140 58 40MB
German Pages 354 Year 1975
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 270
Die kommunalen Spitzenverbände Interessenvertretung und Verwaltungsreform Von Friedrich Geißelmann
Duncker & Humblot · Berlin
FRIEDRICH
GEISSELMANN
D i e k o m m u n a l e n Spitzenverbände
Schriften
zum öffentlichen B a n d 270
Recht
Die kommunalen Spitzenverbände Interessenvertretung und Verwaltungsreform
Von Friedrich Geifielmann
D U N C K E R
&
H U M B L O T
/
B E R L I N
Alle Rechte vorbehalten © 1975 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1975 bei Buchdruckerei Bruno Luck, Berlin 65 Printed in Germany ISBN 3 428 03416 3
Vorwort Die vorliegende Abhandlung hat zwei Aspekte. Zum einen ist sie den Untersuchungen über Verbände zuzurechnen, einem Gebiet, über das eine umfangreiche Literatur vorliegt und wo es darauf ankam, die Besonderheiten der kommunalen Spitzenverbände herauszuarbeiten, zum anderen dem Bereich der Kommunalpolitik, der i n der politischen Wissenschaft bisher stark vernachlässigt wurde. Zwar ist die Erforschung der Gemeinden, insbesondere der Städte, i n der letzten Zeit stark vorangetrieben worden, nicht zuletzt m i t Hilfe der kommunalen Spitzenverbände selbst, doch überwiegen hier noch bei weitem die Beiträge von soziologischer und wirtschaftswissenschaftlicher Seite. Die immer dringender werdenden Probleme der Kommunalpolitik sollten jedoch auch von der politischen Wissenschaft stärker behandelt werden. Dazu soll hier ein Beitrag geleistet werden. Diese Arbeit ist die überarbeitete Fassung einer Dissertation, die vom Fachbereich Sozial- und Verhaltenswissenschaften, Pädagogik der Universität Tübingen angenommen wurde. Sie wurde von Prof. Eschenburg angeregt und m i t helfendem Rat und wohlwollender K r i t i k begleitet und befördert. Dafür schulde ich ihm besonderen Dank. Die Arbeit wäre nicht möglich gewesen ohne die bereitwillige Unterstützung durch die kommunalen Spitzenverbände. Sie ermöglichten m i r die Einsichtnahme i n ihre Akten. Da jedoch der eigentliche Vorgang der politischen Einflußnahme nur geringen schriftlichen Niederschlag findet, war noch wesentlicher die Bereitschaft, m i r zu Gesprächen zur Verfügung zu stehen. I n einer großen Anzahl von Interviews m i t Verbandsgeschäftsführern, Abgeordneten, Ministerialbeamten und Ministern ergaben sich zahlreiche zusätzliche Informationen. Wegen des vertraulichen Charakters der Gespräche werden diese nur m i t dem Vermerk Interview zitiert. Allen Gesprächspartnern sei für ihr Entgegenkommen herzlich gedankt. Friedrich
Geißelmann
Inhaltsverzeichnis Einleitung
11
Erstes Kapitel : Die Organisation
der kommunalen
Spitzenverbände
16
I. Die Geschichte der kommunalen Interessenvertretung
16
I I . Die Organisation der einzelnen Verbände
19
a) A u f b a u u n d Abgrenzung b) Das Verhältnis von Bundes- und Landesverbänden c) Die Holle der Geschäftsstellen
19 30 33
I I I . Die innerverbandliche Willensbildung
36
IV. Die Beratung durch die Verbände u n d das Verhältnis zu den Fach verbänden V. Das Zusammenwirken der kommunalen Spitzenverbände VI. Kommunalpolitiker Zweites
Kapitel:
als Landtagsabgeordnete
Das Verhältnis
der kommunalen
Gruppen
52 zueinander
I. Das Verhältnis von Landkreisen u n d Gemeinden a) Die kommunalverfassungsrechtliche Ausgestaltung des V e r hältnisses i n Baden-Württemberg b) Die Aufgaben der Landkreise I I . Die Sonderregelungen f ü r mittleren Städten
41 46
das Verhältnis von Landkreis
59 63 65 82
und 89
I I I . Die territoriale Reform der kleinen Gemeinden
104
I V . Das Stadt-Umland-Problem
126
V. Die Reform der Landkreise u n d die Grundsätze des Verwaltungsaufbaus 143 V I . Die weitere Entwicklung des Verhältnisses der Verbände zueinander 154 Drittes
Kapitel : Das Verhältnis
von Staats- und Selbstverwaltung
I. Das Verhältnis von Land u n d Landkreis i n der Landkreisordnung Baden-Württemberg a) Die Diskussion u m den kommunalen Landrat b) Die Beratungen des Landtags und die Frage der unteren V e r waltungsbehörde c) Die Entscheidung des Landtags über den staatlichen Einfluß auf die Bestellung des Landrats u n d seines Stellvertreters . .
160 162 162 176 187
8
Inhaltsverzeichnis I I . Die weitere Entwicklung Selbstverwaltung
Viertes
Kapitel:
Die Adressaten
des Verhältnisses
von Staats-
und 192
der kommunalen
Spitzenverbände
207
I. Die Parteien
207
I I . Die rechtliche Regelung der A n h ö r u n g der kommunalen Spitzenverbände 222 I I I . Die Parlamente
236
IV. Regierungen u n d Ministerien V. Die
251
Öffentlichkeitsarbeit
263
Fünftes Kapitel: Die Frage der Sonderbehörden den anderen Interessenverbänden
und das Verhältnis
zu 266
I. Die sachliche Problematik der Sonderbehörden
266
I I . Die politische Entscheidung über die Sonderbehörden
272
I I I . Das Verhältnis zu den anderen Interessenverbänden Sechstes Kapitel: Die Frage der inneren Gemeindeverfassung Vertretung der Interessen der Hauptverwaltungsbeamten
284 und die 289
I. Die Vertretung der haupt- u n d der ehrenamtlich Tätigen i n den Verbänden 289 I I . Die Frage der inneren Gemeindeverfassung
292
I I I . Die persönlichen Interessen der Hauptverwaltungsbeamten Siebentes Kapitel: zum Bund
Das Verhältnis
der
kommunalen
306
Selbstverwaltung 309
Schluß
326
Literaturverzeichnis
340
Abkürzungsverzeichnis Bundesvereinigung (der kommunalen Spitzenverbände)
BV BW
=
Β aden-Württemberg
Bm.
=
Bürgermeister
DGT
=
Deutscher Gemeindetag
DLT
=
Deutscher Landkreistag
DST
=
Deutscher Städtetag
DStB
=
Deutscher Städtebund
DSTGB
=
Deutscher Städte- u n d Gemeindebund
GO
=
Gemeindeordnung
GTBW
=
Gemeindetag Β aden-Württemberg
HGT
=
Hessischer Gemeindetag
IM
=
Innenminister
KPV
=
Kommunalpolitische Vereinigung der CDU/CSU
LKO
=
Landkreisordnung
LKT
=
Landkreistag (bei Landesverbänden)
NW
=
Nordrhein-Westfalen
Nds.
=
Niedersachsen
OB
=
Oberbürgermeister
OKD
=
Oberkreisdirektor
Rhpf.
=
Rheinland-Pfalz
SH
=
Schleswig-Holstein
ST
=
Städtetag (bei Landesverbänden)
StV
=
Städteverband
WGT
Württembergischer Gemeindetag
Einleitung D i e Fragestellung der U n t e r s u c h u n g I n der Literatur über die politische Willensbildung i n der Bundesrepublik spielen Untersuchungen über die Interessenverbände eine erhebliche Rolle. Von der Forschung wurden dabei vor allem diejenigen Verbände behandelt, die bestimmte Berufsgruppen oder soziale Schichten der Bevölkerung repräsentieren. Die kommunalen Spitzenverbände 1 , die ganz anders aufgebaut sind, wurden demgegenüber bisher nicht hinlänglich beachtet. Ein Grund dafür ist sicherlich, daß ihre Arbeit sich nicht i m selben Maß unter den Augen der Öffentlichkeit abspielt. Auch daß ihre Effektivität i n manchen Punkten geringer ist als die anderer Verbände oder des teilweise vergleichbaren Bundesrats, mag eine Rolle spielen. Jedoch ist darüber hinaus in der wissenschaftlichen Diskussion das ganze Gebiet der Kommunalpolitik vernachlässigt, sowohl die Fragen der Willensbildung i n den Gemeinden, wie die Kommunalpolitik der Länder und des Bundes. Bei den kommunalen Spitzenverbänden handelt es sich u m Organisationen, die nach der A r t von Interessenverbänden aufgebaut sind und wirksam werden. Von anderen Interessenverbänden unterscheiden sie sich jedoch durch die A r t ihrer Mitglieder: öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaften, die einen Teil der öffentlichen Gewalt ausmachen und neben Bund und Ländern eine dritte Ebene des Staates bilden. Man hat sie daher unter den Oberbegriff „Interessenverbände der öffentlichen Hand" gebracht 2 . Die zentrale Frage ist, wie sich diese besondere Zusammensetzung der Mitgliedschaft auswirkt auf die Organisationsform, Verbandsziele und die A r t des Vorgehens der Verbände. Diese Frage ist auch ent1 Unter kommunalen Spitzenverbänden sollen hier nicht n u r die Bundes-, sondern auch die Landesverbände verstanden werden. Dies entspricht auch dem Sprachgebrauch der Verbände selbst u n d ist notwendig, u m diese drei Verbände von anderen kommunalen Verbänden, w i e etwa dem Verband kommunaler Unternehmen, zu unterscheiden. 2 Ekhard Pohle, „Interessenverbände der öffentlichen Hand", i n : V e r w a l tungsarchiv 53 (1962), S. 201 -240, 333-382. Definition S. 218: „Interessenverbände der öffentlichen H a n d sind Interessenverbände, aus deren organisatorischem A u f b a u u n d mitgliedschaftlicher Zusammensetzung sich ein bestimmender Einfluß von Körperschaften u n d (oder) Anstalten des öffentlichen Rechts ergibt."
12
Einleitung
scheidend dafür, wie man die kommunalen Spitzenverbände theoretisch einordnen w i l l . Sie selbst wehren sich energisch dagegen, als Interessenverbände angesehen zu werden 3 , da sie nicht wie jene private Interessen verträten. Es seien öffentliche Anliegen, ja ideelle Zwecke 4 , die die Gesamtheiten von Bürgern beträfen, die i n den Selbstverwaltungskörperschaften leben. Diese Argumentation, die sich aus dem deutschen Anti-Verbands-Affekt erklärt und angesichts dessen sogar verständlich ist, geht davon aus, daß die privaten Interessen etwas gegenüber dem Gemeinwohl Negatives darstellen und daß innerhalb der kommunalen Körperschaften schon der Ausgleich der privaten Interessen erfolgt. I n der Literatur wurde dagegen der Einwand vorgebracht 5 , auch aus den Körperschaften öffentlichen Rechts ergäben sich wiederum Interessen. Auch der öffentliche Bereich zerfalle infolge der Verschiedenheit der Aufgabengebiete und der Rechtsträger, die sie erfüllen, i n Interessen, die sich nicht m i t dem Gemeinwohl identifizieren lassen und zueinander i n Konkurrenz treten können. Diese Wertrelativität erlaube es, von Interessen und Interessenvertretung zu sprechen. Dies ist zweifellos richtig, und die Satzungen der Verbände sprechen ja auch davon, daß die Interessen der Mitgliedskörperschaften vertreten werden sollen; jedoch handelt es sich i m Unterschied zu anderen Interessenverbänden nicht u m persönliche Interessen, oder ist dies wenigstens nur zum Teil so, sondern um die Interessen von Körperschaften, um die Erhaltung des Spielraums für eine selbständige Betätigung der lokalen Gremien. Wenn auch feststeht, daß die kommunalen Spitzenverbände schon auf Grund ihrer Form den Interessenverbänden zugerechnet werden müssen 6 , so ist doch i n erster Linie interessant, was diese Verbände von anderen Verbänden unterscheidet. Das Problem ist also, welche Ergebnisse der Verbandstheorie auf die kommunalen Spitzenverbände übertragen werden können und wie weit sie modifiziert werden müssen. Die neuere Forschung zum Interessenpluralismus versteht die Verbände als Teil des politischen Systems, nicht wie die Gruppentheorie 3 Otto Ziebill, „Die kommunalen Spitzen verbände", i n : Handbuch der kommunalen Wissenschaft u n d Praxis, ed. Hans Peters, Bd. 1: K o m m u n a l verfassung, B e r l i n 1956, S. 581 -596, S. 589; u n d : Otto Ziebill, Die k o m m u n a len Spitzenorganisationen als Interessen verbände?, i n : A r c h i v für K o m munalwissenschaft 1968, S. 207 ff.; vgl. auch die Äußerungen, die bei Jürgen Bertram: Staatspolitik u n d K o m m u n a l p o l i t i k ( = Schriftenreihe des Vereins f ü r Kommunalwissenschaften, Berlin, Bd. 15), Stuttgart 1967, S. 82 - 87 w i e dergegeben werden. 4 Ziebill, Die kommunalen Spitzenverbände, S. 585. 5 Pohle, S. 218. 6 Dies w i r d etwa von Bertram, S. 82, 189, betont.
Einleitung
Bentleys dieses als bloßes Resultat der verschiedenen Interessen 7 . Als unabhängige Variable, die Form, Intensität, Reichweite, Spielraum und Effektivität der Verbandspolitik bestimmen, führt Eckstein die offizielle Politik, die Struktur der Entscheidungsgremien, die politische K u l t u r des Landes und verschiedene, dem Verband eigentümliche Strukturmerkmale an 8 . Diese Abhängigkeit der Verbandspolitik vom politischen System läßt sich auch für die kommunalen Spitzenverbände zeigen. Ausschlaggebend für den Charakter der Verbandspolitik sind die Ziele der Verbände. Wesentlich ist vor allem, daß die Verteilungsproblematik, an der die Theorie des Interessenpluralismus entwickelt wurde 9 , für diese Verbände i m Hintergrund steht. Sie spielt nur herein in der Frage der Verteilung der Finanzen, ist aber auch hier insofern anders gelagert, als es sich ja nicht um die Verteilung des Sozialprodukts zugunsten bestimmter Bevölkerungsschichten handelt. Der Kern der Arbeit der kommunalen Spitzenverbände betrifft die Frage der Machtverteilung zwischen den verschiedenen Stufen des Staates. Die Frage ist vergleichbar mit der von Naschold definierten Statuspolitik: den Konflikten, die durch Veränderungen in der Position und der Rollenstruktur entstehen 10 . Sie unterscheidet sich allerdings insofern von diesen Fragen, als es sich nicht um den Status einer Person (Personengruppe) handelt, sondern um den von politischen Körperschaften. Daraus ergeben sich auch Konsequenzen hinsichtlich der Wirkungsmethoden und des Stils der Verbände. I m Gegensatz etwa zu den Ärzteverbänden, die von einer hohen Statuspolarisation ihrer M i t glieder ausgehen 11 , was teilweise zu einer aggressiven Druckpolitik führt, sind die kommunalen Spitzenverbände auf Kooperation ausgerichtet. Dies gilt, obwohl ihre Interessen zu denen der Länder teilweise i n einem antagonistischen Verhältnis stehen. Diese Interessen innerhalb der Verwaltung, wobei auch die Landesverwaltung einbezogen wird, sind das Thema der Arbeit. Um diese Zusammenhänge deutlich zu machen, muß in stärkerem Maße als in anderen Arbeiten über Interessenverbände auch auf den Inhalt ihrer Ziele eingegangen werden. Nicht nur Ziele und Methoden der kommunalen Spitzenverbände unterscheiden sich von denen anderer Verbände, sondern auch ihre 7 Vgl. dazu: Verbände und Gesetzgebung. Die Einflußnahme der Verbände auf die Gestaltung des Personalvertretungsgesetzes, ed. Otto Stammer, K ö l n 1965, S. 9 ff. 8 Harry Eckstein, Pressure group politics. London 1960, S. 15 ff. 9 Frieder Naschold, Kassenärzte und Krankenversicherungsreform. Freiburg 1967, S. 26. 10 Naschold, S. 31. 11 Naschold, S. 106 ff.
14
Einleitung
interne Machtstruktur. Maßgebend dafür ist, daß es sich um „politische Verbände" handelt 1 2 , die dadurch charakterisiert sind, daß nicht nur ihre Wirkung, sondern ihr gesamtes Wesen politisch ist. Die kommunalen Spitzenverbände befassen sich auf Grund der Universalität der Gemeindeverwaltung mit einer Vielzahl von Themen, die bei anderen Verbänden nicht ihresgleichen hat. Für die Untersuchung wurden aus den erwähnten Gründen die Interessen hinsichtlich des grundsätzlichen Verwaltungsaufbaus gewählt: das Verhältnis der verschiedenen Verwaltungsebenen und der verschiedenen Gruppen von Gemeinden 13 zueinander sowie die innere Verfassung der Gemeinden. Dies ist als verfassungspolitische Grundlage der gesamten Arbeit der Verbände ein zentrales Thema, wenn auch die Finanzfrage praktisch mehr Gewicht haben dürfte. Auch das sehr wichtige Problem des Verhältnisses von Verbandsinteressen und Interessen bestimmter Bevölkerungsgruppen kann nur angeschnitten werden. Das Thema bedingt zugleich, daß das Schwergewicht dieser Arbeit auf der Landesebene liegt. Die Bundesebene, die für die Arbeit dieser Verbände genauso wichtig ist wie bei anderen Verbänden, muß dagegen i n den Hintergrund treten. Den Ausgangspunkt bildet eine Fallstudie über die Neugestaltung des Kommunalverfassungsrechts i n Baden-Württemberg, die i n der Gemeindeordnung vom 25. 7. 1955, der Landkreisordnung vom 10. 10. 1955 und dem Landesverwaltungsgesetz vom 7.11.1955 erfolgte. Da i n diesen Gesetzen die angeschnittenen Fragen grundlegend geregelt sind, mußte der Nachteil der großen zeitlichen Entfernung i n Kauf genommen werden 1 4 . Es erwies sich jedoch als notwendig, auch andere Bundesländer mit Baden-Württemberg zu vergleichen, da die kommunalen Spitzenverbände teilweise recht unterschiedlich aufgebaut sind. U m auch andere Vorgänge heranziehen zu können, wurde die Verwaltungsreform untersucht. Dies betrifft jedoch nur die grundsätzlichen Entscheidungen zum Verwaltungsaufbau, nicht die Frage der Territorialreform i m einzelnen, da hier der Prozeß der politischen Willensbildung auf Grund der starken M i t w i r k u n g der Öffentlichkeit ganz anders abläuft. Als Länder für diesen Vergleich wurden herangezogen: Nordrhein-Westfalen wegen des Gewichts des Landes, das bei den Verbän12 Der Begriff ist geprägt von Rupert Breitling, Die Verbände i n der B u n desrepublik. Meisenheim 1955, S. 60 ff. 13 „Gemeinden" bezeichnet i m allgemeinen Sprachgebrauch sowohl die Gesamtheit der untersten Stufe der Selbstverwaltung (Städte u n d Gemeinden) w i e die nicht-städtischen Gemeinden allein. Diese Zweideutigkeit des Begriffs ist bedauerlich. M i t dem Begriff „Gemeindetag" ist sie auch i n die Terminologie der Verbände eingegangen. 14 I m m e r h i n konnten sämtliche der damals wichtigsten Beteiligten interv i e w t werden.
Einleitung
den durch gemeinsame Geschäftsstellen von Landes- und Bundesverband noch erhöht ist sowie wegen der Rolle der Ehrenamtlichen in der Verwaltung, Rheinland-Pfalz wegen der weit fortgeschrittenen Verwaltungsreform und wegen des staatlichen Landrats sowie Hessen wegen der stärker politischen Struktur der Verbände und wegen der Inkompatibilitätsfrage. Die Willensbildung in der Frage der Verwaltungsreform i n ihrer ganzen Breite darzulegen, würde für die Arbeit zu weit führen. Sie beschränkt sich daher i m wesentlichen auf die Haltung der kommunalen Spitzenverbände dazu. Auch die Problematik der Kommunalbeamten i n den Landtagen kann hier nur angeschnitten, nicht jedoch in all ihren Aspekten dargelegt werden. Da dieser Einfluß teilweise neben der Tätigkeit der Verbände her erfolgt und nicht von diesen abhängig ist, erfolgt dies nur so weit, wie es zum Verständnis der Arbeit der kommunalen Spitzenverbände notwendig ist. Als eine weitere Einschränkung des Themas muß genannt werden die Untersuchung der Haltungen und des Rollenverständnisses der Kommunalbeamten. Da in der Literatur jeder Ansatz zu einer Soziologie der Bürgermeister und Landräte fehlt, konnte dies auch hier nicht geleistet werden, obwohl es für die weitere Untersuchung der Verwaltung sehr wesentlich ist.
Erstes Kapitel D i e Organisation der k o m m u n a l e n Spitzen verbände I. Die Geschichte der kommunalen Interessenvertretung Die Anfänge der kommunalen Spitzenverbände reichen i n die 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück 1 . Seit der Steinschen Städteordnung von 1808 hatte die kommunale Selbstverwaltung eine zunehmende Bedeutung erlangt, und durch die Heranziehung zur Erledigung von Staatsauf gaben seit der Mitte des 19. Jahrhunderts hatte sich dies noch verstärkt. Andererseits waren durch die Trennung von Staat und Gesellschaft und die Organisation des Bürgertums i n den Städten diese zu einem Bollwerk gegen den Obrigkeitsstaat geworden, und es hatte sich ein gespanntes Verhältnis zwischen Staat und Selbstverwaltung ergeben 2 . A m Anfang der Organisation der kommunalen Spitzenverbände stehen daher vielfältige staatliche Verbote, die aus der Furcht erfolgten, hier könne sich eine politische Opposition etablieren 3 und der Bereich der Kommunalverwaltung überschritten werden. Dies ist vergleichbar mit der Haltung des Staates zu anderen Verbänden, wenn auch die Ablehnung nicht so ausgeprägt war wie etwa bei den Gewerkschaften. Dieses Moment der Spannung zum Staat war sicherlich am stärksten bei den Städten und daher auch beim DST, der 1905 als erster Verband gegründet wurde, während andererseits die Landkreise wegen des staatlichen Landrats sich als letzte 1916 (in Preußen) und 1922 (im Reich) organisierten 4 . Die Städte gingen auch deshalb voran, weil ihre Selbstverwaltung am weitesten entwickelt war. Daneben spielte eine Rolle die Abwehr der agrarischen Einflüsse auf die preußische und die Reichspolitik 5 . Damit war von Anfang an die Vertretung der Interessen bestimmter Bevölkerungsgruppen durch diese Verbände gegeben. 1 Otto Ziebill , Geschichte des Deutschen Städtetags. 2. A u f l . Stuttgart 1955; Josef Göb, 50 Jahre deutsche K o m m u n a l p o l i t i k . K ö l n 1966; Wolf gang Hof mann, Städtetag u n d Verfassungsordnung. Stuttgart 1966. 2 Ziebill, Städtetag, S. 10. 3 Ziebill, Städtetag, S. 14, 23. 4 Ziebill, Die kommunalen Spitzenverbände, S. 583. 5 Stefan Schnell, Der Deutsche Städtetag. Bonn 1970, S. 9 f.
I. Geschichte
17
Vorläufer der kommunalen Spitzenverbände waren i n verschiedenen Ländern Vereine von Bürgermeistern, Magistratsbeamten etc., aber auch der Zusammenschluß von Oberbürgermeistern i m preußischen Herrenhaus 6 , während die Vertretung der Körperschaften vielfach erst später erfolgte, zum Teil auch noch gemeinsam, wie i n der 1881 gegründeten Vereinigung der Bürgermeister und Gemeinden der Rheinprovinz (später Rheinischer Gemeindetag) 7 . Die Frage des Verhältnisses beider Interessenorganisationen besteht bis heute. Auch ein weiteres Problem, das Verhältnis von Landes- und Bundesverbänden, entstand schon mit der Gründung. Die Verbände bildeten sich zunächst i n den einzelnen Ländern und preußischen Provinzen unabhängig voneinander. Die ersten waren der Schlesische Städtetag 1863, der aber wieder aufgelöst wurde, sowie der Sächsische Städtetag 1863/67. Noch i m 19. Jahrhundert wurden i n nahezu allen Ländern Städtetage gegründet und 1886 der Allgemeine Preußische Städtetag, dem 1905 der DST folgte 8 . Schon i n den Anfangs jähren des DST stellte sich die Frage nach dem Verhältnis der großen zu den kleinen Städten. I n der Satzung von 1905 war die Grenze der Mitgliedschaft auf 25 000 Einwohner festgelegt worden 9 , eine Grenze, bei der auch Rechtsanspruch auf Auskreisung bestand. Dies wurde erst 1921 herabgesetzt und 1947 ganz gestrichen. Die Abgrenzung erfolgte weniger, w e i l man unterschiedliche Interessen annahm, sondern aus Prestigegesichtspunkten. Die kleinen Städte hielt man einer Mitgliedschaft nicht für würdig, obwohl sie über die Landesverbände mittelbar Mitglieder waren. Den Anlaß zur Gründung eines eigenen Reichsstädtebundes 191010 gaben dann die speziellen Kreditsorgen der Kleinstädte, die i m DST keine Berücksichtigung fanden. Er wuchs dann sehr rasch bis auf 1331 M i t glieder i m Jahr 1931. Sein Schwerpunkt lag i n Preußen, doch umfaßte er i m Gegensatz zu heute Städte aller Länder außer Württemberg. Für den DST erwies sich dies als sehr schädlich und er versuchte verschiedentlich zu einer Fusion mit dem Städtebund zu kommen. Maßgebend für die Organisation der kommunalen Spitzenverbände war zunächst der Erfahrungsaustausch der Mitglieder. Noch wichtiger wurde aber der zunehmende Einfluß des Staates durch die Gesetzgebung. Einen Markstein dafür bildete der 1. Weltkrieg mit seiner Zwangs8 Gerhard Schulz, Uber Entstehung und Formen von Interessengruppen i n Deutschland, i n : PVS 2 (1961), S. 130 f. 7 Josef Göb, Die Gemeinden i n Staat und Gesellschaft, dargestellt an der Geschichte des Rheinischen Gemeindetags. K ö l n 1966. 8 Ziebill, Städtetag, S. 27 ff. 9 Schnell, Städtetag, S. 28. 10 Hans Albert Berkenhoff, Der Deutsche Städtebund. Bonn 1970, S. 16 ff.
2 Geißelmann
18
1. Kap.: Die Organisation der Verbände
Wirtschaft 11 , der ja auch bei anderen Interessenverbänden die verstärkte Einbeziehung i n das politische System bewirkte. Dies läßt sich am DGT zeigen, dessen Landesverbände, ab 1881 (Rheinischer Gemeindetag) gegründet, i m Weltkrieg ihre Zusammenarbeit verstärkten. Zur Gründung des Deutschen Landgemeindetags kam es dann 192212. Noch deutlicher w i r d es i m Bereich der Landkreise. 1916 wurde als erster Verband der Preußische Landkreistag gegründet, um wie die anderen Verbände i n die kriegswirtschaftlichen Verwaltungsstellen und Unternehmen eingeschaltet zu werden 1 3 . 1922 folgte die Gründung des DLT. Diese späte Organisation geht neben den engen Beziehungen zum Staat auf den damals sehr unterschiedlichen Charakter der überörtlichen Kommunalverwaltung in den einzelnen Ländern zurück. So wurden beispielsweise die Landkreise i n Baden erst i m 3. Reich geschaffen, während zuvor Bezirksverbände für einzelne Aufgaben und daneben Großkreise bestanden. Hier gab es nur einen Verband ländlicher Bezirkswohnungs- und Fürsorgeverbände 14 . Auch i n Württemberg waren die Ämter hinsichtlich ihrer Aufgaben anders strukturiert als i n Preußen, und der Verband württembergischer Amtskörperschaften zögerte daher zunächst, dem D L T beizutreten 15 . Die größte Bedeutung hatte während der Weimarer Republik der DST, dessen Vorsitzender stets der Berliner Oberbürgermeister war. Eine Rolle spielten dabei auch die Geschäftsführer des Verbandes 16 : 1913 - 1918 Luther, der spätere Reichskanzler und Oskar Mulert, der 1916 - 1933 die Stellung eines hauptamtlichen Präsidenten bekleidete. Unter ihm unternahm der DST den Versuch, i m Rahmen der Reichsreformbestrebungen die Gemeinden als gleichberechtigte Partner i m Föderalismus durchzusetzen und so eine dritte Säule des Staates zu bilden. Ein Ausdruck dafür sollte eine Reichsgemeindeordnung sein. Schon vor 1933 war gelegentlich ein Zusammenschluß der vier Spitzenverbände diskutiert worden. 1931 führte dies zur Gründung einer Arbeitsgemeinschaft der gemeindlichen Spitzenverbände 17 . Die Entwicklung wurde jedoch unterbrochen durch die zwangsweise Auflösung aller vier Verbände und die Neugründung eines Deutschen Gemeinde11
Schulz, S. 30. J. Göb, K o m m u n a l p o l i t i k , S. 7 ff. 13 Hans Georg Wormit, Die Landkreisordnungen i n der Bundesrepublik Deutschland. Spich 1960, S. 269 ff. 14 Eugen Frick, 40 Jahre Landkreisarbeit, i n : Walter Grube, Vogteien, Ämter, Landkreise i n der Geschichte Südwestdeutschlands. Stuttgart I960, S. 110. 15 Frick, Landkreisarbeit, S. 107. 16 Vgl. dazu die A r b e i t Hofmanns. 17 Ziebill, Städtetag, S. 287. 12
I I . Die einzelnen Verbände
19
tags durch die NSDAP 193318. M i t i h m wurden die bisherigen Organisationsprinzipien aufgegeben. Zum einen war es ein Einheitsverband, zum anderen eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Zwangsmitgliedschaft aller Gemeinden und Gemeindeverbände. Die Funktion der Interessenvertretung wurde entsprechend dem Führerprinzip umgewandelt zu einer reinen Beratung auf Anforderung der Reichsdienststellen und der Vorsitzende war i n Personalunion der Leiter des Hauptamtes für Kommunalpolitik der NSDAP, OB Fiehler München. Unterhalb der nationalsozialistischen Führung blieb jedoch die Schicht der zuvor schon aktiven Kommunalbeamten erhalten und führte die sachliche Arbeit fort, die i n der Deutschen Gemeindeordnung von 1936 gipfelte. Die Linie des Verbandes wurde dabei offensichtlich stark vom ehemaligen DST bestimmt auf Grund der fachlichen Qualität und des politischen Gewichts der Oberbürgermeister. Von Seiten der anderen Verbände wurde es als Übernahme durch diesen Verband empfunden 19 . Diese Tatsache, vor allem aber die Belastung des Einheitsverbandes durch den Nationalsozialismus, führte dazu, daß nach 1945 die vier Verbände neu gegründet wurden. Erst in jüngster Zeit bestehen wieder Fusionsbestrebungen, die am Bereich der mittleren Städte ansetzten. I m übrigen wurden die Verbände nach denselben Organisationsprinzipien wieder aufgebaut wie vor 1933. Ihre Gründung wurde dadurch begünstigt, daß nach der Kapitulation die Gemeinden und Kreise zunächst die einzigen Träger staatlicher Organisation waren, was i n der späteren Argumentation eine wesentliche Rolle spielte. Teilweise hängt auch der Anfang des staatlichen Lebens mit dem der Verbände zusammen, wie etwa in der Landrätetagung i n Murrhardt (Nordwürttemberg) 1945. II. Die Organisation der einzelnen Verbände a) Aufbau
und
Abgrenzung
Bei den kommunalen Spitzenverbänden handelt es sich i m allgemeinen u m eingetragene Vereine. Nur drei Verbände haben eine andere Rechtsform: der DST, der seit seiner Gründung ein nicht eingetragener Verein ist sowie der Bayerische Städteverband und der Bayerische Landkreistag (nicht aber der Bayerische Gemeindetag), die beide öffentlich-rechtliche Körperschaften sind, jedoch ohne Zwangsmitgliedschaft. M i t der Wahl dieser Rechtsform soll vor allem die Unabhängigkeit der Verbände gegenüber dem Staat dokumentiert 18 19
2*
J. Göb, K o m m u n a l p o l i t i k , S. 30 ff., Ziebill, J. Göb, K o m m u n a l p o l i t i k , S. 30.
Städtetag, S. 60 ff.
20
1. Kap.: Die Organisation der Verbände
werden sowie die korrespondierende Freiwilligkeit der Mitgliedschaft 20 . Während die kommunale Selbstverwaltung sonst stets der Kommunalaufsicht unterliegt, ist dies bei den privatrechtlichen Verbänden nicht der Fall 2 1 . Der DST empfand es bei seiner Gründung sogar als unzumutbar, sich unter den Amtsrichter irgendeiner Stadt zu stellen 22 , und lehnte daher ab, eingetragener Verein zu werden. Eine privatrechtliche Organisation w i r d aus diesem Grund auch heute von der Mehrzahl der Spitzenverbände befürwortet 2 3 . Daneben w i r d die Frage auch unter praktischen Gesichtspunkten gesehen. Zwar sind die beiden bayerischen Verbände i n ihrem Auftreten gegenüber dem Staat nicht beeinträchtigt, doch wäre eine Kontrolle vor allem über die Finanzen mit der Aufsicht verbunden. Der Wunsch nach einem öffentlich-rechtlichen Status tauchte lediglich auf in Zusammenhang mit der Gefahr, daß die Bediensteten der Geschäftsstellen in die Versicherungspflicht für Angestellte einbezogen würden. Hier wurden i m Saarland und in Schleswig-Holstein sogar schon Gesetze über die Anerkennung als öffentlich-rechtliche Körperschaft von den Verbänden ausgearbeitet, die jedoch nach der anderweitigen Entscheidung des Bundestags beiseite gelegt wurden. Nur vereinzelt gibt es Stimmen, die meinen, der öffentlich-rechtliche Status verleihe mehr Ansehen und entspreche dem öffentlichen Charakter der Verbände mehr 2 4 . Obwohl die kommunalen Spitzenverbände keinen öffentlich-rechtlichen Status und keine Zwangsmitgliedschaft kennen, haben sie einen Organisationsgrad von nahezu 100 °/o erreicht. Dies gilt insbesondere für den DST, den ehemaligen DStB und den DLT, die in ihrem Bereich jeweils sämtliche potentiellen Mitglieder organisiert haben. Für den Bereich der kleinen Gemeinden ist dies angesichts ihrer großen Zahl nicht zu erwarten. Dennoch war beispielsweise beim WGT schon vor der Gemeindereform jede der über 1800 württembergischen Gemeinden 2 5 (außer den Mitgliedern des StV) organisiert. Dies ist eine erstaunliche Leistung und auch i m Rahmen der Gemeindetage einmalig. Sicher ist es dadurch bedingt, daß es in Württemberg fast ausschließlich hauptamtliche Bürgermeister gibt. I n anderen Landesverbänden 20
Schnell, S. 27. Überlegungen, wie dies noch ermöglicht werden könnte, stellt Pohle, Die Interessenverbände der öffentlichen Hand, i n : Verwaltungsarchiv 53 (1962), S. 373 ff. an. Das baden-württembergische Innenministerium versuchte dem i m E n t w u r f des Landesbeamtengesetzes v o m 1. 8.1962 i n § 77 zu folgen (Beil. I I I 600). A u f den heftigen Protest der Verbände wurde es jedoch gestrichen. 22 Ziebill, Städtetag, S. 34. 23 Interview. 24 Interview. 25 Interview. Die Zahlen vor der Verwaltungsreform. 21
I I . Die einzelnen Verbände
21
sind, soweit Genaues festzustellen war 2 6 , einzelne, stets sehr kleine Gemeinden nicht Mitglieder, so i n Rheinland-Pfalz 1966 bei 2810 M i t gliedern 12 Nichtmitglieder, d.h. 0,4%; in Hessen waren 1968 von 2666 kreisangehörigen Gemeinden 51 nicht Mitglieder, davon nur 9 bei keinem Spitzenverband. Die Mitgliedschaft der Kleinstgemeinden w i r d hier durch Beitragsfreiheit erleichtert. Ähnlich liegen die Verhältnisse i n Nordrhein-Westfalen und in Baden. Der Grund für eine Nichtmitgliedschaft mag teilweise Sparsamkeit sein, gelegentlich auch persönliche Verärgerung, etwa über schlechte Beratung. Für die Praxis kann man jedoch davon ausgehen, daß die kommunalen Spitzenverbände ihre potentiellen Mitglieder vollständig organisieren. Dies bewirkt auch ein entsprechendes Ansehen gegenüber den staatlichen Instanzen. Bei anderen Interessenverbänden, die einen hohen Organisationsgrad aufweisen 27 , geht dies meist auf eine Bedrohung des Status der Gruppe von außen oder auf Sanktionen des Verbandes gegenüber den Mitgliedern zurück, wobei soziale Faktoren der betreffenden Bevölkerungsschicht eine wesentliche Rolle spielen. I m öffentlichen Bereich ist auch sonst generell ein hoher Organisationsgrad anzutreffen, jedoch zumeist auf Grund von Zwangsmitgliedschaft. Für die kommunalen Spitzen verbände t r i f f t dies jedoch nicht zu. Ein wichtiger Grund ist sicher die Beratung, die wohl insbesondere für kleinere Gemeinden unentbehrlich ist, aber auch bei den größeren eine erhebliche Rolle spielt. Darüber hinausgehende Sanktionen gibt es für die Verbände nicht. Für den Grad der politischen Mobilisierung ausschlaggebend ist die von Eckstein 28 neben der staatlichen Politik angeführte Determinante: die Haltung der betroffenen Gruppe. Es handelt sich nicht um eine persönliche Mitgliedschaft, sondern um die der Körperschaften. Auch die persönliche M i t w i r k u n g der Hauptverwaltungsbeamten vollzieht sich so innerhalb der dienstlichen Aufgaben. Zum anderen handelt es sich bei den Gemeinden selbst schon um politische Körperschaften, für die eine politische Wirkungsweise selbstverständlich ist und für die auch der Zusammenhang zwischen Interessenvertretung und individuellem Schicksal der Gemeinde deutlich ist. Neben dem generellen Organisationsgrad ist auch die Verteilung auf die kommunalen Spitzenverbände von Bedeutung. Dabei soll zu26 Beim D G T besteht kein Überblick über die Mitgliederzahl. Z u m folgenden vgl. Gemeindetag Rheinland-Pfalz. Nachrichten 1966, S. 37 u n d Hessische Gemeindezeitung 1968, S. 48 f. 27 Vgl. dazu: Klaus von Beyme, Interessengruppen i n der Demokratie. M ü n chen 1969, S. 54 f. Paul Ackermann, Der deutsche Bauernverband i m politischen Kräftespiel der Bundesrepublik. Diss. Tübingen 1970, S. 28. 28 Eckstein, S. 27 f.
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1. Kap.: Die Organisation der Verbände
nächst von den Verhältnissen vor der Fusion von DStB und DGT ausgegangen werden, da die Verteilung auf die Verbände bis 1971 und die seither erfolgte Entwicklung die unterschiedlichen Interessen besonders deutlich machen 29 . Der DST hat 487 Mitglieder 3 0 , darunter auch einige, die nicht städtischen Charakter haben. Die größte Mitgliedstadt ist Berlin, die kleinste Wolframs-Eschenbach mit 1500 Einwohnern. Zusammen haben sie 28,9 Millionen Einwohner. Er gliedert sich i n elf Landesverbände, darunter die drei Stadtstaaten. Der DStB organisierte 542 Städte mit 7,5 Millionen Einwohnern 3 1 . Er hatte Landesverbände in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hessen und Rheinland-Pfalz und i m Saarland sowie als außerordentliches korporatives Mitglied den WGT (für alle Gemeinden). I n Bayern und Baden war er dagegen nicht vertreten. Der DGT organisierte ca. 27 Millionen Einwohner i n neun Landesverbänden (Baden und Württemberg getrennt). Zum 1.1.1973 schlossen sich dann DStB und DGT zum Deutschen Städte- und Gemeindebund (DSTGB) zusammen 32 , was durch die Vereinigung der nordrhein-westfälischen Landesverbände 1971 vorbereitet war. Er vertritt insgesamt 38 Millionen Einwohner. Der D L T organisiert sämtliche Landkreise m i t 37 Millionen Einwohnern 3 3 . Sämtliche Verbände haben daneben als außerordentliche Mitglieder kommunale Körperschaften wie Landschaftsverbände, regionale Planungsverbände, Landeswohlfahrtsverbände etc. Von ihnen kann im folgenden abgesehen werden. Der Kreis der Mitglieder ist lediglich beim D L T eindeutig abgegrenzt. Trotz erheblicher Größenunterschiede der Landkreise von früher 16 000 (Waldmünchen) bis 370 000 (Düsseldorf-Mettmann), heute von ca. 80 000 bis über 500 000 und unterschiedlicher wirtschaftlicher Struktur und trotz verschiedener Verfassungsformen der Landkreise hat dieser Verband die homogenste Mitgliedschaft aller vier Verbände. Ganz anders ist es dagegen i m Bereich der Gemeinden, die ja sehr unterschiedliche Gebilde darstellen. Eindeutige Grenzen sind hier nicht zu ziehen. Sie sind, wie bereits gezeigt wurde, historisch bedingt und auch heute recht umstritten. Bis auf Baden-Württemberg und Bayern, in denen kein Städtebund existierte, bestand jedoch eine grundsätz29 Die Einwohnerzahlen beziehen sich i m folgenden ebenfalls auf die Zeit vor der Verwaltungsreform, da diese die Grenzen zwischen den Gemeindegruppen verwischt hat. 30 Vgl. Deutscher Städtetag, Geschäftsbericht 1972/1973. K ö l n 1973, S. 137 ff. 31 Deutscher Städtebund, Geschäftsbericht 1967 - 1969. Düsseldorf 1969, S. 98 ff. Stand vor der Vereinigung i n Nordrhein-Westfalen, die aber am Verhältnis von DStB u n d D G T nichts änderte. 32 Der Städte- und Gemeindebund 1973, Heft 1. 33 Deutscher Landkreistag, Neuordnung der Kreise. Spich 1969, S. 33 ff.
I I . Die einzelnen Verbände
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liehe Aufteilung i n kreisfreie Städte des DST, kreisangehörige Städte des DStB und meist kleinere Gemeinden des DGT. Vom DStB wurde auch versucht, die Kreisfreiheit als sinnvolle Abgrenzung darzustellen, was mit den besonderen sachlichen und rechtlichen Problemen begründet wird, die sich aus dem Verhältnis zum Kreis ergeben 34 . Es ist jedoch die Frage, ob nicht die Einwohnerzahl und die damit zusammenhängende wirtschaftliche Struktur für die Interessenlage der Gemeinden wichtiger ist. Die Kreisfreiheit ist aber keineswegs mit einer festen Einwohnerzahl verbunden. Die Verhältnisse sind daher i m Bereich der mittleren Städte recht verworren, und zum Teil bestehen auch Doppelmitgliedschaften. Noch weniger deutlich war die Abgrenzung zwischen DStB und DGT. Bei den Gemeindetagen sind auch eine Reihe größerer Städte organisiert. So stellte etwa M a r l (80 000) mit Bm. Heiland lange Zeit den Vizepräsidenten des DGT; Vorsitzender des Rheinischen Gemeindetags war Bm. Hansen aus Hührt, einer Industriegemeinde von 50 000 Einwohnern (nicht Stadt); auch eine typische Industriestadt wie Rüsselsheim ist Mitglied des Hessischen Gemeindetags. Keineswegs darf der Gemeindetag daher generell m i t den ländlichen oder kleineren Gemeinden identifiziert werden. Er vertritt auch ausgesprochene Industriegemeinden sowie Städte und andere zentrale Orte. Da die Zusammensetzung der Mitgliedschaft für die politische W i l lensbildung in den einzelnen Landesverbänden von großer Bedeutung ist, soll dies für die einzelnen Länder kurz dargelegt werden. Die M i t gliederbewegung gibt auch deutliche Hinweise auf die Interessenlage der einzelnen Gruppen. Zunächst soll auf Baden-Württemberg eingegangen werden, wo eine relativ klare Abgrenzung getroffen ist. Der Städteverband Β aden-Württemberg 35 (seit 1972 Städtetag BW) hatte am 1.1.1971 118 Mitgliedsstädte 36 . Das Charakteristikum seiner Organisation ist, daß die Städte entsprechend ihrem verwaltungsrechtlichen Status i n drei Gruppen eingeteilt sind. Bei der Städtegruppe A handelt es sich u m die neun kreisfreien Städte des Landes, bei der Städtegruppe Β 1971 um 38 Städte m i t über 20 000 Einwohnern, die den Sonderstatus der Großen Kreisstadt haben. Die Gruppe C bestand aus 71 Städten unter 20 000 Einwohnern, wobei die kleinsten ca. 2000 Einwohner haben 37 . Sämtliche dieser Städte liegen i n Baden. Ihre 34 Η. A. Berkenhoff, Verwaltungsreform u n d Verbandsreform, i n : Der Städtebund 1969, S. 119. 35 Satzung von 1967. 36 DST Geschäftsbericht 70/71, S. 123 ff. Die Zahlen beziehen sich auf die Zeit vor der Verwaltungsreform. 37 Vor der Gemeindereform.
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1. Kap.: Die Organisation der Verbände
Mitgliedschaft erklärt sich aus dem dort früher gesondert bestehenden Städtebund, der dem StV beitrat. I n Württemberg war schon vor der Gemeindereform die unterste Grenze bei ca. 20 000 Einwohnern. Der StV macht auch keinen Versuch, seine Mitgliedschaft weiter auszudehnen. Der Grund liegt darin, daß die Geschäftsstelle durch die Gruppe C in Baden schon sehr stark für die Beratung beansprucht wird. Noch wichtiger dürfte wohl die Erwägung sein, daß es i m Interesse der Städte liegt, wenn der Gemeindetag auch die größeren Gemeinden umfaßt und sich nicht nur auf die Interessen der agrarischen und der Wohnsitzgemeinden beschränkt. I n dieser für die Finanzpolitik entscheidenden Frage war der WGT stark damit befaßt, einen Ausgleich herbeizuführen. Die besonders starke Vertretung der mittleren und kleinen Städte w i r d insofern berücksichtigt, als ihnen eine wichtige Rolle bei der Willensbildung zugestanden wird. Neben das vertikale Organisationsprinzip der Fachausschüsse und des Vorstands t r i t t ein horizontales, die Tagung nach Städtegruppen. Sie haben die Aufgabe der Beratung, wobei die Geschäftsstelle sämtliche Mitglieder direkt ansprechen kann. Daneben sollen sie aber auch der Artikulation der besonderen Interessen der Gruppen dienen und so eine quer zur übrigen Willensbildung des Verbandes laufende Willensbildung ermöglichen. Es hat sich jedoch gezeigt, daß dies nur bedingt zu verwirklichen ist 3 8 , Fachausschüsse und Vorstand also die wichtigsten Gremien sind. Eine weitere Funktion der Städtegruppen ist die eines Wahlkörpers für Vorstand und Fachausschüsse, die paritätisch aus den drei Gruppen zusammengesetzt werden. Trotzdem haben die größeren Städte ein größeres Gewicht als die kleineren, besonders der Gruppe C. Dies zeigt sich schon daran, daß zumeist der Oberbürgermeister einer kreisfreien Stadt Vorsitzender war. Der Grund liegt sowohl i m politischen Gewicht der Großstädte als auch i m fachlichen Bereich. Die Großstädte können in ihrer Arbeit auf eine leistungsfähige Verwaltung zurückgreifen und verfügen zumeist auch über qualifiziertere Verwaltungsleiter als die kleinen Städte, deren Rolle im Verband stark von der Person des jeweiligen Bürgermeisters abhängt. Dem Städteverband ist es durch diese Organisation gelungen, ein Eindringen des Städtebundes bei den mittleren Städten i n BadenWürttemberg vollständig zu verhindern, obwohl dieser zeitweise Versuche dazu machte. Der Städtebund erreichte aber nur eine außerordentliche korporative Mitgliedschaft des WGT und später eine A n gliederung des GT B W an den DSTGB. A u f die Mitgliedschaft der mittleren Städte legt der DST natürlich Wert, da eine Beschränkung 38
Interview.
I I . Die einzelnen Verbände
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auf die kreisfreien Städte, wie es in anderen Bundesländern weitgehend der Fall ist, i n Baden-Württemberg besonders mißlich wäre, weil es hier nur sehr wenige kreisfreie Städte gibt. Die Organisationsform der Arbeitsgemeinschaft zur intensiveren fachlichen Betreuung einzelner Gemeindegruppen und zur Vertretung von deren Interessen wurde auch in anderen Verbänden gewählt. Sie ist notwendig, um eine Abwanderung der betreffenden Gemeinden zu anderen Verbänden zu verhindern. Nur i m StV Baden-Württemberg sind diese Gruppen jedoch Grundlage der gesamten Willensbildung. Ein Proporz der Gruppen ist aber auch in anderen Verbänden anzutreffen. Der Württembergische Gemeindetag 39 organisierte in den württembergischen Regierungsbezirken alle Gemeinden unter 20 000 Einwohnern sowie einige, die diese Grenze i n jüngster Zeit überschritten haben. Schon durch die Zusammensetzung der Mitgliedschaft ergab sich bei ihm ein starkes Gewicht der größeren Gemeinden und kleinen Städte. Dies wurde noch verstärkt durch die Bildung der Organe. Das wichtigste ist der Vorstand, der sich aus den Vorsitzenden der Kreisabteilungen zusammensetzt. Aus ihm w i r d wiederum ein geschäftsführender Vorstand gebildet, der aus 12 Mitgliedern besteht. Die einzelnen Gemeindegruppen werden dagegen nicht in fachlichen Arbeitsgemeinschaften zusammengefaßt und spielen bei der Bildung der Organe keine Rolle. Sie werden nur durch die Kooptation einzelner Bürgermeister i n den Vorstand berücksichtigt. Daß sich auf Grund dieser Zusammensetzung eine überproportionale Vertretung der größeren Gemeinden ergibt, erklärt sich daraus, daß die Städte i n den Landkreisen ein größeres Gewicht haben als die kleinen Gemeinden und wohl auch die besseren Bürgermeister, die sich mehr um eine überlokale Interessenvertretung kümmern. I n nahezu der Hälfte der Fälle handelt es sich beim Kreisobmann um den Bürgermeister der Kreisstadt, oder wo diese dem Städteverband angehört, einer anderen führenden Stadt des Kreises. I m geschäftsführenden Vorstand verstärkt sich diese Tendenz aber noch mehr. I h m gehören an 4 0 : als Vorsitzender Präsident Thrum, Korntal (9000 Einwohner, Stadt) früher war Präsident Bürgermeister Diebold, Waiblingen, heute Große Kreisstadt und M i t glied des StV!), als stellvertretende Vorsitzende die Bürgermeister einer finanzkräftigen Industriegemeinde, einer Kreisstadt (Wangen 39 Satzung vom 8. 5.1956 i n der Fassung vom 25.10.1966. Die Fusion zum Gemeindetag Β aden-Württemberg am 1.1. 73 änderte an der allgemeinen Organisation wenig. Wegen der unterschiedlichen Verhältnisse zwischen Baden u n d Württemberg w i r d hier auf die Zeit vor 1973 zurückgegriffen. 40 Diese Zusammenstellung zeigt den Zustand von 1967, d. h. vor der V e r waltungsreform, für die dies von großer Bedeutung war.
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1. Kap.: Die Organisation der Verbände
i. A.) und einer Gemeinde mit 4000 Einwohnern. Als Vertreter von Städten kann man sechs von zwölf Mitgliedern ansehen, dazu kommt ein Vertreter einer Betriebsgemeinde und fünf von Gemeinden unter 4000 Einwohnern. Aber auch davon sind nur zwei Vertreter agrarischer Gemeinden. Diese spielen also trotz ihrer großen Zahl eine sehr geringe Rolle, ebenso wie die ganz kleinen Gemeinden unter 2000 Einwohnern, die praktisch nicht vertreten sind 4 1 . Gerade dies führte anläßlich des Gesetzes zur Stärkung der Verwaltungskraft kleinerer Gemeinden 4 2 zu Austrittsdrohungen, wenn ihre Interessen nicht stärker vertreten würden. Aber auch in anderen Fällen zeigte sich, daß der Kurs i m wesentlichen von den starken großen Gemeinden bestimmt wird. I m Finanzausschuß ist allerdings eine gleichmäßigere Repräsentation der agrarischen, Betriebs- und Wohnsitzgemeinden erreicht, der drei finanzpolitisch wichtigsten Typen. Ganz anders liegen die Verhältnisse dagegen i n Baden, da hier 71 Kleinstädte beim StV organisiert sind. Zwar haben 46 von ihnen eine Doppelmitgliedschaft beim Verband badischer Gemeinden, doch herrschen in i h m die kleinen Gemeinden vor. I m Vorstand, der aus den Vorsitzenden der Kreisabteilungen gebildet ist, sitzen zwar auch drei Bürgermeister von Kreisstädten 43 , doch kommt die Mehrzahl aus ländlichen und Wohnsitzgemeinden. Dies schlägt sich auch in der Politik des Verbandes nieder, wie unten gezeigt werden wird. Die anderen Landesverbände des ehemaligen DGT gleichen mehr dem WGT hinsichtlich der Vorherrschaft der größeren Gemeinden. Dies gilt insbesondere für den früheren Verband in Nordrhein-Westfalen 44 sowie für Hessen 45 , während i n Bayern, Niedersachsen und SchleswigHolstein die kleineren Gemeinden zahlreicher sind. A n dieser Stelle soll noch kurz auf die Verhältnisse zur Zeit der Beratung der Gemeindeordnung und der Landkreisordnung in BadenWürttemberg eingegangen werden 4 6 . Bis 1954/1956 waren die Verbände nach den alten Ländern aufgeteilt und jeweils sehr unterschiedlich organisiert. Der StV Baden-Württemberg wurde am 10.5. 1954 gegründet, nachdem zuvor vier getrennte Verbände, darunter auch zwei Städtebunde der Kleinstädte bestanden hatten. Der wichtigste war der Württemberg-Badische StV. Bei den Gemeinden bestanden drei Verbände sowie der Gemeindetag Württemberg-Hohenzollern, ein Ein41 42 43 44 45 46
Beides ist nicht ganz miteinander identisch. Gesetzblatt f ü r Baden-Württemberg 1968, S. 114 ff. Nach: Die Gemeinde, Karlsruhe 1969, S. 263 ff. Nach: Der Gemeinderat 1965 und: Die Gemeinde. Bad Godesberg 1965. Vgl. Der Gemeindetag 1967, S. 5. Nach Unterlagen des StVBW, des W G T und des L K T BW.
I I . Die einzelnen Verbände
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heitsverband sämtlicher Gemeinden, Städte und Landkreise. Eine solche Organisation, die auch i m Saarland bis i n die sechziger Jahre bestand, ist wohl nur in einem kleinen Land möglich, in dem die Interessengegensätze nicht so groß sind und in dem die einzelnen Körperschaften abweichende Interessen auch selbständig vertreten können. Der L K T Baden-Württemberg wurde am 3. 7. 1956 gegründet, d. h. erst nach Verabschiedung der Landkreisordnung, über die in dem sonst recht einheitlichen Verband große Meinungsverschiedenheiten bestanden. Die kommunalen Landräte der nördlichen Regierungsbezirke waren i m Verband württemberg-badischer Landkreise organisiert, dessen Vorsitzender Seebich zugleich Präsident des D L T war. Er bildete eine lose Arbeitsgemeinschaft mit der Kreisabteilung des Gemeindetags Württemberg-Hohenzollern und der Arbeitsgemeinschaft badischer Landkreise (Südbaden), die beide von staatlichen Landräten gebildet wurden. I n letzterer waren allerdings auch die stellvertretenden Kreisvorsitzenden paritätisch m i t vertreten 4651 . Dies erklärt sich aus der Geschichte der badischen Landkreise, die erst 1936 aus dem staatlichen Bezirksamt und aus rein kommunalen Großkreisen zusammengefügt worden waren. Da die stellvertretenden Kreisvorsitzenden zumeist Bürgermeister waren, ergaben sich so Spannungen zwischen der staatlichen und kommunalen Seite des Kreises, die auch in den Verband hineingetragen wurden. Vergleicht man die anderen Bundesländer mit Baden-Württemberg 4 7 , so ist festzustellen, daß die bayerischen Landesverbände recht ähnlich zusammengesetzt sind. Der Bayerische StV (Mitglied des DST) organisiert Städte bis zu 1500 Einwohnern und hat insgesamt 245 Mitglieder. Dementsprechend bleibt für den Bayerischen Gemeindetag wenig Raum. Abweichend sind dagegen die Verhältnisse in anderen Bundesländern auf Grund der Existenz des Städtebunds. Unter ihnen nimmt Nordrhein-Westfalen eine besondere Stellung ein, nicht nur wegen seiner Größe, sondern auch, weil beim DST und beim DSTGB die Geschäftsstellen des Landes- mit dem Bundesverband vereinigt sind. Der DST hat hier mit 40 Mitgliedern und insgesamt 8,5 Millionen Einwohnern eine sehr starke Stellung, was auf die Struktur des Landes mit seinen zahlreichen Ballungsgebieten und der daraus folgenden großen Zahl kreisfreier Städte zurückzuführen ist. Kreisangehörige M i t glieder des Städtetags sind nur die i m Zuge der Verwaltungsreform 46a Werner Ackenheil, Rückblick auf die Tätigkeit der Arbeitsgemeinschaft der Badischen Landkreise, i n : Baden-württembergisches Verwaltungsblatt 1957, S. 39 f. 47 DST Geschäftsbericht S. 98 ff.
70/71, S. 123 ff., DStB Geschäftsbericht
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1. Kap.: Die Organisation der Verbände
eingekreisten Städte sowie Marl, das früher vom Gemeindetag und Rheinhausen, das vom Städtebund übertrat. Auch für den DSTGB ist dies der wichtigste Landesverband. Dies gilt besonders für die Frage des Zusammenschlusses von DStB und DGT, die auf Grund der hier weit fortgeschrittenen Verwaltungsreform zuerst verwirklicht wurde 4 8 . Die Verwaltungsreform führte einerseits zu einer großen Zahl von Doppelmitgliedschaften bei Orten, die i n Städte eingemeindet wurden und brachte andererseits i n den Größenverhältnissen der Mitglieder eine weitgehende Angleichung. Da die umfangreichen Eingemeindungen die Basis des Gemeindetags schwächen mußten, schlug dieser die Vereinigung beider Landesverbände vor. A u f den bundesweiten Aspekt dieser Fusion und ihre Gründe w i r d unten noch näher eingegangen werden müssen. Hier stellt sich jedoch zunächst die Frage, warum i n Nordrhein-Westfalen der Städtebund die durchaus vorhandene Bereitschaft des Städtetags zu einem Zusammenschluß zugunsten einer Fusion mit dem Gemeindetag ausschlug. Maßgebend war vor allem die Situation des Landes, die gekennzeichnet ist von einer Massierung der Großstädte und dem daraus folgenden starken Gegensatz zu den kleinen Gemeinden, aber auch zu den mittleren Städten, die neben den Großstädten eine geringere Rolle als in anderen Bundesländern spielen. Sie sind auch, wie das Beispiel Bad Godesberg und Beuel zeigt, von Eingemeindungen in Großstädte bedroht. Daneben spielt sicher auch eine Rolle die personelle Situation in den Geschäftsstellen sowie Prestigefragen der Städte, die i m Städtebund führend sind. A l l diese Faktoren haben i m Fall Hessens gerade zur umgekehrten Entscheidung geführt. Andererseits führte diese Fusion zum Nordrhein-Westfälischen Städte- und Gemeindebund, die zum 1.1. 1971 vollzogen wurde, bei den größeren Städten zu einer gewissen Unruhe. Sie zeigte sich mit dem Übertritt von Rheinhausen, Kempen, Moers und Nettetal nach außen. Schon der alte Städtebund versuchte dem zu begegnen durch eine Arbeitsgemeinschaft der Städte über 50 000 Einwohner 4 9 , die 1967 13 Mitglieder umfaßte. I m Gegensatz zur Entwicklung in Nordrhein-Westfalen steht die in Hessen. Hier schlossen sich zum 1. 4. 1971 Städtetag (9 kreisfreie Städte) und Städtebund (105 kreisangehörige Städte) zusammen. Dies hatte sich schon angebahnt mit einem Dachverband beider Verbände und 48 Satzung des Nordrhein-Westfälischen Städte- und Gemeindebundes vom 29. 6.1970. Z u r Fusion vgl.: Städte- und Gemeinderat 1971, Heft 1. H. A. Berkenhoff, Verwaltungsreform und Verbandsreform, i n : Der Städtebund 1969, S. 117 ff. 49 A k t e n des DStB.
I I . Die einzelnen Verbände
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wurde wesentlich bestimmt dadurch, daß der Hessische Städtetag bisher keinen hauptamtlichen Geschäftsführer hatte 5 0 . Die Geschäftsstelle war bei der Stadtverwaltung Frankfurt/M. angesiedelt und nur wenig ausgebaut. Auf Grund dessen und wegen seiner geringen Mitgliederzahl war der Verband politisch nicht sehr stark, was sich durch die Vereinigung geändert hat. Noch wichtiger als die personellen Faktoren war jedoch die sachliche Übereinstimmung in zahlreichen Fragen, insbesondere über die Rolle der zentralen Orte in der Raumordnung sowie die Gemeindereform, während zum Stadt-Umland-Problem nur teilweise Übereinstimmung besteht 51 . Dazu kam die Entwicklung der großen kreisangehörigen Städte (wie Wetzlar) zu größeren Dimensionen, die zur Anlehnung an den Städtetag führten. Diese Städte gaben i m Verband den Ausschlag. Andererseits traten auf Grund dessen eine Reihe kleinerer Mitglieder zum Hessischen Gemeindetag über. Dieser verstärkte durch die Gründung regionaler Arbeitsgemeinschaften zentraler Orte über 7000 Einwohner seine Arbeit für diese Gemeindegruppe 52 . Ebenso versucht dies der Städtetag durch eine Arbeitsgemeinschaft kreisangehöriger Städte zu tun. Die Abwanderung zum HGT hatte sich in langsamer Form auch schon in früheren Jahren vollzogen. Sie beschleunigte sich durch den Regionalstadt-Plan Frankfurts, nachdem der Städtebund trotzdem mit dem Städtetag fusionierte. Ähnlich wie die neueste Entwicklung in Hessen liegen die Verhältnisse in Rheinland-Pfalz, wo schon immer ein StV bestand, der M i t glied des DST und des DSTGB ist. Seine Einheitlichkeit war sicherlich der Grund, daß er die Stadt-Umland-Frage in seinem Sinn lösen konnte. Auch er hat eine Arbeitsgemeinschaft kreisangehöriger Städte, deren Vorsitzender zugleich stellvertretender Vorsitzender des Verbandes ist. Die Organe werden von beiden Gruppen im Verhältnis 7 :4 besetzt. Insgesamt sind also die kreisfreien Städte stärker, was auch hier, wie i n Hessen, zu einzelnen Übertritten führte 5 3 . So ging zeitweise Idar-Oberstein (40 000) zum Gemeindetag, und ebenso andere Städte, die dem StV den V o r w u r f machten, ihre Interessen nicht genügend zu vertreten. Dazu kam noch die personelle Situation des StV. Bemerkenswert ist, daß die kreisangehörigen Städte sowohl Mitglieder des DST wie des DSTGB sind und in beiden Verbänden mitarbeiten, um so auch im DST die Gruppe der mittleren Städte zu stärken. 50
Interview. Vgl. dazu die Stellungnahme des HST zur Verwaltungsreform 1971, die bezeichnenderweise verschiedene Formen zur Diskussion stellt. 52 Hessische Gemeindezeitung 1970, S. 391. Z u r Polemik vgl. auch S. 385 ff. und 1971, S. 38 ff. 53 Interview. 51
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1. Kap.: Die Organisation der Verbände
Noch stärker zusammengefaßt sind die Gemeinden i m Saarländischen Städte- und Gemeindetag, der sämtliche Gemeinden organisiert. Nur die Landkreise sind aus dem ehemaligen Einheitsverband ausgeschieden. Dieselbe Entwicklung wie in Hessen bahnt sich auch in SchleswigHolstein und in Niedersachsen an. I n beiden Ländern organisierte der DST nur kreisfreie Städte (außer Göttingen und Nordenham) und seine Geschäftsstellen waren bei den Stadtverwaltungen von Hannover und K i e l angesiedelt. I m Gegensatz zur Entwicklung des Bundesverbandes schloß sich i n Niedersachsen der Städtebund m i t dem Städtetag zu einem Städteverband zusammen 54 . I n Schleswig-Holstein ist dies durch die Zusammenarbeit der Fachausschüsse beider Verbände ebenfalls vorbereitet 5 5 . Man kann also feststellen, daß i n allen anderen Bundesländern außer Nordrhein-Westfalen die mittleren Städte sich an die Großstädte angeschlossen haben. Für den Bundesverband hat dies allerdings insofern keine Auswirkungen, als die Landesverbände jeweils sowohl beim DST wie beim DSTGB Mitglieder sind. b) Das Verhältnis
von Bundes-
und
Landesverbänden
Die kommunalen Spitzenverbände sind aufgebaut aus Bundes- und Landesverbänden, die die kommunalen Interessen in den Fragen vertreten, die auf der jeweiligen politischen Ebene entschieden werden. Darüber hinaus ist das Verhältnis beider Ebenen in diesen Verbänden, die ja das föderalistische Prinzip vertreten, von besonderer Bedeutung. Ihr Aufbau hat Auswirkungen auf den Grad, in dem zentralistische bzw. föderalistische Lösungen gegenüber den politischen Instanzen verfochten werden, also ein gesamtstaatlicher Zentralismus gefördert wird. Der Aufbau und die Aufgabenverteilung ist nur teilweise ein Reflex auf die bestehende föderale Struktur. I n dieser Hinsicht ergeben sich zwischen den Spitzenverbänden bemerkenswerte Unterschiede mit den Extremen des DST und des früheren DGT. Der DST 5 6 beruht auf dem Prinzip der unmittelbaren M i t gliedschaft wenigstens der größeren Städte (141 Mitglieder mit 24,3 Millionen Einwohnern). Sie tragen den Verband i m wesentlichen, sowohl in der sachlichen Arbeit wie finanziell. Daneben gibt es, wie erwähnt, in den Landesverbänden Baden-Württemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz weitere 345 mittelbare Mitglieder m i t 3,6 Millionen Einwohnern, die nur über ihre Landesverbände an der Arbeit des DST 54 55 56
Der Städtetag 1972, S. 653. Der Städte- und Gemeindebund 1973, S. 186 ff. Seine Organisation w i r d dargestellt bei Schnell, S. 26 ff. und 84.
I I . Die einzelnen Verbände
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teilnehmen. Die unmittelbaren Mitglieder sind i n der Hauptversammlung direkt vertreten, während die mittelbaren nur 4 - 1 2 Vertreter je Verband entsenden 57 . Die Landesverbände sind jedoch nicht ohne Bedeutung in der Willensbildung. Von ihnen, nicht von der Hauptversammlung werden die Mitglieder des Hauptausschusses (§ 7 Abs. 2) und damit das von diesem gewählte Präsidium berufen, ebenso wie die Mitglieder der Fachausschüsse von den Landesverbänden ernannt und abberufen werden (§ 10 Abs. 2). Teilweise w i r d auch versucht, sie an Beschlüsse der Landesverbände zu binden (so i n Bayern). Lediglich Präsident und Stellvertreter werden von der Hauptversammlung direkt gewählt. Auch i n der Praxis haben die Landesverbände eine zunehmende Bedeutung für die Willensbildung, besonders die süddeutschen Verbände, die den Föderalismus auch hier verteidigen. Ein weiteres Element der Stärkung des Bundesverbandes bedeutet die Tatsache, daß die Geschäftsstelle des DST in K ö l n zugleich dem Landesverband Nordrhein-Westfalen als Geschäftsstelle dient und i m Verhältnis zu den anderen Landesverbänden stark ausgebaut ist. A n dererseits hat dies zur Folge, daß für den Verband die Arbeit auf der Bundesebene i m Vordergrund steht und die Arbeit in Nordrhein-Westfalen etwas vernachlässigt wird. Umgekehrt ist es beim DSTGB, dessen Landesgeschäftsstelle i n Düsseldorf zugleich dem Bundesvorstand dient. Entscheidend ist für beide Verbände i m Unterschied zu DGT und DLT, die gesonderte Geschäftsstellen für Nordrhein-Westfalen und den Bund haben, die enge Verbindung m i t der Praxis, die sich daraus für die Geschäftsstelle ergibt. Andererseits w i r d von den anderen Bundesländern vorgebracht, daß dadurch die Probleme Nordrhein-Westfalens zu stark berücksichtigt werden. Beim früheren DGT und beim D L T hat sich die Kommunikation zwischen der Bundesgeschäftsstelle und den Mitgliedern jedenfalls als schwierig erwiesen angesichts der dazwischengeschalteten Landesverbände 58 . Beim D L T erfolgt sie z. B. durch ca. 200 Rundfragen i m Jahr unmittelbar bei den Mitgliedern, zusätzlich zu Modelluntersuchungen in einzelnen Landkreisen. I n starkem Gegensatz zur Organisation des DST stand die des DGT 5 9 . Er war ein reiner Dachverband (§ 1 der Satzung), und die Landesverbände bestimmen seine Willensbildung weitgehend. Die jährliche Hauptversammlung (§ 5) bestand aus Präsidium und je zwei weiteren Vertretern der neun Landesverbände. Sie war damit ein relativ kleines Gremium und tagte, anders als beim DST und DStB, nicht öffentlich. Sie diente daher auch nicht wie bei diesen der Beeinflussung der Öf57 58 59
§ 4 der Satzung vom 2. 3.1956. Interview. Satzung v o m 3. 2.1951 i n der Fassung vom 11. 2.1961.
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1. Kap.: Die Organisation der Verbände
fentlichkeit, sondern der Steuerung des Bundes- durch die Landesverbände. Diese erfolgte auch über das Präsidium, das aus den Präsidenten der Landesverbände und ihren Stellvertretern besteht, wozu der Präsident, sein Stellvertreter und der Hauptgeschäftsführer des DGT kommen. Als Präsident und Stellvertreter wurden nie führende Mitglieder eines Landesverbandes gewählt, sondern stets Bundestagsabgeordnete. Diese Praxis hat sich i m Fall Lückes sicherlich als sehr erfolgreich erwiesen, doch hängt ihr Wert von der jeweiligen Person ab. Zugleich war sie aber ein Zeichen für die Schwäche des Bundesverbandes und die Rivalität der Landesverbände, die einen Präsidenten m i t einer starken Hausmacht nicht wünschten. Auch die Fachausschüsse waren aus Vertretern der Landesverbände zusammengesetzt, zu einem beträchtlichen Teil sogar aus Geschäftsführern und Angestellten der Verbände. So entfielen i m Finanzausschuß und i m Ausschuß für Raumordnung 6 von 10 Mitgliedern auf diese Gruppe, i m Rechts- und Verfassungsausschuß 5 von 9. Dies verbessert sicherlich die Koordination von Bundes- und Landesebene und macht den Sachverstand der Landesgeschäftsstellen für den DGT nutzbar, doch w i r d dadurch die Zahl der auf der Bundesebene tätigen Bürgermeister relativ klein. Man kann daher sagen, daß die Bundesebene beim DGT fast nur aus der kleinen Geschäftsstelle und dem Bundesvorsitzenden bestand, wodurch dessen Person eine für die Wirkung des Verbandes ausschlaggebende Rolle bekam. Zu diesen Faktoren kommt noch hinzu, daß die A k t i v i t ä t der Bundesgeschäftsstelle beschränkt wurde 6 0 . So wurde die bereits 1950 geplante Herausgabe einer eigenen Zeitschrift nicht verwirklicht, auch nicht i n Form einer Beilage zu den Landeszeitschriften. Für die Anliegen der kleineren Gemeinden hat sich dies sehr nachteilig ausgewirkt angesichts der Zeitschriften der anderen drei Verbände. Auch finanziell wurde der Bundesverband kurzgehalten. Dabei w i r d argumentiert 6 1 , man habe den DGT stets an den beschränkten finanziellen Verhältnissen der kleinen Gemeinden gemessen. Dies hat sich nicht nur auf die Pressearbeit negativ ausgewirkt, sondern auch auf Umfang und Personalpolitik der Geschäftsstelle. Das Verhältnis von Mitarbeitern auf Bundes- und Landesebene betrug vor der Fusion zum DSTGB beim DST 1 : 1, beim DStB 1 : 3, beim D L T 1 :4 und beim DGT 1 : 12. Dies macht deutlich, wie stark die Landesverbände waren. Diese Situation war schon für das Ausscheiden Rüdiger Göbs als Geschäftsführer 1965 maßgebend 62 , und sie ist letztlich auch ein Grund dafür, daß sich der DGT dem DStB anschloß. 80 81 82
Interview. Interview. Er ging m i t Lücke i n das Innenministerium.
I I . Die einzelnen Verbände
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Zwischen beiden Polen des übertriebenen Föderalismus des DGT und eines gemäßigten Zentralismus des DST liegt der frühere DStB 6 3 und der heutige DSTGB. Während der Städtebund unmittelbare M i t glieder hatte, ist dies nach der Vereinigung nicht mehr der Fall. Dennoch setzt sich die Hauptversammlung nicht aus den Spitzen der Landesverbände, sondern aus Vertretern der Mitglieder selbst zusammen. Außerdem besteht eine gemeinsame Geschäftsstelle von Bund und Nordrhein-Westfalen, die allerdings nicht so stark ausgebaut ist wie die des DST. Auch spielen die Landesverbände eine stärkere Rolle als i m Städtetag. Noch stärker i n die Richtung des DGT geht der D L T 6 4 , der ebenfalls reiner Dachverband ist. Sein Präsidium besteht aus den Vorsitzenden der Landesverbände, aus denen auch stets der Präsident gewählt wurde. Mitglieder der Fachausschüsse sind die Vorsitzenden der entsprechenden Ausschüsse i n den Ländern, wodurch auch für die vom Landesverband getrennte Bundesgeschäftsstelle ein relativ guter Kontakt zur Praxis besteht. Der D L T versuchte 1967 den Bundesverband zu stärken durch eine Satzungsänderung, was von den Landesverbänden abgelehnt wurde 6 5 . Dennoch waren hier die Folgen des Föderalismus nicht so negativ wie beim DGT. Dies zeigt sich schon daran, daß der D L T eine eigene Zeitschrift herausgibt. c) Die Rolle der
Geschäftsstellen
Wenn es auch früher und vereinzelt auch heute Fälle gibt, i n denen auf den Ausbau einer Geschäftsstelle ganz oder weitgehend verzichtet wurde, so sind diese doch sowohl für die interne Arbeit wie für die Wirkung nach außen entscheidend. Sie sind jedoch zumeist mit einer erstaunlich geringen Anzahl von Mitarbeitern besetzt, insbesondere wenn man es mit anderen Verbänden vergleicht. Noch mehr gilt dies verglichen mit der Ministerialverwaltung, deren Gegenspieler sie ja darstellen und mit der sie i n verschiedenen Gremien an einem Tisch sitzen. Die Zahl der fachlichen Mitarbeiter betrug 1971 66 :
63 Satzung vom 6. 5.1955, abgedruckt i n Berkenhoff, Städtebund, S. 84 ff. Satzung des DSTGB v o m 24.11.1972. 64 Satzung v o m 30. 9.1960. 05 Interview. 66 Nach einer Zusammenstellung des D L T , z. T. korrigiert nach eigenen Feststellungen. Die Verteilung der Geschäftsstellen von DST und DStB auf B u n d u n d L a n d sind geschätzt. Überblick über die Organisation des DST jeweils i m Anhang des Geschäftsberichts; zum H G T i n : Hessische Gemeindezeitung 1970, S. 52.
3 Geißelmann
34
1. Kap.: Die Organisation der Verbände
Beim DST sind zusätzlich zu berücksichtigen die Mitarbeiter i n den Stadtverwaltungen der drei Stadtstaaten sowie die Tatsache, daß die Geschäftsstellen von Niedersachsen und Schleswig-Holstein, wie auch vor kurzem noch die Hessens bei einer Stadtverwaltung angesiedelt DST
DStB
DGT
DLT
Baden-Württemberg
5
—
12
3
Bayern
5
—
5
5
20
3
6
4
Hessen
5
Niedersachsen
2
Nordrhein-Westf.
8
Rheinland-Pfalz Saarland
Berlin Bremen Hamburg Bund
j ! J
5
9 4
1
Schleswig-Holstein
2
—
2
1 innerhalb der V e r w a l tung 22 28
—
4
4
3
1
2
2
—
3 9
5 58
—
6 27
sind und keine hauptamtliche Geschäftsführung haben. Dies erklärt sich aus der geringen Zahl der Mitglieder und hat den Vorteil, daß ein Rückgriff auf eine Verwaltung nach Bedarf möglich ist. Dennoch bringt es i n starkem Maße die Abhängigkeit von einer einzelnen Stadt mit sich und damit eine geringere Homogenität des Verbandes. Außerdem fehlt so ein eigentlich politischer Geschäftsführer, was sich etwa i n Hessen als großer Nachteil erwies. Auch i n den anderen Verbänden des DST erfolgt jedoch i n starkem Maße ein Rückgriff auf die Verwaltungen der Mitglieder. Dies geschieht vor allem i n den Fachausschüssen, in die neben Hauptverwaltungsbeamten auch Beigeordnete und Leiter von Ämtern entsandt werden. Dadurch w i r d deren Fachwissen nutzbar gemacht, und es w i r d intensive sachliche Arbeit geleistet. Auch darüber hinaus werden auf Landesebene die Mitglieder i n starkem Umfang zur Erarbeitung von Stellungnahmen herangezogen. Dazu kommen beim DST noch eine größere Anzahl von Beiräten und ad-hocGremien. Insgesamt kann man sagen, daß ein großes Potential an fachlichem Wissen vorhanden ist. Der DST ist daher durchaus i n der Lage, langfristige Konzeptionen zu entwickeln und auch gegenüber der Bundes- und Landesverwaltung m i t eigenen Informationen zu arbeiten.
I I . Die einzelnen Verbände
35
Als Beispiel dafür kann etwa die Städtestatistik angeführt werden 6 7 , die dem DST die Grundlage für finanzielle Forderungen bietet. Insbesondere die Bundesgeschäftsstelle ist gut ausgebaut und verfügt zusammen m i t Nordrhein-Westfalen über 30 Personen des höheren Dienstes und insgesamt über 80 Mitarbeiter. Dies hat Auswirkungen sowohl gegenüber den Ministerien und Parlamenten, für deren Beeinflussung die sachliche Information j a die notwendige Grundlage ist, wie gegenüber den anderen kommunalen Spitzenverbänden. Hier muß festgestellt werden, daß beim DGT die Bundesgeschäftsstelle unzureichend ausgebaut war. Die relativ große Zahl der Mitarbeiter i n den Landesgeschäftsstellen dagegen erklärt sich durch die Aufgaben der Beratung. Ähnlich war es beim D L T und beim DStB, die nur durch eine gewisse Arbeitsteilung der vier Verbände untereinander sich mit so wenig Personal begnügen können. DStB und DGT haben allerdings durch eine Vereinigung ihrer Geschäftsstellen die Situation verbessert. Dennoch hat der DST durch seine Organisation ein fachliches Übergewicht über die anderen drei Verbände, was sich durchaus auch i n politischen Fragen auswirkt. Dasselbe gilt auch hinsichtlich der finanziellen Mittel. Soweit diese geschätzt werden können, verfügen auf der Bundesebene der DGT über ca. 400 000 - 500 000 D M (1968), der D L T über ca. 600 000 - 700 000 D M (1967), der DST über ca. 3,2 Millionen (1971)68. Dieses Übergewicht w i r k t sich z. B. auch i n der Öffentlichkeitsarbeit erheblich aus. Auch hinsichtlich der wissenschaftlichen Beratung ist der DST i m Vorteil. Er arbeitet eng m i t dem Verein für Kommunalwissenschaften Berlin zusammen, dessen Vorstand vom DST gebildet wird. Dieser Verein verfügt über eine eigene Forschungsstelle, die 1973 zum Deutschen Institut für Urbanistik erweitert wurde 6 9 . Dieses betreibt Grundlagenforschung, kann aber auch vom DST für konkrete Aufgaben eingesetzt werden 7 0 . Der D L T versuchte dem zu begegnen durch die Organisation von Professorengesprächen 71 , die jährlich stattfinden. Bei ihnen begegnen sich Praktiker und Wissenschaftler (z. B. Schnur, Werner Weber, Wagener, Unruh, Stern, Salzwedel, Püttner u. a.). Sie dienen sowohl der Beratung des DLT, wie der Information der Professoren. Eine Publikation der Ergebnisse erfolgte jedoch nicht, und sie sind ganz intern. Daher kann ihr Wirkungsgrad nicht beurteilt werden. 67 Statistisches Jahrbuch deutscher Gemeinden. V. a. aber die Auswertung der Finanzstatistik, die laufend i m „Städtetag" veröffentlicht w i r d . 68 Geschätzt auf G r u n d der Beiträge der Mitgliedsstädte oder Landesverbände. 69 Der Städtetag 1973, S. 531. 70 Z u m Stadt-Umland-Problem vgl. Geschäftsbericht DST 70/71, S. 12. 71 Interview.
*
36
1. Kap.: Die Organisation der Verbände
I I I . Die innerverbandliche Willensbildung Die Frage der innerverbandlichen Demokratie steht seit der Arbeit Michels' i m Vordergrund der Untersuchungen über Parteien und Verbände. Ähnlich wie Michels kommt Pohle zu dem Ergebnis, die kommunalen Spitzenverbände zeigten einen innerverbandlichen Zentralismus, der der zentralistischen Wirkung i n ihrer Interessenvertretung korrespondiere 72 . Darüber hinaus stellt er fest, diese Verbände hätten auf ihre Mitglieder auch i n der internen Verwaltungsarbeit einen erheblichen vereinheitlichenden Einfluß. Die Frage, wieweit dies durch die Wirklichkeit zu belegen ist, ist von großer Bedeutung, da diese Verbände ja gerade die Selbständigkeit der einzelnen Gemeinden verteidigen wollen. Ein Zentralismus wäre also nicht nur eine Verletzung der innerverbandlichen Demokratie, sondern würde dem Sinn der Organisation widersprechen. Schon die Untersuchung des Verhältnisses von Landes- und Bundesverbänden widerspricht jedoch einer solchen Feststellung, da die Landesverbände überall eine relativ starke Rolle spielen. I n allen Verbänden (mit Ausnahme der föderativen Organe des DLT) gibt es Versammlungen sämtlicher Mitglieder, die teilweise mehrere Vertreter, wenigstens einen haupt- und einen ehrenamtlichen entsenden 73 . Ihre Zahl hängt beim Städtetag von der Einwohnerzahl ab, was bei den Gemeindetagen nicht möglich ist. Ihre Versammlungen sind sowieso meist schon sehr beträchtlich: so beim WGT mit über 1800 Personen, aber auch beim DST i n der Hauptversammlung mit über 1000 Personen, während die der anderen Landesverbände kleiner sind. Ihre Größe ist sicher ein Grund dafür, daß diese Versammlungen i n der internen Willensbildung eine geringe Rolle spielen. Dazu kommt noch, daß sie nur jährlich oder noch seltener tagen. Ihre Funktion ist auch keineswegs die eines Arbeitsgremiums, wenn es auch beim DST schon einmal vorkam, daß eine Entschließung der Geschäftsstelle als noch nicht genügend geklärt zurückgestellt wurde 7 4 . Zweifellos i m Vordergrund steht die Funktion, ein Forum für die Öffentlichkeit zu bieten. Die eigentlichen Organe der Willensbildung werden daher nur i n Ausnahmefällen von der Mitgliederversammlung gewählt, so i n BadenWürttemberg nur beim StV, unter den Bundesverbänden nur beim DST und nur hinsichtlich der Wahl des Präsidenten und seiner Stellvertreter, nicht aber des Hauptausschusses. 72
Pohle, S. 337. So ausdrücklich vorgeschrieben beim DST u n d zumeist bei den L a n d kreistagen. 74 Deutscher Städtetag, Reformen für die Städte von morgen. K ö l n 1967, S. 211. 73
I I I . Innerverbandliche Willensbildung
37
I n den Landesverbänden der Gemeindetage sind die eigentliche Basis der Organisation die Kreisabteilungen, aus deren Vorsitzenden sich stets der Gesamtvorstand zusammensetzt. Die Kreisabteilungen w u r den i m 3. Reich eingeführt, und sie haben sich offensichtlich bewährt. Ihre Bedeutung für die Willensbildung der Verbände ist jedoch unterschiedlich. Die Tagungen, die meist jährlich stattfinden, dienen einmal zur Erörterung der Linie des Verbandes i n aktuellen kommunalpolitischen Fragen zwischen den anwesenden Vertretern der Geschäftsstelle und der Gesamtheit der Mitglieder, wenn dies auch jeweils auf einzelne Kreise und einzelne Themen beschränkt bleibt. Dennoch kann auch offene K r i t i k hier deutlich artikuliert werden. Die andere wichtige Funktion der Kreisversammlungen ist die fachliche Information und Beratung über bestimmte Themen. Beides steht etwa gleichberechtigt nebeneinander 75 . Auch örtliche Probleme kommen zur Aussprache. Es handelt sich dabei sowohl u m Konflikte m i t dem Landkreis, die häufig so ausgetragen werden, wie um andere Fragen. Dies ist dadurch möglich, daß sämtliche Bürgermeister anwesend sind und oft auch der Landrat eingeladen ist. Daneben finden teilweise auch Bürgermeister-Dienstversammlungen statt, doch w i r d deren Funktion häufig vom Gemeindetag übernommen. Die eigentliche verbandspolitische Seite macht also insgesamt nur einen Teil der Arbeit aus, wenigstens i n den Veranstaltungen traditionellen Stils. Dies hat zu Versuchen geführt, die Kreisversammlungen zu beleben und stärker die politischen Themen zu behandeln. So wurde es beim Städte- und Gemeindeverband Nordrhein-Westfalen gehandhabt 7 6 . Durch seine Fusion wurden die Kreisgemeindetage jedoch abgeschafft, da der Städtebund diese Arbeit als zu wenig effektiv ansah. Auch der WGT erwog 1969, die Arbeit der Kreisversammlungen zu aktivieren und i n Zukunft offzielle Stellungnahmen gegenüber der Landesregierung nach A r t . 71 Abs. 4 der Landesverfassung i n den Kreisabteilungen vorzuberaten 77 . M i t der derzeitigen Organisation ist dies jedoch nicht möglich. Aus den Vorsitzenden der Kreisabteilungen setzt sich i n den Gemeindetagen der Vorstand (Gesamtvorstand) zusammen, z. T. mit Kooptation weiterer Mitglieder, wie beim WGT den Leitern verschiedener Arbeitsgemeinschaften (§ 6 der Satzung). Er ist ein relativ großes und unbewegliches Organ (beim WGT 44 Personen) und tagt 3 - 4mal jährlich. Aus i h m w i r d wiederum zumeist ein geschäftsführender Vorstand gewählt, der monatlich tagt und das wichtigste Organ ist. 75 Nach den Berichten i n der Württembergischen Gemeindezeitung u n d der Hessischen Gemeindezeitung. 76 Die Gemeinde. (Rheinland) 1965, S. 219. 77 Württembergische Gemeindezeitung 1969, S. 179. Vgl. auch S. 134, 247.
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1. Kap.: Die Organisation der Verbände
Die Erscheinung, daß föderal gebildete Organe jeweils das nächsthöhere Organ wählen, die von Michels für sein ehernes Gesetz der Oligarchie angeführt wurde, ist auch i n den anderen Spitzenverbänden zu finden 7 8 . So ist es auch beim DST, dessen Hauptausschuß das Präsidium wählt. A n der Spitze steht dabei zumeist ein Vorstand mit ca. einem Dutzend Personen, der das wichtigste Organ der Willensbildung darstellt. Darunter besteht meist ein Hauptausschuß, der i n manchen Fällen auch fehlt. Dazu kommen eine Anzahl von Fachausschüssen, die die Stellungnahmen zu den einzelnen Gesetzen beraten. Sie werden zumeist formell vom Hauptausschuß gewählt, de facto aber regional zusammengesetzt. Weiter gibt es die erwähnten Arbeitsgemeinschaften für besondere Mitgliedergruppen, die ebenfalls verbandspolitische A u f gaben haben, sowie rein fachliche Arbeitsgemeinschaften für besondere Beamtengruppen. Betrachtet man unter dem Aspekt der innerverbandlichen Demokratie zunächst die ehrenamtlichen Vertreter der Mitglieder, so zeigt sich, daß sich eine Führungsschicht gebildet hat. Eine Kontrolle der Führungskräfte über verbandsinternen Wettbewerb erfolgt kaum 7 9 . Strittige Wahlen kamen nur beim DST aus parteipolitischen Gründen vor. Ansonsten ist die Zusammensetzung der Organe fast überall regional bedingt, so daß die Auswahl von Kandidaten eingeschränkt ist. Andererseits ist die Rotation unter den Führungskräften besonders beim DST recht hoch. Eine Ausnahme bilden lediglich die Gemeindetage, deren Vorsitzende zumeist bis zur Altersgrenze bleiben. Dabei mögen personelle Schwierigkeiten eine Rolle spielen. Eine A b w a h l kommt jedoch auch bei den anderen Verbänden so gut wie nie vor. Dennoch ist die Oligarchie der Führungskräfte wesentlich eingeschränkt. Dies gilt einmal durch die Tatsache, daß die politische Aktivierung der Mitglieder entsprechend deren Charakter hoch ist. Ihre Partizipation ist weit größer als bei Massenverbänden 80 . Die Information der Verbandsführungen über die Interessen und Ansichten der Mitglieder erfolgt zwar weniger i n den großen Mitgliederversammlungen, aber doch durch direkte Kontakte i n den Versammlungen auf Kreis-, Landes» oder Regierungsbezirksebene. Daneben gibt es eine vielfältige Mitarbeit der Mitglieder i n Fachausschüssen und i n Kontakten mit den Geschäftsstellen. Auch die Information der Mitglieder über die Politik des Verbandes ist relativ gut. Diese erfolgt vor allem über die Zeitschriften. Bei diesen kann man unterscheiden interne Rundschrei78 Die Organe der Verbände sind dargestellt bei Ziebill, Die kommunalen Spitzenverbände, S. 589 ff.; Schnell, S. 31 ff.; Berkenhoff, Städtebund, S. 84 ff. 79 Vgl. B. Külp, Lohnbildung i m Wechselspiel zwischen politischen u n d wirtschaftlichen Kräften. B e r l i n 1965, S. 112 ff. 80 Beyme, Interessengruppen, S. 190 ff.
I I I . Innerverbandliche Willensbildung
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ben und Mitteilungen, i n denen Informationen über aktuelle Entwicklungen sowie über die Linie des Verbandes und andere interne Verbandsangelegenheiten gegeben werden, sowie regelrechte Zeitschriften. Diese werden bei den Gemeindetagen auf der Landesebene herausgegeben, während die anderen Verbände nur auf der Bundesebene über Zeitschriften von hohem Niveau verfügen, was besonders für den „Städtetag" gilt. Sie haben i n erster Linie die Aufgabe einer grundsätzlichen, zukunftsorientierten kommunalpolitischen Beratung, während i n den Zeitschriften der Landesverbände zumeist konkrete Verwaltungsfragen, Rechtsauskünfte etc. i m Vordergrund stehen. Zeitschriften, die einen breiteren Kreis ehrenamtlicher Kräfte erfassen könnten, gibt es dagegen kaum. Zu nennen wäre etwa der Hessische Kommunalanzeiger des HGT. Andere Projekte sind bisher über das Stadium von Überlegungen nicht hinausgekommen. Insgesamt kann man w o h l feststellen, daß die Information sowohl der Geschäftsstelle über die Interessen der Mitglieder, wie der M i t glieder über die Politik der Führungsorgane hinreichend groß ist. Ausschlaggebend für die Machtverteilung innerhalb der Verbände ist ihr Grundcharakter. Es handelt sich nicht um Massenverbände, die eine hauptamtliche politische Führung entwickelt haben 81 . Der Typ der Führer der kommunalen Spitzenverbände unterscheidet sich etwa von Gewerkschaftsführern wesentlich. Andererseits sind es auch nicht Honoratiorenverbände 82 , die durch wenige dynamische Persönlichkeiten geführt werden, sondern politische Verbände, die aus politischen Körperschaften zusammengesetzt sind. Dies w i r k t sich insbesondere in der Frage der fachlichen Kompetenz der Mitglieder aus. Die Rolle der hauptamtlichen Funktionäre der kommunalen Spitzenverbände ist gegenüber ihren Mitgliedern und deren Führungsschicht dadurch gekennzeichnet, daß zwar durchaus ein Informationsvorsprung besteht, insbesondere hinsichtlich der staatlichen Politik, jedoch die Unterschiede bei weitem nicht so groß sind wie bei anderen Verbänden. Die fachliche Mitarbeit der Mitglieder, wie sie etwa i n den Fachausschüssen erfolgt, spielt durchaus eine erhebliche Rolle für die Willensbildung des Verbandes. Dies gilt insbesondere für die leistungsstarken Großstadtverwaltungen, die ja weit spezialisierter und in einzelnen Fällen mit besseren Fachleuten besetzt sind als die Geschäftsstellen. Daß auf diese Verwaltungen zurückgegriffen wird, wurde bereits dargelegt. I n einzelnen Fällen hatte dies andererseits zur Folge, daß die Geschäftsstellen von den Wünschen einzelner Gemeinden, besonders 81 D a m i t sind nicht die hauptamtlichen Kräfte der Geschäftsstellen gemeint. 82 Beyme, Interessengruppen, S. 150.
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1. Kap.: Die Organisation der Verbände
einiger großer Mitglieder, stark abhängig wurden und an ihrer Stellungnahme nicht vorbeigehen konnten. So w i r d aus einem Landesverband berichtet, daß einige Städte öfters auf der Berücksichtigung ihres Konzeptes beharrten und auch drohten, sich anderenfalls selbst an die Ministerien i n ihrem Sinn zu wenden 8 3 . Dies sei auch i n mehreren Fällen geschehen. Der Verband begegnete dieser unerwünschten Spaltung in Einzelfragen, indem er die fachliche Arbeit der Geschäftsstelle verbesserte. Dennoch ist ein solcher Vorgang die Ausnahme. Zumeist sind die Geschäftsstellen i n ihrer Politik selbständig und prägen die Meinungsbildung i m Verband wesentlich. Dies hängt allerdings stark von der Person des Geschäftsführers ab. Bei einigen Verbänden handelt es sich um politisch sehr aktive Persönlichkeiten, die in ihrem Verband großes Gewicht haben. Beispiele sind der DST und der DSTGB auf der Bundesebene, oder etwa der HGT. Besonders der DST sieht die Position seines Hauptgeschäftsführers als die eines Fachpolitikers an 8 4 , der protokollarisch über einem Staatssekretär steht. Dies zeigt sich etwa i n der Wahl zweier ehemaliger Oberbürgermeister i n diese Position: Ziebill (1951 - 1963, zuvor OB Nürnberg) und Brundert (1964 - 1968, zuvor OB Frankfurt). I n einer Reihe anderer Fälle sind es dagegen mehr bloß ausführende Geschäftsführer. Eine besondere Rolle spielen generell auch die Geschäftsstellen bei den Gemeindetagen. Durch die größere Zahl der Mitglieder einerseits, deren geringere fachliche Kompetenz andererseits, sind die Geschäftsstellen hier weit weniger von den Mitgliedern abhängig. Wie stark dies zutrifft, w i r d sich unten etwa an der Frage der Gemeindereform zeigen. A n dem oben erwähnten Vorgang zeigt sich das zweite wesentliche Element der Stärke der Mitglieder: sie sind angesichts ihrer laufenden Kontakte zwischen Staats- und Kommunalverwaltung wenigstens zum Teil i n der Lage, politisch eigene Wege zu gehen. Dies gilt aber ebenso für die Vertretung gegenüber den Parlamenten. Durch die kommunale Fraktion ist der Standpunkt der Verbände zwar gut vertreten, doch verringert dies zugleich den Einfluß der Geschäftsstellen i m Verband. Eine Folge der Inkompatibilität w i r d daher sein, daß die Bedeutung des Verbandes als solchen, der Geschäftsstelle und obersten Führung gestärkt wird. Dies zeigt sich auch bereits i n Hessen. Sicherlich ist eine eigene Interessenvertretung nur für große Städte möglich. Sie kommt hier allerdings häufiger vor. Auch bei anderen 83 84
Interview. Hofmann, S. 175 ff.
IV. Die Beratung durch die Verbände
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Mitgliedern sind jedoch Sonderaktionen von Gruppen von Mitgliedern möglich. Dies ist besonders bedeutsam angesichts der recht heterogenen Mitglieder, die in vielen Punkten unterschiedliche Interessen haben. I n allen Verbänden sind daher Mehrheitsentscheidungen nicht üblich. I n der Satzung des DST gibt es auch eine Klausel, daß alle Beschlüsse mit 3 /4-Mehrheit gefaßt werden müssen. Dies dient jedoch nur dazu, eine parteipolitische Majorisierung zu verhindern. I n sachlichen Fragen w i r d auch in den anderen Verbänden Einstimmigkeit angestrebt, und die Politik der Verbände ist darauf angelegt, einen Ausgleich zwischen den Interessen ihrer Mitglieder zu erreichen. Dies gilt insbesondere für die finanzpolitischen Fragen m i t den großen Unterschieden zwischen Betriebsgemeinden, Wohnsitzgemeinden und agrarischen Gemeinden, die vor allem i n den Gemeindetagen ausgeglichen werden müssen. Es besteht durchaus ein verbandsexterner Wettbewerb zwischen den einzelnen Spitzenverbänden, der wie bereits dargelegt wurde, teilweise recht lebhaft ist. Vornehmlich i n dieser Form äußerten sich auch die grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten, während ein offener Konf l i k t innerhalb eines Verbandes selten ist. Einen verbandsexternen Wettbewerb kann man auch darin sehen, daß für Sonderinteressen die Möglichkeit einer selbständigen Vertretung besteht. Diese ist einmal über die Fachverbände möglich, worauf unten eingegangen wird. Aber auch die Spitzenverbände selbst vertreten Sonderinteressen, wie etwa die der Wald besitzenden Gemeinden oder die der Garnisonsgemeinden. Wenn diese nicht i n hinreichendem Maße vertreten werden, kann dies zu Abspaltungen führen. So war es z. B. bei den Garnisonsgemeinden in Baden-Württemberg der Fall, die für ihre Interessen hinsichtlich des Finanzausgleichs 1968 eine eigene Arbeitsgemeinschaft außerhalb des StV gründeten 85 . Letzten Endes kann dies auch zu eigenen Verbänden führen. Die kommunalen Spitzenverbände versuchen natürlich von vornherein, solche Interessengegensätze zu integrieren. IV. Die Beratung durch die Verbände und das Verhältnis zu den Fachverbänden Die wichtigste Aufgabe der kommunalen Spitzenverbände neben der Interessenvertretung ist die Beratung ihrer Mitglieder. Sie ist zwar aus dem Thema dieser Arbeit bewußt ausgeklammert, doch sind einige kurze Hinweise trotzdem notwendig, da sich Beratung und Interessenvertretung nicht klar voneinander trennen lassen, was insbesondere für die Arbeit der Fachverbände gilt. Außerdem hat die Beratung Einfluß auf die interne Machtverteilung in den Verbänden. 85
Stuttgarter Zeitung 20.12.1968.
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1. Kap.: Die Organisation der Verbände
Sie erhöht die Rolle der Geschäftsstellen und macht eine Mitarbeit in den Verbänden nahezu unumgänglich. Die Beratung erfolgt zum Teil i n grundsätzlichen Fragen generell für alle Mitglieder, zum Teil auf Ersuchen der einzelnen Mitglieder in Einzelfragen. Ersteres geschieht in den Zeitschriften, Mitteilungsblättern, in fachlichen Publikationen (Gesetzesausgaben etc.), durch Erarbeiten von Mustersatzungen, auf Tagungen und Lehrgängen. Dazu kommt teilweise auch eine M i t w i r k u n g in der Verwaltungsausbildung 86 . Es handelt sich dabei sowohl um allgemein fachliche wie um vergleichende und um rechtsauslegende Beratung, wobei diese vor allem auf Ersuchen einzelner Mitglieder erfolgt. Der Umfang dieser Tätigkeit ist sehr unterschiedlich bei den einzelnen Verbänden 87 . Beim DST macht sie ca. 20 - 30 °/o der Arbeit aus, bei den Landesverbänden von DST und D L T ungefähr die Hälfte, bei den Gemeindetagen wesentlich mehr, bis zu 90 °/o. A m weitesten ausgebaut ist hier wohl der HGT, der zusätzlich noch die Gemeinden i n Verwaltungsstreitverfahren vertritt 8 8 . Er hatte daher beispielsweise 1968 ca. 2000 Auskunftsersuchen zu bearbeiten 89 . Zu nennen ist auch das Freiherr von Stein-Institut zur Fortbildung der ehrenamtlichen Kräfte, das vom HGT mitgetragen wird. Dies ist jedoch die einzige Einrichtung der kommunalen Spitzenverbände für die Ehrenamtlichen 90 . Die Beratung steht bei den Gemeindetagen deswegen so i m Vordergrund, weil sie angesichts der leistungsschwachen Verwaltung der Mitglieder nötig ist. I m Zuge der Gemeindereform verliert dies an Bedeutung, und die Gemeindetage (so in Nordrhein-Westfalen) versuchen auch, diese traditionelle Form der Verbandsarbeit in den Hintergrund treten zu lassen gegenüber der Interessenvertretung. Die Beratungsfunktion der kommunalen Spitzen verbände ist jedoch keineswegs auf die kleinen Gemeinden beschränkt, sie ist vielmehr für die Städte hinsichtlich der generellen, zukunftsorientierten Beratung von ebenso großer Bedeutung angesichts ihrer vielfältigen Probleme. Die Städte sind daher auch die wichtigsten Träger i n einem ganzen Netz von Fachverbänden, die für Beratung und Interessenvertretung in Fachfragen geschaffen wurden. Den kommunalen Spitzenverbänden, i m wesentlichen dem DST, bleiben dabei die Grundsatzfragen, die Koordination und die kommunalpolitische Führungsrolle. 86
So i n Baden. Vgl. „Die Gemeinde" (Baden). Interview. 88 § 2 der Satzung. 89 Hessische Gemeindezeitung 1970, S. 50. 90 F ü r die Weimarer Republik: Wilhelm Kampmann, Die kommunalen Spitzenverbände und die Selbstverwaltung. Diss. K ö l n 1932, S. 17. 87
IV. Die Beratung durch die Verbände
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Nur der Beratung dient die Wibera, eine Aktiengesellschaft, die gegen Entgelt i m Auftrag einzelner Städte Gutachten erstattet, besonders zur wirtschaftlichen A k t i v i t ä t der Städte. Demgegenüber hat die Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung die Aufgabe, generelle Gutachten für die Verwaltungen auszuarbeiten 91 . Beispiele sind ihre Arbeiten zur Haushaltsplangliederung, zur Stellenbewertung und zur zwischengemeindlichen Zusammenarbeit 02 . Ihre M i t glieder sind vor allem die größeren Städte. Erst i n jüngster Zeit traten ihr auch Landkreise in größerer Zahl bei, womit ihre Ergebnisse auch i m Landkreis-Bereich angewandt werden. Neben diesen Institutionen gibt es eine Reihe von Fachverbänden mit ausschließlich oder teilweiser kommunaler Mitgliedschaft, die neben der fachlichen Beratung zugleich die Vertretung der Interessen i n dem speziellen Sektor übernehmen. Die wichtigsten sind der Verband kommunaler Unternehmen (VKU), der Verband öffentlicher Verkehrsbetriebe (VÖV), die Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände (VKA), die Deutsche Krankenhausgesellschaft, der Deutsche Sparkassen- und Giroverband, der Deutsche Volkshochschulverband, der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge usw. 9 3 . I h r Aufbau ist i m einzelnen sehr unterschiedlich, schon von der Mitgliedschaft her. Teilweise bestehen zwischen privaten und kommunalen Trägern gegensätzliche Interessen, z. B. bei den wirtschaftlichen und sozialen Verbänden. I n einigen sind die Gemeinden selbst Mitglieder, bei anderen die jeweiligen Aufgabenträger, so beim Sparkassen- und Giroverband. Diese Verbände können natürlich eine weit selbständigere Politik i m Verhältnis zu den kommunalen Spitzen verbänden treiben. Das gut ausgebaute Netz der Beratung, Forschung und Aufgabenerfüllung, dessen Aufbau hier nicht i m einzelnen dargelegt zu werden braucht, w i r d von verschiedenen Seiten kritisiert. Schon Peters hielt es 1926 für eine große Gefahr für den Staat, und er machte für die Entstehung der Verbände den Rückzug des Staates aus seiner Beratungsfunktion verantwortlich. Er empfahl die Einbeziehung der Dienststellen der Verbände i n die Staatsorganisation 94 . Auch Pohle kritisiert es als eine Aushöhlung der Staatsaufsicht, die fördernde und korrigierende Tätigkeit umfassen müsse. Wenn die erstere von den Verbänden 91 Ihre Zeitschrift: Mitteilungen der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung. Köln. 92 Kommunale Gemeinschaftsstelle (Hrsg.): Zwischengemeindliche Zusammenarbeit. 2 Bde. K ö l n 1963/66. 93 Einen Uberblick über die Typen gibt Pohle, S. 208 ff. 94 Hans Peters, Grenzen der kommunalen Selbstverwaltung i n Preußen. B e r l i n 1926, S. 258 ff.
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1. Kap.: Die Organisation der Verbände
übernommen werde, bedeute dies eine Verschlechterung der korrigierenden Tätigkeit 9 5 . Dieser Argumentation muß jedoch widersprochen werden. Die Beratung durch die Verbände entlastet zum einen die Aufsichtsbehörden, etwa durch die Mustersatzungen, was von diesen auch geschätzt wird. Zum anderen leisten die Verbände, worauf Gaiette hinweist 9 6 , eine Arbeit, die die Aufsichtsbehörden nicht erfüllen könnten. Dies gilt einmal hinsichtlich Intensität und Vielfalt der Beratung, die bei personell eingeschränkten Aufsichtsbehörden nicht zu erreichen ist. Zum anderen sei eine vergleichende Beratung über die Ländergrenzen hinweg möglich, wodurch sogar Lücken i n der staatlichen Organisation geschlossen werden können. Als Beispiel führt Gaiette die Leitstelle der Gemeindeverwaltungs- und Sparkassenschulen an, die die Personalausbildung koordiniert. Zum dritten ist auf die Aufgaben gegenüber anderen Verbänden hinzuweisen, wie sie die Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände erfüllt. Diese Funktionen können nicht von staatlichen Behörden übernommen werden. Sicherlich gibt es Grenzen der Beratung durch die Verbände. Gaiette, der selbst Landrat ist, meint, fachliche und die vergleichende Beratung würden von den Verbänden legitim wahrgenommen. Dagegen sollten die schlichtende Beratung (gegenüber den Fachverwaltungen) und die rechtsauslegende besser vom Staat erfüllt werden. Diese Argumentation zeigt das Interesse der Landkreise, die Kommunalaufsicht möglichst weit zu erhalten. Zumindest gegen die letztere Form w i r d man jedoch wohl nichts einwenden können. Die Fachverbände wurden aus verschiedenen Gründen geschaffen. Teilweise dienen sie der Entlastung des DST und um die Fachkenntnisse der betreffenden Behördenleiter nutzbar zu machen. I n anderen Fällen dienen sie der Zusammenarbeit mit privaten Gruppen. Diese Organisation bringt jedoch auch die Gefahr einer gegensätzlichen Entwicklung und das Problem der Koordination durch die Spitzenverbände als übergreifende Organisation m i t sich. Der DST unternahm daher 1966 den Versuch einer verstärkten Zusammenarbeit. Er faßte den Beschluß, die Vertreter des DST in diesen Verbänden sollten darauf hinwirken, daß überflüssige, nur dem Prestige der Verbände dienende Arbeiten unterbleiben. Eine organisatorische Ausweitung sollte auf das Nötigste beschränkt bleiben und eine ständige Zusammenarbeit mit dem DST erfolgen 97 . I n der Praxis wurde 95
Pohle, S. 351 - 353. Alfons Gaiette , Die Beratungsfunktion der kommunalen Spitzenverbände, i n : Der Landkreis 1964, S. 40 f. 97 Hinrich Lehmann-Grube, Der Deutsche Städtetag und die Verbände, i n : Der Städtetag 1966, S. 401 - 405. 96
I V . Die Beratung durch die Verbände
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die Koordination jedoch nicht verbessert. Sie ist besonders schwierig, weil schon die Großstadtverwaltungen unter der Gefahr stehen, i n eine Reihe von Sonderverwaltungen zu zerfallen. Diese finden wiederum ihren Ausdruck i n den Fachverbänden. Solchen Sonderinteressen kann einmal begegnet werden, indem auch Verwaltungsleiter entsandt werden, so daß die Fachverbände keinen Club von Amtsleitern bilden. Überall hat sich jedoch dies allein als unbefriedigend erwiesen 98 , da die Oberbürgermeister an die Geschäftsstellen nicht berichten und so deren Information nicht gesichert ist. Es wurde auch beklagt, daß in diese Verbände entsandte Vertreter bald energische Verfechter der Spezialinteressen wurden, zu deren Bekämpfung sie ausgesandt wurden 99 . Wirklich effektiv ist daher nur die Entsendung von Mitgliedern der Geschäftsstellen und leitender Angehöriger der Spitzenverbände, was für diese eine erhebliche Belastung m i t sich bringt. So ist es etwa beim V K U , der KGSt. (durch die Geschäftsstellen) und bei der V K A (durch ihren Vorsitzenden K l e t t ) 1 0 0 . Eine Möglichkeit ist auch, wie etwa i n Bayern beim V K U , diesen Verband als formelle Untergruppe des Städtetags zu führen. Ein Beispiel für einen Verband, der sich weitgehend von der kommunalen Seite gelöst hat, ist dagegen der Sparkassen- und Giroverband. Seine Mitglieder sind die Sparkassen, selbst Körperschaften öffentlichen Rechts. A u f der Bundesebene besteht eine Verbindung zu den drei Spitzenverbänden ihrer Trägergemeinden durch die Mitgliedschaft der Hauptgeschäftsführer des DST, D L T und DStGB i m Vorstand, wovon der Hauptgeschäftsführer des DST der stellvertretende Vorsitzende ist. Außerdem besteht ein Verbindungsausschuß beider Seiten 1 0 1 . Dies alles ändert jedoch nichts an der Politik dieses Verbandes, sich von der kommunalen Bindung und vom öffentlichen Auftrag zu lösen und die Sparkassen zu Universalbanken, die auch i m internationalen Geschäft tätig sind, zu machen. Auch w i r d i m Gegensatz zu den Interessen der mittleren Städte die Konzentration der Sparkassen gefördert 1 0 2 . Diese Politik w i r d auch vom Bundeswirtschaftsministerium unterstützt. Für die Direktoren der Sparkassen ist dies eine vitale Frage, w e i l mit diesen Interessen hinsichtlich der Geschäftspolitik zugleich handfeste materielle Interessen verbunden sind: die Angleichung ihres Gehaltsniveaus an das der Banken. Von den kommunalen Spitzenverbänden w i r d dies abgelehnt, weil es aus ihrem Besoldungs-
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Interview. Lehmann-Grube, S. 403. 100 Geschäftsbericht DST 70/71, S. 141 ff. 101 Geschäftsbericht DST 70/71, S. 160. 102 Berkenhoff, Städtebund, S. 61 f. und Interview.
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1. Kap.: Die Organisation der Verbände
gefüge herausfallen würde und auf dieses negative Rückwirkungen hätte 1 0 3 . Diese Verflechtung materieller Interessen m i t Sonderinteressen der Körperschaften erwies sich für die kommunalen Spitzenverbände als unüberwindlich. Dieses Problem weist gewisse Parallelen zur Frage der Einheit der Verwaltung auf, auf die unten eingegangen wird. Angesichts dieses Extremfalls w i r d deutlich, warum die Spitzenverbände versuchen, die Gründung neuer Fachverbände zu verhindern und die bestehenden besser unter Kontrolle zu halten. Dies hat sich jedoch mit dem Beschluß von 1966 nicht verbessert. V. Das Zusammenwirken der kommunalen Spitzenverbände Angesichts der Aufsplitterung des kommunalen Lagers i n Verbände, die nicht eindeutig voneinander abgegrenzt sind, und angesichts der in zahlreichen Punkten einheitlichen Interessen ist die Frage des Zusammenwirkens, beziehungsweise eines Einheitsverbandes von erheblicher Bedeutung. Den bisher am weitesten gehenden Versuch eines einheitlichen Verbandes stellt die baden-württembergische Gemeindekammer dar. Da sie sowohl hinsichtlich einer Koordination der Verbände interessant ist wie hinsichtlich ihres Anspruchs auf eine Sonderstellung i m Staat, soll hier auf sie eingegangen werden. Der Gedanke einer gemeinsamen Organisation entstand, vor allem vom Geschäftsführer des Städteverbandes Dr. Hagen angeregt, auf Grund der Tatsache, daß bei der Gründung des Landes insgesamt neun Verbände bestanden, die nach sehr unterschiedlichen Prinzipien aufgebaut waren. Eine gemeinsame Organisation bot den Vorteil einer Vereinfachung, ohne daß die bestehenden Verbände sofort aufgelöst werden mußten. Das Wichtigste war aber, daß man sich eine größere Wirksamkeit der kommunalen Interessenvertretung versprach. Es w u r de angestrebt, die Gemeindekammer i n der Verfassung zu verankern und ihr ein Anhörungs- und Mitwirkungsrecht zu geben, worauf unten eingegangen wird. Dies hatte jedoch eine Einheitsorganisation zur Voraussetzung. Die Gemeindekammer wurde am 4. 1. 1952 gegründet. Schon auf der Gründungssitzung zeigte sich, daß ein Einheitsverband nicht zu erreichen war, sondern nur eine Dachorganisation 104 . Die Ausarbeitung des Organisationsstatuts zog sich wegen dieser Meinungsverschiedenheiten noch bis zum Oktober 1952 hin. Die Arbeit wurde je103
Geschäftsbericht DST 70/71, S. 104 f. Kommunale Nachrichten des Gemeindetags Württemberg-Hohenzollern 1952, S. 3. 104
V. Das Zusammenwirken
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doch wegen der Verfassungsberatungen sofort aufgenommen. Zu nennen ist hier der Parlamentarische Abend am 12.1.1952 und die Vorschläge zur Landesverfassung vom A p r i l 1952 105 . I m Oktober 1952 wurde daher nur ein sehr loses Organisationsstatut beschlossen 106 . Es handelte sich nur um eine Arbeitsgemeinschaft, die die Selbständigkeit der Mitgliederverbände nicht berührte (§ 1). Ihre Tätigkeit wurde weitgehend eingeschränkt auf grundsätzliche Fragen, wie sie nur i n der Zeit des Aufbaus des Landes auftraten (§ 3). Das Hauptorgan war die Kammerversammlung mit 29 Mitgliedern, die von den Verbänden delegiert wurden. Beschlüsse mußten jedoch einstimmig gefaßt werden und die Auffassungen eines widersprechenden Verbandes mit vorgetragen werden (§ 7). M i t diesem Statut waren die Meinungsverschiedenheiten über die Organisation keineswegs ausgeräumt. Insbesondere war eine zunächst geringfügig erscheinende Frage umstritten: ob der gesamte Schriftverkehr mit den Ministerien über die Gemeindekammer geleitet werden sollte, was eine Vereinfachung bedeutet hätte. Andererseits hätte gerade dies zu einem Informationsvorsprung der Gemeindekammer geführt und unter Umständen zu einer falschen Information der Verbände. I n erster Linie war es die Städteseite, die versuchte, der Gemeindekammer eine möglichst feste Form zu geben, während die Landkreisverbände am stärksten auf eine lose Arbeitsgemeinschaft drängten. Dies geschah in der Furcht, i n einem Einheitsverband würden die Interessen der Landkreise zu kurz kommen. Seinen Grund hat dies wohl in der Erwägung, daß Gemeinden und Städte vielfach die gleichen Interessen haben, und daher eine Majorisierung denkbar ist. Darüber hinaus wurde aber befürchtet, daß die großen Städte in einer solchen Organisation dominierten, wie es i m 3. Reich i m Deutschen Gemeindetag der Fall gewesen war. A u f Grund der Interessenunterschiede zwischen Landkreis- und Gemeindeverbänden hatten letztere den Eindruck, ständig i n sachlichen Fragen benachteiligt zu werden. Weiter unten w i r d dies an der Frage der Rechtsnatur der Landkreise deutlich werden. Daß man sich i m Verlauf der Verfassungsberatungen direkt an die verfassunggebende Landesversammlung wenden mußte, da man über die Gemeindekammer keine befriedigende Lösung erreichte, ließ dem Verband württembergisch-badischer Landkreise eine eigene Organisation als zentral erscheinen. Auch i m Landtag vermißte man die Unterstützung der führenden Mitglieder der Gemeindekammer. Schon A n 105 Hermann Hagen, Die Gemeindekammer i n Baden-Württemberg, i n : Der Städtetag 1952, S. 163 f. 106 Nach A k t e n des L K T BW, der StV B W und des W G T sowie Interviews.
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1. Kap.: Die Organisation der Verbände
fang 1953 wurde daher bei den Landkreisen erwogen, ob man wieder austreten solle. Umgekehrt schlugen i m WGT einige Mitglieder vor, die Landkreise aus der Gemeindekammer hinauszudrängen und eine konsequente Politik gegen sie zu betreiben. Dennoch traten die Landkreise nicht aus, wohl w e i l sie befürchteten, dann ganz isoliert zu sein. Nicht nur seitens der Landkreise bestand Mißtrauen, sondern auch zwischen den Städten und den kleineren Gemeinden kam es zu Streitigkeiten, besonders um die Abgrenzung beider Gruppen. Andererseits ging es auch u m den Einfluß auf die Geschäftsstelle, der mit ihrer Besetzung verbunden war sowie um die Satzung des Verbandes. Es zeigte sich, daß hinter der nach außen betonten Einigkeit latente Konflikte bestanden, die ihre Ursache i n unterschiedlichen Interessen haben. Auch i n den sachlichen Beratungen wurde keine Form erzielt, die eine fruchtbare Arbeit ermöglichte. Sehr viel Zeit mußte darauf verwendet werden, die Meinungen zwischen den verschiedenen Gruppen zu klären. Das gegenseitige Mißtrauen führte dazu, daß teilweise vorbereitete, schriftlich formulierte Erklärungen verlesen wurden. A l l gemein waren die Verbände zu Kompromissen kaum bereit. Abweichende Stellungnahmen mußten daher häufig an Landtag und Regierung m i t übergeben werden. Wenn aber eine Einigung erreicht wurde, waren dies häufig Formelkompromisse, die natürlich nicht die Aussicht hatten, die Beratungen des Landtags unverändert zu überstehen. Auch für die Interessenvertretung gegenüber dem Landtag wurde der Wert der Gemeindekammer bald geringer beurteilt als zu Anfang. Sie hatte sich zwar z. B. i n manchen Fragen der Landesverfassung oder i n der Frage der Amtszeit der Bürgermeister und Landräte als nützlich erwiesen, doch wurde sie in vielen Fragen behindert durch die mangelnde Einheitlichkeit. Außerdem war sie nicht i n der Verfassung verankert worden. Angesichts all dessen konnte die Gemeindekammer nur durch eine noch lockere Organisation gerettet werden. Dies wurde versucht mit einem neuen Statut vom A p r i l 1954. Es gründete sich auf drei Landesarbeitsgemeinschaften der größeren Städte, der kleineren Städte und Gemeinden und der Landkreise, zwischen denen volle Parität bestehen sollte. Damit war die Politik der Landkreise anerkannt, zunächst Verbände wie auf der Bundesebene zu schaffen, wodurch die jeweiligen Interessen deutlicher werden. Sie hatten eine Landesarbeitsgemeinschaft baden-württembergischer Landkreise bereits am 7.11.1952 gegründet 1 0 7 . 107
Die Selbstverwaltung 1952, S. 330.
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Die zweite Veränderung war, daß es sich mehr um ein reines Koordinierungs- als u m ein Beratungs- und Beschlußorgan handelte, da nur noch einstimmige Stellungnahmen abgegeben werden sollten. Fragen, i n denen dies nicht erreicht wurde, wurden an die Landesarbeitsgemeinschaften zurückverwiesen. Für diese Funktion der Koordinierung, die nicht lange Beratungen und Kompromisse anstrebt, sondern von der Vorklärung der Gruppenmeinungen ausgeht, ist die Form der Geschäftsführerkonferenz am zweckmäßigsten. Trotz dieser bescheideneren Zielsetzung war aber das Mißbehagen bereits so groß, daß das Statut praktisch nicht mehr i n K r a f t trat. Es zeigte sich, daß eine Aggregation dieser durchgehenden Interessenunterschiede, die hinausgeht über den i n jedem Interessen verband schon als solchem zu leistenden Interessenausgleich 108 durch die kommunalen Verbände selbst nicht möglich ist 1 0 9 . Es ist auch fraglich, ob es zweckmäßig wäre, wenn diese Verbände versuchten, die Aggregations-Funktion zu übernehmen, und sich nicht beschränken auf die Interessen-Artikulation 1 1 0 . Eine Entscheidung wäre i m Rahmen eines Einheitsverbandes nur möglich nach jeweils wechselnden Interessenkoalitionen verschiedener Gruppen, nicht aber nach sachbezogenen Gesichtspunkten. Auch wurde für die Interessenvertretung durch die Einheitsorganisation nicht viel gewonnen. Dagegen sind die Verbände i n Baden-Württemberg nach dem Mißerfolg der Gemeindekammer bewußt zu einer ganz informellen Koordination übergegangen 111 . Geschäftsführerkonferenzen finden regelmäßig alle zwei Monate statt, jedoch auf Einladung der Kommunalabteilung des Innenministeriums, so daß sie eigentlich mehr der Anhörung der Verbände als deren Koordination dienen. Treffen der Präsidenten der Verbände sind selten, jedoch gibt es je nach Bedarf gelegentlich gemeinsame Arbeitsausschüsse und Stellungnahmen an den Landtag (ca. 1 - 2 mal jährlich). Sie sind aber die Ausnahme. Die Federführung dabei wechselt zwischen den Verbänden nach Bedarf. Davon abgesehen ist die Information über die gegenseitigen Standpunkte ziemlich gut, und die laufende informelle Koordination w i r d von allen Verbänden als befriedigend angesehen. Dennoch muß gefragt werden, ob nicht ein geschlosseneres Auftreten gegenüber dem 108 Gabriel A. Almond u n d James S. Coleman, The politics of developing areas. Princeton 1960, S. 39. 109 Die Vermutungen Schmidt-Eichstädts, i n : A f K 1972, S. 133 über die Gründe f ü r das Scheitern treffen also nicht zu. Die K a m m e r scheiterte ausschließlich an internen Streitigkeiten. 110 Definition der Begriffe bei Almond / Coleman, S. 33 - 39. 111 Interview.
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1. Kap.: Die Organisation der Verbände
Landtag möglich wäre, aber auch gegenüber dem Ministerium, wenn Geschäftsführerkonferenzen auch ohne dieses stattfänden. Ähnlich verhält es sich i n den meisten anderen Bundesländern. So wurde etwa i n Hessen die formelle Arbeitsgemeinschaft der vier Verbände vor kurzem aufgelöst 112 . Stellungnahmen an den Landtag erfolgen gesondert, und es werden jeweils Zweckbündnisse eingegangen. Arbeitsgemeinschaften bestehen jedoch i n Nordrhein-Westfalen und in Rheinland-Pfalz. I n letzterem erfolgen Stellungnahmen überwiegend gemeinsam, und es werden sogar abweichende Auffassungen in einem Papier mitgeteilt 1 1 3 . Noch besser ist die Zusammenarbeit in Niedersachsen, wo sich die Landesregierung stets an die Arbeitsgemeinschaft, nicht an die einzelnen Verbände wendet, sowie i n Schleswig-Holstein. Hier wechselt der Vorsitz zwischen den Verbänden jährlich, und es finden regelmäßige Tagungen des Vorstandes statt 1 1 4 . A m wichtigsten ist natürlich die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände, deren Organisation für die zukünftige Entwicklung entscheidend ist. Sie beruht auf einer Vereinbarung vom 19. 5. 1953 115 . Pläne, die Organisation zu verstärken 1 1 6 , wurden bisher nicht verwirklicht. Ihre Organe sind die Hauptversammlung, die aber bisher nie zusammentrat, und ein Gesamtvorstand aus je vier Vertretern jedes Verbandes. Er t r i t t jährlich zusammen und verabschiedet Resolutionen, die auf den Geschäftsstellenbesprechungen vorbereitet werden. Als Beratungsgremium wurde er jedoch auch schon i n einzelnen Fällen, wie beim Bundesraumordnungsgesetz, tätig. Das wichtigste Element sind die Geschäftsstellenbesprechungen, die alle sechs Wochen stattfinden, sowie der laufende und intensive Kontakt der zuständigen Referenten, durch den auf vielen Gebieten einheitliche Stellungnahmen erzielt werden können. Dies gilt sowohl für Bereiche, i n denen geringe Interessengegensätze bestehen (z. B. öffentliches Dienstrecht, Verwaltungsrecht, Baurecht, Sozialhilfe), wie für einzelne politisch strittige Fragen, über die ein Kompromiß erreicht werden kann (Bundesraumordnungsgesetz, Städtebauförderungsgesetz). Die Federführung der Bundesvereinigung liegt beim DST. Welche Bedeutung dies außer der technischen Ausarbeitung der Stellungnahmen, dem Führen des Schriftwechsels und dem Vorsitz hat, ist umstritten. Vom DST w i r d betont, es bedeute keine sachliche Vorherrschaft, zumal kein Verband überstimmt werden könne 1 1 7 . Von den an112 113 114 115 110 117
Interview. Interview. Der Städtebund 1969, S. 106. Ziebill, Die kommunalen Spitzenverbände, S. 595 f. z. B. Beratungen des Gesamtvorstandes vom 24. 2. 1961. Schnell, S. 55 ff.
V. Das Zusammenwirken
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deren Verbänden w i r d jedoch beklagt 1 1 8 , es bringe für den DST durchaus Vorteile, die auch z. B. durch gelegentliche verspätete Information genützt würden. Sicherlich spielt für den DST auch das Prestige eine Rolle. U m 1960 herum wurde aus diesem Grund vom D L T ein Wechsel in der Federführung vorgeschlagen 119 . Der DST lehnte dies mit der Begründung ab, die anderen Verbände seien von ihrer Ausstattung her dazu nicht i n der Lage. Nach einer internen Schätzung des DST liegt die sachliche Arbeit in den einzelnen Abteilungen bis zu 95 °/o bei diesem Verband 1 2 0 , wobei die Zusammenarbeit in den einzelnen Bereichen sehr unterschiedlich ist. Die bessere Ausstattung mit Fachleuten sowohl innerhalb wie außerhalb der Geschäftsstelle bewirkt eindeutig auch sachlich ein größeres Durchsetzuugsvermögen. Neben den Kontakten der Geschäftsstellen, die auch zunehmend zu einer gegenseitigen Vertretung bei Anhörungsterminen führen, gibt es auch einige gemeinsame Ausschüsse von Verwaltungsleitern. Der wichtigste ist der seit langem bewährte Zonenrandausschuß, i n dem der D L T führend ist. Daneben gibt es einen gemeinsamen Forstausschuß und neuerdings einen Personalausschuß. Die internationale Arbeit der Verbände w i r d durch den Auslandsausschuß koordiniert 1 2 1 . Es ergibt sich die Frage, ob nicht eine Verstärkung der gemeinsamen Arbeit auf dieser Ebene einen Abbau der Differenzen erleichtern würde. Ein Einheitsverband wurde erstmals 1969 öffentlich vorgeschlagen vom ehemaligen Geschäftsführer des DGT Rüdiger Göb 1 2 2 , damals Beamter i m Bundesinnenministerium. Er argumentierte vor allem mit der mangelnden Durchsetzungskraft der Verbände, die bei einem Einheitsverband wesentlich größer werde. Die Interessengegensätze würden durch die Aufteilung des kommunalen Lagers verstärkt. Es erfolge auch eine viel zu geringe grundsätzliche Arbeit für die Weiterentwicklung der Selbstverwaltung. I n seinen Ausführungen spielen sicher seine Erfahrungen i m DGT eine wesentliche Rolle, insbesondere hinsichtlich der Schwäche eines Teils der Verbände. Es zeigt sich darin aber auch das Interesse des Staates an einer stärkeren Konzentration i m Verbandswesen. Dies w i r d etwa deutlich an seiner Forderung nach einer Führungsfunktion der Verbände in der Verwaltungsreform, die so einheitlich gestaltet werden könne. 118
Interview. Interview. 120 DST A k t e n Dir. 30/00/3. 121 Z u r Auslandsarbeit, auf die hier nicht eingegangen werden kann, vgl. Schnell, S. 80 u n d insbesondere: Tilman Pünder, Kommunale Auslandsarbeit, i n : Der Städtetag 1968, S. 286 - 290. Dort auch weitere Literaturangaben. 122 Rüdiger Göb, Die kommunalen Spitzenverbände — Erstarrung oder Aufbruch, i n : Der Landkreis 1969, S. 5 - 9. 119
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1. Kap.: Die Organisation der Verbände
Wieweit ein solcher Einheitsverband möglich und wünschenswert ist, bleibt zu bezweifeln. A u f diese Frage soll unten i n Zusammenhang mit den Konflikten der Verbände näher eingegangen werden. VI. Kommunalpolitiker als Landtagsabgeordnete Die Mitgliedschaft der kommunalen Wahlbeamten i m Landtag, die sogenannte Bürgermeisterfraktion, steht i m Lichte der öffentlichen Aufmerksamkeit. Die vielschichtige Problematik dieser Abgeordnetengruppe kann i n dieser Arbeit, die die Rolle der kommunalen Spitzenverbände i n den Mittelpunkt stellt, nicht untersucht werden. Auch auf die Gründe für ihre Entstehung kann hier nicht eingegangen werden. Dies ist auch nicht notwendig, da die „Bürgermeisterfraktion" wohl kaum ein Resultat der Arbeit der kommunalen Spitzenverbände ist, sondern von ihnen mehr oder weniger vorgefunden wird. Wenn gelegentlich in der Literatur Beispiele angeführt werden von Aufrufen, sich für die parlamentarische Arbeit bereitzuhalten 1 2 3 , so beweisen diese geradezu das Gegenteil, denn mit solchen Aufrufen ist keine Beeinflussung zu erreichen. Es ist auch nicht zu sehen, wie diese bei lokalen Parteigremien denkbar wäre. Allenfalls die Bürgermeister der kleinen Gemeinden können in den Parteien durch ihre Zahl eine Rolle spielen. Für die Wahl von Kommunalbeamten sind dagegen wohl andere Gründe maßgebend: der Bekanntheitsgrad i n Parteigremien und Öffentlichkeit, die Funktionen, die sie i n lokalen Parteigremien auf Grund ihres Amtes ausüben und die politische Macht, die dieses A m t verleiht. Oft w i r d auch die Erwägung eine Rolle spielen, durch eine über die lokalen Probleme gut informierte Person für die Gemeinde besondere Vorteile zu gewinnen. Dies kann i n manchen Fällen, wie in Hessen, sogar zu einer Notwendigkeit werden, die Kommunalbeamten i n den Landtag zu entsenden. Wenn auch diese Abgeordnetengruppe eine Form des kommunalen Einflusses ist, die teilweise neben den Spitzenverbänden herläuft, so kann doch von ihrer Untersuchung nicht abgesehen werden. Beide Erscheinungen sind i n vielen Punkten miteinander verknüpft, und es erhebt sich die Frage, wieweit dies der Fall ist. I n diesem Abschnitt jedoch soll zunächst nur der Umfang und die Abgrenzung dieser Abgeordnetengruppe dargelegt werden. Dabei soll nicht ausgegangen werden von dem Maß, i n dem sich die Abgeordneten tatsächlich für die kommunalen Belange einsetzen, sondern zunächst von den objektiven Daten ihrer Herkunft. Außerdem werden für Baden-Württemberg diejenigen Abgeordneten aufgeführt, die i n ihrer Fraktion i n Fragen des 123 Bertram, S. 100, 114. Ä h n l i c h auch i n Baden-Württemberg 1952 (Akten der Gemeindekammer). Vgl. Kommunale Nachrichten 1952, S. 3.
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Kommunalrechts von Einfluß waren. Die Angaben erfolgen auf Grund der Handbücher der Landtage. Diese sind, soweit die hauptamtlichen Kommunalpolitiker untersucht werden, als Quellen hinreichend. Bei aktiven Kommunalbeamten handelt es sich u m die Berufsangabe, bei ehemaligen um eine prominente Funktion, die wohl stets angegeben wird. Unter den aktiven und ehemaligen Kommunalpolitikern ist sorgfältig zu unterscheiden zwischen kommunalen Wahlbeamten und ehrenamtlichen Gemeinderäten und Kreisverordneten 1 2 4 . Letztere unter den Abgeordneten zu zählen ist i m Hinblick auf den kommunalen Einfluß so gut wie sinnlos, außer für Niedersachsen und NordrheinWestfalen. I n der Mehrzahl unterstützen sie die Verbände i n den spezifisch kommunalpolitischen Fragen nicht. Allerdings kommt es in Einzelfällen durchaus vor. Es ist dann jedoch individuell bedingt, mehr durch die Einsicht als durch Interessen, die hier das entscheidende K r i t e r i u m sind. Zwar haben auch die Mitglieder der kommunalen Vertretungen dieselben Interessen wie ihre Körperschaften, doch ist dies weit weniger stark als bei den Wahlbeamten und meist von den anderen Interessen und Einflüssen überlagert. Hier soll also, außer bei den beiden erwähnten Ländern, ausschließlich von den kommunalen Wahlbeamten (auch Beigeordnete beziehungsweise Magistratsmitglieder) ausgegangen werden, da sie bei der Kandidatenaufstellung und Wahl weit mehr als Vertreter der Gemeinden aufgefaßt werden. Sie sind auch i n den Verbänden vorherrschend und werden besser von diesen informiert, was beides eine Grundvoraussetzung für eine A k t i vität i m Sinn kommunaler Interessenvertretung ist. Auch bei ihnen können andere Einflüsse vorliegen: solche der Partei, Sonderinteressen der eigenen Gemeinde oder einer bestimmten Schicht der Bevölkerung. Das gemeinsame Interesse der Gemeinden oder Landkreise spielt jedoch bei ihnen eine größere Rolle. Die kommunalen Wahlbeamten sind dabei zu unterscheiden nach den vier Spitzenverbänden und danach, ob sie hauptamtlich tätig sind, d. h. zumeist aus der Verwaltung kommen, oder Ehrenbeamte sind, und damit i n den meisten Fällen auch Landwirte. Von letzteren kann angenommen werden, daß sie sich mehr für agrarische als für kommunale Interessen einsetzen. Außerdem muß zwischen aktiven und ehemaligen Wahlbeamten unterschieden werden. I m ersten Landtag Baden-Württembergs, der 1951 - 1956 bestand, hatte die CDU 50, die SPD 38, die FDP 23, der BHE 6 und die K P D 4 Abgeordnete 125 . 124 Bei Bertram, S. 148 - 152 w i r d die Betrachtung nach dieser u n d anderen Kategorien nicht hinreichend voneinander getrennt.
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1. Kap.: Die Organisation der Verbände
Von den 50 Abgeordneten der CDU waren insgesamt 16 ehemalige oder aktive kommunale Wahlbeamte. Davon kamen 8 als leitende Verwaltungsbeamte oder Beigeordnete aus Städten des StV, 6 aus Gemeinden der Gemeindeverbände. Sämtliche dieser Abgeordneten waren zugleich Landwirte. Weiter gehörten die beiden Landräte Huber (Aalen) und Gaa (Mannheim) der Fraktion an. Auffällig ist vor allem der hohe Anteil der Städte an der „Bürgermeisterfraktion" i n der CDU, ein Faktum, das sich i n der Zwischenzeit geändert hat. Ob sich dies auf die Politik der CDU auswirkte, w i r d zu untersuchen sein. Die zweite wichtige Tatsache ist, daß der CDU als einziger Fraktion zwei Landräte angehörten. Dem Fraktionsvorstand gehörte keiner dieser Abgeordneten an. Einflußreich waren jedoch: Diez (Singen), Gurk (Karlsruhe), Gaa, Huber und Neinhaus (Heidelberg, zugleich Präsident des Landtags). Bei der Landkreisordnung spielten außerdem eine Rolle: Berberich und Lang, beide aus kleinen Gemeinden und zugleich Landwirte. Von den 38 Abgeordneten der SPD waren 9 aktive kommunale Wahlbeamte, davon 5 aus Städten der StV, 4 aus kleinen Gemeinden. I n der SPD-Fraktion herrschten also, wie zu erwarten ist, die Vertreter der größeren Städte vor. Dies gilt vor allem, wenn man nach dem Einfluß fragt, den die Abgeordneten hatten. Hier sind zu nennen: Krause (Mannheim, der spätere Innenminister) und Kalbfell (Reutlingen), der gleichzeitig Präsident des StV war. Jedoch gehörte dem Fraktionsvorstand keiner der kommunalen Abgeordneten an. Von den 23 Abgeordneten der FDP waren 8 kommunale Wahlbeamte, davon 4 aus Städten des StV, 4 aus kleineren Gemeinden. Einflußreich waren: die Oberbürgermeister Brandenburg (Pforzheim) und Kohler (Schwenningen), der ehemalige Oberbürgermeister von Schwenningen Gönnenwein (ab 1930 und 1946 - 49), der als Professor in Heidelberg sich vor allem mit dem Kommunalrecht befaßte und daher auf den Landtag einen entscheidenden Einfluß ausübte. Der Abgeordnete Menges dagegen war ein äußerst engagierter Verfechter der Gemeindeinteressen, jedoch in seiner Fraktion und im Landtag etwas isoliert, obwohl er stellvertretender Fraktionsvorsitzender war. BHE und K P D fallen bei dieser Betrachtung natürlich weg, ebenso wie heute die NPD. Von den insgesamt 121 Landtagsabgeordneten waren also 33 ehemalige oder aktive kommunale Wahlbeamte ( = 27 °/o). Jedoch waren alle 125 Die Angaben für die 1. Legislaturperiode nach Beilagen zu den Sitzungsprotokollen des Landtags von Baden-Württemberg. 1. Wahlperiode, Nr. 1 und Nr. 1881.
V I . Kommunalpolitiker als Landtagsabgeordnete
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i m gleichen Maße den Gemeinden verbunden. Dies t r i f f t z. B. für die drei ehemaligen Wahlbeamten zu, die weniger von einem aktuellen Interesse als von einer Kenntnis der Probleme bestimmt sind. Differenziert ist die Situation wohl auch bei den 8 Landwirten, die zugleich Bürgermeister waren. Allerdings spielten einige unter ihnen, wie die Abgeordneten Berberich und Lang, bei der Beratung der Landkreisordnung eine große Rolle. Es bleiben also 30 hauptamtliche kommunale Wahlbeamte ( = 25%). Davon waren 14 aus Mitgliedsstädten des StV, 14 aus Mitgliedsgemeinden der Gemeindeverbände sowie 2 Landräte. I m Verwaltungsausschuß des Landtags, der zugleich die Funktion eines kommunalpolitischen Ausschusses erfüllt, schlug sich diese Vertretung der Kommunalbeamten noch weit stärker nieder. Von 20 M i t gliedern waren 12 der kommunalen Fraktion zuzurechnen: 6 von 9 der CDU, 3 von 4 der FDP, 3 von 6 der SPD, allerdings nicht deren wichtigste Abgeordnete, der Ausschußvorsitzende Lausen und der ehemalige Innenminister von Württemberg-Hohenzollern Renner, der in seiner Partei den größten Einfluß in Verwaltungsfragen hatte. Er stand, durch seine frühere Tätigkeit bedingt, den Anschauungen des Innenministeriums nahe und vertrat diese sehr energisch. Diese überproportionale Vertretung der Kommunalbeamten läßt sich auch in den anderen Landtagen verfolgen. So waren in Hessen 1967 - 1971 i m Innenausschuß 13 von 21 Mitgliedern dieser Gruppe zuzurechnen, i n Niedersachsen ab 1970 11 von 19, in Baden-Württemberg 1964 - 1968 15 von 25, 1968 - 1972 11 von 25. Noch ausgeprägter ist dies, wo ein eigener kommunalpolitischer Ausschuß besteht, wie i n Nordrhein-Westfalen, i n dem 13 von 18 Mitgliedern der Selbstverwaltung zuzurechnen sind und i m Ausschuß für innere Verwaltung 12 von 24. Es ergibt sich also, daß i n allen Landtagen eine eindeutige Verbandsfärbung der Verwaltungsausschüsse besteht, ähnlich wie dies für andere Fachausschüsse zutrifft 1 2 6 . Der Grund liegt wohl darin, daß die Kommunalpolitik zweifellos das wichtigste Thema für diese Ausschüsse ist. Dem kommunalen Einfluß widerstrebende Interessen sind jedoch i m Landtag kaum vertreten. Daher bilden auch die anderen Ausschußmitglieder keine einheitliche Gruppe mit anderen Interessen. Zweifellos sind aus diesem Grund für die kommunalen Spitzenverbände die Ausschüsse innerhalb des Parlaments der wichtigste Adressat ihrer Forderungen. Vergleicht man damit die Entwicklung des baden-württembergischen Landtags, so zeigt sich, daß der Anteil der kommunalen Fraktion als Ganzes gleichgeblieben oder eher gestiegen ist. 1968 - 1972 waren 126
Beyme, Interessengruppen, S. 103 f.
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1. Kap.: Die Organisation der Verbände
von 127 Abgeordneten (115 ohne NPD) 36 haupt- und ehrenamtliche Kommunalbeamte, darunter 7 ehemalige und 5 ehrenamtliche. Von den kommunalen Spitzenverbänden wurde diese Entwicklung durchaus begrüßt. Erst i n Zusammenhang mit der Diskussion um die Inkompatibilität appellieren sie an die Parteien, weniger Kommunalbeamte aufzustellen 127 . Die Zunahme kam jedoch vor allem den Bürgermeistern der kleineren Gemeinden zugute (19 Abgeordnete), während die aktiven Oberbürgermeister zunehmend aus dem Landtag ausgeschieden sind. 1968 waren es nur noch 2 gegenüber 17 i m 1. Landtag. Der Grund liegt sicher in der Arbeitsüberlastung in den mittleren und großen Städten. A n der Stelle der Oberbürgermeister werden häufig die ersten Bürgermeister entsandt (Heidelberg, Ulm, Karlsruhe, Bietigheim u. a.). Weniger ausgeprägt ist dies allerdings i n Rheinland-Pfalz, wo i n der SPD die Oberbürgermeister eine große Rolle spielen und ebenso in Hessen bis 1970. Allerdings sind die Städte wohl insofern bevorzugt, als sie in der Regel über qualifiziertere Personen verfügen, die zudem schon durch das Gewicht der Städte i n den Parlamenten eine große Rolle spielen. Hingegen w i r k t sich die große Zahl der Bürgermeister kleinerer Gemeinden nicht i n gleichem Maße aus, zum einen weil sie auch Nicht-Fachbürgermeister enthält, zum anderen weil die Bedeutung dieser Abgeordneten sehr unterschiedlich ist. Wenn auch sehr einflußreiche Abgeordnete darunter sind, wie etwa in BadenWürttemberg der SPD-Fraktionsvorsitzende Bührirxger, so ist doch zu beobachten, daß sie sich in vielen Fällen nicht durchsetzen konnten. Eine weitere Gruppe, die an Bedeutung zugenommen hat, ist die der Landräte, die von 2 auf 5 anwuchs. Noch ausgeprägter ist dies in anderen Bundesländern, i n denen die Landräte stärker parteipolitisch geprägt sind, wie i n Hessen (7 von 96 Abgeordneten), in Bayern und insbesondere i n Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. A u f die Rolle der Landkreise als Instrument der politischen Dezentralisierung, die sich hierin zeigt, w i r d unten eingegangen. Ähnlich wie i n Baden-Württemberg liegen die Verhältnisse in den anderen Bundesländern außer Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und den Ländern, i n denen die Inkompatibilität bereits eingeführt ist, wie in Hessen seit 1970. So waren i n Hessen 1966 - 1970 von 96 Abgeordneten (88 ohne NPD) 34 Kommunalbeamte, worin 4 ehrenamtliche (Bürgermeister kleinerer Gemeinden oder ehrenamtliche Beigeordnete) inbegriffen sind. Dagegen war i n Rheinland-Pfalz 1967 - 1971 der A n teil der Kommunalpolitiker etwas niedriger: 23 von 100 Abgeordneten (96 ohne NPD). Hierbei muß berücksichtigt werden, daß für die staatlichen Landräte dieses Landes die Inkompatibilität bisher schon be127 württembergische Gemeindezeitung 1969, S. 151.
V I . K o m m u n a l p o l i t i k e r als Landtagsabgeordnete
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stand. Hinsichtlich der Verteilung auf die einzelnen Parteien lassen sich keine eindeutigen Unterschiede feststellen. I n Hessen (23 von 52) und i n Rheinland-Pfalz (13 von 39) ist der A n t e i l der SPD besonders groß, während er i n Baden-Württemberg besonders klein ist. Die CDU weist i n Hessen und auch i n Rheinland-Pfalz erstaunlich wenige Kommunalpolitiker auf, i n Baden-Württemberg und i n Bayern dagegen besonders viele. Daß die Verteilung der Gruppen auf die einzelnen Parteien sehr unterschiedlich ist und von der jeweiligen Stärke i n den Gemeinden abhängt, braucht nicht eigens betont zu werden. Jedoch ist dies nie ganz einseitig. So gibt es auch i n der SPD Bürgermeister kleinerer Gemeinden und Landräte und i n der CDU Oberbürgermeister. Dies ist auch i n den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich und hängt von der jeweiligen politischen Situation ab. Von den Verhältnissen i n der früheren amerikanischen und französischen Zone weichen die Länder ab, in denen sich die britische Reform der inneren Gemeindeverfassung durchsetzte. Wenn auch die Hauptverwaltungsbeamten i n Nordrhein-Westfalen nicht aus dem Landtag durch Inkompatibilität ausgeschlossen sind, so treten sie doch hinter der weit größeren Gruppe der Ratsvorsitzenden zurück. 1962 1966 waren i n diesem Land 6 aktive oder ehemalige hauptamtliche Kommunalbeamte Abgeordnete, 1966 - 1970 10 von 200 Mitgliedern. Demgegenüber ist die Zahl der Ratsvorsitzenden (Oberbürgermeister, Landräte) weit höher. Ihre Nominierung erklärt sich daraus, daß sie zugleich örtliche Führer ihrer Parteien sind, die auch die Kandidaten für den Landtag aufstellen. Ein weiterer Grund liegt wohl i n ihrer politischen Persönlichkeit, die nicht von der Verwaltung, sondern von der Politik ausgeht und zum Landtagsmandat daher eher tendiert. Außerdem sind sie leichter verfügbar, da sie nicht durch die Aufgabe der Leitung der Verwaltung so stark gebunden sind. Zweifellos sind unter diesen Personen auch viele Abgeordnete, für die das kommunale Ehrenamt nur eine Vorstufe für ihre politische Laufbahn war. Diese sind daher für die Verbände weniger ansprechbar, da sie teilweise weniger interessiert, teilweise auch i n Verwaltungsfragen weniger kompetent sind als die Hauptverwaltungsbeamten. Trotzdem bedeuten die ehrenamtlichen Ratsvorsitzenden eine wesentliche Verstärkung des kommunalen Einflusses i m Landtag. Sie sind daher i n diesen Ländern auch der kommunalen Front i m Landtag zuzurechnen. Dies zeigt schon ihre Rolle i n der Gemeinde wie i n den Verbänden. Auch über diesen Personenkreis hinaus ist es jedoch den Verbänden gelungen, auch Stadtverordnete für ihre Arbeit zu gewinnen. Ein Beispiel ist der A b geordnete Scheffler, der als Stadtverordneter Vorsitzender des Städtebundes i m Lande war und zugleich Geschäftsführer der SPD-Fraktion. I n die folgenden Zahlen sind daher auch die Abgeordneten einbezogen,
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1. Kap.: Die Organisation der Verbände
die eine Funktion in den kommunalen Spitzenverbänden oder i n der Kommunalpolitischen Vereinigung auf Landesebene ausübten. Der so definierten Gruppe der Kommunalpolitiker gehörten i m Landtag 1962 1966 60 von 200, 1966 - 1970 63 von 200 Mitgliedern an, ab 1970 noch mehr 1 2 8 . I n Niedersachsen waren es 1967 - 1971 69 von 149 Abgeordneten. Allerdings sind diese Angaben insofern unbefriedigend, als die Handbücher der Landtage in diesem Fall oft nicht angeben, ob ein solches A m t auch während der Mitgliedschaft i m Parlament ausgeübt w i r d 1 2 9 . Während die letztere Zahl außerordentlich hoch ist, kann man dies von Nordrhein-Westfalen nur bedingt sagen. Dennoch ist festzustellen, daß die Veränderung der Gemeindeverfassung zu einer verstärkten politischen Mobilisierung der Abgeordneten zugunsten der Verbände geführt hat. Wenn es auch hinsichtlich der Zahl der Abgeordneten nur teilweise gilt, so doch hinsichtlich des Engagements der Ehrenamtlichen i n den Verbänden, da sie nirgends so hoch ist wie hier. Die Auswirkungen lassen sich i n vielen Bereichen der Politik Nordrhein-Westfalens beobachten, und es ist sicher kein Zufall, daß dieses Land die am weitesten kommunalisierte Verwaltung aller Bundesländer hat. Aus dem Bereich dieser Arbeit ist etwa hinzuweisen auf die Gestaltung der Landesplanung und auf die Eingliederung der Sonderbehörden. Auch für die Entwicklung des Verhältnisses von Ratsvorsitzenden und Hauptverwaltungsbeamten, insbesondere für die weitere Ausgestaltung des Kommunalverfassungsrechts, ist diese Vertretung i m Landtag wichtig. Schon für die Gemeindeordnung von 1955 wurde von Rudzio festgestellt, daß an der Front der Ehrenamtlichen i m Landtag eine Abänderung scheitern muß 1 3 0 . Dies gilt heute in noch stärkerem Maße. Ganz anders als i n den Landtagen verhält sich das Problem i m Bundestag. Nach der Ansicht aller Verbände gibt es hier de facto keine kommunale Front. Zwar gibt es auch vereinzelt aktive Kommunalpolitiker (Hauptverwaltungsbeamte oder Rats Vorsitzende), doch sind diese in ihrer Zahl so gering, daß es sich nicht auswirkt. Außerdem sind sie noch mehr als ihre Kollegen i n den Landtagen durch bundespolitische Probleme beherrscht. Es gibt daher seitens der Verbände auch keinen Versuch, diese Abgeordneten direkt anzusprechen und eine kommunale Front zu organisieren. Dies war nur bei Josef Göb, Geschäftsführer des DGT bis 1960, der Fall, während es heute keine Rolle mehr spielt. Die kommunalpolitische Willensbildung des Bundestags erfolgt daher ganz anders, und die Verbände müssen andere Wege suchen. 128
Eildienst des L K T N W 1970, S. 127. Außerdem sind sie insofern ungenau, als die Ä m t e r der Ratsvorsitzenden oft wechseln. 130 Wolfgang Rudzio, Die Neugestaltung des Kommunalwesens i n der Britischen Zone. Stuttgart 1968, S. 87. 129
Zweites Kapitel Das V e r h ä l t n i s der k o m m u n a l e n G r u p p e n zueinander Das Verhältnis der verschiedenen kommunalen Körperschaften ist, wie bereits die Betrachtung der Organisation der Spitzenverbände gezeigt hat, keineswegs frei von Spannungen. Solche Spannungen und Interessengegensätze ergeben sich in Fragen der Organisation des Verwaltungsaufbaus, i n der Aufgabenverteilung auf die einzelnen Träger und i n der territorialen Verwaltungsreform. Die Probleme der interkommunalen Ordnung sind dabei, nach dem Urteil des ehemaligen Präsidenten des D L T Landrat Seebich1, heute von größerer Bedeutung als das der Ordnung zwischen Staats- und Selbstverwaltung. Diese Interessengegensätze zwischen den einzelnen Körperschaften führten zur Organisation i n getrennten Verbänden, so daß sich die Auseinandersetzungen weitgehend zwischen den Verbänden abspielen. I n einigen Fragen, vor allem in der Reform der kleinen Gemeinden, sind die Interessen auch innerhalb der Verbände unterschiedlich. I m Mittelpunkt dieses Kapitels steht daher die Artikulation der Interessen durch die Verbände und die Auseinandersetzungen innerhalb dieser. Weiter soll dargestellt werden, nach welchen Kriterien die Entscheidungen i n Regierungen, Parteien und Parlamenten getroffen wurden, wie die verwaltungspolitischen Interessen dieser Gruppen sind und wie die Ziele der kommunalen Spitzenverbände durchgesetzt werden können. Entsprechend dem Thema dieser Arbeit 2 werden dabei die Themen nicht behandelt, i n denen eine breitere Öffentlichkeit an verwaltungspolitischen Fragen Anteil nimmt, da der Ablauf der Auseinandersetzungen hier sich von der sonst üblichen Tätigkeit der Verbände stark unterscheidet. Dies betrifft die Fragen der territorialen Verwaltungsreform in der konkreten Entscheidung i n Einzelfällen, während die grundsätzlichen Entscheidungen dargestellt werden. Nach 1945 standen zunächst die Fragen der inneren Gemeindeverfassung, bedingt durch die Entwicklung i m 3. Reich und durch die Politik der Besatzungsmächte, sowie das Verhältnis von Staats- und Selbstverwaltung i m Vordergrund. Von den Fragen, die in diesem Kapitel 1 2
I n Landkreisnachrichten aus Baden-Württemberg 1962, S. 2. s. o. S. 14.
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2. Kap. : Das Verhältnis der kommunalen Gruppen zueinander
behandelt werden, wurde das Verhältnis zwischen Landkreisen und Gemeinden jedoch schon i n den Landkreisordnungen und darauf folgend in einzelnen Entscheidungen über eine Reihe von Aufgaben behandelt. Auch die Probleme der Funktionalreform der Mittelstädte und der Auskreisungen tauchten i n den fünfziger Jahren auf. Die grundsätzlichen Fragen der Verwaltungsreform und der interkommunalen Ordnung wurden i n allen Ländern i n SachverständigenGutachten angeschnitten, insbesondere die territoriale Reform der kleinen Gemeinden, der Landkreise und der Regierungsbezirke 3 . Die Bemühungen scheiterten jedoch vor 1960 i n allen Ländern. Dabei spielte der örtliche Widerstand, wie in Baden-Württemberg 1954 beim Versuch einer Landkreisreform eine wesentliche Rolle 4 . Erst über den Umweg der Raumordnungs-Diskussion kam die Verwaltungsreform wieder i n Gang. Die Raumordnung wurde allerdings zunächst als ein M i t t e l verstanden, unabhängig von jener eine Anpassung an die veränderten Lebensverhältnisse zu erreichen 5 . Auf Grund der Schwierigkeiten der Verwaltungsreform forderten die kommunalen Spitzenverbände bewußt zunächst eine Lösung, die auf der bestehenden Verwaltung aufbauend deren Mängel überspielte. Dies gilt für den D L T 6 und eindeutig auch für den DST, von dem die Raumordnung sehr stark propagiert wurde 7 . Die Kategorien der Raumordnung, insbesondere das Konzept der Region und das des Nahbereichs, erwiesen sich jedoch als Motoren der Verwaltungsreform, und die Landesplanung hatte i n manchen Ländern, besonders i n Nordrhein-Westfalen, einen großen Einfluß auf diese. Vorläufer der Verwaltungsreform sind die Schaffung des Verbandes Großraum Hannover 1962, das Göttingen-Gesetz 1964 und das SiegenGesetz 19668. Sie begann dann i n größerem Umfang i n RheinlandPfalz, wo 1963 eine Sachverständigen-Kommission eingesetzt wurde und ab 1966 die ersten Gesetze erlassen wurden 9 . M i t der Reform der 3
Dies ist zusammengefaßt behandelt bei Frido Wagener, Neubau der Verwaltung. B e r l i n 1969, S. 113 - 147. 4 Rosemarie Wehling, Die Verwaltungsreform i n Baden-Württemberg, dargestellt am Beispiel der Neuordnung der Landkreise. Tübingen 1966. 5 Wagener, Verwaltung, S. 178, 182. 6 Präsidium 7./8.10.1964. 7 Insbesondere: Die Stadt und ihre Region. Stuttgart 1962. 8 Wagener, Verwaltung, S. 147 - 156. 9 Z u m Stand der Verwaltungsreform generell: Herbert-Fritz Mattenklodt, Gebiets- u n d Verwaltungsreform i n der Bundesrepublik Deutschland, M ü n ster 1972. Eberhard Laux, Die kommunale Gebietsreform, i n : Archiv f ü r Kommunalwissenschaft 1973. Wagener, Verwaltung, S. 183 ff. F ü r Bayern außerdem: Der Landkreis 1971, S. 8 2 - 8 4 ; Süddeutsche Zeitung v o m 19.5.71, 25.8.71, 10.11.71, 16.12.71. F ü r Niedersachser : Eildienst des L K T N W 1970,
2. Kap.: Das Verhältnis der kommunalen Gruppen zueinander
Regierungsbezirke, der Landkreise, der Schaffung von Verbandsgemeinden, den Eingemeindungen i n Städte und dem Beginn der Funktionalreform ist hier ein erster Abschluß der Gesetzgebung bereits erreicht. I n Nordrhein-Westfalen wurden Sachverständigen-Gutachten erstattet 1966 zur Reform der kleinen Gemeinden 10 (Gutachten A, bis 1970 zur Hälfte durchgeführt) 11 , 1968 zur Reform der Kreise und des Stadt-Umlandes (Gutachten B) und zur Reform der staatlichen und regionalen Verwaltung (Gutachten C). Die Verwirklichung des Gutachtens Β erfolgte, nachdem Einzelfälle schon zuvor geregelt waren (Bonn, Ennepe-Ruhr-Kreis) 1970 bis 1974. Hier w i r d i m Unterschied zu anderen Ländern kreisweise, beziehungsweise nach Regionen vorgegangen und die Reform von unten nach oben durchgeführt, während andere Länder mit der Reform der Kreise begannen. I n Niedersachsen gab es ebenfalls eine Reihe von Sachverständigen-Gutachten 12 , doch wurden diese zunächst auf Grund des Widerstandes der Landkreise, dann wegen der Auflösung des Landtags, nicht durchgeführt. Nach der Neuwahl von 1970 beschloß die Landesregierung, wie i n NordrheinWestfalen die Reform von unten nach oben zu betreiben. Bis 1974 wurde sowohl eine Reform der kleinen Gemeinden wie des StadtUmlands vorgenommen, und auch einzelne Landkreise wurden bereits neu geordnet 13 . I n Schleswig-Holstein wurde 1969 eine Reform der Landkreise beschlossen, ebenso i n Bayern und i n Baden-Württemberg 1971. I n beiden Ländern wurde die Gemeindereform zunächst auf freiwilliger Basis betrieben, wobei große Fortschritte erzielt wurden. I n Baden-Württemberg folgte auf diese Phase eine gesetzliche Regelung zum 1.1. 1975. Außerdem wurde hier als einzigem Land der Bundesrepublik ein Beschluß über die Abschaffung der Regierungspräsidien (ab 1977) gefaßt, der aber wieder rückgängig gemacht werden soll. I n Hessen nahm die Verwaltungsreform erst 1970 größeren Umfang an, nachdem die FDP i m Koalitionsabkommen 1 4 eine Reform ähnlich der i m übrigen Bundesgebiet durchgesetzt hatte. I m Saarland erfolgte eine Reform der Landkreise 197315. S. 255 f. F ü r N W : Der Landkreis 1969, S. 114-117. F ü r Rheinland-Pfalz: E i n L a n d gibt ein Beispiel. Mainz 1970. L i t e r a t u r zu den Einzelfragen w i r d unten genannt. 10 Sachverständigenkommission für die kommunale und staatliche Neugliederung des Landes Nordrhein-Westfalen: Die Neugliederung der Gemeinden i n den ländlichen Zonen des Landes Nordrhein-Westfalen. Siegburg 1966. Die folgenden Gutachten unter den T i t e l n : Die Neugliederung der Städte und Gemeinden i n den Ballungszonen und die Reform der Kreise. Siegburg 1968. Die staatliche und regionale Neugliederung. K ö l n 1968. 11 Vgl. Der Städtetag 1965, S. 89. 12 Jahresgutachten 1966 u n d 1967, zur Bezirksreform 1968, Schlußgutachten 1969. Hrsg. v o m Niedersächsischen Minister des Innern. 13 Gemeindereform i n Niedersachsen. Hannover 1974. 14 Abgedruckt i n : Der Gemeindetag 1970, S. 394 - 397.
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2. Kap. : Das Verhältnis der kommunalen Gruppen zueinander
Diese Bewegung zur Verwaltungsreform ging zunächst nicht von den kommunalen Spitzenverbänden aus, sondern wurde an die Selbstverwaltung von außen herangetragen. Sie wurde jedoch keineswegs gegen die kommunalen Spitzenverbände gemacht. Diese kann man daher nicht als Veto-Gruppe ansehen 16 , und sie versuchten auch nicht, eine solche Stellung zu erreichen. Dies gilt allenfalls zeitweise und i n einzelnen Punkten für den DGT (so in Hessen), während andere Verbände die Reform durchaus förderten. Dies gilt insbesondere für den DST mit seinen Beschlüssen von 196717, die jedoch schon seit 1960 vorbereitet wurden, sowie für den DStB mit den Beschlüssen von 196818. Dagegen waren die Beschlüsse des D L T (1967)19 und des DGT (1966 und 1970)20 eher auf die Abwehr von Forderungen der anderen Verbände ausgerichtet. Eine wesentliche Rolle bei der Reform spielte die Wissenschaft, insbesondere der 45. Deutsche Juristentag 1964 und die Professoren Werner Weber, Frido Wagener u. a. I n den meisten Fällen wurden die Maßnahmen von Sachverständigen-Kommissionen vorbereitet, i n denen Wissenschaftler eine wichtige Rolle spielten (besonders i n NordrheinWestfalen und Niedersachsen). I n anderen Fällen waren die Kommissionen dagegen stärker politisch zusammengesetzt, und die Verbände spielten i n ihnen eine wesentliche Rolle 2 1 . So war es in Rheinland-Pfalz (1965 - 1967 zur Reform der kleinen Gemeinden) und in Baden-Württemberg (1967 - 1971)22. Die wichtigste Rolle spielte zweifellos die Ministerialverwaltung, sowohl innerhalb der Kommission wie außerhalb. Von i h r kamen wesentliche Impulse i n allen Ländern. Daneben spielten einzelne Politiker eine Rolle, die die Initiative i n dieser Frage ergriffen. Zu nennen ist insbesondere Helmut Kohl, aber auch eine Reihe von Kommunalpolitikern wie Dregger, oder ehemaligen Kommunalpolitikern wie die Innenminister Krause, Weyer, Bielefeld u. a. Diese Tatsachen zeigen, daß die Kommunalpolitiker einer Reform keineswegs generell ablehnend gegenüberstehen. Auf Grund der un15
Vgl. Der Landkreis 1973, S. 132 f. Vgl. Beyme, Interessengruppen, S. 18. 17 Reformen für die Städte von morgen. K ö l n 1967, S. 208 - 212. 18 I n : Der Städtebund 1968, S. 1 ff. 19 Grundsätze zur Kreisentwicklung. Beilage zu: Der Landkreis 1967, Heft 7. 20 Stärkung der Verwaltungskraft der Gemeinden. Bad Godesberg 1966. Partnerschaft statt Eingemeindung. Bad Godesberg 1970. 21 Auch i n N W und Niedersachsen waren die kommunalen Spitzenverbände vertreten. Keine Kommissionen gab es dagegen i n Hessen (ab 1970) und anfangs i n Bayern. 22 Ihre Gutachten erschienen als Beilagen zum Staatsanzeiger f ü r BadenWürttemberg. Wichtig insbesondere die N u m m e r n vom 26.11.1969, Januar 1970, 15. 7. 70, 26. 8. 70, September 1970, 12. 11. 70. 16
I. Landkreise und Gemeinden
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terschiedlichen Interessen ist eine Verwaltungsreform auch auf demokratischem Wege möglich. Wenn Roman Schnur daher i n seiner Schrift „Strategie und Taktik bei Verwaltungsreformen" 2 3 eine Anleitung zur Durchsetzung gegenüber allen Widerständen gab, die i m Kern auf eine machiavellistische Betrachtungsweise hinausläuft, so w i r d dies den Möglichkeiten des demokratischen Staates nicht gerecht. Es zeigte sich insbesondere i m Verlauf der Reform, daß der örtliche Widerstand weit geringer war, als man ursprünglich angenommen hatte. Auch kam eine große Zahl einvernehmlicher Lösungen zustande. Dies ist zwar teilweise dem Zwang der Verhältnisse zuzuschreiben, doch zeigen sich auch für die Kommunalpolitiker immer mehr die Vorteile der Verwaltungsreform. Entscheidend ist daher für die Politiker, die in der Selbstverwaltung und ihren Verbänden vorhandenen Ansätze zu nutzen. I. Das Verhältnis von Landkreis und Gemeinden Landkreis und kreisangehörige Gemeinden üben ihre Aufgaben in demselben Gebiet und für dieselben Einwohner aus. Sie stehen auch in der Verwaltungspraxis untereinander i n sehr engen Wechselbeziehungen. Daraus ergibt sich eine Pflicht zum Zusammenwirken, aber auch i n vielen Fällen Rivalitäten und Spannungen, die zum Teil zu gegenseitigem Mißtrauen führen. Der Grund dafür ist weniger i n der Ausübung der Kommunalaufsicht zu sehen, da diese zunehmend abgebaut wurde und mehr formelle Gesetzmäßigkeitskontrolle ist. Aus ihr ergeben sich sicher auch Schwierigkeiten, doch spielt dies auf der Ebene der Verbände eine geringe Rolle. Weit wichtiger ist die Frage der Abgrenzung des Wirkungskreises der Kreise, die i n einer Aufgaben-Konkurrenz zu den Gemeinden stehen. Dies gilt sowohl für die Auftragsangelegenheiten, die gesetzlich geregelt sind, wodurch die Konkurrenz sich auf der Ebene der Verbände abspielt. Ebenso t r i f f t es für die freiwilligen Aufgaben der Gemeinden und Landkreise zu, bei denen sich die Universalität beider Wirkungsbereiche begegnet 24 . Hier findet die Auseinandersetzung konkret in den Einzelfällen statt, und daneben werden allgemeine Regelungen versucht. Beispiele für solche umstrittenen Aufgaben sind i n Baden die Krankenhäuser, in Württemberg die Berufsschulen und i n Hessen das Schulwesen allgemein. A u f allen Ebenen des Staates ist eine zunehmende Verlagerung der Aufgaben nach oben festzustellen, bedingt 23
Baden-Baden 1966. Vgl. Walter Cantner, Verfassungsrecht der Landkreise, i n : Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, ed. Hans Peters, Bd. I, Berlin 1956, S. 409 ff. Hier S. 455. Er meint allerdings, bei den Auftragsangelegenheiten bestehe keine Konkurrenz, doch übersieht er dabei die Verbände. 24
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2. Kap.: Das Verhältnis der kommunalen Gruppen zueinander
durch die zunehmende Verflechtung in der sozialen Wirklichkeit. Dies bedeutet auch einen Aufgabenzuwachs bei den Landkreisen, der besonders i m 3. Reich gefördert wurde. Aus diesem Grund befürchten die Gemeinden auf die Dauer eine Aushöhlung durch eine Verringerung ihrer Aufgaben. Dies t r i f f t insbesondere dann zu, wenn die Landkreise die Kompetenz-Kompetenz gegenüber den Gemeinden 25 besitzen. Ein weiterer Ansatzpunkt von Spannungen ist die Finanzierung der Landkreise, die i m wesentlichen erfolgt durch die Kreisumlage auf das Steueraufkommen der Gemeinden. Dies es Finanzierungssystem ist überkommen aus der Zeit, i n der die Landkreise Gemeindeverbände waren. Es steht daher i n einem gewissen Widerspruch zu ihrer Entwicklung zu einer Gebietskörperschaft mit eigenen Aufgaben. Genau genommen ist die Kreisumlage allerdings nicht aufzufassen als ein Beitrag der Gemeinden zum Landkreis, sondern als eine abgewandelte Form der Besteuerung der Kreiseinwohner, die genauso durch ein Zuschlagsrecht der Kreise zu den Gemeindesteuern ersetzt werden könnte. Jedoch liegt es nahe, daß die Gemeinden die Umlage mehr als ihren Beitrag auffassen, über dessen Verwendung sie mitbestimmen sollten und bei dem man Aufwand und Nutzen der Gemeinde vergleichen kann. Diese Auffassung hat insofern eine gewisse Berechtigung, als der Kreistag hier autonom über seinen Anteil am zunächst einmal fixen kommunalen Steueraufkommen bestimmen kann, ohne Steuererhöhungen direkt gegenüber den Steuerpflichtigen durchsetzen zu müssen. Auf Grund dieser Mängel wurde auch über das Finanzierungssystem der Landkreise diskutiert. Solange es jedoch nicht geändert ist, ergibt sich daraus die Forderung der Gemeinden, an der Willensbildung des Kreises beteiligt zu werden. Außerdem halten sie sich zurück gegenüber jeder Ausdehnung von deren Aufgaben, insbesondere durch die Übernahme bisher gemeindlicher Aufgaben. Das Verhältnis zwischen Landkreis und Gemeinden ist allerdings i m Einzelfall sehr unterschiedlich und hängt von den jeweiligen Personen, aber auch von der jeweiligen politischen Situation, dem Verhältnis von Stadt und Land zu den Gemeinden untereinander sowie dem Einfluß einzelner Gemeinden auf den Kreis ab. Durch die Wahl von Bürgermeistern i n Kreistag und Kreisrat w i r d das Problem nur teilweise entschärft. Insgesamt gibt es also neben vielfacher Zusammenarbeit in manchen Fällen geringe, i n anderen wiederum starke Spannungen, bedingt durch die zahlreichen Berührungspunkte und Reibungsflächen. A u f die Sonderprobleme, die bei den ganz kleinen Gemeinden und bei den mittleren Städten bestehen, w i r d unten gesondert eingegangen. 25 Z u m Begriff vgl. Frido 1955, S. 111 ff.
Wagener:
Die Städte i m Landkreis. Göttingen
I. Landkreise u n d Gemeinden
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Diese Spannungen wirken sich natürlich auf die entsprechenden kommunalen Verbände aus. Sie werden zwar entschärft, indem persönliche und örtliche Rivalitäten dabei keine Rolle mehr spielen, andererseits aber verdeutlicht, indem die jeweils unterschiedlichen Interessen artikuliert werden. Allerdings haben Landkreise und Gemeinden gegenüber den zentralen Landes- und Bundesorganen auch viele gemeinsame Interessen der Selbstverwaltung als Ganzes. Dennoch machten diese Gegensätze etwa i n Baden-Württemberg eine einheitliche Organisation unmöglich. a) Die kommunalverfassungsrechtliche Ausgestaltung des Verhältnisses in Baden-Württemberg
Die Interessenunterschiede, die i n zahlreichen konkreten Einzelfragen vorhanden sind, wurden nach 1945 i n allen Bundesländern grundsätzlich ausgetragen an den Problemen des Kreisverfassungsrechts, vor allem der Frage der Rechtsnatur der Landkreise und der generellen Aufgabenverteilung. Der Streit wurde i n Baden-Württemberg mit besonderer Schärfe geführt. Es ging dabei um die Begriffe Gemeindeverband und Gebietskörperschaft. Bei einer Gebietskörperschaft handelt es sich nach Gönnenwein 2 6 um eine besondere Form der Körperschaft des öffentlichen Rechts. Ihre Tätigkeit muß sich in einem bestimmten Gebiet abspielen. Innerhalb dessen besitzt sie eine Gebietshoheit, der vor allem ihre Mitglieder, z. B. die Gemeindeeinwohner unterworfen sind. Als weiteres Merkmal führt Gönnenwein die Allzuständigkeit ihres Wirkungsbereiches an. Die Gebietskörperschaft ist also durch ihre Aufgabe definiert, die sich auf ein Gebiet beziehen muß 2 7 . Bei einem Gemeindeverband handelt es sich dagegen 28 um einen Kommunalverband 2. Ordnung: Er baut auf den Gemeinden auf ohne unmittelbare Beziehung zu den Einwohnern. Ein Gemeindeverband ist i n diesem Sinn praktisch ein Zweckverband der Gemeinden mit einer gewissen allgemeinen Zielsetzung. Pagenkopf sieht als Merkmal an, daß er eine Anzahl selbständig bleibender Körperschaften in sich vereinigt und daß er primär Aufgaben erfüllt, die aus deren Bereich entstammen 29 . Es ist aber kaum gemeint, daß die Gemeinden Mitglieder sind 3 0 . Dies zeigt, daß 26
Otto Gönnenwein, Gemeinderecht. Tübingen 1963, S. 46. Horst Hacker, Der Landkreis i m Zwiespalt der Begriffe, i n : Die öffentliche Verwaltung 1955, S. 236 - 241, S. 238. 28 Nach Ansicht des Leiters der Kommunalabteilung i m Verwaltungsausschuß des Landtags, Protokoll v o m 22. 4.1955, S. 5. 29 Hans Pagenkopf, Einführung i n die Kommunalwissenschaft, 2. Aufl. Münster 1960, S. 52, 197. 30 Hacker, S. 238. 27
5 Geißelmann
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2. Kap.: Das Verhältnis der kommunalen Gruppen zueinander
der Begriff Gemeindeverband keineswegs eindeutig definiert ist und seine Praktikabilität daher fraglich ist. Es handelt sich um eine Übertragung des Begriffs Kommunalverband, der in der preußischen Gesetzgebung für Gemeinden, Ämter, Kreise usw. als Sammelbegriff verwendet wurde 3 1 . Als solcher w i r d er auch i m Grundgesetz A r t . 28 Abs. 2 gebraucht. Aus diesem A r t i k e l kann man also nicht auf das Wesen des Landkreises schließen, da Abs. 1 die direkte Wahl vorschreibt, was sich widersprechen würde. Durch die Unterscheidung von Kommunalverbänden 1. und 2. Ordnung, wobei die erster Ordnung direkt auf den Einwohner eines Gebiets aufbauen (Gebietskörperschaft) und die zweiter Ordnung auf den Gebietskörperschaften, wurde versucht, den Begriff praktikabler zu machen. Jedoch nützt dies wenig, und der Begriff w i r d dementsprechend sehr unterschiedlich verwendet. Auf jeden Fall w i r d mit seiner Verwendung versucht, das föderalistische Element der Landkreis-Verfassung stärker zu betonen. Der Kreis soll von den Gemeinden, nicht von den Kreiseinwohnern abhängig sein. Die Universalität der Aufgaben, die für die Gemeinde bezeichnend ist 3 2 , w i r d i h m abgestritten, und die Subsidiarität seines Wirkungskreises i m Verhältnis zu den Gemeinden betont. Die Landkreise waren vor dem 1. Weltkrieg ein reiner Gemeindeverband 3 3 . Dafür war vor allem die Zusammensetzung der Amtsversammlung aus den Orts Vorstehern maßgebend. Sie wandelten sich jedoch immer stärker zu einer Gebietskörperschaft, insbesondere durch die direkte Wahl zum Kreistag. Dies findet seinen Ausdruck auch darin, daß die Bezeichnung i n den Landkreisordnungen der einzelnen Bundesländer unterschiedlich ist. I n einigen Ländern werden sie als Gebietskörperschaften (Rheinland-Pfalz, Bayern, früher WürttembergBaden), i n anderen als Gemeindeverband und Gebietskörperschaft (SH, NW, Niedersachsen), in anderen einfach als Körperschaft öffentlichen Rechts bezeichnet. Die beiden Begriffe wurden auch von den Gemeinde- und Landkreisverbänden in ihrer Argumentation verwendet. Es ist zwar nicht so, daß die Gemeindeseite den Landkreis als reinen Gemeindeverband und die Landkreisseite ihn als reine Gebietskörperschaft ansahen, aber die Akzente wurden doch sehr unterschiedlich gesetzt. Von den Verbänden der Gemeinden und Städte wurde nach dem 2. Weltkrieg sehr stark die Vorstellung propagiert, die Gemeinde sei die Urzelle des gesellschaftlichen Lebens 34 , woraus auch auf eine naturrechtliche Be31
Hacker, S. 239. Pagenkopf, S. 81 f. 33 Begründung des Regierungsentwurfs der L K O . Beilagen des Landtags 1. Periode Nr. 1145, S. 1495. 34 So auch Pagenkopf, S. 71. 32
I. Landkreise u n d Gemeinden
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gründung der Selbstverwaltungsgarantien der Verfassungen geschlossen wurde. Dazu wurden die Landkreise i n Gegensatz gestellt, die künstliche, nur rational geschaffene Gebilde seien. So stellte der Deutsche Städtebund in seinen Leitsätzen zur Gemeindeverfassungsreform vom 29./30. 8.1947 fest 35 , die Gemeinde sei eine „organische, lebendige und wirkliche Gemeinschaft", der Kreis ein „Gemeindeverband, dessen Grenzen je nach Notwendigkeit durch Entwicklung so oder anders festgelegt werden können". Gegen diese Auffassung von der Künstlichkeit der Landkreise wandten sich natürlich deren Vertreter, vor allem mit dem Hinweis auf die frühe Entstehung 36 . Jedoch wurde von der Gemeindeseite der Schluß gezogen, die Landkreise seien etwas Abgeleitetes und von den Gemeinden Abhängiges. Diese Ansicht war sehr weit verbreitet, auch unter den Bürgermeistern in Baden-Württemberg, wie sich unten zeigen wird. Ja man ging sogar so weit, die Landkreise als bloße Zweckverbände zu bezeichnen; so der Geschäftsführer des Deutschen Gemeindetags Muntzke bei der Diskussion um eine bundeseinheitliche Landkreisordnung, die parallel zu den Weinheimer Beratungen über eine Gemeindeordnung zwischen Verbänden und Landesministerien 1948 i n Hannoversch-Münden stattfand 3 7 . Dies ist sicher nicht gerechtfertigt, da ein Zweckverband nur einzelne, deutlich begrenzte Aufgaben hat, i m Gegensatz zur Vielfalt der Aufgaben beim Landkreis, der auf seiner Ebene Universalität besitzt 3 8 . Der politische Sinn dieser Qualifizierung liegt aber eben darin, den Landkreis möglichst auf einzelne wenige Aufgaben zu begrenzen, und die Abhängigkeit von den Gemeinden zu verstärken, wie die Zweckverbände vollständig von den Gemeinden abhängig sind. I m Gegensatz dazu betonte der Landkreistag die Elemente der Gebietskörperschaft mehr. Er war allerdings nie so einseitig, daß er die Elemente des Gemeindeverbandes ganz abgestritten hätte 3 9 . So stellte der Deutsche Landkreistag in seiner Entschließung vom 29. 11. 1947 fest 40 : „Der Landkreis muß seine in den letzten Jahrzehnten klar herausgebildete Mischform behalten, darf also weder sich völlig zur Einheitsgemeinde entwickeln, noch i n den Zustand des reinen Gemeindeverbands zurückfallen. Ohne Einschränkung den Großkreis, also die Einheitsgemeinde zu fördern, hieße die Selbstverwaltung i n den Ein35
Zitiert nach Hacker, S. 237. So Landrat Cantner, i n : Verfassungsrecht der Landkreise, S. 412. 37 Die Ergebnisse enthält: Material zur Landkreisverfassung, ed. Deutscher Landkreistag. Siegburg 1951, S. 64. 38 Ebenso Cantner, Verfassungsrecht, S. 418. 39 Solche sind heute: die Definition der Aufgaben, die Finanzierung, verwaltungsmäßige Betreuung der kleinen Gemeinden, Sitz des Oberbürgermeisters i m Kreisrat. 40 Material zur Landkreisverfassung, S. 16, 31. 36
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2. Kap.: Das Verhältnis der kommunalen Gruppen zueinander
zelgemeinden zu vernichten. Andererseits würde die Rückentwicklung zum reinen Gemeindeverband bedeuten, daß der Landkreis unfähig würde, die großen Aufgaben, die er heute schon übergemeindlich durchführt, zu erfüllen." Diese Haltung, die gemäßigter als die vieler Gemeindevertreter war, beruht sicher auf der realistischen Ansicht, daß es falsch wäre, die enge Verbundenheit zwischen Kreisen und Gemeinden zu zerstören. Dies gilt sowohl für die Verwaltungspraxis wie für die Verbände, unter denen die Landkreise eine Isolierung vermeiden müssen. Trotzdem steht für den Landkreistag natürlich die Gebietskörperschaft i m Vordergrund. Es wurde daher auch gefordert, daraus bestimmte Folgerungen zu ziehen, so i m Hinblick auf die A b grenzung des Aufgabengebiets (Kompetenz-Kompetenz), direkte Wahl zum Kreistag, i m Finanzierungssystem (möglichst eigene Einnahmequellen). M i t diesem Begriff sollte also die Gleichstellung m i t den Gemeinden und die Unabhängigkeit von ihnen betont werden. Es wurde ein eigener Aufgabenbereich angestrebt, der nicht nur subsidiär ist, sondern sich aus dem überlokalen Charakter des Kreises ergibt 4 1 . Er sollte alle über den örtlichen Rahmen hinausgehenden oder die Leistungsfähigkeit der einzelnen Gemeinden übersteigenden A u f gaben umfassen. Damit wäre für die Landkreise wie für die Gemeinden die Universalität des Wirkungsbereichs gesichert 42 . Als Aufgabe der Landkreise wurde insbesondere die Ausgleichsfunktion angesehen: die Übernahme von Aufgaben auf die breitere Gemeinschaft des Kreises und die A r t der Verteilung der sich daraus ergebenden Lasten innerhalb des Kreises, die durch die Kreisumlage bewirkt w i r d 4 3 . Die Gemeinden befürchteten dagegen, daß mit diesem Begriff ein Vorwand für eine Erweiterung der Aufgaben der Landkreise geschaffen werde. Angesichts der Tatsache, daß der Begriff Gemeindeverband j u r i stisch recht fragwürdig ist, muß die Frage gestellt werden, ob die Begriffe geeignet sind, damit die grundsätzlichen kommunalpolitischen Konzeptionen zu verknüpfen. Betrachtet man die Frage juristisch, so ist festzustellen, daß den Äußerungen des Gesetzgebers zu dieser Frage „ i m allgemeinen nur deklaratorische und keine konstitutive Bedeutung" zukommt, „da das Wesen des Landkreises durch seine Aufgaben bestimmt w i r d " 4 4 . Diese entwickeln sich aber mit einer gewissen Eigengesetzlichkeit. Auch die Definition der Aufgaben in der Landkreisordnung spielt dabei eine geringe Rolle, da aus ihr für den kon41
Cantner, Verfassungsrecht, S. 416. Cantner, Verfassungsrecht, S. 415. 43 Alexander Meyer-König, Z u r Ausgleichsfunktion Die Selbstverwaltung 1952, S. 293 - 297. 44 Pagenkopf, S. 197. 42
der Landkreise,
in:
I. Landkreise und Gemeinden
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kreten Fall wenig abgeleitet werden kann. Hacker meint daher 45 , es handle sich bei beiden Begriffen um Schlagworte, parajuristisch umgedeutet. Trotzdem wurde erbittert darum gerungen, da beide Seiten versuchten, durch die Begriffe i n der Verfassung und durch die Ausführungen der Landkreisordnung über die Rechtsstellung der Kreise ihre Konzeption i m Grundsatz gesetzlich zu verankern. Dies steigerte sich bei den einzelnen Abgeordneten und Bürgermeistern zu einer ausgesprochen emotionalen Landkreis- und noch konkreter LandratsFeindlichkeit. Die Theorie der Künstlichkeit der Kreise und ihrer Rechtsnatur als Gemeindeverband diente hier als ideologische Rechtfertigung ihrer politischen Ziele. Dies gilt nicht nur für die Vergangenheit, sondern auch für die Gegenwart, wo diese Schlagworte noch teilweise in der gleichen Weise gebraucht werden 4 6 . Ausgangspunkt für die Beratungen über die Garantien für die Selbstverwaltung i n der Landesverfassung war A r t i k e l 28 GG, der i n Absatz 2 die Landkreise zu den Gemeindeverbänden rechnet. Ihnen aber w i r d i m Unterschied zu den Gemeinden nicht die Universalität des Aufgabenbereichs, die Vermutung ihrer Zuständigkeit, garantiert 4 7 . Vielmehr w i r d eine gesetzliche Begründung ihrer Aufgaben gefordert. Dies schließt jedoch nach der heutigen Interpretation nicht aus, daß auch für die Landkreise durch Landesrecht Generalklauseln eingefügt werden und somit die Universalität auch für sie begründet w i r d 4 8 . Bei den Beratungen i n Baden-Württemberg war diese Möglichkeit allerdings umstritten. Die parlamentarische Situation während der Verfassungsberatungen war dadurch gekennzeichnet, daß zunächst i n der Zeit, in der die hier zu behandelnden Entscheidungen gefällt wurden, eine Koalition aus FDP, SPD und BHE regierte, die nach den Bundestagswahlen 1953 unter Einschluß der CDU zu einer Allparteienregierung (ohne KPD) erweitert wurde. Zur Landesverfassung lagen daher zwei Entwürfe vor: der der Koalitionsparteien vom 16. 6. 195249 und der der CDU vom 30. 7.1952 50 . Beim Koalitionsentwurf handelte es sich nicht um einen Entwurf der Regierung, da diese sich auf den Standpunkt stellte, die Ausarbeitung der Verfassung sei die Aufgabe des Landtags. Dies hatte auch sachlich große Folgen. Da der Landtag selbständig war, beherrschten die Kommunalpolitiker i n den Fragen der Verwaltung weitgehend das Feld. Die Selbstverwaltung wurde daher besonders 45 46 47 48 49 50
Hacker , S. 239 f. So i m Bereich des DStGB vgl. F A Z v. 28. 5. 74, Leserbrief v. Dehe. Z u r Universalität vgl. Pagenkopf , S. 81 - 83. Theodor Maunz / Günter Dürig: Grundgesetz, zu A r t . 28 Randnr. 28. Beilagen 1. Periode Nr. 40. Beilagen 1. Periode Nr. 118.
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2. Kap. : Das Verhältnis der kommunalen Gruppen zueinander
stark garantiert. Andererseits führte es in der Frage des Verhältnisses von Kreis und Gemeinden dazu, daß die Gemeindeseite vorherrschte, was an der Zusammensetzung des Landtags lag. I n dieselbe Richtung wirkte, daß die CDU, bei der die Landkreise am ehesten auf Unterstützung hoffen konnten, lange von der Regierung ausgeschlossen war. Zentral für diese Fragen ist A r t . 71 Abs. 1 und 2. Sie stammen in ihrer Formulierung bis auf einen entscheidenden Punkt aus dem Koalitionsentwurf. Dieser rechnet wie das Grundgesetz die Landkreise zu den Gemeindeverbänden, doch sollte nach Abs. 2 das Universalitätsprinzip i n gleichem Umfang auf die Landkreise ausgedehnt werden. Damit stellt sich aber das Problem, wie die Universalität beider W i r kungskreise abgegrenzt werden soll. Noch weiter geht Art. 96 des CDU-Entwurfs, der die Landkreise direkt beim Namen nennt und nicht als Gemeindeverbände bezeichnet. Damit wäre die Frage ihrer Rechtsnatur offengeblieben, und die für sie bestmögliche Formulierung erreicht gewesen. Die Situation verschlechterte sich i m Verfassungsausschuß der verfassungsgebenden Landes Versammlung für die Kreise wesentlich. Art. 71 wurde i m ersten Durchgang am 30. 10. 1952 beraten 51 . Hier erhob sich gegen eine gesonderte Erwähnung der Landkreise eine Opposition, die vor allem vom Abgeordneten Gönnenwein (FDP) ausging. Die A r gumente waren, man solle sich möglichst eng an das Grundgesetz halten; wenn man dies nicht tue, sei es sogar eine Gefahr für die Selbstverwaltung, da die Interpretation dadurch nicht eindeutig sei. Der Begriff des „Gemeindeverbands" sei auch ganz klar. Der Landkreis habe eine Mischform, dies zeige die Verbandsumlage. Auch könne es eine Konfusion der Begriffe geben, und man solle die Entwicklung zum badischen Kreis nicht verbauen 52 . Ein Teil dieser Argumente w i r k t vorgeschoben. Dagegen zeigt das letztere, daß ein bestimmter politischer Wille dahintersteckt: die Absicht, die Kreise in ihrer Bedeutung zurückzudrängen, wie es bei den schwachen badischen Großkreisen der Fall gewesen war. Offensichtlich sah Gönnenwein i n den Landkreisen eine gewisse Bedrohung für die Selbstverwaltung der Gemeinden. Dabei spielten wohl auch seine persönlichen Erfahrungen als Oberbürgermeister von Schwenningen eine Rolle. Seine Haltung wirkte sich stark i m Ausschuß aus, da er als ein Experte in dieser juristischen Frage galt und da er zugleich den Ehrgeiz hatte, die Verfassungsartikel über die Verwaltung entscheidend mitzuformen. Er wurde von einigen Bürgermeistern und von der SPD- und der FDP-Fraktion in seiner Argumentation unterstützt. 51 52
Protokoll des Verfassungsausschusses, S. 46 ff. Protokoll des Verfassungsausschusses, S. 54 - 56.
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Dieselbe Konstellation ergab sich bei der Beratung des Abs. 2. Hier wurde eine von beiden Entwürfen abweichende Formulierung eingeführt, die nur den Gemeinden die Allzuständigkeit gab, für die Landkreise als Träger öffentlicher Aufgaben dagegen eine gesetzliche Begründung ihrer Zuständigkeit forderte 53 . Die Argumente von Prof. Gönnenwein, Menges, Kalbfell und Staatssekretär Kaufmann (alle SPD und FDP) waren vor allem, das Grundgesetz treffe dieselbe Unterscheidung. Es sei auch dann kein Aufgabenkatalog nötig, es genüge eine Generalklausel. Der einzige Landrat i m Ausschuß, Dr. Huber, versuchte sich mit dem Hinweis zu wehren, daß ζ. Β. für den Krankenhausbau keine gesetzliche Grundlage bestehe; doch blieb er ohne Unterstützung. Dieses Ergebnis der ersten Beratungen i m Ausschuß empfand der Verband württemberg-badischer Landkreise als enttäuschend. So protestierte Landrat Ebner i n der Zeitschrift „Die Selbstverwaltung" A n fang 195354, dies sei ein nicht wieder gut zu machender schwerer Eingriff i n die Rechtsentwicklung der Landkreise. Er verwies auf die Entwicklung zur Gebietskörperschaft und auf den entsprechenden A r t . 3 (2) der württembergischen Landkreisordnung. Er forderte insbesondere, daß die Landkreise neben den Gemeindeverbänden gesondert erwähnt werden sollten. Diese Wünsche auf eine Revision der Beratungsergebnisse des Verfassungsausschusses wurden zunächst der Gemeindekammer vorgetragen, was dem damaligen Übereinkommen der Verbände entsprach, aber auch den taktischen Vorteil gehabt hätte, daß dann die Wünsche der Landkreise nicht als egoistische Ziele interpretiert worden wären. Zwar war schon in der Eingabe der Gemeindekammer vom 22. 4. 195255 den Wünschen der Landkreise nicht Rechnung getragen worden, doch wurde nun versucht, eine grundsätzliche Klärung des Verhältnisses zu erreichen. A u f einer Sitzung am 18. 2. 1953 präzisierte die gemeindliche Seite dabei ihre Auffassung dahin 5 6 : 1. „Die Frage, ob die Landkreise Gemeindeverband oder Gebietskörperschaft sind, läßt sich nicht eindeutig zugunsten der einen oder anderen Eigenschaft beantworten. Die Landkreise weisen Züge beider Eigenschaften auf und sind insoweit Körperschaften eigener A r t . 2. Das Prinzip der Universalität als Grundsatz besteht nur für die Gemeinden. Die Zuständigkeit der Landkreise 53 Protokoll des Verfassungs-Ausschusses, 31.10.1952, S. 8 ff. u n d 12.5. 1953, S. 59 ff. 54 Hermann Ebner , Der Landkreis, ein gemeindlicher Zweckverband oder eine Einheitsgemeinde? — Die Verfassung des Landkreises!, i n : Die Selbstverwaltung 1952, S. 3 - 6 u n d 1953, S. 32. 55 Der Städtetag 1952, S. 163 f. 56 Geschäftsbericht des L K T 53/54, S. 5.
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2. Kap.: Das Verhältnis der kommunalen Gruppen zueinander
ist in erster Linie subsidiär. 3. Für die Kompetenz-Kompetenz der Landkreise ist ein geregeltes Verfahren mit Rechtsmittelschutz vorzusehen. 4. Die Rechtsstellung der Landkreise erfordert unbeschadet Art. 28 GG eine M i t w i r k u n g der kreisangehörigen Gemeinden bei der W i l lensbildung der Kreisorgane." Der Verband württemberg-badischer Landkreise lehnte diese Formulierung und besonders Ziffer 2, S. 2 und Ziffer 4 ab. Man muß jedoch feststellen, daß diese Formel die beste ist, die die Landkreise je erreichen konnten, abgesehen von Ziffer 4, die aber von der Gemeindeseite nicht weiter verfolgt wurde. Ansonsten wurden sie bezüglich der Kompetenz-Kompetenz i n der Landkreisordnung sogar noch schlechter gestellt. Insbesondere erreichen sie keinen Beschluß der Gemeindekammer über eine gesonderte Erwähnung i n der Verfassung. Die gleiche Frontenbildung ergab sich während der Verfassungsberatungen über die Erwähnung der Landkreise bei verschiedenen Verfassungsartikeln, die Träger bestimmter Aufgaben nennen. Es handelte sich um: Jugenderziehung (Art. 12), Jugendschutz (Art. 13), Erwachsenenbildung (Art. 22) und Schutz der Denkmäler der Kunst und der Natur (Art. 86) 57 . Auch hier wurde eine Erwähnung der Landkreise von der Gemeindeseite abgelehnt aus grundsätzlichen kommunalpolitischen Gründen, da diese lediglich subsidiär tätig seien. Betrachtet man zusammenfassend diesen Versuch einer Klärung der Streitfragen innerhalb des kommunalen Bereichs, so ergibt sich, daß der Hauptwiderstand gegen die Landkreise von den Gemeinden unter 20 000 Einwohnern kam: so vom Verband badischer Gemeinden (MdL Menges) und vom WGT (Bm. Mai, Bietigheim). Dazu kommen noch teilweise die mittleren kreisangehörigen Städte. Die Gründe für die besonders starre Haltung des Verbands badischer Gemeinden sind dabei sicher auch in der Person ihres Vorsitzenden zu suchen. Wichtiger ist jedoch, daß i n Baden erst i m 3. Reich die Landkreise eingeführt wurden, während zuvor nur machtlose Großkreise bestanden. Belastet durch den Zeitpunkt des Entstehens und den erst kurzen Bestand w u r den sie hier als starke Bedrohung empfunden. Inwieweit eine Rolle spielte, daß in Baden noch der staatliche Landrat bestand, kann nicht beurteilt werden. I m Gegensatz von Landrat und stellvertretendem Kreisvorsitzenden scheint es jedoch mitzuspielen. Die Haltung der nordwürttembergischen Gemeinden war hingegen, wie sich noch zeigen wird, keineswegs einheitlich. Ein Teil des Vorstands des WGT spielte allerdings in den Auseinandersetzungen m i t den Landkreisen eine große Rolle. Zwischen diesen divergierenden Interessen versuchten die 57 Eingabe des Verbands württemberg-badischer Landkreise an den L a n d tag v o m 6. 2.1953 und der Gemeindekammer vom 20.1.1953.
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nichtbeteiligten kreisfreien Großstädte (OB Klett, Stuttgart) zu vermitteln, doch erwies sich dies insgesamt als erfolglos. Ein Ausgleich der Gegensätze hätte für die Landkreise bedeutet, in einem wichtigen Fragenkomplex auf die Artikulation der eigenen Interessen zu verzichten. Letztlich führte diese Tatsache zu einem Scheitern der gemeinsamen Organisation. Die Landkreise handelten daher folgerichtig, indem sie ihre Wünsche selbständig der verfassunggebenden Landesversammlung vorlegten. Außer zu den vier Artikeln, bei denen es schon erwähnt wurde, war dies auch beim Kernproblem der Fall, der rechtlichen Qualifizierung der Landkreise. Hierzu wurde auch ein Gutachten von Prof. Köttgen eingeholt, das die Zulässigkeit einer über A r t . 28 GG hinausgehenden universellen Zuständigkeit der Landkreise feststellte und diese Garantie für wünschenswert hielt. Es fand i m Landtag jedoch nur geringe Beachtung. Prof. Gönnenwein und die ihn unterstützenden Bürgermeister hielten an ihrer Ansicht fest, und der damalige Vorsitzende der Gemeindekammer, Oberbürgermeister Kalbfell, tat es als Streit zwischen Landräten und Bürgermeistern ab, was dem sachlichen Gewicht der Frage nicht ganz entspricht. Ausschlaggebend für die Entscheidung des Verfassungsausschusses der verfassunggebenden Landesversammlung war, daß zahlreiche Bürgermeister Mitglied waren und daß die Ministerien bei der Beratung keine Rolle spielten. M i t einer Mehrheit von SPD und FDP wurden die Wünsche der Landkreise i n der 2. Beratung des Ausschusses m i t 13 : 9 : 2 abgelehnt. Die Auseinandersetzungen der Verfassungsberatungen wiederholten sich bei der Beratung der Landkreisordnung. Sie führten allerdings zu einem anderen Ergebnis auf Grund der Regierungsbeteiligung der CDU und wegen der Haltung des Innenministeriums. Dieses teilte aus Gründen, auf die unten noch näher eingegangen wird, die starke K r i t i k der Gemeinden an den Landkreisen nicht, ja bevorzugte eher die letzteren. Der Referentenentwurf der Landkreisordnung, der i m November 1954 den Verbänden übersandt wurde, entspricht diesen Auffassungen des Innenministeriums und stellt somit einen Kompromiß der verschiedenen Interessen dar. Er bezeichnet den Landkreis in § 1 Abs. 2 als Gebietskörperschaft und Gemeindeverband, spricht vom Gebiet der Landkreise (§ 2), führt den Begriff der Einwohner des Landkreises (nicht nur der kreisangehörigen Gemeinden) ein und nennt als Aufgaben, wie es bis zur Verabschiedung des Gesetzes blieb: „Der Landkreis fördert das Wohl seiner Einwohner, unterstützt die kreisangehörigen Gemeinden in der Erfüllung ihrer Aufgaben und trägt zu einem gerechten Ausgleich ihrer Lasten bei." (§ 1 Abs. 1, S. 1). Dies ist in Reihenfolge und Diktion eng angelehnt an den Entwurf von Hannoversch-Münden 58 und 58
Material zur Landkreisverfassung, S. 95.
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2. Kap. : Das Verhältnis der kommunalen Gruppen zueinander
damit an die Forderungen der Landkreise. Dagegen enthält § 2 eine gewisse Beschränkung, indem nicht die Kategorie der „überörtlichen" neben der „die Leistungsfähigkeit der kreisangehörigen Gemeinden übersteigenden Aufgaben" eingeführt wird. Noch wichtiger als diese allgemeine Formulierung der Aufgaben ist aber für die Abgrenzung, ob die Landkreise die Kompetenz-Kompetenz gegenüber den Gemeinden besitzen, d. h. eigentlich die Fähigkeit, die Gemeinden von der Übernahme einer bestimmten Aufgabe auszuschließen. Eine solche Abgrenzung ist nötig angesichts der Konkurrenz i m Bereich der freiwilligen Aufgaben 59 . Sie wurde mit Einschränkungen eingeführt durch § 43 des Einführungsgesetzes zur Neugliederung des Ruhrgebiets vom 29. 7. 1929 und sollte auch i n der geplanten nationalsozialistischen Reichskreisordnung beibehalten werden 6 0 . Diese Förderung durch den Nationalsozialismus nahm Prof. Gönnenwein in der ersten Lesung der Landkreisordnung zum Anlaß, die Beseitigung der Kompetenz-Kompetenz zu fordern 6 1 . Der Deutsche Landkreistag dagegen wies gerade auf die Zeit vor 1933 hin, als er 1947 die Wiederaufnahme der Kompetenz-Kompetenz forderte. Als Gründe dafür wurden angegeben: einheitliche Versorgung des Gebiets und wirtschaftliche Durchführung der Aufgaben 62 . Als Sicherung für die Gemeinden war i m Entwurf von Hannoversch-Münden nur vorgesehen 63 : eine 2 /3-Mehrheit i m Kreistag, die Pflicht zu Verhandlungen über eine freiwillige Übergabe der Aufgaben vor einem solchen Beschluß sowie eine SollVorschrift, daß es notwendige Voraussetzung für eine gleichmäßige Versorgung der Einwohner sein müsse. Damit wäre es den Landkreisen möglich gewesen, eine Ausdehnungspolitik zu verfolgen, wenn dies gewünscht wurde. So unbeschränkt konnten die Landkreise ihre Wünsche auch nur i n den Ländern Niedersachsen und Rheinland-Pfalz durchsetzen 64 . Die baden-württembergische Landkreisordnung mußte von dieser Regelung schon deswegen abweichen, weil die Hauptsicherung der Gemeinden, die Genehmigungspflicht durch die Aufsichtsbehörde, nach der Landesverfassung nicht mehr zulässig war. Der Referentenentwurf, der unverändert Gesetz wurde, sah daher vor, daß der Beschluß zur Ausschließung der Gemeinden mit 2 /3-Mehrheit zu erfolgen hat und nur erlaubt ist, wenn der Landkreis i m Rahmen seines Wirkungskreises 59 Karl-Theodor Simon, Die Kompetenz-Kompetenz der Landkreise. H a n nover 1963, S. 63 f. 60 Wagener, Städte, S. 117. 61 Protokoll des Landtags, 1. Periode, S. 2401. 62 Material zur Landkreisverfassung, S. 11. 83 Material zur Landkreisverfassung, S. 103. 64 Vgl. die Übersicht bei Simon, S. 33 ff.
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für die Erfüllung einer Aufgabe bereits ausreichende Einrichtungen geschaffen oder übernommen hat (§ 2 Abs. 2). Damit ist die KompetenzKompetenz sehr eingeschränkt und bedeutet vor allem nicht, daß die Gemeinden gezwungen werden können, Einrichtungen abzutreten. Dieser Vorschlag des Referentenentwurfs, der den Wünschen der Gemeinden entgegenkommt, geht offensichtlich auf die Initiative der Kommunalabteilung zurück, die dies als Ausfluß des Subsidiaritätsprinzips ansah 65 . Hier wie in den anderen Fragen stellt der Entwurf einen Kompromiß zwischen den verschiedenen Auffassungen dar. Er entsprach weder den vollen Wünschen der Gemeinden, noch denen der Landkreise. So versuchten beide Seiten, den Entwurf i m Landtag in ihrem Sinn zu revidieren. Die Stellungnahmen des StV und des WGT zum Referentenentwurf und zum kaum veränderten Regierungsentwurf hatten zwei Schwerpunkte: einmal die mehr theoretischen Fragen, die hier nicht nochmals dargelegt zu werden brauchen. Beide Verbände waren dabei i m Vergleich zur Landesverfassung zurückhaltend, indem sie die neutrale Formel billigten, die i m Regierungsentwurf eingeführt worden war: „Körperschaft des öffentlichen Rechts." Dagegen sollte von Einwohnern des Landkreises nicht gesprochen werden, sondern nur von denen der Gemeinden. Der zweite Schwerpunkt war, „auf jeden Fall die Expansionspolitik der letzten 20 Jahre zu stoppen". Daher wurde die Kompetenz-Kompetenz ganz abgelehnt und auch gefordert, die Bedingungen für die freiwillige Übernahme von Aufgaben unter verschärfte sachliche Voraussetzungen zu stellen 66 . Der StV machte zusätzlich den Vorschlag, auch eine Pflicht zur Übernahme von Aufgaben für den Landkreis einzuführen, was für Aufgaben mit Zuschußbedarf (z. B. städtische Krankenhäuser) wichtig sei 67 . Der Verband Württemberg-badischer Landkreise forderte dagegen i n seiner Eingabe vom 18. 4. 1955 an den Landtag, den Landkreis in § 1 Abs. 1 ausdrücklich als Gebietskörperschaft zu bezeichnen. Dies entspreche der historischen Entwicklung. Zur Frage der KompetenzKompetenz w i r d eine volle Wiederherstellung verlangt, d. h. eine mögliche Übernahme mit 2 /3-Mehrheit für Aufgaben, „die über den örtlichen Rahmen oder die finanzielle Leistungsfähigkeit der einzelnen Gemeinde hinausgehen". Da er sich jedoch offensichtlich im klaren war, daß dieses Ziel nicht erreicht werden konnte, verfolgte der Verband diese Frage i m Gegensatz zur ersten nicht sehr energisch. 65 Begründung des Regierungsentwurfs. Beilagen S. 1496. 66 Eingabe des W G T an den Landtag v o m 22. 4. 1955. 67 Eingabe des StV an den Landtag, 30. 4.1955, S. 3.
1. Periode
Nr.
1145,
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2. Kap.: Das Verhältnis der kommunalen Gruppen zueinander
I m Landtag kam es, wie schon bei der Landesverfassung, über diese Fragen zu einer lebhaften Diskussion, besonders in der 1. Lesung der Landkreisordnung und i m Verwaltungsausschuß. A u f die Einzelheiten der Argumentation braucht hier nicht eingegangen zu werden. Wichtig ist es insofern, als i n der Zwischenzeit eine Abklärung der Meinungen in den Parteien erfolgt war. Die Äußerungen des Fraktionssprechers der CDU i n der 1. Lesung, Gurk, nähern sich den Ansichten der Landkreisverbände, obwohl Gurk persönlich Bürgermeister i n Karlsruhe war. Er stellte fest, es habe eine Entwicklung vom Gemeindeverband zur Gebietskörperschaft hin stattgefunden, und er hielt diese Seite des Landkreises für wichtiger. Die Landesverfassung interpretierte er so, daß die Landkreise kein minderes Recht der Selbstverwaltung hätten. Auch für sie sei die Universalität der Aufgaben garantiert 6 8 . Während früher im Landtag nur einzelne Vertreter der CDU, die Landräte unter ihnen, sich für die Landkreise eingesetzt hatten, nahm hier erstmals die Fraktion als solche für die Landkreise Partei. Diese Linie war schon in einer Resolution des erweiterten Landesparteivorstandes der CDU von Nord- und Südbaden i m Februar 1953 eingeschlagen worden. I n ihr war aus der direkten Wahl zum Kreistag auf die Eigenschaft als Gebietskörperschaft geschlossen worden. Auch i m Verwaltungsausschuß setzte sich diese Haltung der CDU fort. Sie trat hier unter Führung von Landrat Dr. Huber für die Aufnahme des Begriffs Gebietskörperschaft ein. Sämtliche Redner der CDU unterstützten diesen Standpunkt, darunter auch Bürgermeister kleinerer Gemeinden. Es erhebt sich die Frage, wie diese Haltung der CDU zu erklären ist. Bereits oben wurde erwähnt, daß die CDU als einzige Fraktion Landräte unter ihren Mitgliedern hatte. Würde man es allein darauf zurückführen, so würde dies dem Argument der „Bürgermeisterfraktion" entsprechen. Diese (sehr kleine) „Landrätefraktion" kann jedoch nicht der alleinige Grund sein, schon da weit mehr Bürgermeister in der Fraktion saßen. Wichtiger war noch das Wirken der Landräte, die der CDU angehörten, ohne Abgeordnete zu sein. Durch die Kommunalisierung des Landrats waren i n den nördlichen Landesteilen viele parteigebundene Landräte gewählt worden, unter denen wiederum die meisten der CDU angehörten. Wie sich noch unten an der Frage des kommunalen Landrats zeigen wird, waren diese i n der Partei zum Teil sehr aktiv, wenn sich dies auch nicht in der Besetzung der Spitzenpositionen der CDU auswirkte. Doch offensichtlich ist der Einfluß nicht daran gebunden. Sie nahmen sogar z. B. an einer Fraktionssitzung zur 68
Protokoll des Landtags 1. Periode, S. 2373.
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Landkreisordnung teil. Dieser Einfluß war wiederum die Voraussetzung für die guten Kontakte, die zwischen der CDU und der Geschäftsstelle des L K T bestanden (ohne daß deswegen der L K T zur CDU orientiert gewesen wäre). So wurde sogar der Geschäftsführer des L K T einmal gebeten, vor der Fraktion zur Landkreisordnung Stellung zu nehmen. Diese Kontakte scheinen über die CDU Nordbadens gegangen zu sein 69 , deren Vorsitzender M d L Gurk der Sprecher i n der 1. Lesung war. Das Manuskript seiner Rede war auch mit dem L K T abgesprochen. Jedoch spielten nicht nur diese persönlichen Momente eine Rolle. So vertrat ein Abgeordneter der CDU, selbst Bürgermeister, die A n sicht, die kreisfreundliche Haltung sei zurückzuführen auf eine reine Emotion: die Sorge um das flache Land 7 0 . Sieht man von der persönlichen Bewertung, die diese Äußerung enthält, ab, so zeigt sich, daß die Zusammensetzung der Wählerschaft und die daraus folgende politische Zielsetzung der CDU sich auswirkten auf die verwaltungspolitische Haltung der Partei, eine gewisse Bevorzugung des Landkreises als Verwaltungsträger. Die Brücke zwischen beiden Haltungen bildet offensichtlich die Ansicht, daß eine Sorge für das flache Land ohne Landkreise nicht möglich ist und der Gegensatz zwischen Kreisen und kleinen Gemeinden nicht so stark ist wie der zu den großen. Darauf weist auch der Vorwurf hin, den derselbe Abgeordnete den Landräten machte, sie fühlten sich oft als Wahrer der Interessen der kleineren Gemeinden. Es lassen sich somit drei Faktoren für die Haltung der CDU unterscheiden: 1. ein personeller Faktor: Der Verband württemberg-badischer Landkreise hatte einen besseren Zugang zur Fraktion durch die Landräte i n ihr und, noch wichtiger wie sich zeigen wird, durch die geschicktere Taktik des Verbands i m Vergleich zu den Gemeindeverbänden. Dies kann natürlich i n anderen Bundesländern sich anders verhalten und ist insofern zufällig. 2. Ein struktureller Faktor: Durch die Kommunalisierung des Landrats verfügten die Landkreise in der CDU über einen großen Einfluß. 3. Ein politisch-ideologischer Faktor: Das politische Ziel der CDU bedingte eine Unterstützung der Landkreise und bewirkte auch eine emotionale Unterstützung dieser Haltung. Hingegen spielte offensichtlich keine Rolle, daß i n der Fraktion der ersten Legislaturperiode die Oberbürgermeister und Bürgermeister der mittleren und großen Städte ja i m Vergleich zu den Bürgermeistern der kleinen Gemeinden überraschend zahlreich vertreten waren. Die Haltung der CDU zugunsten des flachen Landes änderte dies nicht. I m Vergleich zur CDU betonte der Sprecher der SPD in der 1. Lesung, Renner, den Charakter der Landkreise als Gemeindeverband we69 70
Interview. Interview.
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2. Kap. : Das Verhältnis der kommunalen Gruppen zueinander
sentlich mehr 7 1 . Er kritisierte den Regierungsentwurf, weil die Tendenz zur Kreisgemeinde und zum Kreisbürgermeister gehe, praktisch ein Kreisbürger vorhanden sei und der Kreistag nicht Vertretung der Gemeinden, sondern der Einwohner sei. Er betonte statt dessen die Subsidiarität des Landkreises und stellte einen Widerspruch zwischen Kreisumlage und Kreistags-Zusammensetzung fest. Ganz ähnlich war die Stellungnahme der SPD-Mitglieder i m Verwaltungsausschuß. Es ist also eine deutlich gemeindefreundliche Tendenz festzustellen. Den Grund kann man zunächst einmal i n der Haltung Viktor Renners sehen, des entscheidenden Mannes der SPD in Verwaltungsfragen. Er orientierte sich ganz offensichtlich an der gemeinde-freundlicheren Landkreisordnung von Württemberg-Hohenzollern, für die er als Innenminister verantwortlich gewesen war. Wichtiger als diese zufälllige Konstellation ist jedoch, daß alle Faktoren, die bei der CDU für die Landkreise, bei der SPD für die größeren Gemeinden sprachen. I n der Fraktion gab es damals keinen Landrat, nur Bürgermeister. Die Partei stellte nur wenige Landräte, außer unter den staatlichen in Südwürttemberg, und sie hatte ihre Hauptstärke i n den leistungsstarken Städten, vor allem Großstädten, daneben aber auch i n Arbeiterwohngemeinden, nicht dagegen i n den leistungsschwachen kleinsten Gemeinden und den Landkreisen. Auch die Wähler kamen vor allem aus den größeren Gemeinden, die die Landkreise nicht so sehr benötigen. Die Selbstverwaltung der Gemeinden spielte daher i m Programm der SPD schon immer eine große Rolle. Eine Unterstützung der Landkreise wäre hierzu in Widerspruch gestanden. Ähnlich wie die Haltung der SPD war die der FDP. Die Ansichten ihres Fraktionsvorsitzenden Gönnenwein wurden hier schon erörtert. I n der 1. Lesung kritisierte er 7 2 , die Subsidiarität der Landkreise sei nicht genügend betont. Selbst die abgeschwächte Kompetenz-Kompetenz gehe zu weit. Man solle sie ganz streichen. Für die Haltung der FDP sind eindeutig die personellen Faktoren ausschlaggebend: die i n der Fraktion ziemlich große Zahl an Bürgermeistern und Oberbürgermeistern, die zum Teil in erheblichem Gegensatz zu den Landkreisen standen. Daß dies weitgehend dadurch bedingt ist, zeigt sich daran, daß die Verhältnisse (nach Ansicht von Gemeindevertretern) sich schon wesentlich änderten, als ein Landrat i n die Fraktion kam. Dies ist jedoch i m Rahmen der FDP eine Ausnahme, da die Partei i n allen Bundesländern in den Landkreisen eine geringe Rolle spielt. Dagegen verfügt oder verfügte sie auf der Gemeindeebene noch über eine Reihe von Hochburgen. 71 72
Protokoll des Landtags 1. Periode, S. 2396. Protokoll des Landtags 1. Periode, S. 2401.
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Die für Baden-Württemberg gefundenen Ergebnisse lassen sich, zumindest für die Vergangenheit, durchaus auf andere Bundesländer übertragen, wie sich noch an verschiedenen Fragen zeigen wird. Die strukturellen und politisch-ideologischen Faktoren sind i n den Bundesländern i m wesentlichen gleich. Dies gilt auch für die personelle Seite, wenn sich hier auch i m Einzelfall Abweichungen ergeben. Nur in Hessen sind die Verhältnisse i n stärkerem Maße anders durch die Rolle der kleinen Gemeinden und später der Landkreise in der SPD. Allerdings sind i n neuerer Zeit Entwicklungen eingetreten, die dieses Muster der Interessenvertretung i n den Parteien geändert haben. Auf sie w i r d unten noch eingegangen werden. Die hauptsächlichen Auseinandersetzungen über die Landkreisordnung fanden i m Verwaltungsausschuß des Landtags statt, und hier wurde auch die endgültige Entscheidung getroffen. I n der Grundsatzdebatte erwies es sich, daß die Landkreise auch von einigen (der CDU angehörenden) Vertretern der Gemeinden unterstützt wurden. Es kam sogar zu der paradoxen Situation, daß der Oberbürgermeister einer kreisfreien Stadt (FDP) den Bürgermeister einer kleinen Gemeinde (CDU) vor den Danaergeschenken der Landkreise warnte. Der Bürgermeister begründete seine Haltung damit, die kleinen Gemeinden seien darauf angewiesen, vom Kreis irgendwie unterstützt zu werden. Die leistungsschwachen Gemeinden hätten daher ein Interesse daran, daß der Kreis eine echte Gebietskörperschaft sei. Nur die großen leistungsstarken Gemeinden wollten das Wesen des Kreises schwächen 73 . A m konkreten Fall dieses Bürgermeisters kann die Interessenlage der Landgemeinden noch näher exemplifiziert werden. Es handelte sich u m eine kleine Gemeinde in einem Kreis, dessen Sitz eine kreisfreie Stadt ist. Kreis und Stadt standen zueinander in ständiger Rivalität, weshalb sich eine natürliche Interessenkoalition ergab zwischen Landkreis und Gemeinden gegen die Stadt. Daran zeigt sich, daß die Haltung der Gemeinden durchaus geteilt ist. Ein Teil, vor allem die kleinen Gemeinden und die finanzschwachen, sind auf die Leistungen des Landkreises angewiesen und auch in der allgemeinen Verwaltung durch den Verwaltungsaktuar eng mit ihm verbunden. Ein Oberbürgermeister interpretierte es als Schwäche der betreffenden Bürgermeister 74 , die zum Teil ganz von den Landräten abhingen. Dies mag auch eine Rolle spielen, doch t r i f f t es nicht den Kern des Problems: die Interessenlage der kleineren Gemeinden. Aber auch andere als die kleinsten Gemeinden haben aus mancherlei Gründen keine Gegensätze zu den Landkreisen. Dem stehen vor allem die lei73 74
Protokoll des Verwaltungsausschusses 22. 4.1955, S. 12. Interview.
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stungsstarken Gemeinden und die kleinen Städte gegenüber, die im Landkreis i n erster Linie die Konkurrenz sehen, die Aufgaben übernehmen möchte, die man selbst, auch i n Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden, übernehmen könnte. Von den Gemeindetagen i n BadenWürttemberg wurden aber i n erster Linie die Interessen dieser Gruppe vertreten, wohl weil eben diese i n den Organen der Verbände überrepräsentiert ist, wie sich bei der Betrachtung des WGT zeigte. Sie geben hier eindeutig den Ton an. Ein weiterer Grund liegt aber wohl i n der Natur dieser Verbände. Sie müssen die Interessen der Gesamtheit der Gemeinden vertreten, auch wenn sie i m Einzelfall von anderen Interessen überlagert sind. Zweifellos besteht aber eine gewisse Bedrohung der Gemeinden durch die allgemein festzustellende Verlagerung von Aufgaben nach oben, auch auf die Landkreise. Zu dieser verschiedenartigen Interessenlage der kleineren Gemeinden trat aber i m konkreten Fall der Landkreisordnung noch das taktische Geschick des Verbands württemberg-badischer Landkreise, dem es gelang, diese abweichenden Interessen für sich zu gewinnen. Mehrere Bürgermeister arbeiteten bei der Landkreisordnung mit dem Verband zusammen. Trotz dieser relativ günstigen Ausgangslage gelang es dem Verband württemberg-badischer Landkreise nicht, sich i m Verwaltungsausschuß des Landtags durchzusetzen. Die Anträge Dr. Hubers wurden mit 1 1 : 8 bzw. 12 : 6 : 1 abgelehnt 75 . Immerhin wurde verhindert, daß die i m Regierungsentwurf erreichten Ergebnisse für die Landkreise verschlechtert wurden. So wurde der Antrag, die Kompetenz-Kompetenz ganz zu streichen, abgelehnt. Dabei spielte eine große Rolle die Unterstützung durch den Vertreter des Innenministeriums. Dieses Ergebnis wurde auch in 2. und 3. Lesung trotz anderweitiger Wünsche des W G T 7 6 und des StV nicht korrigiert. A m Ende wurde der Regierungsentwurf nicht wesentlich verändert, und intern zeigten sich die Landräte m i t dem so Erreichten durchaus zufrieden. Daß es bei der Landkreisordnung so anders ablief als bei der Landesverfassung, ist einmal der Tatsache zuzuschreiben, daß das Ministerium die Kreise i n gewissem Umfang unterstützte, was sich in der Regierungsvorlage und i n den Ausschußberatungen zeigte, zum anderen auf das größere Geschick des Landkreisverbands i m Vergleich mit den Gemeindeverbänden. N u r am Rande befaßte sich der Landtag mit der Frage der Beteiligung der Gemeinden an der Willensbildung der Kreise. Diese w i r d ins75 76
Protokoll des Landtags 1. Periode, S. 3345. Eingabe an den Landtag vom 13. 7.1955.
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besondere wegen der Finanzwirtschaft von den Gemeinden angestrebt. Zwar muß der Ansicht widersprochen werden, daß die Kreisumlage ein Mitspracherecht der Gemeinden erfordert, da dies dem Wesen der Umlage nicht entspricht 77 . Dennoch fassen die Gemeinden die Umlage als ihren Beitrag auf, und i n Finanzierung und Aufgaben bestehen ja auch zahlreiche Verbindungen der Körperschaften. Eine gesetzliche Lösung wäre durch ein Zweikammersystem möglich, bei dem die 2. Kammer durch Vertreter der Gemeinden gebildet wird. Dies wurde 1950 von Landrat a. D. Schöne vorgeschlagen und auch von den Gemeinden i n der erwähnten Beratung der Gemeindekammer 1952 sowie anläßlich der Landkreisordnung. Dennoch ist auffällig, daß der Gemeindetag nie ernsthaft versuchte, diesen Gedanken i n die Tat umzusetzen. Ausschlaggebend ist sicher, daß die bisherige Vertretung der Bürgermeister i m Kreistag hinreichend erschien. Außerdem wäre eine solche Organisation schwerfällig und lohnte sich für den Landkreis wohl nicht 7 8 . Die Wahl von Bürgermeistern i n den Kreistag w i r d vom Gemeindetag als ein sehr wichtiges M i t t e l angesehen, die Spannungen zwischen den kommunalen Körperschaften zu verringern und die in der Sache vorhandenen Zusammenhänge zum Ausdruck zu bringen. Die Möglichkeit dazu w i r d sowohl vom Landtag gefordert 79 , wie die Bürgermeister i n ihren Bestrebungen unterstützt wurden, so etwa zeitweise durch die Organisation eigener Bürgermeisterlisten für Kreistagswahlen i n Württemberg 80 . Die Haltung des Landkreistags in diesen Fragen ist zwiespältig. Es bestehen intern durchaus Bedenken, da die Bürgermeister überwiegend in Finanzfragen der hemmende Teil sind 8 1 . Das Problem der Aufsicht scheint demgegenüber keine Rolle zu spielen. U m jedoch die Verbundenheit von Kreis und Gemeinden zu sichern, w i r d die Position der Gemeinden i n dieser Frage öffentlich unterstützt 8 2 . I n zunehmendem Maße w i r d von den Parteien auch für diese Ebene die Inkompatibilität gefordert. Schon bei den Beratungen i n Baden-Württemberg 1954 bestand i m Verwaltungsausschuß eine erhebliche Abneigung gegen eine zu große Zahl von Bürgermeistern i n den Kreistagen. Ausschlaggebend waren schon damals die Fragen, die sich aus der gegenseitigen A b hängigkeit ergeben. Die Inkompatibilität wurde eingeführt i n Niedersachsen 1968 und i n Schleswig-Holstein 1970 gegen den Widerstand der Gemeinden, ohne daß diesen aber ein Äquivalent eingeräumt worden wäre. 77 78 79 80 81 82
So auch Dietrich Fürst , Die Kreisumlage. Stuttgart 1969, S. 122 f. Interview. Württembergische Gemeindezeitung 1969, S. 151. Interview. Interview. Württembergische Gemeindezeitung 1969, S. 151.
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b) Die Aufgaben der Landkreise Da das Verhältnis von Landkreis und Gemeinden durch die Landkreisordnung nicht abschließend geregelt wurde und durch eine kommunalverfassungsrechtliche Regelung auch nicht gelöst werden kann, bestehen zwischen beiden kommunalen Aufgabenträgern weiterhin Spannungen. Sie sind zumeist latent oder dringen doch wenigstens nicht an die Öffentlichkeit. Beispiele für öffentlich geführte Auseinandersetzungen waren, neben den bereits erwähnten Vorgängen, die Polemik, die i n Baden-Württemberg StV und L K T 1962 - 1964 führten 8 3 , die Diskussion um die Ausgleichsfunktion der Landkreise oder der Streit um das hessische Schulgesetz 1969. Das Ringen um eine gerechte interkommunale Aufgabenverteilung vollzieht sich darüber hinaus laufend an vielen Einzelfragen. Insgesamt ist dabei eine wesentliche Expansion der Aufgaben der Kreise festzustellen. Die wichtigsten sachlichen Probleme sollen hier auch für die anderen Länder dargelegt werden, u m das Ausmaß des Konfliktes und seine Gründe aufzuzeigen. Dies ist notwendig, weil die Gegensätze zwischen Kreisen und Gemeinden lange Zeit eine erhebliche Rolle spielten. Bei den Aufgaben der Landkreise kann man unterscheiden 84 die übergemeindlichen Aufgaben, deren isolierte Erfüllung i m Verwaltungsraum nur einer Gemeinde technisch sinnlos wäre, die ergänzenden Aufgaben, die über die Leistungsfähigkeit der kreisangehörigen Gemeinden hinausgehen und die ausgleichenden Aufgaben. Diese werden erfüllt durch die Bereitstellung von Einrichtungen für alle Kreiseinwohner, die Hilfe für die kleinen Gemeinden und durch die Kreisumlage, durch die Finanzmittel innerhalb des Kreises mit der Wirkung eines Finanzausgleichs transferiert werden 8 5 . Um diese Aufgaben, die sogenannte Ausgleichsfunktion der Landkreise kam es auf der Bundesebene und i n allen Ländern zu heftigen Kontroversen, die ihren Höhepunkt um 1960 hatten. Vom D L T wurde diese Ausgleichsfunktion in dreifacher Hinsicht angestrebt 86 : 1. als ausgleichende Funktion innerhalb des Kreises selbst, 2. als Ausgleich zwischen den historischen Bereichen Stadt und Land und 3. als ausgleichender Raum, der die in i h m zusammengeschlossenen kommunalen Bereiche gegenüber den darüberliegenden Verbänden (Land, Bund) vertritt und zugleich als durchleitende und verteilende Stelle von Staatsmitteln tätig wird. Die Not83 Gustav Seebich, Landkreise und Gemeinden, i n : Landkreisnachrichten aus Baden-Württemberg 1962, S. 2 - 7 . Städteverband Baden-Württemberg, Gemeinden und Landkreise. Stuttgart 1964. 84 Wagener, Städte, S. 232 ff. 85 Fürst, S. 20 - 22. 86 Hans Georg Wormit, Ausgleichende Aufgaben der Landkreise, i n : Der Landkreis 1961, S. 135 - 138.
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wendigkeit dieser Aufgaben wurde damit begründet, daß nur so ein den Städten gleichwertiger Verwaltungseffekt erreicht werde und daß ein gerechter Ausgleich der Leistungen i n allen Ebenen dem Sozialstaatsgedanken entspreche. Dies sei schon i n der Vergangenheit so gewesen, für die Zukunft sei jedoch entscheidend, daß der Landkreis i m Bewußtsein der Bevölkerung immer mehr Bedeutung erlange. Dafür wurden etwa die Vereine angeführt, die sich auf Kreisebene organisieren. Wenn auch anerkannt wurde, daß der Landkreis i m Gegensatz zum „Rathaus" für den Bürger kein Begriff sei 87 , so wurde doch andererseits festgestellt, daß das ehrenamtliche Element in der Kreisverwaltung eine wesentlich größere Rolle spiele als früher, wodurch der Kreis eine vollwertige Kommunalkörperschaft sei 88 . Hier liegt wiederum der Fall vor, daß von einem Verband eine ideologisch geprägte Begründung für seine Ziele benutzt wird. Sie hat hier den Zweck, einen Aufgabenzuwachs für die Landkreise zu fordern und sie den Gemeinden letztlich gleichzustellen. Die konkreten Folgerungen, die daraus gezogen wurden, waren zum einen, den leistungsschwachen Gemeinden Zuschüsse für ihre Aufgaben zu geben, zum anderen sollte der Kreis als Instanz zwischen Gemeinde und Land geschoben werden. Er sollte eine Schutzfunktion sowohl gegenüber dem Land wie kreisfreien Städten ausüben und auch die Verteilungsstelle für zweckgebundene Zuweisungen des Landes werden. Als Vorbild dafür diente § 15 des Landesfinanzausgleichsgesetzes Rheinland-Pfalz 89 . Die Landesmittel zur Förderung des Ausbaus der Gemeindeverbindungsstraßen wurden danach den Kreisen zugewiesen, die sie wiederum auf die Gemeinden verteilten. Als Vorteil dieser Methode wurde angesehen die Möglichkeit einer Schwerpunktbildung und die weit bessere Feinverteilung der M i t t e l auf Grund der größeren Ortskenntnis der Kreise 9 0 . Dieses Verfahren sollte in allen Bereichen angewandt und dazu ein Investitionsstock gebildet werden. Es muß jedoch festgestellt werden, daß ein solches Verfahren unökonomisch wäre und zweifellos eine Quelle ständigen Streites im Kreis 9 1 . Entscheidend ist jedoch, daß damit der Kreis zwischen Gemeinde und Land treten würde. Die Gemeinden wären dadurch ein zweitrangiger Partner i m Finanzausgleich 92 . 87
Wormit i n : Der Landkreis 1960, S. 178. Wormit i n : Der Landkreis 1960, S. 304. 89 Günther Dehe, Die Schwerpunktfunktion der Landkreise i n RheinlandPfalz, i n : Der Landkreis 1960, S. 239 -241. Vgl. als neueres Beispiel auch: Eildienst 1970, Nr. 1/70/2. 90 Dehe, ebd., S. 240. Ebenso Heinz Gottfried Nawratil, Der Ausgleich z w i schen den Gemeinden als Aufgabe der Landkreise. Diss. München 1964, S. 182. 91 Dies muß entgegen der Auffassung Nawratils, S. 183 festgestellt werden. Vgl. auch Fürst, S. 109 ff. 88
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2. Kap. : Das Verhältnis der kommunalen Gruppen zueinander
Dies gilt auch für den zweiten zwischen den Verbänden strittigen Punkt, die Zuschüsse der Landkreise aus eigenen M i t t e l n zu gemeindlichen Aufgaben. Sie machten in Baden-Württemberg zeitweise i n einzelnen Kreisen bis zu 6 % der Kreisumlage aus. Der D L T sah sie als Teil des Finanzausgleichs und als legitimen Einfluß auf die Gemeinden an 9 3 . Da sie aus der Umlage finanziert werden, wurden sie vom Gemeindetag und vom Städtebund heftig angegriffen. Sie unterschieden zwischen einer Ausgleichsfunktion i m weiteren Sinn, die durch die Kreisumlage erfüllt werde, und Ausgleichsaufgaben, die in zusätzlichen Initiativen der Kreise bestehen 94 . Dafür mangle aber ein gesetzlicher Auftrag und die Landkreise seien überfordert, da ihr Gebiet für einen Ausgleich zu klein sei. Der DStB versuchte auch, i n Nordrhein-Westfalen solche Zuschüsse durch Maßnahmen der Aufsichtsbehörde zu verhindern. Das Innenministerium entschied jedoch, daß Rücklagen für den Volksschulbau der Gemeinden zulässig seien 95 . Auch in BadenWürttemberg lehnte das Innenministerium ein Eingreifen ab. I n Bayern wurden hingegen solche freiwilligen Leistungen durch einen Erlaß verboten 9 6 . Der Streit um die Ausgleichsfunktion belastete das Verhältnis der kommunalen Spitzenverbände über viele Jahre hinweg. Der D L T erreichte jedoch sein Ziel einer größeren Rolle der Landkreise i n der Verteilung der Finanzmittel nicht. Auch die Zuschüsse an die Gemeinden spielen heute, i m Zeichen der Knappheit der Finanzmittel, keine große Rolle mehr, wenn sie auch nicht verschwunden sind. Die Landkreise wurden i n ihren Forderungen zumeist auch von der Ministerial ver waltung unterstützt. Dies zeigt etwa ein Aufsatz des Leiters der Kommunalabteilung i n Baden-Württemberg, Meyer-König, i n der Zeitschrift des Landkreistags 97 . Er forderte schon 1952 eine M i t w i r k u n g der Landkreise bei der Verteilung von Bedarfszuweisungen, wobei eine Verbindung der Kommunalaufsicht mit finanziellen Förderungsmöglichkeiten vorgeschlagen wurde. Ein solch weitreichender Einfluß auf die Gemeinden wäre jedoch sehr bedenklich. Dazu sollten als neue Aufgaben kommen die Übernahme der Berufs- und Berufs92 Hans Albert Berkenhoff, Die Grenzen der Ausgleichsfunktion der L a n d kreise, i n : Deutscher Städtebund. Nachrichtendienst 1962, S. 17 - 20. 93 Horst Hacker, Finanzierung von Gemeindeaufgaben durch die L a n d kreise?, i n : Der Landkreis 1962, S. 7 - 13. 94 So Gröbner i n : Der bayerische Bürgermeister 1961, S. 149. Ähnlich Nawratil, S. 179 f. 95 Rundschreiben des D L T Nr. 134/59 vom 10.12.1959. 96 DStB Nachrichtendienst 1963, S. 10. 97 Alexander Meyer-König, Z u r Ausgleichsfunktion der Landkreise, i n : Die Selbstverwaltung 1952, S. 293 - 297.
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fachschulen (außer i n den großen Städten), Trägerschaft von Wohnbauunternehmen, Unterstützung bei der Industrieansiedlung und leistungsfähige Kreisbauverwaltungen, die auch den kleinen Gemeinden zur Verfügung gestellt werden könnten. Außerdem forderte er, den Landkreisen neue Finanzquellen i n Form eigener Steuern zur Verfügung zu stellen. A l l diese Vorschläge begünstigten die Landkreise. Dennoch nahm Meyer-König natürlich nicht einseitig Stellung für sie. Sie sollten ihre Subsidiarität beachten und nicht die Gemeinden finanziell nivellieren. Auch die Sonderstellung der größeren Stadt i m Kreis sollte beibehalten werden. Diese Haltung ist schon deswegen natürlich, weil er selbst aus der Verwaltung einer Stadt kam. Dennoch bevorzugen seine Vorschläge insgesamt die Landkreise, und für andere Ministerialbeamte t r i f f t dies noch weit mehr zu. Es ist die Frage, wie diese deutliche, wenn auch nie ganz einseitige Tendenz zu erklären ist. Eine Rolle spielt dabei sicher die Herkunft der Beamten, die, soweit sie kommunale Erfahrungen haben, diese zumeist i n den Landkreisen sammelten, während der Übertritt vom Dienst der Städte und Gemeinden in den des Landes selten ist. Das Landratsamt als untere staatliche Verwaltungsbehörde w i r d ja in den Ländern, in denen noch Landesbeamte i m Landratsamt tätig sind, i n der Personalpolitik verstanden als ein Reservoir des Nachwuchses. Es dient somit als ein wichtiges Bindeglied zwischen Kreisen und Ministerien. M i t den Erfahrungen w i r d natürlich zugleich die Sicht der Landkreise in das neue A m t m i t übernommen. Dies galt i n besonderem Maße für die früheren staatlichen Landräte, während die heutigen kommunalen kaum mehr übertreten. Dies kommt aber z. B. in Baden-Württemberg noch immer bei den Stellvertretern der Landräte vor, den ersten Landesbeamten i m Landkreis. A n einem völligen Abreißen dieser Verbindung können die Landkreise schon aus diesem Grund nicht interessiert sein. Ein weiterer Grund für die Bevorzugung mag der Einfluß sein, den die Ministerien i n den meisten Ländern noch immer auf die Landkreise ausüben können. Auch wenn nur noch in zwei Ländern der Landrat staatlich ist, so besteht doch zumeist, sei es durch Mitwirkung, sei es durch gesetzliche Qualifikationsvorschriften, wenigstens eine Kontrolle bei der qualitativen Auslese, was bei den Gemeinden keineswegs der Fall ist. Dazu kommt noch teilweise ein Einfluß auf die Landesbeamten beim Landratsamt. Schließlich spielt sicher eine Rolle, daß die Beamten der zentralen Behörden i m allgemeinen möglichst einheitliche Regelungen vorziehen und so die größere gegenüber der kleineren Einheit bevorzugen. Die Masse der Gemeinden, die von sehr unterschiedlicher Leistungskraft ist, ist nicht so gut zu überblicken wie die i m Verhältnis dazu weit übersichtlicheren Landkreise. I n dieser Frage wirken also sowohl Einstellungen der Beamten wie unmittelbare Inter-
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2. Kap. : Das Verhältnis der kommunalen Gruppen zueinander
essen der Ministerien zusammen. Von den Städten- und Gemeindeverbänden w i r d die Ansicht vertreten, diese Neigung zu den Landkreisen weise ein deutliches Gefälle von Norden nach Süden auf 9 8 . Zu erklären ist dies möglicherweise mit der Tradition der preußischen Verwaltung, i n der die staatlichen Landräte früher eine bedeutende Rolle spielten 99 . Auch auf der Bundesebene w i r d nach Ansicht der gemeindlichen Seite dieselbe Haltung wirksam. Darauf sei z. B. zurückzuführen, daß nach dem Bundessozialhilfegesetz die Landkreise und kreisfreien Städte zu örtlichen Trägern der Sozialhilfe erklärt wurden (§ 96). Die Aufgaben der Landkreise haben sich seit 1945 weit stärker vermehrt als die der Gemeinden. I m ganzen Bundesgebiet ist die generelle Tendenz festzustellen, Aufgaben auf eine höhere Ebene zu verlagern sowohl zwischen Gemeinden und Kreisen wie zwischen Kreisen, Land und Bund. Dies vollzieht sich in vielen Einzelschritten. Ein besonders wichtiger Fall war z. B. die Übernahme der Schulträgerschaft sämtlicher Schularten auf den Kreis durch das Gesetz zur Änderung des hessischen Schulgesetzes vom 31. 3.1969 100 . Von dieser Maßnahme, die zur Vorbereitung der Gesamtschule dient, sind nur Städte ab ca. 17 000 Einwohner ausgenommen. Nach Ansicht des HGT war dies der schwerste Eingriff in die gemeindliche Selbstverwaltung seit 1945, und ebenso wurde es vom Städtebund heftig abgelehnt. Durchgesetzt wurde diese Maßnahme vom Kultusministerium, das meinte, eine Schulreform am ehesten bei einer einheitlichen Schulträgerschaft verwirklichen zu können. Es war also i n erster Linie das Fachministerium, während das Innenministerium den Argumenten der Gemeinden aufgeschlossener war. Auch i m Landtag wurde es durchgesetzt von der sehr zahlreich vertretenen Lehrerschaft sowie den Landräten, die allerdings teilweise die auf sie zukommende schwierige Aufgabe fürchteten 1 0 1 . Da diese sowohl in der Partei wie damals i m Landtag eine starke Stellung hatten, konnten sie sich gegen die Gemeinden durchsetzen. Ausschlaggebend war sicherlich die geringe Leistungskraft der zahlreichen hessischen Kleinstgemeinden, die viele Zweckverbände erforderte. Der Städtebund bezeichnete daher dieses Gesetz als Folge der fehlenden Gemeindereform. Andere Beispiele der Verlagerung von Aufgaben auf den Landkreis sind etwa die Berufsschulen in Baden-Württemberg 08
Interview. Auch die durchschnittliche Höhe der Kreisumlage weist dieses Gefälle von Nord nach Süd aus. Vgl. Fürst, S. 66. Ob hier ein Zusammenhang besteht, ist nicht zu entscheiden, da die Umlage von sehr vielen Faktoren beeinflußt w i r d . 100 Vgl. der Städtebund 1969, S. 275 f. Der Gemeindetag 1969, S. 265 f. Die demokratische Gemeinde 1968, S. 647. Hessische Gemeindezeitung 1968, S. 146. 101 Interview. 99
I. Landkreise u n d Gemeinden
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oder die Müllabfuhr, deren Übernahme auf die Landkreise teilweise schon beschlossen ist. Während der Landkreistag i n solchen Fällen der Leistungsverwaltung die Übernahme der Aufgaben durch die Landkreise vorschlägt, versuchte der Gemeindetag immer wieder, die Aufgaben so lange wie möglich i m gemeindlichen Bereich zu erhalten und sie auf Zweckverbände zu übertragen. Damit unterliegen diese Aufgaben weiterhin dem Einfluß der Gemeinden, ohne daß auf den Vorteil eines größeren Trägers verzichtet werden muß. Dabei gab es auch Vorstellungen von Zweckverbänden, die sich mit dem Gebiet eines Kreises nahezu decken 102 . Vom Landkreistag w i r d dies dagegen kritisiert als unzweckmäßig, unübersichtlich und nicht mit der Landkreisordnung übereinstimmend. Primärer Aufgabenträger seien die Gemeinden, sekundärer die Kreise und erst dann sei zu prüfen, ob ein Zweckverband besser geeignet wäre. Diesen Trend aufzuhalten und wenn möglich umzukehren, ist einer der wesentlichen Antriebe der Gemeindereform, durch die ja die Verwaltungskraft der Gemeinden gestärkt und ihre erheblichen Unterschiede ausgeglichen werden sollen. Die große Anzahl verwaltungsschwacher Kleinstgemeinden machte ein Eingreifen der Kreise geradezu notwendig 1 0 3 . Dieses Problem w i r d mit dem Schlagwort Funktionalreform bezeichnet. Sie umfaßt sowohl das Verhältnis von Gemeinden und Kreisen, wie das zu Regierungsbezirken und Ländern. Voraussetzung für sie ist eine abgeschlossene territoriale Reform der Gemeinden und Landkreise. Daher ist die Diskussion am weitesten i n den Ländern gediehen, in denen der erste Schritt schon getan ist. Dies gilt besonders für Rheinland-Pfalz, wo eine ganze Reihe von Aufgaben, darunter die meisten baurechtlichen Zuständigkeiten auf die Gemeinden übertragen wurden 1 0 4 . Umstritten war im wesentlichen nur die Kfz-Zulassung. Der Landkreistag billigte dies in der Erwartung, daß die Bedeutung der Kreise nicht geschmälert wird, einerseits durch Delegation von Aufgaben von den Regierungspräsidien, andererseits indem die Einrichtungen, die Unternehmen und die Leistungsverwaltung weiterhin zum größeren Träger tendieren. Dagegen wurden i n Baden-Württemberg diese Maßnahmen vom Landkreistag als unwirtschaftlich kritisiert 1 0 5 und i n 102
Interview. 103 y g i dazu Barbarino, i n : Entwicklung der Aufgaben und Ausgaben von Bund, Ländern und Gemeinden. B e r l i n 1971, S. 137. 104 v g l . Hofmann, Die funktionale Verwaltungsreform i n RheinlandPfalz, i n : Die V e r w a l t u n g 1971, S. 451 -496. Walter Bogner, Die V e r w a l tungsreform i n Rheinland-Pfalz, i n : Der Gemeindetag 1970, S. 397 - 405. 105
Landkreisnachrichten aus Baden-Württemberg 1971, S. 283,
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2. Kap. : Das Verhältnis der kommunalen Gruppen zueinander
Nordrhein-Westfalen ist es ebenso umstritten 1 0 6 . Die Vorstellungen des Städte- und Gemeindebundes i n seiner 1. und 2. Studie zur Funktionalreform von 1970 fanden keine Resonanz. Vom Städtetag wurde k r i t i siert, daß sich die funktionale Verwaltungsreform nur an den kleinen Gemeinden orientiere. Angesichts der Entwicklung wurde festgestellt, daß auch die Verwaltungsreform keine Gewähr dafür gebe, daß Aufgaben von den Gemeinden und Städten abgezogen werden 1 0 7 . Daß ein weiteres Element der Spannungen zwischen Kreisen und Gemeinden die Kreisumlage darstellt, wurde bereits oben dargelegt. Als steuerähnliche Umlage ist sie politisch schwerer durchzusetzen als eine beitragsähnliche Umlage, bei der das Äquivalenzprinzip angewendet w i r d 1 0 8 . Dennoch wurde die Finanzierung durch die Umlage i n allen Ländern beibehalten. Von Seiten der Gemeinden w i r d dies auch begrüßt, da eigene Steuerquellen die Landkreise nur noch unabhängiger werden ließen 1 0 9 . Aber auch von der Landkreisseite wurde nirgends eine andere Lösung vorgeschlagen. Ausschlaggebend ist w o h l die Schwierigkeit, ergiebige Finanzquellen zu finden. Die Umlage hat sich auch bewährt und w i r d von der Wissenschaft als weiterhin zweckmäßiges Finanzierungsinstrument angesehen 110 . Die Ursache für die Verlagerung von Aufgaben auf eine höhere Ebene liegt sicherlich teilweise i n der mangelhaften Verwaltungskraft vieler kleinerer Gemeinden. Jedoch ist diese Entwicklung auch eine Folge der i m sozio-ökonomischen Bereich zunehmenden überlokalen Verflechtung, die eine Lösung der politischen Aufgaben auf der Ebene der Gemeinden immer schwieriger macht. Dies begünstigt die Arbeit des Landkreistags wesentlich. Man w i r d den Landräten auf Grund dieser Entwicklung allerdings nicht, wie viele Bürgermeister es taten, den Vorwurf machen können, sie strebten eine Großgemeinde an. Dazu sind die Aufgaben der Landkreise nicht umfassend genug. Allerdings gibt es teilweise auch Versuche, Gemeinden und Landkreise gleichzustellen, wie etwa die erwähnten Äußerungen des Hauptgeschäftsführers Wormit oder des Verbandsvorsitzenden Seebich, der meinte, die Aufgaben der Gemeinden hätten keine Priorität gegenüber denen der Kreise, und Gemeinden und Kreise stünden auf einer Stufe 1 1 1 . 106
S. 129. 107
Vgl. dazu die Äußerungen von Laux, i n : Entwicklung der Aufgaben . . . ,
Der Städtetag 1974, S. 264 f. Fürst, S. 21. 109 Interview. 110 Fürst, S. 115 ff. 111 Eildienst 1963, Nr. 1/63/3, der die Universalität für die Landkreise, nicht für die Gemeinden diskutiert. 108
I I . Landkreise und Mittelstädte
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Nicht nur von der Ministerialverwaltung, sondern auch von den Politikern w i r d der Landkreis als zweckmäßiges Instrument der politischen Dezentralisierung und als Träger der Entwicklung des Landes zunehmend in den Vordergrund gestellt 1 1 2 . Auch die Parteien sind ja vornehmlich in Kreisverbänden organisiert, und diese Form hat auch den Vorteil der größeren Übersichtlichkeit. M i t dazu beigetragen hat die politische Position der Landräte, die sie in zunehmendem Maße errungen haben, wie etwa i n Nordrhein-Westfalen i m Landtag, i n Hessen i n der Partei. Auch in Bayern, hier bedingt durch die U r w a h l der Landräte, die ihnen für eine Wahl zum Landtag gute Startpositionen gibt, haben sie eine starke politische Position. Der Konflikt zwischen Landkreisen und Gemeinden ist heute noch so groß wie früher. Er stand lange Zeit im Vordergrund des kommunalpolitischen Interesses und machte eine einheitliche Organisation unmöglich. Er spielte sich vor allem zwischen DGT, DStB und D L T ab, während der DST sich in dieser Frage zurückhielt. Außer den beiden betroffenen süddeutschen Landesverbänden beschäftigte er sich mit den Problemen der kreisangehörigen Gemeinden früher nur wenig. Daneben bestanden aber auch stets Gemeinsamkeiten der Kreise mit den kleinen Gemeinden, so daß man sogar von einer Koalition beider sprechen konnte. Dies hat sich in jüngster Zeit zu einer teilweise engen Zusammenarbeit verstärkt, auch unter Einbeziehung der mittleren Städte, wodurch die Frontstellung gegen den DST beherrschend geworden ist. A u f diese w i r d unten eingegangen werden. II. Die Sonderregelungen für das Verhältnis von Landkreis und mittleren Städten Das Verhältnis von Landkreis und Gemeinden ist, wie bereits dargelegt wurde, besonders problematisch bei den größeren Gemeinden. Dies gilt i n erhöhtem Maße für die mittleren kreisangehörigen Städte. Die besonderen Probleme dieser Gemeindegruppe haben i n weiten Teilen des Bundesgebiets zur Existenz eines eigenen Städtebundes geführt, für den der Gegensatz zum Landkreistag ein wesentliches Charakteristikum ist. Die Organisation der Verbände ist hier also abhängig von den verwaltungspolitischen Problemen. Andererseits wurden diese durch die Verbände, besonders in Nordrhein-Westfalen, noch verschärft, so daß man feststellen kann, daß beide in einer Wechselbeziehung zueinander stehen. Die Stellung der mittleren Städte ist in den einzelnen Bundesländern sehr verschieden geregelt 113 . Dennoch verliefen die Fronten i n 112 Vgl. etwa M. Dufhues, i n : Der Landkreis 1960, S. 177; M. Schneider, ebd., S. 176; Zinn, ebd., S. 283 f.
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2. Kap.: Das Verhältnis der kommunalen Gruppen zueinander
den entscheidenden Gremien, den Parteien, Landtagen und Ministerien i n allen Ländern ähnlich. Sie entsprechen denen bei dem bereits behandelten Problem des allgemeinen Verhältnisses von Landkreis und Gemeinden. Hier soll eingegangen werden auf Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg als die Länder, in denen diese Städtegruppe die größte Holle spielt. Baden-Württemberg unterscheidet sich von anderen Bundesländern dadurch, daß es hier sehr wenige kreisfreie Städte gibt und selbst eine Stadt wie Eßlingen mit über 80 000 Einwohnern i m Kreis verblieben ist. I m Unterschied dazu wurden i n Preußen bis 1929 Städte meist mit 25 000 Einwohnern ausgekreist 114 , und in Bayern waren selbst Städte mit nur 10 000 Einwohnern kreisfrei. M i t Recht w i r d daher von einer besonders engen Verbindung zwischen Kreis und Stadt in Württemberg gesprochen. Die drei Stadtkreise (außer Stuttgart) wurden erst 1938 geschaffen und dazu 8 „Stadtkreise i m Sinn der Deutschen Gemeindeordnung" 1 1 5 , eine Einrichtung, die sich zur Großen Kreisstadt weiterentwickelte. I n Baden lagen die Verhältnisse ähnlich. Die kleinsten Stadtkreise waren nach der Schaffung der Landkreise 1936 BadenBaden und Konstanz, und letzteres kehrte 1954 wieder in seinen Landkreis zurück. Der Grund war vor allem, daß eine Verlegung des Sitzes des Landkreises drohte und damit die Stadt ihre Mittelpunktfunktion verloren hätte. Dieses Motiv spielt sicher auch bei einigen anderen Städten eine Rolle, wie Eßlingen und Reutlingen, die eine Auskreisung nicht ernsthaft anstrebten. Vor dem Krieg und i n manchen Ländern auch danach 116 wurden immer mehr Städte aus dem Verband des Kreises entlassen. Heute ist die Tendenz dagegen allgemein umgekehrt angesichts der zunehmenden Verkehrs-, geschäftlichen und sozialen Beziehungen zwischen Stadt und Umland 1 1 7 . Zu der Zeit, in der die Landkreisordnung beraten wurde, stand jedoch noch eher eine Auskreisung zur Diskussion. Es liegt natürlich i m fundamentalen Interesse der Landkreise, eine solche Entwicklung zu verhindern. Der Verband württemberg-badischer Landkreise forderte daher auch in den Stuttgarter Beschlüssen vom 30. 5. 1949, keine weiteren Auskreisungen vorzunehmen. Das gleiche liegt 113 Sie sind i m einzelnen dargestellt bei Hans-Heinrich Eilers, K o m m u n a l rechtliche Sonderstellungen kreisangehöriger Mittelstädte i n der Bundesrepublik. Göttingen 1968. 114 Wagener, Städte, S. 106 ff. 115 Grube, S. 83 f. 116 Außer der Wiederherstellung der Verhältnisse vor 1933, v. a. Leverkusen und Wolfsburg. 117 Cantner, Verfassungsrecht der Landkreise, S. 445. So etwa Göttingen, Siegen, Herford, Lüdenscheid, Viersen und einige bayerische Städte.
I I . Landkreise u n d Mittelstädte
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i m Interesse der Gemeinden und kleineren Städte, vor allem wegen des Verlustes der Kreisumlage, die von einer kreisfreien Stadt nicht mehr bezahlt werden muß. Aber auch über diese Gruppen hinaus wurde i n Baden-Württemberg eine Auskreisung weitgehend abgelehnt, vor allem i m Innenministerium, das hier der württembergischen Verwaltungstradition folgte und die Interessen der Landkreise denen der mittleren Städte vorzog. Dies gilt auch für die Parteien, natürlich besonders für die CDU aus ihrer bereits erwähnten Vertretung der Interessen des flachen Landes heraus. Unter den Städten wurde eine Auskreisung nur zeitweise in Eßlingen diskutiert 1 1 8 . Es ist sehr bemerkenswert, daß auch die mittleren Städte in Baden-Württemberg bereit waren, i m Landkreis zu verbleiben. Intern scheint allerdings eine Auskreisung erwogen worden zu sein, oder man wollte es sich wenigstens offenhalten. Eine Rolle für die geringe Initiative spielte sicher die Aussichtslosigkeit solcher Bestrebungen, doch entscheidend ist, daß offensichtlich die Einrichtung der Großen Kreisstadt den Wünschen der Städte weit genug entgegen kam. Den Vorstellungen des Innenministeriums entspricht auch die Gemeindeordnung, die erstmals eine generelle gesetzliche Regelung brachte. Nach § 1 Abs. 1 können Gemeinden mit mehr als 100 000 Einwohnern auf ihren Antrag durch Gesetz zu Stadtkreisen erklärt werden. Dieser Absatz ist rechtlich belanglos, doch schafft er mit der Einwohnergrenze eine psychologische Barriere gegen eine Auskreisung von kleineren Städten. Da eine solche also weder möglich war noch angestrebt wurde, mußte eine andere Lösung für eine Sonderbehandlung der mittleren Städte gefunden werden. Dies war schon deswegen dringend, da i m 3. Reich durch Reichsgesetze neue Aufgaben fast ausschließlich den Landkreisen übertragen wurden. Um die Stadtkreise i m Sinn der Deutschen Gemeindeordnung dafür zu entschädigen, erging am 26. 5. 1944 eine Verordnung zur Übertragung von Verwaltungsaufgaben auf die kreisangehörigen Gemeinden 119 , nach der die untere Verwaltungsbehörde übertragen werden konnte, jedoch abhängig von persönlichen und sachlichen Voraussetzungen für eine Erfüllung der Aufgaben und jederzeit widerruflich. Dies schuf natürlich unsichere Verhältnisse. Eine generelle Regelung erfolgte i n der Kreisordnung von Württemberg-Hohenzollern i n A r t i k e l 11 und i m württemberg-badischen Gesetz Nr. 376 vom 23. 1. 1950 120 . Hier soll nur letzteres, das direkte Vorbild der heutigen Regelung, untersucht werden 1 2 1 . 118 119 120
Eßlinger Zeitung 15.1.1955. Reichsgesetzblatt I 1944, S. 124. Regierungsblatt der Regierung von Württemberg-Baden 1950, S. 9 f.
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2. Kap.: Das Verhältnis der kommunalen Gruppen zueinander
Dieses Gesetz ging auf das ständige Drängen der betreffenden Städte zurück, die sich i n einer Arbeitsgemeinschaft i m StV zusammengeschlossen hatten. Für sie bedeutete es einen Gewinn an Kompetenzen, an Einfluß auf den Landkreis und an Prestige, was nicht unterschätzt werden darf angesichts des Wunsches, m i t gleich großen Städten anderer Länder gleichgestellt zu werden. Die „unmittelbaren Kreisstädte" (seit 1955 „Große Kreisstädte") bekamen die Aufgaben der unteren Verwaltungsbehörde, die das Landratsamt als Staatsbehörde erfüllt, m i t wenigen Ausnahmen als Auftragsangelegenheiten zur Erledigung nach Weisung übertragen. Dies bedeutete zugleich eine Verwaltungsvereinfachung, da diese Angelegenheiten vielfach von den Gemeinden vorbearbeitet werden müssen. Außerdem w i r d die Kommunalaufsicht über diese Städte vom Regienmgspräsidium statt vom Landkreis ausgeübt, der Hauptverwaltunsbeamte trägt den Titel Oberbürgermeister und war von Amts wegen beschließendes Mitglied des Kreisrats. Um das Gesetz durchzubringen, verzichteten die Städte ausdrücklich auf Forderungen bezüglich der Kreisumlage. Andererseits drohten sie mit weitergehenden Auskreisungsbestrebungen. Der Verband württemberg-badischer Landkreise stellte sich den Wünschen der mittleren Städte nicht entgegen, sicher aus Furcht vor Auskreisungen, die das fundamentale Interesse der Kreise auf ihren Zusammenhalt beeinträchtigt hätten 1 2 2 . Auch die Stellungnahme des Deutschen Landkreistags, die dazu eingeholt wurde, wohl weil es sich um eine grundsätzliche Fortentwicklung des Rechts handelte, w a r in diesem Sinne. I n erster Linie wurde bedauert, daß die Einheit der Kommunalaufsicht zerstört werde, doch wurde das Argument anerkannt, daß es dem Landkreis für diese Städte an Vergleichsmöglichkeiten fehle. Gegenüber dem Verzicht auf die Aufsicht erschien aber der auf die untere Verwaltungsbehörde von geringer Bedeutung. Die württemberg-badischen Landräte erkannten das Gesetz als ein Mittel, den Zusammenhalt von Stadt und Landkreis zu fördern, und der Verband konzentrierte sich darauf, Verbesserungen zu erreichen m i t dem Ziel einer möglichst engen Verflechtung. Der erste Entwurf des M i nisteriums wurde kritisiert, weil er, wie in Württemberg-Hohenzollern, sämtliche Aufgaben der unteren Verwaltungsbehörde den Städten übertragen wollte. Man wollte dies nur für einzelne Aufgaben. Weiter
121 Nach dem Geschäftsbericht des Verbandes württemberg-badischer L a n d kreise 1954/55, S. 8 sowie A k t e n des L K T BW. 122 Ähnlich i n Aufsätzen Heinrich Treib ert, Landkreisreform, i n : Die Selbstverwaltung 1951, S. 38 - 41, 73 - 76, u n d Friedrich Schöne, Der L a n d kreis u n d die kreisangehörigen Gemeinden, eine organische Einheit, i n : Die Selbstverwaltung 1951, S. 137 - 145.
I I . Landkreise u n d Mittelstädte
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wünschte man statt 20 000 Einwohner 30 000 als untere Grenze. Eine Einigung über diese Forderung wurde erzielt auf Verhandlungen zwischen den beiden Verbänden, vor allem über eine Ernennung der einzelnen Stadt nur durch Gesetz, was schwerer zu erreichen ist. I m übrigen entschied der Landtag für einen Negativkatalog der Aufgaben, die nicht übertragen werden dürfen. I m Gegensatz dazu stand der WGT dem Gesetz ablehnend gegenüber 1 2 3 . Er befürchtete, der Zusammenhalt zwischen Kreis und Stadt werde gelockert und irgendwann folge eine völlige Auskreisung oder entstünden finanzielle Konsequenzen. Als sich jedoch erwies, daß dies nicht der Fall war, wandelte sich seine Haltung. Da den kleineren Gemeinden durch die Schaffung einer Großen Kreisstadt nicht geschadet wird, setzte sich der WGT bei der Beratung der Landkreisordnung eher für eine Herabsetzung der Einwohnergrenze ein. Wichtig ist aber die volle Belastung mit der Kreisumlage. U m nach der Gründung des Landes die Beibehaltung dieser Einrichtung und ihre Ausdehnung auf Baden zu sichern, wurde eine Arbeitsgemeinschaft der betreffenden Städte aus sämtlichen Regierungsbezirken am 19. 9. 1952 gegründet. Es wurde eine weitere Verbesserung des Status vorgeschlagen durch die Übertragung weiterer Aufgaben. Auch wurde ein Vorbehalt zu der Frage der Finanzierung gemacht, was anzeigt, daß intern durchaus erwogen wurde, noch weiter zu gehen. Trotzdem kam es weiterhin zur Zusammenarbeit zwischen diesen Städten und den Landkreisen und zu gemeinsamen Beratungen der Arbeitsgemeinschaft und des Verbandes württemberg-badischer Landkreise über das Kreisrecht. Die Städte unterstützten hier die Forderungen und Beschlüsse der Landkreise, z. B. über den kommunalen Landrat. Wahrscheinlich erwarteten sie dafür deren Unterstützung für die Beibehaltung ihres Status und eine Ausdehnung auf das ganze Land. Diese benötigten sie durchaus, w e i l die südbadischen Landräte Gegner der Großen Kreisstadt waren. Noch wichtiger aber war die Haltung des Innenministeriums, das die Einwohnergrenze stark heraufsetzen wollte, ja angeblich diese Einrichtung am liebsten ganz beseitigt hätte 1 2 4 . Es zeigt sich hier am deutlichsten seine Tendenz, die Landkreise gegenüber den Gemeinden zu bevorzugen und die Oberbürgermeister unter die Landräte zu „ducken", wie sich ein Angehöriger des Innenministeriums ausdrückte. Darin liegt eine kommunalfeindliche Tendenz. Allerdings vertrat das Innenministerium keineswegs geschlossen diese Ansicht, sondern vor allem der damalige Ministerialdirektor und die 123 124
Interview. Interview.
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Abteilung I (Behörden). Daß es nicht deren persönliche Ansicht war, sondern auf die oben erwähnte grundsätzliche Haltung des Ministeriums zurückgeht, zeigt die Tatsache, daß auch heute von diesem eine untere Grenze von 40 000 Einwohnern für richtig gehalten w i r d sowie der Vergleich mit anderen Bundesländern. Die Kommunalabteilung war damals jedoch anderer Ansicht 1 2 5 . Dies ist ein Beispiel dafür, wie diese Abteilung eine Schutzfunktion für die Gemeinden ausübt. Man kann auch feststellen, daß sich die Einrichtung bei den Städten bis 40 000 Einwohner durchaus bewährt hat. Trotz dem starken Drängen der mittleren Städte auf eine Lösung, die dem bisherigen Recht entsprach, und der Zustimmung fast aller kommunalen Verbände sah sich die Kommunalabteilung unter dem Druck des übrigen Innenministeriums veranlaßt, i m Referentenentw u r f 40 000 Einwohner als Grenze anzusetzen, wobei der Besitzstand der bereits ernannten Städte gewahrt bleiben sollte. Dies geschah allerdings schon in der Erwartung, daß es korrigiert werde. Dies erfolgte auch auf den Protest aller kommunalen Spitzenverbände hin, den sie i m August 1954 i n einer gemeinsamen Stellungnahme erhoben. I m Regierungsentwurf wurde die Grenze auf 25 000 Einwohner herabgesetzt. Doch auch dies genügte dem StV und dem WGT nicht. Sie verlangten in ihren Eingaben an den Landtag 1 2 6 ein Recht der Städte, bei 20 000 Einwohnern ohne Prüfung der Verwaltungskraft zu Großen Kreisstädten ernannt zu werden. Hier setzten sich in beiden Verbänden diejenigen Städte durch, die auf eine baldige Trennung hofften. Diese Städte unter 20 000 Einwohnern sind ja in den Gremien des WGT überrepräsentiert und besonders aktiv. Sie konnten eine Stellungnahme erreichen, die nicht unbedingt i m Interesse der kleineren Gemeinden liegt. Auch i m Verwaltungsausschuß des Landtags standen sich dieselben Fronten gegenüber. Das Innenministerium verteidigte hier seinen Entwurf, wobei auffällt, daß nicht die Kommunalabteilung, sondern die Abteilung I, die eine harte Linie vertrat, entsandt wurde 1 2 7 . Unter den Abgeordneten waren jedoch wiederum in erster Linie die Vertreter der betroffenen Städte aktiv, sei es durch ihre eigenen Bürgermeister, sei es durch ihre Wahlkreisabgeordneten. So wurden Schritt für Schritt die Hindernisse des Regierungsentwurfs abgebaut und als Einwohnergrenze 20 000 festgesetzt 128 . Der Grund für diesen Sieg liegt darin, daß 125 Interview. Daß heute noch die gleiche Tendenz verfolgt w i r d , zeigen die neueren Bestrebungen der Landesregierung, die Einwohnergrenze auf 30 000 anzuheben und den Negativkatalog i n einen Positivkatalog zu verwandeln. Vgl. Stuttgarter Zeitung 26. 11. 74, 10. 12. 74. 126 StV v o m 10. 1. 1955, W G T vom 19. 1. 1955. 127 Sachlich gehört es zu beiden Abteilungen. 128 Protokoll des Verwaltungsausschusses vom 15.12. 1954.
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es i m Ausschuß kaum Gegner der Institution gab. Vor allem wehrten sich die Landkreise nicht gegen eine Herabsetzung der Grenze, obwohl doch bis dahin nur eine Ernennung durch Gesetz möglich gewesen war. Dies wurde von den Landräten auch weiterhin als Ideal angesehen, und die niedere Grenze hat i n der Tat auch in einzelnen Landkreisen zu einer starken Zersplitterung geführt. Jedoch nur ein Landrat versuchte über seine Partei es abzuwenden. Ausschlaggebend war anscheinend, daß man sich zu gut war, u m einzelne Fälle zu streiten. Während die Städte i n der grundsätzlichen Frage der Einrichtung der Großen Kreisstädte keinen Widerspruch fanden, erhob sich dieser i n einer Reihe von anderen Fragen, jeweils vornehmlich aus den Reihen der kleineren Gemeinden, auf deren Kosten die Regelungen gingen. Dies scheint auch der Fall zu sein in der Frage der Mitgliedschaft des Oberbürgermeisters i m Kreisrat. Wie i m geltenden Recht war i m Referentenentwurf vorgesehen, daß er von Amts wegen voll berechtigtes Mitglied i m Kreisrat sei (§ 27 Abs. 2 LKO). Dies war für den StV eine der entscheidensten Fragen der Landkreisordnung, da der Kreisrat das wichtigste Verwaltungsorgan ist, und eine Vertretung der Stadt unmittelbar durch den Oberbürgermeister dieser ein großes Gewicht verleiht und eine weit wirksamere Vertretung ist als die durch einen anderen Kreisrat. Zugleich handelt es sich um einen Ausgleich für die 2 /5-Klausel, die bestimmt, daß i m Kreistag aus keiner Gemeinde mehr als 2/ö der Kreisverordneten kommen dürfen. Trotz dem nachdrücklich vorgebrachten Wunsch des StV entschied der Verwaltungsausschuß des Landtags mit knapper Mehrheit aus verfassungsrechtlichen Gründen für eine nur beratende Teilnahme 1 2 9 . Die Begründung dafür war, es sei unzulässig, daß ein nicht vom Volk (des Landkreises) Gewählter Mitglied des Kreisrats sei. Der Regierungsvertreter hatte dem jedoch ausdrücklich widersprochen mit der Begründung, es handle sich um ein Verwaltungs- und kein Vertretungsorgan 130 . Die verfassungsrechtlichen Bedenken scheinen mehr vorgeschoben zu sein, und der wahre Grund i n der Sorge der kleinen Gemeinden zu liegen, die Städte könnten ein zu großes Gewicht erlangen. Diese knappe Entscheidung des Ausschusses rief die Gegenkräfte erneut auf den Plan. Der StV wiederholte seinen Wunsch 131 , und auch der Landkreistag unterstützte dies, um die Verbundenheit mit der Stadt zu fördern. Es gelang, sowohl die SPD-Fraktion zu gewinnen, wie eine Gruppe der CDU unter Führung von Oberbürgermeister Diez. Die
129 Protokoll des Verwaltungsausschusses vom 15. 9. 1955. 130 Ausschußbericht i n : Protokoll des Landtags 1. Periode, S. 3350. 131 Eingabe vom 20. 6.1955.
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2. Kap. : Das Verhältnis der kommunalen Gruppen zueinander
Gegenmeinung wurde dann i n der 2. Lesung nicht mehr vorgebracht und die Sache für die Städte entschieden. Dieses wesentliche Instrument der Städte wurde erst 1971 wieder beseitigt, als der Kreisrat ganz abgeschafft wurde 1 3 2 . Auch ein Ausgleich durch eine beratende Mitgliedschaft der Oberbürgermeister i m Kreistag, wie es vom Städteverband gefordert wurde 1 3 3 , wurde nicht gegeben. Ausschlaggebend waren verfassungsrechtliche Bedenken, aber auch eine Abneigung gegen die Bevorzugung der Großen Kreisstädte. Dazu kamen handfeste parteipolitische Gründe. Dies bedeutete für die parteilosen Oberbürgermeister geradezu einen Zwang, sich einer Partei oder Wählervereinigung anzuschließen, was in einzelnen Fällen auch tatsächlich zu Parteibeitritten führte 1 3 4 . Weniger erfolgreich war der StV dagegen in zwei weiteren Fragen 1 3 5 : der Aufhebung der 2 /s-Klausel (§ 18 Abs. 4, S. 3) und i n der Einführung der Minderbelastung, d. h. einer Senkung der Kreisumlage für die Gemeinden, die eine Einrichtung des Kreises nicht i n Anspruch nehmen. Dies ist von Bedeutung entweder für Teile eines Landkreises oder für größere Städte, die sich eigene Einrichtungen leisten können und dann auf diejenigen des Kreises nicht angewiesen sind. Nach Ansicht des Innenministeriums bedroht letzteres den Zusammenhalt der Gemeinden des Kreises und beeinträchtigt seine Ausgleichsfunktion. Ersteres hingegen soll eine Majorisierung der kleineren Gemeinden verhindern 1 3 6 . Dagegen wandte der StV ein, die W i l lensbildung i m Kreistag erfolge nach anderen Gesichtspunkten als der Herkunft aus einer bestimmten Gemeinde. Wenn schon abgestimmt werde, dann nach Fraktionen. Außerdem vergäßen die Kreisverordneten meist schnell, daß sie aus der Kreisstadt kommen, und würden von der Landkreisverwaltung um den Finger gewickelt 1 3 7 . Außerdem wurde vor allem auf den Verfassungsgrundsatz der Gleichheit der Wahl hingewiesen. Die politisch begründete Haltung des Ministeriums i n beiden Fragen wurde von den Landkreisverbänden geteilt. Sie sahen ebenfalls darin eine Gefährdung des Zusammenhalts und die Möglichkeit eines Vorherrschens der Kreisstadt, von dem dann anhebenden ständigen Streit um die Umlage einmal abgesehen. Die gleichen Interessen wie die 132
I m Zusammenhang m i t der Kreisreform. Stuttgarter Zeitung 18. 6.1971. 134 Stuttgarter Zeitung 10. 8.1971. 135 StV, Eingabe an den Landtag vom 30. 4.1955. 130 Begründung des Regierungsentwurfs Beilagen 1. Periode, Nr. 1145, S. 1502 und S. 1499. 137 Interview. 133
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Landkreise hatten hier natürlich die kleineren Gemeinden, auf deren Kosten ja diese Regelungen gehen mußten. Die Städte standen damit einer einheitlichen Front gegenüber und hatten darüber hinaus den taktischen Nachteil, daß von diesen Fragen nicht einmal alle Großen Kreisstädte betroffen waren. Interessant ist die 2. Lesung, in der der Antrag des StV erstmals von der K P D aufgenommen wurde 1 3 8 . Sämtliche Sprecher der SPD setzten sich hier für die 2 /s-Klausel ein 1 3 9 , darunter auch Kalbfell, selbst Oberbürgermeister einer betroffenen Stadt. Dies ist um so auffälliger, als Kalbfell damals Vorsitzender des StV war und sich im Verband gegen die Klausel ausgesprochen hatte. Dieser Vorgang, bei dem es sich um keine nebensächliche Frage handelt, ist ein Beleg für die relativ große Unabhängigkeit der Abgeordneten von den Verbänden. Es war dies auch keineswegs untypisch, wenigstens für den StV. Der Landkreistag Baden-Württemberg hat, bei aller Gegnerschaft zu den kreisangehörigen Städten in vielen Fragen, doch eine systematische Politik der Konzessionen an diese Städte betrieben, wie sich an der grundsätzlichen Haltung zur Großen Kreisstadt zeigte. Diese Polit i k förderte sicher die Verbundenheit der Städte mit dem Landkreis und schuf einen vernünftigen Ausgleich. Es ist wohl dieser Tatsache zu verdanken, daß Auskreisungsbestrebungen nicht laut wurden und daß nicht zwischen den mittleren Städten und den Landkreisen ein überworfenes Verhältnis entstand, wie es zum Teil in Nord- und Westdeutschland der Fall ist. Die ausgleichende Haltung des Landkreistags hat also seine eigene Arbeit durchaus erleichtert. Vergleicht man Baden-Württemberg mit der Entwicklung i n anderen Bundesländern, so ist vor allem Nordrhein-Westfalen hervorzuheben. Hier führte die „Mittelstadtfrage" zu einem heftigen K o n f l i k t zwischen Städtebund und Landkreistag, vor allem von 1963 - 1965. Der Städtebund forderte eine Sonderstellung, ähnlich der „Großen Kreisstadt" für amtsfreie kreisangehörige Städte über 30 000 Einwohnern, womit der Bevölkerungsdichte Nordrhein-Westfalens Rechnung getragen wurde 1 4 0 . Zwar konnte sich der Landkreistag dabei durchsetzen, doch ist die Frage bis heute akut geblieben. Zu dem Gewicht der sachlichen Fragen kam in diesem Land noch hinzu die Existenz des Städtebundes, der schon seit seiner Gründung in einem starken Gegensatz zu den Landkreisen stand. Dies ergibt sich 138
Beilagen 1. Periode, Nr. 1537, Ziffer 4. Protokoll des Landtags 1. Periode, S. 3335 ff. 140 Städtebund Nordrhein-Westfalen, Denkschrift Düsseldorf 1963. Hier w i r d die 2. Auflage 1964 zitiert. 139
7 Geißelmann
zur
Mittelstadtfrage.
9 8 2 .
Kap. : Das Verhältnis der kommunalen Gruppen zueinander
schon aus seiner Position zwischen DST und DGT m i t der Betonung der Kreisangehörigkeit einerseits, der Rolle der Stadt als zentraler Ort m i t selbständiger Stellung andererseits. Die Konfrontation mit dem Landkreistag gehört zur Natur dieses Verbandes und ist m i t zurückzuführen auf den Versuch einer verbandspolitischen Profilierung, wie sie ja auch heute i n Nordrhein-Westfalen notwendig ist angesichts der Verwaltungsreform. Die Forderungen, die der Städtebund erhob, zeigen deutlicher als die Entwicklung i n Baden-Württemberg die Gründe für das „Unbehagen der Städte" 1 4 1 i m Landkreis. Wie bei allen Gemeinden ist die Verteilung der Aufgaben problematisch, aber das Gefälle der Verwaltungskraft, das zu den kleinen Gemeinden h i n besteht, erforderte eine Berücksichtigung. I n den Vordergrund gestellt wurde daher vom Städtebund die Übertragung der Auftragsangelegenheiten und der Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung, die bisher den Landkreisen vorbehalten gewesen waren 1 4 2 . Dabei sollte die Landesregierung einen Negativkatalog aufstellen können, womit zugleich neu entstehende Weisungsaufgaben automatisch den Städten übertragen würden. Unter ihnen sei eine ganze Reihe von Angelegenheiten, die übertragen werden könnten und bürgernäher verwaltet werden sollten, was zugleich eine Verwaltungsvereinfachung sei. Dazu gehörten Straßenverkehr, Personenbeförderung, Ausländerangelegenheiten, sozialer Wohnungsbau (Bewilligungsbehörde) u. a. Neben diesen Aufgaben, deren Ausführung durch Landesrecht festgelegt ist, wurde auch vorgeschlagen, für Sozialhilfe und Kriegsopferfürsorge die Delegation der Aufgaben auf die Mittelstädte i n vollem Umfang zu ermöglichen. Diese Frage entstand durch den erwähnten § 96 des Bundessozialhilfegesetzes, i n dem als örtliche Träger der Sozialhilfe die Stadt- und Landkreise festgelegt sind. Zwar war eine Delegation weiterhin möglich, doch wurde sie in das Ermessen der Landkreise gestellt, die auch Träger der Aufgaben bleiben 1 4 3 . Diese Frage spielte auch i n Baden-Württemberg eine erhebliche Rolle auf Grund der sehr hohen Grenze der Kreisfreiheit. Die nordrhein-westfälischen Mittelstädte beklagten jedenfalls den Verlust zahlreicher Aufgaben, die ihnen früher v o l l delegiert waren, während jetzt die Genehmigung der Landkreise erbeten werden mußte, in einem Fall bei Übernahme von Kosten zur Alterssicherung über 10 D M monatlich 1 4 4 . Diese Situation wurde als unwürdig und der Verwaltungskraft 141
Eilers, S. 215 ff.; Fürst, S. 111. Denkschrift zur Mittelstadtfrage, S. 32. 143 Eilers, S. 218. Das Gesetz wurde inzwischen abgeändert, den ständigen Wünschen von DStB u n d DST entsprechend. 144 Städtebund Nordrhein-Westfalen, Wort, Widerwort und wieder Wort. Düsseldorf 1964, S. 35 ff. und S. 84 - 100. 142
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der Städte nicht entsprechend bezeichnet. Ähnlich war die Situation in der Kriegsopferfürsorge. Als zweiter Punkt wurde vom Städtebund Nordrhein-Westfalen gefordert, die Kommunalaufsicht auf den Regierungspräsidenten zu übertragen. Dis wurde begründet mit der besseren Vergleichsmöglichkeit, die in den Kreisen nicht bestehe. Weiter wurden mögliche Konflikte angeführt, i n die der Oberkreisdirektor angesichts der Konkurrenz zwischen Landkreis und Stadt hinsichtlich der Aufsicht kommen könne 1 4 5 . Dies entspreche auch der preußischen Tradition, die schon ab 10 000 Einwohnern die Aufsicht den Regierungspräsidenten übertrug 1 4 6 . Wenn dieser Punkt auch in der öffentlichen Argumentation i n den Hintergrund trat, ist dies neben der Frage der Kreisumlage sicherlich eines der Hauptmotive für die Mittelstädte, einen Sonderstatus anzustreben. I n gewissem Umfang handelt es sich um eine Prestigefrage, doch bestehen tatsächlich zwischen Landkreis und Mittelstadt sachlich die größten Differenzen und der Landrat hat tatsächlich keine Vergleichsmöglichkeiten bei der Aufsicht. Ein weiterer Punkt ist die Führung des Titels Oberbürgermeister/ Oberstadtinspektor. Diesen Punkt griff besonders der Landkreistag auf, um zu polemisieren, es sei nur eine Prestigefrage der betreffenden Herren. Dies ist zwar nicht abzustreiten, doch entspricht es dem sachlichen Gewicht der Mittelstadtfrage nicht. Vom Städtebund nicht aufgegriffen wurde dagegen die Frage der Aufgabenverteilung i m Bereich der freiwilligen Aufgaben und die Minderbelastung der Städte bei der Kreisumlage. Wie Eilers nachgewiesen hat 1 4 7 , ist die Belastung dieser Städte auf Grund ihrer Steuerkraft bei der Kreisumlage höher als es ihrer Einwohnerzahl entspräche. Da diese Städte als zentrale Orte andererseits zahlreiche Einrichtungen unterhalten, teilweise für die Bürger der anderen Gemeinden mit, teilweise in Konkurrenz mit den entsprechenden Kreiseinrichtungen, sind sie auf diese Weise doppelt belastet. Aus taktischen Gründen brachte dies der Städteverband zunächst nicht vor. Vielleicht dachte er an spätere Forderungen, ähnlich wie in Rheinland-Pfalz, wo etwa i m Fall Idar-Oberstein die finanzielle Seite den eigentlichen Anstoß bot 1 4 8 . Der Gedanke einer generellen Minderbelsatung dieser Städte wurde auch in Niedersachsen von der Weber-Kommission zur Verwaltungsreform 1969 vorgeschlagen 149 . 145 146 147 148 149
7*
Denkschrift zur Mittelstadtfrage, S. 26. Eilers, S. 23. Eilers, S. 230 ff. Interview. Eildienst 1969, S. 221.
1 0 0 2 . Kap.: Das Verhältnis der kommunalen Gruppen zueinander
Die Mittelstadtfrage war in Nordrhein-Westfalen bereits 1952 vom Städtebund aufgegriffen worden, und es fanden bis 1954 verschiedene Beratungen i m Innenministerium dazu statt 1 5 0 . A k t u e l l war es insbesondere durch die Bestrebungen der Stadt Leverkusen, aus dem RheinWupperkreis auszuscheiden. Um dies zu verhindern, schlug der Kreis i n letzter Minute noch eine Mittelstadtregelung vor, worauf der Städtebund später immer wieder hinwies. Neu aufgegriffen wurde es dann ab 1960 und insbesondere vom neuen Hauptgeschäftsführer des Städtebundes Berkenhoff ab 1963. A u f Wunsch der Landesregierung legte der Städtebund zunächst im September 1963 eine Denkschrift zur Mittelstadtfrage vor 1 5 1 , der i m Dezember die unerwartet scharfe Reaktion des Landkreistags folgte: „ F ü r eine einfache und sparsame Verwaltung. Um eine Sonderstellung für größere Städte i m Landkreis 1 5 2 ." Der Streit wurde fortgesetzt vom Städtebund i m Februar 1964 mit der Denkschrift „Wort, Widerwort und wieder Wort. Für bürgerschaftsnahe Verwaltung der Mittelstadt" und im Dezember 1964 mit der 2. Auflage der ersten Denkschrift und vom Landkreistag mit einer Erwiderung an das Land i m A p r i l 1964. Neben diesem Krieg der Denkschriften begann bald eine intensive Auseinandersetzung in der Presse, die von beiden Verbänden betrieben wurde. I n der Lokalpresse der betroffenen Orte erschienen A r t i k e l der jeweiligen Oberstadtdirektoren oder Oberbürgermeister, zum Teil auch des Verbandsgeschäftsführers, die die Argumentation des Verbandes vortrugen. Bald antwortete auch der Landkreistag, indem er die jeweiligen Oberkreisdirektoren einschaltete. Sie behaupteten jeweils, die Vorschläge brächten keine Vereinfachung in der Aufgabenerfüllung und seien hinsichtlich der Statusfragen nur eine Prestigeangelegenheit. Die Wirkung der Pressekampagnen neutralisierte sich gegenseitig. Es erhebt sich die Frage, warum der Landkreistag in NordrheinWestfalen so starken Widerstand leistete gegen eine Regelung, die in anderen Bundesländern durchgeführt war. Hier ist zum einen darauf hinzuweisen, daß seine Chancen relativ gut waren angesichts des Einflusses seines Vorsitzenden, Landrat Johnen (CDU), der damals Landtags-Präsident war. Die Aussichten waren daher besser als i n anderen Bundesländern. Dazu kommt noch, daß die Frage für den Verband ein wesentlich größeres Gewicht hat angesichts der größeren Zahl von betroffenen Städten. Damals gab es in Nordrhein-Westfalen 44 kreisangehörige Gemeinden mit mehr als 30 000 Einwohnern. I m Hinblick auf diese große Zahl hatte der Städtebund zwar die Grenze schon we150 151 152
Nach A k t e n des Städtebundes und Interviews. Vgl.: Der Städtebund 1963, S. 33, 171, 181. Eildienst 1963, Nr. 18/63/233. Eildienst 1963, Nr. 22/63/292.
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sentlich höher angesetzt als in den anderen Bundesländern, doch waren trotzdem in einer ganzen Reihe von Kreisen 2 oder gar 3 dieser Städte gelegen, was für diese Kreise i n der Tat eine Aushöhlung bedeutet hätte. Unter den 44 Städten waren zwar auch eine große Zahl leistungsstarker und traditionsreicher (Minden, Paderborn), doch gab es daneben auch in Ballungsgebieten rasch herangewachsene Wohnsitzgemeinden. Sowohl hinsichtlich ihrer Bevölkerungsstruktur wie ihrer zentralörtlichen Bedeutung unterscheiden sich diese von den gewachsenen Städten in der soziologischen Grundlage der Selbstverwaltung erheblich und sind daher auch hinsichtlich ihres Status anders zu beurteilen. Der Städtebund trug dem Rechnung, indem er zu Mittelstädten nur Städte, nicht aber Gemeinden (wie Hürth, Kreis Köln, damals 47 000 Einwohner) und nicht amtsangehörige Städte wie M a r l (73 000) machen wollte. Dies führte aber nur dazu, daß die beiden Gemeindetage den Gesetzentwurf ablehnten 1 5 3 . Dazu kam bei ihnen ein verbandspolitischer Grund: die Befürchtung von Eingemeindungen, um die Einwohnergrenze zu erreichen, wie sie in Baden-Württemberg in jüngster Zeit vorkommen 1 5 4 . Für den Landkreistag entscheidend war jedoch die Auflösung der Einheit der Aufsicht. Der Ausschluß der Information über wesentliche Teile des Kreisgebiets erschien als eine sehr wesentliche Einschränkung der Einheit des Kreises, und es wurde eine Aushöhlung des Landkreises befürchtet. Dies war auch der maßgebende Grund, weshalb das Innenministerium und die Regierungspräsidenten 155 eine Mittelstadtregelung ablehnten. Entscheidend waren jedoch die Fraktionen des Landtags. I n der Legislaturperiode 1962 - 1966 regierte eine Koalition aus CDU (Ministerpräsident Meyers) und FDP (Innenminister Weyer). Weyer, der selbst aus dem städtischen Bereich kommt, zeigte sich i m Unterschied zu den Beamten seines Hauses den Wünschen des Städtebundes durchaus geneigt, doch hielt er sich angesichts der scharfen Polemik der Verbände zurück 1 5 6 . Dennoch kam ein Beschluß des kommunalpolitischen Ausschusses der FDP i m Dezember 1965 zustande 157 , der dem Wunsch des Städtebunds entsprach. Maßgebend war hier die Rolle, die die FDP in einigen Städten, besonders Ostwestfalens noch spielte, während sie auf Landkreisebene bedeutungslos ist. Die Haltung der SPD war vor allem von den Großstädten bestimmt, die nicht betroffen sind. Wichtiger war die CDU, in der keine Einigkeit erzielt werden konnte. 153 154
Interview. Auch bei Kleinstädten wie Horb (5000). Vgl. Stuttgarter Zeitung 12.11.
1971. iss Westdeutsche Allgemeine Zeitung 15.1.1964. 156 157
Interview. Mitteilungen des Städtebundes Nordrhein-Westfalen 20.12.1965.
1 0 2 2 . Kap.: Das Verhältnis der kommunalen Gruppen zueinander
Aufschlußreich sind hier die Beratungen der Kommunalpolitischen Vereinigung vom Juni 1964, i n der beide Seiten, vertreten durch ihre haupt- und ehrenamtlichen Spitzen, aber auch durch die Geschäftsführer der Verbände, ihre Auffassungen darlegten. Nach dem Protokoll dieser Sitzung lag ein Entwurf der Geschäftsstelle der K P V zugrunde, die keiner der beiden Seiten weh tun wollte. Sie argumentierte ausschließlich, wie teilweise auch die Mitglieder der KPV, mit parteipolitischer Opportunität. So behaupteten die Landräte, die Städte seien SPD-Domänen und ebenso die Regierungspräsidien, denen sie unterstellt werden sollten. Die Kommunalaufsicht werde so stärker politisch beeinflußt. Von anderer Seite wurde angeführt, es müßten die kleinen Gemeinden unterstützt werden, um so eine Vermassung zu verhindern. Andererseits wurde von der Seite der Städte argumentiert, es gelte auch das Wählerpotential in den Städten zu erkennen. Diese Diskussion zeigt, daß sachliche Argumente i n der Diskussion i m Hintergrund standen und i n die Kommunalpolitik der Partei sachfremde Züge eingeführt wurden. Zum anderen erwies sich die K P V i n dieser Frage als unfähig zu einer Entscheidung, was wohl für die Fragen der interkommunalen Ordnung generell zutrifft. Ähnliches gilt auch für die Diskussion i n der SPD 1 5 8 . Auch in den Landtags-Fraktionen zeigte sich derselbe Zwiespalt, wobei auch hier die für die CDU damals t y pische Koalition von kleinen Gemeinden und Landkreisen zutage trat. Die Parteiführung war daher nur zum Teil (z. B. der rheinische Parteivorsitzende Grundmann) zu gewinnen 1 5 9 . Angesichts dessen beschritt der Städtebund den Weg ins Parlament direkt. I n Absprache m i t der Landesregierung brachten 7 Abgeordnete aller 3 Fraktionen am 1. 6.1965 einen Initiativgesetzentwurf ein 1 6 0 , der wörtlich den Vorschlag des Städtebunds übernahm. Bei den Abgeordneten handelte es sich u m den Justiziar des Städtebunds Henrichs, der für diesen i m Landtag eine sehr wesentliche Rolle spielte, und u m ehrenamtliche Bürgermeister und Stadtverordnete. Es ist auffällig, daß hier die ehrenamtlichen Mitglieder vorgeschickt wurden, während sonst i n der Diskussion fast ausschließlich die Stadtdirektoren sich interessiert gezeigt hatten. Diese sind von der Frage ja auch in erster Linie betroffen. Die Beratung dieses Entwurfs i m Landtag gedieh nicht weit. Zwar versuchte der Städtebund, ihn durch parlamentarische Bierabende, Besprechungen der betroffenen Stadtdirektoren m i t ihren Abgeordneten etc. voranzubringen, doch zog bald darauf ein Abgeordneter seine 158 159 160
Die demokratische Gemeinde 1964, S. 99, 102 ff. Interview. Der Städtebund 1965, S. 143. Eildienst 1965, Nr. 17/65/233.
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Unterschrift zurück. M i t Mühe konnte ein weiterer Abgeordneter gefunden werden, um die Mindestzahl von 7 wiederherzustellen. Die Initiative geriet dann jedoch in die allgemeine Diskussion u m die Verwaltungsreform, insbesondere des Regierungsbezirks Ruhr, und wurde vom CDU-Fraktionsvorsitzenden Lenz zur Beratung in die Kommission für Verwaltungsreform abgeschoben 161 . Die Frage wurde dann behandelt i m Gutachten B, das 1968 erschien. Es enthält ein Minderheitsgutachten Berkenhoffs und ein Mehrheitsgutachten, das eine Sonderstellung strikt ablehnt. Hier setzte sich die Haltung der Ministerialverwaltung durch, die durch den Vorsitzenden der Kommunalabteilung Eising 1 6 2 vertreten wurde. Nach Darstellung Berkenhoffs legte er in der Schlußphase der Beratung einen fertigen Text vor, den er bei der Mehrheit unter Zeitdruck durchsetzte 163 . Unabhängig davon, wieweit dies zutrifft, kann jedoch festgestellt werden, daß die Haltung der Ministerialverwaltung, die hier wie i n BadenWürttemberg die Landkreise bevorzugt, sich durchsetzte und zur erklärten Landespolitik wurde. Dies gilt auch für die wiedereingekreisten Städte. Während Siegen 1966 noch einen Sonderstatus erhielt und so freiwillig in den Kreis zurückging, bekamen Herford, Lüdenscheid und Viersen bei ihrer Wiedereinkreisung lediglich einen Teil der Auftragsangelegenheiten übertragen, was de facto die Übertragung von Behörden (besonders der ehemaligen Sonderbehörden) auf den Kreis bedeutete. Eine Sonderstellung hinsichtlich des Status (Titel der Stadt, Oberbürgermeister, Aufsicht) erfolgte jedoch nicht 1 6 4 , bis hin zur Konsequenz der „Degradierung" eines Oberstadtdirektors während seiner Wahlperiode zum Stadtdirektor. Auch erneute Vorstöße des Städtebunds 1968 (für 16 Städte über 50 000 Einwohner und Drohung mit einer Verfassungsklage) und die Unterstützung durch den Städtetag 1 6 5 nützten nichts. Das Problem w i r d jedoch vom Städte- und Gemeindebund i n Zusammenhang mit der Funktionalreform wieder aufgegriffen. Durch die Einkreisung aller Städte unter 200 000 Einwohnern hat das Problem an Bedeutung noch gewonnen 166 . Die Frage des Sonderstatus für größere kreisangehörige Städte ist in den meisten Bundesländern zugunsten der Städte gelöst worden. I n Niedersachsen erfolgte dies schon i m Zuge der Gemeindeordnung 1955, um ein weiteres Ausscheiden aus dem Kreis nach dem Vorbild Wolfs1βί
Interview. E i n ehemaliger Landrat. 163 Gutachten B, S. 120 ff. 164 Beschluß der Landesregierung v o m 9. 7.1968. Vgl. die Gesetze zu den einzelnen Städten. 165 Eildienst 1968, Nr. 22/68/332. 166 Vgl. Rothe i n : Der Städte- und Gemeindebund 1974, S. 6 - 9. 162
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burgs zu vermeiden 1 6 7 . I n Rheinland-Pfalz erfolgte eine Regelung 1959, wobei es sich nur um 3 Städte handelte. Der Landkreistag wandte sich angesichts der geringen Zahl nicht dagegen. Zusätzlich war eine Lösung erleichtert dadurch, daß die Oberbürgermeister sämtlicher drei Städte dem kleineren Koalitionspartner FDP angehörten 168 . Umstritten war hier nur die finanzielle Sonderstellung, die schließlich auch teilweise durchgesetzt werden konnte 1 6 9 . Sehr umstritten war dagegen die Regelung i m Saarland, wo die Oberbürgermeister von Neunkirchen und Völklingen der Opposition angehörten. Auch i n Schleswig-Holstein wurde von vier Städten versucht, die Sonderregelungen in verschiedenen Gesetzen durch einen einheitlichen Sonderstatus abzulösen. Sie wurden jedoch vom Städtebund nicht unterstützt und scheiterten deshalb. I n diesem Land herrschen die Kleinstädte i m Verband vor, und sie befürchteten ein Abwandern dieser Städte zum Städtetag 170 . I n Bayern wurde dagegen auf Initiative des Innenministeriums eine entsprechende Regelung neu eingeführt, um die Einkreisung der zahlreichen Kleinstädte zu erleichtern 171 . I I I . Die territoriale Reform der kleinen Gemeinden Die territoriale Reform der Gemeinden ist i m Rahmen der allgemeinen Verwaltungsreform eine der wichtigsten Fragen, insofern als die Stärkung ihrer Verwaltungskraft die Grundlage für eine Reform der darauf aufbauenden Stufen der Verwaltung bildet. Insbesondere für den Gemeindetag, dessen Mitglieder i n ihrer Mehrheit in der Existenz bedroht sind, ist sie von grundlegender Bedeutung. Aber auch die anderen kommunalen Spitzenverbände sind an dieser Frage interessiert, wodurch sich die Konflikte sowohl innerhalb der Verbände wie zwischen ihnen abspielen. Für die weitere Entwicklung der Verbände, insbesondere die Rolle des DGT, w i r d dies ausschlaggebend sein neben dem Stadt-Umland-Problem. Unter letzterem versteht man die Gemeindereform i m Bereich der Ballungsgebiete. Da diese sich nach anderen Gesichtspunkten vollzieht als die Reform der kleinen Gemeinden, soll darauf gesondert eingegangen werden. Beide Fragen gehen allerdings ineinander über i m Bereich der Mittelzentren von ca. 20 000 50 000 Einwohnern. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß der Willensbildungsprozeß in Fragen der territorialen Reform wesentlich anders abläuft als bei 167 168 169 170 171
Eilers, S. 52 ff. Interview. Eilers, S. 57 ff. Eilers, S. 66. Vgl. Peter Gröbner i n : Der Städtebund 1971, S. 282 - 285.
I I I . Reform der kleinen Gemeinden
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anderen kommunalen Fragen, durch die stärkere Anteilnahme der Öffentlichkeit und durch örtlich gegensätzliche Interessen und Widerstände. Durch die große Zahl der Gemeinden neutralisieren sich jedoch die verschiedenen lokalen Interessen auf der Landesebene. Die Entscheidung erfolgt hier nach bestimmten Grundsätzen, auf die die kommunalen Spitzenverbände intensiv Einfluß nehmen. Neben den eigentlichen Selbstverwaltungsgremien, den Ehrenamtlichen, spielen daher auch die Verbände durchaus eine Rolle. Dies gilt sowohl für die Verbandsführungen als auch für die breite Masse der i n den Verbänden Tätigen, der Hauptverwaltungsbeamten, bei denen die Reform durchgesetzt werden muß. I n dieser Arbeit soll nur dieser Aspekt, nicht die lokalen Auseinandersetzungen untersucht werden 1 7 2 . Der Anstoß zur Gemeindereform kam Anfang der 60er Jahre aus der wissenschaftlichen Diskussion 173 . Auch ausländische Vorbilder (Niederlande, Schweden) spielten eine Rolle. Kritisiert wurde vor allem die mangelhafte Aufgabenerfüllung der kleinen Gemeinden, bedingt durch ihre geringe Verwaltungskraft (oft ohne hauptamtliche Verwaltung) und ihre mangelnde Veranstaltungskraft (oft ohne finanzielle und organisatorische Voraussetzungen zur Schaffung kommunaler Einrichtungen). Dazu kam das Zusammenwachsen einzelner Orte und die Vergrößerung des Lebensbereichs der Einwohner über die Gemeindegrenzen hinaus, der man durch die Regionalplanung begegnen wollte. Nachdem lange Zeit auf Grund der zwangsweisen Eingemeindungen i m Ruhrgebiet 1929 und i m 3. Reich solche Maßnahmen tabuisiert waren, wurde dies erst durch die wissenschaftliche Diskussion, insbesondere den 45. Deutschen Juristentag überwunden. Die Untersuchungen wandten sich bald der Frage einer Untergrenze für lebensfähige Gemeinden zu. Die Kriterien dafür waren zum einen verwaltungstechnischer Art, was vom Gemeindetag stets kritisiert wurde als ganz unerheblich 174 . Ein weiterer Maßstab war die personelle Ausstattung der Gemeinden, eine hauptamtliche, hinreichend gegliederte und mit Fachleuten besetzte Verwaltung. Dann wurde auch untersucht, welche Einwohnerzahlen für bestimmte Einrichtungen, die die Gemeinden zur Verfügung stellen, notwendig sind. M i t diesem Gedanken kommt man schon in den Bereich der landesplanerischen Argumente. Von dieser 172
Dies z. B. bei Balthasar, Schäfers, Wehling. Zusammenfassend jetzt Wagener, Verwaltung, S. 328 ff. u n d 469 ff. Außerdem: Werner Weber, Entspricht die gegenwärtige kommunale S t r u k t u r den Anforderungen der Raumordnung?, Gutachten für den 45. Deutschen Juristentag, i n : Verhandlungen des 45. Deutschen Juristentags, München 1964. Wagener, i n : Archiv für Kommunalwissenschaft 1964, S. 237 ff. sowie die Gutachten von N W (Gutachten A), Rheinl.-Pf., B W und Nds. (Jahresbericht 1966 u n d 1967). 174 Rüdiger Göb i n : Die Gemeinde (Rheinland) 1965, S. 74. 173
1 0 6 2 . Kap.: Das Verhältnis der kommunalen Gruppen zueinander
Seite wurde der Begriff des Nahversorgungsbereichs in die Debatte gebracht, des Bereichs, i n dem die Grundfunktionen des täglichen Lebens erfüllt werden. So schlug etwa die nordrhein-westfälische Kommission zur Verwaltungsreform vor, die Nahversorgungsbereiche mit der Verwaltungsgliederung in Deckung zu bringen. Kommunale Einrichtungen auf dieser Stufe sind Volksschule, Kindergarten, Sportanlage, Post, Kreditinstitut etc. Als Mindestgröße der Gemeinde, die diese Aufgaben erfüllt (Typ A), wurde in der Regel 8000, stets aber 5000 angegeben 175 . Gemeinden vom Typ Β sollten dagegen Aufgaben des überörtlichen Versorgungsbereichs wie Gymnasium, Realschule, Sonderschule, Hallenbad, Schlachthof etc. zur Verfügung stellen und mindestens 30 000 Einwohner versorgen (zusammen m i t den umliegenden Gemeinden des Typs A ) 1 7 6 . M i t dieser Orientierung am Nahversorgungsbereich w i r d die in Art. 28 GG angenommene örtliche Gemeinschaft, die Voraussetzung der Selbstverwaltung ist, beträchtlich modifiziert. Der Begriff w i r d allerdings nicht ganz aufgegeben, nur ausgedehnt vom engeren Bereich der einzelnen Ortschaft auf einen Funktionsbereich, der der Lebenswirklichkeit entspricht. Die Dimensionen, die dabei vorgeschlagen wurden, nahmen an Größe immer mehr zu. Während in den fünfziger Jahren nur von den Kleinstgemeinden unter 300 Einwohnern die Rede w a r 1 7 7 , wurden dann 5000 später 8000 - 10 000, heute zum Teil auch 20 000 Einwohner genannt 1 7 8 . I n Rheinland-Pfalz wurden auch Größenordnungen der Verbandsgemeinden von 10 000 20 000 Einwohnern überwiegend erreicht und vom Gemeindetag wegen der Funktionalreform gewünscht 179 . Noch ein weiterer Begriff der Landesplanung wurde zunehmend i n die Gemeindereform einbezogen: der des zentralen Orts. Dieser Begriff war, ausgehend von der Forschung seit Christaller, vom DGT und vom D L T (Isbary) i n die politische Diskussion eingebracht worden 1 8 0 , was für die Verteilung der Gewichte innerhalb des DGT aufschlußreich ist. Er beabsichtigte damit, in Abwehr der Forderungen des DST nach Stadtregionen, ein abgestuftes System der zentralen Orte zu schaffen, das auch dem flachen Land seine Lebensberechtigung gibt. Dieses sollte durch Förderung von Mittelpunktgemeinden in seiner Ausrüstung verbessert werden. Dieser Gedanke, der letztlich die zentralen Orte bevorzugen muß, stieß i m DGT auf keinen Widerstand, sei es daß er 175
Gutachten A (NW), S. 27. Gutachten A (NW), S. 27. 177 Wagener, Verwaltung, S. 145. 178 Winfried Moewes, I n s t i t u t für Raumforschung. Informationen 1970, S. 628 f. 179 Gemeindetag Rheinland-Pfalz. Nachrichten 1971, S. 77. 180 D G T Geschäftsbericht 1963, S. 17 ff. u n d Bundesvereinigung der k o m munalen Spitzen verbände, Zentrale Orte, Siegburg 1965. 176
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begrüßt wurde, sei es daß nachteilige Folgen nicht rechtzeitig erkannt wurden. Erst in jüngster Zeit wurde etwa vom Verband badischer Gemeinden gefordert, die nicht zentralen Orte dürften nicht benachteiligt werden 1 8 1 . I n der Gemeindereform führte dies in allen Bundesländern zu Eingemeindungen in bestehende oder zu entwickelnde zentrale Orte, die dadurch wesentlich gestärkt wurden. Dies gilt in besonderem Maße natürlich für die Klein- und Mittelstädte, die ihre Bedeutung ja aus der zentralörtlichen Funktion haben. Die Gemeindereform wurde daher sehr stark vom DST und vom DStB vorangetrieben. Insbesondere der DStB forderte stets, es dürften keine Großgemeinden gegen die Städte organisiert werden, die nicht lebensfähig wären und der bestehenden Verflechtung widersprächen 182 . A u f die Bemühungen des D S T 1 8 3 ist i m Zusammenhang mit dem Stadt-Umland-Problem einzugehen. Auch der Landkreistag arbeitete in den meisten Ländern an der Reform mit. Zu nennen sind insbesondere die wissenschaftlichen Arbeiten des Beigeordneten des L K T NW Wagener und des Beigeordneten des D L T Prof. Isbary. Es t r i f f t aber auch für die politische Diskussion zu, ebenso wie für die Verwaltungspraxis, i n der die Landräte an den einzelnen Zusammenschlüssen oft aktiv mitwirkten. Die Landkreise sind an einer Stärkung der ländlichen Verwaltung interessiert, sowohl um die Leistungen für die Bevölkerung zu verbessern wie um so ein Gegengewicht gegen die Großstädte zu schaffen. Daneben spielt aber auch die eigene Entlastung von der Hilfe, die die Landkreise i n vielen Fällen den kleinen Gemeinden geben müssen, eine Rolle. Innerhalb des DGT ging die Reaktion auf die Anregungen von außen nicht, wie eigentlich zu erwarten wäre, vom Bundesverband aus. Dieser veröffentlichte zwar 1966 Grundsätze zur „Stärkung der Verwaltungskraft der Gemeinden". Diese haben jedoch kaum einen konkreten Inhalt, der die Landesverbände binden könnte. Diese verfolgten daher, was für ihre starke Position bezeichnend ist, eine selbständige Politik. Diese ist zumeist keineswegs negativ. Vielmehr versuchte der Verband schon vor Beginn der Diskussion um die Gemeindereform, durch interkommunale Zusammenarbeit den Mängeln der gegenwärtigen Verwaltungsstruktur zu begegnen 184 . Zweifellos besteht ein Interesse der Gemeinden als Körperschaft an der Erhaltung ihrer Selbständigkeit 1 8 5 . Es ist jedoch nicht so, daß dieses 181
Die Gemeinde (Baden) 1969, S. 7. Der Städtebund 1966, S. 114. 183 Die Städte zur Verwaltungsreform i n Nordrhein-Westfalen, i n : Städtebrief N W 1967, Nr. 32. Vgl. Gaentzsch i n : Der Städtetag 1967, S. 304 - 307. 184 Walter Dollmann i n : Buch deutscher Gemeinden. K ö l n 1965, S. 151. 185 Jörq Balthasar, Eingemeindungspolitik u n d Verwaltungsorganisation. K ö l n 1970, S. 14. 182
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institutionelle Interesse und das der am gegenwärtigen Zustand interessierten Personen 186 die Politik des Verbandes ausschließlich bestimmt hätte. Wichtiger ist für ihn das Interesse der Bevölkerung an einer optimalen Versorgung mit Verwaltungsleistungen, die durch die Gemeindereform verbessert werden soll. Dazu kommt die Erhaltung des politischen Gewichts des ländlichen Raums. Allerdings wurde von der Seite der Landwirtschaft gerade kritisiert, daß die Gemeindereform diesen Interessen des ländlichen Raums nicht entspreche 187 . Dahinter steht die Befürchtung, in neuen, größeren Gemeinden werde ihre politische Bedeutung gegenüber anderen Bevölkerungsgruppen zurückgehen. Dies t r i f f t sicher zu, jedoch w i r d insgesamt der Raum außerhalb der Ballungsgebiete durch die Gemeindereform gestärkt werden. Die Haltung der Bevölkerung und der breiten Masse der ehrenamtlich Tätigen war stets als Haupthindernis angesehen worden. I m Verlauf der Reform zeigte sich jedoch, daß dieser Widerstand weit geringer war als ursprünglich befürchtet. Auch bei den Kommunalwahlen w i r k t e sich die Reform zumeist nur gering aus. Es kam sogar eine erstaunlich hohe Zahl einvernehmlicher Lösungen unter den Gemeinden zustande. Dazu trug sicherlich der Zwang der Verhältnisse (durch Gesetze oder durch Zuschüsse) bei, doch spielt auch die Einsicht i n die Vorteile der Reform sicherlich eine wesentliche Rolle. Von großer Bedeutung für den Ablauf der Reform ist auch die Siedlungsstruktur. I n Bereichen ohne geschlossene Ortschaften ist eine Reform wesentlich leichter durchzusetzen. Von manchen Seiten wurde daher empfohlen, hier Einheitsgemeinden zu schaffen, während in Gegenden m i t geschlossenen Ortschaften die Ortschaftsverfassung eingeführt werden, d. h. eine gewisse Selbständigkeit dieser erhalten bleiben solle 1 8 8 . Ein weiteres Element für die Haltung des Gemeindetags sind die persönlichen Interessen der Hauptverwaltungsbeamten. Diese verlieren durch die Zusammenlegung von Gemeinden ihr A m t oder wenigstens ihre Selbständigkeit. I n einzelnen Ländern versuchte man dem zu begegnen, indem man die Möglichkeit schuf, diese Beamten zu Ortsvorstehern unselbständiger Ortschaften zu ernennen 189 . Dazu kommt vielfach noch die Schaffung großzügiger finanzieller Übergangsmöglichkeiten für die Bürgermeister 1 9 0 . Jedoch ist die Verwaltungsreform insgesamt auch für sie ein Vorteil. Die Probleme der kleinen Gemeinden 186 Roman Schnur, Widerstände und Schwierigkeiten bei Verwaltungsreformen, i n : Deutsches Verwaltungsblatt 1970, S. 753 - 760. 187 Z. B. Bauernverband i n : Stuttgarter Zeitung 1. 4.1969 und 17. 9.1970. 188 Gutachten der AVibera i n : Die Gemeinde (Rheinland) 1966, S. 76. 189 I n B W Gesetz v o m 28. 7. 1970 (Ges. Bl. S. 419). 190 Vgl. Stuttgarter Zeitung 2. 11. 74, S. 6.
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wirken sich beim Hauptverwaltungsbeamten aus vom Urlaub bis zur mangelnden Spezialisierung. Eine größere Verwaltung ist auch finanziell attraktiver, da die Obergrenze der Bezahlung höher liegt und ein Aufstieg möglich ist, so daß sowohl fachlich wie finanziell die größere Gemeinde vorzuziehen ist. Diese Argumente wurden etwa in einem Bundesland auch vom Gemeindetag vorgebracht 191 . Er bediente sich dabei eines Vereins der Kommunalbeamten. Auf diese Weise konnte er i m Bereich der hauptamtlichen Kommunalbeamten seine Ansicht durchsetzen. Der Impuls und die Argumente der wissenschaftlichen Diskussion wurden erstmals aufgenommen i n der 1965 eingesetzten Sachverständigenkommission in Nordrhein-Westfalen, die 1966 ihr erstes Gutachten veröffentlichte 192 . Ihre Mitglieder waren 5 Vertreter der staatlichen Verwaltung, 3 Professoren und 4 Vertreter der kommunalen Spitzenverbände. Man kann also feststellen, daß die Entscheidung über die Verwaltungsreform weitgehend innerhalb der Verwaltung vorbereitet und getroffen wurde. Da Nordrhein-Westfalen für die anderen Bundesländer das Vorbild wurde, soll zunächst auf dieses Land eingegangen werden. Die Reform wurde hier erleichtert durch die Existenz der Ä m ter, da dadurch eine Zusammenarbeit über die Gemeindegrenzen hinweg schon vorbereitet war. Diese Institution diente der Stärkung der Verwaltungskraft der Gemeinden durch die Übertragung der Auftragsangelegenheiten und des Kassen- und Rechnungswesens auf das Amt. Die amtsangehörigen Gemeinden hatten in der Regel auch keine hauptamtliche Verwaltung. Trotzdem wurde dies als nicht ausreichend angesehen, da das A m t nur auf Antrag der Gemeinde Selbstverwaltungsangelegenheiten übernehmen konnte, was kaum praktiziert wurde. Die Gemeinden verfügten auch über die Bauleitplanung und damit über das wichtigste Instrument zur Steuerung der kommunalen Entwicklung. Außerdem entsprachen die Ämter nicht raumordnerischen Gesichtspunkten. Sie waren in ihrer Größe auch sehr unterschiedlich und fehlten in einzelnen Landesteilen ganz. Auf Grund dieser Mängel schlug die Kommission die Auflösung der Ämter und die Schaffung von Einheitsgemeinden des Typs A und Β vor. Abgelehnt wurde die Gesamtgemeinde (Föderalgemeinde) anstelle der bisherigen Ämter treten zu lassen, womit die Gemeinden einen zweistufigen Aufbau erhalten hätten. Dies wurde als verfassungsrechtlich unzulässig angesehen. Trotzdem ist diese Lösung in RheinlandPfalz in der Verbandsgemeinde verwirklicht worden. 191
Interview. Die Neugliederung der Gemeinden i n den ländlichen Zonen des Landes Nordrhein-Westfalen. Siegburg 1966. 192
1 1 0 2 . Kap.: Das Verhältnis der kommunalen Gruppen zueinander
Die Haltung des Rheinischen und des Westfälischen Gemeindetags 193 zu diesen Vorschlägen ist bestimmt durch die Zusammensetzung der Verbände. So waren 1966 i m Gemeindetag Westfalen-Lippe von 34 Vorsitzenden der Kreisgemeindetage 24 Amtsdirektoren und Amtsbürgermeister, 2 kamen aus großen Gemeinden (über 8000), 4 aus kleineren Gemeinden und nur 3 aus amtsangehörigen Gemeinden. Ähnlich war es beim Rheinischen Gemeindetag. Von insgesamt 23 Kreisvorsitzenden kamen 10 aus Ämtern, 6 aus großen, 3 aus kleinen, keiner aus einer amtsangehörigen Gemeinde 194 . Letztere waren also nahezu gar nicht i m Verband vertreten, obwohl formell sowohl A m t wie Gemeinde Mitglieder waren. Aber auch aus amtsfreien kleinen Gemeinden kamen nur sehr wenige Vertreter. Auch in der Sachverständigenkommission waren die Gemeinden nur durch einen Stadt- und Amtsdirektor vertreten. Dementsprechend war die Politik der Gemeindetage schon immer auf eine Stärkung der Ämter ausgerichtet. Insbesondere war ihre Forderung, den Amtsdirektor zugleich zum Gemeindedirektor zu ernennen und so eine eigene hauptamtliche Verwaltung zu verhindern. Nachdem der Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen 1954 die damalige gesetzliche Vorschrift über die Personalunion für verfassungswidrig erklärt hatte 1 9 5 , versuchten die Verbände, dies in Einwirkung auf die Gemeinden wenigstens in der Praxis zu erhalten, was auch i n nahezu allen Fällen gelang 1 9 6 . Die Vorstellung einer leistungsfähigeren Verwaltung durch Zusammenarbeit über die Institutionen des Amts hinaus war von den Verbänden schon immer vertreten worden. Besonders der Rheinische Gemeindetag trat i m Rahmen der Raumordnungsdiskussion stark für Kooperation und auch für den Zusammenschluß von Gemeinden ein 1 9 7 . Sein Geschäftsführer Rüdiger Göb entwarf sogar die Vision einer 3stufigen Verwaltung, was eine wesentliche Vergrößerung der Gemeinden erfordert 1 9 8 . Für Zusammenschlüsse warb der Gemeindetag auf seinen Veranstaltungen schon vor dem Kommisionsgutachten. A u f Wunsch des Kreisgemeindetags arbeitete die Geschäftsstelle sogar ein Modell für Zusammenschlüsse i m Kreis Euskirchen aus 1 9 9 , das 13 Gemeinden 193
Sie wurden 1967 zu einem Verband vereinigt. Nach: Der Gemeinderat und Die Gemeinde 1966. 4 konnten nicht genau bestimmt werden. 195 Gutachten A (NW), S. 30, Pagenkopf, S. 191. 196 Mitteilungen des Städtebundes NW, 5.11.1963 m i t der Forderung nach einer Verfassungsänderung dazu. 197 Vgl. Die Gemeinde (Rheinland) 1965, S. 54 ff., 125 ff. 198 V o r der K P V der CDU i n : Kommunalpolitische Blätter 1964, S. 668 f. 199 Die Gemeinde (Rheinland) 1967, S. 52 - 66. 194
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anstelle von bisher 71 vorsah, ähnlich wie schon früher i m Eifelraum und i m Kreis Kleve. Dabei zeigte sich jedoch, daß der Widerstand gegen Zusammenschlüsse auf der ehrenamtlichen Seite damals relativ stark war und daher freiwillige Lösungen nicht zustande kamen. Dies erklärt sich daraus, daß die ehrenamtlich Tätigen stärker an ihre einzelne Gemeinde gebunden sind, stärker von gefühlsmäßigen Bindungen beherrscht werden und auch i n einer Reform, besonders bei Einheitsgemeinden, i n großer Zahl ihr A m t verlieren. Für die Amtsbzw. Gemeindedirektoren stehen dagegen die Argumente der Zweckmäßigkeit für die Verwaltung i m Vordergrund. Sie sahen dabei durchaus die Problematik der Amtsverfassung und schlugen daher entsprechende Reformen vor (Übertragung von Selbstverwaltungsaufgaben, soweit sie einer einheitlichen Wahrnehmung bedürfen, insbesondere die Planungshoheit, und Zusammenschlüsse der amtsangehörigen Gemeinden, schon wegen der teilweise hohen Zahl von Sitzungsterminen i m A m t (bis zu 800 jährlich) 2 0 0 . Der Gedanke einer reformierten Amts Verfassung wurde jedoch in der Sachverständigen-Kommission verworfen, da eine so weitgehende Stärkung des Amtes notwendig sei, daß es fraglich sei, ob dies das verfassungsrechtlich garantierte Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden nicht verletze. Als einzige Alternative wurde daher die Einheitsgemeinde m i t Ortschaftsverfassung angesehen. Bei dieser Verfassung sind die Ortschaften nur unselbständige Teile mit einem vom Gemeinderat gewählten Ortsgemeinderat, der anregend und beratend wirken soll. Zum Teil werden auch gewisse Haushaltsmittel zugewiesen. Eine echte Alternative zur Einheitsgemeinde stellt dies jedoch nicht dar. Der Vorschlag der Kommission über Einheitsgemeinden wurde von der Landesregierung mit Beschluß vom 22. 11. 1966 gebilligt 2 0 1 . Allerdings meinte sie, man werde wohl ohne die Institution A m t nicht in allen Landesteilen auskommen, was auch der Ansicht des Gemeindetags entsprach. Trotzdem setzte sich i n der Praxis die Ministerialverwaltung durch, die das folgende Verfahren wesentlich vorantrieb. I n sämtlichen von der Neugliederung betroffenen Gebieten wurden tatsächlich die Ämter aufgelöst und kein A m t neu gebildet. Eine weitere wichtige Entscheidung betrifft das Verfahren: die Neugliederung wurde durch Gesetz vollzogen und nicht auf der Basis der Freiwilligkeit wie später i n Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, und sie wurde auch nicht finanziell gefördert. Die Gesetze wurden vorbereitet durch 200 Rheinischer Gemeindetag: Kommunale Neuordnung i n Nordrhein-Westfalen. Siegburg 1966, S. 15 ff., Gutachten A, S. 29. 201 Der Gemeinderat 1967, S. 196.
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2. Kap. : Das Verhältnis der kommunalen Gruppen zueinander
eine Kommission des Innenministeriums unter dem Vorsitzenden des Leiters der Kommunalabteilung, die auf erste Vorschläge der Oberkreisdirektoren mit den Gemeinden verhandelte 2 0 2 . I n den anderen Bundesländern wurde dieses Verfahren als Zielplanung der Innenministerien, die durch die Landräte vorbereitet wird, nachgeahmt, wodurch die Gemeindereform de facto an deren Genehmigung gebunden wird. Es rief in Nordrhein-Westfalan wie anderswo zunächst heftige Proteste in den betroffenen Gebieten hervor, die sich als Objekte der ministeriellen Planung sahen. Vom Gemeindetag w i r d dies aber nicht ganz abgelehnt, da eine Einheitlichkeit der Reform notwendig ist 2 0 3 . Es kam jedoch in vielen Gemeinden zu Mißstimmungen, die ihren Niederschlag auch in den Äußerungen des Verbands fanden. So wurde das „undemokratische" Verfahren des Innenministeriums, das von Unkenntnis der Gemeinden gekennzeichnet sei, der Schematismus des Einteilens in A - und B-Gemeinden, das Streben, möglichst viele B Gemeinden (über 30 000) zu erreichen, die zu große Hektik und das Desinteresse des Landtags kritisiert 2 0 4 . Auch wurde anfangs die Amtsverfassung verteidigt und in manchen Bereichen als unentbehrlich bezeichnet 205 . Trotz der teilweise sehr scharfen K r i t i k bedeutete dies jedoch nicht, daß der Gemeindetag in Opposition zu den Plänen des Innenministeriums gestanden wäre, geschweige denn, daß er eine einheitliche Front gegen die Neugliederung organisiert hätte. Dies zeigt sich etwa an der Frage der Amtsverfassung, bei der der Gemeindetag niemals eine konkrete Reform vorschlug, die allein ihren Fortbestand hätte sichern können. Dazu wäre auch keine Mehrheit im Vorstand zu finden gewesen, da die Amtsdirektoren sehr bald die Vorteile der Einheitsgemeinde erkannten und deren Einführung forderten 2 0 6 , besonders dort wo das A m t mit der neuen Gemeinde identisch war. Die Verbandsführung kooperierte stets mit dem Innenministerium und wirkte unter den Mitgliedern eher aufklärend und beruhigend. Dabei nahm sie auch zu den Einzelvorschlägen Stellung, wobei sie von den gleichen Grundsätzen wie das Innenministerium ausging. A u f diese Weise gelang es in Nordrhein-Westfalen i m 1. Neugliederungsprogramm bei ursprünglich 2341 Gemeinden 928 alte zu 155 neuen 202
Die Gemeinde (Rheinland) 1967, S. 67. 203 Württembergische Gemeindezeitung 1967, S. 28.
204 Gemeindetag Westfalen. Entschließung i n : Der Gemeinderat 1967, S. 374 f. und 1968, S. 38 ff. Die Gemeinde (Rheinland), S. 401. 205 Kommunalpolitische Blätter 1965, S. 734, Der Gemeinderat 1966, S. 386 (Staatssekretär Loschelder), ebd. 1967, S. 208 (Beschluß des Gemeindetags Westf.), Die demokratische Gemeinde 1967, S. 406 ff. 206 Interview.
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Gemeinden zusammenzulegen, wobei die meisten letztlich zustimmten 2 0 7 . Der zweite Teil der Gemeindereform wurde dann i n 2. Neugliederungsprogrammen begonnen und bis 1974 beendet. Die Maßstäbe verschoben sich dabei immer mehr zu großzügigeren Lösungen. Ein aufschlußreiches Beispiel für die Verschiedenheit der Reaktionen in den einzelnen Landesverbänden des DGT gibt die Gemeindereform i n Baden-Württemberg. Sie wurde begonnen auf Initiative von Innenminister Krause, der selbst aus der großstädtischen Verwaltung kam. Der Weg sollte vom Grundsatz der Freiwilligkeit bestimmt sein, was mit dem Selbstverwaltungsrecht und den schlechten Erfahrungen aus dem 3. Reich begründet wurde. Sicher bestand auch die Erwartung, eine gesetzliche Lösung zunächst nicht durchsetzen zu können. Der erste Schritt war ein Gesetz über Verwaltungsgemeinschaften vom 26. 3.1968 (GVB1., S. 113), das die Übertragung von Verwaltungsaufgaben durch Vertrag auf einen zentralen Ort oder auf einen Verband ermöglicht, was dann der Amtsverfassung entspricht. Allerdings wurde dabei ganz offengelassen, was auf die Verwaltungsgemeinschaft übertragen wird. Der nächste Schritt war die Einführung der Ortschaftsverfassung, um Eingemeindungen zu erleichtern. Diese Politik wurde von den Regierungsparteien CDU und SPD unterstützt, was dadurch begünstigt wurde, daß die Freiwilligkeit betont i n den Vordergrund gestellt wurde. Trotz letzterer hatten der Landtag und das Innenministerium jedoch einen beträchtlichen Einfluß auf den Ablauf der Reform. Der des Landtags ist vor allem i n der finanziellen Förderung zu sehen, die für Verwaltungsgemeinschaften, sofern sie ein Mindestmaß an Aufgaben (§ 34 b F A G 1970) erfüllen, und für Gemeindezusammenschlüsse erfolgt. Dabei wurden letztere wesentlich bevorzugt. Zwischen den Koalitionsparteien war vor allem dieser Punkt strittig. Die CDU wünschte eine verstärkte Förderung der Verwaltungsgemeinschaften, um so die Chancengleichheit beider Formen der Zusammenarbeit herzustellen 208 . Es wurde sogar erwogen, wie i n Rheinland-Pfalz generell zu Verbandsgemeinden überzugehen 209 . Grund für die Bevorzugung der Verbandslösung liegt i m Wunsch, die Interessen der ländlichen Bevölkerung zu schonen und die Umstellung zu erleichtern. Da die CDU auf sie angewiesen ist, mögen wahltaktische Motive eine Rolle gespielt haben. Demgegenüber vertrat die SPD die Ansicht, Gemeindezusammenschlüsse seien die bessere Verwaltungsform. Die Kontroverse wurde i n einer Koalitionsvereinbarung vom 207 Martin Bünermann, Die Gemeinden des 1. Neugliederungsprogramms i n Nordrhein-Westfalen. K ö l n 1970. 208 Stuttgarter Zeitung 4. 5.1971, 22.12.1971, 26.1.1972. 209 Stuttgarter Zeitung 24. 3.1970, 25. 3.1970, 15.12.1970.
8 Geißelmann
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23. 4.1971 beigelegt, die eine Annäherung der Förderung beider Formen vorsah 2 1 0 . Dies wurde allerdings auf Grund der Diskussion um die Abschaffung der Förderung nicht mehr durchgeführt. I n der folgenden Legislaturperiode ergaben sich wieder dieselben Fronten. Die SPD legte einen Gesetzentwurf zur Schaffung von Verbandsgemeinden vor, der die direkte Wahl der Organe und die Übertragung einer wesentlich größeren Anzahl von Aufgaben vorsah. Dies wäre geradezu die Vorform einer Einheitsgemeinde geworden. Zweifellos hat es die SPD wesentlich leichter, einen solchen Vorschlag zu machen, da sie in den Kleinstgemeinden nur wenige Wähler hat. Die CDU folgte ihr dagegen aus den erwähnten Gründen nicht, sondern gestaltete vielmehr die Verwaltungsgemeinschaft zu einer noch lockereren Einrichtung um211. Der Einfluß des Innenministeriums ist vor allem i n der Zielplanung zu sehen. Wenn diese auch von Selbstverwaltung und Land zusammen erarbeitet wird, so ist doch letzten Endes das Innenministerium ausschlaggebend, das auf bestimmtem Grundsätzen beharrt. Die i n anderen Ländern am Anfang der Reform erstatteten Gutachten wurden hier erst nachträglich zur Unterstützung der Position des Ministeriums abgegeben. Der Erfolg dieser Politik war erstaunlich groß. Bis 1. 1.1971 schlossen sich 143 Gemeinden zusammen. Bis 1. 1. 1973 verringerte sich ihre Zahl von 3379 vor Beginn der Reform auf 2159, bis 1. 7. 1974 auf 1363 212 . Es war jedoch schon sehr früh klar, daß der Phase der Freiwilligkeit eine gesetzliche Regelung folgen müßte, um einheitliche Verhältnisse i m ganzen Land zu schaffen. Nachdem die Zielplanung des Innenministeriums i m Frühjahr 1973 abgeschlossen war, wurden daher die Schlußgesetze dem Landtag vorgelegt. Aus taktischen Gründen geschah dies in 13 Gesetzen für die einzelnen Regionen des Landes, um so eine Einheitsfront der lokalen Opposition i m Landtag zu verhindern. Der nächste Schritt war eine offzielle A n hörung der Bevölkerung der Gemeinden, die in der Gemeindeordnung vorgeschrieben ist, jedoch keine rechtliche Wirkung hat. Das Interesse daran war insgesamt nicht sehr groß. Da nur noch die wenigen umstrittenen Fälle zur Abstimmung standen, ergab sich bei den zur Eingliederung vorgesehenen Gemeinden überwiegend eine Ablehnung 2 1 3 . A u f den weiteren Verlauf hatte dies wenig Einfluß. I m Landtag w u r den nur noch einzelne Konzessionen gemacht. Umstritten war vor al210
Stuttgarter Zeitung 24. 4.1971. Änderung der GO vom 19. 7. 73. Vgl. Stuttgarter Zeitung 27. 2. 73, 8. 2. 73, 12. 5. 73. 212 Stuttgarter Zeitung 4. 7.1974, S. 5. Dies w a r kurz vor der gesetzlichen Regelung. 213 Uberblick i n : Stuttgarter Zeitung 21.1.1974, S. 22. 211
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lem das Problem des Stadt-Umlands, auf das unten eingegangen wird, und die Schaffung neuer mittlerer Städte i n Ballungsrandzonen und außerhalb der Ballungsgebiete (Böblingen-Sindelfingen, Aalen-Wasseralfingen, Ravensburg-Weingarten, Waldshut-Tiengen usw.). I n diesen wie i n allen grundsätzlich bedeutsamen Fällen schloß sich die CDUFraktion der Landesregierung an. Der harte Kern der Reformgegner war auf wenige Abgeordnete zusammengeschrumpft, so daß die CDU die Gesetze i m J u l i 1974 i m Alleingang durchsetzen konnte. Dabei mußten gesetzlich nur noch 225 Gemeinden aufgelöst und 43 Verwaltungsgemeinschaften neu geschaffen werden. Für die Haltung der CDU ist maßgebend die sachliche Notwendigkeit und die Möglichkeit, durch die Verwaltungsgemeinschaft eine größere Zahl von Gemeinden zu erhalten. Dazu kommt, daß ein Prestigeverlust drohte, wenn die in der Zeit der großen Koalition (unter maßgeblichem Einfluß der SPD) begonnene Reform nicht hätte bewältigt werden können. Auch der Einfluß der Landesverwaltung in dieser Frage darf nicht unterschätzt werden. Diese Politik wurde wie in Nordrhein-Westfalen natürlich i n sehr starkem Maße vom Städteverband unterstützt, der hoffte, über die Maßnahmen, die zunächst der Stärkung der Verwaltungskraft der kleinen Gemeinden dienen sollten, auch eine Lösung des Stadt-UmlandProblems zu erreichen. Vor allem den mittleren Städten gelangen auch umfangreiche Eingemeindungen. Ein Instrument dafür war die Ortschaftsverfassung, die vom StV, insbesondere von Offenburg gefordert worden w a r 2 1 4 . Das zweite Instrument war die finanzielle Förderung, die ursprünglich auf kleinere Gemeinden beschränkt war. Es gelang jedoch hier, einen Einzelfall (Gernsbach) hochzuspielen und die Ausdehnung auf alle Gemeinden zu erreichen. Die Entwicklung zugunsten der Städte und der Eingriff i n das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden, den die Maßnahmen des Landes enthalten, veranlaßten den Verband badischer Gemeinden, diese Gemeindereform insgesamt abzulehnen. Dagegen unterstützte der WGT diese Politik wenigstens zum größten Teil. Er ging dabei aus von der Erkenntnis, daß von den kleinen Gemeinden zunehmend Leistungen erwartet werden, wie sie früher nur in großen Gemeinden nötig waren. Die Probleme für die Gemeinden seien daher in diesem Bereich besonders groß. Als Beispiel führte er die Anstellung von Ortsbaumeistern und Bildung von Bauhöfen und
214 Allerdings n u r für neueingerichtete Orte. Vgl. Geschäftsbericht S t V B W 1967 - 1969, S. 26.
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die Beratung über die Sozialversicherung an 2 1 5 . Auch die Veranstaltungskraft sei zunehmend i m Vergleich zu den Aufgaben zurückgeblieben. Daher zwinge schon die finanzielle Lage das Land zum Handeln 2 1 6 . Der Verband stellte also vor allem verwaltungspraktische Überlegungen in den Vordergrund, wie es seiner Zusammensetzung aus Fachbürgermeistern entspricht. Dem ehrenamtlichen Element wurde insofern Rechnung getragen, als argumentiert wurde, in Verwaltungsgemeinschaften könnten die ehrenamtlichen Kräfte wieder in den Gemeinden eine stärkere Rolle spielen, da teilweise keine hauptamtlichen Bürgermeister mehr nötig seien. Der Haltung der Fachbürgermeister entspricht auch die Erkenntnis, daß die Verwaltungsschwäche der kleinen Gemeinden dazu geführt hat, daß immer mehr Aufgaben auf größere und leistungsfähigere Verwaltungsträger übergingen. Die großen Gemeinden haben insofern ein Interesse an einer gleichmäßigen Leistungskraft aller Gemeinden, da die Entwicklung von den schwächsten Gliedern bestimmt wird. Ein weiterer Gesichtspunkt war für den WGT die Problematik der bisherigen Institution zur Stärkung der Verwaltungskraft der kleinen Gemeinden, des Verwaltungsaktuars 2 1 7 . Dieser betreute die kleinen Gemeinden in Haushaltsplan-, Steuer- und Rechnungsgeschäften sowie beratend i n anderen Fragen (§ 69 - 72 GO). Obwohl er Gemeindeaufgaben erfüllte, war er Beamter des Landkreises und dadurch i n gewissem Umfang von diesem abhängig. Dadurch handelt es sich zugleich um ein Problem des Verhältnisses von Landkreis und Gemeinde. Es wurde auch bei der Gemeindeordnung unter diesem Aspekt diskutiert. Man muß die Einrichtung i m Zusammenhang mit der These sehen, die Zwerggemeinden würden nicht nur vom Landratsamt beaufsichtigt, sondern weitgehend unmittelbar verwaltet 2 1 8 . Wieweit dies auch für Baden-Württemberg zutrifft, wieweit also der Verwaltungsaktuar vom Landkreis abhängig war, w i r d vom Gemeinde- und Landkreistag verschieden beurteilt. Es war natürlich i m Einzelfall auch sehr verschieden und hängt von der Herkunft des Beamten, aus der Innenverwaltung oder aus dem Kommunaldienst, ab. Man kann aber doch davon ausgehen, daß sich in vielen Fällen das Problem der mangelnden Unabhängigkeit stellte. Aus diesem Grund schlug schon 1954 der Gemeindetag WürttembergHohenzollern die Abschaffung dieser Einrichtung zugunsten eines unabhängigen „Landgemeindeamts" vor, und der WGT wollte Klauseln 215 Württembergische Gemeindezeitung 1969, S. 341. 2ie Württembergische Gemeindezeitung 1967, S. 132. 217 württembergische Gemeindezeitung 1969, S. 45 und Walter i n : Buch deutscher Gemeinden. K ö l n 1965. 218
Vgl. Bertram,
S. 47 und Berkenhoff
Dollmann
in: Der Städtebund 1966, S. 204.
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zur Sicherung der Unabhängigkeit des Aktuars einführen 2 1 9 . Da jedoch die zukünftige Organisation nicht hinreichend geklärt war, konnte sich der Landkreistag als Verteidiger dieser Einrichtung durchsetzen 220 , wobei aber sicherlich für ihn der Einfluß auf diesen Beamten eine wesentliche Rolle spielte. Das Problem der Zuordnung des Verwaltungsaktuars zwischen Landkreis und Gemeinde fand auch seinen Ausdruck in der Organisation i m Rahmen der kommunalen Spitzenverbände. Sowohl der Landkreistag als Verband der Dienstherren, als auch der WGT, der sie als gemeindliche Einrichtung betrachtete, versuchten, sie als Arbeitsgruppe in ihrem Verband zu organisieren. Dies würde natürlich eine weitere Verstärkung des jeweiligen Einflusses mit sich bringen. Es kam jedoch zu einem Kompromiß. Die Arbeitsgemeinschaft der Verwaltungsaktuare gehörte beiden Verbänden an, und beide entsandten Vertreter zu ihren Tagungen. M i t der Schaffung von Verwaltungsgemeinschaften oder Einheitsgemeinden wurde diese Institution überflüssig, und sie wurde mit den Schlußgeschehen zur Gemeindereform abgeschafft. Eine solche Unabhängigkeit vom Landkreis zu erringen, war für den WGT ein wesentliches Ziel. Dies gilt ähnlich auch für die anderen Bundesländer, in denen ebenfalls, wenn auch in anderer Form, die Landkreise die Verwaltung der Gemeinden hatten unterstützen müssen. Auch der Städtebund bezeichnete es als ein wesentliches Ziel, dieses patronisierende Verhältnis aufzulösen 221 . I n Baden-Württemberg versuchte allerdings der Landkreistag, den Verwaltungsaktuar zu erhalten. Er vertrat die Ansicht, es sei eine bewährte Einrichtung und schone die Unabhängigkeit der Gemeinden i m Vergleich zu Eingemeindungen eher 2 2 2 . Damit erschien er, geradezu i m Gegensatz zum Gemeindetag, als ein Verfechter der Interessen der kleinen Gemeinden 223 . Dies unterscheidet BadenWürttemberg allerdings von den anderen Bundesländern, i n denen die Verwaltungshilfe für die kleinen Gemeinden für die Kreise nur eine Last gewesen war. Ein Interesse der größeren Gemeinden, vor allem der zentralen Orte, an einer Gemeindereform besteht aber auch insofern, als sie von einer Auflösung der kleinen Gemeinden profitieren müssen. Es wurde aber 219 Stellungnahme der kommunalen Spitzenverbände v o m August 1954, abgedruckt i n der Württembergischen Gemeindezeitung. 220 Geschäftsbericht des Verbands württemberg-badischer Landkreise 1954/55, S. 7. 221 Der Städtebund 1966, S. 204. 222 y g i Gerhardt u n d Egetenmaier i n : Landkreisnachrichten 1969, S. 17-21. 223
Vgl. auch die A k t i o n e n von L d r . Hub er i m Landtag, nach W ü r t t e m bergische Gemeindezeitung 1968, S. 44.
1 1 8 2 . Kap.: Das Verhältnis der kommunalen Gruppen zueinander
bereits nachgewiesen, daß erstere i m WGT vorherrschen. Ein Beispiel dafür bildet der Vizepräsident des Verbandes, Bürgermeister Seeger (Reichenbach). Er vertrat sogar die Ansicht, man solle statt zu Verwaltungsgemeinschaften gleich zu Eingemeindungen i n zentrale Orte schreiten. Dies solle allerdings nicht i m Stadt-Umland gelten 2 2 4 , eine wichtige Forderung aller Gemeindetage. M i t seiner Meinung ging er damit zwar über die Linie des Verbandes i n dieser Frage hinaus, doch ist er trotzdem einer seiner wichtigsten Sprecher und wurde auch von ihm in die Sachverständigenkommission zur Verwaltungsreform entsandt. Aber auch der Verband billigte die Haltung des Ministeriums, die häufig zu Konflikten führte, Zusammenschlüsse nicht ohne den zentralen Ort eines Verflechtungsbereichs zu genehmigen. Lediglieli für Eingemeindungen in Großstädte wünschte er eine Ausnahme 2 2 5 . Der WGT begann schon 1964, nach Wegen zu suchen, die Verwaltungskraft zu stärken. Er untersuchte zunächst die Modelle der anderen Bundesländer und prüfte ihre Übertragung auf Baden-Württemberg 2 2 6 . Dabei wurde jedoch eine Gebietsreform abgelehnt und lediglich Maßnahmen zur Stärkung der Verwaltuugskraft empfohlen. Dies ist schon aus verbandsinternen Gründen nötig, da sonst die Mehrzahl der Gemeinden von der Auflösung betroffen wäre. Der Verband war jedoch offensichtlich nicht in der Lage, diese Überlegungen zu konkreten Initiativen zu verdichten, wohl auf Grund der inneren Widersprüche im Verband. Der Anstoß kam daher vom Innenministerium, das als ersten Schritt die Bildung von Verwaltungsgemeinschaften vorschlug. Schon bevor der Gesetzentwurf eingebracht wurde, wurde er von der Verbandsspitze i n einer Besprechung mit dem Innenminister voll gebilligt als mit den Vorstellungen des WGT nahezu identisch 227 . Allerdings wurde das Prinzip der Freiwilligkeit, wie es auch Krause tat, stark in den Vordergrund gestellt. Die finanzielle Förderung, die mit dem Gesetz verbunden war, rief jedoch i n Kreisen der Selbstverwaltung Bedenken hervor. Die kleinen Gemeinden fühlten sich vielfach i n ihrer Existenz bedroht. Es kam zu einer Welle heftigen Protestes gegen den Verband auf mehreren Kreisversammlungen (Ulm, Heidenheim, Crailsheim) und auf einer Tagung der Akademie der Diözese Rottenburg (zusammen mit dem Katholischen Werkvolk) 2 2 8 . Dem WGT wurde vorgeworfen, er verrate die 224 württembergische Gemeindezeitung 1967, S. 333. 225
Stuttgarter Zeitung 23.11.1971. So der Gesamtvorstand am 13. 4.1967, nach Württembergische Gemeindezeitung 1967, S. 132. 227 Ebenda. 228 Württembergische Gemeindezeitung 1967, S. 383, 350. Stuttgarter Zeitung 6. 12. 1967, 15. 2. 1968, 12. 2. 1969. 226
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kleinen Gemeinden, und schließlich wurde sogar mit dem Austritt gedroht 2 2 9 , was eine Spaltung des Verbandes bedeutet hätte, da die kleinen Gemeinden in der Mehrzahl sind. Die Proteste richteten sich auch dagegen, daß der WGT in der erwähnten Kommission nur durch zentrale Orte vertreten wurde (Präsident Thrum, Korntal, 7000 Einwohner, Vizepräsident Seeger). Der Erfolg der heftigen Proteste war gering. Der Vorstand beharrte auf seiner früheren Stellungnahme und war nur zu taktischen Konzessionen bereit, wie i n der Frage der Zusammensetzung der Kommission. Unter seinen Mitgliedern warb er jedoch weiterhin für eine möglichst weitgehende Zusammenarbeit 230 . Dies war auch noch angesichts der bevorstehenden gesetzlichen Regelung der Fall, die vom Gemeindetag nicht prinzipiell abgelehnt wurde 2 3 1 . Diese Haltung führte zwar schließlich nicht zu Austritten, aber immerhin dazu, daß sich einzelne Gruppen von Mitgliedern i n Arbeitsgemeinschaften zusammenschlossen, um so Einfluß auf den Gesetzgeber zu gewinnen. Dies war zum einen die Aktionsgemeinschaft zur Erhaltung der Selbstverwaltungsrechte der Gemeinden mit ca. 150 Kleinstgemeinden als Mitglieder 2 3 2 , zum anderen die Vereinigung der Bürgerinitiativen zur Gemeindereform Baden-Württemberg aus 13 größeren Orten, die zur Eingliederung in Mittelstädte vorgesehen waren 2 3 3 . Beide Gruppen konnten jedoch keinerlei Einfluß gewinnen. Auch finanzielle Anreize für die Verwaltungsreform erschienen dem Verband nötig, sofern nur die Freiwilligkeit insgesamt erhalten bliebe und es auf die kleinen Gemeinden eingeschränkt werde 2 3 4 . Dies gilt allerdings nicht für die Form der Förderung, die i n Baden-Württemberg eingeführt wurde. Zum einen bevorzugt sie die Einheitsgemeinde gegenüber der Verwaltungsgemeinschaft, zum anderen werden die großen Gemeinden bevorzugt, was nicht i m Sinne des Gemeindetags ist. Die entscheidende K r i t i k aber wurde daran geübt, daß die M i t t e l der finanziellen Förderung durch Vorwegentnahmen aus den Finanzausgleichsmittln entnommen werden, wodurch alle übrigen Gemeinden Nachteile erleiden. Eine solche Form der Förderung w i r d in allen Ländern vom Gemeindetag abgelehnt. So setzte etwa der hessische Gemeindetag durch, daß i n der Koalitionsvereinbarung 1970 die finanzielle Förderung abgebaut wurde. Auch in Baden-Württemberg fordern die kommunalen Spitzenverbände einen solchen Beschluß, insbesondere der 229
Interview. 230 württembergische Gemeindezeitung 1967, S. 264, 333; 1969, S. 57.
231 232 233 234
Stuttgarter Stuttgarter Stuttgarter Stuttgarter
Zeitung Zeitung Zeitung Zeitung
15. 2.1973. 20. 3.1973. Vgl. auch St. Ilgen ebd., 5. 7. 74. 1. 6.1973. 24.12.1971.
1 2 0 2 . Kap.: Das Verhältnis der kommunalen Gruppen zueinander
StV, der eine gesetzliche Lösung vorzieht 2 3 5 , da so besonders i n Ballungsgebieten die Reform eher i n seinem Sinn zu lösen ist. Ausschlaggebend für den Beschluß der baden-württembergischen Landesregierung vom 23.1.1972, die finanzielle Förderung stark zu reduzieren, war aber die große Welle der Zusammenschlüsse, die eine Aufrechterhaltung des bisherigen Systems unmöglich machte 236 . Von der Politik des WGT unterscheidet sich die des Verbands badischer Gemeinden erheblich 237 . Seine Argumentation ging zum einen von der Sicht der ehrenamtlichen Kräfte aus: die Gemeinden seien in erster Linie Lebensgemeinschaften, nicht Verwaltungseinheiten 2 3 8 und in kleinen Gemeinden sei die ehrenamtliche M i t w i r k u n g größer sowohl durch die Zahl der Gemeinderäte wie durch den größeren Bürgersinn. Außerdem sei ihre Verwaltung weit sparsamer, was sich durch die geringe Zahl der hauptamtlichen Kräfte erklärt. Auch auf die Leistungen in der Nachkriegszeit wurde verwiesen. Ein drittes Argument war verbandspolitisch bedingt: die zentralen Orte dürften nicht bevorzugt werden gegenüber den kleinen Gemeinden und keinesfalls dürfe es zu Eingemeindungen i n Städte kommen. Diese versuchte der Verband auch i m Einzelfall durch Einwirkung auf die Gemeinden, etwa i m Fall Offenburgs, zu verhindern, wobei er auf Grund der finanziellen Förderung des Landes nur geringen Erfolg hatte 2 3 9 . Zwar lehnte der Verband die Bildung von Verwaltungsgemeinschaften nicht grundsätzlich ab, da sie i m Einzelfall durchaus Sinn haben könne, doch bekämpfte er insbesondere die finanzielle Förderung und die Zielplanung. M i t dieser Politik, die die Bemühungen des Innenministeriums möglichst zu verhindern versuchte, fand der Verband bei seinen Gemeinden großen Anklang. Die teilweise emotionalen und von einem ideologischen Begriff der Selbstverwaltung ausgehenden Vorstellungen führten zu einer scharfen K r i t i k am Land, die auch von regionalen Aversionen gegen „die in Stuttgart" gespeist wurden 2 4 0 . Auf die Entscheidungen i m Landtag hatte dies jedoch keinen Einfluß, da insbesondere auch von den dort einflußreichen Bürgermeistern größerer Gemeinden diese Linie des Verbandes kritisiert w i r d (Frank, Diez). Die Opposition des Verbandes führte schließlich sogar so weit, daß er i n Kontakt zur „Liga für demokratische Verwaltungsreform" 235 StV BW, Geschäftsbericht 1967 - 69, S. 25 und Stuttgarter Zeitung 26. 6. 1970, 16. 11. 1971. 236 Stuttgarter Zeitung 3. 9.1971, 12.1.1972, 25.1.1972, 27.1.1972. 237 Vgl. allgemein: Die Iemeinde (Baden) 1969, S. 8 ff. 238 Die Gemeinde (Baden) 1968, S. 266. 239 Interview. 240 Die Gemeinde (Baden) 1968, S. 266: „Gemeindemordkommission", S t u t t garter Zeitung 19. 5.1971: „Hurenlohn".
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trat, die i m Februar 1971 gegründet wurde 2 4 1 , um durch die Auflösung des Landtags die Kreisreform zu verhindern. Zur Gründungsversammlung dieser Liga, deren Vorsitzender der Bauernverbandspräsident Raiter wurde, lud auch der Vorsitzende des Vereins badischer Bürgermeister, Bürgermeister Hoog, Leimen, zugleich stellvertretender Vorsitzender des Gemeindeverbandes ein. Auf den heftigen Protest einiger Abgeordneter hin wurde dies jedoch sofort wieder dementiert und eine offzielle Position der Neutralität bezogen 242 . Dabei w i r d sicher mitgespielt haben, daß der Vorwurf des undemokratischen Verhaltens dem Stil eines kommunalen Spitzenverbandes nicht entspricht und seinem Einfluß außerordentlich schaden würde, nachdem bereits die vorherige emotionale Opposition i n Ministerien und Regierung negativ aufgenommen wurde 2 4 8 . Dieses Dementi änderte jedoch nichts daran, daß der Verband mit dieser Liga sympathisierte und badische Bürgermeister auch mitarbeiteten. Die Ursachen für den beträchtlichen Unterschied der Politik des Verbands badischer Gemeinden und des WGT liegen sicherlich nicht nur in persönlichen Faktoren der Führungsspitze, die aber auch nicht übersehen werden dürfen. Der Unterschied liegt zum einen in der Zusammensetzung des Verbandes. Während i m WGT die Städte bis zu 20 000 Einwohnern dominieren, sind i n Baden 69 dieser Städte i m StV. Zwar sind davon zugleich 46 Doppelmitglieder i m Verband badischer Gemeinden, doch haben in dessen Vorstand die kleineren Gemeinden (unter 5000) ein weit größeres Gewicht als i m WGT. Die Interessen der Verbandsmitglieder sind daher auch einheitlicher. Ein weiterer Grund liegt in der Soziologie der Bürgermeister, die trotz gemeinsamer Gemeindeordnung sehr unterschiedlich ist. I n Baden gab es 1970 noch ca. 700 ehrenamtliche Bürgermeister, während es i n Württemberg nur noch ein Dutzend war, was für die Länder ohne Amtsverfassung einmalig ist 2 4 4 . Bereits bei Nordrhein-Westfalen wurde jedoch festgestellt, daß die Gemeindereform unter den Ehrenamtlichen wesentlich schwerer durchzusetzen ist, während die Fachbürgermeister die verwaltungstechnischen Gesichtspunkte stärker in den Vordergrund rücken. Auch soweit in Baden hauptamtliche Bürgermeister tätig sind (vorgeschrieben über 1000 Einwohnern) kommen die Bürgermeister i n weit stärkerem Maße aus dem politischen Bereich (Parteien, freie Wählergemeinschaften), während das eigentlich fachliche Element der Ratsschreiber darstellt. Auch der Vorsitzende des Verbandes war kein Ver241 242 243 244
Stuttgarter Zeitung 6. 2.1971. Interview. Interview. Interview.
1 2 2 2 . Kap.: Das Verhältnis der kommunalen Gruppen zueinander
waltungsfachmann. I n Württemberg herrscht dagegen der reine Fachbürgermeister vor. Durch das Ausbildungssystem 245 der gemeinsamen staatlichen und kommunalen Ausbildung, unabhängig von einer Gemeinde, sind die Bürgermeister nicht an eine Gemeinde gebunden, und es ist üblich, daß sie mehrfach zwischen den Gemeinden wechseln. Das Ausbildungssystem des gehobenen Dienstes in Baden ist dagegen gekennzeichnet durch die Trägerschaft der Gemeinden und durch die Anstellung bei einer solchen schon während der Ausbildungszeit. Dadurch ist auch bei den Fachleuten die Bindung an die einzelne Gemeinde und ihre Gemeinschaft größer, und die Verwaltungsgesichtspunkte treten auch in der Frage der Gemeindereform i n den Hintergrund. A l l diese Faktoren haben dazu geführt, daß beide Verbände eine sehr unterschiedliche Politik verfolgt haben. Beim Verband badischer Gemeinden führte dies aber sicherlich zu einem Verlust an Einfluß, der bei einer Kooperation durchaus besteht. Dies zeigt auch das Beispiel Rheinland-Pfalz. Die Einheitsgemeinde als konsequenteste Form der Stärkung der Verwaltungskraft der kleinen Gemeinden wurde bisher nur in Nordrhein-Westfalen durchgesetzt. I n anderen Bundesländern wurde dagegen versucht, mit Verbandslösungen die Selbständigkeit der Gemeinden teilweise zu erhalten, wie dies auch der DGT 1966 vorgeschlagen hatte. Neben Baden-Württemberg wurde dies auch in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und am weitesten abweichend in Rheinland-Pfalz m i t der Verbandsgemeinde versucht. Die Entscheidung für letztere wurde vom Gemeindetag Rheinland-Pfalz stark beeinflußt. Die Verbandsgemeindeordnung geht i m wesentlichen zurück auf die Kommission „Stärkung der Verwaltungskraft der kleinen Gemeinden", die ihr Schlußgutachten i m Mai 1967 vorlegte 2 4 6 . I h r gehörten Vertreter des Innenministeriums und der kommunalen Spitzenverbände, für den Gemeindetag Verbandsdirektor Bogner und Amtsbürgermeister Belsner an. M i t der Bevorzugung dieser Lösung in den meisten Landesverbänden des DGT w i r d versucht, einerseits eine Verbesserung der Verwaltung zu erreichen, andererseits die politischen Entscheidungen soweit wie möglich i n der Gemeinde zu belassen. Die Verringerung der bürgerschaftlichen Mitwirkung, einerseits durch die geringere Zahl der Gemeinderäte, andererseits durch die größere Entfernung vom Bürger, soll vermieden werden. Außerdem w i r d eine Vernachlässigung der kleinen Gemeinden in einer Einheitsgemeinde befürchtet. Ein wesentlicher Gesichtspunkt war auch, daß man in Rheinland-Pfalz hoffte, der 245 246
StV B W Geschäftsbericht 1965 - 1967, S. 36 f. Wagener, Verwaltung, S. 186, Eildienst 1967, S. 225.
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Gesetzgeber werde auch i m Stadt-Umland zu Verbandslösungen neigen, wenn man dies auch in der Gemeindereform tue 2 4 7 . M i t der Verbandsgemeindeordnung vom 16. 7.1968 248 wurde damit begonnen, in allen rheinland-pfälzischen Gemeinden eine leistungsfähige hauptamtliche Verwaltung zu errichten. Der Zusammenschluß zu Verbandsgemeinden ist gesetzlich vorgeschrieben, wobei eine kurze Freiwilligkeitsphase vorgeschaltet ist. Sie werden entsprechend der Zielplanung des Innenministeriums gebildet, wobei angestrebt wird, die Einwohnerzahl zumeist zwischen 10 000 und 20 000 Einwohnern zu halten 2 4 9 . Die Verbandsgemeinden, die wie die Gemeinden selbst den Rechtscharakter einer Gemeinde haben, erledigen Kassen- und Rechnungsgeschäfte, Veranlagung und Erhebung von Aufgaben und die Auftragsangelegenheiten. Über die Aufgaben der früheren Ämter hinaus sind sie auch Träger der Hauptschule und beschließen über Flächennutzungspläne, soweit die oberste Landesbehörde dies überträgt. Bestimmte weitere Aufgaben können mit einfacher Mehrheit übernommen werden, weitere m i t 2 /3-Mehrheit. Organe sind die direkt gewählte Verbandsgemeindevertretung und der Verbandsbürgermeister. Der Gemeindetag verfolgte von vornherein die Absicht, Verwaltungsaufgaben der Landkreise auf die Gemeindeebene zu verlagern, um diese so m i t Zuständigkeiten anzureichern, was auch durchgesetzt wurde. Es handelte sich dabei um die publikumsintensiven Aufgaben (z. B. Paßwesen) wie um Fragen, die auf der Gemeindeebene vorbereitet werden müssen. Besonders wichtig sind die baurechtlichen Zuständigkeiten 2 5 0 . Dies ist der bewußte Versuch sowohl des Verbandes wie der Ministerialverwaltung und der Politiker, dies als Anreiz zu Zusammenschlüssen darzustellen und so die Durchsetzung der Reform zu erleichtern. Ähnlich wurde auch i n Baden-Württemberg verfahren, wo die Übertragung von Aufgaben auf Gemeinden von 5000 bzw. 8000 Einwohnern als Anreiz zu freiwilligen Fusionen dient 2 5 1 . Daneben griff man dann auf die Institution der Großen Kreisstadt zurück, die ja wesentliche Aufgabenübertragungen bringt. Dies erwies sich auch in vielen Fällen als wirksamer Anreiz zu Fusionen. Die Zweckmäßigkeit der Verbandsgemeinde w i r d insbesondere von den Verbänden in Nordrhein-Westfalen bestritten (zu kompliziert, 247
Interview. Walter Bogner, Verbandsgemeindeordnung. Taschenkommentar. K ö l n 1969. Walter Bogner, Die Verwaltungsreform i n Rheinland-Pfalz, i n : Der Gemeindetag 1970, S. 397 - 405. 249 Gemeindetag Rheinland-Pfalz. Nachrichten 1971, S. 77. 250 W. Hofmann, Die funktionale Verwaltungsreform i n Rheinland-Pfalz, i n : Die V e r w a l t u n g 1971, S. 451 - 469. 251 Stuttgarter Zeitung 18. 7.1970, Hahn, S. 5. 248
1 2 4 2 . Kap.: Das Verhältnis der kommunalen Gruppen zueinander
teilweise zu groß) 2 5 2 . Wieweit dies berechtigt ist, braucht nicht untersucht zu werden. A u f jeden Fall bedeutet sie für die Gemeinden einen erheblichen Verlust an Zuständigkeiten und eine beträchtliche psychologische Umstellung, die deshalb nur schwer durchzusetzen war. Aus diesem Grund lehnte die offizielle Stellungnahme des Gemeindetags die Verbandsgemeindeordnung insgesamt ab 2 5 3 , obwohl sie doch auf ihn zurückgeht. Dennoch zeigte gerade dies die Freiheit, die die Verbandsführung und besonders die Geschäftsstelle hat, denn beide traten trotzdem stets energisch für die Verbandsgemeinde ein. Dies erfolge sowohl gegenüber der Landesregierung wie in zahlreichen Veranstaltungen, insgesamt über 250. Der Verband blieb dabei keineswegs hinter den Vorstellungen des Innenministeriums zurück, sondern setzte die Einwohnergrenze eher höher an 2 5 4 . Auch hier zeigte sich wie in Nordrhein-Westfalen, daß in Gebieten mit Amtsverfassung (Regierungsbezirke Trier und Koblenz) die Umformung der Ämter keinen Widerstand fand. I n den anderen Regierungsbezirken war dagegen die hauptamtliche Verwaltung erst in Gemeinden ab 2000 - 5000 Einwohnern üblich, und der Widerstand der ehrenamtlichen Bürgermeister war groß. Sie sahen sich durch die Polit i k des Verbandes diskriminiert und meinten, ihre Verwaltung arbeite gut und sogar billiger 2 5 5 . Leichter waren dagegen auch hier die hauptamtlichen Bürgermeister zu überzeugen, die i m Vorstand überrepräsentiert waren. Unterstützt wurde der Verband dabei auch von den Parteien, die die Bürgermeister, soweit sie politisch gebunden waren, beeinflußten. Eine gewisse Rolle spielte natürlich auch die Erwartung, wenn man die Gelegenheit zur Verbandsgemeinde nicht ergreife, führe dies letztlich zur Einheitsgemeinde. A u f diese Weise gelang es, dem Landtag genügend Unterstützung für diese Verwaltungsreform zu geben. Lediglich in der CDU gab es i m ländlichen Bereich gewisse Widerstände, die die Fraktionsführung jedoch überwinden konnte. Ganz anders als i n Rheinland-Pfalz verlief die Entwicklung in Hessen. Dieses Land ist charakterisiert durch eine große Zahl kleiner Gemeinden, besonders i n Nordhessen und i m Odenwald, wodurch Einheitsgemeinden von über 5000 Einwohnern sehr groß würden. Diese Gemeinden haben i n großer Zahl ehrenamtliche Bürgermeister. Die Politik der Landesregierung war in der Ära Zinn in besonderem Maße auf die Förderung des flachen Landes ausgerichtet, wozu auch i n ho252 253 234 255
Interview. Gemeindetag Rheinland-Pfalz. Nachrichten 1968, S. 54. Gemeindetag Rheinland-Pfalz. Nachrichten 1966, S. 79 u n d 90. Ebenda, S. 91.
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hem Maße ein starker Einfluß des HGT innerhalb der SPD beitrug. Von i h m wurde auch die Verwaltungsreform i n starkem Maß bestimmt, sowohl i n der Partei wie i n der Sachverständigenkommission, die von 1966 bis 1968 beriet 2 5 6 . Der HGT erkannte durchaus die Notwendigkeit einer leistungsfähigen Verwaltung, und er setzte sich daher dafür ein, daß die Höchstgrenze für ehrenamtliche Bürgermeister herabgesetzt wurde von 3000 auf 1500 Einwohner. Gegenüber den öffentlichen Forderungen auf die Bildung von Einheitsgemeinden setzte er sich jedoch für die Freiwilligkeit der Gemeindereform und für die prinzipielle Erhaltung auch der kleineren Gemeinden und gegen eine Schwächung des ehrenamtlichen Elements ein. Der Grund liegt einmal in der großen Zahl der kleinen Gemeinden, die besonders aus dem nordhessischen Raum i m Verband stark vertreten sind. Zum anderen war ausschlaggebend die betonte Förderung des ehrenamtlichen Elements 2 5 7 , um die sich der Verband i n großem Maße bemüht hatte. Auch von der parteipolitischen Seite her wurden die Ehrenamtlichen als wichtiges Element angesehen. Dies führte dazu, daß der Verband gesetzliche Schritte nur hinsichtlich der kleinsten Gemeinden (unter 300 Einwohner) zu billigen bereit war und i m übrigen nur freiwillige Vereinigungen wünschte. Zeitweise wurde auch erwogen, zu Verbandsgemeinden überzugehen, doch wurde auf Grund der Nachteile dieser Form davon abgesehen 258 . Diese Politik wurde auch von der hessischen Landesregierung übernommen, bei der der HGT i n der Ära Zinn großen Einfluß hatte. Der Erfolg war jedoch nur relativ gering. Die Zahl der Gemeinden ging von 1967 — 1. 1.1971 von 2692 auf 2328 zurück 2 5 9 . Die finanzielle Förderung, die vom HGT ursprünglich gebilligt wurde, wurde später aus ähnlichen Erwägungen wie in Baden-Württemberg wieder beseitigt 2 6 0 . Die Situation wandelte sich erst grundsätzlich mit den Wahlen von 1970, nach denen die SPD eine Koalition mit der FDP eingehen mußte. I n der Koalitionsvereinbarung wurde auf Wunsch der FDP festgelegt 261 , daß die zukünftige Form der Gemeinden die Einheitsgemeinde ist, die nach einer Modellplanung des Innenministeriums gebildet werden. Zwar gelang es dem HGT, über die SPD durchzusetzen, daß kein „Zahlendogma" bestehe, doch änderte dies an der 230 Die Ergebnisse ihrer Arbeit enthält: Verwaltungsreform i n Hessen. Wiesbaden 1968. 237 Interview. 258 Interview. 259 Information zur Verwaltungs- und Territorialreform. Hrsg.: Hessische Landesregierung. Wiesbaden 1971, S. 3. 200 Vgl. Seidel i n : Der Gemeindetag 1967, S. 29 - 31. 201 D e r T e x t ist abgedruckt i n : Der Gemeindetag 1970, S. 394 - 397.
2
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Kap.: Das Verhältnis der kommunalen Gruppen zueinander
Grundtendenz der nun begonnenen Reform wenig. Der Anstoß kam hier also von außen, und der HGT erlitt eine Niederlage auf Grund der parteipolitischen Situation des Landes. Daß die größeren Gemeinden an einer Reform interessiert sind, war i n Hessen ohne große Bedeutung, da Städtetag und Städtebund vor ihrer Vereinigung geringen Einfluß hatten. Diese Vereinigung ist auch unter dem Aspekt der gemeinsamen Interessen in dieser Frage zu sehen 202 . Auch der neue Innenminister Bielefeld, zuvor Bürgermeister in Schlitz, kommt aus dem Bereich dieser Gemeinden, die selbst Eingemeindungen vornehmen wollen. Faßt man die Ergebnisse der Betrachtung aus den verschiedenen Bundesländern zusammen, so ist festzustellen, daß der Anstoß zur Verwaltungsreform überall von außen kam. Zwar gibt es durchaus Gemeinden, die von der Gemeindereform profitieren und sie daher unterstützen. Dies allein genügte jedoch nicht, den Prozeß in Gang zu setzen. Auslösend war die wissenschaftliche Diskussion und die öffentliche K r i t i k am bestehenden Zustand, auf Grund deren die Landespolitiker die Initiative ergriffen. Das weitere Verfahren wurde dann stets i n starkem Maße von der Ministerialverwaltung bestimmt. Eine Einheitsfront der Verbände gegen eine Gemeindereform gab es nicht, in den meisten Ländern bildete auch der Gemeindetag keine solche. Seine Haltung schwankt zwischen Bejahung unter bestimmten Bedingungen, dem Vorschlag einer neuen Verfassungsform und hinhaltendem Widerstand. Soweit die Gemeindereform nicht bejaht wird, ist jedoch eine zunehmende Resignation angesichts der Entwicklung festzustellen. Dies gilt besonders für den Bundesverband 203 , der dies nicht aufhalten konnte und über Appelle nicht hinauskam. Die Konsequenz, die er daraus zog, war der Zusammenschluß mit dem Städtebund. I n der Haltung der Parteien zu dieser Frage sind nur geringe Unterschiede festzustellen. Sicherlich hat es die SPD auf Grund ihrer Zusammensetzung leichter, eine Gemeindereform zu fordern. Dies zeigt etwa Baden-Württemberg. Andererseits setzte die CDU in RheinlandPfalz die Verbandsgemeinde durch. Diese Form der Zusammenarbeit w i r d auch von der CDU i n anderen Ländern bevorzugt. Neben BadenWürttemberg ist hier auch auf Hessen hinzuweisen. IV. Das Stadt-Umland-Problem Die Reform der Gemeinden und ihre Beziehungen zueinander i m Bereich der Ballungsgebiete unterscheidet sich von der Reform der 2β2 Y g i Hessischer Städtetag, Stellungnahme zur Verwaltungs- und Gebietsreform i n Hessen. Wiesbaden 1971. 203
Interview.
127
I V . Das Stadt-Umland-Problem
kleinen Gemeinden außerhalb dieser durch ihre wesentlich größere Problematik, die eine eindeutige Lösung sehr schwierig macht. Auch i n der wissenschaftlichen Diskussion besteht darüber keine Einigkeit, ebenso wie keine der Seiten bisher eine klare Lösung gefunden hat. Sie ist andererseits i n diesem Raum besonders notwendig, nicht auf Grund mangelnder Verwaltungskraft, sondern weil hier die Inkongruenz von Verwaltungsraum und dem Lebensraum der Einwohner sowie den daraus entstehenden Verwaltungsaufgaben besonders groß ist. Indem die Grundfunktionen des Lebens an verschiedenen Orten ausgeübt werden und die Mobilität wächst, ergibt sich ein zunehmend einheitlicher Lebensraum, der sich immer weiter i n das Land hinein ausdehnt. Andererseits besteht zwischen den Gemeinden vielfach keine gemeinsame Planung, sondern Konkurrenz hinsichtlich der Aufgaben und besonders der Wirtschaftsförderung und der Finanzen. Auf Grund dessen sind die Spannungen hier zumeist weit größer als in anderen Regionen. Während in der Frage der kleinen Gemeinden die Interessen vor allem innerhalb der Gemeindetage kontrovers sind, besteht i n der Frage des Stadtumlandes eine relativ klare Front zwischen DST einerseits, kleinen Gemeinden und D L T andererseits. Lediglich die Mittelstädte verhalten sich je nach der politischen Situation verschieden. Hier sollen die wichtigsten Argumente beider Seiten und damit die Interessengegensätze zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen dargelegt werden, die sich m i t den Interessen der Körperschaften verbinden. Es soll auch kurz eingegangen werden auf die politischen Entscheidungen, soweit sie i n einzelnen Bundesländern bereits getroffen wurden. Dabei geht es wie bisher nur um die Grundsätze, nicht um einzelne Städte. Eine solche Unterscheidung ist hier allerdings problematisch, weil jeder Fall eines Ballungsgebiets unterschiedlich gelagert ist und unterschiedliche Lösungen erfordert. Es gibt verschiedene Typen solcher Städte, besonders Solitärstädte, Stadtregionen m i t einem Haupt- und einem Nebenzentrum (Frankfurt - Offenbach) und mehrpolige Stadtlandschaften (Ruhrgebiet). Die Lösung des Stadt-Umland-Problems 2 0 4 ist zum einen auf der Gemeindeebene möglich, durch Eingemeindung oder durch Bildung starker Nebenzentren, zum anderen aber auch auf der übergemeindlichen Ebene, durch Einkreisung, Regionalplanung, den erweiterten Stadtkreis, Sonderverbände etc. Die Eingemeindung als Instrument einer Politik des Wachstums der Städte, bzw. zur rechtlichen Organisation, ist neben der freiwilligen 264 Die L i t e r a t u r dazu ist zusammengestellt Festschrift für Werner Weber, S. 960.
bei
Frido
Wagener
in:
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2. Kap.: Das Verhältnis der kommunalen Gruppen zueinander
Vereinbarung i n der zwangsweisen Form durch Gesetz möglich. Das wurde i m Gesetz über die kommunale Neugliederung des rheinischwestfälischen Raumes vom 29. 7.1929 (GS S. 91) angewandt und dann i n sehr starkem Maße i m 3. Reich. Diese Tatsache bewirkte, wie bereits ausgeführt, nach 1945 auf lange Zeit eine Tabuisierung der zwangsweisen Eingemeindung. Dazu kamen noch die schlechten Erfahrungen, die man bei den Eingemeindungen von 1929 festzustellen meinte. Sie fanden jedoch i n einer Zeit statt, i n der die Städte für ihre neuen Stadtteile schlecht sorgen konnten. Der DST versuchte dem mit der Diskussion über die Raumordnung entgegenzuwirken und eine erste Kooperation zu schaffen. Dazu legte er den Vorschlag einer Stadtunion und andere Modelle vor. Die zwangsweise Eingemeindung wurde erst wieder „demokratisch hoffähig" mit dem Deutschen Juristentag von 1964 und der darauf folgenden wissenschaftlichen Diskussion. A u f diesen Anstoß h i n brachte auch der DST die Eingemeindungsforderungen wieder vor. Die Forderungen des DST gehen i n allen Bundesländern i n dieselbe Richtung. Allerdings gibt es erhebliche Unterschiede i n den Äußerungen der einzelnen Landesverbände, doch sind dies taktische Modifikationen, die von der jeweiligen politischen Lage i m Land abhängen. Die Argumentation des Verbandes geht heute aus von der Einheitlichkeit des Lebens- und Wirtschaftsraums 265 , die sich i n den Ballungsgebieten herausgebildet habe. Dies gelte sowohl für die teilweise unmittelbare bauliche Verflechtung, wie für gemeinsame Einrichtungen der Daseinsvorsorge sowie für die Einheitlichkeit des Lebens- und Wirtschaftsraums. Dies mache einerseits ein gemeinsames politisches und administratives Handeln nötig, andererseits eine Ordnung des Raumes 266 . Dies liege sowohl i m Interesse der Stadt, wie auch der Bürger der umliegenden Gemeinden, die an den politischen Entscheidungen des Raumes beteiligt werden müßten 2 6 7 . Andernfalls entstünde nur eine Konkurrenz, die weder von der Planung noch von den finanziellen M i t t e l n her zu vertreten sei. Planung, Vollzug und Finanzierung sollten möglichst i n derselben Hand sein, um eine große Effektivität und klare politische Verantwortlichkeit zu erreichen 268 . I n den konkreten Fällen w i r d neben der bestehenden Verflechtung auch mit der unmittelbaren Raumnot der Städte, dem Bedarf an Land für Wohn- und Industrieansiedlungen argumentiert. Über diese beiden Kriterien noch hinaus ging der Städtetag Nordrhein-Westfalen, der in einer Denkschrift i m Mai 1971 mit dem planerischen Flächenbedarf argumentierte. Die Stadt benötige planerische Dispositionsmöglichkeiten, einen gliederungsfähi265 266 267 268
Hessischer Städtetag, Stellungnahme, S. 6. Gaentzsch i n : Der Städtetag 1971, S. 315. Die Stadt und ihre Region, S. 77. Lange i n : Der Städtetag 1970, S. 167.
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gen Raum 2 6 9 . Dies sei notwendig angesichts des Wachstums der Stadtregionen und des wachsenden Flächenbedarfs je Einwohner. M i t diesem Argument, das i n die Zukunft weist und diese Entwicklung fördern w i l l , w i r d eine Eingemeindung auf Vorrat angestrebt, die DGT und D L T als verfassungsrechtlich unzulässig ablehnen. A m weitesten innerhalb des DST geht dieser Landesverband, der seine Position auch ideologisch untermauerte. Er geht davon aus, daß i m Bereich der Kreise die Selbstverwaltung geteilt ist und daher sowohl weniger effektiv wie i n der Qualität der Selbstverwaltung der kreisfreien Stadt, als der ungeteilten Form, unterlegen 2 7 0 . Diese These w i r d benutzt, erhebliche Eingemeindungen und die Schaffung neuer kreisfreier Städte zu rechtfertigen, was die Qualität der Selbstverwaltung verbessere. Diesen Thesen muß jedoch widersprochen werden. Zur Frage der Effektivität ist darauf hinzuweisen, daß die Kreisfreiheit sicher nicht die Ursache der Stärke der Städte ist 2 7 1 . Angesichts der Tatsache der geringeren bürgerschaftlichen Beteiligungen i n den Städten ist auch die Behauptung, dies sei die höhere Form, unzutreffend. D L T und früher der DGT argumentieren vor allem m i t dem Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden, das auch das Recht auf Existenz einschließe. Dieses kann nach den Gemeindeordnungen nur durch wichtige Gründe des öffentlichen Wohls überwunden werden. Allerdings muß festgestellt werden, daß die bisherigen gerichtlichen A n fechtungen von Eingemeindungen nur in sehr wenigen Fällen Erfolg hatten 2 7 2 . Trotzdem w i r d es von den Gemeinden als der Untergang ihrer Selbstverwaltung angesehen. Dies wurde bereits oben m i t dem Begriff der institutionellen Persönlichkeit erklärt. Aber auch die Interessen der Bürger i n ihrer konkreten Lebensgestaltung sind insofern betroffen, als einerseits durch eine Kooperation die Ausstattung des gesamten Raums verbessert werden soll, andererseits jedoch die Interessen einzelner Gemeinden sehr negativ berührt werden können. Dies kann sich äußern sowohl finanziell (Heranziehung zu gemeinsamen Lasten des gesamten Raums) wie i n der konkreten Planung (Errichtung von Einrichtungen, die keine Gemeinde wünscht). Wie die Interessen der Bürger davon berührt werden, hängt also vom Einzelfall ab. Zweifellos werden sie aber beeinträchtigt durch den Verlust an Selbstverwaltung im Sinn der bürgerschaftlichen Mitwirkung. Diese w i r d schon von der 200 s t NW, Stellungnahme zum 2. Neugliederungsprogramm der Landesregierung. K ö l n 1971. Vgl. A k t e n des ST N W 6/21 - 36 Bd. 12 u n d Gaentzsch i n : Der Städtetag 1971, S. 314 - 317. 270 Lange i n : Der Städtetag 1969, S. 313. 271 Jahn i n : Der Landkreis 1969, S. 357. 272 von der Heide, Die Rechtsprechung zur Gebiets- und Verwaltungsreform i n den Ländern, i n : Der Landkreis 1971, S. 221 - 224. 9 Geißelmann
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Zahl der Gemeindevertreter her geringer, zugleich w i r d auch die Verwaltung weniger überschaubar. Durch die Gemeindesoziologie w i r d festgestellt, daß das gemeindliche Leben in den kleineren Einheiten intensiver und die nachbarschaftlichen Kontakte größer sind. Ob dies allerdings i m Stadtumland zutrifft, scheint recht zweifelhaft. Trotzdem schließt der Gemeindetag daraus, daß die eigentliche, bürgerschaftliche Form der Selbstverwaltung hier eher zu Hause sei als i n den Großstädten, die kleinen Gemeinden daher eine höhere Form darstellten. Dem muß jedoch entgegengehalten werden, daß andererseits in den kleinen Gemeinden durch Verwaltungsschwäche oder Notwendigkeit der Koordination ein Funktionsverlust eintritt. Sowohl die Interessen der kleinen Gemeinden und ihrer Bürger wie die der Städte werden also ideologisiert. Neben diesen Interessen argumentieren beide Seiten auch mit planerischen Gesichtspunkten und dem zentralörtlichen Prinzip. Eine Eingemeindung führt danach zu einer Zentralisierung der Willensbildung i m Zentrum eines Ballungsraums und damit zu Entscheidungen, die vor allem das Zentrum fördern. Die eingemeindeten Orte würden vernachlässigt 273 , was mit den Erfahrungen aus dem Ruhrgebiet belegt wird. I n der Tat besteht die Gefahr, daß bei planerischen Entscheidungen der Kern des Raums bevorzugt wird. Der DGT hielt dem entgegen, der Raumbedarf der Städte sei nicht auf die Stadt, sondern auf den Raum bezogen, weshalb eine Ansiedlung i m Kern nicht bei allen Einrichtungen notwendig sei 2 7 4 . Außerdem sei die Verflechtung dynamisch, und wenn man sie durch Eingemeindungen auffangen wolle, müsse man auf diesem Weg immer weiterschreiten. Sie sei außerdem in den einzelnen Bereichen verschieden. M i t einem weiteren Argument w i r d an die weitverbreitete K r i t i k an der Stadt angeknüpft. Es bestehe die Gefahr einer Funktionsüberlastung der Stadt 2 7 5 . Diese erfülle i n Wirtschaft, Presse, K u l t u r usw. Funktionen eines Oberzentrums. Es komme daher darauf an, die Stadt nicht noch weiter zu belasten mit weiteren Funktionen niederen Ranges, die besser andere Gemeinden erfüllen sollten, so daß deren Bürger darin nicht auf die Stadt angewiesen sind 2 7 6 . Die Städte seien heute schon am Rand ihrer Leistungsfähigkeit angelangt, Eingemeindungen würden nur zu einer Ausbreitung von Schlafstädten, zum Aus273 Grundsätze des D L T zur Verwaltungsgliederung i m Stadt-UmlandBereich, v o m 2. 4.1969 i n : Neuordnung der Kreise, S. 69 - 72, hier S. 69. 274 Partnerschaft statt Eingemeindung, S. 3. 275 Neuordnung der Kreise, S. 70. Ebenso Berkenhoff i n : Der Städte- und Gemeindebund 1973, S. 142 f. 278 Dahm i n : Die Gemeinde (Rheinland) 1967, S. 2 f.
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ufern der Stadt und zur Zersiedlung der Landschaft führen 2 7 7 . Dieser Gedanke führt letztlich zum Versuch, neben den Großstädten Nebenzentren (mit der Aufgabe eines Mittelzentrums) zu schaffen, wie sie i m nordrhein-westfälischen Gutachten Β gefordert und teilweise auch verwirklicht wurden. Dem steht die These der Städte gegenüber, daß sie einen großen Raumbedarf haben. Wenn diesem nicht Genüge getan werde, könnten die Städte ihre zentralörtlichen Funktionen nicht erfüllen, die sie für das gesamte Umland ausübten. I n den konkreten Fällen w i r d auch zumeist mit der Konkurrenz argumentiert, die zwischen den verschiedenen Oberzentren und ihren Räumen besteht 2 7 8 . Von diesem Interessenkonflikt sind auch die Umlandkreise und die eigentlichen Landgebiete betroffen. Bei der Eingemeindung i n eine kreisfreie Stadt verliert der Kreis Einwohner und Finanzmittel, da es sich oft um steuerstarke Gemeinden handelt. Dies bedeutet sowohl eine Schädigung des Kreises als Körperschaft wie der übrigen Bürger des Kreises und damit auch der Gemeinden. Das Stadt-Umland-Problem ist also zugleich ein Problem zwischen Stadt und Land, besonders wenn die Eingliederungswünsche sehr weit gehen. Für die übrigen Gemeinden gehen zugleich die Ausgangspunkte für eine Zusammenfassung zu größeren Einheiten verloren, wodurch die Stärkung ihrer Verwaltungskraft erschwert wird. Eingemeindungen haben also durchaus Wirkungen über die betroffenen Gemeinden hinaus. Der D L T unterstützt daher die Position des Gemeindetags in dieser Frage entschieden, was sich etwa am Beispiel Frankfurts zeigt 2 7 9 . Die Landkreise versuchen auch i m Einzelfall, ein Herausbrechen einzelner Gemeinden zu verhindern. Durch die Kreisfreiheit werden hier also die Spannungen verstärkt. Dies ist bei den kreisangehörigen Städten anders. Da hier der Widerstand der Landkreise weit geringer ist, konnten sie i n stärkerem Maße Eingemeindungen durchsetzen. Dies zeigt die Entwicklung in Baden-Württemberg deutlich. A m striktesten ist die Ablehnung jeder Eingemeindung beim früheren DGT, sowohl wenn sie zwangsweise erfolgt wie bei freiwilligen Lösungen, wie oben am Beispiel Offenburgs dargelegt wurde. Seine Position ist dabei i m allgemeinen rein defensiv. Angesichts der immer größeren Zahl von Eingemeindungen versuchte er jedoch, ein eigenes Konzept zu erarbeiten als Alternative zu den Vorschlägen des DST. Dies geschah in der Resolution „Partnerschaft statt Eingemeindung", die das Präsidium des DGT am 14. 5. 1970 verabschiedete. I n ihr wurde 277
Ebd., S. 4. ζ. B. Siegen gegenüber Wetzlar-Gießen, Hannover: Randlage i m B u n desgebiet, Baden-Württemberg: Eingemeindungen als Ausgleich von Zentralitätsverlusten durch die Kreisreform. 279 Interview. Vgl. Hessische Gemeindezeitung 1971, S. 38 - 42. 278
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einerseits den Randgemeinden empfohlen, sich rechtzeitig und freiwillig zusammenzuschließen, um als größere Partner der Stadt eher gleichwertig gegenüberzustehen. Zum anderen wurde zur Herstellung einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit die Schaffung von Nachbarschaftsverbänden aus Stadt, Gemeinden und Landkreis vorgeschlagen. Damit sollte versucht werden, soweit wie möglich den Forderungen nach einheitlicher Planung und Durchführung entgegenzukommen, ohne die grundsätzliche Selbständigkeit der Gemeinden preiszugeben. Als Aufgaben wurden vorgesehen: Ordnung der Flächennutzung, Bodenbevorratung, Wirtschaftsförderung, Verkehrseinrichtungen, Verund Entsorgung, Naherholungseinrichtungen. Mehrheitsentscheidungen sollten möglich sein, doch sollte eine Majorisierung durch die Stadt ausgeschlossen werden. Wichtig an diesem Vorschlag der Verbandslösung ist, daß alle Gemeinden gleichberechtigt und daß die Gemeinden selbst beteiligt sind, also kein direktes Wahlrecht besteht. Dies steht i n der Mitte zwischen Eingemeindungen und einem unverbindlichen Diskussionsorgan, wie es der Nachbarschaftsausschuß in Rheinland-Pfalz (Gesetz vom 16. 7.1968, GVB1. S. 132) darstellt. Es wurde anerkannt, daß alle loseren Formen zu schwach für die Organisation der Ballungsgebiete sind 2 8 0 . Die vorgeschlagenen Zusammenschlüsse der Umlandgemeinden entsprechen der Erkenntnis sowohl i m Bereich des Landkreistags wie des Gemeindetags, daß die kleinen Gemeinden und die Ämter i m Stadtumland zu schwache Partner der Stadt sind. Andererseits ist eine solche Empfehlung innerverbandlich nur sehr schwer i n die Praxis umzusetzen, und freiwillige und rechtzeitige Lösungen wurden nur in wenigen Fällen erreicht. Auch ergibt sich hier oft das Problem, daß wenn die Selbständigkeit erst einmal i n Frage gestellt ist, die Mehrheit eher auf die Stadt zu tendiert als auf eine andere Umlandgemeinde. Die Beteiligung der Landkreise an einem solchen Verband hat ihren Grund darin, daß die kreisfreie Stadt ja zugleich die Aufgaben eines Kreises erfüllt. Zum anderen ist aber auch dem Gemeindetag klar, daß nur mit Hilfe des Kreises ein Gleichgewicht zur Stadt erzielt werden kann 2 8 1 . Auch Landesverbände des DGT, die zu den Kreisen i n einem Spannungsverhältnis stehen, haben dies daher i n Kauf genommen. Damit w i r d die alte Forderung des Landkreistags erfüllt. Dieser hatte z. B. i n Nordrhein-Westfalen schon seit 1960 auf die Errichtung kommunaler Arbeitsgemeinschaften aus Kreis und Gemeinden mit der Stadt gedrängt. Die Möglichkeit zu ihrer Bildung war gegen den Widerstand des Gemeindetags i m Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit geschaffen worden 2 8 2 . 280 D q T Rechts- und Verfassungsausschuß 23. 3.1971. Eildienst 1968, Nr. 7/68/98. 282 Interview. 281
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Trotz der Resolution des DGT wurden jedoch keineswegs sämtliche Landesverbände i n diesem Sinn aktiv. Ihre Haltung ist weiterhin zum Teil abwartend und von der taktischen Reaktion auf die i m Landesbereich auf sie zukommenden Entwicklungen bestimmt. So wurde die Resolution des DGT vom Hessischen Gemeindetag überhaupt nicht verbreitet. Erst als durch das Koalitionsabkommen eine Reaktion nötig wurde, griff er 1971 auf den Gedanken des Nachbarschaftsverbandes zurück. Auch i n Nordrhein-Westfalen liegt die Linie des Verbandes schon lange fest. Andererseits wurde die Resolution etwa i n BadenWürttemberg aufgenommen 283 . Auch in diesem Punkt zeigt sich die Schwäche des Bundesverbandes des früheren DGT, der eine einheitliche Linie nicht durchsetzen konnte und auch i n der Öffentlichkeitsarbeit auf die Landesverbände angewiesen war. Die Haltung des D L T in dieser Frage entspricht der des früheren DGT weitgehend. Allerdings steht er Eingemeindungen nicht ganz so ablehenend gegenüber wie der DGT, der die Interessen aller Mitglieder verteidigen muß. Der D L T anerkennt, daß i n Einzelfällen bei enger baulicher Verflechtung oder wenn eine Gemeinde ihre Aufgaben nicht erfüllen kann und keine Aussicht auf eine eigenständige Entwicklung besteht, Eingemeindungen notwendig sind. Über diesen Bereich hinaus schlägt er jedoch auch Lösungen der Kooperation vor, wie sondergesetzliche Kommunalverbände oder Mehrzweckpflichtverbände, die auf einem reformierten Verbandsrecht aufbauen müßten, das die Beteiligung der Räte und die Ausdehnung auf eine Mehrzahl von Aufgaben erlauben müßte. Vorbilder für solche Sonderverbände sind der Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk und der Verband Großraum Hannover, die aber beide für ihren Bereich nicht genügen. Verbesserte Modelle wurden daher von verschiedenen Seiten vorgeschlagen 284 . I m übrigen t r i t t der D L T bei kleineren Städten für eine Wiedereinkreisung ein, wodurch i m Kreis zahlreiche Aufgaben der Kooperation gelöst werden können. Allerdings bestanden gegen diesen Gedanken anfangs gewisse Bedenken, ob sich daraus nicht ein Übergewicht der Stadt ergebe und ob nicht auch i m Einzelfall die politischen Verhältnisse zu sehr verschoben würden 2 8 5 . Durch die bisher positiven Erfahrungen wurden diese Bedenken jedoch zerstreut. Für Rheinland-Pfalz ist zu beobachten, daß hier die Landkreise ursprünglich keineswegs auf eine Einkreisung der zahlreichen kleinen Städte drängten und es w o h l aus 283 Seeger i n : Württembergische Gemeindezeitung 1971, S. 201 -208 und Interview. 284 Hans Ludwig Rhein, Modelle zur kommunalen Neuordnung i m E i n zugsbereich der Städte unter weitgehender Aufrechterhaltung der gemeindlichen Selbständigkeit. Diss. K ö l n 1970, S. 49 ff. 285 Neuordnung der Landkreise, S. 71.
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diesem Grund bisher nicht durchsetzten 286 . Dies ist dagegen in Nordrhein-Westfalen durchaus der Fall. Der Landkreistag verfolgte hier eine sehr aktive Politik und konnte sie mit Unterstützung des Innenministeriums, auf dessen Haltung bereits eingegangen wurde, auch durchsetzen. Der DST brachte neben den Eingemeindungsforderungen noch andere Lösungsmodelle in die Diskussion. Dies gilt einmal für die Zeit, i n denen Eingemeindungen unerreichbar schienen, aber auch heute für Fälle, in denen sie politisch nicht durchsetzbar sind. Darüber hinaus sind es Lösungen für den weiteren Verflechtungsbereich der Städte, der ja niemals vollständig eingemeindet werden kann. Auf die früheren Vorschläge des Stadtkreises anläßlich der Weinheimer Beratungen über die Gemeindeordnung und des Industriekreises von Klüber braucht hier nicht eingegangen zu werden 2 8 7 , da sie vereinzelte Aktionen ohne Aussicht auf Realisierung waren. Wichtiger ist der Vorschlag von Stadtunionen, den Krebsbach 1962 zur Lösung der Raumordnungsprobleme machte 288 . Sie sollten den gesamten Bereich des vom DST mit statistischen Methoden erfaßten Stadtumlandes umfassen. Es sollte sich um Gebietskörperschaften handeln, die die Hoheitsrechte der Gemeinden einschränken sollten, ohne deren Selbständigkeit zu beseitigen. Die Abgrenzung der Zuständigkeiten sollte nach gesetzlichen Vorschriften erfolgen, jedoch durch Beschluß der Gemeindevertretungen erweitert werden können. Nähere Einzelheiten der Ausgestaltung dieser Verfassungsform wurden nicht genannt. Dennoch befürchteten DGT und DLT, daß hier ein Übergewicht der Städte entstünde. Letztlich wurde es als verkappte Eingemeindung angesehen, die die Länder i n ihrer Zuständigkeit aushöhlen müßte zugunsten umfangreicher städtischer Gebiete 2 8 9 . Beide Verbände schlugen demgegenüber vor, Planungsregionen zu schaffen, die nicht von den Städten als Mittelpunkten ausgingen, sondern das ganze Bundesgebiet umfassen sollten. I n ihnen sollten städtische und ländliche Gebiete gleichermaßen vertreten sein. Das Ziel war der Ausgleich des Unterschieds zwischen beiden Lebensformen 2 9 0 . Dieser Gedanke setzte sich i m Bundesraumordnungsgesetz durch, das regionale Planungsgemeinschaften als die Regel vorsieht (§ 5 Abs. 3). Allerdings ist dies gegenüber den Vorschlägen des DST insofern ein Rückschritt, als es sich hier um bloße Planungsregionen 286
Interview. Schriften des DST 1, § 15, und Hans Klüber, Industriekreise, i n : Die öffentliche V e r w a l t u n g 1953, S. 117 ff. 288 Die Stadt u n d ihre Region, S. 75 ff. Vgl. Berkenhoff i n : Deutscher Städtebund. Nachrichtendienst 1963, S. 26 ff. 289 D G T Geschäftsbericht 1962, S. 26 ff. 290 D G T Geschäftsbericht 1963, S. 22 ff., 62 ff. 287
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handelt. Daß die Einheit von Planung, Durchführung und Finanzierung nicht besteht, hat die Planungsgemeinschaften zumindest für den Stadt-Umland-Bereich wenig effektiv gemacht. Daher werden auch weiterhin andere Lösungsmöglichkeiten erörtert. Das wichtigste Modell ist das des erweiterten Stadtkreises, wie es von Bockelmann (Hauptgeschäftsführer des DST) und Orth für Nordrhein-Westfalen vorgeschlagen wurde 2 9 1 . Sein wichtigstes Charakteristikum ist, daß die Verwaltung der Stadt, die ja in ihrem Bereich zugleich die Kreisaufgaben wahrnimmt, die Kreisverwaltung für die Umlandgemeinden wird. Damit bleibt zwar deren Selbständigkeit als Gemeinden erhalten, durch ihre Unterstellung unter die Aufsicht des Oberbürgermeisters und die Einbeziehung i n die Kreisaufgaben der Stadt werden sie jedoch stark an diese gebunden. Das Ziel ist, eine möglichst enge Verflechtung der Körperschaften zu schaffen. Eine Personalunion soll bestehen hinsichtlich des Hauptverwaltungsbeamten von Stadt und Kreis. Ebenso stellt der Stadtrat einen Teil des Kreistags dar und w i r d damit trotz eines Minderheitsschutzes für die Umlandgemeinden ausschlaggebend sein. Die gesetzlich vorzuschreibenden Personalunionen und der Verzicht auf eine eigene Verwaltung des Kreises beseitigen jedoch die Personalhoheit der Selbstverwaltungskörperschaften. Daher bestehen starke Zweifel, ob dies das verfassungsrechtlich garantierte Selbstverwaltungsrecht des Kreises sowie die Rechte der Bevölkerung i n den kreisangehörigen Gemeinden nicht verletzt 2 9 2 . Insbesondere ist auch die Vermischung von Kommunalaufsicht und politischer Führung durch den Oberbürgermeister äußerst bedenklich 2 9 3 . Diese Erkenntnis hat sich heute auch i m DST durchgesetzt, der wegen der Verfassungswidrigkeit dieses Modell aufgegeben hat 2 9 4 . Allerdings versuchte der Städteverband Baden-Württemberg erneut, dies wieder aufzunehmen 295 . Ein weiteres Modell geht ebenfalls von einer Neugestaltung des Landkreises aus. I n Regionalkreise, die weit umfangreicher als die bisherigen Landkreise sein sollen und grundsätzlich neu gestaltet, sollen auch die Städte eingegliedert werden. Darauf soll i m Zusammenhang mit der Kreisreform noch eingegangen werden. Ein weiteres Modell ist das der Regionalstadt, das erstmals für den Raum Hannover zur Diskussion gestellt wurde und erneut von der Stadt Frankfurt 2 9 6 . 291
I n : Gutachten Β (NW), S. 182 ff. (Minderheitsgutachten). Klaus Stern u n d Günter Püttner, Grundfragen zur Verwaltungsreform i m Stadtumland. B e r l i n 2. Aufl. 1969, S. 31 ff. 293 Stern / Püttner, Stadtumland, S. 32. 294 DST Geschäftsbericht 1969/70, S. 6 f. 295 Stuttgarter Zeitung 17. 5.1971, 19.10.1971, 13.1.1971, 16.1.1971. 292
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Es sieht ähnlich der Stadtunion eine zweistufige Verwaltung von Bezirken und Regionalstadt vor. Diese soll dann das gesamte weitere Verflechtungsgebiet umfassen, so daß die Stadt in der Minderheit wäre. Die Gemeinden müßten dabei zunächst zu etwa gleich großen Bezirken zusammengefaßt werden. Die Zuständigkeiten müßten weitgehend bei der Zentralverwaltung zentralisiert werden. Der Landkreis Hannover hat etwa für den Vorschlag der Stadt berechnet, daß die Bezirke keinen größeren Anteil am Investitionsvolumen hätten als die Bezirke Berlins. Angesichts der Erfahrungen in den Großstädten, die zu keiner starken Dekonzentration bisher gekommen sind, w i r d dies von den Umlandgemeinden als verkappte Einheitsgemeinde strikt abgelehnt. Von Frankfurt wurde vorgeschlagen, der Regionalstadt zu übertragen: Finanz- und Investitionshoheit, Planungshoheit einschließlich der Verfügung über die kommunalen Flächen, die „aus dem Bereich der sogenannten funktionalen Organisation herrührenden Grundfunktionen", soweit diese i m Rahmen einer Gesamtentwicklungsplanung auszuüben sind. Den Gemeinden verbliebe dagegen i m wesentlichen Detailplanung und Mitwirkungsaufgaben sowie die laufende Verwaltung. Vom Gemeindetag wurde daran besonders die Übertragung der Wirtschaftsförderung und der Finanzhoheit kritisiert. Beides führe zur entscheidenden Schwächung der Gemeinden. Die Ausschaltung ihrer Räte aus der Willensbildung der Region zeige, daß die Entstehung einer neuen Gebietskörperschaft mit eigener Dynamik und einer zentralen Verwaltung, die von Frankfurt abhängig wäre, gefürchtet wird. Wenn die Stadt demgegenüber betonte, die Bevölkerung der Stadt sei nicht i n der Mehrheit, ja sogar einige Vororte abzutreten bereit w a r 2 9 7 , so ändert dies doch nichts daran, daß der Raum von der Zentrale beherrscht würde, und dies de facto eine Eingemeindung wäre. A l l e diese Modelle stehen zwischen den beiden extremen Organisationsformen: a) Kreis und kreisfreie Stadt stehen unverbunden nebeneinander, b) die kreisfreie Stadt hat das gesamte Gebiet des Umlandes eingemeindet. Die dazwischen liegenden Vorschläge kann man nach Wagener i n acht Modell typen des Übergangs teilen: Konferenztyp, Zusammenarbeitstyp, Verbandstyp, Kreistyp (erweiterter Stadtkreis, Zwei-Stufen-Stadt (Regionalstadt Frankfurt), Übergangstyp (Großraum-Integrationsverband, z. B. Stadtverband Saarbrücken), Be296 Landeshauptstadt Hannover (Hrsg.), Regionalstadt Hannover, 1968. Vgl. dazu Stern / Püttner, Stadtumland, L K Hannover (Hrsg.), Studie über einen Stadtkreis Hannover 1968; Bischoff i n : Der Landkreis 1969, S. 13. Hess. ST: Stellungnahme zur Verwaltungs- und Gebietsreform, S. 9 f.; Möller in: Der Städtetag 1971, S. 317 - 321. 297 Möller i n : Der Städtetag 1971, S. 319.
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zirksverwaltung und Ortschaftsratstyp 208 . Die verschiedenen Formen unterscheiden sich dabei v. a. hinsichtlich der Intensität, m i t welcher die Aufgaben für das Gebiet der Stadt einschließlich des Umlands übernommen werden, sowie in der Zusammensetzung der Organe und der Finanzierung. Außerdem unterscheiden sie sich hinsichtlich der Größenordnungen des Umlands, das einbezogen werden soll. Die Forderungen der Städte, soweit sie nicht auf eine einfache Eingemeindung gerichtet sind, gehen dabei mindestens auf einen Verband, möglichst aber weiter i n Richtung erweiterter Stadtkreis oder Zwei-StufenStadt, während kleine Gemeinden und D L T lediglich bis zur Zusammenarbeit gehen wollen. Die über einen Verband hinausgehenden Modelle sind jedoch sehr umstritten hinsichtlich ihrer verfassungsrechtlichen Zulässigkeit und ihrer Praktikabilität 2 9 9 . Angesichts dessen und daß alle Zwischenmodelle zu wenig entwickelt sind, bleiben für den DST zunächst nur Eingemeindungen neben Sonderformen der Kooperation übrig. Diese rücken daher auch zunehmend i n den Vordergrund. Für die Durchsetzung seiner Ziele hofft der DST in erster Linie auf die SPD, die traditionell eine weit städtefreundlichere Politik betrieb als die CDU. A u f die Gründe für deren Haltung, die personellen Faktoren, die politischen Ziele und das Wählerreservoir auf dem Lande, wurde bereits eingegangen. Dennoch ist der Willensbildungsprozeß in keinem Bundesland bisher so eindeutig verlaufen, wie diese auch von den Verbänden selbst immer wieder aufgestellten Thesen behaupten. Die Entwicklung in Nordrhein-Westfalen wurde i n erster Linie vom Sachverständigengutachten Β bestimmt, das, wie bereits dargelegt wurde, wesentlich unter dem Einfluß der Bürokratie zustande kam. Seine Linie wurde unverändert von der Regierung übernommen und auch politisch durchgesetzt. Die Forderungen des Gutachtens Β waren die Eingliederung von Städten unter 150 000 Einwohnern i n den Kreis, was begründet wurde mit der Leistungsfähigkeit, die auch bei Kreisen eine Mindestgröße von 150 000 erfordere. I m Nahbereich sollten die Umlandgemeinden i n die Städte eingegliedert werden, doch sollten in Ballungskernen und -randzonen zur Entlastung der Städte möglichst Nebenzentren des Typs Β (über 30 000) geschaffen werden durch Zusammenfassen von Umlandgemeinden 3 0 0 . Dies bedeutet i m Endeffekt, daß zwar die mittleren Städte i m 1. Neugliederungsprogramm zum Teil ganz erhebliche Erweiterungen erfahren haben, daß dies aber für 298 Frido Wagener, Modelle der Stadt-Umland-Verwaltung, i n : I m Dienst am Recht und Staat. B e r l i n 1974, S. 961 - 964. 299 vgl. wagener, Stadtumland, S. 965 ff. 300
Eildienst 1968, S. 178 f. Ähnlich i n B W Gutachten B.
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die Großstädte nicht i m selben Maß gelten sollte 3 0 1 . Davon wurde allerdings i m 2. Neugliederungsprogramm abgewichen. Durchgeführt wurde auch die Einkreisung der Städten unter 200 000 Einwohnern, die von den Kreisen und dem Innenministerium durchgesetzt wurde. Die Städte lehnten sie i m Prinzip ab, doch fanden sie sich i m Einzelfall auf Grund großzügiger Eingemeindungen damit ab 3 0 2 . Der DST konnte sich voll durchsetzen i m Fall Bonn 3 0 3 , was er trotz der Sonderfaktoren der Bundeshauptstadt als Modell darstellte. Dagegen erlitt er eine Niederlage in der Neugliederung der Kreise Ennepe-Ruhr und KempenKrefeld (Gründung der Stadt Meerbusch), wo ein solches Nebenzentrum geschaffen wurde 3 0 4 . Diese Niederlage der Städte, dazu noch angesichts einer recht künstlichen Konstruktion, veranlaßte den Städtetag Nordrhein-Westfalen, „gemeinsam zu fordern, was sie für nötig hielten" 3 0 5 . Das Ergebnis war die Denkschrift vom Mai 1971, die teilweise auf genaue Wünsche der Mitgliedstädte zurückgeht 3 0 6 i n anderen Fällen jedoch auch über die Interessen anderer Mitglieder hinweggeht. Sie erhebt den Anspruch, eine grundsätzliche Stellungnahme zu sein. Ausgehend von der These der Überlegenheit der kreisfreien Stadt als der idealen Form der Selbstverwaltung soll diese soweit wie möglich ausgebreitet werden. Auf die Lebensfähigkeit von Kreisen brauche dabei grundsätzlich nicht Rücksicht genommen zu werden. Vielmehr sollten aus der Zusammenfassung von Mittelstädten neue Großstädte entstehen. I m engeren Bereich der Rheinschiene und zwischen K ö l n und Dortmund sollten die Kreise ganz abgeschafft werden. Gerade diese Denkschrift zeigt die Eskalation der Forderungen des Städtetags deutlich. Noch 1962 wurden relativ geringfügige Eingemeindungen gewünscht, und es wurde festgestellt, daß sie ihren Zweck dort überschreiten, wo sie über eine kommunale Flurbereinigung hinausgehend, etwa durch gebündelte Eingemeindungen eine große Stadt schaffen, die den Keim zu einem neuen Ballungsproblem bietet 3 0 7 . Die Vorschläge von 1967 308 gingen darüber hinaus, indem Verflechtung und Raumbedarf als Kriterien aufgestellt wurden und ein Einmauern der 301 Vgl. etwa die Gegenüberstellung des ST N W von flächenmäßig w e i t kleineren Großstädten und M i t t e l - und Kleinstädten i n : ST N W (Hrsg.), Gebiets- und Verwaltungsreform. K ö l n 1971. 302 Interview. 303 Vgl. Rhein, S. 113 ff. u n d Der Städtebund 1968, S. 49 - 54. 304 Allerdings wurde die Stadt Meerbusch später wieder aufgelöst. 305 Lange i n : Der Städtetag 1970, S. 167 ff. Vgl. 1969, S. 312 ff. 306 Dies w i r d offiziell bestritten. 307 Krebsbach i n : Die Stadt und ihre Region, S. 75. 308 Abgedruckt i n : Städtebrief NW, Nr. 32 v. 17. 4.1967.
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Städte abgelehnt wurde. Dennoch sollte behutsam vorgegangen werden. 1971 sollte dies nun einer bewußten Stadterweiterungspolitik dienen. Wenn auch nicht der ganze Verflechtungsbereich eingemeindet werden sollte, so doch ein erheblicher Teil mit umfangreichen Landreserven. Dazu steht i m Gegensatz die Politik, die der Städtetag hinsichtlich des Ruhrgebiets verfolgt. Einem Zusammenschluß der Städte steht er hier weitgehend ablehnend gegenüber und fordert vielmehr die Einbeziehung des Umlands zur Neuordnung des Raums 3 0 9 . Die Forderungen vom M a i 1971 sind so radikal, wie vom Städtetag i n keinem anderen Bundesland. Dies zeigt, daß der Landesverband Nordrhein-Westfalen stark von der großstädtischen Sicht beherrscht ist. Andere Landesverbände verhalten sich doch wesentlich anders (Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen, außer Frankfurt). Andererseits führte dies dazu, daß der Städtebund hier Interessen weit eher mit den kleinen Gemeinden gemeinsam hat. Durch solche Pläne wären auch seine Mitglieder gefährdet, wie dies mit Godesberg und Beuel der Fall war. Indem er Eingemeindungen für seine Städte forderte und auch durchsetzte, vertritt er unterschiedliche Standpunkte für die verschiedenen Gemeindetypen, da er dasselbe für die Großstädte ablehnt. Obwohl die SPD den Ministerpräsidenten stellt und zahlreiche M i nister aus der großstädtischen Selbstverwaltung kommen, was auch für Innenminister Weyer (FDP) gilt, wurden dennoch die Wünsche des Städtetags bisher nicht durchgesetzt. Auch sein neues Programm wurde überwiegend negativ, als weit überzogen aufgenommen. Ausschlaggebend ist einmal die hier doch recht starke Vertretung der m i t t leren Gemeinden, wobei an Personen wie den Regierungspräsidenten Bäumer und den Abgeordneten Scheffler zu denken ist. Zum anderen sind es aber die landesplanerischen Vorstellungen, die aus der Bürokratie kommen, die i m Landtag bis 1970 eine Bevorzugung der Städte verhinderten. Seit 1970 besteht auch eine sehr knappe Mehrheit der Regierung, die eine Unterstützung durch die CDU in solch umstrittenen Fragen erfordert 3 1 0 . I m zweiten Neugliederungsprogramm, das mit der Einbringung des Aachen-Gesetzes i m J u l i 1971 begann 3 1 1 , wurden dann umfangreiche Eingemeindungen i n Großstädte durchgesetzt, besonders i m Fall Bielefeld (Anwachsen der Stadt von 170 000 auf 320 000 Einwohner, flächenmäßig auf das Fünffache) und zum Abschluß der Reform in K ö l n (An309
Eildienst 1970, S. 169 ff., A k t e n des ST N W 6/21 - 36. Ihre Vorstellungen i n : Der Städtetag 1971, S. 83 f. 311 Vgl. Mitteilungen des StGB N W 1971, S. 168 - 178. A k t e n des ST N W 6/21 - 36, Bd. 10 und 11. 310
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2. Kap.: Das Verhältnis der kommunalen Gruppen zueinander
wachsen der Stadt von 800 000 auf 1,2 Millionen Einwohner) 3 1 2 . Dennoch wurden die Vorstellungen, die Rheinachse zwischen K ö l n und Duisburg ausschließlich m i t kreisfreien Städten aufzufüllen 3 1 3 , nicht durchgesetzt. Hier wie i m Ruhrgebiet wurden Lösungen geschaffen, die m i t den herkömmlichen M i t t e l n Kreis und kreisfreie Stadt ohne zusätzliche Stadt-Umland-Institution arbeiten. I m Ruhrgebiet führte dies zu einer Ablehnung der Vorstellungen des ST NW, die Ballungskerne sollten, ausgehend von der Ruhr- und der Emscher-Achse, mit den sie umgebenden Randzonen zusammengefaßt werden, weil nur so die notwendige Anbindung gelingen könne. Statt dessen wurde ein Konzept der ruhrgebietsbegleitenden Kreise durchgeführt mit der Schaffung von leistungsfähigen Gemeinden des Typs Β und der Einkreisung etwa von Recklinghausen. Durch die Zusammenfassung der Kreise wurden diese sogar eher gestärkt 3 1 4 . Andererseits konnte Innenminister Weyer auch nicht sein Konzept durchsetzen, die Städte des Reviers zu vier Städteverbänden zusammenzufassen 315 . Dies scheiterte einmal an der Frage, ob dies verfassungsrechtlich zulässig sei, jedoch v. a. am entschiedenen Widerstand der Städte selbst 316 . Da diese SPD-Hochburgen sind und großen politischen Einfluß haben, konnte die Landesregierung nicht wagen, die Zahl der Städte so stark zu verringern. Diese waren also stark genug, eine gegen sie gerichtete Lösung zu verhindern, andererseits ging ihr parteipolitischer Einfluß nicht so weit, sich über die Interessen der Landkreise hinwegzusetzen. I m Endergebnis wurde daher die bestehende kommunale Ordnung nur weiterentwickelt durch Zusammenlegen einzelner Städte, um die Grenze von 200 000 Einwohnern überall zu erreichen, und andererseits durch Vergrößerung der Landkreise. Damit wurden hier zugleich dieselben Maßstäbe angelegt, wie i n anderen Teilen des Landes. Es zeigte sich jedoch hier, daß die gegensätzlichen Interessen der verschiedenen Verbände sich neutralisieren und eine radikale Umgestaltung der Verwaltung nicht zulassen. Ganz anders verlief die Entwicklung i n Rheinland-Pfalz. Hier wurden mit dem 4., 7. und 9. Gesetz zur Verwaltungsreform umfangreiche Eingemeindungen i n alle Städte vorgenommen. Lediglich Ludwigshafen bildet eine Ausnahme, da die Stadt nicht rechtzeitig die Initiative ergriff. Rheinland-Pfalz hat bis auf Mainz und Ludwigshafen keinen A n t e i l an den Hauptballungsgebieten der Bundesrepublik. Auf Grund dessen ist eine Lösung des Stadt-Umland-Problems durch Eingemein312 313 314 315 316
Vgl. Eildienst 1973, S. 144, 192 f. Dazu Wagener i n : Eildienst 1973, S. 45 - 47. Eildienst 1973, S. 205. Eildienst 1972, S. 122. Der Städtetag 1973, S. 142.
I V . Das Stadt-Umland-Problem
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düngen hier eher möglich, und andere Modelle wurden vom Städteverband auch gar nicht erörtert, mit Ausnahme Ludwigshafens 317 . Eine wichtige Rolle spielte sicher die Tatsache, daß ein einheitlicher Städteverband besteht. Er konnte für alle Städte eine gleichmäßige Lösung durchsetzen, wobei die der CDU angehörenden Oberbürgermeister i m Landtag (Brix, Neustadt) von großem Nutzen waren. Die Initiative zu den Eingemeindungsgesetzen ging vom Landtag, von CDU und SPD aus, die i n einer überraschenden A k t i o n den Gesetzentwurf ausarbeiteten und innerhalb kurzer Zeit beschlossen. I m Gegensatz zu den anderen Bundesländern spielte das Innenministerium also keine Rolle, wozu noch kam, daß keine Landräte i m Landtag saßen. I n den Fraktionen waren es vor allem die Oberbürgermeister, die auf eine rasche Lösung drängten, wobei sie in beiden Parteien von großer Bedeutung waren. Sie wählten auch i m einzelnen aus, um welche Gemeinden es sich handeln sollte. Der Verband als solcher wurde nicht in stärkerem Maße eingeschaltet. Entscheidend für die Durchsetzung war die Haltung der CDU, die identisch war m i t der des Fraktionsvorsitzenden Kohl. A u f ihn gehen die Eingemeindungsgesetze letztlich zurück. Er ging davon aus, daß es sich um ein dringendes Problem der Städte handle, das einer zukunftsweisenden Lösung bedürfe. Dabei vertrat er eine Haltung gegenüber den Städten, die sich von der früheren Haltung der CDU wesentlich unterscheidet. Einerseits w i r d der Wert der städtischen Lebensform anerkannt, andererseits auch die Probleme der Städte gesehen, bei deren Lösung das Land helfen muß. Dies führte zu dem von K o h l geprägten programmatischen Ziel der „Urbanisierung des flachen Landes", i n deren Zusammenhang auch die Eingemeindungen gesehen werden müssen 318 . Dieses veränderte politisch-programmatische Ziel hängt natürlich wiederum mit dem Bestreben der CDU unter K o h l zusammen, das Wählerpotential in den Städten stärker auszuschöpfen, indem durch eine auf die Städte ausgerichtete Politik deren Wähler angesprochen werden. Wesentlich war auch, daß es sich hier um eine spektakuläre, i n der Öffentlichkeit leichtverständliche Aktion handelte 3 1 9 . Zwar versuchte der Gemeindetag Rheinland-Pfalz dagegen eine Welle des Protestes zu erregen, und er organisierte zusammen mit dem Landkreistag den Widerstand. I n der CDU fand dies trotz der ländlichen Mehrheit jedoch auf Grund der genannten Überlegungen nur bei wenigen Abgeordneten Widerhall, während FDP und SPD die Städte unterstützten. 317 Auch die Eingliederung mittlerer kreisfreier Städte i n die Landkreise wurde v o m L K T erst spät vorgeschlagen. Vgl. Rheinland-Pfalz u n d seine Kreise. Troisdorf 1972, S. 50. 318 Interview. 319 Interview.
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2. Kap.: Das Verhältnis der kommunalen Gruppen zueinander
Ganz anders verhielt sich dagegen die CDU in Baden-Württemberg. Sie unterstützte eindeutig die Position des Gemeindetags, der Eingemeindungen i n Großstädte ablehnte und die Schaffung von leistungsstarken Gemeinden (über 20 000) i m Umland unterstützte. Nicht einmal dies wurde jedoch in der Zielplanung des Landes überall gesichert. Während die kleinen und mittleren Städte umfangreiche Gebietserweiterungen bekamen, galt dies nicht für die Großstädte, soweit sie sich nicht selbst mit dem Umland einigten. So wurde etwa Stuttgart um keine einzige Gemeinde vergrößert. Als Lösung wurden nur entsprechend den Vorschlägen des Gemeindetages Nachbarschaftsverbände für einen Teil der Großstädte eingerichtet 320 . Die CDU verhielt sich also hier deutlich großstadtfeindlich. Wiederum anders verlief die Entwicklung in Hessen. Hier bestand i n der SPD unter Zinn durch das Ziel der „sozialen Aufrüstung des Dorfes" und durch persönlichen Einfluß eine starke Stellung des Gemeindetags in der Partei, die i n den letzten Jahren durch die zunehmende Bedeutung der Landräte abgelöst wird. I n Fragen, wie dem Stadt-Umland-Problem, i n denen Gemeinden und Landkreise die gleichen Interessen haben, führte dies dazu, daß die Großstädte sich nicht durchsetzen konnten. Dies zeigt besonders deutlich der Möller-Plan einer Regionalstadt Frankfurt. Er wurde von der Stadt selbst ausgearbeitet und der Öffentlichkeit unterbreitet, ohne daß der Städtetag zuvor unterrichtet worden wäre 3 2 1 . Dies zeigt einerseits, wie schwach der Verband früher organisiert war, andererseits verringerte dies die Chancen des Plans erheblich. Er entspricht auch keineswegs der Linie der anderen hessischen Städte. Das Mitglied des ehemaligen Städtetags Hanau und zahlreiche Mitglieder des ehemaligen Städtebundes würden so ihre Selbständigkeit verlieren. Die meisten hessischen Städte neigen daher zu Eingemeindungen i m Stil von RheinlandPfalz. Die Äußerungen des Städtetags zeigen aber deutlich, daß bis heute keine Einigung erfolgte 3 2 2 , w o h l auch weil die Interessen in dieser Frage zwischen Groß- und Kleinstädten zu verschieden sind. Zu dieser inneren Uneinigkeit i m Städtetag kam aber hinzu die eindeutige Ablehnung i n der SPD, in der sich eine Einheitsfront aus Landkreistag und Gemeinden bildete. Für den Raum Frankfurt wurde daher vom Innenministerium nur ein Umlandverband vorgeschlagen. Dieser Vorgang ist typisch für die Entwicklung der Konflikte zwischen den kommunalen Spitzenverbänden. Wie unten noch näher dar320 Karl Schiess, Die Stadt und i h r Umland, i n : Der Städte- und Gemeindebund 1973, S. 313 - 316; vgl. Stuttgarter Zeitung 20. 6. 72, 20. 2. 73. 321 Interview. 322 H S T : Stellungnahme zur Verwaltungs- u n d Gebietsreform i n Hessen, S. 8 ff.
V. Reform der Landkreise
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gelegt wird, gewinnen diejenigen Fragen, die zwischen Städtetag und den anderen drei Verbänden, zwischen Ballungsgebieten und den übrigen Gebieten strittig sind, zunehmend an Bedeutung. Eine Einigung über das Stadt-Umland-Problem ist nicht möglich. Dies zeigen die Beratungen der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände 1968, die über erste Ansätze nicht hinauskamen 3 2 3 . Während der A n stoß zu Neuregelungen nur teilweise vom DST ausging und die Formel, man strebe keine Eingemeindungen an, sehr häufig war, sind die Städte heute i n zunehmendem Maße die treibende Kraft. Dies unterscheidet auch die heutige Situation von der Weimarer Republik. Damals war es i m Ruhrgebiet in starkem Maße die Wirtschaft, die Zusammenschlüsse forderte 3 2 4 . Diese spielt heute eine geringe Rolle, wenn auch ihr, ebenso wie den Gewerkschaften innerhalb der SPD von der Gemeindeseite Zentralismus vorgeworfen w i r d 3 2 5 . Den Städten gelingt es dabei immer mehr sich durchzusetzen. Den Grund dafür kann man einmal darin sehen, daß die städtischen Abgeordneten und solche, die aus dem städtischen Raum kommen, aber i n Landgebieten gewählt wurden, i n den Landtagen überrepräsentiert sind. Aus diesem Grund t r i t t der Gemeindetag gegen Listenwahl ein 3 2 6 . Andererseits werden die Probleme der Städte den Politikern immer mehr bewußt, und die Städte werden in zunehmendem Maße politisch umworben, so daß sich hier wahltaktische und programmatische Gründe vermischen. V. Die Beform der Landkreise und die Grundsätze des Verwaltungsaufbaus Die territoriale Reform der Landkreise ist für den Gesamtzusammenhang der Verwaltungsreform von einschneidender Bedeutung. Von ihr hängt es ab, ob der Übergang zu einer dreistufigen Verwaltung (Gemeinden - Kreis - Land) möglich ist, oder ob die Regierungspräsidien beibehalten werden müssen; beziehungsweise hängt umgekehrt der Umfang der Kreise von dieser vorhergehenden Entscheidung ab. Man kann daher zwei Formen der Landkreisform unterscheiden 327 , eine nur gebietliche und eine institutionelle. A u f erstere soll nur unter dem Aspekt der Politik des D L T ihr gegenüber eingegangen werden, während der eigentliche Ablauf der Reform ganz ausgeklammert werden muß. Auf die zweite Form, die den grundsätzlichen Verwal323
Interview. Berkenhoff i n DStB Nachrichtendienst 1963, S. 4 und Balthasar, S. 55 ff. 325 Interview. 326 Interview. 327 Alexander Meyer-König, Landkreise und Landesbezirke i n der Reform, i n : Landkreisnachrichten 1971, S. 21 - 24, S. 21. 324
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2. Kap.: Das Verhältnis der kommunalen Gruppen zueinander
tungsaufbau i n der Bundesrepublik verändern würde, ist ausführlicher einzugehen, da hier auch die Interessen der Gemeinden und vor allem der Länder betroffen sind. Die kommunalen Interessen sind i n diesen Fragen unterschiedlich innerhalb der Landkreise und zwischen den Verbänden. I m Unterschied zum Stadt-Umland-Problem hat jedoch die Verwaltungswissenschaft hier bereits wesentliche Vorarbeiten geleistet 3 2 8 , wenn auch noch keine volle Einigkeit besteht. Der Gedanke einer grundsätzlichen Verwaltungsreform durch den Übergang zu einer dreistufigen Verwaltung in allen Flächenstaaten (in Schleswig-Holstein und i m Saarland bestehen schon bisher keine Regierungsbezirke) erfordert eine erhebliche Vergrößerung der Landkreise 3 2 9 . So wurden für Nordrhein-Westfalen 8 oder 25 Landkreise vorgeschlagen 330 , für Hessen eine wesentlich geringere Zahl als die bisherigen Kreise, gedacht war wohl an 7 bis 9 3 3 1 , für Schleswig-Holstein 9 Landkreise 3 3 2 . Diese Bereiche werden mit dem Begriff Regionalkreis umschrieben. Dieser ist aber nicht genau definiert. Zumeist w i r d damit ein einheitlicher Wirtschafts- und Lebensraum gemeint, der auch das Oberzentrum (bzw. mehrere) mit umfaßt. Diese Vorschläge kamen fast nie von Gruppen innerhalb der Landesverwaltung oder der Landkreise. Auch i n den Gutachten zur Verwaltungsreform wurden sie überwiegend abgelehnt. Dagegen kamen solche Initiativen immer wieder von Landespolitikern, die damit eine wesentliche Vereinfachung der Verwaltung erreichen wollten. Die Abschaffung der Regierungspräsidien forderten i n den meisten Fällen Oppositionspolitiker (aber nicht i n allen Bundesländern), so die SPD i n Rheinland-Pfalz, Bayern und Baden-Württemberg 3 3 3 , die CDU i n Hessen. Diese Tatsache wurde von Schnur darauf zurückgeführt, daß es der Opposition darauf ankomme, einen von der Regierung kontrollierten Apparat auszuschalten und damit die Durchsetzung von deren politischen Willen zu behindern 3 3 4 . Dies mag zum Teil mitspielen. Wichtiger dürfte aber sein, daß bei den Regierungsparteien sich das Gewicht der Landesbürokratie bemerkbar macht und daß die Opposition eher in der Lage ist, einen grundsätzlichen Neuaufbau vorzuschlagen. Diese versucht mit solchen Initiativen politisches Profil zu gewinnen, da die Abschaffung einer Behörde, die zudem über keine Interessenvertretung 328
Zusammenfassend Wagener, Verwaltung. I n B W meinte die Regierung Filbinger / Krause, bei der Auflösung der Regierungsbezirke auch ohne diese auskommen zu können. 330 Roman Schnur, Regionalkreise?, K ö l n 1971, S. 2. 331 CDU 1965. Vgl. Eildienst 1965, S. 191. 332 Minderheitsgutachten Stern. 333 Hier setzte sie ihren Vorschlag aber auch i n der Regierung durch. 334 Schnur, Strategie und T a k t i k , S. 14. 329
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außerhalb der Verwaltung verfügt, populär ist. Darüber hinaus liegt für alle Politiker der Gedanke nahe, durch eine Vereinfachung des Aufbaus eine größere Effektivität zu erreichen. Roman Schnur charakterisierte dies als Versuch, sachliche Probleme durch (scheinbare) organisatorische Reformen zu lösen, als „administratives Hippieland" 3 3 5 . Zu dieser Haltung treten jedoch noch hinzu die Bestrebungen des DST. Diese sind nicht ganz einheitlich und keineswegs konsequent, doch w i r d der Gedanke der Regionalkreise von dieser Seite mit erstaunlicher Hartnäckigkeit immer wieder vorgebracht. Ein erster A n satz dazu war der Vorschlag der Stadtregion von 1962, dessen Ausformung als Stadtunion bereits behandelt wurde. Nachdem auf Grund des Bundesraumordnungsgesetzes statt dessen i n den meisten Ländern regionale Planungsgemeinschaften geschaffen wurden, unternahm der DST den Versuch, i n der wissenschaftlichen Diskussion den Ausbau der Planungsregion zu Verwaltungsregionen vorzuschlagen 336 . Auf der Hauptversammlung des DST 1967 beantragte die Geschäftsstelle, darüber einen Beschluß zu fassen, doch wurde es als noch nicht genügend geklärt zurückgestellt 337 . Schon zuvor schlug es OB Dregger (Fulda) vor und ebenso wurde es i m Städtetag in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen erwogen. Die Gründe, die von den Verfechtern der Verwaltungsregion vorgebracht werden, sind einmal das Einsparen einer Verwaltungsebene, das eine Vereinfachung bedeutet. Zum anderen w i r d behauptet, auf dieser Ebene lasse sich die Einheit von Planung und Verwaltung verwirklichen. Während das von Gemeindetag und Landkreistag vorgeschlagene Verfahren der Regionalplanung bewußt von der Verwaltung getrennt sein sollte, da die herkömmlichen Verwaltungseinheiten für eine Planung zu klein und falsch geschnitten sind, ist der DST der A n sicht, Planung und Verwaltung gehörten prinzipiell zusammen 338 . Eine Planung ohne die dazugehörende ausführende Kompetenz und ohne die Verfügung über die Finanzmittel sei unmöglich. Daher solle man die Verwaltung vor allem nach den Funktionen ausrichten, die raumrelevant sind, da diese an Bedeutung zunehmend gewinnen 3 3 9 . Zugleich wäre damit das Stadt-Umland-Problem gelöst, da eine kommunalverfassungsrechtliche Überbauung der Planungsregionen die nötigen Einwirkungsmöglichkeiten auf die Umlandgemeinden geben würde 3 4 0 . Konkret bedeutet dies, daß alle Städte in einen Kreis einge335 336 337 338 339 340
Schnur , Regionalkreise, S. 34. Die Verwaltungsregion, Stuttgart 1967. Reformen für die Städte von morgen, S. 211. Lehmann-Grube i n : Die Verwaltungsregion, S. 70. Die Verwaltungsregion, S. 71. Krebsbach i n : Die Verwaltungsregion, S. 76 f.
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2. Kap.: Das Verhältnis der kommunalen Gruppen zueinander
gliedert würden und diese wesentlich vergrößert werden müßten. Dadurch könnten zugleich die Regierungspräsidien eingespart werden und ihre Aufgaben auf die Regionalkreise beziehungsweise die M i n i sterien verteilt werden. Die Argumente, die von Landesverwaltungen, D L T und DGT sowie der Wissenschaft gegen den Regionalkreis vorgebracht wurden, sind einmal juristischer Art. Es sei äußerst zweifelhaft, ob so großräumige Verwaltungsgebilde mit der Selbstverwaltungsgarantie des Grundgesetzes vereinbar seien. Dies entspreche nicht mehr dem Landkreis, dessen Existenz i n A r t . 28 garantiert sei. Gebiete von der Größe von 400 000 bis zu mehreren Millionen Einwohnern erforderten außerdem Gemeinden mit einer Mindestgröße von vermutlich 20 000 - 30 000 Einwohnern, um die Zahl der Gemeinden i n Grenzen zu halten und um auf sie eine entsprechende Zahl von Aufgaben delegieren zu können 3 4 1 . Eine solche Größenordnung ist jedoch in weiten Gebieten der Bundesrepublik nicht erreichbar. Die regionalen Ungleichgewichte i n der Verwaltungsstruktur würden also eher noch verstärkt 3 4 2 . Es w i r d vielfach auch das Argument der Bundeseinheitlichkeit vorgebracht. Noch stärkere Unterschiede i n der Größe der Landkreise machten eine einheitliche Verwaltung unmöglich. Andererseits w i r d festgestellt, daß die Regionalkreise die optimale Größe für ihre Verwaltungsaufgaben in der Mehrzahl der Fälle überschreiten 343 . Dadurch würden die Koordinationsprobleme eher vergrößert. Daneben bestehen auch für die Landesverwaltung Schwierigkeiten, auf die unten noch näher eingegangen w i r d i m Zusammenhang mit dem Verhältnis von Staats- und Selbstverwaltung. So müßten entweder Aufgaben auf die Ministerien übertragen oder neue Sonderbehörden der Mittelstufe geschaffen werden. Die Bündelungsfunktion der Regierungspräsidien würde verlorengehen 344 . Dies zeigt, daß mit den Regionalkreisen letztlich die Kreisverwaltung herkömmlicher Prägung völlig umgestaltet würde i n den Funktionen und i n der politisch-sozialen Grundlage ihrer Selbstverwaltung. Die Landkreise sind daher, von Umstellungsschwierigkeiten und dem Problem aufzulösender Kreise ganz abgesehen, daran interessiert, daß eine so grundsätzliche Veränderung keineswegs erfolgt. Allenfalls wünschen sie kleinere territoriale Reformen und eine Delegation von Aufgaben der Regierungspräsidien. Dies gilt auch für die Gemeinden des DSTGB schon wegen der Größenverhältnisse. Damit befinden sie 341 342 343 344
Schnur, Regionalkreise, S. 27. Der Landkreis 1971, S. 12. Schnur, Regionalkreise, S. 27. Schnur, Regionalkreise, S. 29.
V. Reform der Landkreise
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sich auch in Übereinstimmung mit der Landesverwaltung. Ihrer Ansicht kommt der Landkreistag entgegen durch das Argument, das Land werde letztlich ausgehöhlt durch politisch starke Regionallandtage 345 . Die offensichtliche sachliche Problematik einer Regionalkreis-Konstruktion w i r d auch vom DST erkannt. Insbesondere die verfassungsrechtlichen Schwierigkeiten hinsichtlich der Garantie der Landkreise und der Garantie einer örtlichen Selbstverwaltung werden heute von der Geschäftsstelle des DST für so gravierend angesehen, daß eine Lösung vorerst nicht möglich erscheint. Damit scheidet sie für die derzeitige Welle der Verwaltungsreformen aus. I n Nordrhein-Westfalen, wo die Frage 1970 i m Kabinett entschieden wurde, verzichtete der Verband i n einer Unterredung der vier kommunalen Spitzenverbände mit Innenminister Weyer i m November 1970 daher darauf, den Gedanken weiter zu verfolgen 3 4 6 . Zwar wurde nochmals erwogen, durch die Forschungsstelle des Vereins für Kommunalwissenschaften die Frage weiterbearbeiten zu lassen. A u f Grund der Schwierigkeiten w i r d jedoch dem Gedanken des Regionalkreises i n der Geschäftsstelle heute keine Chance mehr gegeben 347 . Trotzdem w i r d er i m Verband immer wieder erörtert, auch nach dieser Entscheidung. Es w i r d gefordert, wenigstens die Entwicklung dazu nicht zu verbauen 3 4 8 . Es erhebt sich die Frage, wo der Grund für diesen so hartnäckig verfolgten Gedanken, der zugleich eine Einkreisung bedeutet, liegt. Er w i r d wohl am ehesten deutlich i n Äußerungen, die ebenfalls i n jüngster Zeit gefallen sind. Keinesfalls sollten die Städte in Landkreise herkömmlichen Typs eingegliedert werden. Offensichtlich stellen sich die Vertreter dieses Gedankens die Aufgabe der Regionalkreise geringer und ihre kommunalverfassungsrechtliche Konstrukion wesentlich lockerer vor als die der bisherigen Kreise. Dabei ist wohl vor allem an eine Konstruktion als Gemeindeverband gedacht und somit an einen stärkeren Einfluß der Gemeinden auf den Kreis. Außerdem sollten die Städte auch gewisse Sonderrechte (Aufsicht, Umlage) haben 3 4 9 . Dies macht es sowohl für die kreisangehörigen Städte interessant, für die ein bürgerferner Kreis keine starke Konkurrenz mehr wäre. Andererseits ist für die Großstädte offensichtlich der Gedanke maßgebend, so wesentlichen Einfluß auf das weitere Stadtumland zu gewinnen, das ja niemals eingemeindet werden kann. 345
Leidinger i n : Eildienst 1970, S. 167 - 171. A k t e n DST: A K Gebiets- u n d Verwaltungsreform 0/07 -34, Bd. 4 und 0/08 - 00/3 sowie Geschäftsbericht DST 69/70. 347 Interview. 348 Stuttgarter Zeitung 8.1.1971. 349 So i m E n t w u r f der Resolution von 1967. DST Rechts- u n d Verfassungsausschuß, März 1967. 346
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2. Kap.: Das Verhältnis der kommunalen Gruppen zueinander
Daraus ergibt sich die Forderung, der Regionalkreis müsse die beherrschende Rolle des Oberzentrums widerspiegeln 350 . Der Regionalkreis entspricht diesem Interesse der Großstädte an einer stärker auf sie zugeschnittenen Verwaltungsform. Intern wurde daher kritisiert, daß die gegenwärtige Verwaltungsreform die Landkreise eher stärke, während das Ziel letztlich doch ihre Auflösung sei (so i n Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen) 351 . Dennoch w i r d diese Politik vom DST nicht einheitlich verfolgt. Vielmehr geht das Hauptbestreben der Städte auch heute noch dahin, Eingemeindungen zu erreichen und so eine Eingliederung i n einen Landkreis zu vermeiden, beziehungsweise sogar ausgekreist zu werden. Dies steht aber zum Vorschlag der Regionalkreise i n Widerspruch. I n diese Richtung gingen die Bestrebungen des rheinland-pfälzischen Städteverbandes, i n dem lediglich Ludwigshafen den Regionalkreis weiterverfolgt, was sicherlich dadurch bedingt ist, daß es i n einem Ballungsgebiet liegt. Neuerdings ist auch der Städtetag NordrheinWestfalen mit der bereits erwähnten Denkschrift vom Mai 1971 auf diese Linie eingeschwenkt, nachdem ein Regionalkreis sich nicht abzeichnet. Diese Ziele sind sicherlich auch leichter zu realisieren als ein so radikaler Umbau der Verwaltung, wie sie der Regionalkreis darstellt, der zudem auf den Widerstand der Landesverwaltung und der Landespolitiker stoßen muß. Dieser Widerstand zeigte sich besonders deutlich i n Baden-Württemberg. Nachdem von der großen Koalition die Abschaffung der Regierungspräsidien ab 1977 gesetzlich beschlossen worden war, wurde eine Reihe von möglichen Ersatzlösungen diskutiert. Neben der Delegation von Aufgaben auf die Landkreise wurde zum einen erwogen, ein zentrales Landesverwaltungsamt zu schaffen, zum anderen mehrere obere Sonderbehörden (von I M Krause favorisiert), womit die Bündelung von Aufgaben in der Mittelinstanz weggefallen wäre, ebenso wie bei Ministerialabteilungen für die Verwaltungsaufgaben. Ein vierter Vorschlag ging dahin, acht regionale Landesverwaltungsämter zu schaffen, in die gleichzeitig Aufgaben der Regierungspräsidien und der Sonderbehörden auf Kreisebene integriert werden sollten 3 5 2 . Dieses Modell, das von der CDU zunächst bevorzugt wurde, lehnten aber sowohl der Landkreistag wie die Regierungspräsidenten und die Landesverwaltung ab 3 5 3 . Auch eine Arbeitsgruppe, die von der Innenministerkonferenz eingesetzt wurde, erarbeitete ein Gutachten, i n dem die Notwendigkeit der 350 351 352 353
Mitgliederversammlung des ST N W 8. 2.1968. DST 6/21 - 36, Bd. 7. A K Gebiets- u n d Verwaltungsreform N W 9. 9.1970. Stuttgarter Zeitung 17. 8.1972. Stuttgarter Zeitung 14. 10.1972, 19. 10. 1972.
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Regierungspräsidien betont wurde 3 5 4 . Nachdem die CDU ab 1972 die Regierung wieder allein bildete, beschloß sie, dieser Linie zu folgen. I n allen Bundesländern besteht also heute Einigkeit darüber, daß der herkömmliche Verwaltungsaufbau vorerst nicht grundsätzlich geändert werden soll und keine Regionalkreise geschaffen werden. Das Problem einer Landkreisreform ist daher, wieweit kleine und leistungsschwache Landkreise aufgelöst und zu neuen zusammengelegt werden müssen. Dabei erhebt sich die Frage nach einer Mindestgröße. Sie wurde nach 1945 zunächst mit 50 000 - 80 000, heute in den Gutachten zumeist mit 100 000 - 150 000, i n Nordrhein-Westfalen mit 200 000 angesetzt 355 . Eine solche Reform, die sich an herkömmlichen Maßstäben orientiert und nur eine Minderheit von Kreisen auflöst, ist seit 1945 ein sehr oft erörtertes Thema. Sie wurde bisher unternommen in Rheinland-Pfalz (1966 - 1970), i n Schleswig-Holstein (Gesetz vom 23. 12. 1969), i n Baden-Württemberg (Gesetz vom 26. 7. 1971), in Hessen, i m Saarland und in Bayern und 1971 beginnend i n der zweiten Stufe der Verwaltungsreform i n Nordrhein-Westfalen. Beabsichtigt ist es auch in Niedersachsen. Der Anstoß ging in allen Ländern nicht von den Kommunal-, sondern von den Landespolitikern aus. Maßgebend war für sie die sachliche Notwendigkeit sowie i n zunehmendem Maße die Einsicht, daß Verwaltungsreformen sich auch politisch auszahlen. Dies erkannte als einer der ersten der rheinland-pfälzische Fraktionsvorsitzende und spätere Ministerpräsident K o h l 3 5 6 , von dessen Initiative die Reform i n diesem Land ausging, während die Verwaltung hier lange Zeit keine große Rolle spielte. Die Haltung der Kommunalpolitiker soll hier nur soweit untersucht werden, als es die Reaktion des Verbandes als solchen, nicht die der Landkreise selbst angeht. Die Verbände sind, wenigstens seit der zweiten Welle der Verwaltungsreform seit 1964, keineswegs völlig ablehnend. Das Problem liegt ähnlich wie bei der Gemeindereform, indem einerseits ein Teil der Landkreise von der Reform gewinnen wird. Andererseits wurden bereits in der Diskussion um die Regionalplanung die Unzulänglichkeiten des Verwaltungsaufbaus von der kommunalen Seite offen anerkannt 3 5 7 . Die Regionalplanung, die von der kommunalen Seite entscheidend mit gefordert wurde, bereitete der Verwaltungsreform den Weg und schuf mit dem Denken i n größeren Zusammenhängen zugleich die Voraussetzungen 354
Der Städtetag 1973, S. 418 f. Eildienst 1973, S. 64 f. Vgl. Wagener, Verwaltung, S. 145, 223 ff. B W : Gutachten zur Kreisreform: 125 000, N W : Gutachten B. 356 Vgl. auch Stuttgarter Zeitung 29. 4.1971. 357 Von Seiten des D L T etwa H G F Seifarth vor der Landkreisversammlung N W 12.12.1964, nach Eildienst 1964, Nr. 1/64/4. 355
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2. Kap.: Das Verhältnis der kommunalen Gruppen zueinander
dafür. Auch zur Wissenschaft, deren Bedeutung schon mehrfach hervorgehoben wurde, bestanden in dieser Frage zahlreiche Beziehungen, und die kommunalen Spitzenverbände beteiligten sich selbst an dieser Diskussion. Dies gilt nicht nur für den DST, dessen Bemühungen um die Verwaltungsregion bereits erwähnt wurden, und für den Städtebund, der zu Werner Weber einen engen Kontakt hat, sondern auch für den DLT. Ein Beispiel dafür ist Frido Wagener, der neben seiner Tätigkeit beim Landkreistag Nordrhein-Westfalen an einer wissenschaftlichen Bestimmung optimaler Größen der Verwaltungseinheiten arbeitete. I n seiner Schrift „Neubau der Verwaltung" von 1969 kam er aufgrund verschiedener Kriterien der Leistungsfähigkeit der Landkreise sowie der Festigung der Demokratie in ihnen zu optimalen Einwohnerbereichen von 170 000 - 380 000 bei durchschnittlicher Bevölkerungsdichte 358 sowie von 200 000 für kreisfreie Städte. Diese Vorstellungen, die dem nordrhein-westfälischen Gutachten Β nahekommen, wurden auch i m Denkmodell der baden-württembergischen Landesregierung aufgenommen. Sie sollen hier, zur klareren Unterscheidung, Großkreise genannt werden 3 5 9 . I n beiden Bundesländern wurden solche Kreise zunächst vom Landkreistag abgelehnt. Für seine Arbeit hatte Wagener zwar nicht die Billigung des DLT, doch ist immerhin bemerkenswert, daß i h m die Möglichkeit dazu gegeben wurde. Ähnlich schlug Prof. Isbary vom D L T 1967 die weitgehende Verringerung der Landkreise in Nordrhein-Westfalen von 57 auf 41 v o r 3 6 0 . Dennoch ist die Arbeit des Verbandes als solchem überwiegend von der Rücksicht auf seine Mitglieder bestimmt. Er befaßte sich vor allem mit der Abwehr von nach seinen Vorstellungen übertriebenen Forderungen der Landespolitiker und wandte sich insbesondere gegen schematische Einwohnergrenzen 361 . Dies liegt jedoch in der Natur der Sache und geht auch mit zurück auf die inneren Schwierigkeiten, denen ein kommunaler Spitzenverband i n dieser Frage ausgesetzt ist. Der Verlust von Ämtern und persönliche Nachteile der Hauptverwaltungsbeamten einerseits, lokale Probleme der ehrenamtlichen Seite andererseits, machen eine Tätigkeit für den Verband schwierig. Zwischen den Mitgliedern und den Geschäftsstellen sind daher teilweise große Unterschiede i n den Auffassungen über die Reform festzustellen. Diese Schwierigkeiten zeigen die vom Präsidium des D L T am 9. 6. 1967 verabschiedeten „Grundsätze zur Kreisentwicklung" 3 6 2 . M i t ihnen 358
Wagener, Verwaltung, S. 482. Die Terminologie ist uneinheitlich. 360 Eildienst 1969, S. 120. 301 Eildienst 1969, S. 159. 362 Abgedruckt i n : Neuordnung der Kreise, S. 61 - 6 8 sowie als Beilage zu: Der Landkreis 1967, Heft 7. 359
V. Reform der Landkreise
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versuchte der DLT, eine bundeseinheitliche Stellungnahme zur Territorialreform zu erreichen und gegenüber der Öffentlichkeit zu einer positiven Stellungnahme zu gelangen. Die Initiative dazu ging von der Hauptgeschäftsstelle aus, deren Entwurf unter dem Titel „Neugliederung der Kreise" die Feststellung enthielt, daß die räumliche Struktur der Kreise nicht überall den Anforderungen der Gegenwart entspreche 363 . Als Kriterien für eine Neuordnung werden die Überschaubarkeit und die Nähe zum Bürger, geschichtlich gewachsene Bindungen und die Bundeseinheitlichkeit angeführt. Es w i r d betont, die optimalen Kreisgrenzen seien nicht schematisch, sondern nur i m Einzelfall festzulegen. Aber auch die Leistungsfähigkeit wurde als K r i t e r i u m anerkannt. Gegen diese Festlegungen erhob sich jedoch der Widerstand einiger Landesverbände, besonders Bayerns, das dem Bundesverband jede Berechtigung zu einer Stellungnahme absprach. Offensichtlich befürchtete dieser Verband, durch eine Festlegung i n seiner ablehnenden Haltung gegenüber dem Land eingeschränkt zu werden. Andere Landesverbände, wie Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, RheinlandPfalz und Niedersachsen beharrten jedoch auf einer Stellungnahme des DLT, um so in ihren Vorstellungen i m Land unterstützt zu werden, vor allem i m Hinblick auf eine Ablehnung des Regionalkreises. Als Kompromiß wurde der erwähnte Satz über die Mängel der Verwaltungsstruktur gestrichen sowie der irreführende Titel der Resolution gewählt. Sie enthält aber wenigstens noch den Grundsatz der Leistungsfähigkeit der Landkreise. Insgesamt ist sie recht verwaschen, was die Grenzen des föderalistisch aufgebauten Verbandes deutlich zeigt. Die Haltung der einzelnen Landesverbände ist also recht verschieden. So arbeitete der Landkreis Rheinland-Pfalz an der Reform intensiv mit, was auch von der Landesverwaltung anerkannt wurde 3 6 4 . Es ging ihm allerdings auch darum, die Einführung des Regionalkreises zu verhindern. Die Reform beschränkte sich in diesem Land darauf, ausgesprochen verwaltungsschwache Landkreise aufzulösen. Daher wurde nur eine durchschnittliche Einwohnerzahl von 100 000 erreicht, was dem Landkreistag seine Arbeit erleichterte. Gegen weitergehende Bestrebungen i n jüngster Zeit, die eine weitere Vergrößerung erreichen wollten, wandte er sich mit dem Argument, i n die Verwaltung müsse zuerst Ruhe einkehren 3 6 5 . Daran ist zweifellos richtig, daß eine Verwaltungsreform so dimensioniert sein muß, daß sie über eine längere Periode bestehen kann. I n diesem Bestreben ist der Verband sich mit 363
D L T 0/3-0/3/116. Staatssekretär Dömming i n : Der Landkreis 1969, S. 243. 365 Landkreistag Rheinland-Pfalz (Hrsg.), Die Landkreise i n RheinlandPfalz nach der Gebietsreform. Mainz 1971, S. 17 f. 364
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2. Kap.: Das Verhältnis der kommunalen Gruppen zueinander
der Landesverwaltung einig, und er ist daher mißtrauisch gegenüber den außerhalb stehenden Kräften, die die Verwaltungsreform teilweise bestimmten. Weiter als dieser Verband geht der Landesverband Nordrhein-Westfalen. Schon vor Beginn der Beratungen der Sachverständigenkommission ging er davon aus, daß die Zahl der Kreise verringert werden sollte 3 6 6 , um ihre Aufgabenerfüllung zu verbessern und die Voraussetzungen für spezialisierteres Personal zu schaffen. Insbesondere sollte die Einheit von Planung und Durchführung hergestellt werden, wozu die Übertragung der Regionalplanung auf die Landkreise gehört. Diese sollten auch durch die Eingliederung der Städte bis 100 000 Einwohner gestärkt werden. Das Gutachten Β stimmte diesen Gedanken zu und schlug die Übertragung von Aufgaben der Landesplanung auf die Landkreise vor (insbesondere die Aufstellung von Kreisentwicklungsplänen), wie diese es schon 1963 gefordert hatten. Aus diesem Grund kam die Kommission zu relativ großen Kreisen. Ihre Zahl sollte von 57 auf 31 mit durchschnittlich 293 000 Einwohnern verringert werden. Dies lehnte jedoch der Landkreis tag a b 3 6 7 auf Grund der zahlreichen örtlichen Proteste. Er ließ daher ein Gegengutachten ausarbeiten 368 , daß eine schematische Maßstabsvergrößerung und eine einseitige Orientierung am K r i t e r i u m der Leistungsfähigkeit vermeiden sollte. Hier wurden die Überschaubarkeit und die M i t w i r k u n g des Bürgers stärker i n den Vordergrund geschoben. Die Leistungsfähigkeit wurde an der Bevölkerungszahl von 1980 gemessen. Auf die Details braucht hier nicht eingegangen zu werden, da der Verband sich davon zunehmend entfernte und auf Grund der Arbeit der Geschäftsstelle bis zum Beginn der Kreisreform 1971 das Gutachten Β voll billigte 3 6 9 . Dafür waren die Kriterien der Leistungskraft und die Einheit von Planung und Durchführung maßgebend. Soweit Mitglieder andere Ansichten vertraten, resignierten sie. Die Einheit von Planung und Durchführung, die Großkreise notwendig macht, wurde auch in Baden-Württemberg i m Denkmodell der Landesregierung vorgeschlagen, das 25 Kreise anstelle von 63 vorsah. I m Unterschied zu Nordrhein-Westfalen lehnte hier der Landkreistag diesen Gedanken ab, da er eine zu starke Vergrößerung der Kreise bringen müßte. Er vertrat daher die Ansicht, die Kreise des Denk3ββ Landkreistag Nordrhein-Westfalen, Zur Neuordnung der V e r w a l t u n g i n Nordrhein-Westfalen. Düsseldorf 1966, S. 17. 367 Jahn i n : Der Landkreis 1969, S. 115 ff. Schon das Gutachten Β enthält ein Minderheitsgutachten von O K D Möcklinghoff. 368 Klaus Stern u n d Günter Püttner, Neugliederung der Landkreise Nordrhein-Westfalens. B e r l i n 1969. 369 Interview.
V. Reform der Landkreise
153
modells seien für die Planung zu klein und für die Verwaltung zu groß 3 7 0 . Er schlug eine Trennung beider Aufgaben vor. Damit konnte er sich bei der CDU auch durchsetzen, die zu einer Reform, die die Mehrheit der Landkreise auflöst, nicht bereit war. I n dieser war zwar anfangs der Gedanke von 12 Regionalkreisen von einem Arbeitskreis der Fraktion vertreten worden, dessen Vorsitzender Landrat Schieß 371 war. Ähnlich w i r d der Gedanke auch in Bayern von einem Landrat (Rothemund, Rehau) vertreten. Doch fand dies i n der Fraktion wenig Gegenliebe, und die CDU war i m folgenden für die Erhaltung einer größeren Zahl von Kreisen als die SPD. Folgerichtig wurde daher hier die Lösung gewählt, über den Kreisen Planungsverbände zu errichten, was i m Denkmodell schon für die Ballungsgebiete vorgesehen worden war. Damit wurde zugleich ein stärkerer Einfluß der Selbstverwaltung auf die Regionalplanung erreicht und diese i n ihrer Wirkungsweise verbessert gegenüber den früheren Planungsgemeinschaften. Dies entspricht einem Vorschlag Langes, der zur Organisation der Region zwei Möglichkeiten sah: den Regionalkreis und den Regionalverband 372 . Nachdem ersterer ausscheidet, auch in Form eines Großkreises, kommt nur die zweite Form in Frage. Für die Landkreise ist dabei wesentlich, daß die Regionalverbände nicht ausführende Aufgaben an sich ziehen können und so letztlich die Kreise aushöhlen. Dies wurde i n BadenWürttemberg überwiegend auch von der CDU unterstützt auf Grund ihrer Beziehungen zum Landkreistag, ebenso wie von der SPD, die ein Wiederaufleben der Regierungspräsidien befürchtete. Dagegen forderte der Städteverband, gerade diesen Weg und damit die Entwicklung zum Regionalkreis offenzuhalten 373 . Dieselbe Haltung wie i n Baden-Württemberg vertritt der Landkreistag in den meisten Bundesländern 374 . Daß i n Nordrhein-Westfalen weitergehende Vorstellungen Anerkennung finden, geht sicherlich darauf zurück, daß hier die Bevölkerungsdichte höher liegt und daß die Gemeindereform schon weiter gediehen ist, so daß die Kreise durch die Probleme der örtlichen Stufe nicht gebunden werden. Andererseits ist der örtliche Widerstand auch i n der Kreisreform zumeist geringer, als früher angenommen wurde. So brachte die Liga für demokratische Verwaltungsreform i n einer Volksabstimmung i n Baden-Württemberg 370
Stuttgarter Zeitung 21.1.1970, 18. 3.1970. Stuttgarter Zeitung 20.1.1970. 372 Klaus Lange, Die Organisation der Region. Diss. Göttingen 1968. Vgl. auch die K r i t i k Wagners an der „überredenden" Planung i n : Stuttgarter Zeitung 16. 9.1970. 373 Landkreisnachrichten 1971, S. 23. Z u m L K T vgl. Gerhardt ebd., S. 32 u n d S. 10, u n d Württembergische Gemeindezeitung 1971, S. 186 ff. 374 Z u Hessen vgl. Eildienst 1969, S. 159 f. Z u Schleswig-Holstein vgl. Gaiette i n : Archiv für Kommunalwissenschaften 1969, S. 342 f. 371
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2. Kap.: Das Verhältnis der kommunalen Gruppen zueinander
nur i n einem Landkreis die Mehrheit der Bevölkerung dazu, für ihre Ziele zu stimmen 3 7 5 . Auch i n Landesverbänden des DLT, die eine Reform möglichst weitgehend verzögern möchten, breitet sich daher die Erkenntnis der Unabwendbarkeit der Reform aus. VI. Die weitere Entwicklung des Verhältnisses der Verbände zueinander Faßt man die in diesem Kapitel behandelten Fragen der interkommunalen Ordnung, die an Bedeutung stark zugenommen haben, zusammen, so zeigt sich, daß die einzelnen Körperschaften und ihre Verbände sehr unterschiedliche Interessen haben. Zwischen den Verbänden besteht dabei keine einheitliche Front. Die Gegensätze und die gemeinsamen Interessen sind vielmehr bei den einzelnen Fragen unterschiedlich. Ein Beispiel dafür ist der K o n f l i k t der Kreise mit den Gemeinden über die grundsätzliche Stellung des Kreises, ihre Gemeinsamkeit, was die Interessen der Bevölkerung angeht, andererseits. Ebenso hat der Städtebund mit dem Städtetag gemeinsame Interessen hinsichtlich der Reform der kleinen Gemeinden, während i m weiteren Stadtumlandbereich Konflikte aufgetreten sind. Die wichtigsten Muster dieser Auseinandersetzungen wurden i n den einzelnen Abschnitten dargestellt. Es stellt sich die Frage welcher A r t diese Interessen sind, die von den Verbänden vertreten werden. Es handelt sich teilweise um Interessen der Körperschaften als solche, die die Belange der Bevölkerung nur in geringem Ausmaß berühren. So dürfte es w o h l beim Konflikt um die Stellung der Landkreise sein. Andererseits gibt es Fragen, die den einzelnen Bürger in erheblichem Maße berühren, wenn ihm dies auch nicht bewußt ist. Es handelt sich dabei um die Verteilung der Gewichte zwischen den einzelnen Typen von Gemeinden. Aus dem Bereich der Verwaltungsorganisation ist hier besonders das Stadt-Umland-Problem und die Regionalkreisfrage zu nennen. I n anderen Bereichen, insbesondere der Finanzfrage, ist dies aber noch deutlicher. Diese Interessen stehen auch für die Verbände i n zunehmendem Maße i m Vordergrund. Der Gegensatz ist dabei in erster Linie ein solcher zwischen den Großstädten beziehungsweise den Ballungsgebieten und den übrigen Gebieten. Die Interessenkoalition, die bei den Fragen des Stadtumlandes festgestellt wurde, w i r d daher in zunehmendem Maße bestimmend für die weitere Entwicklung der Verbände. Neben diesem Problem ist vor allem die allgemeine Raumordnungspolitik, die regionale W i r t 375
Stuttgarter Zeitung 20. 9. 1971.
V I . Die weitere Entwicklung
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schaftsförderung, der Kernpunkt der Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Gebieten. Dieser Konflikt wurde erstmals deutlich am Bundesraumordnungsgesetz von 1965. A u f die sehr interessante Entstehungsgeschichte dieses Gesetzes kann hier aus Raumgründen nicht eingegangen werden. Sie war geprägt von scharfen Auseinandersetzungen zwischen DST einerseits, DGT und D L T andererseits, über die Grundsätze der Raumordnung. Auch nachdem zwischen den Verbänden eine Einigung erzielt werden konnte, setzte sich die Auseinandersetzung noch i m Bundestag fort zwischen SPD und CDU, bis letztere nachgab. Der DStB nahm damals eine vermittelnde Position ein. M i t seiner Hilfe wurde eine Einigung gefunden, zunächst zwischen den Verbänden und dann auch i m Bundestag m i t dem Vorsitzenden des DGT Lücke, die vom zentralörtlichen Prinzip ausging 376 . Dieses sieht einen für die einzelnen zentralen Orte abgestuften Grad der Zentralität, der Bedeutung für das Umland, vor, und w i l l die Erfüllung der Funktionen der einzelnen Stufen durch fördernde und ordnende Maßnahmen sicherstellen. Dies bedeutet, daß die Förderung des ländlichen Raums in zunehmendem Maße durch die Förderung der zentralen Orte erfolgt, was ja auch in der Verwaltungsreform seinen Ausdruck findet. Welche Folgerungen aus diesem Prinzip für die Ballungsgebiete zu ziehen sind, ist dagegen umstritten. Indem der Städtebund seine Ziele der Stärkung der Klein- und Mittelstädte zunehmend erreichte, kommt es immer mehr zu einer Aktionseinheit zwischen DSTGB und DLT. Dies zeigt insbesondere der Streit um die aktive oder passive Sanierung. Während die zwei Verbände eine aktive Sanierung der strukturell schwachen Gebiete durch deren Förderung anstreben 377 , geht der DST davon aus, daß die Ballungsgebiete ein höheres Wachstumspotential aufweisen und eine Förderung dieser Gebiete weit effektiver ist. Negativ ausgedrückt bedeutet dies eine Vernachlässigung der ländlichen Räume, eine passive Sanierung durch Abwanderung der Bevölkerung 3 7 8 . Ähnliche Konflikte traten auch i n der Finanzreform oder in der Verkehrspolitik auf. Die früher zwischen Städtebund und Gemeindetag strittige Frage der Reform der kleinen Gemeinden t r i t t dagegen mit dem fortschreitenden Vollzug dieser Reform i n den Hintergrund. Diese Entwicklung war für die verbandspolitische Entwicklung ausschlaggebend. Einer der Ausgangspunkte war der oben erwähnte Vorschlag Rüdiger Göbs, einen Einheitsverband zu gründen, um die Interessen auszugleichen statt zu verschärfen und um den Verband wesent376
1965. 377 378
Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände, Zentrale Orte, Kundgebung des D G T / D L T / D S t B nach Eildienst 1970, Nr. 2/10/11. Der Städtetag 1969, S. 607 f.
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2. Kap.: Das Verhältnis der kommunalen Gruppen zueinander
lieh zu stärken 3 7 9 . Ein weiterer Ausgangspunkt war Nordrhein-Westfalen, was sich durch die Verbindung von Landes- und Bundesebene hier auf die Bundesverbände auswirkt. A u f das Problem der Doppelmitgliedschaften und die Bedrohung der Existenz des Gemeindetags wurde bereits eingegangen 380 . Auch auf der Bundesebene gab es auf Grund der unterschiedlichen Interessen innerhalb des Verbands die Befürchtung, eine Reihe von Städten werde zu anderen Verbänden übertreten. A u f Grund dieser Tatsache war der DGT zu einem Zusammenschluß bereit, obwohl es auch in ihm Stimmen gibt, die eine Benachteiligung der Interessen des ländlichen Raums fürchten 3 8 1 , eine Möglichkeit, die nicht von der Hand zu weisen ist. Schwieriger als die Haltung des DGT ist die des DStB zu erklären. Schon 1970 wurde i h m inoffiziell das Angebot gemacht, sich mit dem DST zusammenzuschließen, was allerdings in der Öffentlichkeit nicht bekannt wurde. Auch später wurde ihm offiziell erklärt, man sei bereit über die verbandspolitische Situation zu sprechen 382 . Dennoch entschloß er sich i n Nordrhein-Westfalen, m i t dem Gemeindetag zu fusionieren. Dies wurde damit begründet, daß durch die Verwaltungsreform zunehmend gleichmäßige Einheiten auf der untersten Verwaltungsebene entstanden seien 383 . Der Gemeindetag herkömmlichen Typs, für den die fachliche Betreuung der Gemeinden wesentlich war, ist daher nicht mehr nötig. Dadurch ergebe sich eine zunehmende Vereinheitlichung sowohl der Aufgaben des Verbandes wie der Interessen der Mitglieder, indem sie auf derselben Ebene stünden. Aus diesem Argument ergibt sich zugleich, daß die Verbandsreform der Verwaltungsreform folgt. Damit begründete der DStB, daß auf Landesebene nur in Nordrhein-Westfalen die Fusion vollzogen wurde. Die anderen Landesverbände des DStB schlossen sich dieser Ansicht jedoch nicht an. Ein weiteres Argument des DSTGB ist die Frage der Kreisangehörigkeit. Sie bringe für eine Stadt bestimmte Probleme mit sich, die die Organisation in einem eigenen Verband erforderten. Diese Begründung ist typisch für die Konkurrenzsituation zu den Landkreisen 3 8 4 . Vom DST wurde jedoch gerade dies bestritten. Sein Ziel ist, das städtische Element i n der Bundesrepublik umfassend zu repräsentieren. Er ging von der These aus, nicht der Status, sondern die Einwohnerzahl und wirtschaftliche und strukturelle Faktoren bestimmten 379 380 381 382 383 384
R. Göb, Die kommunalen Spitzenverbände, S. 6 f. s. o. S. 28. Interview. Interview. Berkenhoff, Verbandsreform, S. 117 ff. Berkenhoff, Verbandsreform, S. 119.
V I . Die weitere Entwicklung
157
die Interessen einer Stadt 3 8 5 . Dieser These kann man wohl zustimmen, umstritten ist jedoch, ob die Interessen der mittleren Städte mit denen der Großstädte identisch sind. Vom DSTGB w i r d behauptet, diese seien beim DST unzureichend vertreten. Um diesem V o r w u r f zu begegnen, und um dem Konkurrenzdruck eines vereinigten Verbandes zu begegnen, gründete der DST am 3. 2.1968 einen Ausschuß für m i t t lere Städte 3 8 6 . I n i h m sind sowohl kreisfreie wie kreisangehörige Städte vertreten. Seine Arbeit dient der fachlichen Beratung i n den besonderen Problemen dieser Städte sowie der Interessenvertretung i n allen Fragen, i n denen sie besondere Interessen haben. Von Seiten der betroffenen Städte wurde dies lebhaft begrüßt. Ein Oberbürgermeister vertrat die Ansicht, auf eine solche Verstärkung der Arbeit des DST habe man jahrelang vergeblich gewartet 3 8 7 . Es ist i n der Tat zutreffend, daß bis auf die süddeutschen Landesverbände der DST sich früher um diese besonderen Probleme nicht gekümmert hat. So war i n der Geschäftsstelle nur für kurze Zeit jemand angestellt, der sich um die Fragen der Kreisangehörigkeit fachlich kümmerte 3 8 8 . Unter dem Druck der Konkurrenzsituation änderte sich dies jedoch. 1972 wurde auch festgelegt, daß die kreisangehröigen Städte entsprechend ihrer Einwohnerzahl i m Präsidium vertreten sein sollten, mindestens jedoch durch fünf Vertreter 3 8 9 . Das Argument, die Gemeinsamkeiten zwischen kreisfreien und kreisangehörigen Städten seien größer als die Unterschiede, was sich aus der zentralörtlichen Funktion der Städte ergebe, setzte sich i n allen Bundesländern außer Nordrhein-Westfalen durch 3 9 0 . Der Bundesverband des DSTGB hält dem gegenüber die unterschiedlichen Interessen von Groß- und Mittelstädten für wesentlicher und w i r f t dem DST vor, seine Politik gegenüber den kreisangehörigen Städten sei nicht ernst gemeint 3 9 1 . Er betont die Zusammengehörigkeit des kreisangehörigen Raums m i t Argumenten, wie sie oben an der Frage der Raumordnung dargelegt wurden 3 9 2 . Die Stadt und ihr Umland lebten von einander und gehörten daher auch zusammen 393 . M i t diesem Argument w i r d auch in zunehmendem Maße eine Annäherung an den D L T 385
Weinberger i n : Der Städtetag 1969, S. 417 ff. und 1968, S. 502. Der Städtetag 1968, S. 631. 387 DST 0/08 - 00/1. 388 Interview. 389 Der Städtetag 1972, S. 585. 390 Der Städtetag 1972, S. 653. 391 Berkenhoff i n : Der Städte- u n d Gemeindebund 1973, S. 2 f. 392 H. A. Berkenhoff, Die Zusammengehörigkeit des kreisangehörigen Raums, i n : Der Städte- u n d Gemeinderat 1971, S. 3 - 5. 393 Der Städte- und Gemeindebund 1973, S. 3. 386
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2. Kap.: Das Verhältnis der kommunalen Gruppen zueinander
vollzogen. Diese Politik widerspricht der früheren Haltung der DStB völlig. Daneben spielen zweifellos auch personelle Faktoren und solche des Prestiges eine Rolle. Bei einer Fusion mit dem Gemeindetag können die Städte die Führungsrolle übernehmen, während sie i m DST unter Umständen nur ein Anhängsel wären. Dazu kommt, daß es diesem Verband gelungen ist, durch geschicktes Taktieren die Führung an sich zu reißen. Nicht nur formell, sondern dem Inhalt nach, bedeutet die Fusion, daß der DStB den weit größeren DGT übernimmt. Der DStB stellt auch den Geschäftsführer des Gesamtverbandes, der zudem noch den Rückhalt i n seinem Landesverband Nordrhein-Westfalen hat. Diese Tatsache war für den DStB eine wesentliche Bedingung des Zusammenschlusses. Ein weiterer wesentlicher Faktor darf jedoch nicht übersehen werden: die parteipolitische Seite. Zwar wurde die Fusion i n NordrheinWestfalen von der SPD-Gruppe i m Gemeindetag vorgeschlagen 394 , doch kam sie eindeutig der CDU zugute, der auch der Hauptgeschäftsführer angehört. Die CDU-Gruppe i m Verband ist daher auch an einem Zusammenschluß sehr stark interessiert. Auf der Bundesebene wurde aus diesem Grund als ein wesentliches Argument vorgebracht, es gelte ein Gegengewicht gegen den von der SPD beherrschten DST zu schaffen. Nicht nur parteipolitisch, sondern auch i n der Vertretung der Interessen der Bevölkerung bedeutet die Fusion DStB - DGT eine Verschärfung der Spannungen. Sie bewirkt auch eine Überschneidung der Mitgliedschaft, so daß der DSTGB in einzelnen Ländern zwei Mitgliedsverbände hat. Die Entwicklung verläuft derzeit der Forderung nach einem Einheitsverband ganz zuwider. Ein solcher w i r d derzeit auch von keiner Seite gewünscht, da man meint, auf eine Vertretung der eigenen Interessen nicht verzichten zu können 3 9 5 . Die Unterschiede sind in den oben erwähnten Grundfragen der Kommunalpolitik, die die Interessen der Bevölkerung berühren, so groß, daß eine Fusion zur Zeit nicht möglich wäre. Dies zeigen auch die Bestrebungen i n Rheinland-Pfalz, StV und Gemeindetag zu vereinigen, was an der Praxis scheiterte. I n diesem Fall arbeitete auch die Bundesgeschäftsstelle des DST dagegen 396 . Ein solcher Zusammenschluß wäre auch nicht wünschenswert, da er nur die Spannungen verwischt. Diese bestehen auf der Landes- wie auf 394
Interview. Weinberger i n : Der Städtetag 1969, S. 417; Berkenhoff bund 1969, S. 120. 396 Der Städte- und Gemeindebund 1973, S. 3. 395
i n : Der Städte-
V I . Die weitere Entwicklung
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der Bundesebene in gleichem Ausmaß. Wie die Entwicklung weiter verläuft, zu einer größeren Einheitlichkeit 3 9 7 oder zu einem Bruch, kann heute noch nicht abgesehen werden.
397 z. B. gibt es i n Niedersachsen ein Fusionsangebot des StV an den Gemeindetag.
Drittes
Kapitel
Das V e r h ä l t n i s v o n Staats- u n d Selbstverwaltung Hinter dem Verhältnis vom kommunaler Selbstverwaltung und Staatsverwaltung stand i m 19. Jahrhundert der politische Gegensatz von bürgerschaftlicher Selbstbestimmung und Obrigkeitsstaat, und der Gedanke der Selbstverwaltung erhielt daraus seine eigentliche Begründung 1 . Ein solcher Gegensatz ist i m demokratischen Staat nicht mehr vorhanden, da auf allen Ebenen die gleichen Bürger die Grundlage der Willensbildung sind. Dennoch können natürlich i n vielen Fällen die lokalen und die gesamtstaatlichen Interessen divergieren, woraus sich ein Interessengegensatz zwischen den verschiedenen Ebenen der politischen Willensbildung ergibt. Dies ist um so mehr der Fall, als eine Grundlage der Kommunalverwaltung das Universalitätsprinzip ist, d. h. die Gemeinden und Landkreise verwalten auf ihrer Stufe sämtliche Angelegenheiten, auch die des Staates. Das Land hat auf der Ortsebene keine eigenen Behörden, und auch auf der Kreisebene verfügt es nur über wenige Sonderbehörden. Dadurch stellt sich der Interessengegensatz von Lokalverwaltung und Land vor allem als einer zur Exekutive, besonders zur Ministerialbürokratie dar 2 . Neben den Interessengegensätzen zwischen den verschiedenen kommunalen Gruppen ist dies der zweite wesentliche K o n f l i k t in den Grundfragen des Aufbaus der Verwaltung. Dieser K o n f l i k t w i r d besonders deutlich am Verhältnis von Landkreisen und Land. Daher soll zunächst dessen letzte grundsätzliche Neuordnung i n der Landkreisordnung BadenWürttemberg behandelt werden, wo die Auseinandersetzungen besonders stark waren. Dies soll anschließend mit den anderen Bundesländern verglichen werden, und dann soll auf die anderen Probleme zwischen Land und Selbstverwaltung eingegangen werden. Zweifellos sind Instrumente nötig, mit denen eine Ubereinstimmung von staatlicher Willensbildung und lokaler Ausführung gesichert werden kann. Man kann dafür grundsätzlich drei Möglichkeiten unterscheiden 3 : die Schaffung eigener Organisationen des Staates, die Er1 Alexander Meyer-König, Grundprobleme einer organisatorischen waltungsreform, Reutlingen 1950, S. 8. 2 Meyer-König, Grundprobleme, S. 23. 3 Nach Cantner, Verfassungsrecht der Landkreise, S. 421.
Ver-
3. Kap.: Staats- u n d Selbstverwaltung
richtung von Kontrollinstanzen und das Erlassen materieller Vorschriften. I n dieser Arbeit soll nur die Organisation des Behördenaufbaus behandelt werden, nicht dagegen der Erlaß materieller Vorschriften. Immerhin muß hier hingewiesen werden auf die Kategorien der Aufgaben, die die Selbstverwaltungsträger erfüllen, weil dies zum Verständnis des Folgenden nötig ist. Die herkömmliche Unterscheidung ist die von Selbstverwaltungsaufgaben, bei denen nur die allgemeine Rechtsaufsicht besteht, und (staatlichen) Auftragsangelegenheiten, die nach Weisung erfüllt werden 4 . Noch weiter unterscheidet Loschelder 5 : reine Selbstverwaltungsaufgaben, durch Gesetz auferlegte Pflichtaufgaben (beides sind Selbstverwaltungsangelegenheiten), Pflichtaufgaben nach Weisung m i t voller oder begrenzter Aufsicht ( = Auftragsangelegenheiten) und echte staatliche Verwaltungsaufgaben (beim Landkreis), die wegen ihrer besonderen Staatsgebundenheit nicht als übertragene Pflichtaufgaben erfüllt werden können. Die Unterscheidung der letzten beiden Punkte erhält ihren Sinn aus der Forderung des Deutschen Städtetags nach einer Umwandlung der Auftragsangelegenheiten in Selbstverwaltungsaufgaben unter verstärkter Aufsicht des Staates 6 , d. h. einer gesetzlichen Einschränkung der Fachaufsicht auf bestimmte Gesichtspunkte. Dies wurde auch i n Baden-Württemberg durchgeführt durch A r t . 75 Abs. 2 der Landesverfassung: „Bei der Übertragung staatlicher Aufgaben kann sich das Land ein Weisungsrecht nach näherer gesetzlicher Vorschrift vorbehalten" sowie durch § 2 Abs. 3 der Gemeindeordnung und § 2 Abs. 4 LKO, wo von Weisungsaufgaben gesprochen wird. Dennoch wurde der Intention der Landesverfassung de facto nicht entsprochen. Nach § 130 GO und § 50 L K O besteht für die Weisungsaufgaben bis auf weiteres ein Weisungsrecht in bisherigem Umfang, d. h. unbeschränkt. Beschränkende Vorschriften wurden aber nie erlassen. I n der Organisation der Landkreisverwaltung sind nach der deutschen Verwaltungstradition die kommunale Selbstverwaltung und die staatliche untere Verwaltungsbehörde territorial und personell i n der Spitze vereinigt. Eine Ausnahme bildete lediglich Baden bis 1936. A n gesichts dessen sind die Hauptfragen, ob der Landrat ein staatlicher oder kommunaler Beamter ist 7 und i n welchem Verhältnis staatliche 4
Vgl. Pagenkopf, S. 117 - 120. Zitiert nach Cantner: Verfassungsrecht der Landkreise, S. 421. 6 Vgl. Cantner: Verfassungsrecht der Landkreise, S. 422; Pagenkopf, S. 119 und Ziebill, Städtetag, S. 107. 7 Hier sind zahlreiche Mischformen möglich. Vgl. die Übersicht bei Wagener, Städte, S. 266. Dennoch ist letzten Endes entscheidend, ob der Landrat kommunaler oder staatlicher Beamter ist, da dies für die H a l t u n g des Landrats ausschlaggebend ist. 5
11 Geißelmann
162
3. Kap. : Staats- u n d Selbstverwaltung
und kommunale Verwaltung zueinander stehen. Hier sind prinzipiell zwei Lösungen möglich 8 : daß zwei Behörden bestehen, die nur unter der gemeinsamen Leitung des Landrats stehen, wie es i n Württemberg früher war und i n der französischen Zone beibehalten wurde, oder daß eine Einheitsbehörde geschaffen wird. Dies ist etwa i n NordrheinWestfalen und Bayern der Fall, und ebenso war es i n WürttembergBaden. Jedoch stellte auch hier der Staat Beamte zur Verfügung, nicht hingegen die Angestellten, die ebenso wie der Sachaufwand vom Landkreis bezahlt wurden. Ein drittes Hauptproblem ist das Verhältnis zu den staatlichen Sonderbehörden auf der Landkreris-Ebene. I n diesen drei Fragen: kommunaler Landrat, Einheitsbehörde und Einheit der Verwaltung sind auch die Hauptziele des Verbandes württembergbadischer Landkreise zu sehen. I. Das Verhältnis von Land und Landkreis in der Landkreisordnung Baden-Württemberg a) Die Diskussion
um den kommunalen
Landrat
Vor 1945 war der Landrat i n allen Ländern Staatsbeamter gewesen. Durch die Einwirkung der britischen und amerikanischen Besatzungsmacht wurde jedoch i n ihren Zonen der kommunale Landrat eingeführt. I n Nordwürttemberg und Nordbaden hatte daher das Land keinen Einfluß auf die Wahl. I n Südwürttemberg wurde der Landrat als staatlicher Beamter auf Vorschlag des Innenministers und nach Anhörung des Staatsministeriums vom Staatspräsidenten ernannt, doch hatte der Kreistag das Recht, sich vor Bestellung und Abberufung des Landrats zu äußern 9 . I n Südbaden bestand formell keine M i t w i r k u n g des Kreistags, doch setzten die badischen Landkreise ihre Anhörung in der Praxis durch. Der unterschiedliche Rechtszustand wurde bis zum Erlaß der Landkreisordnung 1955 beibehalten. Diese grundsätzliche Reform, die von den Besatzungsmächten oktroyiert war, war i n der Bundesrepublik i n jenen Jahren allgemein sehr umstritten. Dies galt natürlich besonders für Baden-Württemberg, wo die Frage i m Zuge der Rechtsangleichung erneut beraten werden mußte. Die Fronten gingen dabei quer durch die Parteien, Verbände und die Bürokratie, und auch i n der Öffentlichkeit wurde die Frage allgemein stark diskutiert. Verfechter des staatlichen Landrats beriefen sich dabei vor allem auf die Verwaltungstradition. Er habe eine lange historische Bewährung, während der kommunale Landrat erst 8 9
Z u m folgenden Cantner: Verfassungsrecht der Landkreise, S. 448. A r t . 4 und 5 der L K O von Württemberg-Hohenzollern.
I. L a n d u n d Landkreis i n Baden-Württemberg
163
seit kurzer Zeit eingeführt sei und sich nicht habe i n Krisensituationen bewähren müssen 10 . Vom staatlichen Landrat wurde angenommen, er habe i n Konfliktsituationen eine stärkere Stellung und könne auch von der Regierung angeordnete Maßnahmen i n Unabhängigkeit nach unten leichter durchführen 11 . Insbesondere sei dies auch außerhalb von akuten Krisen i n allen Fragen der Kommunalaufsicht der Fall, die besondere Unabhängigkeit nach unten voraussetze 12 . Wenn es andererseits Konflikte gebe oder der Landrat versage, so sei es leichter, ihn zu versetzen, was auch für den Landkreis Vorteile habe. Weiter wurde eingewandt, es gehe darum, durch dieses A m t Anreiz für einen qualifizierten Nachwuchs des Staatsdienstes zu haben 13 . Dazu ist zu bemerken, daß i n der baden-württembergischen Verwaltung seit 1955 eher der gegenteilige Effekt eingetreten ist. Durch die Kommunalisierung wurde das A m t des Landrats attraktiver. Eines der häufigsten Argumente war, eine Politisierung des Amtes durch Abhängigkeit von den Wählern müsse vermieden werden 1 4 . Der Landrat dürfe nicht den Forderungen der Parteien, die i h n gewählt haben, ausgesetzt sein. Auch die Bürgermeister wünschten einen unabhängigen Berater 1 5 . Der Kern der Argumentation, auf den sich die meisten der obigen Argumente zurückführen lassen, ist jedoch die Staatsauffassung der Verfechter des staatlichen Landrats, wenigstens einer Mehrzahl unter ihnen. So meinte der (staatliche) Landrat Oswald 1 6 , beim kommunalen Landrat handle es sich u m einen weitausholenden Pendelschlag zur Liberalisierung des öffentlichen Lebens, der über das Ziel hinausgeschossen sei. Beispielhaft sei noch der staatliche Landrat von Freudenstadt, Geißler, zitiert 1 7 , der meinte, es werde hier der letzte Rest an Staatlichkeit zerstört. Die Ansichten mögen nicht immer so kraß gewesen sein, doch war die Vorstellung, der Staat müsse Einfluß auf die untere Verwaltungsbehörde haben und hier präsent sein, weit verbreitet 1 8 . Allerdings traten einzelne Verfechter des staatlichen Landrats auch aus rationaleren Gründen für ihn ein. Überwiegend steht jedoch dahinter die kon10 Fritz Geißler, Ernannter oder gewählter Landrat? — Gedanken eines alten Landrats, i n : Die öffentliche V e r w a l t u n g 1952, S. 356 - 358, S. 357. 11 Geißler, S. 357, ebenso Begründung des Regierungsentwurfs der L K O , Beilagen 1. Periode Nr. 1145, S. 1498. 12 Alfons Oswald, Die Problematik der Verwaltungsorganisation i n Baden· Württemberg, i n : Die Selbstverwaltung 1955, S. 137 f. 13 Oswald, S. 138. 14 Begründung des Regierungsentwurfs, S. 1498. 15 Oswald, S. 138. 16 Oswald, S. 138. 17 Geißler, S. 357 f. 18 Vgl. Landrat a.D. Vieregge, Aufgabe und Stellung des Landrats, i n : Die Selbstverwaltung 1952, S. 6 ff.; ebenso Ministerpräsident Dr. Gebhard Müller i m Verwaltungsausschuß des Landtags, am 15.12.1954.
11*
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3. Kap.: Staats- u n d Selbstverwaltung
servative Auffassung der Beamtenschaft, die sich selbst als über den Parteien stehend und objektiv, neutral verstand, obwohl dies gerade für die frühere Zeit nicht gilt. Zum Teil ist es auch auf ein obrigkeitsstaatliches Denken zurückzuführen. Die Argumente der Verfechter des kommunalen Landrats gingen dagegen vor allem vom Selbstverwaltungsrecht der Kreise aus, mit dem es nicht mehr vereinbar sei, daß der Leiter der Selbstverwaltung vom Staat bestimmt werde 1 9 . Für den Landrat sei es so oder so nötig, das Vertrauen des Kreistags zu gewinnen, er habe dazu Popularität und Autorität nötig 2 0 . Es sei zwar zutreffend, daß die staatlichen Aufgaben i m Landratsamt mit 60 - 80 °/o überwiegen, gegenüber 20 - 40 %> A n t e i l der Kreisselbstverwaltung, doch seien erhebliche neue Aufgaben hinzugekommen, die das Schwergewicht der Tätigkeit des Landrats stark nach der Seite der Selbstverwaltung hin verschieben würden 2 1 . Es wurde auch ein Unterschied gesehen zwischen dem früheren Typ des Landrats, der bürokratisch denke und nicht auffallen wolle, während der leitende Kommunalbeamte, wie auch der Oberbürgermeister, ein aktiver politischer Mensch sei. Der Vorwurf der Abhängigkeit der kommunalen Landräte wurde zurückgewiesen. Die Erfahrung habe gezeigt, daß dies nicht zutreffe, und auch staatliche Aufgaben würden hinreichend erfüllt. Der Landrat bekomme sogar eher eine stärkere Stellung. Außerdem bestehe das gleiche Problem in den Stadtkreisen bei den Oberbürgermeistern, nur daß es dort keine Kommunalaufsicht gibt 2 2 . Schon diese Gegenüberstellung der Argumente, die i n den meisten der zitierten Fälle von Landräten stammen, zeigt, daß auch unter diesen keine Einigkeit über den kommunalen Landrat bestand. Die Meinungen teilten sich bis 1955 weitgehend nach Regierungsbezirken, wie es zum Teil auch bei den Parteien der Fall war. Dies läßt sich sicher mit darauf zurückführen, daß man das System, das man kennt, für das beste hält. I n den nördlichen Landesteilen ist jedoch deutlich zu beobachten, wie die Kommunalisierung des Landrats zunehmend Anklang fand. A u f einer Landrätekonferenz i m Dezember 1947 wurde darüber noch heftig diskutiert und mit 13 : 6 : 2 für den staatlichen Landrat entschieden. Schon am 30. 5. 1949 wurden dann vom Verband die „Stuttgarter Beschlüsse" verabschiedet, i n denen eine Wahl des Landrats gefordert wurde, aber auch eine M i t w i r k u n g des Staates 19 Hermann Müller, Staatlicher oder kommunaler Landrat?, i n : Die öffentliche V e r w a l t u n g 1952, S. 646 - 648 und Begründung des Regierungsentwurfs, S. 1498. 20 H. Müller, Landrat, S. 646. 21 H. Müller, Landrat, S. 646. 22 H. Müller, Landrat, S. 648.
I. L a n d u n d Landkreis i n Baden-Württemberg
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bei der Wahl und gewisse Qualifikationen als Voraussetzung der Wählbarkeit. Zur Stärkung der Stellung des Landrats wurde eine Verlängerung der Wahldauer auf 12 Jahre vorgeschlagen 23 . Dies entsprach auch den Forderungen, die der Deutsche Landkreistag 1947 aufgestellt hatte: Wahl des Landrats auf 12 Jahre, die der Bestätigung des Landes bedarf. Gegen deren Versagung solle der Kreistag Verwaltungsklage erheben können 2 4 . Das Mitwirkungsrecht des Staates wurde mit den staatlichen Aufgaben begründet und auch aus taktischen Motiven zugestanden: so sei die Einheit der Verwaltung leichter zu erreichen 25 . Trotzdem war der kommunale Landrat weiterhin eine Hauptforderung des Deutschen Landkreistags, und damit der Mehrheit der deutschen Landräte. I m übrigen hatte der Landkreistag schon vor 1933 eine Kommunalisierung angeregt. Darauf wies er auch 1947 hin, um zu beweisen, daß diese Reform nicht nur von den Besatzungsmächten oktroyiert war 2 6 . Der Grund für die Forderung war offensichtlich die Erkenntnis, daß dadurch die Stellung des Landrats keineswegs, wie oft behauptet, geschwächt, sondern gestärkt wurde. Die Freiheit nach oben, oder wenigstens die M i t w i r k u n g des Kreistags bei der Besetzung der Verwaltungsspitze, liegt i m Interesse des einzelnen Landkreises und besonders des Kreistags als dem Wahlgremium. Erst dadurch erhielten die Landkreise die Freiheit als Selbstverwaltungskörper, die den Gemeinden schon lange zugestanden war. Zugleich wurde das Gewicht der Landkreise verstärkt, sowohl gegenüber dem Land wie letztlich auch gegenüber den Gemeinden, wie sich noch zeigen wird. Von den Verfechtern des staatlichen Landrats wurde der Vorwurf erhoben, den kommunalen Landräten gehe es auch um ihre persönlichen Interessen 27 . Es ist jedoch festzustellen, daß diese i m Hinblick auf eine größere Unabhängigkeit mit denen der Landkreise zusammenfallen. A u f die genannten Interessen der Kreise ist es wohl auch zurückzuführen, daß nach der Einführung des kommunalen Landrats durch die Landkreisordnung die Mehrzahl der bisher staatlichen Landräte i n den südlichen Landesteilen ihre Ansicht änderte und überzeugt wurde, daß die Kommunalisierung richtig war. Keine Rolle für die Entscheidung des Verbands württemberg-badischer Landkreise dürfte gespielt haben, daß unter den kommunalen 23
A k t e n des L K T B W Μ 1100. Material zur Landkreisverfassung, S. 12. 25 Material zur Landkreis Verfassung, S. 51. 26 Material zur Landkreisverfassung, S. 12. Z u diesen Bestrebungen vgl. Wagener, Städte, S. 176 - 179. 27 Interview. 24
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3. Kap.: Staats- u n d Selbstverwaltung
Landräten der nördlichen Regierungsbezirke auch einige waren, die angeblich für eine Übernahme in den Staatsdienst nicht geeignet gewesen wären. Jedenfalls traten gerade diejenigen, für die dies nicht zutrifft, besonders für die Kommunalisierung ein. Welche Rolle die Erwartung spielte, daß der kommunale Landrat eine bessere Besoldung bekäme, w i r d von verschiedenen Seiten unterschiedlich beurteilt 2 8 . Doch dürfte es wohl nicht ausschlaggebend gewesen sein. Keine Rolle spielte in Baden-Württemberg die Erwägung, die i n anderen Ländern auftrat, nur ein kommunaler Landrat werde Abgeordneter sein können, und dadurch einen Einfluß auf die Landtage sichern 29 . I n den Landesteilen m i t kommunalem Landrat hatte sich dieser also sehr schnell durchgesetzt. Es gab allerdings noch einzelne Landräte, die Konzessionen zu machen bereit waren, so Landrat Ebner auf der M i t gliederversammlung des Verbands württemberg-badischer Landkreise am 5. 12.1952 30 . Zwar ging auch er von einer Wahl aus, doch hielt er eine M i t w i r k u n g des Staates für möglich, sei es durch eine Präsentation, sei es durch eine Bestätigung der Aufsichtsbehörde. Ein Motiv dafür war die Furcht, ein Kommunalbeamter dürfe nicht an der Spitze des staatlichen Landratsamtes stehen. Die Vereinigung von Staats- und Kommunalbehörde aber hatte Priorität, ebenso wie die Eingliederung der Sonderbehörden, und damit die Wiederherstellung der Einheit der Verwaltung auf der Landkreisebene. Diese war bei einem kommunalen Landrat fraglich. Landrat Ebner fand jedoch heftigen Wiederspruch. Zahlreiche Landräte warnten insbesondere vor Zugeständnissen um der Einheit der Verwaltung willen. Sie werde auch bei einem staatlichen Landrat nicht wiederhergestellt, was zweifellos eine realistische Einschätzung der Lage war. Die in den Stuttgarter Beschlüssen enthaltene M i t w i r k u n g des Staates wurde jetzt überwiegend als taktisch-dekoratives Zugeständnis aufgefaßt, als Wahlprüfungsverfahren, aber nicht als eine Elimination bestimmter Bewerber. Der Landrat sollte dem Oberbürgermeister gleichgestellt werden. Dagegen wurde die Aufstellung einer Qualifikation als Voraussetzung der Wählbarkeit allgemein gewünscht, da dem Stand nur ein Gefallen erwiesen werde, wenn der Brotkorb höher gehängt werde. Es ging dabei also vor allem u m das Ansehen der Landräte; daneben war es aber geeignet, das Argument zu entkräften, nur mit dem staatlichen Landrat könne die Qualität der Bewerber gesichert werden.
28
E r w ä h n t w i r d es auch bei Geißler, S. 358. Interview. 30 Mitgliederversammlung des Verbands württemberg-badischer L a n d kreise, i n : Die Selbstverwaltung 1953, S. 31 -36. D a r i n die Rede Ebners, Die Landkreise i m neuen Bundesland, bes. S. 34 f. 20
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I m Verband württemberg-badischer Landkreise kämpften die A n hänger des kommunalen Landrats energisch für ihre Auffassung. Der Verband ging dabei taktisch geschickt vor. Zunächst wurde versucht, eine Einigung unter den Landräten des Landes herbeizuführen sowie langfristig Grundsätze für ihre Forderungen aufzustellen, was auch den Vorteil hatte, daß das Innenministerium dies schon bei der Ausarbeitung des Referentenentwurfs berücksichtigen mußte. Eine Klärung über die sehr knappen Stuttgarter Beschlüsse hinaus strebten die Reutlinger Beschlüsse vom 26. 2.1952 an 3 1 . Sie waren von den Landräten Südwürttembergs beraten worden, wobei aber stets solche aus Nordwürttemberg und Nordbaden und der Leiter der Kommunalabteilung des Innenministeriums anwesend waren. Sie sind insofern wesentlich, als es hier den nordwürttembergischen Landräten gelang, sich i n ihrer Haltung weitgehend durchzusetzen, obwohl nur 3 der 17 südwürttembergischen Landräte für den kommunalen Landrat waren 3 2 . Es geht dies sicher auf das Argument der nordwürttembergischen Landräte zurück, i n den nördlichen Landesteilen werde man vom kommunalen Landrat nicht mehr abgehen. Angesichts dessen zogen es die staatlichen Landräte vor, bestimmte Auflagen einzuführen hinsichtlich Qualifikation, Sicherung der Unabhängigkeit, Wechsel zwischen Staats- und Selbstverwaltung, alles Fragen, i n denen die Interessen der Landräte mit denen der Ministerialbürokratie zusammenfallen und die daher Aussicht auf Verwirklichung hatten. Unabhängig davon beschlossen die südbadischen Landkreise Anfang März 1952 die „Kehler Grundsätze" 33 , zu deren Ausarbeitung keine Vertreter anderer Landesteile zugezogen waren. Die südbadischen Landräte waren Verfechter des staatlichen Landrats und vertraten ihre Ansichten hartnäckiger als die aus Südwürttemberg. Außer einem altbadischen Traditionalismus dort, war i n beiden Landesteilen entscheidend die Herkunft dieser Landräte aus der Staatsverwaltung, die sie deren Ansichten übernehmen ließ sowie vielleicht zum Teil die Furcht, bei einer Wahl, die für die bisher ernannten Landräte stattfinden müßte, abgewählt zu werden. Immerhin waren sich einige Landräte i m klaren, daß sie nur als staatliche Beamte die Chance gehabt hatten, ihr A m t zu erlangen. Doch dürfte auch in den südlichen Landesteilen dieses persönliche Motiv nicht entscheidend gewesen sein, und es wurde auch tatsächlich keiner der Landräte 1955/56 abgewählt. Die südbadischen Landräte wurden in ihren Ansichten noch bestärkt von den badischen Gemeinden, deren Vertreter als stellvertretende Kreisvorsitzende 31 32 33
A k t e n L K T B W Μ 1100. Interview. Stuttgarter Zeitung 6. 3.1952.
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m i t i n der Arbeitsgemeinschaft der Landkreise saßen. Diese wünschten eine organisatorische Trennung von Landratsamt und Kreisselbstverwaltung, die nur vom Landrat koordiniert werden sollten. Bei einer Einheitsbehörde würden Staats- und Selbstverwaltung verwischt und die staatlichen Angelegenheiten i m Vordergrund stehen. Hinter diesen Forderungen steht also ein ausgeprägtes Mißtrauen gegenüber dem Landkreis, der durch eine Vereinigung von kommunaler und staatlicher Behörde und durch einen kommunalen Landrat an Gewicht gewinnen könne. Außerdem wurde der Gegensatz von Staats- und Selbstverwaltung noch sehr stark empfunden. Der staatliche Landrat hatte jedoch auch i n den nördlichen Landesteilen, wo er abgeschafft war, noch Anhänger. So war i m WGT intern eine große Zahl von Bürgermeistern, wenn nicht die Mehrheit, für ihn 3 4 . Der Grund lag i n der Erwartung, ein Landrat müsse, um wiedergewählt zu werden, eine besondere A k t i v i t ä t entwickeln. Die Ausdehnung des Einflusses des Kreises, die auf Kosten der Gemeinden gehen mußte, wurde so von einem kommunalen Landrat befürchtet. Diese Ansicht stimmt letztlich überein mit der Ansicht, der kommunale Landrat habe eine stärkere Stellung und sei dynamischer, nur daß dies hier als negativ bewertet w i r d aus der Interessenlage der Gemeinden heraus. Eine große Anzahl von Bürgermeistern war jedoch wegen der allgemeinen Betonung der Selbstverwaltung für den kommunalen Landrat. Das Argument, dieser sei von den Bürgermeistern eher abhängig, das von seinen Gegnern angeführt wurde, spielte dagegen offensichtlich auch bei internen Diskussionen keine Rolle, wodurch es sehr fragwürdig wird. Die Uneinigkeit innerhalb der Gemeinden machte es unmöglich, daß eine offzielle Stellungnahme dazu abgegeben wurde. Auch bei der Beratung der Landkreisordnung wurde nicht Stellung genommen. Die internen Erwägungen drangen aber vor allem deshalb nicht an die Öffentlichkeit, weil sich ein kommunaler Verband nicht gut für die Verstärkung des Staatseinflusses aussprechen konnte. Weit wichtiger als der Widerstand der staatlichen Landräte in den südlichen Regierungsbezirken und einiger Bürgermeister war der der Bürokratie des Landes. Das hier relevante Innenministerium — mit Ausnahme der Kommunalabteilung — und vor allem sein Ministerialdirektor Fetzer sowie die Regierungspräsidien waren geschlossen für den staatlichen Landrat und kämpften sehr energisch dafür. Die Gründe, die i m Staatsverständnis und in der Ablehnung der Politisierung dieses Amtes liegen, wurden bereits oben dargelegt. Daneben spielte sicher eine große Rolle, daß man das Landratsamt für die Personalpolitik des Landes sich offenhalten wollte. Man wünschte einen viel34
Interview. Z u m Folgenden A k t e n des WGT.
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seitig ausgebildeten Nachwuchs mit „Fronterfahrung" für die M i n i sterien 35 . Dieses zweifellos legitime Interesse wurde auch von den kommunalen Landräten anerkannt. Dagegen muß bezweifelt werden, ob es dem Innenministerium wirklich darum ging, eine möglichst gute Besetzung des Amtes des Landrats zu sichern. Von Vertretern der Kommunalabteilung wurde gerade der Abteilung I (Behörden) desselben Hauses vorgeworfen, sie habe den Landrat auf einer niedrigen Stufe festhalten wollen, und auch für die übrigen staatlichen Beamten des Landratsamts oft bewußt nicht die besten Beamten entsandt, was zum Teil Unvermögen gewesen sei, zum Teil aber auch die Absicht, die Landkreise klein zu halten. Wieweit dies zutreffend ist, kann nicht nachgeprüft werden. Es zeigt jedoch den Kernpunkt der Haltung der Ministerialbürokratie. Es ging ihr darum, einen möglichst großen Einfluß des Staates, und damit praktisch der Innenverwaltung, auf die untere Verwaltungsbehörde zu behalten 36 . Dieser ist durch die staatliche Ernennung und jederzeitige Abberufungsmöglichkeit wesentlich größer, obwohl die Möglichkeiten der Fachaufsicht in beiden Fällen formell die gleichen sind und der kommunale Landrat als untere Verwaltungsbehörde voll den Weisungen der übergeordneten Behörden untersteht. Es geht i n erster Linie um eine Machtfrage, bei der die allgemeine Staatsverwaltung durchaus eigene Interessen vertritt. Es handelt sich dabei um wesentlich mehr als etwa die häufigen Meinungsverschiedenheiten zwischen verschiedenen Ressorts um ihre A b grenzung. Es ist ein echter Interessengegensatz zwischen den verschiedenen Ebenen der Verwaltung, bei dem das Innenministerium und die Regierungspräsidien sich durchaus, ebenso wie die Landkreise, wie eine Interessengruppe verhielten, die darüber hinaus den Vorteil hat, an einer entscheidenden Stelle des Entscheidungsprozesses zu stehen. Dies kann festgestellt werden unabhängig von der Frage, ob es mit irgendwelchen übergeordneten Interessen zusammenfällt. Auch wenn dies der Fall ist, widerspricht die Motivation des Innenministeriums dennoch den traditionellen Vorstellungen der Beamtenschaft als eines über den Interessen stehenden objektiven Richters. Daß es sich keineswegs um rein persönliche Ansichten der Beteiligten handelt, sondern diese bestimmt sind von der jeweiligen Position, die sie einnehmen, kann an mehreren Beispielen deutlich gemacht werden. So hielt Dr. Schöneck, damals in der Kommunalabteilung des Innenministeriums, 1951 einen Vortrag, i n dem er feststellte, eine M i t w i r kung des Staates bei der Bestellung des Landrats sei weder als Bestätigung noch als Präsentation noch als Beanstandung möglich. Auch 35
Interview. Vgl. auch Regierungsentwurf. 1145, S. 1498. 36
Begründung.
Beilagen
1. Periode
Nr.
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staatliche Beamte auf der Kreisstufe (d. h. auch unterhalb der Landräte) würden mit Recht bekämpft, und die staatlichen Sonderbehörden sollten wieder i n das Landratsamt eingegliedert werden. Als Dr. Schöneck zum Regierungspräsidenten von Nordwürttemberg ernannt wurde, änderte er seine Ansicht völlig und trat für den staatlichen Landrat ein 3 7 , ja er kämpfte unter allen Regierungspräsidenten am meisten für ihn, da er „regieren" wollte, wie ein Beamter des Innenministeriums meinte. Ähnliches gilt für den Regierungspräsidenten von Südbaden, Waeldlin, der auch als Regierungspräsident Anhänger des staatlichen Landrats wurde. Der urngekehrte Fall trat dagegen beim Ministerialdirektor des Innenministeriums, Dr. Fetzer, ein, der nach seiner Pensionierung i n der Selbstverwaltung tätig wurde und hier bei weitem nicht so zentralistische Ansichten entwickelte wie i m Ministerium. I m übrigen t r i t t das Innenministerium — wie umgekehrt die Landräte — heute noch unverändert für den staatlichen Landrat ein. Eine wichtige Ausnahme i m Innenministerium bildete die Kommunalabteilung unter Ministerialrat Dr. Meyer-König 3 8 , der selbst aus der Kommunalverwaltung kommend für deren Anliegen sehr aufgeschlossen war. Dies ist natürlich nicht nur auf seine persönliche Haltung zurückzuführen, sondern entspricht auch der verwaltungspolitischen Aufgabe der Kommunalabteilung, die in den Ministerien eine Schutzfunktion für die Selbstverwaltung ausüben soll 3 9 . Er trat aus zwei Gründen für den kommunalen Landrat ein 4 0 : Einmal ging er von einem Verständnis der Selbstverwaltung aus, wie es in der Steinschen Reform vorhanden war, und er forderte eine Demokratisierung der Verwaltung durch die Selbstverwaltung auch i m Landkreis. Daneben war für ihn ausschlaggebend, daß er eine parteipolitische Besetzung der staatlichen Landratsstellen befürchtete, eine Gefahr, die weit größer sei als die der Politisierung durch die Wahl. Er meinte, es komme dem Kreistag wohl stets darauf an, einen Fachmann als Landrat zu haben und weniger nach Proporzgründen zu entscheiden. Die Besetzung durch die Parteien war in Württemberg-Hohenzollern tatsächlich üblich gewesen und hatte zu einem strikten Proporz mit Bevorzugung der SPD geführt. Meyer-König sah die Hauptgefahr darin, daß diese Wünsche der Parteien sich mit denen der Bürokratie träfen, die dabei i m guten Glauben handle, gegen unsachliche und parteipolitische Bestrebungen zum Besten des Ganzen zu handeln. 37
Interview. Demgegenüber waren seine Nachfolger durchaus Verfechter des staatlichen Landrats. 39 Vgl. Bertram, S. 156 ff. 40 Vgl. dazu seine Schrift: Grundprobleme der organisatorischen V e r w a l tungsreform, Reutlingen 1950. 38
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Ausgehend von diesen Ansichten kam es i m Innenministerium zu starken Spannungen zwischen der Kommunalabteilung und den übrigen Abteilungen sowie dem Ministerialdirektor. Die Kommunalabteilung arbeitete trotzdem planmäßig auf den kommunalen Landrat hin, wobei sie auch durch den Innenminister in gewissem Umfang gedeckt wurde. Dabei kam es auch zu einer engen Zusammenarbeit m i t den kommunalen Verbänden, insbesondere mit dem Verband württembergbadischer Landkreise, der durch die Kommunalabteilung stets sehr gut informiert wurde. M i t der Zustimmung seines Ministers griff Dr. Meyer-König auch i n die öffentliche Diskussion ein, indem er anonym einen A r t i k e l in der Stuttgarter Zeitung veröffentlichte 41 , der in Gesprächsform die Argumente zwischen staatlichem und kommunalem Landrat abwog und schließlich sich für letzteren entschied. Dies war wegen der Zustimmung des Ministers zwar rechtlich durchaus mit seinen Amtspflichten vereinbar, doch verurteilte der Ministerpräsident dieses Vorgehen. Auch bei der Beratung der Landesverfassung und des Landesverwaltungsgesetzes kam dieses überworfene Verhältnis mehrfach zutage. Die kommunalen Landräte sahen sich einer Front gegenüber, die zweifellos über großen Einfluß verfügte, insbesondere da auch der Ministerpräsident Dr. Gebhard Müller (CDU) aus der Tradition der deutschen Verwaltung heraus für den staatlichen Landrat eintrat. Die kommunalen Landräte waren jedoch i n der Diskussion der Frage wesentlich energischer und ihr Verband wesentlich aktiver, schon weil er als einziger eine ausgebaute Geschäftsstelle hatte. Diese Struktur des Verbandes hängt natürlich wiederum mit dem kommunalen Landrat zusammen. Es gelang ihnen sowohl, andere Verbände für sich zu gewinnen, als auch Einfluß auf die öffentliche Diskussion zu nehmen. Sie versuchten auch, die Basis ihrer Forderungen i n der Öffentlichkeit zu verbreitern. U m den Kreisverordneten klar zu machen, welche Rechte ihnen verlorengehen könnten, wurde 1953 abgesprochen, dieses Thema i n den Kreistagen zu behandeln 42 . Dort herrschte verständlicherweise wenig Neigung, die einmal erworbenen Mitwirkungsrechte wieder aufzugeben. So kamen meist Resolutionen zustande, die die Wahl des Landrats forderten 4 3 : nur selten erhoben sich dagegen Stimmen. Damit wurde m i t Erfolg der Eindruck erweckt, die einmal getroffene Entscheidung für den kommunalen Landrat lasse sich nur sehr schwer wieder rückgängig machen. Auch wurden dadurch die lokalen Gremien der Parteien in ihrer Haltung sicherlich beeinflußt. Dieses M i t t e l wurde 41 42 43
Stuttgarter Zeitung 16. 4.1952, S. 3. A k t e n L K T B W Μ 1100. ζ. Β. Stuttgarter Zeitung 22. 5.1953.
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auch vor der Beratung der Landkreisordnung i m Landtag wieder angewandt. Da die Entscheidung i m Landtag, und damit in den Parteien erfolgen mußte, kam es vor allem auch auf deren Beeinflussung an. Hier waren die kommunalen Landräte insofern wesentlich i m Vorteil, als sowohl i m Landtag nur kommunale, nicht aber staatliche Landräte saßen, als auch viele der gewählten Landräte den Parteien angehörten und auch außerhalb der Fraktion i m Sinne ihrer Anschauungen wirkten. Dies gilt besonders für die CDU. So gelang es, i m Februar 1953 einen Beschluß der badischen CDU zu erreichen, in dem diese die Wahl forderte, da die Selbstverwaltungsangelegenheiten des Kreises stark zugenommen hätten. Zur Beratung der Landkreisordnung forderte wiederum der koordinierte Landesparteivorstand von Nord- und Südbaden am 22. 1. 1955 den kommunalen Landrat, wobei die Kandidaten in Benehmen mit der Landesregierung aufgestellt werden sollten 44 . Auch auf einer Fraktionssitzung der CDU Anfang Januar 1955 setzte sich diese Ansicht durch, wobei auf dieser Sitzung auch Landräte der CDU anwesend waren, die nicht der Fraktion angehörten. Die gleiche Haltung wurde auf einer kommunalpolitischen Tagung der CDU in U l m am 22. 1.1955 vertreten 4 5 . Es ist bemerkenswert, daß sich der kommunale Landrat in dieser Partei durchsetzte, obwohl ihr eigener Ministerpräsident entschieden anderer Ansicht war. Dies gilt nicht nur für die nördlichen Landesteile, sondern auch etwa für Südbaden, wo es den staatlichen Landräten nicht gelang, die dort dominierende Partei zu beeinflussen. Ganz anders verlief die Entwicklung dagegen in der SPD. Auch hier waren die der Partei angehörenden Landräte der nördlichen Regierungsbezirke aktiv, doch gehörten ihr in Südwürttemberg ebenfalls zahlreiche (staatliche) Landräte an. Diese Relation zugunsten der staatlichen Landräte war aber nicht allein entscheidend. Die Frage wurde beraten auf einer kommunalpolitischen Tagung der SPD am 11. 1. 195346, wobei je ein Landrat die verschiedenen Ansichten vortrug. Zwar hob der Vertreter des kommunalen Landrats vor allem auf den Gegensatz von autoritärer und dynamischer Amtsführung ab, doch scheint dieses Sachargument weniger wichtig gewesen zu sein als die Überlegung, daß die Chancen der SPD bei einem staatlichen Landrat besser seien als bei einem kommunalen, wenigstens solange die Partei an der Regierung beteiligt war. Dies läßt sich auch aus den Verhältnissen i n 44
Stuttgarter Zeitung 24.1.1955. Ebenso die Kommunalpolitische Vereinigung der CDU von Nordbaden, vgl. Stuttgarter Nachrichten 15.11.1954. 46 A k t e n des L K T B W Μ 1100. 45
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Südwürttemberg zweifelsfrei belegen. Die von der Kommunalabteilung befürchtete Politisierung von der Zentrale her durch Patronage war eindeutig ausschlaggebend, daß i n der Partei eine Mehrheit dem staatlichen Landrat zuneigte 47 . Dies hinderte allerdings viele Abgeordnete aus den nördlichen Landesteiien nicht, aus der allgemein selbstverwaltungsfreundlichen Haltung der SPD heraus, und weil der Gedanke sich dort schon so sehr verbreitet hatte, trotzdem für den kommunalen Landrat zu stimmen. Dies g i l t auch für den Innenminister Ulrich. Genau die gegenteilige Erwägung spielte andererseits bei der CDU eine Rolle. Sie war für den kommunalen Landrat auch aus der Erwartung, so einen größeren Anteil der Posten besetzen zu können. Für die Haltung der CDU sind damit drei Gründe maßgebend: der Einfluß der unteren Parteiorganisationen, besonders der nördlichen Landesteile, die auf ihr Wahlrecht nicht mehr verzichten wollten, der Einfluß der Landräte in der Partei und die Erwägung, bei einer Wahl besser abzuschneiden. Bei der FDP spielte das Wirken der Landräte in der Partei kaum eine Rolle, obwohl Dr. Hermann Müller (Schwäbisch Hall) schon damals Einfluß hatte. Dagegen war eine gewisse Unterscheidung der Abgeordneten nach Regierungsbezirken durchaus vorhanden. So war Menges (Verband badischer Gemeinden) entschieden für den staatlichen Landrat und die Trennung von Selbstverwaltung und Staatsbehörde. Er war hier der Exponent der südbadischen Gemeinden, die dadurch hofften, den Landrat weitgehend auf die Staatsbehörde zu beschränken und eine Stärkung der Landkreise zu verhindern. I m übrigen waren die meisten Abgeordneten der nördlichen Landesteile für den kommunalen Landrat, bedingt durch die allgemein kommunalfreundliche Haltung der FDP. A m wichtigsten war Altministerpräsident Reinhold Maier, unter dessen Amtszeit in Württemberg-Baden der kommunale Landrat in der Verfassung verankert worden war 4 8 . Er war auch nachher mehrfach für den kommunalen Landrat eingetreten 49 . Es zeichnete sich also bereits vor der Beratung der Landkreisordnung eine Mehrheit i m Landtag für den kommunalen Landrat ab. Dies war zweifellos auch den Beamten des Innenministeriums klar, die aber dennoch versuchten, für ihre Ansicht das Beste herauszuholen. Der Innenminister war zwar persönlich für den kommunalen Landrat eingestellt, aber nahm auf das Ministerium in dieser Frage keinen Einfluß. Die Vorstellungen des Referentenentwurfs entsprechen damit weitgehend denen der Bürokratie, und damit war natürlich auch der 47 48 49
Interview. A r t . 98 Abs. 5, S. 1. So am 22. 6.1950 vgl.: Die Selbstverwaltung 1950, S. 230.
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Regierungsentwurf präjudiziert. I m Innenministerium setzte sich aber weitgehend der Ministerialdirektor und die Abteilung I gegen die Kommunalabteilung durch. Trotz allem wurde versucht, den staatlichen Landrat durchzusetzen. I m Referentenentwurf vom Oktober 1954 ließ die Kommunalabteilung daher i n der Erwägung, daß das Haus einen anderen Entwurf nicht hinnehmen werde und daß die Entscheidung letztlich doch i m Landtag getroffen werde, offen, ob der staatliche oder kommunale Landrat eingeführt werde. Es waren alternative Regelungen für beide Fälle ausgearbeitet. Für den Fall des staatlichen Landrats war dabei vorgeschlagen, daß die endgültige Bestellung i m Einvernehmen mit dem Kreistag zu erfolgen habe. Für den gewählten Landrat war dagegen vorgesehen, daß das Innenministerium aus den Bewerbern nach Anhörung des Kreisrats drei Kandidaten dem Kreistag zur Wahl vorschlagen sollte. Es handelte sich also auch hier nicht u m eine echte Wahl, sondern letztlich u m ein Übergewicht des Innenministeriums, um einen verkappten staatlichen Landrat. Andererseits war noch zusätzlich eine Reihe weiterer Sicherungen für den kommunalen Landrat eingebaut, vor allem die allgemeine Stellvertretung durch den ersten Landesbeamten am Landratsamt. Dies war für beide Formen des Landrats vorgesehen, obwohl es beim staatlichen widersinnig gewesen wäre. Dies zeigt, daß man sich auf den kommunalen Landrat einstellte. Weitere Sicherungen waren die Qualifikation für Bewerber um das A m t und das Recht der Landesbeamten, wieder in den Landesdienst zurückkehren zu können, wodurch für diese ein Anreiz geschaffen wurde. Die Entscheidung zwischen beiden Möglichkeiten wurde i m Kabinett getroffen und fiel zugunsten der kommunalen Lösung aus. Doch wurde auch hier nichts geändert an dem Vorrang des Ministeriums bei der Kandidatenbenennung. I m Ministerrat gab es eine Kampfabstimmung 5 0 . Es scheint so zu sein, daß der Ministerpräsident G. Müller (CDU, Südwürttemberg) sich auch hier für den staatlichen Landrat einsetzte, unterstützt von Wirtschaftsminister Veit (SPD, Nordbaden). Innenminister Ulrich (SPD, NW) war für den kommunalen Landrat, ohne daß aber angenommen wird, daß er energisch dafür kämpfte. Deutlich für den kommunalen Landrat war dagegen Finanzminister Frank (FDP, NW). Den Ausschlag dürfte w o h l auch hier die Erwägung gegeben haben, daß der staatliche Landrat nicht durchzusetzen sei. Dies hatte sich auch bei Anhörung des kommunalen Beirats gezeigt, bei der ein Oberbürgermeister das markige Wort gesprochen hatte, ein staatlicher Landrat komme nur über seine Leiche i n seine alte Freie Reichsstadt. 50
Interview.
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Abgeändert wurden i m Kabinett die Übergangsbestimmungen für die bisher ernannten Landräte. Für sie sollte keine echte Neuwahl, wie i m Referentenentwurf, stattfinden, sondern nur eine geheime Abstimmung darüber, ob der Kreistag mit dem Verbleiben des Landrats einverstanden ist, oder eine echte Wahl wünscht 51 . Damit handelt es sich de facto um eine A b w a h l des Landrats. Da eine Wahl m i t einer gewissen Unsicherheit verbunden ist, war dies nur als Ausnahme zu erwarten. Die Regelung kam den persönlichen Interessen der Landräte entgegen und erleichterte eine Durchsetzung der Änderung. Außerdem lag es auch i m Interesse der Verteidiger des staatlichen Landrats, diese so weit wie möglich zu erhalten. Für die Einführung der Bestimmung war aber wohl i n erster Linie die SPD maßgebend, die um ihre Landräte i n Südwürttemberg fürchtete und diese Bestimmung auch i m Landtag energisch verteidigte. M i t der Abstimmung i m Kabinett war die Entscheidung grundsätzlich zugunsten des kommunalen Landrats gefallen. Dies bedeutet allerdings nicht, daß die Auseinandersetzungen damit beendet gewesen wären. I m Landtag wurden sie weitergeführt, und daneben wurde auch über die Frage der Kandidatenbenennung diskutiert sowie über die Organisation des Landratsamts, die beide unter demselben Gesichtspunkt des Einflusses des Staates zu sehen sind. Dennoch war schon vor den Landtagsberatungen eine wichtige Vorentscheidung gefallen. Den Grund kann man sicher nicht einfach darin sehen, daß die besseren Argumente für den kommunalen Landrat gesprochen hätten, denn beide Seiten konnten gewichtige Gründe anführen. Es handelt sich vielmehr um einen grundsätzlichen politischen K o n f l i k t zwischen Land und Selbstverwaltung, i n dem die Interessen einer ganzen Reihe von Beteiligten berührt waren. Die Entscheidung fiel durch eine Koalition der verschiedenen Interessen. Ausschlaggebend war dabei letztlich die größere politische Wirksamkeit, die die kommunalen Landräte entfalteten. Dies gilt sowohl für die Ebene der einzelnen Landkreise, wie für die der Parteien und Verbände. Die Fronten der Interessen verlaufen heute noch ähnlich wie 1954/55 bei der Entscheidung für den kommunalen Landrat, höchstens noch eindeutiger zwischen Landkreisen und Innenministerium. Dasselbe gilt für den Landtag, der auch heute i n dieser Frage keineswegs eine einheitliche Ansicht vertritt. Mehrere Kenner seiner Willensbildung meinen sogar, die Entscheidung würde heute zugunsten des staatlichen Landrats ausfallen 52 , wenn sie noch einmal zu treffen wäre. Das er51 52
§ 54 Abs. 1 L K O . Interview.
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3. Kap.: Staats- u n d Selbstverwaltung
scheint aber doch als fraglich, da dann doch wieder dieselben Faktoren wirksam würden wie seinerzeit. Insbesondere ist fraglich, ob die lokalen Gremien der Parteien sich die Wahl des Landrats wieder nehmen lassen würden. b) Die Beratungen des Landtags und die Frage der unteren Verwaltungsbehörde Noch mehr setzten sich die Vorstellungen des Innenministeriums gegenüber denen der Kommunalabteilung durch i m Landesverwaltungsgesetz, für das die Abteilung I federführend war. Da man mit dem kommunalen Landrat rechnen mußte, kam es dem Innenministerium vor allem darauf an, eine untere staatliche Verwaltungsbehörde auf der Kreisebene zu behalten, d. h. eine gesonderte Behörde neben der Kreisselbstverwaltung. Sie sollte nur i n der Person des Landrats mit ihr vereinigt sein, wie es i n den südlichen Landesteilen der Fall war. Die Lösung des Innenministeriums war jedoch nicht einfach eine Übernahme dieser Bestimmungen, sondern insofern ein neuer Gedanke, als es eine bewußte politische Entscheidung war, die sich gegen den kommunalen Landrat richtete 53 . A u f die Argumente für diese Lösung soll weiter unten i m Zusammenhang eingegangen werden. Der Zweck war jedenfalls, die untere Verwaltungsbehörde möglichst stark auszubauen, den Einfluß auf sie soweit wie möglich zu erhalten sowie unter Umständen langfristig den Landrat aus der Staatsbehörde zu verdrängen. So wurde nach Äußerungen von Gebhard Müller von der Arbeitsgemeinschaft badischer Landkreise am 28.1.1955 sogar erwogen, einen staatlichen Landrat zu ernennen und es dem Kreistag zu überlassen, ob er ihn auch zum Leiter der Kreisselbstverwaltung wählen wollte 5 4 . Die Vorstellungen des Innenministeriums bedeuteten, daß die Bestimmungen über die untere Verwaltungsbehörde i n das Landesverwaltungsgesetz aufgenommen und zusammen mit diesem vorgelegt wurden. Der Antrieb zu dieser politischen Entscheidung kam eindeutig von Beamten des Innenministeriums, die hier eigene politische Ziele verfolgten. Es wurde auch i m Ministerrat gebilligt, vor allem vom Ministerpräsidenten unterstützt, wobei Innenminister Ulrich wohl nicht widersprach, obwohl seine politischen Intentionen ganz anders waren. Die Kommunalabteilung dagegen sah dies von Anfang an als verkehrt an. I m Landtag verlagerte sich die Diskussion so von der Frage des Landrats hauptsächlich auf die der Doppelbehörde. 53 54
So die übereinstimmende Ansicht mehrerer damals Beteiligter. A k t e n L K T B W Μ 1100.
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Diese Entscheidungen kamen für die kommunalen Landesverbände überraschend. Das Landesverwaltungsgesetz war wegen der schwierigen Beratungen über die territoriale Reform der Kreise und Regierungsbezirke sehr lange verzögert worden. U m eine Beratung noch i n der laufenden Legislaturperiode zu erreichen, wurde das Gesetz, aus dem die territoriale Reform der Kreise ausgeklammert worden war, sehr schnell i m Landtag eingebracht (am 9.11.1954) 55 , nachdem erst Ende Oktober die ersten Informationen durchgedrungen waren. Erst danach wurde die Landkreisordnung am 29.12.1954 eingebracht 56 . Diese Eile machte es zugleich unmöglich, das Landesverwaltungsgesetz dem Kommunalen Beirat vorzulegen und die verfassungsmäßig vorgeschriebene Stellungnahme der kommunalen Spitzenverbände vorher einzuholen. Es ist denkbar, daß das Innenministerium diesen Überraschungseffekt ausnutzen wollte. Über die Frage, ob eine Einheitsbehörde oder zwei Behörden auf der Kreisebene bestehen sollten, war bis dahin wenig diskutiert worden. Einig war man nur darüber, die Verbindung von Staats- und Selbstverwaltung territorial und i n der Person des Landrats grundsätzlich aufrechtzuerhalten, nicht dagegen über die rechtliche Natur dieser Behörde. Dementsprechend zog sich die Diskussion i m Verwaltungsausschuß des Landtags sehr lange hin vom 15.12.1954 bis zum 10.5.1955. Die Landesregierung, d. h. hier die Beamten des Innenministeriums und der Ministerpräsident verteidigten ihre Position i n dieser Frage ganz besonders hartnäckig. Es erhebt sich die Frage, worauf dies zurückzuführen ist. Die Begründung des Landesverwaltungsgesetzes zu dieser folgenschweren Entscheidung war äußerst knapp 5 7 . Es wurde nur hingewiesen auf Art. 75 Abs. 1 der Landesverfassung, wo davon die Rede ist, daß eine Staatsbehörde die Gemeindeaufsicht ausübe. Daraus wurde deduziert, als Staatsbehörde komme nur das Landratsamt i n Frage und ihm würden zweckmäßigerweise auch die anderen staatlichen Aufgaben übertragen. Die Einheit bleibe i n der Person des Landrats gewahrt. Dieser Verfassungsartikel spielte auch i n der folgenden Diskussion i m mer wieder eine Rolle, da er eine rein kommunale Behörde rechtlich unmöglich machte. Betrachtet man ihn jedoch, so zeigt sich, daß i m entscheidenden Abs. 1 S. 1 nichts über die Natur der Aufsichtsbehörde ausgesagt wird. Erst i n S. 2 w i r d i n anderem Zusammenhang i n einem Nebensatz beiläufig erwähnt, daß es sich um eine Staatsbehörde handeln soll. Eine Präjudizierung dieser Frage gehörte offensichtlich nicht 55 56 57
Beilagen 1. Periode Nr. 948. Beilagen 1. Periode Nr. 1154. Beilagen 1. Periode Nr. 948, S. 1189.
12 Geißelmann
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zum K e r n dessen, was i n diesem A r t i k e l geregelt werden sollte. Die Protokolle des Verfassungsausschusses zeigen, daß man sich über die Tragweite dieser Worte auch nicht i m klaren war. Die Formulierung kam durch einen eigentlich eine andere Frage betreffenden Antrag von Prof. Gönnenwein herein 5 8 , eines Anhängers des staatlichen Landrats. Es wurde jedoch von verschiedenen Seiten vermutet, daß der eigentliche Urheber i m Innenministerium saß. Er habe diese Bestimmung i n den A r t i k e l hineingeschmuggelt, u m damit den staatlichen Landrat durch die Verfassung zu präjudizieren. Dies würde zeigen, wie hartnäckig das Ministerium seine Interessen verfolgt. I m Regierungsentwurf des Landesverwaltungsgesetzes wurde eigentlich keine Begründung für das Abweichen von der Regelung i n W ü r t temberg-Baden gegeben. Diese erfolgte nachträglich i n einem Schreiben des Ministerpräsidenten vom 14.12.1954 59 sowie tags darauf i n einer Rede vor dem Verwaltungsausschuß des Landtags. I n seinem Schreiben lehnte er die Verwandlung der Staatsaufgaben der unteren Verwaltungsbehörde i n Weisungsaufgaben ab, da es von den anderen Ländern abweiche. Die Bundeseinheitlichkeit war aber für die Regierung sicher nicht maßgebend, da ihre Lösung gerade nur noch i n den Ländern der ehemaligen französischen Zone existierte. Weiter führte er an, daß es sich hier um Aufgaben handle, die nur einen geringen Raum für eine nach pflichtgemäßem Ermessen frei gestaltende Tätigkeit ließen. Sie seien daher für die Selbstverwaltung ungeeignet und nur eine Belastung. Doch t r i f f t dieses Argument nicht ganz, da es sich ja nur u m die organisatorische Frage handelt. Weiter folgerte er aus dem Selbstverwaltungsrecht, daß den Landkreisen für Weisungsaufgaben zukünftig keine staatlichen Beamten mehr zugeteilt werden dürften, obwohl dies damals i n den nördlichen Regierungsbezirken der Fall war. Daraus ergäben sich aber personalpolitische Schwierigkeiten, einmal für die Landkreise, die ihre Beamten nicht versetzen können, da es jeweils sehr wenige sind, zum anderen kämen Kreisbeamte bei Konflikten m i t den Gemeinden, die i n der Kommunalaufsicht häufig seien, eher i n Versuchung nachzugeben. Vor allem sei aber der Austausch der Beamten zwischen den Zentralbehörden und der unteren Verwaltungsbehörde nicht mehr möglich, da eine Übernahme kommunaler Beamter i n den Staatsdienst aus mehreren Gründen unpraktikabel sei. Dadurch bekomme der Staat aber keine Beamten m i t Erfahrung „an der Front" mehr, und es bestehe die Gefahr, daß vom Grünen Tisch Entscheidungen gefällt würden. Dieses Argument, das i n der Diskussion eine zentrale Rolle spielte, wurde allgemein anerkannt, und auch die Land58 59
Protokoll des Verfassungsausschusses 13.11.1952, S. 98 ff. Protokoll des Landtags 1. Periode, S. 3665.
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kreise verschlossen sich dem nicht. Es hängt jedoch alles daran, ob die Deduktion richtig ist, für Weisungsaufgaben dürften den Landkreisen keine staatlichen Beamten zugeteilt werden, wie es i n WürttembergBaden trotz der Landesverfassung gewesen war. I n seiner Rede vor dem Verwaltungsausschuß brachte der Ministerpräsident dann noch eine Reihe weiterer Argumente vor 6 0 . Die allgemein geforderte Bereitschaft zur Verlagerung von Aufgaben nach unten sei um so größer, je sicherer es sei, daß die Aufgaben i n der Hand des Staates blieben. Die Einheit der Verwaltung sei nur denkbar bei einer staatlichen Behörde, auch i n der Form der Koordinierung, w i e sie i m Landesverwaltungsgesetz vorgesehen war, aber noch mehr natürlich bei einer weitergehenden Vereinheitlichung. Dies wurde oft auch als Argument für einen staatlichen Landrat angeführt, doch handelt es sich dabei nur um einen Vorwand. Man kann sicher annehmen, daß auch bei einem v o l l staatlichen Landrat die Einheit der Verwaltung nicht hergestellt worden wäre. Ebenso ist ein weiteres Argument Gebhard Müllers nur taktisch zu verstehen, als ein Appell an den Landtag und seine Interessen. Eine parlamentarische Kontrolle sei nur bei einer Staatsbehörde gegeben, die Kontrolle durch die Kreisorgane sei kein Ersatz für die des Parlaments. Dieses Argument t r i f f t nicht, da ja ein Weisungsrecht der Fachaufsichtsbehörden i n jedem Fall besteht. Der Hauptantrieb für Gebhard Müller, sich i n dieser Frage zu engagieren, lag aber wohl, neben der Frage der Personalpolitik, i n dem Argument, es gehe nicht an, daß der staatliche Verwaltungsaufbau beim Regierungspräsidium aufhöre. Der Staat werde damit auf der Stufe ausgeschaltet, die für den Staat von entscheidender Bedeutung sei: i m direkten Verkehr m i t dem Publikum. Auch sei nur durch eine staatliche Behörde ein Zusammenwirken von Staat und Gemeinden zu sichern. Sonst drohe die Sprengkraft der örtlichen Bedürfnisse und unter Umständen eine Gefährdung des Ganzen. Hier zeigt sich also erneut, daß durchaus konkrete Interessen der Bürokratie des Landes bestehen, die vom Ministerpräsidenten verteidigt wurden und die i m Ausschuß auch m i t Recht teilweise anerkannt wurden. Dazu t r i t t noch ein ideologisches Staatsverständnis, für das eine Kommunalisierung unmöglich war. Daß die Teilung der Behörden gegen den kommunalen Landrat gerichtet war, zeigen auch die erwähnten Äußerungen des Ministerpräsidenten am 28.1.1955 vor der Arbeitsgemeinschaft badischer Landkreise. Für den Verband württemberg-badischer Landkreise waren durch die Regierungsentwürfe die wichtigsten kommunalpolitischen Forde60
1*
Protokoll des Verwaltungsausschusses 15.12.1954, S. 22 - 27.
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rungen nicht erfüllt worden. Man strebte hier die Regelung von Württemberg-Baden an, d. h. die Übertragung der Staatsaufgaben als Weisungsaufgaben. Dies bedeutete i m Gegensatz zum Regierungsentwurf, daß keine Dienst-, nur Fachaufsicht erfolgt, daß das Weisungsrecht (theoretisch) begrenzt wäre, daß i n der vereinigten Behörde eine andere innere Organisation möglich wäre und die Beamten zwischen staatlichem und kommunalem Bereich austauschbar wären. Allgemein wurde der Regierungsentwurf als eine Beeinträchtigung des Selbstverwaltungsrechts angesehen. So meinte ein Landrat, der Staat wolle wie ein Filialbetrieb handeln. Neben den Sonderbehörden solle nun die Großfiliale des staatlichen Landratsamts eingerichtet werden. Es sei dies ein Zentralismus ohnegleichen. Ähnlich argumentierte der Verband i n seiner Eingabe an den Landtag vom 18. 4.1955: der Staatsaufbau soll horizontal, nicht vertikal erfolgen, gemäß dem Subsidiaritätsprinzip. Es wurde auch behauptet, die Verfassung (Art. 69 oder 71, der die Universalität auch für die Landkreise garantiert) werde verletzt. Entscheidend für die Haltung der kommunalen Landräte war wohl, daß man eine Verdrängung der Selbstverwaltung aus dem staatlichen Bereich fürchtete, ein Zurückdrängen des Landrats auf den staatlichen Bereich und eventuell einen staatlichen Landrat 6 1 . Langfristig erwartete man von dieser Entwicklung negative Auswirkungen auf das B i l d des Landrats, der wieder mehr dem Typ des staatlichen Beamten angeglichen werde. Eben diese Erwartung spielte sicher auch eine Rolle i n der Haltung des Abgeordneten Menges, der aus seiner Feindschaft gegen die Kreise heraus die Trennung von staatlichem und kommunalem Bereich aufrechterhalten wollte. Ein weiterer wichtiger Punkt der Argumentation der kommunalen Landräte war, die Einheitsbehörde in Württemberg-Baden habe sich bewährt. Zweifellos wäre die Aufspaltung in zwei Behörden und die Unmöglichkeit, Beamte zwischen ihnen auszutauschen, organisatorisch ein großer Rückschritt gewesen. Es können in einem solchen Fall Reibungen entstehen, und es besteht die Neigung, daß eine Behörde die andere überwacht 62 . U m den Forderungen der Regierung zu begegnen, wurde am 18.11. 1954 eine Landrätekonferenz vom Verband württemberg-badischer Landkreise einberufen 63 , die dazu diente, die Linie des Verbandes zu klären und die Öffentlichkeit auf die eigenen Forderungen aufmerksam 61
Interview. Hier ist zu vergleichen das Gutachten des Bundesbeauftragten für die Wirtschaftlichkeit der V e r w a l t u n g f ü r die Organisation des Landratamtes Göppingen aus dem Jahr 1955 (nicht veröffentlicht). 63 Stuttgarter Zeitung 19.11.1954. 62
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zu machen. Als Hauptfrage wurde hier die Einheitsbehörde mit Weisungsaufgaben angesehen. Dabei wurde ausdrücklich i n einer öffentlichen Erklärung die Zuordnung von Staatsbeamten zum Landkreis begrüßt. Offensichtlich sah man i n der Argumentation der Regierung, die dies für unvereinbar mit dem Selbstverwaltungsrecht hielt und also angeblich die Rechte der Landkreise verteidigte, eine Falle. Der Regierung ging es ja auch in der Tat nicht um eine Verstärkung der Selbstverwaltung, sondern des eigenen Einflusses. Es kam daher zu dem Paradox, daß der Verband immer wieder auf ein Urteil des Staatsgerichtshofs Nordrhein-Westfalen vom 19. 7.1954 hinwies, das feststellte, daß die Personalhoheit der Selbstverwaltung nicht absolut sei und Einschränkungen dulde 6 4 . Die Landräte stellten hier offensichtlich das Ziel der vollen Personalhoheit zurück angesichts der Drohung einer Staatsbehörde. Es kann jedoch festgestellt werden, daß i n der Zeit vorher durchaus gegen die staatlichen Beamten am Landratsamt gekämpft wurde und daß auch heute erneut eine Kommunalisierung wenigstens des mittleren und gehobenen Dienstes verlangt wird. Maßgebend für diese Wünsche ist die leichtere Einstellung, die innere Organisation, der Austausch und die Zusammenarbeit, doch dürfte auch eine Rolle spielen, daß die Stellung der Landräte stärker ist, wenn sie über die Personalpolitik ganz verfügen. Andererseits anerkennen sie auch durchaus die Interessen der Landesbehörden an der Erfahrung von Beamten i m Landkreis. Dies w i r d sich noch unten an der Frage des Stellvertreters des Landrats zeigen. Daß die Ministerialbeamten Erfahrungen in der Kommunalverwaltung haben und so nicht einseitig urteilen, fällt ja auch mit ihren eigenen Interessen zusammen. Wie wichtig dies ist, hat sich bereits oben gezeigt 65 . Weitergehende Wünsche hinsichtlich der Personalpolitik wurden jedenfalls vorerst zurückgestellt. Weitere Forderungen, die auf der Konferenz erhoben wurden, bezogen sich auf die Austauschmöglichkeit der kommunalen und staatlichen Beamten und auf den kommunalen Landrat. Ein Mitwirkungsrecht des Staates solle höchstens in der Form erfolgen, daß er seine Wünsche vor der Wahl vortragen dürfe. Zum Vorgehen wurde festgestellt, es sei wichtig, daß auch die Kreistage sich damit befaßten, damit ihnen nicht ein Teil ihrer Selbstverwaltung verlorengehe. Dies geschah auch i m folgenden jeweils i n diesem Sinn 6 6 . Neben dem Verband württemberg-badischer Landkreise war auch die Arbeitsgemeinschaft badischer Landkreise aktiv. Sie vertrat wie i n 64 65 66
1954.
So auch i n der Eingabe v o m 18. 4.1955, S. 21. s. o. 2. Kapitel, I b). Z u m Beispiel i m Kreistag von Göppingen. Stuttgarter Zeitung 13.12.
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der früheren Diskussion eindeutig die Zweigleisigkeit des Landratsamtes, und zwar waren dieser Ansicht sowohl die staatlichen Landräte wie die stellvertretenden Kreisvorsitzenden. A n Argumenten über die der Regierung hinaus fand sich vor allem die Ansicht, die Selbstverwaltung werde durch die Überlastung mit Staatsaufgaben letztlich ausgehöhlt und ihres eigentlichen Wesensgehalts entkleidet, da es sich um hoheitliche Aufgaben handle 6 7 . Außerdem wurden finanzielle Einbußen der Selbstverwaltung befürchtet durch die Belastung mit der unteren Verwaltungsbehörde (Bezahlung des Sachaufwands und der Angestellten und Arbeiter). Dieses Argument wurde anscheinend vor allem von den stellvertretenden Kreisvorsitzenden vorgebracht, die hier aus ihrer Stellung als Bürgermeister argumentierten und die Kreisumlage möglichst niedrig halten wollten. Für die Stellung des Landrats wurde die bereits geschilderte Linie weiterverfolgt. Zum Regierungsentwurf wurde konkret vorgeschlagen, zwischen Innenministerium und Kreisrat solle Einvernehmen über die Kandidatenbenennung bestehen. Die Arbeitsgemeinschaft hielt zur Landkreisordnung drei Sitzungen zwischen November 1954 und Januar 1955 ab. Der staatliche Landrat wurde dabei bis zuletzt vertreten. Ein Widerhall ist aber nicht festzustellen, außer beim Ministerpräsidenten, der auf der Sitzung vom 28.1. 1955 anwesend war. Er sagte zu, für den staatlichen Landrat i m Landtag bis zum äußersten zu kämpfen, jedoch nahm er dazu weder i m Plenum noch i m Ausschuß Stellung. Vermutlich stellte er schon in seiner Fraktion fest, daß er die Meinungen nicht mehr ändern konnte. Die südbadischen Landkreise waren also in dieser Frage ganz isoliert, trotz der guten Beziehungen zum Ministerpräsidenten. Vielmehr hatte dieser die Beziehung zur Arbeitsgemeinschaft w o h l gesucht, u m eine Unterstützung für seine Position zu finden. Ähnlich wie den südbadischen Landräten erging es den südwürttembergischen. Ähnliche Interessen wie die staatlichen Landräte hatten die Regierungspräsidenten, die sie auch bei der Landesregierung vortrugen. So fand am 10.11.1954 eine Dienstbesprechung aller Regierungspräsidenten statt, auf der beschlossen wurde, auf der staatlichen allgemeinen Behörde auf der Kreisebene zu beharren. Deren Notwendigkeit wurde begründet durch einen Vergleich m i t der angeblichen Notwendigkeit von Sonderbehörden auf derselben Ebene. Sie wandten sich an die Landesregierung, besonders an den Ministerpräsidenten, den sie zu einem Eintreten i n der CDU für den staatlichen Landrat aufforderten. Sie wünschten auch eine stärkere Stellung des ersten Landesbeamten, vor allem durch den stellvertretenden Vorsitz i m Kreisrat 67
Oswald, S. 137 f.
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und — verfassungsrechtlich noch bedenklicher — i m Kreistag. Diese Wünsche wurden von manchen geradezu als der Versuch einer Überwachung der Tätigkeit der Landräte angesehen 68 . Inwieweit solche Erwägungen seitens des Regierungspräsidenten eine Rolle spielten, kann nicht gesagt werden. Die Stellung der ersten Landesbeamten hat sich jedoch seit 1956 nicht in diese Richtung entwickelt. Trotzdem bedeutet dies einen wesentlichen staatlichen Einfluß auf die Organisation des Landratsamtes. Zu Beginn der Landtagsberatungen waren also die meisten Fragen nicht geklärt. Nur die grundsätzliche Entscheidung für den kommunalen Landrat war gefallen, ohne daß aber Einigkeit über das Bestellungsverfahren bestand. I m Landtag wurde zunächst die Frage der Einheitsbehörde aufgeworfen i m Rahmen des Landesverwaltungsgesetzes. Bereits zu dessen erster Lesung am 15.11.1954 wurde ein A n trag der CDU eingebracht 69 , der von zahlreichen Abgeordneten unterschrieben war, darunter den Landräten, vielen Vertretern der Gemeinden und den führenden nordbadischen Abgeordneten, zu denen der Verband württemberg-badischer Landkreise gute Verbindungen hatte. Der Antrag forderte die Übertragung der Aufgaben der unteren Verwaltungsbehörde als Aufgaben nach Weisung wie bei den Stadtkreisen und Großen Kreisstädten auch. I n Abs. 3 war angefügt: „Der Landrat ist bei Ausübung der Rechtsaufsicht über die kreisangehörigen Gemeinden Staatsbehörde." Damit war der Zustand von Württemberg-Baden übernommen m i t Ausnahme der Staatsaufsicht, womit Art. 75 der Landesverfassung Rechnung getragen war. Dies entsprach genau den Forderungen der dortigen Landkreise. Begründet wurde es vom Abgeordneten Gurk m i t der Gleichbehandlung von Stadt- und Landkreis 7 0 . Dieses Argument wurde dann in den Ausschuß-Beratungen vom Bürgermeister einer ländlichen Gemeinde i n der populären Form vorgebracht, es handle sich um eine Diskriminierung, ja Diffamierung nicht nur des Landrats, sondern der Landbevölkerung in ihrer Gesamtheit 71 . A u f der ersten Ausschuß Sitzung zu diesem Thema am 25.11.1954 zeigte es sich i m übrigen, daß, wie es der Zusammensetzung des Ausschusses entsprach, niemand die Lösung des Regierungsentwurfs verteidigte. Nur die personalpolitischen Argumente wurden anerkannt. Es gelang den Vertretern des Innenministeriums jedoch, eine Vertagung zu erreichen. I n der Sitzung vom 15.12.1954 sah sich dann der Ministerpräsident veranlaßt, vor dem Ausschuß zu sprechen, nachdem er am 68 69 70 71
Interview. Beilagen 1. Periode, Nr. 1006. Protokoll des Landtags 1. Periode, S. 2137. Protokoll des Verwaltungsausschusses 25.11.1954, S. 49 ff.
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Tag zuvor ein Schreiben an den Landtag gerichtet hatte. Diese außergewöhnliche Maßnahme zeigt, wieviel Wert die Landesregierung auf diese Frage legte, und zugleich, wie wenig Anklang sie fand. Auch dieses Eingreifen des Ministerpräsidenten veränderte die Lage nicht grundsätzlich. Insbesondere hatte er keinen Widerhall i n seiner eigenen Fraktion, wenn sich auch eine Kompromißbereitschaft abzeichnete. Der kommunale Einfluß i n der CDU war also größer als der des Ministerpräsidenten. I h m stimmte lediglich zu der in der SPD einflußreiche ehemalige Innenminister von Württemberg-Hohenzollern, Renner, der als einziges Mitglied des Ausschusses der staatlichen Verwaltung nahestand. Die Frage wurde erneut vertagt, um i n den Fraktionen eine Klärung der Meinungen zu erreichen. Die entscheidende Sitzung der CDU-Fraktion fand Anfang Januar 1955 statt 7 2 . Daran nahmen auch Landräte der CDU teil, die nicht der Fraktion angehörten. A u f Veranlassung eines Landrats und Abgeordneten wurde auch der Geschäftsführer des Verbands württemberg-badischer Landkreise angehört, nachdem zuvor ein Vertreter der Kommunalabteilung referiert hatte. Der Ministerpräsident war nicht anwesend. Offensichtlich fiel hier die Entscheidung gegen die Wünsche der Regierung sowohl bei der unteren Verwaltungsbehörde wie bei der Wahl des Landrats. Doch kam man ihr mit einem Kompromiß entgegen, der lauten sollte: „Die Landratsämter sind als Verwaltungsbehörde des Landkreises zugleich Staatsbehörde, soweit sie Aufgaben der unteren Verwaltungsbehörden wahrnehmen." Weiter war die Abordnung von staatlichen Beamten zum Landkreis geregelt, und diese durften auch für die kreiskommunalen Aufgaben herangezogen werden. Dieser Kompromiß, der von der Landesregierung vorbereitet worden war, wurde am 13. 1. 1955 i m Ausschuß vorgelegt und schließlich mit etwas anderer Formulierung in § 1 Abs. 3 der Landkreisordnung aufgenommen. Auch die Landkreise waren zu einem solchen Kompromiß bereit. Diese Lösung geht davon aus, daß sich auf der Kreisebene Staatsund Selbstverwaltung begegnen und daher nicht voneinander getrennt werden, sondern sich durchdringen sollen. Es ist dies ein Mittelweg zwischen einer kommunalen Einheitsbehörde und zwei Behörden, einer staatlichen und einer kommunalen. Das Landratsamt bekommt als Verwaltungsbehörde des Landkreises auch den Charakter einer mittelbaren Staatsbehörde 73 , es w i r d i m Wege der Organleihe zu einer Mischbehörde 74 . I n der theoretischen Konstruktion liegt es damit zwi72 73 74
Interview. Vgl. Ausschuß-Bericht, i n : Protokoll des Landtags 1. Periode, S. 3346. Z u r Organleihe Cantner: Verfassungsrecht der Landkreise, S. 447 f.
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sehen den beiden anderen Lösungen. Konkret bedeutet es, daß wie bei einer Staatsbehörde, i m Unterschied zur kommunalen Einheitsbehörde, die vorgesetzte Behörde die Dienstaufsicht hat, sowie ein unbegrenztes Wirkungsrecht. Bei Weisungsaufgaben ist dagegen das Weisungsrecht theoretisch begrenzt, was allerdings nach § 50 L K O nicht verwirklicht wurde. Bei einer Mischbehörde ist andererseits wie bei einer kommunalen Einheitsbehörde, i m Unterschied zum Vorschlag der Landesregierung, nur eine Behörde vorhanden, es kommt zu keinen gegenseitigen Reibungen, und eine innere Organisation ist möglich, die von der Teilung zwischen staatlichen und kommunalen Aufgaben abweicht. Dies kann auch i m Interesse der Landesverwaltung sein, etwa wenn einem ersten Landesbeamten auch eine kommunale Abteilung unterstellt wird. Man kann also feststellen, daß bei dieser Mischbehörde die Interessen der Staatsverwaltung hinlänglich gewahrt werden, während die Nachteile ihrer Vorschläge, die von den Landräten kritisiert wurden, vermieden sind. Die Unterschiede zu der Lösung mit zwei Behörden sind jedenfalls nicht sehr groß. Daß dennoch vom Ministerium und dem Ministerpräsidenten mit so großer Erbitterung darum gekämpft wurde, ist nur daraus zu erklären, daß sie weitergehende Absichten verfolgten, für die aber wohl an der falschen Stelle angesetzt wurde. Die Regierung blieb bis zum Schluß bei ihrem Vorschlag. Dabei zeigte es sich, daß i m Innenministerium verschiedene Vorstellungen bestanden. Die Kommunalabteilung w a r durchaus bereit nachzugeben, so daß zum Schluß ein Vertreter des Staatsministeriums ihren Beamten zur „Bewachung" i m Ausschuß beigegeben wurde. Es gelang dem Verband jedoch, auch den SPD-Abgeordneten Renner vor der Beratung der Landkreisordnung für eine möglichst große Durchdringung von Staats- und Selbstverwaltung zu gewinnen 7 5 . Er vertrat i m folgenden diesen Gedanken sehr entschieden sowohl in der Frage der Mischbehörde wie der der Landratswahl, wo seine Haltung ausschlaggebend wurde. Die Landkreise konnten so einen für sie tragbaren Kompromiß erreichen. I m Ausschuß fiel die grundsätzliche Entscheidung für die Mischbehörde mit 15 : 1 Stimmen. Damit war ein ähnliches Ergebnis wie i n Nordrhein-Westfalen, Hessen und Bayern erreicht. Damals wichen nur ab Schleswig-Holstein, das die staatlichen Aufgaben als Auftragsangelegenheiten übertrug, und Rheinland-Pfalz, das die Staatsbehörde beibehielt 7 6 . Bei der Formulierung lehnte man sich dann an die bayerische 75
Interview. Die niedersächsische Landkreisordnung wurde erst 1958 erlassen u n d kann hier weggelassen werden. 78
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Landkreisordnung an, die das Landratsamt, und nicht den Oberkreisdirektor persönlich, wie i n Nordrhein-Westfalen, als das Organ bezeichnet. Damit war das Kommunalrecht in einer wichtigen Frage i n großen Teilen des Bundesgebiets einheitlich geregelt. Wie die Entstehungsgeschichte jedoch zeigt, war dies von keiner Seite als Argument verwendet worden, auch nicht vom Verband der Landkreise. Vielmehr gingen alle Beteiligten von den jeweiligen Interessen ihrer Körperschaften aus, und die Bestimmungen, die i m Verwaltungsausschuß geschaffen wurden, sind Resultat eines sehr harten Kampfes. Welche Bedeutung dieses Ergebnis für die praktische Arbeit haben konnte, hing jedoch stark davon ab, wie seit die beiden Behörden personell und sachlich geschieden sind. Unumstritten war, daß die Angestellten und Arbeiter der unteren Verwaltungsbehörde vom Kreis angestellt und bezahlt werden sowie daß die sachlichen Bedürfnisse vom Landkreis getragen werden (§ 45 LKO). Beides liegt i m Interesse der Kreise, da es eine Verwaltungsvereinfachung darstellt und hinsichtlich der Kosten durch den Finanzausgleich und die Gebühren der unteren Verwaltungsbehörde gedeckt wird. Die staatliche Seite i m Landratsamt w i r d also nur darin präsent, daß das Land die Beamten (sämtlicher Laufbahnen) stellt. Hier ergab sich aber die wichtige Frage, inwieweit Landesbeamte für kommunale und Kreisbeamte für staatliche Aufgaben verwendet werden dürfen. Diese Austauschbarkeit entspricht der Organisationsgewalt des Landrats und stellt eine Erleichterung der inneren Organisation dar. Sie gab es bis 1956 lediglich i n Südwürttemberg nicht, während i n den anderen Landesteilen davon häufig Gebrauch gemacht wurde. Das Innenminister i u m i n seinem Bestreben, die beiden Behörden sorgfältig zu trennen, wollte i m Regierungsentwurf nur eine vorübergehende Verwendung von kommunalen Beamten i m staatlichen Bereich, aber nicht für die Kommunalaufsicht, gestatten. Der Grund für die wesentliche Einschränkung lag darin, daß das Land keine finanziellen Einbußen zugunsten der Landkreise erleiden sollte. Eine finanzielle Schutzvorschrift ist jedoch nicht ganz verständlich, da es das Land ja in der Hand hat, wie viele Beamte es entsendet. Es wurden auch damals nach A n sicht der Kommunalabteilung an Zahl und Qualität nicht genügend Beamte entsandt, und die Landräte hatten auch stets die gleichen Bedenken. Die Bestimmung hat aber zweifellos noch eine andere Seite: sie stellt ein organisatorisches Hindernis dar. Dies war wohl auch der Hauptgrund, daß der Verband württemberg-badischer Landkreise dagegen anging, während finanzielle Motive nur eine geringe Rolle spielten. Er strebte eine möglichst große Erweiterung des Handlungsspiel-
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raums und die volle Organisationsgewalt des Landrats an. Nachdem schon dies i n der Landkreisordnung nicht durchgesetzt werden konnte, stellte der Verband seine darüber hinausgehenden Ziele der Kommunalisierung dieser Beamten bewußt zurück, um die Einheitsbehörde nicht zu gefährden. c) Die Entscheidung des Landtags über den staatlichen Einfluß auf die Bestellung des Landrats und seines Stellvertreters Die Weichen für die Beratungen des Landtags waren durch die lange Diskussion über den kommunalen Landrat bereits gestellt. Nachdem i m Kabinett die grundsätzliche Entscheidung gefallen war, ging es nur noch um die Ausgestaltung i m einzelnen. Doch erwies sich auch dies als von großer Bedeutung. Die Regierung wünschte m i t der Benennung von drei Kandidaten durch das Innenministerium i m Benehmen mit dem Kreisrat den entscheidenden Einfluß auf die Ernennung zu behalten. Auch von diesem Vorschlag war die Kommunalabteilung nicht überzeugt und sah es, wie i n einer Besprechung gesagt wurde, nur als Diskussionsmaterial für den Landtag an 7 7 . Demgegenüber gestand der Verband württemberg-badischer Landkreise nur zu, daß das Land seine Wünsche vortrage. Er schlug daher i n seiner Eingabe an den Landtag vom 18. 4.1955 vor, das Verhältnis umzukehren: „Der Kreisrat benennt i n Benehmen m i t dem Innenministerium mindestens drei geeignete Bewerber." N u r so werde das Wahlrecht des Kreistages nicht beschränkt und zugleich dem Innenministerium eine Beratung ermöglicht. Die Haltung der Parteien zu der grundsätzlichen Frage wurde bereits dargelegt. Auch i m Verwaltungsausschuß konnte der kommunale Landrat und ein entsprechendes Verfahren der Kandidatenbenennung auf eine große Zahl von Verfechtern zählen. Die südwürttembergischen und südbadischen Abgeordneten zählten m i t dazu. N u r drei Abgeordnete waren anderer Ansicht, von den einflußreichen lediglich Renner (SPD). U m so mehr fällt auf, daß er i m Ausschuß zur Überraschung anderer Abgeordneter gegen das Übergewicht des Ministeriums plädierte. Offensichtlich war es dem Verband württemberg-badischer Landkreise gelungen, ihn wie i n der Frage der Einheitsbehörde so auch hier zu überzeugen 78 . Maßgebend war für ihn einmal das verfassungsrechtliche Argument, m i t der Garantie der Selbstverwaltung des Kreises i n A r t . 71 der Landesverfassung, die über Art. 28 GG hinaus77 78
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geht, sei die Ernennung des Leiters der Selbstverwaltung nicht zu vereinbaren 79 . Noch wichtiger war aber wohl der Gedanke eines Zusammenwirkens von Staats- und Selbstverwaltung. Dies war schon in der Begründung für den Regierungsentwurf vorgebracht worden: Staatsund Selbstverwaltung seien in der Demokratie keine Gegensätze mehr, und da der Landrat Leiter von zwei Behörden sei, sei eine Synthese zwischen Wahl und Ernennung nötig 8 0 . Renner konnte mit diesem A r gument für einen Kompromiß gewonnen werden, der Kreisrat und Innenministerium die gleichen Rechte überträgt: „Das Innenminister i u m und der Kreisrat benennen gemeinsam mindestens drei für die Leitung des Landratsamts geeignete Bewerber, aus denen der Kreistag den Landrat wählt." (§ 34 Abs. 2 S. 2 LKO.) Diesen Vorschlag, der dem Kompromiß der Mischbehörde entspricht, machte dann Renner energisch zu seiner Sache und verteidigte ihn i m Ausschuß gegen weitergehende Wünsche. Diese Lösung wurde im Ausschuß auch von der Kommunalabteilung verfochten, die bemerkenswerterweise ebenso wie der Innenminister selbst den Regierungsentwurf nicht verteidigte. Eine starke Gruppe der CDU versuchte jedoch, die Vorschläge des Verbands württemberg-badischer Landkreise voll zu übernehmen und dem Ministerium nur ein Beratungsrecht zu geben. Landrat Huber hatte erreicht, daß sich mehrere Abgeordnete dafür einsetzten. Es wurde argumentiert, letztlich sitze die Regierung doch am längeren Hebel und es bestehe die Gefahr von langwierigen Streitigkeiten. Demgegenüber meinte die SPD, eine bloße M i t w i r k u n g sei für das Ministerium unwürdig. Es müsse sich um ein echtes Zusammenwirken handeln. M i t 7 : 9 : 1 wurde der Antrag Kühns (CDU) daher abgelehnt 81 und der Antrag Renners angenommen. Dies zeigt, daß das Innenministerium i m Ausschuß auch gegen die kommunale Front durchaus Verständnis finden konnte. Schon oben wurde hervorgehoben, daß die Regierung versuchte, den Übergang zum kommunalen Landrat durch Bestimmungen, die als Ausgleich gedacht waren, erträglich zu machen. Die wichtigste sollte die Qualität der Landräte sichern, indem Voraussetzungen für die Wählbarkeit festgesetzt wurden, die über den heutigen § 33 L K O (Mindestalter und bürgerliche Ehrenrechte) hinausgehen. Obwohl der Ministerpräsident dies in 2. Lesung sehr entschieden verteidigte 8 2 , wurde es vom Landtag abgelehnt, da es mit dem Selbstverwaltungsrecht nicht vereinbar sei und ein Juristenmonopol schaffe. 79 80 81 82
Bericht des Ausschusses, i n : Protokoll des Landtags 1. Periode, S. 3346. Beilagen 1. Periode, Nr. 1145, S. 1498. Protokoll des Verwaltungsausschusses 10. 5.1955, S. 39 ff. Protokoll des Landtags 1. Periode, S. 3363 ff.
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Bei dem Vorstoß des Ministerpräsidenten wurde übersehen, daß dem Innenministerium ein weit besseres Hilfsmittel zur Verfügung steht, die Zusammensetzung der Landräte zu steuern, das Vorschlagsrecht „geeigneter" Bewerber an den Kreistag. Dieses macht eigentlich darüber hinausgehende Bestimmungen überflüssig. Ein weiteres M i t t e l ist § 35 LKO, der die Rechte der Landesbeamten wahrt, wenn sie nach einem Ausscheiden als Landrat wieder in den Landesdienst zurückkehren wollen. Die aus der Landesverwaltung kommenden Landräte werden dadurch abgesichert und so i n ihrer Stellung gestärkt. Vom M i n i sterpräsidenten wurde sogar angenommen, die Kreistage würden durch die Aussicht, keine Versorgungslasten tragen zu müssen, eher Landesbeamte wählen 8 3 . Auch die Kommunalabteilung verfocht es i n der Erwartung, so die Verflechtung zwischen Staat und Landkreisen zu stärken. Besonders umstritten war die Frage der Stellvertretung des Landrats. Auch hier herrschten unterschiedliche Verhältnisse i n den einzelnen Landesteilen. I n Südbaden wurde der allgemeine Stellvertreter vom Kreistag gewählt und war zugleich stellvertretender Kreistagsvorsitzender. I m Gegensatz dazu waren in den anderen drei Regierungsbezirken die ersten Landesbeamten die allgemeinen Stellvertreter sowie zugleich Stellvertreter i m Vorsitz des Kreisrats, i n Württemberg-Baden sogar auch i m Kreistag 8 4 . Einigkeit bestand nur darüber, daß der stellvertretende Vorsitzende des Kreistags und Kreisrats aus verfassungsrechtlichen Gründen von diesen selbst gewählt werden müsse. Umstritten war hingegen die allgemeine Stellvertretung i n der Leitung des Landratsamts. Das Innenministerium und die Regierungspräsidenten legten, wie bereits dargelegt wurde, sehr großen Wert auf einen staatlichen Stellvertreter. Neben dem erwähnten Einfluß auf die Organisation des Landratsamtes ist dafür die Personalpolitik ausschlaggebend. Es galt i n diesen Beamten einen befähigten Nachwuchs heranzuziehen, der in den Ministerien vielseitig verwendbar ist und i n leitenden Funktionen tätig war, nachdem mit der Kommunalisierung des Landrats dieser für die Personalpolitik des Landes ausfiel. Gegner war einmal die A r beitsgemeinschaft badischer Landkreise, die den alten Zustand beibehalten wollte, worauf vor allem die dort in der Organistion repräsentierten stellvertretenden Kreistagsvorsitzenden drängten. Für den Landtag bedeutungsvoller war es, daß auch die Wünsche des S t V 8 5 und 83
So am 28.1.1955 vor der Arbeitsgemeinschaft badischer Landkreise. L K O von Württemberg-Hohenzollern A r t . 5, A r t . 38, L K O von W ü r t temberg-Baden, A r t . 13. 85 Eingabe v o m 30. 4.1955. 84
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des W G T 8 6 auf eine Wahl des Stellvertreters gingen. Vom StV wurde es m i t dem Selbstverwaltungsrecht begründet. Dabei sei es durchaus denkbar, daß auch der erste Landesbeamte zum Stellvertreter gewählt werde. Ausschlaggebend war aber wohl, daß die Gemeinden auch auf dieses A m t Einfluß gewinnen wollten und daß ein gewisses Mißtrauen gegenüber den Landesbeamten bestand. So meinte Bürgermeister Rimmelspacher (SPD) i n der 2. Lesung, es seien verkappte A u f seher 87 . Es waren daher auch die kommunalen Vertreter aller Parteien i m Landtag, die gestützt auf das verfassungsrechtliche Argument i m Ausschuß die Wahl des Stellvertreters durchsetzten. Erstaunlicherweise erhob sich dagegen kein Widerstand 8 8 . Der Verband württemberg-badischer Landkreise wurde von dieser Änderung überrascht. Sein Verfassungsausschuß beschloß, die Wiederherstellung der Regierungsvorlage anzustreben. Dafür wurden personalpolitische Gründe vorgebracht. Nur die Stellvertretung ziehe die Beamten auf das Landratsamt, kein qualifizierter Beamter werde sich sonst dazu hergeben. Zugleich spielte aber sicher eine Rolle, daß man den Wechsel der ersten Landesbeamten zwischen den Ministerien und den Landratsämtern erhalten wollte. Das primäre Interesse der Landkreise bestand nicht i n einer vollen Personalhoheit, sondern darin, daß es keine Ministerialbeamten gebe, die die Kommunalverwaltung nie kennengelernt haben. Dazu war aber eine führende Stellung des ersten Landesbeamten nötig. Welche Bedeutung die persönliche Bekanntschaft m i t den kommunalen Problemen hat für die Kommunalfreundlichkeit der Ministerien überhaupt und speziell für die Landkreise, zeigte sich ja schon mehrfach. Hinter diesem Wunsch trat die Furcht einzelner Landräte, es handle sich um ein Überwachungsorgan, zurück. Ebenso wurde das Selbstverwaltungsrecht der Landkreise i n diesem Zusammenhang als Schlagwort betrachtet. Die Interessen der Landkreise fielen also hier mit denen des Innenministeriums zusammen, und man arbeitete gemeinsam auf die Regierungsvorlage hin. I n der 3. Lesung wurde die Regierungsvorlage v o l l wiederhergestellt auf Grund eines Antrags 8 9 , der eingebracht worden war von Abgeordneten der CDU, darunter den beiden Landräten, Verfechtern des staatlichen Landrats sowie dem Abgeordneten Renner. Zusammenfassend ist zu fragen, wie weit die verschiedenen Gruppen ihre Ziele durchgesetzt haben. Für den Verband württemberg-badi86 87 88
S. 27. 89
Eingabe v o m 22. 4.1955. Protokoll des Landtags 1. Periode, S. 3704. Protokoll des Verwaltungsausschusses 17.5.1955, S. 16 ff.; Beilagen 1. Periode Nr. 1689.
24.5.1955,
I . L a n d u n d Landkreis i n Baden-Württemberg
191
scher Landkreise, als den aktivsten Landkreisverband, waren Hauptziele bei der Beratung der Landkreisordnung: der kommunale Landrat und die Einheitsbehörde. I n beiden Fragen konnte er sich nicht vollständig durchsetzen, was zeigt, daß die kommunale Front i m Landtag keineswegs so einheitlich und so wirksam ist, wie oft angenommen wird. I n beiden Fragen mußten Kompromisse geschlossen werden, und i m dritten Hauptziel, der Einheit der Verwaltung, wurde, wie sich zeigen wird, kein großer Fortschritt erzielt. Betrachtet man die Regelung der Bestellung des Landrats, insbesondere anhand der praktischen Erfahrungen seit dem Erlaß der Landkreisordnung, so zeigt sich, daß sie den Interessen beider Seiten entgegenkommt. Die Frage, welchen Einfluß das Innenministerium heute auf die Benennung der Landrats-Kandidaten hat, w i r d sehr unterschiedlich beurteilt 9 0 . Auch nach der heutigen Ansicht des Ministeriums ist sie zu gering, andere halten sie dagegen für nicht unbeträchtlich. Man kann aber wohl davon ausgehen, daß das Schwergewicht der Bestellung des Landrats auf der Wahl durch den Kreistag liegt. Das Innenministerium hat also insoweit seinen Einfluß verloren, und der Kreistag bzw. der von i h m gewählte Kreisrat waren schon oft i n der Lage, einen von ihnen gewünschten Bewerber auch gegen den Willen des Ministeriums durchzubringen. Dessen M i t w i r k u n g w i r k t sich i n erster Linie dahingehend aus, daß eine Auslese nach der Qualität getroffen wird. Diese ist allerdings ziemlich streng. Seit dem Erlaß der Landkreisordnung wurden erst zwei Landräte gewählt, die nicht aus dem höheren, sondern aus dem gehobenen Verwaltungsdienst kamen. Das Innenministerium hat sicherlich sein Ziel, den Landrat abhängig zu erhalten, nicht erreicht. Dies zeigt sich schon daran, daß i m Ministerium zum Teil ein gewisses Mißtrauen gegenüber den Landräten spürbar ist 9 1 . Jedoch hat es durchaus erreicht, daß der Typ des Landrats, den es anstrebte, insoweit beibehalten wurde, als es auch heute Verwaltungsfachleute sind, wenn auch oft i n der Form des parteipolitisch gebundenen Beamten, die sich ja auch i n anderen Stellungen immer mehr verbreitet. Immerhin handelt es sich aber nicht um Politiker, die ihren Aufstieg von außerhalb der Verwaltung genommen haben und neben anderen Aufgaben auch das Landratsamt mitverwalten. Diese Entwicklung entspricht auch den Vorstellungen, die der L K T , und damit die Landräte selbst von ihrem A m t haben 92 . I n der Frage der Stellvertretung des Landrats hat das Innenminister i u m bei der Beratung der Landkreisordnung und auch i n der Entwick90 91 92
Interview. Interview. Interview.
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3. Kap.: Staats- u n d Selbstverwaltung
lung seither seine Ziele voll durchgesetzt. Es ist festzustellen, daß von der befürchteten Aufsicht über die Landräte keine Rede sein kann. Auch die i m Landtag seinerzeit kritisierten Treffen der Stellvertreter 9 3 finden i m Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft innerhalb des L K T statt und werden auch vom Innenministerium, obwohl dessen Vertreter anwesend sind, nicht gegen die Landräte benutzt. Von Bedeutung sind hingegen die personalpolitischen Ziele, die voll erreicht wurden. Die Landräte selbst sind heute, i m Gegensatz zu den früheren Verhältnissen, als Nachwuchs für die Ministerien fast vollständig ausgefallen. Dies hat seinen Grund i n deren günstigeren Besoldung. I m Gegensatz dazu wechseln die ersten Landesbeamten am Landratsamt häufig i n den Ministerialdienst über und stellen so einen wichtigen, vielseitig ausgebildeten Nachwuchs dar. Damit ist wohl für die Zentralbehörden ein hinreichender Ersatz für den Verlust des Landrats geschaffen. Zudem kommen auch sehr viele Landräte aus den Reihen der ersten Landesbeamten, was ja nur i m Interesse der Landesverwaltung sein kann. II. Die weitere Entwicklung des Verhältnisses von Staats- und Selbstverwaltung Die Entstehung der grundsätzlichen Regelung des Verhältnisses von Land und Landkreis i n Baden-Württemberg wurde hier ausführlicher dargestellt als ein Beispiel für den Interessengegensatz, der zwischen Land und Selbstverwaltung besteht, und um zu zeigen, wie damit die Interessen der anderen Beteiligten verbunden sind. Dieser Interessengegensatz besteht auch i n einer ganzen Reihe anderer Fragen, jedoch ist die Verwaltungsorganisation i m Sinn des äußeren Aufbaus der Verwaltung eine Kernfrage dieses Problems. A n ihr, und besonders an den Entscheidungen i n Baden-Württemberg, w i r d deutlich, um welche A r t von Interessen es sich handelt und wer ihre Träger sind. Die Landespolitiker und die Ministerialverwaltung haben unmittelbare eigene Interessen i m Verhältnis zu der kommunalen Selbstverwaltung. Sie bestehen i n einem möglichst großen Einfluß und i n einer Kontrolle von deren Entscheidungen. Dies gilt i n besonderem Maße, wie sich gezeigt hat, für die Ministerialverwaltung, die der unmittelbare Gegenspieler der Selbstverwaltung ist, während für die Minister andere Interessen vorherrschen können oder die Details der Verwaltung unter Umständen weniger interessant sind. Wieweit sich die Interessen der Ministerialbürokratie durchsetzen oder von einer andersartigen politischen Zielsetzung eines Ministers zurückgedrängt wer93
Abg. Rimmelspacher:
Protokoll des Landtags 1. Periode, S. 3704.
I I . Die weitere Entwicklung
193
den, hängt natürlich von dessen Person ab. Ob er eine kommunalfreundliche Haltung einnimmt, ist daher sehr wichtig. Dennoch w i r k t immer das Gewicht der Beamtenschaft und die Tatsache, daß die M i n i ster und der Landtag neben anderen Zielsetzungen auch selbst ein Interesse an ihrem Einfluß auf die Kommunalverwaltung haben. Nicht immer ist allerdings die Situation so günstig wie i n Baden-Württemberg unter Innenminister Ulrich, als das Ministerium durchaus selbständig aktiv werden konnte, wie es sich an der Landkreisordnung zeigte, aber ebenso schon bei den Verfassungsberatungen in der Einschränkung der Kommunalaufsicht und bei der Verstaatlichung der Polizei, die von der Polizeiabteilung durchgesetzt wurde. Man muß daher die Ministerien nicht nur als eine Institution, sondern i n dieser Hinsicht auch als eine Interessengruppe betrachten. Nach der Definition Trumans ist eine Interessengruppe eine Gruppe (definiert u. a. durch eine hohe Interaktion), die „auf der Basis einer oder mehrerer gemeinsamer Haltungen bestimmte Forderungen an andere Gruppen der Gesellschaft stellt für die Errichtung, Aufrechterhaltung oder Verstärkung bestimmter Formen des Verhaltens, die i n den geteilten Haltungen enthalten sind" 9 4 . A l l diese Kriterien treffen auf die Ministerien zu i m Hinblick auf die Themen, die i n dieser Arbeit behandelt wurden. Sie stellten ja durchaus bestimmte, wenn auch nicht öffentlich außerhalb der Regierungsentwürfe formulierte Forderungen. Diese ergaben sich unmittelbar aus den gemeinsamen Haltungen und nicht erst aus politischen Zielen der Minister oder aus einer allgemeinen Diskussion über eine zweckmäßige Politik. Dies geht zurück auf objektive Charakteristika, ein Interesse, worin sich die Kommunalpolit i k von anderen politischen Bereichen unterscheidet. Die Ministerien sind daher nach der Terminologie Almonds den institutionellen Gruppen zuzurechnen 95 . Auf Grund dieser Tatsache unterscheidet sich das Verhältnis der kommunalen Spitzenverbände zu den Landesministerien von dem nahezu aller anderen Interessenverbände. I m Unterschied zu diesen besteht ein laufender, intensiver Kontakt auch der Mitglieder, der Selbstverwaltungskörperschaften, zu den übergeordneten Behörden, woraus sich andererseits gegensätzliche Interessen beider Seiten direkt ergeben. Für die Tatsache, daß es sich um objektive Interessen handelt, w u r den oben als Beleg einige Beispiele dafür angeführt, daß die Ansichten von der jeweiligen Position bestimmt sind. Es ist auch darauf hinzu94
S. 33. 95
David B. Truman , The governmental process. New Y o r k 14. A u f l . 1967, Almond / Coleman, S. 33.
13 Geißelmann
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3. Kap.: Staats- u n d Selbstverwaltung
weisen, daß die grundsätzliche Haltung des Innenministeriums auch unter verschiedenen leitenden Beamten konstant blieb. Von ihr wich lediglich die Kommunalabteilung unter Ministerialrat Dr. Meyer-König ab. Der starke Konflikt, i n dem er sich mit dem übrigen Haus befand, bildet jedoch mehr eine Ausnahme und ist weitgehend durch seine Herkunft aus der Kommunalverwaltung (Stadt Stuttgart) zu erklären. Allerdings ist es allgemein die verwaltungspolitische Aufgabe der Kommunalabteilung, die Argumente der Gemeinden in ihrem Haus und gegenüber anderen Ministerien zu vertreten. Sie soll so ein Gegengewicht gegen eine zu etatistische Betrachtungsweise bilden und hat eine Schutzfunktion für die Gemeinden. Diese w i r d auch i n gewissem Umfang ausgeübt, doch waren die Unterschiede der Betrachtungsweise unter den Nachfolgern Meyer-Königs bei weitem nicht so stark. Sie kamen aus dem Innenministerium selbst und schlossen sich bei aller notwendigen Berücksichtigung der Argumente der Gemeinden mehr an die generelle Linie des Hauses an. So ist heute i m Innenministerium und in der Kommunalabteilung die Ansicht vorherrschend, ein staatlicher Landrat wäre besser. Auch der Vergleich mit anderen Bundesländern und anderen sachlichen Fragen bestätigt diese These. Allerdings w i r d der Konflikt nicht immer offen wie i n Baden-Württemberg ausgetragen. Auch die Fronten der zwischen beiden Gruppen umstrittenen Fragen verlaufen i n den einzelnen Bundesländern recht unterschiedlich. Zunächst soll auf die organisatorische Ausgestaltung der unteren staatlichen Verwaltungsbehörde in den anderen Ländern eingegangen werden. Anschließend w i r d noch ein Überblick über die weiteren zwischen Land und Selbstverwaltung umstrittenen Fragen gegeben. Die Einwirkungsmöglichkeiten des Staates hinsichtlich der Bestellung des Landrats (Oberkreisdirektors), die Ausgestaltung der unteren Verwaltungsbehörde und der Umfang der Kommunalaufsicht sind in den einzelnen Bundesländern sehr verschieden 96 . Dies geht, wie bereits dargelegt wurde, letztlich auf die Einwirkung der Besatzungsmächte auf die deutsche Kommunalverwaltung zurück. Dies ist jedoch keineswegs der einzige Grund für die unterschiedliche Entwicklung 9 7 . Zu ihr trugen vielmehr auch die Interessen der einzelnen beteiligten Gruppen bei, zwischen denen jeweils unterschiedliche Kompromisse geschlossen wurden. Zwar ist der Kern der Regelung des Verhältnisses von Staatsund Kommunalverwaltung seit der Nachkriegszeit nur wenig verändert worden, doch zeigen auch deren Veränderungen und neue Rege96
Dies ist i m einzelnen bei Fritz-Achim Baumann, Die allgemeine untere staatliche Verwaltungsbehörde i m Landkreis, B e r l i n 1967, dargestellt. 97 Wie es etwa Baumann S. 74 annimmt.
I I . Die weitere Entwicklung
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lungen, wie etwa die Landesplanung, deutlich die Stärke der Interessen i n den einzelnen Bundesländern. Das Muster dieses Konfliktes ist dabei i n allen Bundesländern i m wesentlichen gleich, so daß die Ergebnisse aus der Betrachtung Baden-Württembergs verallgemeinert werden können. Auf Grund des Wirkens der französischen bzw. der britischen Besatzungsmacht sind die i n dieser Hinsicht extremen Länder RheinlandPfalz und das Saarland einerseits, die Länder der ehemaligen britischen Zone andererseits. Zunächst soll auf Rheinland-Pfalz eingegangen werden. I n diesem Land besteht noch heute ein rein staatlicher Landrat. Dieser w i r d von der Landesregierung kommissarisch ernannt und bedarf zu seiner endgültigen Bestellung (meist nach einem Vierteljahr) der Zustimmung des Kreistags. Ein M i t w i r k e n des Kreistags vor der kommissarischen Ernennung war früher vorgeschrieben, wurde jedoch 1968 gestrichen. Der Landrat unterliegt voll der Dienst- und Fachaufsicht der Landesverwaltung. Dennoch bildet sich natürlich auch eine gewisse Abhängigkeit vom Kreistag heraus. Der Landkreistag fordert auch i n diesem Land seit langen eine Kommunalisierung des Landrats 9 8 . Begründet wurde dies m i t der Notwendigkeit einer Demokratisierung, mit einem Wandel der Aufgaben des Landkreises und mit der Rechtseinheitlichkeit i m Bundesgebiet. Ausschlaggebend war für den Verband jedoch vor allem die Tatsache, daß der Ausbau des Landkreises als Selbstverwaltungskörperschaft in Rheinland-Pfalz zurückgeblieben ist. Die staatlichen Aufgaben stehen hier noch stärker i m Vordergrund. Dazu trug auch wesentlich bei, daß die Landräte als Staatsbeamte aus dem Landtag ausgeschlossen sind, was die Landkreise gegenüber den Gemeinden benachteiligte 99 . Die Arbeit des Verbandes wurde dadurch wesentlich erschwert. Jedoch auch nach Einführung der Inkompatibiltät für alle Kommunalbeamten t r i t t der Verband für eine Kommunalisierung ein, um die Landkreise zu stärken und dem Landrat eine unabhängigere Stellung zu geben. Daneben soll wohl auch der Besoldungsrückstand, den die Landräte gegenüber anderen Bundesländern haben, abgebaut werden. Die Forderung des Landkreistags wurde vom Städteverband unterstützt, während der Gemeindetag ähnlich wie i n Baden-Württemberg zögerte 100 . Er befürchtet eine Ausdehnung der Aufgaben der Landkreise, und daß sich die Landräte Denkmäler bauen. Der Widerstand gegen eine Kommunalisierung kam von der Landesverwaltung, aber auch von der CDU, die als ständige Regierungspartei kein Interesse daran hat, daß ihr die Besetzung 98 Vgl. Eildienst 1964, Nr. 5/64/76. Entschließung der kommunalen Spitzenverbände v o m 30.12.1963 i n : Die demokratische Gemeinde 1964, S. 223. 99 Interview. 100 Interview.
13*
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der Landratsposten aus der Hand genommen wird. Tatsächlich sind i n Rheinland-Pfalz bis auf einen sämtliche Landräte parteipolitisch gebunden, wobei die CDU mit 9 : 1 überwiegt 1 0 1 . Die Entscheidung über die weitere Entwicklung ist i m übrigen derzeit aufgeschoben bis nach dem Ende der Funktionalreform, die eine Neuabgrenzung der staatlichen und kommunalen Aufgaben bringt. Stärker als i n Baden-Württemberg ist die Kommunalisierung des Landrats noch i n Hessen und i n Nordrhein-Westfalen. Hier ist das Mitwirkungsrecht des Landes wesentlich vermindert. I n NordrheinWestfalen besteht es i n der nachträglichen Bestätigung des Oberkreisdirektors durch das Kabinett. Dies ist jedoch de facto nur eine formelle Prüfung, ob die Voraussetzungen der Wählbarkeit erfüllt sind. I n Hessen sind die Vertreter des Regierungspräsidiums anwesend bei der Vorauswahl der Bewerber durch den Kreisrat, wobei sie Bedenken vortragen können. Ein Einspruchsrecht besteht jedoch nicht, und eine Intervention erfolgt tatsächlich auf diesem Wege nur sehr selten. Wenn eine solche stattfindet, dann eher auf dem Weg über die Parteien. Beide Länder zeigen, daß eine M i t w i r k u n g des Landes nur dann effektiv ist, wenn sie, wie i n Baden-Württemberg, die Form eines Einspruchsrechts i m Vorverfahren hat. Andernfalls ist die Scheu, i n örtliche Entscheidungen einzugreifen, sowohl bei den Politikern wie i n der Verwaltung zu groß. Dies bedeutet aber keineswegs, daß die Ministerialverwaltung i n diesen Ländern nicht Einwirkungsrechte anstrebt. I n Nordrhein-Westfalen w i r d ein möglicher K o n f l i k t jedoch dadurch entschärft, daß die Mehrheit der Oberkreisdirektoren aus der Landesverwaltung kommt. Dies ist darauf zurückzuführen, daß für dieses A m t die Befähigung zum Richteramt oder zum höheren Verwaltungsdienst vorgeschrieben ist, so daß Außenseiter ausgeschlossen sind. A u ßerdem besteht nach dem Urteil Werner Webers insgesamt eine klar profilierte untere Verwaltungsbehörde 102 . Dies äußert sich einmal darin, daß der Oberkreisdirektor i m Wege der Organleihe als untere staatliche Verwaltungsbehörde die Kommunalaufsicht übertragen bekommt. Er ist hierin den Kreisorganen nicht verantwortlich, jedoch ist der Kreisausschuß an einer Reihe von Aufgaben der Kommunalaufsicht beteiligt. Der Oberkreisdirektor hat dabei die allgemeinen Richtlinien der Landesregierung zu beachten und untersteht der Dienstaufsicht des Regierungspräsidenten 103 . Auch i n der Aufsicht über die Ordnungsbehörden ist der Landrat als untere staatliche Verwaltungsbehörde tä101 I m Saarland gehören sämtliche Landräte der CDU an. 102 Werner Weber, Der Staat i n der unteren Verwaltungsinstanz. 2. Aufl. K ö l n 1964, S. 27. 103 A r t . 47. 50 L K O NW. Vgl. Hans Albert Berkenhoff, Das K o m m u n a l verfassungsrecht i n Nordrhein-Westfalen. 2. A u f l . Siegburg 1965, S. 237.
I I . Die weitere Entwicklung
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t i g 1 0 4 . Außerdem besteht für die kommunalisierten Sonderbehörden eine Fachaufsicht sowohl hinsichtlich der Recht- wie der Zweckmäßigkeit. Diese sind also nur in ihrem Personal kommunalisiert. Dies geht zwar weiter als in Baden-Württemberg, doch ist der Staat nicht ganz ausgeschaltet. Etwas anders liegen die Verhältnisse in Hessen, wo eine Reihe von Außenseitern in Landratsposten gewählt worden sind, da eine Vorschrift über bestimmte Qualifikationen fehlt. Das Innenministerium hat dies nicht verhindert, ebensowenig wie die Wahl von neuen Landräten in aufzulösenden Kreisen. Die Zuordnung von Landesbeamten zu den Kreisen w i r d ebenfalls unterschiedlich gehandhabt. Während in Rheinland-Pfalz das staatliche Landratsamt mit staatlichen Beamten ausgestattet ist, können in Hessen und Nordrhein-Westfalen zwar Beamte den Landratsämtern zugeordnet werden, doch w i r d dies i n Nordrhein-Westfalen überhaupt nicht praktiziert, außer bei den Regierungsassessoren für kurze Zeit zu Ausbildungszwecken. Auch in Hessen sind insgesamt nur ca. 20 Landesbeamte in den Landkreisen tätig, was darauf zurückzuführen ist, daß das Land zunächst seinen eigenen Personalbedarf deckt. Diese Trennung w i r d überwiegend von den Landkreistagen gutgeheißen. Lediglich i n Hessen würde eine stärkere Zuordnung begrüßt. I n NordrheinWestfalen w i r d jedoch wie in Baden-Württemberg eine Trennung angestrebt. Ausschlaggebend sind die Gründe der besseren Personalpolitik und der Verfügungsmöglichkeiten des Landrats, während die für die Landkreise positiven Wirkungen eines Austausches zwischen Staatsund Kommunalverwaltung zurücktreten. Noch stärker als i n Nordrhein-Westfalen ist der staatliche Teil des Landratsamtes abgebaut in Niedersachsen, das keine staatliche untere Verwaltungsbehörde kennt. Dies ist auf die britische Besatzungsmacht zurückzuführen. Jedoch gibt es auch hier Bestrebungen, wieder eine gewisse Verbindung zur Landesverwaltung durchzuführen. Dies wurde etwa von der niedersächsischen Sachverständigenkommission zur Verwaltungsvereinfachung vorgeschlagen. Es geht dabei sicherlich auf die persönlichen Auffassungen Werner Webers zurück, der in der Kommission maßgeblich tätig war. Wieweit er auch von der Landesverwaltung unterstützt wurde, kann nicht beurteilt werden. Wenn heute auch die Frage der staatlichen unteren Verwaltungsbehörde in den meisten Ländern nicht mehr i m Mittelpunkt der Auseinandersetzungen zwischen Staats- und Selbstverwaltung steht, so besteht das Problem doch weiterhin. Dies w i r d etwa deutlich an den er104
Baumann,
S. 59.
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3. Kap. : Staats- u n d Selbstverwaltung
wähnten Ansichten Werner Webers. Er fordert, der Staat müsse auch auf der untersten Verwaltungsebene präsent sein, um die großen zentralgelenkten Aufgaben des Rechtsstaats und des Sozialstaats zu erfüllen, um den Kontakt der Zentralverwaltung m i t den realen Anforderungen des Lebens zu erhalten 1 0 5 und um in Krisensituationen handlungsfähig zu sein 1 0 6 . Auch die Ministerialverwaltung ist überall bedacht, einen weiteren Abbau ihrer Positionen zu vermeiden. Dies w i r d etwa i n Baden-Württemberg deutlich. Nachdem hier von der Seite der Landespolitiker eine Volkswahl des Landrats erwogen wurde, was auch von Innenminister Krause vertreten wurde, schlug die Ministerialverwaltung als Ausgleich eine Verstärkung der Rolle des ersten Landesbeamten i m Landkreis vor 1 0 7 . Eine Volkswahl des Landrats, die i m Interesse der Parteien liegen kann, w i r d von der Innenverwaltung natürlich abgelehnt. Derselbe Interessenkonflikt wie bei der allgemeinen unteren Verwaltungsbehörde ergibt sich auch bei den Sonderbehörden, die durch Eingliederung in das Landratsamt i n mehr oder weniger großem Umfang kommunalisiert werden müßten. Da hier die Frage des Verhältnisses von allgemeiner und Sonderverwaltung hineinspielt, w i r d unten gesondert darauf eingegangen. Der Interessengegensatz zur Landesverwaltung erstreckt sich nicht nur auf die Landkreise, sondern in gleichem Maße auf die Gemeinden. Die kommunale Selbstverwaltung bildet insoweit eine Einheit. Das wichtigste organisatorische Instrument, mit dem die Übereinstimmung von Landes- und Kommunalpolitik gesichert wird, ist die Kommunalaufsicht. Ihre Ausgestaltung ist daher von erheblicher Bedeutung, wenn sie auch heute nur noch wenig umstritten ist. I n Baden-Württemberg war dies dagegen bei der Beratung der Landesverfassung in starkem Maße der Fall. Der Interessenkonflikt wurde dabei ähnlich wie i n den Fragen der Landkreisordnung zwischen Innenministerium und Kommunalpolitikern i m Landtag ausgetragen. A u f Grund der starken Stellung des Landtags während der Verfassungsberatungen konnte dabei durchgesetzt werden, daß die Kommunalaufsicht i n A r t . 75 Abs. 1 der Landesverfassung beschränkt wurde auf die Rechtsaufsicht. Nur bei der Übernahme von Schuldverpflichtungen und Gewährschaften sowie bei der Veräußerung von Vermögen ist eine Genehmigung der Aufsichtsbehörde notwendig, die unter dem Gesichtspunkt der geordneten Wirtschaftsführung versagt werden kann. Für diese Beschränkung los Weber, Untere Verwaltungsinstanz, S. 30 f. Ebd., S. 29. 107 Denkmodell der Landesregierung zur Kreisreform i n Β aden-Württemberg. Stuttgart 1969, S. 32. 106
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traten vor allem SPD und FDP ein 1 0 8 , insbesondere Prof. Gönnenwein, auf den die A r t i k e l der Landesverfassung über die Gemeinden zurückgehen. Bedenken gegen eine so weitgehende Reduzierung wurden dagegen vom Innenministerium vorgetragen, das eine Liste von 29 bestehenden Genehmigungsvorbehalten vorlegte, die bei Inkrafttreten der Verfassung wegfallen mußten. Diesen Bedenken schlossen sich teilweise die Landkreisverbände an. Da die Landkreise selbst die Aufsicht über die Gemeinden ausüben, sind sie, obwohl sie dieser selbst unterliegen, an einem Abbau nicht interessiert. Trotz dieser Unterstützung konnte sich das Innenministerium jedoch i m Landtag, dessen Verfassungsausschuß es seine Ansicht mehrfach vortrug, nicht durchsetzen 109 . Auch in dieser Frage zeigt sich die Bedeutung einer starken Vertretung der Kommunalpolitiker i m Landtag. Die Reduzierung der Aufsicht auf die reine Rechtsaufsicht w i r d heute allerdings auch i m Innenministerium für richtig gehalten. Ausschlaggebend ist, daß durch eine stärkere materielle Regelung der Verwaltung der Verlust an Kompetenzen in der Kommunalaufsicht wieder ausgeglichen werden kann, was auch praktiziert wird. Der Konflikt der Landesverfassung wiederholte sich bei der Gemeindeordnung, in der die M i t t e l der Aufsicht i m einzelnen geregelt sind. M i t der Einführung der Vorlagepflicht für Satzungen, die auf die Initiative des Innenministeriums zurückgeht, ist ein Ersatz für die weggefallenen Genehmigungsvorbehalte gefunden. Gegen diese und die anderen M i t t e l der Aufsicht, insbesondere die Bestellung eines Beauftragten des Staates und die vorzeitige Beendigung der Amtszeit eines Bürgermeisters (seit 1955 nur in einem Fall praktiziert), protestierte der WGT energisch. Er stellte fest, i m Regierungsentwurf sei das Instrumentarium des nationalsozialistischen Staates in vollem Umfang aufrechterhalten 110 . Zweifellos ist diese Wertung angesichts der gleichen demokratischen Legitimation von Gemeinden und Land unzutreffend. Ähnlich wie beim Verband badischer Gemeinden zeigt sich hier die Neigung mancher Bürgermeister zu einer emotionalen Politik, die den Gegensatz zur Landesregierung überbetont. I m Fall der Aufsicht spielt dabei der Gegensatz zwischen gehobenem und höherem Dienst mit eine Rolle. Eine solche Politik bildet jedoch die Ausnahme. Von den anderen kommunalen Spitzenverbänden wurden diese Äußerungen vollkommen abgelehnt und die betreffenden Bestimmungen auch gebilligt. Dagegen konnten die Gemeinden erreichen, daß die Beratung der Gemeinden durch die Aufsichtsbehörde nicht in der 108 109 110
Interview. Interview. Eingabe des W G T an den Landtag 15.1.1955, S. 9 f.
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3. Kap.: Staats- u n d Selbstverwaltung
Gemeindeordnung verankert wurde. Diese Form der Aufsicht ist zwar trotzdem zulässig und eines der Kernstücke der Kommunalaufsicht 1 1 1 , doch w i r d sie von den Gemeinden vielfach als Einmischung des Landratsamts angesehen. Dagegen w i r d sie vom Landkreistag stets besonders hervorgehoben. Zu grundsätzlichen Konflikten kam es i n der Praxis nur über die Frage der Gemeindevisitationen, der Besichtigung der Gemeinde durch den Landrat in Form einer Überprüfung. M i t Unterstützung des Gemeindetags gelang es jedoch den Gemeinden, die Wiederaufnahme dieser Einrichtung zu verhindern 1 1 2 . Dabei spielt eine Rolle, daß eine Einschränkung der härteren Formen der Aufsicht i m Zuge der Zeit liegt und fast immer, unabhängig von der rechtlichen Regelung, eine gütliche Einigung versucht wird. Wenn auch i n der Frage der Aufsicht zwischen Landkreis und Gemeinden teilweise unterschiedliche Interessen bestehen, so ist doch der Hauptgegensatz i n den grundsätzlichen Fragen der Selbstverwaltung der zum Land. Die mannigfachen Einschränkungen der Selbstverwaltung durch gesetzliche Vorschriften und vielfach sehr detaillierte Ausführungsbestimmungen nehmen insgesamt zu 1 1 3 . Dazu kommt als ein wichtiges Instrument die Einschränkung des finanziellen Spielraums, sowohl durch die gesetzliche Regelung des Finanzausgleichs, wie durch Gewährung von zweckgebundenen Zuschüssen anstelle allgemeiner Deckungsmittel. Diese sind sicherlich in gewissem Umfang notwendig, sie dienen jedoch darüber hinaus der Steuerung der kommunalen Investitionen nach den politischen Zielen der Landespolitik. Die kommunalen Spitzenverbände betreiben daher i m Grundsatz eine Stärkung der eigenen Finanzmittel der Gemeinden. Ihre Politik ist aber auch hier nicht einheitlich, da nicht alle Gemeinden i n gleichem Umfang von zweckgebundenen Zuweisungen profitieren. Besonders für die kleinen Gemeinden sind die allgemeinen Schlüsselzuweisungen weit wichtiger. I m konkreten Einzelfall sind die Verbände daher überwiegend für eine Erhöhung der zweckgebundenen Zuweisungen, und sie weisen ihre Gemeinden auch auf diese Möglichkeiten h i n 1 1 4 . Die Auseinandersetzung zwischen Landes- und Selbstverwaltung hat sich heute vornehmlich auf andere Fragen verlagert. Auch die Frage des Regionalkreises und der Auflösung der Regierungspräsidien hat, worauf oben nur kurz eingegangen wurde, den Aspekt des Verhältnisses von Land und Selbstverwaltung. Ähnlich wie bei der Behörde des Landratsamtes ergibt sich hier für die Ministerien die Gefahr, den 111 112 113 114
A k t u e l l e Probleme der Kommunalaufsicht. B e r l i n 1963, S. 37 ff. Interview. Bertram, S. 61 ff. Entgegen der Auffassung Bertrams, S. 59.
I I . Die weitere Entwicklung
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unmittelbaren Einfluß auf die Entscheidungen, die hier getroffen werden, zu verlieren. Dies gilt wenigstens für die Lösungen, die die Aufgaben dieser Ebene auf kommunale Träger übertragen möchten. Dies ist sowohl bei der Schaffung kommunaler Bezirksverbände wie bei Regionalkreisen der Fall. Ersteres wurde besonders in der Nachkriegszeit erwogen und auch von einigen Landräten vorgeschlagen 115 . I n dieselbe Richtung geht das nordrhein-westfälische Gutachten C, das zwischen Regierungspräsidien und (künftig deckungsgleichen) Landschaftsverbänden eine systematische Teilung der Aufgaben in solche der hoheitlichen und der Leistungsverwaltung durchführen wollte 1 1 6 . Dieser Vorschlag ging aus von der bereits bestehenden Aufgabenverteilung beider Verwaltungsträger, die noch klarer voneinander getrennt werden sollten. Auch dies hätte für das Land einen wesentlichen Verlust an Aufgaben gebracht, insbesondere an solchen, die für eine gestaltende Verwaltung in Frage kommen. Eine solche Trennung beider Aufgabenbereiche hat sowohl praktische Nachteile, wie sie für die Beamten das Regierungspräsidium uninteressant macht. Dadurch würde es für die Personalpolitik weitgehend ausfallen. Das Land, und hier wiederum in besonderem Maße die Landesverwaltung, befürchten eine Aushöhlung des Landes durch starke Selbstverwaltungskörperschaften, was angesichts des Verlustes an Aufgaben an den Bund besonders bedrohlich ist. Dies zeigt etwa die Äußerung Staatssekretärs Halstenbergs, die Entwicklung des föderativen Systems zu einem immer stärkeren Zentralismus hin erfordere, daß die Mittelinstanz staatlichen Charakter behalte 1 1 7 . Die Argumente, mit denen die Regierungspräsidien verteidigt werden, sind dabei ähnlich wie i n Baden-Württemberg für den staatlichen Landrat. So wurde etwa von Ministerpräsident Meyers ein fester Kern staatlicher Aufgaben gesehen, der nicht kommunalisiert werden könne. Dies sei besonders angesichts der weitgehenden Kommunalisierung der unteren Verwaltungsbehörde notwendig 1 1 8 . Vielmehr wurde sogar gefordert, umgekehrt solle der Regierungspräsident wieder stärker das Rückgrat der allgemeinen Verwaltung bilden und eine politische Gesamtverantwortung wahrnehmen 1 1 9 . Dieses Konzept, das auch von den meisten Verwaltungswissenschaftlern vertreten w i r d und dem sich auch die Sachverständigen-Gut-
115 Gert Hillmann, Der Regierungspräsident u n d seine Behörde. Diss. Göttingen 1969, S. 257 ff. 116 S. 83 ff. 117 Nach Eildienst 1970, Nr. 3/70/24. Vgl. auch Innenminister Weyer nach Mattenklodt, S. 323 f. 118 Nach Eildienst 1965, S. 133. 119 Fritz Rietdorf, Stand der Verwaltungsreform i n Nordrhein-Westfalen. K ö l n 1968, S. 16 ff.
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3. Kap.: Staats- und Selbstverwaltung
achten anschlossen, geht davon aus, daß die Regierungspräsidien i n ihrer derzeitigen Form eine Reihe von Aufgaben erfüllen, die nur schwer nach unten übertragen werden können. Dazu werden zumeist gerechn e t 1 2 0 : 1. die erstinstanzlichen Aufgaben a) sofern sie großräumig zu erledigen sind, b) wenn sie Spezialisten erfordern, c) wenn es sich um schutzwürdige öffentliche Belange handelt. 2. die Aufgaben der Rechtsund Fachaufsicht, 3. Rechtsmittelzuständigkeiten. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe kamen verschiedene Kommissionen dazu, zwischen 10 und 16 °/o der Aufgaben zur Übertragung auf die Kreise vorzuschlagen, denen ungefähr gleich umfangreiche Aufgaben entsprechen, die von den Ministerien nach unten verlagert werden könnten 1 2 1 . Die Regierungspräsidenten selbst sind eher der Auffassung, daß noch weniger Aufgaben übertragbar sind. Auch bei einer Auflösung der Regierungspräsidien, wie sie in BadenWürttemberg geplant war, ist daher nicht an eine Kommunalisierung dieser Aufgaben gedacht. Vielmehr ergibt sich sofort das Bestreben der Landesverwaltung, Ersatzlösungen zu finden. Diese sind möglich durch Verlagerung von Aufgaben auf die Ministerien, was aber diese mit Verwaltungsaufgaben belastet, durch Errichtung eines zentralen Landesverwaltungsamtes, wie es in Schleswig-Holstein teilweise geschaffen wurde, um das Fehlen der Regierungspräsidien auszugleichen, oder durch die Schaffung mehrerer zentraler Fachbehörden, die den einzelnen Ministerien nachgeordnet sind 1 2 2 . Dadurch w i r d jedoch die in der Mittelinstanz bisher vorhandene Einheit der Verwaltung, die Koordinierung sämtlicher Verwaltungszweige in einer Behörde, beseitigt. Daß dies von den Fachministerien teilweise begrüßt wird, w i r d unten i m Zusammenhang mit der Frage der Sonderbehörden näher dargelegt werden müssen. Von den Regierungspräsidien w i r d jedoch gerade dieser Gesichtspunkt stark in den Vordergrund geschoben. Sie vertreten ihre Ansicht, wie sich bereits an den Fragen der Landkreisordnung zeigte, innerhalb der Verwaltung sehr aktiv. Da sie jedoch über keinen Verband verfügen und von ihrer Natur her auch nicht verfügen können, sind sie politisch schwächer. Allerdings verfügen sie zum Teil über gewisse Beziehungen in den Parteien, da es sich oft um Politiker handelt- Trotzdem ist dies weit weniger wirksam als die breite Zahl der in der Selbstverwaltung Tätigen. Weit wichtiger ist daher die Haltung der Ministerialverwaltung. Ein Beispiel, wie von dieser auch Personen mit zunächst ganz anderen Vorstellungen beein120 Vgl. Kühn i n : Baden-Württembergisches 81 - 85. 121 Ebd., S. 81. 122 Hillmann, S. 248 ff.
Verwaltungsblatt
1971, S.
I I . Die weitere Entwicklung
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flußt werden, ist Innenminister Weyer, der lange Anhänger des Regionalkreises w a r 1 2 3 . Er sah darin vor allem den Vorteil der Einsparung einer Verwaltungsebene und einer Lösung des Stadt-Umland-Problems. Insbesondere sollten die Regionalkreise m i t der Landesplanung beauftragt werden. M i t diesem Gedanken stieß er jedoch in seinem M i nisterium auf Widerstand, das ihn von der Beibehaltung des derzeitigen Verwaltungsaufbaus überzeugte. Die Stärkung der höheren Kommunalverbände wurde i n NordrheinWestfalen in den Parteien von verschiedenen Gruppen vorgeschlagen, insbesondere von Seiten der Landschaftsverbände selbst. Von den anderen Parteien wurde dabei jeweils der V o r w u r f erhoben, dies diene dazu, das Land auszuhöhlen 124 . Bei den Kreisen fanden dagegen höhere Kommunalverbände nur wenig Anklang. Einerseits besteht auf sie nur ein geringer Einfluß, andererseits können sie Aufgaben der Landkreise an sich ziehen. Allerdings w i r d der Gedanke von dieser Seite gelegentlich vertreten. A u f die Unterstützung des Regionalkreises durch die Städte wurde schon hingewiesen, doch sind hier wiederum die Landkreise die entschiedenen Gegner. Der unterschiedliche Grad, i n dem sich die kommunale Selbstverwaltung i n den einzelnen Bundesländern durchsetzte, läßt sich auch deutlich an der Handhabung der Landesplanung beobachten. Die Regelung dieser Frage ist insofern interessant, als hier seit dem Bundesraumordnungsgesetz 1965 neue Regelungen getroffen wurden, die eine Neuabgrenzung von Staats- und Kommunalverwaltung mit sich brachten. Die Organisation der Landesplanung kann prinzipiell auf drei Wegen erfolgen: als rein staatliche, als rein kommunale Aufgabe oder als eine gemischte Aufgabe, in der sich staatliche und kommunale Tätigkeit begegnen. Insbesondere der DGT und der DLT, denen sich die anderen Verbände anschlossen 125 , forderten, dies in der Form des „Gegenstromprinzips" i m Bundesraumordnungsgesetz zu verankern. Zu diesem Zweck schlugen die beiden Verbände die Gründung von regionalen Planungsgemeinschaften vor, durch die die Selbstverwaltung an der Planung i m regionalen Bereich beteiligt werden sollte 1 2 6 . Sie forderten, dies i m Bundesraumordnungsgesetz zu verankern, um so eine gleichmäßige Gestaltung i m Bundesgebiet zu erreichen. Neben der inhalt123
Interview. Vgl. Eildienst 1970, S. 266. So die CDU über die SPD nach: Rheinische Post 13.7.1968, Innenminister Weyer über die CDU: Pressemitteilung v o m 1.12.1970. Vgl. ST N W 6/21 - 36 Bd. 10. 125 B V der kommunalen Spitzenverbände 12. 2.1964. Vgl. D G T Geschäftsbericht, Bad Godesberg 1963, S. 18 ff. 126 D G T Geschäftsbericht, 1962, S. 24 ff. 124
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3. Kap.: Staats- und Selbstverwaltung
liehen Regelung der Raumordnung 1 2 7 war dies einer der am meisten strittigen Punkte dieses Gesetzes, da er i n die Kompetenz der Länder eingreifen mußte. Es gelang den kommunalen Spitzenverbänden jedoch, dies i m Bundestag durchzusetzen. Dabei war eine wesentliche Hilfe, daß der zuständige Ressortminister Lücke zugleich Präsident des DGT war. Wenn er auch aus taktischen Gründen die Regionalplanung nicht i n den Regierungsentwurf aufnahm, so unterstützte er doch i m folgenden die kommunale Seite. I n der entscheidenden Unterredung zwischen i h m und dem Beauftragten der Länder Meyers im Januar 1965, die zu einem Kompromiß zwischen Bund und Ländern führte, wurde auch diese Frage entschieden 128 . I n § 5, Abs. 3 des Gesetzes ist die Beteiligung der Gemeinden (Gemeindeverbände) durch regionale Planungsgemeinschaften oder durch ein anderes förmliches Verfahren vorgesehen. Auch i n dieser Frage besteht die am weitesten gehende Kommunalisierung i n Nordrhein-Westfalen, das schon i m Landesplanungsgesetz vom 7.5. 1962 (GVB1. S. 229 ff.) dies als gemeinschaftliche Aufgabe von Staat und Selbstverwaltung deklarierte. Die Planung erfolgt durch drei Landesplanungsgemeinschaften, i n denen Landschaftsverbände, Landkreise, Gemeinden über 30 000 Einwohnern und Regierungspräsidien Mitglieder sind. Ihre Pläne bedürfen der Genehmigung der Landesplanungsbehörde. Allerdings ist diese Regelung nicht unumstritten. Schon 1962 standen sich hier Staats- und Kommunalverwaltung gegenüber 1 2 9 . I n jüngster Zeit hat sich die K r i t i k i n der Landesverwaltung an der sehr starken Kommunalisierung der Landesplanung noch verstärkt. Sie habe zu einer zu großen Zahl von Entwicklungsachsen und -Schwerpunkten geführt. Diese Ansicht machten sich dann auch der Innenminister und der Ministerpräsident zu eigen 1 3 0 . Es wurde hier erwogen, die Landesplanung durch die Regierungspräsidien ausüben zu lassen und die Selbstverwaltung nur in Form von Beiräten zu beteiligen. Wenn auch diesen einzelne Entscheidungsbefugnisse zuerkannt würden, so wäre damit doch die Selbstverwaltung stark eingeschränkt. A m stärksten i n Gegensatz dazu steht Bayern, wo die Landesplanung staatliche Aufgabe ist und die Landesplanungsgemeinschaften sie nur i m übertragenen Wirkungskreis ausführen 131 . Zur Ausarbeitung der Pläne bedienen sie sich der Bezirksplanungsstellen bei den Bezirksregierungen, nicht eigener Organe. Selbst diese wesentlich mehr die 127
s. o. S. 155. DST 6/21 - 22. 129 L K T N W A k t e n v e r m e r k v o m 27.1.1962. 130 Interview. Weyer i m J u n i 1971 i m Landtag. 131 LP1G vom 1.2.1970. Vgl. Oskar Tschira, Das neue bayerische desplanungsgesetz, i n : Der Landkreis 1970, S. 89 - 91. 128
Lan-
I I . Die weitere Entwicklung
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staatliche Seite betonende Regelung wurde jedoch erst nach heftigem Ringen der kommunalen Spitzenverbände durchgesetzt, nachdem zuvor die Landesplanung eine rein staatliche Aufgabe gewesen war. Zwischen diesen beiden Lösungen gibt es noch viele Zwischenformen, auf die hier nicht weiter eingegangen werden soll. Entscheidend ist hier die Frage, warum i n Nordrhein-Westfalen, das stellvertretend für die Länder der ehemaligen britischen Zone steht, eine so weitgehende Kommunalisierung durchgesetzt wurde. Diese zeigt sich neben der organisatorischen Ausgestaltung des Landratsamts ja auch i n der Kommunalisierung der Sonderbehörden. Sicherlich gehen diese Maßnahmen weitgehend auf den Eingriff der Besatzungsmacht zurück. Jedoch wurden sie auch später vom Landtag nicht abgeändert, obwohl es dazu Bestrebungen gibt. Die weitgehende Kommunalisierung kann man sicherlich zurückführen auf die in Nordrhein-Westfalen besonders starke kommunale Vertretung i m Landtag, die ja wiederum eine direkte Folge des britischen Eingriffs i n die innere Kommunalverfassung ist. Durch sie ist ein Rückgängigmachen der Reformen nach 1945 auch in diesem Punkte sehr schwierig. Die Fragen der Ausgestaltung der Mittelinstanz und der Landesplanung zeigen, daß der Interessenkonflikt zwischen Staats- und Selbstverwaltung auch heute andauert. Die Fronten der Auseinandersetzung haben sich dabei allerdings verschoben. Die Kommunalaufsicht und die organisatorische Ausgestaltung des Landkreises bieten heute keinen Anlaß zu grundsätzlichen Kontroversen mehr. Nur Einzelfragen sind hier noch strittig. Man kann auch feststellen, daß es der Selbstverwaltung gelungen ist, ihre grundsätzliche rechtliche Stellung gegenüber den Ländern rechtlich gut zu sichern. Dem entspricht allerdings die praktische Bedeutung der Selbstverwaltung nicht voll. Diese ist gekennzeichnet durch einen zunehmenden Verlust an Selbständigkeit und an Spielraum für die einzelne Gemeinde durch die Gesetzgebung, detaillierte Ausführungsbestimmungen und vor allem durch finanzielle Regelungen. Der Einfluß der Länder und des Bundes w i r d also auch durch andere als organisatorische M i t t e l gesichert. Auf diese Fragen verlagert sich zunehmend die Auseinandersetzung. Dennoch ist die organisatorische Frage des Verwaltungsaufbaus für unsere Betrachtung besonders interessant, da es sich um das Kernproblem des Verhältnisses von Staat und Selbstverwaltung handelt. Hier w i r d besonders deutlich, welcher Natur dieser Interessenkonflikt ist. Während i m 19. Jahrhundert unterschiedliche gesellschaftliche Kräfte hinter beiden Seiten standen, ist dies heute nicht mehr der Fall. Beide Seiten verfügen, worauf besonders Werner Weber hinwies, über eine demokratische Legitimation, und es haben beide Seiten „ihre Notwen-
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3. Kap. : Staats- u n d Selbstverwaltung
digkeit und ihre Würde" 1 3 2 . Dabei ist sicherlich die Legitimation des Staates (Bund und Länder) umfassender als die der Gemeinden, weshalb eine Kontrolle dieser durch die Länder gerechtfertigt ist. Andererseits ist es aber sicherlich falsch, die Selbstverwaltung als mittelbare Staatsverwaltung und als bloße Technik zu bezeichnen 133 , und die Gemeinden m i t der Selbstverwaltung der Sozialversicherung und der Kammern auf eine Ebene zu stellen. Letztere verfügen gerade nicht über eine solche umfassende politische Willensbildung wie die kommunale Selbstverwaltung. Auch mit der Feststellung, die Sache der Selbstverwaltung sei i n die Hände der Spitzenbeamten übergegangen und die Selbstverwaltung werde in erster Linie von diesen gefordert 1 3 4 , kann die Legitimation der Gemeinden nicht bestritten werden. Die zunehmende Bedeutung der Exekutive ist ja in gleichem Umfang auch auf der Landes- und der Bundesebene zu beobachten. Daher wurde auch oben festgestellt, daß sich i n diesem Interessenkonflikt i n erster Linie die Ministerialverwaltung und die Verwaltung der Kommunen gegenüberstehen. Es handelt sich also um einen K o n f l i k t innerhalb der Verwaltung u m die beiderseitigen Kompetenzen. Jedoch, auch wenn die Auseinandersetzungen vor allem zwischen diesen beiden Gruppen ausgetragen werden, so sind sie keineswegs allein daran beteiligt. Dahinter stehen ebenso die unterschiedlichen Interessen der Körperschaften und ihrer politischen Organe, der Landtage und Regierungen einerseits, der Räte andererseits, ebenso wie die der Bürger i n den einzelnen Räumen. Aus der Repräsentation der Bürger auf unterschiedlichen politischen Ebenen ergeben sich Interessen, die i n den einzelnen Räumen unterschiedlich sind, sowohl zwischen den Gemeinden untereinander, wie zwischen Gemeinden und Land 1 3 5 . Da diese Interessen sich vielfach widersprechen, ist die Sicherung der autonomen Entscheidungsbefugnisse gegenüber zentralen Eingriffen nicht nur i m Interesse der kommunalen Verwaltungen, sondern ebenso sehr i n dem ihrer Bürger. Daß diese schwerer mobilisierbar sind, widerspricht dem nicht. Immerhin zeigte sich etwa an der Frage des kommunalen Landrats i n Baden-Württemberg ein deutlicher Widerstand der Kreistage. Das gleiche gilt für die Ehrenamtlichen i n Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Auch in der Einwirkung auf Parteien und Fraktionen darf der Einfluß der politischen Gremien auf lokaler Ebene nicht übersehen werden. 132
Weber, Untere Verwaltungsinstanz, S. 31. Hülmann, S. 43. 134 Werner Weber, Staats- u n d Selbstverwaltung i n der Gegenwart. 2. Aufl. Göttingen 1967, S. 65 f. u n d Hillmann, S. 38. 133
135 Roman Schnur, Politische Entscheidungen und räumliche Interessen, i n : Die V e r w a l t u n g 1970, S. 257 - 281. S. 257.
Viertes Kapitel D i e Adressaten der k o m m u n a l e n Spitzenverbände I n diesem Kapitel ist zu untersuchen, wie die von den kommunalen Spitzenverbänden vertretenen Interessen i m politischen System durchgesetzt werden können. Die Bedingungen des Einflusses sind dabei unterschiedlich je nachdem, ob es sich um die Interessen gegenüber den Ländern handelt, um die zwischen den verschiedenen kommunalen Gruppen strittigen Fragen, die sich mit den Interessen einzelner Bevölkerungsgruppen verbinden, oder um Interessenkonflikte mit anderen Verbänden. Dabei ist auch zu unterscheiden, wie weit der kommunale Einfluß sich über die Spitzenverbände vollzieht oder wie weit außerhalb, wobei hier nur der erstere näher untersucht wird. I. Die Parteien Die Beziehungen der kommunalen Spitzenverbände zu den Parteien als Ganzes unterscheiden sich von denen anderer Verbände beträchtlich. A m wichtigsten ist, daß für erstere ein Einfluß auf die Parteifinanzierung und die Wahlentscheidung durch Beeinflussung von Wählern, die bei anderen Interessenverbänden stets i m Hintergrund steht, nicht möglich ist. Die Verbände sind sowohl durch ihre Satzung wie faktisch zu parteipolitischer Neutralität verpflichtet. Angesichts der politischen Bindung fast aller Beteiligten an Parteien würden die Verbände anderenfalls gesprengt. Die kommunalen Spitzenverbände gehören also zu den Verbänden, die zu allen Parteien gute Beziehungen unterhalten müssen 1 . Wenn dies auch sicherlich nicht in allen Fällen gleich gut gelingt, so doch sicher in weit größerem Maße als bei anderen Verbänden. Von diesen unterscheiden sie sich auch dadurch, daß ihre Mitglieder keine Gruppe von Personen, auf die der Verband Einfluß ausüben könnte, darstellen, sondern selbst eine von den Parteien besetzte Stufe des Staates. Dagegen gibt es wie bei anderen Verbänden personelle Querverbindungen zu den Parteien. Doch besteht auch hier insofern ein Unterschied, als weniger ein Verband in die Parteien, als umgekehrt die Parteien i n die Gemeinden eingedrungen sind. Dies macht natür1
Beyme, Interessengruppen, S. 122.
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4. Kap. : Adressaten der Verbände
lieh einen Unterschied in der Intensität der Interessenvertretung aus, insofern als die Orientierung am Verband wesentlich geringer ist. Der Einfluß i n den Parteien beruht also weitgehend auf dem Einfluß der haupt- und ehrenamtlich i n den Gemeinden tätigen Politiker. Dieser w i r d ausgeübt zum einen direkt über die i n den Parteien von Kommunalpolitikern erreichten Positionen, zum anderen über die Kommunalpolitische Vereinigung, Beiräte und andere von der Partei für diesen Zweck ins Leben gerufene Organisationen. Diese Organisationen, besonders die Kommunalpolitische Vereinigung (KPV) der CDU/CSU haben prinzipiell zwei sehr unterschiedliche Zwecke: zum einen das Einwirken auf die Kommunalpolitiker draußen i m Lande, ihre politische Information und Weiterbildung, in gewissem Umfang auch ihre Disziplinierung, zum anderen aber die Einwirkung auf die zentralen politischen Entscheidungsgremien (so auch § 39 des Statuts der CDU). Hier ist nur diese, der Funktion der kommunalen Spitzenverbände parallele Aufgabe interessant. Bertram schließt aus diesen Organisationen auch auf eine Steuerung der Verbände durch die Parteien 2 . Wieweit dies zutrifft, kann jedoch von einem Außenstehenden nur schwer beurteilt werden. Sicherlich ist sie in gewissem Umfang vorhanden, doch w i r d sie wohl in erster Linie von den Politikern i n den Verbänden selbst, vor allem auf ihren „Gruppenbesprechungen" stattfinden und nicht durch die Parteizentrale. Es muß auch festgestellt werden, daß trotz der personellen Verflechtungen vielfach die Unabhängigkeit der Verbände unter Beweis gestellt wurde. Die kommunalpolitische Organisation der Parteien ist daher in erster Linie unter dem Aspekt des kommunalen Einflusses auf die Parteien zu betrachten. Ein Überblick über die Geschichte dieser Organisationen und ihren genauen Umfang kann dabei nicht gegeben werden 3 . Hier ist vor allem das Problem der Effektivität dieser Organisationen relevant. Für die kommunalpolitische Organisation der CDU/CSU ist charakteristisch, daß sie i n einer autonomen Vereinigung erfolgt, die i m Parteistatut (§ 38) anerkannt ist und den anderen Vereinigungen gleichgestellt ist, den Sozialausschüssen, der Mittelstandsvereinigung, der Jungen Union, der Frauenvereinigung, der Union der Vertriebenen und Flüchtlinge usw. Damit sind von der äußeren Organisation her die Gemeinden anderen Interessengruppen gleichgestellt, ebenso wie die kommunalen Spitzenverbände auf der Ebene von Interessenverbänden stehen. Die K P V wurde zuerst i n Hessen 1946 i n der Form einer von der Partei selbst geschaffenen Organisation gegründet. Es folgte Nordrhein2
Bertram, S. 139. Dies hat Bertram bereits getan. 3
S. 134 - 147 auf G r u n d der Publikationen der Parteien
I. Parteien
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Westfalen, wo sie von unten her, als Vereinigung von Mitgliedern gegründet wurde, ein Organisationsmodell, das dann auch i n den anderen Bundesländern übernommen wurde und 1947 zur Gründung einer Bundesvereinigung führte. Der erste Vorsitzende war Wilhelm Bitter, später MdB und zeitweise Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Kommunalpolitik. Sein Nachfolger wurde Wilhelm Jansen und später der ehemalige nordrhein-westfälische Finanzminister Pütz und der stellvertretende Vorsitzende des DSTGB Waffenschmidt. Die Vereinigung besitzt eigene Geschäftsstellen i n den Ländern und auf der Bundesebene, wo der Sitz 1964 von Recklinghausen nach Bonn verlegt wurde. I m Bund und einem Teil der Länder sind diese relativ gut ausgebaut, sowohl nach der Zahl der Referenten, wie auch i n der sonstigen Organisation, Fachausschüssen etc. Die Vereinigung gibt eine eigene Zeitschrift, die Kommunalpolitischen Blätter, heraus und i n Nordrhein-Westfalen noch ein internes Mitteilungsorgan, das zusätzliche landespolitische Nachrichten enthält. Die K P V veranstaltet außerdem Fachtagungen verschiedenster Art, insbesondere den jährlich stattfindenden Kommunalkongreß, der ein wichtiges Forum für die Kommunalpolitiker bietet. M i t der Veranstaltung des ersten dieser Kongresse 1964 und einer Reihe anderer Maßnahmen wurde versucht, die Arbeit der Vereinigung zu intensivieren 4 . Dabei stand i m Vordergrund das Problem, daß die CDU i n den Gemeinden zunehmend einen Rückgang ihres Einflusses hinnehmen mußte, was sicherlich auch mit der Intensität der kommunalpolitischen Arbeit der Partei zusammenhängt. Trotz der Bemühungen der K P V besteht jedoch allgemein Übereinstimmung i n der Ansicht, daß sie auf der Bundesebene und i n den meisten Ländern nahezu keine Rolle i n der politischen Willensbildung spielt. Dies zeigt auch die Verteilung der Sitze i m Bundesvorstand der CDU, i n dem heute nach dem Abgang Lückes diese Vereinigung keinen echten Vertreter mehr hat, ganz i m Gegensatz zu den formell gleichgestellten anderen Vereinigungen der Partei. Während bis zur Satzungsänderung von 1967 die Vorsitzenden der Vereinigungen ex officio Mitglieder des Bundesvorstandes waren, ist dies heute nicht mehr der Fall. Dabei zeigte sich, daß die K P V nicht so stark ist wie die anderen Gruppen. Zwar waren 1970 noch 2 der 30 Mitglieder des Bundesvorstandes bei ihr Mitglieder, doch sind beide nicht als Vertreter der Selbstverwaltung gewählt worden. Dies gilt sowohl für Amrehn wie Dregger, der zwar ehemals Präsident des DST war, aber heute in i h m nicht mehr vertreten ist, seit er als Oberbürgermeister von Fulda zurücktrat. Beide können daher auch nicht als Vertreter der kommuna4
Vgl. dazu Bertram,
14 Geißelmann
S. 139.
4. Kap.: Adressaten der Verbände
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len Spitzenverbände angesehen werden. Die Äußerungen der K P V haben auf der Bundesebene auch eine sehr geringe Resonanz5. A u f Grund dieser geringen Bedeutung spielt sie auch für die Arbeit der kommunalen Spitzenverbände auf der Bundesebene so gut wie keine Rolle. I n konkreten Fragen gehen Initiativen der Verbände keineswegs den Weg über diese Vereinigung, sondern direkt an die i n Partei und Parlament entscheidenden Personen. A n einen Einfluß der K P V über die Partei hinaus auf die Ministerien 6 ist vollends nicht zu denken. Anders ist es zum Teil auf der Landesebene. Dies gilt besonders für Nordrhein-Westfalen, das eigentliche Kernland der KPV. Ihre Bedeutung erhält sie hier aus der Rolle der ehrenamtlichen Politiker i n den Gemeinden, was bisher i n der Literatur nicht genügend beachtet wurde. Sie wurde seinerzeit geschaffen, um die Ehrenamtlichen gegenüber den hauptamtlichen Verwaltungsfachleuten zu stärken, ihnen eine fachliche Anleitung zu geben und sie zu organisieren. Angesichts der großen Zahl von ehrenamtlichen Kommunalbeamten i m Landtag spielt sie auch heute eine gewisse Rolle. Trotzdem ist auch i n NordrheinWestfalen, wie sich an der Mittelstadtfrage sowie bei der Gemeindereform zeigte, die K P V kein so wichtiges Instrument, wie man auf Grund ihrer Konstruktion annehmen könnte. Die Spitzenverbände halten zwar zu i h r Kontakt, doch ist sie für sie nur von sekundärer Bedeutung 7 . I n einigen anderen Ländern spielt die K P V dank der personellen Konstellation eine gewisse Rolle, wie etwa in Rheinland-Pfalz durch den Einfluß ihres Vorsitzenden Landrat Korbach, oder auch i n Bayern und in Schleswig-Holstein. I n anderen dagegen ist sie wenigstens hinsichtlich des Einflusses auf die Landesgremien ohne nennenswerte Bedeutung. Dies g i l t etwa, wie die Untersuchungen eindeutig ergeben haben, für Baden-Württemberg. Der Grund für die Schwäche der K P V liegt sicher darin, daß die Gemeinden, i m Gegensatz zu Frauen, Jugend, Arbeitnehmer usw., kein selbständiger Sektor der Gesellschaft sind. Ihre Organisation als selbständige Vereinigung, die ihr Gewicht aus sich heraus erhält, kann daher auch niemals das gleiche Gewicht haben wie die der sozialen Gruppen der Gesamtgesellschaft. Eine Organisation dieser Gruppe von Personen ist daher auch für die Partei von geringerem Interesse, was sich etwa in der Wahl zum Präsidium der Partei niederschlägt. Offensichtlich besteht von Seiten der Kommunalpolitiker auch kein so starkes Bedürfnis nach einer weiteren, gut ausgebauten und in vie5 6 7
Interview. Bertram, S. 138 f. Interview.
I. Parteien
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lerlei Hinsicht tätigen Organisation außerhalb des sonstigen Parteiapparats. Dazu kommt noch, daß die K P V nicht die Führungskräfte gefunden hat, die für ihre Arbeit notwendig wären. Von Seiten der Parteiführung w i r d versucht, diesen Mangel der Organisation der K P V dadurch auszugleichen, daß zur Ergänzung der kommunalpolitischen Arbeit der Bundesgeschäftsstelle ein Ausschuß für Strukturpolitik geschaffen wurde, der auch die Themen der Kommunalpolitik (Regionalpolitik, Umweltschutz, Verwaltungsreform, Umgestaltung der politischen Verhältnisse auf Gemeindeebene) behandeln und der Parteiführung Arbeitsunterlagen liefern soll. Auch bei der Konrad-Adenauer-Stiftung wurde ein Institut für Kommunalwissenschaft eingerichtet, das die entsprechende Arbeit der Partei verstärken soll 8 . Hier w i r d also eine ähnliche Organisationsform angestrebt wie bei der SPD. Die Motivation für die Parteiführung war dabei, wie auch bei früheren Versuchen, der zunehmende Machtverlust auf der Gemeindeebene, der eine Verstärkung der Arbeit notwendig macht. Während früher hier nur allgemeine Appelle, die politische Arbeit auf der Gemeindeebene zu verstärken, erfolgten 9 , beginnt sich hier anscheinend die Ansicht durchzusetzen, daß die konkrete Arbeit für die Gemeinden und die kommunalpolitische Programmatik damit eng zusammenhängen. I m Gegensatz zur CDU ist die kommunalpolitische Organisation der SPD zentral ausgerichtet. Sie besteht vor allem in einem Ausschuß für Kommunalpolitik beim Parteivorstand. Die Mitglieder werden von diesem ernannt und ebenso der Vorsitzende. Dieser ist zur Zeit Jockel Fuchs (OB Mainz), davor waren es Lauritzen und andere prominente Politiker der Partei. I n i h m sind alle wichtigen kommunalen Gruppierungen (außer den Landkreisen) vertreten, wenn auch m i t einem starken Gewicht der Großstädte (1969 mehr als die Hälfte der Mitglieder) 1 0 . Neben prominenten Politikern werden auch direkt Vertreter der kommunalen Spitzenverbände herangezogen, beim DST und DSTGB die jeweils ranghöchsten SPD-Mitglieder der Geschäftsstellen. Damit kann eine unmittelbare Koordination von Verband und Partei erfolgen. Dieser Ausschuß ist einer von 27 Ausschüssen und Beiräten, die beim Parteivorstand eingerichtet sind und teilweise die Aufgaben der Interessenvertretung, teilweise aber rein fachliche Aufgaben als Expertengremium für die Parteiführung haben 11 . Wenn auch der Charak8
Interview. Dazu zählen etwa die mannigfachen Aufrufe Dufhues' zum S t u r m auf die roten Rathäuser. 10 SPD-Jahrbuch 1968/69. 11 Heino Kaack, Geschichte und S t r u k t u r des deutschen Parteiensystems. Opladen 1971, S. 548. 9
14*
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4. Kap.: Adressaten der Verbände
ter einer Interessengruppe innerhalb der Partei, den die K P V hat, bei dieser Organisationsform zurücktritt, so werden doch neben der fachlichen Beratung auch Interessen der Gemeinden vertreten. Der Ausschuß, der mehrmals jährlich zusammentritt, arbeitet Stellungnahmen auf Wunsch der Parteigremien, aber auch von sich aus aus. I h m w i r d allgemein eine hohe Effektivität nachgesagt. Sie ist durch seine Ansiedelung direkt bei der Parteiführung selbst und durch das Gewicht der i n ihr vertretenen Persönlichkeiten gesichert. Daneben finden, wie bei den anderen Parteien, jährlich Kommunalkongresse statt, und es w i r d eine Zeitschrift „Die demokratische Gemeinde" herausgegeben. Auch in der Bundesgeschäftsstelle besteht ein kommunalpolitisches Referat. Diese Einrichtungen dienen jedoch mehr dazu, Einfluß auf die Kommunalpolitiker zu nehmen. Kommunalpolitische Beiräte bestehen auch bei den Parteibezirken. Besonders dort, wo die Inkompatibilität durchgeführt ist, wie in Hessen, spielen sie auch eine erhebliche Rolle. Ihre Bedeutung w i r d auch umgekehrt deutlich in Rheinland-Pfalz, wo durch das Fehlen einer einheitlichen Landesorganisation auch die kommunalpolitische Organisation fehlt. Dies w i r d dort von den Spitzenverbänden als großer Nachteil empfunden, der die kommunalpolitische Willensbildung i n der Partei sehr erschwert habe 12 . Dennoch genügt auch nach Ansicht der SPD die Organisation von Beiräten nicht. Ausgehend von Nordrhein-Westfalen w i r d daher versucht, als Gegenstück zur K P V eine Kommunalpolitische Gesellschaft zu gründen, deren Aufgaben wohl vor allem in der Einwirkung auf die Kommunalpolitiker liegen soll 1 3 . Die kommunalpolitische Arbeit der FDP, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll 1 4 , ist insgesamt ähnlich wie die der SPD organisiert. Neben den eigentlichen kommunalpolitischen Organisationen der Parteien gibt es noch andere Faktoren, die den grundsätzlichen Einfluß der Selbstverwaltung gegenüber anderen Interessen in den Parteien unterstützen. Unter den personellen Faktoren ist weit wichtiger als jene der direkte Einfluß durch die Besetzung von Parteiämtern, der parallel zur Entstehung der kommunalen Fraktion in den Landtagen verläuft. Diese Ämterhäufung beginnt schon auf der Ortsebene, wo vielfach Kommunalbeamte zugleich die Vorsitzenden oder Vorstandsmitglieder von Orts- oder Kreisverbänden sind. Untersuchungen über das Ausmaß dieser Tatsache gibt es nicht, doch sind die Kommunal12 13 14
Interview. Interview. Vgl. Bertram,
S. 146 - 148.
I. Parteien
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beamten hier sicherlich überrepräsentiert. Besonders ausgeprägt ist dies wohl in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, wo das System der Gemeindeverfassung gerade dazu führt, indem die Parteivorsitzenden zu Kommunalbeamten werden. Von der lokalen Ebene aus gelangen viele Kommunalpolitiker zur Landesebene und in die entscheidenden Parteigremien. Einzelne Beispiele brauchen hier nicht angeführt zu werden. Es soll nur hingewiesen werden auf Länder, in denen einzelne Gruppen eine wichtige Rolle spielen, auch gegenüber anderen kommunalen Gruppen. So haben etwa in der hessischen SPD die Landräte (Woythal und Günther in Hessen-Süd, Pfuhl und Franke in Hessen-Nord) einen großen Einfluß, i m Gegensatz zu den früher bedeutenden Bürgermeistern kleinerer Gemeinden und den Oberbürgermeistern, die geringeren Einfluß haben. Ebenso sind die Landräte in der CSU einflußreich. Für Rheinland-Pfalz sind in der CDU etwa Landrat Korbach oder Oberbürgermeister B r i x anzuführen, in der SPD die Oberbürgermeister, was ebenso für Nordrhein-Westfalen zutrifft. Zu den aktiven kommen noch, wie auch in den Fraktionen, die ehemaligen Kommunalpolitiker hinzu. Da die Selbstverwaltung i n gewissem Umfang den Parteien als personelles Reservoir dient, bzw. diese dem Nachwuchs eine Möglichkeit bietet, politisch aktiv zu werden und sich zu profilieren, spielen ehemalige Kommunalpolitiker auch in den Parteigremien eine gewisse Rolle. So waren 1970 i m SPD-Bundesvorstand von 35 Mitgliedern 6 aktive und 3 ehemalige Kommunalpolitiker. Der personelle Einfluß in den Parteien ist jedoch nicht nur an die Besetzung von Parteiämtern der höheren Ebenen gebunden. Auch außerhalb dieser Positionen verfügen die Kommunalbeamten über mannigfachen Einfluß, der sich aus dem Gewicht ihrer Körperschaften und ihren persönlichen Qualitäten ergibt. Dieser Einfluß äußert sich etwa auf Parlamentarierkonferenzen, aber auch ganz informell, etwa durch Teilnahme an Fraktionssitzungen wie es i n Baden-Württemberg bei der Landkreisordnung der Fall war, oder durch die Berufung in Sachverständigengremien der Partei anläßlich der Verwaltungsreform. Dies war etwa in Baden-Württemberg bei der Kreisreform zu beobachten 15 . Die personellen Beziehungen innerhalb der Parteigremien bestehen jedoch in erster Linie auf der Landesebene. A u f der Bundesebene spielen die Kommunalpolitiker eine geringe Rolle. Bei der CDU wurde schon auf deren völliges Fehlen hingewiesen, bei der SPD ist es dank der Prominenz mancher Oberbürgermeister etwas besser. Sicherlich spielt dabei auch eine Rolle, daß die Organisation der kleinen Gemein15
Landkreisnachrichten aus Baden-Württemberg 1970, S. 19 f.
214
4. Kap. : Adressaten der Verbände
den und teilweise auch der Landkreise, die in der CDU dominieren, auf der Bundesebene schwach ist, während die Städte hier sowohl besser organisiert sind, als auch eher i n die Bundespolitik eingreifen können. Dennoch ist die Verflechtung von Bundes- und lokaler Ebene bei allen Parteien relativ gering. Man hat dies darauf zurückgeführt, daß beide Ebenen nur wenig Berührungspunkte haben 16 . A m häufigsten werden daher Orts- und Kreis-, Kreis- und Landesebene (insbesondere Kreisvorsitz und Landtagsmandat) miteinander kombiniert 1 7 , da so jeweils eine Ergänzung des Schwerpunkts der Arbeit der Politiker erreicht wird. Dieser Einfluß einzelner Kommunalpolitiker in den Parteien ist unabhängig von dem Einfluß und dem Wirken der kommunalen Spitzenverbände. Man kann w o h l auch davon ausgehen, daß die Verbände darauf keinen Einfluß nehmen können. Allerdings stellte der Hauptgeschäftsführer des DStB einmal fest, wünschenswert sei eine „planmäßige Aufforstung" des Nachwuchses aus dem Bereich der Gemeinden, der „Schule der Demokratie", in den Bereich der Landtage und des Bundestags, woran sich die kommunalen Spitzenverbände mit ihrer nicht unbedeutenden Personalkenntnis mit Erfolg beteiligen könnten 1 8 . Dies ist jedoch nur ein Wunsch, und es geschieht in der Praxis nicht. Der Einfluß auf die Parteien erfolgt also weitgehend außerhalb der Verbände als solcher. Z u den personellen Beziehungen kommen noch sachliche Faktoren hinzu. Eckstein führt als Faktor für den Einfluß der Verbände an 1 9 : die Politik selbst, d. h. die Bedeutung, die das jeweilige Fachgebiet i m Rahmen der Gesamtpolitik der Parteien und Regierungen hat. Dies läßt sich auch hier als ein letztlich für den Erfolg der Verbände entscheidender Faktor erweisen. Schon die Entstehung der kommunalen Spitzenverbände und der Umfang ihrer Organisation läßt sich, wie bereits dargelegt wurde, mit dem zunehmenden Eingriff i n den Handlungsraum der Kommunen und der gesamtstaatlichen Bedeutung der Kommunalpolitik erklären 2 0 . Die wachsende Verflechtung der politischen Ebenen lassen die Rolle der Verbände und die Vielfalt der Themen, mit denen sie sich befassen, noch wachsen. Die Bedeutung der Kommunalpolitik i m Rahmen der gesamten Polit i k war in der Geschichte der Bundesrepublik recht unterschiedlich. 16 17 18 19 20
Kaack, S. 501. Kaack, S. 502. Berkenhoff, Der Städtebund, S. 17. Eckstein, S. 34. s. o. 1. Kapitel, I.
I. Parteien
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Sie war wesentlich geringer unter Bundeskanzler Adenauer, unter dem die Außenpolitik und die Wirtschaftspolitik i m Vordergrund standen. Dies war daher eine Zeit, i n der die Verbände, besonders der DST in Konflikt zur Regierung gerieten. So war es etwa in der Frage der Finanzen, insbesondere der Gewerbesteuer der Fall, bei der die Regierungskoalition mehrfach zu Wahlgeschenken auf Kosten der Gemeinden griff. I n Regierungen dagegen, i n denen die Stärkung der Infrastruktur oder „innere Reformen" i m Mittelpunkt stehen, Maßnahmen die nur mit Hilfe der Gemeinden verwirklicht werden können, muß auf diese Rücksicht genommen werden. Daher erhalten auch die Verbände eine größere Bedeutung und können sich eher durchsetzen. Auch im Verhältnis zwischen den Verbänden ist, wie unten noch näher dargelegt werden wird, die Bedeutung der verschiedenen Gemeindegruppen für die einzelnen Parteien ausschlaggebend. Darüber hinaus ergibt sich ein wesentlicher Einfluß auch aus dem machtpolitischen Faktor. Da die Parteien ihre Ziele nur durchsetzen können, wenn sie auch auf der Gemeindeebene Macht ausüben, ist es notwendig, sich deren Probleme anzunehmen. Bereits oben wurde darauf hingewiesen, wie dieses Motiv bei der CDU immer wieder auftaucht. Eine ähnliche Rolle spielt es sicherlich auch für die SPD und deren kommunalpolitische Organisation. Eine noch größere Bedeutung, die eines zentralen Kernstücks der politischen Strategie, kommt jedoch der Kommunalpolitik zu i m Programm der Jungsozialisten. A u f dieses braucht hier nicht näher eingegangen zu werden. Es hat sich jedoch schon gezeigt, daß sich mit diesem ältere Forderungen der kommunalen Spitzenverbände wie das Städtebauförderungsgesetz, eine Verbesserung der Bodenordnung oder eine Ä n derung der Verkehrspolitik sehr leicht verbinden und so eine ganz neue Bedeutung i n der politischen Diskussion gewinnen. Die aus diesem Programm folgende Unterstützung der Gemeinden hat sich etwa schon i m hessischen Landtag erwiesen. Sie ist dort angesichts der I n kompatibilität auch von Bedeutung. Dies führte in einzelnen Fällen sogar zu einer konkreten Zusammenarbeit zwischen jungsozialistischen Abgeordneten und den kommunalen Spitzenverbänden 21 . Diese Entwicklung zeigt jedenfalls, daß für die Verbände die politische Programmatik der Parteien auf die Dauer entscheidend ist. Nach der Darstellung des kommunalen Einflusses in den Parteien, die von der Arbeit der kommunalen Spitzenverbände zum großen Teil unabhängig ist, ist als Gegenstück zu untersuchen, wie weit sich die Verbände den Parteien geöffnet haben und wie weit sie darauf aufbauend parteipolitisch bedingten Einfluß suchen. Da die Mitglie21
Interview.
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4. Kap.: Adressaten der Verbände
der der Verbände eine von den Parteien besetzte Stufe des Staates darstellen, sind ihre Vertreter in den Verbänden überwiegend parteipolitisch gebunden und ebenso ein großer Teil der Funktionäre der Verbände. Freie Wählervereinigungen und Parteilose spielen auch heute eine erhebliche Rolle in Süddeutschland (Baden-Württemberg und Bayern), kaum dagegen in den anderen Ländern 2 2 . Trotzdem müssen, wie bereits dargelegt wurde, die Verbände parteipolitisch neutral sein, sowohl aus internen Gründen, wie um mit allen Parteien zusammenarbeiten zu können. Diese Problematik hat zu sehr unterschiedlichen Lösungen hinsichtlich der politischen Bindungen geführt, die abhängig sind vom unterschiedlichen Grad der Politisierung der Kommunalverwaltung. Bei einigen Verbänden wurden bewußt parteipolitisch nicht engagierte Personen an die Spitze des Verbandes gestellt. Dies ist insbesondere i n Baden-Württemberg der Fall, wo dies noch durch die bedeutende Rolle der Fachbürgermeister und -Landräte mit bedingt ist. Auch die Geschäftsführer sind überwiegend parteilos, und für die Zusammensetzung der Organe und ihre Arbeit spielen die Parteien, wenigstens bei Gemeindetag und Landkreistag, keine Rolle. A m stärksten in Kontrast dazu steht der DST, dessen Gremien außer einigen süddeutschen Vertretern nur aus Mitgliedern von Parteien zusammengesetzt sind. Dies hat zu einer starken Politisierung des Verbandes geführt. Sämtliche Gremien sind neben einem regionalen auch nach einem parteipolitischen Proporz besetzt, wozu in Nordrhein-Westfalen als drittes Element noch der zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen kommt 2 3 . Die Angehörigen der Parteien haben sich beim DST, beim DStB und später beim DSTGB zu Gruppen zusammengeschlossen, die nach der A r t von Fraktionen eines Parlaments arbeiten 24 . Sie treten sowohl bei den jährlichen Versammlungen zusammen, wie bei Vorstandssitzungen. I n ihnen werden nicht nur personalpolitische Probleme besprochen, sondern auch die politische Linie des Verbandes unter dem Gesichtspunkt der Vereinbarkeit mit der Linie der Partei. Dies kann sich sowohl i m Sinn einer Steuerung des Verbandes durch die Parteien auswirken, wie als ein Mittel, die Politik des Verbandes in den Parteien durchzusetzen. Von manchen Geschäftsstellen, insbesondere i m ehemaligen DGT, w i r d dies vor allem als ein Hineinregieren der Parteien in den Verband empfunden und als sachfremde Denkweise abgelehnt 25 . Dies galt früher in gewissem Umfang auch für 22
Vgl. dazu Krebsbach m i t statistischen Zahlen f ü r den DST i n : Der Städtetag 1962, S. 193 f. 23 Otto Ziebill, Politische Parteien und kommunale Selbstverwaltung. Stuttgart 1964, S. 49. 24 Ziebill, Parteien, S. 49. 25 Interview.
I. Parteien
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den DST, dessen Geschäftsführer Ziebill es als Aufgabe der Verbände ansah, eine Überbetonung rein parteipolitischer Zielsetzungen und Methoden zu verhindern. I n dieser Zeit gab es auch Versuche, die Arbeit des DST zu entpolitisieren, etwa die Fachausschüsse von Gruppensitzungen freizuhalten, die Referenten der Geschäftsstelle nicht an Fraktionssitzungen teilnehmen zu lassen und diese Ämter unabhängig von den Parteien zu besetzen 26 . Solche Bestrebungen, die von einer Betonung des Unterschieds zwischen Parteipolitik und fachlicher Arbeit ausgingen, konnten sich jedoch nicht durchsetzen. Auch heute geht beim DST und beim DSTGB die Willensbildung stark von den Fraktionen aus. Dies gilt besonders für den Bund und die nordrhein-westfälischen Verbände, während i n Süddeutschland keine Fraktionssitzungen üblich sind. Um jedoch der Gefahr einer Spaltung nach Parteien und einer Majorisierung zu entgehen, ist in der Satzung des DST für sämtliche Beschlüsse eine 3 /4-Mehrheit vorgeschrieben. Angesichts der Mehrheit der SPD w i r k t sich dies heute zugunsten der CDU aus. Die Bestimmung bestand jedoch auch schon vor 1933. Dieselbe Klausel gibt es auch i n den Landesverbänden des DST, nicht jedoch bei den anderen Spitzenverbänden, die ohne diese auskommen, zumal es ohnehin üblich ist, weitgehend Einstimmigkeit anzustreben. Beim D L T wäre sie auch sinnlos, da die CDU hier auch eine 3 /4-Mehrheit aufbringen könnte. Tiefgreifende parteipolitische Streitigkeiten sind bisher auch nur beim DST an die Öffentlichkeit gedrungen. Selbst i n so umstrittenen Fragen wie dem Bundessozialhilfegesetz und dem Jugendwohlfahrtsgesetz 1961 wurden etwa i m DST und i m D L T einheitliche Stellungnahmen erzielt. Das von der CDU in scharfer Kontroverse mit der SPD verfochtene Subsidiaritätsprinzip zugunsten der organisierten Gruppen der Gesellschaft, das sich gegen die kommunalen Körperschaften auswirken mußte, wurde in beiden Verbänden mit Mehrheit, auch von der CDU abgelehnt 27 . Beim D L T verliefen dabei die Fronten weniger zwischen den Parteien als zwischen den Konfessionen. Doch stimmte auch hier die Mehrheit der Ansicht der SPD zu 2 8 , ebenso wie i m DST die CDU die Politik des Verbandes tolerierte. Gerade dieses Beispiel einer parteipolitischen Zerreißprobe zeigt, daß bei aller Bindung an die Parteien doch das gemeinsame Interesse der Gemeinden sich als einigendes Band erweist. Der einzige nach außen gedrungene gravierende K o n f l i k t ging um keine Sachfrage, sondern 1962/63 um die Besetzung der Ämter des 2e 27 28
Ziebill, Parteien, S. 50. StV B W : DST 7. DST Geschäftsbericht 1960/61, S. 23 f. Interview.
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4. Kap.: Adressaten der Verbände
Präsidenten und des Hauptgeschäftsführers des DST 2 9 . Hier wollte die CDU nicht hinnehmen, daß sie, wie es den Mehrheitsverhältnissen entsprach, bei der Besetzung beider Ämter beständig zurückstehen sollte. Die Präsidentenkrise wurde beigelegt, indem nach einer Vakanz i n beiden Ämtern der parteilose Stuttgarter OB Klett als Präsident und der Frankfurter OB Bockelmann, der aus seinem A m t ausschied, zum geschäftsführenden Vorstandsmitglied ernannt wurde. Der Kandidat der CDU Weinberger erhielt i n der Geschäftsstelle eine herausgehobene Stellung. Die Politisierung des Verbandes macht also nicht beim Vorstand halt, sondern greift beim DST auch auf die Geschäftsstelle über. Nicht nur ihr Leiter, sondern sämtliche Beigeordnete sind hier nach parteipolitischen Gesichtspunkten ausgewählt. Sie haben auch die Aufgabe, zu ihrer Partei Verbindung zu halten 3 0 . Für die einzelnen Referenten t r i f f t dies allerdings nicht mehr zu. Trotz dieser eindeutigen Orientierung an der Mehrheit der Mitglieder ist seit 1968 das CSU-Mitglied Weinberger geschäftsführendes Präsidialmitglied (Hauptgeschäftsführer). Ähnlich wie beim DST sind die Parteien auch in den DSTGB eingedrungen, die Verbandsorgane sind proportional zusammengesetzt und die Geschäftsstellen werden in zunehmendem Maße mit Parteimitgliedern besetzt. Vom Verband w i r d dies auch bewußt als eine notwendige Erscheinungsform demokratischer Willensbildung anerkannt, nicht nur halbherzig geduldet. Durch die Teilnahme der kommunalpolitischen Referenten der Parteien an Vorstandssitzungen und die Verlagerung der Willensbildung auf die Gruppenbesprechungen w i r d versucht, dies für die Politik des Verbandes einzusetzen. Daß es zu einer Steuerung durch die Parteizentralen führt, w i r d bestritten 3 1 . Anders sind die Verhältnisse dagegen beim D L T und früher beim DGT. Beide sind auf der Bundesebene nur Dachverbände, und ihre Gremien sind mit ex-officio-Mitgliedern besetzt. Fraktionssitzungen finden nicht statt, und auch die Bediensteten der Geschäftsstellen sind überwiegend nicht Parteimitglieder. Beim DGT gehörte lediglich der Hauptgeschäftsführer der CDU an, beim D L T ist selbst dieser parteilos. I n den Landesverbänden sind die Verhältnisse dagegen verschieden. Es überwiegt jedoch auch hier die Parteilosigkeit der Führungskräfte. 29
Ziebill, Parteien, S. 49 f.; Hofmann , S. 156. Interview. 31 Berkenhoff, Die kreisangehörigen Gemeinden Verwaltung, i n : Der Städtebund 1970, S. 117 - 120. 30
in
der
pluralistischen
I. Parteien
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Über die Feststellung des Maßes der Durchdringung der Verbände durch die Parteien hinaus erhebt sich die Frage, wieweit die daraus sich ergebenden Möglichkeiten von den Verbänden genutzt werden, wieweit sie also politischen Einfluß direkt über die Parteien anstreben. Diese Frage stellt sich natürlich in erster Linie bei den Führungskräften, die mehr oder weniger intensiv m i t den Parteien zusammenarbeiten können. Ein gutes Beispiel dafür war der DGT, dessen Organisation zwar nur in sehr geringem Maße von den Parteien durchdrungen war, der aber für die Besetzung der Spitzenposten einen ganz anderen Weg einschlug. Da aus den bereits erwähnten internen Gründen hier nicht der Vorsitzende eines Landesverbandes gewählt werden sollte, w u r den als Präsident und als Stellvertreter jeweils zwei Bundestagsabgeordnete der CDU und der SPD gewählt 3 2 . Der erste Präsident nach der Neugründung 1950 war der SPD-Abgeordnete Mellies (bis 1953). I h m folgte Paul Lücke (CDU, bis 1965) m i t Rudolf Heiland, SPD, als Stellvertreter (bis 1965) und Freiherrr von Vietinghoff-Schell (CDU) und Hermann Schmitt-Vockenhausen (SPD). Auch der DSTGB schloß sich nach seiner Gründung dieser Praxis seines Vorgänger-Verbandes an, indem er Schmitt-Vockenhausen und als Stellvertreter Horst Waffenschmidt (CDU) wählte. Dabei wurden, soweit es möglich war, auch Personen aus der Kommunalverwaltung gewählt, wie Heiland, der zugleich Bürgermeister von M a r l war oder Lücke, anfangs noch Amtsdirektor i n Engelskirchen. Eine solche Position ist jedoch nicht ausschlaggebend, wie sich an Schmitt-Vockenhausen zeigt, der nie ein Mandat in einer Gemeinde innehatte, oder an Paul Lücke, der Vorsitzender auch als Wohnungsbauminister bis 1965 blieb. Ausschlaggebend war vielmehr für den Verband der große Einfluß, der sich durch eine so starke, bewußte Anlehnung an eine Partei ergab. Dies war für den Verband insgesamt sicherlich ein Vorteil, wie etwa das Bundesbaugesetz, das Bundesraumordnungsgesetz oder die Grundgesetz-Änderung vom 24. 12. 1956 (Realsteuergarantie) zeigen. Andererseits ergaben sich auch gewisse Nachteile daraus, daß die Unabhängigkeit gegenüber der Regierungspartei beeinträchtigt wurde. So wurde etwa die Ansicht geäußert 33 , die Neubewertung des Grundvermögens sei evtl. m i t einem unabhängigen Präsidenten schneller voranzutreiben gewesen. Auch in anderen Fragen waren Teile des Verbandes der Ansicht, ein nicht so stark durch seine Mitgliedschaft in der Regierung gebundener Präsident sei besser. Insgesamt aber überwogen doch, von der Seite des DGT gesehen, die praktischen Vorteile dieser engen Anlehnung an die Regierung die Nachteile. Dabei darf aber nicht übersehen werden, 32 33
J. Göb, K o m m u n a l p o l i t i k , S. 49 ff. Interview.
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4. Kap.: Adressaten der Verbände
daß mit dem SPD-Stellvertreter ein gewisser Ausgleich geschaffen war und daß beide sehr eng zusammenarbeiteten. Daß es von der Seite des Staates aus gesehen sehr problematisch ist, wenn ein Minister zugleich Verbandsvorsitzender ist, braucht hier nicht näher erläutert zu werden 34 . Die öffentliche K r i t i k führte wohl auch dazu, daß Lücke sein A m t i m DGT niederlegte, als er Innenminister wurde und damit zugleich die Kommunalreferate leiten mußte. Trotzdem blieb er Ehrenvorsitzender des DGT und der Hauptgeschäftsführer des Verbandes Rüdiger Göb trat in das Bundesinnenministerium über, so daß der Einfluß nicht gemindert wurde. Wie bei Lücke gelang es dem DGT auch bei SchmittVockenhausen, einen sehr einflußreichen Abgeordneten zu gewinnen, während dies für Vietinghoff-Schell weniger zutraf. Ein solcher auf die Person des Vorsitzenden aufbauender Einfluß ist also an eine zufällige Konstellation gebunden. Ähnlich wie der DGT versucht der DST den auf der Bundesebene geringeren Einfluß auf das Parlament auszugleichen durch die Wahl von Präsidenten, die in ihrer Partei über erheblichen Einfluß verfügen. Die internen Funktionen des Präsidenten spielen dabei zumeist eine geringere Rolle. Daher sind auch die mittleren Städte mit Ausnahme Dreggers bisher nicht berücksichtigt worden. I m Gegensatz zum DGT kann der DST dabei auf Personen aus seinem eigenen Bereich zurückgreifen. Dies ergibt sich daraus, daß die Städte teilweise über quaifiziertere und daher auch in ihren Parteien einflußreichere Führungskräfte verfügen als die kleinen Gemeinden. Daß weniger die interne Funktion als die Wirkung nach außen maßgebend ist, zeigt z. B. die Wahl von Senatspräsident Koschnik (Bremen) i m Jahre 1971. Sie erfolgte nicht zuletzt i m Hinblick auf die Zugehörigkeit Bremens zum Bundesrat, in dem Koschnik zu gleicher Zeit das A m t des Präsidenten ausübte. Dazu kam noch seine Bedeutung i n seiner Partei und die mögliche Resonanz in der öffentlichen Meinung. Auch bei den früheren Präsidenten war diese Wirkung, sowohl durch das Gewicht der Stadt wie der Person maßgebend: so bei Dregger, CDU, OB Fulda, Präsident 1965 - 1967, OB Brundert, Frankfurt, 1967 - 1970 und OB Vogel, München, 1970 - 1971. Vor 1933 war stets der Oberbürgermeister Berlins Präsident gewesen und dies wurde auch 1947 - 1953 mit Luise Schröder und Reuter, 1955 - 1957 mit Suhr und 1958 - 1963 mit W i l l y Brandt so gehandhabt. Dies bedeutet für den DST, daß er über einen bewußt angestrebten politischen Einfluß verfügen kann. I m Unterschied dazu werden die Präsidenten des D L T aus den Landesvorsitzenden gewählt. Sie gehören zum Teil auch Parteien an, wo34 Vgl. Theodor v. 8. 1. 1965, S. 4.
Eschenburg
i n : Die Zeit Nr. 2 v. 7.1.1966, S. 5 u n d Nr. 2
I. Parteien
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rauf besonders der nordrhein-westfälische Landesverband drängte, der einen beständigen Wechsel der Parteien vorschlug 35 , was insofern aufschlußreich ist, als Nordrhein-Westfalen stark politisierte Landräte hat. Es gab jedoch auch schon parteilose Präsidenten (Landrat Seebich 1952 60 und Conrady 1967 - 70), und auch heute steht nicht die Parteifunktion i m Vordergrund. Die Präsidenten Landrat Wilhelm, Würzburg (seit 1970) und Held (1960 - 66) gehören der CSU an, spielen jedoch i n ihren Parteien keine so bedeutende Rolle wie die Präsidenten des DST. Bei den Landesverbänden der Gemeinden und D L T ist das Streben nach Einfluß durch Verflechtung mit den Parteien verschieden stark ausgeprägt. Für Baden-Württemberg wurde schon oben festgestellt, daß die Verbände keinen direkten Einfluß in den Parteien und keine Bindung an sie anstreben, da sie der Ansicht sind, durch eine betonte Unabhängigkeit mehr erreichen zu können. Ähnlich ist es i n Rheinland-Pfalz, während i n Nordrhein-Westfalen schon durch das ehrenamtliche Element eine wesentliche Stärkung der Parteien bewirkt wird. Als das stärkste Beispiel eines politischen Einflusses kann dagegen der Hessische Gemeindetag angeführt werden. Er ist geprägt von der Person seines geschäftsführenden Präsidialmitglieds Hans Muntzke, mehr als von den Vorsitzenden des Verbandes. Muntzke ist selbst engagiertes und einflußreiches Mitglied der SPD. Er ist Mitglied des Kommunalen Ausschusses der SPD (in Land und Bund) und des Beirates für Verwaltungsreform beim Landes vorstand. Sein Einfluß ging jedoch vor allem in der Ära Zinn noch weit darüber hinaus, indem er gute persönliche Beziehungen zum Ministerpräsidenten und zu Innenminister Schneider hatte. Für die Politik der hessischen SPD, die Lebensbedingungen auf dem Lande zu verbessern und so auch dort Wähler zu gewinnen, war er so mit maßgeblich. Dies führte etwa dazu, daß der HGT schon frühzeitig an der politischen Willensbildung beteiligt wurde. Dies war etwa bei den Koalitionsverhandlungen 1970 zu den Fragen der Verwaltungsreform der Fall, oder auch bei der Frage der Inkompatibilität für Kommunalbeamte, die auf einem SPD-Parteitag (nicht i n der Fraktion) entschieden wurde 3 6 . Diese Beteiligung des Verbandes, nicht nur einzelner Bürgermeister i n der Partei selbst, dürfte wohl einzigartig sein. Sie hat dazu geführt, daß die Beziehungen zu anderen Parteien teilweise bewußt vernachlässigt wurden, was sich jedoch m i t der besonderen hessischen Situation erklärt. Auch die anderen Verbände (LKT, Städtetag, nicht aber der ehemalige Städtebund) sind hier stark von der SPD beeinflußt. Die Beziehungen zur Partei sind um so wichtiger, als den Verbänden mit der Einführung der Inkompatibilität 35 36
Interview. Interview.
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4. Kap. : Adressaten der Verbände
in Hessen ein wichtiges Einflußinstrument entzogen wurde. Der Einfluß i n der Partei kann dies zum Teil ausgleichen. Die Festlegung des HGT auf die SPD erwies sich 1970 als Nachteil, als die FDP von Ministerpräsident Osswald i n eine Koalition aufgenommen werden mußte, was mit erheblichen Zugeständnissen i n der Verwaltungsreform-Frage erkauft werden mußte. Dies führte zu einer eindeutigen Niederlage des HGT i m Koalitionsabkommen i n der Frage der Gemeindereform 37 . Es zeigte sich, daß ein solcher Einfluß i n der Partei stark persönlich bedingt ist, und bei einem Wechsel der Personen (etwa von Zinn zu Osswald) sich die Verhältnisse rasch ändern können. Trotzdem war diese Politik für den HGT insgesamt erfolgreich. I n anderen Bundesländern ist diese Verflechtung dagegen kaum nachgeahmt, wohl weil die Hauptgeschäftsführer nicht i n so starkem Maße aktive Politiker sind und auch nicht sein wollen. Auch der bayerische Landesverband ist nur bedingt vergleichbar, obwohl sein Geschäftsführer Gröbner zugleich Senator und aktiv politisch tätig ist. Auch i n anderen Verbänden wurden Landtags-Abgeordnete Vorsitzende des Verbandes, wie i n Niedersachsen (Bürgermeister Grube) oder Nordrhein-Westfalen (Bürgermeister Hansen, RhGT, Bürgermeister Scheffler, NWStB). Andere Verbände wie der Gemeindetag Rheinland-Pfalz haben darauf bewußt verzichtet, aus der Erwägung heraus, daß der Verband eine institutionelle Opposition zur Landesregierung darstellt. Eine solche Rolle kann bei parteipolitischer Unabhängigkeit weit besser ausgeübt werden 3 8 . Für die kommunalen Spitzenverbände insgesamt wichtiger als der Einfluß auf die Parteien ist der auf das Parlament selbst und die Regierung. Die kommunalpolitischen Organisationen und die personellen Beziehungen der Kommunalpolitiker zu den Parteiführungen sowie die Notwendigkeiten der politischen Programmatik schaffen jedoch die Voraussetzungen für den darauf aufbauenden Einfluß der kommunalen Spitzenverbände. Es ist aber denkbar, daß nach der Einführung der Inkompatibilität dieser Weg des Einflusses zunehmend beschritten werden muß. I I . Die rechtliche Regelung der Anhörung der kommunalen Spitzenverbände Die wichtigste Form des Einflusses auf Regierungen und Parlamente ist die Anhörung. Die kommunalen Spitzenverbände versuchen daher, diese rechtlich zu sichern und zu einem Anhörungsrecht auszubauen. 37 38
s. o. 2. Kapitel, I I I . Interview.
I I . Das Anhörungsrecht
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M i t einer solchen Regelung würden sie zugleich vor anderen Interessenverbänden privilegiert und eine herausgehobene Stellung erhalten, die sie m i t der Stellung der Gemeinden als öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaften begründen. M i t dieser Forderung gehen sie weiter als andere Verbände, und sie haben teilweise damit auch Erfolg gehabt. Den am weitesten gehenden Versuch stellt die baden-württembergische Gemeindekammer dar. A u f sie soll hier kurz eingegangen werden, da die damalige Diskussion über die grundsätzliche Stellung der kommunalen Spitzenverbände wichtigen Aufschluß gibt. Das Thema w i r d auch heute zunehmend öffentlich diskutiert. Ein Anhörungsrecht war schon i n Art. 98 Abs. 1 S. 2 der württemberg-badischen Verfassung von 1946 enthalten: „Vor der gesetzlichen Regelung der sie berührenden allgemeinen Fragen sind sie zu hören." (Mit Bezug auf Gemeinden, Gemeindeverbände, Gebietskörperschaften und Zweckverbände.) Eine entsprechende Bestimmung fand Eingang i n die Verfassungsentwürfe der Regierungsparteien und der Opposition. Besonders der Städte verband forderte jedoch eine weitergehende Lösung, während die anderen Verbände von vornherein skeptisch waren. Trotzdem wurde nach der Bildung der Gemeindekammer in einer Eingabe vom 22. 4. 1952 an den Landtag gefordert, folgende Bestimmungen i n die Landesverfassung aufzunehmen 39 : (1) „Die Gemeindekammer ist die Vertretung der gemeinsamen Interessen der Gemeinden und Kreise des Landes. Ihre Mitglieder werden von den kommunalen Spitzenverbänden des Landes gewählt. (2) Die Gemeindekammer kann Gesetzesvorlagen und sonstige Anträge unmittelbar an den Landtag bringen. (3) Die Gemeindekammer ist zu den die Interessen der Gemeinden und Kreise berührenden Angelegenheiten, insbesondere Gesetzes- und Verordnungsentwürfen, rechtzeitig zu hören. (4) Zu den Beratungen der Landtagsausschüsse über Vorlagen und Anträge i m Sinne der Absätze 2 und 3 sind Vertreter der Gemeindekammer zuzuziehen." A m weitesten m i t den herkömmlichen Vorstellungen stimmt Abs. 3 überein, der sich vor allem an die Ministerien wendet, da ja für die Landtagsausschüsse eine gesonderte Regelung erfolgt. Nach der Auffassung der kommunalen Spitzenverbände sollte die Anhörung umfassend sein, d. h. sämtliche Punkte sollten bekannt werden. Außerdem sollte sie rechtzeitig erfolgen, d. h. wohl spätestens zum fertigen Referentenentwurf, möglichst schon i n den Vorstadien der Beratung, nicht aber erst, wenn die Vorlage schon dem Ministerrat zugleitet ist. Der Zeitpunkt der Anhörung ist sehr wichtig, denn je früher sie erfolgt, 39
Nach: Der Städtetag 1952, S. 164.
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4. Kap. : Adressaten der Verbände
um so mehr muß von den Ministerien von vornherein auf die kommunalen Verbände Rücksicht genommen werden. Ihr Vorschlag hätte gegenüber anderen Vorschlägen i n Abs. 3 insofern eine Präzisierung gebracht, als er dieses K r i t e r i u m aufgenommen hätte, und nicht auf die Gemeinden selbst, sondern auf ihre Verbände bezogen wurde sowie die Anhörung ausdehnte auf Verordnungen und alle übrigen Angelegenheiten. Ähnliche Forderungen nach einer gesetzlichen Regelung erhoben auch der Deutsche Städtetag i n § 8 Abs. 2 seines Entwurfs für eine Deutsche Gemeindeordnung 40 , und ebenso der Bayrische Städteverband i n seinem Bayreuther Entwurf einer Gemeindeordnung i n § 12541. Auch aus Nordrhein-Westfalen gab es Stimmen in dieser Richtung 4 2 . Die Form der Anhörung ist die einzige Einwirkungsmöglichkeit von außen, die die kommunalen Spitzenverbände gegenüber den Ministerien haben. Sie ist deswegen so wichtig, weil die Vorstellungen beider Seiten einander oft zuwiderlaufen, ja die Ministerien die Gegenspieler der Gemeinden sind. Angesichts des allgemeinen Bedeutungszuwachses der Exekutive kommt ihr für die Verbände eine i m Vergleich zum Landtag immer wichtigere Rolle zu. Dazu kommt, daß die Ministerien i n vielen Fragen, die für die Gemeinden wichtig sind, ohne den Landtag entscheiden können. Angesichts dessen kann der Einfluß über den Landtag den kommunalen Spitzenverbänden nicht genügen. Darauf weisen auch die beiden anderen Vorschläge der Gemeindekammer hin, das Gesetzesinitiativrecht und die Zuziehung zu den Landtagsausschüssen. Dies geht gerade davon aus, daß die kommunalen Abgeordneten nicht i n der Lage sind, sei es aus anderweitigen Erwägungen, sei es aus Fraktionsdisziplin, sei es wegen nicht ausreichender Information, die Interessen der Gemeinden hinreichend zu vertreten. M i t der Zuziehung zu den Landtagsausschüssen, die dem Gedanken der Hearings entspricht, aber einseitig auf die Gemeinden beschränkt und prinzipiell auf alle kommunalpolitischen Fragen ausgedehnt, sollte ein Gegengewicht zum Einfluß der Exekutive geschaffen werden. Dies war teilweise auch praktiziert worden i m württemberg-badischen Landtag, so i m Verwaltungsausschuß unter dem Vorsitz des Oberbürgermeisters Brandenburg, wo die kommunalen Verbände regelmäßig an der Diskussion teilnehmen durften 4 3 . Auch i n anderen Ausschüssen wurde es zum Teil so gehandhabt. 40 Grundlage des Weinheimer Entwurfs, abgedruckt i n : E n t w u r f einer Deutschen Gemeindeordnung, ed. Ernst Böhme. Braunschweig 1947. 41 Heinz Jobst, U m eine ausreichende Repräsentanz der kommunalen Selbstverwaltung, i n : Der bayerische Bürgermeister, 1954, S. 73 - 76. S. 75. 42 Bertram, S. 97.
I I . Das Anhörungsrecht
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Der Vorschlag, der Gemeindekammer ein Gesetzesinitiativrecht zu geben, entspricht dem Gedanken einer berufsständischen zweiten Kammer, beschränkt auf die Gemeinden. Ein Senat war auch von der CDUFraktion in ihrem Verfassungsentwurf vorgesehen worden 4 4 , und die kommunalen Spitzenverbände hätten darin eine ziemlich starke Vertretung mit 12 von 45 Mitgliedern gehabt. Da dieser Vorschlag zwischen den Parteien heftig umstritten war, schlossen sich die Gemeinden dieser Forderung nicht an. Dies wäre eine Einmischung i n einen parteipolitischen Streit gewesen, was grundsätzlich vermieden werden sollte. Die Forderung, die Gemeinden allein so weitgehend einzuschalten, wurde mit dem Argument begründet, derselbe Staatsbürger berufe das Parlament und die Gemeindevertretungen. Der Demokratie der Gemeinden entspreche folgerichtig diese M i t w i r k u n g 4 5 . Auch Reschke, Landrat a. D., später Oberbürgermeister von Mannheim, begründete i n einem Aufsatz die Forderung ähnlich 46 . Die Gemeinden unterscheiden sich von anderen Verbänden dadurch, daß sie Gebietskörperschaften seien. Der Staat verzichte in gewissem Umfang zu ihren Gunsten auf seine Aufgaben. Beide Ebenen hätten die gleichen Ziele, weswegen eine Verklammerung erforderlich sei. Dies erfolge von Seiten des Staates durch die Aufsicht, wofür ein Korrelativ nötig sei, indem die Gemeinden auf die Ebene des Staates durch die Gemeindekammer hinaufgreifen könnten. Wenn auch fraglich ist, ob die Konstruktion der Gemeindekammer, wie sie i n Baden-Württemberg vorgeschlagen wurde, ein geeignetes Instrument gewesen wäre, so sind doch die Argumente, die Berkenhoff gegen Reschke i n derselben Zeitschrift vorbrachte 47 , trotzdem weitgehend unzutreffend. Es entspricht sicher nicht den Realitäten, daß die örtliche und die überörtliche Verwaltung getrennt seien und daher eine Verklammerung nicht nötig sei. Vielmehr wurde i n dieser Arbeit festgestellt, daß zwischen Gemeinden und Ländern i n vielen Punkten ein Interessengegensatz besteht. Dieser macht geradezu einen Einfluß der Gemeinden auf die Länder notwendig und rechtfertigt auch eine Beteiligung an deren Willensbildung. Weiter wurde von Berkenhoff angeführt, die Gemeinden seien über die Kammerbedürftigkeit hinaus 43
Vgl. die Äußerungen des Abg. Brandenburg i n : Protokoll des Verfassungsausschusses der verfassunggebenden Landesversammlung, 31.10. 52, S. 59. 44 Beil. 1. Legislaturperiode Nr. 118 v o m 30. 7.1952 A r t . 60 ff. 45 Hagen, S. 164 f. 48 Hans Reschke, F ü r u n d Wider eine Gemeindekammer, i n : Die öffentliche V e r w a l t u n g 1953, S. 36 f. 47 Berkenhoff, Wider eine Gemeindekammer, i n : Die öffentliche V e r w a l tung 1953, S. 36 f. 15 Geißelmann
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4. Kap.: Adressaten der Verbände
und i m Landtag schon genügend vertreten. Es ist jedoch die Frage, ob dies für die Vertretung der Interessen der Gemeinden ausreicht und ob man diese Aufgabe wirklich den kommunalen Wahlbeamten i m Landtag überlassen soll. Vielmehr zeigt sich doch gerade darin eine Vermischung der verschiedenen Funktionen i m Staate, die eine unklare Abgrenzung zur Folge hat. I m September 1952 lehnte die Regierungsmehrheit i m Landtag den Vorschlag der CDU über einen Senat endgültig ab. Dafür war der Wunsch des Landtags maßgebend, selbst die volle Entscheidungsfreiheit zu behalten, und nicht durch die Verbände entmachtet zu werden. Nachdem dies feststand, war kaum anzunehmen, daß die gleiche Regelung beschränkt auf die kommunalen Verbände eingeführt würde. Da es viele schon von vornherein für aussichtslos gehalten hatten, ließ man die Forderung nach einem Initiativrecht i m Oktober 1952 fallen. Aber auch die Anhörung i n den Ausschüssen sah der Landtag offensichtlich als eine zu starke Bedrohung seiner Rechte an, wohl zusätzlich verärgert durch die weitergehenden Forderungen. Auch die kommunalen Abgeordneten i m Verfassungsausschuß wandten sich dagegen, so daß man sich nur einigte, daß es i n der Geschäftsordnung des Landtags, nicht in der Verfassung zu regeln sei, und nur von Fall zu Fall eintreten solle. Dies entspricht den Hearings. Von den Forderungen der Gemeindekammer blieb damit nur noch die Frage der Anhörung übrig. Aber auch hier wurde eingewandt — und sicher zu Recht — die Gemeindekammer, so wie sie bestehe, erfülle nicht die Voraussetzungen, i n die Verfassung aufgenommen zu werden. Sie war dafür zu locker konstruiert. So beschloß der Verfassungsausschuß des Landtags, die Anhörung der Gemeinden und Gemeindeverbände oder ihrer Zusammenschlüsse vorzuschreiben 48 . Stimmen dagegen wurden nicht laut, wohl weil es sich zuerst an die Landesregierung richtet und nicht den Landtag bedroht. Man einigte sich auf folgende Fassung: A r t . 71 (4): „Bevor durch Gesetz oder Verordnung allgemeine Fragen geregelt werden, welche die Gemeinden und Gemeindeverbände berühren, sind diese oder ihre Zusammenschlüsse rechtzeitig zu hören." Damit konnten die Gemeinden nur ihre Vorrechte aus der württemberg-badischen Verfassung verteidigen, durch das Wort „rechtzeitig" etwas verbessert; doch i m Vergleich zu ihren Forderungen war dies wenig. Immerhin sind die kommunalen Spitzenverbände die einzigen Verbände, deren Anhörungsrecht i n der Verfassung verankert ist, und auch i n den Gesetzen t r i f f t es nur für die Beamtenorganisationen zu 4 9 . Damit sind sie rechtlich privilegiert. 48 49
Protokoll des Verfassungsausschusses 31.10.1952. § 94 B B G u n d etwa i n B W § 112 Landesbeamtengesetz.
I I . Das Anhörungsrecht
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Ähnliche Vorschläge für eine Gemeindekammer wie i n Baden-Württemberg gab es auch i n anderen Bundesländern, so etwa i n Nordrhein-Westfalen 50 . Aus den anderen Ländern ist hinzuweisen auf den Bayerischen Senat, i n dem die Gemeinden neben anderen Interessenverbänden m i t 6 von 60 Mitgliedern vertreten sind (Art. 35 der Verfassung). Diesen Einfluß halten jedoch die kommunalen Spitzenverbände nicht für ausreichend 51 . Als Vorbild für andere Bundesländer hat er allerdings nicht gedient, auch nicht bei den kommunalen Spitzenverbänden. Ein Anhörungsrecht der kommunalen Spitzenverbände besteht außer in Baden-Württemberg noch nach der Hessischen Gemeindeordnung (§ 147), nach der der Innenminister m i t den Verbänden Verbindung wahren soll und sie zu allen Maßnahmen, die die Gemeinden berühren, hören soll. Diesem Ministerium w i r d also eine hervorgehobene Stellung eingeräumt. Dennoch erfolgt die Anhörung natürlich wie in anderen Ländern durch alle Ministerien. Das Innenministerium hat allenfalls insofern eine Sonderstellung, als es besonders enge Beziehungen zu den Gemeinden hat, sowohl hinsichtlich der Breite der Themen wie in der größeren Anerkennung der kommunalen Spitzenverbände. Schon der Vorschlag für eine Gemeindekammer von 1952 ging i n seiner Tragweite weit hinaus über ein garantiertes Anhörungsrecht und auch über eine ständisch gegliederte 2. Kammer. Hinter i h m steht der Gedanke, daß beide Ebenen der politischen Willensbildung gleichberechtigt sind. Da beide über die gleiche demokratische Legitimation durch die Wahl durch die Bürger und durch die Repräsentation von deren Interessen auf der jeweiligen politischen Ebene verfügen, entspräche ein solcher Vorschlag dem konsequenten Föderalismus. Dieser bedeutet ja nicht nur eine Trennung der verschiedenen Ebenen, sondern auch ihre Kooperation bei den gemeinsamen Aufgaben 5 2 . Für die Länder ist aus diesem Grunde der Bundesrat als ein Weg der M i t w i r kung auf der Bundesebene geschaffen worden. Darüber hinaus ist dieser auch begründet durch die Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder, die es notwendig macht, den Sachverstand der Landesverwaltung zur Geltung zu bringen. Dies gilt aber i n gleichem Maße für die Gemeinden, die ja ebenfalls zahlreiche Bundes- und Landesgesetze ausführen 53 . Aus diesem Grund und wegen der zunehmenden Verflech50
Vgl. dazu Bertram, S. 96 - 98. Vgl. etwa die Klage von Jobst, S. 73. 52 Manfred Hättich, Chancen und Grenzen regionaler und örtlicher Selbstverwaltung i m föderalistischen Verfassungsstaat. Eichholz 1969, S. 15 ff. 53 So auch Jockel Fuchs, D r i t t e Säule — oder was?, i n : Die V e r w a l t u n g 1971, S. 385 - 394, S. 394. 51
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4. Kap.: Adressaten der Verbände
tung zwischen den verschiedenen Ebenen des Staates t r i t t i n der öffentlichen Diskussion das Thema der Beteiligung der Gemeinde an der Willensbildung der Länder und des Bundes immer mehr hervor. Die Vorschläge gehen dabei von einem garantierten Anhörungsrecht bis zur Schaffung echter zweiter Kammern auf Landesebene und zur Beteiligung der Gemeinden am Bundesrat. Die weitestgehende Forderung auf eine Beteiligung am Reichsrat und auf Anerkennung der Gemeinden als dritte Ebene des Föderalismus erhob schon der DST vor 1933 i m Rahmen der Diskussion über die Reichsreform. Ähnliche Erwägungen gab der Verband nach 1945 angesichts des entschiedenen Widerstandes der Länder auf. Darauf ist unten i m Zusammenhang mit dem Verhältnis von Bund und Gemeinden näher einzugehen. Heute sind die Forderungen überwiegend bescheidener und laufen i m wesentlichen auf ein verbessertes Anhörungsrecht hinaus. Dazu gibt es eine ganze Reihe von Vorstößen auf der Bundesebene, so vom D L T 1960 und vom DGT, DStB und D L T in einer Besprechung mit dem Bundeskanzler am 15. 7. 197054. A u f diese Initiative hin schrieb Brandt, der ja selbst Präsident des DST gewesen war, an alle Ressorts, die kommunalen Spitzenverbände sollten schon bei Vorentwürfen, Denkmodellen und Leitsätzen beteiligt werden. Sie seien keine Lobby, sondern hätten einen öffentlichen Auftrag. Dies verhinderte jedoch nicht, daß den kommunalen Spitzenverbänden zugemutet wurde, sich i n die Lobby-Liste des Bundestages eintragen zu lassen, was sie jedoch prinzipiell ablehnten 55 . Weiter gehen die Forderungen des DST und des DLT, die der Enquete-Kommission für Verfassungsreform vorgelegt wurden 5 6 . Offensichtlich sahen die Verbände in Zusammenhang mit dieser Kommission Chancen einer Realisierung, während früher eine Änderung für aussichtslos gehalten wurde. I m Grundgesetz sollte demnach verankert werden: Art. 28, Abs. 2, S. 3: „ A n dem Erlaß von Rechtsvorschriften, die den Wirkungskreis der kommunalen Gebietskörperschaften berühren, wirken die kommunalen Spitzenverbände mit." Daran ist bemerkenswert, daß nicht allgemein von den Gemeinden, sondern direkt von den Verbänden gesprochen wird. Die Einzelheiten sollten in den Geschäftsordnungen von Bundestag, Bundesrat und Vermittlungsausschuß geregelt werden: „Bei Beratung von Gesetzen, die den Wirkungskreis der kommunalen Gebietskörperschaften berühren, ist den kommunalen Spitzenverbänden rechtzeitig Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Ihre Vertreter haben das Recht und auf Verlangen die Pflicht, 54 55 58
Interview. Der Landkreis 1973, S. 36 f. Der Städtetag 1973, S. 469 f.
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an den Verhandlungen teilzunehmen. Sie müssen jederzeit gehört werden." I n der gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien sollte die frühzeitige Heranziehung (wie die anderer Ministerien) und in der Geschäftsordnung der Bundesregierung die Information des Kabinetts über abweichende Stellungnahmen der Verbände festgelegt werden. M i t diesen Vorschlägen wäre eine optimale Ausgestaltung eines Anhörungsrechts erreicht. Sie würden sowohl i m Bundestag wie in den Ministerien wie ein anderes Bundesministerium behandelt. Überdies sollte vom Bund eine gleiche Regelung auch in den Ländern durchgesetzt werden. Über das Anhörungsrecht wollten jedoch DST und D L T nicht hinausgehen. Insofern besteht ein Gegensatz zum DSTGB, der unter I n i tiative seines Vorsitzenden Schmitt-Vockenhausen die Beteiligung am Bundesrat fordert. Es sind nicht nur Bedenken hinsichtlich der Durchsetzbarkeit dieser Forderung, sondern auch solche grundsätzlicher A r t , die die beiden Verbände von dieser Forderung abhalten 57 . Darauf soll unten i n Zusammenhang mit dem Verhältnis zum Bund näher eingegangen werden. Ähnlich wie die Beteiligung am Bundesrat würde die Errichtung von echten zweiten Kammern in den Ländern eine erhebliche Umgestaltung unseres Verfassungssystems bedeuten. Vorschläge dazu wurden etwa von Manfred Hättich gemacht 58 . Danach sollten die zweiten Kammern aus Vertretern der Kreise, und zwar der Kreistage, nicht der Verwaltungen zusammengesetzt sein. Angesichts der differenzierten interkommunalen Probleme ist jedoch fraglich, ob eine Vertretung auf die Landkreise beschränkt sein sollte. Schmidt-Eichstädt schlug dagegen vor, die ca. 12 - 30 Mitglieder durch die „Regierungen" von Kreisen und Gemeinden wählen zu lassen bzw. bei zu großer Zahl der Gemeinden durch besondere Wahlgremien 5 9 . Eine solche Lösung würde genau dem Bundesrat entsprechen und sicherlich für einen potentiellen Einfluß der Gemeinden effektiver sein als eine Vertretung durch die Räte. A l lerdings ist deren Ausschaltung problematisch, was sich ja schon i m Bundesrat zeigt. Übereinstimmung besteht dagegen bei allen Autoren, auch i m Vorschlag von Groß 60 , daß die kommunalen Spitzenverbände nicht geeignet sind für die Besetzung der Gemeindekammern. Anderer57 Günter Seele: Positionen der kommunalen Selbstverwaltung bei der Neuformulierung von Grundsätzen des kooperativen Föderalismus i n der Bundesverfassung, i n : Festschrift für Werner Weber, S. 815. 58 Hättich, S. 15 ff. 59 Gerd Schmidt-Eichstädt: Die Gemeinden als Gesetzgeber?, i n : Archiv für Kommunalwissenschaften 1972, S. 124 - 139. 60 Die Gemeinden — dritte Säule des Staates?, i n : Der Städte- und Gemeindebund 1973, S. 202 - 204.
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4. Kap.: Adressaten der Verbände
seits muß aber angesichts der Beobachtungen über die innerverbandliche Willensbildung der Verbände doch gefragt werden, ob sich die Machtverhältnisse durch Wahlen demokratischer und durchsichtiger gestalten lassen würden. Die Kompetenzen einer solchen Gemeindekammer würden nach diesen Vorschlägen noch über die Wünsche der Verbände i n BadenWürttemberg hinausgehen. Ähnlich wie i m Bundesrat würde es zustimmungpflichtige Gesetze geben und solche, gegen die nur Einspruch erhoben werden kann. Damit wäre gegenüber den Landtagen eine effektive Absicherung der Selbstverwaltung erreicht. Es wurde jedoch bereits dargelegt, daß das Hauptproblem die Verbindung zur Landesverwaltung ist, die durch eine Gemeindekammer nur indirekt beeinflußt würde 6 1 . Von den kommunalen Spitzenverbänden wurden solche Organe bisher offiziell nicht vorgeschlagen. Der Grund liegt sicher neben den geringen Realisierungschancen darin, daß die Hauptprobleme doch auf der Bundesebene und i n dem Einfluß auf die zunehmend gewichtiger werdende Bundespolitik bestehen, während auf der Landesebene nur der Bereich der Verwaltung, nicht mehr der der Gesetzgebung von Bedeutung ist. Eine Beurteilung dieser Vorstellungen soll daher unten i n Zusammenhang mit der Frage der Beteiligung am Bundesrat erfolgen. Durchaus realistisch ist dagegen die Durchsetzbarkeit eines Anhörungsrechts der Verbände zu beurteilen. Immerhin gibt es dazu bereits einen Beschluß der Innenminister-Konferenz vom 30. 3. 1973. Danach sollten sich die Innenminister in ihren Ländern dafür einsetzen, daß eine Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände an der Vorbereitung allgemeiner Regelungen gewährleistet ist, soweit Interessen der Kommunen berührt werden. Auch der Bundesminister des Innern erklärte sich bereit, in diesem Sinne wirksam zu werden 6 2 . Eine solche Regelung wurde auch schon durchgesetzt i n der Gemeindeordnung Rheinland-Pfalz. Es ergibt sich die Frage, wieweit der rechtlichen Bevorzugung auch eine praktische entspricht. Der maßgebliche Kommentar zur badenwürttembergischen Verfassung 63 interpretiert Art. 71 (4) so, daß in der Regel die Spitzenorganisationen zu hören seien, nur i n Ausnahmefällen einzelne Körperschaften. Die Anhörung werde grundsätzlich 61 Die Vorstellungen Schmidt-Eichstädts dazu sind recht vage und w ü r d e n die Schaffung eines weiteren Exekutivorgans bedeuten. 62 Abgedruckt i n : Der Städte- u n d Gemeindebund 1973, S. 125; vgl. auch ebd., S. 105. 63 Rudolf Spreng, Willi Bim u n d Paul Feuchte, Die Verfassung des Landes Baden-Württemberg. Kommentar. Stuttgart 1954, S. 250.
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Aufgabe der Regierung sein, die Durchführung bleibe ihr überlassen. Eine Verletzung hindere das rechtsgültige Zustandekommen nicht. Bei Initiativgesetzentwürfen werde der Landtag selbst diese Bestimmung zu beachten haben. Teilweise erfolgt auch hier eine formelle Anhörung, die dann i m Auftrag des Landtags von der Regierung durchgeführt wird, sofern kein Hearing stattfindet. So war es z. B. bei der Ergänzung der Landkreisordnung durch das Gesetz vom 19. 2. 1963. Die Verbände streben dies grundsätzlich immer an und einzelne kommunale Abgeordnete unterstützen dies teilweise auch mit dem Argument, sie könnten nicht nur die Ansicht der Gemeinden vertreten. I n anderen Fällen wurde es aber auch schon von Landtagsausschüssen abgelehnt, da es unnötig sei. So war es etwa beim Schulverwaltungsgesetz der Fall, wo die kommunalen Vertreter i m Verwaltungsausschuß eine erneute Anhörung der Verbände zu neu eingefügten Bestimmungen ablehnten. Sie meinten, die Ansichten der Gemeinden seien hinlänglich bekannt 6 4 . Eine Sonderstellung gegenüber den Landtagen oder dem Bundestag haben die kommunalen Spitzenverbände kaum. A n Ausschußberatungen sind sie heute nirgends mehr beteiligt. Daß dies beim Städtebauförderungsgesetz der Fall war, war eine Ausnahme. I m übrigen werden die Verbände lediglich zu Hearings eingeladen, die in den letzten Jahren in zunehmender Zahl abgehalten werden. Dabei sind sie zumeist m i t anderen Verbänden gleichgestellt, obwohl sie dies gerade ablehnen. Die Praxis w i r d dabei i m ganzen bisher als unzureichend empfunden. Daher forderten die vier Verbände i n Baden-Württemberg 1968, daß der Landtag sie verstärkt anhöre. Da die kommunalen Spitzenverbände keine Interessenverbände seien, sondern Sachwalter des öffentlichen Wohls, sollte auch der Landtag der Verfassung entsprechen. Dies solle durch mündliche Anhörung in den Ausschüssen und durch öffentliche Hearings allein m i t den kommunalen Spitzenverbänden geschehen65. Die Praxis hat sich daraufhin zwar etwas verbessert, doch blieb es bei formellen Hearings. Das Anhörungsrecht gegenüber den Ministerien besteht, neben anderen Kontakten, darin, daß von den Verbänden zu den einzelnen Gesetzen Stellungnahmen abgegeben werden. Die Regel war lange Zeit, daß die Referentenentwürfe den Verbänden i m Wortlaut übermittelt wurden und diese darüber i n ihren Gremien berieten. So war es auch bei der Landkreisordnung, und bei der Gemeindeordnung wurde der Referentenentwurf vom WGT sogar zusammen mit seiner Stellung64 65
S. 61.
Verwaltungsausschuß des Landtags. Protokoll v. 12. 4.1967. Württembergische Gemeindezeitung 1969, S. l f . ; vgl. auch ebd. 1972,
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4. Kap.: Adressaten der Verbände
nähme i n der Württembergischen Gemeindezeitung veröffentlicht. Nur ganz selten wurde ein Entwurf streng vertraulich behandelt und die Verbände erst zum Regierungsentwurf angehört. I n vielen Fällen w u r den die Verbände aber schon wesentlich früher zugezogen, schon im ersten Planungsstadium, wie die Angaben i n den Geschäftsberichten zeigen 66 . Noch einen Schritt weiter ging man beim Kommunalabgabengesetz. Nach Mitteilung des Finanzministers wurde es „ i n einem A r beitskreis, bestehend aus Vertretern des Innen- und des Finanzministeriums sowie aller kommunalen Landesverbände, eingehend erörtert. Dabei wurde in allen wesentlichen Punkten Übereinstimmung erzielt" 6 7 . Dieses Verfahren ist insofern problematisch, als, wie der Abgeordnete Renner kritisierte 6 8 , die ebenfalls Mitbetroffenen, die Abgabeverpflichteten, nicht beteiligt sind. Ihre Interessen können so nur i m Parlament vertreten werden. Über solche Einwände hinaus kam jedoch aus dem Landtag grundsätzliche K r i t i k . 1961 kam es zu einem Streit zwischen den Verbänden und dem Landtag, der bis 1965 zu einer Krise i n der Handhabung des Anhörungsrechts führte. Ausgangspunkt war, daß in den kommunalen Verbänden die Geheimhaltung der Entwürfe nicht völlig zu gewährleisten ist. Dies t r i f f t besonders für die Gemeindetage zu, die ja eine sehr große Mitgliederzahl haben und dementsprechend umfangreiche Organe. Anlaß des Streites war die Tatsache, daß ein CDU-Abgeordneter, Vorstandsmitglied des WGT, im Fachausschuß seines Verbandes vom Entwurf des Finanzausgleichsgesetzes Kenntnis bekommen hatte und darüber vor seiner Kreisabteilung Ausführungen machte. Der ebenfalls anwesende SPD-Abgeordnete Renner fühlte sich durch diesen und ähnliche Vorgänge übergangen. Dies ist zweifellos berechtigt, da hier zwei Klassen von Parlamentariern entstehen. Er kritisierte dies i m Plenum als eine Entwicklung zur ständestaatlichen Demokratie 6 9 . Der Landtag hielt es dementsprechend für untragbar, daß die Verbände vor ihm den Inhalt der Entwürfe erführen. Er drängte die Regierung, die Praxis der Anhörung zu ändern. Der Ministerrat faßte daraufhin am 15. 5. 1961 den Beschluß, daß an die kommunalen Spitzenverbände keine Referentenentwürfe mehr ausgegeben werden dürften. Diese sollten Gelegenheit erhalten, sich zu den grundsätzlichen Problemen, die durch Gesetz oder Verordnung ge66 Vgl. dazu: Landkreistag BW, Geschäftsbericht 1954/55, S. 11. 1956/57, S. 8, 10, 22, 25, 28. 1957 - 59, S. 6, 12, 13. 1959 - 62, S. 2, 7, 9, 13, 43. 67 Beilage 3. Wahlperiode Nr. 3260 v o m 18. 7.1963. 68 Verhandlungen des Landtags von Β aden-Württemberg 3. Wahlperiode S. 6202 vom 20. 9.1963. 69 Verhandlungen 3. Periode, S. 1936; vgl. auch die Vorgänge u m eine Denkschrift ebd. S. 1926.
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regelt werden sollen, mündlich oder schriftlich zu äußern. A u f diesen Beschluß hin verschlechterte sich die Anhörung der Verbände wesentlich. Zumeist wurden Gesetzentwürfe i n Frageform gebracht und dieser Fragenkatalog den Verbänden vorgelegt, oder es wurde über die Grundgedanken gesprochen. I n einzelnen Fällen konnten auch die Vertreter der Verbände während der Verhandlungen Einsicht in die Entwürfe nehmen. Es kam aber auch noch vor, daß Referentenentwürfe übersandt wurden, ebenso wie Arbeitskreise gebildet wurden 7 0 . Dieses Verfahren widersprach den Wünschen der Verbände. Es sollte genügend Zeit bleiben, die satzungsmäßigen Gremien damit zu befassen, schon weil die Geschäftsstelle nicht über alle Fragen informiert sein kann. Außerdem wurde gefordert, der volle Wortlaut, nicht nur die Grundzüge sollten bekannt werden. Nur danach könne man einen Entw u r f beurteilen, denn die Gemeinden müßten ihn ausführen. Für den Landtag seien hingegen nur die Grundzüge interessant. Außerdem wünschten die Verbände, die Landesregierung solle ihre Stellungnahme i n den wesentlichen Grundzügen dem Landtag zur Kenntnis bringen. Grundsätzlich würde eine öffentliche Diskussion über die Entwürfe der Ministerien, wie es zum Teil der Fall ist, als wünschenswert angesehen. Auch die Ministerien waren keineswegs Gegner einer Anhörung, sondern nur einer frühzeitigen Unterrichtung des Landtags. Lediglich der Ministerpräsident Kiesinger nannte die Verfassungsbestimmungen schlecht. Dadurch werde vieles zerredet. Erst der Landtag solle anhören. Die Beamten waren dagegen für eine liberale Regelung, vor allem weil dies die laufende Arbeit wesentlich erleichtert. Ein Gesetz in einen Fragenkatalog umzuformen, ist problematisch. Außerdem w i r d durch die Verweigerung der Einsichtnahme das gute Verhältnis, das i m täglichen Verkehr zwischen Ministerien und Verbänden besteht, gestört. Auch erkannten sie das Argument an, daß es für die Gemeinden gerade auf die Einzelbestimmungen und ihre Praktikabilität ankomme, also der volle Entwurf übergeben werden müsse. Über praktische Vorteile hinaus spielt aber sicher für die Ministerialbeamten eine entscheidende Rolle, daß eine Kenntnis der Absichten der kommunalen Spitzenverbände wichtig ist, besonders i m Hinblick auf das Schicksal der Vorlagen i m Landtag. Eine Absicherung in dieser Hinsicht ist für sie wünschenswert, wobei die Macht der kommunalen Spitzenverbände zum Teil wohl auch überschätzt wird. Eine Anhörung ist daher auch i n ihrem Interesse. Es wäre denkbar, daß angesichts der Wünsche beider Seiten sich das Anhörungsverfahren zu einer formellen Regelung weiterentwickelt hätte, da es ja i m Prinzip ähnlich wie im 70
StV Aktennotiz v o m 13. 3. 1962.
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Bundesrat möglich wäre. Dies ist aber nicht der Fall. Einerseits wünschen die Ministerien i n der Regel zwar eine frühzeitige Information, doch wollen sie dabei möglichst freie Hand behalten. Ein solch formelles Verfahren w i r d aber auch von den Verbänden nicht angestrebt. Zwar hätte es den Vorteil, daß auch Änderungen des Referentenentwurfs von der Anhörung erfaßt würden, doch sind gerade die informellen frühen Kontakte erfolgreicher. Um wenigstens den Zustand vor 1961 wiederherzustellen, gingen die kommunalen Spitzenverbände des Landes immer wieder gegen den Regierungsbeschluß an, unterstützt vom Innenminister, der eine großzügige Regelung wünschte 71 . Auffällig ist, daß nicht über die kommunalen Abgeordneten i m Landtag versucht wurde, eine Änderung von dessen Haltung zu erreichen, da ja diese den eigentlichen Anstoß gab. Doch war dies anscheinend aussichtslos. Jedenfalls wurden die Vorstellungen an die Exekutive herangetragen, wobei die Verbände und die Kommunalabteilung zusammenarbeiteten. Über die Regierung wurde auch eine Lösung des Problems erreicht. Sie erklärte sich bereit, zugleich mit der Information der Verbände die Referentenentwürfe den Geschäftsstellen der Fraktionen des Landtags zu übersenden 72 . Der Landtag seinerseits erklärte, daraus keine Anfragen zu stellen und es nicht als Initiativgesetzentwürfe aufzunehmen. Daraufhin konnte der M i nisterrat am 6. 6. 1965 einen neuen Beschluß fassen: „1. Bei der Vorbereitung von Gesetzen und Entwürfen i m Sinn von Art. 71 Abs. 4 der Landesverfassung erhalten die Verbände die Entwürfe der M i n i sterien im Wortlaut. 2. Grundsätzliche Fragen können jedoch schon vor der Mitteilung des Entwurfs und der Information des Landtags erörtert werden. 3. W i r d ein Entwurf von den Ministerien oder der Regierung wesentlich geändert, so dürfen die Verbände erneut Stellung nehmen." Auch m i t diesem Beschluß wurde eine Bindung soweit wie möglich vermieden. Der gleiche K o n f l i k t zwischen Landtag und Verbänden wie i n Baden-Württemberg entwickelte sich, zum Teil auch mit nicht-kommunalen Verbänden i n anderen Bundesländern, so i m Saarland 73 , i n Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und ebenso i m Bund. Die Regelung wurde zumeist ähnlich getroffen wie i n Baden-Württemberg durch Übergabe der Entwürfe an das Parlament 7 4 . Auf der Bundesebene wurde die Frage dagegen noch nicht gelöst. Zwar wurde durch 71
Interview. Bericht zum E n t w u r f des Staatshaushaltsplans 1966. Einzelplan 02 über den Stand der Geschäfte u n d der bevorstehenden Aufgaben. 73 Protokoll des Saarländischen Landtags v. 22. 4.1964. Vgl. auch Bertram, S. 122. 74 So i n Hessen, nicht dagegen i n Rheinland-Pfalz. 72
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einen Bundestagsbeschluß 75 gefordert, die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien zu ändern, doch wurde dies nicht durchgeführt. Danach sollte die Bundesregierung verpflichtet werden, Entwürfe dem Bundestag gleichzeitig mit den Verbänden zuzuleiten. I n der Begründung der Regierungsentwürfe sollten auch die Stellungnahmen der Verbände mitgeteilt werden, ein Gedanke den man i n BadenWürttemberg abgelehnt hatte, da man dies den Verbänden überlassen wollte. Die Regelung i m Bund würde jedoch eher ermöglichen, den früheren Einfluß der Verbände zu erkennen. Die Praxis der Anhörung ist i n den Ländern zumeist einigermaßen zufriedenstellend. Allerdings gibt es auch hier immer wieder Anstöße. So setzten in Nordrhein-Westfalen die Verbände, um eine Verbesserung zu erreichen, sogar ihnen nahestehende Abgeordnete ein. Diese erreichten, nachdem einmal zu Besoldungsfragen nur die Gewerkschaften angehört worden waren, i m Innen-Ausschuß des Landtags ein Ersuchen an die Landesregierung, i n Zukunft bei allen die Gemeinden betreffenden Fragen deren Verbände zu hören 7 6 . Schlechter sind die Verhältnisse dagegen i m Bund, teilweise sicherlich, weil die Beamten hier den Gemeinden ferner stehen. Die kommunalen Spitzenverbände unternahmen daher immer wieder Vorstöße, eine Verbesserung zu erreichen. M i t den Verwaltungen der Länder, die ja ebenfalls i m frühen Stadium der Gesetzgebung angehört werden, sind die kommunalen Spitzen verbände jedoch nur teilweise gleichgestellt 77 . Wieweit sie gegenüber anderen Verbänden tatsächlich bevorzugt behandelt werden, ist nur schwer zu sagen. Immerhin zeigt der Konf l i k t in Baden-Württemberg, daß die Anhörung besonders der kommunalen Spitzen verbände relativ gut ist. Auch die teilweise Gleichstellung mit den Ländern deutet i n diese Richtung. Andererseits zeigt der Vorgang aus Nordrhein-Westfalen etwa das Gegenteil. Die Anhörung ist auch sicherlich eine Frage der Macht der jeweiligen Verbände. Trotzdem w i r d man wohl davon ausgehen dürfen, daß der rechtlichen Privilegierung teilweise auch eine zeitliche entspricht, ebenso wie wohl auch i n der Berücksichtigung der Argumente, da die Gemeinden einen leichteren Zugang zu den Ministerien haben. Die Garantie eines Anhörungsrechts i n allen Ländern und i m Bund würde also durchaus gewisse Vorteile m i t sich bringen. Ähnlich behandelt wie die kommunalen Spitzenverbände sind die Organisationen der Beamten nach § 94 Bundesbeamtengesetz. Neuer75
Bundestag Drs. V/2554. Schreiben des Innenministeriums NW, I I I A 4 - 1374/70. 77 So w a r es beim Personalvertretungsgesetz. Vgl. Verbände u n d Gesetzgebung, S. 55. 76
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dings w i r d dies für verfassungswidrig gehalten, da es die Rechte des Parlaments beeinträchtige. Nur die in der Verfassung vorgeschriebenen Körperschaften hätten an der Gesetzgebung Rechte 78 . Dies müßte demnach auch für die kommunalen Spitzenverbände gelten. Ohne auf die rechtliche Problematik hier einzugehen, muß festgestellt werden, daß die M i t w i r k u n g dieser Verbände in erster Linie unter dem Gesichtspunkt der Selbstverwaltung zu sehen ist, der Charakter des Verbandes also entscheidend ist. I I I . Die Parlamente Über die formelle Anhörung hinaus verfügen die kommunalen Spitzenverbände wie andere Verbände auch über eine ganze Reihe von Mitteln, die Entscheidungen der Abgeordneten zu beeinflussen. Die Entwicklung dieses Instrumentariums seit der Entstehung der Verbände wurde von Bertram bereits dargestellt 79 . Worauf es hier ankommt, ist die praktische Relevanz der verschiedenen Methoden aufzuzeigen, ihre Erfolgsmöglichkeiten sowohl auf der Landesebene wie der Bundesebene, die beide sehr unterschiedlich sind. Prinzipiell sind zwei verschiedene Wege des Einflusses zu unterscheiden: der innerhalb der Parlamente selbst durch die den Verbänden nahestehenden Abgeordneten und der Einfluß von außen her. Die Bedeutung der kommunalen Wahlbeamten i n den Landtagen wurde bereits vielfach deutlich. Soweit die Inkompatibilität für sie bisher nicht eingeführt ist, sind sie in den Parlamenten in großer Zahl vertreten, und, wie oben gezeigt wurde, besonders i n den Verwaltungsausschüssen überrepräsentiert 80 . Sicherlich ist unter ihnen auch eine relativ große Zahl einflußreicher Abgeordneter. Es ist besonders hinzuweisen auf die erstaunlich hohe Zahl von Landtags-Präsidenten, die gleichzeitig oder früher kommunale Wahlämter ausübten. Zu nennen sind in Baden-Württemberg Neinhaus und Gurk (1952 -60, 1960 - 68) sowie van Volxem (Rhpf., L K T , ab 1966), Gockeln und Johnen (NW, 1. 4., 5. Periode), Mauer (Saarland, 1966 - 70), Böttcher und Lemke (SH, 1954 - 59, ab 1971), Olfers und Baumgarten (Nds. 1946 - 55, 1959 - 63 und ab 1967) sowie Buch (Hessen, ab 1966). U m zu untersuchen, wieweit diese starke personelle Vertretung sich auch i m konkreten Einfluß äußert, soll zunächst auf die Landkreisordnung Baden-Württemberg eingegangen werden, als das Beispiel 78 Martin G. Ammermüller, Verbände i m Rechtssetzungsverfahren. Diss. Tübingen 1971. Leider geht der Verfasser nirgends auf den doch so ähnlichen F a l l der kommunalen Spitzenverbände ein. 79 Bertram, S. 99 - 133. 80 s. 1. Kapitel, V I .
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eines nicht allzu umfangreichen Gesetzgebungsverfahrens, während bei den Fragen der Verwaltungsreform Sachverständigen-Kommissionen eine wesentlich größere Rolle spielen. Die strittigen Fragen der Landkreisordnung wurden zum einen i m Innenministerium und i n der Landesregierung entschieden. Dies gilt für die folgenden Fragen, die aber i m Verwaltungsausschuß teilweise noch stark umstritten waren: Rechtsnatur der Landkreise und Definition ihrer Aufgaben, KompetenzKompetenz, Einwohnergrenze für Auskreisungen. Ohne Beratungen i m Landtag wurde der Regierungsentwurf übernommen bei der Sicherung der Rechte der Landesbeamten und i n der grundsätzlichen Entscheidung für den kommunalen Landrat, wobei hier aber lange Diskussionen auch i n den Parteien vorausgegangen waren. I m Ausschuß abweichend vom Regierungsentwurf wurden entschieden: Einwohnergrenze der Großen Kreisstadt, Benennungsverfahren der Landratskandidaten, A b w a h l des Landrats, Einheit der Verwaltung, Landratsamt als Einheits- oder Doppelbehörde, wobei hier aber auch zwischenzeitlich Beratungen der Fraktionen stattfanden; 2 /s-Klausel, Minderbelastung, was beides i n 2. und 3. Lesung nochmals aufgegriffen wurde, aber doch i n der Ausschuß-Fassung belassen wurde. I n 2. oder 3. Lesung wurden entschieden: Kompetenzen der Großen Kreisstadt (dazu noch eine Novelle), Mitgliedschaft des Oberbürgermeisters i m Kreisrat, Amtsvoraussetzungen für den Landrat, Austauschbarkeit der Beamten, Staatlicher Vertreter des Landrats. Wie diese Übersicht zeigt, war vor allem der Verwaltungsausschuß diejenige Instanz, die die meisten Probleme entschied, soweit sie nicht i m Ministerium schon geklärt worden waren. Aber auch i n der kleineren Anzahl von Fragen, die i n 2. und 3. Lesung entschieden wurden, war die Diskussion wiederum vom selben Personenkreis bestimmt wie i m Verwaltungsausschuß. I m Plenum kamen also keine grundsätzlich anderen Interessen zu Wort. Daß der Schwerpunkt der Willensbildung i m Ausschuß lag, w i r d noch deutlicher, wenn man das Gewicht der Fragen betrachtet. Zum Verhältnis von Kreis und Gemeinde hatte der Regierungsentwurf schon die Grundsatzentscheidungen enthalten. Die grundsätzliche Regelung des Verhältnisses von Kreis und Land entschied dagegen der Ausschuß, wobei er vom Regierungsentwurf abwich. Seine Entscheidungen wurden auch später nicht mehr angegriffen. Diese Bedeutung des Ausschusses ist nicht zufällig, sondern erklärt sich daraus, daß sich hier die entscheidenden Partner in diesen Fragen gegenübersitzen: die Ministerialbürokratie und die kommunalen Abgeordneten i m Landtag. Zwischen ihnen bestehen i n vielen Fragen des Verhältnisses von Land und Selbstverwaltung Interessengegensätze, die hier direkt zwischen beiden Gruppen ausgehandelt werden können. Aber auch die Fragen, die zwischen den verschiedenen kommunalen Gruppen
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strittig sind, können hier von den jeweiligen Sachverständigen i m Parlament entschieden werden. Entsprechend dieser Struktur des Entscheidungsprozesses i m Landtag liegt der Schwerpunkt der Einflußnahme der Verbände einmal bei den Ministerien, zum anderen i m Verwaltungsausschuß. Dies stimmt nur teilweise m i t den Thesen Stammers überein, der neben der Beeinflussung der Regierung eine solche i m Parlament auf allen Stufen beobachtete 81 . Von den kommunalen Spitzen verbänden w i r d dagegen einhellig die Auffassung vertreten, daß eine Regelung, wenn sie erst einmal den Ausschuß passiert hat, nur sehr schwer geändert werden kann, auf das Plenum also nur ein geringer Einfluß besteht. Dies mag damit zusammenhängen, daß auf andere als kommunale Abgeordnete nur wenig Einfluß besteht. A u f Grund dieser Bedeutung der Ausschüsse ergibt sich, daß für die kommunalen Spitzenverbände eine wichtige Forderung ist, eigene Verwaltungs- oder kommunalpolitische Ausschüsse einzurichten. Während dies auf der Landesebene kein Problem ist, war es auf der Bundesebene lange strittig. Ein kommunalpolitischer Bundestagsausschuß wurde 1951 gegründet und 1957 zum Ausschuß für Kommunalpolitik und Fürsorge erweitert 8 2 , i n der 5. Wahlperiode jedoch i m Zuge der Neuorganisation der Ausschüsse ganz abgeschafft. Während i n den fünfziger Jahren die kommunalen Spitzenverbände u m den Ausschuß stark gekämpft hatten, war dies bei seiner Abschaffung nicht mehr der Fall, da der Ausschuß zunehmend lediglich mitberatend gewesen war und sich als wenig effektiv erwiesen hatte. Die Aufgaben dieses Ausschusses hat der Innenausschuß übernommen, i n dem aber nur wenige Kommunalpolitiker vertreten sind. Trotz der Bedeutung der Kommunalbeamten, die zunächst den Eindruck hervorruft, es müßte für die kommunalen Spitzenverbände ein leichtes sein, ihre Wünsche durchzusetzen, hat sich i n vielen Punkten erwiesen, daß dies keineswegs i m erwarteten Umfang der Fall war. Man kann dies einmal auf die bereits erwähnten Faktoren zurückführen, daß noch andere Bindungen vorliegen, die an die Fraktionsdiszip l i n oder an einzelne Gruppen der Gesellschaft. Ein Kommunalbeamter kommt i n sein A m t ja schon als Vertreter einer Partei oder einer bestimmten Gruppe, deren Interessen er dann auch i m Parlament vertritt. Die kommunalen Interessen sind für i h n also nur ein Teil dessen, wofür er sich dort einsetzt. Dazu kommen noch die konkreten Interessen der einzelnen Gemeinde. Diese sind sicher für viele kommunale Wahlbeamte wichtiger als die gemeinsamen Interessen der Gemein81 82
Verbände und Gesetzgebung, S. 204. Bertram, S. 168 ff.
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den. Außerdem wurde bereits gezeigt, daß die Selbstverwaltung i n vielen Fragen keineswegs eine einheitliche Front darstellt. Für die Gemeindetage kann man auch darauf hinweisen, daß ein Großteil ihrer Abgeordneten i m Landtag nicht den hinreichenden Einfluß besitzt. Wichtiger als das ist aber, daß die Abgeordneten keineswegs alle Punkte, die von den Verbänden vorgebracht wurden, unterstützten, ja zum Teil i m Landtag sogar gegenteilige Auffassungen vertraten. So kam es i n einem Landesverband sogar mehrfach vor, daß ein Vorstandsmitglied i m Verband eine bestimmte Ansicht vertrat und die Geschäftsführung kritisierte, w e i l sie dieser Forderung nicht v o l l entsprach, dann aber i m Landtag selbst i m gegenteiligen Sinn sprach. Es gibt auch Fälle, i n denen einzelne Abgeordnete i n grundsätzlichen Fragen von der Position der Verbände abweichen. So trat etwa Landrat Rothemund i n Bayern als entschiedenster Verfechter des Regionalkreises hervor. Ebenso legte Landrat Schiess i n Baden-Württemberg den Plan eines zweistufigen Kreises vor, den der Landkreistag entschieden ablehnte. Auch i n Hessen wurde die Reform der kleinen Gemeinden, die den Ansichten des Gemeindetags widersprach, i m Koalitionsabkommen 1970 beschlossen, obwohl der neue Innenminister Bielefeld zuvor Vorstandsmitglied des HGT gewesen war. Auch von den badischen Bürgermeistern i m Landtag w i r d die schroff ablehnende Haltung des Verbands badischer Gemeinden i n dieser Frage nicht geteilt. Der Grund dafür liegt wohl i n der weitgehenden Unabhängigkeit der kommunalen Abgeordneten von ihren Verbänden. Sie üben also einen kommunalen Einfluß parallel zu dem der Spitzenverbände aus, nicht auf Grund der Bemühungen dieser Verbände. Diese haben wie bereits festgestellt wurde, auch keinen Einfluß auf die Aufstellung der Kandidaten. Weiter kann man davon ausgehen, daß die Position, die die Abgeordneten i n den Verbänden einnehmen, ihr Ansehen i m Parlament und damit ihren Einfluß nicht erhöhen, sondern daß dieser i n erster Linie von ihrer Position als Vertreter einer einzelnen Körperschaft und von ihren persönlichen Qualitäten abhängt. Die Verbände erhöhen also nicht ihr Gewicht, was wiederum die Abgeordneten nicht für die Verbände verpflichtet. Dies ist allenfalls der Fall, wenn es sich u m einen Verbandsvorsitzenden handelt. Angesichts all dessen sind die Stellungnahmen der Verbände für die ihnen nahestehenden Abgeordneten weniger eine verbindliche Richtlinie, als Material für eigene Überlegungen, die zusätzlich bestimmt werden von anderen Loyalitäten und mehr von den konkreten Interessen der eigenen Gemeinde als der Haltung des ganzen Verbandes. Dadurch w i r d die Klärung und Aggregation der Interessen, die i n den Verbänden erfolgt, hinfällig.
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Trotz der Unabhängigkeit der kommunalen Abgeordneten sind diese für die Spitzenverbände ganz wesentlich. So ist etwa ein einflußreicher Ausschußvorsitzender eine Position, die durch nichts ersetzt werden kann. Die Verbände bauen daher i n ihrer Arbeit i n erster Linie auf diese Abgeordneten auf. I n manchen Verbänden w i r d versucht, die Koordination zu verbessern, indem den Abgeordneten die Möglichkeit gegeben wird, direkt i m Verband mitzuarbeiten und selbst Führungspositionen zu bekleiden. Dies ist jedoch in sehr unterschiedlichem Maße der Fall. Ähnlich wie gegenüber den Parteien differiert die Haltung der Verbände gegenüber den Abgeordneten. Um seine parteipolitische Unabhängigkeit zu erhalten und auf „rein sachlicher Grundlage" arbeiten zu können, verzichtete etwa der WGT auf eine Verflechtung von Fraktionen und Führungspositionen des Verbandes 83 . So war i m Gesamtvorstand des WGT oft nur ein Abgeordneter vertreten, angesichts der Zahl der möglichen Fälle doch eine erstaunliche Tatsache, die auf einen bewußten Gegeneinfluß der Verbandsführung zurückgeht. Ähnlich war es i n Rheinland-Pfalz und i n Hessen vor 1970. Daneben gibt es auch andere Landesverbände, die stark m i t Abgeordneten durchsetzt sind und dies auch fördern. A u f die Politik des DGT wurde hier schon verwiesen. I n anderen Fällen wurden Abgeordnete auch i n den Vorstand oder Fachausschüsse zugewählt (so L K T BW), sofern sie angesichts ihrer Belastung dafür Interesse haben. Dies w i r d insbesondere nach Einführung der Inkompatibilität angestrebt i n Hessen 84 ( L K T und ST), wie es bisher schon beim L K T Rheinland-Pfalz der Fall ist, wobei dann jedoch nicht auf kommunale Abgeordnete zurückgegriffen werden kann. I n diese Kontakte sind i n Nordrhein-Westfalen und i n Niedersachsen auch die ehrenamtlichen Wahlbeamten einbezogen. Allerdings w i r d oft festgestellt, sie seien für kommunale Fragen weniger ansprechbar und weniger sachverständig als die Hauptverwaltungsbeamten, vor allem seien sie stärker von anderweitigen Interessen beherrscht. Dennoch muß festgestellt werden, daß hier die Aktivierung der Ehrenamtlichen für die kommunalen Interessen i n weit stärkerem Maße gelungen ist als i n anderen Bundesländern. Sie spielen sowohl i n den Verbänden eine große Rolle, wie sie auch teilweise i m Landtag für die kommunalen Interessen entscheidend sind. Dies geht auch über den Kreis der Ratsvorsitzenden hinaus. So gelang es etwa dem nordrhein-westfälischen Städtebund als Vorsitzenden den Fraktionsgeschäftsführer der SPD, den Stadtverordneten Scheffler zu gewinnen. Nur in unterschiedlichem Maße w i r d versucht, über die Kommunalbeamten hinaus eine breitere Basis i m Parlament zu gewinnen. Beson83 84
Interview. Interview.
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ders wenn die Abgeordneten selbst ein kommunales Mandat innehaben, wie es häufig der Fall ist, w i r d auch ein gewisses Verständnis zu wecken sein, insbesondere wenn die Heimatgemeinde an den A b geordneten herantritt. Dies ist jedoch bei den meisten Verbänden weitgehend der Initiative einzelner Kommunalbeamter oder der Kreisvorsitzenden der Gemeindetage überlassen, wenn auch zum Teil Material für eine solche Beeinflussung bereitgestellt wird. Immerhin haben sich daraus einzelne Fälle einer dauerhafteren Zusammenarbeit ergeben. I n den meisten Fällen ist es jedoch deswegen wenig erfolgversprechend, weil für die überwiegende Zahl der ehrenamtlichen Kräfte die Gemeinde nur eine Stufe ihrer politischen Laufbahn ist, weshalb die I n teressen der Selbstverwaltung sie nur wenig berühren. Die Arbeit der Verbände ist auch nicht auf eine solche langfristige Beeinflussung ausgerichtet, sondern überwiegend auf die jeweils entscheidenden Abgeordneten. Ein erstes Hilfsmittel, das der Anknüpfung von Kontakten dient, sind die parlamentarischen Abende 8 5 . Diese werden i n den verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich häufig praktiziert, ganz abhängig von den Personen der Geschäftsführer oder des Vorsitzenden. Ihre Rolle ist i m allgemeinen gering. Ein weiteres M i t t e l sind die bereits erwähnten schriftlichen oder mündlichen Stellungnahmen. Soweit sie rein schriftlich erfolgen, haben sie meist keine große Wirkung. Teilweise sind sie auch sehr detailliert, so daß bei den Abgeordneten Unwille darüber laut wird. Die mündlichen Stellungnahmen erfolgen sowohl i n offiziellen Anhörungen i n den Ausschüssen, deren Wert jedoch zumeist sehr gering beurteilt wird, wie neuerdings auch i n zunehmendem Maße i n den einzelnen Fraktionen, die sich so ein direktes B i l d machen können. Neben einer formellen Anhörung i n der Fraktion kommt es gelegentlich auch vor, daß Mitglieder der Verbände an Fraktionssitzungen selbst teilnehmen. Dazu kommt als das entscheidende M i t t e l persönliche Vorsprache bei einflußreichen Abgeordneten 86 . Noch stärker, als dies bei anderen Verbänden der Fall ist, sind die kommunalen Spitzenverbände dabei auf die M i t t e l der sachlichen Information und der Überzeugung angewiesen, was auf der Gegenseite eine grundsätzliche Anerkennung der Maßstäbe und Werte der Verbände voraussetzt 87 . Ein Ansatzpunkt für die Ausübung von Druck auf Abgeordnete seitens der kommunalen Spitzenverbände kann dagegen nicht gesehen werden. 85 86 87
S. 14.
Bertram, S. 103 ff. Bertram, S. 126 ff. Vgl. Beyme, Interessengruppen, S. 98. Andrew M. Scott u n d M. M. Hunt, Congress lobbies. Chapel H i l l 1966,
16 Geißelmann
4. Kap. : Adressaten der Verbände
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Es ist aber vielfach festzustellen, daß gerade der Form der persönlichen Einwirkung gegenüber eine große Zurückhaltung besteht. Zu erklären ist dies wohl daraus, daß die Geschäftsstellen mit Personen aus der Verwaltung besetzt sind, die von ihren Anschauungen und von ihrer Handlungsweise her zu politisch wirksamen Kontakten mit dem Landtag nur bedingt i n der Lage sind, ja ihre Aufgaben teilweise geradezu unpolitisch ansehen und sich mehr der Verwaltung zugehörig fühlen. Andererseits gibt es auch Beispiele ausgesprochen politischer Geschäftsführer. I n anderen Fällen (wie beim DST) w i r d der Lobbyismus i m eigentlichen Sinn überhaupt abgelehnt, da man sich nicht auf eine Stufe m i t den Interessenverbänden stellen möchte 88 . Die Funktion des Verbandes w i r d i n erster Linie als eine sachliche Beratung gesehen. Daß dieses Rollenverständnis seine Entsprechung auch in Erwartungen der Verwaltung und des Parlaments hat, w i r d noch zu zeigen sein. A u f Grund dessen ist insgesamt die Koordination durch die Geschäftsstellen der Verbände zu gering. So konnten Beispiele beobachtet werden, daß die Geschäftsstellen über parlamentarische Vorgänge nur unzureichend unterrichtet waren. Die Koordination ist zu gering einerseits bei den den Verbänden schon nahestehenden A b geordneten, die von diesen außer durch schriftliche Stellungnahmen nur teilweise auch durch persönliche Vorsprachen i m Landtag unterstützt werden. Dadurch erhalten sie nicht genügend Rückendeckung von der Geschäftsstelle und werden nicht i n ihrer Haltung bestärkt. Zum anderen w i r d zu wenig Einfluß genommen auf die grundsätzliche verwaltungspolitische Haltung der Fraktionsführungen und anderer einflußreicher Abgeordneter, soweit sie nicht schon dem kommunalen Bereich angehören. Die Geschäftsstellen überlassen dies weitgehend den ihnen nahestehenden Abgeordneten, auf die sie sich i n ihrer Arbeit konzentrieren. Das klassische Lobbying spielt bei den meisten Verbänden also nur eine geringe Rolle. Eine weitere bemerkenswerte Tatsache, die einen zu einseitigen Einfluß der kommunalen Spitzenverbände behindert, ist ihre sehr ausgeprägte Kompromißbereitschaft. Diese wurde etwa deutlich in BadenWürttemberg an der Frage der Benennung der Landratskandidaten, wo der Verband der Landkreise angesichts der Verhältnisse i m Ausschuß wohl auch eine stärkere Einschränkung der M i t w i r k u n g des Ministeriums hätte durchsetzen können. Trotzdem war er gegenüber dem einzigen wichtigen Abgeordneten, der den Einfluß des Staates vertrat, zu einem Kompromiß bereit. Die Gründe für diese Bereitschaft, die in erster Linie i n den entsprechenden Erwartungen der 88
Interview.
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Adressaten der Verbandsforderungen liegen, sollen i m folgenden Abschnitt noch näher behandelt werden. Trotz all dieser Einschränkungen ist die Vertretung der Gemeinden i n den Fraktionen ein wesentliches Hilfsmittel der Verbände. Doch handelt es sich bei diesem Einfluß weniger u m persönliche Beziehungen, die von den Verbandsführungen ausgeübt werden, als um Interessenbeziehungen 89 . Über den Umfang eines normalen Gesetzgebungsvorhabens weit hinaus reicht die Verwaltungsreform. Für sie gelten daher auch etwas andere Gesetzmäßigkeiten. Da es sich um Fragen handelt, bei denen auch einer breiteren Schicht von Bürgern deutlich wird, daß ihre Interessen berührt sind, ist hier ein öffentlicher Widerstand möglich. A u f Grund dessen wirken auch weit mehr Abgeordnete als i n anderen kommunalen Fragen, also auch Nicht-Kommunalbeamte mit. Die W i l lensbildung erfolgt daher nicht i n dem Maße wie bei anderen Gesetzen i m Verwaltungsausschuß, sondern innerhalb der Regierungen und Fraktionen. Bereits oben wurde darauf hingewiesen 90 , daß auch die Sachverständigen-Kommissionen eine bedeutsame Rolle spielten. I n ihnen waren teilweise eine große Zahl Sachverständiger außerhalb der Verwaltung (NW und Nds.), daneben aber auch Vertreter der Landesverwaltung und der kommunalen Spitzenverbände vertreten, die i n anderen Kommissionen (Rhpf., BW) vorherrschten. I n beiden Fällen wurde i n diesen Gremien versucht, zwischen den Standpunkten der verschiedenen Verbände, die ja i n starkem Maße unterschiedliche Interessen haben, einen politisch gangbaren Weg zu finden und so außerhalb des Parlaments einen Kompromiß zu schließen. Für einen Teil der Fragen gelang dies auch, zum Teil w e i l einzelne Gruppen, wie die Kleinst-Gemeinden, i n diesen Kommissionen nicht vertreten waren. Die Initiative ging dabei nicht von den Verbänden aus, wenn sie sie teilweise auch gedanklich vorbereiteten, und wenn auch etwa der DST i n der Frage des Stadt-Umlandes i m Laufe der Reform immer mehr zur treibenden Kraft wurde. I n diesem Fall gelang es also, die Interessen, die von einer Veränderung profitieren, gegen die Interessen am status quo, die weit offenkundiger sind 9 1 , zu mobilisieren. Die Initiative ging jedoch von der Wissenschaft und von einzelnen Landespolitikern aus, die sich damit politisch profilierten. Teilweise kamen diese nicht aus der Selbstverwaltung, was vor allem für Helmut K o h l und seinen Kreis gilt, aber auch teilweise für die FDP, die i n Hessen i m Koali89
Die Unterscheidung nach: Verbände u n d Gesetzgebung, S. 31. s. o. S. 62. 91 Roman Schnur: Widerstände u n d Schwierigkeiten bei Verwaltungsreformen, i n : Deutsches Verwaltungsblatt 1970, S. 755. 90
16*
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4. Kap. : Adressaten der Verbände
tionsabkommen 1970 die Verwaltungsreform durchsetzte. Zum größeren Teil waren es aber aktive oder ehemalige Kommunalpolitiker wie Dregger, Krause, Weyer und Merk. Eine wichtige Rolle spielte auch die aktive Mitarbeit der Landesverwaltung, die die Reform wesentlich vorantrieb. Daß auch die Verbände und die Kommunalpolitiker i n den Landtagen mitarbeiteten, wurde bereits dargelegt. Dabei waren zumeist diese Abgeordneten bereit, i n der Reform noch weiter zu gehen als die Verbände, die auf ihre zögernden Mitglieder Rücksicht nehmen mußten. Daher versuchten weder die Verbände noch die Abgeordneten, eine Veto-Stellung zu erreichen, was etwa i m Verwaltungsausschuß möglich gewesen wäre. Es erwies sich weiterhin i m Laufe der Reform, daß der Widerstand der Bevölkerung weit geringer war als ursprünglich angenommen. Auch einzelne Versuche von Verbänden, einen Widerstand zu mobilisieren, schlugen fehl. Dies gilt etwa für den Rheinland-pfälzischen Gemeindetag i n der Frage des Stadt-Umlandes und i n noch stärkerem Maße für den Verband badischer Gemeinden i n der Gemeindereform. Neben dem Widerstand, der v. a. von den „Verlierern" der Reform kommt, ist jedoch auch eine breite Zustimmung unter der Bevölkerung festzustellen. Dies ist etwa das Ergebnis der Untersuchungen Ronnebergers, die i n Nordrhein-Westfalen vorgenommen wurden 9 2 . Seine Thesen sind allerdings dahingehend zu modifizieren, daß das Wissen um Verwaltungsfragen zwar relativ gut ist, soweit ein einigermaßen realer Bezug dazu besteht, daß sich aber über abstraktere Probleme etwa der Verwaltungsorganisation und des Aufbaus „weit weniger klare Vorstellungen" finden 9 3 . Gerade diese Probleme, nicht Effizienz und Arbeitsweise der einzelnen Behörde, stehen i m Vordergrund der Verwaltungsreform. Außerdem muß gefragt werden, ob die Kenntnisse über die Verwaltung, die mit dieser positiven Haltung zur Reform korrespondieren, durch eine Meinungsumfrage zutreffend erfaßt werden können, ob hierdurch nicht ein zu günstiger Eindruck erweckt wird. Wenn von Conrady festgestellt wurde, der Bürger habe ein großes Desinteresse an der Verwaltungsreform gezeigt 94 , so t r i f f t das sicherlich für weite Bereiche zu. Als Grund führt er an die Unsicherheit insbesondere gegenüber der Funktionalreform, die geringen W i r kungsmöglichkeiten auf Grund des verengten Spielraums der Kommunen und die Tatsache, daß für den Bürger kaum neue Möglichkei92 Franz Ronneberger, V e r w a l t u n g und Öffentlichkeit. S. 58 - 61. 93 Ebd., S. 58. 94 Conrady i n : Der Landkreis 1973, S. 76 - 78.
Essen 1970, bes.
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ten der Teilhabe am kommunalen Geschehen eröffnet werden. Daran ist sicherlich richtig, daß die Reform die Distanz des Bürgers zur Verwaltung vergrößert hat und die Maßstäbe der demokratischen Gestaltung, wie sie Wagener herausgearbeitet hat, gegenüber den Gesichtspunkten der Verwaltungseffizienz zunehmend in den Hintergrund traten. Man kann die Verwaltungsreform also durchaus, wie dies Lohmar t u t 9 5 , als technokratisch bezeichnen. Dem entspricht auch die von Ronneberger in erhöhtem Maße festgestellte Zustimmung zur Reform bei den befragten Schlüsselpersonen (aus der Selbstverwaltung und aus anderen politischen Bereichen) 96 . I m Bereich der Kommunalpolitiker ist sicherlich eine breite Zustimmung zu den vollzogenen Maßnahmen i m Laufe der Reform entstanden, was auch durch den Erfahrungsbericht des I M NW zum ersten Neugliederungsprogramm 97 dokumentiert wird. Dies gilt zwar möglicherweise nicht i m selben Maße für die weniger als Nordrhein-Westfalen verstädterten Gebiete und Länder, doch ist etwa auch auf die große Zahl freiwilliger Zusammenschlüsse in Baden-Württemberg hinzuweisen. Als ein wichtiges Element erwies sich die Tatsache, daß die Entscheidung der Fraktionen über die verschiedenen Interessen auch unter dem Gesichtspunkt erfolgt, welche Bevölkerungsgruppen davon betroffen sind und auf dem Weg über die Selbstverwaltung unterstützt werden sollen. Man kann dies darauf zurückführen, daß die Parteien auf die Selbstverwaltungskörperschaften angewiesen sind, wenn sie ihre politischen Ziele verwirklichen wollen, und daher deren Interessen nicht vernachlässigen dürfen. Dies w i r k t e sich früher i n der CDU vor allem zugunsten der kleinen Gemeinden, des flachen Landes aus. Die Koalition von deren Bürgermeistern und der Landräte, die sich um diese Gemeinden besonders kümmerten, war für diese Partei früher typisch. I m Städtetag wurde damals auch die Ansicht vertreten, die Interessen der Städte seien dadurch benachteiligt, daß ihre Bürger eine heterogenere Gruppe mit unterschiedlichen Interessen darstellten. Dies mag zutreffen angesichts der Geschlossenheit der Grünen Front und ihres früheren Einflusses. Teilweise gilt dies auch heute für die CDU, weshalb eine Reform der kleinen Gemeinden in dieser Partei schwer zu verwirklichen ist. Es ist jedoch keineswegs so, daß sich hier CDU und SPD geschlossen gegenüberstehen. I n der SPD werden nicht nur die Interessen der Großstädte und der Wohnsitzgemeinden vertreten, vielmehr spielen 95 96 97
Eildienst 1972, S. 36 f. Ronneberger, S. 59. Eildienst 1972, S. 134 - 136.
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4. Kap. : Adressaten der Verbände
auch bei ihr Mittelstädte und Landkreise eine große Rolle. Dies zeigt etwa der bisherige Verlauf der Verwaltungsreform i n Nordrhein-Westfalen. Auch auf die hessische Politik zugunsten der kleinen Gemeinden wurde bereits hingewiesen. Auch die CDU wandelte sich andererseits und unterstützt heute i m selben Maße die Städte. Typisch dafür ist die CDU in Rheinland-Pfalz, die hier Eingemeindungen i n die Städte in größerem Umfang beschloß, was nicht als Konzession an die SPD aufgefaßt werden darf. Dahinter steht vielmehr der Versuch, die Probleme der Städte in stärkerem Maße als bisher zu berücksichtigen. Dies geht sowohl auf die Erkenntnis der Dringlichkeit dieser Probleme zurück, die ja in den letzten Jahren sich immer mehr verbreitet hat, als auch auf den Versuch, das Wählerpotential i n den Städten stärker auszuschöpfen, indem die Interessen ihrer Bevölkerung berücksichtigt werden 9 8 . Dieses grundsätzliche Konzept, das sich von dem der CSU, die traditionellen Wählerreserven stärker auszuschöpfen, unterscheidet, führte zu einem starken Wandel der Haltung der CDU in diesem Land. Dadurch wurde die Arbeit des StV wesentlich erleichtert, wobei jedoch festgestellt werden muß, daß dieser Wandel unabhängig von dessen Arbeit erfolgte. Die Aufgaben der kommunalen Spitzenverbände in dieser Hinsicht bestehen vor allem darin, die besonderen Probleme der jeweiligen Gemeindegruppen zu artikulieren. Diese Form des Einflusses t r i t t zu dem der Kommunalbeamten i m Landtag hinzu und ist auch nach ihrem Ausschluß wirksam. Dennoch ersetzt dies natürlich nicht deren Einfluß in der ganzen Breite der Gesetzgebung. Der Einfluß der kommunalen Selbstverwaltung auf das Land w i r d trotz der anderen Einflußmöglichkeiten durch die Unvereinbarkeit von A m t und Mandat i n den Landtagen erheblich eingeschränkt. Dieser Aspekt des Problems ist jedoch für die Vertreter der Inkompatibilität nicht maßgebend. Sie führen i n erster Linie das Übergewicht des öffentlichen Dienstes in den Landtagen, die Überlastung der betreffenden Abgeordneten und das Problem einer strikten Gewaltenteilung an. Einerseits soll die Kontrolle der Regierung, andererseits die Aufsicht über die Gemeinden gesichert werden. So führt Tsatsos drei Bereiche an, i n denen sich Konflikte ergeben können: der Einfluß von Bund oder Land auf das Kommunalrecht, die Ausführung von Bundes- oder Landesgesetzen durch die kommunalen Gebietskörperschaften und das Aufsichtsverhältnis 99 . Wieweit letzteres tatsächlich beeinträchtigt wird, kann in diesem Zusammenhang nicht untersucht werden. Immerhin w i r d dies von Kennern der Verhältnisse bestritten. Die beiden ersten 98
Interview. Dimitri Tin. Tsatsos, Die parlamentarische Betätigung der öffentlichen Bediensteten. Bad Homburg 1970, S. 206 ff. 99
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Punkte sprechen jedoch wohl eher für einen Einfluß der Selbstverwaltung auf das Land als für eine strikte Trennung. Die Ausführung der Gesetze macht es geradezu erforderlich, daß der Sachverstand der Ausführenden für die Gesetzgebung nutzbar gemacht wird. Dies sollte sicherlich eher noch verstärkt werden. So schlug der DST vor, eine generelle Erprobung von Gesetzen vor ihrem Erlaß einzuführen, um ihre Praktikabilität zu prüfen 1 0 0 . Einen ersten Ansatz dazu stellt die Erprobung des Städtebauförderungsgesetzes i n einem Planspiel i n Stuttgart dar 1 0 1 . Eine M i t w i r k u n g der Ausführenden am Erlaß der Gesetze muß also nicht allein durch die Wahlbeamten i m Landtag erfolgen, doch bedeutet ihr Ausscheiden einen Verlust an Sachverstand innerhalb des Parlaments, wodurch dieses noch stärker von der Exekutive abhängig wird. Auch die Kontrollfunktion der Landtage w i r d sicherlich durch den Verlust an Verwaltungs-Fachleuten leiden 1 0 2 . Der Einfluß von Bund und Ländern auf das Kommunalrecht und, wie hinzugefügt werden muß, auf die Selbstverwaltung i n ihrem gesamten Umfang kann zwar bei Kommunalbeamten i m Landtag zu Konflikten führen, erfordert jedoch geradezu einen Einfluß der Selbstverwaltung. Dies ist sowohl notwendig angesichts des Interessengegensatzes von Land und Selbstverwaltung wie zwischen Selbstverwaltung und den gesellschaftlichen Gruppen, auf die unten näher eingegangen wird. Es muß der These Tsatsos zugestimmt werden, daß diese Interessen gesellschaftliche Belange sind, deren legitime Vertretung im Parlament als Bestandteil des geschichtlichen Prozesses angesehen werden muß, der sich i n der politischen Willensbildung des Volkes vollzieht 1 0 3 . Zwar muß auch dies nicht durch die kommunalen Wahlbeamten i m Landtag geschehen, doch ist ein anderer praktikabler Weg bisher nicht in Sicht. Daher muß erneut überlegt werden, ob nach der Einführung der Inkompatibilität nicht eine Gemeindekammer oder ein ähnliches Instrument der kommunalen Spitzenverbände eingerichtet werden sollte. Welche tatsächliche Bedeutung die möglichen Konflikte aus kommunalem A m t und einem parlamentarischen Mandat haben, braucht hier nicht untersucht zu werden, ebensowenig wie das Problem, daß diese Abgeordneten zu Gesandten ihrer Gemeinde bei Land und Bund werden können. Es muß jedoch festgestellt werden, daß insgesamt die Vertreibung der Kommunalbeamten für die Landtage einen Verlust an qualifizierten Mitgliedern bedeutet, der nur schwer ersetzt werden kann. Überdies hat sich gezeigt, daß der Anteil des öffentlichen Dienstes kei100 101 102 103
Der Städtetag 1967, S. 249 und Klausa, ebd., 1967, S. 297 - 301. Stuttgarter Zeitung 26. 3., 5. 6.1971. So etwa der W G T i n : Württembergische Gemeindezeitung 1969, S. 151. Tsatsos, S. 210.
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4. Kap.: Adressaten der Verbände
neswegs dadurch geringer wird, sondern wie in Hessen sich nur erhöht, indem vor allem Lehrer nachrücken 104 . Wenn argumentiert wird, dies sei angesichts der zunehmenden Bedeutung der K u l t u r p o l i t i k positiv 1 0 5 , so muß dem widersprochen werden. Zum einen enthält diese Feststellung ein Werturteil, das mit der prinzipiellen Argumentation zugunsten der Inkompatibilität nicht vereinbar ist. Zum anderen muß festgestellt werden, daß die Bedeutung der Kommunal- und allgemeinen Strukturpolitik i n den Landtagen sicherlich nicht geringer werden wird. Da die Vertretung der gemeinsamen Interessen der Gemeinden durch die Inkompatibilität wesentlich erschwert wird, wurden gegen ihre Einführung nicht nur die betroffenen Abgeordneten, sondern auch die Verbände als solche aktiv. Es gibt allerdings vereinzelt auch den Fall, daß dies als „politische Frage" angesehen w i r d (so in SH), in die sich die kommunalen Spitzenverbände nicht einmischen sollten angesichts ihrer politischen Neutralität, wobei wie i n ähnlichen Fällen die Erwägung eine Rolle spielen mag, daß man sowieso nicht entscheidend eingreifen könne. I n der Mehrzahl der Fälle haben jedoch die Verbände i n dieser Frage sich deutlich geäußert, so in Baden-Württemberg gegenüber dem Landtag und einzelnen Fraktionen in Anhörungsverfahren 1 0 6 , sowie gegenüber Presse und Öffentlichkeit. Wenn dies auch zum Teil als unberechtigte Einmischung kritisiert wurde 1 0 7 , so hatten sie doch damit Erfolg. Ebenso wurde auch der Hessische Gemeindetag aktiv, i n diesem Fall auch i n den Parteigremien, i n denen diese Frage entschieden wurde 1 0 8 , durch die Person des Hauptgeschäftsführers, was ein Beispiel für die stark politisch ausgerichtete Organisation dieses Verbandes ist. Dabei wurde auch parteipolitisch argumentiert, daß es für die SPD von Vorteil sei, wenn sie die allgemein bekannten Bürgermeister aufstellen könne. Andererseits zeigt gerade das hessische Beispiel, daß keineswegs sämtliche kommunalen Gruppen i n gleichem Maße betroffen sind. Von Seiten der Oberbürgermeister wurde die Inkompatibilität wegen ihrer Arbeitsüberlastung teilweise befürwortet. Es darf auch nicht übersehen werden, daß die Mehrzahl der Bürgermeister in den Landtagen aus den kleinen Gemeinden kommt. Da die zwischen beiden Gruppen strittigen Fragen an Bedeutung gewinnen und die Kommunalpolitiker hier 104
Lehrer und Gewerkschaftssekretäre i n der Polemik des DGT. Klaus von Beyme, Die politische Elite i n der Bundesrepublik Deutschland. München 1971, S. 76. ioe württembergische Gemeindezeitung 1969, S. 151 ff. 105
107
Stuttgarter Zeitung i n einem Kommentar 21. 5.1970. Stuttgarter Zeitung 4.12.1967, Süddeutsche Zeitung 28.12.1967, demokratische Gemeinde 1967, S. 556, 905, 938 ff.; 1968, S. 54. 108
Die
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die entschiedensten Vertreter der jeweiligen Gruppe sind, w i r k t sich die Inkompatibilität zugunsten der großen Städte aus. Ähnlich ist auch die Interessenlage des Landkreistags i n Rheinland-Pfalz, der auf Grund der Inkompatibilität für Staatsbeamte (auch Landräte) bisher i m Landtag stark benachteiligt war. Er begrüßt daher die i n Rheinland-Pfalz i n Zukunft vorhandene Chancengleichheit. Der Gesichtspunkt der inter-kommunalen Interessenunterschiede hat also für ihn den Vorrang vor dem des Interessengegensatzes zum Land, was übereinstimmt mit den oben getroffenen Feststellungen über das Gewicht der Sachfragen. Die Inkompatibilität für kommunale Wahlbeamte ist bisher eingef ü h r t 1 0 9 i n Hessen (ab 1970, G. v. 31. 3. 1969), Bayern (ab 1970), Rheinland-Pfalz (ab 1975, G. v. 20. 10. 1970), i n Niedersachsen für die Hauptverwaltungsbeamten und i n Schleswig-Holstein (G. v. 23.1.1970). Dagegen wurde sie i n Β aden-Württemberg i n einer Kampfabstimmung am 10. 12.1970 abgelehnt, während in den anderen Ländern noch darüber diskutiert wird. Hinzuweisen ist dabei noch auf Nordrhein-Westfalen, wo für einen Ausschluß nur die Hauptverwaltungsbeamten, nicht dagegen die Ehrenamtlichen in Frage kommen. Die Folgen einer Inkompatibilitätsregelung werden bisher am deutlichsten i n Hessen. Sie führte dazu, daß nahezu sämtliche kommunalen Wahlbeamten ihr Landtagsmandat als das offensichtlich weniger attraktive A m t niederlegten. Lediglich einige Spitzenpolitiker wie Dregger verfuhren umgekehrt. Daneben gibt es noch einige ehrenamtliche Bürgermeister, die bei der Regelung ausgenommen sind. Für die Verbände fehlen damit vor allem i n den Ausschüssen die fachkundigen Gesprächspartner, da Fachleute für die Verwaltung kaum aus anderen sozialen Schichten kommen. Ihre Reaktion darauf ist zum Teil eine verstärkte Hinwendung zur Exekutive. Diese w i r d dadurch an Bedeutung sicherlich gewinnen; angesichts der Interessenunterschiede von Zentral- und Kommunalverwaltung muß dies sicherlich bedauert werden. U m diese Situation zu überwinden, erwogen Städtetag und Landkreistag, einen oder mehrere Abgeordnete jeder Fraktion für ihre A r beit i m Vorstand des Verbandes zu kooptieren. Das Problem ist dabei jedoch, genügend einflußreiche Personen zu gewinnen, die zugleich für die Kommunalpolitik das nötige Interesse haben. Darüber hinaus wurde versucht, den Hauptgeschäftsführer des Städtetags i n das Parlament wählen zu lassen, was durch das Wahlergebnis jedoch mißlang. Dieser Typ eines vom Verband direkt abhängigen Abgeordneten wäre 109 Peter Hübner, Unvereinbarkeit von A m t Zeitschrift für Parlamentsfragen 1969, S. 41 - 46.
und Landtagsmandat,
in:
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4. Kap.: Adressaten der Verbände
für die kommunalen Spitzenverbände neu 1 1 0 . Von mancher Seite w i r d die Ansicht vertreten, solche Abgeordneten würden dann in größerer Zahl entsandt werden, was für die Arbeit des Landtags i m Vergleich zu den unabhängigen Kommunalbeamten von Nachteil wäre. Ähnlich verfuhr schon bisher der Landkreistag Rheinland-Pfalz, der den Landkreisen auf irgendeine Weise politisch verbundene Abgeordnete in den Vorstand zuwählt. Es gelang ihm auch, Landtagspräsident van Volxem für den Verband zu gewinnen. Anders verfährt dagegen der Hessische Gemeindetag. Er versucht weiterhin, seine Ansichten i n der Hauptregierungspartei durchzusetzen und so i n wichtigen Fragen das Parlament zu binden 1 1 1 . Obwohl der Einfluß der Selbstverwaltung insgesamt keineswegs beseitigt ist und die Bedeutung der Verbände für die Gemeinden sogar dadurch erhöht würde, ist die Inkompatibilität doch für die Rolle der Kommunalverwaltung ein schwerer Schlag. Insgesamt zeigt sich an dieser Frage, daß eine klarere Regelung des Verhältnisses von Ländern und Gemeinden nötig ist. Die gewichtige Rolle der Kommunalbeamten i n den Fraktionen w i r d insbesondere deutlich, wenn man die Landtage mit dem Bundestag vergleicht. I n diesem gibt es nur wenige Kommunalbeamte, und diese sind i n weit stärkerem Maße von den Problemen der Bundesebene beherrscht, als dies i m Landtag der Fall ist. Eine kommunale Fraktion zu organisieren, w i r d daher hier überhaupt nicht versucht. Es gibt heute nur wenige Bundestags-Abgeordnete, zu denen eine engere Beziehung besteht, wie etwa Schmitt-Vockenhausen i m Innenausschuß. Die Einflußnahme erfolgt hier grundsätzlich anders, indem die jeweils einflußreichen Personen angesprochen werden, nicht irgendwelche Interessierten. Daß dabei ausschließlich mit sachlichen Argumenten gearbeitet werden kann, braucht nicht betont zu werden. Dies war in den ersten Wahlperioden noch anders, als insbesondere der DGT versuchte, eine kommunale Front aufzubauen. I n den letzten Jahren wurde jedoch, was in der Literatur bisher nicht hinreichend beachtet wurde, die Möglichkeit der Einflußnahme auf den Bundestag noch schwerer. Dies w i r d allgemein auf die öffentliche Diskussion über die Interessenverbände zurückgeführt. Dies machte den Bundestag auf das Problem seiner Unabhängigkeit aufmerksam und führte zum Erlaß der Ehrenordnung und zur Einrichtung einer LobbyListe 1 1 2 . Damit wurde auch das durchaus legitime Einwirken von Verbänden erschwert. Die kommunalen Spitzenverbände versuchen dem 110 111 112
E i n früheres Beispiel ist M d L Henrichs (NW), Justiziar des DStB. Interview. Vgl. auch BT-Drs. V, 2945, 4373.
I V . Regierungen u n d Ministerien
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zu begegnen einmal durch sachliche Arbeit, zum anderen aber indem sie verstärkt versuchen, untereinander eine Einigung zu erzielen oder sogar noch Gruppen der Wirtschaft usw. mit einzubeziehen, um so eine Front zu schaffen, über die der Bundestag nur schwer hinweggehen kann. Werden unterschiedliche Stellungnahmen abgegeben, so bleiben sie zumeist erfolglos. Dadurch erhält die Frage eines Einheitsverbandes eine besondere Bedeutung. Ob ein solcher aber aus internen Gründen schlagkräftig genug wäre, ist angesichts der Erfahrungen in BadenWürttemberg keineswegs sicher. Neben dem Bundestag spielt auch der Bundesrat als Adressat der kommunalen Spitzenverbände eine gewisse Rolle. Dies ergibt sich schon daraus, daß die Länder nach der Konstruktion des Grundgesetzes i m Bundesrat die Interessen der kommunalen Selbstverwaltung mit vertreten sollen. A u f dieses Problem muß i m Zusammenhang des Verhältnisses Bund - Gemeinden noch eingegangen werden. Hier soll nur die Möglichkeit, den Bundesrat direkt zu beeinflussen, dargelegt werden. Dies erfolgt auf dem Wege über die Länderministerien, denen von den Bundesverbänden bei wichtigen Gesetzen Stellungnahmen zugesandt werden. Aus zeitlichen Gründen erfolgt dies zumeist direkt, nicht auf dem Umweg über die Landesverbände, die nur nach Bedarf die Stellungnahme des Verbandes noch persönlich unterstützen. Anders verfuhr nur der DGT, dessen Landesverbände eine solche Einmischung i n Landesangelegenheiten nicht zuließen 113 . Der DST hat darüber hinaus jedoch noch eine weitere Einflußmöglichkeit, indem drei seiner Mitglieder zugleich Bundesländer sind. Diese Doppelnatur führt jedoch dazu, daß die Probleme dieser drei Länder teilweise anders gelagert sind als die normaler Städte und staatliche Interessen und staatliche Denkweisen eine große Rolle spielen. Außerdem sind i n diesen Ländern jeweils Beschlüsse der Kabinette nötig, u m die kommunalen Spitzenverbände zu unterstützen. Aus diesem Grund ist die Wirkung dieser drei Länder i m Bundesrat nicht so groß, wie vermutet werden könnte, wenngleich sie für den DST eine wesentliche Hilfe sind. Immerhin wurden aber die grundsätzlichen Streitfragen zwischen Gemeinden und Ländern so nicht entschärft. IV. Regierungen und Ministerien Auf Grund des allgemein zu beobachtenden Bedeutungszuwachses der Ministerialverwaltung und Regierung bilden den Hauptteil der Arbeit der Verbände die Kontakte mit den Ministerien. Dabei bleibt aber der Weg über den Landtag immer offen und ist die zweite Stufe, 113
Interview.
252
4. Kap.: Adressaten der Verbände
die beschritten wird, wenn der Erfolg i m ersten Fall versagt bleibt. Die kommunalen Spitzenverbände sind jedoch allgemein der Ansicht, daß i n diesem Fall die Möglichkeit der Beeinflussung der Parlamente relativ gering ist. Daher versuchen sie stets, Gesetze so früh wie möglich zu beeinflussen. Dies stimmt mit der These Ecksteins überein 1 1 4 , Determinante für die Kanäle der Interessenpolitik sei vor allem die Struktur des Entscheidungsprozesses. Daneben nennt er noch die A k tivität der Regierung selbst und die Haltungen der Beteiligten. Letztere w i r k t bei den kommunalen Verbänden aber ebenfalls auf eine stärkere Hinwendung zur Exekutive durch die i m folgenden zu behandelnde verwaltungsähnliche Struktur der Verbandsspitzen. Es wurde bereits festgestellt, daß die kommunalen Spitzenverbände sich i n der Methode ihrer Interessenvertretung deutlich zurückhalten. So ist ein öffentlicher Druck auf die Regierung nicht üblich, wohl weil kein Ansatzpunkt für eine erfolgreiche Druckausübung zu sehen ist. Abweichungen von dieser Zurückhaltung sind nur gelegentlich i m Bereich der Gemeindetage festzustellen. Unter den Bürgermeistern besteht teilweise die Neigung, gegenüber dem Land aufzutrumpfen. I n einzelnen Fällen, die bereits erwähnt wurden 1 1 5 , ist es jedoch nicht sehr erfolgreich gewesen. Stärker i m Bereich der parteipolitischen Wirkung bleibt dagegen der DST, der ebenfalls gelegentlich zu Mitteln des Protestes greift, wobei aber hier, wie bei den anderen Verbänden, die rein sachliche Arbeit überwiegt. Es besteht insgesamt ein sehr enges, auf intensive Zusammenarbeit gerichtetes Verhältnis zwischen Verbänden und Ministerien. Der Grund liegt sicher darin, daß von diesen Verbänden als Vertreter von öffentlichen Körperschaften ein solches zurückhaltendes Vorgehen erwartet wird, jedes andere Vorgehen also Nachteile i n der Verfolgung der Interessen mit sich bringen würde. Noch wichtiger scheint aber die Zusammensetzung der Geschäftsstellen und Verbandsvorstände zu sein. Sie sind mit leitenden Angehörigen des öffentlichen Dienstes besetzt, i m Fall der Vorstände mit Wahlbeamten, die aber zumeist ebenfalls aus der Verwaltung kommen. Stammer spricht daher von einem „quasi-amtlichen" Charakter 1 1 6 , der übrigens auch darin seinen Ausdruck findet, daß die Geschäftsführer der Verbände eine beamtenähnliche Stellung haben 1 1 7 . Es findet auch ein gewisser Austausch des Personals zwischen den Geschäftsstellen 114
Eckstein, S. 16 ff. s. 3. Kapitel, I I . 116 Verbände u n d Gesetzgebung, S. 63. 117 z.B. i n B W : Gesetz über die kommunalen \^ersorgungsverbände 18.12.1964) § 5 Abs. 5. 115
(v.
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und den Ministerien statt. Entscheidend ist jedenfalls, daß auf beiden Seiten dieselbe Schicht von Personen vorhanden ist. Auf Grund dieser Tatsache haben die kommunalen Spitzenverbände also für die Ministerien weniger den Charakter von Interessenverbänden als mehr den von Behörden, der ihre Tätigkeit gegenüber der Bürokratie ohne weiteres legitimiert. Daher ist auch ihre Anhörung nicht nur, wie oben dargelegt wurde, rechtlich besser gesichert. Sie stehen den Ministerien auch näher als andere Verbände. Die Zusammensetzung der Geschäftsstellen hat jedoch bei einem Teil der Verbände dazu geführt, daß sie ihre Funktion eher verwaltungsmäßig als politisch ansehen. Diese Haltung führt natürlich auch dazu, daß die Ministerien als Adressaten der Forderungen gegenüber den Parlamenten bevorzugt werden. Soweit hier ein stärker politischer Stil der Geschäftsführung gefunden wurde, hat dies jedoch den Erfolg vergrößert. Die Zusammenarbeit zwischen Ministerien und Verbänden ist also insgesamt recht intensiv und gut. Sie ist aber nicht von der überragenden Rolle des Sachverstandes und der Kenntnisse der Verbände geprägt, die etwa nach den Feststellungen Ecksteins deren Gewicht so wesentlich erhöhen 118 . Dies schließt natürlich nicht aus, daß die Verbände über praktische Erfahrungen i n zahlreichen Sachfragen verfügen, die für die Ministerien nötig sind. Jedoch unterscheidet sich die Situation ganz wesentlich etwa von den Ärzteverbänden, die gegenüber ihren Ministerien über größere Fachkenntnisse verfügen und die Autorität der Fachleute ins Feld führen können 1 1 9 . Dies gilt vor allem für die Länder, während der Bund durch das Fehlen eines eigenen Verwaltungsunterbaus eher auf Informationen angewiesen ist. Bereits oben wurde auf den Interessengegensatz zwischen den M i nisterien und der Selbstverwaltung hingewiesen. Dies ist jedoch nicht die einzige relevante Beziehung zwischen den Interessen der Beteiligten. So bevorzugen i m Verhältnis zwischen Kreisen und Gemeinden die Ministerien erstere. Als Gründe wurden genannt: die Herkunft vieler Ministerialbeamter aus dem Landratsamt, der Einfluß auf die Bestellung von dessen Beamten und die Bevorzugung einheitlicher Regelungen. Die Interessenbeziehungen sind also differenzierter als der einfache Konflikt zwischen Staats- und Selbstverwaltung. Dies gilt noch mehr, wenn man die vielfältigen Interessenkonflikte und -koalitionen betrachtet, die zu anderen Interessenverbänden außerhalb der Verwaltung 118 119
Eckstein, S. 24. Ebd., S. 70.
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4. Kap.: Adressaten der Verbände
bestehen. Hier kann man davon ausgehen, daß sich zwischen den Verwaltungen des Landes und der Gemeinden eine besondere Solidarität entwickelt, auf Grund der gemeinsamen öffentlichen Interessen und auf Grund der Tatsache, daß beide der gleichen Schicht der Verwaltung angehören. I n diesen Fragen, die einen beträchtlichen Teil der Arbeit der Verbände ausmachen, finden sie also durchaus Unterstützung bei den Ministerien, was eine gewisse Einheit der Verwaltungen dokumentiert. Wenigstens t r i f f t dies für das Innenministerium zu, während andere Ministerien durch das enge Klientelverhältnis zu ihren entsprechenden Verbänden sich hier anders verhalten. Die Zusammenarbeit der kommunalen Spitzenverbände m i t den Ministerien erfolgt wie bei anderen Verbänden i n einer großen Zahl von Beiräten der Ministerien. Loviscach zählte 1965 174 solcher Gremien, eine Kommission des Bundesinnenministeriums kam 1970 auf 190, wobei nachgeordnete Behörden nicht einbezogen wurden 1 2 0 . Eine Übersicht über die Gremien, i n denen der DST vertreten ist, gibt der jährliche Geschäftsbericht dieses Verbandes. 1972/73 umfaßte dieser 27 Seiten. Die Form dieser Gremien ist sehr unterschiedlich. So gibt es auch Formen der mittelbaren Verwaltung, i n denen Bund, Länder und Gemeinden zusammenwirken, Körperschaften und Anstalten öffentlichen Rechts, Vereine usw. Ihre Aufgaben sind teils beratend, teils verwaltend 1 2 1 . Wichtig sind hier nur die Gremien, die der Interessenvertretung dienen. Bei ihnen kann man Sachverständigen- und Interessenbeiräte unterscheiden 122 . I h r Gewicht ist sehr unterschiedlich, teilweise jedoch nicht unerheblich. Für unser Thema bedeutsamer als die rein fachlich orientierten Gremien, die ja auch von anderen Interessenverbänden benutzt werden, ist die eigentlich politische Koordination zwischen Verbänden und Ministerien. Als ein solches Instrument wurde i n Baden-Württemberg 1953 ein Kommunaler Beirat beim Innenministerium gegründet, dessen bloß kurzfristige Existenz aufschlußreich für den Wert vieler ähnlich konstruierter Beiräte ist, die ja oft als wichtige Zentren des Einflusses angesehen werden. Die Mitglieder sollten nur für ihre Person als Sachverständige gewählt werden. Dies erwies sich als Mangel, da es zum Teil Personen waren, die fern der eigentlichen Information waren oder die nur ihre Privatmeinung vortrugen. Die Zuziehung offizieller Verbandsvertreter wäre zweckmäßiger gewesen. Es zeigte sich weiter, daß das Gremium zu groß und zu formell war, so daß nur eine oberflächliche Beratung möglich war. 120 Peter Loviscach, Beiräte bei Verwaltungsbehörden. Diss. B e r l i n 1968. S. 92. Stuttgarter Zeitung 23. 8.1970. 121 Vgl. Pohle, S. 233 ff. 122 Loviscach, S. 130 ff.
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Ein ähnliches Schicksal hatte ein Beirat beim Bundesministerium des Inneren für kommunale Fragen i n der Bundesgesetzgebung, der 1966 gegründet wurde, aber nur zweimal zusammentrat 123 . M i t i h m sollte eine Koordination sämtlicher komunalpolitischer Fragen erreicht werden. Auch hier wurde es jedoch von den kommunalen Spitzenverbänden als wenig wertvoll betrachtet. So erklärte ein Hauptgeschäftsführer ausdrücklich, von einem Beirat der üblichen Form sei keine Verstärkung des Informationsaustauschs zu erwarten. Er werde weder von den Ministerien noch von der Öffentlichkeit ernst genommen. Daher sei ein Beirat der üblichen Form wenig sinnvoll. Dagegen wurde i n Baden-Württemberg unter Innenminister Filbinger eine andere Lösung gefunden mit Landesgeschäftsführerkonferenzen unter dem Vorsitz des Leiters der Kommunalabteilung des Innenministeriums, die bis heute regelmäßig alle zwei Monate stattfinden. Dabei handelt es sich u m ein sehr kleines Gremium ( 5 - 6 Teilnehmer), das aus den entscheidenden Personen besteht und sehr offen diskutiert 1 2 4 . Alle Beteiligten bezeichnen dies als sehr ertragreich, was sicher darauf zurückzuführen ist, daß die strukturellen Mängel des Kommunalen Beirats vermieden wurden. Eine ähnliche Einrichtung besteht auch i n Schleswig-Holstein mit dem Kontaktausschuß der Landesregierung und der kommunalen Spitzenverbände unter dem Vorsitz des Innenministers 1 2 5 . I n den meisten Bundesländern sind dagegen diese Kontakte auf der Ebene der Geschäftsstellen nicht institutionalisiert, sondern finden nach Bedarf und zumeist m i t einzelnen Verbänden statt. Dies ist auch auf der Ebene der Verbandsvorsitzenden und Minister (Ministerpräsidenten) üblich. Wichtiger sind jedoch die laufenden Kontakte auf der Ebene der Referenten. I m Unterschied zu anderen Interessenverbänden ist es i n manchen Ländern (Hessen, NW) auch üblich, daß Beamte der Ministerien auf Veranstaltungen der kommunalen Spitzenverbände auf regionaler Ebene teilnehmen. I n Einzelfällen wurden sie auch schon zu Ausschüssen herangezogen. Dazu kommt natürlich noch der normale dienstliche Kontakt, insbesondere etwa Dienstbesprechungen der Landräte. I n der Arbeit hat sich verschiedentlich gezeigt, von wie großer Bedeutung kommunale Erfahrungen der leitenden Ministerialbeamten sein können. Die kommunalen Spitzenverbände unterscheiden sich von allen anderen Interessenverbänden dadurch, daß zwischen ihren M i t 123
DST 0/04 - 48. Interview. 125 Vgl. Der Städtebund 1969, S. 71 u n d — m i t einer kritischen Bilanz — Staak ebd. 1973, S. 86 f. 124
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4. Kap.: Adressaten der Verbände
gliedern und der Landesverwaltung ein personeller Austausch besteht. Dieser war allerdings früher wesentlich stärker als heute, da vor 1945 der staatliche Landrat eine übliche Durchgangsstufe für den höheren Verwaltungsdienst war. Daher hatten sehr viele Ministerialbeamte kommunale Erfahrungen, wenn auch dahingestellt bleiben muß, wie weit sie sich i n ihrem A m t und auch später die Ansichten der Kommunalbeamten zu eigen gemacht hatten. Wie oben dargelegt wurde, ist ein solcher personeller Austausch unter der Stufe des Landrats heute nur noch i m staatlichen Landratsamt i n Rheinland-Pfalz und i m Saarland sowie i n Baden-Württemberg und Bayern üblich, während i n Hessen dies nur i n sehr geringem Umfang und i n Nordrhein-Westfalen nur bei den Regierungsassessoren zur Ausbildung praktiziert wird. Bei den Landräten ist dagegen ein Übertritt i n die Landesverwaltung heute sehr selten. Daran ist zweifellos der Druck des Nachwuchses i n den Ministerien selbst m i t schuld, doch auch in Fällen, i n denen der Wunsch nach Übernahme von Landräten vorhanden war, wie etwa unter Filbinger als Innenminister 1 2 6 , gelang es nicht, Personen dafür zu gewinnen. Der Grund liegt sowohl i n der Bezahlung, die für einen Landrat ein A m t i m Ministerium erst i n einer sehr hohen Position attraktiv macht, als auch in der wesentlich unabhängigeren Stellung eines Landrats. Für die Ebene unterhalb der Staatssekretäre kann man daher feststellen, daß nahezu kein Nachwuchs mit kommunaler Erfahrung vorhanden ist. I n einigen Bundesländern wurde daher schon geradezu von einer Kommunalfremdheit der Ministerien gesprochen 127 . Wenn auch i n anderen Bundesländern die Verbände auf Grund der Besetzung der Spitzen der Ministerien meinen, den Ausdruck Kommunalfremdheit ablehnen zu müssen, so ist dies doch i n allen Bundesländern ein Problem und i m Bund noch weit gravierender. Andererseits ist jedoch die neue Tendenz zu beobachten, daß die Zahl der ehemaligen Kommunalpolitiker unter den Spitzenbeamten der Ministerien wieder zunimmt, soweit sie nach parteipolitischen Gesichtspunkten ausgewählt wurden, was ja i n zunehmendem Maße der Fall ist. Typisch ist etwa Baden-Württemberg, wo i m Innenministerium als Nachfolger des langjährigen Ministerialdirektors Fetzer, der aus der Landesverwaltung kam, der CDU-Abgeordnete und Landrat Geiger ernannt wurde, später als zweiter Ministerialdirektor der ehemalige OB Roser (SPD) 128 . Dagegen gibt es keinen weiteren Fall eines Übertritts eines Landrats oder Oberbürgermeisters außer den Regierungspräsidenten Römer, Mauser, Trudpest, Müller und Gögler, vor allem 126 127 128
Interview. Hütteroth (SH) i n : Der Städtebund 1964, S. 62. Den Rang eines Staatssekretärs gibt es hier nicht.
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auch nicht i n der Kommunalabteilung, deren Leiter keine kommunale Erfahrung haben. Ähnlich ist es i n Hessen m i t den Staatssekretären des Innenministeriums: K o h l (zuvor Ldr.), Hemfler und Krollmann (beide zuvor bei der Stadt Kassel). Dagegen kam der bis 1966 amtierende StS Schuberth aus der Landesverwaltung, trat jedoch später zum Landkreistag über. Unterhalb dieser Ebene dagegen gibt es kaum ehemalige Kommunalbeamte, auch nicht bei den verschiedenen Leitern der Kommunalabteilung. Obwohl i n Rheinland-Pfalz noch heute der staatliche Landrat besteht, ist auch hier der personelle Austausch gering. So kommt der StS i m I M Schreiner aus der Landesverwaltung, sein Vorgänger v. Dömming war vor 1945 Landrat. Der Leiter der Kommunalabteilung Rumetsch war Landrat, sein Vorgänger (1951 - 70) Hoffmann nicht. Offensichtlich wirken hier ähnliche Faktoren wie i n anderen Bundesländern, die den Landratsposten zu einem lebenslänglichen A m t werden lassen. Immerhin ist aber durch die staatlichen Beamten i m Landratsamt ein etwas größerer Austausch vorhanden. Relativ stark ist dagegen der personelle Austausch i n NordrheinWestfalen, hier aber ebenfalls ausschließlich bedingt durch die Ernennung politischer Beamter. Zu nennen sind hier etwa i m I M : Eising (Leiter der Kommunalabteilung), Köstering, Scheel. Weiter haben kommunale Erfahrung: Halstenberg (Chef der Staatskanzlei, zuvor Ruhrsiedlungsverband), StS Nellen, Grossmann und verschiedene andere Fälle, nicht jedoch die letzten Staatssekretäre i m IM, außer Loschelder, der vom DST kam. Einige dieser Beamten wurden durch Minister, die aus der Selbstverwaltung kamen und ihnen bekannte Beamte mitbrachten, i n das Ministerium übernommen. Dazu kommt der Regierungspräsident Bäumer, der zuvor Bürgermeister und Vorsitzender des Städtebundes gewesen war. Er ist jedoch Politiker und als solcher Regierungspräsident geworden. Andere Fälle dieser A r t politischer Beamter sind etwa StS Tellermann (Nds., IM) und Regierungspräsident Rabus, i n Schleswig-Holstein, StS Otto (IM) und Ministerialdirektor von der Groeben sowie in Bayern verschiedene Staatssekretäre. Diese Form des Aufstiegs kommt sogar auf der Bundesebene vor, die sonst keine personellen Beziehungen zur Kommunalverwaltung hat: StS Storck und StS Emde (BMWF), StS Bleek (BMI), Ministerialdirigent Keßler (BMI) und andere. Der Grund für dieses Vordringen der Kommunalbeamten liegt sicherlich i n der zunehmenden parteipolitischen Besetzung der Spitzen der Ministerien, unabhängig davon, ob es sich rein rechtlich u m politische Beamte handelt oder nicht (wie i n BW). Sie macht Besetzungen von außerhalb des Hauses überhaupt erst möglich. Auch w i r d man wohl sagen können, daß leitende Positionen i n der Kommu17 Geißelmann
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4. Kap.: Adressaten der Verbände
nalverwaltung zu einer parteipolitischen Profilierung weit eher geeignet sind als Stellungen i n der Ministerialverwaltung, so daß von hier aus die Voraussetzungen der Kommunalbeamten größer sind. Die Gemeinden und Landkreise haben insbesondere auch für die Opposition die Funktion eines personellen Reservoirs, was sich bei einem Regierungswechsel auswirkt. Dies zeigt etwa die Regierung K ü h n 1966. Dazu kommt noch ein ganz äußerlicher Grund: Teilweise handelt es sich u m Kommunalbeamte, die nicht wiedergewählt worden waren oder aus anderen Gründen, neuerdings auch durch die Verwaltungsreform, frei geworden waren, so daß sie überhaupt erst dadurch verfügbar sind. Sicherlich ganz ohne Bedeutung sind dagegen zumeist die kommunalen Spitzenverbände, die auf die Besetzung dieser Ämter keinen Einfluß haben. Weit größer als die Zahl der i n die Ministerien übergetretenen Kommunalbeamten ist die der Ministerialbeamten, die sich i n Städten und Landkreisen wählen lassen. Die Gründe sind die gleichen, wie sie oben erwähnt wurden. Ein prominenter Fall ist etwa OB Brundert (Frankfurt), zuvor i n der hessischen Staatskanzlei. Die gleichen Gründe sind auch maßgebend dafür, daß Ministerialbeamte zu den kommunalen Spitzenverbänden überwechseln. Deren Personal kommt zwar i n der Mehrzahl aus der Kommunalverwaltung, doch kommt auch der Eintritt von Ministerialbeamten häufig vor: so der Hauptgeschäftsführer des D L T Seifarth (früher Verteidigungsministerium), so der HGF des DStB Berkenhoff (früher i m RP Düsseldorf), der HGF des Hessischen Landkreistags Schuberth (früher Staatssekretär) sowie der des Verbands badischer Gemeinden, Heppner. Vor 1933 war der wichtigste Fall Oskar Mulert, Präsident des DST, zuvor i m Preußischen Innenministerium. Der umgekehrte Fall hingegen, der für die kommunalen Spitzenverbände weitaus interessanter wäre, der Übert r i t t eines Beamten der Verbände i n ein Ministerium, ist weit seltener. Der Hauptgeschäftsführer des DGT, Rüdiger Göb, der 1965 die Abteilung Raumordnung und Kommunalwesen i m Bundesinnenministerium übernahm, ist hier eine Ausnahme. Es war für den DGT sicherlich ein Gewinn an Einfluß, doch überwog der Verlust für den Verband. Keinesfalls darf sein Fall jedoch verallgemeinert werden. Auch StS Loschelder ( I M NW, zuvor beim DST) war eine solche Ausnahme auf Grund einer persönlichen Konstellation. Zu nennen sind noch Mittelstaedt (NW) und Müller-Heidelberg (Nds.). Vor 1933 sind zu nennen der spätere Reichskanzler Luther, ab 1913 Geschäftsführer des DST sowie Fritz M a r k u l i (IM SH). Noch wichtiger als die personellen Beziehungen zur Ministerialverwaltung ist natürlich die Besetzung der Ministerposten, insbesondere
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des Innenministers. Durch einen entschieden kommunalfreundlichen Minister können sowohl anderweitige Bestrebungen der Ministerialverwaltung i n Grenzen gehalten werden, wie die Belange der Selbstverwaltung gegenüber Interessengruppen gewahrt werden. Bei der folgenden Übersicht soll wie bei den Abgeordneten nur von den Kommunalbeamten ausgegangen werden 1 2 9 . Entsprechend ihrem großen A n teil i n den Landtagen stellen sie auch eine sehr große Zahl von M i nistern. I n Baden-Württemberg zählten dazu: Frank, Sauer, Hermann Müller, Leibfried und Walter Krause, als erster der Innenminister sowie sein Nachfolger K a r l Schiess. Nur bedingt kann man dazu rechnen: Veit, Haussmann und Waeldlin, die nur i n der Nachkriegszeit kurz kommunale Ämter innehatten. I n dem ab 1972 amtierenden Kabinett Filbinger war nur ein ehemaliger Kommunalbeamter, Innenminister Schiess sowie als Staatssekretär Teufel (IM). I n Bayern spielten (besonders i n der CSU) die Landräte eine große Rolle: Merk, Junker, Schedi, Eisenmann, Held, Schwalber, Ankermüller, Zietsch und die Bürgermeister Goppel und Hoegner. Unter den Innenministern hatten Ankermüller, Hoegner, Goppel, Junker und Merk kommunale Erfahrung, nur Geiselhöringer und Bezold (1954 - 57, 1957 - 58) nicht. I n dem ab 1970 amtierenden Kabinett Goppel waren es 5 von 10 Mitgliedern. Ebenso stark sind die ehemaligen Kommunalbeamten i n Hessen 130 i m 2. K a binett Osswald vertreten (4 von 8 Mitgliedern) und unter den Innenministern (Schneider und Bielefeld, 1955 - 70, ab 1970, nicht dagegen Zinnkann 1946 - 55). I n Rheinland-Pfalz gibt es dagegen, wie auch i m Landtag, relativ wenige ehemalige Kommunalbeamte 1 3 1 . I m 2. Kabinett K o h l sind dies 2 von 9 Mitgliedern, von den Innenministern Zimmer und Schwarz (1951 - 57, ab 1971), nicht dagegen van Volxem und Wolters (1957 - 59, 1959 - 71). Ähnliches gilt auch für das Saarland. I n dem ab 1971 amtierenden Kabinett hat nur Innenminister L. Schnur kommunale Erfahrung, ebenso sein Vorgänger Schuster (bis 1957), nicht dagegen von Lautz und Conrad (1957 - 59, 1959 - 61). Ebenso ist i n SchleswigHolstein 1 3 2 nur der Innenminister Titzck ehemaliger Kommunalbeamter, ebenso wie alle seine Vorgänger Käber, Pagel, Lemke und Schlegelberger. I n Nordrhein-Westfalen ist die Zahl dieser Minister auf Grund der Kommunalverfassung besonders groß 1 3 3 . Dies gilt sowohl 129 Die folgenden Angaben nach Anne Christine Storbeck, Die Regierungen des Bundes u n d der Länder seit 1945. München / Wien 1970, sowie den Landtagshandbüchern. 130 Seit 1945: Bodenbender, Fischer, Hemfler, Lang, Lauritzen, Osswald, Troeger, Zinn, Hemsath, Schneider, Best, Bielefeld. 131 Boden, Hoffmann, O. Meyer, Zimmer, Schwarz. 132 von Hassel, Käber, Lemke, Lübke, Pagel, Schlegelberger, Seigel, Sieh, Steltzer, Titzck.
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4. Kap.: Adressaten der Verbände
für die CDU- wie für die SPD-Regierungen. Insbesondere ist auffällig, i n welch starkem Maße die erste Regierung K ü h n (6 von 10 Mitgliedern) auf Kommunalpolitiker, auch hauptamtliche, zurückgriff. Dies erklärt sich wohl m i t der langen Oppositionsrolle der SPD, der viele Politiker eine Tätigkeit in der Gemeinde vorzogen, wodurch sie sich auch politisch profilieren konnten. Innenminister waren die ehemaligen Kommunalbeamten Menzel, Meyers, Biernath und Weyer, nicht Kommunalbeamte waren Flecken und Dufhues (1950 - 52, 1958 - 62). Ähnliches wie für Nordrhein-Westfalen gilt auch für Niedersachsen 134 . Innenminister mit kommunaler Erfahrung waren Kopf, von Borowski und Bennemann, ohne solche Wegmann und Lehners (1955 - 57, ab 1967). I m Kabinett Kübel ab 1971 sind 2 von 9 Mitgliedern ehemalige Kommunalbeamte. Vergleicht man die Verteilung der ehemaligen Kommunalbeamten auf die Parteien, so ist i m Gegensatz zu den Feststellungen von Beymes über die Ministerpräsidenten 1 3 5 kein Unterschied zwischen CDU und SPD festzustellen. I n beiden kommt eine erhebliche Anzahl von M i n i stern aus diesem Personenkreis. Dies zeigt besonders deutlich die nordrhein-westfälische Landesregierung für die SPD. Die Stadtstaaten müssen dagegen bei einer solchen Betrachtung ausgeklammert werden, da hier andere Verhältnisse vorliegen. A u f der Bundesebene spielen Kommunalpolitiker eine geringe Rolle. Sie stellten zwar mit Adenauer und Brandt zwei Bundeskanzler, doch war zumindest der erstere für den kommunalen Einfluß belanglos. Weiter sind dazu zu rechnen die Innenminister Heinemann, Lehr und Lücke sowie Lauritzen, von Hassel und Vogel. Betrachtet man zusammenfassend, welche der 1974 amtierenden Innenminister ehemalige Kommunalbeamte waren, so t r i f f t dies für Schiess (BW), Bielefeld (Hessen), Schwarz (Rhpf.), Weyer (NW), Merk (Bayern), L. Schnur (Saarland) und Titzck (SH) zu, nicht dagegen für Lehners (Nds.). Es zeigt sich also, daß das Innenministerium i n sehr starkem Maße eine Domäne dieses Personenkreises ist, ohne daß man dies wohl einem Druck der kommunalen Fraktion i m Landtag zuschreiben kann. Dies zeigen auch Länder mit Inkompatibilität wie Hessen und Bayern. Die Tendenz i n diese Richtung hat wohl insgesamt eher zugenommen. Der Grund liegt w o h l i n der zunehmenden Bedeutung der Kommunalpolitik, der Verwaltungsreform, der Landespla133 Arnold, Berding, Biernath, Figgen, Girgenson, Kassmann, Kohlhaase, Lemmer, Menzel, Meyers, Niermann, O. Schmidt, Steinhoff, Weitz, Wertz, Weyer, darunter sind auch 3 Ministerpräsidenten. 134 Ahrens, Bennemann, v. Borowski, Bosselmann, Diederichs, Eilers, Greulich, Heinke, Koch, Kopf, Langeheine, Voigt, darunter 2 Ministerpräsidenten. 135 v. Beyme, Politische Elite, S. 74 f.
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nung und der Infrastrukturpolitik, für die diese Personen gute Voraussetzungen mitbringen. Vielfach w i r d das Innenministerium auch auf diese Aufgaben beschränkt durch den Übergang von Aufgaben auf die Fachministerien. Dementsprechend bevorzugen die kommunalen Spitzenverbände i n ihrer Arbeit das Innenministerium. Dies geht einmal darauf zurück, daß die Kommunalabteilung hier ihre Ansichten mit vertritt und teilweise auch eine Schutzfunktion für die Gemeinden ausübt 1 3 6 . Darüber hinaus werden in diesem Ministerium die Belange der allgemeinen inneren Verwaltung gegen rein fachliche Gesichtspunkte und die Belange anderer Interessengruppen vertreten. Darauf w i r d unten i m Zusammenhang mit den Sonderbehörden noch näher eingegangen. Aufschlußreich dafür ist die Diskussion i n Baden-Württemberg um den Übergang der Abteilungen Sozialwesen und Gesundheitsvorsorge vom Innenauf das Arbeits- und Sozialministerium 1 3 7 . Diese war erstmals 1964 bei der Regierungsbildung dem Minister zugesagt worden. Dagegen erhob sich jedoch der Widerstand des Innenministeriums, das von sich aus den StV einschaltete, um dies zu verhindern. Die Argumente des Ministeriums und der Verbände waren dabei der sachliche Zusammenhang der Aufgaben sowie, daß es eine bedeutende Selbstverwaltungsangelegenheit ist, die auch i m Finanzwesen berücksichtigt werden muß. Wenn die Aufgaben übergingen, werde die Kommunalaufsicht geteilt und es entstehe praktisch ein zweites Kommunalministerium. Der StV wolle das Innenministerium bewußt nicht als reines Fachministerium, sondern als eine Behörde, die sämtliche Maßnahmen koordiniert, die sich im kommunalen Bereich auswirken. Der Schutz durch die Kommunalabteilung sei dabei wesentlich. Diese Ansicht trugen die Verbände auch dem Ministerpräsidenten und dem Landtag vor, indem sich aber auch Gruppen fanden, die den Übergang befürworteten. Der Sozialausschuß faßte am 20. 1.1965 einen entsprechenden Beschluß 138 . Trotzdem wurden beide Abteilungen erst 1972 verlagert, obwohl dies inzwischen auch von einer Gutachter-Kommission vorgeschlagen w u r d e 1 3 9 und auch ein früherer Regierungsbeschluß dahin gehend vorlag. Diese Verzögerung ist sicherlich nur zum geringeren Teil der kommunalen Seite zuzuschreiben, doch zeigt der Vorgang ihre unterschiedlichen Beziehungen zu den einzelnen Ministerien. Dies verhält sich auch bei anderen Fragen (z. B. Landesplanung) und i n anderen Bundesländern so, wenn auch die Verbände zumeist auf dem Standpunkt stehen, dies 136
s. o. 3. Kapitel, I I . Vgl. Bertram, S. 156 ff. StV B W 000.13. I n den anderen Bundesländern außer Bayern ist die Sozialabteilung beim Arbeits- und Sozialministerium. 138 Beilagen I V 149. 139 Stuttgarter Zeitung 14. 8.1970. 137
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4. Kap.: Adressaten der Verbände
sei Sache der Regierung, i n deren Organisationsgewalt man nicht eingreifen wolle. Dies geschieht auch deshalb nicht, w e i l die Verbände nur selten darauf Einfluß haben. Zumeist sind diese Fragen ja Bestandteil von Koalitionsabkommen. Die Bevorzugung des Innenministeriums ist teilweise vergleichbar m i t der anderer Interessenverbände für ihre jeweiligen Ministerien. I m Unterschied zu diesen sind die Gemeinden jedoch auf Zusammenarbeit m i t fast allen Ministerien angewiesen, da ihre Arbeit weit breiter ist. Die Beziehungen zum Innenministerium gehen auch nicht auf den direkten personellen Einfluß zurück, wie er i m Wirtschafts-, Landwirtschafts- oder Sozialministerium vorhanden ist. Die Einheit der allgemeinen inneren Verwaltung entwickelt jedoch eine gewisse Solidarität zwischen Selbstverwaltung und Innenministerium. Dies gilt natürlich besonders dort, wo noch ein staatlicher Landrat besteht. Dies erwies sich für die Landkreise i n Rheinland-Pfalz als ein teilweiser Ausgleich für die i m Parlament verringerten Einflußmöglichkeiten. A u f der Bundesebene gilt ebenfalls, daß die Zusammenarbeit mit den einzelnen Ministerien verschieden ist 1 4 0 . Dies t r i f f t i n erster Linie auf die Vergangenheit zu, als das Bundesinnenministerium die Konzeption eines Schutzes für die Gemeinden verfolgte 1 4 1 . I n diesem M i n i sterium sind ja drei Kommunalreferate eingerichtet. Da der Bund keine Zuständigkeit für das Kommunalrecht hat, war dies vor 1933 und nach 1949 heftig umstritten 1 4 2 . Die kommunalen Spitzenverbände hatten sich dafür entschieden eingesetzt, um ein Gegengewicht gegen die einseitig staatlich ausgerichteten Ministerien zu schaffen. Sie fanden bei den Ministern Heinemann und Lehr darin Unterstützung, die so auch eine Handhabe gegen die Rechtszersplitterung i n den Ländern gewinnen wollten. Auch Lücke ging von dieser Konzeption aus und schuf eine Unterabteilung Raumordnung und Kommunalwesen. Diese Referate erfüllen jedoch in der Praxis die ihnen zugedachten Aufgaben keineswegs. Der Grund liegt nach Ansicht der Verbände i m personellen Bereich. Dazu kommt noch die Tatsache, daß es sich um Querschnittsreferate handelt. Nach dem Urteil verschiedener Kenner der Verhältnisse berichten sie i m wesentlichen über das Geschehene, ohne aktive, initiative Arbeit zu leisten. Die mangelhafte Erfüllung der Funktionen dieses Ministeriums war auch der Grund, warum die Verbände die Einrichtung eines kommunalpolitischen Beirats ablehnten. Sie wollen sich heute auf der Bundes140
Vgl. R. Göb i n : Buch deutscher Gemeinden, S. 115. Der Städtetag 1952,
S. 2.
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Ritter von Lex i n : Die Selbstverwaltung 1950, S. 142 u n d Innenminister Lehr i n : der Städtetag 1952, S. 290. 142 Bertram, S. 156 ff.
V. Öffentlichkeitsarbeit
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ebene bewußt nicht mehr an ein Ministerium bevorzugt wenden. Das Innenministerium ist für sie nur noch soweit interessant, als es ein Fachministerium ist. Diese Haltung ist um so eher möglich, als die Zusammenarbeit mit den anderen Bundesministerien gut ist und nicht von dem direkten Interessengegensatz geprägt wie das zu den Landesministerien. Nach dem Urteil der kommunalen Spitzenverbände werden jene auch in geringerem Maße als i n den Ländern von Interessenverbänden beeinflußt. Wieweit dies zutrifft, konnte nicht untersucht werden. Entscheidend ist die veränderte Politik der Verbände, die zusammentrifft mit dem Hinnehmen der Auflösung des kommunalpolitischen Ausschusses i m Bundestag. Zusammenfassend stellt sich die Frage, wie das Verhältnis von kommunalen Spitzenverbänden und Ministerien zu beurteilen ist. I n der Literatur wurden dafür die Modelle eines engen Klientelverhältnisses zwischen Verbänden und Bürokratie 1 4 3 vorgeschlagen und der Parentela-Beziehung, der engen Verbindung von Gruppen m i t einer Partei und der Einfluß auf die Bürokratie von hier aus 1 4 4 . Letzteres ist für die kommunalen Spitzenverbände sicher nicht zutreffend, da ihr Einfluß auf die Personalpolitik der Ministerien zu gering ist. Für eine A n t w o r t sind die Beziehungen zum Innenministerium am wichtigsten. Sie sind die relativ besten, weil dort eine eigene Kommunalabteilung vorhanden ist. Insofern besteht ein gewisses Klientelverhältnis, dem andererseits der dargestellte Interessengegensatz zweier institutioneller Interessengruppen gegenübersteht. Insgesamt herrscht aber eine durchaus sachliche Kooperation vor. V. Die Öffentlichkeitsarbeit Die öffentliche Meinung ist für die kommunalen Spitzenverbände von einer nicht zu übersehenden Bedeutung. Sie ergibt sich schon daraus, daß die Rolle, die die Öffentlichkeit der Kommunalpolitik zumißt, sich wiederum auf die Haltung der Parteien auswirkt. Insbesondere vom DST wurde daher versucht, auf die Öffentlichkeit Einfluß zu nehmen. Er verfügt in seiner Geschäftsstelle über ein Dezernat für Presseund Öffentlichkeitsarbeit, das mit mehreren Fachleuten besetzt i s t 1 4 5 sowie über einen entsprechenden Fachausschuß. Seine Arbeit verfolgt zwei Ziele: eine Darstellung der Arbeit des Verbandes und die Förderung der Öffentlichkeitsarbeit seiner Mitgliedsstädte durch Beratung, Leitsätze, Fortbildung usw. 143 144
S. 309. 145
Eckstein, S. 49. Joseph La Palombara, Schnell, S. 38, 82.
Interest groups i n I t a l i a n politics. Ithaca 1965,
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4. Kap.: Adressaten der Verbände
Vor allem geht es dem DST auch darum, der Kommunalpolitik in der Presse einen höheren Rang einzuräumen. Dazu nahm er auch Kontakte mit dem Deutschen Presserat auf. Diese betrafen Ausbildungsfragen der Redakteure 1 4 6 sowie die grundsätzliche Stellung der Kommunalpolitik i n den Redaktionen. Sie gehöre nicht zur Lokalredaktion, da sie so von der großen Politik getrennt werde. Es gehe darum, das Thema Stadt auf die Tagesordnung der Politik zu bringen, wozu auch eine Änderung i n der Presse gehöre 147 . Wenn i n jüngster Zeit ein Bewußtseinsdurchbruch in manchen kommunalen Problemen festzustellen ist, so ist dies mit teilweise auf die Arbeit des DST (Hauptversammlungen, größere Presseveranstaltungen) zurückzuführen. Die Bemühungen des DST reichen schon in die fünfziger Jahre zurück. Sie hatten damals vor allem den Aspekt, die städtische Lebensform zu verteidigen gegen eine grundsätzliche K r i t i k , wie sie i n der weitverbreiteten Großstadtfeindlichkeit ihren Ausdruck fand. Diese Haltung führte i n der Raumordnungsdiskussion zur Forderung einer Entballung und fand auch Eingang i n die Politik der CDU. Auch die Öffentlichkeitsarbeit ist also i n starkem Maße unter dem Aspekt des Verhältnisses der verschiedenen kommunalen Gruppen untereinander zu sehen. A u f dieser grundsätzlichen Arbeit baut die Darstellung der konkreten Ziele der Verbände auf. Sie erfolgt zum einen über deren Zeitschriften, besonders bei den drei Bundesverbänden. Die eigentliche Pressearbeit hingegen ist nur beim DST hinreichend ausgebaut. Der DStB verfügte über keinen eigenen Pressereferenten, der D L T nur über einen nebenamtlich tätigen und der DGT nur über eine Person. Auch bei den Landesverbänden gibt es zumeist keine Journalisten als Pressereferenten 148 . Immerhin streben der B W G T 1 4 9 und der HGT eine solche Lösung an. I n den anderen Verbänden bleibt es dagegen weitgehend dem Geschick der Geschäftsführer überlassen, wieweit eine Pressearbeit stattfindet. Da diese aus der Verwaltung kommen, ist teilweise auch eine große Zurückhaltung der Verbände zu beobachten. Ganz anders ist es dagegen beim DST. Er gibt eine regelmäßige Pressekorrespondenz heraus (ebenso wie der DSTGB) und veranstaltet Pressekonferenzen. I n einigen Fällen arbeitete er dabei m i t beträchtlichem finanziellem und personellem Aufwand, wie etwa bei den fliegenden Pressekonferenzen zum Thema Verkehr 1961 und zum Thema Raumordnung 1962 150 , oder die 1. rollende Pressekonferenz 1968 zur Finanz146 147 148 149 150
Der Städtetag 1971, S. 157. Der Städtetag 1969, S. 49. Interviews. Württembergische Gemeindezeitung 1969, S. 342. DST, Die Stadt und ihre Region 1962.
V. Öffentlichkeitsarbeit
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frage. Diese Aktionen hatten auch durchaus die Resonanz, die der DST anstrebt. I n der Anlage vergleichbar sind auch die Informationsfahrten der vier schleswig-holsteinischen Landesverbände, die anscheinend jährlich stattfinden 1 5 1 . Zweifellos ist der DST i n dieser Arbeit bevorzugt dadurch, daß er über wesentlich größere Finanzmittel als die anderen Verbände verfügt. Diese, besonders der Gemeindetag, beklagen jedoch, daß dies i n noch weit stärkerem Maße der Fall sei. So ist sicherlich zutreffend, daß der DST über weit prominentere Personen verfügt als die anderen Verbände und daher Pressekonferenzen und Hauptversammlungen weit mehr beachtet werden. Der DGT konnte dies ausgleichen, als Lücke sein Präsident war, und neuerdings wieder durch Schmitt-Vockenhausen. Auch in der laufenden Arbeit ist der DST i n gewissem Umfang bevorzugt. Der wichtigste Grund liegt w o h l darin, daß die Städte über gut ausgebaute Presseämter verfügen, die stetigen Kontakt zu ihren Zeitungen haben und so die Arbeit des Verbandes unterstützen können. Wenn darüber hinaus vorgebracht wird, die Zeitungen als in den Städten angesiedelte Einrichtungen bevorzugten deren Ansichten i n der Berichterstattung, so ist dies sicherlich nur zum geringeren Teil richtig. Immerhin ist nicht von der Hand zu weisen, daß etwa beim Stadt-Umland-Problem manche Zeitungen vom Standpunkt ihrer Heimatstadt ausgehen. Einzelne Verbände glichen dies dadurch aus, daß sie zur Arbeitsgemeinschaft der Heimatpresse ihres Landes engere Beziehungen anknüpften, um so der Stimme des Umlandes mehr Gehör zu verschaffen 152 . Es mag auch teilweise vorkommen, daß die Probleme des flachen Landes als minder wichtig angesehen werden gegenüber denen der Städte. So kam es zum Beispiel einmal vor, daß eine regional führende Zeitung über die Jahrestagung eines Landesverbandes des DGT nur in der Lokalausgabe des Kreises berichtete, in dem diese Versammlung stattfand, obwohl die Verbandszeitung sogar i m gleichen Verlag gedruckt wird. Daraufhin drohte der Verband m i t dem Entzug dieses Drucks. Obwohl also die Städte in mancherlei Hinsicht bevorzugt sind, ist dennoch die geringe Berichterstattung den Verbänden selbst und ihrer unzureichenden Pressearbeit zuzuschreiben. Insgesamt kann man feststellen, daß das Wirken der kommunalen Spitzenverbände sich weitgehend außerhalb der breiteren Öffentlichkeit vollzieht, was ihrem Charakter als Vertreter öffentlicher Interessen und ihrer Bedeutung i m Aufbau des Staates widerspricht.
151 152
Der Städtebund 1969, S. 141. Interview.
Fünftes
Kapitel
D i e Frage der Sonderbehörden u n d das V e r h ä l t n i s z u d e n anderen Interessenverbänden I. Die sachliche Problematik der Sonderbehörden Neben der allgemeinen unteren Verwaltungsbehörde, dem Landratsamt, gibt es i m Landkreis eine Reihe von unteren staatlichen Sonderbehörden. Diese sind dadurch gekennzeichnet, daß „ihnen nur ein bestimmter, fest umrissener, auf ein enges Fachgebiet beschränkter A u f gabenbereich zur Wahrnehmung zugewiesen ist" 1 . Sie sind damit organisatorisch das Gegenstück zur allgemeinen Verwaltung. Sonderbehörden gibt es auf allen Stufen der Verwaltung, i m Bund, der auf diese Form beschränkt ist, und in den Ländern auf der Ebene der Landesoberbehörden, der höheren Sonderbehörden und der unteren Sonderbehörden 2 . Von Interesse sind hier nur die beiden letzten Formen. Bei den unteren Sonderbehörden handelt es sich in BadenWürttemberg z. B. aus dem Bereich des Innenministeriums um die Gesundheitsämter (nur in Stuttgart kommunal), die Vermessungsämter (in 18 Städten kommunal), die Regierungsveterinärräte, Wasserwirtschaftsämter, Straßenbauämter; aus dem Bereich des Kultusministeriums um Änter für Denkmalspflege, Schulämter; aus dem Bereich des Ministeriums für Ernährung um Landwirtschaftsämter, Flurbereinigungsämter, Forstämter; aus dem Bereich des Ministeriums für Wirtschaft um Gewerbeaufsichtsämter, Eichämter usw. Diese unteren Sonderbehörden unterstehen der Dienst- und Fachaufsicht entweder des Regierungspräsidiums oder unmittelbar eines Ministeriums, einer Landesoberbehörde oder höheren Sonderbehörde. Als höhere Sonderbehörden, was der Ebene des Regierungspräsidiums entspricht, gibt es i n Baden-Württemberg jedoch nur die Oberschulämter, die Forstdirektionen und die Oberfinanzdirektionen, die zugleich Bundesbehörden sind (§ 17 Abs. 3 LVerwG). Auf dieser Ebene ist die Verwaltung also viel weiter zusammengefaßt. 1
Friedrich Fonk, Die Problematik der Sonderbehörden. K ö l n 1969, S. 12. Terminologie des baden-württembergischen Landesverwaltungsgesetzes § 17 Abs. 1. 2
I. Sachliche Problematik
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Über die Existenz und die mehr oder weniger starke Verknüpfung dieser Behörden mit der allgemeinen Verwaltung auf der Kreisstufe gibt es in allen Bundesländern Konflikte, wenn auch mit verschiedener Intensität. Die Diskussion ging i n der Nachkriegszeit vor allem u m fünf Behörden: Gesundheitsämter, Regierungsveterinärräte, Vermessungsämter, Landwirtschaftsämter und Schulämter. Es handelt sich dabei zunächst einmal prinzipiell um die gleiche Interessenkollision wie bei der Frage der allgemeinen unteren Verwaltungsbehörde zwischen Landkreis und Zentralbehörden. Die Ministerien streben danach, möglichst einen eigenen Verwaltungsunterbau bis i n die unterste Verwaltungsstufe zu erhalten, und damit die Fach- und auch die Dienstaufsicht i n die Hand zu bekommen. Dies sichert eine reibungslosere Durchsetzung ihrer Wünsche, die nicht behindert ist durch die Koordination m i t anderen Verwaltungszweigen auf allen Stufen. Dies gilt besonders für den Fall, daß eine Eingliederung der Sonderbehörden eine Kommunalisierung bedeutet, wie es i n Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Hessen bei den eingegliederten Behörden der Fall war. Vor allem handelt es sich aber zusätzlich um einen Konflikt zwischen der allgemeinen und den Sonderverwaltungen. Das Organisationsprinzip der deutschen Kommunalverwaltung beruht auf der Universalität des W i r kungsbereiches der Gemeinden und subsidiär auch des Landkreises. Vom Landkreistag w i r d daher eine Eingliederung i n das Landratsamt angestrebt, um so eine Koordinierung der gesamten Verwaltung zu erreichen, die Universalität der Landkreise wiederherzustellen, ihre weitere Aushöhlung zu vermeiden und einen möglichst umfassenden Einfluß des Landrats zu sichern. Auch außerhalb der Verwaltung berührt diese Frage die Interessen der betreffenden Verbände, was sich auf der Ebene der Ministerien und der Parlamente äußert 3 . Diese Tatsache macht es den Sonderverwaltungen möglich, neben der Auseinandersetzung innerhalb der Bürokratie jederzeit den Weg über die Verbände zu beschreiten und so eine Lösung der Frage i m Sinn der kommunalen Spitzenverbände zu verhindern. Dabei kann man die Verwaltungen unterscheiden, hinter denen Verbände der dort Beschäftigten stehen. So ist es etwa beim Verband der beamteten Tierärzte der Fall, ähnlich auch bei den Gesundheitsämtern und den Vermessungsämtern. Auch die Frage der Organisation der Polizei wäre wohl hier einzuordnen. Anders ist die Situation dagegen bei den Landwirtschaftsämtern und der Schulverwaltung, hinter denen m i t dem Bauernverband und den Gewerkschaften der Lehrer Gruppen stehen, die nicht in ihrer persönlichen Rechtsstel3 Dies wurde i n der L i t e r a t u r bisher k a u m gesehen. So erwähnt etwa die Darstellung von Fonk die Interessenverbände überhaupt nicht.
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5. Kap.: Die Frage der Sonderbehörden
lung betroffen sind. Vielmehr handelt es sich hier darum, daß Sonderinteressen dieser Gruppen in einer Verwaltung, die von der allgemeinen Verwaltung unabhängig ist, leichter durchgesetzt werden können. Dazu kommt noch, daß diese Verbände weit mächtiger sind als die zuvor genannten und vor allem in den Landtagen weit stärker vertreten. Die Ausgestaltung der Sonderbehörden i n der Kreisstufe ist in der Bundesrepublik sehr unterschiedlich. Dies ist zum einen historisch zu erklären als Folge der unterschiedlichen Entwicklung des Landesrechts. Die ursprünglich weitgehend verwirklichte Einheit der Verwaltung wurde seit dem 1. Weltkrieg, besonders nach 1933, zunehmend beeinträchtigt. Dabei förderte das Tauziehen zwischen Ländern und Reich die Bildung von Sonderbehörden wesentlich, da ersteres nur solche Verwaltungen mit eigenem Unterbau bilden konnte 4 . Diese Entwicklung wurde nach 1945 durch neues Landesrecht überlagert. So entstand eine Gliederung, die unübersichtlich und in vielen Fällen durch Zufälle bestimmt ist. Die tieferen Gründe für die Entstehung der Sonderbehörden liegen jedoch in dem grundlegenden Wandel der Verwaltung seit dem 19. Jahrhundert. M i t dem Übergang zum Industriestaat und der zunehmenden Bedeutung der Leistungs- gegenüber der Ordnungsverwaltung ergab sich ein wachsender Umfang der Verwaltung und eine immer stärkere Spezialisierung. Zugleich bedeutete dies ein immer stärkeres Eindringen von Spezialisten in die Verwaltung. Dies führte in gewissem Umfang zu einer Überforderung der Behörden der allgemeinen und zu einem verstärkten Gewicht der Fachverwaltungen 5 . Zweifellos gibt es auch Bereiche, deren Eigengesetzlichkeit und rein fachlich-technische Natur nicht zu bezweifeln sind und bei denen der Landkreistag daher auch niemals eine Eingliederung forderte. Beispiele sind die Berg-, Eich-, Finanz-, Eisenbahn- oder die Wehrverwaltung. Ausgehend von dem fachtechnischen Charakter der betreffenden Verwaltungszweige ergibt sich daraus der bereits erwähnte Ressortpartikularismus, der dem Ressortprinzip stets innewohnt. I h n kann man definieren als die Forderung nach einer ressorteigenen Sonderverwaltung, die allein die Übernahme der vollen Verantwortlichkeit für den betreffenden Fachbereich gestatte 6 . Dies werde erst durch die alleinige Verantwortung für Fach-, Personal- und Haushaltsfragen ermöglicht. Zugleich w i r d argumentiert, diese Behörden hätten eine besondere Schlag4 Cantner, Verfassungsrecht der Landkreise, S. 444. Vgl. Fonk, behörden, S. 35 f. 5 Fonk, Sonderbehörden, S. 37 f. 6 Fonk, Sonderbehörden, S. 37.
Sonder-
I. Sachliche Problematik
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kraft und Beweglichkeit 7 , die sich ergibt aus ihrer relativen Kleinheit und dem Fehlen einer Koordination, wie sie i n einer Bündelungsbehörde charakteristisch ist. Weiter wurde i n der Diskussion auf die polizeilichen Funktionen dieser Ämter verwiesen, die sie i n K o n f l i k t mit dem Landrat bringen könne, i n dem sie aber ihre Handlungsfreiheit behalten müßten 8 . Dieses Argument ist durchaus ernst zu nehmen und ist über den Kreis der Interessierten hinaus auch i m Landtag anzutreffen. Man könnte das gleiche jedoch genauso bei gewissen baupolizeilichen Aufgaben des Landratsamts einwenden. Ähnliches gilt für das Argument, es seien überörtliche Aufgaben und es bestehe die Gefahr einer Verflechtung mit örtlichen Interessen 9 . Dies würde gegen die Selbstverwaltung allgemein sprechen und ist von i h r aus eher positiv zu werten. Weiter wurde angeführt, diese Aufgaben dürften nur von der fachlichen Seite her angegangen werden 1 0 . Jedoch würden solche rein fachlichen Fragen durch eine Eingliederung nicht beeinträchtigt, und eine Koordinierung wäre ja gerade der Sinn der Maßnahme. Eine Kostenersparnis durch die Verwaltungsvereinfachung w i r d meist geleugnet, während eine Komplizierung der Verwaltung durch die Eingliederung behauptet w i r d 1 1 . Sie mag vielleicht vom Standpunkt der übergeordneten Behörde aus zutreffen, jedoch nicht wenn man das Ganze betrachtet 12 . Dazu w i r d meist noch behauptet, die sachliche Verflechtung mit dem Landratsamt sei gering und insofern sei eine engere Verbindung überflüssig 13 . Die Ministerien begründen ihre Haltung weiterhin mit der Personalpolitik. So sei eine Versetzungs- und Beförderungsmöglichkeit nur bei einer Staatsverwaltung gegeben. Dieses Argument, das auch bei der Frage der Staatsbehörde auf der Landkreisebene vorgebracht wurde, t r i f f t natürlich nur bei einer vollständigen Kommunalisierung zu, nicht bei einer bloßen Angliederung. Daran zeigt sich jedoch, daß die organisatorische Frage mit den Interessen der beschäftigten Beamten verbunden ist. Zweifellos bestehen in vielen Fällen Spannungen zwischen den Fachbeamten und den allgemeinen Verwaltungsbeamten. 7 Kommission für die Reform der staatlichen V e r w a l t u n g B a d e n - W ü r t temberg, 4. Gutachten 1970, passim. 8 Anton Schmid, Einheit der V e r w a l t u n g auf der Kreisebene, i n : Die öffentliche V e r w a l t u n g 1954, S. 719 - 722. 9 Fritz Rietdorf, Die Einheit der V e r w a l t u n g auf der Kreisebene, i n : Die öffentliche V e r w a l t u n g 1955, S. 230 - 236, S. 231 f. 10 Schmid, S. 721. 11 Rietdorf, S. 233; Schmid, S. 271. 12 Ebenso Georg von Unruh, Der Kreis. K ö l n 1964, S. 291. 13 Kommission BW, 4. Gutachten, passim.
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5. Kap.: Die Frage der Sonderbehörden
Eine Koordination w i r d vielfach als das Hineinreden von Nicht-Fachleuten in fachliche Fragen aufgefaßt. Nach dieser Ansicht bietet nur eine Sonderbehörde die Entfaltungsfreiheit, die die Sache verlangt. Dazu kommt noch die reine Frage der Bezahlung. Für Fachbeamte sind die Aufstiegsmöglichkeiten i n einer allgemeinen Verwaltung geringer als i n einer Sonderverwaltung 1 4 . Außerdem besteht vielfach die, wenn auch unberechtigte, Erwartung, i n einer Sonderverwaltung eher aus dem allgemeinen Besoldungsgefüge ausbrechen zu können. Dies spielte z. B. eine Rolle i n Nordrhein-Westfalen und i n Hessen bei Bestrebungen der Ärzte, die Gesundheitsämter wieder zu verstaatlichen. Diese Seite der Frage betrifft natürlich vor allem den Leiter der Sonderbehörde, der m i t einer Eingliederung i n das Landratsamt seine Stellung als Leiter einer selbständigen Behörde verlieren und dem Landrat direkt unterstellt würde. Dies bringt für ihn mancherlei persönliche Erschwernisse m i t sich und ist auch eine Prestigefrage. Von den Ministerien wurde daher oft als Argument angeführt, nur durch die Aussicht auf die selbständige Leitung könne der Nachwuchs der Sonderverwaltungen gesichert werden 1 5 . Der Landkreistag versuchte dem zu begegnen, indem er vorschlug, die Sonderbehörden als Abteilungen des Landratsamts zu übernehmen, bei weitgehender Selbständigkeit i n fachlicher Hinsicht und i n Gleichstellung m i t dem ersten Landesbeamten des Landratsamts 16 . Als Argument wurde von den Verfechtern der Einheit der Verwaltung, die i n der öffentlichen Diskussion bei weitem vorherrschen, vor allem die Ersparnis angeführt, die an den allgemeinen Verwaltungskosten möglich sei 17 . Es bestünden auch sehr viele Überschneidungen der Aufgabengebiete. Sonderbehörden und Landratsamt seien aufeinander angewiesen, was durch eine einheitliche Leitung verbessert würde 1 8 . Es w i r d weiter angeführt, daß darüber hinaus eine allgemeine Koordination der gesamten Verwaltung nötig ist, eine wirkliche Einheit. Gerade i m Prozeß der fachlichen Differenzierung darf die Verwaltung nicht an Übersichtlichkeit verlieren. Es sei ein allgemeiner Grundsatz, daß auch spezielle Aufgaben, für die besondere fachliche Qualifikationen nötig sind, der allgemeinen Verwaltung eingeordnet 14
Fonk, Sonderbehörden, S. 39. Kommission BW, 4. Gutachten, S. 9. 16 Hermann Ebner, Die Landkreise u n d das Sachverständigengutachten zur Vereinfachung, Verbesserung u n d Verbilligung der Verwaltung. S t u t t gart 1958, S. 20. 17 Unruh, Der Kreis, S. 20. Hermann Müller, Koordinierung u n d Einheit der V e r w a l t u n g auf der Kreisebene, i n : Die öffentliche V e r w a l t u n g 1954, S. 114 - 117. 18 Fritz Rietdorf, Einheit der Verwaltung, S. 233. 15
I. Sachliche Problematik
271
werden, da der einzelne Beamte i n der Gefahr steht, über seinem Fachbereich das Ganze zu vergessen 19 . Der Deutsche Landkreistag, der sich diesen Gedanken i n seinen Forderungen zum Landkreisrecht 1947 anschloß, begründete es neben der Vereinfachung, Verbesserung und Verbilligung vor allem damit, es gehe u m eine Demokratisierung. Ein umfassender Einfluß der gewählten Vertreter der Bevölkerung auf alle Verwaltungsgeschäfte müsse gesichert werden 2 0 . Dieses Argument ist aber nur bedingt zutreffend, da eine demokratische Kontrolle ja auch über die Ministerien gewährleistet ist, und andererseits nicht etwa eine Verwandlung i n Selbstverwaltungsangelegenheiten angestrebt wurde. Dennoch ist daran richtig, daß bei einer solchen Organisationsform Wünsche der Bevölkerung und örtliche Interessen leichter an diese Behörden herangetragen werden können. Es handelt sich also bei der Herstellung der Einheit der Verwaltung nicht nur u m die Interessen der Landräte, die ihre Hausmacht dabei stärken wollen, was ihnen von ihren Gegnern vorgeworfen wurde. Allerdings besteht auch ein legitimes Interesse der Landräte auf Wahrung ihrer vollen Kompetenz. I n erster Linie handelt es sich aber um die Interessen der Kreise als solcher und um die der allgemeinen Verwaltung gegenüber den Sonderverwaltungen. Diesen Forderungen des Landkreistags schlossen sich auch die Verbände der Gemeinden an 2 1 . Der Grund liegt einmal i n dem grundsätzlichen Wunsch nach einer Stärkung der Selbstverwaltung und der Ablehnung von Sonderbehörden auf jeder Stufe, in den Gemeinden ebenso wie den Kreisen. Zum andern ist der Einfluß von Kreisinstanzen auf die Sonderbehörden auch für die Gemeinden von Vorteil. Für den Städtetag kommt noch hinzu, daß i n den kreisfreien Städten dieselbe Lage besteht wie i n den Landkreisen, wobei hier nur eine volle Kommunalisierung i n Frage kommt. Dies ist wesentlich schwieriger zu erreichen. Außerdem muß sogar für die kleineren kreisfreien Städte befürchtet werden, daß die Sonderbehörden des Landkreises zugleich für die Stadt zuständig werden, was von diesen sicher als Verschlechterung empfunden würde. Aus diesem Grund, und wohl auch weil die Sonderbehörden gegenüber der umfangreichen Verwaltung einer Großstadt eine weit geringere Rolle als gegenüber dem Landratsamt spielen, überließ der DST die Frage weitgehend dem DLT. Man war hier nicht bereit, sich i n einer Frage zu engagieren, die man für aussichtslos hielt 2 2 . DStB und DGT waren noch weniger betroffen als der DST. 19 Unruh, S. 289f.; Ernst Forsthoff, Lehrbuch der V e r w a l t u n g I. Teil, 8. A u f l . München 1961, S. 52. 20 Material zur Landkreisverfassung, S. 17. 21 Z u m Deutschen Städtetag: Ziebill, Städtetag, S. 107. 22 So der Rechts- u n d Verfassungsausschuß des DST 4. 5.1962.
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5. Kap.: Die Frage der Sonderbehörden
Für die mittleren Städte ist nur eine volle Kommunalisierung der Aufgaben, nicht nur des Personals wie i n Nordrhein-Westfalen, interessant, da er nur so auf eine Delegation von Aufgaben der Sonderbehörden auf seine Städte erwarten kann 2 3 . Bei den kleinen Gemeinden, wo auch dies nicht i n Frage kommt ist daher zum Teil sogar eine Ablehnung der Einheit der Verwaltung festzustellen, aus der Befürchtung heraus, hier neue finanzielle Belastungen tragen zu müssen. Die Diskussion um die Sonderbehörden wurde daher vor allem vom Landkreistag geführt. II. Die politische Entscheidung über die Sonderbehörden Die Forderung des D L T geht prinzipiell auf eine volle Eingliederung der wichtigsten Sonderbehörden i n das Landratsamt. Dies konnte aber nur erreicht werden i n Nordrhein-Westfalen mit dem Gesetz vom 30. 4. 1948, das Gesundheitsamt, Regierungsveterinärrat und Vermessungsamt i n die Kreisselbstverwaltung eingliederte 24 . Dabei wurden die Beamten Kommunalbeamte, die Aufgaben blieben jedoch staatliche A u f gaben, d. h. mit unbeschränktem Weisungsrecht i m Unterschied zu den Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung, bei denen das Weisungsrecht beschränkt ist. I n anderen Ländern konnten dagegen nur Teilerfolge errungen werden. Angesichts des starken Widerstandes ist das Vorgehen des D L T auch darauf ausgerichtet. Das Wichtigste ist zweifellos das Verhindern der Errichtung neuer Sonderbehörden, was seit 1945 auch weitgehend gesichert werden konnte. So wurde etwa die Lastenausgleichsverwaltung als Auftragsverwaltung ausgestaltet. Von größerer Bedeutung ist es, die Übertragung neuer Aufgaben auf bestehende Sonderbehörden zu verhindern. Über die Bewahrung des status quo hinaus versucht der DLT, zunächst eine stärkere Koordinierung zu erreichen. Weiter ist eine Angliederung oder eine Eingliederung dieser Behörden möglich, sei es unter Beibehaltung des staatlichen Charakters, sei es als Kommunalisierung 2 5 . Für diese Bestrebungen des D L T ist Baden-Württemberg insofern besonders interessant, als die Frage hier über viele Jahre strittig war, beim Erlaß der Landkreisordnung, bei den Grundsätzen über die Zusammenarbeit von 1962, anläßlich der Sachverständigengutachten von 1958 und 1970. Hier kam es auch zum ersten Mal seit 1948 zu einer Re23
Der Städtebund 1964, S. 23. Cantner, Verfassungsrecht der Landkreise, S. 445. 25 Die einzelnen Möglichkeiten sind dargestellt bei Fonk, den, S. 54 ff. 24
Sonderbehör-
I I . Politische Entscheidung
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gierungsvorlage zu dieser Frage. Die Fronten des Konfliktes wurden daher i n diesem Lande besonders deutlich. Die Forderung nach Eingliederung der Sonderverwaltungen wurde von den Landkreisen schon beim Aufbau des Südweststaats erhoben. Voran ging der Verband württemberg-badischer Landkreise, dessen Vorsitzender Landrat Seebich ja zugleich Vorsitzender des Deutschen Landkreistags war. Er forderte am 11.5.1951 konkret die Eingliederung von vier Ämtern: Landwirtschaftsämter, Regierungsveterinärräte, Gesundheitsämter und Vermessungsämter. Für die Modalitäten wurde vorgeschlagen, daß es sich um Auftragsangelegenheiten handeln sollte, wobei das Weisungsrecht des Staates in bisherigem Umfang aufrechterhalten bleibe. Die Aufgaben sollten an den Landrat als Organ des Landkreises übergehen, der Kreisrat nur entsprechend früheren Regelungen eingeschaltet werden. Der Staat sollte ein Mitwirkungsrecht nur bei der Bestellung der leitenden Beamten haben und die seitherigen Haushaltsmittel der Sonderverwaltung den Kreisen überlassen. Damit wäre keine volle Kommunalisierung durchgeführt worden, wie in Nordrhein-Westfalen, wo es auch keine allgemeine Staatsbehörde auf der Kreisstufe mehr gibt. Besonders das unbeschränkte Weisungsrecht ist wichtig. Andererseits ist die M i t w i r k u n g des Staates erheblich eingeschränkt, vor allem in der Bestellung der Beamten. Obwohl damit nach Ansicht der Landkreise eine bewußt maßvolle Haltung verteten wurde, wurde dies von der Landesbürokratie strikt abgelehnt. Lediglich bei der Flüchtlingsverwaltung wurde eine Eingliederung erreicht. Nicht nur die Fachministerien, sondern auch das Innenministerium, dem drei der vier genannten Behörden unterstanden, lehnte eine solche Änderung strikt ab. Es wurde dabei vorgebracht, daß bei einem staatlichen Landrat die Einheit der Verwaltung eher durchzuführen und eher vertretbar wäre 2 6 . Dies war das Hauptargument des Innenministeriums, insbesondere seit deutlich wurde, daß sich der kommunale Landrat i m ganzen Land durchsetzen würde, und in, der Zeit seither. Es w i r d also behauptet, daß der Einfluß des Innen- bzw. der anderen Ministerien auf den kommunalen Landrat nicht ausreiche und daß er für die polizeilichen Aufgaben nicht unabhängig genug sei. Demgegenüber muß aber eingewandt werden, daß der Einfluß des Landes noch stark ist, sowohl auf den Landrat und seine Bestellung, wie auf die Aufgabenerfüllung durch das Weisungsrecht der Fachaufsichtsbehörden, ebenso wie auf die Bestellung der Beamten des Landratsamtes. Auch bei einer vollständigen Eingliederung wäre also der staatliche Einfluß nicht ganz entfallen, da es sich ja um keine Kommunalisierung i m eigentlichen Sinn handelt. I m übrigen ist angesichts dieses Argu28
So Innenminister Ulrich S. 2390. 18 Geißelmann
i n : Protokoll des Landtags B W 1. Periode,
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5. Kap.: Die Frage der Sonderbehörden
ments schwer verständlich, warum i n Stuttgart ein kommunales Gesundheitsamt besteht und auch i m Vermessungswesen Ausnahmen gemacht werden 2 7 . I m Hinblick auf die Argumentation des Innenministeriums wurde von manchen Landräten erwogen, hinsichtlich der Bestellung des Landrats dem Land Konzessionen zu machen, um so die Einheit der Verwaltung eher durchzusetzen 28 . Es war aber zweifellos richtig, wenn andere Landräte davor warnten, da solche Konzessionen ganz vergeblich seien. Auch bei einem v o l l staatlichen Landrat wäre die Einheit der Verwaltung nach dem Urteil eines ehemaligen Innenministers nicht durchgesetzt worden. Dies zeigt auch die Entwicklung i n Rheinland-Pfalz und i m Saarland, wo dem staatlichen Landrat nicht einmal die i n Nordrhein-Westfalen kommunalisierten Ämter unterstellt wurden. I n Rheinland-Pfalz wurden lediglich die Bauaufsicht und die Aufgabe der Landwirtschaftsämter auf den Landrat übertragen. Auch bei der schon weit fortgeschrittenen Verwaltungsreform konnte der Widerstand bisher nicht überwunden werden. Dies zeigt, daß der Rückhalt der staatlichen Landräte i m Innenministerium dazu nicht stark genug ist. Dagegen konnte für die Regierungspräsidien auf Grund ihres stärker staatlichen Charakters i n allen Ländern eine weit größere Eingliederung von Sonderbehörden durchgesetzt werden. Dies ergibt sich allerdings auch schon aus dem Charakter dieser Behörde, die ohne Einheit der Verwaltung sinnlos wäre. Aber auch auf dieser Ebene gibt es vielerlei Versuche der Fachminister, eigene Mittelbehörden zu erreichen. Die Regierungspräsidenten i n Baden-Württemberg unterstützten auf Grund ihres eigenen Anspruchs anläßlich des Landesverwaltungsgesetzes das Verlangen der Landkreise auf volle Eingliederung. Trotzdem gelang es den Landkreisen nicht, sich gegen die Front der Landesbürokratie durchzusetzen. Diese griff vielmehr zu einer hinhaltenden, aber nicht weniger hartnäckigen Verteidigungstaktik. Lediglich die Kommunalabteilung vertrat auch hier andere Ansichten. Ihr Leiter hielt es für ein wesentliches Erfordernis der Demokratisierung der Verwaltung, daß die Sonderbehörden nicht bürokratisch-zentralistisch geführt würden, sondern unter der Kontrolle des gewählten Landrats 2 9 . Angesichts dessen war nur auf den Landtag zu hoffen. Allerdings sind auch i n i h m Gruppen vertreten, die Sonderbehörden und Sonderressorts unterstützen. Dennoch herrscht hier die kommunale Front vor. I n der Landesverfassung gelang es auch zu sichern, daß Sonderbehörden 27
Ebenso werden i n anderen Ländern (z. B. Bayern) Ausnahmen gemacht. s. o. S. 166. 29 Alexander Meyer-König, Grundprobleme einer organisatorischen V e r waltungsreform. Reutlingen 1950, S. 15. 28
I I . Politische Entscheidung
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für neue Aufgaben auf der Kreisebene nur durch Gesetz begründet werden können (Art. 71 Abs. 2). Auch bei der Beratung der Landkreisordnung gelang es den Landkreisen Unterstützung zu finden. Der Sprecher der CDU i n der 1. Lesung Gurk stellte die Einheit der Verwaltung als grundsätzliches Ziel dar 3 0 . Ebenso vertrat die Mehrheit des Verwaltungsausschusses diese Ansicht. Da jedoch keine Vorbereitungen zur Lösung dieser Frage getroffen waren, ließ sie der Ausschuß fallen. Daran zeigt sich, daß die Mitarbeit der Bürokratie an einer Regelung unentbehrlich ist 3 1 . Neben der langfristigen Forderung hatte der L K T seine Ziele für die Landkreisordnung zurückgesteckt. Dies erfolgte auch, um das wichtigste Ziel des kommunalen Landrats nicht zu gefährden. Er versuchte, eine zu plumpe Kommunalisierungsforderung zu vermeiden und wenigstens eine grundsätzlich stärkere Verzahnung zu erreichen. Sein Vorbild hatte dies i n der Preußischen Verordnung zur Vereinheitlichung und Verbilligung der Verwaltung vom 3. 9. 193232 und in A r t . 6 der württemberg-hohenzollerischen Kreisordnung von 1948. Dieser sah die Verpflichtung aller i m Kreis tätigen öffentlichen Verwaltungen zu einer dem Gemeinwohl dienlichen Zusammenarbeit vor, wofür außer für die Finanz- und Justizverwaltung der Landrat verantwortlich war und Anweisungen erteilen durfte. Dazu kam eine Unterrichtspflicht und ein Beteiligungsrecht; Streitfragen wurden vom zuständigen Ministerium entschieden, erforderlichenfalls i m Einverständnis mit dem Innenministerium. Zur Durchführung erging am 21. 3. 1950 eine Verordnung des Staatsministeriums 33 . Von den südwürttembergischen Landräten wurde diese Regelung allerdings noch in mehreren Punkten als verbesserungsbedürftig empfunden 34 . Trotz der Mängel einer bloßen Koordination mußten die Landkreise und die Kommunalabteilung versuchen, wenigstens diese Bestimmungen beizubehalten. Sie gaben dem Landrat als dem Repräsentanten des Kreises immerhin gewisse Instrumente 3 5 . I m Regierungsentwurf des Landesverwaltungsgesetzes war daher als § 44 Abs. 1 vorgesehen: „Der Landrat hat für das Zusammenwirken des Landratsamts und der unteren Sonderbehörden sowie der Kreisverwaltung und der Großen Kreisstädte i m Landkreis zu sorgen. Das gilt entsprechend für den 30
Protokoll des Landtags B W 1. Periode, S. 2394. Ebenso Diez (CDU) i n der 2. Lesung. Protokoll des Landtags B W 1. Periode, S. 3376. 32 Vgl. Unruh, Der Kreis, S. 290 f. 33 Regierungsblatt Württemberg-Hohenzollern 1950, S. 145 f. 34 L K T B W Μ 1109. 35 Alexander Meyer-König, Die Landkreise u n d die Aufbaugesetze i n Baden-Württemberg, i n : Die Selbstverwaltung 1956, S. 136 bis 140. 31
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5. Kap.: Die Frage der Sonderbehörden
Oberbürgermeister i m Stadtkreis." A n der Formulierung ist einmal auffällig, daß sie sehr unpräzise gefaßt ist. Es fehlt schon das Informationsrecht. Noch wichtiger aber ist, daß hier auch die Großen Kreisstädte mit einbezogen werden, über die der Landrat ja keine Aufsicht hat. Es ist unbekannt, was das Innenministerium veranlaßte, diese Erweiterung vorzunehmen, die mit der Einheit der Verwaltung nichts zu tun hat. Vielleicht sollte damit ihren Gegnern die Koordination schmackhaft gemacht werden. Der Effekt war jedenfalls genau der gegenteilige. I m Gegensatz zu den bisherigen Vorschlägen lehnten StV und WGT dies scharf ab als Beeinträchtigung der Selbstverwaltung der Gemeinden und Kreise. Zwar sei eine Koordinierung selbstverständlich, doch wenn sie in Gesetzesform übertragen werden, schaffe sie eine zusätzliche Aufsicht des Landrats und des Regierungspräsidenten. Damit wurde zugleich die kreisfeindliche Haltung auf den Plan gerufen, die zum Teil i m Landtag bestand. Diese Abgeordneten lehnten es als Machterweiterung des Landrats ab, als Entwicklung zu einem „König in seinem Bezirk" 3 6 . I m Verwaltungsausschuß wurde dementsprechend die Bestimmung am 16. 12. 1954 mit 14 : 2 Stimmen aus dem Landesverwaltungsgesetz gestrichen. I n dieser Situation kam es zu einem Zusammenwirken zwischen dem Abgeordneten Renner und dem Leiter der Kommunalabteilung, die als Innenminister bzw. Leiter der Kommunalabteilung in WürttembergHohenzollern für die dortige Regelung verantwortlich gewesen waren 3 7 . Auch der L K T wandte sich an die Kommunalabteilung, die ihn hier unterstützte. Dr. Meyer-König schlug bei der Beratung der Landkreisordnung i m Ausschuß am 18. 5. 1955, formell in dessen Auftrag, die weitergehenden Bestimmungen der württemberg-hohenzollerischen Kreisordnung zur Neuaufnahme vor. Da die Gemeinden nun nicht mehr einbezogen waren, sprachen sich unter den Bürgermeistern nur noch diejenigen dagegen aus, die grundsätzlich jede Stärkung der Landkreise ablehnten. M i t einigen Konzessionen an sie, aber immerhin mit dem Informationsrecht, das ja das grundlegendste ist, konnte dies als § 48 der Landkreisordnung mit 11 : 7 i m Ausschuß durchgesetzt werden 38 . Es ist also festzustellen, daß es nur i m „Handstreich" gelang, diesen Paragraphen durchzusetzen gegen den Widerstand radikaler Gegner der Landkreise und der Bürokratie, die eine wesentlich schwächere Bestimmung wünschte.
36 So Prof. Gönnenwein i n der 1. Lesung. Protokoll des Landtags 1. Periode, S. 2140. 37 Interview. 38 Ausschuß-Bericht, i n : Protokoll des Landtags B W 1. Periode, S. 3346.
BW
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I n § 48 Abs. 3 L K O w i r d die Landesregierung aufgefordert, Grundsätze über die Zusammenarbeit festzulegen. Erst diese bringen die notwendige Konkretisierung und ein geregeltes Verfahren. Trotz der gesetzlichen Verpflichtung wurden die Grundsätze der Landesregierung erst am 19. 12. 1962 (GVB1. 1963, S. 15), d. h. sieben Jahre nach der Landkreisordnung erlassen. Auch an ihrer Entstehungsgeschichte 39 zeigt sich der bereits beobachtete hinhaltende, aber äußerst hartnäckige W i derstand der Bürokratie, ihr Interesse an einem eigenen Verwaltungsunterbau, der weder einem fremden Ressort, noch der Selbstverwaltung eingegliedert werden soll sowie das bloße Interesse des Innenministeriums, die Behörden anderer Ressorts einzugliedern, ebenso wie die Verflechtung mit den Interessen einzelner Berufsgruppen. Auch Innenminister Renner, der als Abgeordneter die Regelung durchgesetzt hatte, konnte dies nicht überwinden. Der erste Referentenentwurf vom 9. 1. 1957, der von der Kommunalabteilung ausgearbeitet wurde, hielt sich weitgehend an die Verordnung aus Württemberg-Hohenzollern. Er enthielt i n § 3 die Erklärung, daß der Landrat „verantwortlich" sei, wenn er auch i m Unterschied zur früheren Verordnung keine Anweisungen zur Durchführung der Zusammenarbeit erteilen konnte. § 4 enthielt Informationsrecht und -pflicht gegenüber Sonderbehörden und deren übergeordneten Behörden, auch für Angelegenheiten, die für einzelne Gemeinden von wesentlicher Bedeutung sind. Nach § 5 sollte der Landrat zu Besprechungen einladen, nach § 6 sollte der Regierungspräsident Meinungsverschiedenheiten entscheiden. Dies entsprach weitgehend den Wünschen des Landkreistags 40 , der außerdem noch anbot, daß die Leiter der Sonderbehörden zu Kreistags- und Kreisratssitzungen eingeladen würden, sofern ihre Aufgaben berührt würden. Dieser Entwurf stieß jedoch auf beträchtlichen Widerstand sowohl der Fachministerien wie auch der Regierungspräsidenten 41 . Dies ist um so interessanter, als diese noch bei der Beratung des Landesverwaltungsgesetzes, als es um die Einheit der Verwaltung nicht nur auf der untersten, sondern auch auf der Mittelebene ging, in beiden Fällen für die Einheit eingetreten waren. Es zeigte sich hier also, daß auch die Regierungspräsidenten an einer Stärkung der Landkreise zugunsten der bei ihnen gebündelten Sonderbehörden nicht interessiert sind, da dies ihre Stellung unmittelbar schwächen würde. Dies wurde auch 1970 deutlich, als i m Zuge der Verwaltungsreform die Regierungspräsiden39 L K T B W Μ 1109. Vgl. Geschäftsbericht L K T B W 1956/57, S. 12 und 1959/62, S. 4. 40 L K T B W Μ 1109. 41 Interview.
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5. Kap.: Die Frage der Sonderbehörden
ten die Eingliederung für Gesundheitsämter, Veterinärräte und Vermessungsämter ablehnten und nur die der Landwirtschaftsämter billigten sowie die der Schulämter, die auf der Mittelebene gesondert organisiert sind, wodurch sie also nicht betroffen würden 4 2 . A u f Grund des Widerstands wurde vom Innenministerium ein zweiter Entwurf vom 7.6. 1957 ausgearbeitet, der wesentlich schwächere Formulierungen enthielt. I m wesentlichen wurden die Gründe für die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit dargelegt. Dabei war insbesondere gestrichen worden die Anrufung der Aufsichtsbehörde, anderes wurde in Empfehlungen umgewandelt, wie die Pflicht zur Unterrichtung des Landrats, anderes wurde eingeschränkt. Vom Landkreistag wurde kritisiert, daß von der Einheit der Verwaltung überhaupt nicht mehr die Rede sei und daß es sich nur um allgemeine Ermahnungen handle. Er forderte eine Rückkehr zum ersten Entwurf und war eher bereit, auf die Grundsätze ganz zu verzichten. Der Widerstand dagegen war jedoch, vor allem von den Regierungspräsidenten so stark, daß eine Rückkehr zum alten Entwurf nicht mehr erreicht werden konnte. Die Haltung des Innenministeriums selbst war dabei keineswegs eindeutig. So wurde vom Landkreistag vorgeschlagen, wenigstens diejenigen Sonderbehörden, die dem Innenministerium selbst unterstehen, was die meisten sind, durch eine Ministerialverordnung zur Zusammenarbeit zu verpflichten. Dies wurde jedoch mit der Begründung abgelehnt, sämtliche Sonderbehörden müßten gleich behandelt werden 4 3 . Das Innenministerium ist an einer Verstärkung der Koordination auch keineswegs interessiert, allenfalls an einer stärkeren Anbindung der Sonderbehörden der fremden Ressorts. Die Fachabteilungen innerhalb des Innenministeriums sind hinsichtlich ihrer Haltungen und ihrer Interessen hier durchaus gleichzustellen mit den Fachministerien, und sie verfolgen ihre eigene Politik. So legte eine Abteilung i m Zusammenhang mit der erneuten Aufnahme der Beratungen über die Grundsätze 1961 in einem Schreiben an die Leiter der ihr nachgeordneten Behörden die Nachteile, insbesondere persönlicher Art, so wie sie sie sah, dar. Dies geschah wohl, um so diese Berufsgruppe zum Protest gegen eine Regelung herauszufordern und so den Weg über die Interessenverbände zu beschreiten 44 . Auch bei der Kommunalabteilung ist die Unterstützung der Einheit der Verwaltung wie unter Meyer-König eine Ausnahme. So sprach der Leiter der Kommunalabteilung in einem Bundesland beim Amtsantritt eines neuen Ministers die Befürchtung aus, dieser werde die Sonderbehörden beseitigen. 42 43 44
Kommission B W 4. Gutachten, S. 4. Interview. L K T B W Μ 1109.
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Offensichtlich sind auch diese Abteilungen von Korpsgeist der Landesverwaltung beeinflußt. Die Forderungen des Landkreistags wurden unterstützt durch das Gutachten der sogenannten Walz-Kommission zur Vereinfachung, Verbesserung und Verbilligung der Verwaltung 4 5 . I n diesem wurde vorgeschlagen, Gesundheitsämter, Vermessungsämter und Regierungsveterinärräte in das Landratsamt als untere Verwaltungsbehörde einzugliedern und ebenso die Landwirtschaftsverwaltung, sofern sie nicht neu zu errichtenden Landwirtschaftskammern übertragen würde. Daraufhin erneuerte auch der Landkreistag seine alte Forderung 46 . Die Diskussion um dieses Gutachten soll hier nicht näher dargelegt werden, da hinter ihm kein entschiedener politischer Wille zur Verwaltungsreform stand. Es wurde von der Landesregierung auch i m wesentlichen abgelehnt. Immerhin bot das Gutachten eine brauchbare Grundlage, so daß der Landkreistag die Frage vor den Landtag bringen konnte. Er erreichte schließlich auch einen Beschluß auf Antrag des Verwaltungsausschusses, der i m Zusammenhang mit diesem Gutachten eine baldige Verabschiedung der Grundsätze der Landesregierung für die Zusammenarbeit m i t den Sonderbehörden forderte 47 . Dies wurde ergänzt durch ein beständiges Drängen auf einen Beschluß bei der Regierung, wobei zusätzlich argumentiert wurde, die Landesplanung erfordere eine verstärkte Koordination. Durch diesen Beschluß und die nun einmal bestehende gesetzliche Vorschrift des § 48 L K O gezwungen, übernahm es daher schließlich die Kommunalabteilung, eine dritte Fassung auszuarbeiten. Der Kompromiß in dieser Frage wurde erreicht durch Verhandlungen zwischen ihr und den Fachministerien bzw. den anderen Abteilungen des Hauses. Dieser beruhte auf den beiden erarbeiteten Fassungen, enthält einerseits die allgemeinen Erwägungen des zweiten Entwurfs, andererseits vor allem die präzisen Bestimmungen des ersten Entwurfs über das Informationsrecht und die -pflicht, wenn auch die Einschaltung von Kreistag und Kreisrat und die Mitteilung von Erlassen gestrichen w u r den. Auch eine Vorschrift über die Regelung von Meinungsverschiedenheiten wurde nicht aufgenommen. Damit waren zwar die Wünsche des Landkreistags nicht voll i n Erfüllung gegangen, jedoch stellte er sich hinter den Entwurf, um den Innenminister politisch gegenüber den Fachministern zu stützen. 45 46 47
Landtag B W 2. Periode Beilage 1450 v o m 31.12.1957. Ebner, Die Landkreise u n d das Sachverständigen-Gutachten. Landtag B W 2. Periode Beilage 3494, Beschluß v o m 24. 3.1960.
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5. Kap. : Die Frage der Sonderbehörden
Es zeigt sich also damit, daß es für den Landkreistag nur drei Wege gibt, den Widerstand der Landesbürokratie in dieser Frage zu überwinden. Der eine ist der über den Landtag, wenigstens in den Ländern, i n denen der Landtag an den Entscheidungen in dieser Frage beteiligt ist. Da jedoch auch hier Anhänger der Sonderbehörden sitzen, ist dieser Weg problematisch. Ein anderes M i t t e l ist die Unterstützung durch unabhängige Sachverständigen-Kommissionen. Dies ist um so wichtiger, als sämtliche Gutachten zur Verwaltungsreform, die i n der Nachkriegszeit erstattet wurden 4 8 , den Grundsatz der Einheit der Verwaltung vertraten und eine stärkere Verzahnung forderten. Dazu kommt noch als weiterer Faktor ein politisch starker Innenminister, der auf Grund eigener Erfahrungen ein entscheidender Anhänger der Einheit der Verwaltung ist. Dies ist z. B. in Baden-Württemberg bei Innenminister Krause der Fall, der selbst aus der Kommunalverwaltung kommt. Unter ihm kam es 1970 erstmals zu einer Regierungsvorlage über die Eingliederung von Sonderbehörden, die jedoch scheiterte. Ebenso w i r d i n Rheinland-Pfalz die Frage i m Rahmen der Funktionalreform von Innenminister Schwarz (ein früherer Amtsbürgermeister) vorangetrieben 4 9 . I m Zug einer allgemeinen Verwaltungsreform ist eine Lösung dieser Frage zweifellos leichter, da hier alle Organisationsformen zur Disposition gestellt werden. A u f die Initiative Innenminister Krauses geht das Denkmodell der Landesregierung zur Kreisreform in Baden-Württemberg vom Dezember 1969 zurück, das vorschlug, Gesundheitsämter, Regierungsveterinärräte und Vermessungsämter dem Landratsamt einzugliedern 50 . Die Erwähnung anderer Behörden wurde aus Rücksicht auf die Fachressorts jedoch unterlassen. Dagegen forderte das Gutachten Nr. 4 der Kommission für die Reform der staatlichen Verwaltung vom J u l i 1970 neben der Eingliederung der genannten Behörden auch die der Landwirtschaftsämter sowie die Angliederung der Schulämter an den Landkreis 5 1 . Die Diskussion entzündete sich dabei vor allem am Landwirtschaftsamt und am Schulamt, da hinter diesen beiden die stärksten Interessenverbände stehen. Von der Landwirtschaft wurde geltend gemacht 52 , es bestünden zahlreiche Sonderprobleme der Landwirtschaft in Baden-Württemberg, die eine Aufrechterhaltung einer selbständigen Landwirtschaftsverwaltung notwendig machten. Der Landrat verfüge nicht über genügend Sachkenntnisse. Insbesondere wurde die Über48
Vgl. Wagener, Verwaltung, S. 113 ff. Vgl. Rheinland-Pfalz und seine Kreise. Troisdorf 1972, S. 15. 50 S. 16 f. 51 Sonderbeilage zum Staatsanzeiger für Baden-Württemberg Nr. 55 vom 15. 7.1970. Ebenso der L K T BW, vgl. Landkreisnachrichten 1971, S. 9. 52 Gutachten Nr. 4, S. 12. 49
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tragung der Zuständigkeit i m Grundstücksverkehr kritisiert, da der Landrat den strukturpolitischen Anforderungen, aber auch den betriebswirtschaftlichen Kriterien, nicht gewachsen sei 53 . Schon bisher seien aber die öffentlichen Interessen stets gewahrt geblieben. Bei einer Eingliederung bestehe die Gefahr einer passiven Sanierung. Die Unruhe i m Landvolk werde so noch gesteigert, da dies als Rückzug des Staates verstanden werde. Dies zeigt den Kern der Argumentation des Bauernverbandes, die enge Klientelbeziehung zwischen Verwaltung und Verband 5 4 , das patronierende Verhältnis, das die Verwaltung die Interessen der Landwirtschaft auch nach außen vertreten läßt. Diese sind in einer Landwirtschaftsverwaltung, deren Einheitlichkeit der Bauernverband verteidigt 5 5 , am ehesten gewahrt. Bei einer Übertragung etwa der Aufgaben des Grundstücksverkehrs auf den Landrat würden auch andere Interessen stärker berücksichtigt. Dazu kommt noch die enge Verflechtung mit dem Bauernverband, die sowohl i m Ministerium wie auf den anderen Ebenen vorhanden ist. Dadurch können landwirtschaftliche Interessen weit leichter über eine selbständige Landwirtschaftsverwaltung durchgesetzt werden, sofern nicht für Beratung und Ausbildung ohnehin Landwirtschaftskammern zuständig sind. Aus diesem Grund mischte sich der Bauernverband i n dieser Frage massiv ein. Dies gilt sowohl für Baden-Württemberg, wo auf Grund dieses Widerstandes die Regierung die Vorschläge der Sachverständigenkommission nicht voll übernahm, wie für Hessen, wo Ende 1969 die Landwirtschaftskammern in die Landwirtschaftsämter aufgelöst wurden, aber keine Kommunalisierung erfolgte. Ähnlich verlief die Auseinandersetzung auch i n Nordrhein-Westfalen bei der Beratung des Landesorganisationsgesetzes von 1962 (GVB1. S. 421). Hier wurde der Geschäftsführer der Kreisstellen der Landwirtschaftskammer als Landesbeauftragter i m Kreise zur unteren Verwaltungsbehörde erklärt, wodurch hoheitliche Aufgaben des Staates in die Hände berufsständischer Selbstverwaltung gelegt w u r den 56 . Trotz der starken K r i t i k des Landkreistags an dieser außergewöhnlichen Regelung konnte es mit Hilfe des Bauernverbandes i m Landtag durchgesetzt werden. Auch um die Schulbehörde wurde in Baden-Württemberg gekämpft. Entsprechend dem Sachverständigengutachten beschloß die Landesre53
2964. 54
Württembergisches Wochenblatt für Landwirtschaft
1970, S. 2819 und
Zur Definition vgl. Beyme, Interessengruppen, S. 114 f. Vgl. Stuttgarter Zeitung 7. 8.1970. 50 Vgl. Eildienst 1961, S. 104 und: Fritz Rietdorf, Bernhard Sigulla und Friedhelm Voss, Handbuch der Landesverwaltung Nordrhein-Westfalen. K ö l n 1966, S. 291 f. 55
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5. Kap.: Die Frage der Sonderbehörden
gierung am 23. 7.1970 ein Schulamt aus Landrat und Schulrat zu bilden. Dabei sollten die Aufgaben getrennt werden in rein rechtliche und rein schulische, für die Landrat bzw. Schulrat allein sowie gemischte Aufgaben, für die beide gemeinsam verantwortlich sein sollten. Die Dienst- und Fachaufsicht des Kultusministeriums sollte dadurch nicht beeinträchtigt werden. Gegen diesen „Sündenfall" entfesselte die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft eine heftige Polemik 5 7 . Dabei wurde die Gefahr von Pressionen, die schon beim Kampf um die Zuteilung einer Schreibmaschine beginnen könnten, heraufbeschworen. Für die pädagogische Arbeit sei es lebensnotwendig, als Teil einer Sonderverwaltung eine Autonomie zu behalten. Statt dessen wurden Gesamtschulämter, die für alle Schularten und zugleich für größere Gebiete zuständig sein sollten, gefordert. Dies wurde dann auch vom A r beitskreis für K u l t u r - und Schulpolitik der CDU-Landtagsfraktion übernommen 58 . Demgegenüber hatte die Kommission für Verwaltungsreform, die von der CDU eingesetzt worden war, zuvor das Schulamt zur Eingliederung vorgesehen 59 . Hier zeigt sich also ein Pluralismus innerhalb der Parteien und Fraktionen, an dem Gemeinden und andere Verbände beteiligt sind. Für die Gewerkschaft, ebenso wie für den Bauernverband ergibt sich also die Möglichkeit, i m Landtag Fortschritte bei der Herstellung der Einheit der Verwaltung zu verhindern. Die Beratung des Gesetzes über die Sonderbehörden wurde dementsprechend i m Landtag von den anderen Regierungsentwürfen zur Verwaltungsreform abgetrennt und nicht behandelt. Der Interessenkonflikt um die Sonderbehörden besteht in ähnlicher Weise wie in Baden-Württemberg in allen Bundesländern. Allerdings ergeben sich hier dennoch deutliche Unterschiede. Die Kommunalisierung ist am größten in Nordrhein-Westfalen durch das Gesetz von 1948. Dies entspricht der Entwicklung auf anderen Gebieten und ist sicher mit auf die Stärke der kommunalen Fraktion in Nordrhein-Westfalen zurückzuführen. Das Gesetz von 1948 wurde dort seither nicht mehr angefochten, und die vorherrschende Meinung ist, daß es sich bewährt hat und daß das Verständnis des Landkreises für die Probleme der Sonderbehörden gewachsen ist 6 0 . Bestrebungen es abzuändern bestehen nur zum Teil aus Gründen der Bezahlung bei der Beamtenschaft. Dennoch gelang es auch hier nicht, weitere Behörden einzubeziehen, wie etwa den Geschäftsführer der Landwirtschaftskammer oder die Wasserwirtschaftsämter, die der Landkreistag auflösen wollte. Auch wurden ein57 Stuttgarter Zeitung 4.12.1970, 14.1.1971. Süddeutsche Schulzeitung Nr. 19 v. 19.10.1970 u n d Nr. 2 v. 30.1.1971. 58 Stuttgarter Zeitung 16.1.1971. 59 Stuttgarter Zeitung 24. 6.1970. 60 Vgl. auch für Hessen: Schlempp in: Der Landkreis 1960, S. 225 - 227.
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zelne Aufgaben der Vermessungsämter auf die Regierungspräsidien hochgezogen. Außerdem versuchte Wirtschaftsminister Kienbaum neben den Landesplanungsgemeinschaften eigene Strukturverbesserungsregionen zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur zu schaffen 61 . Diese hätten zwar kein eigenes ausführendes Personal gehabt. Dennoch wären sie in gewissem Umfang m i t einer Sonderbehörde vergleichbar gewesen, insofern als für eine Sonderaufgabe Sonderregionen geschaffen worden wären. I m Bereich der Landesplanung, deren Tätigkeit ja i m wesentlichen in einer Koordinierung besteht, wäre dies eine besonders schlechte Lösung. Weniger weit geht die Kommunalisierung i n anderen Bundesländern. Die Gesundheitsämter wurden i n Hessen und i n Niedersachsen eingegliedert, in Schleswig-Holstein außerdem die Veterinärämter. I n diesem Land ist die Einheit der Verwaltung um so notwendiger, um die Mittelinstanz mit ihrer Bündelungsfunktion, die hier fehlt, zu ersetzen. Vom Landkreistag wurde mit dieser Begründung ein Ausbau der Funktionen des Landratsamts gefordert 62 . Vorschriften über eine Zusammenarbeit gibt es auch in Rheinland-Pfalz (Runderlaß des Innenministers vom 25. 1. 1967)63. Der Kampf um die Sonderbehörden w i r d von beiden Seiten weitergeführt. Neuerdings w i r d dabei das Argument vorgebracht, es müßten größere Bezirke für die Sonderbehörden geschaffen werden. Dies war z. B. wesentlich für die Beibehaltung der Landwirtschaftsämter mit wesentlich vergrößertem Bezirk in Hessen, und wurde ebenso von der Gesundheitsverwaltung sowie für die Schulämter gefordert, obwohl auch dort gerade eine Vergrößerung der Kreise bevorstand 64 . Das gleiche gilt für die baden-württembergischen Landwirtschaftsämter 65 . Dies zeigt, daß dieses Argument vorgeschoben ist und die eigentlichen Interessen verbirgt. Auch bei neuen Aufgaben werden vielfach Sonderbehörden angestrebt. So versuchte der hessische Landwirtschaftsminister Best, neue Ämter für die Aufgaben des Umweltschutzes zu schaffen. A u f den entschiedenen Widerspruch des Landkreistags, und weil auch zahlreiche Behörden anderer Ressorts betroffen waren, einigte man sich dann jedoch, lediglich einen Koordinator für die Kompetenzen der verschiedenen Behörden zu bestimmen, als der aber nicht der Landrat, sondern der Leiter einer Sonderbehörde fungieren sollte. Dies sollte aber nur eine Interimslösung sein bis zur Herstellung der Einheit der 61 62 63 64 65
Wagener, Verwaltung, S. 193 f. Eildienst 1970, S. 139 ff. Ebenso Fonk, Sonderbehörden, S. 19. Der Landkreis 1967, S. 91. N u r i n der L K O auch i n NW, Nds., Hessen. Interview. Gutachten Nr. 4, S. 12.
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5. Kap.: Die Frage der Sonderbehörden
Verwaltung. Gerade dieser Vorgang zeigt, daß es sich hier um ein Schlagwort handelt, dem i n Wirklichkeit zuwidergehandelt wird, auch von einem Minister, der zuvor Landrat gewesen war 6 6 . I I I . Das Verhältnis zu den anderen Interessenverbänden I n der Frage der Sonderbehörden zeigt sich, daß die anderen Interessenverbände auf Grund ihrer Forderungen, die sie an die Verwaltung, auch an die Selbstverwaltung, richten, bestimmte Interessen hinsichtlich der Organisation innerhalb der Verwaltung haben. Dadurch besteht ein Interessenkonflikt auch zwischen den Verbänden beider Seiten. Diese organisatorische Frage ist jedoch nur ein Ausschnitt aus dem weit umfangreicheren Problem des Verhältnisses der kommunalen Spitzenverbände zu den anderen Interessenverbänden. I m Rahmen dieser Arbeit kann dies nicht in extenso untersucht werden, da beide Seiten in einer Vielfalt von Beziehungen zueinander stehen. Ja man kann wohl feststellen, daß die kommunalen Spitzenverbände wie kein anderer Verband eine große Zahl gemeinsamer und gegensätzlicher Interessen mit anderen Verbänden haben. Dies ergibt sich daraus, daß die kommunalen Spitzenverbände Körperschaften vertreten, die selbst eine Stufe des Staates bilden und auf dieser eine universale Zuständigkeit haben. Auf Grund dessen befassen sie sich mit einer weit größeren Zahl von Themen als andere Verbände. Darüber hinaus sind ihre Mitglieder aus demselben Grund selbst Adressat von Forderungen der Interessengruppen. Diese Konflikte werden nicht nur auf der Ebene der Mitglieder, sondern wiederum auch auf der der Verbände ausgetragen. Als Beispiel dafür möge hier die Stadt Mannheim dienen, die 1970 von der gesetzlich gegebenen Möglichkeit der Einführung der Lohnsummensteuer (ein Teil der Gewerbesteuer) Gebrauch machte 67 . Dies wurde zunächst innerhalb der Stadt von der Industrie- und Handelskammer abgelehnt, die dies als gefährlichen Präzedenzfall für eine neue Belastung ansah. Nachdem der Stadtrat den diesbezüglichen Vorschlag der Verwaltung jedoch trotzdem gebilligt hatte, wandte sich die Industrie an den Landtag. I n ihm konnte sie nach heftigem Ringen mit den kommunalen Spitzenverbänden einen Beschluß durchsetzen, der die Regierung aufforderte, ähnliche Beschlüsse anderer Städte i n Zukunft nicht mehr zu genehmigen (was rechtswidrig ist, da dies nicht im Ermessen der Regierung liegt). Hier setzten sich also zwei Interessengruppen i m Landtag auseinander. 66 07
Interview. Allerdings ist Best nicht Verwaltungs-Fachmann. Z u m Folgenden: Stuttgarter Zeitung 10.12.1970, 12.12.1970, 2. 7.1971.
I I I . Verhältnis zu anderen Interessenverbänden
285
Die Beziehungen zu anderen Interessenverbänden bestehen jedoch nicht nur i n der Abwehr von Interessendruck, sondern mit allen Verbänden bestehen durchaus auch gemeinsame Interessen. So ist der Bauernverband nicht nur notwendig ein Gegner jeder Erhöhung der Grundsteuer A, sondern ist umgekehrt wiederum an einer hinreichenden finanziellen Ausstattung der ländlichen Gemeinden interessiert. Ebenso t r i t t er für eine Erhaltung der ländlichen kommunalen Selbstverwaltung, d. h. gegen eine zu weitgehende Verwaltungsreform ein. Daher nahm er auch zur Frage der territorialen Gemeinde- und Kreisreform Stellung. So forderte er etwa in Baden-Württemberg, Mindestgrößen von 5000 Einwohnern bei Gemeinden dürften nur angestrebt werden, wenn die Entfernung zum Verwaltungsmittelpunkt 7 k m nicht überschreite 68 . Die Kreisreform lehnte er ab, da sie eine Verdünnung der Verwaltung und Dienstleistung mit sich bringe und insbesondere in den ländlichen Randzonen eine Beeinträchtigung der infrastrukturellen Entwicklung zur Folge habe. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß dahinter die Furcht steht, die politische Bedeutung der Landwirtschaft werde sowohl i n den Gemeinden wie in den Kreisen gegenüber anderen Bevölkerungsgruppen zurückgehen 69 . Dies ist durch den Zusammenschluß rein ländlicher mit mehr städtisch geprägten Räumen auch durchaus der Fall. Der Bauernverband engagierte sich daher auch i n der Frage der Verwaltungsreform. So wurde etwa der südbadische Verbandsvorsitzende Raiter Vorsitzender der Liga für demokratische Verwaltungsreform, die die Kreisreform i n Baden-Württemberg verhindern wollte. Auch der Verband selbst versuchte auf die Landesregierung Einfluß zu nehmen, ebenso wie einzelne bäuerliche Gruppen 7 0 . Nennenswerten Einfluß auf die Entwicklung hatte dies jedoch nicht, ebensowenig wie ähnliche Aktionen in anderen Bundesländern, und es fand auch keine Zusammenarbeit mit dem Gemeindetag statt. Ein anderes Beispiel für gemeinsame Interessen ist die ÖTV. Sie ist nicht nur Tarifpartner der Vereinigung Kommunaler Arbeitgeberverbände, sondern auch aus demselben Grund an einer hinreichenden finanziellen Ausstattung der Gemeinden interessiert. Daß sich beide Fragen eng verbinden können, zeigten schon verschiedene Tarifverhandlungen 71 . Ebenso gerieten die kommunalen Spitzenverbände mit den Kirchen anläßlich des Bundessozialhilfegesetzes und der Novelle zum Reichsjugendwohlfahrtsgesetz in Konflikt über die Erfüllung so68
Württembergisches Wochenblatt für Landwirtschaft 1970, S. 2819. s. o. S. 108. 70 Württembergisches Wochenblatt für Landwirtschaft 1970, S. 2819, 2964. 71 So forderten 1967 die komm. Spitzenverbände den Ausgleich der erhöhten Ausgaben v o m Bund, als dieser ein Nachgeben der Gemeinden erzwungen hatte. Vgl. Süddeutsche Zeitung 28. 11., 29. 11., 4.12. 67. 69
286
5. Kap.: Die Frage der Sonderbehörden
zialer Aufgaben durch kommunale oder freie Träger, arbeiten aber andererseits mit ihnen etwa i m Verein für öffentliche und private Fürsorge und anderweitig eng zusammen. Dasselbe Verhältnis zweier verschiedener Träger läßt sich auf anderer Ebene etwa i n der Elektrizitätswirtschaft aufzeigen. Man kann daher feststellen, daß die kommunalen Spitzenverbände insoweit eine Ausnahmestellung unter den Interessenverbänden haben, die Ausdruck des öffentlichen Charakters ihrer Mitglieder ist. I n der Praxis stehen allerdings die Fälle des Konfliktes mit anderen Interessenverbänden i m Vordergrund. Hier ging es insbesondere um die Frage der Finanzausstattung, etwa um die Grundsteuer oder die Gewerbesteuer, vor allem bei den Senkungen vor den Bundestagswahlen 1957 und 196 1 7 2 . Es ergibt sich hierbei das Problem, daß die Gemeinden auf Grund ihrer fehlenden Beteiligung i n der staatlichen Willensbildung den Interessengruppen i n den Parteien und Parlamenten selbst als solche gegenübertreten müssen, sofern nicht die Parteien die gemeinsamen öffentlichen Interessen vertreten. A n Appellen dazu hat es nicht gefehlt seitens der kommunalen Spitzenverbände, doch können sie auf Grund der Zusammensetzung der Fraktionen nur teilweise Erfolg haben. Die Aggregation dieser Interessen muß jedoch prinzipiell Aufgabe der Parteien sein. A u f einige Kriterien, die für deren Entscheidungen von Bedeutung sind, die personelle Vertretung innerhalb der Parteien und der Stellenwert der kommunalpolitischen Themen i n den Zielen der Parteien, wurde bereits hingewiesen 73 . Weniger deutlich als diese Abwehr von Interessendruck sind dagegen die gemeinsamen Interessen. Zu einer Koalition und einem gemeinsamen Handeln verdichten sich diese Beziehungen nur selten. Der Grund dürfte vor allem darin liegen, daß sich die kommunalen Spitzenverbände in den meisten Fällen als Vertreter öffentlicher Belange fühlen, für die eine Zusammenarbeit mit den Interessenverbänden eher nachteilig wäre, indem sie sie auf die gleiche Stufe stellt. I n einzelnen Fällen wurde es dennoch auf Grund praktischer Erwägungen versucht. So nahm etwa ein Landesverband des Gemeindetags mit dem Bauernverband Kontakte auf, um die Finanzausstattung der Gemeinden zu verbessern 74 . Der Erfolg dieser Bemühungen war jedoch recht gering, da der Bauernverband sich nicht sonderlich interessiert zeigte. Er ist wohl auch zu einseitig auf rein wirtschaftliche Fragen ausgerichtet 75 . Ein anderes Beispiel einer Kooperation bietet die ÖTV, die öffentlich 72
Vgl. dazu: Neue Schriften des Deutschen Städtetags Nr. 7 1961, S. 26 ff. Eine nähere Untersuchung der Willensbildung der Parteien i m Hinblick darauf wäre wünschenswert. 74 Interview. 73
I I I . Verhältnis zu anderen Interessenverbänden
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erklärte, die Gemeinden bei der Finanzreform unterstützen zu wollen, da die Finanznot der Gemeinden ihr bekannt sei 76 . Bei allen Tarifverhandlungen sind ja stets die Gemeinden die härtesten Verhandlungspartner. Ob diese Versicherung der ÖTV konkrete Auswirkungen hatte, konnte jedoch nicht i n Erfahrung gebracht werden. Sie scheinen sich auch höchstens i m Atmosphärischen bewegt zu haben. Die Ergebnisse solcher Versuche mit anderen Interessenverbänden scheinen also wohl insgesamt eher fragwürdig zu sein. Die beiden zitierten Fälle sind jedoch offensichtlich Ausnahmen in der Politik der Verbände, die die Stellungnahmen anderer Verbände zwar genau beobachten und sich darauf einstellen, jedoch nicht gemeinsame Sache machen. Einen etwas größeren Umfang haben nur die Kontakte mit den Industrie- und Handelskammern, dem D I H T und dem B D I angenommen. Dies gilt vor allem für die Bundesebene, teilweise aber auch für die Landesebene. Es betrifft die Bereiche der Regional· und Strukturpolitik, an denen diese Verbände auch interessiert sind. Der Grund für das Zusammenwirken liegt einmal darin, daß diese Verbände über gut ausgebaute Geschäftsstellen verfügen und somit über eine gewisse fachliche Kompetenz, zum anderen sind sie (DIHT) auch relativ neutral und objektiv. A u f der Bundesebene kommt dazu noch die Tatsache des relativ geringen Einflusses der kommunalen Spitzenverbände auf den Bundestag. Sie macht eine möglichst weitgehende Einigung sowohl innerhalb der kommunalen Verbände wie mit anderen Verbänden notwendig, so daß eine Koalition gebildet wird, über die das Parlament nicht hinweggehen kann 7 7 . Letztlich ist dies ein Versuch, die Entscheidungen des Parlaments durch eine Einigung außerhalb zu präjudizieren, der direkt die Folge des verringerten Einflusses i m Parlament ist. Es wäre durchaus denkbar, daß sich dies auf die Dauer für den Bundestag negativ auswirken könnte, wenn dies auch heute noch nicht der Fall ist. I n einer Reihe fachlich engbegrenzter Aufgaben ist die Zusammenarbeit mit anderen Interessengruppen dagegen institutionell organisiert i n gemeinsamen Verbänden oder Dachverbänden. Z u nennen sind hier etwa die Waldbesitzerverbände 78 , die Deutsche Straßenliga 79 , der Ver75 Vgl. etwa die Analyse von P. Ch. Lutz: Der deutsche Bauernverband, Diss. Mannh. 1967, S. 160 ff. Vgl. auch die K r i t i k von H G F Seifarth (DLT) am Bauernverband u n d an der Repräsentation bäuerlicher Interessen i n der Selbstverwaltung, i n : Die demokratische Gemeinde 1964, S. 22 f. 76 Süddeutsche Zeitung 17.4.1967, 8.3.1968 u n d 3.3.1969; Stuttgarter Zeitung 18. 3.1967. 77 Interview. 78 Die Gemeinde (Rheinland) 1954, S. 265 ff. 79 Vgl. Pohle, S. 342 ff. u n d Lehmann-Grube, S. 402.
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5. Kap.: Die Frage der Sonderbehörden
ein der nicht bundeseigenen Eisenbahnen, der Verein für öffentliche und private Fürsorge, die Deutsche Krankenhausgesellschaft, der Deutsche Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumplanung oder die Organisationen der Elektrizitätswirtschaft. I n diesen Verbänden überwiegt teilweise die fachliche Arbeit, Forschung und Beratung, zum Teil bestehen überwiegend gemeinsame Interessen, die eine gemeinsame Organisation ermöglichen. Trotzdem ist das Zusammenwirken der öffentlichen und privaten Interessen hier oft ein Problem und führt zu internen Konflikten über die oft nichts an die Öffentlichkeit dringt. Auf diese Fachverbände kann hier nicht näher eingegangen werden. I m Grundsatz besteht für die kommunalen Spitzenverbände hier ein ähnliches Problem der Koordinierung wie bei den rein kommunalen Fachverbänden und w i r d auch entsprechend durch personelle Verflechtung mit den Geschäftsstellen der Verbände zu lösen versucht, was oft nur unzureichend gelingt. Auch hier werden daher unterschiedliche Interessen zumeist von den einzelnen Verbänden selbst artikuliert.
Sechstes
Kapitel
D i e Frage der i n n e r e n Gemeindeverfassung u n d die V e r t r e t u n g der Interessen der H a u p t v e r w a l t u n g s b e a m t e n I. Die Vertretung der haupt- und der ehrenamtlich Tätigen in den Verbänden Die Haltung der kommunalen Spitzenverbände zur Frage der inneren Gemeindeverfassung ist bestimmt von der Zusammensetzung der Organe der Verbände. I n ihnen muß man vier Gruppen unterscheiden: auf der Seite der Verwaltung einmal die Hauptverwaltungsbeamten (in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen die Gemeindedirektoren/ Oberkreisdirektoren, i n den anderen Bundesländern Bürgermeister/ Landräte), die die ausschlaggebende Gruppe bilden. Daneben sind von der Seite der Verwaltung beim DST i n den Fachausschüssen zahlreiche Beigeordnete und Leiter einzelner Ämter vertreten. Für die Stellungnahme zur inneren Gemeindeverfassung ist dies jedoch ohne Bedeutung. Dies gilt auch für die Arbeitsgemeinschaften bestimmter Fachbeamter auf der Landesebene, die rein fachliche Aufgaben haben. Von Seiten der Spitzenverbände w i r d auch sorgfältig darauf geachtet, daß die Fachausschüsse nur mit ausdrücklicher Ermächtigung Beschlüsse fassen und nicht an die Öffentlichkeit herantreten sowie keine eigenen Beiträge erheben, was der Beginn der Verselbständigung zu einem eigenen Verband wäre. Der DST hat dies sogar in seiner Satzung verankert 1 . Innerhalb der Verwaltung liegt so das ganze politische Gewicht bei den Hauptverwaltungsbeamten. Dem stehen die ehrenamtlichen Kräfte gegenüber: die Bürgermeister und Landräte, die i n Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen eine besondere Rolle spielen, sowie die eigentlichen Ehrenamtlichen, die bloßen Rats- bzw. Kreistagsmitglieder. Ehrenamtliche Kräfte sind zumeist in den Hauptversammlungen der Verbände vertreten: so nach § 6 Abs. 2 der Satzung des DST mindestens zur Hälfte. Auch beim DSTGB und D L T ist dies möglich, da jedes Mitglied mehrere Stimmen hat. Dies trifft auch für die jeweiligen Landesverbände zu. Weit weniger Ehrenamtliche gibt es dagegen i n den eigentlich wichtigen Organen: Hauptausschüssen, Präsidien und Fachausschüs1
Satzung des DST § 10, ebenso Satzung ST N W § 9.
19 Geißelmann
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6. Kap.: Hauptverwaltungsbeamte u n d Gemeindeerfassung
sen. Hier ist lediglich i n den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen eine Parität beider Seiten erreicht. A u f Grund der Spannungen zwischen beiden Gruppen, die auf den Streit um die innere Gemeindeverfassung zurückzuführen sind, w i r d diese sogar bei Städtetag und Landkreistag als strikter Proporz eingehalten und ist i n der Satzung verankert für alle Organe 2 . Beim DStB überwogen unter den Vertretern Nordrhein-Westfalens i m Vorstand sogar die Ehrenamtlichen 3 . Diese sind dabei beim Landkreistag NordrheinWestfalen ausschließlich Landräte und beim Städtetag und Städtebund ganz überwiegend Oberbürgermeister und Bürgermeister, doch sind vereinzelt auch Ratsmitglieder vertreten. Diese stellten beim Städtebund Nordrhein-Westfalen sogar mit dem Landtagsabgeordneten Scheffler 1967 - 1970 den Vorsitzenden des Verbandes. Die Zusammensetzung der Organe der kommunalen Spitzenverbände hängt zweifellos von der jeweiligen inneren Gemeinde Verfassung ab. Dementsprechend ist die Situation i n den anderen Bundesländern von der i n Nordrhein-Westfalen völlig verschieden. Die Zahl der Ehrenamtlichen ist außerdem beim DST und D L T größer als beim DSTGB. I n den Ländern der süddeutschen Gemeinderatsverfassung (BadenWürttemberg und Bayern) gibt es aus dem gemeindlichen Bereich keine ehrenamtlichen Vertreter, ebenso i m Saarland und i n Rheinland-Pfalz m i t ihrer Bürgermeisterverfassung, während beim DST i m Bereich der Magistratsverfassung (Hessen und Schleswig-Holstein) wenigstens die Beigeordneten eine große Rolle spielen. Für die Stadtstaaten könnte man außerdem noch auf die Bezirksbürgermeister hinweisen, die i m DST m i t w i r k e n sowie auf die Senatoren der Hansestädte. Der Grund für diese geringe Vertretung außerhalb von NordrheinWestfalen und Niedersachsen dürfte wohl nicht in einer bewußten Politik der Verbände liegen, sondern i m Desinteresse der ehrenamtlich Tätigen. Vor 1933 war ihre Vertretung dagegen stark umstritten. Ein Hauptantrieb dafür war der Versuch einzelner Parteien, so Einfluß auf die kommunalen Verbände zu erhalten 4 . Dies ist heute nicht mehr nötig, da auch die leitenden Verwaltungsbeamten zumeist den Parteien angehören. Dies zeigt das Beispiel Baden-Württembergs. Beim Gemeindetag ist anscheinend das Problem der ehrenamtlich Tätigen noch nicht aufgetreten. Beim StV wurde es dagegen zweimal vorgebracht: einmal vom Oberbürgermeister Heidelbergs, der i n den Hauptausschuß auch ehrenamtliche Mitglieder aufnehmen wollte. Das andere 2 Satzung ST N W § 6, 7. Satzung des Städte- und Gemeindebundes N W § 10, 11, 18; Satzung L K T N W § 7, 8. 3 Geschäftsbericht DStB 1967 - 1969, S. 105 ff. 4 Vgl. dazu allgemein W. Kampmann, S. 10 ff.
I. Haupt- u n d Ehrenamtliche
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Mal griff es ein Stadtrat einer kreisfreien Stadt aus parteipolitischen Gründen auf. Der Oberbürgermeister dieser Stadt gehörte der FDP an und hatte mit seinem Stadtrat oft Schwierigkeiten. I n beiden Fällen wurde es wegen des dann zu großen Umfangs der Gremien abgelehnt 5 . Dennoch scheint insgesamt das nicht hinreichende Interesse der Ehrenamtlichen ausschlaggebend zu sein. Dazu t r i t t sicher auch die geringere Abkömmlichkeit der Ehrenamtlichen und ihre zumeist geringere Fachkenntnis, welche aber für die Organe der Verbände in hohem Maße notwendig ist. Dies zeigt sich auch am Landkreistag BadenWürttemberg, bei dem die Kreisverordneten zwar herangezogen werden, aber keine große Rolle spielen. Selbst die Gemeindetage i n Nordrhein-Westfalen hatten stets Schwierigkeiten, eine genügende Zahl von Ehrenamtlichen zu finden, wohl da Bürgermeister kleinerer Gemeinden i m Unterschied zu Oberbürgermeistern politisch nicht so stark profilierte Personen sind 0 . Die anderen Landesverbände des Gemeindetags und der ehemalige DGT waren dagegen ausschließlich aus Bürgermeistern (Hauptverwaltungsbeamten) zusammengesetzt. Die einzige Ausnahme bilden hier Lücke und Schmitt-Vockenhausen, die als Gemeindeverordnete bzw. sogar nur als Kreisverordnete gewählt wurden und somit formell der Vorschrift genügten, zugleich ein kommunales A m t innezuhaben. I n Wahrheit wurden sie natürlich als einflußreiche Bundestagsabgeordnete gewählt. Vom Gemeindebereich unterscheidet sich die Organisation des D L T auch hier. I n allen Landesverbänden sind Kreisverordnete i m Verband vertreten. Als Beispiel möge Baden-Württemberg dienen. Nach dem Stand von 1962 wirkten hier i m Hauptausschuß und i n den Fachausschüssen bei 87 Mitgliedern insgesamt 16 Ehrenamtliche mit 7 . Diese bilden mit einer Ausnahme dabei zwei Hauptgruppen: 11 Bürgermeister und 4 Abgeordnete. Der Grund für die starke Vertretung der Bürgermeister ist in der Fortwirkung der Arbeitsgemeinschaft badischer Landkreise zu sehen, die paritätisch aus Landräten und Landkreis-Selbstverwaltung (meist durch die Bürgermeister repräsentiert) aufgebaut war. Doch auch aus den anderen Regierungsbezirken kommt eine Reihe von Bürgermeistern. Den ehrenamtlich Tätigen kann man sie aber nur bedingt zurechnen, da dies ja nur i m Bereich des Landkreises zutrifft, während sie eigentlich hauptamtlich in der Verwaltung tätig sind. Ihre Mitgliedschaft hängt also weniger mit der Frage der Haupt- oder ehrenamtlichen Verwaltung zusammen, als mit der des Verhältnisses von Landkreis und Gemeinden/Im übri5
Interview. ® Interview. 7 Geschäftsbericht L K T B W 1959 - 1962. Neuere Geschäftsberichte nicht vor. 19*
liegen
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6. Kap.: Hauptverwaltungsbeamte u n d Gemeindeverfassung
gen geht die M i t w i r k u n g dieser ehrenamtlichen Kräfte zurück, vielleicht w e i l nicht einzusehen ist, warum bei den Interessengegensätzen von Landkreis und Gemeinden diese i m L K T tätig werden sollen, während doch keine Landräte in den Gemeindeverbänden vertreten sind. Eine zweite Gruppe sind die Abgeordneten, bei denen es sich um wirklich ehrenamtlich Tätige handelt. Für ihre Entsendung i n die Ausschüsse ist wohl außer ihrer sachlichen M i t w i r k u n g i n erster Linie die Verbindung zum Parlament ausschlaggebend, die dadurch gewonnen wird. Dies ist auch der Grund, daß die Landräte, die Abgeordnete sind, mit zugezogen werden. Ähnlich ist die Situation i n den anderen Landesverbänden 8 . I n Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen besteht eine strikte Parität zwischen den Oberkreisdirektoren und den Landräten und ebenso in Schleswig-Holstein mit den Kreispräsidenten. Das gleiche gilt in Hessen für die Kreistags-Vorsitzenden, von denen aber zwei D r i t t e l Bürgermeister sind. Darunter ist auch das geschäftsführende Vorstandsmitglied des Gemeindetags, das i m Vorstand des Landkreistags sitzt. Auch i n Rheinland-Pfalz und i m Saarland w i r d es ähnlich gehandhabt. Diese Zusammensetzung des Landkreistags, die i n allen Bundesländern so ist, geht offensichtlich auf eine gemeinsame Politik zurück. Dies ist u m so erstaunlicher angesichts dessen, daß die Landkreise eine weit weniger enge Beziehung zum Bürger haben als die Gemeinden. Möglicherweise ist dies gerade als ein M i t t e l gedacht, die Bürgerferne der Landkreise auszugleichen. II. Die Frage der inneren Gemeindeverfassung Die Zusammensetzung der Organe w i r k t sich zweifellos auf die Haltung der Verbände zur inneren Gemeindeverfassung aus. Zur starken Stellung der Hauptverwaltungsbeamten kommt dabei noch hinzu die Zusammensetzung der Geschäftsstellen, vor allem die Herkunft der Geschäftsführer, die ganz überwiegend aus dem Bereich der Verwaltung und nicht dem der Politik kommen. Dementsprechend werden die Interessen der Hauptverwaltungsbeamten stärker vertreten als die der ehrenamtlichen Kräfte. Dies ist für den Bereich der britischen Besatzungszone und bis zur Mitte der fünfziger Jahre in der Arbeit Rudzios nachgewiesen. Dennoch läßt sich dies nicht undifferenziert auf andere Länder übertragen. Ähnlich wie seinerzeit i n NordrheinWestfalen war es jedoch auch i n Baden-Württemberg bei der Entstehung der Gemeindeordnung und der Landkreisordnung. 8
Nach Interviews.
I I . Innere Gemeindeerfassung
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I n diesem Land bestanden vor 1933 zwei Systeme der Gemeindeverfassung, die süddeutsche Gemeinderatsverfassung i n Württemberg und die Bürgerausschuß Verfassung i n Baden. Nach 1945 wurde die Deutsche Gemeindeordnung vom 30.1.1935 wie in allen Besatzungszonen, soweit sie nationalsozialistischen Inhalt hatte, abgeändert und i n den nördlichen Landesteilen an das System der Gemeinderatsverfassung angeglichen 9 . Diese Form der Gemeindeverfassung wurde auch nicht, wie i n der britischen Zone, von der Besatzungsmacht grundsätzlich abgeändert. Über sie als Hauptform der Gemeindeverfassung bestand i n der öffentlichen Diskussion keine Meinungsverschiedenheit. Die badische Gemeindeordnung vom 23. 9.1948 (GVB1. S. 177) für Südbaden unterschied sich davon auch nicht grundlegend, da der Bürgerausschuß nicht wieder eingeführt worden war. Als wesentlichste Modifikation wurde von dieser Seite vorgeschlagen, diesen Ausschuß wieder einzuführen. Darauf w i r d hier nicht näher eingegangen, da es sich i m wesentlichen um eine Forderung der Altbadener handelte. I n Württemberg-Hohenzollern war zwar mit der Gemeindeordnung vom 14. 3.1947 (RegBl. S. 1) eine Angleichung an das französische System der Gemeindeverfassung mit ehrenamtlichem Bürgermeister geschaffen worden, was den Intentionen des Systems der britischen Zone nahekam. Dennoch wurde auch diese Verfassung in ähnlicher Weise gehandhabt wie die Gemeinderatsverfassung. Die Gemeinderatsverfassung, über die von vornherein Einigkeit bestand, ist gekennzeichnet durch eine starke Stellung des direkt gewählten Rates als Hauptorgan der Gemeinde. Er legt die Grundsätze für die Verwaltung der Gemeinde fest, entscheidet über alle Angelegenheiten der Gemeinde, soweit nicht der Bürgermeister kraft Gesetzes zuständig ist oder i h m der Gemeinderat bestimmte Angelegenheiten überträgt (§ 24 Abs. 1 S. 2 GO BW). Dennoch hat, was dem Namen der Verfassung eigentlich widerspricht, der Bürgermeister (OB) eine sehr starke Stellung, deren Grundlage die direkte Wahl durch die Gemeindebürger ist. Er ist Vorsitzender des Gemeinderats und seiner Ausschüsse, i n diesen stimmberechtigt und bereitet die Gemeinderatssitzungen vor. Er leitet die Verwaltung und führt insbesondere die Weisungsaufgaben i n eigener Zuständigkeit aus. Zweifellos ist auch in den Rechten gegenüber dem Gemeinderat eine Entwicklung zu einer „Bürgermeisterverfassung" eingetreten 10 , die von den kommunalen Spitzenverbänden tatkräftig gefördert wurde. Sehr wesentlich ist dabei die Frage der Amtsdauer des Bürgermeisters und des Landrats, die gleich geregelt sind. Sie übersteigt mit 8, bei 9 10
Pagenkopf, S. 66 f. Natürlich nicht i m Sinn der rheinischen Bürgermeisterverfassung.
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6. Kap.: Hauptverwaltungsbeamte u n d Gemeindeerfassung
Wiederwahl 12 Jahren die des Gemeinderats m i t 6 Jahren. Dies war i n der Nachkriegszeit stark umstritten. I m Zuge der Demokratisierungsbestrebungen war i n allen Bundesländern die Amtszeit auch nach der Übergangsperiode sehr kurz festgelegt worden: i n Nordwürttemberg zunächst auf 3, später auf 6 Jahre. Die Frage mußte i m Landtag erstmals behandelt werden beim Gesetz zur Angleichung des Kommunalrechts vom 13. 7. 1953 (GesBl. S. 97), und dann wieder i n der Gemeindeordnung. I m Regierungsentwurf des ersten Gesetzes war dabei zunächst eine Periode von 6/10 Jahren vorgesehen, die i m Verfassungsausschuß des Landtags auf 10 Jahre erhöht wurde. I n der 2. Lesung wurde dann auf einen überraschenden Antrag des BHE hin m i t 53 :35 :17 der Regierungsentwurf wiederhergestellt. Dieser Vorgang mobilisierte die kommunalen Spitzenverbände, die sich nun auf eine einheitliche Stellungnahme von 8/12 Jahren einigten. M i t dieser geschlossenen Front konnten sie sich auch i n der 3. Lesung, wenn auch knapp, durchsetzen 11 . Dasselbe wiederholte sich bei der Beratung der Gemeindeordnung. Auch hier trat der Verwaltungsausschuß für die längere Periode ein, i n 2. Lesung wurde es herabgesetzt auf Antrag der SPD und i n der 3. Lesung wieder die Regierungsvorlage von 8/12 Jahren aufgenommen. Die Argumentation der kommunalen Spitzenverbände war vor allem, der Bürgermeister benötige eine relativ lange Einarbeitungszeit von 2 bis 3 Jahren, so daß eine Wahlperiode von 6 Jahren zu wenig Zeit für sachliche Arbeit lasse und eine langfristige Planung, wie sie i n der Kommunalverwaltung notwendig sei, unmöglich mache 12 . Die lange Wahlperiode sei auch durch die U r w a h l des Bürgermeisters gerechtfertigt. Nur m i t ihr könne man außerdem fähige Persönlichkeiten für diese Ämter gewinnen. Es gehe also ausschließlich u m das Wohl der Gemeinde, keinesfalls um persönliche I n teressen der Bürgermeister 13 . Obwohl hier also versucht wurde, die Argumente des Gemeinwohls i n den Vordergrund zu schieben, sind dennoch die persönlichen Gründe ausschlaggebend. Dies wurde den Bürgermeistern auch vorgeworfen. Es hieß, sie argumentierten egoistisch und die Betroffenen sollten bei der Debatte nicht mitreden 1 4 . Die Befürworter einer kürzeren Wahlperiode behaupteten dagegen, 8/12 Jahre würden dem Bürgermeister eine zu starke Stellung geben und die Demokratie erfordere eine Kontrolle. Die Erfahrung seit 1953 zeigt, daß dem auch zuzustimmen ist. Die kommunalen Spitzenverbände wurden i n ihrer Haltung eindeutig von der Ministerialbürokratie unterstützt, die einerseits der Seite 11 12 13 14
L K T B W 680, W G T A k t e n zur Gemeindekammer. So der StV 11.1.1955 an den Landtag. StV Vorstand 20. 6.1955. So der Abg. Renner (SPD) i m Verwaltungs-Ausschuß 8. 2.1955.
I I . Innere Gemeindeerfassung
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der Verwaltung in den Gemeinden näherstand, andererseits das A r gument der Leistungsfähigkeit betonte. Dennoch gab ihre Haltung nicht den Ausschlag, da es sich um eine auch i n den Parteien sehr kontroverse Frage handelte, die i m Landtag in Kampfabstimmungen entschieden wurde. Hier spielten jedoch die Bürgermeister eine ausschlaggebende Rolle. Es ist daher auch nicht verwunderlich, daß sowohl 1953 wie 1955 i m Verfassungs- bzw. i m Verwaltungsausschuß, i n denen die Bürgermeister stark vertreten waren, die längere Amtszeit befürwortet wurde. Diese Ansicht wurde auch von der Mehrheit der CDU-Fraktion geteilt, ebenso wie von der FDP, die geschlossen für die längere Amtszeit war. Die SPD war i n dieser Frage gespalten. Die Mehrheit, darunter auch einzelne Bürgermeister, vertrat kürzere Wahlzeiten, um die demokratische Kontrolle zu sichern, während die Mehrheit der Bürgermeister dieser Fraktion, darunter OB Kalbfell auch die Ansicht der Spitzenverbände vertrat 1 5 . Auch i n den anderen Fragen, die die Stellung des Bürgermeisters betreffen, konnten sich die kommunalen Spitzenverbände i m Landtag durchsetzen. Dies betrifft besonders die Frage der U r w a h l des Bürgermeisters, die den Interessen der Parteien i n gewissem Umfang zuwiderläuft. Die parteipolitischen Einflüsse sind i m Gemeinderat stärker, während durch die U r w a h l der Bürgermeister selbst in mittleren Städten sowie früher vereinzelt auch in Großstädten Parteilose gewählt wurden. Die Wahl durch die Bevölkerung stieß daher auf gewissen Widerstand i m Landtag. Andererseits konnte man dieses demokratische Element nicht einfach beseitigen. Die kommunalen Spitzenverbände sahen es dagegen vor allem als eine Stärkung der Stellung des Bürgermeisters an. Dies gilt insbesondere für den WGT, der die U r w a h l zusammen mit dem Charakter des Bürgermeisters als Fachmann als die entscheidende Grundlage der württembergischen Gemeindeverfassung ansah. Diese Ansicht wurde auch vom Innenministerium geteilt. I n einer ganzen Reihe anderer Fragen gelang es, die Stellung der Bürgermeister auch gegenüber dem Gemeinderat zu stärken. Dazu zählen das Eilentscheidungsrecht, das Widerspruchsrecht und die W i derspruchspflicht des Bürgermeisters, die den Forderungen des DST entsprechen 16 , die erweiterte Kompetenz des Bürgermeisters bei der Einstellung von Bediensteten, seine originäre Zuständigkeit bei Geschäften der laufenden Verwaltung, was etwa i n Nordrhein-Westfalen nicht der Fall ist, sowie die Beibehaltung anderer wesentlicher Vor15 18
Interview. Krebsbach i n : Der Städtetag 1954, S. 54.
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6. Kap. Hauptverwaltungsbeamte u n d Gemeindeerfassung
Schriften, wie der Vorsitz i m Gemeinderat, das Stimmrecht des Bürgermeisters, die Vorbereitung der Gemeinderatssitzungen usw. Von den kommunalen Spitzenverbänden wurden die Forderungen nach einer starken Stellung des Bürgermeisters begründet m i t seiner demokratischen Legitimation. Damit konnten sie sich bei den Fraktionen auch weitgehend durchsetzen. Dafür war sicherlich die starke Vertretung der Bürgermeister und Landräte in Parteien und Landtag ausschlaggebend. Die Interessen der Ehrenamtlichen, die auf eine stärkere Kontrolle der Verwaltung hinauslaufen, wurden demgegenüber kaum vertreten, obwohl diese Belange für die Parteien eigentlich genauso naheliegen. Da diese Gruppe jedoch nicht organisiert ist, war sie i n den Fraktionen nicht so stark und so geschlossen vertreten. N u r i n einigen Randfragen wie dem Stichentscheid des Bürgermeisters oder der Zuziehung von Sachverständigen wurden weitergehende Forderungen der Verbände zurückgewiesen. Daß die Parteien jedoch nicht i n allen Fällen die Interessen der Hauptverwaltungsbeamten so stark berücksichtigen, w i r d i m Folgenden dargelegt. Auch von der Ministerialverwaltung wurden die Bürgermeister und Landräte unterstützt. Dies ist i n erster Linie auf gemeinsame Haltungen der beiden Schichten von Beamten zurückzuführen, die i n ihren Vorstellungen über eine funktionierende Verwaltung übereinstimmen. Daneben bestehen aber auch Interessen der Ministerialverwaltung, die denen der Bürgermeister parallel gehen. Dies gilt insbesondere für die ausschließliche Zuständigkeit des Bürgermeisters für die Weisungsaufgaben (§ 44 Abs. 3 GO), für die 1952 von Meyer-König eine Beteiligung des Gemeinderats vorgeschlagen wurde, soweit vom Land keine Weisungen erteilt werden 1 7 . So w i r d es auch in Nordrhein-Westfalen gehandhabt. Bei der Gemeindeordnung wurde jedoch das Interesse der Bürokratie an einer reibungslosen Durchführung der an die Kommunalverwaltung delegierten Aufgaben i n den Vordergrund gestellt. Weisungen der Fachaufsicht können gegenüber einem einzelnen Beamten leichter durchgesetzt werden als gegenüber einem gemeinsam entscheidenden Gremium. Auch innerhalb der Verwaltung wurde die Stellung der Oberbürgermeister gestärkt, indem den Beigeordneten das Stimmrecht i n Stellvertretung des Oberbürgermeisters genommen wurde. Der Städteverband nahm auch Anstoß, daß i n § 49 Abs. 4 der erste Beigeordnete als ständiger allgemeiner Stellvertreter bezeichnet w i r d 1 8 . Hier entstehe die Gefahr einer Nebenregierung. Die Verwaltung dürfe nicht i n der Hand des ersten Beigeordneten schon zusammenlaufen, sondern erst i n 17 18
Meyer-KÖnig, Grundprobleme der Verwaltungsreform, S. 26. StV B W Schreiben an den Landtag 21. 5.1955.
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der Person des Hauptverwaltungsbeamten. Trotz der M i t w i r k u n g zahlreicher Beigeordneten i m Städteverband geben also die Hauptverwaltungsbeamten dort den Ausschlag. Angesichts der insgesamt starken Stellung des Bürgermeisters kam vor allem aus der SPD der Vorschlag, in Großstädten zur unechten Magistratsverfassung überzugehen, bei der ein Magistrat aus hauptund ehrenamtlichen Beigeordneten und dem Oberbürgermeister das Exekutivorgan ist, jedoch keine zweite Kammer wie i n der echten Magistratsverfassung. Diese Verfassungsform kommt aus der preußischen Tradition und besteht heute in Hessen, Schleswig-Holstein und Bremerhaven, während sie i n Baden-Württemberg keinerlei Tradition hat. Ihre Verfechter begründeten sie zum einen mit verwaltungspraktischen Gründen, der Gefahr der Aufsplitterung der Großstadtverwaltung, in der sich oft ein Ressortdenken entwickle. Dem müsse mit einer besseren Koordinierung durch eine kollegiale Verwaltung begegnet werden 1 9 . Daneben wurde es auch mit demokratischen Argumenten begründet. Dem Oberbürgermeister werde zuviel Macht in die Hand gelegt 20 . Die Anhänger der Magistratsverfassung kamen vor allem aus der SPD. Hier ist insbesondere der Oberbürgermeister von Mannheim Heimerich zu nennen. Auch die Abgeordneten Krause, damals Beigeordneter i n Mannheim, und Bürgermeister Rimmelspacher sowie der Vorsitzende des Verwaltungsausschusses Lausen und der Abgeordnete Renner, die nicht aus der Verwaltung kamen, traten dafür ein 2 1 . Dies hatte sicher auch parteitaktische Gründe, da damals auch in Großstädten wenige SPD-Oberbürgermeister regierten, während die Stellung der Partei i m Gemeinderat stärker war. Dennoch gab wohl in erster Linie der grundsätzliche demokratische Aspekt den Ausschlag. Auch in anderen Bundesländern t r i t t die SPD vielfach für die Magistratsverfassung ein. Der parteipolitische Aspekt zeigte sich deutlich in Pforzheim, dessen Oberbürgermeister der FDP-Abgeordnete Brandenburg war. Hier faßte der Gemeinderat während der Gesetzesberatungen den Beschluß, die Magistratsverfassung nach Möglichkeit einzuführen und übersandte an den Landtag die Petition 2 2 , die Einwohnergrenze entsprechend weit herabzusetzen. Da dies als ein Versuch besonders der SPD gemeint war, den Oberbürgermeister zu entmachten, war Brandenburg i m Landtag wiederum einer der entschiedensten Gegner dieser Verfassungsform. Für die FDP spielte auch der Ge19 So die Begründung des Referenten-Entwurfs S. 45. Typisch ist, daß das Innenministerium diesen Gedanken auf eine rein praktische Frage zurückführt. 20 M d L Krause i m Verwaltungsausschuß. Protokoll v o m 28.1.1955, S. 43. 21 Interview. 22 Schreiben des OB an den Landtag v o m 25. 5.1955.
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6. Kap.: Hauptverwaltungsbeamte u n d Gemeindeerfassung
danke mit, nur bei einer U r w a h l des Oberbürgermeisters selbst Erfolgschancen zu haben, während bei einer Wahl durch den Gemeinderat, die mit der Magistratsverfassung drohte, die stärkste Partei siegen mußte. Von den Gegnern der Magistratsverfassung wurde vor allem die Unvereinbarkeit von kollegialer Verantwortung und U r w a h l des Oberbürgermeisters hervorgehoben 23 . Außerdem wurde das Argument der Bundeseinheitlichkeit vorgebracht. Diese erfordere, daß ein einzelner Beamter für den Vollzug der Weisungsaufgaben zuständig sei. Dies ist allerdings in einigen anderen Bundesländern nicht der Fall. Dies zeigt, daß das Argument rein taktisch zu verstehen ist. Der Hauptgrund für die Ablehnung ist die Schwächung der Oberbürgermeister, die deren Verständnis von ihrer Rolle nicht entspricht. Die Haltung des Städteverbands in dieser Frage war insgesamt eindeutig ablehnend. Dies t r i f f t auch für die meisten Oberbürgermeister der SPD zu, wie etwa Kalbfell und Klotz (Karlsruhe). Dennoch war der Verband schließlich nach längerer Debatte bereit, den dringenden Wunsch von OB Heimerich zu erfüllen und alternativ auch ein Konzept für eine Magistratsverfassung auszuarbeiten 24 . Auch die Haltung des Innenministeriums zur Magistratsverfassung war eindeutig ablehnend. Dennoch war dies eine rein politische Frage, und der Referentenentwurf enthielt auch Bestimmungen über die fakultative Einführung der Magistratsverfassung. Diese wurden i m Kabinett jedoch gestrichen. A u f Drängen der SPD, vor allem der Abgeordneten Lausen und Krause, führte jedoch der Verwaltungsausschuß die Möglichkeit in Großstädten die Magistratsverfassung einzuführen, mit überwiegender Mehrheit ein. Dennoch gelang es deren Gegner, die Wahlmöglichkeit i n 3. Lesung wieder zu beseitigen. Nach dem Protok o l l des Landtags erfolgte dies auf Antrag der CDU, begründet von OB Diez 2 5 . Ausschlaggebend war jedoch die Haltung der SPD. Hier hatten sich die Oberbürgermeister zusammengeschlossen und den Fraktionsvorsitzenden Möller für ihre Haltung, die Kalbfell i m Landtag schon stets vertreten hatte, gewonnen. Ausschlaggebend war dabei anscheinend unter anderem OB Klotz, nicht Abgeordneter, aber m i t Möller eng befreundet 26 . Diese offene Spaltung der SPD-Fraktion zwischen Kalbfell und Möller sowie Renner und Lausen verschaffte den eindeutigen Gegnern des Magistrats die Oberhand, und ohne Diskussion wurde sie beseitigt, wobei das Landtags-Protokoll keine Andeu23 24 25 26
StV an den Landtag 6. 4.1955. Schreiben v o m 6. 4.1955 an den Landtag. Landtag BW, 1. Periode, Beil. 1645, 1646. Interview.
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tung über den Verlauf enthält. Diese Spaltung, die in der SPD anscheinend eine beträchtliche Verstimmung mit sich brachte, war für die Haltung der Partei recht typisch. I n allen hier erwähnten Fragen war dieser Zwiespalt zu beobachten zwischen einer Politik der Demokratisierung und den Interessen der Oberbürgermeister, die ihre Stellung ausbauen wollten. Dieser Zwiespalt war auch i n anderen Bundesländern i n der SPD in gewissem Umfang vorhanden. Bei der CDU wirkten dagegen die grundsätzliche Politik und der Einfluß der Bürgermeister i n die gleiche Richtung, während bei der FDP wohl persönlicher Einfluß ausschlaggebend war. Auch gegenüber den Formen der direkten Beteiligung der Bürger hatten die kommunalen Spitzenverbände eher eine einschränkende Haltung. Dies gilt z. B. für die Einsichtnahme i n den Entwurf des Haushaltsplans, ebenso wie für die Vorschriften über die Bürgerversammlung, die auf Wunsch der Verbände von einer muß- i n eine soll-Bestimmung abgewandelt wurden (§ 20 Abs. 2). Noch wichtiger jedoch ist die Frage von Bürgerentscheid und Bürgerbegehren (§21 GO), mit denen ein Stück direkter Demokratie verwirklicht werden sollte. Der Gedanke wurde aus der Schweiz übernommen und i m Zuge der Demokratisierungsbestrebungen i n Baden-Württemberg stark vertreten. Insbesondere bildete sich eine Landesarbeitsgemeinschaft der Bürgergemeinschaften in Baden-Württemberg, die am 28.4. 1952 gegründet wurde. Sie proklamierte das Ziel, das staatsbürgerliche Bewußtsein aller Bürger zu fördern. I h r Vorsitzender war der Minister a. D. Bäuerle, i m Vorstand saßen ein Journalist, der ehemalige Geschäftsführer des Städteverbands, ein Vertreter der Arbeitsgemeinschaft Bürger i m Staat 2 7 usw. Entsprechend ihren Vorstellungen wurden i m Regierungsentwurf sehr weitgehende Vorschriften über Bürgerentscheid und Bürgerbegehren aufgenommen. Von den kommunalen Spitzenverbänden wurden diese nicht direkt abgelehnt, sondern juristische und verwaltungstechnische Einwendungen gemacht 28 . So wurden einschränkende Bestimmungen hinsichtlich der Quoren und des Katalogs der Aufgaben, über die abgestimmt werden könnte, gefordert. Insbesondere sollten ausgabenwirksame Beschlüsse verhindert werden 2 9 . Dahinter stand jedoch eine eindeutige Ablehnung, die aus Rücksicht auf die öffentliche Meinung versteckt wurde. Dies zeigt deutlich die Stellungnahme des WGT. Es sei ein Einbruch in das bewährte System der Süddeutschen Rats27 28
S. 5. 29
Eine staatlich subventionierte Einrichtung der politischen Bildung. Vgl. Württembergische Gemeindezeitung 1954, Sonderbeilage zu Nr. 8, StV B W an den Landtag 10.1.1955.
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Verfassung und eine Konzession an bestimmte Zeiterscheinungen 30 . Dementsprechend waren es i m Verwaltungsausschuß die Bürgermeister, vor allem Brandenburg, die diese Einrichtung angriffen und auch ihre Beseitigung erreichten. Dies rief jedoch eine allgemeine Welle des Protestes unter den Bürgergemeinschaften hervor, die an den Landtag zahlreiche Eingaben richteten 31 . Auch das Presseecho auf diesen Beschluß war sehr negativ 3 2 , so daß das Bürgerbegehren i n der 2. Lesung wiederhergestellt wurde unter dem Druck der öffentlichen Meinung. Allerdings wurde hier ein Katalog von Aufgaben eingefügt, über die ein Bürgerentscheid stattfinden darf, der dies wiederum stark einschränkt. A u f Grund dessen kam es seither bei der Mehrzahl der Bürgerbegehren zu Streitigkeiten um die Zulässigkeit. Vergleicht man m i t dieser Entwicklung i n Baden-Württemberg die Rolle der kommunalen Spitzenverbände i n anderen Bundesländern, so ist vor allem die ehemalige britische Zone, besonders Nordrhein-Westfalen, interessant, wo nach 1945 unter dem Druck der Besatzungsmacht ein Programm der inneren Gemeindereform durchgeführt wurde. Rudzio hat i n seiner Arbeit nachgewiesen, wie hier von Seiten des kommunalen Wahlbeamtentums traditioneller Prägung versucht wurde, seine Stellung zu verteidigen und eher noch i n Richtung auf die rheinische Bürgermeisterverfassung hin auszubauen. Dies geschah auch i n einer Koalition m i t der Ministerialverwaltung, die Interesse an der A b drängung der Räte hatte 3 3 . Diese Politik wurde auch von den kommunalen Spitzenverbänden, besonders dem DST verfolgt, in dem die Ehrenamtlichen damals keine große Rolle spielten. Es kam jedoch dadurch zu starken Spannungen i n den Verbänden. I n den Parteien konnte der K o n f l i k t nicht entschieden werden, da sie beide Gruppierungen umfassen. Dies geschah dagegen i n den Landtagen, wo die Fraktion der Bürgermeister und Landräte den Ausschlag gab, bzw. wie i n SchleswigHolstein die traditionell orientierten Parteien, bevor eine solche Fraktion entstand. Auch die Frage der Bundeseinheitlichkeit des Kommunalrechts, auf die unten i m Zusammenhang m i t dem Verhältnis zum Bund näher eingegangen wird, wurde von den kommunalen Spitzenverbänden in den Dienst der Politik der Wahlbeamten gestellt. Dies gilt schon für die Weimarer Republik, i n der die Diskussion u m eine Reichsgemeindeordnung vor allem vom DST vorangetrieben wurde 3 4 . I n diesem Zusam30 württembergische Gemeindezeitung 1954, Sonderbeilage zu Nr. 8, S. 6. 31 A k t e n des Landtags zur Gemeindeordnung. 32 Stuttgarter Nachrichten 2. 2.1955. 33 Rudzio, S. 203 ff. 34 Ziebill Städtetag, S. 98 ff.
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menhang tauchte auch die Frage der inneren Gemeindeverfassung auf. Während noch 1924 Magistrats Verfassung, Bürgermeisterverfassung und süddeutsche Gemeinderatsverfassung als gleichberechtigt angesehen wurden, kam der Verband schließlich zur Ansicht, auch die innere Gemeindeverfassung müsse vereinheitlicht werden, da von ihr andere Punkte des Kommunalrechts abhängen. Daher wurde ab 1930 die rheinische Bürgermeisterverfassung gefordert, die dem Bürgermeister den stärksten Handlungsspielraum gibt. Dies wurde vom Verband auch unter den noch zahlreichen Anhängern der Magistratsverfassung unter den Wahlbeamten durchgesetzt. Auch nach 1945 wurden diese Bestrebungen aufgenommen, hinsichtlich der inneren Gemeindeverfassung unter dem gleichen Aspekt 3 5 . A l lerdings enthielt bereits der Entwurf einer Deutschen Gemeindeordnung des DST von 1947 verschiedene Formen der inneren Gemeindeverfassung 36 . Auch nach dem Scheitern der Vereinheitlichungsbestrebungen versuchte der DST, in einzelnen Punkten eine Vereinheitlichung zu erreichen, wofür er 1954 ein Programm aufstellte 37 . Dabei ging es ihm zum einen um die Frage der Rechtseinheitlichkeit, an der der Bund ein Interesse hat. Daneben hatten aber die Vorschläge auch eine Stoßrichtung gegen die Gemeindeverfassung von Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Dies zeigen insbesondere die Forderungen, den Titel Bürgermeister (Landrat) den Hauptverwaltungsbeamten zu geben und diesen auch sämtliche Geschäfte der laufenden Verwaltung zu übertragen. Das Problem der Vereinheitlichung betrifft besonders diese beiden Länder, deren innere Gemeindeverfassung am weitesten abweicht. Gerade diese Tatsache macht aber eine Vereinheitlichung so schwierig. Sie ist schon deswegen nicht durchzusetzen, w e i l die nordrhein-westfälische Gemeindeverfassung nicht wieder zu beseitigen ist. Aber auch in anderen Bundesländern w i r d der jeweilige Zustand versucht beizubehalten. I n Nordrhein-Westfalen hatte die Diskussion um die Gemeindeverfassung zu starken Spannungen in den kommunalen Spitzenverbänden geführt. Diese bestehen auch heute noch i n den Gemeinden selbst, wie auch i n den Verbänden. Da diese Gemeindeverfassung an der Spitze einen Dualismus von Ratsvorsitzenden und Hauptverwaltungsbeamten eingeführt hat, deren Kompetenzen nicht klar voneinander abgegrenzt sind, werden sich auch innere Spannungen stets ergeben. Sie sind zwar im allgemeinen mehr latent vorhanden, doch sind sie deswegen nicht weniger tiefgreifend. Die Entwicklung ging dabei i m 35 36 37
Rudzio, S. 86 ff. Hrsg. von Ernst Böhme, Braunschweig 1947. I n : Der Städtetag 1954, S. 53 ff.
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Bereich der Großstädte dahin, daß die Oberbürgermeister ausschließlich Berufspolitiker sind und heute fast überall die gegenüber dem Oberstadtdirektor beherrschende Figur. Dabei sind diese aber, i m Unterschied zu den britischen Intentionen keineswegs unpolitische ausführende Beamte, vielmehr hat es umgekehrt zu einer verstärkten Politisierung der gesamten Verwaltung geführt. I n den Mittelstädten und den kleineren Gemeinden dagegen sind die Direktoren stärker, da hier die Bürgermeister wirklich ehrenamtlich tätig sind. Dementsprechend ist auch die Politik der kommunalen Spitzenverbände. Städtetag, Städtebund und Landkreistag sind strikt paritätisch aufgebaut, und beim Städtetag bestehen sogar eigene Konferenzen der Oberstadtdirektoren und der Oberbürgermeister, die i m Unterschied zu den Amtsleiterkonferenzen nicht fachliche, sondern zentrale politische Aufgaben haben. A u f Grund der politischen Stärke der Oberbürgermeister spielen diese auch i m Städtetag die gewichtigere Rolle, was durch das Gewicht der Verbandsbürokratie nur teilweise wettgemacht werden kann. Eine Einigung zwischen beiden Gruppen ist dabei nicht möglich, wie unten näher dargelegt werden wird. Für die Geschäftsstelle des DST hat dies zur Folge, daß sie eine Restauration des Wahlbeamtentums i m Gegensatz zu früher heute nicht mehr betreiben kann. M i t dem Ausscheiden der Personen, die seinerzeit an der Diskussion um die Gemeindeordnung beteiligt waren, wie etwa Krebsbach, hat sich die Haltung der Geschäftsstelle auch beträchtlich gewandelt. Dies geschah auch i n der Erkenntnis, daß es eine zentrale politische Frage ist, die von der Programmatik der einzelnen Parteien stark abhängt 38 . Die politische Bindung hat also hier dazu geführt, daß nicht mehr eigene Vorstellungen verfochten werden, sondern eine gewisse Neutralität gegenüber den Vorschlägen zur Gemeindeverfassung besteht. Dies ist auch i n einigen Landesverbänden zu beobachten. Stärker ist beim Städte- und Gemeindebund die K r i t i k an der bestehenden Gemeindeverfassung 39 . Auch hier besteht jedoch keine Möglichkeit des Verbandes, offen für die Wahlbeamten einzutreten. Beim früheren Gemeindetag dagegen war es immerhin möglich, daß ein Geschäftsführer diese Verfassung als aufgepfropftes britisches Edelreis bezeichnete, das wieder beseitigt werden sollte 40 . Diese Abstufung hat ihren Ursprung i n der geringeren Bedeutung der Ehrenamtlichen gegenüber den Direktoren, ebenso wie i n deren geringeren Vertretung i n den Gremien und i n der Möglichkeit der Geschäftsstellen der Gemeindetage, eine eigene Politik zu verfolgen. Trotzdem ist insgesamt von 39
Interview. Vgl. etwa Bäumer i n : Der Gemeinderat 1968, S. 190. Jedoch w a r er zum Zeitpunkt dieser Äußerungen bereits Regierungspräsident geworden. 40 Storsberg i n : Buch deutscher Gemeinden, S. 223. 39
I I . Innere Gemeindeverfassung
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den kommunalen Spitzenverbänden eine Initiative zur Änderung der Gemeindeverfassung sicherlich nicht zu erwarten. Diese w i r d dagegen auch heute noch von der Ministerialverwaltung befürwortet. Dies wurde deutlich i n einer Rede, die Innenminister Weyer auf Anregung seines Hauses 41 am 28. 4. 1967 vor dem Verband der Hauptgemeindebeamten und Beigeordneten hielt 4 2 . I n ihr bezeichnete er das Gemeindeverfassungsrecht in verschiedenen Punkten als nicht mehr zeitgemäß. Die Gemeindeordnung zeige ein tiefes Mißtrauen gegenüber der Verwaltung und die Abgrenzung der Aufgaben sei unzweckmäßig. Dies führe zu einer Überlastung des Rats, der sich dadurch nur noch aus Berufspolitikern, Verbandsfunktionären und Ruheständlern zusammensetze. Der Rat sei überfordert, während die Zukunft doch den Spezialisten fordere. Diese Gedanken schlugen sich nieder i m Regierungsentwurf einer Novelle zur Gemeindeordnung, die dem Gemeindedirektor die Zuständigkeit für alle, nicht nur für einfache Angelegenheiten der laufenden Verwaltung geben wollte und zugleich die Allzuständigkeit des Rates, sein Rückholrecht in allen dem Gemeindedirektor übertragenen Fragen, beseitigen wollte. Selbst gegen diese relativ geringe Modifikation des Gemeinderechts erhob sich jedoch ein starker Widerstand der Oberbürgermeister, als den Vorsitzenden des Rates. Dies war vor allem i m Städtetag der Fall 4 3 . A u f dessen Oberbürgermeister-Konferenz wurde einstimmig die Beibehaltung des bestehenden Rechts verlangt. Das Rückholrecht sei Eckpfeiler der kommunalen Selbstverwaltung. Es wurde dabei beschlossen, daß die Oberbürgermeister i m Landtag sich für eine Beibehaltung einsetzen sollten. Demgegenüber trat der Landkreistag für diese Änderung der Gemeindeordnung ein, was zeigt, daß hier die hauptamtliche Seite stärker ist. Da i m Landtag jedoch die Ehrenamtlichen weit stärker vertreten sind als die Direktoren, konnten sie sich auch durchsetzen. A m Landtag muß also jede Änderung der Gemeindeverfassung i n diesem Sinn scheitern. Überblickt man die anderen Bundesländer, so zeigen sich teilweise ähnliche Tendenzen wie in Baden-Württemberg. I n Niedersachsen wurde 1963 die Gemeindeordnung abgeändert, was die kommunalen Spitzenverbände als eine Anpassung an die tatsächlichen Verhältnisse begrüßten 44 . I n Gemeinden unter 2000 Einwohnern ist danach der Ge41
Interview. Ist das Gemeindeverfassungsrecht i n Nordrhein-Westfalen noch zeitgemäß? (hektographiert). Vgl. Eildienst 1967, Nr. 10/67/139 und: Die demokratische Gemeinde 1967, H. 6. 43 ST N W Geschäftsbericht 1968, S. 9 f., ST N W 6/21-36, Bd. 7, Eildienst 1968, S. 56. 44 Reissner i n : Buch deutscher Gemeinden, S. 196. 42
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6. Kap. Hauptverwaltungsbeamte u n d Gemeindeerfassung
meindedirektor zugleich Bürgermeister, was auf die Gemeinderatsverfassung hinausläuft. Auch i n den größeren Gemeinden wurde der Direktor gestärkt auf Kosten des Verwaltungsausschusses. I n Schleswig-Holstein, das die britische Reform schon früh wieder beseitigte, w i r d dies von den kommunalen Spitzenverbänden für richtig gehalten 45 . Ebenso wurde in Rheinland-Pfalz die Bürgermeisterverfassung verteidigt gegen Bestrebungen, die Magistratsverfassung einzuführen 46 . Gerade an diesem Land zeigt sich jedoch ein Wandel. Als 1974 Elemente der Magistratsverfassung eingeführt wurden, war die Stellungnahme des DST keineswegs negativ 4 7 . Man kann also den kommunalen Spitzenverbänden nicht den Vorw u r f machen, sie hätten eine einseitige Tendenz zur Stärkung der Hauptverwaltungsbeamten und sie verletzten damit die Selbstverwaltung 4 8 . Eine solche Feststellung ist vielmehr zu modifizieren hinsichtlich des generell zu beobachtenden Wunsches, die nun einmal bestehende Gemeindeverfassung und damit bestehende Machtverhältnisse beizubehalten. Außerdem w i r d die Frage auch von ausgesprochen parteipolitischen Erwägungen beeinflußt, die in gegenteiliger Richtung wirken können. Hier ist auch hinzuweisen auf Bestrebungen i n einzelnen Landesverbänden des DLT, i m Landkreis das BeigeordnetenSystem einzuführen. Dies gilt besonders für Nordrhein-Westfalen und für Baden-Württemberg, bedingt durch die Größe der Landkreise und die abnehmende Überschaubarkeit des Landratsamts. I n NordrheinWestfalen wurde die Frage aber auch von der SPD vorgebracht, die bisher i n den Landkreisen keine große Rolle spielte. I n Hessen möchte der Landkreistag aber selbst darüber hinausgehen und schlägt die Einführung der Magistratsverfassung m i t haupt- und ehrenamtlichen Beigeordneten vor, entsprechend der dortigen Gemeindeverfassung 49 . Dies unterscheidet sich etwa von der früheren Politik i n Baden-Württemberg wesentlich. Zweifellos spielt hier die Haltung der SPD eine Rolle, die für die Magistratsverfassung eintritt. Als Beispiel für eine starke Betonung des ehrenamtlichen Elements möge hier der hessische Gemeindetag genannt werden. Er hat auch große, in der Bundesrepublik einmalige Anstrengungen unternommen für die Fortbildung der Gemeinderäte. Zu diesem Zweck gründete er ein Institut, das aus Landes- und freiwilligen Gemeindemitteln finanziert wird. Ebenso ist darauf hinzuweisen, daß es in Baden-Württemberg der Landkreistag war, der die Frage der Kompetenzverteilung zwischen Kreisrat und 45 46 47 48 49
Hütterroth i n : Der Städtebund 1966, S. 132. Bogner i n : Buch deutscher Gemeinden, S. 24. Der Städtetag 1974, S. 112 f. Kampmann, S. 17 ff. Interview.
I I . Innere Gemeindeverfassung
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Kreistag aufgriff. Noch bei der Beratung der Landkreisordnung stimmte der Verband zu, daß dem Kreistag nur einzelne Aufgaben übertragen sind und der Kreisrat alle Fragen vorberät, wodurch dieses Organ eine sehr starke Stellung hat. Inzwischen wurde jedoch dies als nicht mit der Demokratie vereinbar angesehen, und es w i r d eine A b änderung gefordert 50 , die mit der Abschaffung des Kreisrats i m Gesetz zur Kreisreform erfolgte. Dahinter steht auch die Erwägung, daß der Kreisrat als ein relativ kleines Gremium die Einbeziehung der Bürgerschaft in die Selbstverwaltung, wie sie für die Entwicklung zur Gebietskörperschaft charakteristisch ist, behindert hat 5 1 . Auch an diesem Beispiel zeigt sich also ein gewisser Wandel der Auffassungen der kommunalen Spitzenverbände in den letzten Jahren. Während für die bisher behandelten Fragen der inneren Gemeindeverfassung die kommunalen Spitzenverbände durch den Korpsgeist der Hauptverwaltungsbeamten, für die dies vitale Interessen sind, einen großen Einfluß i n den Parteien und Fraktionen sowie Rückhalt bei der Ministerialverwaltung haben, gilt dies nicht für die Fragen des kommunalen Wahlrechts, auf die sie nahezu keinen Einfluß haben. Als Beispiel dafür bei der Beratung der Gemeindeordnung und der Landkreisordnung i n Baden-Württemberg kann hingewiesen werden auf das Wahlverfahren des Kreistags. Hier gibt es die Möglichkeit der echten Wahlkreise, der unechten und der echten m i t Verhältnisausgleich. Vom Landkreistag wurde i n Baden-Württemberg wegen der gleichmäßigen Vertretung der Gemeinden und der klaren Verhältnisse der echte Wahlkreis vorgezogen 52 . Die Entscheidung i m Landtag erfolgte jedoch ausschließlich nach parteitaktischen Gesichtspunkten für den echten Wahlkreis m i t Verhältnisausgleich. Andere Beispiele für solche Fragen sind die Zahl der Gemeinderatssitze, das passive Wahlrecht von Gemeindearbeitern (Interessen der SPD gegen die der Verwaltungen), das Recht auf Akteneinsicht durch eine Minderheit des Gemeinderats (Interessen der kleineren Parteien), neuerdings auch die Frage des roulierenden Wahlsystems und des Kumulierens und Panaschierens. Hier w i r d von den größeren Parteien eine Benachteiligung der kleinen und der Wählergemeinschaften angestrebt. Die kommunalen Spitzenverbände halten dagegen das bisherige System für bewährt und streben an, der Entscheidung des Bürgers möglichst viel Spielraum zu lassen 53 . Auch hier sind jedoch ausschließlich die unterschiedlichen Interessen der Parteien maßgebend. I n all diesen Fragen sind die Verbände poli50 51 52 53
Stuttgarter Zeitung 7. 8.1969, 14. 9. 1969. Interview. Interview. Geschäftsbericht StV B W 1965, S. 13 f.
20 Geißelmann
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6. Kap.: Hauptverwaltungsbeamte u n d Gemein de Verfassung
tisch ohne Gewicht, und sie sind auch als Sachverständige nicht notwendig. Dies zeigt sich auch daran, daß ihre Mitglieder, soweit sie parteipolitisch aktiv sind, auch durchaus für unterschiedliche Ziele eintreten, die jeweils von den Zielen der Parteien bestimmt werden. I I I . Die persönlichen Interessen der Hauptverwaltungsbeamten M i t den Interessen der Hauptverwaltungsbeamten hinsichtlich der inneren Gemeindeverfassung hängen ihre Interessen hinsichtlich ihrer rechtlichen Position und ihrer Bezahlung zusammen. Auch diese werden auf Grund der Zusammensetzung der Verbände von diesen mit wahrgenommen. Dies ist insofern paradox und eigentlich systemwidrig, als hinsichtlich der materiellen Fragen sich die Interessen der Hauptverwaltungsbeamten und der Selbstverwaltungskörperschaften w i dersprechen. Diese sind i n ihrer Funktion als Arbeitgeber ja auch zusammengeschlossen i m Verband kommunaler Arbeitgeber, der mit den Spitzenverbänden, vor allem dem DST, sehr eng kooperiert. Zwischen beiden besteht eine Arbeitsteilung, die die Fragen der Arbeiter und Angestellten der V K A , die der Beamten den kommunalen Spitzenverbänden überlassen hat. Daß jedoch auch i m Beamtenrecht die Interessen der Dienstherren vertreten werden, zeigt etwa die Diskussion u m die Mitbestimmung 5 4 . Hier war es ihre Politik, die Rechte der Personalvertretung innerhalb der Verwaltung möglichst einzuschränken und insbesondere die volle Entscheidungskompetenz des Rates (und damit auch der Verwaltungsspitze) zu erhalten. I n anderen Fragen des Beamtenrechts hingegen, die die Stellung der Hauptverwaltungsbeamten berühren, werden wie hinsichtlich der Bezahlung deren Interessen von den Verbänden vertreten. Auch hier können sich jedoch von den Selbstverwaltungskörperschaften unterschiedliche Interessen ergeben. Ein Beispiel ist die Frage der territorialen Reform, die sehr stark unter dem Gesichtspunkt der ausscheidenden Bürgermeister und Landräte gesehen wird. So fordern die kommunalen Spitzenverbände eine Wiederverwendung i n einem auch funktionell gleichwertigen Amt, aber auch Spezialregelungen für Versorgungslasten, die entstehen könnten 5 5 . Die Systemwidrigkeit dieses Vorgehens w i r d offensichtlich auch von den kommunalen Spitzenverbänden erkannt. I m Bereich der Gemeinden, wo es durch die große Zahl der Bürgermeister eine besondere Rolle spielt, bestehen daher neben den Spitzenverbänden auch Vereine der Bürgermeister, denen nominell die Vertretung der materiellen Inter54
Verbände und Gesetzgebung, S. 62 f. 104. Der Städtetag 1969, S. 479 -481; Der Städtebund 1969, S. 22, Eildienst 1970, Nr. 16/70/185. 55
I I I . Persönliche Interessen
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essen obliegt. Diese sind jedoch nicht mehr als die gleiche Organisation i n einem anderen Gewand. So war etwa der Vorsitzende des Vereins württembergischer Bürgermeister ein führendes Vorstandsmitglied des WGT und dessen Angelegenheiten wurden auch i m WGT-Vorstand beraten. Ähnlich war es beim Verein badischer Bürgermeister, dessen Geschäftsführer der des Verbands badischer Gemeinden war. Hier war jeweils der Vorsitzende i m einen Verband der Stellvertreter i m anderen Verband. Der Vorstand behandelte hintereinander Angelegenheiten beider Verbände, wobei nur der Vorsitz in der Sitzung wechselte, und die Mitgliederversammlungen beider Verbände fand jedes Jahr abwechselnd statt 5 6 . Auch auf der Ebene der Kreisabteilungen sind hier wie in Württemberg die Vorsitzenden weitgehend dieselben. Ähnlich ist es in anderen Bundesländern, etwa in Hessen (Geschäftsführung durch den HGT). Nur in Nordrhein-Westfalen spielt der Verband der Hauptverwaltungsbeamten und Beigeordneten unter seinem Vorsitzenden StD a. D. Koch, MdL, eine etwas eigenständigere Rolle wegen der besonderen Probleme der inneren Gemeindeverfassung. Doch auch hier bearbeiten die kommunalen Spitzenverbände die Frage der Besoldung der Direktoren. Gesonderte Vereine gibt es dagegen überhaupt nicht i m Bereich der Städte sowie der Landkreise. Wegen der geringen Zahl der Betroffenen würde sich dies wohl kaum lohnen. Wie problematisch die Vertretung der materiellen Interessen ist, kann ein Vorgang aus einem Bundesland demonstrieren. Nachdem durch Gesetz die Dienstbezüge der Landräte neu geordnet worden waren, empfahl der Landkreistag hier allen Landräten, von der Möglichkeit, das Grundgehalt unter bestimmten Bedingungen zu erhöhen, so schnell wie möglich Gebrauch zu machen. Außerdem machte er Vorschläge, wie hoch die Reisekostenpauschale zu bemessen sei. Dieses Vorgehen wurde vom Vorstandsmitglied eines anderen Verbandes k r i tisiert. I n einem Brief stellte er fest, daß die Landräte hier völlig außer Zusammenhang auf Druck des Landkreistags jährlich 2000 - 4000 D M gegenüber allen anderen Beamtenkategorien mehr bekämen und außerdem noch Bezüge anstrebten, die i m Gesetz nicht so groß vorgesehen seien. Da die Reisekostenpauschale zu hoch bemessen sei, sei es Steuerhinterziehung. Er sei erstaunt, welches Maß an Korruptheit selbst in die Schicht der höchsten Beamten eingedrungen sei, wobei selbstverständlich der Schein der Legalität gewahrt bleibe. Nachdem dieses Schreiben dem Landkreistag bekannt wurde, führte dieser Brief zu einer Verstimmung zwischen beiden Verbänden, so daß der zweite sich schließlich entschuldigen mußte. Dabei vertrat er die Auffassung, „daß dieses Gesetz Anlaß bieten wird, auch für die Bürgermeister und 56
20»
Nach den Berichten i n : Die Gemeinde (Baden).
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6. Kap.: Hauptverwaltungsbeamte u n d Gemeindeerfassung
Beigeordneten der Städte über 7000 Einwohner eine der Bedeutung ihrer Aufgaben entsprechende Verbesserung der Dienstbezüge und der Versorgung zu fordern". Diese Erwartung erfüllte sich auch in vollem Maße. Besonders problematisch ist diese Interessenvertretung noch dadurch, daß auch i m Landtag wiederum dieselbe Gruppe von Bürgermeistern und Landräten die Besoldungsgesetze mit berät und dabei wie alle Kenner der Verhältnisse bestätigen, durchaus zu ihren Gunsten aktiv wird. Die Besoldung der Wahlbeamten ist daher i m Verhältnis zu der anderer Beamter stärker gestiegen. Durch das politische Gewicht der kommunalen Spitzenverbände ist dabei sicherlich diese Beamtengruppe gegenüber anderen bevorzugt. Es ist daher kein Zufall, wenn einmal ein Bürgermeister argumentierte, nicht der Verein württembergischer Bürgermeister solle deren Interessen vertreten, sondern der WGT, da nur dieser das Anhörungsrecht nach A r t . 71 Abs. 4 der Landesverfassung habe 57 . Diese Ansicht ist sicher ein Mißverständnis, wenn nicht ein Mißbrauch dieses Artikels, denn dieser wurde zur Sicherung der Interessen der Gemeinden, nicht der der Bürgermeister, geschaffen. Sicherlich ist die Vertretung der persönlichen Interessen der Hauptverwaltungsbeamten durch die kommunalen Spitzenverbände i m Rahmen von deren Arbeit eine Randfrage. Dennoch ist sie nicht zu vernachlässigen, da sie mit dem Problem zusammenhängt, daß in den Verbänden die Sonderinteressen der kommunalen Verwaltungen vertreten werden 5 8 . Die Verbände sind auch i n dieser Hinsicht vergleichbar mit dem Bundesrat, für den ja festgestellt wurde, daß in seiner W i l lensbildung die Ministerialverwaltungen der Länder eine erhebliche Rolle spielen. Dies g i l t für die kommunalen Spitzenverbände entsprechend i n noch weit größerem Maße. Dies ist letztlich bedingt durch die Form eines Interessenverbands, die eine solche Vermischung der Aufgaben erlaubt. Auch die zuwenig gesicherte Vertretung der Ehrenamtlichen in der Willensbildung und die zu geringe Kontrolle durch die Öffentlichkeit, die in dieselbe Richtung wirken, sind darauf zurückzuführen.
57 58
Württembergische Gemeindezeitung 1969, S. 79. Verbände u n d Gesetzgebung, S. 63.
Siebentes
Kapitel
Das V e r h ä l t n i s der k o m m u n a l e n Selbstverwaltung z u m B u n d Die Probleme des Verhältnisses der kommunalen Spitzenverbände zum Bund tauchen i n dieser Arbeit nur am Rande auf. Dies bedeutet allerdings nicht, daß die Bundesebene für diese Verbände eine geringe Rolle spielt. Da immer mehr Zuständigkeiten zum Bund abwandern und die meisten Gesetze, die von den Gemeinden ausgeführt werden, Bundesgesetze sind 1 , liegt auf dieser Ebene auch der Schwerpunkt ihrer Arbeit. A u f die Frage der Kommunalverfassung und der Verwaltungsreform, die in dieser Arbeit behandelt werden, hat jedoch der Bund auch heute nur teilweise Einfluß. Daher sollen hier nur drei Fragen behandelt werden: die Interessen der kommunalen Spitzenverbände gegenüber dem Bund, insbesondere hinsichtlich der Bundeseinheitlichkeit des Kommunalrechts, der Eingriff des Bundes in das organisatorische Gefüge der Selbstverwaltung und die sich aus diesen Fragen ergebenden besonderen Formen der Interessenvertretung auf der Bundesebene. Ebenso wie auf der Landesebene das Verhältnis von Staats- und Selbstverwaltung nicht nur das gewöhnlicher Interessengruppen zum Staat ist, sondern verfassungsrechtliche Bedeutung hat, t r i f f t dies auch auf der Bundesebene zu. Die kommunalen Spitzenverbände erhalten dadurch in beiden Fällen einen besonderen Rang. Dies w i r d besonders deutlich i m Bund, indem sie hier vereinzelt, wie etwa beim Konjunkturrat, den Ländern gleichgestellt wurden. Der Bund hat nach dem Grundgesetz keine Gesetzgebungszuständigkeit für das Kommunalrecht. Ein bundesstaatlicher Einfluß auf dieses Landesrecht erfolgt lediglich durch A r t . 28 GG, der eine Garantie der Selbstverwaltung enthält. Außerdem verfügt der Bund nach A r t . 84 und 85 GG über Einwirkungsmöglichkeiten auf die Landesverwaltung, deren Bedeutung für die Kommunalverwaltung jedoch umstritten ist. I m Gegensatz zu dieser Rechtslage stehen die Versuche, eine Vereinheitlichung des Gemeinderechts auf Bundesebene zu erreichen. Dies war in der Weimarer Republik das erklärte Ziel des DST, der den Ent1 Bertram, S. 11. Arnold Köttgen, geber, Stuttgart 1957, S. 75.
Die Gemeinden u n d der Bundesgesetz-
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7. Kap.: Selbstverwaltung und B u n d
w u r f einer Reichsgemeindeordnung vorlegte 2 . Darauf wurde bereits oben kurz eingegangen hinsichtlich der Fragen, die die innere Gemeindeverfassung berühren. Diese ist jedoch für die kommunalen Spitzenverbände keineswegs der Hauptgesichtspunkt dabei. Begründet wurde die Forderung des DST in der Weimarer Zeit vielmehr mit der Unterschiedlichkeit der Gemeindeordnungen, die dazu geführt habe, daß Eingriffe des Reiches erfolgten. So seien teilweise neue Behörden und Ämter eingerichtet worden oder spezielle Ausführungsbestimmungen in den einzelnen Gesetzen erlassen worden. Außerdem sei es sachlich richtiger, wenn das Reich viele sachliche Arbeitsgebiete der Gemeinden regele, ihm auch Einfluß auf das Kommunalrecht einzuräumen 3 . Neben der inneren Gemeindeverfassung, die in das Programm des DST erst nachträglich aufgenommen wurde, betrifft dies die grundsätzliche Ausgestaltung des Selbstverwaltungsrechts, die Wahrnehmung der Auftragsangelegenheiten, die Wirkung der Gemeinde nach außen (Rechtsgeschäfte) und das Gemeindewirtschaftsrecht. Bis auf den letzten Punkt, i n dem die Einheitlichkeit auch nach 1945 weitgehend gewahrt wurde, sind diese Probleme auch heute noch vorhanden. Schon bald nach 1945 wurden die Bemühungen des DST wieder aufgenommen, die i n der Deutschen Gemeindeordnung von 1935 erreichte Rechtseinheit zu bewahren und i m demokratischen Sinn umzuformen. A u f die Geschichte dieser Bemühungen braucht hier nicht näher eingegangen zu werden, da dies i n der Literatur bereits mehrfach behandelt wurde 4 . Sie führten zum Weinheimer Entwurf, der aus gemeinsamen Beratungen der kommunalen Spitzenverbände mit Vertretern der Landesinnenministerien hervorging. I n ihm waren für alle Punkte außer der inneren Gemeindeverfassung einheitliche Vorschläge gemacht worden. Für die Landkreisordnungen führten entsprechende Beratungen zum Entwurf von Hannoversch-Münden 5 . Der D L T zog damit jedoch nur dem DST nach und hatte ursprünglich nur Richtlinien, keinen eigenen Gesetzentwurf angestrebt 6 . Diese Versuche hatten jedoch nur wenig Auswirkungen auf die Gesetzgebung der Länder, ebensowenig wie die darauf folgenden Bemühungen des DST, durch eine koordinierte Gesetzgebung der Länder eine Vereinheitlichung zu erreichen. Das Programm von fünf Punkten, das er 1954 aufstellte 7 , zeigt jedoch, 2
Vgl. Ziebill, Städtetag, S. 98 - 104. Ziebill, Städtetag, S. 100. 4 Ziebill, Städtetag, S. 104 ff.; Rudzio, S. 83 ff.; Hofmann, S. 144; Bertram, S. 22 - 32. 5 Text und Beratungen abgedruckt i n : Material zur Landkreisverfassung. 6 Material zur Landkreisverfassung, S. 30. 7 Krebsbach i n : Der Städtetag 1954, S. 53 ff. 3
7. Kap. : Selbstverwaltung u n d B u n d
311
was für den DST die Hauptprobleme sind: 1. A u f Grund der Forderung des DST war nach 1945 der Begriff der Auftragsangelegenheiten i n der Mehrzahl der Länder aufgegeben worden zugunsten des Begriffs der Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung, um so eine Einschränkung des Weisungsrechts zu erreichen. U m jedoch eine einheitliche Erfüllung gewisser, besonders staatsintensiver Aufgaben (im wesentlichen Zivilverteidigung) zu sichern, solle für diese wieder der Begriff „staatliche Auftragsangelegenheiten" und ein volles Weisungsrecht eingeführt werden. Der Hauptverwaltungsbeamte sollte dafür allein zuständig sein. I m Bereich der Weisungsaufgaben sollte dagegen die bisherige Zuständigkeitsverteilung weiter bestehen. Die sehr starke Bindung eines vollen Weisungsrechts hielt der DST angesichts der Materie für gerechtfertigt und für notwendig, da sonst die Gefahr drohe, daß der Bund eigene Behörden für diese Zwecke errichte. Dieses Argument wurde besonders i m Zusammenhang m i t den Notstandsgesetzen vorgebracht, und das unbeschränkte Weisungsrecht wurde i n dieser Zeit auch in allen Bundesländern eingeführt 8 . 2. Der Hauptverwaltungsbeamte sollte i n allen Ländern den Titel Oberbürgermeister (Bürgermeister) führen, u m eine einheitliche Terminologie der Bundesgesetze zu ermöglichen. 3. Der Bürgermeister sollte einheitlich für die Geschäfte der laufenden Verwaltung zuständig sein (nicht nur für die „einfachen" Geschäfte, auch nicht der Gemeinderat). 4. Der Bürgermeister sollte eine Beanstandungspflicht und ein -recht gegenüber Gemeinderatsbeschlüssen besitzen. 5. Die Form Vorschriften für Verpflichtungsgeschäfte sollten einheitlich sein. Die Diskussion über eine Vereinheitlichung des Gemeinderechts wurde i n erster Linie vom DST geführt. Aber auch der DGT beschäftigte sich mit diesem Thema. I n einer Kommission unter Vorsitz Prof. Beckers wurden 1954 Leitsätze für einen Musterentwurf aufgestellt 9 , die noch weiter gingen als der entsprechende Vorschlag des DST und nahezu ein Rahmengesetz hätten bilden können. Es zeigte sich jedoch, daß dies i m DGT keinen Rückhalt hatte und auf persönliche Anschauungen Prof. Beckers zurückging. Die Landesverbände lehnten jede Vereinheitlichung ab und blockierten die weitere Arbeit i n dieser Richtung. A n ihrer strikten Ablehnung einer Bundeseinheitlichkeit hat sich auch bis heute nichts geändert. So zeigt sich hier wie in anderen Sachfragen, daß der DST unter den kommunalen Spitzenverbänden am stärksten bundeseinheitliche Lösungen bevorzugt. Den Grund kann man sicherlich auch i n der bereits erwähnten zentralistischen Organisation des DST sehen. Beson8 9
z. B. i n B W : § 129 Abs. 3 GO. J. Göb, K o m m u n a l p o l i t i k , S. 106 - 108.
312
7. Kap. : Selbstverwaltung und B u n d
ders die gut ausgebaute Bundesgeschäftsstelle vertritt die Argumente der Bundeseinheitlichkeit. Dazu kommt aber noch, daß die Städte durch ihre Größe eher i n der Lage sind, zum Bund i n ein unmittelbares Verhältnis zu treten. Sie können ihre Interessen beim Bund selbst vertreten, während dies für die Masse der Gemeinden nicht möglich ist. Der K o n f l i k t m i t den Ländern, zu dem dies führen muß, ist für sie eher möglich als für die kleineren Einheiten. Vom Bund erwarten die Städte wohl auch eine stärkere Förderung als durch die Länder. Die kleinen Gemeinden sind hingegen der Ansicht, daß ihre Interessen bei den Ländern am besten vertreten sind. I n ihrer Haltung zwischen den beiden Verbänden stehen die mittleren Städte und der DLT. Es stellt sich auf Grund dieses Strebens nach bundeseinheitlichen Lösungen, das nicht nur auf das Kommunalrecht beschränkt ist, die Frage, ob man den kommunalen Spitzenverbänden, wie dies Pohle t u t 1 0 , einen Zentralismus unterstellen darf, der bereit sei, den Föderalismus zu schwächen. Schon die bisherigen Ausführungen zeigen, daß davon keine Rede sein kann. Zum einen ist der Zentralismus keineswegs bei sämtlichen Verbänden vorhanden. Der DGT war eher zu föderalistisch. Aber auch die Forderungen des DST sind nicht zentralistisch, sondern eher defensiv ausgerichtet. Er befürchtet, der Bund könne gravierendere Eingriffe beschließen, um so die einheitliche Ausführung seiner Gesetze, die i m Sozialstaat unentbehrlich ist, zu sichern. Dies gilt noch mehr für die erwähnten hoheitlichen Aufgaben. Daneben können dadurch auch punktuelle Eingriffe des Bundes, auf deren Problematik unten eingegangen wird, verhindert werden. Die kommunalen Spitzenverbände stimmen hier insoweit m i t den Interessen des Bundes überein. Hier wie in anderen Fragen ist das Streben des DST nach bundeseinheitlichen Lösungen mehr Ausdruck schon vorhandener politischer Verflechtungen als eine bewußt verfolgte Politik des DST. Daß die kommunalen Spitzen verbände mit dem Bund gemeinsame Interessen gegenüber den Ländern haben, widerspricht dem nicht. Es darf auch nicht übersehen werden, daß der DST keineswegs einheitlicher Auffassung in der Frage der Bundeseinheitlichkeit ist. Dies zeigten die Beratungen, die über die Große Anfrage zur weiteren Entwicklung des föderativen Systems stattfanden 11 . Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände übergab der Bundesregierung für ihre Beantwortung eine Stellungnahme, insbesondere über die Frage, ob der Bund auch i n Zukunft auf jegliche Kompetenz auf dem Gebiet des Gemeinderechts verzichten könne. I m Entwurf der Geschäftsstelle des DST wurde auf die früheren Argumente hingewiesen, die 10 11
Pohle, S. 359 - 361. Bundestagsdrucksache V/3099 v. 27. 6.1968. A k t e n DST 0/04 - 25, Bd. 2.
7. Kap.: Selbstverwaltung u n d B u n d
313
an Aktualität nicht verloren hätten. Wenn eine Angleichung nicht erreicht werde, solle der Bund daher eine Rahmenkompetenz erhalten. I m Rechts- und Verfassungsausschuß sowie i m Präsidium wurde dieser Entwurf jedoch völlig umgestaltet. Eine einheitliche Amtsbezeichnung, eine gleiche Verteilung der Zuständigkeiten, eine Koordination der Verwaltungsreformbestrebungen durch den Bund und jede Rahmenkompetenz des Bundes wurden ausdrücklich abgelehnt. Dabei wirkten sowohl die süddeutschen Landesverbände (besonders Bayern) wie Nordrhein-Westfalen (etwa in der Frage der Amtsbezeichnung und der inneren Gemeindeverfassung überhaupt) mit. Auch i m DST sind heute die Landesverbände so stark, daß eine Bundeseinheitlichkeit des Kommunalrechts abgelehnt wird. Dem schloß sich auch die Bundesvereinigung an, wobei nur der DStB protestierte 12 , da es eine Modernisierung des Föderalismus verhindere. Die Frage einer Vereinheitlichung des Kommunalrechts wurde besonders aktuell bei der Verwaltungs- und Gebietsreform, die die Gefahr einer weiteren Auseinanderentwicklung i n den einzelnen Ländern brachte, sowohl hinsichtlich der Leistungsfähigkeit der Selbstverwaltung wie in der Frage des 3- oder 4stufigen Verwaltungsaufbaus. Auf Grund der Ausführung von Bundesgesetzen in der kommunalen Ebene ist dies für den Bund von großer Bedeutung. Als Argumente für ein Eingreifen des Bundes in die Verwaltungsreform wurde daher angef ü h r t 1 3 : seine Gewährleistungspflicht für die kommunale Selbstverwaltung, die Vergleichbarkeit der Rechtsanwendung, die sich aus dem Prinzip der Bundestreue ergebe, die Schaffung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse, die ja auch Ziel der Raumordnung sei, und die Bedeutung für das kommunale Finanzsystem. Die Gefahr einer unterschiedlichen Entwicklung bestand vor allem anfangs, als einzelne Länder mit der Reform begannen. Demgegenüber wurde von der Seite der kommunalen Spitzen verbände eingewandt 14 , daß eine Reform ja letzten Endes eher in Richtung auf eine Vereinheitlichung führen werde und somit diese Bedenken gegenstandslos seien. Immerhin wurde aber doch von Seiten des Bundes für möglich gehalten, daß über längere Zeit die Länder unterschiedlich sich entwickelten 1 5 , eine Gefahr, die durch das rasche Fortschreiten der Reform i n immer mehr Ländern an Bedeutung tatsächlich verliert. Von den Spitzenverbänden wurde eine Bundeskompetenz in dieser Frage ebenfalls überwiegend abge12
Vgl. Berkenhoff i n : Der Städtebund 1968, S. 225 - 227. Rüdiger Göb, Das Bundesinteresse bei der kommunalen Gebiets- u n d Verwaltungsreform, i n : Der Landkreis 1967, S. 375 - 378. 14 Stellungnahme der Bundesvereinigung an das Innenministerium zur BT-Anfrage Drucksache V/2414 v. 20.12.1967. 15 R. Göb, Bundesinteresse, S. 371. 13
314
7. Kap.: Selbstverwaltung und Bund
lehnt, wohl auf Grund der unterschiedlichen Ansichten der vier Verbände untereinander, aber auch um die in den Landesverbänden jeweils verfolgte unterschiedliche Politik nicht zu stören. Lediglich der Städtebund schlug auch hier eine Rahmenkompetenz des Bundes vor 1 6 . Da dies jedoch nicht geltendes Recht ist, konnte der Bund sich nur als ehrlicher Makler anbieten 17 . Darüber hinaus wurde von dieser Seite auch vorgeschlagen, die kommunalen Spitzenverbände sollten hier vereinheitlichend wirken, indem sie eine Führungsrolle in der Verwaltungsreform übernehmen 18 . Dies solle durch die Entwicklung von ganzheitlichen Vorstellungen für die Verwaltungsreform und durch eine darauf folgende Koordinierung der Entwicklung in den Ländern geschehen. Dieses Konzept, das auf einen Ersatz einer Bundeskompetenz durch das Wirken der Verbände hinausläuft, wäre i n der Tat ein Uberspielen des Föderalismus. Es muß jedoch festgestellt werden 1 0 , daß die kommunalen Spitzenverbände, wenigstens in ihrer derzeitigen Form, dazu ganz und gar nicht in der Lage sind. Eine Einigung zwischen den vier Verbänden über die Verwaltungsreform ist nicht möglich, wie sich i m Verlauf der Arbeit an den diametral entgegengesetzten Interessen gezeigt hat. Dies war auch das Ergebnis von gemeinsamen Beratungen in der Bundesvereinigung auf der Referentenebene, die schon nach kurzer Zeit wieder abgebrochen wurden 2 0 . Aber auch innerhalb der Verbände ist eine Einigung kaum möglich. Dies zeigen die Versuche, einheitliche Stellungnahmen zu erarbeiten. Eine solche gibt es detailliert nur beim DStB 2 1 , während der DST als ein Verband, der von den Reformen gewinnen wird, darauf aus taktischen Gründen verzichtet hat. Aber auch hier ist die Politik etwa des nordrhein-westfälischen Verbandes ganz anders als die anderer Landesverbände, schlug Frankfurt ein Regionalstadt-Modell ohne Abstimmung m i t dem Verband vor, brachte der Städteverband Baden-Württemberg den erweiterten Stadtkreis in die Diskussion zu einer Zeit, in der der DST ihn de facto für abgeschrieben hielt. Auch innerhalb des DST besteht also keine Einigkeit über das Vorgehen. Dagegen arbeitete der DGT gemeinsame Stellungnahmen aus. Soweit sie die Reform der kleinen Gemeinden betreffen, sind sie aber nichtssagend 22 . Es werden 16
Berkenhoff i n : Kommunalwirtschaft 1967, S. 364 ff. So i n der Beantwortung der erwähnten Anfrage Drs. V/3248. 18 R. Göb, Erstarrung oder Aufbruch, S. 7 f. Ebenso Innenminister Weyer nach Eildienst 1972, S. 47. 19 Ganz i m Gegensatz zu Pohles These v o m Zentralismus der Verbände. 20 Interview. 21 Grundsätze des DStB i n : Der Städtebund 1968, S. I f f . sowie Berkenhoff, ebd. 1969, S. 139 f. u n d 1967, S. 181 - 183. 22 Stärkung der Verwaltungskraft der kleinen Gemeinden 1966. Partnerschaft statt Eingemeindung 1970. 17
7. Kap.: Selbstverwaltung u n d B u n d
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hier lediglich die einheitliche größere Gemeinde und verschiedene Formen der Verwaltungsgemeinschaft ohne Wertung nebeneinander gestellt. Zum Stadt-Umland-Problem wurde dagegen mit dem Nachbarschaftsverband eine etwas deutlichere Aussage getroffen, um die Polit i k des DST abzuwehren. Beide Resolutionen wurden jedoch nur mit großer Mühe den Landesverbänden abgerungen, die teilweise eine Aussage des Bundesverbandes für völlig unnötig hielten 2 3 . Die Resolution zum Nachbarschaftsverband wurde dann auch nicht von allen Landesverbänden verwendet. Deutlicher als der DGT war der DLT, der die Notwendigkeit einer Kreisreform anerkannte und Grundsätze zur Kreisentwicklung beschloß 24 . Jedoch schon dieser Begriff zeigt, daß auch i m D L T manche Landesverbände eine klare Aussage vermeiden wollten. Von Seiten des Bundesverbandes wurde argumentiert, man komme nicht umhin, i n so zentralen Fragen Vorstellungen der Öffentlichkeit zu unterbreiten. Dies ist schon für die Abwehr zu weitgehender Vorstellungen notwendig. Für die einzelnen Landesverbände hingegen ist es eine Frage der Handlungsfreiheit. Ihre Ziele hängen stark von der bereits vorhandenen Situation i m Lande ab, und sie wollen ihre Taktik jeweils der politischen Situation des Landes anpassen können. Der Verlauf der Verwaltungsreform hängt daher stets von der unterschiedlichen politischen Situation der einzelnen Länder ab und führt zu jeweils sehr unterschiedlichen Kompromissen. Allerdings wurde gezeigt, daß die Interessenlage gewisse Gemeinsamkeiten aufweist, weshalb die generelle Tendenz dieselbe ist. Das Verhältnis von Bund, Ländern und Gemeinden war besonders strittig bei der Auslegung von A r t . 84 und 85 GG. Die beiden A r t i k e l regeln die Kompetenz, Gesetze über Einrichtung von Behörden und über das Verwaltungsverfahren sowie allgemeine Verwaltungsvorschriften zu erlassen sowie den Umfang der erlaubten Weisungen des Bundes bei Ausführung von Bundesgesetzen als eigene Angelegenheiten der Länder (Art. 84) bzw. als Bundesauftragsverwaltung (Art. 85). Da die Gemeinden ca. 75 °/o der Bundesgesetze ausführen, sind diese A r t i k e l auch für sie von erheblicher Bedeutung. Strittig war zwischen Bundestag und Bundesrat lange Zeit, ob der Ausdruck Behörden in diesen A r t i k e l n auch kommunale Behörden umfaßt oder ob diese als durch das Kommunalrecht geregelt dem Zugriff des Bundes entzogen sind. Da es sich dabei stets um Zustimmungsgesetze handelt, konnte sich der Bundesrat zumeist durchsetzen. Dabei ergaben sich verschiedene Streitpunkte 2 5 . 23 24
Interview. Beilage zu Der Landkreis 1967, Heft 7.
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1. Ein Bundesgesetz bestimmt, daß die Gemeinden bestimmte Aufgaben als Selbstverwaltungs- oder als Auftragsangelegenheiten ausführen. So wurden etwa die Aufgaben i m Jugendwohlfahrtsgesetz, i m Bundessozialhilfegesetz und i m Bundesbaugesetz zu Selbstverwaltungsaufgaben erklärt, i m Flüchtlingsnotleistungsgesetz zu Auftragsangelegenheiten. I n dieser Frage unterstützten die kommunalen Spitzenverbände zumeist die Auffassung des Bundes. Sie sehen bei ihm i n dieser Frage ihre Interessen besser gewahrt. Während die Länderministerien den Gemeinden wesentlich näherstehen als der Bund und Interesse an einem direkten Einfluß auf diese haben, ist der Bund hier neutral. Da es sich um Landesauftragsangelegenheiten für die Gemeinden handelt, kann er nicht direkt eingreifen. Daher w i r d er sich eher für die Gemeinden entscheiden. Hier zeigt sich also, daß das Verhältnis zu den Bundesministerien ein ganz anderes als zu den Landesministerien ist. 2. Strittig war weiter, ob durch Bundesgesetz nicht die Gemeinden als solche, sondern bestimmte bestehende gemeindliche Organe als zuständig erklärt werden können. Dies geschah etwa beim Flüchtlingsnotleistungsgesetz, das den Hauptverwaltungsbeamten anstelle des kollegialen Organs für zuständig erklärt. Der Bundesrat stimmte hier nur zu aus Zeitnot, nicht aus Überzeugung und lehnte solche Regelung später entschieden ab. Für die ehemalige britische Zone ist dies auch einer der Kernpunkte der Gemeindeverfassung. Ein Eingriff darin würde daher als besonders gravierend empfunden. Etwas anders liegen dagegen die Fälle des Bundesseuchengesetzes und des Gesetzes zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten, die sich beide unmittelbar an das Gesundheitsamt wenden. 3. Durch bestehende bundesgesetzliche Regelungen können die Gemeinden zur Errichtung bestimmter Organe verpflichtet werden oder unmittelbar Organe oder Behörden gebildet werden. So war es etwa beim Jugendwohlfahrtsgesetz (Jugendamt), beim Bundesbaugesetz (Gutachterausschüsse) und beim Personenstandsgesetz (Standesbeamter). Von den kommunalen Spitzenverbänden w i r d diese Form des Eingriffs abgelehnt, da sie die Verwaltung an eine bestimmte Organisation bindet und diese dadurch unelastisch wird. 4. Es kann bundesrechtlich vorgeschrieben werden, daß bestimmte Angelegenheiten i m Wege der Satzung beschlossen werden, ob und durch welche Behörde diese Satzung der Genehmigung bedarf. Mehrere solcher Regelungen enthält das Bundesbaugesetz. Für die kommunalen Spitzenverbände sind sie unproblematisch, und sie anerkennen 25 Vgl. allgemein: R. Göb i n : Buch deutscher Gemeinden, S. 124 ff. Er geht aber nur auf die ersten 4 Punkte ein.
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ihre Notwendigkeit. Als weiteren Fall kann man anführen: 5. die Festlegung eines bestimmten Trägers (Landkreis oder Gemeinden) für einzelne Aufgaben. So war es etwa der Fall beim Bundesbaugesetz (Gemeinden) oder beim Bundessozialhilfegesetz (Landkreise). Eine solche Festlegung w i r d vom DSTGB abgelehnt, da er eine Bevorzugung der Landkreise befürchtet und da eine Delegation von Aufgaben, wenn eine bundesrechtliche Regelung getroffen ist, nicht mehr möglich ist. So schließt etwa das Bundessozialhilfegesetz die Großen Kreisstädte in Baden-Württemberg von einer Reihe von Aufgaben aus, was der sehr unterschiedlichen Leistungskraft der kreisfreien Städte nicht gerecht wird. Der StV BW und der DStB griffen das Gesetz daher stark an, doch konnten sie nur eine teilweise Änderung erreichen 26 . Ein weiterer strittiger Punkt war zeitweise, ob durch Bundesgesetz die Anhörung der Gemeinden vor der Durchführung bestimmter Maßnahmen von Bundes- und Landesstellen vorgeschrieben werden kann. Von den Ländern w i r d dies heute gebilligt 2 7 . A u f die rechtliche Argumentation, die Bundesrat einerseits, Bundesregierung und Bundestag sowie kommunale Spitzenverbände andererseits vorbrachten, braucht in dieser A r beit nicht eingegangen zu werden 2 8 . Entscheidend sind die verfassungspolitischen Gesichtspunkte. Der Bund befürchtet in erster Linie eine in den Ländern unterschiedliche Ausführung der Bundesgesetze auf Grund der unterschiedlichen kommunalen Organisation. Bei bestimmten Fällen legt er auch Wert auf ein unbeschränktes Weisungsrecht und insbesondere auf die Ausschaltung des Rats zugunsten des Hauptverwaltungsbeamten. Außerdem handelte es sich für ihn vielfach um die Normierung bereits bestehender oder notwendiger Gemeinsamkeiten. Die kommunalen Spitzenverbände, die hier weitgehend dieselbe A n sicht vertreten, stimmen dem i n den meisten Fällen zu auf Grund der Einsicht in die sachliche Notwendigkeit, aber auch auf Grund der m i t dem Bund einheitlichen Interessen. Diese ergeben sich daraus, daß zur Bundesverwaltung nicht der Interessengegensatz, wie er für die Landesverwaltung typisch ist, besteht. Für die Länder hingegen bedeuten solche Eingriffe des Bundes einen Eingriff in eine Kernmaterie des Landesrechts, das Kommunalrecht. Sie sehen dies als besonders nachteilig an, weil dies ein erster wesentlicher Schritt wäre, die Gemeinden als gleichberechtigte Glieder i m Föderalismus anzuerkennen. Dies w i r d besonders deutlich an der Aussage eines Berichterstatters i m Bundesr a t 2 9 : „Die Länder können es nicht zulassen, daß die Gemeinden unter 26
s. o. 2. K a p i t e l I I . August Krebsbach, Bundesauftragsangelegenheiten und Gemeinden, i n : Der Städtetag 1961, S. 7 - 10, S. 8. 28 Vgl. dazu Maunz / Dürig, A r t . 84 Rdnr. 25 m i t weiterer Literatur. 29 Sitzungsbericht Nr. 150 v. 6.12.1955, S. 363 A. Zitiert i n DST Geschäftsbericht 1955/56, S. 8. 27
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dem Protektorat vielleicht des DST allmählich als dritte Säule ihre verfassungsmäßige Anerkennung finden." Außerdem stellt sich für die Länder das Problem, daß neben dem allgemeinen Kommunalrecht ein zweites Kommunalrecht entsteht, das für bestimmte Fälle neben die allgemeinen Regelungen t r i t t und sich mit diesen überschneidet. Nachdem das Problem bei mehreren Bundesgesetzten strittig gewesen war, schlug der DST in Übereinstimmung mit den anderen Verbänden auf der Hauptversammlung vom 27./28. 6. 1958 vor, die Frage grundsätzlich zu lösen und eine Kommission aus Vertretern des Bundes, der Länder, der kommunalen Spitzenverbände und der Wissenschaft einzuberufen 30 . Dies wurde auf der Ministerpräsidentenkonferenz i m Oktober 1958 von Bürgermeister Brandt auch zur Beratung gestellt, ein Beispiel wie der DST durch die drei Stadtstaaten i m Bundesrat wirken kann. Nachdem die Länder ohne die Stadtstaaten (!) berieten, erklärten sie sich dazu bereit, eine Kommission aus drei Innenministern (Meyers, Lemke und Renner) zu bilden (jedoch ohne den Bund). Diese trat 1959 und 1960 auch mehrfach zusammen und beriet dabei sowohl über die Streitfrage der A r t . 84 und 85 wie über das grundsätzliche Verhältnis von Gemeinden und Bund und die Beziehungen der kommunalen Spitzenverbände zum Bundesrat. Eine Einigung wurde jedoch nicht erzielt. I n der ersten hier zunächst zu behandelnden Frage führte dies schließlich auch zu einem Vorschlag des Bundesratsausschusses für innere Angelegenheiten und der Innenminister-Konferenz. Danach sollten in allen Bundesländern durch synchrone Gesetze das Verfahren des Zugriffs des Bundes i n Auftragsangelegenheiten auf die Gemeinden geregelt werden. Später wurde ein Übereinkommen zwischen Bund und Ländern vorgeschlagen 31 . Damit wäre das Problem der Unterschiedlichkeit der Ausführung der Gesetze gelöst gewesen. Beides scheiterte letztlich an den Staatskanzleien der Länder, die die Entstehung eines zweiten Kommunalverfassungsrechts ablehnten. Die Frage der Zulässigkeit eines solchen Eingriffs wurde dann geklärt durch das Bundesverfassungsgerichts-Urteil vom 18. 7. 196732, das zu den entsprechenden Bestimmungen des Bundessozialhilfegesetzes und des Jugendwohlfahrtsgesetzes erging. I n ihm wurde festgestellt, daß das Kommunalrecht in der ausschließlichen Zuständigkeit der Länder liegt. Der Bundesgesetzgeber kann nur dann eingreifen, wenn es sich um eine „punktuelle Annexregelung" einer zur Zuständigkeit des 30 Vgl. zum Folgenden: DST Geschäftsbericht 1958/59, S. 7 - 9 ; 1959/60, S. 7; 1960/61, S. 7 f.; 1961/62, S. 6. 31 Göb i n : Buch deutscher Gemeinden, S. 125 - 127. Krebsbach i n : Der Städtetag 1961, S. 8. 32 Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 22, S. 209 ff.
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Bundesgesetzgebers gehörenden materiellen Regelung handelt, und wenn diese Regelung für den wirksamen Vollzug des Gesetzes notwendig ist. Damit ist die Erklärung einer Materie zur Selbstverwaltungsangelegenheit unmöglich, doch kann in organisatorische Fragen eingegriffen werden, wie dies auch für die beiden Gesetze i n einzelnen Bestimmungen gebilligt wurde. Als Problem ergibt sich daraus, daß eine einheitliche Regelung damit unmöglich ist und die Gefahr von Fall zu Fall ganz unterschiedlicher Regelungen sich vergrößert. Eine Lösung des Gesamtkomplexes dieser Frage ist also nicht erreicht. Auch der Entwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes, der auch die Gemeinden einbezieht 33 , bringt dafür keine Lösung. Neben den bisher behandelten Themen der Vereinheitlichung des Gemeinderechts, der Bemühungen um eine einheitliche Verwaltungsreform und des Streits um Art. 84 und 85 ist insbesondere die sehr wesentliche Frage der Finanzverfassung zu nennen. Hier ist es den kommunalen Spitzenverbänden gelungen, m i t der Grundgesetz-Änderung vom 24.12.1956 durch die Einführung der Realsteuergarantie die kommunale Selbstverwaltung erstmals i m Finanzsystem des Grundgesetzes zu verankern, was für die weitere Entwicklung von außerordentlicher Bedeutung war 3 4 . I n der Finanzreform wurde dies noch weiter ausgebaut. A l l diese Fragen ordnen sich ein in das Bemühen der kommunalen Selbstverwaltung, zum Bund i n eine unmittelbare Beziehung zu treten und gleichberechtigt zu werden. I n der Literatur w i r d dies mit dem Schlagwort bezeichnet, die Selbstverwaltung wolle dritte Säule des Staates werden, oder sie strebe gleichsam einen „doppelten Föderalismus" an 3 5 . I n einem solchen System würden die kommunalen Spitzenverbände gleichsam die Funktion übernehmen, die der Bundesrat für die Länder ausübt. Solche Bestrebungen prägten zweifellos das B i l d der kommunalen Spitzenverbände i n den letzten Jahren der Weimarer Republik. Hier verfolgte der DST unter seinem Präsidenten Mulert i m Rahmen der Reichsreformbestrebungen eine Politik, die Gemeinden den Ländern gleichzustellen. Mulert wollte einen dezentralisierten Einheitsstaat schaffen auf der Grundlage starker und leistungsfähiger Selbstverwaltungskörper 3 6 . Diesem Zweck sollte neben einem verstärkten Einfluß des Reiches auf das Kommunalrecht (Reichsstädteordnung, Ausübung der Kommunalaufsicht durch das Reich, Kommunalausschuß i m Reichstag, Kommunalreferate i m Reichsinnenministerium) auch ein 33 34 35 36
Musterentwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes. 2. Aufl. K ö l n 1968. Vgl. dazu Göb i n : Buch deutscher Gemeinden, S. 111 u n d Pohle, S. 360. Göb i n : Buch deutscher Gemeinden, S. 111; Pohle, S. 362. Ziebill, Städtetag, S. 359 f.; vgl. Hof mann, S. 91 ff.
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verstärkter Einfluß der Gemeinden auf das Reich dienen. Die Erörterungen dazu gingen von einem verstärkten Einfluß i m Reichswirtschaftsrat 37 über eine Gemeindekammer bis zu den in sich konsequentesten Gedanken Mulerts, die allerdings vom DST nicht offiziell gebilligt wurden. Er schlug vor, den Reichsrat nicht nur aus den Ländern, sondern auch aus Vertretern der Gemeinden zusammenzusetzen. Er sollte zugleich gestärkt werden durch einen eigenen Präsidenten und durch ein Einspruchsrecht i n allen die Selbstverwaltung betreffenden Fragen 38 . Die Wahl von Vertretern für den Reichstag sollte durch Wahlkörperschaften stattfinden, die auf Reichsebene konstituiert werden sollten. Damit hätte es sich um Vertreter der gesamten kommunalen, nicht der regionalen Interessen gehandelt. I n welcher Beziehung dies zu den kommunalen Spitzenverbänden stehen sollte, wurde nicht geklärt. Ein gewisses Vorbild hatte dieser Gedanke i m Preußischen Staatsrat (und vor 1918 i m Herrenhaus), in den auch Kommunalbeamte als Vertreter der Provinzen entsandt waren. Dieser Vorschlag bezog seine Rechtfertigung aus dem Begriff der öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaft, der erst i n der Weimarer Republik für die Gemeinden üblich wurde. I m Unterschied zur Auffassung des 19. Jahrhunderts, das den Gegensatz zum Staat betonte, erhielten damit die Gemeinden den ihnen als demokratische Institution i m Staat zustehenden Platz. Es zeigt sich darin ein Wandel des Selbstverständnisses der Städte. Dies mußte aber zugleich bedeuten, daß eine Aushöhlung der Länder einerseits von innen heraus, andererseits von dem zunehmenden Verlust an Aufgaben an das Reich bzw. den Bund bedroht würden. Dies gilt heute i n besonderem Maße. Aus diesem Grund stieß der Vorschlag auf den Widerstand der Länder. Nach 1945 wurde diese Politik nur i n wesentlich eingeschränkter Form aufgenommen. Auf Grund des heftigen Widerstandes der Länder, für den oben bereits ein Beispiel zitiert wurde, gab auch der DST bald alles, was i n diese Richtung wies, auf. Immerhin besteht auch heute bei den kommunalen Spitzenverbänden die Meinung, die tatsächliche Bedeutung der Gemeinden sei rechtlich nicht genügend zum Ausdruck gebracht 39 . Es bleiben als Streitfragen vor allem die Beziehungen der Gemeinden zum Bund, die von den Verbänden ganz anders gesehen werden als von den Ländern. Das Mißtrauen der Länder wurde angesichts der Initiative des DST, die dieser 1958 ergriff, um die Beziehungen Bund-Länder neu zu gestalten wieder geweckt. Hier wurde von der Länderseite der Vorwurf 37 38 39
Hofmann, S. 94. Hofmann, S. 91 - 98. Fuchs, S. 389.
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geäußert, die Städte wollten bundesunmittelbar werden. Der DST strebte jedoch wesentlich begrenztere Ziele an. Neben der bereits erwähnten Frage von A r t . 84 und 85 waren dies die verbesserten Beziehungen zu Bundesrat und zu den Landesregierungen sowie ihren gemeinsamen Arbeitsorganen 40 . Die Vorstellungen gingen dabei vor allem auf eine verbesserte Anhörung i n den Bundesrats-Ausschüssen sowie auf eine M i t w i r k u n g von kommunalen Vertretern i n Länderausschüssen41. I n der ersten Frage konnte kein wesentlicher Fortschritt erreicht werden. Während den Verbänden sowohl ein M i t w i r k e n ähnlich dem der Ländervertreter i n den Bundestags-Ausschüssen vorschwebte, empfahl die Ministerpräsidentenkonferenz lediglich zu prüfen, ob Kommunalvertreter als Sachverständige nach § 18 der Geschäftsordnung des Bundesrats gehört werden könnten 4 2 . I n der anderen Frage, der Zusammenarbeit mit den Ausschüssen der Länder, hat sich lediglich ein gutes Zusammenwirken ergeben mit dem Arbeitskreis I I I (Kommunalwesen) der Arbeitsgemeinschaft der Innenminister der Länder. Das Verhältnis zum Bundesrat ist deswegen bedeutsam, weil die Interessen der Gemeinden nach der bisherigen staatsrechtlichen Theorie von den Ländern mit vertreten werden, d. h. konkret i n der Willensbildung auf der Bundesebene i m Bundesrat. Dies ist auch durchaus i n gewissem Umfang der Fall, wenn die Interessen der Länder und Gemeinden parallel gehen. I n Punkten, in denen sich die Interessen beider Ebenen widersprechen, haben die Länder jedoch stets ihre eigenen Belange vorgezogen. Eine stärkere Berücksichtigung der Gemeinden ergab sich erst in jüngster Zeit durch die Stellungnahme der Konferenz der Innenminister, die ja wiederum innerhalb der Länder kommunale Belange vertreten sollen. Zwischen ihrem Vorsitzenden und den kommunalen Spitzenverbänden kam es zu einer Reihe von Kontakten 4 3 , bei denen eine bessere gegenseitige Information und die Möglichkeit der Stellungnahme gegenüber der Konferenz vereinbart wurde. Außerdem wurde die Forderung der kommunalen Spitzenverbände nach M i t w i r k u n g an der Gesetzgebung der Länder und nach stärkerer Einschaltung des Innenausschusses des Bundestags und des Bundesrats unterstützt, ebenso wie das Verlangen des D L T nach Herstellung der Einheit der Verwaltung und einer besseren Finanzausstattung der Kommunen. Zum letzten Punkt faßte die Konferenz auch eine offizielle
40
DST Geschäftsbericht 1959/60. Göb i n : Buch deutscher Gemeinden, S. 116. 42 Göb i n : Buch deutscher Gemeinden, S. 117. 43 Der Landkreis 1973, S. 216 f., 1974, S. 141. Der Städte- u n d Gemeindebund 1973, S. 104 f., 1974, S. 151 - 153. 41
21 Geißelmann
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Entschließung 44 . Diese Kontakte gehen offensichtlich auf die Initiative des Vorsitzenden, Innenminister Schwarz, zurück, der selbst früher Bürgermeister gewesen war. Inhaltlich ist es teilweise eine Weiterentwicklung der Politik, die Schwarz in Rheinland-Pfalz verfolgt. Diese Politik ist durchaus vergleichbar m i t der anderer Ministerien, über die Grenzen der Länder und der staatlichen Ebenen hinweg zusammenzuarbeiten, Ressortegoismus und Vertretung von Gruppeninteressen zu verbinden. Allerdings unterscheidet sie sich davon insofern, als hier durchaus auch Punkte unterstützt werden, die den Interessen der Länder widersprechen. Wie weit diese Verbindung sich als tragfähig erweisen wird, muß sich jedoch erst noch zeigen. Eine wesentliche Wandlung der Stellung der kommunalen Spitzenverbände trat jedoch ein m i t dem Ausbau der Institutionen des kooperativen Föderalismus und der Beteiligung der Verbände daran. Auslösend dafür war i n erster Linie die Frage der Konjunkturpolitik. Angesichts des großen Anteils der Selbstverwaltung an den Investitionen der öffentlichen Hand versuchte schon Bundeswirtschaftsminister Erhard zur Steuerung der K o n j u n k t u r auf die Ausgaben der Gemeinden einzuwirken, insbesondere sie i n der Hochkonjunktur zu dämpfen. Die kommunalen Spitzenverbände, besonders der i n erster Linie betroffene DST reagierten hierauf jedoch zunächst abwehrend gegen die staatliche Intervention, wie dies auch dem Charakter der Selbstverwaltung entspricht. Andererseits war die Notwendigkeit einer Einbeziehung der Gemeinden angesichts ihres Anteils an den Investitionsausgaben der öffentlichen Hand unbestreitbar. Ihre Haltung wandelte sich erst, als sich die Möglichkeit einer gesamtstaatlichen, Bund, Länder und Gemeinden übergeordneten Planung und einer Beteiligung der Gemeinden daran abzeichnete. Dies war durch das Troeger-Gutachten über die Finanzreform und die vorausgehende öffentliche Diskussion angeregt worden. Eine gesamtstaatliche Finanzplanung wurde von den kommunalen Spitzenverbänden entschieden befürwortet. Sie strebten damit einen Beitrag zur Urteilsbildung, zur hauswirtschaftlichen Sicherung und eine Orientierungshilfe nach Bedarfsschwerpunkten an 4 5 . Auch wenn eine direkte Bedarfsplanung abgelehnt wird, so dient der Finanzplanungsrat doch der Integrierung der gesamtstaatlichen Finanzpolitik, die sich zugunsten der Gemeinden auswirken wird. Diese waren ja zuvor aufgrund ihrer unzureichenden Stellung i m Bundesstaat das schwächste Glied bei der Finanzverteilung gewesen.
44
Der Städtetag 1973, S. 323 f. « Eildienst 1970, Nr. 162 und: Der Städtetag 1969, S. 177 ff.
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Dies änderte sich grundsätzlich mit der Schaffung des K o n j u n k t u r rats der öffentlichen Hand durch das Stabilitätsgesetz (§ 18) und des Finanzplanungsrats, der 1968 durch eine Vereinbarung des Bundeskanzlers und der Ministerpräsidenten gegründet wurde und i m Haushaltsgrundsätzegesetz vom 19. 8.1969 verankert wurde (§ 2, 51, 52). Allerdings war die Zusammensetzung beider Gremien zwischen Bund und Ländern umstritten, auch i m Hinblick auf die Beteiligung der Gemeinden. Dies geht parallel mit der Unentschiedenheit, die das Stabilitätsgesetz hinsichtlich der direkten Einwirkungsmöglichkeiten auf die Gemeinden enthält 4 6 . Sie geht zurück auf die unklare Rolle der Gemeinden i m Bundesstaat und findet ihren Ausdruck auch darin, daß i n den beiden Räten unterschiedliche Lösungen gefunden wurden. Während die Gemeinden i m Konjunkturrat durch vier Mitglieder der kommunalen Spitzenverbände repräsentiert sind, werden die vier kommunalen Mitglieder i m Finanzplanungsrat auf Vorschlag der Verbände durch den Bundesrat bestimmt. Ähnlich wurde es beim Gemeinsamen Ausschuß für Kulturarbeit gehandhabt, der auf eine Initiative des DST zurückgeht 47 . Diese Form der Räte bedeutet für die kommunalen Spitzenverbände eine ganz neue Form der Beteiligung am föderalen System. I m Gegensatz etwa zu den Beiräten handelt es sich hier um die Beteiligung an echten staatlichen Organen, wobei die Gemeinden den Ländern völlig gleichgestellt sind. Dies entspricht also dem früher vom DST entworfenen Modell eines dreistufigen Verwaltungsaufbaus. Bemerkenswert sind diese Räte auch insofern, als hier die Verbände anstelle der Gemeinden oder von ihnen gewählter Vertreter tätig werden. Dies bedeutet zweifellos eine Anerkennung dieser Verbände durch den Staat, wenn auch diese Räte über wenig exekutive Kompetenzen verfügen. Fragt man sich aufgrund der Tätigkeit der beiden Räte, welche praktische Bedeutung sie für die Gemeinden haben können, so ist zunächst festzustellen, daß die Willensbildung sich sehr stark an den Gesetzen der Bundespolitik orientiert 4 8 . Gemeinden und Länder verhalten sich i m allgemeinen reaktiv. Die Koordination zwischen den verschiedenen Ebenen vollzieht sich dabei „eindeutig von oben nach unten, nicht gleichzeitig auch von unten nach oben". I n der Argumentation der Länder spielen unterschiedliche politische Traditionen und Strukturen, materielle Interessen der Gesamtheit der Länder und parteipolitische Gesichtspunkte eine Rolle. Den Gemeinden ist dagegen an einer Information über ihre eigenen Bedürfnisse und deren Berück4β Vergleiche dazu i m einzelnen: Matzerath, S. 249 - 251. Der Städtetag 1971, S. 388. 48 Das Folgende zusammenfassend nach Matzerath, S. 264 - 269.
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sichtigung gelegen. Sie bemühen sich um eine betont korrekte und loyale Haltung, was ja auch schon bei anderen Fragen festgestellt wurde, und versuchen, die zwischen ihnen vorhandenen Interessengegensätze nicht hervortreten zu lassen. Angesichts der fehlenden Entscheidungskompetenzen können die beiden Räte aber nicht als politische Entscheidungsorgane gelten. Es handelt sich vielmehr u m „interessenwahrende Konsultativorgane". Vom Bund, der sich dieser Gremien nur fallsweise bedient, und den Ländern, die auf die unmittelbaren Bund-Länder-Beziehungen ausweichen, werden dabei die Räte nicht favorisiert. Für die Gemeinden ergibt sich dagegen durchaus die Möglichkeit, sachlich Gehör zu finden. Es handelt sich insgesamt um eine weitgehend unpolitische, fachliche Koordination 4 9 . Hinter der Beteiligung der Länder an der Willensbildung des Bundes durch den Bundesrat stehen diese Organe also noch weit zurück. Konjunkturelle Steuerung und Finanzplanung sind nur ein Ausschnitt aus dem umfassenderen Problem der gesamtstaatlichen Planung. Die Entwicklung der Verwaltung ist ja von zwei Grundtendenzen gekennzeichnet: der ständigen Zunahme der Verwaltungsaufgaben und der Verschiebung des Schwergewichts von der Eingriffsverwaltung auf die Aufgaben der Daseinsvorsorge, besonders i m Bereich der Infrastrukturpolitik. Daraus ergibt sich eine zunehmende Verflechtung der verschiedenen Aufgaben und eine Durchdringung der Kompetenzen der verschiedenen staatlichen Ebenen, sowie insgesamt eine starke Verlagerung von Aufgaben nach oben. Das Grundgesetz ging ursprünglich von einer reinlichen Trennung der verschiedenen Aufgabenbereiche auf ihre jeweiligen Träger aus. M i t der Einführung der Gemeinschaftsaufgaben wurde dies für einzelne Bereiche zugunsten einer Kooperation aufgegeben. Allerdings umgreift diese nur Bund und Länder, die Gemeinden sind daran nicht beteiligt, insofern als sie i n den BundLänder-Ausschüssen zur Durchführung der Gemeinschaftsaufgaben keine Beteiligung durchsetzen konnten 5 0 . Ihre Belange werden hier durch die Länder m i t vertreten. Auch außerhalb dieser Aufgaben hat jedoch faktisch die Kooperation stark zugenommen. Aufgrund dessen wurde von der Enquete-Kommission für Verfassungsreform eine gemeinsame Rahmenplanung von Bund, Ländern und Gemeinden vorgeschlagen 51 , die unabhängig von einer gemeinsamen Finanzierung „ i n den Sachbereichen, die für die Entwicklung 49
Matzerath, S. 269. B V der kommunalen Spitzen verbände am 26.1.1970 nach: Der Städtetag 1970, S. 128. 51 Enquete-Kommission f ü r Fragen der Verfassungsreform: Zwischenbericht. (BT-Drs. VI/3829 hier zitiert nach: Fragen der Verfassungsreform. Bonn 1973, S. 73 - 88.) 50
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der Bundesrepublik Deutschland von Bedeutung sind" die integrierten Aufgabenplanungen der einzelnen Ebenen zusammenfügen soll. Zum Verfahren wurde ein Planungsausschuß des Bundes und der Länder vorgeschlagen, der nach Anhörung der Länderparlamente Empfehlungen ausarbeiten soll, die vom Bundestag und Bundesrat zu billigen sind. Nach den Vorstellungen der Kommission sollten also die Gemeinden darin nicht vertreten sein, wenn auch ein Vorbehalt gemacht wurde, daß die Einbeziehung der Gemeinden und Gemeindeverbände noch zu erörtern sei 52 . Gegen diese Vorstellungen richtete sich die K r i t i k der kommunalen Spitzenverbände, die auch für diesen Bereich eine Lösung wie i m Konjunkturrat anstrebten 53 . Die Beteiligung sollte gleichrangig und verfassungsrechtlich gesichert sein. Dies wurde damit begründet, daß die Gemeinden als Grundlage des demokratischen Staates demokratisch legitimiert seien. Sie trügen gleichzeitig die Hauptlast der Versorgung des Bürgers und führten die meisten Gesetze aus. Die Bereiche, die durch die gemeinsame Rahmenplanung betroffen würden, berühren auch i n besonderem Maße die kommunale Planungshoheit. Die Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände hat demnach zwei Ziele: die zunehmende tatsächliche Bindung der Kommunen auszugleichen durch eine gleichrangige Einbeziehung i n das Planungsverfahren, und der Selbstverwaltung die notwendigen Freiräume zu erhalten. Daher wurde auch gefordert, daß die gemeinschaftliche Planung sich tatsächlich auf die Erarbeitung von Rahmenplänen beschränkt 54 . Die kommunalen Spitzenverbände sind sich durchaus der erheblichen Problematik des kooperativen Föderalismus bewußt, der zu einer Verringerung des lokalen Spielraumes und durch die Verbindung von Aufsicht und Koordination zu einer umfassenden Steuerung führen kann 5 5 . Stellt man sich insgesamt die Frage, ob die Politik vor allem des DST einen Zentralismus und eine Bedrohung des Föderalismus darstellt, so muß dies verneint werden. Dies gilt auch nicht für die Weimarer Republik. Auch hier wurde eine Stärkung der Selbstverwaltung insgesamt angestrebt, wenn dies auch teilweise auf Kosten der Länder geht. Insgesamt sind die Bemühungen der vier Verbände jedoch defensiv auf die Beibehaltung des autonomen Raumes der Gemeinden gerichtet. 52
Enquete-Kommission S. 76. DST u. D L T i n : Der Städtetag 1973, S. 469 f. I n der Sache gleich der DSTGB i n : Der Städte- u n d Gemeindebund 1974, S. 25 f. und 275. 54 Der Städtetag 1973, S. 469 f. A n m . 2. 55 F ü r den Finanzplanungsrat vgl. Matzerath, S. 284 f. 53
Schluß I n dieser Arbeit wurde versucht, anhand der wichtigsten Probleme der Interessenvertretung der kommunalen Spitzenverbände die Frage zu beantworten, wie weit sich die Zusammensetzung ihrer Mitgliedschaft, die sie ja von anderen Verbänden wesentlich unterscheidet, ausw i r k t auf die Organisationsform, Verbandsziele, A r t des Vorgehens und Effektivität der Verbände. Davon hängt auch die Beantwortung der Frage ab, ob die kommunalen Spitzenverbände zu den Interessenverbänden gerechnet werden müssen oder nicht. Sie selbst bestreiten dies ja ganz entschieden. A m gründlichsten setzte sich mit dieser Frage bisher der ehemalige Hauptgeschäftsführer des DST Otto Ziebill auseinander 1 . Aus der Zusammensetzung der Verbandsmitglieder schließt er, daß andere Verbände einschließlich der Fachverbände der öffentlichen Hand Gruppeninteressen vertreten, während es bei den kommunalen Spitzenverbänden Gesamtinteressen seien. Allerdings anerkennt er, daß letztere nicht m i t dem Gesamtinteresse des Staates identisch sind, ebenso wenig wie dies für die Interessen der Länder gilt. M i t diesen vergleichbar vertreten sie die kommunalen Gesamtinteressen aller Einwohner von Gemeinden. Daher seien es Gesamtinteressenverbände der öffentlichen Hand 2 , gehörten also nicht zu den Gruppenverbänden. Es seien Verbände sui generis. Gerade diese Formulierung zeigt jedoch, daß es sich i m wesentlichen um einen bloßen Streit der Begriffe handelt. Wenn auch die besonderen Funktionen dieser Verbände unbestritten sind 3 und auch i n dieser A r beit deutlich wurden, so ist doch die entscheidende Frage, wieweit die Kategorien der Verbandsforschung für die Erforschung dieser Verbände nützlich sind. Es hat sich jedoch gezeigt, daß dies durchaus der Fall ist. Zunächst soll hier zusammenfassend auf den inneren Aufbau und die organisatorischen Probleme eingegangen werden, die mit anderen I n teressenverbänden prinzipiell vergleichbar sind. A u f Grund der Vielfalt der räumlich differenzierten Interessen der Gemeinden besteht für die kommunalen Spitzenverbände das Problem ihrer Kohäsion bzw. das der gesamten Selbstverwaltung i n besonderem 1 Die kommunalen Spitzenverbände als Interessen verbände?, i n : A f K 1968, S. 207 - 233. 2 Ebd., S. 225. 3 Ebd., S. 226.
Schluß
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Maße. Dies hat zur Organisation in drei bzw. vier Verbänden geführt, die zwar in manchen Punkten gemeinsame Interessen haben, zwischen denen jedoch eine Einigung bisher nicht möglich war. Dies behindert zweifellos den kommunalen Einfluß ganz wesentlich, besonders auf der Bundesebene, auf der die Einflußnahme sowieso schwierig ist. Es ist daher durchaus denkbar, daß von diesem Gesichtspunkt aus i n Zukunft ein Einheitsverband augestrebt wird. Es bleibt allerdings fraglich, ob der damit verfolgte Zweck erreicht wird. Bei strittigen Fragen, i n denen bisher durch die intensive Zusammenarbeit der Verbände doch eine gemeinsame Formel gefunden wurde, zeigte sich, daß die widerstrebenden Interessen dennoch i n den politischen Institutionen vertreten wurden. So war es etwa beim Bundesraumordnungsgesetz, wo auch nach der Einigung in der Bundesvereinigung der DST i m Bundestag nur mit großer Mühe Formulierungen erreichen konnte, die seinen Interessen entgegen kamen. Einer Einigung auf der Ebene der Verbände sind also schon von hier aus Grenzen gesetzt. Dies gilt auch i n gewissem Umfang für die innerhalb der Verbände divergierenden Interessen. Einzelne große oder einflußreiche Mitglieder, aber auch Gruppen von Mitgliedern können ihre Interessen unter Umständen selbst vertreten, wozu sie auf Grund ihres Charakters als politische Verbände und ihrer Kontakte m i t den politischen Institutionen i n der Lage sind. Auch durch die teilweise recht gute Information der Mitglieder ist das bei anderen Verbänden zu beobachtende Übergewicht der Verbandsführung hier nur sehr eingeschränkt vorhanden. A u f der anderen Seite gibt es eine ganze Reihe für die Verbände charakteristischer Faktoren, die i h r Gewicht wesentlich erhöhen. Z u nennen ist vor allem die hohe politische Aktivierung der Mitglieder selbst. Neben der Auswirkung auf die Interessenvertretung, die teilweise von den Mitgliedern direkt unterstützt wird, ist darauf hinzuweisen, daß dies zu einem Organisationsgrad von praktisch 100 °/o geführt hat. Dadurch ist die Legitimation der Verbände gegeben, für ihren Bereich zu sprechen 4. Dazu kommt als ein sehr wesentliches Element, daß die Selbstverwaltung sowohl rechtlich anerkannt ist, wie auch i n den Programmen aller Parteien eine große Rolle spielt. Die Verbände können sich also auf eine Ideologie stützen, die auch i n der Öffentlichkeit weitgehend Anerkennung findet. Allerdings kann nicht übersehen werden, daß bei aller Anerkennung sie doch durch einen praktischen Zentralismus unterlaufen wird. Der Gedanke der kommunalen Selbstverwaltung befindet sich daher heute überwiegend i n der Verteidigung. Dem ent4
Eckstein, S. 23 ff.
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Schluß
spricht auch die taktische Situation der Verbände, deren Interessen i n vielen Punkten ja i n der Verhinderung eines Eingriffs i n ihren Bereich durch den Staat bestehen, also in der Verhinderung einer Entscheidung. Wenn dies auch nur für einen Teil ihrer Arbeitsgebiete zutrifft, so erklärt sich doch daraus der von manchen kritisierte Konservativismus dieser Verbände. Dieser zeigte sich ja etwa an der Verwaltungsreform, die i m wesentlichen von außen an die Selbstverwaltung herangetragen wurde. Von Eckstein wurde festgestellt, daß die offizielle Politik der Regierung, die Struktur des Entscheidungsprozesses, die Haltungen der Verbände und ihrer Adressaten die Form, Umfang und Intensität und Effektivität der Politik der Verbände bestimmen 5 . Dies läßt sich auch deutlich an den kommunalen Spitzenverbänden zeigen. Für Umfang und Intensität ist der wichtigste Faktor die Regierungspolitik 6 . Es wurde gezeigt, daß sowohl die Entstehung dieser Verbände auf die Eingriffe in die Selbstverwaltung und die zunehmende Verknüpfung der politischen Ebenen zurückzuführen ist, wie auch heute ihre Arbeit i n erster Linie durch die Reaktion auf die Arbeit der Regierung bestimmt ist. Daß daneben auch die Haltung der Verbandsmitglieder, ihr Charakter als politische Verbände ihre Tätigkeit wesentlich erleichtert hat, wurde bereits festgestellt. Für die Form des Einflusses sind zwei Faktoren von besonderer Bedeutung: die Strukturen des politischen Entscheidungsprozesses und die Haltungen der Beteiligten. Zweifellos ist auch i n der Bundesrepublik festzustellen, daß durch die Stärke von Ministerien und Regierung diese für die Verbände die entscheidenden Adressaten sind. Für die Selbstverwaltung ist jedoch die Situation dadurch etwas anders, als sie durch ihren Interessengegensatz zur Ministerialverwaltung und durch die relativ starke Vertretung i n den Landtagen, soweit die Inkompatibilität nicht eingeführt ist, sich auf diese i n starkem Maße stützen kann und muß. Andererseits wurde festgestellt, daß auf Grund der teilweise mehr fachlichen Denkweise der Verbandsführung und auf Grund ihrer überparteilich-neutralen Haltung der Lobbyismus i m eigentlichen Sinn zumeist nur eine geringe Rolle spielt. Dazu trägt auch die Unabhängigkeit der Abgeordneten von ihren Verbänden bei. Die Beeinflussung der Parteien und Fraktionen ist auch dadurch behindert, daß die kommunalen Verbände politisch neutral sein müssen und daß eine Beeinflussung der Parteien durch eine Masse ihrer Mitglieder, durch die Finanzierung und durch die Wahlentscheidung nicht möglich ist. Nur auf dem Umweg über die sachliche Arbeit zugunsten bestimm5 6
Ebd., S. 38. Ebd., S. 27.
Schluß
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ter Bevölkerungs- und damit Gemeindegruppen übt auch dieses Argument einen Einfluß auf die Parteien aus. Von einzelnen Verbänden wie dem DST und dem DGT auf der Bundesebene oder dem HGT wurde diese Möglichkeit auch bewußt ausgenutzt. Der wesentliche Einfluß auf die Parteien und Fraktionen erfolgt jedoch über die Mitgliedschaft von Kommunalpolitikern i n diesen. Diese Beziehung ist jedoch charakterisiert durch das Eindringen der Parteien in die Selbstverwaltung, nicht umgekehrt. Daher sind die Parteien hier zweifellos der dominierende Faktor. Das Verhältnis zu den Ministerien zeichnet sich dadurch aus, daß auf beiden Seiten die gleiche Schicht von Personen vorhanden ist. Durch die gemeinsamen Werte und Haltungen ist also der Zugang für die Verbände erleichtert. Daher bevorzugen diese auch die Zusammenarbeit mit den Ministerien. Andererseits spielen dadurch die Informationen und das Prestige der Fachleute nicht die Rolle wie bei anderen Verbänden. Vielmehr wurde festgestellt, daß i n wesentlichen Fragen ein Interessengegensatz besteht, wodurch eine Durchsetzung der kommunalen Interessen sehr erschwert wird. I n anderen Fragen besteht hingegen das in der Literatur beschriebene enge Klientel-Verhältnis 7 zwischen den Ministerien und den ihnen zugeordneten Ministerien auch i n diesem Fall. Dieses baut auf auf der Solidarität der allgemeinen inneren Verwaltung und auf dem organisatorischen Zweck der entsprechenden Abteilung des Innenministeriums, die eine Schutzfunktion für die Selbstverwaltung ausübt, auch gegenüber anderen Ministerien und den m i t ihnen verbundenen Verbänden. Es ist jedoch nicht bestimmt durch einen personellen Einfluß der Verbände auf die M i n i sterien. Wenn in gewissem Umfang auch heute noch ein personeller Austausch zur Selbstverwaltung h i n stattfindet, der von den Verbänden unabhängig ist, so erleichtert dies die Durchsetzung der kommunalen Interessen, ebenso wie die Herkunft der meisten Innenminister aus der Kommunalpolitik. Die Möglichkeiten und Grenzen des Einflusses der kommunalen Spitzenverbände sind sehr verschieden zu beurteilen, je nachdem ob es sich um Interessenkonflikte zu anderen Verbänden, zu den zentralen Instanzen oder innerhalb des kommunalen Bereichs selbst handelt. Die bestimmenden Faktoren für ihre Effektivität sind die Struktur des Entscheidungsprozesses und Gruppencharakteristiken, auf die bereits eingegangen wurde. Der kommunale Einfluß ist bei einer starken Rolle des Parlaments, besonders wenn in diesem eine Front über die Parteigrenzen hinweg zustande kommen kann, besser gesichert als bei der 7 Ebd., S. 49 f.; W. D. Narr Stuttgart 1971, S. 227.
und F. Naschold,
Theorie der Demokratie.
330
Schluß
Ministerialverwaltung, besonders in Fragen, in denen zu dieser ein Interessengegensatz besteht. Die Erwartung, i m Parlament bei der kommunalen Fraktion auf Widerstand zu stoßen, ist sogar wesentlich für die Haltung der Ministerialbeamten, wobei die Macht der Verbände auch überschätzt werden kann 8 . Betrachtet man das Gewicht der drei kommunalen Gruppen i m Verhältnis zueinander, so zeigt sich, daß die soziale Bedeutung der Gemeinde für den Bürger größer ist als die der Gemeinschaft der Kreise. Dies gilt auch für die Verwaltungsfunktionen, die bei den Gemeinden wesentlich umfangreicher sind. Andererseits gewinnt der Landkreis laufend an Bedeutung, und es sind überlokale Lösungen der Aufgaben nötig. Dennoch haben die Gemeindeverbände von dieser Seite her insgesamt ein größeres Gewicht als die Landkreisverbände, was aber durch andere Faktoren wieder wettgemacht wird. Dazu gehört vor allem die Divergenz der Interessen, die zwischen großen und kleinen Gemeinden besteht und zu mehreren Verbänden geführt hat. Demgegenüber sind die Landkreise eine relativ einheitliche Gruppe. Es kann also festgestellt werden, daß das kommunale Lager und damit auch die „Bürgermeisterfraktion" keineswegs einheitlich ist, und so einem stärkeren Einfluß Grenzen gezogen sind. Die Stärke i m Verhältnis zu den anderen Gruppen ist wesentlich davon bestimmt, daß diese einen weit direkteren Einfluß i n den Parteien ausüben. Wieweit die Selbstverwaltung sich dagegen durchsetzen kann, hängt daher i n starkem Maße davon ab, wie weit die Parteien auf Grund ihrer politischen Ziele die kommunalen Spitzenverbände unterstützen. Daran w i r d besonders deutlich, daß die Parteien als selbständige Teilnehmer des politischen Prozesses zu betrachten sind, nicht wie die Gruppentheorie annahm, als Resultat des Wirkens der Verbände. Man kann sicherlich feststellen, daß die politische Macht der kommunalen Spitzenverbände geringer ist als die anderer Interessenverbände, die große Gruppen der Gesellschaft umfassen. Daher ist es besonders problematisch, wenn die Inkompatibilität eingeführt w i r d ohne Ausgleich für die Gemeinden. Wieweit die Parteien dem dann einseitigen Interessendruck standhalten können, muß bezweifelt werden. Das wichtigste Charakteristikum der kommunalen Spitzenverbände liegt zweifellos in der A r t der Mitglieder und daraus folgend der Interessen, die von ihnen vertreten werden. Es lassen sich dabei vier Grundtypen der Interessen feststellen: diejenigen der Körperschaften als solche, von denen die Belange der Bevölkerung nur i n geringerem a
a l o r
o a t i e
S.
2.
Schluß
331
Ausmaß berührt werden. Als Beispiele wurden die Verteilung der Gewichte zwischen Landkreis und Gemeinden und die Mittelstadtfrage genannt. I n anderen Fragen, z. B. in der Stadt-Umland-Frage, i n der Gebietsreform generell, den Finanzfragen usw. sind die Interessen der gesamten Bevölkerung einer bestimmten kommunalen Gruppe unmittelbar betroffen. Daneben werden in einzelnen Fragen auch Sonderinteressen der Verwaltung, besonders der Hauptverwaltungsbeamten vertreten. Ein vierter Komplex, in dem hinter den Gemeinden die Interessen der Gesamtheit der Bürger gegen die einzelnen Gruppen stehen, soll hier zunächst ausgeklammert werden, da die Gemeinden hier nicht selbst aktiv Forderungen erheben, sondern Adressaten sind. Die ersten beiden der hier angeführten Fragenkomplexe können natürlich nicht sorgfältig voneinander getrennt werden. So ist zweifellos auch i n Fragen, die die Kompetenzverteilung betreffen, neben der Körperschaft, unter der die Verwaltung und die ehrenamtlich Tätigen zu verstehen sind, auch der Bürger in gewissem Umfang betroffen. Dies gilt besonders zwischen Land und Selbstverwaltung, wo die gegensätzlichen Interessen, die sich aus der Organisation in verschiedenen Räumen ergeben 9 , besonders deutlich werden, aber ebenso auch zwischen Landkreis und Gemeinde. Das Interesse der Bevölkerung geht hier auf eine möglichst bürgernahe Verwaltung und eine optimale Organisation. Ebenso sind i m zweiten Fall, der die Interessen der Bevölkerung durch die Verteilung der Gewichte zwischen den einzelnen Gemeindegruppen betrifft, auch die Stellung und die politische Entscheidungsfreiheit der Verwaltung und des Rates berührt. Diese beiden, ebenso wie die dritte Frage sind dadurch verbunden, daß es die Interessen der i n den Verbänden Tätigen betrifft, i n erster Linie die Hauptverwaltungsbeamten, in beschränktem Umfang auch die Ehrenamtlichen. Diese Gruppe von Personen bildet die reale Grundlage der Arbeit der Verbände. Deren Einfluß beruht i n erster Linie auf dem politischen Wirken dieser Gruppe. Es sind allerdings nicht primär deren persönliche und materielle Interessen, die hier vertreten werden. Daß dies auch der Fall ist, darf zwar nicht übersehen werden, doch t r i t t dies i m Gesamtzusammenhang der Arbeit der kommunalen Spitzenverbände zurück. Vielmehr handelt es sich um die Fragen des politischen Status dieser Gruppe. Es geht u m ihre Entscheidungsfreiheit, um politische Macht und Kompetenzen sowie um die Zuteilung der entsprechenden finanziellen Mittel. Die Verteilungsproblematik, an der die Theorie der Interessengruppen ursprünglich entwickelt wurde 1 0 , t r i t t also i n ihrer 9 Roman Schnur, Politische Entscheidung u n d räumliches Interesse, i n : Die V e r w a l t u n g 1970, S. 257 - 281. S. 258 ff. 10 Naschold, Theorie der Demokratie, S. 237.
332
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Bedeutung zurück. Ähnlich wie in Nascholds Untersuchung über die Ärzteverbände handelt es sich hier um Statusprobleme. Die Interessen verhalten sich daher antagonistisch, sowohl zwischen Selbstverwaltung und Land wie zwischen den verschiedenen sozialen Gruppen wie zu den Sonderverwaltungen und zu den anderen Interessenverbänden. I m Unterschied zu den Ärzteverbänden hat dies jedoch nicht zu einer hohen Statuspolarisation geführt. Den Grund muß man sicherlich darin suchen, daß es sich nicht u m einen persönlichen Status, sondern um einen politischen Verband und um dessen politischen Status handelt. Dies bedingt ein pragmatisches, kooperatives Vorgehen, das auch die gesamtstaatlichen Interessen berücksichtigt. Es bedeutet außerdem eine starke Abhängigkeit von den Normen und Erwartungen der Adressaten der Verbände. Ausgehend von diesen Haltungen der Verwaltungsbeamten betreiben die kommunalen Spitzenverbände daher keine aggressive Druckpolitik. Ansätze, die es gelegentlich i m DGT dazu gab, haben hingegen ihren Ursprung letztlich i m Gegensatz von gehobenem und höherem Dienst, also i n persönlichen Fragen. Eine der Grundkategorien der Theorie der Verbände ist die Gruppe. Darunter versteht Truman interagierende Individuen, die gemeinsame Haltungen, ein gemeinsames Interesse haben 11 . Wesentlich ist dabei, daß tatsächlich eine Interaktion erfolgt, da es sonst nur „verhaltensirrelevante Aggregate von Individuen" gibt. Als eine solche Gruppe, die als Interessengruppe Forderungen an die Gesellschaft stellt, kann man jedoch nur die Führungsschicht der Verwaltungsbeamten und teilweise der Ratsmitglieder verstehen, da nur diese i n den Verbänden tätig werden, nicht aber die Bevölkerung. Zwar bilden die Bürger einer Gemeinde sehr w o h l eine Gruppe, als solche werden sie jedoch nicht i n den Verbänden tätig und richten keine Forderungen an die Gesellschaft. Dies zeigte sich etwa bei der Gebietsreform, bei der der Widerstand der Bevölkerung geringer als erwartet war. Auch ihr sonstiges politisches Verhalten ist nur i n geringem Umfang an der Kommunalpolitik orientiert. Es handelt sich auch um keine latente Gruppe, deren Einstellung bei Bedrohung aktiviert wird, obwohl ein solcher Fall durchaus denkbar ist. Man muß i n den Einwohnern der Gemeinden i n diesem Zusammenhang also eine statistische Gruppe von Personen sehen, die in diesen Fragen nicht aktiv wird. Trotzdem sind die Bürger stets der Bezugspunkt für die Forderungen der kommunalen Spitzenverbände, und nur auf Grund dessen sind diese legitimiert. Eine möglichst weitgehende Selbstverwaltung dient dazu, die abweichenden Interessen einer Gruppe von Gemeinden und damit 11
Truman , S. 39. Vgl. Naschold, Theorie der Demokratie, S. 207.
Schluß
333
einzelner Gruppen von Bürgern ebenso wie die von den gesamtstaatlichen abweichenden regionalen und lokalen Interessen, die notwendig miteinander i n Konflikt geraten müssen 12 , zu verwirklichen. Dabei kann man nicht davon ausgehen, daß einer der beiden Komplexe von Interessen für den Bürger den Vorrang hat, da beide Ebenen gleich wichtig sind. Auch auf der Bundesebene w i r d der Bürger nicht i n seiner Gesamtheit repräsentiert, wenn auch nicht zweifelhaft ist, daß auf dieser Ebene eine weit umfassende Repräsentation erreicht wird. Durch die Verbände werden dabei die Interessen der Bürger, die diese teilweise selbst äußern (etwa i n den Forderungen nach bestimmten Leistungen der Verwaltung), deutlicher artikuliert und gegenüber den Politikern vertreten. A u f Grund dieser Artikulation der lokalen Interessen der Bürger besteht zwischen den Forderungen der Verbände und der gesellschaftlichen Entwicklung ein enger Zusammenhang. Dies macht etwa die Entwicklung der Landkreise deutlich. Ihre Forderungen, wie sie etwa i n der Diskusssion um die Ausgleichsfunktion zutage traten, hat ihre Entsprechung i n der Verwaltungspraxis auf Grund der wachsenden Verflechtung über die Gemeindegrenzen hinweg durch die Mobilität der Bevölkerung sowie auf Grund der den Aufgaben innewohnenden Dynamik. Ebenso läßt sich die Verwaltungsreform auf gesellschaftliche Wandlungen zurückführen 13 , auf die erhöhten Anforderungen an die Verwaltung, insbesondere i m ländlichen Raum, die steigende Mobilität, das Wachstum i n Ballungsgebieten usw. Die Vertretung dieser Interessen der Bevölkerung, die sich aus lokalen Entwicklungen ergeben, durch die kommunalen Spitzenverbände vollzieht sich jedoch weitgehend außerhalb der Öffentlichkeit. Dieser ist es weder bekannt, noch nimmt sie darauf Einfluß; noch legitimiert dies die Verbände in ihrer politischen Willensbildung über die Tätigkeit der kommunalen Körperschaften hinaus. Diese Interessenvertretung durch die Verbände kann man daher keinesfalls als Repräsentation ansehen, wie es für das Parlament zutrifft. Dazu fehlen schon wichtige Voraussetzungen 14 wie die Freiheit der Repräsentanten (hier der Organe der Verbände) von Weisungen, die rechtliche und politische Legitimation (durch Wahlen, die es hier für den Bürger nicht gibt), aber ebenso auch die spezifisch ideelle Wertsphäre, die die Repräsentation von der Vertretung der wirtschaftlichen und sozialen Interessen unterscheidet. 12
Schnur, Politische Entscheidung, S. 258. Vgl. Ulrich Scheuner, Z u r kommunalen Verwaltungsreform i n Deutschland, i n : Archiv für Kommunalwissenschaften 1969, S. 209 - 248, S. 214 f. 14 Gerhard Leibholz, Repräsentation, i n : Evangelisches Staatslexikon. Berl i n 1966, S. 1859 ff. 13
334
Schluß
Es handelt sich also bei der Beziehung der Verbände zu den Bürgern u m einen A k t der Interessenvertretung. Es darf auch nicht angenommen werden, auf Grund der sehr unterschiedlichen Interessen der einzelnen Bürger der Gemeinden erfüllten die kommunalen Spitzenverbände schon die Funktion der Aggregation dieser Interessen, d. h. ihrer Wertung und Entscheidung und der Formulierung einzelner politischer Handlungsalternativen. Diese Ansicht klingt an in der Ziebill'schen Formulierung, die Verbände vertreten „Gesamtinteressen" 15 . Vielmehr handelt es sich auch hier nur um die Artikulation der gemeinsamen, aber von anderen Gruppen unterschiedlichen, partikularen Interessen von Gemeindegruppen. Trotz dieser Einschränkung muß jedoch gefragt werden, wie weit für die kommunalen Spitzenverbände eine rechtlich garantierte Anhörung oder eine M i t w i r k u n g i n der staatlichen Willensbildung gerechtfertigt ist. Diese Frage ist besonders dringlich angesichts der zunehmenden Bedrohung der kommunalen Selbstverwaltung. Zu ihr tragen bei die Verlagerung von Aufgaben nach oben, zunehmende gesetzliche Regelungen i m Bereich der Selbstverwaltungsaufgaben, die die Gestaltungsfreiheit für örtliche Organe beschränken, und vor allem der sinkende A n t e i l der eigenen Finanzmittel der Gemeinden. Der Übergang von einem getrennten zu einem Mischsystem in der Finanzierung, der in der Finanzreform vorangetrieben wurde, um eine gleichmäßigere Finanzausstattung zu erreichen, trägt zum Abbau der Selbstverwaltung bei, sofern er nicht durch ein eigenes Hebesatzrecht ausgeglichen wird. Dies gilt ebenso für die i n vielen Sachgebieten der Verwaltung zu beobachtende gleichlaufende Tendenz, von einer ursprünglich getrennten Verwaltung zum Verwaltungsverbund, zum kooperativen Föderalismus zu kommen. Diese Entwicklung ist zurückzuführen auf das Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes und die Forderung nach Wahrung einheitlicher Lebensverhältnisse i m ganzen Bundesgebiet, sowie auf die zunehmende Planung der verschiedensten Verwaltungsaufgaben. Wesentlich ist dabei, daß die Planung i n technokratischer Weise erfolgt, ohne zureichende Beteiligung des Parlaments und weitgehend von oben nach unten 1 6 . So entsteht ein Ubergewicht der zentralen Bürokratien 1 7 , das der politischen Entscheidung lokaler Interessen auf der Gemeindeebene widerspricht. Eine der wesentlichen Ursachen für diese Entwicklung ist zweifellos, daß die Gemeinden durch ihre unzureichende Repräsentanz auf Bun15 16 17
Ziebill, Spitzenorganisationen als Interessenverbände?, S. 217. F ü r den Finanzplanungsrat vgl. Matzerath, S. 265. Wagener i n : Der Städtetag 1974, S. 432 f.
Schluß
335
des- und Landesebene das schwächste Glied i m Föderalismus sind. Dies zeigt sich besonders deutlich i n der Finanzausstattung, die bei den Gemeinden insgesamt am schlechtesten ist. I n den Bereichen, i n denen Entscheidungen de facto außerhalb des Parlaments getroffen werden, i n den direkten Verhandlungen zwischen Bund und Ländern, wurden die Gemeinden als bisher ausgeschlossene Körperschaften benachteiligt. Aus diesem Grund fordern die Gemeinden eine effektive Sicherung der Selbstverwaltung durch Ausbau ihrer institutionellen Stellung. Die Vorschläge dazu reichen von der Verankerung eines Anhörungsrechts gegenüber Ministerien und Parlamenten i n den Landesverfassungen und i m Grundgesetz (auch für die Länder) über den Vorschlag von Gemeindekammern, seien sie nur beratend oder als echte zweite Organe, bis zur Beteiligung der Kommunen am Bundesrat. Die Frage ist besonders wesentlich nach der Einführung der Inkompatibilität für kommunale Wahlbeamte i n den Landtagen. Der damit zweifellos verbundene Verlust an Einfluß sollte ausgeglichen werden durch eine Lösung, die zugleich klarer und demokratischer ist als die bisherige Vermischung der Funktionen. Die Frage, welche der Lösungen verfassungsrechtlich zulässig ist, braucht hier nicht erörtert zu werden, obwohl sie natürlich von erheblicher Bedeutung ist. Die verschiedenen Lösungen können hier nur beurteilt werden unter den Aspekt der demokratischen Legitimation und der Klarheit der Vertretung der divergierenden Interessen der Staatsbürger. Von diesem Standpunkt aus ist jedoch festzustellen, daß die Gemeinden wie die Länder und der Bund eine gleichberechtigte Stufe des föderalistischen Staates sind. Die demokratische Legitimation der Gemeinden ist grundsätzlich nicht geringer als die von Bund und Ländern, wenn auch nicht so umfassend. Durch die demokratische Wahl repräsentieren die jeweiligen Organe die Bürger in ihrem jeweiligen sachlichen Bereich. Allerdings erfolgt die Willensbildung in den Gemeinden nicht nach so breiten politischen Gesichtspunkten wie bei den Ländern und beim Bund. Die bisherige staatsrechtliche Theorie 18 , wie sie i m Grundgesetz vertreten ist und wie sie durch die Bevorzugung der Länder i m föderalistischen System aufrecht erhalten wird, es gebe nur zwei Stufen des Bundesstaats, Bund und Länder, die Staatsqualität haben, während die Gemeinden nur Selbstverwaltung und den Ländern eingegliedert sind, ist daher nicht haltbar. Die Trennung von staatlicher Sphäre und Selbstverwaltung unterhalb derselben kann auf die Trennung von Staat und Gesellschaft im 19. Jahrhundert zurückgeführt werden. Diese Tren18 Vgl. dazu Seele, S. 877 f. sowie Berkenhoff meindebund 1973, S. 54 f.
i n : Der Städte- u n d Ge-
336
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nung w i r k t sich i n der Zuordnung der kommunalen Spitzenverbände zum privatrechtlichen Bereich noch heute aus. Auch i n der Literatur w i r d dies durch die Bezeichnung als mittelbare Staatsverwaltung (Forsthoff) 19 oder als mit Autonomierechten ausgestattete verfassungsrechtlich verankerte politische Verwaltung (Scheuner) 20 noch so behandelt. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß alle Stufen des Staates auf die gleiche Weise legitimiert sind und daß sich hier jeweils verschiedene Interessen durchsetzen können. Geht man davon aus, so ist am leichtesten die Frage nach der Beteiligung der Gemeinden an den Institutionen des kooperativen Föderalismus zu beantworten. Damit sind alle Organe gemeint, i n denen Bund und Länder gleichberechtigt vertreten sind und die der Koordination von deren Aufgaben dienen: Konjunkturrat, Finanzplanungsrat ebenso wie ein mögliches Planungsgremium. Da es hier um die Koordination gleichrangiger Interessen zwischen den direkt Beteiligten geht, sind die Interessen der Gemeinden nicht geringer zu bewerten als die der anderen Ebenen des Staates. Eine Vertretung durch die Länder oder, wie i m Finanzplanungsrat, unter deren Aufsicht würde bedeuten, daß über kommunale Aufgaben durch das Land entschieden wird, obwohl zwischen beiden Interessengegensätze bestehen. Das gleiche gilt auch für alle Verhandlungen zwischen Bund und Ländern, sofern dabei kommunale Aufgaben berührt werden. Dennoch können diese Institutionen nicht als ideale Lösung des Problems angesehen werden, weder vom Standpunkt der gesamten Demokratie aus, noch von dem der Selbstverwaltung. Vielmehr sind sie für diese sehr problematisch. M i t jeder sachlichen Festlegung, die hier getroffen wird, werden die Organe der Selbstverwaltung gebunden. Zwar ist eine M i t w i r k u n g an der nunmehr zentralisierten Entscheidung erfolgt, doch bedeutet dies eine Verringerung des lokalen Entscheidungsspielraums. A u f Grund der Bindungswirkung kann dieses Verfahren nur als ein recht unzureichender Ersatz verlorengegangener Freiheitsräume angesehen werden. Problematisch ist auch, daß hier die Initiative sich von den Räten bzw. Parlamenten ganz auf die Verwaltungen verlagert. I n diesem intergouvernementalen Bereich besteht auch zusätzlich die Gefahr, daß sich die entsprechenden Fachverwaltungen der verschiedenen Ebenen zusammenschließen, um in ihrem Sinn zu w i r ken, und daß so die Versäulung der Planung vorangetrieben w i r d 2 1 . Auf Grund dieser Argumente, die natürlich in genau der gleichen 19
Vgl. Matzerath, S. 271. Ulrich Scheuner: Z u r Neubestimmung der kommunalen Selbstverwaltung, i n : Archiv für Kommunalwissenschaften 1973, S. 1 - 41. 21 Wagener i n : Der Städtetag 1974, S. 432. 20
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337
Weise für die Länder gegenüber dem Bund gelten, muß daher bezweifelt werden, ob eine Verstärkung dieser Institutionen des kooperativen Föderalismus wünschenswert ist. Die K r i t i k an der Einrichtung der Gemeinschaftsaufgaben hat sich ja i n letzter Zeit durchaus verstärkt 2 2 . Soweit solche Institutionen schon bestehen, sollten die Gemeinden jedoch stärker beteiligt werden. Als Lösung für eine bessere Repräsentanz der Selbstverwaltung wäre dieser Weg nicht geeignet. Vielmehr sollte eher die Trennung der verschiedenen Verwaltungsebenen betont werden. Für die kommunalen Spitzenverbände sollte i n diesem Bereich vor allem das Erreichen einer Veto-Position im Vordergrund stehen. Anders ist das Problem der M i t w i r k u n g der kommunalen Spitzenverbände bzw. von Gemeindevertretern auf der jeweils höheren Ebene zu beurteilen, also die Vorschläge auf die Errichtung von Gemeindekammern in den Ländern und einer Beteiligung am Bundesrat. Hier geht es ja um eine Teilnahme an den parlamentarischen Repräsentationsorganen der Länder und des Bundes. Oben wurde jedoch festgestellt, daß die kommunalen Spitzenverbände keine Repräsentation der Gemeindebürger darstellen, sondern eine Interessenvertretung. Sie sind mit einer Reihe von Mängeln behaftet, die eine Mitentscheidung ausschließen, vor allem die Zusammensetzung fast ausschließlich aus der Verwaltung und das geringe Maß an Kontrolle durch die Räte bzw. durch die Gemeindebürger, die praktisch keinerlei Einfluß auf die Verbände haben, ebensowenig wie die Öffentlichkeit. Z u einer M i t wirkung an Entscheidungen der Landes- und Bundesebene sind die Gemeinden auch trotz der Wahl der Organe durch die Bürger nicht legitimiert. Es würde sich dabei nicht um bürgerschaftliche Selbstverwaltung handeln, sondern um die Mitverwaltung einiger Verwaltungschefs. Wohl aus diesem Grund schlägt Schmidt-Eichstädt vor, die Repräsentation der Gemeinden auf eine breitere Grundlage zu stellen durch Wahlen zu den Gemeindekammern, die durch die Verwaltungen der Einzelgemeinden bzw. Wahlgremien erfolgen sollte 23 . Es wäre auch denkbar, die kommunalen Spitzenverbände öffentlich-rechtlich zu organisieren, und in ihrer internen Willensbildung geregelte Verfahren einzuführen. Doch verkennen wohl beide Vorschläge die praktischen Möglichkeiten einer stärkeren Bindung an die Willensbildung der Gemeindebürger. Desinteresse und mangelnde Information würden i m Endergebnis zu denselben Machtverhältnissen führen, wie sie heute innerhalb der Verbände bestehen. Aus diesem Grund kommt für die Landes- und die Bundesorgane nur eine Mitberatung, keine M i t entscheidung i n Frage. 22 23
Seele, S. 883. Schmidt-Eichstädt,
22 Geißelmann
S. 132 - 134.
338
Schluß
Betrachtet man i m Licht dieser Argumente die Forderung nach einer Beteiligung i m Bundesrat, so ist festzustellen, daß die M i t w i r k u n g v o l l berechtigter Gemeindemitglieder (außer den Stadtstaaten) nicht i n Frage kommt. Diese wurde auch nie gefordert, da sie sicherlich verfassungsrechtlich unzulässig wäre. Andererseits muß festgestellt werden, daß manche der obigen Argumente gegen eine Beteiligung an der W i l lensbildung der nächst höheren Ebene i n abgeschwächter Form auch für den Bundesrat gelten. Die K r i t i k , die i n der bisherigen Diskussion über ihn vorgebracht wurde, berührt sich ja mit den obigen Argumenten. A u f Grund dessen bestehen nach meiner Ansicht keine Bedenken, daß Vertreter der Kommunen 2 4 mit abgestuftem Recht, d. h. beratend i n Angelegenheiten, die die Gemeinden berühren, mitwirken. Andererseits ist die politische Durchsetzbarkeit einer solchen Beteiligung sehr fraglich. Der Vorschlag, für die Länder entsprechende Organe, die echte zweite Kammern sein müßten, neu zu schaffen, ist auf Grund dieser Argumente jedoch abzulehnen. Auch die Erfahrungen m i t dem Bundesrat und seiner Auswirkung auf die gesamtstaatliche Willensbildung sprechen wohl nicht dafür. Zwar wäre es sicherlich ein effektives Instrument zur Sicherung der Selbstverwaltung. Klarer und demokratisch legitimer sind die Verantwortlichkeiten jedoch verteilt, wenn den kommunalen Spitzenverbänden nur Mitberatungsrechte zugestanden werden: ein verfassungsrechtlich oder gesetzlich garantiertes Anhörungsrecht gegenüber den Ministerien und den Parlamenten, das sich am besten auch auf die Ausschüsse erstrecken sollte, um der dort ausgeübten Macht der zentralen Verwaltungen zu begegnen, eventuell auch ein Gesetzesinitiativrecht. Daß dies kein Schritt i n den Ständestaat ist, sondern daß eine privilegierte Stellung der kommunalen Spitzenverbände durch ihre gegenüber anderen Verbänden besondere Mitgliedschaft und Funktion gerechtfertigt ist, wurde ja bereits mehrfach hervorgehoben. Gegenüber dem bisherigen Zustand würde eine Kombination dieser Einflußmöglichkeiten sicherlich eine Verbesserung erbringen. Sie müßte jedoch ergänzt werden durch eine stärkere politische A k t i v i t ä t der Verbände. Dies müßte beginnen bei einer Kommunalpolitik, die die zugrunde liegenden politischen Alternativen deutlicher sichtbar macht. Von hier aus könnte das kommunalpolitische Bewußtsein in den Parteien gestärkt werden. Dies setzt voraus, daß stärker als bisher die politischen Energien der Gemeinden auf die Erreichung überörtlicher
24 Vertreter der kommunalen Spitzen verbände jedoch w o h l nur, einer rechtlichen Regelung des Wahlverfahrens für deren Organe.
nach
Schluß
339
Ziele gerichtet werden 2 5 . Die Bedenken Neffers, dafür stünden zu geringe Kräfte in den Städten zur Verfügung angesichts des örtlichen Krisenmanagements 26 verkennen, daß in den Parteien durch örtliche Konflikte Probleme der Kommunalpolitik zugleich i n den Vordergrund geschoben werden. Eine solche Strategie, die nicht unbedingt i n der Rolle des Anklägers gegenüber Bund und Land (so Möller) münden muß, hat insgesamt gesehen den Vorteil, daß damit der Ausgleich der divergierenden Interessen der Bürger in die Institutionen verlagert wird, die für einen solchen Ausgleich geschaffen sind: die Parteien. Für die kommunalen Spitzenverbände würde dies bedeuten, daß sie weniger als Interessenvertretung auftreten müßten, sondern als Gruppe von Politikern. Die vielfach zu beobachtende zu zurückhaltende, rein bürokratische Einflußnahme auf die Verwaltung müßte nicht eingestellt, aber ergänzt werden durch eine stärkere politische A k t i v i t ä t . Damit würden diese Verbände zugleich ihrem besonderen Charakter, der sich aus ihrer Mitgliedschaft ergibt, mehr gerecht.
25 So auch Martin Neuffer: Neue Verantwortlichkeiten der politik, i n : Der Städtetag 1972, S. 185. 26 Ebd., S. 182.
22*
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Wormit, Hans-Georg (Hrsg.): Die Landkreisordnungen i n der Bundesrep u b l i k Deutschland. Spich / K ö l n 1960. (Schriften des Deutschen L a n d kreistages. 3.) Ziebill, Otto: Die Gemeinden und die europäischen Institutionen, i n : Der Städtetag 1958, S. 399 - 401. — Geschichte des Deutschen Städtetages. 50 Jahre deutsche K o m m u n a l politik. 2. Aufl. Stuttgart 1956. — Die kommunalen Spitzenorganisationen als Interessenverbände?, i n : A r chiv für Kommunalwissenschaften 1968, S. 207 - 232. (zit.: Interessenverbände?) — Die kommunalen Spitzen verbände, i n : Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis. Bd. 1, S. 581 - 596. (zit. : Kommunale Spitzen verbände) — Politische Parteien und kommunale Selbstverwaltung. Stuttgart 1964. (Schriftenreihe des Vereins für Kommunalwissenschaften. 7.) Soweit nicht anders erwähnt, w i r d m i t dem Namen des Verfassers und dem abgekürzten T i t e l zitiert. Eine Bibliographie zu den Interessenverbänden enthalten die Arbeiten Beymes, Wittkämpers u n d Verbände und Gesetzgebung, eine solche zur Verwaltungsreform: Stern ! Püttner, Landkreise. U n d : Material zur Reform der Landkreise. Hrsg.: Franz Schuster. Eichholz 1971.
Literaturverzeichnis
Zeitschriften Aufsätze aus den folgenden Zeitschriften werden i m allgemeinen i m obigen Literaturverzeichnis nicht aufgeführt. Der Bayerische Bürgermeister. Monatsschrift für Verwaltungspraxis. Organ der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände Bayerns. 1952 1962. Die demokratische Gemeinde. 1965 - 1971. Deutscher Gemeindetag. Geschäftsbericht. Erstattet von der Hauptgeschäftsstelle des DGT, Bad Godesberg 1962. 1963. Deutscher Städtebund. Geschäftsbericht. 1961 - 1963 ff. Deutscher Städtebund. Nachrichtendienst. 1963 - 1964. Fortgesetzt unter dem Titel: Der Städtebund. Deutscher Städtetag: Geschäftsbericht der Hauptgeschäftsstelle des DST für das Jahr 1955/56 - 1972/73. Eildienst des Landkreistages Nordrhein-Westfalen. 1963 - 1973. Die Gemeinde. Zeitschrift f ü r das Verwaltungs-, Finanz- u n d Rechnungswesen der badischen Selbstverwaltung. Hrsg.: Verband badischer Gemeinden. 1964 - 1971. (zit.: Die Gemeinde [Baden]) Die Gemeinde. Hrsg.: Gemeindetag Nordrhein. Bad Godesberg 1964- 1967. (Erscheinen eingestellt.) (zit.: Die Gemeinde [Rheinland]) Der Gemeinderat. Hrsg.: Gemeindetag Westfalen-Lippe. (Ab 1971 unter dem Titel: Der Städte- und Gemeinderat. Hrsg.: Städte- und Gemeindebund NW.) 1964 - 1971. Der Gemeindetag. Hrsg. v o m Hessischen Gemeindetag. 1966 - 1971. Gemeindetag Rheinland-Pfalz. Nachrichten. 1965 - 1970. Hessische Gemeindezeitung. 1966 - 1971. Kommunale Korrespondenz. Presseinformationen des DST 1967 - 1971. Kommunale Nachrichten 1952 - 1955.
des
Gemeindetages
Württemberg-Hohenzollern.
Kommunalpolitische Blätter. Hrsg. von der Kommunalpolitischen Arbeitsgemeinschaft der CDU/CSU. 1964 - 1971. Der Landkreis. Hrsg.: Deutscher Landkreistag. 1958 - 1974. Landkreisnachrichten aus Baden-Württemberg. 1962 - 1973. Landkreistag Baden-Württemberg. Geschäftsbericht. 1953/54, 1954/55, 1956/57, 1957/59, 1959/62. (Bis 1956: Verband württemberg-badischer Landkreise.) Nordrhein-westfälischer Städtebund. Geschäftsbericht. 1966 - 68 ff. Nordrhein-westfälischer Städtebund. Mitteilungen. 1962 - 1971. (Ab Nordrhein-westfälischer Städte- und Gemeindebund.)
1971:
Die Selbstverwaltung. Hrsg.: Deutscher Landkreistag. 1951 - 1957. (Ab 1958 unter dem T i t e l : Der Landkreis.)
Literaturverzeichnis
353
Städtebrief Nordrhein-Westfalen. Hrsg.: Städtetag NW. 1967 - 1971. Der Städtebund. 1965 - 1972. Der Städte- und Gemeindebund. 1973 - 1974. Der Städtetag. Zeitschrift für kommunale Praxis u n d Wissenschaft. 1948 1974. Städtetag Nordrhein-Westfalen. Geschäftsbericht. 1966 - 1973. Städteverband Baden-Württemberg. Geschäftsbericht. 1957 - 1971. Stuttgarter Zeitung. 1954 - 1955, 1966 - 1974. Verhandlungen des Landtags von Baden-Württemberg. I. Wahlperiode 1952 1956 ff. Protokoll. Beilagen. Württembergische Gemeindezeitung. 1966 - 1972. A k t e n der Verbände werden m i t der abgekürzten Bezeichnung des V e r bands u n d ihrer Nummer zitiert.