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German Pages 328 Year 1997
Beiträge zum Beamtenrecht Band 2
Die vorzeitige Beendigung des aktiven Beamtenstatus bei politischen Beamten und kommunalen Wahlbeamten
Von
Christoph F. Priebe
Duncker & Humblot · Berlin
CHRISTOPH F. PRIEBE
Die vorzeitige Beendigung des aktiven Beamtenstatus bei politischen Beamten und kommunalen Wahlbeamten
Beiträge zum Beamtenrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Dr. Detlef Merten und Prof. Dr. Helmut Lecheler
Band 2
Die vorzeitige Beendigung des aktiven Beamtenstatus bei politischen Beamten und kommunalen Wahlbeamten
Von Christoph F. Priebe
Duncker & Humblot • Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Priebe, Christoph F.:
Die vorzeitige Beendigung des aktiven Beamtenstatus bei politischen Beamten und kommunalen Wahlbeamten / von Christoph F. Priebe. - Berlin : Duncker und Humblot, 1997 (Beiträge zum Beamtenrecht ; Bd. 2) Zugl.: Göttingen, Univ., Diss., 1995 ISBN 3-428-08753-4 NE: GT
Alle Rechte vorbehalten © 1997 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0940-676X ISBN 3-428-08753-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 ©
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 1995 von der Juristischen Fakultät der Georg-August-Universität in Göttingen als Dissertation angenommen. Besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. Andreas Sattler, der mit Geduld das Entstehen der Arbeit verfolgte und sodann mit großer Sorgfalt und starkem Engagement das Gutachten anfertigte. Danken möchte ich auch Herrn Professor Dr. Harald Bogs für die Anfertigung des Zweitgutachtens. Den Herausgebern, Herrn Professor Dr. Dr. Detlef Merten und Herrn Professor Dr. Helmut Lecheler, danke ich für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe „Beiträge zum Beamtenrecht" sowie dem Geschäftsführer des Verlages Duncker & Humblot GmbH, Herrn Prof. Dr. Norbert Simon, und allen Mitarbeitern für die freundliche Betreuung der Veröffentlichung. Ferner danke ich all denen, die durch die freundliche Beantwortung meiner Fragen dazu beigetragen haben, die verwaltungspraktische Seite dieser Arbeit abzurunden. In diesem Zusammenhang möchte ich die Unterstützung durch Herrn Bundesminister Friedrich Bohl hervorheben, der mir bereitwillig bisher unveröffentlichtes Zahlenmaterial aus dem Bundesministerium des Innern überlassen hat. Meinen Eltern, deren nie nachlassende Unterstützung diese Arbeit erst ermöglicht hat, schulde ich Liebe und Dank.
Göttingen, im März 1996 Christoph F. Priebe
Inhaltsverzeichnis Einleitung Teill Die historische Entwicklung der vorzeitigen Beendigung des aktiven Beamtenstatus bei politischen Beamten und kommunalen Wahlbeamten A. Die historische Entwicklung des politischen Beamten
19
22 22
I. Der politische Beamte in der absoluten Monarchie
23
IL Der politische Beamte in der konstitutionellen Monarchie
26
DI. Der politische Beamte in der Weimarer Republik
30
IV. Der politische Beamte im m. Reich
33
V. Der politische Beamte nach 1945
34
1. Der politische Beamte auf Bundesebene
35
2. Der politische Beamte auf Landesebene
36
B. Die historische Entwicklung der Abwahlregelung bei den kommunalen Wahlbeamten 39 I. Die Entwicklung in Preußen bis 1918 II. Die Entwicklung in den übrigen deutschen Staaten bis 1918
39 43
m. Die Entwicklung in der Weimarer Republik
50
IV. Die Entwicklung im m. Reich
53
V. Die Entwicklung nach 1945
54
1. Die Demokratische Gemeindeordnung in der sowjetischen Besatzungszone 54 2. Die Entwicklung in den drei westlichen Besatzungszonen
55
3. Der Entwurf einer Deutschen Gemeindeordnung durch den Deutschen Städtetag von 1947 56 4. Die Abberufungs- und Abwahlregelungen in den Kommunal Verfassungen der deutschen Länder 57
nsverzeichnis
8
Teil II Die heutige Rechtslage im Falle einer vorzeitigen Beendigung des aktiven Beamtenstatus bei politischen Beamten und kommunalen Wahlbeamten
63
A. Die Rechtslage bei den politischen Beamten unter Ausschluß der versorgungsrechtlichen Lage 63 I. Der betroffene Ämterkreis
63
1. Bund
64
2. Baden-Württemberg
64
3. Berlin
64
4. Brandenburg
65
5. Bremen
65
6. Hamburg
65
7. Hessen
65
8. Mecklenburg-Vorpommern
66
9. Niedersachsen
66
10. Nordrhein-Westfalen
66
11. Rheinland-Pfalz
67
12. Saarland
67
13. Sachsen
67
14. Sachsen-Anhalt
68
15. Schleswig-Holstein
68
16. Thüringen
68
II. Formelle Voraussetzungen 1. Zuständigkeit bei Versetzung in den einstweiligen Ruhestand a) Zuständigkeit auf Bundesebene
69 69 69
aa) Kollision zwischen Bundesminister und Bundeskanzler
71
bb) Kollision mit dem Bundespräsidenten
74
b) Zuständigkeit auf Landesebene 2. Anhörungspflicht 3. Begründungszwang
76 77 80
a) Bisheriger Streitstand
81
b) Würdigung des Streitstandes
83
c) Herleitung einer eingeschränkten Begründungspflicht aus dem Prinzip der praktischen Konkordanz
85
nsverzeichnis 4. Mitwirkung der Personal Vertretung
92
5. Besondere Anhörungspflicht bei schwerbehinderten politischen Beamten 93 6. Fristen
93
IE. Materielle Voraussetzungen
93
1. Besondere Eignung
94
a) Begriff der besonderen Eignung
95
b) Abgrenzung eignungsbedingter von rechtswidrigen Versetzungsgründen
97
2. Verhältnismäßigkeit
100
3. Anspruch des politischen Beamten auf Versetzung in den einstwei101 ligen Ruhestand IV. Rechtsnatur der Versetzung in den einstweiligen Ruhestand V. Rechtsschutz
103 104
1. Widerspruchsverfahren
104
2. Anfechtungsklage
107
3. Vorläufiger Rechtsschutz
108
4. Umfang der gerichtlichen Überprüfung VI. Rechtsfolgen - die Rechtslage im einstweiligen Ruhestand
112 114
VE. Statistisches Material zur Versetzung politischer Beamter in den einstweiligen Ruhestand
117
B. Die Rechtslage bei den kommunalen Wahlbeamten unter Ausschluß der versorgungsrechtlichen Lage 119 I. Vorzeitige Amtsbeendigung durch einen Abberufungsbeschluß der Kommunal Vertretung
119
1. Formelle Voraussetzungen
119
a) Formelle Voraussetzungen in den Bundesländern
119
aa) Berlin
120
bb) Brandenburg
120
cc) Bremerhaven (Bremen)
120
dd) Hamburg
121
ee) Hessen
121
ff)
122
Mecklenburg-Vorpommern
gg) Niedersachsen
123
hh) Nordrhein-Westfalen
123
nsverzeichnis
10 ii)
Rheinland-Pfalz
125
jj)
Saarland
125
kk) Sachsen
126
11)
126
Schleswig-Holstein
mm) Thüringen b) Formelle Voraussetzungen im einzelnen
127 127
aa) Antragstellung
128
bb) Anhörungspflicht
128
cc) Keine Abkürzung der Ladungsfristen
129
dd) Vorherige Beratung und Aussprache
129
ee) Gestrecktes Abberufungsverfahren durch mehrwöchige Abkühlungsfrist 129 ff)
Erfordernis einer besonderen Sitzung
131
gg) Öffentlichkeit der Sitzung
131
hh) Offene und geheime Abstimmung
132
ii)
Mehrheitserfordernis beim Abberufiingsbeschluß
134
jj)
Begründungszwang für Abberufung
135
2. Materielle Voraussetzungen a) Materielle Voraussetzungen bei jederzeitiger Abberufungsmöglichkeit
139 139
aa) Fehlendes Vertrauen zwischen der Kommunalvertretung und dem Wahlbeamten 140 bb) Verhältnismäßigkeit
144
cc)
145
Sonstige materielle Voraussetzungen
b) Materielle Voraussetzungen bei erleichterter Abberufungsmöglichkeit in Hessen
146
3. Abwahl und Abberufung
148
4. Die Rechtsnatur der Abberufung
150
a) Der Abberufungsbeschluß als Verwaltungsakt
150
aa) Die Behördenqualität der Kommunal Vertretung
151
bb) Die unmittelbare Rechtswirkung nach außen
152
aaa) Bejahende Auffassung
152
bbb) Verneinende Auffassung
153
ccc) Die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts
153
ddd) Eigene Stellungnahme
154
nsverzeichnis b) Der Abberufungsbeschluß als Akt kommunaler Selbstgestaltung oder als Teil eines umfassenden Abberufungsverwaltungsaktes
157
aa) Der Abberufungsbeschluß als Akt kommunaler Selbstgestaltung 157 bb) Der Abberufungsbeschluß als Teil eines umfassenden Abberufungsverwaltungsaktes 158 cc) Eigene Stellungnahme
158
c) Die Rechtsnatur der Abberufung im Ergebnis
161
5. Zuständigkeit beim Erlaß der Abberufungsverfugung
162
6. Einschränkung des Beanstandungsrechts
163
7. Rechtsfolgen des Abberufungsbeschlusses
165
8. Rechtsschutz gegen den Abberufungsbeschluß
167
a) Verwaltungsrechtsweg
168
b) Widerspruchsverfahren
170
c) Klagemöglichkeiten gegen die Abberufung
170
d) Aufschiebende Wirkung und Anordnung der sofortigen Vollziehung
172
e) Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung
176
f) Aufhebung der wiederhergestellten aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 7 S. 1 VwGO
177
g) Umfang der gerichtlichen Überprüfung
178
h) Rechtsschutz für Dritte
180
II. Vorzeitige Amtsbeendigung durch Abwahlentscheid der Bürger 1. Die Abwahl in den Ländern
180 181
a) Die Abwahl in Brandenburg
181
b) Die Abwahl in Hessen
182
c) Die Abwahl in Nordrhein-Westfalen
183
d) Die Abwahl in Rheinland-Pfalz
183
e) Die Abwahl im Saarland
184
0 Die Abwahl in Sachsen
184
g) Die Abwahl in Sachsen-Anhalt
185
h) Die Abwahl in Thüringen
186
2. Die Abwahl im einzelnen
186
12
nsverzeichnis a) Einleitung des Verfahrens
186
b) Mitteilungs- und Begründungspflicht
188
c) Mehrheitserfordernis
188
d) Rechtslage nach einer Abwahl
188
e) Materielle Voraussetzungen
189
aa) Materielle Voraussetzungen bei Einleitung durch Kommunal Vertretung 189 bb) Materielle Voraussetzungen bei Einleitung durch Bürgerbegehren 190 cc) Materielle Voraussetzungen beim sächsischen Sonderfall 191 des Übergangs der Abwahlkompetenz auf den Kreistag 0 Rechtsschutz gegen die Abwahl
192
aa) Verhinderung des Abwahlentscheides
192
bb) Rechtsschutz gegen die erfolgte Abwahl
193
IE. Vorzeitige Amtsbeendigung durch ein verfahren
förmliches
Abberufungs194
IV. Gefahr der Interessenkollision als Hinderungsgrund für einen aktiven Wahlbeamtenstatus 196 C. Die versorgungsrechtliche Lage bei politischen Beamten und kommunalen Wahlbeamten 197 I. Die versorgungsrechtliche Lage bei den politischen Beamten
198
1. Die Versorgung im einstweiligen Ruhestand nach dem Bundesbesoldungsgesetz 198 2. Die Versorgung im einstweiligen Ruhestand nach dem Beamtenversorgungsgesetz 202 3. Die Versorgung im Ruhestand II. Die versorgungsrechtliche Lage bei den kommunalen nach Abberufung oder Abwahl
205 Wahlbeamten 208
DI. Die versorgungsrechtliche Lage bei den abgesetzten Kommunalwahlbeamten in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt 211 IV. Die versorgungsrechtliche Lage der Kommunalwahlbeamten nach einer vorzeitigen Amtsbeendigung wegen der Gefahr einer Interessenkollision 213
nsverzeichnis Teil III Verfassungsrechtliche Würdigung der vorzeitigen Beendigung des aktiven Beamtenstatus bei politischen Beamten und kommunalen Wahlbeamten
214
A. Verfassungsrechtliche Würdigung der vorzeitigen Beendigung des aktiven Beamtenstatus bei politischen Beamten 214 I. Verhältnis zum Demokratieprinzip
216
II. Verhältnis zum Rechtsstaatsprinzip
218
EI. Verhältnis zum Gleichheitssatz
219
IV. Verhältnis zu Art. 33 Abs. 5 GG
220
B. Verfassungsrechtliche Würdigung der vorzeitigen Beendigung des aktiven Beamtenstatus bei kommunalen Wahlbeamten 221 I. Verfassungsrechtliche Würdigung der Abberufungsmöglichkeit 1. Die Abberufung im allgemeinen a) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine Abberufung der kommunalen Wahlbeamten
221 222 222
aa) Abberufung und Demokratieprinzip
222
bb) Abberufung und Rechtsstaatsprinzip
223
cc) Abberufung und Art. 19 Abs. 4 GG
225
dd) Abberufung und Art. 33 Abs. 4 GG
225
ee) Abberufung und Art. 33 Abs. 5 GG
226
ff)
Abberufung und Garantie der kommunalen Selbstverwal229 tung (Art. 28 Abs. 2 GG)
gg) Abberufung und Beamtenrechtsrahmengesetz
230
b) Die Auffassung der Rechtsprechung zur Abberufung
231
c) Bejahende Schrifttumsansicht zur Abberufung
236
aa) Vereinbarkeit mit Beamtenverfassungsrecht
237
bb) Vereinbarkeit mit Beamtenrechtsrahmengesetz
238
d) Stellungnahme zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Abberufung 238 aa) Das Verhältnis zwischen Kommunalvertretung und kommunaler Verwaltungsspitze 239 bb) Verfassungsrecht und Rechtspolitik im Widerstreit um die Abberufung 242 cc) Vergleichbarkeit von kommunalen Wahlbeamten und politischen Beamten 248 2. Die vereinfachte Abberufung in Hessen
251
14
nsverzeichnis 3. Die Abberufungsregelung in Hamburg
255
4. Sonderproblem: Rückwirkung von neueingefiihrten Abberufungsregelungen auf bereits im Amt befindliche Wahlbeamte 258 II. Verfassungsrechtliche Würdigung der Abwahlregelungen
261
1. Abwahl und beamtenrechtliche Unabhängigkeit (Art. 33 Abs. 5 GG) 262 2. Der sächsische Sonderfall eines Übergangs der Abwahlkompetenz auf den Kreistag 265 3. Vereinbarkeit der Abwahlmöglichkeit mit dem Beamtenrechtsrahmengesetz 267 HI. Verfassungsrechtliche Würdigung des förmlichen Abberufungsverfahrens 268 IV. Verfassungsrechtliche Würdigung der vorzeitigen Amtsbeendigung wegen Vorliegen eines Hinderungsgrundes 271 C. Verfassungsrechtliche Würdigung der versorgungsrechtlichen Lage bei politischen Beamten und kommunalen Wahlbeamten 273 I. Die versorgungsrechtliche Lage bei den politischen Beamten 1. Die Höhe der Versorgungsbezüge
274 274
a) Die grundsätzliche Vereinbarkeit von Gehaltseinbußen mit dem Verfassungsrecht 275 b) Der zulässige Umfang der Gehaltseinbuße
275
c) Endgültiges Ruhegehalt und Reaktivierungsmöglichkeit
278
2. Anrechnungsvorschriften
280
a) Die Auffassung des Gesetzgebers
282
b) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 53 a BeamtVG
282
c) Abschließende verfassungsrechtliche Würdigung des § 53 a BeamtVG 284 aa) Die grundsätzliche Zulässigkeit der Anrechnung privater Erwerbseinkünfte 284 bb) Würdigung des § 53 a BeamtVG cc)
288
§ 53 a BeamtVG und die besondere Situation der politischen Beamten 291
II. Die versorgungsrechtliche Lage bei den kommunalen Wahlbeamten
294
Schlußbetrachtung
296
Literaturverzeichnis
303
Stichwortverzeichnis
322
Abkürzungsverzeichnis ABl. AK AmtsZG AöR AP BadGO BAMG Bay/Bayer BayerVerfGH BayVBl. BBesG BBesGVwV BBG BbgGO BbgKWahlG BbgLKrO BeamtVG BeamtVG ÄndG BeamtVG VwV BeamtVorschaltG BerlBAMG BerlBezVG BerlPersVG BerlVerf BesR BGBl. BG LSA BK BPersVG BR BremBG BrhvVerf BRRG BT-Drucksache BW GO
Amtsblatt Alternativkommentar Amtszeitgesetz Archiv für öffentliches Recht Agent Press Badische Gemeindeordnung Bezirksamtsmitgliedergesetz Bayern, bayerisch Bayerischer Verfassungsgerichtshof Bayerisches Verwaltungsblatt Bundesbesoldungsgesetz Verwaltungsvorschriften zum Bundesbesoldungsgesetz Bundesbeamtengesetz Brandenburgische Gemeindeordnung Brandenburgisches Kommunalwahlgesetz Brandenburgische Landkreisordnung Beamtenversorgungsgesetz Änderungsgesetz zum Beamtenversorgungsgesetz Verwaltungsvorschriften zum Beamtenversorgungsgesetz Beamtenrechtliches Vorschaltgesetz Berliner Bezirksamtsmitgliedergesetz Berliner Bezirksverwaltungsgesetz Berliner Personalvertretungsgesetz Berliner Verfassung Besoldungsrecht Bundesgesetzblatt Beamtengesetz Land Sachsen-Anhalt Bonner Kommentar Bundespersonalvertretungsgesetz Bundesregierung Bremisches Beamtengesetz Verfassung der Stadt Bremerhaven Beamtenrechtsrahmengesetz Bundestagsdrucksache BadenWürttembergische Gemeindeordnung
16 BWGZ BWLPVG BWVB1. BWVerwPraxis bzw. DBG DGO DJZ dng DÖD DÖV DVB1. DVP Eildienst LKT Erl. EV FAZ FWG GBl. GemO, GO GeschOBReg GGK GKÖD GMB1. GO GS. GVB1. GVS. HannGS. HAZ HBG HdBKWPH Hess. LT-Drucksache HessPVG HessVGH HGO HKO HmbBezVG HmbBG HmbPVG HÖV HStR i.d.F.v. i.V.m.
Abkürzungsverzeichnis Kommunalzeitschrift des Gemeindetags BadenWürttemberg BadenWürttembergisches Landespersonalvertretungsgesetz Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg BadenWürttembergische Verwaltungspraxis beziehungsweise Deutsches Beamtengesetz Deutsche Gemeindeordnung Deutsche Juristenzeitung Die niedersächsische Gemeinde Der öffentliche Dienst Die öffentliche Verwaltung Deutsches Verwaltungsblatt Deutsche Verwaltungspraxis Eildienst des Landkreistages Erläuterung Einigungsvertrag Frankfurter Allgemeine Zeitung Freie Wählergemeinschaft Gesetzesblatt Gemeindeordnung Geschäftsordnung der Bundesregierung Grundgesetz-Kommentar Gesamtkommentar Öffentliches Dienstrecht Gemeinsames Ministerialblatt Gemeindeordnung Gesetzessammlung Gesetz- und Verordnungsblatt Gesetz- und Verordnungssammlung Hannoversche Gesetzessammlung Hannoversche Allgemeine Zeitung Hessisches Beamtengesetz Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, II. Band, Drucksache des Hessischen Landtags Hessisches Personalvertretungsgesetz Hessischer Verwaltungsgerichtshof Hessische Gemeindeordnung Hessische Kreisordnung Hamburger Bezirksverwaltungsgesetz Hamburger Beamtengesetz Hamburger Personalvertretungsgesetz Handbuch für die öffentliche Verwaltung Handbuch des Staatsrechts in der Fassung vom in Verbindung mit
Abkürzungsverzeichnis JOA JuS JW JZ KommunalBeamtVorschaltG KommunalVerf/DDR KpolBl. KPV KrO KSVG KVM-V KWG LBG LKO, LKrO LKORhPf LKrOLSA LKT LSA LT-Drucksache LVwG MBG MdB, MdL NBG NdsPVG NdsStVwR NdsSVK NGO NJW NLO NV NVwZ NWPVG NWVB1. OVG OVGE
PAG PAV PersVG, PVG PIPr. PrBesBl. PrGS. 2 Prie he
Journal Officiel du Commandement en Chef Francais en Allemagne Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Kommunalbeamtenrechtliches Vorschaltgesetz Kommunalverfassung der „Deutschen Demokratischen Republik" vom 17.5.1990 Kommunalpolitische Blätter Kommunalpolitische Vereinigung (der CDU) Kreisordnung Kommunalselbstverwaltungsgesetz Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern Kommunalwahlgesetz Landesbeamtengesetz Landkreisordnung Landkreisordnung Rheinland-Pfalz Landkreisordnung Land Sachsen-Anhalt Landkreistag Land Sachsen-Anhalt Drucksache des Landtages Landesverwaltungsgesetz Mitbestimmungsgesetz Mitglied des Bundestages, Landtages Niedersächsisches Beamtengesetz Niedersächsisches Personalvertretungsgesetz Niedersächsisches Staats- und Verwaltungsrecht Niedersächsische Sachverständigenkommission Niedersächsische Gemeindeordnung Neue Juristische Wochenschrift Niedersächsische Landkreisordnung Niedersächsische Verfassung Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Nordrhein - Westfälisches Personalvertretungsgesetz Nordrhein-Westfälisches Verwaltungsblatt Oberverwaltungsgericht Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte für die Länder Nordrhein-Westfalen in Münster sowie Niedersachsen und Schleswig-Holstein in Lüneburg Personalabbaugesetz Personalabbauverordnung Personalvertretungsgesetz Plenarprotokolle Preußisches Besoldungsblatt Preußische Gesetzessammlung
18 PrMinBliV. PrVBl. PrWartegeldV RegBl. RGBl. RGZ RiA SächsGemO SächsKomWG SächsKrGebRefG SBG SchwbG StkRföD StO ThürVorlKO VB1. VerfGH RhPf VerwArch VerwRspr VorlKO VR VwV WartegeldV WP WRV WürtZStG ZBR z.g.d.G.v.
Abkürzungsverzeichnis Preußisches Ministerialblatt für die gesamte innere Verwaltung Preußisches Verwaltungsblatt Preußische Wartegeldverordnung Regierungsblatt Reichsgesetzblatt Reichsgerichtshof in Zivilsachen Recht im Amt Sächsische Gemeindeordnung Sächsisches Kommunalwahlgesetz Sächsisches Gesetz zur Kreisgebietsreform Saarländisches Beamtengesetz Schwerbehindertengesetz Studienkommission für die Reform des öffentlichen Dienstrechts Städteordnung Thüringer Vorläufige Kommunalordnung Verwaltungsblatt Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz Verwaltungsarchiv Verwaltungsrechtsprechung Vorläufige Kommunalordnung Verwaltungsrundschau Verwaltungsvorschriften Wartegeldverordnung Wahlperiode Weimarer Reichsverfassung Württembergisches Zivilstaatsdienergesetz Zeitschrift für Beamtenrecht zuletzt geändert durch Gesetz vom
Einleitung Die Möglichkeit einer vorzeitigen Beendigung des aktiven Beamtenstatus ist auf der Regierungsebene von Bund und Ländern durch die sogenannten politischen Beamten, auf kommunaler Ebene durch bestimmte Wahlbeamte institutionalisiert. Durch diese Institutionen wird dem Dienstherrn die Möglichkeit verschafft, den Beamten jederzeit aus dem aktiven Dienst zu entfernen. Die persönliche Rechtsstellung dieser Beamten ist daher weitaus sensibler gegenüber äußeren Einflüssen als bei ihren nicht betroffenen Kollegen. Diese Möglichkeit bedeutet eine Abweichung von den sonstigen beamtenrechtlichen Vorschriften, die es dem Dienstherrn grundsätzlich verwehren, den Beamten gegen dessen Willen vorzeitig aus dem aktiven Dienst zu entfernen. 1 Nicht in diesem Zusammenhang sind die disziplinarisch, gesundheitlich oder formell begründeten vorzeitigen Beendigungsmöglichkeiten zu sehen, da diese für alle Beamten gleichermaßen gelten, nicht aber nur für eine bestimmte Beamtengruppe. 2 Der politische Beamte läßt sich unter Rückgriff auf die Legaldefinition des § 31 BRRG als Inhaber eines höheren Amtes charakterisieren, dessen Amtsführung in fortdauernder Übereinstimmung mit den grundsätzlichen politischen Ansichten und Zielen der Regierung stehen muß. Soweit er diese Übereinstimmung vermissen läßt, kann er als Lebenszeitbeamter in den einstweiligen Ruhestand versetzt, als Beamter auf Probe entlassen werden. Nach einer Versetzung in den einstweiligen Ruhestand besteht die Verpflichtung, einer erneuten Berufung in das aktive Beamtenverhältnis nachzukommen. Während der Ruhestandsversetzung hat der politische Beamte einen Anspruch auf Versorgungsbezüge. Als kommunale Wahlbeamte werden die leitenden Beamten von Gemeinden, Gemeindeverbänden, Landkreisen oder kommunalen Zweckverbänden bezeichnet, die auf Zeit entweder vom Volk oder von Volksvertretern in das 1 Unberücksichtigt müssen der Beamte auf Probe und der Beamte auf Widerruf bleiben. 2 Vgl. insoweit: Tod des Beamten, Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfahigkeit, Entfernung aus dem Dienst infolge eines Disziplinarverfahrens, Entlassung kraft Gesetzes oder auf Antrag, Verlust der Beamtenrechte, Eintritt in den Ruhestand wegen Wahl zum MdL oder MdB mit dem Tag der Annahme.
20
Einleitung
Amt gewählt und nicht wie gewöhnlich durch die Verwaltung ernannt werden.3 Bei bestimmten Wahlbeamten kann ihr aktiver Status abhängig von dem unterschiedlichen Kommunalverfassungsrecht der Länder durch einen Abwahl- oder Abberufungsbeschluß vorzeitig beendet werden. Diese Beendigungsmöglichkeit bedeutet rein tatsächlich eine Annäherung an die Rechtsposition des politischen Beamten. Ihr zugrunde liegt die gesetzgeberische Intention, für Konflikte zwischen der Kommunalvertretung bzw. den Bürgern einerseits und dem Wahlbeamten andererseits eine Lösungsmöglichkeit anzubieten, die eine wirkungsvolle Arbeit für die Gebietskörperschaft weiterhin sichert. 4 Die Institution des politischen Beamten besteht seit beinahe hundertfünfzig Jahren und begegnet nach allgemeiner Ansicht im Grundsatz keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Rechtspolitische Erwägungen im Zusammenhang mit der Institution des politischen Beamten beschränken sich in erster Linie auf die Auseinandersetzung mit der Frage nach Umfang und Ausweitung des betroffenen Ämterkreises. Anders stellt sich die Situation beim kommunalen Wahlbeamten dar, gegen dessen vorzeitige Abberufungs- oder Abwahlmöglichkeit erhebliche rechtliche Bedenken vorgetragen werden. Diese Bedenken werden ergänzt durch rechtspolitische Erwägungen, die von der Sorge um eine übermäßige Politisierung der kommunalen Wahlbeamten gekennzeichnet sind. Fast schon allwöchentlich wird der Bürger durch die Medien mit einem neuen Skandalfall konfrontiert. Gleichzeitig werden politische Meinungsverschiedenheiten auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene mit einer Intensität und Emotionalität ausgetragen, die Zweifel an einer sachlichen Gesprächsbereitschaft der Beteiligten aufkommen lassen.5 Vor diesem Hintergrund rechtfertigt sich der Eindruck, daß auf allen Ebenen der Durchsetzung von Partikularinteressen eine gegenüber dem Gemeinwohl unangemessen große Bedeutung eingeräumt wird. Soweit dieser Eindruck zutrifft, ist von der Umsetzung derartiger partikularer Zielsetzungen naturgemäß besonders die Verwaltungsspitze betroffen. 6 Wenn daher gleichermaßen über politischen Beamten wie kommunalen Wahlbeamten das Damoklesschwert der vorzeitigen Beendigung des aktiven Dienstverhältnisses schwebt, ist auf jeden Fall die Möglichkeit des Mißbrauchs durch den Dienstherrn in das Kalkül zu ziehen.
3
Diese Definition dient einer ersten Annäherung an den Begriff des kommunalen Wahlbeamten. 4 Vgl. exemplarisch für Niedersachsen: Nds.SVK., S. 152; Nds.LT-Drucksache 9/1961, S. 26. 5 An dieser Stelle wird darauf hingewiesen, daß der Begriff der Politik nachfolgend auch die Kommunalpolitik als Ausdruck der kommunalen Selbstverwaltung umfaßt.
Einleitung Gegenstand dieser Arbeit ist nicht nur die getrennte Darstellung der vorzeitigen Beendigungsmöglichkeit bei politischen Beamten und kommunalen Wahlbeamten, sondern es soll versucht werden, Vergleichbares beider Institutionen zueinander in Beziehung zu setzen. Nicht zuletzt auf diese Weise soll ein aktueller Beitrag zu der Diskussion um die vorzeitige Abberufung oder Abwahl kommunaler Wahlbeamter geleistet werden. 7
6
Allgemein zum Problem von Ämterpatronage und fehlender Verwaltungsethik Quambusch, DÖD 1992, 97 ff. 1 Die Arbeit berücksichtigt die Rechts- und Gesetzeslage nach dem Stand vom 1.1.1995. Soweit dies möglich war, wurden Rechtsprechung und Literatur auch noch über den 1.1.1995 hinaus berücksichtigt.
Teil I
Die historische Entwicklung der vorzeitigen Beendigung des aktiven Beamtenstatus bei politischen Beamten und kommunalen Wahlbeamten Von einer vorzeitigen Beendigung des aktiven Beamtenstatus kann begrifflich erst gesprochen werden, wenn dieser Status einem gewissen Bestandsschutz unterliegt, da andernfalls bei Bestehen einer jederzeitigen Beendigungsmöglichkeit von Vorzeitigkeit keine Rede sein könnte. Ein erster beamtenrechtlicher Bestandsschutz ist im Preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794, Teil II, Titel 10, §§ 98 ff. 1 kodifiziert, wonach ein Beamter nicht mehr durch seinen Dienstvorgesetzten willkürlich entlassen werden durfte. 2 Allerdings blieb davon das Recht des preußischen Königs unberührt, nach seinem Ermessen dennoch eine Entlassung vorzunehmen. 3 Mit diesen Anfängen eines Bestandsschutzes setzt die historische Betrachtung ein.
A. Die historische Entwicklung des politischen Beamten Die Institution des politischen Beamten hat eine lange Tradition und ist durchaus nicht erst eine Erfindung der parlamentarischen Demokratie. Vielmehr reichen die Ursprünge der Einrichtung bis in die absolute Monarchie zurück.
1
Allgemeines Gesetzbuch für die preussischen Staaten, Vierter Band, Berlin 1791. Oberle-Kahn, Ursprünge des beamtenrechtl. Lebenszeitprinzips, S. 156; Wacke, AöR 1966,441 (445). 3 Härtung, Studien zur Geschichte der preuß. Verwaltung, S. 4 f.; Lötz, Geschichte des dt. Beamtentums, S. 206; Oberle-Kahn, Ursprünge des beamtenrechtl. Lebenszeitprinzips, S. 156. 2
I. Der politische Beamte in der
s u t e n Monarchie
23
I. Der politische Beamte in der absoluten Monarchie Das Selbstverständnis der absoluten Monarchie machte aus den Beamten unmittelbare Diener des regierenden Monarchen, dem gegenüber sie zu absolutem Gehorsam und zu persönlicher Treue verpflichtet waren. 4 Dieses enge Band zwischen dem Beamten und dem regierenden Monarchen implizierte als notwendige Dienstpflicht die politische Übereinstimmung und ließ keine Meinungsunterschiede zu. 5 Entsprechend wurde der rechtliche Status des Beamten durch den Grundsatz der freien Entlaßbarkeit geprägt. 6 Der Monarch konnte also das aktive Dienstverhältnis jederzeit durch Entlassung beenden, wenn er Zweifel an der persönlichen Treue des Beamten hatte.7 Ausdrücklich ist dieses in Bayern durch Art. X V I I der „Höchstlandesherrlichen Verordnung über die Rechtsverhältnisse der Staatsdiener" zum Ausdruck gebracht. 8 Das zeitgenössische Schrifttum erblickte die dogmatische Rechtfertigung für diesen Grundsatz darin, daß sich aus der Leistung von Staatsdiensten keine rechtlich geschützte Position für den Beamten ergeben könne, so daß die jederzeitige Entlaßbarkeit ein selbstverständliches Recht des Monarchen sei.9 Nach der Entlassung durch den Monarchen standen dem Beamten keinerlei versorgungsrechtliche Ansprüche zu. Diese Rechtslage erfuhr in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts einige Modifizierungen. In Preußen wurde das Entlassungsverfahren mit formellen Garantien ausgestattet, wobei sich der König eine Letztentscheidungsbefugnis für die Entlassung der höheren Beamten vorbehielt. 10 Damit stand dem König für die höheren Beamten weiterhin das Recht zu, sie wegen Mißliebigkeit aus der Verwaltung zu entfernen. 11 In anderen deutschen Staaten trat als Ausdruck eines beginnenden beamtenrechtlichen Bestandsschutzes an die Stelle der Entlassung die Versetzung in den sogenannten Ruhe- oder Wartestand. 12
4 Härtung, Studien zur Geschichte der preuß. Verwaltung, S. 3 f.; Lenze, Der politische Beamte, S. 14 f.; Waldecker, AöR 1924, 129 (148). 5 Lenze, Der politische Beamte, S. 33. 6 Koellreuter, polit. Parteien, S. 81; Lenze, Der politische Beamte, S. 14; Lötz, Geschichte des dt. Beamtentums, S. 206. 7 Schunke, Die polit. Beamten, S. 17. 8 Gesetz vom 7.1.1805, RegBl. 1805,226(230). 9 Gönner, Staatsdienst, S. 271 ff.; Zachariä, Bücher vom Staate, Vierter Band, Zweite Abteilung, S. 316 ff. 10 Kgl. Verordnung vom 21.2.1823, PrGS. 1823, 25 (26). 11 Lötz, Geschichte des dt. Beamtentums, S. 399. 12 Goldberg, polit. Beamte, S. 10 f.
24
Teil I, A.: Die historische Entwicklung des politischen Beamten
Teilweise mußte der Versetzung ein umfangreiches Verfahren vorausgehen. 13 Während der Dauer des Ruhe- oder Wartestandes empfing der Beamte eine Versorgung, die in den meisten Ländern nach Gehaltsklassen gestaffelt wurde und die Hälfte bis drei Viertel der letzten Besoldung ausmachte.14 Gleichzeitig war er verpflichtet, einer erneuten Berufung in das aktive Dienstverhältnis Folge zu leisten. 15 Diese neugeschaffene Regelung verdankt ihre Enstehung jedoch nicht der Intention, mißliebige Beamte aus dem aktiven Dienst zu entfernen, sondern sie geht auf die umfangreichen Gebietsveränderungen zurück, die sich infolge des Friedens von Luneville am 9.2.1801 ereigneten. 16 Einerseits hatten etliche Beamte ihren bisherigen Dienstherrn verloren, andererseits herrschte in vielen Gebieten ein Personalmangel, der eine ordnungsgemäße Verwaltung gefährdete. Daher sollten die betroffenen Beamten durch den neuen Landesherren übernommen werden, andernfalls stand ihnen ein Anspruch auf Pension zu. 17 Auch spätere Regelungen sahen die Ruhestandsversetzung in erster Linie aus Gründen der Verwaltungsorganisation vor. 18 Angesichts eines beginnenden Bestandsschutzes für das Beamtenverhältnis wäre daran zu denken, daß als Mittel gegen mißliebige Beamte vermehrt auf das Disziplinarrecht zurückgegriffen wurde. Dies hätte insbesondere den Ministern vermehrt die Möglichkeit eröffnet, Beamte innerhalb ihres Ressorts aus dem Dienst zu entfernen. In diesem Zusammenhang kann beispielhaft auf das Disziplinarrecht im spätabsolutistischen Preußen verwiesen werden, das die Entlassung des Beamten bei „mangelhafter Amtsführung" oder bei „Verlust
13 Z.B. in Sachsen § 19 des Gesetzes „die Rechtsverhältnisse der Zivilstaatsdiener betreffend" vom 7.3.1835, GVB1. 1835, 169 (177 f.). 14 Till, Alimentationsprinzip, S. 297 ff. gibt einen Oberblick über die Alimentation im Wartestand. 15 Vgl. für das Großherzogtum Hessen Artikel 15 des Edikts „über die öffentlichen Dienstverhältnisse der Zivil-Staats-Beamten" vom 12.4.1820, RegBl. 1820, 189 (191), und für Sachsen § 19 des Gesetzes „die Rechtsverhältnisse der Zivilstaatsdiener betreffend 4' vom 7.3.1835, GVB1. 1835, 169 (177). 16 Schunke, Die polit. Beamten, S. 6 ff. 17 § 59 Reichsdeputationshauptschluß vom 25.2.1803, abgedruckt bei Huber, Dokumente, Bd. I, S. 21. 18 In Bayern: Art. XI und XX der „Höchstlandesherrlichen Verordnung über die Rechtsverhältnisse der Staatsdiener" vom 7.1.1805, RegBl. 1805, 226 (228, 232); in Preußen: vgl. PrGS. 1815, 41 (43), PrGS. 1817, 243 (256), PrGS. 1822, 205; in Sachsen: § 19 des Gesetzes „die Rechtsverhältnisse der Zivilstaatsdiener betreffend" vom 7.3.1835, GVB1. 1835, 169 (177 f.); in Württemberg: § 18 WürtZStG vom 18.6.1821, RegBl. 1821,441.
I. Der politische Beamte in der
suten Monarchie
25
des zum Amt erforderlichen Ansehens" vorsah. 19 Es drängt sich die Frage auf, ob die entsprechenden Vorschriften nicht auch bei fehlender politischer Übereinstimmung Anwendung finden konnten. Immerhin scheint hierfür eine gewisse Regelungsnähe zum Disziplinarrecht zu sprechen. 20 Allerdings wurden obige Tatbestandsmerkmale trotz ihrer Dehnbarkeit von der damaligen Beamtenschaft weder gerügt noch ist eine entsprechende Verwaltungspraxis bekannt geworden. 21 Vielmehr wurde von der zeitgenössischen Literatur gefordert, den Ministern das Recht einzuräumen, Beamte der inneren Verwaltung wegen politischer Gründe aus dem Dienst zu entlassen.22 Daher entspricht es allgemeiner Ansicht, daß im spätabsolutistischen Preußen das Disziplinarrecht nicht als Instrument gedient hat, mißliebige Beamte aus dem Dienst zu entfernen. 23 Für derartiges Vorgehen fehlte noch eine spezialgesetzliche Regelung; insbesondere fehlte den Ministern weiterhin ein eigenständiges Entlassungsrecht. Gleichzeitig betonte man gegenüber der gesamten Beamtenschaft die Notwendigkeit politischer Übereinstimmung mit der Regierung. 2 4 ' 2 5 Da jedoch ungeachtet eines beginnenden Bestandsschutzes das Lebenszeitprinzip noch nicht eingeführt war, 26 blieb es das ausschließliche Recht des Königs, auch ohne eine Spezialregelung Beamte, an deren Treue er Zweifel hatte, durch Entlassung aus dem Dienst zu entfernen. 27 Da sich in der absoluten Monarchie alle Beamten in politischer Übereinstimmung mit dem Monarchen befinden mußten, konnte es noch keine abgegrenzte Gruppe der politischen Beamten geben. Immerhin waren bereits in der 19
§ 21 des Gesetzes „betreffend das gerichtliche und das Disziplinar - Strafverfahren gegen Beamte" vom 29.3.1844, PrGS. 1844, 77 (81). 20 Vgl. Anders, DÖV 1964, 109 (112). 21 Härtung, Studien zur Geschichte der preuß. Verwaltung, S. 17 f. 22 Vgl. hierzu Bülau, Behörden, S. 104. 23 Härtung, Studien zur Geschichte der preuß. Verwaltung, S. 17 f.; Ule, DÖV 1964, 293. 24 Härtung, Studien zur Geschichte der preuß. Verwaltung, S. 23, Fußnote 51 m.w.N.; ders., Staatsbildende Kräfte der Neuzeit, S. 252 m.w.N. 25 Im Großherzogtum Hessen wurden politische Äußerungen von Staatsdienern, die „der Staatsregierung Mißbilligung oder Trotz bezeugt" hatten, zum Anlaß genommen, in einer besonderen „ B e k a n n t m a c h u n g zum öffentlichen Dienst" vom 13.12.1833, RegBl. 1833,446a f., daraufhinzuweisen, daß die Staatsregierung zukünftig ein wachsames Auge auf ein derartiges Verhalten richten werde. Es werde bei allen Gesuchen um Anstellung, Beförderung oder Gehaltsverbesserung nicht nur auf die Qualifikation, sondern auch auf das allgemeine Verhalten der Ansuchenden Rücksicht genommen werden. 26 Vgl. zum damaligen Streitstand: Bülau, Behörden, S. 101; Weiske, Rechtslexikon, S. 753 ff. m.w.N. 27 Schunke, Die polit. Beamten, S. 25,
2 6 T e i l I, A.: Die historische Entwicklung des politischen Beamten zeitgenössischen Literatur als Konsequenz der Forderung nach Bestandsschutz für das Beamtenverhältnis erste Ansätze einer derartigen Einrichtung erkennbar. 28 Erst als in der monarchistischen und königstreuen Beamtenschaft in der Zeit des Spätabsolutismus politische Spannungen auftraten, 29 entstand das Problem des politischen Beamten. Den politischen Beamten als solchen gab es jedoch noch nicht. Die Notwendigkeit steter politischer Übereinstimmung bedeutet aber eine Parallele zu den Anforderungen, welche dieser Tage an den politischen Beamten gestellt werden. Nur in diesem Sinn läßt sich sagen, daß jeder Beamte ein politischer Beamter gewesen ist, da er jederzeit vom Monarchen aus dem aktiven Dienst entfernt werden konnte. 30
II. Der politische Beamte in der konstitutionellen Monarchie Der politische Beamte heutiger Prägung ist in den Jahren 1848/49 in Preußen entstanden, als der Spätabsolutismus durch die konstitutionelle Monarchie abgelöst wurde. 31 Nachdem die liberale Bewegung gestoppt und am 5.12.1848 sowohl durch königliche Verordnung die Auflösung der verfassunggebenden preußischen Nationalversammlung angeordnet 32 als auch eine Verfassung oktroyiert worden war, 33 begann das Kabinett Graf Brandenburg/Freiherr von Manteuffel nur zögernd, den konstitutionellen Gedanken in die Verfassungsrealität umzusetzen.34 Zwar wurde durch Artikel 96 der oktroyierten Verfassung den nichtrichterlichen Beamten ein Gesetz in Aussicht gestellt, 35 das ihnen „angemessenen Schutz gegen willkürliche Entziehung von Amt und Einkommen" garantieren sollte, aber ein derartiges Gesetz wurde mit diesem Inhalt nie erlassen. Immerhin wurde am 11.7.1849 durch eine Notverordnung, der gemäß Artikel 105 der oktroyierten Verfassung Gesetzeskraft zukam, die grundsätzliche Unabsetzbarkeit der Beamten und die Lebenslänglichkeit des
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Vgl. besonders Bülau, Behörden, S. 104. Hattenhauer, Geschichte des Beamtentums, S. 221 ff. 30 In diesem Sinn: Koellreuter, polit. Parteien, S. 81; Wacke, AöR 1966,441 (447). 31 Kugele, Der politische Beamte, S. 11; Wacke, AöR 1966,441 (447 f.). 32 PrGS. 1848, 371. 33 PrGS. 1848, 375 ff. 34 Goldberg, polit. Beamte, S. 12; Härtung, Staatsbildende Kräfte der Neuzeit, S. 253. 35 PrGS. 1848,375 (388). 29
II. Der politische Beamte in der konstitutionellen Monarchie
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Beamtenverhältnisses eingeführt. 36 Die Unentlaßbarkeit der Beamten sollte die Trennung von Regierung und Verwaltung herbeiführen und damit eine unabhängige und gesetzmäßige Verwaltung in der konstitutionellen Monarchie garantieren. 37 Im achten Abschnitt der Notverordnung wurde allerdings eine Ausnahme von diesem Grundsatz normiert, die ihrem materiellen Regelungsgehalt nach das Institut des politischen Beamten einführte. 38 Gemäß § 94 der Notverordnung konnte ein bestimmter Kreis höherer Verwaltungsbeamter (Unterstaatssekretäre, Ministerialdirektoren, Oberpräsidenten u.a.) jederzeit unter Gewährung eines Wartegeldes einstweilig in den Ruhestand versetzt werden, ohne daß ein besonderes Verfahren, die Angabe von Gründen oder die Gewährung rechtlichen Gehörs erforderlich gewesen wären. 39 Vielmehr war die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand in das Ermessen der Staatsführung gestellt. 40 Entsprechend standen dem Beamten gegen die Versetzungsentscheidung keine Rechtsschutzmöglichkeiten offen. 41 Der Beamte war verpflichtet, sich während des einstweiligen Ruhestandes für eine Wiederverwendung bereitzuhalten. Die Höhe des Wartegeldes betrug bei höheren Beamten regelmäßig die Hälfte der letzten Besoldung.42 Die Gründe für diese Regelung sind vielschichtig, 43 mit Sicherheit aber ist sie ganz wesentlich die Konsequenz aus der grundsätzlichen Unentlaßbarkeit der Beamten in der konstitutionellen Monarchie. 44 Die Beamten waren nicht mehr Diener des Monarchen, sondern nur noch Diener der konstitutionellen Staatsordnung mit ihren Institutionen. 45 Zu diesen Institutionen gehörte die Regierung mit ihren Ministern, die wechselnden politischen Richtungen angehören konnten. Um Obstruktion zu vermeiden und die Umsetzung der jeweili36
„Verordnung betreffend die Dienstvergehen der nichtrichterlichen Beamten, die Versetzung derselben auf eine andere Stelle oder in den Ruhestand", PrGS. 1849, 271 ff. 37 Held, Allg. Staatsrecht, S. 252 ff.; Wilhelm, Berufsbeamtentum, S. 47. 38 „Verfugungen im Interesse des Dienstes, welche nicht Gegenstand eines Disziplinarverfahrens sind", PrGS. 1849, 289 ff. 39 Härtung, Studien zur Geschichte der preuß. Verwaltung, S. 25; Ule, DÖV 1964, 293 (294). 40 Wacke, AöR 1966,441 (450). 41 Vgl. § 5 des Gesetzes „betreffend die Erweiterung des Rechtswegs" vom 24.5.1861, PrGS. 1861,241 ff. 42 PrGS. 1848, 153 f. 43 Kugele, Der politische Beamte, S. 12 f. 44 Wiese, Staatsdienst, S. 162. 45 Härtung, Studien zur Geschichte der preuß. Verwaltung, S. 24; Wilhelm, Berufsbeamtentum, S. 44 ff.
2 8 T e i l I, A.: Die historische Entwicklung des politischen Beamten gen Politik sicherzustellen, sollten daher die leitenden Verwaltungsbeamten in Übereinstimmung mit der Regierungspolitik stehen.46 Soweit es an dieser Übereinstimmung gebrach, erschien es geboten, durch Austausch gegen geeignetere Beamte die notwendige politische Übereinstimmung wiederherzustellen. Da man sich mit Einfuhrung des Lebenszeitprinzips eines mißliebigen Beamten nicht mehr durch Entlassung entledigen konnte, war die Formulierung einer Ausnahmeregelung, wie wir sie für bestimmte leitende Verwaltungsbeamte in § 94 der Verordnung vom 11.7.1849 finden, die „ultima ratio". Die Notverordnung wurde abgelöst durch das Gesetz „betreffend die Dienstvergehen der nicht richterlichen Beamten" vom 21.7.1852, das in § 87 den Kreis der politischen Beamten wie folgt bestimmte: 47 „Unterstaatssekretäre, Ministerialdirektoren, Oberpräsidenten, Regierungspräsidenten und Vizepräsidenten, Militärintendanten, Beamte der Staatsanwaltschaft bei den Gerichten, Vorsteher Königlicher Polizeibehörden, Landräte, Gesandte und andere diplomatische Agenten." Diese wie spätere gesetzliche Änderungen in Preußen bis 1918 betrafen jedoch nur den Ämterkreis und ließen die Regelung ansonsten unberührt. So erfuhr der Ämterkreis der politischen Beamten im Anschluß an die in den Kriegen von 1866 erzielten Gebietsgewinne eine starke Ausdehnung, um solchermaßen die preußische Staatsgewalt in den neuen Gebieten zu festigen. 48 Beispielsweise wurden in den Kreis der politischen Beamten Oberforstmeister, Vorsteher der Oberpostdirektionen, der Obertelegrapheninspektionen und der Eisenbahninspektionen, Direktoren der höheren Lehranstalten, Gestütsdirigenten, Kreis- und Amtshauptleute, Amtmänner und Hardesvoigte einbezogen.49 In der zeitgenössischen Literatur und in der parlamentarischen Auseinandersetzung wurde sowohl diese Ausweitung des Ämterkreises als auch die Einbeziehung der Landräte heftig kritisiert, ohne daß es nachfolgend zu einer Reduzierung des Ämterkreises der politischen Beamten gekommen wäre. 50 In den übrigen deutschen Staaten gab es unterschiedliche Regelungen, von denen allerdings keine wesentlichen Impulse ausgingen.51 In Bayern, Braunschweig, Sachsen, Württemberg und im Großherzogtum Hessen verzichtete man bis 1918 gänzlich auf die Einrichtung einer besonderen Gruppe der poli-
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Vgl. Bericht des Staatsministeriums vom 9.7.1849, PrMinBliV. 1849, 119 (123); Lötz, Geschichte des dt. Beamtentums, S. 433. 47 PrGS. 1852,465(485). 48 Schunke, Die polit. Beamten, S. 43. 49 Vgl. Art. VI der Verordnung vom 23.9.1867, PrGS. 1867, 1613 (1617). 50 Vgl. die Nachweise bei Schunke, Die polit. Beamten, S. 46 f. 51 Schunke, Die polit. Beamten, S. 39.
II. Der politische Beamte in der konstitutionellen Monarchie
29
tischen Beamten.52 Insbesondere in Bayern 53 und Sachsen54 bestand kein Bedürfnis für eine derartige Einrichtung, da alle Beamten beinahe voraussetzungslos in den Ruhestand versetzt werden konnten. 55 Nach Gründung des Deutschen Reiches wurde auf Reichsebene durch das Reichsbeamtengesetz vom 31.3.1873 das Institut des politischen Beamten eingeführt. 56 Der Ämterkreis der politischen Beamten sah danach wie folgt aus: 57 „Der Reichskanzler, der Präsident des Reichskanzleramtes, der Chef der Kaiserlichen Admiralität, der Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Direktoren und Abteilungsleiter im Reichskanzleramt, im Auswärtigen Amt und in den Ministerien, die vortragenden Räte und etatmäßigen Hilfsarbeiter im Auswärtigen Amt, Militär- und Marineintendanten sowie diplomatische Agenten einschließlich der Konsuln." Da die Reichsverfassung vom 16.4.1871 dem Reich die Gesetzgebungskompetenz ausschließlich für dessen Beamte und nicht für die der Bundesstaaten zugewiesen hatte, mußte die Regelung auf die Reichsbeamten beschränkt bleiben. 58 Im übrigen entsprach die reichsrechtliche Regelung grundsätzlich dem preußischen Vorbild. Das Wartegeld betrug gemäß § 26 RBG regelmäßig drei Viertel des letzten Jahresgehalts, aber nie weniger als 150 und nie mehr als 3000 Taler. Spätere gesetzliche Änderungen betrafen ausschließlich den Ämterkreis und beließen es im übrigen bei der bisherigen Wartestandsregelung. Für das hinzugewonnene Elsaß-Lothringen erging ein Gesetz, wonach ein umfassender Ämterkreis einer Versetzung in den einstweiligen Ruhestand ausgesetzt war: 5 9
52
Vgl. Röttgen bei Anschütz/Thoma, dt. Staatsrecht, S. 97 Fn. 31; Geifers, DVB1. 1955, 658 (660); Goldberg, polit. Beamte, S. 11 f.; Wacke, AöR 1966, 441 (453). 53 Artikel 38 des Beamtengesetzes vom 15.8.1908, GVB1. 1908, 581 (593 f.). 54 § 19 des Gesetzes „die Rechtsverhältnisse der Zivilstaatsdiener betreffend" vom 7.3.1835, GVB1. 1835, 169 (177). 55 Köttgen bei Anschütz/Thoma, dt. Staatsrecht, S. 97 Fn. 31; Kanngießer, Reichsbeamte, S. 111; Geifers, DVB1. 1955, 658 (660). 56 §§ 24, 25, 26 des Gesetzes „betreffend die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten" vom 31.3.1873, RGBl. 1873, 61 (65 f.). 57 § 25 des Gesetzes „betreffend die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten" vom 31.3.1873, RGBl. 1873,61 (65 f.). 58 Vgl. Artikel 4 der Reichsverfassung vom 16.4.1871, RGBl. 1871, 63 (65). 59 Gesetz vom 23.12.1873, GBl. Elsaß-Lothringen, S. 479.
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Teil I, A.: Die historische Entwicklung des politischen Beamten
„Der Oberpräsident, der Vizepräsident beim Oberpräsidenten, der Direktor der Zölle und indirekten Steuern, Bezirkspräsidenten, Oberregierungsräte, der Landforstmeister und der Oberforstmeister, Polizeidirektoren, Kreisdirektoren, die Beamten der Staatsanwaltschaft, die Kreisschulinspektoren, die Direktoren der öffentlichen höheren Schulen und die Lehrer an den öffentlichen niederen Schulen." Nachfolgend wurde auch auf Reichsebene der Ämterkreis der politischen Beamten erweitert, wobei dies mit der Notwendigkeit einer fortdauernden Gleichgestimmtheit in grundsätzlichen Fragen begründet wurde. 60 Der Ämterkreis wurde um folgende Beamtenstellen ergänzt: 61 „Der Präsident des Reichs-Eisenbahn-Amtes, der Oberreichsanwalt, Reichsanwälte, Staatssekretäre und Unterstaatssekretäre, die vortragenden Räte und etatmäßigen Hilfsarbeiter in der Reichskanzlei sowie die Ressort- direkteren für Schiffbau und die Ressortdirektoren für Maschinenbau in der Kaiserlichen Marine, schließlich höhere Kolonialbeamte." Abschließend stellt sich die Frage, welches Fazit aus der Einführung des Instituts des politischen Beamten gezogen werden kann. Die jederzeitige Möglichkeit, bestimmte höhere Beamte aus dem aktiven Dienst zu entfernen, wird teilweise als ein entschiedener Rückschritt in der beamtenrechtlichen Entwicklung beurteilt. 62 Eine solche Einschätzung berücksichtigt nicht, daß „kein neuer Rechtszustand begründet" worden ist. 63 Vielmehr wurde die Gruppe der politischen Beamten lediglich von der neueingeführten Garantie des Lebenszeitprinzips ausgenommen, so daß ihr Verbleiben im aktiven Dienst wie seit ehedem vom administrativen Ermessen abhängig blieb.
I I I . Der politische Beamte in der Weimarer Republik Die Weimarer Republik übernahm 1919 die Institution des politischen Beamten mit der Maßgabe, daß die Versetzung der Reichsbeamten in den einstweiligen Ruhestand durch den Reichspräsidenten auszusprechen war. 6 4
60
Vgl. Kanngießer, Reichsbeamte, S. 102 ff. Vgl. Gesetz vom 27.6.1873, RGBl. 1873, 164; Gesetz vom 27.1.1877, RGBl. 1977, 41; Gesetz vom 4.7.1879 RGBl. 1879, 165 (166); § 35 des Reichsbeamtengesetzes vom 18.5.1907, RGBl. 1907, 245 (250); Gesetz vom 8.6.1910, RGBl. 1910, 881 (884 f.). 62 Ule, DÖV 1964, 293. 63 Wacke, AöR 1966,441 (451); Wiese, Staatsdienst, S. 164. 64 §§ 1, 4 des Übergangsgesetzes vom 4.3.1919, RGBl. 1919, 285 f. i.V.m. Art. 178 Abs. 2 und Art. 179 Abs. 1 der Reichsverfassung vom 11.8.1919, RGBl. 1919, 1383 (1417). 61
IE. Der politische Beamte in der Weimarer Republik
31
Durch das sogenannte „Republikschutzgesetz,, vom 21.7.1922 wurde für das Reich der Kreis der politischen Beamten auf die Angehörigen der Besoldungsgruppen A X I I 6 5 aufwärts neuerlich erweitert. 66 Außerdem wurde die Zuständigkeit für die Versetzung der Reichsbeamten in den einstweiligen Ruhestand dem jeweiligen Reichsminister zugewiesen. Da das Republikschutzgesetz im Rahmen der Grundsatzgesetzgebung gemäß Art. 10 Ziff. 3 WRV erlassen wurde, war es Sache der Länder, diese Erweiterung auch für die eigenen Landesbeamten einzuführen. 67 Unter anderem geschah dieses durch Preußen 68, Sachsen69 und Thüringen 70 , während Bayern 71 und Württemberg 72 weiterhin auf die Einrichtung des politischen Beamten verzichteten. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß in Bayern das noch unter der konstitutionellen Monarchie geschaffene Beamtengesetz in Kraft blieb. Nachdem das Lebenszeitprinzip erst 1924 ausdrücklichen Eingang in das bayerische Beamtengesetz gefunden hatte, 73 verzichtete der Freistaat auch nachfolgend auf die Einrichtung des politischen Beamten. Soweit durch das Institut des politischen Beamten die Möglichkeit eröffnet war, bestimmte höhere Beamte durch Versetzung in den einstweiligen Ruhestand aus dem aktiven Dienst zu entfernen, stellt sich die Frage nach den Voraussetzungen und Rechtsfolgen dieser Regelung. Es war weder ein förmliches Verfahren vorgesehen 74 noch bestand eine Anhörungspflicht. 75 Lediglich in Thüringen mußte der Versetzungsentscheidung eine mündliche oder schriftliche Anhörung vorgeschaltet sein. 76 Des weiteren war die Versetzungsentscheidung gerichtlich nicht überprüfbar. 77 Das Wartegeld betrug maximal 50 65
Ministerialdirigenten, Oberregierungsräte u.a., vgl. Besoldungsgesetz vom 30.4.1920, RGBl. 1920, 805 (830). 66 Art. m, IV des Republikschutzgesetzes, RGBl. 1922 Bd. I, 590 (592 f.). 67 Vgl. Art. m des Republikschutzgesetzes, RGBl. 1922 Bd. I, 590 (592). 68 Abänderungsgesetz „betreffend die einstweilige Versetzung der unmittelbaren Staatsbeamten in den Ruhestand" vom 31.12.1922, GS. 1923,1 f. 69 Artikel I, § 13 des Gesetzes „über die Pflichten der Beamten und Lehrer und über Änderungen des Dienststrafrechtes" nebst Anlage vom 26.7.1923, GBl. 1923, 244 (246, 248). 70 § 30 des Staatsbeamtengesetzes vom 14.3.1923, GS. 1923, 129 (135). 71 Beamtenrechtliches Änderungsgesetz vom 31.3.1924, GVB1. 1924, 128 ff. 72 Beamtengesetz vom 21.1.1929, RegBl. 1929, 7 ff. 73 Beamtenrechtliches Änderungsgesetz vom 31.3.1924, GVB1. 1924, 128. 74 Brand, Beamtenrecht, S. 265 Anm. 3 b. 75 RGZ JW 1927, 2198 (2199); Brand, Beamtenrecht, S. 266 Anm. 4; Erythropel, DJZ 1928, 649 (651). 76 § 31 des Staatsbeamtengesetzes vom 14.3.1923, GS. 1923, 129 (136). 77 RGZ JW 1927, 2198 f.; Anschütz, JW 1927, 2692; Brand, Beamtenrecht, S. 266 Anm. 3 b; Erythropel, DJZ 1928, 649 (651).
3 2 T e i l I, A.: Die historische Entwicklung des politischen Beamten 80 % des ruhegehaltsfähigen Diensteinkommens. Angesichts der finanziellen Notlage des Staates wurde durch reichsgesetzliche Regelung vom 27.10.1923 eine Kürzung des Wartegeldes der Reichsbeamten bei privatem Erwerbseinkommen eingeführt; 78 mit Ausnahme von Bayern erließen auch die Länder entsprechende Kürzungsregelungen. 79 Die Anrechnungsregelungen wurden jedoch bald wieder aufgehoben. 80 Allerdings wurde diese Regelung 1931 erneut aufgegriffen, wobei eine Wartegeldkürzung erst ab einem jährlichen Anrechnungseinkommen von 6000 Reichsmark erfolgte. 81 Bemerkenswert ist die in Art. III des Republikschutzgesetzes und die entsprechenden Ausführungsgesetze eingegangene Formulierung, daß die jederzeit mögliche Versetzung in den einstweiligen Ruhestand für die nichtrichterlichen Beamten der Besoldungsgruppen A X I I an aufwärts „ i m Interesse der Festigung der verfassungsmäßigen republikanischen Staatsform" zulässig sei. Teilweise wurde dieser Formulierung die Bedeutung einer Tatbestandsvoraussetzung zugemessen, die für eine Ruhestandsversetzung ein positives Verhalten des politischen Beamten gegen die Politik der Regierung voraussetze. 82 Die überwiegende Auffassung ging jedoch von einer jederzeitigen Versetzungsmöglichkeit aus, die weder das Vorliegen bestimmter Voraussetzungen
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Artikel 10 §§ 1,2 der Verordnung „zur Herabminderung der Personalausgaben des Reichs (Personal-Abbau-Verordnung)" vom 27.10.1923, RGBl. 1923 Bd. I, 999 (1003 f.). 79 Baden: Art. 6 PAV vom 5.12.1923, GVB1. 1923, 353 (355 f.); Braunschweig: Art. 12PAV vom 23.11.1923, GVS. 1923, 349 (354); Hessen: Art. 1 PAG vom 19.12.1923, RegBl. 1923, 509; Lippe: § 8 PAV vom 4.1.1924, GS. 1924, 450 (452); Mecklenburg-Schwerin: Art. 15 PAV vom 26.11.1923, RegBl. 1923, 873 (878); Preußen: §§ 92 ff. PAV vom 8.2.1924, PrGS. 1924, 73 (94 f.); Sachsen: § 16 PAV vom 21.12.1923, GBl. 1923, 557 (559); Thüringen: Art. 10 PAG vom 28.12.1923, GS. 1923, 839 (844 f.); Württemberg: § 30 PAV vom 29.12.1923, RegBl. 1923, 537 (544 f.). 80 Vgl. Reichsgesetz zur „Einstellung des Personalabbaues und Änderung der Personal-Abbau-Verordnung" vom 4.8.1925, RGBl. 1925 Bd. I, 181 (182); Baden: Aufhebungsgesetz vom 28.1.1926, GVB1. 1926, 31; Braunschweig: Aufhebungsgesetz vom 28.11.1925, GVS. 1925, 275; Hessen: Aufhebungsgesetz vom 8.10.1925, RegBl. 1925, 249 f.; Lippe: Aufhebungsgesetz vom 21.4.1927, GS. 1927, 127; MecklenburgSchwerin: Aufhebungsgesetz vom 18.5.1926, RegBl. 1926, 237; Preußen: Aufhebungsgesetz vom 8.8.1925, PrBesBl. 1925, 179; Sachsen: Aufhebungsgesetz vom 8.3.1926, GBl. 1926, 50; Thüringen: Aufhebungsgesetz vom 16.12.1926, GS. 1926, 458; Württemberg: Aufhebungsgesetz vom 21.4.1929, RegBl. 1929, 79. 81 Abschnitt 13 §§ 1 ff. der dritten Verordnung „des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen" vom 6.10.1931, RGBl. 1931 Bd. I, 537(549). 82 Erythropel, DJZ 1928, 649 (651).
IV. Der politische Beamte im ID. Reich
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erfordere noch einer besonderen Begründung bedürfe. 83 Allerdings müsse die Entlassungsbehörde zu der pflichtgemäßen Überzeugung gelangt sein, daß die Maßnahme der Festigung der republikanischen Staatsform diene. 84 Es bleibt festzuhalten, daß die Ausdehnung des Ämterkreises in der Weimarer Republik in erster Linie dazu dienen sollte, möglichen verfassungsfeindlichen Tendenzen in der höheren Beamtenschaft unabhängig von ihrem tatsächlichen Vorliegen zu begegnen, da man die republikanische Staatsform als nicht hinreichend gefestigt ansah.85
IV. Der politische Beamte im I I I . Reich Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten wurde das Reich der Dienstherr für alle Beamten. 86 Gleichzeitig wurden die beamtenrechtlichen Regelungen vereinheitlicht. 87 Der Ämterkreis des politischen Beamten blieb weitgehend unverändert, 88 erst infolge des Krieges wurden Erweiterungen vorgenommen. 89 Das Deutsche Beamtengesetz ersetzte den einstweiligen Ruhestand durch den sogenannten Wartestand, wobei je nach Amtsdauer maximal 80 % der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge als Besoldung weitergewährt wurden. 90 Auch die Kürzungsregelung für Wartegeldempfänger, die privates Erwerbseinkommen erzielten, wurde wieder aufgehoben. 91 Im Wartestand verlor der Beamte zwar sein Amt, nicht aber seinen aktiven Status.92 Dies hatte nicht nur zur Folge, daß der bisherige Pflichtenkreis bestehen blieb, sondern der Wartestandsbeamte mußte sich vorübergehend in einer beamteten oder nichtbeamteten Stellung einer gleichwertigen Laufbahn beschäftigen lassen.93 Soweit dem Beamten nach Ablauf von fünf Jahren kein neues Amt 83
RGZ JW 1927, 2197 (2198 f.); Anschütz, JW 1927, 2692; Brand, Reichsbeamtengesetz, Anm. 7 zu § 25; ders., Beamtenrecht, S. 265 Anm. 3 b; Corsing, DJZ 1928, 770 (771). 84 RGZ JW 1927, 2197 (2198); Brand, Beamtenrecht, S. 265 Anm. 3 b m.w.N. 85 RGZ JW 1927, 2197 (2199); Corsing, DJZ 1928, 770 (771 ff.); vgl. auch Röttgen, Berufsbeamtentum, S. 154 ff. 86 Stuckart/Albrecht, Staatsrecht, S. 67 f. 87 Stuckart/Schiedermair, Staatsrecht, S. 22. 88 Vgl. § 44 des Deutschen Beamtengesetzes vom 26.1.1937, RGBl. 1937 Bd. I, 39 (48). 89 Brand, DBG, Anm. 3 zu § 44. 90 §§ 89, 90 DBG vom 26.1.1937, RGBl. 1937 Bd. I, 39 (55 f.). 91 § 184 Abs. 2 Nr. 6 DBG vom 26.1.1937, RGBl. 1937 Bd. I, 39 (70). 92 Scheerbarth/Höffgen, Beamtenrecht, S. 503; Schütz, DÖD 1957, 1 (3). 93 Anders, DÖV 1964, 109 (115). ? Pricl>c
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Teil I, A.: Die historische Entwicklung des politischen Beamten
einer mindestens gleichwertigen Laufbahn übertragen wurde, mußte er in den Ruhestand versetzt werden. 94 Die Wartestandsversetzung konnte jederzeit auf Grund freien Ermessens erfolgen. 95 Im übrigen konnte eine vorherige Anhörung unterbleiben. 96 Zwar bestimmte § 42 Abs. 1 S. 2 DBG, daß der Beamte über Beschwerden und Behauptungen tatsächlicher Art, die ihm nachteilig werden könnten, gehört werden müsse, dies galt aber nicht, wenn es sich um dienstliche Urteile über seine Person, seine Kenntnisse und Leistungen handelte. 97 Da dienstliche Urteile ebenso wie die Entscheidung über die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand auf einem persönlichkeitsbedingten Werturteil beruhen und nicht zwingend an tatsächliche Umstände anknüpfen müssen, konnte eine entsprechende Anhörung unterbleiben. Der politische Beamte war im III. Reich weitgehend entfunktionalisiert, da die Nationalsozialisten bereits mit dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" vom 7.4.1933 eine Möglichkeit geschaffen hatten, 98 mißliebige Beamte, an deren bedingungsloser Gefolgschaft zum Nationalsozialismus Zweifel bestanden, jederzeit zu entlassen.99 Dies hatte zur Folge, daß jeder Beamte für den nationalsozialistischen Staat rückhaltlos einzustehen hatte, wollte er nicht aus dem aktiven Dienst entfernt werden. 100 Der Anwendungsbereich dieser Sonderregelung für politische Beamte reduzierte sich auf ausschließlich eignungsbedingte Wartestandsversetzungen. 101
V. Der politische Beamte nach 1945 Nach dem Zusammenbruch des III. Reiches galt das Deutsche Beamtengesetz zunächst weiter. Auch nach Inkrafttreten des Grundgesetzes am 23.5.1949 102 blieben die Regelungen des Deutschen Beamtengesetzes auf Bun94
§ 77 Abs. 2 DBG vom 26.1.1937, RGBl. 1937 Bd. I, 39 (53). Fischbach, DBG, Anm. 1 zu § 44. 96 Brand, DBG, § 44 Anm. 2; Fischbach, DBG, Anm. 1 zu § 44; Seel, DBG, S. 154. 97 RGBl. 1937 Bd. I, 39(47). 98 § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 4, RGBl. 1933 Bd. I, 175 nebst Durchführungsverordnung vom 11.4.1933, RGBl. 1933 Bd. I, 195. 99 Härtung, Studien zur Geschichte der preuß. Verwaltung, S. 40; Hattenhauer, Geschichte des Beamtentums, S. 377 ff.; die zeitgenössische Kommentierung durch Seel, Erneuerung des Berufsbeamtentums, S. 28 ff. zählt zu den Betroffenen „Parteibuchbeamte, nicht arische Beamte und politisch unzuverlässige Beamte". 100 Fischbach, DBG, Anm. 1 zu § 44; Härtung, Studien zur Geschichte der preuß. Verwaltung, S. 40. 101 Fischbach, DBG, Anm. 1 zu § 44. 102 BGBl. 1949, 1 ff. 95
V. Der politische Beamte nach 1945
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des- und Landesebene mit der Maßgabe wirksam, daß sie grundgesetzkonform sein mußten und nicht von neuerlassenen Beamtengesetzen verdrängt wur-
1. Der politische Beamte auf Bundesebene Für die Bundesbeamten wurde am 30.6.1950 eine bereinigte Bundesfassung des Deutschen Beamtengesetzes erlassen, die in § 44 die Institution des politischen Beamten beibehielt. 104 Diese Regelung wurde durch § 36 des Bundesbeamtengesetzes vom 14.7.1953 abgelöst, das den Wartestand durch den einstweiligen Ruhestand ersetzte. 105 Der Unterschied zwischen beiden Rechtsinstituten besteht darin, daß der in den einstweiligen Ruhestand versetzte Beamte im Gegensatz zum Wartestandsbeamten seinen aktiven Status verliert. 106 In § 36 BBG wurde der Kreis der politischen Beamten festgelegt, die als Lebenszeitbeamte jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt und als Beamte auf Probe jederzeit entlassen werden konnten: 107 1. Staatssekretäre und Ministerialdirektoren, 2. sonstige Beamte des höheren Dienstes im auswärtigen Dienst von der Besoldungsgruppe A 1 a an aufwärts, 3. der Präsident und der Vizepräsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, 4. der Bundespressechef und dessen Vertreter, 5. Oberbundesanwälte. Diese Vorschrift wurde hinsichtlich des Ämterkreises verschiedenen Änderungen unterworfen, 108 im übrigen hat sich an der Rechtslage bis heute nichts geändert. 109 Der Kreis der politischen Beamten wurde nachfolgend ergänzt um den Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, 110 Beamte des höheren Dienstes des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des Bundesnachrich-
103
BVerfGE 8, 332 (340); BVerwG DVB1. 1954, 368 f.; OVGE 3, 9 (12 f.); OVG Münster ZBR 1958, 141 (142); Fischbach, BBG, S. 8 ff.; Presting, ZBR 1957, 345 (347); Schütz, DÖD 1958, 1 (4). 104 BGBl. 1950,279(288). 105 BGBl. 1953 Bd. I, 551 (556). 106 Scheerbarth/Höffgen, Beamtenrecht, S. 503; Schütz, DÖD 1957, 1 (3). 107 BGBl. 1953 Bd. 1, 551 (556). 108 BGBl. 1957 Bd. I, 993 (1005); BGBl. 1971 Bd. I, 1181 (1187); BGBl. 1973 Bd. I, 669 (674); BGBl. 1974 Bd. I, 1273; BGBl. 1975 Bd. I, 1173 (1232). 109 Vgl. § 36 des Bundesbeamtengesetzes vom 27.2.1985, BGBl. 1985 Bd. I, 479 (485 f.). 1,0 BGBl. 1957 Bd. I, 993 (1005). 3"
3 6 T e i l I, A.: Die historische Entwicklung des politischen Beamten tendienstes von der Besoldungsgruppe A 16 an aufwärts, 111 den Bundesbeauftragten für den Zivildienst, 112 Beamte des höheren Dienstes in der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der Deutschen Demokratischen Republik von der Besoldungsgruppe B 3 an aufwärts, 113 den Chef des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, dessen Stellvertreter und den Stellvertretenden Sprecher der Bundesregierung. 114
2. Der politische Beamte auf Landesebene Die Entwicklung in den Ländern verlief unterschiedlich. Während in Berlin, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein die Einrichtung des politischen Beamten aus dem Deutschen Beamtengesetz in das Landesrecht übernommen 115 und durchgehend beibehalten wurde 116 , haben Bremen (1969) 117 und Baden-Württemberg (1976) 118 die Einrichtung erst verspätet übernommen, und Bayern kennt sie bis heute nicht 1 1 9 . Nachdem Hamburg bei Inkrafttreten des Beamtengesetzes 1961 die Einrichtung des politischen Beamten zunächst nicht übernommen 111
BGBl. 1971 Bd. 1,1181(1187). BGBl. 1973 Bd. I, 669 (674). 113 BGBl. 1974 Bd. I, 1273. 114 BGBl. 1975 Bd. 1,1173 (1232). 115 Berlin: §§ 55 ff. LBG vom 24.7.1952, GVB1. 1952, 603 (608); Hessen: § 70 des Gesetzes über die Rechtsstellung der Beamten und Angestellten im öffenlichen Dienst vom 12.11.1946, GVB1. 1946, 205 (212); Niedersachsen: §§47 ff. NBG vom 14.7.1960, GVB1. 1960, 145 (162 f.); Nordrhein-Westfalen: § 33 LBG vom 15.6.1954, GVB1. 1954,237 (241); Rheinland-Pfalz: §§ 44 ff. LBG vom 13.12.1949, GVB1. 1949, 605 (609); Saarland: §§ 56 ff. SBG vom 11.7.1962, ABl. 1962, 505 (513); SchleswigHolstein: Ergänzungsgesetz vom 4.3.1948, GVB1. 1948, 52 und §§48 ff. LBG vom 19.3.1956, GVB1. 1956, 19 (27 ff.). 116 Berlin: §§ 72 ff. LBG vom 20.2.1979, GVB1. 1979, 368 (377); Hessen: §§ 57 ff. HBG vom 14.12.1976, GVB1. 1977 Bd. I, 42 (54); Niedersachsen: §§ 47 ff. NBG vom 11.12.1985, GVB1. 1985, 493 (504); Nordrhein-Westfalen: §§38 ff. LBG vom 1.5.1981, GVB1. 1981, 234 (241); Rheinland-Pfalz: §§50 ff. LBG vom 11.7.1962, GVB1. 1962, 73 (82 ff.); Saarland: §§58 ff. SBG vom 25.6.1979, ABl. 1979, 570 (579); Schleswig-Holstein: §§ 48 ff. LBG vom 1.6.1987, GVB1. 1987, 271 (282 f.). 117 § 41 a BremBG, eingeführt durch Änderungsgesetz vom 18.6.1969, GBl. 1969, 65. 1.8 § 53 a LBG BW, eingeführt durch Änderungsgesetz vom 9.3.1976, GBl. 1976, 310. 1.9 Vgl. Bayerische Beamtengesetze vom 28.10.1946, GVB1. 1946, 349 ff., vom 18.7.1960, GVB1. 1960, 161 ff. und vom 11.5.1987, GVB1. 1987, 149 ff. z.g.d.G.v. 23.7.1993. 112
V. Der politische Beamte
ch
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hatte, 120 wurde 1978 schließlich doch der politische Beamte eingeführt 121 . Obwohl das Fehlen politischer Beamter in der Hansestadt eine fünfhundertjährige Tradition hatte, sah sich die Bürgerschaft angesichts einer fortschreitenden Politisierung im Bereich der Verwaltungsführung zu dieser Entscheidung veranlaßt. 122 Nach der Herstellung der Einheit Deutschlands wurde durch Art. 20 EV das Berufsbeamtentum im Beitrittsgebiet eingeführt. 123 Danach galt in den neuen Bundesländern bis zum Inkrafttreten eines eigenen Landesbeamtenrechts das Bundesbeamtengesetz.124 Somit fand die Einrichtung des politischen Beamten ohne länderspezifische Sonderregelung über § 36 BBG unmittelbaren Eingang in das Beamtenrecht der neuen Bundesländer. Allerdings wurde in der nachfolgenden Zeit durch die jeweiligen Landesgesetzgeber der Ämterkreis des politischen Beamten auf die eigenen Vorstellungen zugeschnitten. Während Mecklenburg-Vorpommern 125 , Brandenburg 126 und Thüringen 127 vor Inkrafttreten eines Landesbeamtengesetzes in vorläufigen Regelungen einen länderspezifischen Ämterkreis festlegten, erfolgte die Regelung in Sachsen-Anhalt 128 und in Sachsen129 unmittelbar in dem Landesbeamtengesetz. Inzwischen haben auch Mecklenburg-Vorpommern 130 , Brandenburg 131 und Thüringen 132 in eigenen Landesbeamtengesetzen endgültige Regelungen über die Einrichtung des politischen Beamten getroffen. Dabei hat der Freistaat Sachsen den Kreis der politischen Beamten mit Staatssekretären, Regierungspräsidenten sowie dem Regierungssprecher relativ klein gehalten. Hingegen
120
Vgl. HmbBG vom 13.3.1961, GVB1. 1961 Bd. I, 49 ff § 41 Abs. 1 HmbBG, eingeführt durch Gesetz zur Änderung des Hamburgischen Beamtengesetzes vom 13.7.1978, GVB1. 1978, 315. 122 Hamburger Bürgerschaft PIPr., 9. Wahlperiode, 2. Sitzung, S. 22 f. 123 Vertrag über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31.8.1990, BGBl. 1990 Bd. H, 885 (889). 124 Anlage I EV, Kapitel XIX, Sachgebiet A, Nr. 2 a, BGBl. 1990 Bd. E, 885 (1141). 125 §7 des 2. Beamtenrechtsregelungsgesetzes vom 24.3.1992, GVB1. 1992, 210 (211). 126 §4 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Beamtenrechts vom 8.8.1991, GVB1. 1991,372 (373). 127 § 4 BeamtVorschaltG vom 17.7.1991, GVB1. 1991,217 (218). 128 § 36 Abs. 1 BGLSA vom 14.5.1991, GVB1. 1991,61 (67). 129 § 59 SächsBG vom 17.12.1992, GVB1. 1992, 615 (625). 130 § 40 LBG M-V vom 28.6.1993, GVB1. 1993, 577 (590). 131 § 105 LBG Brandenburg vom 24.12.1992, GVB1. 1992, 506 (534). 132 § 41 ThürBG vom 10.6.1994, GVB1. 1994, 589 (599). 121
3 8 T e i l I, A.: Die historische Entwicklung des politischen Beamten haben andere neue Bundesländer Polizeipräsidenten, 133 Generalstaatsanwälte 1 3 4 und hohe Beamte im Bereich des Verfassungsschutzes 135 als politische Beamte ausgewiesen. Thüringen hatte sogar die Leiter der Ministerbüros vorläufig in den Ämterkreis der politischen Beamten einbezogen.136 Diese Regelung wurde zwar nicht in das Landesbeamtengesetz übernommen, dafür wurden aber die Frauenbeauftragte und der Ausländerbeauftragte der Landesregierung zu politischen Beamten erklärt. 137 Einen gewissen Einschnitt für die Entwicklung des politischen Beamten brachte das Beamtenrechtsrahmengesetz vom 1.7.1957, 138 das vom Bund auf Grund der Rahmenkompetenz nach Art. 75 N r . l GG erlassen worden war. Gemäß § 1 BRRG sollten die Länder eine Anpassung ihrer beamtenrechtlichen Regelungen unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums und der gemeinsamen Interessen von Bund und Ländern bis zum 31.12.1963 vornehmen. 139 Von dieser Vorgabe wurden auch die Vorschriften über den politischen Beamten erfaßt. Zwar blieb den Ländern die Einrichtung des politischen Beamten freigestellt, soweit sie sich aber entschlossen, von der Einrichtung Gebrauch zu machen, bestimmte § 31 BRRG folgendes: (1) „Durch Gesetz kann bestimmt werden, daß der Beamte auf Lebenszeit jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden kann, wenn er ein Amt bekleidet, bei dessen Ausübung er in fortdauernder Übereinstimmung mit den grundsätzlichen politischen Ansichten und Zielen der Regierung stehen muß. Welche Beamte hierzu gehören,ist gesetzlich zu bestimmen. (2) Der Beamte auf Probe, der ein Amt im Sinne des Absatzes 1 bekleidet, kann jederzeit entlassen werden." 140
133
§ 105 LBG Brandenburg, § 36 BG LSA. § 105 LBG Brandenburg, § 40 LBG M-V, § 41 ThürBG. 135 § 105 LBG Brandenburg, § 40 LBG M-V, § 36 BG LSA, § 41 ThürBG. 136 § 4 BeamtVorschaltG. 137 § 41 Abs. 1 Nr. 5, 6 ThürBG; vgl. auch Wqydem, ZBR 1993, 178 (180) zur teilweise überzogenen und praxisfremden Ausdehnung des Ämterkreises des politischen Beamten in den neuen Ländern. 138 BGBl. 1957, 667 ff. 139 § 1 BRRG, BGBl. 1957 Bd. I, 667 (668) i.V.m. Art. E des Gesetzes „zur Änderung beamtenrechtlicher und besoldungsrechtlicher Vorschriften" vom 21.8.1961, BGBl. 1961 Bd. I, 1361 (1364). 140 Vgl. die Ausführungsbestimmungen der Länder zu § 31 BRRG: Berlin: §§ 71 ff. LBG vom 1.8.1960, GVB1. 1960, 716 (724 f.); Hessen: §§ 57 ff. HBG vom 21.3.1962, GVB1. 1962 Bd. I, 173 (183 f.); Niedersachsen: §§ 47 ff. NBG vom 14.7.1960, GVB1. 1960, 145 (162 f.); Nordrhein-Westfalen: § 49 a Änderungsgesetz zum LBG vom 134
I. Die Entwicklung in Preußen bis 1918
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Damit formuliert § 31 BRRG bis heute die Vorgabe, 141 an der sich die Einrichtung des politischen Beamten auf Landesebene messen lassen muß.
B. Die historische Entwicklung der Abwahlregelung bei den kommunalen Wahlbeamten Die Abwahlregelungen bilden nur eine Facette der Geschichte des kommunalen Wahlbeamtentums. Daher sind sie untrennbar mit seiner historischen Entwicklung verknüpft.
I. Die Entwicklung in Preußen bis 1918 Der kommunale Wahlbeamte heutiger Prägung ist im Rahmen der Stein'schen Städteordnung von 1808 entstanden. 142 ' 143 Zentrales Ziel der Städteordnung war die Einrichtung einer kommunalen Selbstverwaltung in Preußen. 144 Diese wurde durch eine Zweiteilung der städtischen Organe in eine Bürgerschaft und einen Magistrat funktionell umgesetzt. Die Bürgerschaft als Gemeindevertretung wurde gemäß § 67 StO durch die Bürger gewählt, die Inhaber des Bürgerrechts waren. Die Mitglieder des Magistrats wurden durch die Bürgerschaft gewählt, wobei diese Wahl nach §§ 152, 153 StO einer staatlichen Bestätigung unterlag. Die Magistratsmitglieder waren die leitenden Beamten der Gemeinde, denen gemäß §§ 168, 174 StO die Ausfuhrung der laufenden Geschäfte und die allgemeine Leitung des Gemeinwesens oblag. Weiterhin setzte sich der Magistrat aus besoldeten und unbesoldeten Mitgliedern zusammen. Indem ihre Amtsführung durch die Bürgerschaft überwacht wurde, befanden sie sich in einer gewissen Abhängigkeit. 145 Diese durch die Wahl begründete Abhängigkeit der Magistratsbeamten war bereits im Vorfeld der Neuordnung Gegenstand einer Kontroverse. Gleichsam als Korrektiv zur Wahl stellte sich insbesondere bei den besoldeten Magi10.4.1962, GVB1. 1962, 187 (190); Rheinland-Pfalz: §§ 50 ff. LBG vom 11.7.1962, GVB1. 1962, 73 (82 f.); Saarland: §§ 56 ff. SBG vom 11.7.1962, ABl. 1962, 505 (513). 141 BRRG vom 27.2.1985, BGBl. 1985 Bd. I, 462 (469). 142 Städteordnung vom 19.11.1808, PrGS. 1822, Anhang, 324 ff. 143 Görg, HdBKWP II, (1957), S. 85; Pappermann, ZBR 1968, 297 (298). 144 Härtung, Studien zur Geschichte der preuß. Verwaltung, S. 7; Lötz, Geschichte des dt. Beamtentums, S. 324 ff. 145 Clauswitz, Städteordnung, S. 73; Heffier, Dt. Selbstverwaltung, S. 94; Hensel, Kommunalrecht, S. 16; von Meier, Verwaltungsorganisation, S. 310 f.; Preuß, Entwicklung des dt. Städtewesens, S. 256.
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stratsmitgliedern die Frage nach der Amtsdauer, die zu einer heftigen Auseinandersetzung führte. 146 Dabei war es im Grundsatz umstritten, ob die Wahl zu einer lebenslangen oder befristeten Amtsdauer fuhren sollte. In einigen Gutachten wurde für eine Lebenslänglichkeit der Amtsdauer plädiert, um die Unabhängigkeit der Amtsinhaber zu fördern. 147 Gleichzeitig wurde eine Amtsbeendigung auf Grund eines bürgerschaftlichen Beschlusses als „Machtspruch" verworfen, der nur dazu führen könne, daß „Ränken und Kabalen" Vorschub geleistet werde. 148 Das preußische Provinzialdepartement bezog ebenfalls für eine lebenslängliche Amtsdauer Stellung, da die drohende Nichtwiederwahl für besoldete Magistratsmitglieder existenzgefährdend und deshalb eine unabhängige Arbeit unmöglich sei. 149 Eine vollkommen gegenteilige Position nahm der Direktor des Kriminalsenats bei der ostpreußischen Regierung, Morgenbesser, ein, der die besoldeten Magistratsmitglieder auf einjährige Aufkündigung setzen und alle drei Jahre bei den Bürgerschaftswahlen eine Aufkündigungsmöglichkeit für die wahlberechtigten Bürger schaffen wollte. 1 5 0 Diese jährliche Kündigungsmöglichkeit kommt einer vorzeitigen Abwahl jedenfalls in der Wirkung recht nahe. Auch Vincke, ein Berater Steins, entschied sich für eine Absetzbarkeit, da viele Pflichtwidrigkeiten nicht folgenlos hingenommen werden könnten, diese andererseits aber oftmals keine ausreichende Grundlage für ein Disziplinarverfahren böten. 151 Die Intentionen für eine Befristung waren unterschiedlich. Es sollte sowohl eine erhöhte Leistungsbereitschaft bei den kommunalen Wahlbeamten herbeigeführt als auch eine Korrekturmöglichkeit bei Mißgriffen geschaffen werden. 152 Gleichzeitig sollte Motivationsproblemen auf Grund fehlender Beförderungsaussichten entgegengewirkt werden. 153
146
Preuß, Entwicklung des dt. Städtewesens, S. 258 ff.; ders., städt. Amtsrecht in Preußen, S. 47. 147 Gutachten von Horn und Buck: wiedergegeben bei von Meier, Verwaltungsorganisation, S. 302. 148 Gutachten von Horn, wiedergegeben bei von Meier, Verwaltungsorganisation, S. 302. 149 Wiedergegeben bei: Preuß, städt. Amtsrecht in Preußen, S. 48; von Meier, Verwaltungsorganisation, S. 302. 150 Wiedergegeben bei: Clauswitz, Städteordnung, S. 76 f. 151 Wiedergegeben bei: von Meier, Verwaltungsorganisation, S. 302. 152 von Meier, Verwaltungsorganisation, S. 301. 153 von Meier, Verwaltungsorganisation, S. 306 f.
I. Die Entwicklung in Preußen bis 1918
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Die Kontroverse endete mit dem Stein'schen Kompromißvorschlag, der inhaltlich in die Städteordnung übernommen wurde. Gemäß § 146 StO wurden die Syndici, die gelehrten Stadträte und der Stadtrat für Bauwesen auf 12 Jahre gewählt und hatten nach ihrem Ausscheiden einen Anspruch auf Pension. Der Zweck dieser Lösung bestand nach Stein darin, „sowohl einem leichtsinnigen Verwerfen als auch einem lästigen Behalten" vorzubeugen. 154 Die Bürgermeister und die Oberbürgermeister wurden auf sechs Jahre gewählt und waren nicht pensionsberechtigt. Für die Letztgenannten wurde eine Pensionsberechtigung erst durch die StO vom 11.5.1839 eingeführt. 155 In § 205 StO wurde das Recht der Kommunalbeamten auf ihr Amt normiert, das in der Regel nur aus den gesetzlich bestimmten Gründen aberkannt werden konnte. Hinter der Klausel „ i n der Regel" verbarg sich eine in § 206 StO niedergelegte Abwahlmöglichkeit für Kommunalbeamte mit Ausnahme von Magistrats-, Bezirksvorsteher-, Stadtverordneten- und Stellvertreterstellen. 156 Durch ihren eingeschränkten Anwendungsbereich kam dieser Abwahlmöglichkeit keine große Bedeutung zu. 1 5 7 An dieser Vorschrift wird deutlich, daß man auf eine Abwahlmöglichkeit bei den kommunalen Wahlbeamten bewußt verzichtet hat, um die Kontinuität in der Führung der Stadtverwaltung sicherzustellen. Man war bestrebt, die Möglichkeit einer latenten Einflußnahme zu begrenzen, um ein Höchstmaß an Unabhängigkeit sicherzustellen. 158 Dies sollte eine Amtsführung fordern, bei der eine Umsetzung des Gemeinwohls in den Vordergrund gestellt wird. In diesen Zusammenhang läßt sich die Einschätzung von Stein über den idealen Magistratsbeamten einordnen: „Ausgezeichnete Männer müssen die Posten aus Liebe zum gemeinen Besten suchen". 159 Dennoch zeichnete sich in diesen Anfängen der kommunalen Selbstverwaltung für das Verhältnis von Bürgerschaft und Verwaltungsspitze eine beginnende Politisierung gerade in den kleineren Gemeinden ab, da reiche und einflußstarke Gemeindemitglieder ihren persönlichen Vorteil mit allem Nachdruck zu verfolgen begannen. 160 Entsprechend konnte kein Bedarf für eine Abwahlregelung bestehen, da hierdurch lediglich die Möglichkeit einer latenten Einflußnahme zu Lasten einer unabhängigen Amtsführung verschärft worden wäre. Vielmehr empfand man die regelmäßigen Wahlen im Abstand 154
Wiedergegeben bei: von Meier, Verwaltungsorganisation, S. 304. PrGS. 1839, 174 f. 156 Rönne/Simon, Gemeindeverfassung, S. 595 und S. 599. 157 Preuß, städt. Amtsrecht in Preußen, S. 54; Rönne/Simon, Gemeindeverfassung, S. 599 f. 158 Preuß, Entwicklung des dt. Städtewesens, S. 260. 159 Wiedergegeben bei: von Meier, Verwaltungsorganisation, S. 300. 160 Becker, Gemeindliche Selbstverwaltung, S. 251; Bülau, Behörden, S. 361 f.; Zachariä, Bücher vom Staate, Zweiter Band, S. 340. 155
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von sechs oder zwölf Jahren als hinreichenden Ausdruck der bürgerschaftlichen Selbstverwaltung. Auch die weitere Entwicklung in Preußen brachte keine Abwahlmöglichkeit für die kommunalen Wahlbeamten. 161 So bestimmte die Städteordnung vom 17.3.1831 in § 91 StO, daß die Bürgermeister und besoldeten Magistratsmitglieder statt auf zwölf Jahre „aus besonderen Gründen" auf Lebenszeit gewählt werden könnten, wenn sowohl ein entsprechender Beschluß der Stadtverordnetenversammlung vorläge als auch der Magistrat und die Regierung zustimmten. 1 6 2 Da nach erfolgter Wahl auf Lebenszeit eine Abwahlmöglichkeit nicht vorgesehen war, mußte eine derartige Amtsdauer auf Einzelfalle beschränkt bleiben, die sich nur „aus besonderen Gründen" rechtfertigen ließen. Stattdessen enthielten die Landgemeindeordnung für die Provinz Westphalen vom 31.10.1841 und die Gemeindeordnung für die Rheinprovinz vom 23.7.1845 die Klarstellung, daß auch auf die Gemeindebeamten die allgemeinen Vorschriften des Disziplinarrechts über „Suspension, Entsetzung und unfreiwillige Entlassung" zur Anwendung gelangen. 163 Allerdings verfolgte diese Regelung nicht das Ziel, eine Einflußmöglichkeit für Bürgerschaft oder Staatsregierung auf den Wahlbeamten zu schaffen. 164 Deshalb konnten der Bürgerschaft mißliebige Beamte auch nicht über den Umweg des Disziplinarrechts vorzeitig aus dem aktiven Dienst entfernt werden. Die von Preußen im 19. Jahrhundert hinzugewonnenen Gebiete behielten ihr eigenes Kommunalverfassungsrecht, 165 wobei trotz aller Unterschiede eine Gemeinsamkeit festzustellen ist: die Gemeindevertretung hatte keine Möglichkeit, sich von ihren auf Zeit gewählten Kommunalbeamten vorzeitig zu trennen. 166 Eine Sonderstellung nahm lediglich Hannover mit seinen auf Le-
161
Vgl. § 59 des Gesetzes „betreffend das gerichtliche und das Disziplinar - Strafverfahren gegen Beamte" vom 29.3.1844, PrGS. 1844, 77 (89). 162 PrGS. 1831,10(23). 163 § 86 Landgemeindeordnung für die Provinz Westphalen, PrGS. 1841, 297 (312); § 82 Gemeindeordnung für die Rheinprovinz, PrGS. 1845, 523 (543). 164 Das Disziplinarrecht im spätabsolutistischen Preußen hat nicht als Instrument gedient, um mißliebige Beamte aus dem Dienst zu entfernen, vgl. die Ausführungen und Nachweise unter Teil I A I dieser Arbeit. 165 Vgl. Städteordnung für die östlichen Provinzen von 1853 (PrGS. 1853, 261 ff.), westfälische und rheinische Städteordnung von 1856 (PrGS. 1856, 237 ff.), hannoversche Städteordnung von 1858 (HannGS. 1858, 141 ff.), Frankfurter Gemeindeverfassungsgesetz von 1867 (PrGS. 1867, 401 ff.), schleswig-holsteinische Städteordnung von 1869 (PrGS. 1869, 589 ff.), hessen-nassauische Städteordnung von 1897 (PrGS. 1897, 254 ff.), hohenzollernsche Gemeindeordnung von 1900 (PrGS. 1900, 189 ff.). 166 Vgl. z.B. für Hessen-Nassau: Antoni, Städteordnung, Anm.4 und Anm.8 zu § 34.
II. Die Entwicklung in den übrigen deutschen Staaten bis 1918
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benszeit gewählten Magistratsmitgliedern ein, worauf noch einzugehen sein wird. Eine Randerscheinung in Preußen ist der Oberbürgermeister oder Bürgermeister auf Kündigung, der zwar gesetzlich keine Ausformung erfahren hat. aber in der Gemeindeordnung vom 11.3.1850 (§ 157 GO) 1 6 7 und in der Städteordnung vom 30.5.1853 (§ 84 StO) 1 6 8 als Institut vorausgesetzt wurde. Die Kündigung stellte jedoch kein mit einer Abwahl gleichzusetzendes Rechtsinstitut dar, da von vornherein der konkrete Grund für die Kündigung vorbehalten sein mußte. 169 Außerdem sind die betroffenen (Ober-)Bürgermeister regelmäßig nicht aus einer Wahl hervorgegangen. Eine Neubegründung derartiger Beamtenverhältnisse auf Kündigung ist bei (Ober-) Bürgermeistern unterblieben. Soweit für Kommunalbeamte die Möglichkeit einer Anstellung auf Kündigung vorgesehen blieb, 1 7 0 fand diese Regelung bei Bürgermeistern und besoldeten Magistratsmitgliedern keine Anwendung, da diese auf Zeit gewählt werden mußten. 171 Bis zum Ende der Monarchie 1918 blieb es in Preußen grundsätzlich dabei, daß die Gemeindevertretung keine Möglichkeit hatte, eine vorzeitige Beendigung des kommunalen Wahlbeamtenverhältnisses herbeizuführen. 172
II. Die Entwicklung in den übrigen deutschen Staaten bis 1918 Sämtliche deutsche Staaten führten bis 1918 in ihren Städte-, Gemeindeund Landkreisordnungen für die Bürgermeister- und Magistratsämter das Institut des kommunalen Wahlbeamten ein. Zwar bedurfte die Wahl stets einer staatlichen Bestätigung, aber die Amtsdauer und der rechtliche Status waren denkbar unterschiedlich ausgestaltet. Vor diesem Hintergrund soll nachfolgend untersucht werden, welche Bedeutung einer vorzeitigen Beendigung des Wahlbeamtenverhältnisses zugekommen ist. Eine befristete Ausgestaltung des Wahlbeamtenverhältnisses blieb in den damaligen Kommunalverfassungen die Ausnahme. So bestimmte Art. 6 der „Gemeindeordnung der zur Stadt Frankfürt gehörigen Ortschaften" vom 167
PrGS. 1850,213 (250). PrGS. 1853,261 (289 f.). 169 § 157 preußische Gemeindeordnung vom 11.3.1850, PrGS. 1850, 213 (250). 170 §§ 8 ff. Kommunalbeamtengesetz vom 30.7.1899, PrGS. 1899, 141 (143). 171 Vgl. hierzu Oertel/Oehler, Städte-Ordnung, S. 370. 172 Loschelder, Deutsche Verwaltung 1938, 136 (139); vgl. ferner die Auflistung der Beendigungsgründe von Kommunalbeamtenverhältnissen bei Lötz, Kommunalbeamtenrecht, S. 615 ff. und S. 631 ff. 168
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12.8.1824, daß der Schultheiß als Ortsvorsteher auf sechs Jahre zu wählen sei, wobei gleichzeitig in Art. 9 eine vorzeitige Amtsbeendigung nur auf Grund eines gerichtlichen Verfahrens für zulässig erklärt wurde. 173 In den meisten Staaten wurde eine Wahl auf Lebenszeit angestrebt. Die rechtskundigen Bürgermeister wurden in Bayern nach Ablauf einer dreijährigen Probezeit Staatsdiener auf Lebenszeit. 174 In Sachsen wurden der Bürgermeister und die besoldeten Magistratsmitglieder auf Lebenszeit gewählt. 175 Allerdings bestimmte die revidierte Städteordnung vom 24.4.1873, daß einer Wahl auf Lebenszeit eine sechs- oder zwölijährige Amtsdauer vorangestellt werden konnte. 176 Unterblieb eine Wiederwahl, bestand ein Pensionsanspruch in Höhe eines halben Jahreseinkommens. Dies verdient deshalb besondere Erwähnung, weil der Anspruch - insoweit nimmt Sachsen eine Vorreiterstellung ein - bei Erzielung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gekürzt werden konnte, soweit die Höhe dieses Einkommens unter Zurechnung der Pension das bisherige Diensteinkommen überstieg. Sofern eine Wiederwahl erfolgte, bestand keine Möglichkeit, eine vorzeitige Amtsbeendigung herbeizuführen. 177 Gleiches galt für Sachsen-Meiningen, wo der Ortsvorsteher erst nach Ablauf einer dreijährigen Amtsperiode auf Lebenszeit gewählt werden konnte. 178 Ähnlich gestaltete sich die Rechtslage in Hohenzollern-Hechingen 179 , im Kurfürstentum Hessen 180 , in Oldenburg 181 und Sachsen-Altenburg 182, wo ohne 173
Die Gemeindeordnung ist abgedruckt bei Weiske, Gemeindegesetze, S. 533 ff.,
535.
174
§ 50 der „revidirten Verordnung, die Verfassung und Verwaltung der Gemeinden im Königreich betreffend" vom 1.7.1834, abgedruckt bei Weiske, Gemeindegesetze, S. 70 ff., 79; Artikel 72 ff. Gemeindeordnung vom 29.4.1869, GBl. 1869, 865 (912). 175 § 191 der Städteordnung vom 2.2.1832, GVS. 1832,21 (66); § 86 der revidierten Städteordnung vom 24.4.1873, GVB1. 1873, 295 (311). 176 § 86 der revidierten Städteordnung vom 24.4.1873, GVB1. 1873,295 (311). 177 Vgl. §§ 95 f. der revidierten Städteordnung vom 24.4.1873, GVB1. 1873, 295 (312 f.). 178 Art. 5 des Edictes, „die Verwaltung und Verfassung der Landgemeinden betreffend" vom 15.8.1840, abgedruckt bei Weiske, Gemeindegesetze, S. 384 ff., 385. 179 Gemäß §§ 17,20 der Gemeindeordnung vom 19.10.1833 (abgedruckt bei Weiske, Gemeindegesetze, S. 450 ff., 454) mußten durch Wahl drei Kandidaten für das Amt des Ortsvorstehers vorgeschlagen werden, wobei dann die Regierung einen Kandidaten auf Lebenszeit ernannte. 180 Gemäß §§43, 51 Gemeindeordnung für die Stadt- und Landgemeinden vom 23.10.1834 (GVS. 1834, 181 ff.) wurde der Bürgermeister entweder auf Lebenszeit oder auf eine mindestens fünfjährige Amtsdauer gewählt. 181 Nach Art. 56 ff. der „Verordnung über die Verfassung und Verwaltung der Landgemeinden" vom 28.12.1831 (abgedruckt bei Weiske, Gemeindegesetze,
II. Die Entwicklung in den übrigen deutschen Staaten bis 1918
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Probezeit oder vorhergehende Amtsperiode unmittelbar eine Wahl auf Lebenszeit zu erfolgen hatte. Zwar bestand für die Gemeindevertretung grundsätzlich keine Möglichkeit, eine vorzeitige Beendigung der lebenszeitigen Amtsdauer herbeizuführen, stattdessen wurde ausdrücklich das allgemeine Disziplinarrecht für anwendbar erklärt. 183 Auch in Württemberg erfolgte die Wahl der Ortsvorsteher auf Lebenszeit, wobei allerdings die Wahl unmittelbar durch die Gemeindebürger und nicht durch die Gemeindevertretung vorgenommen wurde. 1 8 4 Im Königreich Hannover erfolgte seit dem Inkrafttreten der Staatsverfassung im Jahre 1815 die Bestallung der Magistratsmitglieder regelmäßig auf Lebenszeit. 185 Eine vorzeitige Beendigungsmöglichkeit war nicht vorgesehen. Auch der Entwurf eines Gesetzes über die Verfassung und Verwaltung der Landgemeinden im Königreich Hannover aus dem Jahr 1832, der allerdings nie Gesetzeskraft erlangte, enthielt in § 153 als Sonderfall für eine vorzeitige Entlassung des Bürgermeisters nur die vorbehaltene Dienstkündigung. 186 Diese Situation erfuhr erst mit der Städteordnung vom 1.5.1851 eine Änderung, wonach die besoldeten Magistratsmitglieder, namentlich der Bürgermeister und der Syndikus, zwar weiterhin auf Lebenszeit gewählt werden
S. 398 ff., 413) mußten durch Wahl drei Kandidaten für das Amt des Kirchenspielvogts vorgeschlagen werden, wobei ein Kandidat durch die Regierung auf Lebenszeit ernannt wurde. 182 Nach § 123 des Grundgesetzes vom 29.4.1831 (abgedruckt bei Weiske, Gemeindegesetze, S. 390 ff., 396) wurden der Bürgermeister, Stadtschultheiß oder Syndikus auf Lebenszeit gewählt. 183 Hohenzollern-Hechingen: § 10 Gemeindeordnung vom 19.10.1833; Kurfürstentum Hessen: § 95 Gemeindeordnung für die Stadt- und Landgemeinden vom 23.10.1834; Oldenburg: Art. 69 der „Verordnung über die Verfassung und Verwaltung der Landgemeinden" vom 28.12.1831; Sachsen-Altenburg: § 126 des Grundgesetzes vom 29.4.1831. 184 §§11, 12 des Verwaltungsedictes „für die Gemeinden, Oberämter und Stiftungen" vom 1.3.1822 (abgedruckt bei Weiske, Gemeindegesetze, S. 129 ff., 131 f.); Art. 1 des Gesetzes „betreffend die Verwaltung der Gemeinden, Stiftungen und Amtskörperschaften" vom 21.5.1891, RegBl. 1891, 103. Württemberg führte erst durch Art. 55 der Gemeindeordnung vom 23.8.1906, RegBl. 1906, 323 (349) eine zehnjährige Amtsperiode ein. Diese besonders fortschrittliche Beteiligung der Bürger an der Gemeindeverwaltung fand eine gewisse Beschränkung, da bis 1849 die Stimmen offen abgegeben wurden und insoweit Wahlmanipulationen Tür und Tor geöffnet waren; hierzu ausführlich Waibel, BWGZ 1992, 715 (717). 185 Eine Sammlung der Verfassungsurkunden der Städte, Flecken und Gemeinden in Hannover findet sich bei Ebhardt, Gesetze, Dritter Band, IL Abtheilung, S. 137 ff. 186 von Reden, Entwurf, S. 41.
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mußten 187 , aber nach einer zwölfjährigen Amtsdauer auf den jeweils einstimmig gefaßten Antrag von Magistrat und Bürgervorstehern vom Innenministerium in den Ruhestand versetzt werden konnten. Inwieweit der Betroffene an der Entscheidung des Magistrats mitwirken durfte, ist der Städteordnung zwar weder ausdrücklich noch in entsprechender Anwendung der Vorschriften über die Wahlen zum Magistrat oder über die Abstimmungen im Magistrat zu entnehmen, 188 es ist aber davon auszugehen, daß der Betroffene über kein eigenes Stimmrecht verfügte, da dies wegen des Einstimmigkeitserfordernisses auf ein Vetorecht hinausgelaufen wäre, das praktisch eine Abwahl unmöglich gemacht hätte. Während der Ruhestandsversetzung bestand ein Versorgungsanspruch nach zwölfjähriger Dienstzeit in Höhe von der Hälfte, nach vierundzwanzigjähriger Dienstzeit in Höhe von zwei Dritteln der letzten Bezüge. 189 In der darauffolgenden Städteordnung vom 24.6.1858 wurden sowohl die besoldeten als auch die unbesoldeten Magistratsmitglieder auf Lebenszeit gewählt. 1 9 0 Dabei war für eine vorzeitige Dienstbeendigung nach zwölf Jahren bei besoldeten Magistratsmitgliedern weiterhin ein jeweils einstimmig gefaßter Antrag von Magistrat und Bürgervorstehern erforderlich, wohingegen bei den unbesoldeten Mitgliedern ein vereinfachtes, an Mehrheitserfordernissen ausgerichtetes Verfahren genügte. Die Versorgungsregelungen blieben unverändert. 191 Wie schon in der Städteordnung von 1851 fehlte es an Vorschriften über eine mögliche Mitwirkung des Betroffenen an der Abwahl. 1 9 2 Allerdings steht für die unbesoldeten Magistratsmitglieder wegen des Mehrheitserfordernisses und in Ermangelung irgendwelcher Befangenheitsvorschriften zu vermuten, daß sie an der Entscheidung im Gegensatz zu ihren besoldeten Kollegen mitwirken durften. 193 Ungeachtet der verfahrensrechtlichen Lücken kam dem Magistrat auf Grund seiner Beteiligungsrechte eine starke Stellung zu, so daß die Einflußmöglichkeiten für die Bürgerschaft beschränkt bleiben mußten. 1 9 4 Im wesentlichen blieb es in Hannover bis 1918 bei dieser Rechtslage. Auch im Herzogtum Braunschweig wußte man den Risiken einer Wahl auf Lebenszeit zu begegnen. Nach der Städteordnung vom 19.3.1850 wurden die Vorsteher in Städten über 5000 Einwohner durch Magistrat und Stadtverord-
187
§§ 42,43 StO, HannGS. 1851, 63 (72). §§ 51-54, 70-81 StO, HannGS. 1851, 63 (74, 77 ff.). 189 § 64 StO, HannGS. 1851, 63 (76). 190 § 44 StO, HannGS. 1858, 141 (150). 191 § 64 StO, HannGS. 1858, 141 (154). 192 Vgl. §§ 51-54, 70-81 StO, HannGS. 1858, 141 (152 f., 155 ff.). 193 Inwieweit die Mitwirkung eines Betroffenen an Wahlen und Abstimmungen im Einzelfall durch Ortsstatut ausgeschlossen wurde, konnte nicht überprüft werden. 194 Vgl. Heffter, Dt. Selbstverwaltung, S. 301. 188
II. Die Entwicklung in den übrigen deutschen Staaten bis 1 9 1 8 4 7 netenversammlung in gemeinsamer Wahl auf Lebenszeit gewählt. 195 Die übrigen Magistratsmitglieder wurden auf sechs Jahre gewählt. Gemäß § 85 StO konnten die auf Lebenszeit gewählten Magistratsmitglieder wider ihren Willen durch den gemeinsamen Beschluß von Magistrat und Stadtverordnetenversammlung in den Ruhestand versetzt werden. 196 Nach erfolgter Ruhestandsversetzung bestand gemäß §§ 85, 88 StO ein Pensionsanspruch, der in Abhängigkeit von der Amtsdauer zwischen einem Drittel und vier Fünftel der letzten Besoldung schwanken konnte. 197 Die Staatsregierung konnte allerdings binnen vier Wochen die Stadtverordnetenversammlung auflösen und nach erfolgten Neuwahlen eine erneute Beschlußfassung verlangen. Sonstige verfahrensrechtliche Vorschriften bestanden nicht. Inwieweit daher das betroffene Magistratsmitglied an der gemeinsamen Beschlußfassung von Magistrat und Stadtverordnetenversammlung mitwirken durfte, kann der Städteordnung nicht unmittelbar entnommen werden. Da jedoch einerseits der Städteordnung Befangenheitsvorschriften fremd waren, andererseits § 70 StO auch für den Fall der Wiederwahl eines Magistratsmitglieds bestimmte, 198 daß sich alle Mitglieder des Stadtmagistrats mit den Stadtverordneten zu einer gemeinschaftlichen Sitzung zu versammeln hätten und jeder der Anwesenden - also auch das zur Wiederwahl anstehende Magistratsmitglied - seine Stimme abzugeben habe, kann hieraus gefolgert werden, daß der Betroffene auch bei der Beschlußfassung über seine Abwahl mitwirken durfte. Die nachfolgende Städteordnung vom 18.6.1892 erweiterte in § 83 StO die Möglichkeit einer vorzeitigen Ruhestandsversetzung auf alle besoldeten Magistratsmitglieder bei übereinstimmendem Beschluß von Magistrat und Stadtverordnetenversammlung, 1 9 9 brachte aber im übrigen keine verfahrensrechtlichen Änderungen. 200 Nach einer Ruhestandsversetzung mußte gemäß § 86 StO ein lebenslanges Ruhegehalt gewährt werden. 201 Da jedoch eine Ruhestandsversetzung eine Übereinstimmung zwischen Magistrat und Stadtverordnetenversammlung erforderte, konnte der vorzeitigen Ruhestandsversetzung als einem Instrument bürgerschaftlicher Einflußnahme keine große Bedeutung zukommen. Während im Großherzogtum Hessen gemäß Art. 14 der Gemeindeordnung vom 30.6.1821 der Bürgermeister nur auf sechs Jahre gewählt wurde, 202 be-
195 196 197 198 199 200 201 202
§ 75 StO, GVS. 1850, 285 (309). GVS. 1850,285 (313). GVS. 1850, 285 (313 f.). GVS. 1850, 285 (307 f.). GVS. 1892,281 (307). Vgl. den unveränderten Wortlaut des § 70 StO, GVS. 1892, 281 (302). GVS. 1892,281 (308). RegBl. 1821,355 (357).
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stimmte die Städteordnung vom 13.6.1874 in Artikel 31 StO, 203 daß der Bürgermeister und die besoldeten Beigeordneten als Gemeindebeamte auf zwölf Jahre gewählt wurden. Nach Ablauf einer ersten Wahlperiode konnten sie auf Lebenszeit gewählt werden. In diesem Fall konnte die StadtverordnetenVersammlung die jederzeitige Ruhestandsversetzung durch die Regierung gemäß Artikel 31 StO beantragen. 204 Soweit dem Antrag stattgegeben wurde, bestand nach Artikel 60 ff. StO ein nach Amtsdauer gestaffelter Anspruch auf Pension, der ein Viertel bis zwei Drittel der letzten Besoldung ausmachte. 205 Allerdings blieben derartige Möglichkeiten, die vorzeitige Beendigung einer lebenslangen Amtsdauer herbeizuführen, eine vereinzelte Randerscheinung. Wenn keine disziplinarischen Gründe vorlagen, mußte im Regelfall mit einer Neuwahl des Wahlbeamten bis zu dessen Ruhestandsversetzung gewartet werden. Eine Ausnahme in zweifacher Hinsicht machte das liberale Gemeindegesetz Badens vom 31.12.1831, das der Gemeinde die Möglichkeit einräumte, durch Mehrheitsbeschluß ein Entlassungsverfahren gegen die auf 6 Jahre gewählten Bürgermeister und Gemeinderäte einzuleiten. 206 Gemäß § 24 GO konnte auf gemeinsamen Antrag von Gemeinderat und Bürgerausschuß die Dienstentlassung stattfinden, wenn nach gepflogener Untersuchung durch die vorgesetzte Staatsverwaltungsstelle Ursachen vorlagen, welche die Dienstführung erschwerten oder vereitelten. 207 Soweit ein gemeinsamer Antrag nicht zustandekam, mußte gemäß §§ 135 Ziffer 1, 137 Abs. 2 und 4 GO die Angelegenheit den wahlberechtigten Bürgern zur Entscheidung vorgelegt werden. 208 Zwar mußten als tatbestandliche Voraussetzung für die Dienstentlassung Ursachen vorliegen, welche die Dienstführung sehr erschwerten oder vereitelten; da die Annahme derartiger Ursachen in das freie Ermessen gestellt war, 2 0 9 ergab sich eine gewisse Einfluß- und Kontrollmöglichkeit für Verwaltung und Bürgerschaft. 210 203
RegBl. 1874,299(310). Diese Regelung erstreckte sich ausschließlich auf die Städte und nicht auch auf die Landgemeinden, da dort gemäß Art. 31 Landgemeindeordnung vom 15.6.1874 eine Wahl nicht auf Lebenszeit, sondern nur auf neun Jahre vorgenommen wurde, RegBl. 1874, 343 (353). 205 RegBl. 1874, 299 (322). 206 RegBl. 1832, 81 ff. 207 RegBl. 1832, 81 (87). 208 RegBl. 1832,81 (109 ff.). 209 Christ, Gemeindegesetz, S. 35 f. 210 Der Gesetzestext betonte im Original durch drucktechnische Hervorhebung, daß eine Dienstentlassung lediglich durch die vorgesetzte Staatsverwaltungsstelle vorgenommen werden „kann". 204
II. Die Entwicklung in den übrigen deutschen Staaten bis 1 9 1 8 4 9 Hohenzollern-Sigmaringen folgte dem badischen Vorbild, indem es mit dem „Landesfürstlichen Gesetz über die Verwaltung und Verfassung der Gemeinden" vom 6.6.1840 nahezu inhaltsgleich das badische Gemeindegesetz übernahm. 211 Eine weitere Ausnahme bei den auf Zeit gewählten Wahlbeamten machte die Lippe'sche Städteordnung vom 16.5.1843. 212 Nach §76 StO wurde der Bürgermeister auf sechs Jahre gewählt, „aus bewegenden Gründen" mit Genehmigung der Regierung auch auf Lebenszeit, wobei er nicht mehr von der Stadtverordneten-Versammlung abberufen werden konnte. 213 Die übrigen auf Zeit gewählten Magistratsmitglieder konnten jedoch gemäß § 86 StO auf Antrag des Magistrats oder der Stadtverordneten-Versammlung jederzeit von der Regierung entlassen werden. 214 Eine Versorgungsregelung war nicht vorgesehen. Die nachfolgende Städteordnung vom 17.4.1886 sah allerdings eine derartige Entlassungsmöglichkeit nicht mehr vor. 2 1 5 Soweit damalige Kommunalverfassungen eine Wahl auf Zeit vorsahen, war dies Ausdruck einer ausgesprochen liberalen Grundeinstellung. Insoweit ist es weniger erstaunlich, wenn wie in Baden, Hohenzollern-Sigmaringen und Lippe eine Wahl auf Zeit mit der Möglichkeit einer vorzeitigen Amtsbeendigung kombiniert wurde. Allerdings vermag diese Feststellung nichts daran zu ändern, daß die Möglichkeit einer vorzeitigen Beendigung des Wahlbeamtenverhältnisses nur vereinzelt Eingang in die Kommunalverfassungen gefunden hat. Dieser Umstand ist nicht nur auf einen verzögerten Eingang liberalen Gedankengutes in die verschiedenen Kommunalverfassungen zurückzuführen, 216 sondern ist auch das Ergebnis eines dauernden Interessengegensatzes zwischen den Kommunen und den Staatsregierungen. Während die Kommunen ihre Autonomie und Selbstverwaltung ausbauen wollten, waren die Regierungen an einer Begrenzung der kommunalen Zuständigkeiten und an einer staatlichen Kontrolle der Selbstverwaltungstätigkeit interessiert. Dementsprechend forderten die Bürgerschaften ein Mitspracherecht bei der Auswahl der Kommunalbeamten, wohingegen den Regierungen an einer von bürgerschaftlichen Interessen weitgehend unabhängigen und vor allen Dingen regierungstreuen Amtsführung
211
Vgl. insbesondere §§ 14, 23 Gemeindeverwaltungs- und Verfassungsgesetz, abgedruckt bei Weiske, Gemeindegesetze, S. 465 ff., 468, 471. 212 GS. 1843, 57 ff. 213 GS. 1843,57(73). 214 GS. 1843, 57 (75 f.). 215 GS. 1886,451 ff. 216 Vgl. zu dieser Problematik die Ausführungen bei Engeli/Haus, Quellen, S. 13 f. 4 Pricbe
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der Wahlbeamten gelegen war. 2 1 7 Dieser Interessengegensatz wurde länderweise unterschiedlich gelöst. Soweit bei der Ausgestaltung der Kommunalverfassungen eine Wahl auf Lebenszeit einer befristeten Amtsdauer vorgezogen wurde, 218 war diese Entscheidung von dem Ziel dominiert, die Rechtsstellung des Wahlbeamten unabhängiger zu gestalten und eine Kontinuität in der örtlichen Verwaltungsspitze sicherzustellen. Um den Kommunen aber ein brauchbares Mitspracherecht zu erhalten, entschied man sich in einigen Ländern, 219 das Fehlen einer regelmäßigen Wahl durch eine vorzeitige Beendigungsmöglichkeit zu kompensieren. Sofern man auf diese Möglichkeit verzichtet hat, wurde der lebenslangen Wiederwahl eine befristete Probezeit vorangestellt. 220 Auf jeden Fall waren die regelmäßige Wahl, Abwahl und lebenslange Wiederwahl nach einer Probezeit nur modifizierte Formen bürgerschaftlicher Einflußnahme, um im Rahmen der Selbstverwaltung originäre Personalentscheidungen zu treffen, die im übrigen stets ihre Relativierung durch die Notwendigkeit staatlicher Bestätigung erfahren haben. Sie sind das Ergebnis des Interessengegensatzes zwischen kommunaler Selbstverwaltung und staatlicher Kontrolle, hingegen waren sie anders als beim politischen Beamten nicht dazu bestimmt, eine latente Einflußnahme der Bürgerschaft auf die Amtsführung des kommunalen Wahlbeamten sicherzustellen. 221 Zusätzlich fand das Bedürfnis der Bürgerschaft nach Einflußnahme auf die Verwaltungsspitze eine Begrenzung durch das Zensuswahlrecht, das bei gefestigten Mehrheiten auf kommunaler Ebene ein Klima politisch weitgehender Gleichgestimmtheit garantierte, 222 so daß regelmäßig keine Notwendigkeit für eine vorzeitige Amtsbeendigung bestand. Demzufolge konnte mit entsprechenden Regelungen zurückhaltend umgegangen werden.
I I I . Die Entwicklung in der Weimarer Republik Auch das Kommunalverfassungsrecht der Länder in der Weimarer Republik änderte an der bisherigen Rechtslage bei den kommunalen Wahlbeamtenverhältnissen wenig. 217 Eine zeitgenössische Darstellung zu dieser Problematik findet sich bei Christ, Gemeindegesetz, S. 15 ff. 218 Bayern, Braunschweig, Hannover, Großherzogtum Hessen, Kurfürstentum Hessen, Sachsen und Württemberg. 219 Braunschweig, Hannover, Großherzogtum Hessen. 220 Bayern, Sachsen. 221 Vgl. hierzu Hensel, Kommunalrecht, S. 33 ff. 222 Weiterfuhrend zu den Auswirkungen des Zensuswahlrechts Heffter, Dt. Selbstverwaltung, S. 615 f.
IE. Die Entwicklung in der Weimarer Republik
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Preußen behielt sein aufgesplittertes Kommunalrecht ohne wesentliche Änderungen bis 1933 bei. 2 2 3 Die Möglichkeit einer vorzeitigen Amtsbeendigung fand weiterhin keinen spezialgesetzlichen Eingang in das Kommunalrecht. Allerdings konnten die Gemeinden durch ortsgesetzliche Regelung die Anwendbarkeit der Vorschriften über den politischen Beamten beschließen, um auch Kommunalbeamte wegen abweichender politischer Gesinnung in den Ruhestand versetzen zu können. 224 Anscheinend wurde jedoch von dieser Möglichkeit kein Gebrauch gemacht. 225 In der Provinz Hannover blieb es hingegen bei der bisherigen Regelung des .§ 44 StO, wonach in den Städten die Magistratsbeamten, die nunmehr auf Zeit gewählt wurden, vorzeitig aus dem Amt abberufen werden konnten. 226 Insbesondere für die Abberufung der besoldeten Magistratsmitglieder war weiterhin ein übereinstimmender Beschluß von Magistrat und Bürgervertretung erforderlich. Hingegen fehlte es in den hannoverschen Landgemeinden an einer entsprechenden Abberufungsregelung für die dortigen Wahlbeamten. 227 Eine weitere Möglichkeit der vorzeitigen Amtsbeendigung ergab sich aus der preußischen Personalabbauverordnung. 228 Sofern die Stadtverordnetenversammlung einen gewählten Magistratsbeamten in den einstweiligen Ruhestand versetzen wollte, konnte diese Entscheidung nach politischen Gesichtspunkten gefaßt werden. 229 Da ähnliche Personalabbauverordnungen auch von den übrigen Ländern erlassen wurden, 230 bestand dort ebenfalls die Möglichkeit, politisch mißliebige Wahlbeamte über den Umweg des Personalabbaues aus dem Amt abzuberufen. Im lippischen Gemeindeverfassungsgesetz vom 1.12.1927 war der Bürgervertretung die Möglichkeit eingeräumt, den Gemeindevorstand durch einfachen Mehrheitsbeschluß abzuwählen. 231 Allerdings erstreckte sich diese Mög223
Vgl. die Aufzählung bei Hensel, Kommunalrecht, S. 20. Appelius, PrVBl. 1919/20,195 (196). 225 Vgl. Loschelder, Deutsche Verwaltung 1938,136 (139). 226 Abgedruckt bei: Remme/Köchling, Kommunalrecht, S. 32; Maull, Städteordnung, S. 121 Fn. 33 hält diese Regelung allerdings wegen der Beseitigung der Wahl auf Lebenszeit für hinfallig. Da jedenfalls auch eine Anwendbarkeit der Vorschriften über den politischen Beamten in Betracht gekommen wäre, bedarf diese Frage keiner weiteren Erörterung. 227 Vgl. „Hannoversches Gesetz, die Landgemeinden betreffend", abgedruckt bei: Remme/Köchling, Kommunalrecht, S. 1 ff. 228 PAV vom 8.2.1924, PrGS. 1924, 73 ff. 229 Beschluß des Kommunal-Beamten-Abbauauschusses beim Berliner Kammergericht, DJZ 1925, Sp. 347. 230 Vgl. die Nachweise unter Teil I A HI dieser Arbeit. 231 § 49 Abs. 2, GS. 1927, 303 ( 316). 224
4*
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lichkeit nicht auf die berufsmäßigen Mitglieder des Gemeindevorstands, 232 das heißt, die hauptamtlichen Wahlbeamten blieben ausgenommen. Auch die gesetzlichen Regelungen in Württemberg 233 , Mecklenburg-Schwerin 234 und Sachsen235 sahen keine vorzeitigen Beendigungsmöglichkeiten fur die hauptamtlichen Wahlbeamten vor. Thüringen hatte zwar in seine Kreisordnung gemäß § 47 KO ein radikaldemokratisches Element eingebaut, indem ein Drittel der wahlberechtigten Gemeindebürger eine Neuwahl des Gemeinderats verlangen konnten, aber dieses Verlangen erstreckte sich nicht gleichzeitig auf den gewählten Gemeindevorsteher. 236 In Bayern konnte der höchstens zehnjährigen Amtszeit des gewählten, berufsmäßigen Bürgermeisters eine einjährige Probezeit vorangestellt werden. 237 In Baden konnten Bürgermeister und besoldete Gemeinderäte durch einen Beschluß der Gemeindebürger auch gegen ihren Willen vorzeitig abgewählt werden, wenn sie infolge körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche der körperlichen oder geistigen Kräfte dienstunfähig geworden waren. 238 Allerdings bestand gegen den Beschluß eine Beschwerdemöglichkeit, und es war der Weg an den Verwaltungsgerichtshof eröffnet. Auf Grund des engen Tatbestandes konnte diese demokratische Abwahlmöglichkeit allerdings nicht dazu dienen, den Gemeindebürgern eine weitergehende Möglichkeit politischer Einflußnahme auf die Amtsführung der Wahlbeamten zu sichern. Eine echte Ausnahme bildeten die Abwahlregelungen von Braunschweig. Die hauptamtlichen Gemeinde- und Ortsvorsteher wurden nicht nur unmittelbar durch die Gemeindeangehörigen gewählt, sondern ein Fünftel der wahlberechtigten Gemeindeangehörigen konnte eine öffentliche Abstimmung über eine Amtsniederlegung herbeiführen. 239 Im Falle einer Abwahl bestanden keinerlei Pensions- oder Entschädigungsansprüche. Diese radikaldemokratische Abwahlregelung wurde jedoch 1924 abgeschafft. 240 232
§ 49 Abs. 2, GS. 1927, 303 (316). Gemeindegesetz vom 15.3.1919, RegBl. 1919,25 ff. 234 Städteordnung vom 18.7.1919, RegBl. 1919, 673 ff. 235 Gemeindeordnug vom 1.8.1923, GBl. 1923, 373 ff. 236 Vgl Kreisordnung vom 20.7.1922, GS. 1922, 305 (311). 237 Selbstverwaltungsgesetz vom 22.3.1919, GVB1. 1919, 239 (241) und Gemeindeordnung vom 17.10.1927, GVB1. 1927, 293 (314). 238 § 25 i.V.m. §28 Abs. 2 BadGO vom 5.10.1921, GVB1. 1921, 347 (355 f.). 239 § 11 des Gesetzes „über die Wahlen in den Landgemeinden" vom 23.4.1919, GVS. 1919, 97 (99) und § 12 des Gesetzes „über die Wahlen der Vorsteher und der Mitglieder des Rates in den Städten des Freistaates Braunschweig" vom 2.8.1919, GVS. 1919, 219 (222 ff ). 240 Städteordnung vom 15.11.1924, GVS. 1924, 271 ff. und Landgemeindeordnung vom 15.11.1924, GVS. 1924,291 ff. 233
IV. Die Entwicklung im IE. Reich
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Der Deutsche Städtetag legte 1929 den weiterentwickelten Entwurf einer Reichsstädteordnung vor. 2 4 1 Dieser Entwurf beinhaltete jedoch für die berufsmäßigen Wahlbeamten keinerlei vorzeitige Abwahlmöglichkeit. 242 Die bedeutsamste Änderung für den kommunalen Wahlbeamten in der Weimarer Republik ergab sich weniger aus normativen als vielmehr aus tatsächlichen Umständen. Da die Bürgerschaften aus regelmäßigen Verhältniswahlen hervorgingen, konnte sich der Wahlbeamte einer wechselnden politischen Mehrheit gegenübersehen. 243 Infolgedessen nahm die Einflußnahme der Parteien auf die Amtsführung der Wahlbeamten zu, die sich vermehrt zu einer parteipolitischen Orientierung gezwungen sahen. 244
IV. Die Entwicklung im I I I . Reich Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten 1933 behielten die meisten Länder die Einrichtung des kommunalen Wahlbeamten zunächst unter dem Vorbehalt einer staatlichen Bestätigung bei, 2 4 5 während sie in Preußen 2 4 6 und Mecklenburg-Schwerin 247 abgeschafft wurde. Noch bevor durch das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" vom 7.4.1933 reichseinheitlich eine Möglichkeit geschaffen worden war, 2 4 8 mißliebige Beamte - und hierunter konnten auch kommunale Wahlbeamte fallen 2 4 9 - jederzeit aus dem Dienst zu entfernen, erließ Hessen am 241 Der Entwurf einer Reichsstädteordnung ist abgedruckt bei Engeli/Haus, Quellen, S. 664 ff. 242 Vgl. §§ 26 ff. Entwurf-Reichsstädteordnung, Engeli/Haus, Quellen, S. 668 f. 243 Becker, Wahlbeamte, S. 35. 244 Becker, Wahlbeamte, S. 35; Hensel, Kommunalrecht, S. 9 und S. 88 f. 245 Für Bayern die Gesetze „zur Gleichschaltung der Gemeinden und Gemeindeverbände mit Land und Reich" vom 7.4.1933, GVB1. 1933, 105 f., und vom 10.5.1933, GVB1. 1933, 127 f.; für Braunschweig die Gesetze „über die Änderung der Städteordnung, der Landgemeindeordnung und der Kreisordnung" vom 19.5.1933, GVS. 1933, 87 ff. und vom 21.7.1933, GVS. 1933, 137 ff.; für Hessen die Verordnungen „zur Sicherung der Verwaltung in den Gemeinden" vom 20.3.1933, RegBl. 1933, 27 ff., und vom 17.7.1933, RegBl. 1933, 174 ff.; für Sachsen das Gesetz zur Änderung der Gemeindeordnung vom 3.5.1933, GBl. 1933, 59 ff. 246
Vgl. §§ 33 ff. des Gemeindeverfassungsgesetzes vom 15.12.1933, GS. 1933, 427
(433). 247
Vgl. § 6 des Gesetzes „zur Behebung von Mißständen in der gemeindlichen Verwaltung" vom 20.4.1933, RegBl. 1933, 150(151). 248 RGBl. 1933 Bd. I, 175 ff. 249 Seel, Erneuerung des Berufsbeamtentums, S. 29.
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20.3.1933 eine Sonderregelung für kommunale Wahlbeamte, durch die dem Innenminister eine Generalermächtigung eingeräumt wurde, eine vorzeitige Amtsbeendigung herbeizuführen. 250 Mit Einführung der Deutschen Gemeindeordnung am 30.1.1935 endete die Einrichtung des kommunalen Wahlbeamten im ganzen Reich, da die Wahl gemäß § 41 DGO durch eine staatliche Ernennung ersetzt wurde. 251
V. Die Entwicklung nach 1945 Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches begann für die kommunale Selbstverwaltung eine Übergangszeit, die - jedenfalls in den drei westlichen Besatzungszonen - erst 1948 abgeschlossen war. 2 5 2 Während dieser Zeit wurden von den Militärregierungen „entnazifizierte" Gemeindeordnungen erlassen, die durch die Vorstellungen der jeweiligen Besatzungsmacht geprägt 253
waren. 1. Die Demokratische Gemeindeordnung in der sowjetischen Besatzungszone In der sowjetischen Besatzungszone wurde mit der Demokratischen Gemeindeordnung vom 5.10.1946 eine Kommunalverfassung mit bemerkenswer-
250
§ 1 der „Verordnung zur Sicherung der Verwaltung in den Gemeinden", RegBl. 1933,27. 251 RGBl. 1935, 49 (54); vgl. die amtliche Begründung zu § 41 DGO, abgedruckt bei Kerrl, DGO, S. 339; eine ausführliche Darstellung zur „Abberufung" der leitenden Gemeindebeamten durch die NSDAP findet sich bei Matzerath, Nationalsozialismus, S. 275 ff. 252 Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 47. 253 Für Brandenburg GVB1. 1947, 307 ff.; für Mecklenburg-Vorpommern ABl. 1946, 113 ff; für Sachsen-Anhalt GBl. 1947, 20 ff; für Sachsen GVB1. 1946 422 ff.; für Thüringen RegBl. 1946, 138 ff. (Sowjetische Besatzungszone); für Bayern: GVB1. 1946, 225 ff., GVB1. 1946, 229 ff.; für Hessen: GVB1. 1946, 1 ff., GVB1. 1946, 101 ff. (Amerikanische Zone); für Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein: Revidierte DGO vom 1.4.1946, Amtsblatt der Militärregierung Deutschland, Britisches Kontrollgebiet, S. 127 ff.; für Württemberg-Baden: RegBl. 1946, 5 ff.; für Baden, Hessen-Pfalz, Hessen-Nassau, Rheinland, Württemberg, Hohenzollern, Kreis Lindau, Saargebiet (Französische Zone): JOA 1946, 267 ff.; für Berlin: VB1. 1946, 295 ff.
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ten demokratischen Ansätzen eingeführt, 254 die allerdings in krassem Widerspruch zur Verfassungsrealität standen. 255 Die Gemeindeordnung wurde wenig später nahezu wortgleich als Landkreisordnung auch auf die Kreisebene übertragen. 256 In § 38 Demokratische Gemeindeordnung war eine Abwahlmöglichkeit für den Bürgermeister und die Gemeinderäte vorgesehen. 25' Danach bedurften der Bürgermeister und die Gemeinderäte zu ihrer Amtsführung des Vertrauens der Gemeindevertretung. Durch einen Mehrheitsbeschluß konnte die Gemeindevertretung jederzeit das Vertrauen entziehen, wobei die betroffene Person im Fall ihrer Abwahl zum sofortigen Rücktritt verpflichtet war. Diese Abwahlmöglichkeit verdankte ihre Entstehung der gesetzgeberischen Intention, die Gemeindevertretung als oberstes und alleiniges Beschlußorgan auszugestalten, neben der kein weiteres einflußstarkes Gemeindeorgan in Unabhängigkeit bestehen sollte. 258 Dieser theoretische Ansatz erfuhr jedoch durch die politische Realität eine Konterkarierung, die schließlich zu einer zentralen Steuerung der örtlichen Verwaltung und zum Ende der kommunalen Selbstverwaltung führte. 259
2. Die Entwicklung in den drei westlichen Besatzungszonen In den drei westlichen Besatzungszonen wurden Kommunalverfassungen geschaffen, die sich zwar im Aufbau und sprachlich eng an die DGO anlehnten, im übrigen aber den Einfluß der jeweiligen Besatzungsmacht erkennen ließen. 260 Die britische Besatzungsmacht erließ für Niedersachsen und NordrheinWestfalen Gemeindeordnungen, 261 in denen dem Hauptverwaltungsbeamten nicht nur ein unpolitischer Aufgabenkreis zugewiesen, sondern ihm auch eine
254
Für Brandenburg GVB1. 1947, 307 ff.; für Mecklenburg-Vorpommern ABl. 1946, 113 ff.; für Sachsen-Anhalt GBl. 1947, 20 ff; für Sachsen GVB1. 1946 422 ff.; für Thüringen RegBl. 1946, 138 ff. 255 Engeli/Haus, Quellen, S. 729 ff. 256 Für Brandenburg GVB1. 147, 1 ff.; für Sachsen-Anhalt GBl. 1947, 16 ff: für Thüringen RegBl. 1947, 5 ff.; vgl. auch Engeli/Haus, Quellen, S. 729 Fußnote 5. 257 Auf Kreisebene waren von der Abwahlmöglichkeit der Landrat und die Kreisräte betroffen. 258 Heller, Reform, S. 13 f. 259 Vgl. Engeli/Haus, Quellen, S. 730 f.; Heller. Reform, S. 22 f. 260 Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 25; ders., AöR 1948, 191 ff; für das Britische Kontrollgebiet vgl. Bacmeister, Kommunalverfassungsrecht, S. 245. 261 Revidierte DGO vom 1.4.1946, Amtsblatt der Militärregierung Deutschland, Britisches Kontrollgebiet, S. 127 ff.
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aktive politische Betätigung untersagt war. 2 6 2 Entsprechend war er lediglich der unpolitisch Unterstellte der ernannten (erwählten) Volksvertreter. 263 Da nach Auffassung der Briten die kommunale Beamtenschaft auf der Grundlage eines undemokratischen Gemeinderechts eine Hauptstütze des nationalsozialistischen Regimes gewesen war, sollte eine derartige Konzeption zu einer vollkommenen Neutralisierung dieses Beamtentypus fuhren. 264 In der amerikanischen und französischen Besatzungszone kam es zwar zu einer weitgehenden Wiederherstellung der ursprünglichen Kommunalverfassungssysteme, dennoch flössen auch hier die Vorstellungen der beiden Besatzungsmächte 265
ein. Auf jeden Fall hatten die westlichen Besatzungsmächte beim Aufbau dieser vorläufigen Kommunalverfassungen noch nicht an die Einfuhrung einer der Demokratischen Gemeindeordnung in der sowjetischen Besatzungszone vergleichbaren Abwahlregelung gedacht. In allen Besatzungszonen ging das Streben allerdings dahin, diese als provisorisch verstandenen Gemeindeordnungen durch endgültige Regelungen abzulösen. 266
3. Der Entwurf einer Deutschen Gemeindeordnung durch den Deutschen Städtetag von 1947 Eine wesentliche Vorarbeit zur Überwindung dieser provisorischen Gemeindeordnungen leistete der Deutsche Städtetag 1947 mit seinem Entwurf einer Deutschen Gemeindeordnung. 267 2 6 8 In diesem Entwurf wurde erneut die Regelung aufgenommen, einen auf Zeit gewählten Kommunalbeamten durch eine Abwahlentscheidung der Gemeindevertretung vorzeitig aus dem aktiven Dienst zu entfernen. Der Entwurf beinhaltete unter dem Obertitel „Verwaltung
262
Vgl. Hoffmann, Zweigleisigkeit, S. 39 ff.; Reusch, Berufsbeamtentum, S. 202 f.; Rudzio, Neuordnung, S. 51. 263 Imgart, Die Entstehung des Landes Niedersachsen und die Geschichte seiner Verwaltung, in: Faber/Schneider, NdsStVwR S. 27; Reusch, Berufsbeamtentum, S. 203; Rudzio, Neuordnung, S. 51. 264 Faber, Kommunalrecht, in: Faber/Schneider, NdsStVwR S. 233; Rudzio, Neuordnung, S. 48 ff. 265 Rudzio, Neuordnung, S. 43 m.w.N. 266 Hoffmann, Zweigleisigkeit, S. 27; Loschelder, Gemeindeordnungen, Einleitung, S. 11 f. 267 Veröffentlicht in: Schriften des Deutschen Städtetages, Braunschweig 1947. 268 Loschelder, Gemeindeordnungen, Einleitung, S. 12.
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der Gemeinde" die alternativen Fassungen A bis E für fünf verschiedene Gemeindeverfassungstypen. Die Fassung A war eine Ratsverfassung mit Durchführung der Ratsbeschlüsse durch einen besonderen Verwaltungsleiter. In den §§ 32, 54 wurde ein starker Rat normiert. Der Verwaltungsleiter war nach § 31 Abs. 3 lediglich Ausführungsorgan für die Ratsbeschlüsse. Es fehlte an einer Abwahlmöglichkeit. Fassung B (Ratsverfassung mit verstärkten Befugnissen des Verwaltungsleiters) sah in § 52 Abs. 4 einen Vertrauensentzug durch eine Abwahl mit 2/3 Mehrheit vor. An die Abwahl knüpfte sich die Ruhestandsversetzung mit einem Anspruch auf Versorgung. Die Fassungen C (Ratsverfassung mit Personalunion zwischen Ratsvorsitzendem und Verwaltungsleiter, § 51 Abs. 4), D (Echte Magistratsverfassung mit Zweikammersystem, § 50 Abs.4) und E (Unechte Magistratsverfassung als Einkammersystem mit kollegialer Durchführung, § 50 Abs. 4) enthielten die gleiche Abwahlregelung. Soweit im Rahmen der Selbstverwaltung dem Verwaltungsleiter neben der kommunalen Vertretungskörperschaft politisches Eigengewicht zukam (Fassungen B bis E), sah sich dieser stets einer Abwahlmöglichkeit ausgesetzt. Lediglich für den Fall, daß der Verwaltungsleiter als bloßes Ausführungsorgan fungierte (Fassung A), konnte auf eine solche Abwahlmöglichkeit verzichtet werden, da in Ermangelung eines eigenen umfassenden Gestaltungsspielraums bereits die beamtenrechtliche Treuepflicht die Umsetzung der Ratsbeschlüsse garantierte. Obwohl man aus der Weimarer Republik um die Gefahren einer politisierten Amtsführung wissen mußte, entschied man sich bewußt für eine einflußstarke Vertretungskörperschaft. Mit Sicherheit war dies Ausdruck einer Hinwendung zu mehr Demokratie in der kommunalen Selbstverwaltung. 269
4. Die Abberufungs- und Abwahlregelungen in den Kommunalverfassungen der deutschen Länder Nach und nach führten die deutschen Länder endgültige Kommunalverfassungen ein, die durchgängig den auf Zeit gewählten Wahlbeamten kannten. 270 269
Diese Entwicklung wurde auch in BVerfGE 7, 155 (167) aufgenommen. Baden-Württemberg: GO vom 25.7.1955; GBl. 1955, 129 ff., KrO vom 10.10.1955, GBl. 1955, 207 ff.; Bayern: GO vom 25.1952, GVB1. 1952, 19 ff., LKrO vom 18.2.1952, GVB1. 1952, 39 ff.; Berlin: vgl. Artikel 50 ff. BerlVerf vom 1.9.1950, VB1. (West) 1950, 433 (437); Bremen (nur Stadt Bremerhaven): Verfassung der Stadt vom 4.11.1947, GBl. 1947, 291 ff.; Hamburg: Bezirksverwaltungsgesetz vom 21.9.1949, GVB1. 1949, 223 ff.; Hessen: GO vom 25.2.1952, GVB1. 1952, 11 ff., LKrO vom 25.2.1952, GVB1. 1952, 37 ff.; Niedersachsen: Gemeindeordnung vom 4.3.1955, GVB1. 1955, 55 ff., LKrO vom 31.3.1958, GVB1. 1958, 17 ff.; Nordrhein270
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Hingegen fand die Möglichkeit einer vorzeitigen Abberufung aus dem Amt einen unterschiedlichen Eingang in die Kommunalverfassungen. Während in Berlin, der Stadt Bremerhaven, Hamburg, Hessen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein den kommunalen Vertretungskörperschaften von Anfang an das Recht eingeräumt war, bestimmte Wahlbeamte vorzeitig aus dem Amt abzuberufen, 271 führten Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und das Saarland entsprechende Regelungen erst später ein. 2 7 2 Die Entwicklung in Niedersachsen nahm allerdings einen uneinheitlichen Verlauf, da die bestehende Abberufungsregelung 1960 nach nur fünfjähriger Dauer aufgehoben 273, 1982 aber erneut eingeführt wurde 274 . Der Aufhebungsgrund für die bestehende Abberufungsregelung ergab sich nach Auffassung des damaligen niedersächsischen Landesgesetzgebers aus einem vermeintlichen Verstoß gegen die Rahmenvorschriften der §§ 21, 59, 95 Abs. 2 S. 1 BRRG. 2 7 5 Diese Bedenken hatte man bei Wiedereinführung der Regelung 1982 aufgegeben. 276 Westfalen: GO vom 21.10.1952, GVBL. 1952, 269 ff., KrO vom 21.7.1953, GVB1. 1953, 305 ff.; Rheinland-Pfalz: Selbstverwaltungsgesetz vom 27.9.1948, GVB1. 1948, 335 ff.; Saarland: GO vom 10.7.1951, ABl. 1951, 995 ff. KrO vom 10.7.1951, ABl. 1951, 1014 ff. - nach Eingliederung in die Bundesrepublik beibehalten gemäß § 4 „des Gesetzes über die Eingliederung des Saarlandes" vom 23.12.1956, BGBl. 1956 Bd. I, 1011 (1012); Schleswig-Holstein: GO vom 24.1.1950, GVB1. 1950, 25 ff., KrO vom 27.2.1950, GVB1. 1950,49 ff. 271 Berlin: Art. 60 BerlVerf vom 1.9.1950; Stadt Bremerhaven: §46 Abs. 3 BrhvVerf vom 4.11.1947; Hamburg: §25 S. 2 Bezirksverwaltungsgesetz vom 21.9.1949; Hessen: § 76 GO vom 25.2.1952, § 49 KrO vom 25.2.1952; Niedersachsen: § 74 GO vom 4.3.1955; Schleswig-Holstein: § 54 GO vom 24.1.1950, § 54 KrO vom 27.2.1950. 272 Nordrhein-Westfalen: § 49 Abs. 4 GO vom 1.10.1979, GVB1. 1979, 594 (604), § 38 Abs. 5 KrO vom 1.10.1979, GVB1. 1979, 612 (619), § 20 Landschaftsverbandsordnung vom 15.5.1979, GVB1. 1979, 408 (418), § 24 Abs. 4 Kommunalverbandsgesetz Ruhrgebiet vom 18.9.1979, GVB1. 1979, 554 (559); Rheinland-Pfalz: § 55 GemO vom 21.12.1973, GVB1. 1973, 419 (435), § 42 Abs. 2 LKO vom 14.12.1973, GVB1. 1973, 451 (461 f.); Saarland: Art. I Nr. 23 des Gesetzes „zur Änderung des Kommunalselbstverwaltungsgesetzes" vom 13.12.1973, ABl. 1973, 829 (832) und Art. I Nr. 8 des Gesetzes „zur Änderung des Kommunalselbstverwaltungsgesetzes" vom 11.6.1985, ABl. 1985, 526 (527). 273 Art. I Nr. 4 des Gesetzes „zur Änderung der Niedersächsischen Gemeindeordnung und der Niedersächsischen Landkreisordnung" vom 8.7.1960, GVB1. 1960, 214. 274 Art. I Nr. 16 und Art. II Nr. 17 des Gesetzes „zur Änderung der Niedersächsischen Gemeindeordnung und der Niedersächsischen Landkreisordnung" vom 18.2.1982, GVBl. 1982, 52 (54 und 57). 275 Körte, DVB1. 1960, 666 (675); Thiele, DÖD 1988,49 (50). 276 Nds.SVK, S. 152; Nds.LT-Drucksache 9/1961, S. 26; Bericht des Ausschusses für Innere Verwaltung, dng 1982, 121 (126); eine ausfuhrliche Darstellung der Ent-
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Die Stadtgemeinde Bremerhaven hat 1992 die bestehende Abberufungsregelung aus der Stadtverfassung von Bremerhaven in das Bremische Beamtengesetz überfuhrt. 277 Die Überführung wurde notwendig, da man festgestellt hatte, daß der Stadtverfassung nur Satzungsrang zukam, so daß im Hinblick auf den verfassungsrechtlich gebotenen Gesetzesvorbehalt eine Normierung der Abberufungsregelung in einem Parlamentsgesetz dringend geboten erschien. 278 Entsprechend findet sich die Abberufungsregelung der Stadtgemeinde Bremerhaven nunmehr im Bremischen Beamtengesetz.279 In Baden-Württemberg kann seit Inkrafttreten der Kommunalverfassung der Bürgermeister als Hauptverwaltungsbeamter nicht abberufen, sondern nur im Rahmen eines durch die obere Rechtsaufsichtsbehörde eingeleiteten förmlichen Verfahrens vorzeitig aus dem Amt entfernt werden. 280 Der Grund für diese Sonderregelung ergibt sich in erster Linie aus dem Umstand, daß der Bürgermeister nicht durch die Gemeindevertretung, sondern durch eine Volkswahl in das Amt gewählt wird und infolgedessen der Gemeindevertretung eine Einflußnahme auf die Amtsdauer verwehrt sein muß. 281 Bayern kennt seit 1989 eine eingeschränkte Abwahlmöglichkeit für kommunale Wahlbeamte, 282 die ausschließlich der Anpassung der Wahlzeiten von berufsmäßigen ersten Bürgermeistern und Landräten an die Wahlzeiten des Gemeinderats und des Kreistages dient 2 8 3 und nur auf Antrag des Wahlbeamten eingeleitet werden kann. 2 8 4 Eine andere Form der vorzeitigen Amtsbeendigung ist in Bayern nicht vorgesehen und damit unzulässig. 285 Damit bleibt Bayern das einzige Bundesland, in dem keinerlei Möglichkeit besteht, den wicklung, die der Wiedereinführung vorangegangen ist, findet sich bei Herhaus, Abwahl, S. 19 ff. 277 Artikel 1 des Gesetzes zur Änderung des Bremischen Beamtengesetzes vom 26.8.1992, GBl. 1992,255. 278 Die entsprechende Auskunft wurde am 12.7.1993 durch Herrn Freitag, Leiter des Justizamtes der Stadt Bremerhaven, erteilt. 279 § 6 Abs. 6 BremBG i.d.F.v. 26.8.1992. 280 § 128 GO vom 25.7.1955, GBl. 1955, 129(154). 281 Kunze/Schmid, Gemeindeordnung, § 128 Erl. I, 1; Ule, Der öffentliche Dienst, S. 581. 282 Änderungsgesetz zur Gemeinde-und Kreisordnung vom 25.4.1989, GVB1. 1989, 104; vgl. im übrigen Art. 34 Abs. 5 GO in der Neufassung der Bekanntmachung vom 6.1.1993, GVB1. 1993, 65 (76) und Art. 31 Abs. 1 LKrO in der Neufassung der Bekanntmachung vom 6.1.1993, GVB1. 1993, 93 (101). 283 Hölzl/Hien, Anm. 5 zu Art. 34 GO; Masson/Samper, Anm. 13 zu Art. 34 GO und Anm. 4 zu Art. 32 LKrO. 284 Art. 34 Abs. 5 S. 4 GO, Art. 31 Abs. 1 S. 4 LKrO. 285 Zimmermann, Wahlbeamte, Art. 15, A 1.
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gewählten Hauptverwaltungsbeamten gegen dessen Willen vorzeitig aus dem Amt zu entfernen. In Hessen werden seit dem 2.5.1993 die Bürgermeister und Landräte nicht mehr mittelbar durch den Gemeinderat oder den Kreistag gewählt, sondern gehen unmittelbar aus einer Direktwahl durch das Volk hervor. 286 Für diese direktgewählten Wahlbeamten wurde die Möglichkeit einer direkten Abwahl durch Bürgerentscheid eingeführt. 287 Diese neueingeführte Abwahlregelung war zunächst auf Grund ihres plebiszitären Charakters bundesweit einmalig. Inzwischen haben auch Rheinland-Pfalz und das Saarland im Zuge einer Kommunalverfassungsreform entsprechend der hessischen Regelung die Direktwahl des Hauptverwaltungsbeamten eingeführt und mit einer Abwahlmöglichkeit kombiniert. 288 Mit dem Beitritt von Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zur Bundesrepublik Deutschland wurde die Kommunalverfassung der DDR gemäß Art. 9 EV zunächst als Landesrecht in den Gesetzesbestand der fünf neuen Bundesländer überführt. 289 Bis zum Inkrafttreten eigener Kommunalverfassungen galt damit die Kommunalverfassung der DDR fort. 2 9 0 Unter der Geltung dieser Kommunalverfassung konnten die kommunalen Wahlbeamten durchgängig von der Kommunalvertretung abberufen werden. 291 Im Zuge der Neugestaltung ihrer kommunalen Verfassungsordnung sind Sachsen292, Sachsen-Anhalt 293 und Thüringen 294 dem hessischen Vorbild ge286
§39 HGO i.d.F.v. 20.5.1992, GVB1. 1992, 170 (171); §37 HKO i.d.F.v. 20.5.1992, GVB1. 1992, 170(176). 287 §76 HGO i.d.F.v. 20.5.1992, GVB1. 1992, 170 (173); §49 HKO i.d.F.v. 20.5.1992, GVB1. 1992, 170(177). 288 Rheinland-Pfalz: §§ 53, 55 GemORhPf vom 31.1.1994, GVB1. 1994, 153 (170 f.); §§46, 49LKORhPf vom 31.1.1994, GVB1. 1994, 188 (203 f.); Saarland: §§ 56, 58, 68a, 177, 212 SaarlKSVG i.d.F.v. 11.5.1994, GVB1. 1994, 818 f. 289 Vgl. BT-Drucksache 11/7760, S. 361; Schmidt-Aßmann in Schmidt-Aßmann, BesVerwR, 10.Aufl. 1995 Rdn. 6; Schmidt-Eichstaedt/Stade/Borchmann, Einführung zur Kommunalverfassung/DDR, S. 1. 290 Bretzinger/Büchner-Uhder, komm. Praxis, Einleitung, Rn. 2 f. 291 §§ 30, 93 KommunalVerfDDR vom 17.5.1990, GBl. 1990, 255 (260, 268); vgl. auch für Sachsen § 3 Abs. 6 KommunalBeamtVorschaltG vom 31.7.1992, GVB1. 1992, 369 (370) und für Thüringen §3 Abs. 4 BeamtVorschaltG vom 17.7.1991, GVB1. 1991, 217 (218) sowie §§ 30, 93 VorlKO vom 24.7.1992, GVB1. 1992, 383 (392, 404). 292 §51 Abs. 7 bis 9 SächsGemO vom 21.4.1993, GVB1. 1993, 301 (311); §47 Abs. 6 bis 8 SächsLKrO vom 19.7.1993, GVB1. 1993, 577 (586). 293 §61 GOLSA vom 5.10.1993, GVB1. 1993, 568 (581); §49LKrOLSA vom 5.10.1993, GVB1. 1993, 598(607).
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folgt und haben der Direktwahl ihrer kommunalen Hauptverwaltungsbeamten die Möglichkeit einer Abwahl durch Bürgerentscheid gegenübergestellt. Bis zur Durchführung einer ersten Direktwahl galt entweder die Kommunalverfassung der DDR fort, oder es galten Übergangsregelungen, die nahezu wortgleich auf der Kommunalverfassung der DDR fußten. 295 Brandenburg sieht in seiner neugeschaffenen Kommunalverfassung lediglich auf Gemeindeebene eine Direktwahl des Bürgermeisters vor, während auf Kreisebene der Landrat mittelbar durch den Kreistag gewählt wird. 2 9 6 Entsprechend dieser unterschiedlichen Ausgangslage kann auf Gemeindeebene ein vorzeitiges Amtsende des Hauptverwaltungsbeamten durch Bürgerentscheid und auf Kreisebene durch eine Abberufungsentscheidung des Kreistages herbeigeführt werden. 297 Mecklenburg-Vorpommern hat als letztes der neuen Bundesländer eine eigene Kommunalverfassung verabschiedet. Danach hält MecklenburgVorpommern an der mittelbaren Wahl der kommunalen Wahlbeamten und einer Abberufungsmöglichkeit durch die Kommunalvertretung fest. 298 Für die nachgeordneten Wahlbeamten bleibt es mit Ausnahme von SachsenAnhalt in sämtlichen neuen Bundesländern bei der bisherigen Abberufüngsmöglichkeit. Das Land Sachsen-Anhalt nimmt eine Sonderstellung ein, da in der Kommunalverfassung die bisherige Abberufungsmöglichkeit für die beamteten Beigeordneten abgeschafft worden ist. Gleichzeitig können die kommunalen Hauptverwaltungsbeamten neben der Abwahl durch Bürgerentscheid auch von der Kommunalaufsichtsbehörde im Rahmen eines förmlichen Abberufungsverfahrens - Vorbild für diese Regelung war Baden-Württemberg vorzeitig aus dem Amt entfernt werden. 299 294
§ 28 Abs. 6 und § 106 Abs. 3 ThürKO vom 16.8.1993, GVB1. 1993, 501 (510,
526). 295
Vgl. für Sachsen: §§ 131, 132 SächsGemO vom 21.4.1993, GVB1. 1993, 301 (323); §§ 73, 74 SächsLKrO vom 19.7.1993, GVB1. 1993, 577 (589); für SachsenAnhalt: § 154 GOLSA vom 5.10.1993, GVB1. 1993, 568 (597); § 75 LKrOLSA vom 5.10.1993, GVB1. 1993, 598 (611); für Thüringen: Vorläufige Kommunalordnung für Thüringen vom 24.7.1992, GVB1. 1992, 383 ff. i.V.m. § 131 ThürKO vom 16.8.1993, GVB1. 1993, 501 (530). 296 §62 S. 1 BbgGO vom 15.10.1993, GVB1. 1993, 398 (416); §51 Abs. 1 S. 1 BbgLKrO vom 15.10.1993, GVB1. 1993, 433 (446). 297 § 62 S. 3 BbgGO i.V.m. § 81 des Gesetzes über die Neuordnung des Kommunalwahlrechts (BbgKWahlG) vom 22.4.1993, GVB1. 1993, 110 (132); §51 Abs. 3 BbgLKrO. 298 §§ 32, 38, 110, 116 KV M-V vom 18.2.1994, GVB1. 1994, 249 (259, 261, 275, 277). 299 § 144 GO LSA, § 65 LKrO LSA.
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Teil I, .: Die historische Entwicklung de
h e e n
In einem Ausblick auf die zukünftige Entwicklung des Kommunalverfassungsrechts ist darauf hinzuweisen, daß in Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen ab 1999 die Hauptverwaltungsbeamten aus einer Direktwahl hervorgehen und einer Abwahlmöglichkeit durch Bürgerentscheid unterliegen werden. 300 Auch in Niedersachsen und Schleswig-Holstein wird derzeit eine landespolitische Diskussion über eine Reform des Kommunalverfassungsrechts geführt. Als Ergebnis dieser Diskussion zeichnet sich in beiden Bundesländern die Einführung einer Direktwahl des Hauptverwaltungsbeamten ab, so daß mit der Einführung weiterer Abwahlregelungen auch in Zukunft zu rechnen ist. 3 0 1
300 Mecklenburg-Vorpommern: Die Direktwahl wird gemäß §§ 39 a, 116 a KV M-V ab 1999 durchgeführt. Frau Bielenberg aus dem Innenministerium erteilte am 7.1.1994 die Auskunft, daß geplant sei, die Kommunalverfassung um eine Abwahlmöglichkeit zu ergänzen; Nordrhein-Westfalen: vgl. Art. VE des Gesetzes zur Änderung der Kommunalverfassung vom 17.5.1994, GVB1. 1994,270 (309). 301 Beispielhaft kann auf einen Referentenentwurf des schleswig-holsteinischen Innenministeriums zur Reform des Kommunalverfassungsrechts verwiesen werden, der die Einfuhrung der Direktwahl aller Bürgermeister und Landräte vorgeschlagen hat (FAZ vom 3.2.1995, S. 4).
Teil II
Die heutige Rechtslage im Falle einer vorzeitigen Beendigung des aktiven Beamtenstatus bei politischen Beamten und kommunalen Wahlbeamten Nachfolgend werden jeweils für politische Beamte und kommunale Wahlbeamte die formellen und materiellen Voraussetzungen einer vorzeitigen Amtsbeendigung sowie die Rechtsfolgen und die versorgungsrechtlichen Konsequenzen untersucht.
A. Die Rechtslage bei den politischen Beamten unter Ausschluß der versorgungsrechtlichen Lage Bund und Länder haben der Rechtsstellung der politischen Beamten nur wenige Vorschriften gewidmet, wobei sich diese schwerpunktmäßig mit dem betroffenen Ämterkreis und der Rechtslage nach einer einstweiligen Ruhestandsversetzung befassen. Hingegen haben Verfahrensvorschriften und tatbestandliche Voraussetzungen keine umfassende Normierung erfahren. Immerhin ist gemeinsamer Bestandteil sämtlicher Vorschriften, daß politische Beamte, die Beamte auf Lebenszeit sind, Jederzeit" in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden können. Gleiches gilt für die politischen Beamten auf Probe, allerdings mit der Besonderheit, daß eine vorzeitige Amtsbeendigung nur mittels Entlassung aus dem Beamtenverhältnis herbeigeführt werden kann. 1
I. Der betroffene Ämterkreis Der Ämterkreis der politischen Beamten ist zwar auf Bundes- und Landesebene unterschiedlich gefaßt, gemeinsam ist aber, daß von einer Versetzung in den einstweiligen Ruhestand ausschließlich Beamte auf Lebenszeit erfaßt 1 Bund: §31 Abs. 2 i.V.m. §36 Abs. 1 BBG, BGBl. 1985 Bd. I, 479 (485 f.) z.g.d.G.v. 24.6.1994; für die Länder gilt diese Rechtsfolge wegen § 31 Abs. 2 BRRG, BGBl. 1985 Bd. I, 462 (469) z.g.d.G v 24.6.1994.
64
Teil II, .: Die Rechtslage bei den o l e n
eamten
werden. Soweit einer Anstellung auf Lebenszeit eine Probezeit vorangestellt ist, können die betroffenen politischen Beamten ohne Einhaltung einer Frist entlassen werden. Im übrigen gelten für die politischen Beamten auf Probe die nachfolgenden Ausführungen über die politischen Beamten auf Lebenszeit entsprechend. Lediglich Bayern hat bisher auf die Einrichtung des politischen Beamten verzichtet.
7. Bund Auf Bundesebene können derzeit gemäß § 36 BBG in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden: 1. Staatssekretäre und Ministerialdirektoren, 2. sonstige Beamte des höheren Dienstes im auswärtigen Dienst von der Besoldungsgruppe A 16 an aufwärts, 3. Beamte des höheren Dienstes des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des Bundesnachrichtendienstes von der Besoldungsgruppe A 16 an aufwärts 4. der Chef des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, dessen Stellvertreter und der Stellvertretende Sprecher der Bundesregierung, 5. der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof und der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht, 6. der Bundesbeauftragte für den Zivildienst.
2. Baden-Württemberg Nach § 60 LBG BW gehören lediglich Ministerialdirektoren und Regierungspräsidenten zum Kreis der politischen Beamten.2
3. Berlin Zum betroffenen Ämterkreis gehören gemäß § 72 LBG Berlin folgende Beamte:3
2
Landesbeamtengesetz vom 8.8.1979, GBl. 1979, 398 (412) z.g.d.G.v. 12.12.1991. Landesbeamtengesetz vom 20.2.1979, GVB1. 1979, 368 (377) z.g.d.G.v. 19.12.1994. 3
I. Der betroffene Ämterkreis 1. 2. 3. 4. 5.
65
Staatssekretäre, der Leiter der Presse- und Informationsabteilung der Senatskanzlei, der Leiter der Protokoll- und Auslandsabteilung der Senatskanzlei, der Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz, der Generalsekretär der Ständigen Konferenz der Kultusminister.
4. Brandenburg Dieses neue Bundesland hat in § 105 LBG Brandenburg den Ämterkreis des politischen Beamten wie folgt festgelegt: 4 1. 2. 3. 4. 5.
der Chef der Staatskanzlei, die Staatssekretäre, der Generalstaatsanwalt, der Leiter der Verfassungsschutzabteilung des Ministeriums des Innern, die Polizeipräsidenten.
5. Bremen In diesem Bundesland können gemäß § 41 a BremBG Staatsräte und der Sprecher des Senats als politische Beamte in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden. 5
6. Hamburg Nach § 41 Abs. 1 HmbBG sind politische Beamte:6 1. Staatsräte, 2. der Leiter der Staatlichen Pressestelle und dessen Stellvertreter.
7. Hessen In § 57 HBG ist eine umfangreiche Liste der politischen Beamten aufgenommen:7
4 5 6
Landesbeamtengesetz vom 24.12.1992, GVB1. 1992,506(534). Beamtengesetz vom 3.3.1978, GBl. 1978, 108 (114) z.g.d.G.v. 1.3.1994. Änderungsgesetz zum hamburgischen Beamtengesetz vom 13.7.1978, GVB1. 1978,
315. 7
Beamtengesetz vom 11.1.1989, GVB1. 1989, 26 (40) z.g.d.G.v. 21.12.1994.
5 hiebe
66
Teil II,
.: Die Rechtslage bei den o l e n
eamten
1. 2. 3. 4.
Staatssekretäre, Staatsräte und Ministerialdirektoren, Regierungspräsidenten, der Leiter des Landesamtes tür Verfassungsschutz, Leiter der Ministerbüros, Pressereferenten und persönliche Referenten bei der Landesregierung und beim Landtag, 5. Polizeipräsidenten, 6. die Fraktionsassistenten bei den Fraktionen des Landtags.
8. Mecklenburg-Vorpommern Nach § 40 LBG M - V sind folgende Amtsinhaber politische Beamte:8 1. 2. 3. 4.
die Staatssekretäre, der Sprecher der Landesregierung, der Leiter der Abteilung für Verfassungsschutz im Innenministerium, der Generalstaatsanwalt.
9. Niedersachsen Zu den politischen Beamten gehören nach § 47 NBG folgende Ämter: 9 1. 2. 3. 4. 5.
Staatssekretäre, Regierungspräsidenten, der Präsident des I ,andesamtes für Verfassungsschutz, der Leiter der Pressestelle der Landesregierung, der Polizeipräsident.
10. Nordrhein-Westfalen Nach § 38 LBG NW gehören zu den politischen Beamten: 10 1. 2. 3. 4. 5. 6.
8
der Chef der Staatskanzlei und Staatssekretär sowie Staatssekretäre, Regierungspräsidenten, der Leiter der für den Verfassungsschutz zuständigen Abteilung, der Regierungssprecher, Generalstaatsanwälte, Polizeipräsidenten.
Landesbeamtengesetz vom 28.6.1993, GVB1. 1993, 577 (590) z.g.d.G.v. 27.4.1994. 9 Beamtengesetz vom 11.12.1985, GVB1. 1985,493 (504) z.g.d.G.v. 10.1.1994. 10 Landesbeamtengesetz vom 1.5.1981, GVB1. 1981, 234 (241) z.g.d.G.v. 7.2.1995.
I. Der betroffene Ämterkreis
67
IL Rheinland-Pfalz Die Liste der politischen Beamten umfaßt gemäß § 50 LBG RhPf folgende Ämter: 11 1. Staatssekretäre, 2. Ministerialdirektoren, 3. den Sprecher der Landesregierung sowie Beamte, die mit ihrer Zustimmung schriftlich zu Referenten für Presse- oder Öffentlichkeitsarbeit bei einer obersten Landesbehörde bestellt worden sind, 4. Regierungspräsidenten und RegierungsVizepräsidenten, 5. den Leiter der Abteilung für Verfassungsschutz beim Ministerium des Innern und für Sport, 6. den Beauftragten für Ausländerfragen bei der Staatskanzlei.
12. Saarland Eine Auflistung des Ämterkreises des politischen Beamten findet sich in § 58 SBG: 12 1. 2. 3. 4.
der Chef der Staatskanzlei, die ständigen Vertreter der Minister, der Bevollmächtigte des Saarlandes beim Bund, der Pressechef der Landesregierung,
13. Sachsen Der Freistaat Sachsen hat in § 59 SächsBG den Ämterkreis der politischen Beamten kurz gehalten: 13 1. Staatssekretäre, 2. Regierungspräsidenten, 3. Regierungssprecher.
11
Landesbeamtengesetz vom 14.7.1970, GVB1. 1970, 241 (254) z.g.d.G.v. 8.4.1991. 12 Beamtengesetz vom 25.6.1979, ABl. 1979, 570 (579) z.g.d.G.v. 26.1.1994. 13 Beamtengesetz vom 17.12.1992, GVB1. 1992,615 (625).
68
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.: Die Rechtslage bei den o l e n
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14. Sachsen-Anhalt Gemäß § 36 BG LSA können als politische Beamte in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden: 14 1. 2. 3. 4. 5.
Staatssekretäre, Regierungspräsidenten, der Leiter des Presse- und Informationsamtes der Landesregierung, Polizeipräsidenten, der Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz.
15. Schleswig-Holstein Nach § 48 LBG SchlH ist die Liste der politischen Beamten vergleichsweise kurz gehalten: 15 1. 2. 3. 4.
die Staatssekretäre, der Pressechef der Landesregierung, der Leiter der Abteilung für Verfassungsschutz, der Generalstaatsanwalt.
16. Thüringen Thüringen hat gemäß § 41 ThürBG den Ämterkreis folgendermaßen gestaltet: 16 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
14
die Staatssekretäre, den Leiter des Landesverwaltungsamtes, den Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz, den General Staatsanwalt, die Frauenbeauftragte der Landesregierung, den Ausländerbeauftragten der Landesregierung, den Sprecher der Landesregierung.
Beamtengesetz vom 14.5.1991, GVB1. 1991,61 (67) z.g.d.G.v. 13.7.1994. Landesbeamtengesetz vom 1.6.1987, GVB1. 1987, 271 (282) z.g.d.G.v. 17.12.1991. ,h Beamtengesetz vom 10.6.1994, GVB1 1994,589 (599). ,s
.
r e l l e Voraussetzungen
69
II. Formelle Voraussetzungen In Ermangelung einer besonderen verfahrensrechtlichen Ausgestaltung der Versetzung politischer Beamter in den einstweiligen Ruhestand bestehen über die formellen Voraussetzungen gewisse Unsicherheiten.
7. Zuständigkeit bei Versetzung in den einstweiligen Ruhestand Die Zuständigkeiten für eine Versetzung der politischen Beamten in den einstweiligen Ruhestand sind bei Bund und Ländern unterschiedlich verteilt.
a) Zuständigkeit auf Bundesebene Grundsätzlich ist gemäß § 36 Abs. 1 BBG der Bundespräsident für die Versetzung politischer Beamter in den einstweiligen Ruhestand zuständig. Inwieweit diese Zuständigkeit die Konsequenz aus Art. 60 GG ist, wonach die Ernennung und die Entlassung von Bundesbeamten durch den Bundespräsidenten vorzunehmen ist, wird in der Literatur uneinheitlich beurteilt. Es wird die Auffassung vertreten, daß es sich bei der Versetzung in den einstweiligen Ruhestand begrifflich um eine Entlassung handele, so daß sich die Zuständigkeit des Bundespräsidenten zwingend aus Art. 60 GG ergebe. 17 Begründet wird dieses damit, daß sowohl die Entlassung im engeren Sinn als auch die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand einen Verlust des aktiven Beamtenstatus mit sich brächten. 18 Nach anderer Auffassung ist eine derartige Ausweitung des Entlassungsbegriffs abzulehnen, und es beruht die aus § 36 Abs. 1 BBG folgende Zuständigkeitszuweisung an den Bundespräsidenten keineswegs auf Art. 60 GG, sondern ausschließlich auf der eigenständigen und einfachgesetzlichen Rechtsgrundlage des § 36 Abs. 1 BBG. 1 9 Letztere Auffassung verweist auf die „Durchführungsbestimmungen zur Anordnung des Bundespräsidenten über die Ernennung und Entlassung der Bundesbeamten und Bundesrichter" vom 17.5.1950,20 wonach in § 3 explizit bestimmt war, daß bei Versetzungen in den Wartestand kein Fall der Entlassung vorliege. 21 Da die 17
OVG Münster ZBR 1994, 25 (26); AK-GG-Jekewitz, 2. Aufl., Art. 60 Rz. 4; Herzog, in Maunz/Dürig zu GG Art. 60 Rdnr. 16. 18 Herzog, in Maunz/Dürig zu GG Art. 60 Rdnr. 15, 16. 19 Menzel, in: Dolzer/Vogel (Hg.), BK, Art 60 S. 10; Hemmerich, Rdnr. 13 zu Art. 60, in: v. Münch GGK II, 2. Aufl., 1983; Nierhaus, JuS 1978, 596 (601). 20 Menzel, in: Dolzer/Vogel (Hg.), BK, Art 60 S. 10. 21 BGBl. 1950,209(210).
70
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.: Die Rechtslage bei den o l e n
eamten
Wartestandsregelung durch die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand abgelöst worden sei, 22 könne davon ausgegangen werden, daß auch weiterhin kein Fall der Entlassung vorliege. 23 Eine solche Sichtweise geht von einer weitgehend identischen Begrifflichkeit beider Rechtsinstitute aus. Eine solche weitgehende Identität ist aber keineswegs gegeben, da der in den einstweiligen Ruhestand versetzte Beamte im Gegensatz zum Wartestandsbeamten seinen aktiven Status verliert. 24 Unstrittig wollte der Verfassungsgeber aber mit der Formulierung des Art. 60 Abs. 1 GG statusrechtliche Veränderungen des Beamtenverhältnisses erfassen. 25 So galt gemäß § 1 Abs. 2 obiger „Durchfuhrungsbestimmungen" die Versetzung in den Ruhestand auf Grund ihrer statusrechtlichen Relevanz sehr wohl als Entlassung. Hingegen war die Wartestandsversetzung ohne eine derartige statusrechtliche Relevanz, da der Betroffene weiterhin aktiver Beamter blieb, so daß man auf eine Subsumtion unter den Begriff der Entlassung verzichten konnte. Da die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand den aktiven Beamtenstatus beendet, ist somit Art. 60 GG einschlägig, der seine einfachgesetzliche Ausprägung über § 36 Abs. 1 BBG erfahren hat. Zwar kommt diesem Streit angesichts der jetzigen Rechtslage keine weitergehende Bedeutung zu; dieser Zustand würde aber augenblicklich eine Änderung erfahren, wenn sich Bestrebungen abzeichneten, die eine Zuständigkeitsverlagerung auf ein anderes Bundesorgan wie etwa die Bundesregierung herbeiführen wollten. 26 Der Bundespräsident wird nicht aus eigener Initiative, sondern erst nach Vorschlag des zuständigen Ministers und gegebenenfalls Einholung einer Stellungnahme des Bundeskanzlers tätig. 2 7 , 2 8 Soweit zwischen diesen Beteiligten keine Einigkeit über die Notwendigkeit einer Ruhestandsversetzung besteht, stellt sich die Frage nach dem Vorrang der kollidierenden Auffassungen. Zwei Kollisionsfalle sind in diesem Zusammenhang denkbar.
22
Vgl. § 36 BBG vom 14.7.1953, BGBl. 1953 Bd. I, 551 (556). Menzel, in: Dolzer/Vogel (Hg.), BK, Art 60 S. 10 f. 24 Fischbach, BBG, § 35 Anm. VII Fußnote 9; Scheerbarth/Höffgen, Beamtenrecht, S. 503; Schütz, DÖD 1957, 1 (3). 25 Herzog, in Maunz/Dürig zu GG Art. 60 Rdnr. 15, 16; Klein, in: SchmidtBleibtreu/Klein, Art. 60 Rn. 1. 26 Vgl. auch Herzog, in Maunz/Dürig zu GG Art. 60 Rdnr. 19 ff. r § 19 GeschO BReg vom 11.5.1951, GMB1. 1951, 137 (139) i.d.F.v. 29.4.1976, GMB1. 1976, 174. 28 Bochalli, BBG, § 36 Anm. 2; Nierhaus, JuS 1978, 596 (601); Brockhaus, in: Schütz, Teil C RdNr. 4 zu § 38. 23
.
r e l l e Voraussetzungen
71
aa) Kollision zwischen Bundesminister und Bundeskanzler Da dem Bundespräsidenten ein eigenes Initiativrecht zur Versetzung politischer Beamter in den einstweiligen Ruhestand fehlt, wird er erst nach Zuleitung eines entsprechenden Versetzungsvorschlages durch den zuständigen Bundesminister tätig. 29 Außer dieser Zuständigkeitszuweisung an den Bundespräsidenten in § 36 Abs. 1 BBG enthalten die Gesetze keine weiteren verfahrensrechtlichen Regelungen, insbesondere ist das Zustandekommen des Versetzungsvorschlages nicht näher geregelt. In diesem Zusammenhang könnte es zu dem Kollisionsfall kommen, daß der Bundeskanzler die durch den Minister vorgeschlagene Versetzung in den einstweiligen Ruhestand ablehnt und eine Weiterleitung an den Bundespräsidenten untersagt. Immerhin ist ein solcher Fall in der staatspolitischen Praxis bisher nicht bekannt geworden; es stellt sich aber die Frage, wie in Ermangelung einer näheren Ausgestaltung des Versetzungsverfahrens ein derartiger Fall zu würdigen wäre. Lediglich für die Versetzung politischer Beamter von der Besoldungsgruppe B 9 BBesO an aufwärts in den einstweiligen Ruhestand bestimmt § 19 GeschO BReg, daß vor einer Weiterleitung des Versetzungsvorschlags an den Bundespräsidenten die Stellungnahme des Bundeskanzlers einzuholen ist. 3 0 Diese Vorschrift ist die Konsequenz aus der Organisationsgewalt und Geschäftsführungsbefügnis des Bundeskanzlers. 31 Im übrigen beruht die Vorschrift auf dem aus Art. 65 S. 1 GG folgenden Kanzlerprinzip. Danach bestimmt der Bundeskanzler die Richtlinien der Politik, es muß aber dem einzelnen Ressortminister wegen Art. 65 S. 2 GG noch ein eigener Gestaltungsspielraum (Ressortprinzip) verbleiben. 32 Nur die Richtlinienentscheidung des Bundeskanzlers, die eine allgemeinpolitische Zielsetzung hat, 33 ist für den Bundesminister verbindlich, wohingegen reine Einzelfallentscheidungen wegen Art. 65 S. 2 GG unzulässig in das Ressort des Ministers eingreifen. 34 Um
29
Bochalli, BBG, § 36, Anm. 2; Nierhaus, JuS 1978, 596 (601); Brockhaus, in: Schütz, Teil C RdNr. 4 zu § 38. 30 Das Verfahren nach § 19 GeschO BReg wurde und wird von den Fachministern in allen Fällen beachtet (mitgeteilt durch Bundesminister Friedrich Bohl, Chef des Bundeskanzleramtes, mit Schreiben vom 17.1.1994). 31 Honnacker/Grimm, GeschäftsordnungBR, § 19 Anm. 5; vgl. auch Schunke, Die polit. Beamten, S. 219; Wacke, AöR 1966,441 (474). 32 von Mangoldt/Klein, Art. 65 Anm. m 2 b; Herzog, in Maunz/Dürig zu GG Art. 65 Rdnr. 53, 54; Liesegang, Rdnr. 7 zu Art. 65, in v. Münch GGK n, 2. Aufl., 1983. 33 Genauere Ausführungen zum Begriff der Richtlinie können in diesem Zusammenhang unterbleiben, vgl. hierzu Liesegang, Rdnr. 7 ff. zu Art. 65, in v. Münch GGK E, 2. Aufl., 1983. 34 Hamann, Art. 65 B 3; Herzog, in Maunz/Dürig zu GG Art. 65 Rdnr. 40.
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.: Die Rechtslage bei den o l e n
eamten
somit einer Versetzung in den einstweiligen Ruhestand verbindlich entgegenzutreten, müßte die ablehnende Haltung des Bundeskanzlers zum Gegenstand einer Richtlinienentscheidung gemacht werden können. Da es hier grundsätzlich um die Entscheidung eines Einzelfalles geht, stellt sich die Frage, ob wenigstens in bestimmten Einzelfällen von allgemeinpolitischer Bedeutung eine verbindliche Richtlinienentscheidung getroffen werden kann. Nach einer restriktiven Auffassung dürfen Einzelfallentscheidungen grundsätzlich nicht zur Bestimmung der politischen Richtlinien getroffen werden. 35 Allerdings darf ein Einzelfall mittelbar zum Anlaß genommen werden, Richtlinien zu erlassen. 36 Die gegenteilige Auffassung überläßt dem Bundeskanzler nach dessen Ermessen die Auswahl der Fragen, die zum Gegenstand einer Richtlinienentscheidung gemacht werden sollen. 37 Damit können beliebige Einzelfragen richtlinienfahig sein. Die herrschende Auffassung vertritt einen vermittelnden Standpunkt. Danach kann ein Einzelfall jedenfalls dann zum Gegenstand einer Richtlinienentscheidung gemacht werden, wenn der Entscheidung über die konkrete Sachfrage eine prinzipielle Zielsetzung zugrundeliegt. 38 Eine derartige Zielsetzung kann auch einzelnen Personalentscheidungen zugrundeliegen. 39 Die restriktive Auffassung gründet sich auf die Intention, einer Aushöhlung des Ressortprinzips dadurch zu begegnen, daß Einzelfallweisungen des Bundeskanzlers grundsätzlich untersagt sind. 40 Soweit es sich allerdings um Einzelfragen handelt, denen allgemeinpolitische Bedeutung zukommt, wird regelmäßig das politische Schicksal des Bundeskanzlers zur Debatte stehen.41 Bei einer derartigen Sachlage erscheint eine Einzelfallentscheidung, mit der in das Ressort des Ministers eingegriffen wird, gegenüber einer unzweifelhaft zulässigen Entlassung des Ministers als ein verhältnismäßiger und daher weitaus weniger gravierender Eingriff. 42
35
von Mangoldt/Klein, Art. 65 Anm. m 2 b - 3 a. von Mangoldt/Klein, Art. 65 Anm. m 2 c. 37 Meder, in: Dolzer/Vogel (Hg.), BK, Art 65 S. 1 f. 38 Karehnke, DVB1. 1974, 101 (102); Liesegang, Rdnr. 7 zu Art. 65 m.w.N., in v. Münch GGK II, 2. Aufl., 1983; Knöpfle, DVB1. 1965, 857 (861); SchmidtBleibtreu/Klein, Art. 65 Rn. 4. 39 Knöpfle, DVB1. 1965, 857 (861, Fußnote 61 a). 40 von Mangoldt/Klein, Art. 65 Anm. m 2 b - 3 a. 41 Herzog, in Maunz/Dürig zu GG Art. 65 Rdnr. 8. 42 Herzog, in Maunz/Dürig zu GG Art. 65 Rdnr. 8. 36
I.
r e l l e Voraussetzungen
73
Dementsprechend ist festzuhalten, daß der Bundeskanzler dem Ressortminister zwar grundsätzlich keine Einzelweisungen erteilen darf, er aber Einzelfragen von allgemeiner Bedeutung aus jedem Ressort zu einer Richtlinienfrage machen und persönlich entscheiden kann. 43 Soweit der Bundeskanzler also seiner ablehnenden Haltung gegenüber einer Versetzung in den einstweiligen Ruhestand allgemeinpolitische Bedeutung zumißt, kann er verbindlich dem Versetzungsvorschlag des Ressortministers entgegentreten. Sollte es zu einem Streit zwischen Bundeskanzler und Bundesminister kommen, ob tatsächlich die Richtlinienkompetenz Raum greift, entscheidet nicht etwa gemäß Art. 65 S. 3 GG die Bundesregierung als Kollegium, sondern der Bundeskanzler persönlich. 44 Es wäre allerdings verfehlt anzunehmen, daß eine derartige Sachlage von allgemeinpolitischer Bedeutung regelmäßig bei Versetzungsvorschlägen eingreifen könnte. Vielmehr ist davon auszugehen, daß die jeweilige Personalfrage in das Ressort des zuständigen Bundesministers fallt, da dieser grundsätzlich nicht zu einer Zusammenarbeit mit bestimmten leitenden Beamten gezwungen werden darf. 45 Auch ist nicht erkennbar, warum an das Verbleiben eines politischen Beamten in einem bestimmten Amt signifikant häufig das politische Schicksal des Kanzlers geknüpft sein sollte. Immerhin wäre das Erfordernis einer Stellungnahme zu den Versetzungsvorschlägen nach § 19 GeschO BReg überflüssig, wenn die Richtlinienkompetenz stets oder häufig berührt wäre, da dann bereits die §§ 3, 4 GeschO BReg als Spezialvorschriften einschlägig und ausreichend wären. Insoweit wird man Wache beipflichten müssen, wenn er davon ausgeht, daß es für den Gang des Versetzungsverfahrens irrelevant ist, ob die Stellungnahme des Bundeskanzlers zustimmend oder ablehnend ausfällt. 46 Denn soweit die Versetzung ausnahmsweise tatsächlich die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers zu berühren geeignet ist, sind ohnehin die §§ 3, 4 GeschO BReg einschlägig, die als Spezialvorschriften den § 19 GeschO BReg verdrängen würden. Im Normalfall kann also davon ausgegangen werden, daß die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers nicht berührt und § 19 GeschO BReg einschlägig ist. Dem Ergebnis der Stellungnahme kommt dann keine weiterge-
43
Meder, in: Dolzer/Vogel (Hg.), BK, Art 65 S. 1 und S. 2; Herzog, in Maunz/Dürig zu GG Art. 65 Rdnr. 56. 44 Meder, in: Dolzer/Vogel (Hg.), BK, Art 65 S. 3; Hamann, Art. 65 B 5; von Mangoldt/Klein, Art. 65 Anm. IE 3 b, Anm. V 2 b; Liesegang, Rdnr. 10 zu Art. 65, in v. Münch GGK II, 2. Aufl., 1983. 45 Honnacker/Grimm, GeschäftsordnungBR, § 19 Anm. 5. 46 Wacke, AöR 1966, 441 (474); zum gleichen Ergebnis gelangt Honnacker/Grimm, GeschäftsordnungBR, § 19 Anm. 5.
74
Teil II,
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eamten
hende Bedeutung zu. 47 4 8 Eine Weiterleitung des Versetzungsvorschlags durch den Bundesminister an den Bundespräsidenten kann in einem solchen Fall folglich gegen den Willen des Bundeskanzlers erfolgen. 49 In der Konsequenz steht allerdings zu vermuten, daß ein solches Verhalten das Verhältnis des Bundeskanzlers zum Bundesminister belasten würde. Unterbleibt die Einholung einer Stellungnahme gänzlich, liegt zwar ein Verstoß gegen § 19 Gesch BReg vor, aber dieser Verstoß hat keine Auswirkung auf die Rechtsgültigkeit der späteren Versetzung in den einstweiligen Ruhestand, da die Geschäftsordnung dem Grundgesetz und den Gesetzen nachgeht.50 Demzufolge erlangt eine Kollision der Auffassungen zwischen dem Bundeskanzler und dem Bundesminister nur dann Bedeutung, wenn der Bundeskanzler zu der Überzeugung gelangt ist, daß von der Auseinandersetzung mit dem Bundesminister seine Richtlinienkompetenz berührt wird. In den übrigen Fällen kommt der Auffassung des Bundeskanzlers keine rechtlich relevante Bedeutung zu.
bb) Kollision mit dem Bundespräsidenten Als zweiter Kollisionsfall ist denkbar, daß der Bundespräsident sich weigert, dem ihm zugeleiteten Vorschlag zu folgen und eine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand auszusprechen. Es stellt sich daher die Frage, in welchem Umfang dem Bundespräsidenten ein eigenes Entscheidungsrecht zukommt. Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, daß die Anwendung des § 36 Abs. 1 BBG in das Ermessen des Bundespräsidenten gestellt ist, wobei dieses Ermessen nicht willkürlich, sondern pflichtgemäß durch den Gesetzeszweck bestimmt und begrenzt ausgeübt werden muß. 51 Dabei muß sich der
47
Honnacker/Grimm, GeschäftsordnungBR, § 19 Anm. 5; Wacke, AöR 1966, 441 (474). 48 Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt Schunke, Die polit. Beamten, S. 223, Fußnote 665, der zwar § 19 GeschO BReg grundsätzlich für einschlägig hält, dafür aber im konkreten Einzelfall, wenn die Richtlinienkompetenz berührt wird, eine zustimmende Stellungnahme fordert. 49 Die gegenteilige Auffassung wird von Bundeskanzler Kohl vertreten, der auf dem Standpunkt steht, daß der Bundesminister nur mit seiner Einwilligung handeln dürfe (Gennrich, FAZ vom 8.7.1993, S. 1). 50 Schunke, Die polit. Beamten, S. 224; Wacke, AöR 1966,441 (474). 51 BVerwGE 19, 332 (336 ff.); 52, 33 (40).
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Bundespräsident ausschließlich von den Erwägungen leiten lassen, die ihm von der zuständigen obersten Dienstbehörde vorgetragen worden sind. 52 Dieser Auffassung folgt der überwiegende Teil der Literatur. 53 Teilweise wird jedoch das Ermessen des Bundespräsidenten dahingehend beschränkt, daß seine Ausübung von einer Rücksichtnahme auf die jeweilige Regierungspolitik bestimmt sein muß. 54 Nach anderer Auffassung steht dem Bundespräsidenten kein eigener Ermessensspielraum zu, da er keinesfalls zu einer wirklichen Mitentscheidung in Personalfragen befugt sei. 55 Dieses ergebe sich daraus, daß dem Bundespräsidenten kein eigenständiges Initiativrecht bei Personalentscheidungen zukomme 5 6 und er darüber hinaus für seine Entscheidungen keine politische Verantwortung zu übernehmen habe57. Lediglich eine Legalitätskontrolle könne durch den Bundespräsidenten vorgenommen werden. 58 Bereinigt man obige Auffassungen von begrifflichen Differenzierungen, so ist festzustellen, daß sie im Ergebnis die Rechtsposition des Bundespräsidenten, wie sie sich aus § 36 Abs. 1 BBG ergibt, ähnlich beurteilen. So führt Herzog aus, daß der Bundespräsident zwar grundsätzlich verpflichtet sei, den Vorschlägen der Bundesregierung zu folgen, er sich aber dieser Verpflichtung aus Rechtsgründen entziehen könne, wenn er zu der Überzeugung gelangt sei, daß die Voraussetzungen für eine Versetzung des politischen Beamten in den einstweiligen Ruhestand nicht gegeben seien.59 Zu dem gleichen Ergebnis kommt die herrschende Ansicht, wenn sie von dem Bundespräsidenten verlangt, daß er sich bei seiner Ermessensausübung entweder ausschließlich von den Erwägungen der obersten Dienstbehörde - dem zuständigen Bundesmini52
BVerwGE 52, 33 (41). Bochalli, BBG, § 36 Anm. 2; Fees, ZBR 1956, 203 (204); Summer in Fürst, GKÖDI, K § 36 Rz 11; Honnacker/Grimm, GeschäftsordnungBR, § 19 Anm. 5; Hemmerich, Rdnr. 13 f. zu Art. 60, in: von Münch GGKII, 2. Aufl., 1983; Brockhaus, in: Schütz, Teil C RdNr. 3 zu § 38; Strunk, Beamtenrecht, Rn. 41. 54 Menzel, in: Dolzer/Vogel (Hg.), BK, Art 60 S. 13; Maunz, in Maunz/Dürig zu GG Art. 60, Erstbearbeitung, Rdnr. 2; Klein, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 60 Rn. 4. 55 Hall, JZ 1965, 305 (308); Lecheler, Personalgewalt, S. 154; Herzog, in Maunz/Dürig zu GG Art. 60 Rdnr. 18; i.d.S. auch AK-GG-Jekewitz, 2.Aufl., Art. 60 Rz. 4; Schiaich, Die Funktion des Bundespräsidenten im Verfassungsgefiige, in: Isensee/Kirchhof, HStR ü, § 49 Rdnr. 29; Maurer, DÖV 1966, 665 (671). 56 Lecheler, Personalgewalt, S. 154. 57 Hall, JZ 1965, 305 (308). 58 Schiaich, Die Funktion des Bundespräsidenten im Verfassungsgefiige, in: Isensee/Kirchhof, HStRII, §49 Rdnr. 29; Lecheler, Personalgewalt, S. 154; Herzog, in Maunz/Dürig zu GG Art. 60 Rdnr. 18. 59 Herzog, in Maunz/Dürig zu GG Art. 60 Rdnr. 18. 53
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ster - oder von einer Rücksichtnahme auf die Politik der Bundesregierung leiten lassen müsse. Eine derartige Einschränkung des Ermessens vermeidet zwar Kollisionen mit den politischen Interessen der Regierung, reduziert aber das Entscheidungsrecht des Bundespräsidenten zwangsläufig dahingehend, lediglich bei mißbräuchlichen Vorschlägen eine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand nicht auszusprechen, im übrigen aber stets den Vorschlägen des Ministers zu folgen. 60 Die Abgrenzung eines solchermaßen eingeschränkten Ermessens von einer bloßen Legalitätskontrolle ist nur marginaler Natur, da sie an der Rechtsposition des Bundespräsidenten de facto nichts zu ändern vermag. Damit ist im Ergebnis festzuhalten, daß der Bundespräsident grundsätzlich die ihm vorgeschlagene Versetzung in den einstweiligen Ruhestand auszusprechen hat, wenn die ihm vorgetragenen Gründe eine solche Entscheidung rechtfertigen.
b) Zuständigkeit auf Landesebene Auf Landesebene bestehen unterschiedliche Zuständigkeiten für eine Versetzung der politischen Beamten in den einstweiligen Ruhestand. In Baden-Württemberg, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, im Saarland und in Sachsen-Anhalt ist die Landesregierung, 61 in Berlin, Bremen und Hamburg der Senat,62 in Sachsen der Ministerpräsident, 63 in Rheinland-Pfalz und Thüringen mit Zustimmung, 64 in Schleswig-Holstein auf Vorschlag der Landesregierung für die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand zuständig. 65
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Vgl. hierzu Schiaich, Die Funktion des Bundespräsidenten im Verfassungsgefüge, in: Isensee/Kirchhof, HStR ü, § 49 Rdnr. 29 (Fußnote 62). 61 §60 L B G B W ; §105 LBG Brandenburg; vgl. §57 HBG und Crisolli/Schwarz/Gerke, § 57 Anm. 5; §40 LBG M-V; §47NBG i.V.m. Art. 28 Abs. 1 Niedersächsische Verfassung vom 19.5.1993, GVB1. 1993, 107 (110), die Vorschrift des § 47 NBG enthält unter Bezugnahme auf die Vorläufige Niedersächsische Verfassung vom 13.4.1951 noch die alte Bezeichnung „ L a n d e s m i n i s t e r i u m " , die mit Inkrafttreten der neuen Verfassung vom 19.5.1993 durch die Bezeichnung „ L a n d e s r e g i e r u n g " abgelöst wurde; § 38 LBG NW; § 58 SBG; § 36 BG LSA. 62 § 72 LBG Berl; § 41 a BremBG; § 41 Abs. 1 HmbBG. 63 § 60 i.V.m. §§ 57 Abs. 1,11 Abs. 1 SächsBG. 64
§ 50 L B G RhPf; § 41 T h ü r B G .
65
§ 48 LBG SchlH.
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2. Anhörungspflicht Regelmäßig wird es vor einer Versetzung in den einstweiligen Ruhestand geboten erscheinen, dem betroffenen Beamten Gelegenheit zu einer Stellungnahme einzuräumen. 66 Soweit jedoch in Ausnahmefällen eine derartige Gelegenheit nicht eingeräumt wird, stellt sich die Frage, inwieweit das Fehlen einer Anhörung die Maßnahme rechtswidrig macht. Dieses wiederum hängt vom Bestehen einer besonderen Anhörungspflicht ab. Zwar kennt das allgemeine Verwaltungsverfahren über § 28 VwVfG eine Anhörungspflicht, 67 dagegen enthalten die Beamtengesetze des Bundes und der Länder einschließlich des Beamtenrechtsrahmengesetzes keine Spezialvorschrift, die eine Anhörungspflicht für die Versetzung politischer Beamter in den einstweiligen Ruhestand festschreibt. Vielmehr sind die beamtenrechtlichen Anhörungspflichten auf wenige Spezialfälle beschränkt, wie etwa die Anhörungspflicht vor Aufnahme nachteiliger Beschwerden und Behauptungen tatsächlicher Art in die Personalakten. 68 Auch fehlt es an der Normierung eines generellen Anhörungsgrundsatzes, wie er noch in § 42 DBG vorgesehen war. 69 Allerdings fand dieser Anhörungsgrundsatz schon seinerzeit keine Anwendung auf politische Beamte, die auch ohne vorherige Anhörung in den Wartestand versetzt werden konnten. 70 Dementsprechend bietet sich für die heutige Rechtslage die Schlußfolgerung an, daß eine besondere Anhörungspflicht nicht besteht.71 So entspricht es der herrschenden Meinung, daß der politische Beamte vor seiner Versetzung in den einstweiligen Ruhestand nicht gehört werden muß. 72 Allerdings sei eine unterbliebene Anhörung im Widerspruchsverfahren nachzuholen. 73 Dies ergebe sich daraus, daß es sich beim Widerspruchsverfahren
66
Bochalli, BBG, § 36 Anm. 2; Wacke, AöR 1966,441 (475). BGBl. 1976 Bd. I, 1253 (1261). 68 § 90 S. 2 BBG vom 27.2.1985, BGBl. 1985 Bd. I, 479 (494); § 56 S. 2 BRRG vom 27.2.1985, BGBl. 1985 Bd. I, 462 (474). 69 RGBl. 1937 Bd. 1,39(47). 70 Brand, DBG, § 44 Anm. 2; Seel, DBG, S. 154. 71 So schon OVG Münster ZBR 1958, 141 (143). 72 OVG Münster ZBR 1958, 141 (143); Anders, DÖV 1964, 109 (115); Bernet, Die Polizei 1970, 350 (353); Bochalli, BBG, § 36 Anm. 2; Fischbach, § 36 Anm. I.; Kümmel, in: Kümmel, NBG, § 47 Rn. 3.3; Schütz, DÖD 1958, 1 (7); Brockhaus, in: Schütz, Teil C RdNr. 3 zu § 38; Thiele, DÖD 1961, 81 f.; Wacke, AöR 1966, 441 (475 f.) m.w.N. 73 Vgl. für die herrschende Auffassung Bernet, Die Polizei 1970, 350 (353); Wacke, AöR 1966,441 (481). 67
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um ein weitergeführtes Verwaltungsverfahren handele.74 Zwar sei weder Art. 103 GG über das rechtliche Gehör vor Gericht noch § 28 VwVfG unmittelbar anwendbar, aber die Notwendigkeit einer umfassenden Sicherung durch ausgiebiges rechtliches Gehör ergebe sich zum einen aus der Tatsache, daß bereits ein Verwaltungsakt vorliege, zum anderen aus der Nähe zum gerichtlichen Verfahren. 75 Die gegenteilige Auffassung ist in der Literatur bisher auf geringe Zustimmung gestoßen.76 Ihren vehementesten Vertreter hat sie in Schunke gefunden, der eine Anhörungspflicht aus dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs und aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn herleiten will. 7 7 Soweit es um die Wahrung subjektiver Rechte und Belange geht, ist der Anspruch auf rechtliches Gehör vor den Verwaltungsbehörden unverzichtbar im Rahmen eines rechtlich geordneten Verfahrens. 78 Die Gewährung rechtlichen Gehörs dient der Verwaltung dazu, den Standpunkt des Betroffenen kennenzulernen, um eine sachgerechte Abwägung der kollidierenden Interessen vornehmen zu können. 79 Da die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand nachteilig in die Rechtsstellung des Beamten eingreift, wird daraus von Schunke gefolgert, daß die Maßnahme nur in einem geordneten Verwaltungsverfahren unter Gewährung rechtlichen Gehörs ausgesprochen werden könne. 80 Ein derartiges Verwaltungsverfahren ist dem Beamtenrecht jedoch fremd, 81 lediglich Disziplinarstrafen setzen ein geordnetes Verfahren voraus. 82 Vielmehr beruht die Annahme einer Anhörungspflicht auf einer Verkennung des eigentlichen Wesens des politischen Beamten. Prägendes Merkmal für die Position des politischen Beamten ist eine gewisse Entrechtlichung gegenüber den sonstigen Beamten, da dieser jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden kann. 83 Diese Entrechtlichung findet ihren Ausdruck in einer 74
Wacke, AöR 1966,441 (481). Vgl. Redeker/von Oertzen, VwGO, § 73 Rn. 9 a; Wacke, AöR 1966,441 (481). 76 Battis, BBG, § 36 Anm. 4; Fees, ZBR 1956, 203 (204); Grabendorff, BBG, § 36 Erl. 3; Schunke, Die polit. Beamten, S. 230; Ule, Beamtenrecht, § 31 BRRG Rn. 5. 77 Schunke, Die polit. Beamten, S. 229 ff. 78 Forsthoff, Verwaltungsrecht, S. 235; Kopp, VwVfG, § 28 Rn. 15. 79 BVerwGE 66, 111 (114); BGHZ NJW 1992, 2769; König, DVB1. 1959, 189 (190); Krasney, NVwZ 1986, 337 (338); Laubinger, VerwArch 1982, 60 (74). 80 Schunke, Die polit. Beamten, S. 230; gleicher Ansicht Fees, ZBR 1956, 203 (204); Ule, Beamtenrecht, § 31 BRRG Rn. 5. 81 Wacke, AöR 1966,441 (475 f.). 82 BVerfGE 8, 332 (356). 83 In einem Vorgriff auf spätere Ausführungen muß schon jetzt festgestellt werden, daß die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand in materieller Hinsicht bereits bei bloßen Zweifeln an der Eignung für die politische Amtsstelle gerechtfertigt ist. 75
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besonderen Abhängigkeit von der politischen Führung, die bei ihrer Entscheidung über die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand gerade keine Rücksicht auf die Interessen des Beamten zu nehmen braucht. 84 Vielmehr kann die politische Führung die Interessenlage nach ihrem Belieben gewichten, so daß insbesondere Billigkeitserwägungen zugunsten des Beamten keinen Eingang in die Entscheidung finden müssen. Daher betont die Annahme einer Anhörungspflicht die Interessen des Beamten zu stark und verkennt die überlegene Position des Staates.85 Dem wird von Schunke entgegengehalten, daß gerade eine Anhörungspflicht den Interessen des Staates zu dienen geeignet sei. 86 Dieses mag zwar im Grundsatz zutreffen, verkennt aber, daß es Sache der politischen Führung ist, für jeden Einzelfall neuerlich ihre Interessen zu definieren. 87 Deshalb entspricht es zwar regelmäßiger Übung, eine vorherige Anhörung vorzunehmen, gleichwohl kann nicht ausgeschlossen werden, daß in bestimmten Fällen eine derartige Anhörung inopportun erscheint. 88 Dem kann nur durch einen Verzicht auf eine generelle Anhörungspflicht hinreichend Rechnung getragen werden. Weiterhin wird das Erfordernis einer vorherigen Anhörung mit dem Hinweis auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn begründet. 89 Danach sei der Dienstherr auch ohne eine spezialgesetzliche Normierung verpflichtet, vor einer für den Beamten ungünstigen Entscheidung diesen anzuhören. 90 Selbst wenn man eine derartige Interpretation der Fürsorgepflicht als richtig unterstellt, bleibt es dem Gesetzgeber unbenommen, für bestimmte Einzelfalle eine Anhörungspflicht auszuschließen, weil er das entsprechende staatliche Interesse höher als die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht gewichtet. 91 Genau dieses ist durch das Wort Jederzeit" geschehen, durch das besondere verfahrensrechtliche Voraussetzungen und verfahrensbedingte Verzögerungen ausge-
84
BVerwG RiA 1982, 170 (172); OVG Münster ZBR 1994, 25 (27); Brockhaus, in: Schütz, Teil C RdNr. 3 zu § 38. 85 Wacke, AöR 1966,441 (476). 86 Schunke, Die polit. Beamten, S. 232 f. 87 Im Ergebnis übereinstimmend Kunig , ZBR 1986, 253 (258), der eine generelle Anhörungspflicht im Beamtenrecht ablehnt und stattdessen auf den Einzelfall abstellen will. 88 Kunig, ZBR 1986, 253 (258); Seel, DBG, S. 154; Wacke, AöR 1966, 441 (475 f., 478.). 89 Schunke, Die polit. Beamten, S. 234 f. 90 BVerfGE 8, 332 (356f.); Bochalli, BBG, § 79 Anm. 2; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, § 79 Rn. 6 und § 90 Rn. 9; Schütz, in: Schütz, Teil C RdNr. 18 zu § 102. Q1 Wacke, AöR 1966, 441 (477); vgl. auch Cecior, in: Schütz, Teil C RdNr. 3 und 7 zu § 85.
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schlossen werden. 92 Seit Einführung der Institution des politischen Beamten hat dessen Rechtsposition keine nennenswerten Änderungen erfahren, insbesondere hat es zu keiner Zeit einer besonderen Anhörung bedurft. Deshalb kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß Bundes- und Landesgesetzgeber mit der Beibehaltung der hergebrachten Formulierung unter Verwendung des Wortes Jederzeit" eine Änderung der Rechtslage herbeiführen wollten. Dementsprechend läuft die Berufung auf die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht ins Leere, da sie in dieser Form vom Gesetzgeber nicht in seinen Willen aufgenommen worden ist. Weiterhin sieht Schunke seine Auffassung durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bestätigt, 93 wonach es sich bei der Anhörung um einen allgemeinen Grundsatz des Beamtenrechts handele, der keiner spezialgesetzlichen Ausformung bedürfe. 94 Dem ist zwar im Grundsatz zuzustimmen, gleichwohl hat sich das Verfassungsgericht im zur Entscheidung anstehenden Fall weder mit Verfahrensfragen im Zusammenhang mit der Versetzung politischer Beamter in den einstweiligen Ruhestand noch mit der Frage beschäftigt, inwieweit nach dem Ermessen des Gesetzgebers fürsorgerechtliche Grundsätze im Einzelfall eine Einschränkung erfahren können. Damit kann als Ergebnis festgehalten werden, daß die Anhörung des politischen Beamten vor seiner Versetzung in den einstweiligen Ruhestand zwar regelmäßig nützlich erscheint, deshalb aber für den Dienstherrn keine besondere Rechtspflicht zur Anhörung besteht. Erst in einem möglichen Widerspruchsverfahren hat eine gesonderte Anhörung zu erfolgen. Demzufolge hat das Fehlen einer vorherigen Anhörung auf die Rechtmäßigkeit der Maßnahme keinen Einfluß.
3. Begründungszwang Weiterhin ist zu klären, inwieweit die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand dem politischen Beamten gegenüber begründet werden muß. 95
92
OVG Münster ZBR 1994, 25 (27); Fischbach, BBG, § 36 Anm. I; Wacke, AöR 1966,441 (477); Wiese, DVB1. 1977, 718 (720). 93 Schunke, Die polit. Beamten, S. 235. 94 BVerfGE 8, 332 (356 f.). 95 In den Bundesländern Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Thüringen ist durch entsprechende landesrechtliche Vorschriften ausdrücklich eine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand ohne Angabe von Gründen vorgesehen.
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a) Bisheriger Streitstand Es besteht Einigkeit, daß sich eine Begründungspflicht für belastende Verwaltungsakte aus der Verfassung ergibt. 96 Teils erfolgt die Herleitung aus dem Rechtsstaatsprinzip, 97 teils aus der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG. 98 Eine einfachgesetzliche Ausprägung hat die Begründungspflicht über §39 VwVfG erfahren, wonach schriftliche Verwaltungsakte grundsätzlich einer Begründung bedürfen. Da es sich bei der Versetzungsentscheidung zum einen um einen belastenden Verwaltungsakt handelt, 99 zum anderen die Mitteilung über die Versetzung auf Bundes- und Landesebene stets schriftlich durch Zustellung einer Versetzungsurkunde erfolgt, 1 0 0 1 0 1 müßte eigentlich eine Begründungspflicht angenommen werden. Genau zu diesem Ergebnis gelangt die herrschende Meinung jedoch nicht. Vielmehr geht sie davon aus, daß die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand ohne Angabe von Gründen erfolgen könne. 102 Allerdings müsse die Begründung in einem möglichen Widerspruchsverfahren oder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nachgeholt werden. 103 Begründet wird diese 96 Lücke, Begründungszwang, S. 101; Schwab, Begründungspflicht, S. 4; Stelkens, in: Stelkens, VwVfG, § 39 Rn. 2, 3; Dechsling, DÖV 1985, 714 m.w.N.; Dolzer, DÖV 1985, 9(12 f.)m.w.N. 97 BVerfGE 6, 32 (44); 40, 272 (286); 49, 24 (66 f.); BVerwGE 61, 176 (210); Schmidt-Aßmann, in Maunz/Dürig zu GG Art. 19 Abs. IV Rdnr. 253; Meyer, in: Meyer/Borgs, VwVfG, § 39 Rn. 1; Obermayer, VwVfG, § 39 Rn. 3. 98 Dolzer, DÖV 1985, 9 (12); Kopp, VwVfG, § 39 Rn. 2; Hendrichs, Rdnr. 52 und 53 Stichwort „ B e g r ü n d u n g " z u A r t . 1 9 i v . Münch, GGK, Bd. 1 , 4 . Aufl., 1992. 99 Battis, BBG, § 36 Anm. 4. 100 Vgl. § 37 S. 1 i.V.m. § 175 BBG; § 62 i.V.m. § 119 LBGBW; § 73 S. 1 i.V.m. § 114 LBGBerl; § 106 LBG Brandenburg; § 41 b S. 1 i.V.m. § 164 BremBG; § 42 i.V.m. § 114 HmbBG; § 58 S. 1 i.V.m. § 184 HBG; § 41 LBGM-V; § 48 S. 1 i.V.m. § 191 NBG; § 40 S. 1 LBG NW; § 51 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 221 LBG RhPf; § 59 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 127 SBG; §§ 61 i.V.m. § 127 SächsBG; § 37 i.V.m. § 108 BG LSA; § 49 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 186 LBG SchlH; § 42 S. 1 i.V.m. 137 ThürBG. 101 Vgl. Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, §37 Rn. 1; Schunke, Die polit. Beamten, S. 237. 102 BVerfGE 8, 332 (356); BVerwGE 19, 332 (333); VGH Kassel NVwZ 1985, 674 (675); Bochalli, Grundriß des dt. Beamtenrechts, S 41; Crisolli/Schwarz/Gerke, § 57 Anm. 5; Fees, ZBR 1956, 203 (204); Summer in Fürst, GKÖD I, K § 36 Rz 12; Kümmel, in: Kümmel, NBG, § 47 Rn. 3.1; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, § 36 Rn. 6; Schnur, polit. Amt, S. 36; Schütz, DÖD 1958, 1 (7); Brockhaus, in: Schütz, Teil C RdNr. 3 zu § 38; Schwab, Begründungspflicht, S. 47; Stelkens, in: Stelkens, VwVfG, § 39 Rn. 47; Thiele, DÖD 1961, 81 (85 f.); Wacke, AöR 1966, 441 (478 ff.); Wiese, DVB1. 1977, 718(721). 103 Anders, DÖV 1964, 109 (115); Wacke, AöR 1966, 441 (481). }
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Auffassung damit, daß gerade im besonderen Gewaltverhältnis durch Gesetz ein Begründungszwang ausgeschlossen werden könne. 104 Entsprechende Ausschlußwirkung komme dabei dem Wort Jederzeit" zu, durch das - wie bereits hervorgehoben - besondere verfahrensrechtliche Voraussetzungen ausgeschlossen werden sollten. 105 Außerdem stehe diese Auffassung im Einklang mit den landesrechtlichen Bestimmungen von Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland, die explizit die Angabe von Gründen ausschließen.106 Auch wird darauf verwiesen, daß in materieller Hinsicht die Maßnahme von Voraussetzungen und Unwägbarkeiten abhänge, die oft nicht genau zu umreißen seien und deren Offenbarung im einzelnen dem Sinn der gesetzlichen Regelung entgegenlaufen könne. 107 Mithin gehöre es zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums nach Art. 33 Abs. 5 GG, daß eine Begründung unterbleiben könne. 108 Diese Auffassung stößt jedoch nicht auf uneingeschränkte Zustimmung. Die gegenteilige Ansicht räumt dem politischen Beamten den Anspruch ein, über die Gründe informiert zu werden, die zu seiner Versetzung in den einstweiligen Ruhestand führen. 109 Eine Begründungspflicht gehöre zu den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsverfahrens und sei Ausfluß des Rechtswegprinzips (Art. 19 Abs. 4 GG) und der Rechtsstaatlichkeit (Art. 20 GG). 1 1 0 Auch wenn man der Ansicht sei, daß es zu den bisherigen Grundsätzen des Berufsbeamtentums gehört habe, die Versetzung politischer Beamter in den einstweiligen Ruhestand ohne Angabe von Gründen vornehmen zu können, müsse die verfassungsrechtliche Vorgabe aus Art. 20 GG hinsichtlich der Rechtsstaatlichkeit der Verwaltung als vorrangig angesehen werden. 111 Insbesondere die landesrechtlichen Vorschriften, die eine Begründungspflicht ausschließen, seien deshalb verfassungswidrig. 112
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Wacke, AöR 1966, 441 (478). Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, § 36 Rn. 6; Schütz, DÖD 1958, 1 (7); Schwab, Begründungspflicht, S. 47; Wacke, AöR 1966, 441 (478); Wiese, DVB1. 1977, 718 (720). 106 Inzwischen hat auch Thüringen gemäß §41 Abs. 1 ThürBG die Angabe von Gründen für verzichtbar erklärt. 107 OVG Münster ZBR 1958, 141 (143); Schütz, DÖD 1958, 1 (7); Wacke, AöR 1966,441 (478 f.). 108 BVerfGE 8, 332 (356); BVerwGE 19, 332 (333). 109 Anders, DÖV 1964, 109 (115); Battis, BBG, § 36 Anm. 4; Schunke, Die polit. Beamten, S. 240 ff.; Ule, Beamtenrecht, § 31 BRRG Rn. 5; wohl auch einer Begründungspflicht zuneigend OVG Münster ZBR 1994,25 (27). 110 Ule, Beamtenrecht, § 31 BRRG Rn. 5; Schunke, Die polit. Beamten, S. 244 f. 111 Ule, Beamtenrecht, § 31 BRRG Rn. 5; Schunke, Die polit. Beamten, S. 243. 112 Schunke, Die polit. Beamten, S. 244. 105
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Aus der Gegenüberstellung obiger Auffassungen ergibt sich die streitentscheidende Fragestellung, inwieweit es die besondere Interessenlage bei der Versetzung politischer Beamter in den einstweiligen Ruhestand rechtfertigt, von der verfassungsrechtlich verankerten Begründungspflicht Ausnahmen zuzulassen.
b) Würdigung des Streitstandes An dieser Stelle wird deutlich, daß die Auseinandersetzung auf eine verfassungsrechtliche Problematik fokussiert ist. Es geht nämlich um eine mögliche Kollision von Verfassungswerten. Dies ergibt sich daraus, daß die widerstreitenden Auffassungen sowohl mit Art. 33 Abs. 5 GG als auch mit der verfassungsrechtlich gebotenen Begründungspflicht argumentieren. Wollte man im übrigen eine solche Kollision verneinen, würden die Vorschriften über den politischen Beamten wegen ihrer Einfachgesetzlichkeit von vornherein durch verfassungsrechtliche Vorgaben überlagert werden; mithin müßte man den verfassungsrechtlich gebotenen Begründungszwang für Verwaltungsakte auch auf die Vorschriften über den politischen Beamten anwenden. 113 Es genügt daher nicht, wenn man der Ansicht von Wacke folgt, wonach die politischen Beamten in einem besonderen Gewaltverhältnis stehen und schon deshalb allgemeine Verfahrensprinzipien wie die Begründungspflicht ausgeschlossen sein könnten. 114 Schließlich können auch in einem besonderen Gewaltverhältnis Verfahrensprinzipien als Ausdruck eines Grundrechtsschutzes nicht grundsätzlich verneint werden, 115 so daß nur kollidierende Verfassungswerte das Fehlen eines Begründungszwanges in einem besonderen Gewaltverhältnis zu rechtfertigen vermögen. 116 Genau dieser Gesichtspunkt wird in der Argumentation von beiden Auffassungen vernachlässigt, wenn nicht weiter der Frage nachgegangen wird, inwieweit sich verfassungsrechtliche Vorgaben und Wertentscheidungen für und gegen einen Begründungszwang auch im
113
Insoweit ungenau ist Hufen, Verwaltungsverfahren, RN 306, wenn er Ausnahmen vom Begründungszwang nur insoweit zulassen will, als diese durch Spezialgesetze normiert werden. 114 Vgl. Wacke, AöR 1966, 441 (479 f.). 115 Zum Grundrechtsschutz im besonderen Gewaltverhältnis BVerfGE 33, 1 ff. und zum Grundrechtsschutz durch Verfahrensrechte BVerfGE 53, 30 (65). 116 Sinngemäß übereinstimmend sind die Ausführungen in BVerfGE 85, 176 (185) zur Kollision von beamtenrechtlichen Regelungen mit widerstreitenden Verfassungswerten. f>*
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Rahmen der Versetzung politischer Beamter in den einstweiligen Ruhestand ins Feld fuhren lassen. Die allgemeine Begründungspflicht bei Verwaltungsakten ist verfassungsrechtlich geboten und damit als Verfassungswert anerkannt. 117 Hingegen ist die verfassungsrechtliche Grundlage für das Fehlen einer Begründung im Rahmen der Versetzung politischer Beamter in den einstweiligen Ruhestand weniger offensichtlich. Es wäre daran zu denken, hierin einen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinn des Art. 33 Abs. 5 GG zu sehen. Die hergebrachten Grundsätze werden gemeinhin umschrieben als ein „Kernbestand von Strukturprinzipien, die allgemein oder doch ganz überwiegend und während eines längeren, traditionsbildenden Zeitraums, mindestens unter der Reichsverfassung von Weimar, als verbindlich anerkannt und gewahrt worden sind". 1 1 8 Geht man von der Feststellung aus, daß nicht nur seit jeher die Angabe von Gründen bei der Versetzung politischer Beamter in den einstweiligen Ruhestand nicht erforderlich gewesen ist, sondern mit dem Institut gleichzeitig beamtenrechtliche Prinzipien aus der absoluten Monarchie durchgängig bis heute bewahrt worden sind, so muß man zu dem Ergebnis gelangen, daß ein noch offenkundiger tradierter Beamtentypus als der des politischen Beamten kaum denkbar ist. 1 1 9 Dementsprechend kann zugunsten einer fehlenden Begründungspflicht festgehalten werden, daß es jedenfalls bis 1945 zu den Strukturprinzipien des politischen Beamten gehört hat, diesen auch ohne Angabe von Gründen in den einstweiligen Ruhestand versetzen zu können. Inwieweit deshalb allerdings der Schlußfolgerung des Bundesverfassungsgerichts zu folgen ist, wonach auch für die heutige Rechtslage auf eine Begründungspflicht verzichtet werden kann, 1 2 0 erscheint wenigstens zweifelhaft. Immerhin formuliert das Bundesverfassungsgericht als Vorgabe für den Gesetzgeber, daß die hergebrachten Grundsätze nicht unter allen Umständen (strikt) zu beachten, sondern nur bei der Regelung des öffentlichen Dienstes zu berücksichtigen seien. 121 Dies gelte insbesondere für die Einrichtung des politischen Beamten, dessen Bedeutung für das Beamtentum nicht so entscheidend 11
Vgl. Lücke, Begründungszwang, S. 101; Schmidt-Aßmann, in Maunz/Dürig zu GG Art. 19 Abs. IV Rdnr. 253; Schwab, Begründungspflicht, S. 4; Dechsling, DÖV 1985, 714 m.w.N. 118 BVerfGE 8, 332; 62, 374 (382 f.); 64, 323 (351); 67, 1 (12); 70, 69 (79); 83, 89 (98); 85, 176 (185). 110 Gleicher Ansicht Wacke, AöR 1966,441 (452 f.). 120 Vgl. BVerfGE 8, 332 (356). m BVerfGE 8, 332 (352); 62, 374 (383); 67, 1 (12); 70; 69 (79); diese Auffassung liegt auch den jüngsten Entscheidungen zugrunde, wobei allerdings ausschließlich auf die Alimentationspflicht abgestellt wurde: BVerfGE 76, 256 (298); 81, 363 (375).
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wie etwa der Grundsatz der Sicherung angemessenen Lebensunterhalts sei. 122 Folgt man dieser Argumentation, so gehört zwar die Einrichtung des politischen Beamten zu den hergebrachten Grundsätzen, keineswegs aber besteht eine zwingende Notwendigkeit für die Einrichtung. Erst recht ist dann die fehlende Begründungspflicht von keiner verfassungsfesten Zwangsläufigkeit, sondern durchaus abweichender Regelung zugänglich. So wird auch von den Anhängern einer Begründungspflicht folgende Überlegung in die Auseinandersetzung eingeführt: Selbst wenn die Versetzung politischer Beamter in den einstweiligen Rühestand ohne Angabe von Gründen zu den durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützten hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gehöre, komme der von Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 20 GG getragenen Begründungspflicht vorrangige Bedeutung zu, so daß insoweit eine Beibehaltung der bisherigen Übung, die von jeglicher Begründung abgesehen hat, ausgeschlossen sei. 123 Eine solche Argumentation verkennt jedoch die Prinzipien, nach denen die Kollision von Verfassungswerten gelöst wird. Es stellt sich nämlich nicht einseitig die Frage nach der Vorrangigkeit, sondern es geht um die Harmonisierung kollidierender Verfassungswerte. 124 Derartige Kollisionen werden mit Rücksicht auf die „Einheit der Verfassung" nach dem Prinzip der „praktischen Konkordanz" zu einem gerechten Ausgleich gebracht, indem nicht einseitig ein Rechtsgut verdrängt oder eine Vorrangigkeit bestimmt, sondern die konkrete Wertigkeit der betroffenen Verfassungsgüter ermittelt wird, um sie verhältnismäßig einander anzupassen.125 Solchermaßen findet das Prinzip der „praktischen Konkordanz" auch auf das Beamtenverhältnis Anwendung. 126
c) Herleitung einer eingeschränkten Begründungspflicht aus dem Prinzip der praktischen Konkordanz Um somit Ausnahmen vom Begründungszwang zu rechtfertigen, müssen die Überlegungen auf die jeweilige verfassungsrechtliche Spannungslage konzentriert werden. Diese Spannungslage muß dann mit dem Prinzip „der praktischen Konkordanz" zu einem interessengerechten Ausgleich gebracht werden. In dieser Klarheit wurde bisher nur von Lücke die Problematik aufgezeigt, mit 122
BVerfGE 8, 332 (352). Schunke, Die polit. Beamten, S. 243. 124 Lücke, Begründungszwang, S. 158. 125 BVerfGE 57, 70 (99); BVerwGE 67, 206 (210); Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 324 f.; zum Prinzip der „praktischen Konkordanz" bei der Ermittlung von Ausnahmen vom Begründungszwang Lücke, Begründungszwang, S. 157 ff. 126 Vgl. Rottmann, ZBR 1983, 77 (81); Schnapp, ZBR 1977, 208 f. 123
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der sich Ausnahmen vom Begründungszwang rechtfertigen lassen. 127 Weniger genau ist es deshalb, die Grenzen des Begründungszwanges anhand der Natur der Sache bestimmen 128 oder gar von einer ausnahmslosen Vorrangigkeit des Begründungszwanges ausgehen zu wollen 1 2 5 . Zur Bestimmung der verfassungsrechtlichen Spannungslage müssen daher Bedeutung und Wertigkeit der Argumente, die für und gegen eine Begründungspflicht sprechen, geklärt werden. Das Fehlen eines Begründungszwanges könnte sich aus dem Einrichtungszweck des politischen Beamten ergeben. Das Institut des politischen Beamten dient dazu, eine effektive Umsetzung der Regierungspolitik zu ermöglichen, indem durch die Besetzung politischer Schlüsselstellungen das „reibungslose Funktionieren des Übergangs von der politischen Spitze in die Beamtenhierarchie" gewährleistet wird. 1 3 0 Eine solche Umsetzung oder Transformation ist Voraussetzung für eine effektive Regierungsarbeit. 131 So wird in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts betont, daß wegen Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG zu der verfassungsmäßigen Ordnung im demokratischen Rechtsstaat eine funktionsfähige und für ihre Politik verantwortliche Regierung gehört. 132 Diesem verfassungsrechtlichen Ziel dient die sogenannte „Transformationsfünktion" des politischen Beamten. 133 Um im Rahmen dieses Einrichtungszwecks die „Transformationsfünktion" zu gewährleisten, ist vom politischen Beamten eine besondere Eignung zu fordern. 134 Diese Eignung garantiert im Rahmen der Amtsführung eine effiziente Umsetzung der Regierungspolitik. 135 Zur Gewährleistung dieser Funktion 127
Lücke, Begründungszwang, S. 157 ff. BVerwGE 20, 160 (166); VGH Kassel NVwZ 1985, 674 (675); Obermayer, VwVfG, § 39 Rn. 25. 129 So anscheinend Ule, Beamtenrecht, § 31 BRRG Rn. 5. 130 BVerwGE 52, 33 (35); Battis, BBG, § 36 Anm. 1; Summer in Fürst, GKÖD I, K § 36 Rz 8; Maunz in Maunz/Dürig zu GG Art. 33 Rdnr. 73 und Fußnote 7; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, § 36 Rn. 4. 131 Battis, BBG, § 36 Anm. 1; Summer in Fürst, GKÖD I, K § 36 Rz 8; Schunke, Die polit. Beamten, S. 140 ff. 132 BVerfGE 9, 268 (281 f.). 133 Battis, BBG, § 36 Anm. 1; Summer in Fürst, GKÖD I, K § 36 Rz 8; Schunke, Die polit. Beamten, S. 140 f. 134 BVerfGE 8, 332 (356); BVerwGE 19, 332 (336); BVerwG RiA 1982, 170; OVG Münster DÖV 1974, 166 (167); Summer in Fürst, GKÖD I, K 36 Rz 8; Schunke, Die polit. Beamten, S. 247 ff; Brockhaus, in: Schütz, Teil C RdNr. 3 zu § 38; Wacke, AöR 1966, 441 (469); Wiese, Staatsdienst, S. 175. 135 BVerwGE 19, 332 (336); 52, 33 (35); BVerwG RiA 1982, 170; OVG Münster DÖV 1974, 166 (167); Schunke, Die polit. Beamten, S. 152. 128
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bedürfen daher die politischen Beamten permanent des vollen Vertrauens der Regierung. 136 Es ist deshalb der zuständigen Stelle unabhängig vom Vorliegen einer besonderen tatbestandlichen Situation ein weites Ermessen hinsichtlich der Versetzung in den einstweiligen Ruhestand eingeräumt, um eine effiziente Umsetzung der Regierungspolitik durch fortdauernde Übereinstimmung in der Amtsführung sicherzustellen. 137 Bloße Zweifel an der dafür erforderlichen Eignung des politischen Beamten können zu einem Vertrauensverlust führen, der bereits die Maßnahme rechtfertigt. 138 Dementsprechend beruhen die der Ermessensausübung zugrundeliegenden Erwägungen auf persönlichen Wertungen, die oft nicht genau zu umreißen sind und deren Offenbarung im Einzelfall aus politischen Gründen inopportun erscheinen kann. 1 3 9 Dieser weite Ermessensrahmen entzieht sich oftmals den Möglichkeiten einer genauen inhaltlichen Konkretisierung. Wie wollte man einen Vertrauensschwund, der sich nicht auf bestimmte Tatsachen zurückführen läßt, auch einer substantiierten Begründung zugänglich machen. Darüber hinaus birgt eine zu weit gehende Begründungspflicht die Gefahr einer politischen Dekuvrierung in sich, die auf die verfassungsrechtlich gebotene Effizienz der Regierungsarbeit negativen Einfluß haben könnte. Wollte man dennoch uneingeschränkt eine Begründungspflicht fordern, liefe diese regelmäßig entweder auf eine breite Erörterung staatspolitischer Zusammenhänge hinaus 140 oder würde schlimmstenfalls zu einem bloßen rechtsstaatlichen Formalismus verkommen. Wenn also das Erfordernis einer substantiierten Begründungspflicht auf Bedenken stößt, stellt sich andererseits die Frage, welche Bedeutung allgemein der Begründungspflicht zukommt. Mit der Begründungspflicht werden verschiedene Ziele verfolgt, die darauf hinauslaufen, den Betroffenen davor zu schützen, zu einem Objekt staatlichen Handelns zu werden. 141 Gemeinhin werden der Begründungspflicht vier Funktionen zugeschrieben. 142 Mit der 136
BVerwGE 19, 332 (336); 52, 33 (35); BVerwG RiA 1982, 170; Battis, BBG, § 36 Anm. 1; Schunke, Die polit. Beamten, S. 152. 137 BVerwGE 19, 332 (336); 52, 33 (35); BVerwG RiA 1982, 170; OVG Münster ZBR 1994, 25 (27). 138 BVerwGE 19, 332 (336); BVerwG RiA 1982, 170; OVG Münster DÖV 1974, 166(167). 139 BVerfGE 7, 155 (166); BVerwGE 19, 332 (336 f.); Wiese, DVB1. 1977, 718 (721). 140 Schwab, Begründungspflicht, S. 47. 141 Horn, Die Verwaltung 1992, 203 (214). 142 Dechsling, DÖV 1985, 714 (715); Dolzer, DÖV 1985, 9 (11 f.); Foerster, VR 1984, 265 (266 ff.); Horn, Die Verwaltung 1992, 203 (215 f.); Kopp, VwVfG, § 39 Rn. 2; Lücke, Begründungszwang, S. 37 ff.; Scheffler, DÖV 1977, 767 (768 f.); Schick, JuS 1971, 1 ff.; Stelkens, in: Stelkens, VwVfG, § 39 Rn. 5; Schwab, Begründungspflicht, S. 17 ff.; Ule, VerwArch 1971, 114 (130 f.).
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Rechtsschutzfiinktion sollen die Möglichkeiten und die Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs abgeschätzt werden. Weiterhin soll die Klarstellungs- und Beweisfunktion Auskunft über die tatsächlichen Feststellungen und Folgerungen geben, die der Entscheidung zugrundeliegen. Eine ähnliche Aufgabe hat die Kontrollfunktion, durch die im Interesse von Gesetz- und Zweckmäßigkeit der Verwaltung eine Selbstkontrolle der erlassenden Behörde sichergestellt werden soll. Zuletzt kommt der Begründungspflicht eine Befriedungsfunktion zu, mit der beim Betroffenen eine Akzeptanz für die Richtigkeit der Entscheidung erreicht werden soll. Diesen vier Funktionsbereichen der Begründungspflicht kommt nicht immer die gleiche Bedeutung zu. Vielmehr ist insbesondere zu beachten, daß die an Inhalt und Umfang der Begründung zu stellenden Anforderungen je nach den Besonderheiten des jeweiligen Rechtsgebiets verschieden sind. 1 4 3 Demzufolge ist als nächster Schritt die Frage zu klären, inwieweit diese Funktionen auch im Rahmen der Versetzung politischer Beamter in den einstweiligen Ruhestand Raum greifen. Da der politische Beamte gegen die Maßnahme Rechtsschutz in Anspruch nehmen kann, 1 4 4 wäre damit der Anwendungsbereich der Rechtsschutzfunktion eröffnet. 145 Mit der Begründung sollen Möglichkeiten und Erfolgsaussichten des Rechtsschutzes für den Betroffenen abschätzbar gemacht werden, so daß sich im Rahmen der Rechtsschutzfunktion eine natürliche Begrenzung der Begründungspflicht auf ausschließlich rechtsschutzrelevante Gesichtspunkte ergibt. Zwar gewährleisten bereits bloße Zweifel an der Eignung des politischen Beamten die Rechtmäßigkeit der Maßnahme, andere Erwägungen, die lediglich auf eine Veränderung der Altersstruktur abzielen oder gar auf Willkür beruhen, müssen dagegen unterbleiben, 146 da diese nicht mehr vom Regelungszweck des § 36 BBG oder § 31 BRRG gedeckt werden. Folglich wäre dem Betroffenen bereits ausreichend gedient, wenn aus der Begründung eindeutig hervorginge, daß die Versetzung aus Gründen erfolgt ist, die durch den Regelungszweck gedeckt sind, da solchermaßen die rechtsschutzrelevanten Gesichtspunkte eine hinreichende Erörterung erfahren. 14 '
143
Kopp, VwVfG, § 39 Rn. 7. Vgl. BVerwGE 19, 332 ff.; 52, 33 ff.; Bernet, Die Polizei 1970, 350 (353); Summer in Fürst, GKÖD I, K 36 Rz 14. 145 Kunig, ZBR 1986, 253 (259). 146 Vgl. BVerwGE 52, 33 (38); Summer in Fürst, GKÖD I, K 36 Rz 10; Schunke, Die polit. Beamten, S. 156. 147 Diese Auffassung findet sich auch in der amtlichen Begründung zum Entwurf des Verwaltungsverfahrensgesetzes (BT-Drucksache 7/910, S. 60), die als Konsequenz aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung - BVerfGE 6, 32 (44); BVerwGE 22, 215 (217) - lediglich eine einzelfallorientierte Begründungspflicht vorsieht: „Die Verwaltung braucht dem Betroffenen die Gründe ihrer Entscheidung nur in solcher Weise und 144
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Insoweit kann zwar eine breite Erörterung staatspolitischer Zusammenhänge unterbleiben, 148 aber aus der Begründung muß deutlich hervorgehen, daß die Maßnahme auf Gründen beruht, die das fehlende Vertrauen in die Eignung des Beamten hinsichtlich der Gewährleistung der „Transformationsfünktion" betreffen. 149 Nur eine derartige eingeschränkte Begründung informiert den betroffenen Beamten über die rechtsschutzrelevanten Gesichtspunkte, durch deren Kenntnis er rechtzeitig in die Lage versetzt wird, die Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs abzuschätzen. 150 Deshalb muß der herrschenden Auffassung eine gewisse Inkonsequenz vorgehalten werden, wenn sie es für ausreichend erachtet, die gebotene Begründung erst i m Widerspruchsverfahren oder i m verwaltungsgerichtlichen Verfahren nachzuholen. Es kann nicht nachvollzogen werden, warum die Gründe, die bis dahin gegen eine Begründungspflicht ins Feld geführt worden sind, einer etwaigen Nachholung nicht mehr entgegenstehen. Vielmehr muß der Betroffene frühzeitig in die Lage versetzt werden, die Erfolgsaussicht eines Rechtsbehelfs abzuschätzen, da andernfalls die Gefahr besteht, daß Rechtsschutzmöglichkeiten verkannt und deshalb gar nicht erst ergriffen werden. Folglich ist nicht einzusehen, warum die Rechtsschutzfunktion nur verzögert Raum greifen soll. Lediglich nachrangige Bedeutung kommt den übrigen Begründungsfünktionen zu angesichts der spezifischen Interessenlage, die der Einrichtung des politischen Beamten zugrundeliegt. Die Klarstellungs- und Beweisfünktion wird unbedeutend tangiert, da die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand nicht auf Tatsachen beruhen muß, sondern bereits Zweifel an der Eignung für die politische Amtsstelle als Ergebnis einer wertenden Betrachtung für die Rechtfertigung der Maßnahme ausreichen. Gleiches gilt in noch stärkerem Maß für die Kontrollfunktion. Sosehr die Selbstkontrolle der Verwaltung geboten sein mag, kann gleiches aber nicht in vollem Umfang für die Gubernative gelten, bei deren Entscheidung über die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand weniger spezielle Rechtmäßigkeitsüberlegungen als vielmehr politi-
in solchem Umfang bekanntzugeben, daß er seine Rechte sachgemäß verteidigen kann... In manchen Fällen entspricht es nicht einmal der gesetzlichen Regelung oder widerspricht ihr sogar, sämtliche behördlichen Erwägungen bis in alle Einzelheiten zu offenbaren." 148 Vgl. Schwab, Begründungspflicht, S. 47. 149 Bernet, Die Polizei 1970, 350 (352 f.), dokumentiert mit seinem Katalog von Versetzungsgründen, daß es sehr wohl möglich ist, die Maßnahme in hinreichend abstrahierter Form zu begründen. 150 Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt Kunig, ZBR 1986, 253 (259), der im Einzelfall zwischen den Interessen des Beamten an einer Begründung und den Geheimhaltungsinteressen der Dienststelle abwägen will und dabei als regelmäßiges Abwägungsergebnis eine Begründungspflicht annimmt.
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sehe Opportunitätserwägungen den Ausschlag geben. Schließlich geht es um die Interessen der Regierungspolitik, nicht um die des betroffenen Beamten. Die Kontrolle dieser politischen Interessen obliegt dem Parlament, im übrigen ist nach der hier vertretenen Auffassung einer nur eingeschränkten Begründungspflicht kaum davon auszugehen, daß eine derartig verkürzte Form der Selbstkontrolle tatsächlich eine andere Entscheidung herbeiführen könnte. Der Befriedungsfünktion kommt ebenfalls nachrangige Bedeutung bei der Versetzung politischer Beamter in den einstweiligen Ruhestand zu, da schwerlich eine innere Akzeptanz der Maßnahme beim Beamten erstrebt werden kann, wenn sogar dessen Interessen an einem Verbleiben im Amt bewußt übergangen werden können. Nur die Annahme einer eingeschränkten Begründungspflicht trägt einerseits den politischen Interesssen der Regierung (Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG), die nicht unfreiwillig zu einer staatspolitischen Stellungnahme gezwungen sein will, andererseits den Rechtsschutzinteressen des politischen Beamten (Art. 19 Abs. 4 GG) ausreichend Rechnung. Dieses Ergebnis wahrt die „Einheit der Verfassung", indem die den widerstreitenden Interessen zugrundeliegenden Verfassungswerte verhältnismäßig einander angepaßt und harmonisiert werden. Als Konsequenz aus Vorgenanntem ergibt sich, daß auf eine eingeschränkte Begründung gänzlich verzichtet werden kann, wenn dem politischen Beamten die Gründe für seine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand offenkundig sind, da in diesen Fällen die Notwendigkeit einer Begründung über die Rechtsschutzfünktion nicht mehr gerechtfertigt werden kann. 151 Da jedoch die Maßnahme nicht zwingend von einem bestimmten tagespolitischen oder sonstigen Anlaß abhängen muß, können dem Beamten durchaus die Gründe verschlossen bleiben, so daß sich hieraus die Notwendigkeit einer Begründung ergibt. Dies muß um so mehr gelten, als man eine Anhörungspflicht verneint, da für den betroffenen Beamten gerade dann ein vermehrtes Informationsbedürfnis bestehen kann. Soweit auf die notwendige Begründung der Maßnahme verzichtet wurde, entspricht es allgemeiner Ansicht, daß dieser Verfahrensfehler durch Nachholen der Begründung im Widerspruchsverfahren geheilt werden kann. 1 5 2 Es muß nochmals betont werden, daß ein solches Vorgehen tatsächlich einen 151 Vgl. Summer in Fürst, GKÖD I, K 36 Rz 12; Schunke, Die polit. Beamten, S. 241; Schwab, Begründungspflicht, S. 47; allgemein zu dieser Konstellation: BVerwGE 10, 37 (43 f.); 10, 75 (78); OVG Lüneburg ZBR 1956, 220 (221). 152 Vgl. BVerfGE 6, 32 (44 f.); BVerwGE 10, 37 (43 f.); OVG Koblenz DVB1. 1958, 835 (836); Badura in Erichsen, AllgVerwR, 10.A., § 38 Rn. 38; Horn, Die Verwaltung 1992,203 (206 ff.); Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht, S. 421.
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Verfahrensfehler darstellt und nicht etwa als allgemeines Verfahrensprinzip anerkannt werden kann. Die landesrechtlichen Vorschriften in Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Thüringen, die ausdrücklich eine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand „ohne Angabe von Gründen" zulassen, sind bei wortgetreuem Verständnis mit den sich aus Art. 19. Abs. 4 GG ergebenden Rechtsschutzinteressen des politischen Beamten unvereinbar. Es ist daher daran zu denken, diese Vorschriften im Wege verfassungskonformer Auslegung dahingehend zu erweitern, daß eine eingeschränkte Darlegung der Gründe zu erfolgen hat. Die verfassungskonforme Auslegung bezweckt weder, die richtigste Auslegung der Norm zu ermitteln noch ein Höchstmaß an Normtreue sicherzustellen, sondern ausschließlich, die Verwerfung einer Norm als verfassungswidrig zu verhüten und ein Maximum an Verfassungstreue herzustellen. 153 Voraussetzung für die verfassungskonforme Auslegung ist stets, daß die Vorschrift mehrere Deutungen zuläßt, was jedenfalls dann zu verneinen wäre, wenn der Wortlaut der Vorschrift eindeutig entgegensteht.154 In Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Thüringen kann zwar eine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand „ohne Angabe von Gründen" erfolgen, diesem Gesetzeswortlaut kann aber nicht entnommen werden, daß auf eine Begründung zwingend zu verzichten wäre, sondern es ergibt sich vielmehr aus dem Ermessenscharakter der Vorschriften die Möglichkeit, gleichwohl eine Begründung abzugeben. Wenn daher einerseits die Angabe von Gründen für die Ruhestandsversetzung in das Ermessen des Dienstherrn gestellt bleibt, andererseits aber nur eine eingeschränkte Darlegung der Gründe den sich aus Art. 19 Abs. 4 GG ergebenden Rechtsschutzinteressen des politischen Beamten Rechnung trägt, engt diese Interessenlage das Ermessen dahingehend ein, daß eine Begründung nur in dem Umfang zu erfolgen hat, wie dies verfassungsrechtlich durch Art. 19 Abs. 4 GG geboten ist. Im Wege verfassungskonformer Auslegung ist daher für den Regelfall eine eingeschränkte Darlegung der Gründe zu fordern. Nur für den Fall, daß die Gründe für die Versetzungsentscheidung offenkundig sind, kann wortgetreu „ohne Angabe von Gründen" die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand erfolgen. Abschließend ist noch einmal nachdrücklich festzustellen, daß nach der hier vertretenen Auffassung die Begründungspflicht ausschließlich dazu dient, dem betroffenen politischen Beamten die rechtsschutzrelevanten Gesichtspunkte aufzuzeigen, um ihn in die Lage zu versetzen, die Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs abzuschätzen. Ausreichend ist insoweit eine eingeschränkte 153
Bettermann, S. 22; vgl. allgemein zur verfassungskonformen Auslegung BVerfGE 69, 1 (55); 83, 201 (214 f.); 88, 145 (166). 154 BVerfGE 69, 1 (55); Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 80.
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Erörterung der Gründe, aus der aber deutlich werden muß, daß die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand von dem Bestreben getragen ist, die „Transformationsfunktion" im Interesse der Regierungspolitik sicherzustellen, da nur auf diese Weise die Maßnahme vom Regelungszweck des § 36 BBG oder § 31 BRRG gedeckt ist. Weitergehende Erörterungen können wegen des weiten Ermessensspielraums unterbleiben.
4. Mitwirkung
der Personalvertretung
Soweit die Personalvertretungsgesetze von Bund und Ländern eine Beteiligung der Personalvertretung im Falle einer vorzeitigen Versetzung eines Beamten in den Ruhestand vorsehen, stellt sich die Frage, ob eine derartige Mitwirkung auch bei der Versetzung politischer Beamter in den einstweiligen Ruhestand notwendig ist. 1 5 5 Nach einhelliger Ansicht ist jedoch die Versetzung politischer Beamter in den einstweiligen Ruhestand nicht mit einer vorzeitigen Ruhestandsversetzung gleichzusetzen, so daß eine Beteiligung der Personalvertretung nicht in Betracht kommt. 1 5 6 Vielmehr entfällt auf Bundes-
155
Bund: § 78 Abs. 1 Nr. 5 BPersVG vom 26.7.1974, BGBl. 1974 Bd. I, 693 (708) z.g.d.G.v. 19.10.1994; Baden-Württemberg: §80 Abs. 1 Nr. 5 BWLPVG i.d.F.v. 10.1.1995, GBl. 1995, 1 (52); Berlin: § 88 Abs. 1 Nr. 10 BerlPersVG vom 26.7.1974, GVB1. 1974, 1669 (1681) z.g.d.G.v. 20.2.1995; Brandenburg: §68 Abs. 1 Nr. 6 PersVG vom 15.9.1993, GVB1. 1993, 358 (377); Hamburg: §87 Abs. 1 Nr. 14 HmbPVG vom 16.1.1979, GVB1. 1979, 17 (32) z.g.d.G.v. 1.7.1993; Hessen: § 77 Abs. 1 g) HessPVG vom 24.3.1988, GVB1. 1988 Bd. I, 103 (121) z.g.d.G.v. 21.12.1994; Mecklenburg-Vorpommern: §68 Abs. 2 Nr. 3 PersVG M-V vom 24.2.1993, GVB1. 1993, 125 (143) in der berichtigten Fassung vom 31.3.1993; Niedersachsen: §65 Abs. 1 Nr. 11, 13NdsPVG vom 2.3.1994, GVB1. 1994, 95 (108); NordrheinWestfalen: §71 Abs. 1 Nr. 9NWPVG vom 3.12.1974, GVB1. 1974, 1514 (1523) z.g.d.G.v. 27.9.1994; Rheinland-Pfalz: §79 Abs. 2 RhPfPersVG vom 8.12.1992, GVB1. 1992, 333 (354 f.) z.g.d.G.v. 8.6.1993; Saarland: §80 Abs. 1 a) Nr. 7 SaarlPersVG i.d.F.v. 2.3.1989, ABl. 1989, 413 (429) z.g.d.G.v. 1.6.1994; Sachsen: § 81 Abs. 1 Nr. 12 SächsPersVG vom 21.1.1993, GVB1. 1993, 29 (43); SachsenAnhalt: § 66 Abs. 1 Nr. 8 PersVGLSA vom 10.2.1993, GVB1. 1993, 56 (69); Schleswig-Holstein: § 51 MBGSchlH vom 11.12.1990, GVB1. 1990, 569 (592); Thüringen: § 75 Abs. 1 Nr. 11 PersVG Thür vom 29.7.1993, GVB1. 1993, 399 (415); lediglich in Bremen ist gemäß §65 Abs. 2 BremPersVG vom 5.3.1974, GBl. 1974, 131 (142) z.g.d.G.v. 11.2.1992 ein Mitbestimmungsrecht der Personalvertretung bei der Versetzung politischer Beamter in den einstweiligen Ruhestand ausdrücklich ausgeschlossen. 156 Fischer/Goeres in Fürst, GKÖD V, K § 78 Rz 25; Kümmel, in: Kümmel. NBG, § 47 Rn. 3.4.; Brockhaus, in: Schütz, Teil C RdNr. 2 zu § 40.
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und Landesebene eine Beteiligung der Personalvertretung grundsätzlich bei der Versetzung politischer Beamter in den einstweiligen Ruhestand. 157
5. Besondere Anhörungspflicht
bei schwerbehinderten
politischen Beamten
Vor der Ruhestandsversetzung eines schwerbehinderten Beamten sind gemäß § 50 Abs. 2 SchwbG der zuständige Vertrauensmann und die Hauptfursorgestelle zu hören. 158 Insofern wäre daran zu denken, diese besondere Anhörungspflicht auch auf die Versetzung eines schwerbehinderten politischen Beamten in den einstweiligen Ruhestand anzuwenden. Es entspricht jedoch der einhelligen Ansicht in Rechtsprechung und Literatur, daß die Versetzung politischer Beamter in den einstweiligen Ruhestand keine Ruhestandsversetzung im Sinn des § 50 Abs. 2 SchwbG darstellt, da sowohl die Entstehungsgeschichte der Vorschrift als auch die vorrangigen staatspolitischen Interessen bei der Versetzung politischer Beamter in den einstweiligen Ruhestand einem derartigen Verständnis entgegenstehen.159 Dementsprechend kann eine Beteiligung von Vertrauensmann und Hauptfursorgestelle entfallen.
6. Fristen Die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand kann Jederzeit", das heißt sofort und ohne Einhaltung von Fristen erfolgen, um im Interesse der Regierung die Position ohne Zeitverlust neu besetzen zu können. 160
I I I . Materielle Voraussetzungen Auffallend ist, daß sowohl im Bundesbeamtengesetz als in den einschlägigen Landesgesetzen materielle Voraussetzungen keine besondere Normierung erfahren haben. Eine Ausnahme bildet lediglich das bremische Beamtengesetz, das von der „Notwendigkeit eines besonderen Vertrauensverhältnisses" 157 Vgl. die Ausführungen bei Brockhaus, in: Schütz, Teil C RdNr. 4 zu § 38; Bernet, Die Polizei 1970, 350 (353). 158 Schwerbehindertengesetz in der Neufassung vom 26.8.1986, BGBl. 1986 Bd. I, 1421 (1437). 159 BVerwG RiA 1982, 170 (171); Dörner, § 50 SchwbG, S. 5; Brockhaus, in: Schütz, Teil C RdNr. 2 zu § 40 und RdNr. 4 d zu § 86. 160 OVG Münster ZBR 1994, 25 (27); Summer in Fürst, GKÖDI, K § 36 Rz 8; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, § 36 Rn. 6; Schunke, Die polit. Beamten, S. 157 Fußnote 494; Brockhaus, in: Schütz, Teil C RdNr. 3 zu § 38; Wacke, AöR 1966,441 (463 f.).
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spricht. 161 In den übrigen Beamtengesetzen ist lediglich die gleichbleibende Formulierung „kann jederzeit" zu finden, während § 31 BRRG zusätzlich bestimmt: „wenn er ein Amt bekleidet, bei dessen Ausübung er in fortdauernder Übereinstimmung mit den grundsätzlichen politischen Ansichten und Zielen der Regierung stehen muß". In Ermangelung einer ausdrücklichen Normierung und unter Berücksichtigung obiger Formulierungen können die materiellen Voraussetzungen nach allgemeiner Ansicht nur aus dem Einrichtungszweck des politischen Beamten hergeleitet werden. 162 Wie bereits ausgeführt, dient die Einrichtung der effektiven Durchsetzung der Regierungspolitik, indem durch die politischen Beamten eine Umsetzung der politischen Ansichten und Ziele der Regierung auf die Verwaltungsebene gewährleistet wird (Transformationsfünktion). 163
L Besondere Eignung Die Gewährleistung dieser Transformationsfünktion erfordert vom Amtsinhaber eine besondere Eignung. 164 Das fehlende Vertrauen in das Vorliegen dieser besonderen Eignung ist Voraussetzung für die Maßnahme. 165 Teilweise wird die Auffassung formuliert, daß es zwar auf eine Vertrauensstörung nicht ankomme, daß aber die Regierung von der fehlenden Eignung des politischen Beamten für das Amt ausgehen müsse. 166 Diese Auffassung ist wenigstens sprachlich mißverständlich, denn die Annahme der fehlenden Eignung bedeutet nichts anderes, als daß das Vertrauen in die Amtsführung des politischen Beamten gestört ist. 1 6 7 Auf jeden Fall ist materielles Kernelement „die Eignung für das jeweilige A m t " . 1 6 8 Damit ist noch ungeklärt, was unter diesem Begriff zu verstehen ist. 161
§ 41 aBremBG. BVerwGE 19, 332 (335 f.); BVerwG RiA 1982, 170; OVG Münster DÖV 1974, 166 f.; Summer in Fürst, GKÖD I, K 36 Rz 8; Brockhaus, in: Schütz, Teil C RdNr. 3 zu §38. 163 Vgl. Teil ü A H 3 c dieser Arbeit. 164 BVerfGE 8, 332 (356); BVerwG RiA 1982, 170; OVG Münster DÖV 1974, 166 (167); Schunke, Die polit. Beamten, S. 247 ff; Summer in Fürst, GKÖD I, K 36 Rz 8; Brockhaus, in: Schütz, Teil C RdNr. 3 zu § 38; Wacke, AöR 1966, 441 (469); Wiese, Staatsdienst, S. 175. 165 BVerwGE 52, 33 (35); BVerwG RiA 1982, 170; OVG Münster ZBR 1994, 25 (27); Schunke, Die polit. Beamten, S. 152; Brockhaus, in: Schütz, Teil C RdNr. 3 zu § 38; Schwab, Begründungspflicht, S. 47. 166 Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, § 36 Rn. 6; Wacke, AöR 1966,441 (471). 167 Brockhaus, in: Schütz, Teil C RdNr. 3 zu § 38. 168 Brockhaus, in: Schütz, Teil C RdNr. 3 zu § 38; Wacke, AöR 1966, 441 (469 f.). 162
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a) Begriff der besonderen Eignung Die herrschende Ansicht geht davon aus, daß mit Jederzeit" eine Freistellung insbesondere von sachlichen Erfordernissen erfolgen sollte. 169 Allerdings ergebe sich eine Begrenzung der Maßnahme auf Gründe, die vom Einrichtungszweck gedeckt würden. 170 Deshalb könne sich die fehlende Eignung für die politische Beamtenstelle aus politischen, persönlichen und fachlichen Gründen ergeben. 171 Auch bloße Zweifel an dieser Eignung, die zu einem Vertrauensschwund führten, könnten die Maßnahme rechtfertigen. 172 Ein schuldhaftes Verhalten sei nicht erforderlich. 173 Eine andere Ansicht hat sich nicht durchzusetzen vermocht, die unter Rückgriff auf die Formulierung des § 31 Abs. 1 BRRG als Voraussetzung für die Maßnahme fordert, daß die politische Überzeugung des Amtsinhabers die notwendige fortdauernde Übereinstimmung mit den grundsätzlichen politischen Ansichten und Zielen der Regierung vermissen lassen müsse. 174 Letztere Ansicht findet gerade keine Stütze im Gesetz, da § 31 Abs. 1 BRRG mit dem Erfordernis fortdauernder Übereinstimmung auf die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Ämterkreis abstellt, nicht hingegen besondere Voraussetzungen für die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand aufstellt. 175 Dar169
BVerwGE 19, 332 (335 f.); 52, 33 (35); OVG Münster ZBR 1958, 141 (143); OVG Münster ZBR 1994, 25 (27); Anders, DÖV 1966, 109 (114); Crisolli/Schwarz/Gerke, § 57 Anm. 5; Fischbach, BBG, § 36 Erl. I; Summer in Fürst, GKÖD I, K § 36 Rz 8; Kümmel, in: Kümmel, NBG, § 47 Rn. 3.3; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, § 36 Rn. 6; Brockhaus, in: Schütz, Teil C RdNr. 3 zu § 38; Schwab, Begründungspflicht, S. 47; Thiele, DÖD 1986, 257 (262); Wacke, AöR 1966, 441 (469). 170 BVerwGE 19, 332 (335 f.); 52, 33 (35); BVerwG RiA 1982, 170; OVG Münster ZBR 1958, 141 (143); Summer in Fürst, GKÖD I, K § 36 Rz 8; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, § 36 Rn. 6; Schunke, Die polit. Beamten, S. 259; Ule, Beamtenrecht, §31 BRRG Rn. 3. 171 BVerfGE 8, 332 (356); BVerwGE 19, 332 (336); Fees, ZBR 1956, 203 (205); Bochalli, BBG, § 36 Anm. 2; Summer in Fürst, GKÖD I, K § 36 Rz 8; Schunke, Die polit. Beamten, S. 253 ff.; Ule, Beamtenrecht, § 31 BRRG Rn. 3; Wacke, AöR 1966, 441 (470 f.). 172 BVerfGE 7, 155 (166, 168); BVerwGE 19, 332 (336); 52, 33 (35); BVerwG RiA 1982, 170; Battis, in: Achterberg/Püttner, BesVerwR (Beamtenrecht), Rn. 104; Brockhaus, in: Schütz, Teil C RdNr. 3 zu § 38; Schwab, Begründungspflicht, S. 47; Ule, Beamtenrecht, § 31 BRRG Rn. 3; Wacke, AöR 1966,441 (471). 173 Bernet, Die Polizei 1970, 350 (353); Summer in Fürst, GKÖD I, K § 36 Rz 9; Grabendorff, BBG, § 36 Erl. 3; Wacke, AöR 1966,441 (472). 174 OVG Münster DÖV 1974, 166; Thieme, DÖV 1974, 168. !75 Summer in Fürst, GKÖD I, K § 36 Rz 8; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, § 36 Rn. 6 Fußnote 3; Wacke, AöR 1966,441 (469); Wilhelm, ZBR 1968, 265 (266).
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über hinaus können einer effektiven Umsetzung der Regierungspolitik auch bei völliger politischer Übereinstimmung Gründe entgegenstehen, die etwa darauf beruhen, daß der politische Beamte die Ansichten der Regierung wenig zweckgerecht oder überzeugend nach außen vertritt. 176 Deshalb kann die fortdauernde politische Übereinstimmung kein selbständiges Eignungsmerkmal sein. Vielmehr ist auf ein weiter gefaßtes Verständnis der Eignung zurückzugreifen, das allgemeiner auf politische, persönliche und fachliche Eignungsmerkmale abstellt. Insoweit entspricht es dem Regelungszweck, wenn bereits Zweifel hinsichtlich der Eignung ausreichen, da der hierdurch ausgelöste Vertrauensschwund einer effektiven Umsetzung der Regierungspolitik entgegenstehen kann. Eine beispielhafte Auflistung der Gründe, die eine Eignung des politischen Beamten in Frage stellen, wurde von Bernet vorgenommen: 177 unkorrektes Verhalten, politischer Konflikt, politische Differenzen, geistiger Verfall, mangelnde Leistungsfähigkeit, mangelnde Initiative, mangelnder Erfolg, schwierige Persönlichkeit, schwieriger Untergebener, Ansicht des dienstlichen Partners, außerdienstliches Verhalten, Imponderabilien aller Art. Weitere Gründe liefert die tagespolitische Praxis. So können schwerwiegende Kommunikationsmängel zwischen dem Minister und seinen politischen Beamten eine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand auslösen.178 Im übrigen ist die besondere Eignung des politischen Beamten für sein Amt ein Begriff, der dem Beurteilungsspielraum der zuständigen Behörde unterfallt. 1 7 9 Soweit die Behörde von der fehlenden Eignung des Beamten ausgeht, ist es in ihr Ermessen gestellt, die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand auszusprechen. 180181
176
Summer in Fürst, GKÖDI, K § 36 Rz 8; StkRföD, S. 162 (Rn. 299). Bernet, Die Polizei 1970, 350 (352 f.). 178 Bundesgesundheitsminister Seehofer hat am 6.10.1993 die Versetzung des Präsidenten des Bundesgesundheitsamtes, Großklaus, in den einstweiligen Ruhestand veranlaßt, weil dieser es versäumt hatte, den Minister über den Verdacht betreffend Aids-Infektionen durch infizierte Blutkonserven zu unterrichten. Darüber hinaus war Großklaus durch die Öffentlichkeit mehrfach Interessenkollision und mangelnder Einsatz für sein Amt vorgeworfen worden (Goebel, FAZ vom 7.10.1993, S. 1 f.). Weiterhin monierte der Gesundheitsminister, daß er Informationen etwa zum Risiko von Metallfasern oder zur sogenannten Rinderseuche erst aus der Presse erfahren habe (Schattenfroh, FAZ vom 8.10.1993, S. 4). 179 Krause, DÖD 1981, 193 (194); Schunke, Die polit. Beamten, S. 247 ff.; Wacke, AöR 1966,441 (488). 180 Schunke, Die polit. Beamten, S. 252; Wacke, AöR 1966, 441 (488 f.). 177
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b) Abgrenzung eignungsbedingter von rechtswidrigen Versetzungsgründen Da der Begriff der Eignung der zuständigen Behörde einen sehr weiten Beurteilungsspielraum einräumt, werden die Versetzungsgründe regelmäßig eignungsbedingt und daher rechtmäßig sein. Dennoch stellt sich in Einzelfällen die Frage nach einer Abgrenzung zu rechtswidrigen Versetzungsgründen. Es entspricht allgemeiner Ansicht, daß willkürliche Gründe für die Rechtfertigung der Maßnahme nicht ausreichen. 182 Unproblematisch wäre Willkür etwa dann zu bejahen, wenn ein politischer Beamter sich weigert, rechtswidrige Anordnungen des Dienstherrn auszuführen, 183 ausschließlich seine Parteizugehörigkeit mißfallt 1 8 4 oder wenn überhaupt keine Gründe vorliegen 185 1 8 6 . Andererseits sind durch dienstliche Fehler ausgelöste „Pannen" sehr wohl geeignet, das Vertrauen in die Amtsführung des politischen Beamten zu untergraben und eine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand zu rechtfertigen. 187 Allerdings muß tatsächlich ein „pannenbedingter" Vertrauensverlust in die Eignung des politischen Beamten eingetreten sein, was im Einzelfall zweifelhaft sein kann. 1 8 8
181
Auf Bundesebene gilt die Besonderheit, daß es in das Ermessen des jeweiligen Bundesministers gestellt ist, die Maßnahme beim Bundespräsidenten anzuregen, vgl. Teil II A II 1 a aa dieser Arbeit. 182 OVG Münster ZBR 1958, 141 (143); Grabendorff, BBG, § 36 Erl. 3; Krause, DÖD 1981, 193 (194); Kümmel, in: Kümmel, NBG, § 47 Rn. 3.3.; Schunke, Die polit. Beamten, S. 258; Ule, Beamtenrecht, § 31 BRRG Rn. 3. 183 Evers, Beamter und Politik, S. 28 f. 184 Derlien, DÖV 1984, 688 (689). 185 Ule, Beamtenrecht, § 31 BRRG Rn. 3. 186 Weitere Beispiele sind bei Schunke, Die polit. Beamten, S. 258 ff. zu finden. 187 Die gegenteilige Auffassung vertritt Fromme (FAZ vom 19.8.1993, S. 1; FAZ vom 2.9.1993, S. 12), der annimmt, daß „Pannen" erst nachträglich erkannt werden könnten, so daß sie als rein politische Gründe einen Vertrauensverlust nicht zu rechtfertigen vermögen. Indessen ist diese Auffassung ersichtlich unzutreffend, da auch die nachträgliche Kenntnis von Dienstverfehlungen das Vertrauen in die zukünftige Amtsführung zerstören kann. 188 Am 23.8.1993 wurde der Staatssekretär Kulenkampff (SPD) im hessischen Innenministerium in den einstweiligen Ruhestand versetzt, weil es ihm nach den Worten des Ministerpräsidenten Eichel (SPD) anzulasten sei, daß er den Aufmarsch von 500 Rechtsextremisten in Fulda am 14.8.1993 nicht verhindert habe (Heptner, FAZ vom 24.8.1993, S. 1). Gleichzeitig weisen der Innenminister und der Ministerpräsident darauf hin, daß der Staatssekretär Kulenkampff in seinem Amt bisher vorzügliche Arbeit geleistet habe (Bickler, FAZ vom 31.8.1993, S. 10). Angesichts dieser Stellungnahmen drängt sich der Eindruck auf, daß die Maßnahme nicht auf eignungsbedingte Zweifel an der Person des Staatssekretärs zurückzufuhren ist, sondern lediglich 7 Pricbe
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Gleichwohl können sich in praxi Fälle ergeben, für deren rechtliche Würdigung das Willkürverbot nur einen unzureichenden Maßstab liefert. Man denke etwa an die Frage, ob das Erreichen eines bestimmten Alters bereits die fehlende Eignung impliziert und deshalb eine Verjüngungskur durch Versetzung in den einstweiligen Ruhestand erfolgen kann. 1 8 9 In solchen Fällen entspricht es allgemeiner Übung, als Rechtmäßigkeitsmaßstab auf den Regelungs- oder Einrichtungszweck des politischen Beamten zurückzugreifen. 190 Begründet wird dieses mit dem Rechtsstaatsprinzip, dem der Satz inhärent ist, daß von jeder gesetzlichen Ermächtigung nur im Sinn des Gesetzeszwecks Gebrauch gemacht werden darf. 191 Rechtswidrig sind somit diejenigen Versetzungsgründe, die nicht auf eine Gewährleistung der Transformationsfünktion und damit auf eine effektive Umsetzung der Regierungspolitik abzielen, sondern denen andere nicht vom Einrichtungszweck getragene Zielsetzungen zugrundeliegen. 192 Deshalb ist die oben angesprochene Veijüngungskur nicht vom Einrichtungszweck gedeckt, da keinesfalls allgemein vermutet werden kann, daß mit Erreichen eines bestimmten Lebensalters die Eignung des politischen Beamten zur Vertretung der Regierungsinteressen eine Einbuße erfahrt. 193 Gleichfalls als rechtswidrig ist die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand zu beurteilen, wenn die Maßnahme ausschließlich unter dem Druck der politischen Opposition erfolgt und der politische Beamte trotz des zu seiner Person vorhandenen Vertrauens dazu mißbraucht wird, ein „politisches Bauernopfer" zu erbringen. 194 die Presse zum Schweigen bringen soll (Bickler, FAZ vom 31.8.1993, S. 10). Ersichtlich müßte die Maßnahme bei einer derartigen Zielsetzung als willkürlich und damit als rechtswidrig beurteilt werden. 189 Ein derartiger Sachverhalt lag der Entscheidung in BVerwGE 52, 33 f. zugrunde. 190 BVerwGE 19, 332 (336); 52, 33 (35); BVerwG RiA 1982, 170; OVG Münster ZBR 1958, 141 (143); Summer in Fürst, GKÖD I, K § 36 Rz 10; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, § 36 Rn. 6; Wacke, AöR 1966,441 (492). 191 Wilhelm, ZBR 1968, 265 (266). 192 Wilhelm, ZBR 1968, 265 (267). 193 BVerwGE 52, 33 (35); Battis, BBG, § 36 Anm. 3; Summer in Fürst, GKÖD I, K § 36 Rz 10. 194 Als Beispielfall wird auf die Versetzung des Generalbundesanwalts Alexander von Stahl (FDP) in den einstweiligen Ruhestand am 6.7.1993 verwiesen. Anlaß für die Maßnahme war die Festnahme der beiden mutmaßlichen RAF-Terroristen Hogefeld und Grams am 27.6.1993, die mit dem Tod von Grams endete. Da die näheren Todesumstände zunächst nicht aufgeklärt werden konnten, warf die SPD-Opposition dem Generalbundesanwalt eine verfehlte Informationspolitik über den jeweiligen Stand der Ermittlungen vor. „SPD-Abgeordneter Graf übte heftige Kritik" (Bannas, FAZ vom 1.7.1993, S. 4); „SPD-Abgeordneter Bernrath fordert Rücktritt des Generalbundesanwalts, der SPD-Abgeordnete Penner äußert, der Generalbundesanwalt habe Schwierig-
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Ebenso fehlt es an einem Vertrauensverlust, wenn der politische Beamte und sein Dienstherr einverständlich die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand bewirken, um dem politischen Beamten den Weg für die Übernahme eines anderen Amtes freizumachen. 195
keiten mit den Anforderungen seines Amtes" (Fromme, FAZ vom 2.7.1993, S. 1); „SPD-Abgeordneter Penner hält Generalbundesanwalt vor, ein Risiko für die innere Sicherheit zu sein" (Hefty, FAZ vom 3.7.1993, S. 1); „SPD-Vorstandssprecherin Sonntag sagt, der Generalbundesanwalt sei in seinem Amt nicht mehr tragbar" (FAZ vom 5.7.1993, S. 2); „Vorwürfe gegen den Generalbundesanwalt durch mehrere SPDAbgeordnete" (FAZ vom 6.7.1993, S. 3). Gleichzeitig wurde der Generalbundesanwalt von Vertretern der Regierungskoalition in Schutz genommen. Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) steht hinter dem Generalbundesanwalt" (vgl. Fromme, FAZ vom 2.7.1993, S. 1). Darüber hinaus wurde von den Rechtspolitikern der Regierungskoalition Geis (CDU) und Kleinert (FDP) erwidert, „der Generalbundesanwalt leiste hervorragende Arbeit, sei integer und juristisch hochqualifiziert, und er führe seine Behörde auch mit großer Effizienz" (Bannas, FAZ vom 2.7.1993, S. 2). Bundesbauministerin Schwaetzer (FDP) sah „keinen Anlaß, den Generalbundesanwalt zu entlassen" (AP, FAZ vom 6.7.1993, S. 3). Auch der Generalbundesanwalt beteuert, keinen Fehler gemacht zu haben, da er nur die Fakten wiedergeben könne, die vom Bundeskriminalamt übermittelt worden seien (Bannas, FAZ vom 5.7.1993, S. 1). Gleichwohl wurde am Abend des 6.7.1993 durch die Bundesjustizministerin die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand veranlaßt, obwohl noch am Nachmittag Treueschwüre von FDP-Bundestagsabgeordneten abgegeben wurden (Melder, HAZ vom 8.7.1993, S. 3). Die Maßnahme wurde lediglich „damit begründet, daß die Bedeutung des Amtes eine lange Diskussion über die Amtsführung nicht zulasse" (Gennrich, FAZ vom 8.7.1993, S. 1). Hingegen wurde in der Begründung nicht darauf eingegangen, inwieweit die Bundesjustizministerin die Bedenken der SPD-Opposition hinsichtlich der Amtsführung des Generalbundesanwalts teile und deshalb ein Vertrauensschwund eingetreten sei. Gleichzeitig war aus Kreisen der Regierungskoalition „zu hören, daß niemand eine plausible Erklärung für die überstürzte Entscheidung der Bundesjustizministerin habe" (Melder, HAZ vom 8.7.1993, S. 3). Auch eine spätere Stellungnahme der Bundesjustizministerin stellte bei der Begründung der Maßnahme erneut auf die störende öffentliche Diskussion um die Amtsführung ab (Fromme, FAZ vom 19.8.1993, S. 2). Unter diesen Umständen drängt sich der Eindruck auf, daß die Maßnahme keineswegs durch fehlendes Vertrauen in die persönliche Eignung des Generalbundesanwalts veranlaßt war, sondern vielmehr unter dem Druck der Opposition ein „politisches Bauernopfer" erbracht werden sollte, um das politische Klima zugunsten der Regierung zu entschärfen. Ähnlich gelagert ist auch der Fall des Staatssekretärs Kulenkampff im hessischen Innenministerium. Insoweit kann auf die entsprechenden Ausfuhrungen in der Fußnote 188 verwiesen werden. 195 Wilhelm, ZBR 1968, 265 (267 f.); weitere Beispiele finden sich bei Thiele, DÖD 1986, 257 (262).
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Somit ist als Rechtmäßigkeitskriterium in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand von eignungsbezogenen Erwägungen getragen wird, die eine effektive Umsetzung der Regierungspolitik fördern sollen, oder ob bei bestehendem Vertrauensverhältnis ausschließlich politische Opportunitätserwägungen die Maßnahme veranlaßt haben. Abschließend ist nochmals zu betonen, daß die Abgrenzung der eignungsbedingten von rechtswidrigen Versetzungsgründen anhand des Einrichtungszwecks des politischen Beamten zu erfolgen hat.
2. Verhältnismäßigkeit Bei Ermessensentscheidungen gilt der allgemeine Grundsatz, daß jede unverhältnismäßige Maßnahme eine rechtswidrige Überschreitung der Ermessensgrenzen darstellt. 196 Da es sich bei der Versetzung in den einstweiligen Ruhestand um eine Ermessensentscheidung handelt, wird gemeinhin die Ansicht vertreten, daß das Verhältnismäßigkeitsprinzip bei der Entscheidung über die Maßnahme zu berücksichtigen ist. 1 9 7 Damit ist jedoch noch keine Aussage darüber getroffen, in welchem Umfang eine Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips zu erfolgen hat. Wie mehrfach angesprochen, sind grundsätzlich die persönlichen Interessen des politischen Beamten an einem Verbleiben im Amt staatspolitischen Interessen gegenüber nachrangig. 198 Deshalb ist es nicht zu beanstanden, wenn Erwägungen unter dem Gesichtspunkt der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht einen nachrangigen Eingang in den Abwägungsvorgang finden. 199 Mit der Normierung der Einrichtung des politischen Beamten hat der Gesetzgeber bereits eine Abschichtung der Interessen zu Lasten des betroffenen Beamten vorgenommen, so daß in der Konsequenz dem Verhältnismäßigkeitsprinzip nur ein eingeschränkter Anwendungsbereich verbleiben kann. Im Rahmen dieses eingeschränkten Anwendungsbereiches stellt sich insbesondere die Frage, inwieweit eine anderweitige Verwendungsmöglichkeit des 196
Dechsling, Verhältnismäßigkeitsgebot, S. 134; Erichsen in Erichsen/Martens Allg. VerwR, 9.A., § 10 Rn. 20. 197 OVG Koblenz ZBR 1960, 195 (196); Thieme, polit. Beamte, S. 166. 198 BVerwGE 19, 332 (338); BVerwG RiA 1982, 170 (172); OVG Koblenz ZBR 1960, 195 (196); OVG Münster ZBR 1994, 25 (27); Brockhaus, in: Schütz, Teil C RdNr. 3 zu § 38; Wacke, AöR 1966, 441 (499). 199 BVerwGE 19, 332 (338); BVerwG RiA 1982, 170 (171 f.); OVG Münster ZBR 1994, 25 (27); Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, § 36 Rn. 6 b); Brockhaus, in: Schütz, Teil C RdNr. 3 zu § 38; Schunke, Die polit. Beamten, S. 261 f.; Wacke, AöR 1966, 441 (499).
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politischen Beamten zu berücksichtigen ist. Unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit könnte es geboten sein, Handlungsalternativen zu berücksichtigen, die eine effektive Umsetzung der Regierungspolitik in gleicher Weise sicherstellen wie eine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand. Der einstweilige Ruhestand beendet nicht nur den aktiven Status des Beamten, sondern führt im Regelfall zu einer Verminderung des Einkommens, so daß durch die Maßnahme nachteilig in die Rechte des Beamten eingegriffen wird. Deshalb entspricht es allgemeiner Ansicht, daß die Maßnahme zu unterbleiben hat, wenn durch Übertragung einer anderen Funktion oder durch Versetzung auf eine andere geeignete Amtsstelle gleichfalls der effektiven Umsetzung der Regierungspolitik Jederzeit", das heißt ohne zeitliche Verzögerung, Rechnung getragen werden kann, da hierdurch weniger nachteilig in die Rechte des Beamten eingegriffen wird. 2 0 0 Allerdings ist zu beachten, daß in den seltensten Fällen eine derartige Handlungsalternative ohne zeitliche Verzögerung realisierbar sein wird, so daß regelmäßig nur eine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand in Betracht kommt. 2 0 1 Restriktiver ist die Auffassung von Wacke, der die Möglichkeit anderweitiger Verwendung grundsätzlich für unerheblich hält. 2 0 2 Allerdings beruht die Argumentation von Wacke auf der Annahme, daß Handlungsalternativen ohne zeitliche Verzögerung ohnehin nicht ermittelbar seien, so daß von vornherein eine anderweitige Verwendung nicht in Betracht kommen könne. 203 Regelmäßig wird diese Annahme auch zutreffen; in Ausnahmefällen muß aber dem Verhältnismäßigkeitsprinzip durch Berücksichtigung einer anderweitigen Verwendungsmöglichkeit Raum gegeben werden. 204
3. Anspruch des politischen Beamten auf Versetzung in den einstweiligen Ruhestand Die Vorschriften über den politischen Beamten befassen sich ausschließlich mit dem Recht des Dienstherrn, eine vorzeitige Amtsbeendigung herbeizuführen. Hingegen ist ein eigenständiger Anspruch des politischen Beamten auf Versetzung in den einstweiligen Ruhestand dem Beamtenrecht seit jeher un200 BVerwGE 19, 332 (335); BVerwG RiA 1982, 170 (171 f.); OVG Koblenz ZBR 1960, 195 (196); OVG Münster ZBR 1994, 25 (27); Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, § 36 Rn. 6; Schunke, Die polit. Beamten, S. 263. 201 Vgl. BVerwGE 19, 332 (335); BVerwG RiA 1982, 170 (171 f.); Krause, DÖD 1981, 193 (195). 202 Wacke, AöR 1966, 441 (482 f.). 203 Wacke, AöR 1966,441 (483). 204 BVerwG RiA 1982, 170 (171 f.); OVG Münster ZBR 1994, 25 (27); Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, § 36 Rn. 6 b).
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bekannt und dementsprechend in den Gesetzen nicht vorgesehen. Dessenungeachtet wird von Anders de lege ferenda erwogen, dem politischen Beamten einen entsprechenden Anspruch einzuräumen, wenn dieser im Einzelfall durch einen sachlichen Grund wie etwa die Störung des Vertrauensverhältnisses zum Minister gerechtfertigt i s t . 2 0 5 , 2 0 6 Mit der überwiegenden Meinung ist dieses Ansinnen jedoch abzulehnen, 207 da nicht nur die Gefahr des Mißbrauchs gerade im Hinblick auf die anschließenden Versorgungsregelungen besteht, 208 sondern unter Umgehung der Vorschriften über die selbstbeantragte Entlassung des Beamten einer Aushöhlung der beamtenrechtlichen Treuepflicht Vorschub geleistet werden könnte. Darüber hinaus haben die Vorschriften über den politischen Beamten einen Ausschließlichkeitscharakter, aus dem sich ergibt, daß die Maßnahme ausschließlich in das Ermessen des Dienstherrn gestellt ist. 2 0 9 Zuletzt spricht gegen einen entsprechenden Anspruch des politischen Beamten dessen Verpflichtung, nach einer Versetzung in den einstweiligen Ruhestand einer erneuten Berufung in das Beamtenverhältnis Folge zu leisten, 210 da er diese Verpflichtung stets mit einer erneuten Geltendmachung seines Anspruchs blockieren könnte. 211 Von einem Anspruch des politischen Beamten auf Versetzung in den einstweiligen Ruhestand ist die Möglichkeit zu unterscheiden, bei Vorliegen entsprechender Gründe die Maßnahme beim Dienstherrn unverbindlich anzuregen. 2 1 2 Gegen eine derartige Anregung bestehen keine Bedenken, da es dem
205 Anders, DÖV 1964, 109 (118); ders., DÖV 1967, 611 (612); zustimmend auch Wiese, Staatsdienst, S. 176. 206 Vgl. Fromme, FAZ 1993, Nr. 150, vom 2.7.1993, S. 1, wonach vom SPDOppositionspolitiker Bernrath der „Rücktritt" des Generalbundesanwalts Alexander von Stahl gefordert wurde, was de facto einen entsprechenden Anspruch des politischen Beamten voraussetzt. 207 Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, § 36 Rn. 6 a); Schunke, Die polit. Beamten, S. 266 ff.; Wilhelm, ZBR 1968, 265 (267). 208 Schunke, Die polit. Beamten, S. 267. 209 Wilhelm, ZBR 1968, 265 (267). 210 Vgl. zu dieser Verpflichtung Teil II A VI dieser Arbeit. 211 Schunke, Die polit. Beamten, S. 267. 212 Vgl. Bannas, FAZ 1993, Nr. 139, vom 19.6.1993, S. 6, wonach der Staatssekretär des Bundesinnenministeriums Johannes Vöcking „auf eigenen Wunsch" in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden ist; vgl. auch Fromme, FAZ 1993, Nr. 150, vom 2.7.1993, S. 1, der darauf hinweist, daß der vom SPD-Oppositionspolitiker Bernrath geforderte „Rücktritt" des Generalbundesanwalts Alexander von Stahl nur dadurch umgesetzt werden könne, daß dieser seine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand gegenüber der Bundesregierung anregt.
IV. Rechtsnatur der Versetzung in den einstweiligen Ruhestand
103
Dienstherrn weiterhin überlassen bleibt, die Voraussetzungen für die Maßnahme als gegeben zu erachten und die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand auszusprechen.
IV. Rechtsnatur der Versetzung in den einstweiligen Ruhestand Die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand wird dem politischen Beamten schriftlich mitgeteilt. 213 Diese Mitteilung löst als Rechtsfolge den Eintritt in den einstweiligen Ruhestand aus, so daß sich angesichts dieser zentralen Bedeutung und im Hinblick auf spätere Rechtsschutzmöglichkeiten die Frage nach der Rechtsnatur stellt. Da es heutzutage außer Streit steht, daß im besonderen Gewalt- oder Sonderrechtsverhältnis Verwaltungsakte erlassen werden können, 214 entspricht es der einmütigen Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, daß es sich bei der Mitteilung über die Versetzung politischer Beamter in den einstweiligen Ruhestand um eine schriftliche Verfügung handelt,
In diesem Zusammenhang ist auf den Fall des Hamburger Polizeidirektors Krappen hinzuweisen, dem vorgeworfen wurde, er habe 1994, als ihm Hinweise auf Obergriffe von Polizisten bekanntgeworden seien, den damaligen Innensenator Hackmann (SPD) nicht ausreichend unterrichtet. Nachdem Hackmann zurücktreten mußte, bat Krappen im März 1995 „aus gesundheitlichen Gründen" um die Versetzung in den Ruhestand (Wagner, FAZ vom 8.3.1995, S. 2). Innensenator Wrocklage (SPD) kommentierte die Bitte dahingehend, daß Krappen für die „unterbliebenen Maßnahmen" einschließlich der ,glicht problemadäquaten Einschaltung" der Behördenleitung die Gesamtverantwortung trage (Wagner, FAZ vom 8.3.1995, S. 2). Als Konsequenz hieraus werde die Position eines Polizeipräsidenten neu geschaffen und mit einem politischen Beamten besetzt werden (Wagner, FAZ vom 8.3.1995, S. 2). Wenn die Bitte des Landespolizeidirektors Krappen um Versetzung in den Ruhestand dazu gedient haben sollte, im Einverständnis mit dem Dienstherrn die fehlende Zugehörigkeit des Polizeidirektors zum Ämterkreis des politischen Beamten zu kompensieren, so wäre eine derartige Zielsetzung rechtsmißbräuchlich. Es bleibt zu hoffen, daß sich wenigstens der Landesrechnungshof mit diesem Fall befassen wird. 213 Vgl. § 37 S. 1 i.V.m. § 175 BBG; § 62 i.V.m. § 119 LBGBW; § 73 S. 1 i.V.m. § 114 LBGBW; § 106 LBG Brandenburg; §41 b S. 1 i.V.m. § 164 BremBG; §42 i.V.m. § 114 HmbBG; § 58 S. 1 i.V.m. § 184 HBG; § 41 LBGM-V; § 48 S. 1 i.V.m. § 191 NBG; § 40 S. 1 LBG NW; § 51 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 221 LBG RhPf; § 59 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 127 SBG; §§ 61 i.V.m. § 127 SächsBG; § 37 i.V.m. § 108 BG LSA; § 49 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 186 LBG SchlH; § 42 S. 1 i.V.m. § 137 ThürBG. 214 BVerfGE 33, 1 (11); BVerwG DVB1. 1980, 882 (883); Eyermann/Fröhler, VwGO, § 42 Rn. 81; Krüger, NJW 1953, 1369 (1370); Schenke, JuS 1982, 906; Thiele, ZBR 1983, 345 (350) m.w.N.
104
Teil II,
.: Die Rechtslage bei den o l e n
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die wegen der belastenden, statusverändernden Wirkung als ein Verwaltungsakt im Sinne des § 35 S. 1 VwVfG zu qualifizieren ist. 2 1 5
V. Rechtsschutz Da es sich bei der Versetzung in den einstweiligen Ruhestand um eine beamtenrechtliche Maßnahme und damit um eine Streitigkeit aus dem Beamtenverhältnis handelt, ist über §§ 40 Abs. 2 S. 2 VwGO, 126 Abs. 1 BRRG der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet. 216
1. Widerspruchsverfahren Wegen § 126 Abs. 3 Nr. 1 BRRG muß der politische Beamte vor Erhebung einer Klage stets ein Widerspruchsverfahren durchführen. 217 In diesem Zusammenhang ist umstritten, welche Behörde auf Bundesebene gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 BRRG i.V.m. § 3 Abs. 1 BBG als zuständige oberste Dienstbehörde für den Erlaß des Widerspruchsbescheides zuständig ist. Es wird die Ansicht vertreten, daß der Bundespräsident ausschließlich für die im Präsidialamt tätigen Beamten oberste Dienstbehörde und damit regelmäßig nicht die zuständige Widerspruchsbehörde sei. 218 Vielmehr seien regelmäßig die jeweiligen Fachminister zuständig. 219 Begründet wird diese Auffassung damit, daß nicht einzusehen sei, warum dem Begriff der obersten Dienstbehörde im Rahmen der gerichtlichen Vertretung nach § 174 Abs. 1 BBG ein 215
BVerwGE 52, 33 (40); OVG Münster ZBR 1958, 141; Summer in Fürst, GKÖD I, K § 36 Rz 14; Grabendorff, BBG, § 36 Erl. 3; Krause, DÖD 1981, 193 (194); Brockhaus, in Schütz, Teil C RdNr. 3 zu § 40; Wacke, AöR 1966, 441 (484 f.). 216 Vgl. die Ausführungsvorschriften § 172 BBG; § 127 LBG Brandenburg; § 112 Abs. 1 HmbBG; § 182 Abs. 1 HBG; § 124 LBG M-V i.V.m. § 126 BRRG; § 192 Abs. 1 NBG; §218 Abs. 1 LBGRhPf; § 124 Abs. 1 SBG; § 126 Abs. 1 SächsBG; § 106 BGLSA i.V.m. § 126 BRRG; § 135 ThürBG i.V.m. §§ 126, 127 BRRG; in Baden-Württemberg, Berlin, Bremen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein ist § 126 Abs. 1 BRRG auch ohne ausdrückliche Regelung unmittelbar geltendes Recht (BVerfGE 87, 95 (103); Schütz, in: Schütz, Teil C RdNr. 3 a zu § 180). 217 OVG Münster ZBR 1994, 25 (26); VG Köln ZBR 1978, 402; Anders, DÖV 1964, 109 (115); Bernet, Die Polizei 1970, 350 (353); Brockhaus, in: Schütz, Teil C RdNr. 2 zu § 40; so auch BT-Drucksache 3/1094, S. 8. 218 Nierhaus, JuS 1978, 596 (602). 219 Nierhaus, JuS 1978, 596 (602); diese Auffassung hat auch der Bundesgesetzgeber - allerdings ohne Begründung - in einem Entwurf zur Verwaltungsgerichtsordnung vertreten (BT-Drucksache 3/1094, S. 8).
V. Rechtsschutz
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anderes Verständnis zugrundeliegen sollte als bei der Bestimmung der zuständigen Widerspruchsbehörde nach § 126 Abs. 3 Nr. 2 BRRG i.V.m. § 3 Abs. 1 BBG. 2 2 0 Zu einem gegenteiligen Standpunkt tendierte zunächst das Bundesverwaltungsgericht, das an einer Zuständigkeit des Fachministeriums im Widerspruchsverfahren zweifelte und einer Zuständigkeitskonzentration beim Bundespräsidenten zuneigte. 221 In einer späteren Entscheidung hat sich das Bundesverwaltungsgericht von dieser Auffassung distanziert und den Fachminister als zuständige Widerspruchsbehörde bezeichnet. 222 Allerdings betont das Bundesverwaltungsgericht in der letztgenannten Entscheidung, daß das anhängige Widerspruchsverfahren schwerpunktmäßig mit der Überprüfung der formellen Rechtmäßigkeit und nicht mit den Ermessenserwägungen des Bundespräsidenten befaßt war. 2 2 3 Deshalb sei auch unerheblich, ob und inwieweit die Widerspruchsbehörde die Ermessenserwägungen des Bundespräsidenten überprüfen könne. 224 Als Ergebnis dieser Ausführungen bietet sich die Schlußfolgerung an, daß der Bundespräsident jedenfalls dann die zuständige Widerspruchsbehörde ist, wenn eigene Ermessenserwägungen in Frage stehen. Allerdings ergäbe eine derartige Differenzierung, daß in Einzelfallen zwei Behörden - Bundespräsident und Fachminister - für die Entscheidung über den Widerspruch zuständig wären. Dieses Ergebnis dürfte wohl kaum der Intention des Bundesverwaltungsgerichts entsprechen. Vor diesem Hintergrund bezeichnet das OVG Münster die Frage der zuständigen Widerspruchsbehörde als weiterhin klärungsbedürftig und äußert Zweifel an einer fehlenden Zuständigkeit des Bundespräsidenten im Widerspruchsverfahren. 225 Dieser zurückhaltend vorgetragenen Auffassung des OVG Münster ist beizutreten, da nicht einzusehen ist, daß die verfassungsrechtlich vorgegebene Zuständigkeit des Bundespräsidenten aus Art. 60 Abs. 1 GG nachträglich im Widerspruchsverfahren durch den bis dahin unzuständigen Fachminister unterlaufen wird. 2 2 6 Zwar ließe sich einwenden, daß der Fachminister jedenfalls 220
Nierhaus, JuS 1978, 596 (602). BVerwGE 52, 33 (40 f.); auch nach Ansicht des VG Köln ZBR 1978, 402 ist der Bundespräsident zuständige Widerspruchsbehörde. 222 BVerwG RiA 1982, 170 (172). 223 BVerwG RiA 1982, 170 (172); in der Entscheidung ging es um die Frage, ob bei der Versetzung eines schwerbehinderten politischen Beamten in den einstweiligen Ruhestand gemäß § 50 Abs. 2 SchwbG zuvor der zuständige Vertrauensmann und die Hauptfürsorgestelle anzuhören seien. Diese Frage wurde vom Gericht verneint (hierzu genauer Teil II A II 5 dieser Arbeit). 224 BVerwG RiA 1982, 170 (172). 225 OVG Münster ZBR 1994,25 (26). 226 In diese Richtung zielen auch die Ausführungen in BVerwGE 52, 33 (41); zutreffend weist das VG Köln ZBR 1978, 402 daraufhin, daß es bei der Versetzung in den einstweiligen Ruhestand auf die Ermessensentscheidung des Bundespräsidenten an221
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Teil , .: Die Rechtslage bei den o l e n
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insoweit zuständig ist, als es um die Einhaltung formeller Verfahrenselemente geht. Da jedoch der Versetzung politischer Beamter in den einstweiligen Ruhestand derartige Verfahrenselemente fremd sind, wäre dieser Einwand grundsätzlich unerheblich. 227 Lediglich in obigem Ausnahmefall, wo in formeller Hinsicht eine Anhörungspflicht nach dem Schwerbehindertengesetz in Frage stand, konnte eine Zuständigkeit des Fachministers in Betracht kommen. Aber auch bei einer derartigen Fallkonstellation wird man an einer ausschließlichen Zuständigkeit des Bundespräsidenten als Widerspruchsbehörde festhalten müssen, da die dem Bundespräsidenten über Art. 60 Abs. 1 GG zugewiesene Kompetenz unzweifelhaft das Recht umfaßt, eine formelle Rechtmäßigkeitskontrolle vorzunehmen. Es ist daher nicht einzusehen, warum diese verfassungsfeste Zuständigkeit verwässert und durch die Möglichkeit einer unerwünschten Doppelzuständigkeit ersetzt werden soll. Im übrigen vermag der Hinweis auf eine einheitliche Begrifflichkeit der obersten Dienstbehörde an der hier vertretenen Auffassung nichts zu ändern, da eine derartige Argumentation die Ausstrahlungswirkung des Art. 60 Abs. 1 GG verkennt, die als verfassungsrechtliche Vorgabe für einfachgesetzliche Zuständigkeitsregelungen den alleinigen Auslegungsmaßstab zu liefern hat. Die Zuständigkeit des Bundespräsidenten im Widerspruchsverfahren harmoniert auch mit dem Sinn und Zweck eines solchen Vorverfahrens. 228 Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens soll die Recht- und Zweckmäßigkeit eines Verwaltungsaktes überprüft werden. Diese Überprüfung kann sinnvoll nur von einer Behörde vorgenommen werden, die auch aus eigener Machtvollkommenheit den Verwaltungsakt aufheben kann. 2 2 9 Wenn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der Fachminister noch nicht einmal eigenständig Ermessenserwägungen im Hinblick auf die Entscheidung des Bundespräsidenten nachschieben darf, 230 so muß erst recht eine Befügnis des Fachministers zur nachträglichen Aufhebung der Versetzungsverfügung verneint werden. Eine andere Sichtweise würde nur zu dem unerwünschten Erkomme, so daß ein Widerspruchsverfahren nur dann einen Sinn haben könne, wenn die Zuständigkeit beim Bundespräsidenten verbleibe. 227 Eine Ausnahme macht hier die eingeschränkte Begründungspflicht. Es ist jedoch offensichtlich, daß die eingeschränkte Begründung nur von der Behörde abgegeben werden kann, die über den zugrundeliegenden Sachverhalt zu entscheiden hat. Auf Bundesebene ist dies nach Art. 60 Abs. 1 GG der Bundespräsident, der eine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand erst aussprechen wird, wenn ihm entsprechende Gründe durch den Fachminister vorgetragen wurden. 228 VG Köln ZBR 1978,402. 229 VG Köln ZBR 1978,402. 230 BVerwGE 52, 33 (40 f.).
V. Rechtsschutz
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gebnis fuhren, daß es im Widerspruchsverfahren zu einer Entscheidung „am Bundespräsidenten vorbei" käme. 231 Unter Zugrundelegung dieses Ergebnisses ist auf Landesebene nicht der jeweilige Fachminister als oberste Dienstbehörde gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 BRRG für den Erlaß des Widerspruchsbescheides zuständig, sondern die Zuständigkeit verbleibt auch im Widerspruchsverfahren in BadenWürttemberg, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Sachsen-Anhalt bei der Landesregierung, in Berlin, Bremen und Hamburg beim Senat und in Rheinland-Pfalz, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen beim Ministerpräsidenten. 232
2. Anfechtungsklage Da es sich bei der Versetzung in den einstweiligen Ruhestand um einen Verwaltungsakt handelt, richtet sich der Rechtsschutz nach § 42 VwGO, das heißt, es ist Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht zu erheben. 233 In formeller Hinsicht ist die vorherige Durchführung eines erfolglosen Widerspruchsverfahrens erforderlich. 234 Der Klagegegner ergibt sich aus § 78 Abs. 1 VwGO. Danach ist auf Bundesebene gemäß § 174 BBG die Klage gegen die oberste Dienstbehörde zu richten, der der Beamte im Zeitpunkt der Zurruhesetzung unterstanden hat. 2 3 5 Dies ist regelmäßig der zuständige Fachminister. Auf Landesebene ist die Klage entweder unmittelbar gegen das jeweilige Land oder, soweit eine landesrechtliche Sondervorschrift im Sinne des § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO besteht, gegen die Behörde selbst zu richten. Dementsprechend kann der politische Beamte mit Widerspruch und Anfechtungsklage die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand angreifen und dadurch einem vorzeitigen Ende des aktiven Beamtenstatus begegnen. Regelmäßig wird der politische Beamte aber auch ein Verbleiben in seinem (statusrechtlichen) Amt anstreben, so daß sich die Frage stellt, ob diese Zielsetzung durch obige Rechtsbehelfe abgedeckt wird.
231
Vgl. BVerwGE 52, 33 (41). Vgl. Teil n A n 1 b dieser Arbeit. 233 Summer in Fürst, GKÖD I, K § 36 Rz 14; Krause, DÖD 1981, 193 (194); Wakke, AöR 1966, 441 (484 f.). 234 OVG Münster ZBR 1994, 25 (26); VG Köln ZBR 1978, 402; Anders, DÖV 1964, 109 (115); Bernet, Die Polizei 1970, 350 (353); Brockhaus, in: Schütz, Teil C RdNr. 2 zu § 40. 235 OVG Münster ZBR 1994,25 (26). 232
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Teil II,
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Anfechtungsklage und vorheriger Widerspruch haben für den zugrundeliegenden Verwaltungsakt gemäß § 80 Abs. 1 S. 1 VwGfO aufschiebende Wirkung. Da es sich bei der Ruhestandsverfügung um einen belastenden, rechtsgestaltenden Verwaltungsakt handelt, 236 gilt diese aufschiebende Wirkung über § 80 Abs. 1 S. 2 VwGO auch für die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand. Die aufschiebende Wirkung löst nach herrschender Meinung eine Vollziehbarkeitshemmung aus, durch die nicht nur die inhaltliche Verwirklichung des Verwaltungsaktes untersagt wird, sondern durch die es verboten ist, rechtliche oder tatsächliche Folgerungen zu ziehen, die die Wirksamkeit des Verwaltungsaktes voraussetzen. 237 ' 238 Wegen dieser Vollziehbarkeitshemmung muß auf eine Neubesetzung der Planstelle, deren Amtsinhaber der betroffene politische Beamte bisher gewesen ist, verzichtet werden, da diese Maßnahme eine infolge der Ruhestandsversetzung freigewordene Planstelle voraussetzt. 239 Entsprechend wird während des Andauerns der aufschiebenden Wirkung nicht nur eine Rückkehr in den aktiven Beamtenstatus offengehalten, sondern ein Verbleiben des politischen Beamten im jeweiligen Amt sichergestellt.
3. Vorläufiger
Rechtsschutz
Um dennoch eine sofortige Neubesetzung der freigewordenen Planstelle vornehmen zu können, muß die aufschiebende Wirkung von der zuständigen Behörde durch eine Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ruhestandsverfügung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO beseitigt werden. Zuständig für die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat. Da es für die Bundesebene im Streit steht, ob der Bundespräsident oder der Fachminister zuständige Widerspruchsbehörde ist, findet diese Auseinandersetzung ihre Fortsetzung in der Frage, wer für die Anordnung der sofortigen Vollziehung zuständig ist. Während das VG Köln eine Befugnis des Bundespräsidenten zur Anordnung der sofortigen Vollziehung mit der Begründung 236
Brockhaus, in Schütz, Teil C RdNr. 2 zu § 40. BVerwGE 66, 218 (222); OVG Koblenz DÖV 1965, 674 (675); BayVGH BayVBl. 1983, 399 (401); Finkelnburg, NJW-Schriften 12, 3.A., S. 182; Günther, ZBR 1985, 321 (334); Redeker/von Oertzen, VwGO, § 80 Rn. 4 m.w.N. 238 Nach anderer Auffassung wird bereits die Wirksamkeit des Verwaltungsaktes gehemmt (Erichsen/Klenke, DÖV 1976, 833 (836); Schoch, Vorl. Rechtsschutz, S. 716 ff.), so daß die Abberufungsverfugung während des Andauerns der aufschiebenden Wirkung von vornherein keinerlei Rechtsfolgen auslöst. 239 Vgl. BVerwGE 80, 127 (130). 237
V. Rechtsschutz
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annimmt, daß der Bundespräsident nicht nur Erlaß-, sondern auch Widerspruchsbehörde sei, 240 lehnt das OVG Münster eine derartige Zuständigkeitskonzentration beim Bundespräsidenten ab. 241 Nach Auffassung des OVG Münster könne aus verfassungsrechtlichen Gründen eine Anordnungsbefugnis des Bundespräsidenten nur angenommen werden, wenn entweder das Grundgesetz eine solche Befugnis ausdrücklich oder stillschweigend vorsehe oder wenigstens eine einfachgesetzliche Vorschrift ausdrücklich auf eine derartige Zuständigkeitszuweisung abziele. 242 Eine verfassungsrechtliche Absicherung habe lediglich die Entscheidungsbefugnis hinsichtlich der Versetzung von Bundesbeamten in den einstweiligen Ruhestand erfahren. Hingegen verbleibe im übrigen die Personalgewalt, der auch die Bestimmung des genauen Zeitpunkts der Amtsbeendigung unterfalle, bei der Regierung. Auch die dem Verwaltungsprozeßrecht zugehörende, einfachgesetzliche Vorschrift des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO könne an diesem Ergebnis nichts ändern, da es insoweit einer eindeutigen Entscheidung des Gesetzgebers zugunsten einer Anordnungskompetenz des Bundespräsidenten bedurft hätte. Vielmehr sei der Bundesgesetzgeber beim Entwurf des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO davon ausgegangen, daß für die Anordnung der sofortigen Vollziehung der jeweilige Bundesminister zuständig sei. 243 Zuletzt weist das OVG Münster darauf hin, daß es wegen dieser verfassungsrechtlichen Überlegungen nicht darauf ankommen könne, welche Behörde für den Erlaß des Widerspruchsbescheides zuständig sei. Den Ausführungen des OVG Münster muß beigepflichtet werden, da das Grundgesetz davon ausgeht, daß der Bundespräsident keine Allzuständigkeit hat, sondern seine Berechtigung - jedenfalls grundsätzlich und hinsichtlich der rechtlich relevanten Hoheitsakte - auf eine verfassungsrechtliche oder einfachgesetzliche Rechtsgrundlage zurückführen muß. 2 4 4 Dabei sind die Befügnisse des Bundespräsidenten eng auszulegen, so daß insbesondere eine Argumentation „a maiore ad minus" zu unterbleiben hat. 2 4 5
240
VG Köln ZBR 1978, 402; zur Begründung für die Widerspruchszuständigkeit des Bundespräsidenten vgl. Teil II A V 1 dieser Arbeit. 241 OVG Münster ZBR 1994, 25 (26 f.). 242 OVG Münster ZBR 1994, 25 (26). 243 Vgl. § 81 des Regierungsentwurfes einer VwGO, BT-Drucksache, 3/1094, S. 8. 244 Restriktiver ist die Auffassung von Herzog , in Maunz/Dürig zu GG Art. 60 Rdnr. 3 und 4, der fordert, daß der Bundespräsident seine Berechtigung speziell im geltenden Verfassungsrecht nachweisen müsse. Hingegen läßt Menzel , in: Dolzer/Vogel (Hg.), BK, Erl. II A 1 zu Art. 60 S. 6 auch Verfassungsgewohnheitsrecht und einfaches Recht genügen. 245 Menzel, in: Dolzer/Vogel (Hg.), BK, Erl. U A 1 zu Art. 60 S. 6.
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Teil II,
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Zunächst wäre daran zu denken, daß die Entscheidungsbefugnis des Bundespräsidenten über die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand nach Art. 60 Abs. 1 GG auch die Zuständigkeit für die Anordnung der sofortigen Vollziehung umfaßt. Einem derartigen Verständnis läge ersichtlich eine weite Auslegung des Art. 60 Abs. 1 GG i.V.m. § 36 Abs. 1 BBG zugrunde, die auf der Annahme beruht, daß eine Anordnungsbefügnis als weniger schwerwiegende Einwirkung auf ein beamtenrechtliches Verhältnis von der eigentlichen Entscheidungsbefugnis des Bundespräsidenten „a maiore ad minus" mitumfaßt wird. Solche Schlußfolgerungen haben jedoch im Rahmen der Auslegung der Befugnisse des Bundespräsidenten zu unterbleiben und können nicht zur Begründung einer Anordnungszuständigkeit des Bundespräsidenten herangezogen werden. Als einfachgesetzliche Rechtsgrundlage käme lediglich die Vorschrift des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO in Betracht, die nach dem Willen des Gesetzgebers gerade den Bundespräsidenten von der Anordnung der sofortigen Vollziehung entlasten sollte und daher keineswegs eine Anordnungskompetenz des Bundespräsidenten zu rechtfertigen vermag. Infolgedessen wäre es unvertretbar, der Vorschrift durch Auslegung eine Bedeutung beimessen zu wollen, die dem erklärten Willen des Gesetzgebers zuwiderläuft. Auch wenn man der hier vertretenen Auffassung folgt, daß der Bundespräsident zuständige Widerspruchsbehörde bei der Versetzung von Bundesbeamten in den einstweiligen Ruhestand sei, läßt sich kein gegenteiliges Ergebnis gewinnen. Der Bundespräsident ist nur deshalb zuständige Widerspruchsbehörde, um nicht eine materielle Ermessensentscheidung an ihm vorbei zu ermöglichen. 246 Mit dieser Zielsetzung steht die Befugnis, die sofortige Vollziehung anzuordnen, in keinem unmittelbaren Zusammenhang. Bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung handelt es sich um eine verwaltungsprozessuale Maßnahme, die das „wie" der Versetzung in den einstweiligen Ruhestand, nicht aber die verfassungsrechtlich über Art. 60 Abs. 1 GG abgesicherte Entscheidungskompetenz über das „ob" der Maßnahme betrifft, so daß es wegen dieser unterschiedlichen Entscheidungsinhalte an einer ausdrücklichen Kompetenzzuweisung an den Bundespräsidenten fehlt. Dementsprechend ist trotz der Zuständigkeit des Bundespräsidenten im Widerspruchsverfahren eine eigenständige Anordnungszuständigkeit des Fachministers anzunehmen. Da auf Landesebene Erlaß- und Widerspruchsbehörde im Rahmen der Versetzung politischer Beamter in den einstweiligen Ruhestand identisch sind, bestehen hier keine Besonderheiten, so daß in Baden-Württemberg, Branden246
Teil DA V I dieser Arbeit.
V. Rechtsschutz
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bürg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, NordrheinWestfalen, Saarland und Sachsen-Anhalt die Landesregierung, in Berlin, Bremen und Hamburg der Senat und in Rheinland-Pfalz, Sachsen, SchleswigHolstein und Thüringen der Ministerpräsident zur Anordnung der sofortigen Vollziehung befugt ist. 2 4 7 Wird von der zuständigen Behörde die sofortige Vollziehung angeordnet, kann in diesem Fall allein durch Widerspruch und Anfechtungsklage ein Verbleiben im Amt nicht mehr sichergestellt werden, da in Anlehnung an die Stellungnahmen zum Problem der beamtenrechtlichen Konkurrentenklage wegen des Grundsatzes der Ämterstabilität die erfolgte (Neu-)Besetzung der Planstelle nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. 2 4 8 Vielmehr muß der politische Beamte vorläufigen Rechtsschutz über einen Antrag nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO an das Verwaltungsgericht in Anspruch nehmen, wobei eine sofortige Vollziehung - der Natur der Sache nach aber wohl in den seltensten Fällen - vom Verwaltungsgericht ausgesetzt werden kann. 2 4 9 So betont das OVG Münster, daß wegen des weiten Ermessensspielraums und der Möglichkeit einer Jederzeitigen" Amtsbeendigung das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Maßnahme das persönliche Interesse an einer aufschiebenden Wirkung im Regelfall überwiege, so daß es Sache des Antragstellers sei, ein besonderes persönliches Interesse darzutun. 250 Der Antrag kann bei drohender Neubesetzung schon vor Erlaß des Widerspruchsbeschei-
247
Vgl. Teil E A V 1 dieser Arbeit. Dieses Ergebnis entspricht der herrschenden Meinung zum Problem der beamtenrechtlichen Konkurrentenklage, vgl. für die Rechtsprechung: BVerfG NJW 1990, 501; BVerwGE 15, 3 (11); 80, 127 (130); BVerwG ZBR 1989, 281 (282); OVG Koblenz DÖV 1990, 214; OVG Münster OVGE 34, 26 (27); VGH Kassel NVwZ 1992, 195; VGH Mannheim NVwZ 1983, 41; VGH München NVwZ 1983, 755; für die Literatur: Bracher, ZBR 1989, 139 (140); Busch, DVB1. 1990, 107 f.; Summer in Fürst, GKÖDI, K § 8 Rz 8; Günther, ZBR 1990, 284 (290); Maaß, NJW 1985, 303; Martens, ZBR 1992, 129 (133); Schnellenbach, NVwZ 1990, 637; Cecior, in Schütz, Teil C RdNr. 10 zu § 7; Wittkowski, NJW 1993, 817; vgl. für die gegenteilige Auffassung: Finkelnburg DVB1. 1980, 809 (811); Müller, JuS 1985, 275 (279); von Mutius, VerwArch 1978, 103 (110 f.); Ronellenfitsch, VerwArch 1991, 121 (143); Schoch, Vorl. Rechtsschutz, S. 688; Becker, ZBR 1993, 193 (197), wonach bei eingelegtem Widerspruch eine Besetzung der Planstelle in der Schwebe bleibt und es daher einstweiligen Rechtsschutzes gar nicht bedarf. 249 OVG Münster ZBR 1994, 25 (27); Schütz, DÖD 1958, 1 (7); vgl. auch Brockhaus, in Schütz, Teil C RdNr. 3 zu § 40. 250 OVG Münster ZBR 1994, 25 (27); gleicher Ansicht ist Brockhaus , in Schütz, Teil C RdNr. 2 zu § 40, der darauf hinweist, daß die Anordnung der sofortigen Vollziehung regelmäßig geboten sein dürfte. 248
112
Teil II,
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des gestellt werden. 251 Soweit dem Antrag stattgegeben wird, kommen Widerspruch und Anfechtung erneut aufschiebende Wirkung zu, so daß die Planstelle für eine mögliche Rückkehr des politischen Beamten in sein Amt freizuhalten ist.
4. Umfang der gerichtlichen
Überprüfung
Entscheidende Bedeutung kommt der Frage zu, in welchem Umfang die Maßnahme einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich ist. Wie bereits hervorgehoben, unterliegt die Feststellung der besonderen Eignung dem Beurteilungsspielraum der Behörde, die Entscheidung über das „ob" der Maßnahme ist hingegen in ihr Ermessen gestellt. 252 Soweit Entscheidungen mit Beurteilungsspielraum auf persönlichen Wertungen beruhen, die naturgemäß einer vollen Nachvollziehbarkeit entgegenstehen, sind sie nach allgemeiner Ansicht nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle zugänglich. 253 Daraus folgt für die gerichtliche Überprüfbarkeit der Versetzung in den einstweiligen Ruhestand, daß eine Beschränkung auf die Fälle des Mißbrauchs und der Willkür, in denen die Entscheidung auf rechtswidrige, nicht eignungsbedingte Gründe gestützt wird, zu erfolgen hat. 2 5 4 Im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle von Ermessensentscheidungen wird insbesondere überprüft, ob die Entscheidung am Zweck der gesetzlichen Ermächtigung ausgerichtet ist, da die Ermessensausübung nicht nach Belieben oder willkürlich erfolgen darf. 255 Folglich wird die Rechtsfolgenseite der Versetzung in den einstweiligen Ruhestand dahingehend gerichtlich überprüft, ob die Maßnahme auf fehlendem Vertrauen in die Eignung des politischen Beamten beruht und somit einer effektiven Umsetzung der Regie-
251
Vgl. BT-Drucksache 11/7030, S. 24 f.; Huba, JuS 1990, 805 (807); Kopp, VwGO, § 80 Rn. 95; Schoch, Vorl. Rechtsschutz, S. 1538. 252 Krause, DÖD 1981, 1993 (194); Nierhaus, JuS 1978, 596 (599 f.); Wacke, AöR 1966, 441 (486 ff.). 253 OVG Hamburg DVB1. 1955, 131; OVG Münster ZBR 1960, 124 f.; Brohm, DVB1. 1986, 321 (325); Erichsen in Erichsen/Martens Allg. VerwR, 9.A., § 10 Rn. 9; Erichsen, DVB1. 1985, 22 (23 f.); Schütz, in Schütz, Teil C RdNr. 14 zu § 180. 254 BVerfGE 8, 332 (357); Bernet, Die Polizei 1970, 350 (353); Summer in Fürst, GKÖD I, K § 36 Rz 14; Krause, DÖD 1981, 193 (194); Nierhaus, JuS 1978, 596 (600); Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, § 37 Rn. 1; Wacke, AöR 1966, 441 (489 f.). 255 Erichsen in Erichsen/Martens Allg. VerwR, 9.A., § 10 Rn. 16 und Rn. 17.
V. Rechtsschutz
113
rungspolitik dienen soll. 2 5 6 Soweit in Ausnahmefallen die Möglichkeit sofortiger anderweitiger Verwendung gerügt wird, unterfallt diese Rüge ebenfalls der gerichtlichen Nachprüfbarkeit, da insoweit die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgebots im Rahmen der Ermessensausübung in Frage steht. 257 Den betroffenen politischen Beamten trifft vor Gericht die Pflicht, substantiierte Darlegungen über die Umstände vorzutragen, aus denen sich ein rechtswidriges Gebrauchmachen vom Beurteilungs- oder Ermessensspielraum ergibt. 2 5 8 Soweit die Maßnahme von sachgerechten Erwägungen getragen wird, kann der betroffene Beamte einen Gegenbeweis nicht führen. 259 Eine Mindermeinung in der Literatur vertritt die restriktive Auffassung, daß die Maßnahme nur dahingehend gerichtlich überprüfbar sei, inwiefern der betroffene Beamte auch zum Kreis der politischen Beamten gehöre. 260 Eine weitergehende Überprüfbarkeit etwa auf Willkür wird ohne weitere Begründung nicht in Betracht gezogen.261 Eine derart restriktive Auffassung ist jedoch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten unhaltbar, da es mit rechtsstaatlichem Denken unvereinbar ist, wenn belastendem Verwaltungshandeln eine willkürliche oder mißbräuchliche Zielsetzung zugrundeliegt, ohne daß der Betroffene hiergegen Rechtsschutz in Anspruch nehmen könnte. Teilweise klingt in der Literatur auch die Auffassung an, daß die Möglichkeit einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfbarkeit des Beurteilungsoder Ermessensspielraums lediglich die Funktion eines „rechtsstaatlichen Feigenblattes" habe. 262 Eine solche Auffassung verkennt die Eigenart des politischen Beamten, dessen Einrichtung der effektiven Umsetzung der Regierungspolitik und damit politischen Gesichtspunkten Rechnung tragen soll. Zu Recht verweist Wiese auf eine Symmetrie zwischen Regierung und Parlament einerseits und Regierung und Verwaltungsspitze andererseits. 263 Wenn der Bundestag die Bundesregierung im Rahmen eines konstruktiven Mißtrauensvotums stürzen will, so sind die Gründe für diese Entscheidung der Bundestagsmehrheit, und seien sie noch so töricht, einer tatbestandlichen Nachprüf-
256
Vgl. BVerwG RiA 1982, 170; Nierhaus, JuS 1978, 596 (600); Wacke, AöR 1966, 441 (489). 257 Vgl. BVerwGE 19, 332 (335); BVerwG RiA 1982, 170 (171). 258 Vgl. BVerwG RiA 1982, 170 (172); Schunke, Die polit. Beamten, S. 377; Wakke, AöR 1966,441 (493); Wiese, DVB1. 1977, 718 (722). 259 Thiele, DÖD 1986, 257 (262). 260 Crisolli/Schwarz/Gerke, § 57 Rn. 5. 261 Vgl. Crisolli/Schwarz/Gerke, § 57 Rn. 5. 262 Thieme, polit. Beamte, S. 153; zustimmend auch Thiele, DÖD 1986, 257 (262). 263 Wiese, DVB1. 1977,718(720). X Prichc
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Teil II,
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barkeit entzogen, weil es sich um eine politische Entscheidung handelt. 264 Gleiches muß dann, rechtsstaatlich modifiziert, für das Verhältnis der Regierung zu ihren politischen (Spitzen-)Beamten gelten. Im übrigen kann auch in Anwendung dieses „rechtsstaatlichen Feigenblattes" die Versetzung eines politischen Beamten in den einstweiligen Ruhestand durchaus erfolgreich vor den Verwaltungsgerichten angegriffen werden. 265 Soweit dennoch Kritik am Umfang des Rechtsschutzes geäußert wird, beruht diese weniger auf einem abweichenden Verständnis der Einrichtung des politischen Beamten als vielmehr auf grundsätzlichen rechtspolitischen Bedenken.
VI. Rechtsfolgen - die Rechtslage im einstweiligen Ruhestand Der einstweilige Ruhestand beginnt grundsätzlich mit dem Tag der Bekanntgabe der Versetzungsverfügung, 266 weil dem Zweck der Regelung entsprechend eine möglichst schleunige Neubesetzung des Amtes angestrebt werden wird. 2 6 7 Im Einzelfall kann in der Verfügung ein anderer Zeitpunkt bestimmt werden, wobei zu beachten ist, daß ein späterer Tag als das Ende des dritten auf die Bekanntgabe folgenden Monats nicht bestimmt werden kann. 2 6 8 Bis zum Beginn des einstweiligen Ruhestandes kann die Versetzungsverfügung nicht nur im vollen Umfang zurückgenommen werden, 269 es kann auch nachträglich ein abweichender Zeitpunkt für den Beginn bestimmt werden. 270 Teilweise wird eine derartige zeitliche Verschiebung auf begründete Ausnahmefälle beschränkt, da der eigentliche Zweck der Regelung eine möglichst schleunige Umbesetzung des betroffenen Amtes erfordere. 271 264
Wiese, DVB1. 1977,718(720). Dies zeigt BVerwGE 52, 33 ff. 266 Vgl. die sachlich übereinstimmenden Vorschriften von Bund und Ländern: § 37 S. 1 BBG; § 62 LBG BW; § 73 S. 1 LBG BW; § 106 S. 1 LBG Brandenburg; § 41 b S. 1 BremBG; § 42 HmbBG; § 58 S. 1 HBG; § 41 S. 1 und 2 LBG M-V; § 48 S. 1 NBG; § 40 S. 1 LBG NW; § 51 Abs. 2 S. 1 LBG RhPf; § 59 Abs. 2 S. 1 SBG; § 61 SächsBG; § 37 BG LSA; § 49 Abs. 2 S. 1 LBG SchlH; § 42 S. 1 ThürBG. 267 Summer in Fürst, GKÖDI, K § 37 Rz 1. 268 Vgl. Fußnote 266. 269 Vgl. die entsprechenden Vorschriften von Bund und Ländern: § 37 S. 2 BBG; § 73 S. 2 LBG Berl; § 106 S. 2 LBG Brandenburg; § 41 b S. 2 BremBG; § 42 HmbBG; § 58 S. 2 HBG; § 41 S. 3 LBG M-V; § 48 S. 2 NBG; § 40 S. 2 LBG NW; § 51 Abs. 2 S. 2 LBG RhPf; § 59 Abs. 2 S. 2 SBG; § 60 i.V.m. 57 Abs. 2 SächsBG; § 38 BG LSA; § 49 Abs. 2 S. 2 LBG SchlH; § 42 S. 2 ThürBG. 270 Kümmel, in: Kümmel, NBG, § 48 Rn. 3; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, § 37 Rn. 1. 271 Summer in Fürst, GKÖD I, K § 37 Rz 1. 265
VI. Rechtsfolgen - die Rechtslage im einstweiligen Ruhestand
115
Obgleich die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand ebenso wie eine endgültige Ruhestandsversetzung wegen § 6 Abs. 4, § 35 BBG, § 21 Abs. 2 BRRG zu den Beendigungsgründen eines Beamtenverhältnisses gezählt wird, 2 7 2 , 2 3 erfolgt durch die Maßnahme keine Vollbeendigung, sondern lediglich eine statusrechtliche Umwandlung des Beamtenverhältnisses. 274 Mit der Versetzung in den einstweiligen Ruhestand endet für den politischen Beamten lediglich der aktive Beamtenstatus, und er tritt in ein verändertes Rechtsverhältnis mit eingeschränkten Rechten und Pflichten ein. 2 7 5 Sein Status und seine Funktion entsprechen nunmehr der Rechtsposition eines gewöhnlichen Ruhestandsbeamten.276 Unter den beamtenrechtlichen Ruhestandspflichten ist von besonderer Bedeutung für den politischen Beamten die Verschwiegenheitspflicht, 277 die einer nachträglichen Offenbarung politisch brisanter Einzelheiten entgegensteht. Während des einstweiligen Ruhestandes trifft den politischen Beamten im Gegensatz zum gewöhnlichen Ruhestandsbeamten die besondere Verpflichtung, einer erneuten Berufung in das aktive Beamtenverhältnis auf Lebenszeit nachzukommen. 278 ' 279 Diese Verpflichtung besteht allerdings nur, wenn dem
272
Die Ausführungsvorschriften der Länder sind: § 39 Abs. 2 LBG BW; § 63 Abs. 2 LBGBW; § 92 Abs. 1 Nr. 2 LBG Brandenburg; § 34 Abs. 2 BremBG; § 32 Abs. 2 HmbBG; § 38 Abs. 2 HBG; § 33 S. 1 Nr. 2 LBG M-V; § 35 Abs. 2 NBG; § 30 S. 2 LBG NW; §37 Abs. 2 LBGRhPf; §43 SBG; §38 Abs. 2 SächsBG; §6 Abs. 4 BG LSA; § 39 Abs. 2 LBG SchlH; § 5 Abs. 6 ThürBG. 273 Scheerbarth/Höffgen, Beamtenrecht, S. 503. 274 Brockhaus, in: Schütz, Teil C RdNr. 4 zu § 30, der auf den besonderen Wortlaut der §§ 6 Abs. 4 BBG, 21 Abs. 2 BRRG verweist, wonach die Beendigung des Beamtenverhältnisses „unter Berücksichtigung der die beamtenrechtliche Stellung der Ruhestandsbeamten regelnden Vorschriften" zu erfolgen hat. 275 Brockhaus, in: Schütz, Teil C RdNr. 4 zu § 30. 276 BVerwG RiA 1981, 170 (171); Kümmel, in: Kümmel, NBG, § 47 Rn.5; Brockhaus, in: Schütz, Teil C RdNr. lb zu § 40. 277 Vgl. § 61 BBG; § 39 BRRG und die entsprechenden Ausführungsgesetze der Länder: § 79 LBG BW; § 26 LBG Berl; § 25 LBG Brandenburg; § 61 BremBG; § 65 HmbBG; § 75 HBG; § 64 LBG M-V; § 68 NBG; § 64 LBG NW; § 70 LBG RhPf; § 75 SBG; § 78 SächsBG; § 61 BG LSA; § 77 LBG SchlH; § 63 ThürBG. 278 § 39 BBG; § 64 LBG BW; § 74 LBG Berl; § 107 LBG Brandenburg; § 41 d Abs. 1 BremBG; § 43 HmbBG; § 60 HBG; § 42 LBG M-V; § 50 NBG; § 42 S. 1 LBG NW; §53 LBGRhPf; §60 SBG; §63 SächsBG; §39 BG LSA; §51 LBG SchlH; § 43 ThürBG. 279 In der staatspolitischen Praxis wird von dieser Möglichkeit allerdings kaum Gebrauch gemacht. Beispielsweise wurden auf Bundesebene seit dem 1.11.1982 bis zum 8'
116
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.: Die Rechtslage bei den o l e n
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politischen Beamten ein Amt im Dienstbereich seines früheren Dienstherrn zugewiesen werden soll, das derselben oder einer mindestens gleichwertigen Laufbahn angehört wie das frühere Amt und mit mindestens demselben Endgrundgehalt verbunden ist. 2 8 0 Hingegen ist unerheblich, ob dem neuen Amt das gleiche oder vermeintliche gesellschaftliche Ansehen oder die besondere Wertschätzung in der Öffentlichkeit zukommt wie dem früheren Amt des politischen Beamten. 281 Insoweit scheint Summer eine weitergehende Auffassung zu vertreten, wenn er ohne weitere Begründung die Forderung aufstellt, daß das neue Amt dem Beamten zumutbar sein müsse. 282 Entsprechend der Zweckbestimmung dieser gesetzlichen Regelung über eine Reaktivierung für den aktiven Dienst soll jedoch lediglich ein gleichwertiges Amt gewährleistet werden, wobei sich die Gleichwertigkeit allein nach der Zuordnung zu einer bestimmten Besoldungsgruppe beurteilt. 283 Damit kommt es allein auf eine besoldungsrechtliche Gleichwertigkeit der Ämter an, hingegen nicht auf weitergehende Zumutbarkeitserwägungen. Auf Landesebene kann die erneute Berufung in das aktive Beamtenverhältnis unter bestimmten Voraussetzungen von der Zustimmung des Beamten abhängig gemacht werden. So gründet sich ein Zustimmungserfordernis entweder wie in Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz darauf, daß der einstweilige Ruhestand bereits seit fünf Jahren andauert, 284 oder es wird wie in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen oder Rheinland-Pfalz auf die Vollendung eines bestimmten Lebensalters (62. oder 63. Lebensjahr) abgestellt. 285 Zuletzt besteht die Möglichkeit, dem Beamten auf dessen Wunsch oder mit dessen Zustimmung ein unterwertiges Amt zuzuweisen. 286 Soweit der Beamte einer erneuten Berufung in das aktive Beamtenverhältnis nicht nachkommt, gilt ein solches Verhalten als Dienstvergehen. 287 30.6.1992 sechsundvierzig politische Beamte in den einstweiligen Ruhestand versetzt, wovon nur zwei Beamte reaktiviert wurde. Hierzu auch Teil II A VII dieser Arbeit. 280 Vgl. Fußnote 278. 281 OVG Rheinland-Pfalz ZBR 1982, 204 (205 f.); Kümmel, in: Kümmel, NBG, § 50 Rn. 2.1; Brockhaus, in: Schütz, Teil C RdNr. 2 zu § 42. 282 Summer in Fürst, GKÖDI, K § 39 Rz 5. 283 OVG Rheinland-Pfalz DÖD 1982, 204 (205). 284 §60 i.V.m. §54 Abs. 2 S. 2 HBG; § 42 S. 3 LBGNW; §53 Abs. 1 S. 2 LBG RhPf. 285 § 64 i.V.m. § 56 Abs. 1 S. 2 LBG BW; § 42 S. 3 LBGNW; § 53 Abs. 1 S. 2 LBG RhPf. 286 Kümmel, in: Kümmel, NBG, § 50 Rn. 3. 28 ' § 77 Abs. 2 Nr. 4 BBG; § 95 Abs. 2 Nr. 4 LBG BW; § 40 Abs. 2 Nr. 4 LBG Berl; § 43 Abs. 2 Nr. 4 LBG Brandenburg; § 76 Abs. 2 Nr. 4 BremBG; § 81 Abs. 2 Nr. 4 HmbBG; § 90 Abs. 2 Nr. 4 HBG; § 85 Abs. 2 Nr. 4 LBG M-V; § 85 Abs.
VE. Statistisches Material
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Mit Erreichen der Altersgrenze tritt der in den einstweiligen Ruhestand versetzte politische Beamte endgültig in den Ruhestand. 288
V I I . Statistisches Material zur Versetzung politischer Beamter in den einstweiligen Ruhestand Die Versetzung politischer Beamter in den einstweiligen Ruhestand auf Bundesebene hat für den Zeitraum von 1949-1983 eine umfangreiche statistische Auswertung erfahren. 289 In nachfolgender Tabelle wird die Zahl der Versetzungen in den einstweiligen Ruhestand auf Bundesebene bis 1983 wiedergegeben: 290
Zeitraum
Zahl der Versetzungen in den einstweiligen Ruhestand
1949-1968
51
1969-1979
150
1979-1981
11
1981-1982
0
1982
42
1983
6
Entsprechendes Anschluß- oder Ergänzungsmaterial wurde bisher nicht veröffentlicht. Das Bundeskanzleramt hat mir freundlicherweise Zahlenmaterial zur Verfügung gestellt, das im Zuge einer mündlichen Anfrage des Bundestagsabgeordneten Wallow im Juli 1992 vom Bundesministerium des Innern bei den obersten Bundesbehörden erhoben wurde. 291 Die Statistik kann somit bis zum 30.6.1992 ergänzt werden:
2 Nr. 4 NBG; § 83 Abs. 2 Nr. 4 LBG NW; § 85 Abs. 2 Nr. 4 LBG RhPf; § 92 Abs. 2 Nr. 4 SBG; § 96 Abs. 2 Nr. 5 SächsBG; § 77 Abs. 2 Nr.4 BG LSA; § 93 Abs. 2 Nr. 4 LBG SchlH; § 81 Abs. 2 Nr. 4 ThürBG. 288 § 41 Abs. 5 BBG; § 32 Abs. 2 BRRG. 289 Derlien, DÖV 1984, 689 ff.; auch Schunke, Die polit. Beamten, S. 270 hat für den Zeitraum 1953-1972 eine eingeschränkte statistische Auswertung vorgenommen. 290 Die Daten wurden von Derlien, DÖV 1984, 689 (691) übernommen. 291 Mitgeteilt durch Schreiben des Bundesministers Friedrich Bohl, Chef des Bundeskanzleramtes, vom 17.1.1994.
118
Teil II,
.: Die Rechtslage bei den o l e n
eamten
Anfrage: Frage 1: Zahl der Beamten des Bundes, die seit dem 1.11.1982 bis zum 30.6.1992 in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden sind. 2 9 2 Frage 2: Zahl der erneuten Berufungen nach § 39 BBG. Behörde: 1. Bundeskanzleramt 2. Auswärtiges Amt 3. BM der Justiz 4. BM der Finanzen 5. BM für Wirtschaft 6. BM für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 7. BM für Arbeit und Sozialordnung 8. BM für Verteidigung 9. BM für Familien und Senioren 10. BM für Frauen und Jugend 11. BM für Gesundheit 12. BM für Verkehr 13. BM für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit 14. BM für Post und Telekommunikation 15. BM für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau 16. BM für Forschung und Technologie 17. BM für Bildung und Wissenschaft 18. BM für Wirtschaftliche Zusammenarbeit 19. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung 20. Bundesrechnungshof 21. Bundespräsidialamt 22. Bundestag 23. Bundesrat 24. Bundesverfassungsgericht 25. BM des Innern Summe:
292
Frage 1
Frage 2
7 2 entf. 3 entf. 2 2 3 entf. 2 1 2
1 entf. entf. entf. entf. entf. entf. entf. entf. entf. entf. entf.
entf. 2
entf. entf.
5 2 1 3
entf. entf. entf. entf.
3 entf. 1 entf. entf. entf. 5 46
entf. entf. entf. entf entf. entf. 1 2
Gesondertes Zahlenmaterial für den Zeitraum vom 1.1.1982 bis zum 31.10.1982 ist leider nicht verfügbar. Insoweit kommt es für den Zeitraum ab dem 1.11.1982 zu Überschneidungen mit dem auf S. 117 veröffentlichten Zahlenmaterial.
I. Vorzeitige Amtsbeendigung durch einen Abberufungsbeschluß
119
B. Die Rechtslage bei den kommunalen Wahlbeamten unter Ausschluß der versorgungsrechtlichen Lage In allen Bundesländern mit Ausnahme von Bayern besteht die Möglichkeit, kommunale Wahlbeamte gegen ihren Willen vorzeitig aus dem aktiven Dienst zu entfernen. Während eine vorzeitige Amtsbeendigung in Brandenburg, Hessen, Sachsen und Thüringen bei den direktgewählten Wahlbeamten durch einen Bürgerentscheid, in Baden-Württemberg durch ein förmliches Verwaltungsverfahren und in Sachsen-Anhalt sowohl durch Bürgerentscheid als auch durch ein Verwaltungsverfahren erfolgen kann, wird in den übrigen Bundesländern die vorzeitige Amtsbeendigung der durch die Kommunalvertretung gewählten Wahlbeamten durch einen Abberufungsbeschluß der Kommunalvertretung ermöglicht.
I. Vorzeitige Amtsbeendigung durch einen Abberufungsbeschluß der Kommunalvertretung Nachfolgend wird untersucht, welchen formellen und materiellen Vorgaben die Abberufungsregelungen unterliegen, welche rechtlichen Konsequenzen sich für den abberufenen Wahlbeamten ergeben und welche Rechtsschutzmöglichkeiten offenstehen.
1. Formelle Voraussetzungen Der Ämterkreis der Wahlbeamten, die einer Abberufungsregelung unterfallen, sowie die formellen Voraussetzungen für eine Abberufung sind länderweise unterschiedlich geregelt. Deshalb werden nachfolgend zunächst die verschiedenen Länderregelungen vorgestellt, anschließend ähnliche Verfahrenselemente einander in Gruppen zugeordnet, um durch eine solchermaßen bewirkte Vereinheitlichung eine gewisse Vergleichbarkeit herzustellen.
a) Formelle Voraussetzungen in den Bundesländern Die Abberufüngsregelungen haben in den Bundesländern eine unterschiedliche Ausgestaltung erfahren, was darauf zurückzuführen ist, daß bei ihrer Einführung nach 1945 weder auf gewachsene historische Vorbilder zurückgegriffen werden konnte, noch die Länder sich wegen des uneinheitlichen Eingangs in die Kommunalverfassungen aufeinander abgestimmt haben.
120
Teil II, B.: Die Rechtslage bei den kommunalen Wahlbeamten aa) Berlin
Die Mitglieder des Bezirksamtes (Bezirksbürgermeister und Bezirksstadträte) können durch die Bezirksverordnetenversammlung mit einer Mehrheit von zwei Dritteln ihrer verfassungsmäßigen Mitgliederzahl abberufen werden. 293 Dem Abberufiingsbeschluß muß eine zweimalige Beratung vorausgegangen sein, wobei zwischen den beiden Beratungen eine Frist von mindestens vierzehn Tagen verstrichen sein muß.
bb) Brandenburg In diesem Bundesland können auf Gemeindeebene die Beigeordneten, auf Kreisebene sowohl der Landrat als auch die Beigeordneten durch die Kommunalvertretung abberufen werden. 294 Hingegen unterliegt der Bürgermeister wegen seiner Direktwahl keiner Abberufungsmöglichkeit durch den Gemeinderat. Stattdessen kann er durch Entscheid der Gemeindebürger abgewählt werden. 295 Der Abberufungsantrag kann von der Mehrheit der gesetzlichen Mitgliederzahl des Gemeinderates oder des Kreistages gestellt werden. Außerdem kann die Abberufung eines Beigeordneten auch durch den hauptamtlichen Bürgermeister oder den Landrat beantragt werden. Zwischen Antragstellung und Beschlußfassung muß eine Frist von mindestens sechs Wochen liegen. Eine vorherige Aussprache hat zu unterbleiben, wobei der Abberufungsbeschluß einer Mehrheit von zwei Dritteln der gesetzlichen Mitgliederzahl des Kommunalparlaments bedarf.
cc) Bremerhaven (Bremen) Hauptamtliche Magistratsmitglieder können mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung abberufen werden. 2 9 6 Diese Mehrheit muß in zwei aufeinanderfolgenden Sitzungen, die mindestens vier Wochen auseinander liegen müssen, erreicht worden sein. Wirksam wird die Abberufung mit der Mitteilung des Abberufungsbeschlusses an den Wahlbeamten.
293
§ 35 Abs. 3 Bezirksverwaltungsgesetz vom 17.7.1989, GVB1. 1989, 1494 (1497). § 70 Abs. 3 BbgGO i.d.F.v. 15.10.1993, GVB1. 1993, 398 (418); §§ 51 Abs. 3, 59 Abs. 3 BbgLKrO i.d.F.v. 14.2.1994, GVB1. 1994, 34. 295 § 62 S. 3 BbgGO i.V.m. § 81 BbgKWahlG, vgl. hierzu die Ausführungen unter Teil II B II 1 a dieser Arbeit. 296 § 6 Abs. 6 S. 2 BremBG vom 26.7.1992, GBl. 1992, 255. 294
I. Vorzeitige Amtsbeendigung durch einen Abberufungsbeschluß
121
dd) Hamburg Dem Bezirksamtsleiter kann dadurch das Mißtrauen ausgesprochen werden, daß mit der Mehrheit der gesetzlichen Mitglieder der Bezirksversammlung ein Nachfolger gewählt wird. 2 9 7 Soweit dieses geschieht, 298 ist der Bezirksamtsleiter vom Senat auf Vorschlag der Bezirksversammlung aus dem Amt abzuberufen. Da den Hamburger Bezirken als nicht rechtsfähigen Verwaltungseinheiten - im Gegensatz zu Berlin - keine Personalhoheit zusteht, muß die Abberufung des Bezirksamtsleiters und die Bestellung eines Nachfolgers durch den Senat erfolgen, so daß die Funktion der Bezirksversammlung bei rechtlicher Betrachtung auf ein bloßes Mitwirkungs- und Vorschlagsrecht beschränkt
ee) Hessen Die Rechtslage in Hessen gestaltet sich derzeit sehr differenziert. Auf Gemeinde- und Kreisebene können hauptamtliche Beigeordnete durch die Gemeindevertretung oder den Kreistag vorzeitig abberufen werden. 300 Der entsprechende Antrag bedarf mindestens der Hälfte der gesetzlichen Zahl der Gemeinderats- oder Kreistagsmitglieder. Für den Abberufungsbeschluß ist grundsätzlich eine Mehrheit von zwei Dritteln der gesetzlichen Zahl der Mitglieder der jeweiligen Vertretungskörperschaft erforderlich. Über die Abberufung ist zweimalig zu beraten und abzustimmen, wobei zwischen beiden 297
§35 Änderungsgesetz zum Bezirksverwaltungsgesetz vom 26.1.1987, GVB1. 1987, 11 i.V.m. dem Bezirksverwaltungsgesetz vom 22.5.1978, GVB1. 1978, 178 ff. z.g.d.G.v. 14.9.1988. 298 Bemerkenswert ist die Tatsache, daß in Hamburg seit 1949 von der Abberufungsmöglichkeit kein Gebrauch gemacht worden ist (für den Zeitraum bis 1980, Lange, Selbstverwaltung, S. 115; für den Zeitraum 1981-1992, Auskunft vom 29.6.1993 durch Herrn Meyer-Schütt, Justitiar beim Amt für Bezirksangelegenheiten). Sofern es in der Vergangenheit ausnahmsweise zu Spannungen zwischen dem Bezirksamtsleiter und der Bezirksversammlung gekommen ist, wurde stets das Ende der Amtszeit abgewartet (Auskunft durch Herrn Meyer-Schütt). 299 Allerdings entspricht es der kommunalverfassungsrechtlichen Praxis, daß der aktive Part des Senats bei der Bestellung der Bezirksamtsleiter auf die Funktion eines Notars beschränkt ist (vgl. Lange, Selbstverwaltung, S. 168 ff.), so daß auch für den zukünftigen Fall einer Abberufung angenommen werden kann, daß die von der Bezirksversammlung getroffene Entscheidung lediglich vom Senat „beurkundet" wird. 300 §76 Abs. 1 HGO i.d.F.v. 20.5.1992, GVB1. 1992, 170 (173) z.g.d.G.v. 21.12.1994 und §49 Abs. 1 HKO i.d.F.v. 20.5.1992, GVB1. 1992, 170 (177) z.g.d.G.v. 21.12.1994.
122
Teil ,B.: Die Rechtslage bei den kommunalen Wahlbeamten
Terminen mindestens vier Wochen verstrichen sein müssen. Der Wahlbeamte scheidet mit Ablauf des Tages aus dem Amt, an dem die Abberufung zum zweitenmal beschlossen wurde. Darüber hinaus besteht in Gemeinden mit mehr als fünfzigtausend Einwohnern und in Landkreisen die Möglichkeit, innerhalb von sechs Monaten nach Beginn der Wahlzeit der Vertretungskörperschaft die hauptamtlichen Beigeordneten mit einfacher Mehrheit abzuberufen. 301 Allerdings erfordert auch diese erleichterte Abberufungsmöglichkeit zwei Abstimmungen in mindestens vierwöchigem Abstand. 302 Seit dem 2.5.1993 werden die Bürgermeister und Landräte nicht mehr mittelbar durch den Gemeinderat oder den Kreistag gewählt, sondern gehen unmittelbar aus einer Direktwahl durch das Volk hervor. 303 Für diese direktgewählten Wahlbeamten besteht nur noch die Möglichkeit einer Abwahl durch Bürgerentscheid. 304 Soweit noch mittelbar gewählte Bürgermeister und Landräte im Amt sind, können diese entsprechend der Abberufungsregelung für hauptamtliche Beigeordnete durch den Gemeinderat oder den Kreistag entweder mit einer Zweidrittelmehrheit 305 oder im Anschluß an die Kommunalwahl mit einfacher Mehrheit abberufen werden 306 .
ff) Mecklenburg-Vorpommern Hauptamtliche Bürgermeister, Landräte und hauptamtliche Beigeordnete können mit einer Mehrheit von zwei Dritteln aller Gemeindevertreter oder 301
§ 76 Abs. 2 HGO, § 49 Abs. 2 HKO; laut Auskunft vom 26.8.1993 durch Herrn Becker, Geschäftsführer der kommunalpolitischen Vereinigung Hessen, wurde im Anschluß an die Kommunalwahlen vom 7.3.1993 von dieser Abberufüngsmöglichkeit auf Kreisebene zahlreich Gebrauch gemacht. 302 Schlempp, HGO, § 76 Erl. I. 303 § 39 Abs. 1 S. 1 HGO i.d.F.v. 20.5.1992, GVB1. 1992, 170 (171); § 37 Abs. 1 S. 1 HKO i.d.F.v. 20.5.1992, GVB1. 1992, 170 (176); hierzu Teil II A D 1 b dieser Arbeit. 304 § 76 Abs. 4 HGO i.d.F.v. 20.5.1992, GVB1. 1992, 170 (173); § 49 Abs. 4 HKO i.d.F.v. 20.5.1992, GVB1. 1992, 170 (177). 305 § 76 Abs. 1 HGO vom 1.4.1981, GVB1. 1981, 66 (82 f.) und § 49 Abs. 1 HKO vom 1.4.1981, GVB1. 1981, 97 (106); hierzu auch Schlempp, HGO, § 76 Fußnote 1. Zur Abberufung des Frankfurter Oberbürgermeisters Andreas von Schoeler, der am 15.3.1995 die eigene Abberufung angeregt hatte, um den Weg frei für die ersten Direktwahlen zu machen (FAZ vom 16.3.1995, S. 1), vgl. Teil II B 12 a aa dieser Arbeit. 306 § 76 Abs. 2 HGO; § 49 Abs. 2 HKO.
I. Vorzeitige Amtsbeendigung durch einen Abberufungsbeschluß
123
Kreistagsmitglieder abberufen werden. 307 Vorauszugehen hat ein Antrag von mehr als der Hälfte der Mitglieder der Kommunalvertretung, wobei zwischen Antrag und Abstimmung mindestens zwei Wochen liegen müssen. Mit dem Tag der Abberufung treten die Wahlbeamten in den einstweiligen Ruhestand.
gg) Niedersachsen Der Gemeindedirektor oder der Oberkreisdirektor kann in einer Sondersitzung des Gemeinderates oder des Kreistages vorzeitig durch namentliche Abstimmung abberufen werden. 3 0 8 , 3 0 9 Hierzu sind eine Antragstellung und Beschlußfassung der Vertretungskörperschaft mit einer Mehrheit von drei Vierteln der Mitglieder erforderlich. Eine vorherige Aussprache findet nicht statt. Ebenso ist eine Vorbereitung der Beschlußfassung durch den Verwaltungs- oder Kreisausschuß nicht erforderlich, da die Abberufung innerorganisatorischen Charakter hat. 3 1 0 Zwischen der Antragstellung und der Beschlußfassung muß mindestens eine Zwei-Wochen-Frist liegen. Mit Ablauf des Tages, an dem die Beschlußfassung erfolgt ist, scheidet der Gemeinde- oder Oberkreisdirektor aus dem Amt.
hh) Nordrhein-Westfalen Bislang sah die nordrhein-westfalische Kommunalverfassung auf Gemeindeund Kreisebene eine „doppelte Spitze" vor. 3 1 1 Danach bestand eine funktionelle Trennung zwischen dem Vorsitzenden der Kommunalvertretung - Bürgermeister oder Landrat - und dem beamteten Verwaltungschef - Gemeindedirektor oder Oberkreisdirektor. Seit 1994 können Gemeinderat und Kreistag darüber entscheiden, ob sie dem bisherigen Kommunalverfassungsmodell einer „doppelten Spitze" folgen, respektive Bürgermeister oder Landrat zugleich
307
§§32 Abs. 4, 110 Abs. 4 KV M-V vom 18.2.1994, GVB1. 1994, 249 (259 f., 275); Bürgermeister und Landräte unterliegen allerdings nur bis 1999 einer Abberufungsmöglichkeit, da ab diesem Zeitpunkt die Hauptverwaltungsbeamten gemäß §§ 39 a, 116 a K-V M-V aus einer Direktwahl hervorgehen werden. 308 § 61 Abs. 2 NGO vom 22.6.1982, GVB1. 1982, 230 (243) z.g.d.G.v. 9.9.1993 und § 55 Abs. 2 NLO vom 22.6.1982, GVB1. 1982,257 (267) z.g.d.G.v. 9.9.1992. 309 Vgl. zur Entwicklung der niedersächischen Abberufungsregelung Teil I B V 4, Teil m B11 a gg, Teil m B 11 d bb dieser Arbeit. 310 Engel, in: Engel/Fey, § 55 Rn. 30. 311 Gemeinde- und Kreisordnung vom 13.8.1984, GVB1. 1984, 475 ff., 497 ff. z.g.d.G.v. 16.12.1992; hierzu auch Schmidt-Eichstaedt/Stade/Borchmann, NRW, S. 1 f.
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Teil II, B.: Die Rechtslage bei den kommunalen Wahlbeamten
zum Hauptverwaltungsbeamten machen wollen. 3 1 2 Sofern die Kommunalvertretung die Doppelspitze beibehält, bleiben insoweit die bisherigen Vorschriften der Gemeindeordnung und Kreisordnung über die Rechtsstellung des Gemeindedirektors und Bürgermeisters sowie Oberkreisdirektors und Landrats in Kraft; 3 1 3 anderenfalls gilt die neue Kommunalverfassung von 1994. 314 Ab 1999 entfällt obige Wahlmöglichkeit: der Hauptverwaltungsbeamte wird zugleich Vorsitzender der Kommunalvertretung sein und aus einer Direktwahl hervorgehen. 315 Entsprechend dieser kommunalverfassungsrechtlichen Übergangslage auf Gemeinde- und Kreisebene können derzeit der Gemeindedirektor 316 und Beigeordnete 317, der Oberkreisdirektor 318 , der Kreisdirektor 319 sowie hauptamtliche Bürgermeister und Landräte 320 durch die Kommunalvertretung abberufen werden. Darüber hinaus bestehen in Nordrhein-Westfalen höhere Gemeindeverbände, deren Wahlbeamte gleichfalls einer Abberufungsmöglichkeit unterliegen: der Direktor eines Landschaftsverbandes oder ein Landesrat 321 und der Verbandsdirektor oder ein Beigeordneter des Kommunalverbandes Ruhrgebiet 3 2 2 . Nach Einführung der Direktwahl von Bürgermeistern und Landräten ab 1999 kann eine vorzeitige Amtsbeendigung bei diesen direktgewählten Wahlbeamten nicht mehr durch einen Abberufimgsbeschluß der Kommunal-
312
Art. VII des Gesetzes zur Änderung der Kommunalverfassung vom 17.5.1994, GVB1. 1994, 270 (308 f.). 313 Art. VII Abs. 5 S. 3 des Gesetzes zur Änderung der Kommunalverfassung vom 17.5.1994 i.V.m. Gemeindeordnung und Kreisordnung vom 13.8.1984. 314 Art. VII Abs. 4 des Gesetzes zur Änderung der Kommunalverfassung vom 17.5.1994 i.V.m. Gemeinde- und Kreisordnung vom 14.7.1994, GVB1. 1994, 666 ff., 646 ff. Soweit nachfolgend Vorschriften der nordrhein-westfalischen Gemeinde- oder Kreisordnung ohne Datumsangabe zitiert werden, sind diese der Kommunalverfassung vom 14.7.1994 entnommen. 315 Art. VE Abs. 3 des Gesetzes zur Änderung der Kommunal Verfassung vom 17.5.1994. 316 § 49 Abs. 4 GO NW vom 13.8.1984, GVB1. 1984, 475 (486) z.g.d.G.v. 3.4.1992. 317 § 71 Abs. 7 GO NW vom 14.7.1994, GVB1. 1994, 666 (680). 318 §38 Abs. 5 KrONW vom 13.8.1984, GVB1. 1984, 497 (504) z.g.d.G.v. 16.12.1992. 319 § 47 Abs. 2 KrONW vom 14.7.1994, GVB1. 1994,646(655). 320 §66 Abs. 2 GO NW vom 14.7.1994, GVB1. 1994, 666 (679); §45 Abs. 2 KrONW vom 14.7.1994, GVB1. 1994, 646 (655). 321 § 20 Abs. 3 Landschaftsverbandsordnung vom 14.7.1994, GVB1. 1994, 657. 322 § 24 Abs. 4 Kommunalverbandsgesetz Ruhrgebiet vom 14.7.1994, GVB1. 1994. 640 (645).
I. Vorzeitige Amtsbeendigung durch einen Abberufungsbeschluß
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Vertretung, sondern nur noch durch einen Abwahlentscheid der Bürger herbeigeführt werden. 323 Trotz der Vielzahl abrufbarer Wahlbeamter gestaltet sich das Verfahren einheitlich. Der Antrag auf Abberufung kann nur von der Mehrheit der gesetzlichen Zahl der Mitglieder des Gemeinderates, Kreistages, der Landschafts- oder Verbandsversammlung gestellt werden. Der Abberufungsbeschluß, über den ohne Aussprache entschieden wird, bedarf einer Mehrheit von zwei Dritteln der gesetzlichen Mitgliederzahl. Zwischen dem Antrag und dem Beschluß muß ein Zeitraum von mindestens sechs Wochen liegen. Die Abberufung wird frühestens mit der Zustellung der entsprechenden Mitteilung, spätestens mit dem Ende der drei Monate, die auf den Monat der Zustellung folgen, wirksam. 324
ii) Rheinland-Pfalz Nachdem seit dem 12.6.1994 die Bürger auf Gemeinde- und Kreisebene die Möglichkeit haben, Bürgermeister und Landräte direkt zu wählen oder abzuwählen, können nunmehr nur noch hauptamtliche Gemeinde- und Kreisbeigeordnete durch die Kommunalvertretung abberufen werden. 325 Zu einer Abberufung bedarf es einer Antragstellung durch wenigstens die Hälfte der gesetzlichen Zahl der Mitglieder des Gemeinderates oder des Kreistages. 326 Der Abberufungsbeschluß muß nach namentlicher Abstimmung mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der gesetzlichen Zahl der Mitglieder gefaßt werden. Zwischen Antragstellung und Beschlußfassung müssen mindestens zwei Wochen liegen. Der Beigeordnete scheidet nach Ablauf des Tages, an dem die Abberufung beschlossen wurde, aus seinem Amt.
jj) Saarland Von einer möglichen Abberufung durch die Kommunalvertretung sind hier lediglich hauptamtliche Beigeordnete und Stadtverbandsbeigeordnete betroffen, 327 da seit Juni 1994 die Hauptverwaltungsbeamten - Bürgermeister, Land323
Hierzu Teil II A II 1 c dieser Arbeit. Brockhaus, in: Schütz, Teil C RdNr. 3 zu § 40. 325 §§ 53 Abs. 1, 55 GemORhPf vom 31.1.1994, GVB1. 1994, 153 (170 f.); §§46 Abs. 1, 49LKORhPf vom 31.1.1994, GVB1. 1994, 188 (203 f.); vgl. zur Abwahl die Ausführungen unter Teil II A II 1 d dieser Arbeit. 326 § 55 Abs. 2 GemORhPf, § 49 Abs. 2 LKORhPf. 327 §§ 68 a, 214 Abs. 2 S. 6 SaarlKSVG i.d.F.v. 11.5.1994, ABl. 1994,818(819). 324
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Teil II, B.: Die Rechtslage bei den kommunalen Wahlbeamten
rate und Stadtverbandspräsidenten - direkt durch die Bürger gewählt und abgewählt werden können. 328 Der schriftliche Abberufüngsantrag muß von mindestens der Hälfte der gesetzlichen Zahl der Mitglieder der jeweiligen Vertretungskörperschaft gestellt werden. Über die Abberufung ist in einer besonderen Sitzung zweimal zu beraten und namentlich abzustimmen. Die Abberufüngsentscheidung bedarf einer Zweidrittelmehrheit der gesetzlichen Mitgliederzahl. Zwischen den beiden Beratungs- und Abstimmungsterminen muß ein Zeitraum von ein bis zwei Monaten liegen. Der Wahlbeamte scheidet an dem Tag aus dem Amt, an dem seine Abberufung zum zweitenmal beschlossen wird.
kk) Sachsen In Sachsen beschränkt sich wegen der Direktwahl von Bürgermeister und Landrat die Abberufungsmöglichkeit für den Gemeinderat oder den Kreistag auf die Beigeordneten. 329 Die Hauptverwaltungsbeamten können allerdings von den Bürger vorzeitig abgewählt werden. 330 Der Antrag auf Abberufung muß mit der Mehrheit der Mitglieder der Kommunalvertretung gestellt werden, während die Beschlußfassung durch zwei Drittel der Mitglieder zu erfolgen hat. Über die Abberufung ist im Mindestabstand von vier Wochen zweimal zu beraten und zu beschließen. Mit Ablauf des Tages der zweiten Beschlußfassung scheidet der Beigeordnete aus dem Amt.
11) Schleswig-Holstein Mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der gesetzlichen Zahl ihrer Mitglieder kann die Gemeindevertretung den Bürgermeister und hauptamtliche Stadträte, der Kreistag den Landrat aus dem Amt abberufen. 331 Der Abberufüngsantrag muß auf der Tagesordnung gestanden haben. Weiterhin ist eine zweimalige Beratung und Beschlußfassung erforderlich, wobei zwischen beiden Terminen ein Zeitraum von mindestens vier Wochen zu liegen hat. Der Wahlbeamte
328
§§ 58, 177 Abs. 3, 212 Abs. 3 SaarlKSVG; vgl. hierzu die Ausführungen unter Teil II A II 1 e dieser Arbeit. 329 § 51 Abs. 7 bis 9 SächsGemO vom 21.4.1993, GVB1. 1993, 301 (311) z.g.d.G.v. 15.7.1994; §47 Abs. 6 bis 8 SächsLKrO vom 19.7.1993, GVB1. 1993, 577 (586) z.g.d.G.v. 19.4.1994. 330 Hierzu Teil II A m f. 331 § 40 aGOSchlH vom 2.4.1990, GVB1. 1990, 159 (171) z.g.d.G.v. 21.6.1994 und § 35 a KrOSchlH vom 2.4.1990, GVB1. 1990, 193 (201 f.) z.g.d.G.v. 6.12.1991.
I. Vorzeitige Amtsbeendigung durch einen Abberufungsbeschluß
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scheidet an dem Tag aus dem Amt, an dem die Abberufung zum zweitenmal beschlossen worden ist. Seit dem 1.4.1990 besteht in Schleswig-Holstein auf Gemeinde- und Kreisebene die Möglichkeit, in bedeutenden Fragen der kommunalen Selbstverwaltung einen Bürgerentscheid herbeizuführen. 332 Die Rechtsverhältnisse der kommunalen Wahlbeamten sind jedoch ausdrücklich von dieser Möglichkeit der direkten Einflußnahme durch die Bürger ausgenommen worden. 333 Damit kann die Abberufung auch weiterhin nur durch den Gemeinderat oder den Kreistag beschlossen werden.
mm) Thüringen Da die kommunalen Hauptverwaltungsbeamten aus einer Direktwahl hervorgehen und entsprechend dieser Regelung einer Abwahlmöglichkeit durch die Bürger ausgesetzt sind, 3 3 4 können lediglich die hauptamtlichen Beigeordneten auf Gemeinde- und Kreisebene vorzeitig abberufen werden. 335 Die Antragstellung hat mit einfacher Mehrheit der Mitglieder der Kommunalvertretung zu erfolgen. Der Abberufungsbeschluß ist mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder der Kommunalvertretung zu fassen. Die Abberufung wird erst nach zweimaliger Beratung und Beschlußfassung wirksam, wobei zwischen beiden Beratungen eine Frist von mindestens zwei Wochen liegen muß. Mit Ablauf des Tages der zweiten Beschlußfassung scheidet der hauptamtliche Beigeordnete aus dem Amt.
b) Formelle Voraussetzungen im einzelnen Die Bundesländer haben dem Abberufungsbeschluß unterschiedliche Modalitäten vorangestellt. Dennoch lassen sich bei länderübergreifender Betrachtungsweise gemeinsame Kernelemente des Verfahrens hervorheben. 336 332
Art. 1 Nr. 11/12 (§§ 16 f, g GOSchlH), Art. 2 Nr. 8/9 (§§ 16 e, f KrOSchlH) des Gesetzes zur Änderung des kommunalen Verfassungsrechts vom 23.3.1990, GVB1. 1990, 134 (135 f., 146 f.). 333 § 16 g Abs. 2 Nr. 6 GOSchlH; § 16 f Abs. 2 Nr. 5 KrOSchlH. 334 Hierzu Teil II A II 1 h dieser Arbeit. 335 § 28 Abs. 6 und § 106 Abs. 3 ThürKO vom 16.8.1993, GVB1. 1993, 501 (510, 526). 336 Soweit nachfolgend auch die Modalitäten von Brandenburg, Hessen, Sachsen und Thüringen in die Betrachtung einbezogen werden, sind hiermit nur die Abberufungsregelungen für mittelbar gewählte Wahlbeamte gemeint.
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Teil II, B.: Die Rechtslage bei den kommunalen Wahlbeamten aa) Antragstellung
Bereits die Stellung des Abberufungsantrags kann von dem Vorliegen bestimmter Mehrheiten abhängig gemacht werden. In Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen und Thüringen ist für die Antragstellung die einfache Mehrheit der gesetzlichen Mitgliederzahl des Kommunalparlaments erforderlich, 337 in Niedersachsen müssen sogar 3/4 der Mitglieder den Antrag stellen. 338 In diesem Zusammenhang ist die besondere Antragsbefugnis des Hauptverwaltungsbeamten in Brandenburg bemerkenswert, der - bundesweit einmalig seine Beigeordneten zur Disposition der Kommunalvertretung stellen kann. 3 3 9 Da schon die Wahl der Beigeordneten auf Vorschlag des Hauptverwaltungsbeamten erfolgt, 340 ist es nur konsequent, diese personalpolitische Einflußmöglichkeit auf die Einleitung des Abberufungsverfahrens auszudehnen.
bb) Anhörungspflicht Die Abberufungsvorschriften kennen durchgängig keine besondere Anhörungspflicht. Deshalb besteht kein Anspruch auf mündliche Anhörung vor dem Gemeinderat oder Kreistag. 341 Allerdings ist der Wahlbeamte über die Stellung des Abberufungsantrags zu unterrichten, damit er die Möglichkeit zu einer schriftlichen Stellungnahme hat und sich gegebenenfalls Gehör in der Kommunalvertretung verschaffen kann. 3 4 2 Die Unterrichtung über den Abberufungsantrag muß frühzeitig erfolgen, damit ausreichend Zeit verbleibt, um das verlorengegangene Vertrauen zurückzugewinnen. 337 § 70 Abs. 3 S. 2 BbgGO; §§ 51 Abs. 3 S. 2, 59 Abs. 3 S. 2 BbgLKrO; § 76 Abs. 1 S. 2 HGO; § 49 Abs. 1 S. 2 HKO; §§ 32 Abs. 4 S. 1, 110 Abs. 4 S. 1 KV M-V; §§ 66 Abs. 2 S. 2, 71 Abs. 7 S. 2 GO NW; §§ 45 Abs. 2 S. 2, 47 Abs. 2 S. 2 KrONW; § 55 Abs. 2 S. 2 GemORhPf; § 49 Abs. 2 S. 2 LKORhPf; § 68 a Abs. 1 S. 2 SaarlKSVG; § 56 Abs. 4 S. 2 SächsGemO; § 52 Abs. 4 S. 2 SächsLKrO; §§ 32 Abs. 4 S. 5, 110 Abs. 3 S. 5 ThürKO. 338 § 61 Abs. 2 S. 2 NGO; § 55 Abs. 2 S. 2 NLO. 339 § 70 Abs. 3 S. 2, 2. Satzhälfte BbgGO; § 59 Abs. 3 S. 2,2. Satzhälfte BbgLKrO. 340 § 70 Abs. 1 S. 1 BbgGO; § 59 Abs. 1 S. 1 BbgLKrO. 341 BVerwGE 20, 160 (166); 56, 163 (171); OVG Lüneburg OVGE 17, 465 (470); VG Koblenz DÖD 1976, 236; Lüersen/Neuffer, NGO, § 61 Rn. 6; Thiele, NGO § 61 Anm. 5. 342 BVerwGE 20, 160 (166); 56, 163 (171); Engel, in: Engel/Fey, §55 Rn. 29; Lichtenfeld, DVB1. 1982, 1021 (1022); Slawski, in: Lüersen/Neuffer, NGO, §61
I. Vorzeitige Amtsbeendigung durch einen Abberufungsbeschluß
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cc) Keine Abkürzung der Ladungsfristen Soweit Kommunalverfassungen der Länder die Möglichkeit vorsehen, in Eilfallen eine Verkürzung der Ladungsfristen vornehmen zu können, haben Hessen und Niedersachsen für den Fall der Abberufung Sonderregelungen erlassen. 343 Danach ist in Hessen die Verkürzung der Ladungsfristen grundsätzlich, in Niedersachsen nur auf Gemeindeebene untersagt.
dd) Vorherige Beratung und Aussprache Soweit in Berlin, Hessen, Saarland, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen eine zweimalige Beratung verlangt wird, sollte mit dieser Formulierung nicht eine vorherige Aussprache erzwungen, sondern nur das übliche Verfahren bei einer Abstimmung beschrieben werden. 344 Deshalb ist eine vorherige Aussprache in das freie Ermessen der Kommunalvertretung gestellt. 345 Gleiches gilt für Bremerhaven, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz, 346 wo eine „Beratungspflicht" gar nicht erst in den Gesetzeswortlaut aufgenommen wurde. Hingegen hat in Brandenburg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen die Abstimmung ohne vorherige Aussprache zu erfolgen, 347 um den Wahlbeamten vor unbefugten Einblicken in seine persönlichen Angelegenheiten, die nur ihn und seinen Dienstherrn angehen, zu schützen. 348
ee) Gestrecktes Abberufüngsverfahren durch mehrwöchige Abkühlungsfrist Bis auf Hamburg sehen alle Abberufungsregelungen vor, daß dem Abberufungsbeschluß eine bestimmte Mindestfrist vorausgegangen sein muß. UnterRn. 6; Kirchhof, in: v. Loebell, Erl. 38 zu § 49; Suckow/Schwirzke, Nds. Kommunalrecht, S. 114; Thiele, NGO § 61 Anm. 5. 343 § 76 Abs. 1 S. 6 HGO; § 49 Abs. 1 S. 6 HKO; § 61 Abs. 2 S. 4 NGO. 344 Dehn, in: Galette/Laux, § 35 a KrO, Erl. zu Abs. 3; anderer Auffassung Schlempp, HGO, § 76 Erl. IH, der Beratung anscheinend mit Beratungspflicht gleichsetzt. 345 Vgl. Dehn, in: Galette/Laux, § 35 a KrO, Erl. zu Abs. 3; Foerster, Kommunalverfassungsrecht, Erl. 2 zu GO § 40 a. 346 Vgl. Büchner-Uhder, in: Bretzinger/Büchner-Uhder, komm. Praxis, § 30 Rn. 4. 347 § 70 Abs. 3 S. 4 BbgGO; §§ 51 Abs. 3 S. 4, 59 Abs. 3 BbgLKrO; § 61 Abs. 2 S. 5 NGO; § 55 Abs. 2 S. 4 NLO; §§ 66 Abs. 2 S. 4, 71 Abs. 7 S. 4 GO NW; §§ 45 Abs. 2 S. 4,47 Abs. 2 S. 4 KrO NW. 348 Lichtenfels DVB1. 1982, 1021 (1022). Pricbe
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Teil ,B.: Die Rechtslage bei den kommunalen Wahlbeamten
schiedlich sind lediglich die Anknüpfungspunkte für den Fristbeginn und die zeitliche Dauer der Frist. Während in Berlin die Abberufung frühestens zwei Wochen nach einer ersten Beratung beschlossen werden darf, 349 muß in Thüringen eine zweimalige Beschlußfassung im Mindestabstand von zwei Wochen, 350 in Bremerhaven, Hessen, Sachsen und Schleswig-Holstein von vier Wochen, 351 im Saarland von einem Monat vorliegen. 352 Hingegen hat in Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz zwischen Antragstellung und Beschlußfassung eine Frist von zwei Wochen, 353 in Brandenburg und Nordrhein-Westfalen von sechs Wochen zu verstreichen. 354 Diese Streckung des Abberufungsverfahrens durch Antrags- und Fristenerfordernis schützt den Betroffenen vor einer überraschenden Abberufung. 355 Dieser Schutzzweck wird auf unterschiedliche Weise verwirklicht, je nachdem, ob für den Fristbeginn auf eine erste Zusammenkunft der Kommunalvertretung in der Abberufungsangelegenheit oder auf den Zeitpunkt der Antragstellung abgestellt wird. Soweit auf den Zeitpunkt einer ersten Zusammenkunft abgestellt wird, soll verhindert werden, daß die Kommunalvertreter aus gewissen Stimmungen heraus eine übereilte Abberufungsentscheidung treffen. 356 Daher soll ihnen durch eine Mindestfrist ausreichend Gelegenheit gegeben werden, ihre Haltung korrigieren zu können. Wird dagegen auf den Zeitpunkt der Stellung des Abberufungsantrags abgestellt, sollen die Antragsteller veranlaßt werden, ihr unter Umständen vorschnell eingebrachtes Abberufungsverlangen noch einmal zu überdenken. 357 Deshalb dient letztere Regelung ausschließlich als „Abkühlungsfrist" für die Antragsteller, so daß es unschädlich ist, wenn die übrigen Kommunalvertreter erst mit der fristgerechten Ladung zur Sitzung über den Abberufungsantrag unterrichtet werden. 358 Hingegen
349
§ 35 Abs. 3 S. 3 BerlBezVG. § 28 Abs. 6 S. 5 ThürKO. 351 § 41 S. 3 BrhvVerf; § 76 Abs. 1 S. 5 HGO; § 49 Abs. 1 S. 5 HKO; § 56 Abs. 4 S. 5 SächsGemO; § 52 Abs. 4 S. 5 SächsLKrO; § 40 a Abs. 3 S. 2 GOSchlH; § 35 a Abs. 3 S. 2 KrOSchlH. 352 § 68 a Abs. 2 S. 4 SaarlKSVG. 353 §§ 32 Abs. 4 S. 2, 110 Abs. 4 S. 2 KV M-V; § 61 Abs. 2 S. 3 NGO; § 55 Abs. 2 S. 3 NLO; § 55 Abs. 2 S. 5 GemORhPf; § 49 Abs. 2 S. 5 LKORhPf. 354 § 70 Abs. 3 S. 3 BbgGO; §§ 51 Abs. 3 S. 3, 59 Abs. 3 BbgLKrO; §§ 66 Abs. 2 S. 3, 71 Abs. 7 S. 3 GO NW; §§ 45 Abs. 2 S. 3, 47 Abs. 2 S. 3 KrO NW. 355 BVerwGE 56, 163 (171); Bösche, Kommunalverfassungsrecht, S. 285. 356 BVerfGE 7, 155 (170); BVerwGE 56, 163 (164 f.); Borchert, in: Galette/Laux, § 40 a GO, Erl. 1 zu Abs. 3; Görg, HdBKWP H, S. 89. 357 OVG Münster DÖV 1990, 621; Kirchhof, in: v. Loebell, Erl. 38 zu § 49. 358 OVG Münster DÖV 1990, 621; Kirchhof, in: v. Loebell, Erl. 38 zu §49; Rehn/Cronauge, § 49 Erl. Vm, 3. 350
I. Vorzeitige Amtsbeendigung durch einen Abberufungsbeschluß
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kann auf eine frühzeitige Unterrichtung des betroffenen Wahlbeamten nicht verzichtet werden, da diesem ausreichend Zeit für eine Stellungnahme und andere vertrauensbildende Maßnahmen verbleiben muß.
ff) Erfordernis einer besonderen Sitzung Niedersachsen und das Saarland sind die einzigen Bundesländer, in denen über den Abberufüngsantrag in einer besonderen Sitzung, deren einziger Tagesordnungspunkt die Abberufung des Wahlbeamten ist, abgestimmt werden muß. 3 5 9 Dagegen kann in den übrigen Bundesländern der Abberufungsbeschluß Teil einer Sitzung mit umfassender Tagesordnung sein.
gg) Öffentlichkeit der Sitzung Mitunter könnten die Kommunalvertretungen bestrebt sein, die Öffentlichkeit während der Beschlußfassung über die Abberufung auszuschließen. Soweit die Kommunalvertretung durch eine entsprechende Regelung in ihrer Geschäftsordnung die Öffentlichkeit bei der Beschlußfassung von vornherein ausschließen möchte, wird ein solches Ansinnen in Rheinland-Pfalz zwingend durch das Gesetz ausgeschlossen.360 Da die Abberufüngsregelungen in den übrigen Bundesländern zum Problem der Öffentlichkeit schweigen, muß auf den allgemeinen Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit parlamentarischer Vertretungskörperschaften zurückgegriffen werden, dem auch auf kommunaler Ebene Bedeutung zukommt. 361 Insbesondere gilt dieser Grundsatz auch für die Abberufung kommunaler Wahlbeamte. 362 Danach dient die grundsätzliche Öffentlichkeit der Sitzungen zum einen dazu, die Bürger an der kommunalen Selbstverwaltung zu interessieren, zum anderen soll durch erhöhte Transparenz Einblick in die Tätigkeit der Vertretungskörperschaft gewährt werden, um insbesondere für zukünftige Wahlen eine Beurteilungsgrundlage zu schaffen und den Eindruck zu vermeiden, daß „hinter verschlossenen Türen" Entscheidungen mit unsachlichem Hintergrund getroffen werden. 363 Entsprechend 359
§ 61 Abs. 2 S. 3 NGO; § 55 Abs. 2 S. 3 NLO, § 68 a Abs. 1 S. 3 SaarlKSVG. § 35 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 32 Abs. 2 Nr. 7 GemORhPf, § 28 Abs. 1 S. 3 i.V.m. § 25 Abs. 2 Nr. 6 LKORhPf. 361 VG Freiburg DÖV 1974, 389 (390). 362 Lichtenfeld, DVB1. 1982, 1021 (1022); Slawski, in: Lüersen/Neuffer, NGO, § 61 Rn. 6. 363 OVG Münster Städtetag 1979, 528 (528 f.); VG Freiburg DÖV 1974, 389 (390); vgl. allgemein zu der Funktion des Öffentlichkeitgrundsatzes Hett, Parlamentsverhandlung, S. 88 f. 360
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Teil II, B.: Die Rechtslage bei den kommunalen Wahlbeamten
dieser Vorgabe sind die Sitzungen in Berlin, Brandenburg, Bremerhaven, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, NordrheinWestfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Schleswig-Holstein und in Thüringen zwar grundsätzlich öffentlich, im Einzelfall kann aber ein Ausschluß der Öffentlichkeit beschlossen werden. 364 Da ein solcher Beschluß eine Durchbrechung des Grundsatzes auf Öffentlichkeit darstellt, 365 muß ein besonderer Grund für die angestrebte Vertraulichkeit vorliegen. 366 Insoweit kommt nur eine mögliche Aussprache über die Person des Wahlbeamten in Betracht, 367 da über dessen Persönlichkeitsschutz hinaus andere Ausschlußgründe kaum geeignet sind, den Anschein zu vermeiden, daß „hinter verschlossenen Türen" unsachliche Motive für die getroffene Entscheidung maßgeblich gewesen sein könnten. Da in Brandenburg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen die Abberufung ohne Aussprache zu erfolgen hat, muß in diesen Bundesländern stets in öffentlicher Sitzung abgestimmt werden. 368 Hingegen kommt in Berlin, Bremerhaven, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Schleswig-Holstein, Thüringen wegen des Öffentlichkeitsgrundsatzes ein Ausschluß der Öffentlichkeit nur bei einer vorherigen Aussprache über die Person des Wahlbeamten in Betracht.
hh) Offene und geheime Abstimmung In Bremerhaven, Hessen und Schleswig-Holstein muß offen abgestimmt werden, 369 das heißt, die Stimmabgabe ist erkennbar und nicht etwa geheim. Noch weiter gehen Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und das Saarland, wo 364 § 44 S. 2 und 3 BbgGO; § 38 S. 2 und 3 BbgLKrO; § 8 Abs. 6 S. 2 BerlBezVG; § 24 S. 2 BrhvVerf; § 23 Abs. 2 S. 1 HmbBezVG; § 52 Abs. 1 HGO, § 32 HKO; §§ 29 Abs. 5, 107 Abs. 5 KV M-V; § 45 S. 1 NGO, § 41 Abs. 1 NLO; § 48 Abs. 2 GO NW, § 33 Abs. 2 KrONW; § 40 Abs. 1 SaarlKSVG; § 37 Abs. 1 S. 1 SächsGemO, § 33 Abs. 1 S. 1 SächsLKrO; § 35 Abs. 1 GOSchlH, § 30 Abs. 1 KrOSchlH; § 23 Abs. 7 S. 1 - 3 ThürVorlKO; § 40 Abs. 1 S. 1, § 112 ThürKO. 365 Vgl. OVG Münster Städtetag 1979, 528 (529); VG Freiburg DÖV 1974, 389 (390). 366 Borchert, in: Galette/Laux, § 40 a GO, Erl. 3 zu Abs. 1; Schlempp, HGO, § 52 Frl. IV. 3tr Borchert, in: Galette/Laux, § 40 a GO, Erl. 3 zu Abs. 1; Schlempp, HGO, § 52 Erl. IV. 308 Borchert, in: Galette/Laux, § 40 a GO, Erl. 3 zu Abs. 1; vgl. für Niedersachsen Engel, in: Engel/Fey, § 55 Rn. 30. 309 § 26 S. 3 BrhvVerf; § 54 Abs. 2 HGO, § 32 HKO; § 39 Abs. 2 GOSchlH, § 34 Abs. 2 KrOSchlH.
I. Vorzeitige Amtsbeendigung durch einen Abberufungsbeschluß
133
durch namentliche Abstimmung das Votum jedes einzelnen Mitgliedes nachvollzogen werden kann. 3 7 0 In Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Thüringen wird zwar ebenfalls in offener Abstimmung entschieden, im Einzelfall kann aber geheime Abstimmung beschlossen werden. 371 Hingegen haben die Abstimmungsmodalitäten in Berlin keine gesetzliche Ausgestaltung erfahren. 372 Es entspricht jedoch allgemeiner Übung, grundsätzlich über die Abberufung offen abzustimmen, wobei in Abhängigkeit von der Geschäftsordnung geheime Abstimmung möglich ist. 3 7 3 In NordrheinWestfalen besteht gleichfalls eine derartige Regelungslücke,374 so daß entweder durch entsprechenden Ratsbeschluß375 oder auf Grund der Geschäftsordnung geheim abgestimmt wird 3 7 6 . Die meisten Bundesländer haben im Rahmen der Abberufung kommunaler Wahlbeamter dem Grundsatz der offenen oder - weitergehend - namentlichen Abstimmung eine vorrangige Bedeutung eingeräumt, da solchermaßen das Abstimmungsverhalten der Kommunalparlamentarier offengelegt wird. Diese offene Abstimmung dient gleichermaßen wie der Öffentlichkeitsgrundsatz einer erhöhten Transparenz des Kommunalparlaments. Außerdem ist diese Form der Abstimmung Ausdruck der Verantwortung der Parteien und Fraktionen vor dem Wähler. 377 Nicht zuletzt werden die Kommunalparlamentarier durch ein transparentes Abstimmungsverhalten dazu gezwungen, gegebenenfalls in der Öffentlichkeit ihre Entscheidung zu begründen. Angesichts des Fehlens eines umfassenden Begründungszwanges für die Abberufung kann solche Verfahrensweise dem Interesse des Wahlbeamten am Schutz vor mißbräuchlicher Abberufung nur zuträglich sein. 378 Aus diesem Grund ist unver370 § 61 Abs. 2 S. 3 NGO, § 55 Abs. 2 S. 3 NLO; § 55 Abs. 2 S. 3 GemORhPf, § 49 Abs. 2 S. 3 LKORhPf; § 68 a Abs. 2 S. 1 SaarlKSVG. 371 § 47 Abs. 2 BbgGO; § 41 Abs. 2 BbgLKrO; §§ 32 Abs. 1,110 Abs. 1 KV M-V; § 39 Abs. 6 S. 1 SächsGemO, § 35 Abs. 6 S. 1 SächsLKrO; § 39 Abs. 1 S. 4 und 5, § 112 ThürKO. 372 Vgl. das Bezirksverwaltungsgesetz von Berlin. 373 Die entsprechende Auskunft wurde am 1.7.1993 durch Herrn Schmidt - von Puskas, Senatsrat für Inneres, erteilt. 374 Vgl. den Wortlaut der §§ 50 Abs. 2, 71 Abs. 7 GO NW, §§ 35 Abs. 2, 46 Abs. 2 KrO NW, wonach lediglich der Fall der Wahl, nicht aber die Abberufung geregelt ist. 375 Rehn/Cronauge, § 49 Erl. Vm, 3. 376 OVG Münster Städtetag 1982, 475; Kirchhof, in: v. Loebell, Erl. 38 zu §49; Rehn/Cronauge, § 49 Erl. Vm, 3. 377 Seuffert, Abstimmungen, S. 14 f. 378 Zur Notwendigkeit des Schutzes des Wahlbeamten vor mißbräuchlicher Abberufung siehe näher Teil II B I 1 b jj.
134
Teil II, B.: Die Rechtslage bei den kommunalen Wahlbeamten
ständlich, wenn als zukünftige Direktive fiir die Form von Abberufungsentscheidungen „aus Gründen des politischen Taktes" geheime Abstimmung empfohlen wird. 3 7 9 Vielmehr ist davon auszugehen, daß nur eine erhöhte Transparenz bei der Entscheidungsfindung dem Interesse des kommunalen Wahlbeamten entspricht.
ii) Mehrheitserfordernis beim Abberufungsbeschluß Um eine gewisse Unabhängigkeit des Wahlbeamten von der kommunalen Vertretungskörperschaft sicherzustellen, ist die Abberufung grundsätzlich vom Vorliegen einer qualifizierten Mehrheit abhängig gemacht worden. In Berlin, Brandenburg, Bremerhaven, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, NordrheinWestfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen ist das Erfordernis einer Zweidrittelmehrheit für den Abberufungsbeschluß aufgestellt worden, 380 während Niedersachsen sogar eine Dreiviertelmehrheit verlangt. 381 Lediglich in Hamburg kann die Abberufung des Bezirksamtsleiters schon mit der einfachen Mehrheit der gesetzlichen Mitgliederzahl der Bezirksversammlung erfolgen. 382 In Hessen besteht für Gemeinden mit mehr als 50000 Einwohnern und fiir Landkreise eine Sonderregelung, wonach eine Abberufung mit der Mehrheit der gesetzlichen Zahl der Mitglieder des Gemeinderates oder des Kreistages innerhalb von sechs Monaten nach Beginn der Wahlzeit der jeweiligen Vertretungskörperschaft beschlossen werden kann. 3 8 3 Die Sonderregelung dient dem Zweck, eine politische Gleichgestimmtheit zwischen Verwaltungsspitze und Vertretungskörperschaft trotz unterschiedlicher Amts- und Wahlzeiten sicher-
379
Vgl. Rehn/Cronauge, § 49 Erl. VID, 3. § 70 Abs. 3 S. 5 BbgGO; §§ 51 Abs. 3 S. 5, 59 Abs. 3 BbgLKrO; § 35 Abs. 3 S. 1 BerlBezVG; § 6 Abs. 6 S. 2 BremBG; § 76 Abs. 1 S. 3 HGO; § 49 Abs. 1 S. 3 HKO; §§ 32 Abs. 4 S. 1, 110 Abs. 4 S. 1 KVM-V; §§ 66 Abs. 2 S. 5, 71 Abs. 7 S. 5 GO NW; §§ 45 Abs. 2 S. 5,47 Abs. 2 S. 5 KrO NW; § 55 Abs. 2 S. 4 GemORhPf; § 49 Abs. 2 S. 4 LKORhPf; § 68 a Abs. 2 S. 2 SaarlKSVG; § 56 Abs. 4 S. 3 SächsGemO; § 52 Abs. 4 S. 3 SächsLKrO; § 40 a Abs. 2 GOSchlH; § 35 a Abs. 2 KrOSchlH; §§ 30 S. 2, 93 S. 2 ThürVorlKO; § 32 Abs. 4 S. 6, § 110 Abs. 3 S. 6 ThürKO. 381 § 61 Abs. S. 6 NGO; § 55 Abs. 2 S. 4 NLO. 382 § 35 Abs. 1 S. 2 HmbBezVG. 383 § 76 Abs. 4 HGO; § 49 Abs. 4 HKO. 380
I. Vorzeitige Amtsbeendigung durch einen Abberufungsbeschluß
135
zustellen. 384 Während die Amtszeit des Wahlbeamten sechs Jahre beträgt 385 , werden Gemeinderat und Kreistag auf vier Jahre gewählt. 386 Um auf eine Synchronisierung der Amts- und Wahlzeiten verzichten zu können, dennoch aber eine politische Gleichgestimmtheit zu ermöglichen, hat der hessische Gesetzgeber die Möglichkeit einer vereinfachten Abberufung in zeitlichem Zusammenhang zur Kommunalwahl geschaffen. 387
jj) Begründungszwang für Abberufung Der Abberufungsbeschluß beruht auf einer nachhaltigen Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Wahlbeamten und der Vertretungskörperschaft. 388 Daraus wird nach allgemeiner Ansicht gefolgert, daß eine nähere Begründung entfallen könne, weil bereits der entsprechende Mehrheitsbeschluß den Vertrauensverlust zum Wahlbeamten hinreichend dokumentier e
389,390
Dieser Auffassung kann jedoch nicht uneingeschränkt zugestimmt werden. 391 Wie bereits im Rahmen der Versetzung politischer Beamter in den
384
Hess. LT-Drucksache, 9. WP, 32. Sitzung, S. 1951; BVerwGE 81, 318 (325 f.); BVerwG NVwZ 1990, 772 (773); HessVGH DÖV 1988, 305 (306); Hoffmann, DÖV 1990, 320; Stargardt, VR 1991, 146 (148). 385 §§ 39, Abs. 3 S. 1, 39 a Abs. 2 S. 1 HGO; §§ 37 Abs. 3, 37 a Abs. 2 S. 1 HKO. 386 § 36 HGO; § 26 HKO. 387 Hierzu auch BVerwGE 81,318 (325 f.); BVerwG NVwZ 1990, 772 f. 388 BVerwGE 56, 163 (171 f.); OVG Lüneburg DVB1. 1992, 982 (983 ff.); OVG Lüneburg DÖV 1993, 1101; Ipsen, Festschrift „175 Jahre Oberlandesgericht Oldenburg", S. 696; Kirchhof, KrO, § 38 Anm. 17; Thiele, NGO § 61 Anm. 5. 389 BVerwGE 20, 160 (166); 56, 163 (171); OVG Lüneburg OVGE 17, 465 (471); OVG Lüneburg DÖV 1993, 1101; OVG Münster DVB1. 1981, 879 (880); BüchnerUhder, in: Bretzinger/Büchner-Uhder, komm. Praxis, § 30 Rn. 4; Engel, in: Engel/Fey, § 55 Rn. 31; Borchert, in: Galette/Laux, § 40 a GO, Erl. 3 zu Abs. 2; Kirchhof, KrO, § 38 Anm. 17; Lichtenfels DVB1. 1982, 1021 (1023); Slawski, im: Lüersen/Neuffer, NGO, § 61 Rn. 6; Rehn/Cronauge, § 49 Erl. Vm, 2; Thiele, NGO, § 61 Anm. 5; Unger, DÖV 1971, 699. 390 Weitergehend Kirchhof.\ in: v. Loebell, Erl. 38 zu § 49, der den Kommunalvertretungen eine Änderung ihrer Geschäftsordnungen dahingehend empfiehlt, daß eine Begründung ausdrücklich zu unterbleiben habe. 391 Die kommunalpolitische Praxis geht ohnehin einen eigenen Weg: laut Auskunft vom 30.6.1993 durch Herrn Eckert, Geschäftsführer der kommunalpolitischen Vereinigung Nordrhein-Westfalen, entspricht es bundesweiter Praxis, regelmäßig eine mündliche oder schriftliche Begründung zu geben. Dem entspricht auch die Auswertung der niedersächsischen Verhältnisse durch Herhaus, Abwahl, S. 9 ff., S. 17.
136
Teil II, B.: Die Rechtslage bei den kommunalen Wahlbeamten
einstweiligen Ruhestand gezeigt, dient eine Begründung dem Rechtsschutzinteresse des betroffenen Beamten. Der Beamte soll durch die Begründung in die Lage versetzt werden, insbesondere in materieller Hinsicht die Erfolgsaussicht einer gerichtlichen Überprüfung frühzeitig abschätzen zu können. Da eine Abberufungsentscheidung weder mißbräuchlich noch auf Grund unrichtiger Tatsachenbehauptung erfolgen darf, 392 kann sie gerade unter diesem Gesichtspunkt vom kommunalen Wahlbeamten zum Gegenstand einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung gemacht werden. 393 Damit besteht vergleichbar den politischen Beamten auch für den kommunalen Wahlbeamten ein Interesse an der frühzeitigen Kenntnis der für ihn rechtsschutzrelevanten Gesichtspunkte. So wird von der herrschenden Meinung nicht in Frage gestellt, daß eine Abberufung rechtswidrig ist, wenn sie nicht auf einer Vertrauensstörung zwischen Kommunalvertretung und Wahlbeamten beruht, sondern aus anderen, etwa koalitionstaktischen oder parteipolitischen Gründen erfolgt. 394 Dann muß der betroffene Wahlbeamte aber auch in die Lage versetzt werden, erfolgversprechenden Rechtsschutz in Anspruch nehmen zu können. Deshalb wäre dem Rechtsschutzinteresse des Wahlbeamten genüge getan, wenn aus der Begründung eindeutig hervorginge, daß die Abberufung tatsächlich auf einem Vertrauensverlust, nicht aber auf einer mißbräuchlichen Zielsetzung beruht. Hierzu müßte der Wahlbeamte über die Umstände oder den Sachverhalt informiert werden, der seiner Abberufung zugrundeliegt. Ein weitergehender Begründungszwang - etwa eine genaue Auflistung der Motive - könnte im Einzelfall dazu führen, daß das Abstimmungsverhalten der Mitglieder der Kommunalvertretung ausgeforscht werden müßte. Einer derartigen Motivforschung stehen aber die Wahrung des Wahlgeheimnisses - sofern geheim abgestimmt wurde - und der Grundsatz des freien Mandats entgegen. 395 Gerade letzterer Grundsatz zwingt dazu, den Kommunalparlamentarier im Hinblick auf sein Abstimmungsverhalten keinerlei Druck von außen auszusetzen. Wenn jedoch die Gefahr besteht, daß der Kommunalparlamentarier spätestens bei einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung das Motiv für sein Abstimmungsverhalten detailliert darlegen muß. kann dies dazu führen, daß der Weg des geringsten Widerstandes gegangen und von vornherein auf eine Abberufung verzichtet wird. Schließlich wird kein Kommunalparlamentarier gewillt sein, in der Öffentlichkeit „schmutzige Wäsche zu waschen44, nur um den erforderlichen Vertrauensverlust zu dokumentieren. Soll daher der Kom-
392
Vgl. Teil n B 12 a aa. Vgl. Teil n B I 9. 394 BVerwG DÖV 1993, 204; OVG Lüneburg DVB1. 1992, 982 (984); OVG Lüneburg DÖV 1993, 1101; Slawski, in: Lüersen/Neuffer, NGO, § 61 Rn. 6. 395 Vgl. Stober, Abwahl, S. 89. 393
I. Vorzeitige Amtsbeendigung durch einen Abberufungsbeschluß
137
munalparlamentarier frei von äußerem Druck darüber entscheiden können, ob ein Vertrauensverlust zum Wahlbeamten eingetreten ist, zwingt dies dazu, bereits eine eingeschränkte Begründung für die Abberufung genügen zu lassen, sofern diese Begründung durch Beschreibung des kommunalpolitischen Szenariums den Eintritt eines Vertrauensverlustes „ i n abstracto" nachvollziehbar macht. Gegen einen Begründungszwang wird zudem eingewendet, daß sich gerade aus dem Fehlen einer Pflicht zu einer vorherigen Aussprache deutlich ergebe, 3 9 6 daß auf eine ausführliche Darlegung und Begründung verzichtet werden könne. 397 Dem ist insofern zuzustimmen, als eine ausführliche Darlegung zu weitgehend wäre. Hingegen berücksichtigt eine solche Argumentation nicht, daß die fehlende Pflicht zu einer vorherigen Aussprache gerade den Interessen des Wahlbeamten dienen soll, indem dieser vor unbefugten Einblicken in die nur ihn und seinen Dienstherrn angehenden persönlichen Angelegenheiten geschützt werden soll. 3 9 8 Diese im Interesse des Wahlbeamten bestehende Regelung würde geradezu perveriert, wenn man mit dem Schutz der Intimsphäre eine Vernachlässigung des Rechtsschutzinteresses rechtfertigen wollte. Deshalb ist auch ohne die Notwendigkeit einer Aussprache an einer eingeschränkten Begründung festzuhalten. Das Erfordernis eines derart eingeschränkten Begründungszwanges bedeutet keine Überforderung der Kommunalvertretung, da die Abberufung kaum aus heiterem Himmel erfolgen, sondern regelmäßig an einen besonderen Sachverhalt anknüpfen wird, da andernfalls ein Ende der Amtszeit abgewartet werden könnte. 399 Dieser besondere Sachverhalt kann dem Wahlbeamten unschwer bekanntgemacht werden. Andererseits verbietet sich eine weitergehende Motivforschung wegen des politischen Charakters der Maßnahme und der damit zwangsläufig einhergehenden Motivstreuung bei den Mitgliedern der kommunalen Vertretungskörperschaft. 400 Deshalb ist im Rahmen der Abberufung 396
In Niedersachsen (§ 61 Abs. 2 S. 5 NGO, § 55 Abs. 2 S. 4 NLO) und NordrheinWestfalen (§§ 66 Abs. 2 S. 4, 71 Abs. 7 S. 4 GONW; §§ 45 Abs. 2 S. 4, 47 Abs. 2 S. 4 KrO NW) hat eine Aussprache sogar zwingend zu unterbleiben. 397 OVG Lüneburg DÖV 1993, 1101; KPV/NW 1 R 77/79, KpolBl. 1980, 260 (261); Slawski, in: Lüersen/Neuffer, NGO, §61 Rn. 6; Rehn/Cronauge, §49 Erl. Vm, 2. 398 Lichtenfels DVB1. 1982, 1021 (1022). 399 Ipseti , Festschrift „175 Jahre Oberlandesgericht Oldenburg", S. 690, spricht insoweit von einem Erosionsprozeß, für den die Abberufung den Schlußpunkt bildet. Auch die bei Herhaus, Abwahl, S. 9 ff. zitierten Fälle rechtfertigen vorgenannte Einschätzung. 100 In diesem Sinn auch OVG Lüneburg OVGE 17, 465 (471); Slawski, in: Lüersen/Neuffer, NGO, § 61 Rn. 6.
1 3 8 T e i l
, B.: Die Rechtslage bei den kommunalen Wahlbeamten
kommunaler Wahlbeamter aus den gleichen Gründen wie bei der Versetzung politischer Beamter in den einstweiligen Ruhestand ein eingeschränkter Begründungszwang zu fordern, durch den der betroffene Wahlbeamte frühzeitig in die Lage versetzt wird zu überprüfen, ob seine Abberufung tatsächlich auf einer Vertrauensstörung beruht oder ob andere Gründe vorliegen, die eine verwaltungsgerichtliche Nachprüfung erfolgversprechend erscheinen lassen. Allerdings könnte auch eine eingeschränkte Begründung in Anlehnung an die Länderfassungen des § 39 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG gänzlich entfallen, wenn dem kommunalen Wahlbeamten aus anderen Gründen der Sachverhalt bekannt sein sollte, der seiner Abberufung zugrundeliegt. 401 Eine derartige Sachverhaltskenntnis ist in der kommunalpolitischen Praxis regelmäßig anzunehmen, da in den meisten Fällen der Wahlbeamte auf Grund seiner Einbindung in die Kommunalpolitik und die örtlichen Verhältnisse bereits ausreichend informiert sein wird. 4 0 2 Gleichwohl wird bei einer solchen Sachlage nicht gänzlich auf eine eingeschränkte Begründung verzichtet werden können. Die Ausnahmeregelungen des § 39 Abs. 2 VwVfG dienen insbesondere dazu, der Notwendigkeit einer an sich unnötigen Begründung durch die Verwaltung in den Fällen vorzubeugen, wo von vornherein aus Sicht des Betroffenen keinerlei Bedürfnis an einer Begründung besteht. Regelmäßig wird daher bei bestehender Sachverhaltskenntnis des Betroffenen ein Bedürfnis für eine zusätzliche Begründung entfallen. Etwas anderes muß jedoch für den Abberufungsbeschluß gelten, dessen Ursachen im Grenzbereich zwischen Verwaltung und Kommunalpolitik liegen. Auf Grund dieser Konstellation besteht in besonderem Maß die Gefahr eines Mißbrauchs der Abberufungsregelung. Derartigem Mißbrauch kann nur durch eine erfolgversprechende Möglichkeit gerichtlicher Nachprüfung vorgebeugt werden. Oftmals bleiben die tatsächlichen Motive für eine Abberufung im Dunklen; dies gilt gerade, wenn sie persönlichen Ressentiments oder ähnlichen Unterlegenheits-/Überlegenheitsgefuhlen entspringen. 403 So ist es kein Zufall, daß in der Vergangenheit bezeichnenderweise gerade die abgegebenen Begründungen einer gerichtlichen Nachprüfung nicht immer standhielten. 404 Offensichtlich wird unter vorgenannten Umständen eine Begründung zum Schlüsselelement für eine Rechtmäßigkeitskontrolle.
401
Gleicher Ansicht BVerwGE 20, 160 (166 f.); OVG Münster DVB1. 1981, 879 (880); offengelassen in OVG Lüneburg DVB1. 1992, 982 (984); Ipsen, Festschrift „175 Jahre Oberlandesgericht Oldenburg", S. 687. 402 Kirchhof, in: v. Loebell, Erl. 38 zu § 49. 403 Derartige Beispielfälle für Niedersachsen liefert Herhaus, Abwahl, S. 9 ff. 404 Entsprechende Verwaltungsgerichtsentscheidungen werden bei Herhaus, Abwahl, S. 9ff.,S. 17 zitiert.
I. Vorzeitige Amtsbeendigung durch einen Abberufungsbeschluß
139
Will sich der Wahlbeamte gegen eine mißbräuchliche Abberufung wehren, wird er sich stets angesichts des unbestimmten Rechtsbegriffes des Vertrauensverlustes in Beweisnot befinden. Da zusätzlich die Motive der Kommunalpolitiker schwer einer nachträglichen inhaltlichen Fixierung zugänglich sein dürften, erscheint eine Festlegung der Vertretungskörperschaft auf einen oder mehrere die Abberufung auslösende Sachverhalte als ein unverzichtbares Minimalerfordernis bei der Wahrung der Rechtsschutzinteresssen des betroffenen Kommunalwahlbeamten. Deswegen liegt noch keine gerichtsverwertbare oder beweiskräftige Festlegung vor, wenn der Wahlbeamte die Informationen unter der Hand oder durch bloßes Hören - und - Sagen erhalten hat. Nur wenn eine solche Festlegung in der Öffentlichkeit, etwa infolge einer Stellungnahme vor der Presse, erfolgt ist, kann eine entsprechende persönliche Mitteilung an den Wahlbeamten unterbleiben. Demgemäß ist als Ergebnis festzuhalten, daß grundsätzlich dem Wahlbeamten der Sachverhalt mitzuteilen ist, an den die Abberufüngsentscheidung anknüpft. Eine solchermaßen eingeschränkte Begründung darf allerdings entfallen, wenn die Kommunalvertretung auf andere Weise in der Öffentlichkeit Stellung bezogen hat.
2. Materielle
Voraussetzungen
Weiter ist zu untersuchen, inwieweit die Abberufung durch das Vorliegen bestimmter materieller Voraussetzungen bedingt ist. Dabei muß differenziert werden zwischen den Abberufungsmöglichkeiten, denen der Wahlbeamte während seiner Amtszeit dauernd ausgesetzt ist, und der speziellen hessischen Regelung, die längstens bis zu sechs Monaten nach einer Kommunalwahl Anwendung findet.
a) Materielle Voraussetzungen bei jederzeitiger Abberufungsmöglichkeit Die Möglichkeit der Abberufung ist in den verschiedenen Ländergesetzen nicht ausdrücklich an das Vorliegen eines bestimmten Tatbestandes geknüpft. Es stellt sich daher die Frage, ob die Abberufungsentscheidung ähnlich wie die Versetzung politischer Beamter in den einstweiligen Ruhestand vom Vorliegen bestimmter materieller Voraussetzungen abhängt.
140
Teil II, B.: Die Rechtslage bei den kommunalen Wahlbeamten aa) Fehlendes Vertrauen zwischen der Kommunalvertretung und dem Wahlbeamten
Eine Diskussion über das Vorliegen eines ungeschriebenen materiellen Tatbestandsmerkmals hat sich erst spät im Zusammenhang mit der niedersächsischen Wiedereinführung der Abberufungsmöglichkeit im Jahre 1982 entwikkelt, obwohl andere Bundesländer mit ihren vergleichbaren Abberufungsregelungen zum Teil auf eine vergleichsweise lange Tradition zurückblicken können. Die ganz herrschende Auffassung in der Rechtsprechung und Literatur geht davon aus, daß der Abberufungsbeschluß dazu dient, das fehlende Vertrauen der Vertretungskörperschaft zur Amtsführung des Wahlbeamten zum Ausdruck zu bringen. 405 Hingegen besteht Uneinigkeit darüber, welche Anforderungen an den Begriff des fehlenden Vertrauens zu stellen sind. Die Rechtsprechung und große Teile der Literatur vertreten die Auffassung, daß die Abberufüng nicht zu jedem beliebigen Zweck oder Anlaß beschlossen werden dürfe, sondern der Beschluß noch vom Gesetzeszweck getragen werden müsse. 406 Der Regelung liege die gesetzgeberische Intention zugrunde, eine effektive Arbeit der Gebietskörperschaft zu ermöglichen, indem ein vertrauensvolles Zusammenwirken von Vertretungskörperschaft und Wahlbeamten sichergestellt wird. 4 0 7 Deshalb müsse die kommunale Vertretungskörperschaft wegen fehlender parteipolitischer Gleichgestimmtheit, 408 Autorität, Sachkompetenz oder ähnlicher Gründe, die in der Person des Wahlbeamten wurzeln, das Vertrauen zu diesem verloren haben und aus diesem Grund eine
405
BVerfGE 7, 155 (168); BVerwGE 20, 160 (163 f.); BVerwG DVB1. 1989, 775 (777); BVerwG DÖV 1993, 204; OVG Lüneburg dng 1989, 134 (135); OVG Lüneburg DVB1. 1992, 982 (984); OVG Lüneburg DÖV 1993, 1101; VG Koblenz DÖD 1976, 236 (237); Borchert, in: Galette/Laux, § 40 aGO, Erl. 1 zu Abs. 1; Dehn, in: Galette/Laux, § 35 a KrO, Erl. zu Abs. 2; Görg, ZBR 1958, 65 (69); Ipsen, Festschrift „175 Jahre Oberlandesgericht Oldenburg", S. 696, ders., DVB1. 1992, 985; Kirchhof, KrO, § 38 Anm. 17; Lierenfeld, DVB1. 1982, 1021 (1023); Slawski, in: Lüersen/Neuffer, NGO, § 61 Rn. 6; Thiele, NGO, § 61 Anm.6. 406 BVerwGE 20, 160 (165); 56, 163 (171); BVerwG DÖV 1993, 204; OVG Lüneburg Eildienst LKT NW 1988, 92; OVG Lüneburg dng 1989, 134 (135); OVG Lüneburg DVB1. 1992, 982 (983 f.); OVG Münster DVB1. 1981, 879 (880); Ipsen, Festschrift „175 Jahre Oberlandesgericht Oldenburg", S. 697; ders., DVB1. 1992, 985; Slawski, in: Lüersen/Neuffer, NGO, § 61 Rn. 6; Schwabe/Sundermann, Kommunal Verfassung, S. 134 Rn. 17; Thiele, NGO § 61 Rn. 5. 407 OVG Lüneburg dng 1989, 134 (135); Slawski, in: Lüersen/Neuffer, NGO, § 61 Rn. 6. 408 BVerfGE 7, 155 (167 f.).
I. Vorzeitige Amtsbeendigung durch einen Abberufungsbeschluß
141
gedeihliche Zusammenarbeit fraglich sein. 409 Hingegen dürfe die Abberufung keiner mißbräuchlichen Zielsetzung dienen, etwa um „die Beanstandung eines rechtswidrigen Ratsbeschlusses zu bestrafen" 410 oder um einer Koalitionsvereinbarung nachzukommen 411 . Auch dürfe die Abberufungsentscheidung nicht dazu dienen, trotz fortbestehenden Vertrauensverhältnisses eine mögliche Verletzung von Dienstpflichten statt auf dem Disziplinarweg mit der Abberufung zu ahnden, da ein solches Vorgehen eine unzulässige Formenvertauschung darstelle. 412 Ferner wird gefordert, daß zur Abberufung bewiesene Tatsachen vorliegen müßten. 413 Nach einer älteren Auffassung sind die Gründe, auf denen der Vertrauensverlust und damit die Abberufungsentscheidung beruht, unerheblich. 414 Begründet wird dies damit, daß die Abberufung ein ausschließlich politischer Vorgang sei und deshalb keines besonderen Grundes bedürfe. 415 Daher sei jeder mit der notwendigen Mehrheit gefaßte Abberufüngsbeschluß geeignet, das fehlende Vertrauen zum Wahlbeamten zu dokumentieren. 416 Insbesondere könne es nicht darauf ankommen, ob die Motive für die Abberufung auf die Person des Wahlbeamten gegründet seien. 417 Teilweise wird allerdings auch von den Vertretern dieser Auffassung anerkannt, daß mit der Abberufung keine verfassungs- oder gesetzeswidrigen Zwecke verfolgt werden dürften. 418
409
OVG Lüneburg, dng 1989, 134 (135); OVG Lüneburg DVB1. 1992, 982 (983 f.); Slawski, in: Lüersen/Neuffer, NGO, § 61 Rn. 6; Schwabe/Sundermann, Kommunalverfassung, S. 134 Rn. 17. 410 BVerwG DÖV 1993,204; OVG Lüneburg DÖV 1993, 1101. 411 Bericht des niedersächsischen Ausschusses für Innere Verwaltung, dng 1982, 121 (126); OVG Lüneburg DVB1. 1992, 982 (984). 412 Ipsen, Festschrift „175 Jahre Oberlandesgericht Oldenburg", S. 696; ders. DVB1. 1992, 985 (986); andererseits kann von einer unzulässigen Formenvertauschung dann keine Rede sein, wenn ein Dienstvergehen nur den Anlaß für die Abberufung bildet, während gleichzeitig ein gestörtes Vertrauensverhältnis zur Kommunalvertretung besteht, Ipsen, Festschrift „175 Jahre Oberlandesgericht Oldenburg", S. 696 f. 413 BVerwGE 20, 160 (165); OVG Lüneburg Eildienst LKT NW 1988, 92; Kümmel, in: Kümmel, NBG, § 194 Rn. 6.13.; Schwabe/Sundermann, Kommunalverfassung, S. 134 Rn. 17. 414 VG Koblenz DÖD 1976, 236; Borchert, in: Galette/Laux, § 40 a GO, Erl. 3 zu Abs. 3; Kirchhof, KrO, § 38, Anm. 17; Lierenfeld, DVB1. 1982, 1021 (1023). 415 Borchert, in: Galette/Laux, § 40 a GO, Erl. 3 zu Abs. 3; Kirchhof, KrO, § 38, Anm. 17; Lichtenfels DVB1. 1982, 1021 (1023). 416 Kirchhof, KrO, § 38, Anm. 17. 417 Kirchhof, in: v. Loebell, Erl. 38 zu § 49. 418 Borchert, in: Galette/Laux, § 40 a GO, Erl. 3 zu Abs. 3; Kirchhof, in: v. Loebell, Erl. 38 zu § 49.
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Teil II, B.: Die Rechtslage bei den kommunalen Wahlbeamten
Ein gänzlich konträrer Standpunkt wird von einer dritten Auffassung eingenommen, nach der die Abberufungsentscheidung in das freie Ermessen der Kommunalvertretung gestellt sei und überhaupt nicht sachlich gerechtfertigt sein müsse. 419 Vielmehr könne die Abberufungsentscheidung auch auf unsachlichen Motiven beruhen, da derartige Risiken jeder demokratischen Wahlentscheidung immanent seien. 420 Dementsprechend räumen die Vertreter dieser Auffassung einem möglichen Vertrauensverlust zwischen Kommunalvertretung und Wahlbeamten keine Bedeutung ein. Letztere Auffassungen suchen den Vergleich zu den politischen Entscheidungen der Legislative, 421 verkennen aber bei derart vordergründiger Betrachtungsweise, daß die Beschlüsse der Kommunalvertretung dem Bereich der Exekutive unterfallen, für den bestimmte verfassungsrechtliche und gesetzliche Vorgaben gelten, unabhängig davon, ob rein tatsächlich eine Annäherung an politische legislative Betätigung zu konstatieren ist. Zu diesen Vorgaben gehört gemäß Art. 33 Abs. 5 der hergebrachte Grundsatz, daß das Beamtenverhältnis auf (Lebens-)Zeit nicht nur auf ein Verbleiben im formalrechtlichen Beamtenstatus, sondern auf eine dauerhafte Tätigkeit als aktiver Beamter abstellt, so daß eine vorzeitige Beendigung des aktiven Beamtenstatus auf besondere Ausnahmefalle beschränkt bleiben muß. 4 2 2 Die Kommunalvertretung als Dienstvorgesetzter des kommunalen Wahlbeamten hat die fürsorgerechtliche Verpflichtung des Dienstherrn zu erfüllen, 423 den Wahlbeamten grundsätzlich in seiner Stellung als aktiven Beamten zu schützen. 424 Diese Verpflichtung hat nach dem Willen des Gesetzgebers im Interesse einer effektiven Arbeit der Gebietskörperschaft eine Einschränkung erfahren, indem die Möglichkeit einer vorzeitigen Amtsbeendigung geschaffen wurde. Einzig aus diesem Grund besteht die Abberufüngsmöglichkeit, hingegen sollte ein anders motivierter Eingriff in die beamtenrechtliche Stellung hierdurch nicht ermög-
419
Büchner-Uhder, in: Bretzinger/Büchner-Uhder, komm. Praxis, § 30 Rn. 2,4; Engel, in: Engel/Fey, § 55 Rn. 31; Rehn/Cronauge, § 49 Erl. Vm, 3; Schlempp, HGO, § 76 Erl. IE; Stober, Abwahl, S. 88. 420 Stober, Abwahl, S. 88. 421 Vgl. Lichtenfeld, DVB1. 1982, 1021 (1023); Stober, Abwahl, S. 88; BüchnerUhder, in Bretzinger/Büchner-Uhder, komm. Praxis, § 30 Rn. 2 spricht insoweit von dem „Prinzip der politischen Verantwortlichkeit". 422 Maunz in Maunz/Dürig zu GG Art. 33 Rdnr. 65. 423 Vgl. die entsprechenden Ausführungsbestimmungen in den Beamtengesetzen der Länder: § 42 Abs. 1 LBG Berl; § 45 LBG Brandenburg; § 78 BremBG; § 84 HmbBG; § 91 Abs. 1 HBG; § 87 LBG M-V; § 87 Abs. 1 NBG; § 85 LBG NW; § 87 LBG RhPf; § 94 SBG; § 99 SächsBG; § 79 BG LSA; § 95 Abs. 1 LBG SchlH; § 83 ThürBG. 424 OVG Lüneburg Eildienst LKT NW 1988, 92.
I. Vorzeitige Amtsbeendigung durch einen Abberufungsbeschluß
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licht werden. 425 Damit ergibt sich aus dem Gesetzeszweck eine Mißbrauchsgrenze, die einer unbeschränkten, politisch-legislativen Willensbildung der Vertretungskörperschaft entgegensteht.426 Auch wird argumentiert, daß der ^/?/entscheidung sehr wohl unsachliche Motive zugrundeliegen dürften, so daß im Umkehrschluß gleiches für den Abberufungsbeschluß gelten müsse. 427 Eine derartige Argumentation verkennt, daß im Zeitpunkt der Wahl noch kein beamtenrechtliches Vertrauensverhältnis zur Kommunalvertretung bestanden hat, dieses hingegen mit der Wahl begründet wurde und bis zu einer möglichen Abberufung andauert. Deswegen ist auch die landläufige Bezeichnung als Abwahl unkorrekt. Vielmehr handelt es sich bei der Abberufung um einen Personalbeschluß, 428 für den anders als bei der Wahl bestimmte subjektiv-rechtliche Vorgaben zu gelten haben. Insbesondere gebietet die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht eine Beschränkung der Abberufung auf sachliche Gründe, die in der Person des Wahlbeamten wurzeln, da ansonsten dessen beamtenrechtliche Stellung nicht einmal den durch Art. 33 Abs. 5 GG verfassungsrechtlich gebotenen Minimalschutz erführe. Dabei sind solche Gründe als sachlich anzusehen, die auf eine effektive Arbeit der Gebietskörperschaft abzielen, indem sie ein vertrauensvolles Zusammenwirken mit der Person des Wahlbeamten sicherstellen sollen. 429 425
Vgl. für Niedersachsen den Bericht des Ausschusses für Innere Verwaltung, dng 1982, 121 (126), aus dem hervorgeht, daß der Gesetzgeber zwar bewußt auf die Formulierung eines besonderen Tatbestandes verzichtet hat, gleichwohl aber eine Abberufung nur aus Gründen zulassen wollte, die in der Person des kommunalen Wahlbeamten liegen; gleicher Ansicht auch OVG Lüneburg DVB1. 1992, 982 (983 f.). 426 BVerfGE 7, 155 (163 ff.); BVerwG DÖV 1993, 204; OVG Lüneburg DVB1. 1992, 982 (983 f.); Slawski, in: Lüersen/Neuffer, NGO, § 61 Rn. 6. 427 Stober, Abwahl, S. 88. 428 Ipsen, Festschrift „175 Jahre Oberlandesgericht Oldenburg", S. 695; Stargardt, Kommunal verfassungsrecht, S. 508. 429 In diesem Zusammenhang ist an die Abberufung des Frankfurter Oberbürgermeisters Andreas von Schoeler (SPD) am 19.4.1995 zu erinnern, dessen vorzeitige Amtsbeendigung nicht etwa durch einen Vertrauensverlust des Stadtparlaments in seine Person ausgelöst wurde, sondern vielmehr hatte von Schoeler selbst sein Verbleiben im Amt von der anstehenden Wiederwahl der Beigeordneten Nimsch (Bündnis 90/Die Grünen) abhängig gemacht (Adolphs, FAZ vom 16.3.1995, S. 1). Nachdem die Wiederwahl gescheitert war, hatte von Schoeler nach eigenem Bekunden das Vertrauen in die Funktionsfahigkeit der kommunalen „Regierungsfraktion" aus SPD und Bündnis 90/Die Grünen verloren und um seine Abberufung gebeten (Adolphs, FAZ vom 16.3.1995, S. 2). Hiermit wollte er den Weg frei für die erste Direktwahl des Frankfurter Stadtoberhaupts machen (zum kommunalverfassungsrechtlichen Hintergrund vgl. Teil II B 1 a ee). Bei der Beschlußfassung über die Abberufung am 20.3.1995 und am 19.4.1995 votierten Abgeordnete von CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen mit der erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit für eine
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Teil , B.: Die Rechtslage bei den kommunalen Wahlbeamten
Daher dürfen die Gründe nicht willkürlich oder unbewiesen, sondern müssen das Ergebnis einer sorgfältigen Tatsachenermittelung sein. 430 Demzufolge ist nicht jeder Grund geeignet, die Abberufungsentscheidung zu rechtfertigen. Vielmehr kann abschließend festgestellt werden, daß als ungeschriebenes materielles Tatbestandsmerkmal für die Abberufung ein Vertrauensverlust zwischen dem Wahlbeamten und der kommunalen Vertretungskörperschaft eingetreten sein muß, der auf Gründen beruht, die ausschließlich in der Person des Wahlbeamten wurzeln.
bb) Verhältnismäßigkeit Weiterhin ist zu untersuchen, ob die Kommunalvertretung bei der Beschlußfassung das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu berücksichtigen hat. Im Einzelfall ist daran zu denken, daß dem Vertrauensverlust in die Person des Wahlbeamten statt durch Abberufung durch eine weniger einschneidende Maßnahme Rechnung getragen werden könnte. 431 Insoweit kommt nur die Zuweisung eines anderen Geschäftsbereichs durch Umsetzung in Betracht. Ausgeschlossen wäre die Umsetzung von vornherein, wenn der Wahlbeamte ein Recht an seinem Amt hätte. Dies ist immer dann der Fall, wenn die konkrete Funktion des Wahlbeamten untrennbar mit seinem statusrechtlichen Amt verknüpft
Abberufung (FAZ vom 21.3.1995, S. 1, FAZ vom 20.4.1995, S. 1). Daß SPD und Bündnis 90/Die Grünen nicht etwa deshalb für eine Abberufung votierten, weil sie das Vertrauen in Andreas von Schoeler verloren hatten, dokumentierte die anschließende Direktwahl am 25.6.1995, aus der die CDU-Politikerin Roth als neue Oberbürgermeisterin hervorging. Denn SPD und Bündnis 90/Die Grünen hatten als gemeinsamen Gegenkandidaten Andreas von Schoeler aufgestellt, was nachgerade den Schluß aufdrängt, daß von Schoeler nach wie vor das Vertrauen der Mehrheitsfraktion im Frankfurter Stadtparlament genoß. Sollte daher tatsächlich die Abberufung auf den Personalstreitigkeiten um die Beigeordnete Nimsch und dem in diesem Zusammenhang von Andreas von Schoeler geäußerten Vertrauensverlust in die Funktionsfähigkeit der Fraktion aus SPD und Bündnis 90/Die Grünen beruhen, wäre diese Sachlage ungeeignet, eine Abberufung zu rechtfertigen. Darüber hinaus stellt eine derartige Abberufung einen unzulässigen Formenmißbrauch dar, weil Direktwahlen erst nach Ablauf der Amtszeit der nach bisherigem Recht gewählten Hauptverwaltungsbeamten durchgeführt werden dürfen, die Durchfuhrung also nicht zur politischen Disposition der Kommunalvertretung oder gar des Hauptverwaltungsbeamten gestellt ist. 430 OVG Lüneburg Eildienst LKT NW 1988, 92; Slawski, in: Lüersen/Neuffer, NGO, § 61 Rn. 6; Schwabe/Sundermann, Kommunal Verfassung, S. 134, Rn. 17. 431 KPV/NW 1 R 77/79, KpolBl. 1980, 260 (261).
I. Vorzeitige Amtsbeendigung durch einen Abberufungsbeschluß
145
ist. 4 3 2 Auf den Hauptverwaltungsbeamten und dessen Vertreter trifft eine derartige untrennbare Verknüpfung von Status und Funktion stets zu, da diese ausschließlich für den Geschäftskreis des (Ober-) Bürgermeisters, (Ober-) Stadtdirektors, (Ober-) Kreisdirektors oder Landrats gewählt werden. 433 Hingegen kann bei den übrigen abrufbaren Wahlbeamten eine Umsetzung grundsätzlich in Betracht kommen, soweit bei der Ausschreibung des Postens nicht ausdrücklich ein besonderer Geschäftsbereich zugesichert worden ist. 4 3 4 Daraus ergibt sich als Konsequenz für das Abstimmungsverhalten der einzelnen Mitglieder der Kommunalvertretung, daß diese bei ihrer individuellen Entscheidungsfindung die Pflicht trifft, als weniger einschneidende Handlungsalternative die Möglichkeit einer Umsetzung in ihre Erwägungen einzubeziehen. Mit welchem Ergebnis dies geschieht, hängt davon ab, wie die einzelnen Mitglieder die Schwere des Vertrauensverlustes gewichten. Nur in Abhängigkeit von diesem Werturteil kann die Berücksichtigung einer möglichen Umsetzung individuell bei der Abstimmung erfolgen. Es muß daher individueller Erwägung vorbehalten bleiben, ob die Gründe für die Vertrauensstörung auch einer Weiterbeschäftigung in einem anderen Geschäftskreis entgegenstehen. Deshalb kann keine weitergehende Aussage darüber getroffen werden, wann eine Umsetzung als weniger einschneidende Maßnahme zu erfolgen hat. Für die Mitglieder der Kommunalvertretung besteht lediglich die Pflicht, eine mögliche Umsetzung in ihre Erwägungen einzubeziehen.
cc) Sonstige materielle Voraussetzungen Das Vorliegen weiterer materieller Voraussetzungen ist zwar nicht erforderlich, die Mitglieder der Vertretungskörperschaft unterliegen aber wie bei allen Entscheidungen der gesetzlichen Pflicht, das Einwohnerwohl - und nicht etwa das einer bestimmten Ratsmehrheit - nach ihrer freien Überzeugung zu fördern 4 3 5 und dabei die Grundsätze einer sparsamen und wirtschaftlichen Haus-
432
Lohmann, Wahlbeamte, S. 84. Klein, DÖV 1980, 853 (862); Lohmann, Wahlbeamte, S. 84; Brockhaus, in: Schütz, Teil C RdNr. 3 a zu § 30. 434 Klein, DÖV 1980, 853 (862). 435 § 37 Abs. 1 BbgGO; § 31 Abs. 1 BbgLKrO; § 20 BrhvVerf; § 32 Abs. 1 S. 2 HmbBezVG; §§ 1 Abs. 2 S. 2, 23 Abs. 3, 88 Abs. 2 S. 1, 105 Abs. 2 KVM-V; §§ 1 Abs. 1 S. 2, 35 Abs. 1 HGO; § 28 Abs. 1 HKO; §§ 1 Abs. 1 S. 2, 39 Abs. 1 NGO; § 35 Abs. 1 NLO; §§ 1 Abs. 1 S. 2, 30 Abs. 1 GO NW; § 22 Abs. 1 KrO NW; §§ 1 Abs. 1 S. 2, 30 Abs. 1 GemORhPf; § 23 Abs. 1 LKORhPf; § 5 SaarlKSVG; §35 Abs. 3 SächsGemO; §31 Abs. 3 SächsLKrO; §§ 1 Abs. 1 S. 2, 32 Abs. 1 GOSchlH; § 27 Abs. 1 KrOSchlH; § 24 Abs. 1, § 103 Abs. 1 ThürKO. 433
10 Pricbc
1 4 6 T e i l II, B.: Die Rechtslage bei den kommunalen Wahlbeamten haltsführung zu berücksichtigen 436 . Insoweit müssen entsprechende Erwägungen pflichtgemäß in die Abberufungsentscheidung Eingang gefunden haben. 437
b) Materielle Voraussetzungen bei erleichterter Abberufungsmöglichkeit in Hessen Soweit in Hessen die bundesweit einmalige Möglichkeit einer vereinfachten Abberufung im zeitlichen Zusammenhang zur Kommunalwahl besteht, dient diese Regelung der Herstellung einer politischen Gleichgestimmtheit zwischen Kommunalvertretung und Verwaltungsspitze. 438 Daher muß die Maßnahme in materieller Hinsicht - wie bei sonstigen Abberufungsregelungen - durch den Regelungszweck begrenzt sein, folglich das Fehlen einer politischen Gleichgestimmtheit zwischen Kommunalvertretung und Wahlbeamten zum ungeschriebenen materiellen Tatbestandsmerkmal werden. 439 Hierzu muß auf Grund der durch die Kommunalwahl bedingten veränderten Mehrheitsverhältnisse in der Kommunalvertretung das politische Vertrauen in die Person des Wahlbeamten verloren gegangen sein. 440 Dies wird der Fall sein bei Bestehen eines parteipolitischen Widerspruchs zwischen der Mehrheit in der Kommunalvertretung und dem Wahlbeamten. 441
436
§ 74 Abs. 2 BbgGO; § 63 Abs. 1 BbgLKrO; § 48 Abs. 1 BrhvVerf; § 6 HmbBezVG; §92 Abs. 2 HGO; §52 Abs. 1 HKO; §§43 Abs. 1, 120 Abs. 1 KV M-V; § 82 Abs. 2 NGO; § 65 NLO; § 78 Abs. 1 S. 1 GemRhPf; § 50 LKORhPf; §82 Abs. 2 SaarlKSVG; §72 Abs. 2 SächsGemO; §61 SächsLKrO; §75 Abs. 2 GOSchlH; § 57 KrOSchlH; § 53 Abs. 2, § 114 ThürKO. 437 Vgl. insoweit OVG Lüneburg DÖV 1993, 1101; KPV/NW 1 R 77/79, KpolBl. 1980, 260 (261). 438 Hess. LT-Drucksache, 9. WP, 32. Sitzung, S. 1951; hierzu auch BVerwGE 81, 318 (325 f.); HessVGH DÖV 1988, 305 (306); Hoffmann, DÖV 1990, 320; Stargardt, VR 1991, 146 (148); Zezschwitz, in: Zinn/Stein, Erl. V/VI zu Art. 138 Abs. 2. 439 Die gegenteilige Auffassung vertritt Zezschwitz, in: Zinn/Stein, Erl. VI 1 zu Art. 138 Abs. 2, der davon ausgeht, daß die Abberufung keinerlei materiellen Voraussetzungen unterfällt, so daß die Entscheidung sogar auf sachfremden Erwägungen beruhen dürfe. Wie jedoch bereits unter Teil II B 12 a aa ausgeführt, unterliegt der aktive Beamtenstatus der kommunalen Wahlbeamten über Art. 33 Abs. 5 GG einem verfassungsrechtlichen Minimalschutz, der eine materielle Freigabe der Beschlußfassung nicht zuläßt. 440 BVerwGE 81, 318 (326 f.). 441 Nach eigenen Untersuchungen konnten in Hessen lediglich fünf parteilose Hauptverwaltungsbeamte ausgemacht werden, von denen aber bekannt ist, welcher Partei sie nahestehen. Unter den Beigeordneten befinden sich gleichfalls nur wenige
I. Vorzeitige Amtsbeendigung durch einen Abberufungsbeschluß
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Ob eine Abberufung auch mit den Stimmen der eigenen Partei zulässig ist, könnte zweifelhaft sein. 442 Ein solches Abstimmungsverhalten kann das Ergebnis eines durch Koalitionsvereinbarung festgelegten Personalpakets sein. Soweit im Anschluß an Kommunalwahlen Koalitionsvereinbarungen getroffen werden, können diese gerade wegen der vereinfachten Abberufungsmöglichkeit die personelle Besetzung der örtlichen Wahlbeamtenstellen zum Gegenstand haben. Derartige Vereinbarungen sind angesichts der Bedeutung von Personalfragen in der Politik allzu naheliegend. Dieser Tatsache mußte sich der Gesetzgeber bewußt sein, als er die vereinfachte Abberufungsregelung einführte. Deshalb ist davon auszugehen, daß eine Abberufung auch mit den Stimmen der eigenen Partei in Ausführung einer entsprechenden Koalitionsvereinbarung durch diese Regelung gedeckt ist. Hingegen kann eine anders motivierte Abberufung nicht mehr vom Regelungszweck getragen werden, da der Gesetzgeber hierfür nur die Möglichkeit der erschwerten Abberufung mit der qualifizierten Mehrheit von zwei Dritteln zur Verfügung gestellt hat. 4 4 3 Dementsprechend darf die vereinfachte Abberufüngsmöglichkeit nicht dazu mißbraucht werden, im Anschluß an eine Kommunalwahl trotz weitgehend unveränderter Mehrheitsverhältnisse in der Kommunalvertretung eine Abberufüng mit einfacher Mehrheit zu beschließen, für die bis dahin die erforderliche Zweidrittelmehrheit gefehlt hat. 4 4 4 Gleichermaßen als Mißbrauch ist die vorzeitige Abberufung infolge (namentlicher) Abstimmung bei anschließender (geheimer) Neuwahl einzustufen, da es sich hier um eine verdeckte Form der vorgezogenen Wiederwahl handelt. 445 Ebenfalls rechtsmißbräuchlich ist eine Abberufung, bei der die Kommunalparlamentarier offensichtlich entgegen ihrer politischen Überzeugung abstimmen, weil sie sich durch den Druck ihrer Landespartei unter Verzicht auf ihr freies Mandat fernsteuern lassen. 446 Parteilose und einige Angehörige von Wählergemeinschaften. Dieses Ergebnis deckt sich mit älteren Ergebnissen, vgl. Lohmann, Wahlbeamte, S. 135 Fn. 1. Im übrigen wurde laut entsprechender Pressemitteilungen und der Auskunft von Herrn Becker, Geschäftsführer der kommunalpolitischen Vereinigung Hessen, im Anschluß an die Kommunalwahlen vom 7.3.1993 von der vereinfachten Abberufungsmöglichkeit reger Gebrauch gemacht. 442 Vgl. die entsprechende Anfrage des Abgeordneten Hahn im hessischen Landtag vom 24.7.1989, Hess. LT-Drucksache, 12. WP, Bd. 17, Nr. 4888. 443 Eine andere Ansicht vertritt offensichtlich Schlempp, HGO, § 76 Erl. HI, V. 444 Vgl. auch die entsprechenden Beispielfalle zum Problem der Abberufung durch die eigene Partei bei Stargardt, VR 1991, 146 (148). 445 Vgl. Stargardt, Kommunalverfassungsrecht, S. 505 f., der lediglich von einem „politischen Phänomen" spricht. 446 Im Anschluß an die Kommunalwahlen vom 7.3.1993 in Hessen stellte die FWG im Kreistag des Vogelsbergkreises den Antrag auf Abberufung des Ersten Kreisbeigeordneten (Heinrich, Lauterbacher Anzeiger vom 29.5.1993, S. 5). Wegen § 49 Abs. 1 1
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Teil II, B.: Die Rechtslage bei den kommunalen Wahlbeamten
Als Ergebnis kann daher festgehalten werden, daß in Hessen die vereinfachte Abberufungsmöglichkeit in materieller Hinsicht durch das Fehlen einer politischen Gleichgestimmtheit zwischen dem Wahlbeamten und der Kommunalvertretung infolge der vorangegangenen Kommunalwahl bedingt wird.
3. Abwahl und Abberufung Die Beschlußfassung über die vorzeitige Amtsbeendigung kommunaler Wahlbeamtenverhältnisse wird als Abwahl oder Abberufung bezeichnet, wobei beide Begriffe oftmals synonym verwendet werden. So wird in Berlin, Brandenburg, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Thüringen der Wahlbeamte abberufen, während er in Rheinland-Pfalz und dem Saarland abgewählt wird. Auch der Bundesgesetzgeber sieht sich zu keiner Differenzierung veranlaßt und verwendet einheitlich den Begriff der Abwahl 447 In der gesetzlichen Regelung für die Stadt Bremerhaven werden die beiden Begriffe sogar nebeneinander verwendet. 448 In Sachsen besteht das begriffliche Kuriosum, daß der Wahlbeamte entweder vom Gemeinderat abgewählt oder vom Kreistag abberufen S. 4 und S. 5 HKO mußte über die Abberufung zweimal im Mindestabstand von vier Wochen abgestimmt werden. In der ersten Abstimmung am 28.5.1993 wurde ein Abberufungsbeschluß mit den Stimmen von CDU, FWG, Grünen und Republikanern gegen die Stimmen der SPD gefaßt (Heinrich, Lauterbacher Anzeiger vom 29.5.1993, S. 5). Hingegen enthielten sich die vier Abgeordneten der Grünen bei der zweiten Beschlußfassung am 28.6.1993 ihrer Stimme (Heinrich, Lauterbacher Anzeiger vom 29.6.1993, S. 5). Der Grund fiir dieses veränderte Abstimmungsverhalten bestand ausschließlich darin, daß die Landespartei der Grünen wegen des Abstimmungsverhaltens ihrer Kommunalparlamentarier am 28.5.1993 ein Parteiausschlußverfahren eingeleitet hatte (Heinrich, Lauterbacher Anzeiger vom 29.6.1993, S. 5). Das Parteiausschlußverfahren wurde damit begründet, daß es nicht angehen könne, wenn eine Beschlußfassung gemeinsam mit den Stimmen von Grünen und Republikanern erfolge. Erst nachdem sich die vier Abgeordneten der Grünen bereiterklärt hatten, bei der zweiten Beschlußfassung nicht gemeinsam mit den Republikanern für eine Abberufung zu stimmen, wurde das Parteiausschlußverfahren eingestellt (Heinrich, Lauterbacher Anzeiger vom 29.6.1993, S. 5). Offensichtlich war somit das Abstimmungsverhalten der vier GrünenAbgeordneten bei der zweiten Beschlußfassung durch die Landespartei ferngesteuert. Immerhin war in diesem Fall das rechtswidrige Abstimmungsverhalten für das Ergebnis der Abberufung ohne Bedeutung. Es lassen sich aber unschwer Fälle konstruieren, bei denen durch das Eingreifen der Landespartei unter Ignorierung des freien Mandats der Kommunalparlamentarier ursächlicher Einfluß auf das Ergebnis des Abberufungsbeschlusses genommen wird. 44
~ § 4 Abs. 3 S. 1 BBesG, § 66 Abs. 6 S. 1 BeamtVG. § 6 Abs. 6 S. 1, S. 3 (Abwahl) und S. 2 (Abberufung) BremBG.
448
I. Vorzeitige Amtsbeendigung durch einen Abberufungsbeschluß
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werden kann. 4 4 9 Ebenso wird in der Rechtsprechung und Literatur nicht zwischen beiden Begriffen unterschieden, so daß sich Brockhaus zu der Feststellung veranlaßt sieht, daß für die abweichende Begrifflichkeit kein sachlicher Grund ersichtlich sei. 450 Zwar ist zuzugeben, daß sich an die unterschiedlichen Begrifflichkeiten keine abweichenden formellen oder materiellen Voraussetzungen knüpfen, es wäre dennoch oberflächlich, wenn man es bei dieser Feststellung beließe. Der Begriff der Abwahl suggeriert, daß es sich bei der Maßnahme lediglich um die Kehrseite der Wahl handelt. Rein tatsächlich mag eine solche Betrachtung auch zutreffen, hingegen kann sie bei rechtlicher Würdigung kaum aufrecht erhalten werden. Während es sich bei der Wahl um eine freie Ermessensentscheidung handelt, die von beliebigen - politischen - Erwägungen getragen sein kann, 451 ist die Abberufung ein beamtenrechtlicher Personalbeschluß, 452 der mit erweiterten verfahrensrechtlichen Garantien ausgestattet ist und für den bestimmte materielle Vorgaben gelten, die einer freien oder beliebigen Ermessensbetätigung entgegenstehen. Diese Feststellung kann durch den Hinweis des OVG Lüneburg ergänzt werden, daß anders als bei einer Wahl nicht eine von mehreren Personen für das Amt ausgewählt, sondern der Weg für eine Neuwahl freigemacht werden soll. 4 5 3 Angesichts dieser unbestreitbaren Unterschiede erscheint es notwendig, auch auf der sprachlichen Ebene die gebotene Abgrenzung zur Wahl vorzunehmen, indem die vorzeitige Amtsbeendigung durch die Kommunalvertretung als Abberufung bezeichnet wird. 4 5 4 Darüber hinaus muß die Abberufung gegenüber der direkten Abwahl von Hauptverwaltungsbeamten durch das Volk abgegrenzt werden. 455 Weil die kommunalen Hauptverwaltungsbeamten in Brandenburg, Hessen, RheinlandPfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen durch eine unmittelbare Volkswahl in ihr Amt gelangt sind, 4 5 6 können die dortigen Abwahlregelungen wegen der Ausgestaltung als Bürgerentscheid zutreffenderweise als Kehrseite der Wahl und damit als Abwahl bezeichnet werden. Der nordrheinwestfalische Gesetzgeber hat diese Differenzierung konsequent umgesetzt, 449
§ 56 Abs. 4 SächsGemO; § 52 Abs. 4 SächsLKrO. Brockhaus, in: Schütz, Teil C RdNr. 3a zu § 30. 451 OVG Schleswig NVwZ 1993, 1124 (1125). 452 Ipsen, Festschrift „175 Jahre Oberlandesgericht Oldenburg", S. 695; Stargardt, Kommunalverfassungsrecht, S. 508. 453 OVG Lüneburg OVGE 17, 465 (470). 454 Im Ergebnis ebenso Borchert, in: Galette/Laux, § 40 a GO, Erl. 1 zu Abs. 1; Engel, in: Engel/Fey, § 55 Rn. 31. 455 VGH Kassel NVwZ 1985, 604 (605). 456 In Brandenburg beschränkt sich die Direktwahl gemäß § 62 BbgGO auf die Gemeindeebene. 450
150
Teil II, B.: Die Rechtslage bei den kommunalen Wahlbeamten
wenn die ab 1999 unmittelbar gewählten Bürgermeister und Landräte durch die Bürger abgewählt, hingegen die durch eine mittelbare Wahl ins Amt gelangten Wahlbeamten von der Kommunalvertretung abberufen werden kön457
nen. Da der Abberufungsbeschluß sowohl gegenüber der Wahl als auch gegenüber den Abwahlregelungen in Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen (ab 1999), Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen erhebliche Unterschiede aufweist, umschreibt der Begriff der Abberufung am ehesten die Rechtsnatur der Maßnahme.
4. Die Rechtsnatur der Abberufung Finale Voraussetzung für die Abberufung des Wahlbeamten ist der - gegebenenfalls zweite - Abberufungsbeschluß. Mit diesem Beschluß hat die Kommunalvertretung eine verbindliche Entscheidung getroffen, die darauf abzielt, die aktive Amtstätigkeit des Wahlbeamten zu beenden. Zusätzlich kann sich der Beschluß auf die Abberufung als Organwalter des jeweiligen Kommunalorgans erstrecken. Wird nämlich der Hauptverwaltungsbeamte abberufen, ist dies nicht nur von beamtenrechtlicher, sondern darüber hinaus von kommunalverfassungsrechtlicher Bedeutung, weil mit dem Gemeindevorsteher Gemeinde- oder (Ober-)Stadtdirektor, (Ober-)Bürgermeister - und dem Oberkreisdirektor/Landrat zugleich der Organwalter des zweiten kommunalen Hauptorgans neben dem Gemeinderat oder Kreistag abberufen wird. 4 5 8 Angesichts dieser zentralen Bedeutung stellt sich die Frage nach der Rechtsnatur der Abberufung.
a) Der Abberufungsbeschluß als Verwaltungsakt Es ist daran zu denken, daß der Abberufungsbeschluß ein Verwaltungsakt im Sinn des § 35 S. 1 VwVfG sein könnte. Zwar handelt es sich bei dem Beschluß um eine einzelfallbezogene Maßnahme auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, aber inwieweit die weiteren Voraussetzungen - Behördenqualität der Kommunalvertretung und unmittelbare Rechtswirkung nach außen - vorliegen, steht im Streit.
4S7
§§ 66, 71 Abs. 7 GO NW; §§ 45, 47 Abs. 2 KrO NW. * Hierzu Engel, in: Engel/Fey, § 55 Rn. 31; vgl. zur Organstellung des Hauptverwaltungsbeamten Schmidt-Aßmann in Schmidt-Aßmann, BesVerwR, 10. Aufl. 1995, Rdn. 70, 147. 4