kostenlehre kann vor dem skizzierten Hintergrund die Adäquanz einzelner Kostenbestandteile mit Blick auf unterschiedliche kalkulatorische Zielsetzungen herausarbeiten ("different costs for different purposes") sowie angemessene Zielvorstellungen für spezifische Betriebsformen diskutieren; der kalkulierenden Einheit oder dem die Kalkulationsgrundsätze normierenden Rechtsgeber die erforderliche Zielbestimmung abnehmen kann sie freilich nicht. Wer die Zielsetzung eines kostenrechnenden kommunalen Betriebes in der strikten Vermeidung von Einnahmeüberschüssen erblickt, sollte dies offen fordern. Soweit ersichtlich, hat sich jedoch der Gesetzgeber in NRW für "betriebswirtschaftliehe Grundsätze" entschieden, die das Kostenüberschreitungsverbot 1m Lichte des wertmäßigen Kostenbegriffs anders deuten.

(2) Grundsatz der Bewertungskonsistenz Darüber hinaus ist ein Grundsatz der "konzeptionellen Homogenität"

(Bewertungskonsistenz) zu verfolgen, der sämtliche mit der öffentlichen Lei-

stungsbereitstellung und ihrer im Gebührenwege erfolgenden Zurechnung auftretenden Bewertungs- und Kalkulationsfragen nach Maßgabe eines für verbindlich erklärten Kalkulationskonzepts behandelt. Die gesamte Kostenrechnung ist daher einheitlich auf das relevante Bewertungsziel auszurichten. Insbesondere Versuche, je nach Finanzierungspotential abweichende konzeptionelle Begründungen für einzelne Kostenarten zur ad-hocRechtfertigung heranzuziehen, können damit verhindert werden.

61 So Brüning 1990, S. 22.

256

E. Betriebswinschaftliche Aspekte

(3) Grundsatz der Bewertungskontinuität Schließlich könnte man - ähnlich den Bewertungsregeln im Handels- und Steuerrecht - ein Prinzip "kalkulatorischer Kontinuität" fordern, 62 das eine Änderung bisher geübter Bewertungsverfahren einer gesonderten Rechtfertigung unterwirft, um willkürbehaftete Änderungen im Kalkulationsgebaren zu verhindern. Analog zur bilanziellen "Gleichmäßigkeit der Bewertungsgrundsätze" bedürfte ein Wechsel in der kalkulatorischen Konzeption, der auf abweichende Zielerfüllungsabsichten der Gebührenerhebung verweist, damit einer ausdrücklichen Darlegung der damit verbundenen Absichten sowie der jeweils ausschlaggebenden Gründe; die damit konzeptionell einhergehenden Bewertungsänderungen sind gemäß dem Konsistenz-Postulat zu (2) wiederum vollständig vorzunehmen und nicht nur auf jeweils opportun erscheinende Teilaspekte der Kostenkalkulation zu erstrecken.

c) Das Kodifizierungsproblem gesamtwirtschaftlicher Kostenverantwortung Weiter fragt sich, wie es um die Reichweite des "Betriebswirtschaftlichen" in bezugauf gesamt- resp. gemeinwirtschaftliche Auslegungen bestellt ist. Ist es mit anderen Worten zulässig, "betriebswirtschaftlichen Grundsätzen" im Auslegungswege aufgrund veränderter gesellschaftlicher Zielprioritäten nunmehr eine überbetriebliche, volkswirtschaftlich lenkende Funktion zu entnehmen? In diesem Zusammenhang stellt sich zunächst weniger das Problem genereller "Tragfähigkeit" der betriebswirtschaftliehen Grundsätze63 als vielmehr ihrer Unterbestimmtheit: Der Gesetzgeber hat es vermieden und so mag man rückblickend werten - wohl auch versäumt, über die bloße Öffnung des Kostenbegriffes hinaus, welche insoweit die Entwicklung der modernen Betriebswirtschaftslehre nachvollzieht, eine verbindliche Zielaussage für die Kalkulation zu treffen. Eine solche Zielkonkretisierung ist offenbar auch nicht, wie die unvermindert anhaltende Diskussion belegt, im Konsens einer herrschenden Auffassung zu gewinnen. Hergebrachte Gebührengrundsätze, speziell das Kostendeckungsgebot, leisten hierzu - wie ausgeführt ebenfalls keinen weiterführenden exegetischen Beitrag. Auch die vereinzelt in Aussicht genommene Substitution oder hilfsweise "Überwölbung" betriebswirtschaftlicher Grundsätze durch volkswirtschaftliche Kostenan62 Zum Grundsatz der (materiellen) Bilanzkontinuität, speziell der "Gleichmäßigkeit der ße. wertungsgrundsätze" (sog. Bewertungskontinuität) etwa Wöhe 1984, S. 194 ff.

63 Diesbezüglich kritisch vor allem Traumann·Reinheimer 1977.

II. Kostenbegriff und Bewertungsfragen

257

schauungen64 allein liefert - soweit ersichtlich - aus dieser Problematik keinen gangbaren Lösungsweg: Denn der vermeintliche Zugewinn an Auslegungssicherheit, der traditionelle Streitpunkte der anwendungsorientierten Literatur im Lichte volkswirtschaftlicher Maßstäbe vielfach erübrige,65 geht unvermeidlich mit einer eklatanten Operationalisierungsschwäche der theoretischen Konzepte Qangfristige Grenzkosten, Internalisierung) einher, zumal bei einer bloßen "Überwölbung" das Verhältnis zwischen ursprüglicher und überformend hinzutretender Auslegung letztlich ungeklärt bliebe und der bestehenden Unbestimmtheit letztlich nur weitere Freiheitsgrade der Auslegung hinzugefügt würden. Damit werden aus der Diskussion zwei verschiedene Strategien deutlich, um dem Anliegen gesamtwirtschaftlicher Kostenverantwortung kalkulatorisch Nachdruck zu verleihen: Eine erste Meinung geht dahin, den Kanon betriebswirtschaftlicher Grundsätze unter dem Eindruck veränderter Zielprioritäten neu zu deuten und damit den betriebswirtschaftliehen Kostenbegriff gleichsam zu dehnen: Insbesondere eine Ökologisierung erscheint nach dieser Auffassung bereits nach geltendem Kommunalabgabenrecht -soweit es über Anschaffungskosten hinaus geht - möglich. 66 Andere Stimmen halten den betriebswirtschaftliehen Kalkulationsrahmen für zu eng und streben eine offene Ersetzung, zumindest aber die bereits zitierte "Überwölbung" durch explizit volkswirtschaftliche Kostenüberlegungen an. 67 Es erscheint nützlich, sich darüber klar zu werden, daß dieser Kontroverse weniger an der wissenschaftlichen Klärung der Reichweite einzelner Kostenauffassungen gelegen ist als vielmehr der implementationspolitischen Frage entspringt, wie eine als sinnvoll erkannte gesamtwirtschaftliche Kostenverantwortung kommunalabgabenrechtlich kodifiziert werden kann. Vor diesem Hintergrund erscheint es letztlich irrelevant, unter welchem Rubrum (betriebs- oder volkswirtschaftlich) beispielsweise eine ökologische Kalkulation rechtlich abgesichert wird. Entscheidend bleibt die Durchführung eines Reform-Programmes, soweit über dessen Ziel und seine Reichweite hinsichtlich der Veränderung hergebrachter Erscheinungsformen der klassischen Benutzungsgebühr Konsens hergestellt werden kann. Ein solcher Konsens ist zweifellos auch im Rahmen des betriebswirtschaftliehen Kostenbegriffes theoretisch denkbar, soweit bislang eher randständige Sozialkostenlehren gemeinwirtschaftlicher Prägung die neue Grundlage für ein erweitertes Rechnungslegungs-Verständnis der Gebühr abgeben. 64 Bais I Nölke 1990, S. 209. 65 So im einzelnen Bais I Nölke 1990, passim. 66 So Brückmann 1991; Langenbrinck 1993; Mohl I Backes 1991. 67 Bais I Nölke 1990; Bals I Labt 1991. 17 Gawel

258

E. Betriebswirtschaftliche Aspekte

Allerdings mutet ein solcher Konsens im Rahmen betriebswirtschaftlieber Denkungsart letztlich weniger wahrscheinlich an: Die Vergangenheit lehrt, daß unter dem Rubrum des "Betriebswirtschaftlichen" eine Annäherung an ökologisch taugliche Rechnungslegungsformen nicht einmal ansatzweise gelingen konnte, ja daß nicht einmal ein Konsens über moderne betriebswirtschaftliche Kalkulationsformen im Rahmen der Gebührenbedarfsberechnung erzielbar war. Daher mag es zwar zutreffend sein, daß bereits von der gegenwärtigen Anlage etwa des Kommunalabgabenrechts in Nordrhein-Westfalen grundsätzlich eine gewisse ökologische Umorientierung möglich erscheint,68 der Versuch freilich, die Umgestaltung unter im wesentlichen unveränderten kommunalabgabenrechtlichen Rahmenbedingungen anzustreben, erweist sich politisch als verfehlt. Auch wird mit der Zurückweisung kommunalabgabenrechtlicher Änderungsbestrebungen und dem Festhalten an betriebswirtschaftliehen Kalkulationsformen u. U . eine verschleierte Verkürzung des Programmes ressourcenlenkender Gebühren betrieben, indem tariflichen und maßstabsbezogenen Ökologisierungsformen im Rahmen geltender Vorschriften das Plazet, weitergehenden Überlegungen zur systematischen Preis- und Knappheitsorientierung der Gebühr hingegen eine Absage erteilt werden soll: So wird die behauptete Vereinbarkeit mit geltendem Recht insbesondere die ökologische Maßstabsgestaltung für sich in Anspruch nehmen können, die im Rahmen grober Äquivalenz- und Gleichheitsgesichtspunkte im wesentlichen satzungsrechtliche Freiheitsgrade der Tarifierung und Bemessung nutzen kann. Damit könnte die Kontroverse um die Kodifizierung auch unterschiedlichen Vorstellungen von gesamtwirtschaftlicher Ausrichtung und Ökologisierung entspringen, wobei die Grenzziehung zwischen umweltpolitischen Umgestaltungen der Gebühr verlaufen würde, die lediglich Fragen verursachergerechter Tarifierung und Maßstabsgestaltung in den Blick nehmen {"Strukturproblem"), bzw. ambitionierteren Formen, denen auch an dem korrekten Ausweis der Gesamtkosten der Nutzung kommunaler Umweltgüter gelegen ist {"Niveauproblem"). Daher ist zusammenfassend sowohl aus implementationspolitischen Gründen als auch zum Zwecke der Dokumentation der Reichweite des angestrebten Reform-Programmes ein Beharren auf hergebrachten betriebswirtschaftlichen Rechnungslegungsformen kontraindiziert.69 Eine bloße Substitution durch den Terminus "volkswirtschaftlich" oder gar eine lediglich exegetische "Überwölbung" hingegen erscheinen aus den zuvor genannten Gründen ebenfalls nicht zweckmäßig: Mit der ausdrücklichen Verbindlichma68 So Mahl 69 So auch

I Backes 1991. Bals I Nölke 1990; ähnlich auch Brückmann 1991, S. 148.

li. Kostenbegriff und Bewertungsfragen

259

chung gesamtwirtschaftlicher (volks- bzw. "gemeinwirtschaftlicher") Maßstäbe der Gebührenfestlegung mag zwar die gegenwärtige Kontroverse um die kommunalabgabenrechtlich angemessene Kalkulationsform durch Entscheid des Landesgesetzgebers beendet werden sowie eine Bekräftigung des Verursacherprinzips auch auf der Ebene der zu verrechnenden Gesamtkosten gelingen, mit einer Befriedung der Diskussion hingegen wird so kaum zu rechnen sein. Vielmehr muß das genaue Ausmaß des Ökologisierungsprogrammes ausdrücklich im Kommunalabgabenrecht verankert werden, um hergebrachte Kontroversen um betriebswirtschaftliche Grundsätze nicht unnötig zu prolongieren und zu verschärfen - Konsensbildung setzt insoweit Detailregelung voraus. So sind etwa Bewertungsmaßstäbe oder ansatzfähige Kostenarten sowie Bemessungsprinzipien unter gesamtwirtschaftlichen Gesichtspunkten zu reformulieren. Welches Fazit läßt sich nunmehr vor dem Hintergrund des Gesagten ziehen? Der Übergang zu einem volkswirtschaftlichen Gebührenverständnis angesichts der ökologischen Herausforderung wurde nachdrücklich bejaht, zugleich aber erkannt, daß dies nur als Etikett für eine im Konsens gefundene Neubestimmung der Gebührenrolle dienen kann. Soweit dies nicht unmittelbar gelingen will, bedarf es einer abgabenrechtlichen Konkretisierung des Lenkungsprorgammes im Detail. Dann aber mag es auch ausreichen, es bei den "betriebswirtschaftlichen Grundsätzen" zu belassen, welche die gesamtwirtschaftlichen Überlegungen zumindest theoretisch ebenfalls tragen, und die für nötig befundenen Ergänzungen und Klarstellungen einzeln zu kodifizieren?O Der volkswirtschaftlich-ressourcentheoretische Ansatz zeigt zwar eine klare Strenge hinsichtlich der Zwecksetzung von Preisadministrierungen, bleibt aber im Kalkulatorischen letztlich unverbindlich; betriebswirtschaftliehe Grundsätze leisten hier als hochentwickeltes Instrumentarium der Rechnungslegung wertvolle Dienste, soweit nur sichergestellt ist, daß das auf unterschiedliche Kalkulationsabsichten hin ausrichtbare, flexible Informationsinstrument der betrieblichen Kostenrechnung den Anforderungen gesamtwirtschaftlicher Kostenverantwortung verpflichtet werden kann. Diesem Anliegen aber mag angesichts der begrenzten Reichweite konkreter Reformnotwendigkeiten bezüglich der Höhe der Gebühr auch hinreichend dadurch entsprochen werden, daß "betriebswirtschaftlichen Grundsätzen" entsprechende Ziel- und Kalkulationsimperative beigegeben werden; ein "volkswirtschaftlicher Kostenbegriff" bleibt aufgrund seiner kalkulatorischen Unschärfen auf seine Rolle als Zweckbestimmer beschränkt und daher zur völligen Substitution betriebswirtschaftlicher Verfahren nicht legitimiert. Dem 70 Dazu

im einzelnen Kap. G.

260

E. Betriebswinschaftliche Aspekte

hier propagierten ganzheitlich-ökonomischen Ansatz71 entspricht es, wenn gesamtwirtschaftliche Zweckbestimmung aus einem volkswirtschaftlich-ressourcentheoretischen Referenzsystem und betriebswirtschaftliche Kalkulation als Module einer einheitlichen ökonomischen Fundierung der Gebühr verstanden werden. Die hieraus resultierenden Reformnotwendigkeiten richten sich nicht gegen "betriebswirtschaftliches Denken" im Sinne wertmäßiger Kostenanschauung, sondern vielmehr gegen hergebrachte Deutungen kommunalabgabenwirtschaftlicher Selbstbezogenheit unter dem Deckmantel einer gesamtwirtschaftlich kontraproduktiven pagatarischen Kostenlehre.

2. Der Zeitwert als Maßstab der Gebührenbemessung Die traditionelle Bewertungs-Diskussion im Recht der Benutzungsgebühren ist vom Antagonismus historischer versus zeitnaher Wertmaßstäbe (Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten versus Wiederbeschaffungskosten) gekennzeichnet. Um Aspekten gesamtwirtschaftlicher Kostenverantwortung auch bei der Gebührenkalkulation Geltung zu verschaffen, ist zunächst zu fragen, wie sich die Wert-Kontroverse im Lichte volkswirtschaftlicher Preisbildungsregeln darstellt und ob volkswirtschaftlichen Opportunitätskosten im Rahmen betriebswirtschaftlicher Zeitwerte ausreichend Rechnung getragen werden kann.

a) Zum Pluralismus an "zeitnahen" Wertmaßstäben Soweit der Bewertungsakt im Rahmen der wertmäßigen Kostenlehre stets dem Zweck der Rechnung folgt, ergeben sich auch bei Beachtung des Kriteriums der "Zeitnähe" vielfältige Bewertungsansätze: So werden etwa in der Bilanzlehre bei der Bewertung des Anlagevermögens Restwerte, Marktwerte, Teilwerte u. a. m. unterscheiden, die ein und demselben Wirtschaftsgut unterschiedliche Geldeinheiten zuweisen, je nachdem, ob der fortgeführte Anschaffungswert nach Maßgabe der zwischenzeitlich eingetretenen Nutzungsabgabe, die aktuelle Veräußerbarkeit auf Faktormärkten oder des-

71 Vgl. dazu bereits Abschnitt E.l.

ll. Kostenbegriff und Bewenungsfragen

261

sen Teilhabe an der Fähigkeit des Gesamtbetriebes zur Ertragerzielung gemessen werden so11. 72 Auch die Konstruktion des Wiederbeschaffungswertes als verbreiteter und für die Abschreibungsverrechnung als zutreffend anerkannter73 Wertansatz unterliegt vielfältigen Definitionsansätzen. Zunächst ist der "echte Wiederbeschaffungswert" als Wert eines Wirtschaftsgutes zum Zeitpunkt seiner effektiven Wiederbeschaffung zwecks Forstsetzung der betrieblichen Leistungserstellung zu trennen von Formen des "Wiederbeschaffungszeitwertes", dem an der Werterfassung mit Blick auf die Wiederbeschaffung zum jeweiligen Entscheidungs- und Bewertungszeitpunkt gelegen ist. Doch auch dieser Wiederbeschaffungszeitwert unterliegt seinerseits unterschiedlichen Deutungen, die sich danach unterscheiden, welche Erhaltungskonzeption (Kapital-, Substanzerhaltung) mit der Wiederbeschaffung eigentlich verfolgt werden sol1.74 In der - jenseits bloßen Nominalismus' - engsten, auf reale Kapitalerhaltung gerichteten Werterhaltungskonzeption wird ein Wiederbeschaffungszeitwert als der Preis zu verstehen sein, der zum Bewertungsstichttag für die Erneuerung eines vorhandenen Vermögensgegenstandes durch einen solchen gleicher Art und Güte gezahlt werden müßte.75 Dies wird i. d. R. ein in geeigneter Weise transformierter Anschaffungs- und Herstellungswert (Zeitwert) sein, der etwa mit Hilfe von Indexreihen auf die Jetztperiode umbewertet werden kann_76 Die Auffassung, daß bei der Verrechnung von Abschreibungskosten der Wiederbeschaffungszeitwert nur die Höhe des (Rest-) Wertes annehmen könne, den der Vermögensgegenstand im Bewertungszeitpunkt unter Berücksichtigung des zwischenzeitlich eingetretenen W erteverzehrs, d. h. nach 72 Dazu

ausführlicher Wöbe 1984, S. 355 ff. Siehe nur Wöbe 1993, S. 1297; Kiiger 1976; Schierenheck 1993, S. 624; speziell für den Kommunalbereich Dahmen, in: Driehaus, § 6, Rn. 734a; Bals 1973, S. 78-83; F. Zimmermann 1985; Hinsen 1986; Kneer 1992; Gawel 1994b. Eine Mindermeinung möchte Abschreibungen auf Wiederbeschaffungszeitwenbasis nur für den eigenfinanzienen Vermögensanteil zulassen ("Netto-Substanzerhaltung"): G. Zimmermann 1989; ders. 1992; Wenzel I Schmidt 1989; Schneider 1984; Rudolph I Geliert 1988. Hierzu auch näher Abschnitt E.IV.3. 74 Dazu Wöhe 1993, S. 1262 ff.; Eichhorn 1981a, S. 121 ff.; mit Blick auf die Gebührenbedarfsberechnung auch Gawel1994b. 75 So u. a. OVG Münster, U . v. 5.8.1994 - 9 A 1248192, S. 16; OVG Münster, U. v. 27.10.1992- 9 A 835191; ATV-Regelwerk Abwasser: Erfassung, Bewenung und Fonschreibung des Vermögens kommunaler Entwässerungseinrichtungen, Ziffer 1.5. 76 Dabei kann als lnflator · je nach Zielsetzung der Erhaltungskonzeption - grundsätzlich sowohl ein Index der allgemeinen Preisniveausteigerung als auch ein spezifischer Anlagenindex zur Anwendung kommen. Für den Entsorgungssektor als pflichtiger Daueraufgabe der Gemeinden wird als Kaufkraftminderung regelmäßig die spezifische Preissteigerung im Bereich des Anlagevermögens relevant sein (z. B. in Gestalt eines Kanalabauindex'). Vgl. auch die entsprechenden Ausführungen zu E.V (Verzinsung). 73

262

E. Betriebswinschaftliche Aspekte

Abzug der Abschreibungen, noch aufzuweisen hat (gleichsam zur Wiederbeschaffung lediglich einer jeweils gleichermaßen abgenutzten Anlage),77 geht freilich im Verständnis der Abschreibungsverrechnung fehl, da hiermit kumuliert nicht einmal die Anschaffungskosten des Wirtschaftsgutes wiedergewonnen werden können.78 Auch neuere, entscheidungstheoretisch fundierte Arbeiten der Betriebswirtschaftslehre, in denen der Rekurs auf den Substanzerhaltungsgedanken mangels eigenständiger Zielqualität im Rahmen gewinnstrebiger Betriebseinheiten verworfen wird,79 weisen mit anderer Begründung den Weg zum echten Wiederbeschaffungswert in der Kalkulation. Daß der Substanzerhaltungsgedanke in der neueren, theoretisch orientierten Betriebswirtschaftslehre gewinnorientierter Unternehmen als Argument für die kalkulatorische Wiederbeschaffungswertabschreibung an Bedeutung einbüßt, bedeutet daher nicht eine Rückkehr zum Anschaffungswertprinzip, sondern vielmehr eine modifizierte Begründung des Wiederbeschaffungswertes. Auch erscheint es nicht angägig, unter Verweis auf die hierbei angestellten Überlegungen bezüglich gewinnmaximierender Einheiten auf die generelle Obsoleszenz des Substanzerhaltungsgedankens auch für solche betriebliche Einheiten zu schließen, denen die Maximierung_ einer Erfolgsgröße versagt ist.80 Damit gilt wohl zusammenfassend in der allgemeinen Betriebswirtschaftslehre theoretisch unangefochten der echte Wiederbeschaffungswert als qualifizierter Zukunftswert, in der BWL öffentlicher Betriebe mit Kostendeckungsziel überwiegend eine auf Zeitwerte abstellende reale Kapitalerhaltung als maßgebliche Kalkulationsgrundlage.

b) Schattenpreis und Zeitwert Nach den Maßstäben der volkswirtschaftlichen Preistheorie sind sämtliche in die Entgeltkalkulation einzubeziehenden Faktorverbräuche mit den zum Zeitpunkt ihrer Inanspruchnahme geltenden Knappheitspreisen zu bewerten. Dahinter steht die Vorstellung, daß individuelle Entscheidungen der 77 So Brawanski 1982, S. 159; Ostholthoff 1993, S. 19, und- diesem folgend- VG Gelsenkirchen, U. v. 21.4.1994- 13 K 3474/93. 78 Zu dieser denkfehlerhaften Argumentation klärend OVG Münster, U. v. 5.8.1994- 9 A

1248/92, s. 17.

79 Vgl. etwa die Arbeiten von Heinen

143 f. mit weiteren Nachw.

1970; Adam 1970, S. 142 ff.; rezipierend Mahlert 1976, S.

80 Insoweit den Substanzerhaltungsgedanken voreilig verabschiedend und als bloße Verbrämung fiskalischer Begehrlichkeit decouvrierend Traumann·Reinheimer 1977, S. 167 ff., 172.

li. Kostenbegriff und Bewertungsfragen

263

Nachfrager nach (hier: öffentlichen) Leistungen nur dann zu einer gesamtwirtschaftlich optimalen Situation führen, wenn die Gebühren die im Zeitpunkt der Entscheidung herrschenden Knappheitsverhältnisse für alle eingesetzten Produktionsfaktoren widerspiegeln. Auf diese Weise werden die Nutzer mit den dadurch ausgelösten Verzichtsfolgen (Opportunitätskosten) korrekt belastet, anhand derer individuell entschieden werden kann, ob der eigene Bedarf im Lichte gesellschaftlicher Dringlichkeit konkurrierender Verwendungen der genutzten Ressourcen Bestand haben kann. Insoweit könnte in der Tat von einem in der Allokationstheorie maßgeblichen "Zeitwert" gesprochen werden, 81 der sich von fiktiven Zukunfts- oder historischen und damit i. d. R. überholten Vergangenheitswerten abhebt. In der Allokationstheorie ist hier freilich von Schattenpreisen die Rede, 82 welche den gesamten Werteverzehr unabhängig von ihrer effektiven (Markt-) Bepreisung bündeln. Daß die bloße Verfügbarkeit über Marktpreise für gewisse Güter und Faktoren keine Veranlassung gibt, hierin bereits zutreffende Bewertungsmaßstäbe zu erblicken, 83 erscheint im Rahmen volkswirtschaftlichallokationstheoretischer Bewertung selbstverständlich. Dies gilt naturgemäß in besonderer Weise dann, wenn die verfügbare Marktbewertung in der Vergangenheit erfolgte und zwischenzeitliche Aktualisierungen nicht mehr vorgenommen wurden. Offen bleibt damit allerdings, ob diese Feststellung über die "Zeitnähe" allokationstheoretischer Bewertungsregeln für die kommunalabgabenwirtschaftliche Kontroverse um die zutreffende Bewertung von Faktorverbräuchen Klärendes bereithalten kann. Dies könnte nur dann bejaht werden, wenn der so verstandene volkswirtschaftliche "Zeitwert" mit einer der in der betriebswirtschaftliehen Kalkulations- und Bewertungslehre befürworteten Wertgröße übereinstimmen würde. Dies aber ist ersichtlich nicht der Fall. Selbst wenn man zunächst davon absehen wollte, daß zeitwertorientierte Kalkulation höchst unterschiedliche Ausprägungen erfahren hat und eine einheitliche Zeitwertdefinition in der Theorie des betrieblichen Rechnungswesens nicht existiert (vgl. a), so bleibt die grundsätzliche Feststellung, daß kalkulatorische Zeitwerte regelmäßig andere Bewertungszwecke verfolgen als die Sicherstellung paretaoptimaler Allokationsszustände der Gesamtwirtschaft. Vor diesem Hintergrund erscheint die Favorisierung eines volkswirtschaftlichen Bewertungs-Reglements keineswegs als Stütze gängiger Zeitwert-Argumentationen, sondern vielmehr als tertium, das auch die tradierten Zeitwertkalkulationen in Frage stellen würde. 81 So Bals I Nölke 1990. 82 Siehe z. B. Sohmen 1976. 83 Richter 1960, S. 220; für die BWL zustimmend zitiert bei Wulenmayer 1981, S. 210.

264

E. Betriebswirtschaftliche Aspekte

Im Rahmen volkswirtschaftlich optimaler Preisbildung geht es - hinsichtlich der Zeitdimension der Preisermittlung - naturgemäß weniger um betriebswirtschaftliche Wiederbeschaffung als um Fragen intra- und intertemporaler Optimierung der Ressourcennutzung. Der in der Betriebswirtschaftslehre diskutierte Zusammenhang der Wiederbeschaffung im Leistungserstellungsrozeß eingesetzter Wirtschaftsgüter und die damit zu leistende Substanzerhaltung eines historischen Kapitalstocks erscheinen unter dem Gesichtspunkt volkswirtschaftlicher Preisregeln sekundär. Mithin ergibt sich insoweit auch kein Argument für "den" Zeitwert im aktuellen Gebührenstreit. Allerdings wird aus volkswirtschaftlicher Sicht die Unhaltbarkeit historischer Wertansätze unterstrichen; daher muten die gegenwärtig verstärkten Bemühungen um eine erneute Verengung des Kostenbegriffs im Gebührenrecht angesichts der ökologischen Herausforderung als Anachronismus an: Historische Wertansätze sind bei der Lebensdauer kommunaler Einrichtungen der Ver- und Entsorgung nicht geeignet, den gegenwärtigen Verzehr an Leistungen angemessen widerzuspiegeln. Gesamtwirtschaftliche Preisbildungs- und Allokationsregeln können daher zumindest qualitativ die Verwendung zeitnaher Bewertungsmaßstäbe stützen.

3. Kostendeckung als Entscheidungsproblem a) Angemessene Kostendeckungsgrade Nach Feststellung der zielorientiert abgegrenzten und entsprechend bewerteten Kostensumme, die die Bereitstellung öffentlicher Leistungen (gesamtwirtschaftlich) auslöst, bleibt als kommunales Entscheidungsproblem ferner die Frage, welcher Anteil dieser Kosten durch Auferlegung von Benutzungsgebühren zu decken ist. Sieht man an dieser Stelle von Problemen der "Fiskalkonkurrenz" zunächst ab, d. h. von der Möglichkeit, bestimmte Kostenteile alternativ auch über Beiträge oder Zuschüsse zu finanzieren, so ist damit wesentlich die Frage nach dem anzustrebenden Kostendeckungsgrad angesprochen. Nach verbreiteter Vorstellung hält das im Kommunalabgabenrecht der Länder verankerte Kostendeckungsgebot eine zweifache Grenzziehung bereit:84 Als Grenze nach oben verbiete es die Vereinnahmung von Mitteln 84 Statt vieler dazu

Langenbrinck 1993, S. 39 f. m. w. Nachw.

li. Kostenbegriff und Bewenungsfragen

265

über die relevante Kostensumme hinaus {Gewinnerzielungsverbot), als Grenze nach unten gebiete es ferner, sämtliche angefallenen Kosten durch Gebühren (bzw. den hierauf nach Abzug von Beiträgen und Zuschüssen entfallenden Anteil) decken zu lassen. Für kostenrechnende Einrichtungen besteht mithin das Ideal der Vollkostendeckung, von der freilich nach unten hin abgewichen werden darf, indem andere Komponenten des gemeindlichen Zielsystems oder ein starkes öffentliches Interesse an der Güterbereitstellung eine entsprechende Unterdeckung nahelegen. Hierzu sind die Gemeinden auch rechtlich befugt, da ein insoweit imparitätisch gedeutetes Kostendeckungsprinzip diese Unterschreitungen zuläßt {Soll-Vorschriften der KAGs). 85 In diesen traditionellen Kostendeckungszusammenhang fügt sich die hier entwickelte gesamtwirtschaftliche Kalkulationssystematik bruchlos ein: Nimmt man zunächst von Vorstellungen Abstand, der Imperativ der Kostendeckung treffe bereits materiell Aussagen über das zu verrechnende Kostengesamt (hierzu ja ausführlich in E.ll.2), so erkennt eine ökologische Kalkulation ebenso sehr die Maxime der Gewinnvermeidung an wie sie sich zugleich im Rahmen des Verursacherprinzips dem Gebot der Vollkastendeckung verpflichtet sieht. Daß die Einhaltung des Gewinnerzielungsverbotes freilich durch die mögliche Erzielung freier Einnahmen im Rahmen internalisierender Gebührensetzung eine {nicht unproblematische) neue Akzentuierung erfährt, ist bereits in Abschnitt D.ll ausführlicher erörtert worden. Dennoch bleibt die Feststellung, daß stets nur die Abgeltung effektiver Ressourcenverbräuche durch die Gebühr erfolgt, d. h. (gesamtwirtschaftliche) Kosten gedeckt werden. Soweit man als Anliegen des Kostendeckungsprinzips auch den Gedanken der gerechten Lastverteilung anerkennt,86 demzufolge die Nutzer einer gebührenpflichtigen Leistung - und nicht etwa die Allgemeinheit - für die daraus erwachsenden Kosten zu belangen sind, so führt gerade die ökologische Kalkulation zu einer ökonomisch befriedigenden Abgrenzung der Kostentragung nach dem Verursacherprinzip; eine Abwälzung von Kosten auf die Allgemeinheit wird so gerade verhindert bzw. beendet. Daher kann un-

85 So norrnien etwa § 6 Abs. 1 Satz 3 KAG NW vergleichsweise zurückhaltend, daß das Aufkommen von Benutzungsgebühren die voraussichtlichen Kosten der Einrichtung "in der Regel decken" "sollen". Diesbezüglich deutlicher wird z. B. das N -KAG, dessen § 5 Abs. 1 Satz 3 ergänzend ausfühn, daß "die Gemeinden[ ... ] niedrigere Gebühren erheben oder von Gebühren absehen können, soweit daran ein öffentliches Interesse besteht." 86 So etwa Weber 1990, S. 110.

266

E. Betriebswirtschaftliche Aspekte

ter diesem Gesichtspunkt des Kostendeckungsgebotes wohl kein Widerspruch zum lenkenden Gebühreneinsatz konstruiert werden. 8? Der dennoch verbleibende besondere Charakter abgeschöpfter Knappheitsrenten88 mag - wie in den Vorkapiteln vorgeschlagen - zu speziellen Vorkehrungen Anlaß geben, um die faktische Gewinnqualität aus der Sicht der erhebenden Gebietskörperschaft gebührenpolitisch zu neutralisieren. Eine Verkürzung des Kostendeckungsprinzips auf die Budget-Perspektive des jeweiligen Gemeindehaushalts erscheint freilich nicht sachadäquat. Die sich aus dieser speziellen Sicht allerdings ergebenden Probleme der "einzelwirtschaftlichen Überschußerzielung" mögen jedoch im Wege haushaltswirtschaftlicher Sonderregelungen aufgefangen werden. Eindeutiger hingegen fällt die Kongruenz einer verursacherorientierten volkswirtschaftlichen Gebührengestaltung mit dem Ziel der Vollkostendeckung aus: Jeder ökonomischen Aktivität sind grundsätzlich sämtliche hierdurch ausgelösten Verzichte (- Opportunitätskosten) an anderer Stelle der Gesamtwirtschaft in Rechnung zu stellen. Daß sich überdies der anzustrebende Kostendeckungsgrad nach Maßgabe des jeweils verfolgten gemeindlichen Zielbündels letztlich als kommunales Entscheidungsproblem darstellt, liegt nach den allgemeinen Ausführungen zur Zielbedingtheit der Entgeltgestaltung in Kap. C auf der Hand: Neben der primären Preisfunktion der Gebühr (verursachergerechte Vollanlastung sämtlicher durch eine Güternutzung ausgelösten Ressourcenverbräuche) bestimmen weitere allokative Aspekte (externe Nutzen, öffentliches Interesse), meritorische und distributive Überlegungen, in welchem Umfang die Kosten der Inanspruchnahme der öffentlichen Leistung durch Gebührenerhebung effektiv zu decken sind. Es konnte gezeigt werden, daß bereits aus allokativen Gründen eine Unterdeckung bis hin zum Extremfall eines "Nulltarifs" -wenngleich gegen Ergebung einer Grund- oder Mindestgebühr - angezeigt sein kann. 89 Das Kostendeckungsprinzip als formale Vorschrift gibt sich damit keineswegs lenkungsfeindlich" 90 - im Gegenteil. Als hinderlich erweist sich vielmehr eine tradierte Auslegung, die a priori nur bestimmte Kosten in einer je bestimmten Bewertung zulasssen will, welche nicht mit allen Kalkulationsabsichten offener Ressourcenlenkung harmonieren. Lenkungsfeindlichkeit könnte überdies nur dann festgestellt werden, wenn sich Len87 Ebenso Weber 1990, S. 110; Müller 1994, S. 144 f. 88 Zu dieser Problemstellung ausführlich in Abschnitt D.ll. 89 Siehe dazu auch Abschnitt C .IV.2.e; für den Abfallbereich konktet auch Gawel I van Mark 1995.

li. Kostenbegriff und Bewertungsfragen

267

kung von der Sozialkostenorientierung emanzipieren wollte: Wenn Lenkung erst dort ausgemacht wird, wo sie sich von der Sozialkostenperspektive zu lösen beginnt,91 mag dies angängig erscheinen. Eine (sozial-) kostensensible Lenkung ("qualifizierte Lenkung" 92) hingegen steht hierzu nicht im Widerspruch. Aufgrund des notwendig formalen Charakters des Deckungsgebotes aber ist - wie bereits herausgestellt wurde - die Diskussion der materiellen Aspekte, insbesondere der Kalkulationsziele von größerer Bedeutung. Alles konzentriert sich dann auf den Begriff der öffentlichen Leistung, dessen Inanspruchnahme die Gebührenpflicht dem Grunde nach auslöst und der Höhe nach begründet.93 Zusammenfassend bleiben damit Kostendeckungsgrade als kommunalpolitisches Entscheidungdproblem grundsätzlich offen; aus ökonomischer Sicht darf ihre Disposition jedoch nicht willkürlich erfolgen, sondern als zielgerichteter Ausdruck des damit verfolgten kommunalpolitischen Zweckbündels der Kalkulation. In diesem Zusammenhang sind Abweichungen von der Vollkostendeckung legitimationsbedürftig (öffentliches Interesse, sonstige externe Effekte etc.). Von sozialpolitischen Argumenten für ein gemeindliches Leistungsangebot "unter Kosten" ist dabei im Rahmen der Entsorgung zurückhaltend Gebrauch zu machen. 94 b) Zeitliche Reichweite der Deckungsvorschrift: Zum Problem des Periodenausgleichs Im Zusammenhang mit der zeitlichen Erstreckung des Kostendeckungsprinzips wird auch intensiv darüber diskutiert, inwieweit sich die aufgrund der Gebührennachkalkulation in der Regel ergebenden Fehlbeträge oder Überschüsse in die Bedarfsberechung kommender Rechnungsperioden einbezogen werden sollen.95 Sieht man einmal von rechtswidrigen Fehlkalkulationen ab, 96 so wird Über- bzw. Unterdeckung im Rahmen betriebswirt90

So eine im Anschluß an Kloepfer 1972 immer wieder aufgegriffene Formel, zuletzt bei

Holzkämper 1993, S. 104 ff.

So wohl der Ansatz von Chantelau I Möker 1989; vgl. hierzu bereits Abschnitt C.IV.2.c. Konzept einer kostenseitig qualifizierten Lenkung siehe auch Abschnitt F .II.2. 93 Hierzu ausführlicher in Kap. F . 9-4 Siehe hierzu auch die Abschnitte C.ill.2.e und C.IV.2.g. 95 Hierzu u. a. bereits Schmitz I Koch 1972; Deperieux 1978; Alvermann I Geben 1979; Söllner 1979; Viehl1979; Ziegler 1979; Hinsen 1982; Schnitzler 1983; Breuer 1983; Honsdorf 1984; Rogosch 1985; Giesen 1985; Knobloch 1985; von Zwehl1989; Schmidt 1992; Zimmermann 1993; dazu auch Bauernfeind I Zimmermann 1979, § 6 Rn. 35; Dahmen, in: Driehaus 1995, S 6 Rn. 107 ff. m. w. Nachw. zur einschlägigen Rechtsprechung. 96 Hierzu u. a. Rogosch 1985, S. 117. 91

92 Zum

268

E. Betriebswirtschaftliche Aspekte

schafdieher Kalkulationsgrundsätze zunächst mehrheitlich der Kostencharakter abgesprochen, da es sich um periodenfremde Aufwendungen handelt.97 Fehlbeträge oder Überschüsse der Vergangenheit sind demnach keine Kosten der laufenden Periode und mithin nicht verrechenbar. Dies gilt erst recht aus volkswirtschaftlich-allokationstheoretischem Blickwinkel, da hier stets die zum Zeitpunkt der Disposition über Ressourcen maßgeblichen Kosten relevant erscheinen.98 Allerdings erscheint bei grundsätzlicher Anerkennung des finanzwirtschaftliehen Ziels der Refinanzierung der betroffenen öffentlichen Einrichtung die Zurückweisung von Beträgen als "periodenfremd" überzogen, soweit es sich lediglich um schätzungs- und prognosebedingte erratische Kostenabweichungen handelt - sei es, daß die tatsächliche Kostensumme von der geschätzten abweicht, sei es, daß die Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung von der geplanten Nutzungsmenge abweicht und sich daher der Gebührensatz als fehlerhaft erweist. Gegen die Verrechnung mit der Folgeperiode werden aus allokativer Sicht vor diesem Hintergrund kaum Bedenken geltend gemacht werden können, soweit sichergestellt ist, daß sämtliche Diskrepanzen auf zufälligen oder schätzbedingten Abweichungen beruhen. 99 Das "Prinzip Hoffnung" too, daß sich langfristig Überschüsse und Fehlbeträge, die der allgemeine Haushalt zu tragen hätte, ausgleichen werden, 1°1 dürfte unter diesen Voraussetzungen überdies statistisch ausreichend tragfähig sein. Anders zu beurteilen sind freilich Überlegungen, die Deckungsperiode von vorneherein auf mehrere Kalenderjahre auszudehnen.102 Hier werden Spielräume geschaffen, eine Gebührenfestsetzung nach Maßgabe kommunalpolitischer Opportunität vorzunehmen, die erst in mittelfristiger Perspektive zum Ausgleich gezwungen wäre. Insbesondere eine willkürliche Nachholung gewollter Unterdeckungen in Vorperioden wäre damit möglich. Hilfreicher erscheint hier eine strenge Periodenfixierung der Kalkulation in Verbindung mit einer Vortragsmöglichkeit auf die Nachbarperiode bei unabweisbarer Fehlkalkulation. 97 Statt vieler von Zweh/1989, S. 1351; Dahmen, in: Driehaus 1995, § 6 Rn. 111; Zimmermann 1993; Honsdor/1984; Breuer 1983; a. A. Knobloch 1985. 98 So bereits zu Recht Bals I Nölke 1990, S. 210. 99 Ähnlich pragmatisch auch Bals I Nölke 1990, S. 210. 100 Ziegler 1979, S. 253. 101 Ähnlich auch Traumann·Reit!heimer 1977, S. 22, die das Kostendeckungsgebot mittelfristig

und nicht periodenbezogen versteht. 102 So bereits Räcke 1971, S. 44; Giesen 1985, S. 101; Schmidt·Sicking die entsprechenden Regelungen in§ 8 II KAG RP und§ 9 ll KAG BW.

1981, S. 233; vgl.

auch

ill. Kostenarten

269

c) Institutionelle Reichweite der Deckungsvorschrift: Gesamt- und Einzeldeckung Das für die Durchsetzung gesamtwirtschaftlicher Kostenverantwortung maßgebliche Verursacherprinzip ist auch für die Klärung der Frage nach der institutionellen Reichweite der Kostendeckungsvorschrift, d. h. dem Problem der Gesamt- bzw. Einzeldeckung, hilfreich: Danach hat ebenso wie die Kostenteilung zwischen Nutzern und Allgemeinheit (Gebührenfähigkeit der Leistung bzw. Finanzierung aus allgemeinen Steuermitteln), zwischen einzelnen Nutzern (Verursachergerechtigkeit des Tarifsystems) und der Gestaltung des ökonomischen Maßstabes der Bemessung (Abgrenzung homogener gebührenfähige Elementargüter) auch die nach institutionellen Einrichtungen erfolgende Deckungsregel auf das Prinzip der Verursachergerechtigkeit Rücksicht zu nehmen: Damit kommt grundsätzlich nur eine Einzeldeckung in Frage, d. h. Quersubventionierungen zwischen Einrichtungen, Einrichtungsteilen oder heterogenen Teilleistungen derselben Anlage sind zu vermeiden, da sie Preissignale verzerren und Nutzer mit Kosten fremder Einrichtungen oder Leistungen belasten.103 Die in der juristischen Literatur als Gesamtkostendeckung verstandene Kostendeckungsregel104 ist daher ökonomisch zu präzisieren, indem die Verbindung zu dem für die Binnendifferenzierung der Entgelte als maßgeblich angesehenen Äquivalenzprinzip klarer herausgearbeitet wird: Nicht mehr nur grober Mißbrauchsschutz des Gebührenschuldners, sondern der Anspruch auf verursachungsgerechte Kostenanlastung tun hierbei not.

111. Kostenarten im Rahmen der Gebührenbedarfsberechnung Als relevante Kostenarten im Rahmen der Gebührenbedarfsberechnung kommen zunächst alle nach betriebswirtschaftliehen Grundsätzen ansatzfähige Kostenarten in Betracht. Von besonderer Bedeutung, weil nach unterschiedlichen Kostenbegriffen strittig, sind dabei sog. kalkulatorische Kosten, d. h. W erteverzehre, die nicht oder nicht in gleicher Höhe in der gleichen Rechnungsperiode zu Ausgaben führen. Hinsichtlich der Einbeziehung kalkulatorischer Kostenbestandteile in die Gebührenkalkulation sind die kalkulatorischen Kapitalkosten von beBrückmann 1991, S. 148; Bals I Nölke 1990. 104 Siehe nur Clausen 1978, S. 49 f.

103 Ebenso

270

E. Betriebswirtschaftliche Aspekte

sonderer Bedeutung: 105 Kalkulatorische Abschreibungen sollen tatsächlich eingetretene Wertminderungen als Kosten erfassen, die als Folge der betrieblichen Nutzung von Wirtschaftsgütern entstehen, welche dem Betrieb länger als eine Abrechnungperiode zur Verfügung stehen. In der anwendungsorientierten Gebühren-Literatur werden üblicherweise zwei Haupt-"Funktionen" von Abschreibungen unterscheiden, 106 die unterschiedliche Sichtweisen des Phänomens des Werteverzehrs langlebiger Wirtschaftsgüter und dessen periodengerechter Erfassung verkörpern: 1. "Verteilungsfunktion" kalkulatorischer Abschreibungen: Der bei der An-

schaffung eines langlebigen Wirtschaftsgutes hinzugebende Betrag entspricht nicht dem Werteverzehr des Erwerbsjahres, sondern ist nach Maßgabe der in den einzelnen Nutzungsperioden eintretenden sachzielbezogenen Wertminderung des Anlagevermögens auf die Abrechnungszeiträume verursachungsgerecht zu verteilen.107 2. "Finanzierungsfunktion": Hiernach soll aus den über Entgelte verrechneten, d. h. dem Betrieb über Gebühren wieder zufließenden Abschreibungsgegenwerten zu einem späteren Zeitpunkt eine Ersatzbeschaffung des verbrauchten Wirtschaftsgutes möglich sein. Der Ansatz von kalkulatorischen Abschreibungskosten in der Gebührenkalkulation stellt damit sicher, daß über die Entgelte Abschreibungsgegenwerte in einer Höhe zurückfließen, die nach Ablauf der Nutzungsdauer die Finanzierung einer Wiederbeschaffung ermöglichen. Strittig ist bei der Bemessung kalkulatorischer Abschreibungen für die Kalkulation von Benutzungsgebühren i. d. R. nur die Bewertungskomponente (Bewertung zu Anschaffungs-, Zeit- oder Wiederbeschaffungswerten). Daneben ist die Behandlung von Kapitalanteilen Dritter (Beiträge, Zuweisungen) bei der Abschreibungsverrechnung von Bedeutung (Abschnitt E.IV). Kalkulatorische Zinsen stellen das Entgelt für die Bereitstellung des betriebsnotwendigen Kapitals dar. Sie sind grundsätzlich unabhängig von der Kapitalstruktur (Eigen-, Fremdkapital) zu berechnen, da auch der Einsatz von Eigenkapital in einem Gebührenhaushalt Kosten in Höhe des Verzichts auf alternative Anlage- und Verwendungsmöglichkeiten bedeutet (Opportu-

105 Zu finanztheoretischen Überlegungen zur Kalkulation von Kapitalkosten bereits Abschnitt C.lll.2.c. 106 Siehe etwa Giesen, Kostenrechnung in der kommunalen Hauswirtschaft, S. 15. 107 Maßgeblich ist hier die Feststellung des jeweils periodenbezogenen Werteverzehrs für die Leistungserstellung (Periodenbetrachtung); insoweit sollte zutreffender von der Periodisierungsfunktion gesprochen werden- vgl. Gawel 1994e.

IV. Kalkulatorische Abschreibungen

271

nitätskosten). Die Kommunalabgabengesetze der Länder erkennen daher regelmäßig kalkulatorische Zinsen als Kostenbestandteil grundsätzlich an. So wird etwa gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2 KAG NW bei der Gebührenkalkulation auch eine "angemessene Verzinsung des aufgewandten Kapitals" zu berücksichtigen sein. 10 8 Vor dem Hintergrund der gesamtwirtschaftlichen Kalkulationsziele stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage nach dem Wertansatz für das "aufgewandte Kapital", dem kalkulatorischen Zinssatz sowie der Behandlung und Bewertung des sog. Abzugskapitals {Abschnitt E.V). Für eine ökologisch orientierte Vollkostenrechnung sind daneben aber auch Kostenarten von Bedeutung, die in der herkömmlichen Gebührendehatte bislang kaum eine Rolle gespielt haben: Umweltbedingte kalkulatorische Wagnisse und kalkulatorische Sozialkosten. Ihnen sind die gesonderten Abschnitte E.VI und E.VII gewidmet.

IV. Kalkulatorische Abschreibungen 1. Gebühren, Beiträge und Zuschüsse

Die gesonderte Behandlung von Beiträgen und Zuweisungen im Rahmen der Abschreibung des Anlagevermögens wird in der Literatur in besonders kontroverser Weise diskutiert. 109 Da auf das Nebeneinander von Gebührenund Beitragserhebung bzw. von Gebühren und Zuschüssen bereits an früherer Stelle ausführlicher eingegangen wurde, 110 kann an dieser Stelle auf die dort gefundenen Ergebnisse verwiesen werden, soweit die Abschreibungsverrechnung hiervon berührt ist. So wurde zunächst herausgestellt, daß entgegen verbreiteter Auffassung 111 zunächst keine generelle Veranlassung besteht, über Beitragserhebung vereinnahmte Beträge bei der gebührenrelevanten Kalkulation von Abschrei-

108 Ähnlich auch§ 12 GemHVO NW, der von einer "angemessenen Verzinsung des Anlagekapitals" spricht. 109 Dazu u. a. Sander 1972; Bals 1973b; ders. 1975, S. 124; Reimer 1975; KGSt: Bericht Nr. 911980: Anlagenrechnung, Köln 1980, S. 65 f.; Kog/in 1983; Steenbock 1984, S. 14 f.; F. Zimmer· mann 1985; Brod 1988, S. 82 f.; Bals I Nölke 1990, S. 217 f. 110 Siehe Abschnitt D.ill.3. 111 So z. B. Rudolph I Geliert 1988; Brod 1988; Ostholthoff1993;jans 1991.

272

E. Betriebswirtschaftliche Aspekte

bungen abzusetzen. 112 Als maßgeblich hierfür wurden unterschiedliche Tatbestandsmerkmale, d. h. verschiedene Leistungen der öffentlichen Hand identifiziert. Zwar sind Beiträge und Gebühren zunächst alternative Finanzierungsinstrumente der Gemeinden; hat sich die Gemeinde jedoch zur Finanzierung ihrer laufenden Leistungen für eine Gebühr entscheiden, so steht dem nicht entgegen, für die Nutzungsmöglichkeit öffentlicher Einrichtungen als selbständiger Leistung einen hiervon unabhängigen Beitrag zu erheben. Das Nebeneinander legitimiert sich mithin aus der Leistung "Gewährung der Option zur Inanspruchnahme", welche sachlich und wirtschaftlich verschieden ist von der Leistung der laufenden Inanspruchnahme. 113 Ein Konflikt könnte allenfalls dann zu besorgen sein, wenn bei der Abschreibungsverrechnung die Funktionen der Nachdeckung historischer Investitionsleistungen bzw. der Vorausdeckung künftiger Wiederbeschaffung mit einer periodischen, d. h. nicht-einmaligen Beitragserhebung unzureichend abgestimmt wäre ("Erneuerungsbeiträge"). 114 Die für die gleichzeitige Erhebung von Gebühren und Beiträgen oftmals beklagte "Doppelbelastung" des Gebührenschuldners träte nur dann ein, wenn- im Falle der Vorausdeckung der Gebühr - "entweder die öffentliche Einrichtung überhaupt nicht erneuert wird oder wenn für die zu erneuernde Einrichtung Beiträge erhoben worden sind, obwohl bereits für die Errichtung der ursprünglichen Beiträge erhoben worden waren und zudem eine Abschreibung auch von den beitragsfinanzierten Investitionen erfolgt ist. "115 Von unzulässiger Gewinnerzielung einer Kommune kann daher allenfalls die Rede sein, "wenn sie ehemals Beiträge erhoben hat, die beitragsfinanzierten Investitionen dann abgeschrieben hat und für die Erneuerung der Einrichtung dann nochmals Beiträge erheben will, bzw. wenn sie trotzAbschreibungder beitragsfinanzierten Investitionen eine Erneuerung der Einrichtung gar nicht vornehmen will." 116 Daher werden grundsätzlich gegen eine Abschreibung beitragsfinanzierten Vermögens keine Einwände zu erheben sein. Mit Blick auf das in Nordrhein-Westfalen geltende Kommunalabgabenrecht hat diese Frage unlängst auch in dem Musterprozeß vor dem Oberverwaltungsgeeicht in Münster eine gewisse Rolle gespielt. Dabei wurde Ein112 So auch Dahmen, in: Driehaus, § 6 Rn. 734b; F. Zimmermann 1985; Kneer 1992; Langen· brinck 1993, S. 87 ff.; Traumann·Reinheimer 1977, S. 246; OVG Lüneburg, Urt. v. 9.10.1990- 9 L 297/89- KStZ 1991, S. 73; OVG Münster, Urt. v. 5.8.1994-9 A 1248/92, S. 13. 113 Hierzu- eher die rechtliche Verschiedenartigkeit betonend- insbesondere Traumann·Rein· heimer 1977, S. 238 ff.; F. Zimmermann 1985. 114 Hierzu kritisch u. a. Eichholz I Lenk 1991, S. 13. 115 Langenbrinck 1993, S. 90.

116 Ebenda, S. 91.

IV. Kalkulatorische Abschreibungen

273

wendungen der Kritiker gegen die Abschreibung beitragsfinanzierter Investitionen jedoch erneut eine Absage erteilt. 117 Die jüngst erneut von Ostholthoff118 vorgetragene Position der vermeintlichen Doppelverrechnung sieht die Beitragszahlung wirtschaftlich als eine Art Gebührenvorauszahlung an, die- ähnlich den Baukostenzuschüssen im Bereich der Wasser- und Energieversorgung - zu einer späteren Gebührenermäßigung führen müßten. Dieser Auffassung ist jedoch umfassend und überzeugend Zimmermann entgegengetreten.l19 Danach ist in Nordrhein-Westfalen die Abschreibung vom ungekürzten Anlagevermögen gesetzlich und betriebswirtschaftlich geboten; eine zeitanteilige Auflösung der Anschlußbeiträge zugunsten des Gebührenhaushaltes mithin unzulässig. Hiernach sind Anschlußbeiträge und Benutzungsgebühren "nicht alternative lnvestitionsfinanzierungsmittel, sondern normativ andersartige Abgabetypen, denen ein unterschiedliches Austauschverhältnis zugrunde liegt und die nur insoweit etwas miteinander zu tun haben, als den Gemeinden durch Anschlußbeiträge Mittel für die Erstausstattung der Abwasseranlagen, also eine Art Eigenkapitalmitgift, zufließen. Die Mittel für die Erhaltung der so geschaffenen Substanz aber sollen die Betriebe durch kostendeckende Entgelte selbst erwirtschaften"120 (Vorausdeckung). Was die wirtschaftlichen Auswirkungen dieses Beitragsverständnisses angeht, so wird der Gebührenzahler infolge der Belastung mit den Abschreibungen vom Wiederbeschaffungszeitwert durch eine "ewige" Rente in Form der Freistellung von kalkulatorischen Zinsen in Höhe seines Beitragsanteils entlohnt. "Die geleisteten Beiträge zur Finanzierung der Erstinvestition gehen auf diese Weise nicht (durch W erteverzehr) verloren, sondern bleiben in der Form der auf sie entfallenden Abschreibungserlöse erhalten; sie stehen so im Ersatz- bzw. Erneuerungszeitpunkt wieder zur Verfügung und müssen daher auch nach dem Ersatz des ausgesonderten Anlagegutes mit dem gleichen Anteil wie zuvor als unverzinsliches Abzugskapital fortgeführt werden."121 Hinsichtlich der Abschreibungsrelevanz von Zuweisungen und Zuschüssen Dritter gilt zunächst die Zweckabhängigkeit der Mittelgewährung, d. h. es ist bei der Entscheidung, ob zuwendungsfinanzierte Investitionen nochmals gebührenerhöhend abgeschrieben werden sollen, auf den Zweck der Mittel117 Vgl.

OVG Münster, U . v. 5.8.1994- 9 A 1248/92, S. 12 ff.

118 Ostholtho/f1993.

119 F. Zimmermann 1985. So im übrigen auch die h. M.; siehe nur Dahmen, § 6 Rn. 157m. w. Nachw. sowie Traumann·Reinheimer 1977, S. 238 ff. 120 F. Zimmermann 1985, S. 146.

in: Driehaus 1995,

121 Ebenda, S. 143. Ob die Nichtberücksichtigung bei der Verzinsung, wie vom Gesetzgeber vorgesehen, ökonomisch haltbar erscheint, wird in Abschnitt E.V. geprüft. 18 Gawel

274

E.

Betriebswirtschaftliche Aspekte

vergabe abzustellen: Zwar lockert jede zuweisungsbedingte Gebührenermäßigung die Kostenverantwortung der Gebührenzahler für die von ihnen verursachten Knappheiten und könnten insoweit volkswirtschaftlichen Bedenken kostenechter Preise begegnen.122 Allerdings kann die Gewährung zweckbezogener Zuschüsse gerade in der Verrechnung interkommunaler spill-over-Effekte oder der Dokumentation überörtlichen öffentlichen Interesses wurzeln und insoweit allokativen Zwecken dienen, die von der Gemeinde nicht mehr pretial zu korrigieren sind. Allokativ motivierte Zuwendungen stellen sich insoweit endgültig dar und sind gebührenmindernd an die Nachfrager kommunaler Leistungen weiterzugeben.123 Soll die Gewährung - wie dies überwiegend der Fall ist - distributiven Zwecken dienen und zwar die Gemeinde, nicht aber den Gebührenschuldner entlasten (z. B. als "einmalige Starthi1fe•124), so liegt es auf der Hand, daß nach der Vergabelogik eine Absetzung nicht in Betracht kommt. Dieser Entlastungseffekt ginge verloren, wäre die Gemeinde gezwungen, die empfangenen Zuwendungen über entsprechende Gebührennachlässe weiterzugeben. Hier stellt sich allerdings die Frage der Angemessenheit von Zweckzuweisungen für eine allgemeine Entlastung der Gemeinden; 125 für den hier verfolgten Zweck sind offenbar allgemeine Zuweisungen das adäquate Finanzierungsinstrument. Vor diesem Hintergrund sind nicht nur die Weitergabe in den Gebühren sondern vor allem auch die Vergabepraxis übergeordneter Gebetskörperschaften zu überprüfen. Sofern schließlich vom Zuwendungsgeber eine Gebührenermäßigung für die Gebührenpflichtigen aus verteilungs- und sozialpolitischen Gründen angestrebt wird, erscheint dies ebenfalls kontraindiziert, sofern die Kommunen die Weitergabe der Entlastung unter Hinweis auf allokative Aspekte der Preissignalfunktion unterbinden. Auch hier müßte sich freilich der Zuwendungszweck selbst vor dem Hintergrund der hier entworfenen Gebührentheorie legitimieren. Damit gilt zusammenfassend, daß jede Zuweisung an die Gemeinden, die diese an die Gebührenschuldner gebührenermäßigend weiterreichen, zu einem öffentlichen Angebot "unter Kosten" führt und daher zunächst dem Anliegen gesamtwirtschaftlicher Kostenverantwortung widerspricht. Aller122 So vehement Bals I Nölke 1990, S. 206 f.; ähnlich Langenbrinck 1993, S. 88; Brückmann 1991, s. 146. 123 Ähnlich auch mit Blick auf die Verzinsung Traumann-Reinheimer 1977, S. 260 f. 124 So etwa Brod I Steenbock 1980, S. 223, die folgerichtig eine erneute Verrechnung von Zuweisungen und Zuschüssen in den Abschreibungen fordern. 125 Vgl. bereits Abschnitt C.ill.2.c.

IV. Kalkulatorische Abschreibungen

275

dingskann es gerade Zweck der Zuweisungsgewährung sein, diesen Zusammenhang aufzuheben - sei es, daß bereits allokativ Korrekturen an der kommunalen Rechnungslegung erforderlich sind oder für erforderlich gehalten werden, sei es, daß aus distributiven Gründen ermäßigend auf die Gebührengestaltung eingewirkt werden soll. In diesen Fällen kann es nicht Aufgabe der Gemeinden sein, die Absichten des Mittelgebers zu konterkarieren, indem die Mittel zwar vereinnahmt, nicht aber weitergegeben werden. Hier gehören vielmehr Zuweisungsziele und Vergabepraxis auf den Prüfstand einer allokativ legitimierten und ökologisch orientierten Gebührenpolitik.

2. Substanzerhaltung als Ziel der Abschreibungsermittlung? Es wurde im allgemeinen Teil über die finanzwissenschaftliche Gebührentheorie bereits ausgeführt, daß es nicht Zweck einer gesamtwirtschaftlichen Kapitalkostenermittlung sein kann, der kalkulierenden Einheit die bloße Weiterführung des Betriebes durch ausreichende Zuführung von Rückflußkapital zu ermöglichen. Dennoch wurde dort bereits auf ambitioniertere allokative Bewertungsabsichten unter Praktikabilitätsaspekten verzichtet zugunsten einer betriebswirtschaftliehen Erhaltungskonzepotion, die durch ihre Zeitwertausrichtung und ihren Gegenwartsbezug verursacherorientierten Bewertungsregeln nahe steht. Dabei wurde der Einsatz von Wiederbeschaffungszeitwerten- als Ausdruck substanzerhaltender Kalkulationsabsichten - als vertretbares Substitut auch im Rahmen gesamtwirtschaftlicher Gebührenkonzeptionen befürwortet. Während für erwerbswirtschaftliche Betriebe das Ziel der (gütermäßigen) Substanzerhaltung unbestritten gilt bzw. in der neueren Literatur im Ziel der Gewinnmaximierung aufgeht, wird immer wieder die Frage aufgeworfen, ob sich dieses Konzept ohne weiteres auf kommunale Gebührenhaushalte als übertragbar darstelle oder gar als spezielles Ziel der Leistungsverwaltung angesehen werden könne. 126 Aus den Ausführungen zu Abschnitt E.II. ergibt sich, daß grundsätzlich aus dem wertmäßigen Kostenbegriff auch für kommunale Regie- und Eigenbetriebe "die Erhaltung der betrieblichen Substanz als unabdingbares Minimalziel•127 anzusehen ist. Eine Differenzierung zwischen erwerbswirtschaftlichen Betrieben und kommunalen Organisationseinheiten mit Betriebscharakter (kostenrechnende Einrichtungen), die auf unterschiedliche Zielsetzungen der Preisbestimmun126 So z. B. bereits Eifert 127

Giesen

1980, S. 16.

1970, S. 151; Traumann·Reinheimer 1977, S. 168; Wolny 1986, S. 102.

276

E. Betriebswinschaftliche Aspekte

gen Bezug nehmen, ist im Rahmen abgestufter Betriebserhaltungskonzepte zu erörtern 128 und bedarl der Begründung im Einzelfall. Danach kann im Grundsatz eine zumindest auf reale Kapitalerhaltung gerichtete Kalkulation von Abschreibungen als sachadäquat betrachtet werden. Hierzu ist auf transformierte Anschaffungs- oder Herstellungswerte (i. e. Zeitwerte) zurückzugreifen, die den in der Zwischenzeit eingetretenen Kaufkraftverlall des investierten Kapitals berücksichtigen. Im Rahmen einer volkswirtschaftlichen Betrachtung tritt daneben das Ziel einer Spiegelung aktuellen Werteverzehrs in den Entgelten, d. h. nicht die Wiedergewinnung investierten Kapitals, sondern die Indikation gesamtwirtschaftlicher Knappheit ist über die Bewertung des Anlagevermögens sicherzustellen. Auch wenn beide Bewertungszwecke zu unterschiedlichen Wertansätzen führen (volkswirtschaftlicher Schattenpreis des Restanlagevermögens versus Wiederbeschaffungszeitwert bezogen auf reale Kapitalerhaltung), ist beiden doch gemeinsam, daß sie Bewertungsregeln mit historischen Wertziffern als unbrauchbar zurückweisen: Anschaffungs- und Herstellungskosten der u. U. weit zurückliegenden Investitionsperiode berücksichtigen weder zwischenzeitlich eingetretene Kaufkraftveränderungen des im Anlagevermögen gebundenen Kapitals noch dessen Knappheitsvariation im gesamtwirtschaftlichen Kontext; historische Werte erweisen sich gegenüber zwischenzeitliehen Bewertungsveränderungen grundsätzlich als blind. Dies muß als um so mißlicher gelten, je länger die Nutzungs- und Kapitalbindungsdaueranhält und damit veraltete Wertansätze Gültigkeit beanspruchen. Innerhalb der betrieblichen Kapitalerhaltungskonzeptionen können diverse Konzepte der Betriebserhaltung unterschieden werden, denen jeweils abweichende Vorstellungen darüber zugrunde liegen, in welchem Umfang der betriebliche Leistungserstellungsprozeß durch Wiedergewinnung eingesetzten Kapitals in ferneren Perioden zu reproduzieren ist. (1) Bei der nominellen Kapitalerhaltung richtet sich die Betrachtung auf die Wiedergewinnung des Geldkapitals in ziffernmäßig identischem Nennbeträgen. Die Bewertung der Wirtschaftsgüter hat sich im Rahmen dieser Kapitalerhaltungskonzeption grundsätzlich nach Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten zu vollziehen. (2) Die reale Kapitalerhaltung verlolgt hingegen das Ziel der "Erhaltung eines geldziffernmäßig bestimmten Ursprungskapitals in Einheiten gleicher

128 Dazu ausführlich Gawel1994b.

IV. Kalkulatorische Abschreibungen

277

Kaufkraft." 129 Das eingesetzte Kapital gilt hierbei als "real" oder "indexmäßig" erhalten, soweit die Kaufkraft des Rückflußkapitals derjenigen der ursprünglich investierten Mittelsumme entspricht. Zur Sicherstellung realer Kapitalerhaltung bedarf es in Zeiten instabilen Geldwertes einer Indexierung der historischen Anschaffungswerte mittels geeigneter Preisindizes ("Inflatoren "), die den zwischenzeitlich eingetretenen Kaufkraftverfall beziffern. Damit werden nicht mehr Vergangenheits-, sondern Zeitwerte Grundlage der Kalkulation, die den Gegenwartswert in früheren Perioden verausgabter Mittel unter Beachtung des in der Zwischenzeit aufgetretenen Werteverlustes widerspiegeln. Sie können als Wiederbeschaffung(zeit)werte insofern bezeichnet werden, als sie eine Wiederbeschaffung der eingesetzten Produktionsfaktoren in der Gegenwart ermöglichen, soweit sich diese lediglich durch nominelle Preissteigerungen im Wert verändert haben. (3) Von reproduktiver 13° Substanzerhaltung wird gesprochen, soweit der Mittelrückluß ausreicht, die im Zuge der Leistungserstellung verbrauchten Güter in gleicher Menge und gleicher Qualität wiederzubeschaffen, den Produktionsprozeß mithin auf gleicher Stufe zu reproduzieren. Neben der Geldentwertung werden hier auch Sachwertsteigerungen berücksichtigt. Zu diesem Zweck muß die Kostenkalkulation auf (echte) Wiederbeschaffungswerte, d. h. Zukunftswerte, Bezug nehmen, deren Realisierung die Reproduktion der Leistungserstellung in späteren Perioden sicherstellt. Allerdings leistet auch dieser Substanzerhaltungsbegriff keine Garantie für eine fortgesetzt uneingeschränkte Teilhabe des Betriebes am Wirtschaftsgeschehen einer sich dynamisch entwickelnden Wirtschaft unter Berücksichtigung von wirtschaftlichem Wachstum, sich verändernden Märkten, Technikentwicklungen u. a. (4) Eine qualifizierte (oder relative) Substanzerhaltung131 liegt hingegen vor, wenn derartige Entwicklungen antizipiert und der kostenrechnenden Einheit die Wiedergewinnung von Kapital in einem Umfang ermöglicht wird, die eine derartige Teilhabe am wirtschaftlichen Prozeß auf gleichem anteiligen Niveau gestattet (qualifizierte Wiederbeschaffungswerte). Abb. 5 faßt die unterschiedlichen Konzepte nochmals in der Übersicht zusammen. Mit den einzelnen Kapital- oder Betriebserhaltungskonzepten korrespondieren jeweils spezifische Wertansätze im Rahmen der Kostenkalkulation: Während die nominelle Kapitalerhaltung auf historische Werte (Anschaffungs129 Hax 1957, S. 17. 130 Vgl. Hax 1957, S. 19. Im betriebswinschaftlichen Schrifttum wird auch von "absoluter" (Geldmacher 1923} bzw. "materieller" (Waib 1926} Substanzerhaltung gesprochen. 131 Hierzu z. B. Sommerfeld 1926; Schmidt 1951.

278

E. Betriebswirtschaftliche Aspekte

werte) gerichtet ist, verfolgt die reale Kapitalerhaltung kaufkraftäquivalente Zeitwerte; die Methoden der gütermäßigen Substanzerhaltung hingegen verlangen den Ansatz echter Zukunftswerte (Wiederbeschaffungswerte). Es erscheint wesentlich, auf eine sorgfältige Unterscheidung der einzelnen Bewertungsansätze und der damit verbundenen Werterhaltungskonzepte zu achten. So mutet die weitverbreitete begriffliche Vermengung von gütermäßiger Substanzerhaltung und realer Kapitalerhaltung im Schrifttum und in ihrer Folge auch von Wiederbeschaffungswerten und "Wiederbeschaffungszeitwerten" irreführend an: Die reale Kapitalerhaltung ist von echter Substanzerhaltung logisch verschieden, da sie wie die nominelle Kapitalerhaltung "rein geldmäßigem Denken"l32 entspringt - freilich mit dem Unterschied, daß hierbei Kaufkraftschwankungen im Zeitverlauf Berücksichtigung finden. Damit sollte im Rahmen realer Kapitalerhaltung auch besser nur von Zeitwerten die Rede sein; diese befähigen zwar einen Betrieb zum Wiedereinsatz des gleichen Kapitalbetrages in Kaufkrafteinheiten, nicht aber zwingend zur Wiederbeschaffung der gleichen Gütermenge, da beispielsweise qualitätsbedingte Sachwertsteigerungen nicht erlaßt werden können. Entgegen der verbreiteten Definition, derzufolge Wiederbeschaffungs(zeit)werte als Surrogat für zukunftsgerichtete und insoweit mit Prognoseund Abschätzungsproblemen behaftete Ansätze zu Wiederbeschaffungswerten gelten, 133 sind durch Indexierung gewonnene Werte echte Zeitwerte, die den Gegenwartswert der in Anlagegütern gebundenen Kapitals anzeigen. Der Wertansatz ist hier nicht auf Wiederbeschaffung eines historischen Güterbündels, sondern die Rückgewinnung in früheren Perioden gebundener Kapitalien gerichtet (Wiedergewinnungsfunktion).

132 Wöbe 1993, S. 1267. 133 So z. B. Giesen 1980, S. 47. Ähnlich z. B. auch Neus 1977, der Wiederbeschaffungswerte mit Zeitwerten kurzerhand gleichsetzt.

IV. Kalkulatorische Abschreibungen

I l

I Jtepf telerhel tuag

(in Geldeinheiten}

I nominelle Kapitalerhaltung (»Mark = Mark«)

I

Betrieb•· erheltuag

I

1

I

279

I

SubstaJJJ:erhel tung (in Gütereinheiten}

I

I reale Kapitalerhaltung (Kaufkraftindex}

I

reproduktive Substanzerhaltung (Wiederbeschaffung gleicher Gütermengen}

I

I

NettoErhaltung

I

II

I

I qualifizierte Substanzerhaltung (Wiederbeschaffung gleicher relativer Faktorqualit~ten}

I

I I

BruttoErhaltung

I

Abbildung 5: Überblick über betriebswirtschaftliche Betriebserhaltungskonzepte 134

3. Brutto- und Netto-Substanzerhaltung

Der zuvor skizzierten Kalkulationsmethode steht auch nicht die Einrede entgegen, im Rahmen einer sog. Netto-Substanzerhaltung komme es lediglich auf die reale Wiedergewinnung des investierten Eigenkapitals an; eine Substanzerhaltung auch fremdfinanzierter Vermögensteile (" Brutto-Substanzerhaltung") führe zu einer problematischen Verschiebung der Kapitalkstruktur im Zeitablauf, die nicht Aufgabe substanzerhaltender Kalkulation sein könne.135 Da die zuvor dargestellten (Brutto-) Substanzerhaltungs-

134 135

S. 25.

Quelle: Veränden nach Wöbe 1993, S. 1263. Dazu insbesondere Ostholthoff 1993; erwägend auch OVG Münster, Un. v. 5.8.1994,

280

E. Betriebswinschafdiche Aspekte

konzeptionen den Aspekt der Finanzierung vernachlässigen, würde das Eigenkapital von Jahr zu Jahr um die eliminierten Scheingewinne zu Lasten des fremdfinanzierten Anteils zunehmen.136 Die Konzeption der Netto-Substanzerhaltung, welche mittlerweile wohl für die Bilanztheorie (nicht aber die Kostenrechnung!) als "herrschend" betrachtet wird,l37 berücksichtigt hingegen die Kapitalstruktur und verfolgt eine auf das Eigenkapital beschränkte Erhaltungsgarantie, wohingegen "die inflatorischen Preissteigerungen bei den mit Fremdkapital finanzierten Vermögenswerten durch entsprechende Aufstockung des Fremdkapitals zu kompensieren sind."l38 Auch wenn die Beschränkung kapitalerhaltender Kalkulationsabsichten auf den Eigenkapitalanteil in der bilanzorientierten Betriebswirtschaftslehre mittlerweile als dominierend anzusehen ist, folgt hieraus keine Relevanz für gesamtwirtschaftlich orientierte Rechnungslegungsformen: Der Surrogatcharakter der realen Kapitalerhaltung für schattenpreisorientierte gesamtwirtschaftliche Zeitwerte macht eine von der Kapitalstruktur abstrakte aktuelle Bewertung des gesamten bedtriebsnotwendigen Vermögens erforderlich. Die Brutta-Substanzerhaltung ist mithin als eine adäquate Ersatzkonzeption für allokationstheoretosch "richtige" Zeitwerte anzusehen. Dies wird auch deutlich, wenn die betriebswirtschaftliehen Begründungen ins Blickfeld rücken, die für die Beschränkung auf die Eigenkapitalbasis angeführt werden: 139 Danach sollen insbesondere die bei Verfolgung bruttosubstanzbezogener Erhaltungsbewertung eintretende ausschließliche Benachteiligung der Eigenkapitalgeber durch Zurückbehaltung nomineller Gewinnteile verhütet werden. Auch wird besorgt, daß aufgrundder Tatsache, daß die U mfinanzierungsvorgänge auf der Passivseite nicht ersichtlich werden, die Informations- und Ausschüttungssperrfunktion der Bilanz beeinträchtigt werden, soweit Scheingewinne vor dem Abgang bewahrt bleiben, die aber bei unveränderter Fremdfinanzierung in der Zukunft den Betrieb unbeschadet verlassen könnten.140 Es liegt auf der Hand, daß die angeführten betriebsawirtschaftlichen Begründungen (Relevanz der Kapitalstruktur, bilanzielle Ausschüttungssperrfunktion und Kapitaleignerschutz) für eine an gesamtwirtschaftlichen Maßstäben orientierte Kalkulation keine Maßgeblichkeit beanspruchen können. 1993, S. 1272. Wöbe 1993, S. 1272. 138 Wöbe 1993, S. 1273. Siehe dazu auch Sieben I Schildbach 1975;]acobs I Schreiber 1979. 139 Dazu Wöhe 1993, S. 1273. 140 Dazu insbesondere Coenenberg 1975. 136 Vgl. Wöhe 137

1973; Sieben 1974; Coenenberg

IV. Kalkulatorische Abschreibungen

281

Vielmehr muß die Surrogatfunktion der realen Kapitalerhaltung für volkswirtschaftliche Zeitwertte ("Schattenpreise") beachtet werden, der am ehesten durch eine Brutta-Substanzerhaltung genügt werden kann. Danach wird von einem Betrieb "an sich" ausgegangen, welcher aus eigener Kraft, d. h. ohne zusätzliche Kapitalaufnahme von außen, die Substanz erhalten müsse.1 41 Die Bewertung des Werteverzehrs im Rahmen einer gesamtwirtschaftlichen Kalkulation dient nicht der Reproduktion der Kapitalstruktur sondern der Erfassung effektiven Wertverlustes nach Opportunitätskosten; eine Abspaltung fremdfinanzierter Vermögensteile mutet daher nicht sachgerecht an.

4. Inkompatibilität mit externen Bewertungsregeln?

Vor diesem Problemhintergrund zielbezogener Kalkulation kann den Gemeinden insbesondere nicht ernsthaft entgegengehalten werden, daß aufgrund der unmittelbaren Außenwirkung ihrer internen Kalkulationsrechnung ein unzulässiger Verstoß gegen das für die handels- und steuerrechtliche Behandlung von Erwerbsbetrieben maßgebliche Nominalprinzip vorliege.142 Diese Auffassung verkennt den grundlegenden Unterschied zwischen Regeln der Preisermittlung sowie der Gewinn- bzw. Vermögensbewertung: Da die betriebs- und volkswirtschaftliche Kostenrechnung gänzlich andere Ziele verfolgt als die bilanzielle oder steuerrechtliche Gewinnermittlung, nehmen selbstverständlich auch private Wirtschaftseinheiten in ihrer internen Rechnung andere Bewertungsansätze vor als mit Blick auf die Erfüllung steuerrechtlicher Gewinnermittlungsregeln oder bilanzieller Zweckmäßigkeitsüberlegungen. "Entscheidend ist daher nicht der formale Aspekt, daß die kommunale Entgeltkalkulation Außenwirkungen erzeugt, sondern das Ziel der Rechnung, nämlich die Ermittlung von Leistungsentgelten."143 Insoweit ist der Ansatz vom Nominalwertprinzip abweichender Werte durch betriebswirtschaftliche Kakulationsgrundsätze nicht nur gerechtfertigt sondern aufgrund der Zielstruktur der Rechenwerkes geradezu zwingend. Wieweit sich im Einzelfall die Wertansätze von pagatarischen Kosten entfernen, muß anhand der zuvor entwickelten Maßstäbe entschieden werden. Ein grundsätzliches Festhalten an nominellen Bewertungsregeln unter Hinweis auf entsprechende Vorschriften zur Vermögens-

141 Vgl. Hax

1957, S. 266.

142 Zu dieser Diskussion siehe z. B. Traumann·Reinheimer 143 Bals I

Nölke 1990, 217.

1977, S. 151 ff.

282

E. Betriebswirtschaftliche Aspekte

und Gewinnermittlung im Privatbereich entbehrt in jedem Fall bereits der betriebswirtschaftlichen Grundlage.

5. Fehlender Wettbewerb? Auch wird in diesem Zusammenhang argumentiert, daß private Unternehmen die für eine volle Substanzerhaltung erforderlichen Abschreibungsgegenwerte nur nach Maßgabe der am Markt durchsetzbaren Absatzpreise zu realisieren in der Lage seien. Mit Hilfe hoheitlicher Entgelte und Anschluß- und Beutzungsverpflichtungen seien kommunale Betriebe hingegen mangels wettbewerblicher Konkurrenzsituation zur jederzeitigen Durchsetzung ihrer Betriebserhaltungsvorstellungen in der Lage.144 Unterstellt man einmal die gegebene Analyse als korrekt, so erscheint fraglich, welche Konsequenzen sich hieraus für die Kalkulationsregeln ergeben sollen. 145 Daß kommunale Betriebe keinem Unternehmerischen Risiko ausgesetzt sind und daher das Ziel der Substanzerhaltung i. w. S. bzw. der Administrierung volkswirtschaftlicher Knappheitspreise von Marktzwängen unberührt verfolgen können, kann kaum als Argument gegen den Betriebserhaltungszweck oder dessen Realisierung mittels Bewertungsregeln herhalten. "Theoretisch könnte der Verzicht auf den Ansatz von Unternehmerwagnissen gefolgert werden, die allerdings, soweit erkennbar, ohnehin von niemandem vorgeschlagen werden."146

6. Berücksichtigung von Zinserträgen? Die im Zuge fortlaufender Desinvestition gebundenen Kapitals durch Gebühren vereinnahmten Abschreibungsgegenwerte sollen nach vereinzelter Auffassung bis zur investiven Wiederverwendung verzinst und die Abschreibungen um diese Zinserträge ermäßigt werden.147 Die gebührenermäßigende Verzinsung rückgeflossener Abschreibungsgegenwerte soll eine vermeintlich unzulässige Vereinnahmung von Überschüssen im Gebühren-

1+4 Traumann·Reinheimer 1977, S. 139 f. 145 Ähnlich bereits Bats I Nölke 1990, S. 216. 146 Ebenda, S. 216. 147 Sou. a. Budäus 1982, S. 162.

IV.

Kalkulatorische Abschreibungen

283

wege verhindern. Die Zinserträge werden dabei offenbar als Gewinn gedeutet. Diese Sichtweise ist unbegründet.148 Zum Nachweis kann danach unterschieden werden, ob eine substanzerhaltende Wiederbeschaffung angestrebt wird (Finanzierungsfunktion) oder ob lediglich im Rahmen einer realen Kapitalerhaltung die Rückgewinnung eingesetzten Kapitals zu Gegenwartspreisen beabsichtigt ist (Wiedergewinnungsfunktion). Im Falle einer auf Wiederbeschaffung gerichteten Substanzerhaltungskonzeption ist die Verzinsung zwischenzeitlich verflüssigten Anlagevermögens untrennbarer Bestandteil der Substanzerhaltungsmasse: Gerade die Verzinsung stellt dann die volle Substanzerhaltung sicher. Unterstellt man gedanklich beliebige Teilbarkeit des Kapitalstockes, so könnte der pro Periode rückgeflossene Teilbetrag jederzeit ohne Zeitverzug wieder reinvestiert werden: Als Sachwert würde dieses Kapital an entsprechenden Wertsteigerungen partizipieren und entsprechenden Gebührenbedarf auslösen; als liquide vorgehaltene Mittel muß das Kapital analog durch verzinsliche Anlage an Wertsteigerungen teilhaben, damit die Beträge zwischenzeitlich desinvestierter Kapitalteile zum Wiederbeschaffungszeitpunkt nicht wieder entwertet sind. Giesen beschreibt treffend, daß "im Idealfall die Substanzerhaltung solange sichergestellt ist, wie sich die technisch-wirtschaftliche Wertminderung des Anlagegutes zuzüglich der Inflationsrate und die Abschreibungsgegenwerte plus Zinsrate im Gleichgewicht befinden•149. Geht man hingegen von einer lediglich an Wiedergewinnung investierter Kapitalbeträge ausgerichteten Kalkulation aus, so ist die Frage der Verwendung rückgeflossener Abschreibungegegenwerte ohnehin obsolet, da die Betrachtung zum Zeitpunkt des Rückflusses (Zielerreichung) abbricht. Mit dem über Gebühren rückvergüteten Teilbetrag zu Gegenwartspreisen ist die Wiedergewinnung des entspechenden Kapitalbruchteils abgeschlossen; hinsichtlich der weiteren Verwendung dieser Mittel ist die Gemeinde frei. Eventuelle Erträge aus der Verwendung derartiger Rückflußmittel im Rahmen der Wiedergewinnung noch ausstehender (gebundener) Kapitalteile gebührenmindernd zu verrechnen, verkennt die wirtschaftliche Funktion von Abschreibungen im Rahmen eines solchen Erhaltungskonzeptes. Zum Wiederbeschaffungszeitpunkt hat die Gemeinde dann erneut ihrer Investitionspflicht aus allgemeinen Deckungsmitteln nachzukommen, ohne daß es noch auf die Verknüpfung mit dem kumulierten Gegenwartswert der 148 So bereits Gawel1994b, S. 86; ebenso mittlerweile auch OVG Münster, Urt. v. 5.8.19949 A 1248/92, S. 23. 149 Giesen 1980, S. 49; Hervorh. d. Verf.

284

E. Betriebswirtschaftliche Aspekte

aus der letzten Investitionsperiode stammenden Abschreibungsgegenwerte ankommen könnte.lSO Selbst wenn man die Gemeinde auf die Wiederbeschaffung aus den erwirtschafteten Mitteln gedanklich verpflichten wollte, wären die Zinserträge zwar zu kumulieren, nicht aber gebührenmindernd anzusetzen. An diesem Befund würde sich auch dann nicht ändern, wenn die Gemeinde durch den Ansatz echter Knappheitspreise in Höhe der Differenz zu Wiederbeschaffungszeitwerten "freie", d. h. leistungsabstrakte Einnahmen realisieren könnte. Denn es wurde oben unter Abschnitt D.II bereits klargestellt, daß abgeschöpfte Knappheitsrenten der Nachfrager nach kommunalen Umweltdiensten ex definitione nicht mehr entlastend eingesetzt werden dürfen; ihre Erhebung zielte ja gerade darauf ab, einen Gebühren-Zuschlag zur Herstellung kostenechter Preise zu realisieren. Obgleich eine Abschreibungsverrechnung zu volkswirtschaftlichen Knappheitspreisen mangels Operationalisierbarkeit hier nicht vertreten wird, könnte auch theoretisch allenfalls eine haushaltswirtschaftliche Neutralisierung, keinesfalls jedoch eine gebührensenkende Rückgabe an die Zensiten erwogen werden.

7. Zweckentfremdung der Abschreibungen?

Aus dem gleichen Grunde gehen auch Überlegungen fehl, die seit dem Fortfall spezieller haushaltsrechtlicher Rücklagen (z. B. Erneuerungsrücklage) und der Vereinnahmung von Gebühren durch den allgemeinen Haushalt eine Zweckentfremdung von Abschreibungsgegenwerten vermuten. 151 So artikulieren sich immer wieder Einwendungen, die darauf abzielen, daß abschreibungsinduzierte Desinvestitionen zur Finanzierung des allgemeinen Haushalts "mißbraucht" würden_l52 Die Gemeinde ist lediglich verpflichtet, die nötigen Mittel im Ersatzzeitpunkt bereitzustellen, wobei es gleichgültig ist, ob diese allgemeinen Dekkungsmitteln oder angesammelten Abschreibungsgegenwerten entstammen; die "korrekte" Höhe der zwischenzeitlich angesammelten Abschreibungsgegenwerte wird über nachprüfbare Bewertungsverfahren sichergestellt. "Eines Hierzu mittlerweile auch zustimmend OVG Münster, Urt. v. 5.8.1994 · 9 A 1248/92, S. A. Dahmen, in: Driehaus, § 6 Rn. 153d, der jedoch den betriebswirtschaftliehen Zweck des Rückflußkapitals verkennt. 151 So z. B. Depiereux 1981, S. 36 f. 152 Sou. a. Ostholtho/f1993; Brüning 1990; Reichstein 1989. 150

23. A.

IV. Kalkulatorische Abschreibungen

285

quasi buchhalterischen Beweises durch Ansammlung in einer Erneuerungsrücklage und Vergleich mit den Ausgaben für Ersatzinvestitionen bedarf es dafür prinzipiell nicht." 153 Die hierdurch erhöhte finanzielle Beweglichkeit der Gemeinden ist nicht zuletzt unter dem Eindruck der langen Kapitalbindungsdauer in den klassischen Entsorgungshaushalten nur zu begrüßen. An der Verpflichtung zur rechtzeitigen Ersatzbeschaffung bzw. der prüfbaren Kalkulation der Gebührenhöhe ändert sich durch die Aufgabe dieser strengen Zweckbindung nichts.

8. Gleichmäßigkeit und Verursachergerechtigkeit der Gebührenbelastung Mit Blick auf die Kostenverrechnung von Wiederbeschaffungs- und Zeitwerten in der Gebührenbedarfsermittlung wird oftmals die Besorgnis geäußert, daß Investitionsaufwendungen späterer Perioden antizipiert und gegenwärtigen Nutzergenerationen öffentlicher Leistungen angelastet werden.154 Aufgrund des Charakters der Gebühr, die als spezielles Entgelt eine Gegenleistung für eine individuell zurechenbare öffentliche Leistung darstelle, liege damit ein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip vor. Die mutmaßliche Verletzung des Verursacherprinzips berühre auf diese Weise auch die intergenerationale Gerechtigkeit der Gebührenlast, da Nutzen und Lasten zwischen den jetzigen und künftigen Gebührenschuldnern ungleich verteilt seien. In der Tat verhalten sich qualifizierte Substanzerhaltungskonzepte kritisch gegenüber dem Äquivalenzgedanken, weil es hierbei - wie ausgeführt wurde - nicht um die Zurechnung individuell empfangener Nutzungsströme sondern um Wiedergewinnung investierten Kapitals für eine qualifizierte Reproduktion der betrieblichen Leistungserstellung geht. Allerdings können derartige Einwände nicht mehr gegenüber echten Zeitwerten geltend gemacht werden, deren Bemessung am Ziel realer Kapitalerhaltung ausgerichtet sind. So stellt beispielsweise Giesen (1980, 18)- allerdings ohne die hier für erheblich gehaltene Differenzierung der Erhaltungskonzepte - zutreffend fest, daß derart bemessene Abschreibungen "vielmehr das in die Kostenrechnung und in die Entgeltkalkulation eingehende wertmäßige Äquivalent der auf die jeweilige Rechnungsperiode verteilten Ausgaben - bewertet zu Gegenwartspreisen-" darstelle. "Es besteht also sowohl ein Zeitbezug als auch ein Lei153 Bals I

Nölke 1990, 216.

154 So erneut und - da mit ausdrücklichem Bezug auf Zeitwerte- unzutreffend Siekmann

S. 446; ähnlich bereits Traumann·R einheimer 1977, S.

158.

1994,

286

E. Betriebswirtschaftliche Aspekte

stungsbezug, eine Kausalbeziehung zwischen gebotener Leistung und zu entrichtendem Entgelt und zum Leistungszeitraum." Das Beispiel eines neuesten Anforderungen über Schalldämmung und Emissionsminderung genügenden Müllfahrzeuges, auf dessen Wiederbeschaffung zwar bereits Gebühren erhoben, der gegenwärtigen Gebührenschuldnergeneration indes noch ein Fuhrpark älterer Provenienz zugemutet werde, trifft zwar auf eine Kalkulation qualifizierter Substanzerhaltung, nicht jedoch bei realer Kapitalerhaltung zu: Hier werden lediglich die Gegenwartswerte der historischen Anschaffungsausgaben auf die Nutzer umgelegt. Ferner gilt, daß es sich bei der Methode der Zeitwerte nicht um ungewisse Wiederbeschaffungswerte fernerer Perioden handelt, sondern das Anliegen darin besteht, den aktuellen Faktorverbrauch zu Gegenwartspreisen zu erfassen. 155 An realer Kapitalerhaltung ausgerichtete Gebühren verletzen daher das Äquivalenzgebot nicht. Im Gegenteil werden sich vielmehr Gebühren auf der Basis historischer Anschaffungskosten mit zunehmender zeitlicher Entfernung vom Anschaffungszeitpunkt von der geforderten Kausalbeziehung lösen: "In Zeiten mit inflationärer Preisentwicklung wird die (zunehmende) Last der Refinanzierung auf künftige Benutzergenerationen fortgewälzt. 11 156 Auch führen nur Abschreibungen vom Zeitwert zu einer über die Zeitachse gleichmäßigen Gebührenentwicklung, da ansonsten mit unerwünschten Preissprüngen gerechnet werden muß, die die zwischenzeitlich aufgelaufene Kluft zwischen tatsächlichen und verrechneten Kosten schlagartig sichtbar machen: "Die streng pagatarische Kostenbewertung bewirkt[... ], daß in Zeiten steigender Preise die Gebührensätze dann sprunghaft ansteigen, wenn erforderliche Ersatzbeschaffungen zu höheren (Wiederbeschaffungs-) Preisen realisiert werden müssen. 11 157 Dieser Befund erfährt auch durch die Berücksichtigung evtl. Sozialkastenanteile in den Abschreibungskosten keine Veränderung: Sozialkosten gebundenen Kapitals sind ebenfalls Jetztkosten der Abrechnungsperiode und führen nur dazu, daß die Nutznießer der kommunalen Faktortransformation die volle Kostenverantwortung für die von ihnen nachgefragten Leistungen zu übernehmen haben. Der Äquivalenzzusammenhang ist hierdurch weder zeitlich noch personell gestört - im Gegenteil: Erst die Einbeziehung 155 Ähnlich auch Giesen 1980, S. 18. Aus dem gleichen Grunde ist auch das Argument verfehlt, Zeitbewertung führe zu einer inflatorischen Preissteigerungsautomatik Dazu auch Bauernfeind I Zimmermann 1979, S. 154. 156 Giesen 1980, S. 18. 157 Von Zweh/1989, S. 1354.

IV. Kalkulatorische Abschreibungen

287

bislang externer Sozialkostenbestandteile verschafft dem Äquivalenzgedanken hinreichend Geltung.

9. Mangelnde Objektivierbarkeit?

Die Kritik schließlich, daß die mit der Ermittlung von Zeit- bzw. Wiederbeschaffungswerten einhergehenden Feststellungsprobleme Bewertungsspielräume eröffne, die eine gerichtliche Prüfung der Gebührenbedarfsberechnung erschwere und Rechtsfolgen an kaum überindividuell prüfbare subjektive Wertmaßstäbe knüpfe, 158 sagt zunächst nichts über die "Richtigkeit" (Angemessenheit) des Bewertungsmaßstabes selbst aus. Zuverlässige und transparente Verfahren der Wertermittlung sind- wie dargelegt zumindest für Indexierungsverfahren im Rahmen der realen Kapitalerhaltung gegeben und dürften dem Erfordernis hinreichender Objektivierbarkeit genügen, da hier keine willkürlichen Schätzungen der Gemeinden sondern allgemein zugängliche Informationen Dritter über allgemeine bzw. spezifische Kaufkraftverfall-Daten zur Anwendung kommen. Anders hingegen dürfte es um Kalkulationsverfahren bestellt sein, die gesamt- oder gemeinwirtschaftliche Zeitwerte zu eruieren suchen. Angesichts der damit verbundenen Probleme speziell mit Blick auf eine intersubjektive Prüfbarkeit und Nachvollziehbarkeit der Rechnungslegung wird daher auch an dieser Stelle von ihrer generellen Zugrundelegung im Rahmen der Gebührenbedarfsberechnung, speziell bei der Ableitung angemessener Bewertungsregeln, abgeraten.

10. Abschreibungen mit negativem Restwert?

Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster hat in seiner jüngst ergangenen erneuten Grundsatzentscheidung vom 5. August 1994 zur Kalkulation kommunaler Benutzungsgebühren159 zwar den Ansatz von Wiederbeschaffungszeitwerten für die Bemessung kalkulatorischer Abschreibungen gebilligt, die Fortführung von Abschreibungen über die ursprünglich projektierte Nutzungsdauer hinaus und das damit einherge-

158 Dazu u.

a.

Traumann-Reinheimer 1977, S.

159 OVG NW: Urteil v.

155 f. 5.8.1994-9 A 1248/92.

288

E. Betriebswirtschaftliche Aspekte

hende Überschreiten der originären (bzw. transformierten) Abschreibungssumme hingegen als rechtlich unzulässig beanstandet. Neben anderen Schwächen in der gerichtlichen Argumentation, 160 die zur Aufhebung der zu überprüfenden Gebührenbescheide führte, hat sich der Senat mit dieser Auffassung ohne ersichtlich stichhaltige Begründung über betriebswirtschaftliche Grundsätze hinweggesetzt, die gerade in dieser Frage von der ansonsten eher vermißten Eindeutigkeit gekennzeichnet sind. Auch die vom Gericht selbst vorgenommene, im übrigen aber wenig glücklich geratene erneute Deutung der Rechtserheblichkeit betriebswirtschaftlieber Grundsätze für das Kommunalabgabenrecht, liefert hierfür keine Stütze - im Gegenteil: Der Spruch erweist sich insoweit nicht nur als betriebswirtschaftlich bedenklich, sondern auch als judikativ inkonsistent.l61 Geht man zunächst von der Maßgeblichkeit des wertmäßigen Kostenbegriffs für die Gebührenkalkulation aus, so werden als Funktionen der Verrechnung kalkulatorischer Abschreibungen üblicherweise die "Verteilungsfunktion" sowie die "Finanzierungsfunktion" herausgestellt.162 Die auf diese Weise zu verteilende (zu periodisierende) und zugleich wiederzugewinnende Kapitalbindung durch Anlagevermögen (" Abschreibungssumme" 163) sei mit A bezeichnet, wobei zur Vereinfachung der Notation offen bleiben kann, ob dies einen zeitlich invarianten (historischen) Anschaffungswert oder aber einen fortgeführten, zwischenzeitlich eintretende Wertveränderungen berücksichtigenden Wiederbeschaffungszeitwert darstellt. Sofern sich in diesem Zusammenhang herausstellen sollte, daß der Nutzungsvorrat des abzuschreibenden Anlagegutes nach Ablauf der ursprünglich projektierten Nutzungsdauer von n 1 Perioden wider Erwarten nocht nicht erschöpft ist, sondern weiterhin die Abgabe von Leistungen für betriebliche Zwecke ermöglicht, so ist die zum Zeitpunkt der Vollabschreibung erkennbare mutmaßliche neue Gesamtnutzungsdauer n 2 (> n 1) der weiteren Kalkulation zugrunde zu legen. Während also in den n 1 ersten Perioden 1, ... , n 1 die verrechneten kalkulatorischen Abschreibungen at - bei den in den Kommunalabgabengesetzen der Länder regelmäßig vorgesehenen linearen Abschreibungsverläufen - gemäß

160 Siehe dazu ausführlicher Gawel1994c; ders. 1994d. 161 Siehe dazu bereits Gawel1994e. 162 Siehe hierzu oben unter Abschnitt 163 Vgl. hierzu Kosio/1955.

E.ill.

IV. Kalkulatorische Abschreibungen

289

t = 1, ... , n 1

ermittelt werden, erhält man für die Exzeßnutzungsdauer n 1, ... , n 2:

(2)

at - 1/n 2 A ,

d. h. die Abschreibungreihe wird unter der Fiktion fortgesetzt, als habe ex tune bereits Gewißheit über den sich tatsächlich erst im Laufe der Nutzung herausstellenden tatsächlichen Nutzungszeitraum bestanden. Die Ko· stenverrechnung fingiert also eine neue durchgehende Abschreibungsreihe über die gesamte (korrigierte) Gesamtlebenszeit des Anlagegutes, die auf· grund irrtümlich zunächst abweichend angesetzter Nutzungsdauern freilich im ersten Teil nicht realisiert werden konnte und sich insofern als unwider· ruflieh fehlerhaft darstellt. Unter der Nebenbedingung der jeweils zur Verfügung stehenden Informa· tionsmenge über das zeitliche Nutzungsprofil eines Anlagegutes ist die ge· samte, auf diese Weise ermittelte Abschreibungsreihe · betriebswirtschaftlich gesehen · jeweils periodenbezogen korrekt. Da eine nachträgliche Korrektur periodisch bereits verrechneter Kostenbestandteile nicht möglich ist, muß die Revision des Abschreibungsverlaufs folgerichtig auf die künftigen Peri· oden beschränkt bleiben. Daß dabei das Ziel der vollständigen Verrechnung der Abschreibungsba· SIS, 1.

e.

nicht mehr einzuhalten ist, muß dabei hingenommen werden. Sofern n 2 > n 1 gilt, übersteigen die verrechneten (kumulierten) Periodenabschreibungen at die zu verteilende Abschreibungssumme A. Für dieses Vorgehen entschei· dend bleibt das Argument, daß der jeweils periodengerecht abgegrenzte betrieblich veranlaßte Werteverzehr am Anlagevermögen möglichst exakt zu erfassen ist; danach verursachen auch bereits voll abgeschriebene Wirt· schaftsgüter Kosten der laufenden Inanspruchnahme, die in der jeweiligen Abrechnungsperiode zu kalkulieren sind; eine Einstellung der Abschreibung würde die laufenden Kosten der Periode zu niedrig ausweisen, da tatsächlich weiterhin Faktorverbräuche zur Erstellung der betrieblichen Leistung ein· treten. Diese stellen offensichtlich auch Opportunitätskosten dar, denn als Folge ihrer fortgesetzten Leistungsabgabe wären die betreffenden Wirt· schaftsgüteranderweitiger Nutzung weiterhin zugänglich. 19 Gawel

290

E. Betriebswirtschaftliche Aspekte

Zielt die Abschreibungsverrechnung vorrangig darauf ab, den in jeder Abrechnungsperiode zu verzeichnenden Faktorverbrauch möglichst exakt anzuzeigen, so muß der Ansatz kalkulatorischer Abschreibungen sowohl nach volks- als auch nach betriebswirtschaftliehen Kalkulationsgrundsätzen auch nach Erreichen der geschätzten betrieblichen Nutzungsdauer fortgesetzt werden. Soll die Einstellung von Abschreibungskosten in die Kalkulation hingegen im wesentlichen der Wiedergewinnung einmal investierter Kapitalien dienen, so erweist sich die Fortführung der Kostenverrechnung als entbehrlich: Auch bei wiederbeschaffungszeitwertorientierter Kalkulation ist nach Ablauf der ursprünglich angesetzten Zeitdauer der Indienstnahme eine hinreichende Desinvestition gebundenen Kapitals eingetreten: Die somit erneut in liquider Form vorliegenden Mittel können erneut investiert oder aber rentierlieh angelegt werden, so daß keine Wertschmälerung durch Inflation oder Sachwertschwankungen zu besorgen ist.164 Je nach Zwecksetzung der Kostenrechnung als betriebsinterne Entscheidungs- und Planungsrechnung, als Instrument der Wirtschaftlichkeitssteuerung (Kostenkontrolle) oder als extern orientiertes Informations- und Dokumentationsrechenwerk165 könnte daher der Total- bzw. der Periodenbetrachtung der Vorzug eingeräumt werden ("different cost for different purposes"). Der betriebswirtschaftliche Grundsatz der Abschreibungsverrechnung wird jedoch einhellig dahingehend beantwortet, daß periodenbezogener Werteverzehr vollständig auszuweisen ist - ohne Rücksicht darauf, ob in der Vergangenheit irrtümlicherweise Kostenbestandteile der Jetztperiode bereits vorverrechnet wurden.166 Die insoweit fehlerhafte Kalkulation der Vergangenheit soll nicht durch weiterhin mangelhafte Verrechnung fortgesetzt werden, auch wenn dies die Summenbedingung {3) verletzt. Betriebswirtschaftlich gilt damit der Grundsatz, daß die Kosten der Wertminderung so lange in die Kalkulation einfließen, wie das betreffende Wirtschaftsgut tatsächlich genutzt wird und entsprechende Leistungen abgibt. Diese Vorgehensweise in der kostenrechnenden Kalkulation ist völlig unbestrittener Standard sowohl in der betriebswirtschaftliehen Theorie des Rechnungswesens als auch der Kostenrechnungspraxis.167 Auch das nunmehr ab-

164

Insoweit zutreffend die Argumentation des OVG Münster, Urteil v.

1248/92, s. 27.

5.8.1994 - 9 A

Kloock I Sieben I Schildbach, 1991, S. 13 ff. Vgl. insoweit auch Dahmen, in: Driehaus 1995, S 6 Rn. 154; ebenso Kretschmann 1972; ähnlich bereits OVG Lüneburg, U. v. 12.7.1984-3 OVG A 150181 - KStZ 1985, S. 195 ff. 167 Start vieler siehe nur Wöbe 1993, S. 1298; Kilger 1987, S. 119. 165 Siehe 166

IV. Kalkulatorische Abschreibungen

291

weichend erkennende Gericht hatte in seinem Urteil vom 20.9.1991 168 noch unter Betonung der periodengerechten Leistungs- und Kostenbewertung die Unmaßgeblichkeit in Vorperioden bereits verrechneter Beträge hervorgehoben. Auch die bisweilen in der Diskussion als Indikator für sich zwischenzeitlich restriktiver gebende betriebswirtschaftliche Auffassungen bezüglich der Verrechnung kalkulatorischer Kosten herangezogenen Leitsätze für die Preisermittlung im öffentlich gebundenen Bereich (LSP/LSP-Bau etc.) bieten hierfür keinerlei Grundlage: So geht der maßgebliche Kommentar von Ebisch/Gottschalk davon aus, daß "es keine Rolle [spielt], ob über den Ausgangswert hinaus abgeschrieben wird."169 Sinn der Verfahrensweise sei es vielmehr, "Fehler der Vergangenheit nicht in die Zukunft zu übertragen." 170 Die Einmaligkeit der Abschreibungen werde prinzipiell durch Verrechnung von Mehr- oder Minderabschreibungen auf einem Abschreibungswagniskonto gewahrt. Damit gilt zudem im langjährigen Mittel bei korrekter und nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung und Bilanzierung erfolgter Schätzung der voraussichtlichen Nutzungsdauer, daß sich die Unter- und Überverrechnungen ausgleichen werden.l7 1 Das für Gebühren in den Kommunalabgabengesetzen der Länder regelmäßig normierte Verbot der Kostenüberschreitung steht dieser Abschreibungskalkulation jedenfalls nicht entgegen: Wie das Gericht selbst in erfreulich deutlicher Form klarstellt, knüpft das Kostenüberschreitungsgebot an den Kostenbegriff des § 6 Abs. 2 KAG an, bestimmt jedoch nicht seinen Inhalt.172 Soweit Wertminderungen jenseits der Vollabschreibung als Kosten anzusehen sind, kann der Einwand der Kostenüberschreitung daher nicht mehr greifen. Zur Entscheidung der strittigen Frage liefert das formale Dekkungsprinzip damit keinerlei Handhabe. Daneben wird bisweilen wohl auch die Auffassung vertreten, die Abschreibungsverrechnung über den Restwert Null hinaus sei insbesondere im Falle wiederschaffungs(zeit)wertorientierter Kalkulation unzulässig.173 Bedauerlicherweise liefern die Autoren jedoch über das bloße Postulat der Summenerhaltung gern. Gleichung (3) hinaus keine betriebswirtschaftlich stichhaltige Begründung. OVG Münster, Urt. v. 20.9.1991-9 A 570190. Gottschalket al. 1987, Rn. 9 zu Nr. 39 LSP, S. 414. 170 Ebenda, Hervorh. i. Original. 168

169 Ebisch I

171 Zur Nachholung einer in der Vergangenheit zu geringen Abschreibung in der verbleibenden Restnutzungszeit siehe Baron 1977; Fuchs 1989. 172 OVG Münster, Urteil v. 5.8.1994, S. 24. Hierzu im übrigen auch ausführlich Gawel1995a. 173 So wohl Brod I Steenbock 1980, S. 167, die hiervon "dringend abraten"; ähnlich Kretschmann 1978, S. 128 ff.

292

E.

Betriebswirtschaftliche Aspekte

Auch der Hinweis des OVG Münster, die Verrechnung periodenweise zuwachsender Wiederbeschaffungszeitwerte bei voll abgeschriebenen Wirtschaftsgütern verstoße gegen das Gebot gleichmäßiger Verteilung, da hierbei kein gleicher Abschreibungssatz mehr zur Anwendung komme, 174 erscheint zumindest mißverständlich: Daß die Wertzuschreibung dem im vorhinein in seiner Entwicklung nicht bekannten Inflator obliegt, kann ernsthaft nicht beanstandet werden; hier werden offensichtlich Abschreibungssatz 1/n und Inflatorrate verwechselt. Allenfalls für den Fall, daß der über die Vollabschreibung hinaus vorgenommenen Kostenverrechnung kein neues Mengengerüst zugrunde gelegt wird (neue voraussichtliche Nutzungsdauer und mit dem bisherigen Satz 1/n1 weiter ad infinitum abgeschrieben wird, liegt ein Verstoß gegen betriebswirtschaftliche Grundsätze vor. Ob dies in der zu prüfenden Gebührenkalkulation der Fall war, kann jedoch nicht ermittelt werden.

nv

Man könnte allerdings argumentieren, daß es speziell für den Bereich kommunaler Gebührenkalkulation nicht zwingend oder womöglich unangemessen sei, die Abschreibung über die ursprünglich angesetzte Nutzungsdauer hinaus auszudehnen. Denn wenn es zwar für die betriebswirtschaftliehe Periodisierung von Kosten ("Verteilungsfunktion"175), nicht aber mit Blick auf die Finanzierungsfunktion erforderlich ist, über die Vollverrechnung hinaus weiter abzuschreiben, so stellt sich erneut die Frage der Zielsetzung kommunaler Kostenrechnung. Das heißt, es ist eine Abwägung zwischen der Perioden- und der Totalbetrachtung der Kostenrechnung erforderlich, die mit Blick auf den öffentlich-gebundenen Bereich u. U. anders ausfallen könnte, als in der auf erwerbswirtschaftliche Einheiten ausgerichteten allgemeinen Kostenrechnungslehre. Sieht man einmal von grundsätzlichen Bedenken gegen abweichende Zielformulierungen für die Kommunalwirtschaft ab, 176 so würde doch die stärker finanzwirtschaftliche Deutung der Gebühr im Rahmen wertmäßiger Kostenanschauung zumindest ein methodisch konsistentes Vehikel bereitstellen, Bedenken gegen die Überabschreibung kostenrechnender Einrichtungen der Gemeinden zu begründen.

174 OVG Münster, U. v. 5.8.1994, S. 26; ähnlich bereits OVG Münster, U . v. 20.9.1991- 9 A 570/90. A. A. OVG Lüneburg, U. v. 12.7.1984- 3 A 150/81 - KStZ 1985, 195. 175 Das OVG Münster nimmt den (insoweit mißverständlichen) Wortlaut der "Verteilungsfunktion" zum Anlaß festzustellen, daß nach 100prozentiger Abschreibung "nichts mehr[...] zu verteilen" sei; es wurde weiter oben gezeigt, daß diese Deutung dem Sinngehalt der Periodisierungsabsicht widerspricht; insoweit sollte zutreffender von der Periodisierungsfunktion der Abschreibung gesprochen werden. 176 Hierzu u. a. Gawel1994b.

IV. Kalkulatorische Abschreibungen

293

Sieht man einmal davon ab, daß dies doch volkswirtschaftlichen Knappheitsmaßstäben der Entgeltgestaltung widersprechen würde, hat sich das OVG Münster bemerkenswerterweise gerade diesen einzig gangbar erscheinenden Weg selbst verstellt: Denn betriebswirtschaftliche Grundsätze nach dem KAG seien dem Senat zufolge angeblich losgelöst von speziellen Zweck- und Rahmensetzungen im öffentlich gebundenen Bereich geltende allgemeine Maßregeln für erwerbswirtschaftliche Betriebe, die offenbar als Prototyp wirtschaftlicher Betriebseinheiten erfaßt werden.1 77 Dann aber besteht wohl keine Veranlassung, über die ursprünglich angesetzte Nutzungsdauer hinaus fortgeführte Abschreibungen als betriebswirtschaftliehen Grundsätzen widersprechend auszulegen oder gar das "Wesen der Abschreibung" mißachtet zu sehen. Die hier vorgetragene Kritik sollte jedoch nicht die Problematik verkennen, die in der willkürfreien Abschätzung betriebsgewähnlicher Nutzungsdauern begründet liegt: Es liegt auf der Hand, daß von der Festlegung der wirtschaftlichen Nutzungsdauer von Anlagegütern erhebliche Auswirkungen auf den Umfang jeweils verrechenbarer Abschreibungskosten ausgehen.178 Das daraus erwachsende Problem der sachgemäßen und willkürfreien Schätzung der Nutzungsdauer trotz unvollständiger Information ist jedoch im Wege der Darlegungs-und Plausibilisierungspflicht angesetzter Nutzungsdauern zu lösen. Soweit eine Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung und Bilanzierung entsprechende Schätzung der Nutzungsdauer vorliegt, sich diese aber unvorhersehbar als unzutreffend erweist, kann nach Vollabschreibung des Wirtschaftsgutes nicht die Einrede der bereits erfolgten Verrechnung in Vorperioden greifen. Hiervon unabhängig gilt selbstverständlich, daß willkürlichen Verkürzungen der voraussichtlichen Nutzungszeit und anschließend erfolgenden Nachverrechnungen, denen nicht an Fehlerkorrektur, sondern an unsachgemäßer Kostenausdehnung gelegen ist, entgegenzutreten ist. Speziell mit Blick auf den Anlagenhaushalt der kommunalen Abwasserentsorgung und seinen mit besonderen Unwägbarkeiten verbundenen Zeithorizonten erscheint dies freilich eher als eine tiefbaulich-ingenieurwissenschaftliche Frage und weniger als Problem der Kostenrechnung. Soweit hier im Einzelfall keine substantiierten Bedenken vorgebracht werden können, wie im Fall der vom OVG Münster zu beurteilenden Gemeinde, besteht daher keine Veranlassung, die Fortführung der Abschreibung über den Restwert Null

S.

177 Das

11.

Gericht spricht hier dunkel von "allgemeinen Wirtschaftsbetrieben", Urt. v. 5.8.1994,

178 Siehe

hierzu z. B. Dudey

1994; E. Zimmermann 1992; grundlegend auch Schneider 1961.

E. Betriebswirtschaftliche Aspekte

294

hinaus im Widerspruch zu den betriebswirtschaftliehen Grundsätzen zu vermuten.

V. Kalkulatorische Zinsen 1. Problemstellung und -abgrenzung

a) Einleitung Neben den kalkulatorischen Abschreibungen steht vor allem auch die kalkulatorische Verzinsung des im Gebührenhaushalt eingesetzten Kapitals im Brennpunkt der Kritik. Daher sollen hier strittige Fragen der Einbeziehung kalkulatorischer Zinsen ausführlicher behandelt werden. Der 9. Senat des OVG Münster hat mit seinem jüngst ergangenen und viel beachteten Urteil vom 5. August 1994179 die Bemessung kalkulatorischer Zinsen nach Wiederbeschaffungszeitwerten für unzulässig erklärt, bei der Zinsrate jedoch Spielräume bis nominal 8 %eingeräumt. Trotz der Abkehr von der bislang ständigen Rechtsprechung des Senats180 in der Verzinsungsfrage hat es das Gericht jedoch vermieden, über die konkret streitigen Punkte hinaus eine umfassende Wertung der kalkulatorischen Zinskosten in der Kostenrechnung kommunaler Gebührenhaushalte vorzunehmen. Insbesondere die Festlegung des maximal zulässigen Zinssatzes, aber auch andere strittige Berechnungsverfahren der Verzinsung stehen damit weitgehend isoliert im Raum. Nachfolgend sollen demgegenüber - vor dem Hintergrund des aktuellen Urteilsspruchs - strittige Fragen der Zinskomponente kalkulatorischer Kosten im Gesamtzusammenhang der volks- und betriebswirtschaftliehen sowie der kommunalabgabenrechtlichen Problemstellung erörtert werden.

b) Problemkreise Die Frage nach der Kapitalverzinsung im Rahmen kommunaler Gebührenkalkulation hat sich zunächst über den Zweck der Verzinsung, d. h. die Sinnhaftigkeit des Ansatzes entsprechender Kostenbestandteile, zu vergewis-

179

OVG Münster, Urteil v. 5.8.1994 · 9 A 1248/92 - GemHH 1994, S. 233 ff. - KStZ 1994,

s. 213 ff.

180 Siehe hierzu zuletzt OVG Münster, Urteil v. 27.10.1992-9 A 835/91.

V. Kalkulatorische Zinsen

295

sern (Abschnitt E.V.2.). Da die Bemessung der Gebühr und die darin zum Ausdruck kommende Veranschlagung von Kosten der öffentlichen Leistungserstellung als Reflex der damit verfolgten Zielsetzungen der gebührenerhebenden Körperschaft gelten muß, 181 bedarf der Ansatz kalkulatorischer Zinsen einer entsprechenden Legitimation. Auf der Grundlage dieser zweckorientierten Rechtfertigung kalkulatorischer Verzinsung sind die Bemessungsgrundlage (Verzinsungsbasis) (Abschnitt E.V.3.) und der zur Anwendung kommende Zinssatz (Abschnitt E.V.4.) zu diskutieren. Dabei zeigt sich eine gewisse problembedingte Verschränkung beider Komplexe, die daher nicht völlig getrennt behandelt, sondern vielmehr als simultanes Entscheidungsproblem gedeutet werden müssen.182 Mit Blick auf die Bemessungsgrundlage ist zunächst der Ansatz dem Grunde nach zu klären. d. h. die Frage, in welchem Umfang kommunalbetrieblich eingesetzte Kapitalien der Verzinsung zu unterwerfen sind (Abschnitt E.V.3.a). Maßgeblich ist hierbei die Unterscheidung nach Eigenkapital der Gemeinde, von Dritten gegen Entgelt überlassenes Kapital (Fremdkapital) sowie Mitteln, die der Gemeinde auf sonstige Weise, aber ohne Entgeltforderung, zur Aufgabenerfüllung zur Verfügung gestellt wurden (" Abzugskapital" 183), insbesondere beitrags- oder zuweisungsfinanzierte Vermögensteile sowie geschenkweise überlassene Produktionsfaktoren. Bezüglich der in die Kapitalverzinsung einzubeziehenden Anlagewerte stellt sich sodann die Frage der Bewertung (Ansatz der Höhe nach - Abschnitt E.V.3.b). Der wichtigste Streitpunkt betrifft hierbei die Frage der Bemessung nach historischen Anschaffungs- bzw. Herstellungswerten oder Wiederbeschaffungswerten zum Zeitpunkt der Bewertung, also von Wiederbeschaffungszeitwerten. Das auf diese Weise quantitativ und qualitativ umrissene "aufgewandte Kapital" ist schließlich "angemessen zu verzinsen." Hinsichtlich des Zinssatzes stellt sich zunächst die Frage, ob für einzelne Kapitalteile separate Sätze oder vielmehr ein einheitlicher kalkulatorischer Zinssatz anzusetzen sind. Das Problem der eigentlichen Satzhöhe verweist einerseits auf das wirtschaftliche Opportunitätskostenprinzip und seine Konkretisierung im

181 Zur Zielbedingtheit der Kalkulation ("zweckmäßige Gebühr") erneut Gawel1994b, m.w.N.

81 H.,

182 Ebenso Brüning 1994, der allerdings in die Simultanentscheidung auch den Modus der Abschreibungsverrechnung einbezogen wissen will, was zur Vermeidung multipler Inflatorverrechnung zwar richtig erscheint, aber den herrschenden betriebswirtschaftliehen Auffassungen über den Zweck einzelner Kostenarten widerspricht- siehe z. B. Brawanski 1988. 183 Dazu u. a. in neuerer Zeit Kneer 1992, S. 106 H.; Rau 1993.

296

E. Betriebswinschaftliche Aspekte

Rahmen gemeindlicher Aufgabenerfüllung, andererseits auf die Verschränkung mit dem jeweils zugrunde gelegten Kapitalbegriff. Schließlich sind Einzelheiten des Berechnungsverfahrens zu erörtern (Abschnitt E.V.S). Fraglich sind hier vor allem die Wertermittlung des Kapitals über die Zeitdauer der betriebsbedingten Bindung hinweg (zeitliches Kapitalbindungsprofil) (Abschnitt E.V.S.a) sowie die Behandlung des "Abzugskapitals" im Zeitablauf (Abschnitt E.V.S.b). Die Ergebnisse werden in Abschnitt E.V.6 zusammengefaßt.

c) Prüfmaßstäbe Zunächst stellt sich freilich die Frage nach den relevanten Prüfmaßstäben zur Beantwortung der zuvor aufgeworfenen Fragen: Die Bemessung kalkulatorischer Kapitalkosten (kalkulatorische Zinsen) kann zunächst vor dem Hintergrund der in den Kommunalabgabgengesetzen der Länder bestimmten Regelungen beurteilt werden. Für kommunale Benutzungsgebühren schreibt beispielsweise§ 6 Abs. 2 Satz 1 KAG NW bekanntlich die "nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähige[n] Kosten" als maßgeblich vor. Zur Kapitalverzinsung konkretisiert § 6 Abs. 2 Satz 2: "Dazu gehören auch [... ] eine angemessene Verzinsung des aufgewandten Kapitals; bei der Verzinsung bleibt der aus Beiträgen und Zuschüssen Dritter aufgebrachte Eigenkapitalanteil außer Betracht." 184 Unabhängig von der kommunalabgabenrechtlichen Normierung kann freilich auch geprüft werden, ob sich aus betriebswirtschaftlicher und/oder volkswirtschaftlicher Sicht für kommunale Haushaltswirtschaften Grundsätze für eine angemessene Berücksichtigung von Kapitalkosten ermitteln lassen. Aufgrund der Verweisung des § 6 Abs. 2 Satz 1 auf die betriebswirtschaftliche Anschauung zu dieser Frage könnte einer derartigen Betrachtung zugleich Bedeutung im Wege der Interpretation des Normgehalts zuwachsen. Daß hier durch einige, allerdings zahlreicher werdende Stimmen der jüngeren Vergangenheit, 185 die insoweit eine nie verstummte Tradition nominalistischen Denkens fortsetzen, betriebswirtschaftliche Grundsätze ins Wanken geraten seien, kann wohl ernsthaft nicht behauptet werden. Vielmehr soll durch unangemessene Überhöhung der durchaus 184 Zu den analogen Bestimmungen in den übrigen Kommunalabgabengesetzen siehe Driehaus

1995.

185 Siehe hierzu nur in jüngster Zeit von Zweh/1988, S. 155-177; ders. 1989, S. 1345-1354; Brü· ning 1990a, 1990b;Reichstein 1989; Brawanski 1988; Ostholthoff1993.

V. Kalkulatorische Zinsen

297

ernst zu nehmenden Bedenken gegen nicht-pagatorisches Wirtschaften im Kommunalbereich die politisch nicht oder nur zum Teil gelingende Rechtsänderung gleichsam herbeigedeutet werden.186 Bei der Interpretation betriebswirtschaftlicher Grundsätze für die Auslegung kommunalabgabenrechtlicher Normen läßt sich das OVG Münster freilich in seiner jüngsten Entscheidung von Argumentationsmustern leiten, die nur für gewinnmaximierende Erwerbsbetriebe (als vermeintlicher Verkörperung "grundsätzlicher" betriebswirtschaftlicher Überlegungen) Geltung besitzen. 187 Wie bereits ausgeführt wurde, machen die "betriebswirtschaftlichen Grundsätze" des KAG wohl betriebswirtschaftliches Denken - im Gegensatz zu finanzwirtschaftlich-kameralistischen Auffassungen -, nicht aber die BWL erwerbswirtschaftlicher Betriebe zum Maßstab, auch wenn diesen aufgrund ihrer ordnungspolitisch herausragenden Stellung in der Betriebswirtschaftslehre der Rang eines betrieblichen Prototyps zuwächst.188 Daß gerade die Heranziehung erwerbswirtschaftlicher Kalkulationsgrundsätze für Kommunalbetriebe und erst deren Einsatz im Rahmen öffentlicher und gemeinwirtschaftlicher Betriebseinheiten Bedenken und Widerstände hervorruft, wird jedoch vom Gericht als "unbeachtlich" eingestuft.189 Daß Grundsätzliche wird so in seiner Reichweite mißverstanden als das Prototypische. Da das Gericht die Antwort schuldig bleibt, wie aus dem (erwerbswirtschaftlichen) Grundsatz ein (gemeinwirtschaftlicher) Spezialsatz zu deduzieren sein soll, ergeben sich als Resultat unnötige argumentative Brüche, die nachfolgend für den Bereich der Verzinsung im einzelnen aufgezeigt werden.l90 Da überdies im Rahmen der für die Gebührengestaltung ganz überwiegend für relevant erachteten wertmäßigen Kostenanschauung der Grundsatz der Zweck- und Zielabhängigkeit der Kalkulation gilt, bedarf es der Festle186 Auch die in diesem Zusammenhang häufig angefühne Änderung der LSP bzw. LSP-Bau begründen noch keine paradigmatische Umwälzung der betriebswinschaftlichen Kostenlehre; dies erscheint bereits deshalb ausgeschlossen, weil der durch öffentliches Auftragswesen erfaßte Bereich und die spezifische Zielsetzung der Leitsätze nicht repräsentativ für sämtliche öffentlichen Kostenrechnungen sein können- vgl. OVG Münster v. 27.10.1992; ähnlich auch Ei· her I Fuchs 1994, S. 1176, mit Blick auf die Energieversorgungsuntemehmen, die· was die Langfristigkeit ihrer Investitionen anbetrifft - durchaus mit der Abwasserbeseitigung vergleichbar sind. 187 OVG Münster, Un. v. 5.8.1994, S. 11. 188 Eines speziellen Hinweises etwa auf die Überformung betriebswinschaftlicher Anschauung durch Charakteristika öffentlicher Unternehmen bedarf es hierzu- entgegen der Meinung des Gerichts-aufgrund der Stellung der Verweisung im KAG ganz offensichtlich nicht mehr. 189 OVG Münster, U. v. 5.8.1994, S. 21. 190 Für die Frage der Abschreibungsverrechnung hierzu bereits Gawel 1994e. Hierzu auch Abschnitt E.IV.10.

298

E. Betriebswirtschaftliche Aspekte

gung bzw. Vereinbarung betrieblicher Kalkulationsabsichten. Da aber die gemeindliche Gebührenkalkulation nicht auf Gewinnmaximierung ausgerichtet werden kann, ja dies ausdrücklich versagt ist, muß zur Beantwortung der offenen Kalkulationsfragen eine adäquate Zieldiskussion kommunaler Entgeltgestaltung erfolgen,l91 die das Gericht nicht nur umgangen sondern schlichtweg für überflüssig erklärt hat. Eine solche Zielbestimmung soll an dieser Stelle in konsequenter Fortführung der bisherigen Überlegungen in der Widerspiegelung gesamtwirtschaftlicher Kostenverantwortung erblickt werden. Hierzu wird nachfolgend erneut - wie bei der Verrechnung von Abschreibungen bereits ausgeführt - hilfsweise von betriebswirtschaftliehen Substanzerhaltungsansätzen ausgegangen.

2. Zweck der Verzinsung

Wie in Abschnitt E.II. nochmals entwickelt, wird in der modernen Betriebswirtschaftslehre auf der Grundlage des wertmäßigen Kostenbegriffs unter "Kosten" der in Geld bewertete, periodisierte Verzehr von Faktorleistungen zum Zwecke betrieblicher Leistungserstellung subsumiert. Kosten repräsentieren damit den bei der Erstellung der Betriebsleistung angefallenen Werteverzehr; dabei muß auch ein Verzehr erfaßt werden, der in einer rein pagatorischen Rechnung keinen Niederschlag findet, da er nicht gleichzeitig zu Ausgaben führt (Zusatzkosten). In der betriebswirtschaftliehen Kostenrechnung werden daher als kalkulatorisch auch Kosten geführt, die nicht oder in anderer Höhe mit betrieblichem Aufwand bzw. Ausgaben einhergehen. Es wurde gezeigt, daß dies grundsätzlich mit volks- bzw. gesamtwirtschaftlichen Kostenanschauungen harmoniert. Neben der Wertminderung durch die Verminderung der in dem Kapitalgut gebundenen Nutzungsmöglichkeiten ist auch die Kapitalbindung als solche, die mit dem Verzicht auf eine andere zinsbringende Anlagemöglichkeit verbunden ist, in die Opportunitätskostenberechnung miteinzubeziehen. Mit der Zurverfügungstellung und Nutzung von Kapitalien für betriebliche Zwecke begibt sich der Betrieb der Möglichkeit der anderweitigen ertragbringenden Verwendung: Die betrieblich veranlaßte Bindung von Kapital ist eine zeitliche Nutzung finanzieller Ressourcen und damit Güterverbrauch. 190 Für die Frage der Abschreibungsverrechnung hierzu bereits Gawel 1994e. Hierzu auch Abschnitt E.IV.lO. 191 Hierzu statt vieler Eichhorn 198la; Bätz 1979, S. 86 ff.

V. Kalkulatorische Zinsen

299

Der wirtschaftliche Verzehr von Kapitalliegt danach in einer mit dem Zeitablauf schwindenden Dispositionsgewalt über eine "Vorrätigkeit" _192 Der Verzicht auf entsprechend rentierliehe Alternativdispositionen verursacht auf diese Weise entgangene Erträge und mithin Kosten im Sinne des Opportunitätsprinzips, 193 das die nicht realisierten Erträge der jeweils besten verdrängten Alternative zum Maßstab erhebt. Kalkulatorische Zinsen als "in Geld ausgedrückter Wert des Verbrauchs der aus betrieblicher Verfügungmacht erwachsenden Chancen" 194 sind damit das Entgelt für die Bereitstellung des betriebsnotwendigen Kapitals bzw. das Äquivalent für den temporären Konsumverzicht des jeweiligen Mittelgebers; sie treten an die Stelle der tatsächlich entstandenen Zinsaufwendungen, die sich aus den jeweiligen Finanzierungsvorgängen ergeben. Ihre Bemessung hat sich am Ertrag der günstigsten entgangenen Verwendungsalternative zu orientieren. Die Irrelevanz effektiver Zinsleistungen impliziert bereits, daß die Kapitalstruktur für die Veranschlagung der kalkulatorischen Zinskomponente unerheblich bleiben muß: Ihre Bemessung abstrahiert insoweit von Anteil und Ausmaß der von Dritten gegen Entgelt eingeworbenen Kapitalbeträge.195 Das zinslegitimierende Opportunitätskostenprinzip schließt aufgrund seiner Abstraktheit von der Kapitalstruktur die Verzinsung von Eigenkapital ausdrücklich ein. 196 Gerade in der Verzinsung der aus Eigenmitteln zur Verfügung stehenden Kapitalbeträge wird schließlich aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive eine Lenkungsfunktion in bezug auf die effiziente Ressourcenallokation erblickt: Da über knappe Ressourcen nur mittels preislicher Signale effizient disponiert werden kann, der Nicht-Ansatz von Kosten jedoch fälschlich eine kostenlose Faktornutzung indiziert, sind Fehlleitungen knappen Kapitals die Folge. 197 Mit Blick auf den kostendeckende Gebühren erhebenden kommunalen Entsorgungshaushalt wurde dieses elementare Opportunitätskostenprinzip 192 Kaiveram spricht von "der in Geld ausgedrückten Wertsumme eines Güterkomplexes, über den man kostende Verfügungsgewalt besitzt." Siehe Kaiveram 1932, S. 613; Schmalenbach 1961; Kosio/1958, S. 7 ff.; Heinen 1966. 193 Hierzu mit Blick auf die betriebliche Sphäre bereits Münstermann 1966, S. 18 ff.; ders. 1969, s. 169 ff. 194 Menrad 1993, Sp. 2254; hierzu grundlegend Schmalenbach 1961. 195 Ebenso Pribilla 1971, III B Nr. 43 S. 2: "Für die Feststellung der Kosten der Kapitalnutzung kann es daher nur auf die Verwendung, nicht aber auf die Quelle des Kapitals ankommen." Ahnlieh auchRau 1993, S. 199; Menrad 1993, Sp. 2254 f. 196 Schmalenbach 1963, S. 14; Mellerowicz 1973, S. 78 ff.; Kosio/1972, S. 113; Lücke 1960, S. 362 mit weiteren Nachw.

300

E. Betriebswirtschaftliche Aspekte

dahingehend gedeutet, daß der Benutzer einer kommunalen Einrichtung, der mit dem allgemeinen Steuerzahler nicht identisch ist, für die völlige oder teilweise Finanzierung der Anlage einen Zins zu entrichten habe.198 Das BVerwG hat diese Formel in dem oft zitierten Beschluß vom 19.9.1983 (= KStZ 1984, 11 = DÖV 1984, 111) dahingehend gewendet, daß die durch Benutzungsgebühren zu deckenden Kosten einer öffentlichen Einrichtung auch der Tatsache Rechnung zu tragen hätten, daß die Bindung von Eigenkapital eines Trägers öffentlicher Verwaltung zugunsten eines bestimmten Personenkreises die Durchführung anderer Vorhaben öffentlicher Bedeutung nicht, zu einem späteren Zeitpunkt oder aber nur unter Hinzuziehung entgeltlich verfügbarer Kapitalien zulassen würde. Der auf diese Weise der Allgemeinheit entzogene Nutzen müsse über den Ansatz von Eigenkapitalzinsen dem spezifischen Nutzerkreis der Anlage angelastet werden. Der daraus erwachsende Vorteil sei besondere und daher gebührenfähige Leistung der Gemeinde. Selbst bei Anerkennung der Eigenkapitalverzinsung als legitimem Kostenbestandteil gemeindlicher Gebührenkalkulation stellt sich freilich die weitergehende Frage nach der Bemessung des "aufgewandten Kapitals" bzw. seiner "angemessenen Verzinsung". Ein Vorgehen nach "betriebswirtschaftliehen Grundsätzen" erfordert an dieser Stelle erneut den Blick auf die mit dem Ansatz entsprechender Kosten verfolgten Zielsetzungen der Kostenrechnung. Die im Zuge der wiederbeschaffungsorientierten Kalkulation Platz greifende Praxis der Gemeinden, auch die Bewertung des eingesetzten Kapitals analog zu dem damit finanzierten Anlagevermögen zu Wiederbeschaffungsbzw. Zeitwerten vorzunehmen, unterliegt in jüngerer Zeit verstärkt der Kritik. Dabei wird darauf hingewiesen, daß zwar das Ziel der Abschreibungsverrechnung entsprechend dem dauerhaften Betriebszweck die Substanzerhaltung sei, 199 der Ansatz von Wertminderungen des Anlagevermögens in der Kostenrechnung mithin -je nach Umfang des Konzepts- auf "Tilgung, Erneuerung oder Wiederbeschaffung"200 gerichtet sei. Die Verzinsung des eingesetzten Kapitals jedoch verfolge betriebswirtschaftlich einen anderen Zweck: Verzinsung sei als Preis für geliehenes Kapital nicht mehr der Wiederbeschaffung oder Gewinnung eines Rückflußkapitals verpflichtet.201 197

1978, S. 364. 1975, S. 205-208, Kretsch-

Kritisch zur Lenkungsfunktion im öffentlich gebundenen Bereich Budäus

So die amtliche Begründung des KAG NW; siehe auch Knobloch mann 1972, S. 189; Dahmen, in: Driehaus 1995, Rn. 180. 199 Hierzu ausführlich Gawel1994b, S. 81 ff. 200 Brawanski, Der Gemeindehaushalt 1988, S. 150, Fn. 2. 201 So dezidiert Brawanski, ebenda. 198

V. Kalkulatorische Zinsen

301

Aus dieser eigenständigen Zielsetzung des Kostenansatzes kalkulatorischer Zinsen folge auch eine unabhängige Bewertung,202 die allerdings nach Sinn und Zweck der kalkulatorischen Verzinsung nur das effektive Aufwandkapital (hingegebene Mittel zum Nennwert), nicht jedoch das zu Gegenwartspreisen bemessene Rückflußkapital umfassen könne. 203 Nach dieser Auffassung ist zinsfähig als aufgewandtes Kapital nur der Nennbetrag tatsächlich hingegebener Finanzmittel, nicht jedoch ein Kapital, das heute aufzuwenden wäre, um die öffentliche Leistungserstellung zu ermöglichen; Brawanski spricht hier insoweit von "Fiktivkapital" .204 Daß sich die zeitwertorientierte Verzinsung funktional nicht über die Substanzerhaltung legitimieren (Brawanskt) bzw. neben einem der Substanzerhaltung bereits verpflichteten Abschreibungsverfahren nicht bestehen kann (Brünin?J,20S wurde in der neueren Literatur zutreffend herausgearbeitet.206 207 Dies schließt freilich den Ansatz von Zeitwerten nicht von vorneherein aus, sondern bedarf einer abweichenden LegitimationlOS (siehe hierzu C.ll).

3. Bemessungsgrundlage a) Reichweite des relevanten Kapitalbegriffs (Ansatz dem Grunde nach) aa) Kalkulatorische Zinsen auf Eigenkapital Da in der Kostenrechnung Zinsen auf das gesamte der Leistungserstellung dienende Kapital ("betriebsnotwendiges Kapital") anzusetzen sind, bedarf

202 Die Frage der Logik unterschiedlicher Wenansätze für Abschreibung und Verzinsung (Bals/Nölke 1990, S. 219) ist damit durch Hinweis auf unterschiedliche Zielsetzungen hinreichend beantwonet. 203 So Brawanski 1988; a. A. Leue 1987, S. 145-147; und Stock 1988, S. 17. 204 Brawanski 1988, S. 149. 205 Diesen Verschränkungsaspekt von Abschreibung und Verzinsung betont besonders Brüning 1990b, S. 22 ff.; ders. 1994. 206 Aus diesem Grund erscheint auch die vom Gericht abgelehnte Berücksichtigung bereits voll abgeschriebener Anlagegüter über sog. Anhaltewene für die Zwecke der Verzinsung (Urteilsbegründung, S. 32) in einem anderen Licht als hinsichtlich der Abschreibungsverrechnung; hierzu Gawel1994e. 207 In ähnlicher Weise wie jüngst das OVG Münster hat sich zuvor bereits Meyer-Renschhausen 1994 für Zeitwene bei Abschreibungen, jedoch Anschaffungswene bei der Verzinsung ausgesprochen. 208 Im Ergebnis ebenso - wenngleich mit abweichender Begründung - nachdrücklich Brüning 1994.

302

E. Betriebswirtschaftliche Aspekte

auch das aus eigenen Mitteln aufgebrachte Anlagevolumen der angemessenen kalkulatorischen Verzinsung. Mit der lapidaren Feststellung jedenfalls, "Eigenkapitalzinsen stellen Gewinne dar" 209, werden allenfalls nominalistische Maßstäbe reaktiviert, die im Rahmen wertmäßiger Kostenanschauung in unzulässiger Weise (Unternehmer-) Faktoreinkommen ( = Entgelt für den Einsatz des knappen Produktionsfaktors Kapital) mit residualem (Unternehmer-) Gewinn gleichstellen.210 Mag diese Perspektive aus betriebswirtschaftlicher Sicht noch verständlich erscheinen, da hierbei Faktorentgelt und Residualgewinn demselben Eigner zufließen; volkswirtschaftlich jedoch ist zwischen den Entgelten sämtlicher an der Produktion beteiligten Faktoren und darüber hinaus verbleibenden Überschüssen streng zu unterscheiden. Gewichtiger erscheint hier bereits Kritik, die unter Hinweis auf die Sonderstellung öffentlicher Haushaltswirtschaften die in§ 6 Abs. 2 KAG NW implizit vorgesehene Ansatzfähigkeit kalkulatorischer Eigenkapitalzinsen verschiedentlich in Zweifel zieht. 211 Eine solche Kritik freilich ist nach den Maßstäben des OVG Münster neuerdings "im Ansatz verfehlt", da sie nicht auf erwerbswirtschaftliche Kalkulationsverfahren sondern auf Besonderheiten von Kommunalbetrieben referiert. Stellt man aber - wie es das OVG tut - auf Erwerbsbetriebe ab, so kann die Verzinslichkeit des Eigenkapitals im Rahmen der wertmäßigen Kostenlehre keinerlei Zweifel mehr unterliegen. Entsprechend sind auch nach ganz überwiegender Auffassung (um das sog. Abzugskapital zu bereinigende) Eigenkapitalteile in der gemeindlichen Kostenrechnung kalkulatorisch zu verzinsen:2 12 Die Verzinsung des eingesetzten Eigenkapitals findet seine Rechtfertigung in der Überlegung, daß der Gemeinde ein Zinsertrag entgeht (Opportunitätskosten), sofern entsprechende Mittel investiv in einer kostenrechnenden Einrichtung Verwendung finden, anstatt gegen Entgelt (Zins) verliehen zu werden. Damit bilden Fremdkapital und Eigenkapitai213 als aufgewandtes betriebsnotwendiges Ka-

209 Von Zweh/1988, S. 65; ähnlich die Auffassungen von Rudolph I Geliert 1988, S. 241 ff.; Wenzel I Schmidt 1989, S. 24 ff.; vorsichtiger Eichhorn 1981a, S. 119. 210 Bauernfeind I Zimmermann 1979, S. 156. 211 Lambert 1967, S. 148 ff.; Eichhorn 1981, S. 119; Brenzke 1986, S. 97; von Zweh/1988, S. 165; Budäus 1982, S. 167 f. 212 Krämer I Schüler I Weis 1970, S. 23; Dahmen I Driehaus I Küffmann I Wiese 1981, S. 237; Giesen 1980, S. 126; Brawanski 1988, S. 148 ff.; Bals I Nölke 1990, S. 219. 213 Die Unterscheidung ist im übrigen nicht unproblematisch; siehe zu diesem Aspekt Wolny, E. 1986, S. 100; auch Eichhorn 1981a, S. 119.

V. Kalkulatorische Zinsen

303

pital die "Grundlage für die Kapitalverzinsung•214. Zu den dagegen vorgebrachten Bedenken, welche auf Kostendeckungs- und Äquivalenzaspekte als vermeintlich übergeordnete Kalkulationsgrundsätze Bezug nehmen, bereits näher unter E.II. bb) Kalkulatorische Zinsen auf" Abzugskapital" Als AbzugskapitaJ215 werden betriebswirtschaftlich alle Mittel bezeichnet, die dem Unternehmen zur Erfüllung des Betriebszweckes zur Verfügung stehen, ohne daß hierfür Opportunitätskosten-in Gestalt entgangener Zinsen auf nicht realisierte Anlagealternativen- entstehen216 bzw. bei denen eine Erfassung der Kapitalüberlassungskosten an anderer Stelle der Kostenrechnung bereits erfolgt ist.217 Kriterium für Abzugskapital ist daher nicht eine ausgabenorientierte, sondern die effektive Zinslosigkeit der Überlassung; als "zinslos" kann ein Kapital dabei mangels Opportunitätskosten, aber auch mangels Zinsgestalt des Kapitalüberlassungsentgelts erscheinen (z. B. Preisab- oder -aufschläge bei Kundenanzahlungen oder Lieferantenkrediten). Voraussetzung für das Abzugserfordernis im Rahmen der Zinskalkulation ist mithin nicht, daß die betreffenden Kapitalien während der Dauer ihrer betrieblichen Nutzung keine Zinsszahlungen auslösen, sondern daß ihr Einsatz der Kommune keinen Nutzenentgang an anderer Stelle bereitet bzw. daß dieser in anderer Form bereits Eingang in die Kostenrechnung gefunden hat. Gesamtwirtschaftlich wäre überdies zu fordern, daß ein Nutzentgang bei alternativen Verwendungsoptionen, denen die betrieblichen Mittel vorenthalten werden, nicht vorliegt. Da eine fehlende Opportunität von Kapitalien nach dem zuvor Gesagten (insbesondere gesamtwirtschaftlich) kaum vorstellbar erscheint, der Erfassung von Kapitalüberlassungsentgelten in anderer als Zinsform im Bereich kostenrechnender Einrichtungen der Gemeinden überdies keinerlei praktische Bedeutung zukommt, kann Rau zugestimmt werden, der den Abzug von Kapitalbestandteilen bei der Ermittlung kalkulatorischer Zinskosten von Gebührenhaushalten nicht einmal durch betriebswirtschaftliche Grund214 Brawanski 1988, S. 149; zustimmend letztlich auch Budäus 1978, S. 374 f. und 376, der freilich theoretische Einsicht und praktische Anwendung durch einen politischen Gestaltungsakt getrennt sieht. 215 Zur Problematik des Abzugskapitals bei der Kalkulation von Entsorgungsentgelten ausführlich Brod I Steenbock 1980, S. 215 ff. 216

Wöbe 1993, S. 1300.

217 Menrad

1993, Sp. 2255.

304

E. Betriebswinschaftliche Aspekte

sätze gedeckt sieht:21 8 Hinter der kommunalabgabenrechtlichen Vorgabe, Beiträge und Zuschüsse Dritter nicht zu verzinsen (z. B. § 6 Abs. 2 Satz 2 2. Hs. KAG NW), steht vielmehr das verteilungspolitische Motiv, den Gebührenschuldner von entsprechenden Kapitalkosten freizustellen. Jedes der Gemeinde überlassene Kapital begründet - soweit betriebsbezogen eingesetzt - eine Verfügungs- und Ertragschance unabhängig von den jeweiligen Gestehungskosten oder -bedingungen. Selbst wenn man die Opportunität im öffentlich gebundenen Bereich mangels Verwendungsalternative bestreiten wollte,219 so würde dies für das gesamte Eigenkapital Geltung besitzen und keine Besonderheit der hier in Rede stehenden Kapitalteile begründen. Daß die zitierte kommunalabgabenrechtliche Norm, derzufolge Beiträge und Zuschüsse Dritter bei der Zinsberechnung außer Betracht zu bleiben haben, ökonomisch nicht gerechtfertigt erscheint, ist im Schrifttum bereits überzeugend dargelegt worden. 220 In diesem Zusammenhang treten sowohl betriebswirtschaftliche als auch gesamtwirtschaftliche Mängel zutage.

(1) Beitragsfinanziertes Vermögen Im oben genannten Sinne vermeintlich "zinslos" zur Verfügung stehen der kommunalen Einrichtung insbesondere beitragsfinanzierte Mittel, die als (im Regelfalle: einmalige) Anschlußbeiträge, z. B. als Beiträge gern. § 8 KAG NW zufließen.221 Betriebswirtschaftlich begründen sie ohne weiteres dem Verzehr unterliegende betriebliche Verfügungschancen über Kapitalien und verursachen mithin Kosten. So wird im Schrifttum darauf verwiesen, daß die Absetzung von (einmaligen) Beiträgen deren Wesen als eigenständiger Entgeltkategorie neben den Benutzungsgebühren verkenne, welche die von der Benutzung (Inanspruchnahme) abstrakte kommunale Leistung der Bereithaltung und des daraus erwachsenden wirtschaftlichen Vorteils entgeltpflichtig mache. Hierbei seien die aus Beiträgen aufgebrachten Eigenkapitalteile wirtschaftlich nicht anders zu behandeln als durch Steuern erhobene: Auch hier könne analog argumentiert werden, der Benutzer einer kommunalen Einrichtung 218 Rau

1993, S. 199; ebenso Menrad 1993, Sp. 2255.

219 Zu dem Argument, eine Opportunität komme mangels Verwendungsalternative nicht in

Betracht, siehe 4.2.2.

220 Zum gesamten Komplex eingehend Traumann-Reinheimer

1977, S. 237 ff.

221 Zu dem die Straßenentwässerung betreffenden Teil des Erschließungsbeitrages Kneer

S. 106 ff.

1992,

V. Kalkulatorische Zinsen

305

sei mit dem allgemeinen Beitragszahler nicht völlig identisch und diesem daher zur Abgeltung der temporären Kapitalüberlassung verpflichtet. 222 Diese etwas gespreizte Argumentation hellt sich freilich schlagartig auf, betrachtet man die Zinswürdigkeit der fraglichen Kapitalteile aus gesamtwirtschaftlicher Sicht: Da kalkulatorische Zinsen als Entgelt für die zeitliche Inanspruchnahme von Nutzungschancen über betrieblich disponible Kapitalbeträge begriffen werden können, erscheint die Herkunft der Mittel sekundär; entscheidend ist ihre der Verfristung unterliegende Verfügbarkeit für betriebliche Zwecke. Daher müssen grundsätzlich sämtliche in der betrieblichen Sphäre gebundenen Kapitalien, soweit sie sachzielbezogen eingesetzt werden, in die Zinsberechnung Eingang finden. Da die Höhe der Gebühr als gesamtwirtschaftlicher Knappheitspreis den Nachfragern den Wert des Faktorverbrauchs anzeigen soll, dessen es bedarf, um die empfangene Leistung zu erstellen, bleibt es mit Blick auf derart verstandene Zinskosten irrelevant, aus welchen Quellen die Finanzierung der Einrichtung erfolgte. Auch Beiträge und Zuschüsse führen der Gemeinde Kapital zu, das ein kostenträchtiges Nuztungspotential birgt, denn die Mittel sind an anderer Stelle des volkswirtschaftlichen Kreislaufs abgeschöpft worden, um sie der kommunalen Einrichtung zuzuführen, und sind am Entzugsort nicht mehr verfügbar; sie verursachen daher in jedem Falle volkswirtschaftliche Verzichtswirkungen, und die mit ihrer Hilfe erstellten Leistungen sind entsprechend zu bepreisen. Die Qualität der Beiträge als zwar theoretisch Opportunitätskosten hekkende, jedoch politisch aus der Verzinsung ausgeklammerte Kapitalien läßt darüber hinaus gewisse Rückschlüsse auf ihre Behandlung bei der Ermittlung kalkulatorischer Abschreibungen zu: Neben der Verzinsung erhebt sich in diesem Zusammenhang die bereits erörterte Frage, ob beitragsfinanzierte Vermögensteile erneut gebührenerhöhend abgeschrieben werden dürfen und damit derselbe Vermögensbestand zweifache Finanzierungsströme zu Lasten der Gemeindemitglieder auslösen darf. Hinsichtlich des Nebeneinanders von Beiträgen und Gebühren im Rahmen der Finanzierung kommunaler Entsorgunganlagen wird in diesem Zusammenhang auf die unterschiedliche Rechtsnatur von Kanalanschlußbeiträgen und Benutzungsgebühren verwiesen,223 hinter denen sich letztlich unterschiedliche wirtschaftliche Funktionen der kommunalen Güterbereitstellung verbergen.224 Daher geht auch der 222 Vgl. Trautn