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German Pages 280 Year 2014
Schriften zum Prozessrecht Band 231
Die Verfahrensbeistandschaft Verfahrensrechtliche Umsetzung des verfassungsmäßigen Gebotes einer Interessenvertretung für Minderjährige
Von Katja Rösler
Duncker & Humblot · Berlin
KATJA RÖSLER
Die Verfahrensbeistandschaft
Schriften zum Prozessrecht Band 231
Die Verfahrensbeistandschaft Verfahrensrechtliche Umsetzung des verfassungsmäßigen Gebotes einer Interessenvertretung für Minderjährige
Von Katja Rösler
Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Universität Potsdam hat diese Arbeit im Jahre 2013 als Dissertation angenommen.
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Meiner Familie
Vorwort Die vorliegende Arbeit untersucht, inwiefern durch das mit der FGG-Reform von 2009 neu eingeführte Institut der Verfahrensbeistandschaft das verfassungsmäßige Gebot zur Gewährleistung einer ausreichenden Interessenvertretung für Minderjährige speziell im Kindschaftsverfahren verfahrensrechtlich umgesetzt wurde. Die Arbeit ist von der Juristischen Fakultät der Universität Potsdam am 6. Mai 2013 als Dissertation angenommen worden. Literatur und Rechtsprechung wurden bis August 2013 berücksichtigt. Für ihre Hilfe und Unterstützung bei der Erstellung dieser Arbeit gebührt zahlreichen Personen mein Dank. Im Besonderen möchte ich mich bei Professor Dr. Dorothea Assman für die Betreuung der Arbeit sowie für die wertvolle Hilfestellung bedanken. Besonderer Dank gebührt zudem Honorarprofessor Wolfgang Schael für die wertvollen Einblicke in die Praxis, die stetige Ansprechbarkeit und Motivation sowie für die schnelle Erstellung des Zweitgutachtens. Mein besonderer Dank gilt zudem meinem Verlobten Daniel Kupko, der mich zur Erstellung dieser Arbeit motiviert und zugleich in technischer Hinsicht in allen Phasen beraten hat. Seine Unterstützung hat diese Arbeit erst möglich gemacht. Für die wertvollen Anregungen sowie die stetige moralische Unterstützung möchte ich mich zudem besonders bei Anja Schneider bedanken. Großer Dank gilt darüber hinaus den Personen, die mich bei der Fehlersuche und der Korrektur unterstützt haben: Claudia Scholz, Kirsten Gramann und Juliane Trebus. Schließlich möchte ich mich bei meiner Familie bedanken, die mich auf meinem privaten sowie beruflichen Lebensweg und nicht zuletzt auch bei der Erstellung der vorliegenden Arbeit begleitet und unterstützt hat. Potsdam, im Oktober 2013
Katja Rösler
Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
I.
Einführung und Gegenstand der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
II.
Gang der Untersuchung
......................................
19
B. Das Bedürfnis für eine rechtliche Interessenvertretung Minderjähriger .
21
I.
II.
Das historisch gewachsene Verständnis von der rechtlichen Subjektstellung Minderjähriger und der Notwendigkeit ihrer Interessenvertretung . . . . . 1. Die Rechtsstellung Minderjähriger bis zur Gründung der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die fortschreitende Entwicklung unter der Geltung des Grundgesetzes 3. International-rechtliche Impulse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen der Subjektstellung Minderjähriger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das minderjährige Kind als Grundrechtsinhaber . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Kindeswohlprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Begriff des Kindeswohls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kindeswohl und Kindeswille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Funktion des Kindeswohlprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Elternverantwortung und die staatliche Verantwortung bei der Wahrung des Kindeswohls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Elternverantwortung gemäß Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG . . . . . . . aa) Inhaber der Elternverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Elternverantwortung als Grundrecht und Grundpflicht . . . . cc) Funktion, Inhalt und Grenzen der Elternverantwortung . . . dd) Einfachgesetzliche Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das staatliche Wächteramt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtliche Begründung und Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Befugnisse und Schranken des Wächteramtes . . . . . . . . . . . 4. Die Wechselwirkung der Grundrechtspositionen im Erziehungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundrechtswirkung im Verhältnis Kind-Eltern-Staat . . . . . . . . b) Kollision zwischen Elternverantwortung und Kindeswohl . . . . .
21 21 25 30 31 32 32 36 36 39 44 45 45 45 47 49 53 54 54 56 58 58 59
10
Inhaltsverzeichnis 5. Grundrechtsschutz durch Verfahrensgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Verfahrensfähigkeit und das Erfordernis einer verfahrensrechtlichen Vertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anspruch auf rechtliches Gehör . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
64 69 71
C. Der Verfahrenspfleger nach § 50 FGG a. F. als Interessenvertreter des minderjährigen Kindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73
I.
II.
Die Einführung der Verfahrenspflegschaft nach § 50 FGG a. F. durch die Kindschaftsrechtsreform von 1998 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die rechtspolitische Diskussion um die Einführung der Verfahrenspflegschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Implementierung von § 50 FGG a. F. durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundprobleme der gesetzlichen Ausgestaltung der Verfahrenspflegschaft nach § 50 FGG a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Die Bestellung des Verfahrenspflegers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Notwendige Qualifikationsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anfechtbarkeit und Entpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Aufgabenkreis und Funktion der Verfahrenspflegschaft . . . . . . . . . . 5. Die rechtliche Stellung des Verfahrenspflegers . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Grundzüge der Entschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
73 73 77 82 82 84 86 88 94 95 98
D. Die Stärkung der verfahrensrechtlichen Position des Minderjährigen durch das FGG-Reformgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 I.
Grundzüge der gesetzgeberischen Intention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
II.
Die verfahrensrechtliche Position Minderjähriger nach den §§ 7 ff. FamFG 101 1. Rückblick: Die verfahrensrechtliche Position Minderjähriger unter der Geltung des FGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Beteiligtenbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Beteiligten- und Verfahrensfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die gesetzliche Definition des Beteiligten gemäß § 7 FamFG und ihre Auswirkung für die Rechtsstellung Minderjähriger im Kindschaftsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Beteiligte kraft Gesetzes gemäß § 7 Abs. 1 FamFG . . . . . . . b) Die Beteiligten kraft Hinzuziehung gemäß § 7 Abs. 2 und 3 FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Muss-Beteiligten gemäß § 7 Abs. 2 FamFG . . . . . . . . . bb) Die Kann-Beteiligten gemäß § 7 Abs. 3 FamFG . . . . . . . . .
101 101 103 104
105 106 107 107 109
Inhaltsverzeichnis
11
cc) Die Begründung der Beteiligung kraft Hinzuziehung und die Benachrichtigungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Beteiligung kraft Bestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die sich aus der Beteiligtenstellung ergebenden Rechte und Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Beteiligten- und Verfahrensfähigkeit des Minderjährigen nach dem FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Beteiligtenfähigkeit gemäß § 8 FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Verfahrensfähigkeit gemäß § 9 FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Voraussetzungen der Verfahrensfähigkeit gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Folgeprobleme der Verfahrensfähigkeit des Minderjährigen dd) Die Vertretung nicht verfahrensfähiger Beteiligter gemäß § 9 Abs. 2 bis 5 FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Beschwerderecht des Minderjährigen gemäß § 60 FamFG . d) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassendes Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Rechtsposition des Minderjährigen im Kindschaftsverfahren nach den §§ 151 ff. FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
IV.
1. Die besonderen Verfahrensregelungen der §§ 151 ff. FamFG . . . . . . 2. Die einzelnen Verfahrensmitwirkenden im Überblick und ihr verfahrensrechtliches Verhältnis zum Minderjährigen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
E. Die Verfahrensbeistandschaft gemäß § 158 FamFG I.
II.
110 111 112 113 114 114 116 116 117 126 129 131 133 134 135 135 145 148 150
. . . . . . . . . . . . . . . . . . 152
Die gesetzestechnische Entwicklung des § 158 FamFG: Vom ersten Referenten- zum endgültigen Gesetzentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 1. § 166 FamFG-E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. § 158 FamFG-E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Stellungnahme des Bundesrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. § 158 FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die gesetzliche Ausgestaltung der Verfahrensbeistandschaft gemäß § 158 FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
153 155 156 158 160 161
1. Der Anwendungsbereich des § 158 FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 2. Die Voraussetzungen für die Verfahrensbeistandsbestellung gemäß § 158 Abs. 1 und Abs. 2 FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 a) Ein die Person des Kindes betreffendes Kindschaftsverfahren . . 163
12
Inhaltsverzeichnis b) Die Erforderlichkeit der Bestellung eines Verfahrensbeistands . aa) Die Generalklausel des § 158 Abs. 1 FamFG . . . . . . . . . . . bb) Die Regelbeispiele gemäß § 158 Abs. 2 FamFG . . . . . . . . . c) Die Entbehrlichkeit der Bestellung nach § 158 Abs. 5 FamFG . . d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Bestellungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Bestellungszeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Auswahl des „geeigneten“ Verfahrensbeistands . . . . . . . . . . c) Die Bestellung des Verfahrensbeistands und ihre Beendigung . . d) Die Unanfechtbarkeit der Bestellung gemäß § 158 Abs. 3 S. 4 FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Funktion und Aufgaben des Verfahrensbeistands . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Funktion des Verfahrensbeistands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Aufgaben des Verfahrensbeistands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der originäre Aufgabenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der erweiterte Aufgabenkreis, § 158 Abs. 4 S. 3 und S. 4 FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die rechtliche Stellung des Verfahrensbeistands . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die eigene Beteiligtenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nicht gesetzlicher Vertreter, § 158 Abs. 4 S. 6 FamFG . . . . . . . . c) Das Verhältnis zum Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die Entschädigung für die Verfahrensbeistandschaft . . . . . . . . . . . . a) Die Neuregelung des § 158 Abs. 7 FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fortbildung des § 158 Abs. 7 FamFG durch die Rechtsprechung c) Kritische Betrachtung der Neuregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
F.
164 164 168 176 178 179 179 181 183 186 187 188 193 193 195 201 202 202 204 208 209 210 210 214 217 224 225
Die Abgrenzung der Verfahrensbeistandschaft von der Ergänzungspflegschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 I.
Die Ergänzungspflegschaft im Kindschaftsverfahren
. . . . . . . . . . . . . . . 229
1. Die Voraussetzungen der Bestellung eines Ergänzungspflegers für das Kindschaftsverfahren gemäß § 1909 Abs. 1 S. 1 BGB . . . . . . . . a) Das Tatbestandsmerkmal der „Verhinderung“ des Sorgerechtsinhabers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Tatsächliche Verhinderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtliche Verhinderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Das Ruhen der elterlichen Sorge . . . . . . . . . . . . . . . . . .
230 230 230 231 231
Inhaltsverzeichnis
II.
(2) Der Ausschluss durch Gesetz gemäß §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1795 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die gerichtliche Entziehung der Vertretungsmacht gemäß §§ 1629 Abs. 2 S. 3, 1796 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das besondere Fürsorgebedürfnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Bestellungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Rechte und Pflichten des Ergänzungspflegers bei der Vertretung im Kindschaftsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Verhältnis von Verfahrensbeistandschaft und Ergänzungspflegschaft
III. Alternative Lösungsansätze
13 232 236 242 243 244 247 248 249
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253
G. Zusammenfassende Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 Literaturverzeichnis Sachverzeichnis
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279
Abkürzungsverzeichnis a. A. Abs. AcP a. F. AG Anm. AöR Art. BayObLG Bd. Begr. BGB BGBl. BGH BGHZ BJ BR-Drucksache BT-Drucksache BVerfG BVerfGE bzw. d. h. DNotZ f., ff. FamFG FamFR FamRZ FF FGG FGPrax Fn. FPR FS
andere Ansicht Absatz Archiv für die civilistische Praxis alte Fassung Amtsgericht Anmerkung Zeitschrift Archiv des öffentlichen Rechts Artikel Bayrisches Oberlandesgericht Band Begründer Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Zeitschrift Betrifft Justiz Drucksache des Bundesrates Drucksache des Bundestages Bundesverfassungsgericht Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts beziehungsweise das heißt Deutsche Notar-Zeitschrift folgende, fortfolgende Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Zeitschrift Familienrecht und Familienverfahrensrecht Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Zeitschrift Forum Familienrecht Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Zeitschrift Praxis der Freiwilligen Gerichtsbarkeit Fußnote Zeitschrift Familie, Partnerschaft, Recht Festschrift
Abkürzungsverzeichnis FuR GBl. GG ggf. GS Hrsg. Hs. i. d. S. i. H. v. i. S. d. i. S. e. i.V. m. JAmt JURA jurisPR-FamR JZ KindPrax LG MDR MittBayNot m. w. N. NJ NJW NJW-RR NotBZ OLG RdJB RGBl. RGZ. Rn. RNotZ Rpfleger S. u. a. v. vgl. ZAR z. B. ZErb ZfJ
15
Zeitschrift Familie und Recht Gesetzblatt Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland gegebenenfalls Gedächtnisschrift Herausgeber Halbsatz in diesem Sinne in Höhe von im Sinne des im Sinne eines in Verbindung mit Das Jugendamt – Zeitschrift für Jugendhilfe und Familienrecht Zeitschrift Juristische Ausbildung juris PraxisReport Familien- und Erbrecht JuristenZeitung Zeitschrift Kindschaftsrechtliche Praxis Landgericht Monatsschrift für Deutsches Recht Zeitschrift Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der Landesnotarkammer Bayern mit weiteren Nachweisen Zeitschrift Neue Justiz Neue Juristische Wochenschrift NJW Rechtsprechungsreport Zivilrecht Zeitschrift für die notarielle Beratungs- und Beurkundungspraxis Oberlandesgericht Zeitschrift Recht der Jugend und des Bildungswesens Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Randnummer Rheinische Notar-Zeitschrift Zeitschrift Der deutsche Rechtspfleger Seite und andere / unter anderem vom vergleiche Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik zum Beispiel Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtspraxis Zentralblatt für Jugendrecht
16 ZKJ ZNotP ZPO z. T. ZZP
Abkürzungsverzeichnis Zeitschrift für Kindschaftsrecht und Jugendhilfe Zeitschrift für die Notarpraxis Zivilprozessordnung zum Teil Zeitschrift für Zivilprozess
A. Einleitung I. Einführung und Gegenstand der Untersuchung 1902 rief die schwedische Schriftstellerin Ellen Key „Das Jahrhundert des Kindes“ aus. Dies steht symbolisch für den Beginn eines Paradigmenwechsels bezüglich der gesellschaftlichen und rechtlichen Stellung des minderjährigen Kindes, der sich vor allem im Laufe des 20. Jahrhunderts in ganz Europa vollzog. Auch über 100 Jahre später ist in Deutschland das Kind und seine Position in der Gesellschaft und im Rechtssystem weiterhin Dreh- und Angelpunkt der politischen Diskussion. So stellt beispielsweise die Forderung nach einer Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz ein stetig wiederbelebtes Thema dar. 1 In den letzten Jahren wurden zudem verstärkt Gesetze zum Schutz Minderjähriger verabschiedet. 2 Besondere Beachtung fand dabei vor allem das Bundeskinderschutzgesetz 3, das am 1. Januar 2012 in Kraft trat. Diese Fokussierung auf das Kind und seine Subjektstellung fand auch in das FGG-Reformgesetz vom 1. September 2009 Eingang. Nach der Intention des Gesetzgebers sollte im Rahmen der neuen Familienverfahrensordnung die verfahrensrechtliche Stellung des minderjährigen Kindes gestärkt werden. Dies fand seinen Niederschlag beispielsweise in der Neugestaltung des Beteiligtenbegriffs nach § 7 FamFG und der Verfahrensfähigkeit gemäß § 9 FamFG. Daneben sollten insbesondere die Regelungen der §§ 151 ff. FamFG zum Kindschaftsverfahren das Kind und sein Wohl in das Zentrum des Verfahrens und den Fokus aller Beteiligten rücken. 4 Hervorzuheben ist dabei vor allem die Neuregelung der Ver-
1 Vgl. z. B. den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Ergänzung des Artikels 6 zur Klarstellung der Kinderrechte) der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 27.11.2012, BT-Drucksache 17/11650 sowie die Forderung des Aktionsbündnisses Kinderrechte zur Schaffung eines Art. 2a GG, www.dkhw.de/cms/presseundmaterialien /pressemitteilungen/1431-kinderrechte-ins-grundgesetz-aktionsbuendnis-kinder rechte-legt-formulierung-zur-aenderung-des-grundgesetzes-vor (Stand 10.02.2013). 2 Z. B. das Gesetz zur Änderung des Vormundschafts- und Betreuungsrechts vom 29.06. 2011, BGBl. I, S. 1306, das Gesetz zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls vom 4.07.2008, BGBl. I, S. 1188 oder auch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe vom 8.09.2005, BGBl. I, S. 2729. 3 BGBl. I, S. 2975. 4 BT-Drucksachen 16/6308, S. 164, 233.
18
A. Einleitung
fahrensbeistandschaft für Minderjährige in § 158 FamFG, welche die bisherige Verfahrenspflegschaft nach § 50 FGG a. F. ablöst. Während vom Bundesrat die Effektivität und der Nutzen der Verfahrensbeistandschaft im Gesetzgebungsverfahren noch immer angezweifelt wurde, 5 hat sie sich nach überwiegender Ansicht in Literatur und Rechtsprechung als notwendiges Instrument zur Absicherung der grundgesetzlich geschützten Subjektstellung des Minderjährigen im Verfahren bewährt. Das Kind wird nunmehr allgemein als Grundrechtsträger wahrgenommen, dessen Rechte auch bei der Gestaltung des Kindschaftsverfahrens Berücksichtigung finden müssen. Aus diesem Grund hat sich der Gesetzgeber bemüht die aus der bisherigen normativen Offenheit resultierenden Unklarheiten rund um die Verfahrenspflegschaft durch die Neugestaltung des § 158 FamFG weitestgehend zu beheben. Insgesamt wurde das unter heftigen Diskussionen aus der Kindschaftsrechtsreform von 1998 hervorgegangene Institut zur Interessenvertretung Minderjähriger dabei wesentlich weiterentwickelt. Die konkrete Ausgestaltung des § 158 FamFG hat in der Literatur jedoch Kritik erfahren. Anknüpfungspunkte sind hierbei beispielsweise der Ausschluss der gesetzlichen Vertretungsmacht gemäß § 158 Abs. 4 S. 6 FamFG oder auch die neue Vergütungsregelung des § 158 Abs. 7 FamFG. Zudem sind mit der Einführung des § 158 FamFG neue Rechtsunsicherheiten aufgetreten, welche die praktische Umsetzung der Verfahrensbeistandschaft erschweren und sich damit negativ auf das Kindeswohl auswirken können. Dies ist teilweise die Folge eines nicht ausreichend entwickelten Verständnisses von der grundgesetzlich geschützten Rechtsposition des Kindes im Verfahren und der daraus resultierenden Funktion des Verfahrensbeistandes 6. Insbesondere das Verhältnis von Kindeswohl, Kindeswille, Elternverantwortung und staatlichem Wächteramt im Rahmen des Art. 6 Abs. 2 GG ist bislang zwar viel untersucht, jedoch selten ausreichend klar dargestellt worden. Ferner wurden nicht alle normativen Unklarheiten durch die Neuregelung des § 158 FamFG beseitigt. Problematisch ist beispielsweise weiterhin, wie sich die Verfahrensbeistandschaft und die Ergänzungspflegschaft im Kindschaftsverfahren nach § 1909 Abs. 1 S. 1 BGB zueinander verhalten. Damit stellt sich die dringende Frage, ob die durch das Grundgesetz geschützte Subjektstellung des Minderjährigen in den seine Rechte besonders betreffenden Kindschaftsverfahren des § 151 FamFG durch die Bestellung eines Verfahrensbeistandes ausreichend gewährleistet werden kann. Dies gilt insbesondere für den Fall, wenn die Eltern, die eigentlich zur Interessenvertretung berufen sind, diese beispielsweise aufgrund eines Interessenkonfliktes nicht wahrnehmen können. 5
BT-Drucksache 16/6308, S. 377. Soweit im Folgenden Personen- und / oder Berufsgruppenbezeichnungen Verwendung finden, so ist auch stets die jeweils weibliche Form gemeint. 6
II. Gang der Untersuchung
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Insoweit fehlt es bislang an einer zielgerichteten, umfassenden Untersuchung. In Rechtsprechung und Literatur finden sich lediglich punktuelle Erörterungen zu Einzelproblemen oder die Verfahrensbeistandschaft mit der Verfahrenspflegschaft vergleichende Darstellungen 7. Diese Arbeit widmet sich daher der umfassenden Prüfung der Frage, ob die Subjektstellung des Minderjährigen im Kindschaftsverfahren unter Berücksichtigung seines grundgesetzlichen Schutzanspruches durch die Neuregelung des § 158 FamFG ausreichend gewährleistet werden kann.
II. Gang der Untersuchung Als Grundlage der weiteren Untersuchung, ob die Bestellung eines Verfahrensbeistands eine ausreichende Interessenvertretung des Minderjährigen im Kindschaftsverfahren gewährleisten kann, soll zunächst erörtert werden, warum hierfür ganz grundsätzlich ein Bedürfnis besteht (B). Dabei wird zum einen das historisch gewachsene Verständnis von der Subjektstellung des minderjährigen Kindes beleuchtet (I.). Zum anderen werden die grundlegenden verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen, die das konfliktbehaftete Verhältnis zwischen dem Minderjährigen, dessen Eltern und dem staatlichen Wächteramt ausformen, analysiert (II.). Dabei gilt es insbesondere die Grundrechtssubjektivität des Minderjährigen herauszustellen, die Begriffe Kindeswille und Kindeswohl miteinander ins Verhältnis zu setzen sowie zu erörtern, was unter der in der Literatur häufig zitierten Grundrechtskollision zwischen Kindesgrundrechten und Elternverantwortung zu verstehen ist. Besonderes Augenmerk liegt zudem darauf, wie sich der Grundrechtsschutz auf die Gestaltung des Verfahrens in Bezug auf das minderjährige Kind auswirkt. Anschließend soll im zweiten Abschnitt das 1998 mit dem Kindschaftsrechtsreformgesetz eingeführte Institut der Verfahrenspflegschaft für Minderjährige nach § 50 FGG a. F. als Vorgängermodell der heutigen Verfahrensbeistandschaft untersucht werden (C.). Dies ist erforderlich, um die Entwicklung der Interessenvertretung Minderjähriger bis hin zum § 158 FamFG nachvollziehen und die bestehenden Probleme und Streitfragen vor diesem historischen Hintergrund lösen zu können. Dabei gilt es zunächst die Diskussion um die umstrittene Einführung der Verfahrenspflegschaft darzustellen (I.). Ferner werden die Grundprobleme der gesetzlichen Ausgestaltung des § 50 FGG a. F. (II.) erörtert. Im Fokus stehen dabei vor allem die Anforderungen an die Bestellung eines Verfahrenspflegers sowie die Rechtsunsicherheit in Bezug auf seine Funktion und seine rechtliche Stellung. In diesem Zusammenhang wird auch darauf eingegangen, wie sich 7
Vgl. z. B. Ahlert, Verfahrensbeistand.
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A. Einleitung
die Verfahrenspflegschaft unter diesen Voraussetzungen bis 2009 entwickelt hat (III.). In einem dritten Abschnitt setzt sich die Arbeit mit der Stärkung der verfahrensrechtlichen Position des Minderjährigen im Kindschaftsverfahren i. S. d. § 151 FamFG durch das FGG-Reformgesetz von 2009 insgesamt auseinander (D.). Nach einer kurzen Darstellung der gesetzgeberischen Intention (I.) wird die verfahrensrechtliche Position des minderjährigen Kindes aufgrund der Neuregelungen der §§ 7 ff. FamFG untersucht (II.). Dabei richtet sich der Blick insbesondere auf die durch § 7 FamFG begründete Beteiligtenstellung des Minderjährigen sowie auf die gesetzliche Ausgestaltung der Verfahrensfähigkeit nach § 9 FamFG. Zudem werden die neuen Regelungen der §§ 151 ff. FamFG danach analysiert, inwiefern sie die Rechtsposition des minderjährigen Kindes der gesetzgeberischen Intention entsprechend allgemein stärken (III.). Im Folgenden nimmt die Arbeit in einem vierten Abschnitt die Neuregelung des § 158 FamFG in den Fokus (E.). Im Anschluss an die Analyse des Gesetzgebungsverfahrens (I.) werden die normative Ausgestaltung des Instituts zur Interessenvertretung Minderjähriger detailliert untersucht, etwaige Probleme aufgedeckt und einer Lösung zugeführt (II.). Dabei wird im Hinblick auf die Voraussetzungen für eine Verfahrensbeistandsbestellung unter anderem das Verhältnis von § 158 Abs. 1 FamFG zu dessen Abs. 2 Nr. 1 genauer beleuchtet. Ein Schwerpunkt der Arbeit liegt ferner in der Erörterung der noch immer umstrittenen Frage, wie die Funktion und der Aufgabenkreis des Verfahrensbeistandes ausgestaltet sind. Dabei wird insbesondere die gesetzliche Neuregelung des originären und des erweiterten Aufgabenkreises analysiert. Daneben werden beispielsweise die rechtliche Stellung des Verfahrensbeistandes sowie die stark umstrittene Entschädigungsregelung nach § 158 Abs. 7 FamFG einer genauen Untersuchung unterzogen. In einem letzten Abschnitt (F.) wird im Rahmen der Abgrenzung der Verfahrensbeistandschaft zur Ergänzungspflegschaft für das Kindschaftsverfahren nach § 1909 Abs. 1 S. 1 BGB zunächst letztere mit ihren Voraussetzungen und Wirkungen analysiert (I.). Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Frage, wann eine rechtliche Verhinderung insbesondere wegen des gesetzlichen Ausschlusses nach § 1795 BGB oder wegen des Vorliegens eines erheblichen Interessengegensatzes i. S. d. § 1796 BGB gegeben ist. Anschließend werden beide Institute zur Interessenvertretung Minderjähriger miteinander verglichen und ihr Verhältnis zueinander untersucht, um so herauszustellen, in welchem Fall eine Ergänzungspflegschaft trotz der Möglichkeit einen Verfahrensbeistand nach § 158 FamFG zu bestellen weiterhin erforderlich ist (II.). Schließlich werden alternative Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt (III.). Die Arbeit endet mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse (G.).
B. Das Bedürfnis für eine rechtliche Interessenvertretung Minderjähriger I. Das historisch gewachsene Verständnis von der rechtlichen Subjektstellung Minderjähriger und der Notwendigkeit ihrer Interessenvertretung Die Frage, welche Rechte man minderjährigen Kindern zuerkennt, ist gekoppelt an das Verständnis der Erwachsenen von ihrer Beziehung zu ihnen und davon, welche gesellschaftlichen Positionen hieraus abgeleitet werden. Das aktuelle Verständnis von der gesellschaftlichen Stellung minderjähriger Kinder sowie die damit verknüpften gesetzlichen Regelungen sind das vorläufige Ergebnis einer langzeitlichen Entwicklung. Die Auslegung und Analyse aktueller Gesetzesregelungen kann daher nicht isoliert durchgeführt werden. Vielmehr gilt es, neben den gegenwärtigen gesellschaftlichen und rechtlichen Gegebenheiten auch den historischen Kontext bewertend mit einzubeziehen. 1. Die Rechtsstellung Minderjähriger bis zur Gründung der Bundesrepublik Deutschland Betrachtet man das Verständnis von der gesellschaftlichen Position und die daraus resultierende Ausgestaltung der rechtlichen Stellung von Kindern in der Historie unseres Kulturkreises, so zeigt sich, dass sich diese in den vergangenen Jahrhunderten stark gewandelt haben. Begonnen beim römischen Recht über das germanische Recht bis hin zum Zeitalter der Aufklärung im mittleren 18. Jahrhundert stand das Kind unter elterlicher, d.h. väterlicher Gewalt 1. Mit den neuen Theorien zur Emanzipation der persönlichen Handlungsfreiheit, zur Vernunft als universellem Maßstab und den neuen philosophischen Erkenntnistheorien entstand zunehmend auch ein neues Verständnis von der gesellschaftlichen Rolle
1 Sogenannte „patria potestas“ im römischen Recht, bzw. „Munt“ im germanischen Recht. Laut Schwabenspiegel war beispielsweise der Vater im 13. Jahrhundert dazu berechtigt sein Kind zu verkaufen, Schwab, Familienrecht, Rn. 510. Zur Entwicklung der Stellung des Kindes vgl. auch Dölitzsch, Vom Kindesschutz zu Kindesrechten, S. 9 ff.
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B. Das Bedürfnis für eine rechtliche Interessenvertretung Minderjähriger
des Kindes. Namenhafte Philosophen wie Rousseau 2 und John Locke 3 proklamierten die Abkehr von dem bisherigen Beherrschungskonzept der elterlichen Gewalt und verstanden diese nun vielmehr als Effekt der Fürsorgepflicht gegenüber dem Kind. Zunehmend wurde die Zweckrichtung elterlicher Gewalt daher auf die Erziehung und Versorgung des Kindes gelenkt. Damit rückte auch das Wohl des Kindes mehr und mehr in den Vordergrund der Diskussion um die Erziehungsverantwortung. 4 Als Folge dieser Entwicklung wurde erstmalig in der deutschen Rechtsgeschichte explizit eine Art Interessenvertretung des minderjährigen Kindes gesetzlich geregelt. Denn § 32 5 mit Anhang § 290 6 und § 42 7 des 40. Teils der Allgemeinen Gerichtsordnung Preußischer Staaten von 1795 (AGO) sahen unter bestimmten Voraussetzungen die amtliche Bestellung eines sogenannten Kurators für ein Kind vor, dessen Eltern ein Scheidungsverfahren betrieben. Dieser Kurator sollte im Wesentlichen die Vermögensinteressen des Kindes absichern.
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Vgl. Plewig in: Steindorff, Kindeswohl, S. 7, 8 f. „The power, then, that parents have over their children, arises from that duty which is incumbent on them, to take care of their off-spring, during the imperfect state of childhood“, John Locke 1690, Textnachweis bei Brunner / Conze / Koselleck / Schwab, Geschichtliche Grundbegriffe, S. 253, 282. 4 Parr, Kindeswohl, S. 17; Rotthaus, ZKJ 2010, 59, 60. 5 40. Teil, § 32 AGO: „Zu gleicher Zeit muß er aber, auch von Amts wegen, dafür sorgen, daß den etwa vorhandenen Kindern von derjenigen Behörde, welcher die Bevormundung derselben, wenn der Vater gestorben wäre, zukommen würde, ein Kurator bestellt werde, welcher nicht nur bei dem Prozeß ihre Rechte und ihr Interesse wahrnehme, sondern auch während der Zeit auf den Unterhalt und die Erziehung derselben Acht habe, und der etwa zu besorgenden Durchbringung, oder Verdunkelung des Vermögens der Eltern vorzubeugen bedacht sey. Von der deshalb getroffenen Verfügung muß dem Ehegerichte unter einem Anzeige gemacht werden.“ Textnachweis bei Limbach in: Ev. Akademie Bad Boll, Tagungsprotokoll, S. 12, 14. 6 Anhang § 290 der AGO: „In Ehescheidungssachen soll es der Bevormundung der Kinder nur dann bedürfen, wenn aus den Verhandlungen hervorgeht, oder dem Gerichte bekannt ist, daß beide Ehegatten, oder auch nur einer, sich der Verschwendung des Vermögens oder der Vernachlässigung der Erziehung ihrer Kinder verdächtig machen.“ Textnachweis bei Limbach in: Ev. Akademie Bad Boll, Tagungsprotokoll, S. 12, 14. 7 40. Teil, § 42 AGO: „Dieser Kurator muß bei der ganzen fernern Instruktion zugezogen werden, damit er den Richter in seinen Bemühungen zum Vergleiche unterstützen, bei Untersuchung der Scheidungsursachen die Rechte und das Interesse der Kinder wahrnehmen, und, wenn die Trennung wirklich erkannt werden sollte, wegen des Unterhalts und der Erziehung derselben, auch richtiger Ausmittelung des ihnen etwa zukommenden Vermögens oder Pflichtteils, das Nöthige an die Hand geben könne.“ Textnachweis bei http://www.koeblergerhard.de/Fontes/AGOPreussen1795gesamt.htm. 3
I. Historisch gewachsenes Verständnis der rechtlichen Subjektstellung
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Im Jahre 1875 wurde die AGO in diesem Bereich von der Preußischen Vormundschaftsordnung (PVO) abgelöst. Die neue Regelung des § 86 PVO 8 sah keine § 32 AGO entsprechende Bestellung eines Kurators mehr vor, sondern regelte vielmehr allgemein die Voraussetzungen einer Pflegerbestellung für ein minderjähriges Kind. Dennoch verblieb es zunächst bei der gängigen Spruchpraxis der zuständigen Gerichte, dem Minderjährigen einen Interessenvertreter, gerade auch für das gerichtliche Verfahren, zu bestellen. 9 Am 1. Januar 1900 trat das Bürgerliche Gesetzbuch in Kraft. In dessen zweitem Abschnitt des vierten Buches fanden sich erstmals einheitlich zusammengefasst die Regelungen zum Familien- und Kindschaftsrecht. Die §§ 1626 ff. BGB a. F. normierten die rechtliche Beziehung zwischen Eltern und Kind nach Maßgabe der damaligen Lehre vom rechtsfreien Raum der Familie. 10 Schon Savigny hatte insoweit die Ansicht vertreten, dass in der Eltern-Kind-Beziehung nicht das Recht, sondern die Sitte zu gelten habe. 11 Die Familie sollte als autonomer Bereich vor Einmischungen Dritter geschützt und Eingriffe des Staates sollten nur in Ausnahmesituationen gestattet werden, womit ein weitgehender Verzicht auf eine eigenständige Rechtsstellung des Kindes zugunsten der Stärkung der elterlichen Gewalt einherging. 12 Mit dem Inkrafttreten des BGB führte der Gesetzgeber allerdings auch das die elterliche Gewalt beendende feste Mündigkeitsalter 13 ein und stärkte somit die Rechtsstellung und die Individualität des Kindes ab dem 21. Lebensjahr. 14 Zugleich wurde § 86 PVO durch § 1909 BGB a. F. gegenstandslos. Man übertrug allerdings die vorherige Auslegung des § 86 PVO zunächst auch auf die neue Gesetzeslage, was in der Konsequenz bedeutete, dass dem minderjährigen Kind in Gerichtsverfahren mit einer erkennbaren Interessenkollision weiterhin 8 § 86 PVO: „Die unter väterlicher Gewalt oder unter Vormundschaft stehenden Personen erhalten einen Pfleger für Angelegenheiten, bei welchen die Ausübung der väterlichen oder vormundschaftlichen Rechte erforderlich ist, aber aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht stattfinden kann. Bei einem Widerstreit erheblicher Interessen mehrere Mündel desselben Vormundes erhält jeder Mündel einen Pfleger.“ Textnachweis bei Schulzenstein, Preußische Vormundschaftsordnung. 9 Salgo, Anwalt des Kindes, S. 398. 10 Parr, Kindeswohl, S. 21. 11 Savigny, S. 350. 12 Parr, Kindeswohl, S. 21 f. 13 Dieses lag gemäß § 2 BGB in der Fassung vom 1. Januar 1900 bei 21 Jahren, wurde mit dem am 1. Januar 1975 in Kraft getretenen Gesetz zur Neuregelung des Volljährigkeitsalters (BGBl. I, S. 1713) auf 18 Jahre abgesenkt. 14 Unter der Geltung des Allgemeinen Preußischen Landrechtes war hingegen kein automatisches Erlöschen der väterlichen Gewalt vorgesehen. Zur Erlangung der vollständigen Mündigkeit bedurfte es vielmehr der elterlichen Zustimmung, Schwab, Familienrecht, Rn. 513.
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B. Das Bedürfnis für eine rechtliche Interessenvertretung Minderjähriger
ein Pfleger zur Seite gestellt wurde. 15 Nach der seinerzeit herrschenden Familientheorie der Restauration wurde das Individuum jedoch zunehmend mit der Familie verschmolzen und diese Einheit sodann verstärkt als vorrechtlicher Bereich verstanden, in den sich der Staat nicht einzumischen hatte. 16 Dem folgte schließlich auch die Rechtsprechung des Reichsgerichts. In Abkehr von der bisherigen Praxis sah man nunmehr davon ab, dem minderjährigen Kind bei Gerichtsverfahren einen Pfleger zu bestellen, da hierfür weder eine rechtliche Grundlage noch, unter der Prämisse, dass der jeweilige Richter die Kindesinteressen wahrnahm, ein rechtliches Bedürfnis gesehen wurde. 17 Die Einführung der Art. 120 und 122 der Weimarer Reichsverfassung von 1919 brachte, entgegen dem herrschenden Verständnis von der Vorrechtlichkeit der Familie, erstmalig eine verfassungsrechtliche Eingriffsbefugnis des Staates als Inhaber eines Wächteramtes über den Teil der Erziehung, der auf die gesellschaftliche Tüchtigkeit des Kindes abzielte, mit sich. 18 Auch das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz (RJWG) vom 9. Juli 1922 19 berechtigte den Staat in umfassender Weise zum Eingriff in die Familie. 20 Diese Gesetzesänderungen waren jedoch die Folge eines sich ändernden Selbstverständnisses staatlicher Autorität und nicht etwa mit einer Stärkung der rechtlichen Stellung des minderjährigen Kindes verbunden. Allerdings erfuhr die zunehmende Entwicklung des Kindes hin zur Selbstverantwortlichkeit durch das Gesetz über die religiöse Kindererziehung (KErzG) vom 15. Juli 1921 21, das zugleich die Personensorge der Eltern einschränkte, eine erhebliche Anerkennung. Denn hier fand die Berücksichtigung des Kindeswillens und die Möglichkeit, diesen autonom durchzusetzen, in einem eng umrissenen Teilbereich erstmalig eine gesetzliche Grundlage.
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Salgo, Anwalt des Kindes, S. 400 f. m. w. N. Salgo, Anwalt des Kindes, S. 401; Schwab, Familienrecht, Rn. 514. 17 RGZ 60, 134, 137; RGZ 64, 16, 18; vgl. März, FamRZ 1981, 736, 737. 18 Vgl. Parr, Kindeswohl, S. 54 ff. 19 RGBl. I, S. 633. 20 Plegwig in: Steindorff, Kindeswohl, S. 7, 13. 21 RGBl. I, S. 939, § 5 KErzG: „Nach der Vollendung des vierzehnten Lebensjahrs steht dem Kind die Entscheidung darüber zu, zu welchem religiösen Bekenntnis es sich halten will. Hat das Kind das zwölfte Lebensjahr vollendet, so kann es nicht gegen seinen Willen in einem anderen Bekenntnis als bisher erzogen werden.“ 16
I. Historisch gewachsenes Verständnis der rechtlichen Subjektstellung
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2. Die fortschreitende Entwicklung unter der Geltung des Grundgesetzes Mit Inkrafttreten des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland am 23. Mai 1949 wurden in den Art. 1 bis 19 GG die das deutsche Gesellschaftsund Rechtssystem prägenden Menschen- und Bürgerrechte festgeschrieben. Hervorzuheben ist dabei Art. 6 GG, der im ersten Absatz erstmalig den Schutz von Ehe und Familie durch die staatliche Ordnung konkret mit Verfassungsrang ausstattet. Zudem wird in Art. 6 Abs. 2 GG den Eltern nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht zur Erziehung und Pflege des Kindes unter der Aufsicht des staatlichen Wächteramtes zugeordnet. Die einfachgesetzliche Ausgestaltung dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben verstand das minderjährige Kind weiterhin in materiell-rechtlicher, wie auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht als Zuordnungsobjekt ohne eigene Subjektqualität. 22 Beispielhaft zeigt sich dies daran, dass gemäß § 75 EheG 23 ein Umgangsrecht mit dem Kind jeweils nur den Eltern zugestanden wurde, das Kind selbst jedoch kein eigenes Recht auf Umgang besaß. In den fünfziger und sechziger Jahren stand die Frage nach der Interessenvertretung von Kindern im Fokus der internationalen Diskussion. Insbesondere im angloamerikanischen Raum wurde die Problematik um den zivilrechtlichen Schutz des Kindes mehr und mehr in den Mittelpunkt gerückt. 24 Dieser Diskurs wurde zunehmend auch in deutschen Fachkreisen aufgegriffen. Dem lag ein neu aufkeimendes Verständnis der innerfamiliären Strukturen zugrunde. Auch hier wandte man sich von den statischen Herrschaftsstrukturen ab und hin zu demokratischen Grundsätzen und dem Prinzip der Selbstbestimmung. 25 Doch während international bereits der Ruf nach einem eigenen Interessenvertreter für
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Gernhuber, FamRZ 1962, 89; Willutzki, ZKJ 2009, 237, 238. § 75 EheG vom 20. Februar 1946: „Persönlicher Verkehr mit den Kindern. 1. Der Ehegatte, dem die Sorge für die Person eines gemeinschaftlichen Kindes nicht zusteht, behält die Befugnis, mit ihm persönlich zu verkehren. 2. Das Vormundschaftsgericht kann den Verkehr näher regeln. Es kann ihn für eine bestimmte Zeit oder dauernd ausschließen, wenn dies aus besonderen Gründen dem Wohl des Kindes dient.“ 24 Maßgeblich ist hierbei die Gault-Entscheidung des Supreme Court von 1967, 387 U. S. 1967, I/13 U. S. Supreme Court: „[...] whatever may be their precise impact, neither the Forteenth Amendment nor the Bill of Rights is for adults alone.“ Ausführliche Besprechung bei Salgo, Anwalt des Kindes, S. 55 ff. Kritisch hingegen Goldstein / Freud / Solnit, Diesseits des Kindeswohls, S. 109 f. Erheblicher Einfluss kam insoweit auch der Entwicklung des Instituts des „guardian ad litem“ im Rahmen des Child Abuse Prevention and Treatment Act von 1974 in Florida zu. 25 Wolter, FamRZ 1982, 973, 974. 23
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B. Das Bedürfnis für eine rechtliche Interessenvertretung Minderjähriger
minderjährige Kinder laut wurde 26, fehlte dessen Thematisierung zunächst in der öffentlichen Diskussion der Bundesrepublik. Am 1. Juli 1958 trat das Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts (Gleichberechtigungsgesetz) 27 in Kraft. Neben der Gleichberechtigung der Geschlechter stand dabei auch die Neuordnung der Rechtsverhältnisse zwischen Kindern und Eltern unter Berücksichtigung von Art. 6 Abs. 2 GG im Mittelpunkt der Reform. So wurde beispielsweise die elterliche Gewalt in § 1626 BGB a. F. nunmehr ausdrücklich Vater und Mutter zugewiesen. Für das minderjährige Kind verblieb es indes unverändert bei der rechtlichen Stellung als Zuordnungsobjekt. Gleiches gilt auch für das Gesetz zur Vereinheitlichung und Änderung familienrechtlicher Vorschriften (Familienrechtsänderungsgesetz) 28 vom 11. August 1961. Das Gesetz enthielt vornehmlich Regelungen hinsichtlich der Ehelichkeit eines Kindes und gestand ihm unter besonderen Voraussetzungen ein Ehelichkeitsanfechtungsrecht nach § 1596 BGB a. F. zu, das vor der Volljährigkeit des Kindes aber nicht von ihm selbst, sondern lediglich durch einen gesetzlichen Vertreter ausgeübt werden konnte. Auch die Reformgesetze über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder (Nichtehelichkeitsgesetz) 29 vom 19. August 1969 sowie zur Reform des Eheund Familienrechts (1. EheRG) 30 vom 14. Juni 1976 ließen die verfahrensrechtliche Objektstellung des minderjährigen Kindes und das materiell-rechtliche Zuordnungsprinzip unberührt. 31 Erst mit der Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Juli 1968 32 setzte sich in der Rechtsprechung erstmals die Erkenntnis durch, dass dem Kind selbst, als „Wesen mit eigener Menschenwürde und dem eigenen Recht auf Entfaltung seiner Persönlichkeit i. S. der Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG“ 33 ein staatlicher Schutzanspruch zusteht, der sich auch im einfachgesetzlichen Recht widerspiegeln müsse. Mit dieser Erkenntnis ging eine zunehmende Sensibilisierung für die psychische und soziale Dimension des Kindeswohls in der wissenschaftlichen Diskussion einher. 34 26
Goldstein / Freud / Solnit, Jenseits des Kindeswohls, S. 58 ff. BGBl. I, S. 609. 28 BGBl. I, S. 1221. 29 BGBl. I, S. 1243. 30 BGBl. I, S. 1421. 31 Vgl. hierzu auch Simitis u. a., Kindeswohl, S. 271 f. 32 BVerfGE 24, 119 ff. = BVerfG, NJW 1968, 2233 ff. 33 BVerfGE 24, 119, 144 = BVerfG, NJW 1968, 2233, 2235. 34 Maßgebend waren hierfür die Untersuchungen von Goldstein / Freud / Solnit, Jenseits des Kindeswohls; Frommann, Wahrnehmung der Interessen Minderjähriger; Zenz, Kindesmißhandlung und Kindesrechte sowie Simitis u. a., Kindeswohl. Später folgten Goldstein / 27
I. Historisch gewachsenes Verständnis der rechtlichen Subjektstellung
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Im Zuge des am 1. Januar 1977 in Kraft getretenen Gesetzes über die Annahme als Kind und zur Änderung anderer Vorschriften (Adoptionsgesetz) 35 wurde in § 56f Abs. 2 FGG a. F. 36 erstmalig eine Art Verfahrenspflegschaft für das minderjährige Kind gesetzlich verankert. Zugleich legte das Bundesministerium der Justiz im Rahmen des Vorhabens das Recht der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu reformieren einen entsprechenden Kommissionsbericht vor, der in §§ 104, 155 FGG-E festschrieb, dass einem Minderjährigen, der nicht zur Vornahme von Verfahrenshandlungen fähig ist und dessen gesetzliche Vertreter hieran ebenfalls verhindert sind, das Jugendamt als Pfleger für das Verfahren zu bestellen sei. 37 Das Reformvorhaben wurde jedoch zunächst nicht weiter verfolgt. Am 1. Januar 1980 trat das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge 38 in Kraft, das in verfahrensrechtlicher Hinsicht erhebliche Neuregelungen für das minderjährige Kind mit sich brachte. Maßgeblicher Anstoß für das Reformvorhaben war dabei unter anderem die Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahre 1968 zur Grundrechtsposition minderjähriger Kinder. 39 Die zuvor in § 1695 Abs. 2 BGB vorgesehene Möglichkeit des Richters in Verfahren, welche die Person oder das Vermögen des Kindes betrafen, mit dem Minderjährigen „Fühlung“ aufzunehmen, wurde als nicht ausreichend erachtet. 40 Die Vorschrift des neu eingeführten § 50b FGG a. F. 41 sah
Freud / Solnit, Diesseits des Kindeswohls und Goldstein / Freud / Solnit, Das Wohl des Kindes. 35 BGBl. I, S. 1749. 36 § 56f FGG in der Fassung vom 1.01.1977, BGBl. I, S. 1749, 1756: „[...] (2) Ist das Kind minderjährig oder geschäftsunfähig und ist der Annehmende sein gesetzlicher Vertreter, so hat das Gericht dem Kind für das Aufhebungsverfahren einen Pfleger zu bestellen.“ 37 Salgo, Anwalt des Kindes, S. 481 f.; kritisch hierzu Kollhosser, ZZP 1980, 265, 298. 38 BGBl. I, S. 1061. 39 BT-Drucksache 8/2788, S. 32. 40 BT-Drucksache 8/2788, S. 73. 41 § 50b FGG in der Fassung vom 1. Januar 1980: (1) Das Gericht hört in einem Verfahren, das die Personen- oder Vermögenssorge betrifft, das Kind persönlich an, wenn die Neigungen, Bindungen oder der Wille des Kindes für die Entscheidung von Bedeutung sind oder wenn es zur Feststellung des Sachverhalts angezeigt erscheint, daß sich das Gericht von dem Kind einen unmittelbaren Eindruck verschafft. (2) Hat ein Kind das vierzehnte Lebensjahr vollendet und ist es nicht geschäftsunfähig, so hört das Gericht in einem Verfahren, das die Personensorge betrifft, das Kind stets persönlich an. In vermögensrechtlichen Angelegenheiten soll das Kind persönlich angehört werden, wenn dies nach der Art der Angelegenheit angezeigt erscheint. Bei der Anhörung soll das Kind, soweit nicht Nachteile für seine Entwicklung oder Erziehung zu befürchten sind, über den Gegenstand und möglichen Ausgang des Verfahrens in geeigneter Weise unterrichtet werden; ihm ist Gelegenheit zur Äußerung zu geben.
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B. Das Bedürfnis für eine rechtliche Interessenvertretung Minderjähriger
daher erstmalig eine umfassende Anhörung des Minderjährigen in diesen Verfahren vor. Bei Betroffenheit eines vierzehnjährigen, geschäftsunfähigen Kindes schrieb § 50b Abs. 2 S. 1 FGG a. F. die Anhörungspflicht des Gerichts in Verfahren, in welchen es um die Personensorge des Kindes ging, sogar zwingend fest. Von der Anhörung durfte nur aus schwerwiegenden Gründen abgesehen werden, § 50b Abs. 3 FGG a. F. Zudem wurde für Verfahren, welche die Genehmigung zur Unterbringung eines Kindes nach § 1631b BGB betrafen, in § 64i i. V. m. § 64b FGG a. F. die Bestellung eines Verfahrenspflegers angeordnet. Daneben stärkten auch in materieller Hinsicht verschiedene Vorschriften die Position und die verfahrenstechnische Einbeziehung des minderjährigen Kindes. 42 Dies unterstrich die neue Erkenntnis, dass das Elternrecht eine Pflicht gegenüber dem Kind und keine bloße Herrschaftsgewalt darstellt, was seinen besonderen Ausdruck in der Ersetzung des Begriffes „elterliche Gewalt“ durch „elterliche Sorge“ fand. Im Folgenden rückten das minderjährige Kind und seine rechtliche Subjektstellung zunehmend in den Fokus der Rechtsprechung. In einer Grundsatzentscheidung aus dem Jahre 1986 stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass es zu einem Interessenkonflikt zwischen Eltern und ihren minderjährigen Kindern kommen könne, der sodann die elterliche Vertretung des Kindes, hier konkret für das verfassungsgerichtliche Verfahren, ausschließen müsse. 43 Der Staat habe aufgrund seines Schutzauftrages im Rahmen des Wächteramtes nach Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG daher gerade auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht die Pflicht gesetzlich abzusichern, dass die grundrechtliche Subjektstellung des minderjährigen Kindes berücksichtigt werde. Bis der Gesetzgeber hierfür eine Regelung getroffen habe, sei dem Kind daher ein Ergänzungspfleger gemäß § 1909 BGB für die Durchführung des Gerichtsverfahrens zu bestellen. 44 Zugleich fand eine zunehmende Auseinandersetzung mit der Frage nach der Einrichtung einer eigenen Interessenvertretung des Kindes statt, die erstmalig unter der Überschrift „Anwalt des Kindes“ geführt wurde. Im Rahmen einer interdisziplinären Konzeptentwicklung für eine solche Institution wurden verschiedene Modelle empfohlen, wie beispielsweise die Bestellung eines Rechtsanwalts 45 sowie die Schaffung eines Beistands 46, eines Kinderschutzbeauftragten 47 (3) In den Fällen des Absatzes 1 und des Absatzes 2 Satz 1 darf das Gericht von der Anhörung nur aus schwerwiegenden Gründen absehen. Unterbleibt die Anhörung allein wegen Gefahr im Verzug, so ist sie unverzüglich nachzuholen. (4) Die Absätze 1 bis 3 gelten für Mündel entsprechend. 42 Hierzu zählen u. a. §§ 1618a, 1626 Abs. 2, 1631 Abs. 2, 1671 Abs. 3 S. 2 BGB, wobei letztere Vorschrift dem vierzehnjährigen Kind ein eigenes Vorschlagsrecht hinsichtlich der Regelung der elterlichen Sorge zugesteht. 43 BVerfGE 72, 122, 134 f. = BVerfG, NJW 1986, 3129, 3130. 44 BVerfGE 72, 122, 134 f. = BVerfG, NJW 1986, 3129, 3130. 45 AG Mönchengladbach-Rheydt, FamRZ 1985, 532 sowie FamRZ 1986, 389, 390. 46 Frommann, Wahrnehmung der Interessen Minderjähriger, S. 145 ff.
I. Historisch gewachsenes Verständnis der rechtlichen Subjektstellung
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oder auch eines interdisziplinären Beraterteams für das minderjährige Kind 48. Im Folgenden verlagerte sich die Fachdiskussion jedoch zunehmend in den Bereich der Jugendstrafrechtspflege 49 und auch das Bundesverfassungsgericht traf die Feststellung, dass es den „Anwalt des Kindes“ als Institution nicht gebe und daher hierauf nicht näher eingegangen werden müsse. 50 Auf dem Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik galt bis zum Einigungsvertragsgesetz vom 31. August 1990 51 das Familiengesetzbuch vom 20. Dezember 1965 52, das erstmalig durch das Einführungsgesetz zum Zivilgesetzbuch vom 19. Juni 1975 53 und anschließend wiederum durch das Gesetz vom 20. Juli 1990 54 reformiert wurde. Die darin enthaltenen Regelungen wie auch die Vorschriften des Verfahrensrechts sahen keine Interessenvertretung Minderjähriger vor. Gemäß Art. 234 § 1 EGBGB erhielt das 4. Buch des BGB mit dem Tag des Wirksamwerdens des Beitrittes der DDR zur Bundesrepublik Deutschland auch für die Neuen Bundesländer Geltung. Nach 1990 gab es einzelne Gesetzesreformen, die der erwachten Diskussion und dem neuen Verständnis zur gesellschaftlichen und rechtlichen Stellung des Minderjährigen entsprechend auch dessen Position stärkten. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang beispielsweise das Gesetz zur Neuordnung des Kinderund Jugendhilferechts (KJHG) 55, das am 1. Januar 1991 in Kraft trat und in § 8 KJHG nicht nur ausdrücklich die Beteiligung des minderjährigen Kindes vorsah, sondern in dessen Abs. 3 zugleich den möglichen Interessenkonflikt zwischen dem Kind und seinen Eltern berücksichtigte. 56
47 Jeand’Heure, Garantienorm, S. 258 ff.; Zenz, Kindesmißhandlung und Kindesrechte, S. 415; Fthenakis in: Ev. Akademie Bad Boll, Tagungsprotokoll, S. 30, 37. 48 Konzeptbeschreibung des Deutschen Kinderschutzbundes (DKSB) e.V., abgedruckt in: Ev. Akademie Bad Boll, Tagungsprotokoll, S. 95 ff.; ebenso Früh, Kindesinteressen, S. 133; Limbach in: Ev. Akademie Bad Boll, Tagungsprotokoll, S. 12. 49 Steindorff-Classen, Recht des Kindes, S. 32. 50 BVerfGE 72, 122, 134 = BVerfG, NJW 1986, 3129, 3130. 51 BGBl. II, S. 885. 52 Einführungsgesetz vom selben Tag, GBl. I, S. 19. 53 GBl. I, S. 517. 54 GBl. I, S. 1038. 55 BGBl. I, S. 1163. 56 In der Rechtsprechung und Literatur wurde intensiv diskutiert, wie vorzugehen sei, wenn die Eltern ihre Pflicht vernachlässigen und keinen Antrag auf Jugendhilfeleistungen stellen. Z. T. wurde dem Kind für die Antragstellung ein Ergänzungspfleger nach § 1909 BGB als Interessenvertreter zur Seite gestellt, andere nahmen eine Ersetzung des Antrages durch das Vormundschaftsgericht über § 1666 Abs. 3 BGB a. F. vor, vgl. Salgo, Anwalt des Kindes, S. 496 ff.
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B. Das Bedürfnis für eine rechtliche Interessenvertretung Minderjähriger
3. International-rechtliche Impulse Neben der allgemeinen internationalen Diskussion zur eigenen Interessenvertretung Minderjähriger, die auch in Deutschland Eingang in die Fachliteratur fand, gab es weitere, ganz konkrete international-rechtliche Impulse. Hierzu zählt zunächst das Übereinkommen über die Rechte des Kindes der UN-Generalversammlung (UN-Kinderrechtskonvention), das am 2. September 1990 in Kraft trat und von der Bundesrepublik per Gesetz vom 17. Februar 1992 ratifiziert wurde. 57 Darin wurden umfassend einzelne Rechte des Kindes festgeschrieben. Hinsichtlich der Problematik um die Interessenvertretung minderjähriger Kinder ist dabei besonders Art. 12 Abs. 2 der UN-Kinderrechtskonvention hervorzuheben. Demnach soll dem minderjährigen Kind Gelegenheit gegeben werden, in allen es berührenden Gerichts- oder Verwaltungsverfahren entweder unmittelbar, durch einen Vertreter oder eine geeignete Stelle im Einklang mit den innerstaatlichen Verfahrensvorschriften gehört zu werden. Diese Formulierung ist sehr weit gefasst, sodass sich hieraus nicht mehr als ein Impuls für das innerstaatliche Recht ableiten lässt. 58 Mit dem Ziel, die UN-Kinderrechtskonvention weiter zu konkretisieren, verabschiedete der Europarat 1996 das Europäische Übereinkommen über die Ausübung von Kinderrechten (EÜAK) 59, das in Deutschland am 1. August 2002 in Kraft trat. Dabei sollte die Schwäche der UN-Kinderrechtskonvention, keine verbindlichen Regelungen zur Anhörung und Vertretung des minderjährigen Kindes getroffen zu haben, behoben werden. 60 Daher schreibt Art. 3b EÜAK das Recht des Minderjährigen auf Anhörung und Meinungsäußerung fest. Für Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit war die Anhörung Minderjähriger in Deutschland jedoch bereits seit Einführung des § 50b FGG a. F. gesetzlich geregelt, sodass das EÜAK insofern keine Verbesserung mit sich brachte. Des Weiteren ist auch die Forderung nach einem Recht auf Bestellung eines eigenen Interessenvertreters für das Kind in Art. 4 und 9 EÜAK derart unverbindlich formuliert, 57 BGBl. II, S. 121, 990. Die Ratifizierung erfolgte jedoch unter Vorbehalten, die durch völkerrechtliche Erklärungen abgesichert wurden. Demnach soll insbesondere das innerstaatliche Recht „über die gesetzliche Vertretung Minderjähriger bei Wahrnehmung ihrer Rechte“ durch das Übereinkommen unberührt bleiben, BT-Drucksache 12/1535, S. 4. Die Rücknahme der Vorbehalte gegenüber den Vereinten Nationen erfolgte erst am 15. Juli 2010, vgl. Ivanits, Die Stellung des Kindes, S. 45; Löhr, ZAR 2010, 378, 379. 58 Anders Steindorff-Classen, Recht des Kindes, S. 66 ff., mit der These, dass Art. 12 Kinderrechtskonvention ein Recht des Kindes auf Einbringung seiner eigenen Meinung als Teilelement seines Rechtes auf Anhörung begründet, das durch § 50b FGG a. F. allein nicht ausgefüllt werde könne. 59 BGBl. II, S. 1074. 60 Vgl. Präambel: „daß die Rechte und das Wohl von Kindern gefördert werden und Kinder zu diesem Zweck Gelegenheit haben sollten, ihre Rechte insbesondere in sie berührenden familienrechtlichen Verfahren auszuüben“.
I. Historisch gewachsenes Verständnis der rechtlichen Subjektstellung
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dass sie, wenn überhaupt, gerade einmal als Appell verstanden werden konnte. 61 Damit brachte die EÜAK für die rechtliche Interessenvertretung Minderjähriger in Deutschland für sich genommen keinen über die symbolische Bedeutung hinausgehenden Mehrwert. Zusammen mit dem Vertrag von Lissabon trat am 1. Dezember 2009 ferner die EU-Grundrechtscharta in Kraft. Sie enthält in Art. 24 EU-Grundrechtscharta ebenfalls Regelungen zu den Rechten des Kindes, die den Anspruch auf Schutz und Fürsorge des Minderjährigen sowie das Kindeswohlprinzip festschreiben. Zwar hat die Bundesrepublik die EU-Grundrechtscharta als für sich bindend erklärt, allerdings enthält das nationale Recht bereits entsprechende Bestimmungen, 62 sodass Art. 24 der Grundrechtscharta wiederum nur eine Appellfunktion zukommt. Der deutsche Gesetzgeber hat diese internationalen Regelungen allerdings als Aufforderung sehr wohl zur Kenntnis genommen und sie als Anstoß für eigene Reformbemühungen auf dem Gebiet des Kindschaftsrechts genutzt. 63 Insbesondere die ausdrückliche Feststellung, dass minderjährige Kinder neben dem allgemeinen Schutzanspruch zudem ein Recht auf Wahrnehmung ihrer persönlichen, autonomen Interessen haben, ist hinsichtlich ihrer Impulswirkung auf den deutschen Gesetzgeber nicht zu unterschätzen. 64 4. Fazit Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich in dem von Ellen Key 1902 ausgerufenen Jahrhundert des Kindes tatsächlich ein Paradigmenwechsel bezüglich der gesellschaftlichen und rechtlichen Stellung des Kindes weg von einem reinen Zuordnungsobjekt und hin zu einem vollwertigen Rechtssubjekt vollzogen hat. Das Kind wird nicht länger nur als „Verhandlungsmasse“ gesehen. Vielmehr werden sein Wohl und seine Interessen zunehmend in den Fokus genommen. Diese Entwicklung führte Ende des 20. Jahrhunderts nicht nur international, sondern gerade auch im deutschen Rechtsraum zu einer Fachdiskussion über das Erfordernis einer eigenen Interessenvertretung minderjähriger Kinder in gerichtlichen Verfahren. Dabei wird an die durch das Grundgesetz selbst vorgesehene Subjektstellung des Kindes angeknüpft. Als problematisch wurde und wird es bis heute in diesem Zusammenhang jedoch gesehen, inwie61
Steindorff-Classen, Recht des Kindes, S. 81; Baer / Marx, FamRZ 1997, 1185, 1187. Z.B. § 1697a BGB zum Kindeswohlprinzip. 63 So die Denkschrift der Bundesregierung zu dem Übereinkommen, BT-Drucksache 12/42 S. 29, 32; Presseerklärung vom 28. Juli 1994 des Bundesministerium der Justiz, ZfJ 1994, 375, 376; BT-Drucksache 13/4899, S. 29. 64 So auch Steindorff-Classen, Recht des Kindes, S. 56; Scheiwe, ZKJ 2009, 7, 10. 62
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B. Das Bedürfnis für eine rechtliche Interessenvertretung Minderjähriger
fern das minderjährige Kind überhaupt berücksichtigungsfähige objektive oder subjektive Interessen haben kann und ob es zu deren Wahrung neben den Eltern einer weiteren Person überhaupt bedürfe. Bevor die einzelnen Argumente hierzu genauer untersucht werden können, gilt es zunächst einmal grundsätzlich zu klären, wie die Grundrechtsposition des minderjährigen Kindes ausgestaltet ist und inwiefern der Staat i. S. d. Bundesverfassungsgerichts 65 aufgrund seines Schutzauftrags und seines Wächteramtes nach Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG dazu verpflichtet ist, in verfahrensrechtlicher Hinsicht gesetzlich abzusichern, dass die objektiven und subjektiven Interessen des minderjährigen Kindes ausreichend berücksichtigt werden.
II. Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen der Subjektstellung Minderjähriger 1. Das minderjährige Kind als Grundrechtsinhaber Das historisch gewachsene Verständnis zur Subjektstellung Minderjähriger in der Bundesrepublik Deutschland veränderte auch den Blick auf dessen grundrechtliche Position. Hierfür maßgeblich war zunächst die Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1968, in der mit einer beachtlichen Klarheit erstmalig festgestellt wurde, dass das „Kind ein Wesen mit eigener Menschenwürde und dem eigenen Recht auf Entfaltung seiner Persönlichkeit i. S. der Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 GG“ ist. 66 Diese allgemeine Feststellung zieht sich seitdem wie ein roter Faden durch die einschlägigen Urteilsbegründungen. 67 Die Rechtspersönlichkeit und damit die Grundrechtsfähigkeit des Kindes besteht folglich bereits ab der Vollendung seiner Geburt und nicht erst mit dem Eintritt seiner Volljährigkeit. Demnach stehen auch dem Minderjährigen sämtliche Grundrechte grundsätzlich uneingeschränkt zu. 68 Vereinzelt wird dennoch die Ansicht vertreten, dass dem Minderjährigen beispielsweise nur dort Grundrechte zuerkannt werden sollen, wo er die entspre65
BVerfGE 72, 122, 134 f. = BVerfG, NJW 1986, 3129, 3130. BVerfGE 24, 119, 144 = BVerfG, NJW 1968, 2233, 2235. 67 BVerfGE 55, 171, 179 = BVerfG, NJW 1981, 217, 218; BVerfGE 72, 122, 137 = BVerfG, NJW 1986, 3129, 3130; BVerfGE 75, 201, 220 = BVerfG, NJW 1988, 125, 126; BVerfGE 79, 51, 63 = BVerfG, NJW 1989, 519, 520; BVerfGE 121, 69, 92 = BVerfG, NJW 2008, 1287, 1288; BVerfG, NJW 2010, 2336, 2337; AG Mönchengladbach-Rheydt, FamRZ 1986, 389, 390. 68 Dies wurde bis dahin zum Teil anders beurteilt, vgl. z. B. BGH 1953, 1440 ff., wonach die Eltern ihre „sittlich verdorbene“ Tochter unter dem Mantel des Züchtigungsrechtes an Bett und Stuhl festbinden und die Haare abschneiden durften, ohne dass hierin ein Verstoß gegen die Menschenwürde gesehen wurde. 66
II. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen Minderjähriger
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chende Einsichtsfähigkeit besitzt, sie auch ausüben zu können. 69 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass die mangelnde Reife oder Einsichtsfähigkeit eines Menschen unabhängig von seinem Alter nicht zur Aberkennung seiner verfassungsrechtlich verbürgten Rechte führen kann. 70 Etwas anderes ergibt sich auch nicht etwa aufgrund der Volljährigkeitsgrenze des § 2 BGB, der ebenso wie § 104 Nr. 2 BGB lediglich eine einfachgesetzliche Ausnahme vom allgemeinen Grundsatz darstellt. 71 Damit stehen auch dem minderjährigen Kind als Mensch i. S. d. Art. 1 Abs. 1 GG, unabhängig von seiner Einsichtsfähigkeit, alle grundgesetzlich verbürgten Rechte zu. 72 Die vollwertige Grundrechtsträgerschaft des Minderjährigen ist heute auch allgemein anerkannt 73 und wird zumeist unter den Begriff der Grundrechtsfähigkeit subsumiert. 74 Neben den allgemeinen Grundrechten kennt das Grundgesetz keine darüber hinausgehenden, besonderen Kindesgrundrechte. 75 Lediglich in Art. 5 Abs. 2 GG sowie in Art. 13 Abs. 7 GG findet der besondere Schutz Jugendlicher Erwähnung. Zudem postuliert Art. 6 Abs. 5 GG die Gleichstellung ehelicher und nichtehelicher Kinder. Nunmehr leitet das Bundesverfassungsgericht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG allerdings auch ein Recht des Kindes auf Pflege und Erziehung durch seine Eltern ab. 76 Nicht einheitlich geklärt ist die Frage nach der Reichweite und der Durchsetzbarkeit der Grundrechte des Minderjährigen. Dies beeinflusst jedoch maßgeblich 69
Martens, NJW 1987, 2561, 2563; Reuter, FamRZ 1969, 622, 623. Zum Vergleich ließe sich die Situation eines physisch oder psychisch behinderten Menschen oder etwa eines komatösen Patienten heranziehen. Auch hier wird die Anerkennung der Grundrechtsfähigkeit selbst nicht in Zweifel gezogen. 71 So auch Roell, Geltung der Grundrechte, S. 18 f. 72 Einzige, grundgesetzlich geregelte Ausnahme ist das Wahlrecht zum deutschen Bundestag nach Art. 38 Abs. 2 GG, das erst ab Erlangung der Volljährigkeit zugesprochen wird. 73 Maunz / Dürig / Scholz, GG, Art. 12, Rn. 117; Staudinger / Peschel-Gutzeit, BGB, § 1626, Rn. 11; Brüser, Grundrechte im Kindesalter, S. 66; Fegeler, Wohl des Kindes und gerichtliche Kontrolle, S. 17; Roth, Grundrechte Minderjähriger, S. 11; von Mutius, JURA 1983, 30, 32; Peschel-Gutzeit, FPR 2008, 471, 472; Schwerdtner, AcP 1973, 227, 235. 74 Maunz / Dürig / Durner, GG, Art. 11, Rn. 58; Fegeler, Wohl des Kindes und gerichtliche Kontrolle, S. 75; Roell, Geltung der Grundrechte, S. 17 ff.; von Mutius, JURA 1983, 30; Schwerdtner, NJW 1999, 1525, 1526. 75 A. A. Ditzen, NJW 1989, 2519 (Menschwerdungsgrundrecht); Engels, AöR 1997, 212, 226 ff. (Recht auf „Person-Werden“); hierzu jeweils kritisch Brüser, Grundrechte im Kindesalter, S. 22 f. Hingegen haben einzelne Landesverfassungen z. T. eigene „Kindergrundrechte“ mit aufgenommen, so z. B. Art. 24 der Verfassung für Rheinland-Pfalz und Art. 125 Abs. 1 und 2 der Verfassung des Freistaates Bayern. 76 BVerfGE 121, 69, 93 = BVerfG, NJW 2008, 1287, 1288 f. Hierzu kritisch Jestaedt in: Coester-Waltjen / Lipp / Schumann / Veit, Kindesschutz, S. 13, 24. Vgl. hierzu auch die Entscheidungsbesprechung von Adelmann, JAmt 2008, 289 ff. Coester warnt diesbezüglich vor einer entstehenden Inbalance zwischen Rechten und entsprechenden Pflichten, Coester in: Bundestagung Sozialrechtsverband, S. 7, 20. 70
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B. Das Bedürfnis für eine rechtliche Interessenvertretung Minderjähriger
die einfachgesetzliche Ausgestaltung gerade auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht. 77 Mithin bleibt zu untersuchen, ob und wenn ja, welche Beschränkungen hier zu berücksichtigen sind. Die Problematik der Durchsetzbarkeit der Grundrechte Minderjähriger wird zumeist unter dem umstrittenen Begriff der „Grundrechtsmündigkeit“ diskutiert. 78 Dabei ist zunächst festzustellen, dass bereits der Ausdruck als solcher nicht einheitlich verwendet wird, sondern vielmehr als Bezeichnung eines Grundthemas unter Bemühung verschiedenster Aspekte Erwähnung findet. Dieses Grundthema betrifft die Frage, ob dem Minderjährigen die Möglichkeit zuzugestehen ist, seine Grundrechte gegenüber dem Staat und seinen Eltern selbst durchsetzen zu können. In der Literatur wird dies bis heute streitig diskutiert, wobei drei Ebenen zu unterscheiden sind: zum einen die Frage der Grundrechtsmündigkeit Minderjähriger im Verhältnis zu ihren Eltern, zum anderen im Verhältnis zum Staat und drittens spezifisch im Rahmen der Verfahrensfähigkeit bzw. Prozessfähigkeit im gerichtlichen Verfahren. 79 Hinsichtlich der tatsächlichen Durchsetzbarkeit der Grundrechte des Minderjährigen sind zunächst die beiden erstgenannten Ebenen, mithin das Zusammenspiel der Grundrechte im Verhältnis des Kindes zu seinen Eltern und zum Staat, zu beleuchten. 80 Hierzu ist anzumerken, dass eine Grundrechtsmündigkeit im Grundgesetz selbst nicht vorgesehen ist. Unabhängig davon, ob man eine solche als begriffliche Konstruktion dennoch für erforderlich hält 81, wird dem Minderjährigen im Ergebnis in eng umrissenen Teilbereichen im konkreten Einzelfall eine selbstständige Entscheidungsbefugnis oder ein Mitspracherecht zur Durchsetzung seiner Grundrechte zugestanden, soweit seine Selbstbestimmungsfähigkeit ausreichend ausgeprägt ist. Dies findet seinen Ausdruck in einzelnen gesetzlichen Regelungen, die dem Minderjährigen auch unterhalb der Volljährigkeitsgrenze bereits volle Selbstständigkeit verleihen. Hierzu zählt insbesondere § 5 RelKErzG, der dem vierzehnjährigen Kind volle Religionsmündigkeit zuspricht. Als wei77
Siehe B. II. 5. Vgl. hierzu zusammenfassend Roell, Geltung der Grundrechte, S. 23 f. 79 Z. T. wird gefordert den Begriff der Grundrechtsmündigkeit allein auf letzteren Gesichtspunkt zu beschränken, Dreier / Dreier, GG, Vorb., Rn. 73. 80 Zur verfahrensrechtlichen Ebene siehe B. II. 5. 81 Ablehnend: Bonner Kommentar / Jestaedt, Art. 6 Abs. 2 und 3, Rn. 23; Maunz / Dürig / Durner, GG, Art. 11, Rn. 59; Brüser, Grundrechte im Kindesalter, S. 70; Fehnemann, Grundrechte im Kindesalter, S. 53; Roell, Geltung der Grundrechte, S. 34; Roth, Grundrechte Minderjähriger, S. 86; Zuck, Verfassungsbeschwerde, Rn. 657; Hohm, NJW 1986, 3107 f; Knöpfel, FamRZ 1985, 1211, 1212; Reuter, FamRZ 1969, 622, 625; Schwab, JZ 1970, 745, 746. Bejahend: Maunz / Bethge, BVerfGG, § 90, Rn. 171; Krüger, FamRZ 1956, 329, 331, 334; Walter, FamRZ 2001, 1, 2. Nach einzelnen Grundrechten differenzierend: Bleckmann, Grundrechte, § 17, Rn. 19; Münch / Kunig, GG, Vorb. Art. 1 –19, Rn. 31; von Mutius, JURA 1987, 272, 274. 78
II. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen Minderjähriger
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tere Beispiele sind die Testierfähigkeit ab dem 16. Lebensjahr gemäß § 2229 Abs. 1 BGB oder auch die Teilgeschäftsfähigkeit nach §§ 112, 113 BGB zu nennen, die partiell eine rechtliche Selbstständigkeit des Minderjährigen eröffnen. Aber auch außerhalb der ausdrücklichen gesetzlichen Regelungen wird, soweit die Durchsetzbarkeit der Grundrechte in Frage steht, zum Teil die Selbstbestimmungsfähigkeit des Minderjährigen als Kriterium herangezogen. 82 Dabei wird jeweils auf die konkrete Einsichtsfähigkeit des Minderjährigen abgestellt und seine Grundrechte werden sowohl mit dem Erziehungsrecht der Eltern als auch mit der staatlichen Eingriffsbefugnis nach Art. 6 Abs. 2 GG abgewogen. Dieses Ergebnis resultiert jedoch nicht aus einer abstrakt konstruierten Grundrechtsmündigkeit als neben die Grundrechtsfähigkeit tretende gesonderte Voraussetzung, sondern aus einem wechselwirkenden Zusammenspiel von Rechten und Pflichten in der Dreiecksbeziehung von Kind, Eltern und Staat. Dies ist im Ergebnis auch folgerichtig, da – wie noch zu erörtern sein wird 83 – gerade diese Wechselwirkung im Beziehungsgeflecht der Eltern mit ihren Kindern ein spezifisch austariertes System darstellt, das dem Minderjährigen die eigenständige Ausübung seiner Grundrechte insoweit gewährleistet, wie er dazu nach seinem Entwicklungsstand bereits selbst in der Lage ist. Dafür bedarf es jedoch nicht einer abstrakt konstruierten Grundrechtsmündigkeit. Eine solche würde zudem von vornherein die Geltungskraft der Grundrechte beschneiden und eine Schwächung des grundgesetzlich verbürgten Schutzes des Minderjährigen bedeuten. Dies widerspräche jedoch dem in der Verfassung selbst angelegten Prinzip, den Grundrechten die größtmögliche Geltungskraft zu verschaffen und gerade auch den diesbezüglichen Schutz des Hilfebedürftigen, hier des Minderjährigen, zu sichern. Somit ist das Konstrukt der Grundrechtsmündigkeit abzulehnen und der Blick vielmehr auf das wechselwirkende Zusammenspiel von Rechten und Pflichten in der Dreiecksbeziehung von Kind, Eltern und Staat zu richten. Um das grundgesetzlich angelegte System und die rechtliche Stellung des minderjährigen Kindes im Kindschaftsverfahren insgesamt zu verstehen gilt es daher im Folgenden näher zu beleuchten, wie sich die rechtlichen Positionen von Kind, Eltern und Staat zueinander verhalten. Dabei muss zunächst der das Kindschaftsrecht durchziehende und bestimmende Begriff des Kindeswohls näher untersucht werden, um sodann auf die Elternverantwortung und das staatliche Wächteramt gemäß Art. 6 Abs. 2 GG eingehen zu können. 82 BGH, NJW 1974, 1947, 1949; von Mutius, JURA 1983, 30, 31; Staudinger / PeschelGutzeit, BGB, § 1626, Rn. 84ff. m. w. N. So beispielsweise angenommen für die Einwilligung zur Vornahme einer Operation, BGHZ 29, 33, 36 = BGH, NJW 1959, 811; BGH, NJW 2007, 217, 219; ablehnend jedoch hinsichtlich eines Schwangerschaftsabbruchs OLG Hamm NJW 1998, 3424, 3425. Vgl. hierzu auch Belling, FuR 1990, 68 ff., sowie Pawlowski in: Gerhardt u. a., FS Henckel, S. 633, 645, der hierin einen Wertungswiderspruch sieht. 83 Siehe B. II. 4.
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B. Das Bedürfnis für eine rechtliche Interessenvertretung Minderjähriger
2. Das Kindeswohlprinzip a) Der Begriff des Kindeswohls Der Begriff des Kindeswohls ist zugleich maßgeblicher Ausgangspunkt und Ziel des Kindschaftsrechts. Er bildet die grundrechtsdogmatische Mitte der kindbezogenen Regelungen 84 und stellt somit die oberste Maxime für das elterliche und das staatliche Handeln im Verhältnis zum Kind dar. Das Grundgesetz selbst kennt den Begriff des Kindeswohls allerdings nicht. Er ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes vielmehr aus Art. 6 Abs. 2 GG i. V. m. Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG als spezifische Ausprägung der Menschenwürde des minderjährigen Kindes abgeleitet worden und hat hierdurch inzident Rechtsguteigenschaft mit Verfassungsrang erlangt. 85 Erst im einfachgesetzlichen Recht findet der Begriff des Kindeswohls seinen schriftlichen Niederschlag. 86 Ausdrücklich statuiert § 1697a BGB das Kindeswohlprinzip für das Recht der elterlichen Sorge im 5. Titel des BGB. Insgesamt wird der Kindeswohlbegriff im einfachgesetzlichen Recht allerdings uneinheitlich verwendet. Zum einen wird das Kindeswohl beispielsweise in § 1671 Abs. 2 S. 2 BGB als sogenannte „Best-Variante“ gebraucht, zum anderen z. B. in § 1741 Abs. 1 S. 1 BGB als „Genug-Variante“. 87 Häufig wird der Begriff des Kindeswohls auch zur negativen Gefährdungsabgrenzung genutzt, so etwa in §§ 1666 Abs. 1, 1684 Abs. 4 S. 1, 1671 Abs. 2 BGB. Daneben hat der Gesetzgeber teilweise auch weitere Begriffe verwendet, deren Bezug zum Kindeswohl oft nicht klar festgelegt ist, wie etwa das „Interesse des Kindes“ in §§ 1693, 1745 BGB oder auch § 158 FamFG. In der Rechtsprechung 88 und in der Literatur 89 wird mit dem „Interesse des Kindes“ teilweise das objektive Kindeswohl gleichgesetzt. Andernorts wird unter das Kindesinteresse hingegen auch das subjektive Interesse in Gestalt des Kindeswillens gefasst. 90 Um Unklarheiten zu vermeiden, ist es daher eindeutiger, auf die Begriffe subjektiver Kindeswille und objektives Kindeswohl abzustellen. 84
Jestaedt in: Lipp / Schumann / Veit, Kindesschutz, S. 5, 12. Grundlegend BVerfGE 24, 119, 144 = BVerfG, NJW 1968, 2233, 2235; Jeand’Heure, Garantienorm, S. 215; Bonner Kommentar / Jestaedt, GG, Art. 6 Abs. 2 und 3, Rn. 35. 86 Z. B. in §§ 1627, 1632 Abs. 4, 1666 Abs. 1, 1671 Abs. 2 Nr. 2, 1672, 1678 Abs. 2, 1680 Abs. 2, 1681 Abs. 2, 1684 Abs. 4, 1685 Abs. 1, 1686, 1688 Abs. 3, 1696, 1697a, 1741 Abs. 1, 1751 Abs. 3, 1761 Abs. 2, 1757 Abs. 4 BGB; §§ 8a Abs. 1, 27 Abs. 1, 38, 42, 44 SGB VIII. 87 Begriffe geprägt von Dettenborn, Kindeswille und Kindeswohl, S. 55. 88 BVerfGE 24, 119, 145 = BVerfG, NJW 1968, 2233, 2235; BVerfGE 61, 358, 377 = BVerfG, NJW 1983, 101, 102; BVerfGE 75, 201, 219 = BVerfG, NJW 1988, 125, 126. 89 Palandt / Götz, § 1697a, Rn. 2; Parr, Kindeswohl, S. 8; Kropholler, JZ 1984, 164. 90 Coester, Kindeswohl, S. 204. 85
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Schon aufgrund seiner vielseitigen Verwendung ermöglicht der Begriff des Kindeswohls keine eindeutige und allgemeingültige Interpretation. Er ist insgesamt als unbestimmter Rechtsbegriff zu begreifen, der einen weiten Beurteilungsspielraum eröffnet. 91 Der Kindeswohlbegriff lässt sich daher nur abstrakt als das objektiv wohlverstandene Interesse des Kindes an der für seine Persönlichkeitsentwicklung günstigen Relation zwischen seinen Lebensbedingungen und seinen körperlichen und seelischen Bedürfnissen definieren. 92 Dabei ist das Wohl des Kindes zugleich Zustandsbeschreibung und Zielrichtung, mithin sowohl gegenwarts- als auch zukunftsbezogen. Trotz seiner Unbestimmtheit ist der Kindeswohlbegriff indes keine Leerformel 93, sondern ermöglicht durch seine Offenheit für die Aspekte des konkreten Einzelfalls, umfassend im Interesse des jeweiligen Kindes wirken zu können. Denn gerade durch die Gestaltung als Generalklausel kann der gesamte zur Verfügung stehende Tatsachenstoff bei der Entscheidungsfindung einbezogen werden. Zugleich bedingt die Unbestimmtheit des Begriffes auch einen gewissen Zwang zur umfassenden Sachverhaltsaufklärung zugunsten der Einzelfallgerechtigkeit. 94 Dabei sind kumulativ unterschiedlichste Kriterien, geprägt von verschiedenen Fachdisziplinen, heranzuziehen. 95 Insoweit wird der Kindeswohlbegriff auch als „Vehikel“ zur Verschiebung der Entscheidungskompetenz aus dem rein juristischen Bereich heraus und unter Eröffnung des Einflusses weiterführender Wissenschaften verstanden. 96 Diese Offenheit des Kindeswohlbegriffs bedeutet jedoch zugleich, dass seine Interpretation stark variieren kann. 97 Hieran knüpfen die Kritiker des Kindeswohlbegriffs an. Sie sehen die Gefahr, dass der unbestimmte Begriff des Kin91
AG Daun, FamRZ 2008, 1879; Bamberger / Roth / Veit, BGB, § 1666, Rn. 6; Palandt / Götz, § 1666, Rn. 7; Fegeler, Wohl des Kindes und gerichtliche Kontrolle, S. 41; Coester, Kindeswohl, S. 173; Zitelmann, Kindeswohl und Kindeswille, S. 118. A. A. OLG Bremen FamRZ 1962, 209, das rechtstechnisch von einem Ermessen ausgeht. 92 AG Daun, FamRZ 2008, 1879, 1880; Bonner Kommentar / Jestaedt, Art. 6 Abs. 2 und 3, Rn. 38; MünchKomm-BGB / Olzen, § 1666, Rn. 42;; Gernhuber, FamRZ 1973, 229, 230. 93 Coester, Kindeswohl, S. 173; Jestaedt in: Lipp / Schumann / Veit, Kindesschutz, S. 5, 12. 94 So auch Zitelmann, Kindeswohl und Kindeswille, S. 129. 95 Als wesentlichste Kriterien werden der Kontinuitätsgrundsatz, das Förderungsprinzip, die Bindung des Kindes zu Eltern und Geschwistern sowie der Kindeswille angeführt. Eine Übersicht über die berücksichtigungsfähigen Kriterien insgesamt geben Dettenborn, Kindeswille und Kindeswohl, S. 47 ff. oder auch Balloff, FPR 2004, 309, 310 f. 96 Goldstein / Freud / Solnit, Diesseits des Kindeswohls, S. 170. 97 Vgl. zu den verschiedenen Interpretationsmustern des Kindeswohls in der vormundschaftsgerichtlichen Praxis als z. B. erwachsenenorientiert, kindesorientiert, abstrakt und stereotyp, fallspezifisch oder sogar als dekoratives Ornament, Simitis u. a., Kindeswohl, 301 ff.
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deswohls zu freigiebig verwendet werden könne 98, wechselnden Tagesmeinungen unterliege 99, Raum für „Klassenvorurteile des Richters“ 100 eröffne oder auch durch die Medien beeinflussbar sei 101. Zudem sei der Richter oftmals nicht ausreichend für die psychologisch-sozialen Aspekte des Einzelfalles ausgebildet 102 und könne weder in tatsächlicher noch in zeitlicher Hinsicht die persönlichen Umstände und maßgeblichen Parameter ausreichend erfassen. 103 Daraus wird vereinzelt die Forderung abgeleitet, den Kindeswohlbegriff durch eine vermeintlich klarere Formel, wie etwa „die für das Kind am wenigsten schädliche Alternative“, zu ersetzen. 104 Die Kritiker verkennen jedoch, dass die Offenheit des Kindeswohlbegriffs erst die notwendige Einbeziehung aller Aspekte unterschiedlichster wissenschaftlicher Prägung ermöglicht, die sodann ein umfassendes Bild als Voraussetzung der für das Kind im Einzelfall bestmöglichen Entscheidung schaffen. 105 Der Ermittlung, wie das Kindeswohl im konkreten Einzelfall auszugestalten ist, muss möglichst viel Raum gegeben werden, um die jeweiligen individuellen Bedürfnisse des Kindes in seine Lebenswirklichkeit einbeziehen zu können. Daher ist die Unbestimmtheit des Kindeswohlbegriffs vielmehr als Chance zu verstehen, die durch die Gerichte entsprechend genutzt werden kann. 106 Die mit der Unbestimmtheit zum Zwecke der Einzelfallgerechtigkeit einhergehenden Unsicherheiten sind insoweit hinzunehmen. Wie der unbestimmte Begriff des Kindeswohls in Bezug auf den konkreten Einzelfall und die konkrete Person des Minderjährigen auszufüllen ist, hängt mithin von einer Vielzahl unterschiedlichster Faktoren, deren Zusammenspiel und Gewichtung jeweils einzelfallbezogen zu ermitteln sind, ab. Zugleich kommt es maßgeblich darauf an, wem die Interpretationshoheit zusteht. Insoweit schreibt Art. 6 Abs. 2 GG das Interpretationsprimat der Eltern fest. 107 Die staatliche Gemeinschaft nimmt in ihrer Funktion als Wächter gemäß Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG 98
Gernhuber, Familienrecht, S. 93 f. Rabaa in: Ev. Akademie Bad Boll, Tagungsprotokoll, S. 7. 100 Mnookin, FamRZ 1975, 1, 3; Diederichsen, FamRZ 1978, 461, 468. 101 Pawlowski in: Gerhardt u. a., FS Henckel, S. 633, 652. 102 Rabaa in: Ev. Akademie Bad Boll, Tagungsprotokoll, S. 7, 10. 103 Diederichsen, FamRZ 1978, 461, 468; Gernhuber, FamRZ 1973, 229, 231. 104 Goldstein / Freud / Solnit / Simitis, Jenseits des Kindeswohls, S. 105 ff. 105 Vgl. hierzu auch Coester, Kindeswohl, S. 170, wonach gerade diese Offenheit dazu dient, die einzelfallbezogenen Aspekte nicht erst bei der Normanwendung, sondern bereits im Rahmen der Normbildung in Form der Ausfüllung des Kindeswohlbegriffes mit einzubeziehen. 106 So auch Fthenakis in: Ev. Akademie Bad Boll, Tagungsprotokoll, S. 73, 83. 107 BVerfGE 4, 52, 56 = BVerfG, NJW 1954, 176; BVerfGE 24, 119, 135 = BVerfG, NJW 1968, 2233; BVerfGE 59, 360, 376 = BVerfG, NJW 1982, 1375; BVerfGE 60, 79, 88, 94 = BVerfG, NJW 1982, 1379, 1381; BVerfGE 103, 89, 108 = BVerfG, NJW 99
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diesbezüglich nur eine Unvertretbarkeitskontrolle vor 108, wobei das Kindeswohl als generalklauselartige Toleranzgrenze fungiert. 109 b) Kindeswohl und Kindeswille Maßgeblicher Indikator zur Feststellung des Kindeswohls ist der Wille des Kindes, der als Ausdruck seiner Entscheidungsfreiheit und seines Rechtes auf Entfaltung der Persönlichkeit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG zwingend zu berücksichtigen ist. 110 Dabei ist der Kindeswille nicht nur i. S. d. ausdrücklich geäußerten Willens zu verstehen, sondern als Gesamtheit der „bedürfnisorientierten Kindeshaltung“. 111 Die Pflicht zur Berücksichtigung des Kindeswillens ist vereinzelt im Gesetz festgeschrieben, so etwa in § 1626 Abs. 2 S. 1 BGB. Für die Beteiligung in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit wurde die Einbeziehung des Kindeswillens 1980 mit der Einführung der Anhörungspflicht gemäß § 50b FGG a. F. gesetzlich reglementiert. Nunmehr ist die Anhörung des Kindes im Kindschaftsverfahren in § 159 FamFG normiert. 112 Der kindliche Wille wird jedoch nicht unreflektiert berücksichtigt. Vielmehr ist vorab festzustellen, inwieweit die „bedürfnisorientierte Kindeshaltung“ überhaupt eine Willensäußerung im oben genannten Sinn darstellt. Dies ist dem allgemeinen Verständnis geschuldet, dass Minderjährige in der Regel erst mit einem gewissen Alter die Fähigkeit entwickeln, einen selbstständigen Willen zu bilden und zu artikulieren, ohne übermäßig von außen beeinflusst oder instrumentalisiert worden zu sein. 113 Daher werden Mindestanforderungen an den berücksichtigungsfähigen Willen des Kindes gestellt, indem man ihn als altersgemäß autonome und stabile Ausrichtung des Kindes auf erstrebte, persönlich bedeutsame Zielzustände definiert. 114 Somit wird zur Bestimmung der Berücksichtigungsfähigkeit des kindlichen Willens kumulativ auf Faktoren wie die Zielorientierung des Minderjährigen und die Intensität, Stabilität und Autono-
2001, 957, 959 f; BVerfGE 107, 104, 117 = BVerfG, NJW 2003, 2004, 2005. Siehe auch B. II. 3. a) cc). 108 Ossenbühl, Elterliches Erziehungsrecht, S. 73 ff. 109 Coester, FPR 2009, 549, 550. 110 Nur noch vereinzelt wird die Berücksichtigung des Kindeswillens gänzlich abgelehnt, so etwa von Zitelmann, KindPrax 1998, 131, 133, die den Kindeswillen lediglich als „juristische Fiktion“ versteht. 111 Frommann, Wahrnehmung der Interessen Minderjähriger, S. 8. 112 Siehe D. III. 1. 113 Vgl. BGH, NJW 1985, 1702, 1703. 114 Dettenborn, Kindeswille und Kindeswohl, S. 66.
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B. Das Bedürfnis für eine rechtliche Interessenvertretung Minderjähriger
mie des geäußerten Willens zurückgegriffen. 115 Mit einzubeziehen ist zudem die Komplexität der Angelegenheit, auf die sich der kindliche Wille richtet. 116 Der Gesetzgeber und die Rechtsprechung vereinfachen dies häufig dadurch, dass pauschal auf unterschiedliche Altersgrenzen und nur vereinzelt auf den individuellen Entwicklungsstand des Minderjährigen abstellt wird. 117 Diese Anknüpfung an zumeist starre Altersgrenzen wird jedoch vielfach kritisiert, da die Entwicklung von Minderjährigen selten gradlinig und vereinheitlichungsfähig erfolgt. 118 Auch Erwachsene erfüllen nicht immer die an einen berücksichtigungsfähigen Willen gestellten Anforderungen. Festgestellt werden kann allenfalls, dass das Kind zwischen seinem 3. und 4. Lebensjahr die entwicklungspsychologisch wichtigste Schwelle überschreitet und seine Kompetenz zur Willensbildung erheblich erweitert. 119 Zu berücksichtigen ist zudem, dass jede Altersgruppe ihre eigenen Ausdrucksformen hat, auf die einzelfallbezogen eingegangen werden muss, ohne sie pauschal als Zeichen der Unfähigkeit der persönlichen Willensbildung abzutun. Im Ergebnis bedeutet dies, dass in jedem Einzelfall zu überprüfen ist, ob das minderjährige Kind entwicklungspsychologisch und bezogen auf die konkrete Sachfrage in der Lage ist, einen berücksichtigungsfähigen Willen zu bilden. 120 Generalisierte Altersgrenzen können hierbei allenfalls als Hilfestellungen, gerade auch hinsichtlich der individuellen Ausdrucksform des Minderjährigen, herangezogen werden. Indes verbietet es sich, allein und ausschließlich auf das Alter des Kindes abzustellen. 121 Dem im Sinne dieser Ausführungen berücksichtigungsfähigen Willen des Kindes kommt zweierlei Bedeutung zu. Zum einen ist er beispielsweise in Sorgerechtsstreitigkeiten ein Indiz für die persönliche Bindung des Kindes zu den
115 Dettenborn, Kindeswille und Kindeswohl, S. 70. Anders Früh, Kindesinteressen, S. 42 ff., wonach auch der „emotionale“, ggf. beeinflusste Wille des Kindes zu berücksichtigen sei. 116 Fegeler, Wohl des Kindes und gerichtliche Kontrolle, S. 83. 117 Vgl. z. B. § 2229 BGB, § 5 RelKErzG; BayObLG, FamRZ 1977, 650, 652 (15-jähriges Kind); OLG Brandenburg, NJW-RR 2003, 1446, 1447 (8-jähriges Kind); KG, FamRZ 1978, 829, 830 (5 1/2-jähriges Kind). Vgl. hierzu auch Coester, Kindeswohl, S. 277 ff.; kritisch Früh, Kindesinteressen, S. 46 ff. 118 Lempp, FamRZ 1986, 530, 531; Dettenborn, Kindeswille und Kindeswohl, S. 78 ff.; Dölitzsch, Vom Kindesschutz zu Kindesrechten, S. 250, 256; a .A. Schütz, FamRZ 1987, 438, 439. 119 Vgl. hierzu ausführlich Dettenborn, Kindeswille und Kindeswohl, S. 71 ff. 120 So auch Dölitzsch, Vom Kindesschutz zu Kindesrechten, S. 256. 121 A. A. Roth, Grundrechte Minderjähriger, S. 43, der vor den negativen Folgen für die Persönlichkeitsentwicklung des Minderjährigen warnt, der die Feststellung seiner noch nicht anerkannten Selbstbestimmungsfähigkeit bei altersgrenzenunabhängiger Einzelfallprüfung als Bloßstellung oder Abqualifikation verstehen könnte.
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Elternteilen. 122 Hauptsächlich ist der Kindeswille jedoch Ausdruck seiner Entscheidungsfreiheit und Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 GG. 123 Die Rechtsprechung beschränkt dies allerdings insofern, als der Wille des Kindes nur zu berücksichtigen sein soll, soweit er dem Kindeswohl nicht widerspricht. 124 Damit erfährt die Durchsetzbarkeit des Grundrechtes des Kindes auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit nach Art. 2 Abs. 1 GG eine erhebliche Einschränkung durch Art. 6 Abs. 2 GG. Denn indem man das objektive Kindeswohl, dessen Festlegung zunächst grundsätzlich von außen erfolgt, als Schranke des subjektiven Kindeswillens versteht, begründet man insgesamt eine umfassende Bevormundung des minderjährigen Kindes bis hin zu seiner Volljährigkeit. In der Konsequenz bleibt dem minderjährigen Kind dann, wenn die Grenze des Kindeswohls überschritten wird, das Grundrecht auf Selbstbestimmung verwehrt. Damit löst sich das Persönlichkeitsrecht des Kindes in der elterlichen und staatlichen Verantwortung für das Kindeswohl auf und verliert anscheinend seine eigenständige Bedeutung. 125 Begründet wird dies im Wesentlichen damit, dass ein minderjähriges Kind des Schutzes und der Hilfe bedarf, um sich zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit zu entwickeln. 126 Daraus folgt jedoch zugleich, dass die Bevormundung des Kindes auch nur soweit reichen kann, wie sein Schutz- und Hilfebedürfnis tatsächlich bestehen. Denn die elterliche Verantwortung bezweckt die treuhänderische Bewahrung der Grundrechte des Minderjährigen, solange und soweit er hierzu noch nicht selbst in der Lage ist. Dem folgend hat auch das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich festgestellt, dass die Eltern die wachsende Selbstbestimmungsfähigkeit des 122
OLG Saarbrücken, FamRZ 2011, 1153, 1154; OLG Brandenburg, NJW-RR 2003, 1446, 1447. 123 BVerfG, FamRZ 2008, 1737, 1739; BGH, NJW 1985, 1702, 1703; OLG Saarbrücken, FamRZ 2011, 1153, 1154; BayObLG, FamRZ 1977, 650, 653; Bonner Kommentar / Jestaedt, GG, Art. 6 Abs. 2 und 3, Rn. 51; Coester, Kindeswohl, S. 266 ff. 124 BVerfGE 55, 171, 182 = BVerfG, NJW 217, 218; BVerfG, FamRZ 2005, 1057, 1058; BVerfG, FamRZ 2008, 1737, 1738; BVerfG, FamRZ 2010, 1622, 1623; OLG Saarbrücken, FamRZ 2011, 1153. Das OLG Brandenburg hat zu der Rechtsfrage, ob dem Kindeswohl gegenüber dem verfestigten Kindesinteresse tatsächlich Vorrang einzuräumen ist, ausdrücklich die Rechtsbeschwerde zugelassen, FamRZ 2011, 121. 125 Pawlowski schließt daraus, dass hierdurch eine „Obervormundschaft“ begründet wird, Pawlowski in: Gerhardt u. a., FS Henckel, S. 633, 645. Z. T. wird aus dieser Feststellung aber auch die These abgeleitet, dass die Willensäußerung des Kindes gerade nicht als Ausdruck seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu werten ist, vgl. Fegeler, Wohl des Kindes und gerichtliche Kontrolle, S. 80. 126 So bereits BVerfGE 24, 119, 144 = BVerfG, NJW 1968, 2233, 2235; ferner BVerfGE 55, 171, 179 = BVerfG, NJW 1981, 217, 218; BVerfG, FamRZ 1986, 769, 772; BVerfGE 72, 122, 134 = BVerfG, NJW 1986, 3129, 3130; Jeand’Heure, Garantienorm, S. 17 ff.; Goldstein / Freud / Solnit, Diesseits des Kindeswohls, S. 109; Zenz, Kindesmißhandlung und Kindesrechte, S. 68 f.; Coester, NJW 1981, 961; Schütz, FamRZ 1987, 438, 440; kritisch Steindorff-Classen, Recht des Kindes, S. 40 f.
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B. Das Bedürfnis für eine rechtliche Interessenvertretung Minderjähriger
Kindes bei der Wahrnehmung ihrer Verantwortung angemessen berücksichtigen müssen. 127 Auch der Gesetzgeber hat diesen Grundsatz in § 1626 Abs. 2 BGB ausdrücklich herausgestellt. Folglich wird das Elternrecht zeitlich und sachlich begrenzt, soweit der Minderjährige zur Selbstständigkeit und zur freien Persönlichkeitsentfaltung in der Lage ist. 128 Der Minderjährige verliert insofern seine Eigenschaft als „Kind“. 129 Hierdurch wird das Konzept der präventiven Bevormundung seinerseits relativiert. Denn bezogen auf den unbestimmten Begriff des Kindeswohls bedeutet dies, dass das Kind mit seiner wachsenden Verselbstständigung eigenständig bestimmt, was seinem Wohl am besten entspricht und die Elternverantwortung als dessen nur treuhänderische Wahrnehmungsform verdrängt. 130 Somit wird über die zunehmende Ausrichtung des Kindeswohls am berücksichtigungsfähigen Kindeswillen die Persönlichkeitsentfaltung und Selbstbestimmung des Minderjährigen grundsätzlich gewährleistet. Allerdings bleibt zu beachten, dass die Beantwortung der Vorfrage, wann die hierfür erforderliche Selbstbestimmungsfähigkeit des Minderjährigen angenommen werden kann, davon abhängt, ob die Entscheidungen des Minderjährigen mit den Zielsetzungen und Vorstellungen der staatlichen Gemeinschaft i. S. d. objektiv verstandenen Kindeswohl übereinstimmen. Denn nur dann, wenn sich der Kindeswille mit dem interpretierten Kindeswohl deckt, wird er als Selbstbestimmung anerkannt und gilt als Ausdruck der berücksichtigungsfähigen Persönlichkeitsentfaltung. Widerspricht der Kindeswille hingegen seinem vorinterpretierten wohlverstandenen objektiven Interesse, so wird dies als Indiz dafür gewertet, dass dem Minderjährigen die Selbstbestimmungsfähigkeit fehlt. Da die Entwicklung des Kindes hin zu einem einsichts- und selbstbestimmungsfähigen Individuum zudem ein fließender und uneinheitlich ablaufender Prozess ist 131, kommt den Eltern ihrerseits ein Beurteilungsspielraum zu, inwieweit das Kind über die erforderliche Selbstbestimmungsfähigkeit verfügt, um eigene Entscheidungen treffen zu können. Das Gericht als Organ des staatlichen Wächteramtes nimmt hier lediglich eine Unvertretbarkeitskontrolle vor. 132 Erst mit Erreichen des Volljährigkeitsalters von 18 Jahren entlässt die staatliche Gemeinschaft den 127 BVerfGE 59, 360, 382 = BVerfG, NJW 1982, 1375, 1377; BVerfGE 72, 122, 137 = BVerfG, NJW 1986, 3129, 3130. 128 So auch grundlegend BVerfGE 59, 360, 382 = BVerfG, NJW 1982, 1375, 1377; vgl. auch Mangoldt / Robbers, GG, Art. 6, Rn. 186; Schwab, JZ 1970, 745, 746; Schwerdtner, AcP 1973, 227, 240 ff. 129 Schwerdtner, NJW 1999, 1525, 1526. 130 Siehe auch Mangoldt / Robbers, GG, Art. 6, Rn. 186; Schwab, JZ 1970, 745, 746; Schwerdtner, NJW 1999, 1525, 1526. 131 Vgl. Schwab, JZ 1970, 745, 748 ff. 132 Fegeler, Wohl des Kindes und gerichtliche Kontrolle, S. 84.
II. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen Minderjähriger
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nunmehr Erwachsenen uneingeschränkt und ohne präventive Kontrolle seiner Entscheidungen in die vollumfängliche Mündigkeit. Diese Konstruktion führt im Ergebnis dazu, dass dem Minderjährigen zwar sämtliche Grundrechte prinzipiell zuerkannt werden, man deren eigenständige Durchsetzbarkeit jedoch bis zu seiner Volljährigkeit zu seinem Schutz einer präventiven Kontrolle unterzieht. Hierzu wird sie in fremde Hände gegeben, die sich ihrerseits jedoch an dem objektiven Kindeswohl als oberster Richtschnur orientieren müssen. Dass das minderjährige Kind aufgrund seiner entwicklungspsychologischen Defizite des Schutzes und der Hilfestellung bedarf, kann nicht ernsthaft bestritten werden. Ob dies zwingend zu der dargestellten Beschränkung der Durchsetzbarkeit der Grundrechte führen muss, wird indes kritisch diskutiert. 133 Zu bedenken ist jedoch, dass in einer Gesamtabwägung der Interessen des Minderjährigen an der eigenen Wahrnehmung und Durchsetzung seiner Rechte und der Interessen der Allgemeinheit, den Minderjährigen zu schützen, auch das Interesse an einer praktikablen Rechtsordnung und einem sicheren Rechtsverkehr 134 zu berücksichtigen ist. Die Alternative zur dargestellten aktuellen Rechtskonstruktion, nämlich eine Art Beweislastumkehr hinsichtlich der Selbstbestimmungsfähigkeit des Minderjährigen, die ihm erlaubt zunächst selbstbestimmend tätig zu werden und erst nachträglich einer Kontrolle unterworfen zu sein 135, würde eine enorme Unsicherheit des Rechtsverkehrs mit sich bringen. Zudem würde dies bedeuten, dass sich jedwede Schutzmaßnahme zugunsten des Minderjährigen zunächst einer gerichtlichen Überprüfung unterziehen müsste, was eine schwer kontrollierbare Gefährdung des Minderjährigen befürchten ließe. Die derzeitige Konstruktion, dass der Minderjährige zu seinem Schutz zunächst an sein eigenes Wohl gebunden ist und daher grundsätzlich bevormundet wird, indem man die Wahrnehmung seiner Interessen in treue Hände übergibt und ihm im Einzelfall gesetzlich oder nach Feststellung seiner Einsichts- und Selbstbestimmungsfähigkeit eigene Entscheidungsbefugnisse zugesteht, berücksichtigt alle gegeneinander abzuwägenden Interessen und entspricht dabei dem Verhältnismäßigkeitsprinzip. Aus diesem Grund geht auch der Verfassungsgeber selbst von einer notwendigen Bevormundung aus, wenn er in Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG das vorrangige Erziehungsrecht der Eltern normiert.
133 Verneinend: Steindorff-Classen, Recht des Kindes, S. 52 ff.; Ramm, FamRZ 1969, 1708, 1712; Schwerdtner, AcP 1973, 227, 236. 134 Gernhuber, FamRZ 1962, 89, 93; Knöpfel, FamRZ 1985, 1211, 1212; Schmidt, NJW 1989, 1712, 1713. 135 So beispielsweise gefordert von Roell, Geltung der Grundrechte, S. 52; Hohm, NJW 1986, 3107, 3112; Schwerdtner, AcP 1973, 227, 240 ff.; kritisch hierzu Martens, NJW 1987, 2561 und Schütz, NJW 1987, 2563, 2564.
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B. Das Bedürfnis für eine rechtliche Interessenvertretung Minderjähriger
Letztendlich bleibt damit festzustellen, dass der Kindeswille ein maßgeblicher Indikator für die im Einzelfall vorzunehmende Feststellung des Kindeswohls ist. Er muss daher zwingend Berücksichtigung finden. Dabei gewinnt dieser Wille mit zunehmender Selbstbestimmungsfähigkeit des Kindes an Gewicht und verdrängt das Interpretationsprimat der Eltern als treuhänderische Sachwalter seiner Grundrechte. Diese Konstruktion der präventiven Bevormundung des Minderjährigen bedingt jedoch zugleich das dringende Erfordernis der Absicherung, dass seine Grundrechte jederzeit von einer allein dem Kind verpflichteten Person oder Institution vollumfänglich wahrgenommen werden. Daraus ergeben sich zusätzliche Anforderungen an die Ausgestaltung der rechtlichen Stellung des Kindes, um ihm die Möglichkeit der ausreichenden Berücksichtigung seines subjektiven Willens gerade auch im gerichtlichen Verfahren zu gewährleisten. 136 c) Die Funktion des Kindeswohlprinzips Das gesamte Kindschaftsrecht zeichnet sich durch seine Kindeswohlfixierung aus. Dabei kommen dem Kindeswohl vier unterschiedliche Funktionen zu. Zunächst stellt das Wohl des Kindes eine innere Wesensbestimmung des treuhänderischen Elternrechts nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG dar. Daneben fungiert das Kindeswohl als Anknüpfungspunkt für die Festlegung der Eingriffsschwelle staatlichen Handelns gemäß Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG und begründet damit zugleich eine Eingriffsbefugnis des Staates. Gleichzeitig vermittelt das Kindeswohlprinzip einen allgemeinen Entscheidungsmaßstab 137 sowie einen übergeordneten rechtspolitischen Gestaltungsauftrag für die staatlichen Handlungsorgane. 138 Darüber hinaus wird teilweise auch diskutiert, ob sich aus dem Kindeswohlprinzip eine Verpflichtung des Staates zur präventiven Einwirkung auf typische Ursachen von Familienkonflikten herleiten lässt. 139 Insgesamt müssen sich daher sämtliche kindbezogenen Entscheidungen oder Handlungen an dem Wohl des Kindes als oberster Richtschnur orientieren und messen lassen. Das darin zum Ausdruck kommende Kindeswohlprinzip impliziert somit einen allgemeinen Vorrang der objektiven Interessen des Kindes gegenüber den objektiven und subjektiven Interessen der Eltern und des Staates 140 sowie gegenüber dem subjektiven Willen des Kindes selbst.
136 137 138 139 140
So auch BVerfGE 121, 69, 107 = BVerfG, NJW 2008, 1287, 1292. Coester in: Ev. Akademie Bad Boll, Tagungsprotokoll, S. 60, 65. Balloff, FPR 2004, 309, 310. Coester in: Ev. Akademie Bad Boll, Tagungsprotokoll, S. 60, 66. So auch Dettenborn, Kindeswille und Kindeswohl, S. 51.
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3. Die Elternverantwortung und die staatliche Verantwortung bei der Wahrung des Kindeswohls a) Die Elternverantwortung gemäß Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG Die Pflege und Erziehung der Kinder sind gemäß Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Hierüber wacht nach Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG die staatliche Gemeinschaft. Somit wird bereits auf Verfassungsebene die grundgesetzlich geschützte Beziehung zwischen Eltern und ihren Kindern als sogenannte Innenseite des Elternrechtes konkretisiert und gleichzeitig das diesbezügliche Verhältnis von Eltern und Staat als Außenseite reglementiert. aa) Inhaber der Elternverantwortung Gemäß Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG sind die Eltern Inhaber des Rechtes und der Pflicht zur Pflege und Erziehung ihres Kindes. Der Begriff der „Eltern“ erfasst dabei nach dem allgemeinen Sprachgebrauch zunächst die leibliche Mutter und den leiblichen Vater des Kindes. 141 Maßgeblicher Anknüpfungspunkt ist daher grundsätzlich die „Leiblichkeit“ des Kindes i. S. e. direkten Abstammungsverhältnisses. Als leibliche Mutter wird gemäß § 1591 BGB diejenige Frau verstanden, die das Kind geboren hat. 142 Um das Elternrecht als Vater im Rechtsverkehr geltend machen zu können, bedarf es jedoch der rechtlichen Anerkennung der Vaterschaft gemäß den einfachgesetzlichen Regelungen der §§ 1592, 1593, 1594 ff., 1600d BGB. 143 Daneben schützt Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG jedoch auch die allein rechtliche, nicht jedoch zugleich biologische Elternschaft gemäß §§ 1591 ff. und §§ 1741 ff. BGB. Denn dem Staat steht die einfachgesetzliche Zuweisungsbefugnis der Elternschaft zu. 144 Der Gesetzgeber muss sich dabei aber an dem Abstammungsprinzip 141 BVerfGE 92, 158, 177 = BVerfG, NJW 1995, 2155, 2156; BVerfGE 108, 82, 100 = BVerfG, NJW 2003, 2151, 2152; Dreier / Gröschner, GG, Art. 6, Rn. 109; Maunz / Dürig / Badura, GG, Art. 6, Rn. 99. Zur Problematik der Zuerkennung des Elternrechtes für Großeltern, Adoptiveltern oder Pflegeeltern, vgl. Mangoldt / Robbers, GG, Art. 6, Rn. 169 ff. 142 Im Übrigen wird die Frage der Zuordnung der Mutterschaft bei Verwendung moderner wissenschaftlicher Fortpflanzungsmethoden wie etwa der Insemination oder auch der Leihmutterschaft nicht einheitlich beurteilt. Z. T. wird hinsichtlich der Mutterschaft ausschließlich auf den Anknüpfungspunkt der Geburt abgestellt, vgl. Maunz / Dürig / Badura, GG, Art. 6, Rn. 102. Z. T. wird ebenso die genetische Mutterschaft anerkannt, vgl. Bonner Kommentar / Jestaedt, GG, Art. 6 Abs. 2 und 3, Rn. 79; Mangoldt / Robbers, GG, Art. 6, Rn. 175. 143 Maunz / Dürig / Badura, GG, Art. 6, Rn. 101. 144 Siehe B. II. 3. b) bb).
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B. Das Bedürfnis für eine rechtliche Interessenvertretung Minderjähriger
ausrichten. Beide Arten der Elternschaft stehen grundsätzlich gleichberechtigt nebeneinander. 145 Insoweit bleibt allerdings zu beachten, dass von Verfassungs wegen das Kind nur einem Elternpaar zugeordnet werden kann. Mithin steht die Elternverantwortung nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG dann, wenn leibliche und rechtliche Vaterschaft auseinanderfallen, nur einem von beiden, konkret dem rechtlich anerkannten Vater zu. 146 Der leibliche Vater hat jedoch gemäß § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB die Möglichkeit, nach erfolgreicher Anfechtung der bestehenden rechtlichen Vaterschaft die eigene rechtlich anerkennen zu lassen. Die primäre Ausrichtung nach dem Abstammungsprinzip durch die Anknüpfung an die „Leiblichkeit“ resultiert aus der historisch gewachsenen und gesellschaftlich anerkannten Überlegung, dass diejenigen, die ein Kind in die Welt setzen, sich damit verpflichten, die Elternverantwortung für eben dieses Kind zu übernehmen. 147 Zudem wird die Entscheidung der Eltern für ein Kind nicht mehr nur als Akt der Existenzerhaltung, sondern vielmehr als Ausdruck der Selbstverwirklichung und somit als Mittel zur freien Entfaltung der Persönlichkeit verstanden. 148 Damit einher geht die gesellschaftliche Vermutung dafür, dass den leiblichen Eltern das Wohl des Kindes in der Regel am meisten am Herzen liegt 149 und sie daher von Natur aus am besten die Interessen des Kindes wahrnehmen können. 150 Daraus resultiert der Vorrang der Eltern bezüglich der Erziehungs- und Pflegeverantwortung. Das Elternrecht nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG wird demnach auch nicht etwa als ein von der staatlichen Gewalt konstruiertes und an die Eltern delegiertes Recht verstanden, sondern als natürliches Recht, das durch die Reglementierung in Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG lediglich seine ausdrückliche Anerkennung durch die staatliche Gemeinschaft erfährt. 151 Gegenüber dieser natürlichen Vorrangstellung der leiblichen Eltern muss die staatliche Verantwortung als subsidiär zurücktreten. Die Sicherung der Elternautonomie dient insofern zugleich dem Schutz des Kindeswohls. 145
2154. 146
BVerfG, NJW 2011, 988; BVerfGE 108, 82, 105 f. = BVerfG, NJW 2003, 2151,
BVerfGE 108, 82, 101 = BVerfG, NJW 2003, 2151, 2153. Grundlegend BVerfGE 24, 119, 150 = BVerfG, NJW 2233, 2237. 148 Vgl. Roth, Grundrechte Minderjähriger, S. 119; Gernhuber, FamRZ 1973, 229, 237. 149 BVerfGE 59, 360, 376 = BVerfG, NJW 1982, 1375, 1376; BVerfGE 61, 358, 371 = BVerfG, NJW 1983, 101; BVerfGE 99, 216, 232 = BVerfG, NJW 1999, 557, 558; BVerfGE 103, 89, 108 = BVerfG, NJW 2001, 957, 960. 150 BVerfGE 72, 122, 139 f. = BVerfG, NJW 1986, 3129, 3131; BVerfGE 99, 216, 232 = BVerfG, NJW 1999, 557, 558; BVerfGE 108, 82, 103 = BVerfG, NJW 2003, 2151, 2153; BVerfG, NJW 2010, 2333, 2334. 151 BVerfGE 59, 360, 376 = BVerfG, NJW 1982, 1375, 1376; BVerfGE 60, 79, 88 = BVerfG, NJW 1982, 1379; BVerfGE 108, 82, 100 = BVerfG, NJW 2003, 2151, 2152; BVerfG, FamRZ 2009, 1897; BVerfG, ZKJ 2011, 133, 134; Mangoldt / Robbers, GG, Art. 6, Rn. 183; Maunz / Dürig / Badura, GG, Art. 6, Rn. 109; Goldstein / Freud / Solnit, Diesseits des Kindeswohls, S. 169; Schwab, Familienrecht, Rn. 519. 147
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Nach dem Wortlaut des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG obliegt die Elternverantwortung den Eltern als Gemeinschaft, wobei Mutter und Vater gemäß Art. 3 Abs. 2 GG gleichberechtigt sind. 152 Das Grundgesetz geht dabei von dem Regelfall der in einer Ehe verbundenen Eltern aus, in deren Familiengemeinschaft das Kind aufwächst. 153 Die Eltern können ihre Verantwortung jedoch nicht nur im Rahmen dieser Gemeinschaft wahrnehmen, sondern sind jeder für sich genommen Inhaber des Rechtes und der Pflicht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG, unabhängig von ihrer rechtlichen Beziehung zueinander. In zeitlicher Hinsicht beginnt die Elternverantwortung mit der Zeugung 154 und endet mit der Entlassung des Kindes in die Volljährigkeit als einfachgesetzlich festgeschriebenem Übergang in die Selbstverantwortlichkeit. 155 bb) Elternverantwortung als Grundrecht und Grundpflicht Das Elternrecht findet seine Begründung in der Schutzbedürftigkeit des Kindes. 156 Denn das minderjährige Kind ist als Mensch i. S. d. Grundgesetzes selbst Grundrechtsträger und damit Inhaber eigener Menschenwürde i. S. d. Art. 1 Abs. 1 GG. Aufgrund seiner noch nicht ausreichend ausgeprägten Selbstständigkeit bedarf das Kind jedoch des Schutzes und der Hilfe, um seine Grundrechte zu verwirklichen. 157 Diese Unterstützung zur Verselbstständigung und zur persönlichen Entwicklung leisten in erster Linie die Eltern. Da das Grundgesetz von der Unverletzlichkeit der Menschenwürde als zentraler Wertentscheidung ausgeht, kann es gleichwohl niemandem Rechte an einem anderen Menschen einräumen, ohne ihm zugleich Pflichten aufzuerlegen, die den Schutz der Grundfreiheiten
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BVerfGE 10, 59, 67, 76 ff. = BVerfG, NJW 1959, 1483, 1484. BVerfGE 31, 194, 205 = BVerfG, NJW 1971, 1447; BVerfGE 56, 363, 382 = BVerfG, NJW 1981, 1201; BVerfGE 61, 358, 372 = BVerfG, NJW 1983, 101; BVerfGE 92, 158, 176 f. = BVerfG, NJW 1995, 2155, 2156. 154 A. A. Münch / Kunig / Coester-Waltjen, GG, Art. 6, Rn. 68, die auf die Geburt des Kindes abstellt. 155 Mangoldt / Robbers, GG, Art. 6 Rn. 155, 159. Insoweit ist umstritten, ob die Elternverantwortung mit der Volljährigkeit des Kindes erlischt. Bejahend: BVerfGE 59, 360, 382 = BVerfG, NJW 1982, 1375, 1377; BVerfGE 72, 122, 137 = BVerfG, NJW 1986, 3129, 3130; BVerfGE 74, 102, 125 = BVerfG, NJW 1988, 45, 47. Verneinend: Mangoldt / Robbers, GG, Art. 6, Rn. 161, der von einem Bestehenbleiben der Elternpflicht ausgeht. 156 BVerfGE 24, 119, 144 = BVerfG, NJW 1968, 2233, 2235; BVerfGE 72, 155, 172 = BVerfG, NJW 1986, 1859, 1860; BVerfGE 79, 51, 63 = BVerfG, NJW 1989, 519, 520; BVerfGE 121, 69, 93 = BVerfG, NJW 2008, 1287, 1288. Vgl. auch die ausführliche Begründung bei Roell, Geltung der Grundrechte, S. 50. 157 Siehe B. II. 1. 153
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B. Das Bedürfnis für eine rechtliche Interessenvertretung Minderjähriger
des Betroffenen absichern. 158 Aus diesem Grund unterliegt das Elternrecht nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG einer wesensbestimmenden Pflichtenbindung, nämlich der Bindung an das Kindeswohl. Das Grundgesetz selbst stellt durch die in Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG gewählte Formulierung ausdrücklich klar, dass die Pflege und Erziehung des Kindes nicht nur ein Recht, sondern zugleich eine Pflicht i. S. e. echten Grundpflicht darstellt. Dabei ist hervorzuheben, dass diese Grundpflicht nicht gegenüber dem Staat, sondern ausschließlich gegenüber dem Kind gilt. 159 Die sich aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG ergebende Grundpflicht ist indes nicht als Schranke des Elternrechts zu verstehen, sondern als ein der Elternverantwortung insgesamt immanentes wesensbestimmendes Merkmal. 160 Folglich muss die Ausübung des Elternrechts zugleich die den Eltern aufgegebene Elternpflicht erfüllen, wobei das Kindeswohl 161 die oberste Richtschnur darstellt. 162 Grundpflicht und Grundrecht der Eltern werden als untrennbar miteinander verbundene Einheit verstanden und unter dem Begriff der Elternverantwortung zusammengefasst. 163 Durch Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG werden die Eltern folglich nur insoweit geschützt, wie sie ihre Elternverantwortung eigenständig wahrnehmen, nicht jedoch, wenn sie sich ihr entziehen. 164 Anders als andere Freiheitsrechte gewährt die Elternverantwortung aufgrund der fremdnützigen Zweckrichtung somit keine negative Ausübungsfreiheit. 158 BVerfGE 24, 119, 144 = BVerfG, NJW 1968, 2233, 2235: „Eine Verfassung, welche die Würde des Menschen in den Mittelpunkt ihres Wertesystems stellt, kann bei Ordnung zwischenmenschlicher Beziehungen grundsätzlich niemandem Rechte an der Person eines anderen einräumen, die nicht zugleich pflichtgebunden sind und die Menschenwürde des anderen respektieren.“ 159 Roth, Grundrechte Minderjähriger, S. 113 f. 160 BVerfGE 24, 119, 143 = BVerfG, NJW 1968, 2233, 2235; BVerfGE 68, 176, 190 = BVerfG, NJW 1985, 423, 424; BVerfGE 72, 155, 172 = BVerfG, NJW 1986, 1859, 1860; Bonner Kommentar / Jestaedt, GG, Art. 6 Abs. 2 und 3, Rn. 29; Mangoldt / Robbers, GG, Art. 6, Rn. 149; Maunz / Dürig / Badura, GG, Art. 6, Rn. 107. 161 Zum Begriff des Kindeswohls siehe B. II. 2. a). 162 BVerfGE 37, 217, 252 = BVerfG, NJW 1974, 1609, 1611; BVerfGE 59, 360, 376 = BVerfG, NJW 1982, 1375, 1376; BVerfGE 60, 79, 88 = BVerfG, NJW 1982, 1379; BVerfGE 107, 104, 117 = BVerfG, NJW 2003, 2004, 2005; BVerfGE 121, 69, 93 f. = BVerfG, NJW 2008, 1287, 1288; BVerfG, NJW 2010, 2333, 2334; BVerfG, NJW 2010, 2336, 2337. 163 BVerfGE 10, 59, 67 = BVerfG, NJW 1959, 1443; BVerfGE 24, 119, 144 = BVerfG, NJW 1968, 2233, 2235; BVerfGE 56, 363, 382 = BVerfG, NJW 1981, 1201; BVerfGE 72, 155, 172 = BVerfG, NJW 1986, 1859, 1860; BVerfG, FamRZ 2009, 1389; Maunz / Dürig / Badura, GG, Art. 6, Rn. 108; kritisch Bonner Kommentar / Jestaedt, GG, Art. 6 Abs. 2 und 3, Rn. 30; Brüser, Grundrechte im Kindesalter, S. 38; Roth, Grundrechte Minderjähriger, S. 115 ff. 164 BVerfGE 24, 119, 144 = BVerfG, NJW 1968, 2233, 2235; BVerfGE 72, 155, 172 = BVerfG, NJW 1986, 1859, 1860.
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Sinn und Zweck der Elternverantwortung ist es, ein Mittel zu schaffen, durch das sichergestellt wird, dass die Grundfreiheiten des Kindes trotz seiner fehlenden Selbstbestimmungs- und Selbstverwirklichungsfähigkeit wahrgenommen und durchgesetzt werden. 165 Demnach zielt es als dienendes Grundrecht nicht auf die Selbstverwirklichung der Eltern, sondern vielmehr auf die Hilfe zur Persönlichkeitsentfaltung des Kindes ab und ist infolgedessen als Recht im Interesse des Kindes zu verstehen. 166 Demzufolge wird das Elternrecht als ein gegenüber dem Kind treuhänderisch ausgeübtes Recht bezeichnet. 167 Soweit eine Handlung der Eltern nicht dem Kindeswohl entspricht beziehungsweise die Grenze der Kindeswohlgefährdung überschreitet, ist sie daher nicht von dem in Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG geschützten Elternrecht gedeckt. Das Kindeswohl ist mithin wesensbestimmend für den Inhalt und den Umfang der Elternverantwortung. Gleichwohl gibt es auch elterliche Eigeninteressen, die sich vor allem auf die Zuweisung der Erziehungs- und Pflegeposition hinsichtlich des Kindes, also das Recht auf die elterliche Erziehung richten. Auch diese Eigeninteressen werden von Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG geschützt. Sie sind jedoch von der inneren Ausgestaltung der Elternverantwortung als pflichtgebundenes, treuhänderisches Recht zu unterscheiden und gehen eben nicht darin auf. 168 Seine Ausprägung findet dieses Eigenrecht insbesondere darin, dass den Eltern das Interpretationsprimat des Kindeswohls zusteht. cc) Funktion, Inhalt und Grenzen der Elternverantwortung Entspricht die Wahrnehmung der Elternverantwortung dem Kindeswohl, so gewährt Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG als klassisches Grundrecht den Eltern ein Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe. 169 Gleichzeitig enthält Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG eine 165 Roell, Geltung der Grundrechte, S. 49; Gernhuber, FamRZ 1962, 89, 92; Diederichsen, FamRZ 1978, 461, 463. 166 BVerfGE 59, 360, 382 = BVerfG, NJW 1982, 1375, 1376; BVerfGE 72, 122, 137 = BVerfG, NJW 1986, 3129, 3130; BVerfGE 103, 89, 107 = BVerfG, NJW 2001, 957, 959; BVerfGE 121, 69, 95 = BVerfG, NJW 2008, 1287, 1289; Maunz / Dürig / Badura, GG, Art. 6, Rn. 109; Staudinger / Peschel-Gutzeit, BGB, § 1626, Rn. 7; Münder / Mutke / Schone, Kindeswohl, S. 18; Ossenbühl, FamRZ 1977, 533, 534. 167 BVerfGE 59, 360, 376 = BVerfG, NJW 1982, 1375, 1376; BVerfGE 61, 358, 372 = BVerfG, NJW 1983, 101; BVerfGE 64, 180, 189 = BVerfG, NJW 1983, 2491; BVerfGE 84, 168, 180 = BVerfG, NJW 1991, 1944; Mangoldt / Robbers, GG, Art. 6, Rn. 145; Maunz / Dürig / Badura, GG, Art. 6, Rn. 109; Ossenbühl, FamRZ 1977, 533; Stein / Joest / Dombois, Elternrecht, S. 12; kritisch hierzu Dreier / Gröschner, GG, Art. 6, Rn. 99. 168 So auch Böckenförde, Essener Gespräche, S. 54, 68. 169 Bonner Kommentar / Jestaedt, GG, Art. 6 Abs. 2 und 3, Rn. 9; Mangoldt / Robbers, GG, Art. 6, Rn. 140; Maunz / Dürig / Badura, GG, Art. 6, Rn. 97; Dreier / Gröschner, GG, Art. 6, Rn. 95 m. w. N.
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B. Das Bedürfnis für eine rechtliche Interessenvertretung Minderjähriger
grundgesetzlich normierte Wertentscheidung, die bei allen staatlichen Regelungsbereichen zu beachten ist. 170 In diesem Zusammenhang wird Art. 6 Abs. 2 GG auch als Institutsgarantie verstanden, die das Modell der familiären Pflege und Erziehung gegenüber demjenigen der kollektiven Zwangserziehung festschreibt und grundgesetzlich absichert. 171 Im Zusammenspiel mit Art. 6 Abs. 1 GG wird so die Familie, zu deren Wesenselementen das Elternrecht zählt, insgesamt als eigenständiger und in sich geschlossener Privatsphärebereich umfassend geschützt. Neben dem Elternrecht wird aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG zudem ein eigenes Recht des Kindes auf Pflege und Erziehung durch seine Eltern hergeleitet. 172 Dieses Recht besteht jedoch nicht gegenüber den Eltern, sondern nur gegenüber dem Staat. 173 Die in Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG festgeschriebenen Begriffe „Pflege“ und „Erziehung“ bilden eine Einheit und sind als Gesamtsorge i. S. e. Gesamtverantwortung der Eltern für die körperliche und psychische Entwicklung des Kindes zu verstehen. 174 Die Entscheidungskompetenz, welche konkreten Ziele bei der Wahrnehmung dieser Gesamtverantwortung für das Kind verfolgt werden sollen, liegt primär bei den Eltern und nicht bei der staatlichen Gemeinschaft. Mithin existieren entgegen einer vereinzelt vertretenen Auffassung 175 keine verfassungsrechtlich festgelegten Erziehungsleitbilder, welche die elterliche Entscheidungsbefugnis beschränken könnten. 176 Vielmehr sind die Eltern grundsätzlich darin frei, die Erziehung und Pflege des Kindes ihren Vorstellungen entsprechend 170
Bonner Kommentar / Jestaedt, GG, Art. 6 Abs. 2 und 3, Rn. 10; Mangoldt / Robbers, GG, Art. 6, Rn. 140; Ossenbühl, Elterliches Erziehungsrecht, S. 44 f.; Roth, Grundrechte Minderjähriger, S. 89 ff. Kritisch Münder, JAmt 2008, 294, 296. 171 BVerfGE 24, 119, 149 = BVerfG, NJW 1968, 2233, 2237; Bonner Kommentar / Jestaedt, GG, Art. 6 Abs. 2 und 3, Rn. 11; Epping / Hillgruber / Uhle, GG, Art. 6, Rn. 49; Mangoldt / Robbers, GG, Art. 6, Rn. 141; Willutzki, ZKJ 2009, 237. 172 BVerfGE 121, 69, 93 = BVerfG, NJW 2008, 1287, 1288 f.; OLG Stuttgart, FamRZ 2010, 1166; Epping / Hillgruber / Uhle, GG, Art. 6 Rn. 48; Hohmann-Dennhardt, FPR 2008, 476, 477. A. A. Münch / Kunig / Coester-Waltjen, GG, Art. 6, Rn. 78; Brüser, Grundrechte im Kindesalter, S. 62 f.; Becker, RdJB 1970, 364, 365. 173 Entgegen der kritischen Auffassung von Brüser, Grundrechte im Kindesalter, S. 62 f., ergibt sich auch nichts anderes aus den Ausführungen in BVerfGE 121, 69, 93. Denn die hier postulierte Pflicht der Eltern gegenüber dem Kind beschreibt keine unmittelbar verfassungsrechtlichen Pflichten i. S. e. unmittelbaren Drittwirkung von Grundrechten, sondern vielmehr die treuhänderische Pflichtenbindung der Elternverantwortung, die in § 1684 Abs. 1 BGB ihre einfachgesetzliche Ausformung erhält. A. A. Altrogge, FPR 2009, 34, 36; zurückhaltend Peschel-Gutzeit, NJW 2008, 1922, 1924. 174 Mangoldt / Robbers, GG, Art. 6, Rn. 143; Maunz / Dürig / Badure, GG, Art. 6, Rn. 107; a. A. Dreier / Gröschner, GG, Art. 6, Rn. 109. 175 Schütz, FamRZ 1986, 947, 948. 176 Ausführliche Analyse bei Ossenbühl, Elterliches Erziehungsrecht, S. 62. Vgl. auch Dreier / Gröschner, GG, Art. 6, Rn. 112; Mangoldt / Robbers, GG, Art. 6, Rn. 152; Staudinger / Peschel-Gutzeit, BGB, § 1626, Rn. 8. Anders hingegen noch BVerfGE 7, 320,
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zu gestalten. 177 Insofern umfasst der Schutzbereich der Elternverantwortung die nach eigenen Vorstellungen persönlichkeitsprägende Einwirkung auf das Kind. 178 Auch solche alternativen Erziehungsziele, die zur pluralistisch verstandenen Werteordnung im Widerspruch stehen, gefährden daher nicht zwangsläufig das Kindeswohl. 179 Als einzige Maßgabe für die Frage, ob die konkrete Erziehung das Kindeswohl wahrt, fordert die Rechtsprechung, dass dem Kind die Möglichkeit gegeben sein muss, sich zu einer eigenverantwortlichen Person innerhalb der sozialen Gemeinschaft und somit i. S. d. Menschenbildes des Grundgesetzes zu entwickeln. 180 Dies folgt aus der Sozialgebundenheit der Familie innerhalb der Gesellschaft und der daraus resultierenden rechtlichen Eingliederung in die Wertentscheidungen des Grundgesetzes. 181 Das Menschenbild des Grundgesetzes ist selbst jedoch durch Pluralismus und Meinungsfreiheit geprägt, sodass diese Vorgabe eines Mindestmaßes sozialer Verträglichkeit nicht als tatsächliche Beschränkung des Erziehungsprimates verstanden werden kann. 182 Ausschlaggebend ist allein, ob überhaupt eine Erziehung, d. h. ein gewisses Mindestmaß an Einwirkung auf das Kind zur Unterstützung seiner Lebensfähigkeit, erkennbar wird. Diese umfassende Freiheit der Eltern lässt sich damit begründen, dass die Familie gemäß Art. 6 Abs. 1 GG ein in sich geschlossener Bereich ist, in den der Staat grundsätzlich nicht eingreifen soll. In dieser somit gegen Intervention von außen geschützten Sphäre sollen sich die Familienmitglieder i. S. v. Art. 2 Abs. 1 GG frei entfalten können. Die Erziehung des eigenen Kindes ist als höchstpersönliche Lebensentscheidung somit zugleich Ausdruck und integraler Bestandteil der freien Persönlichkeitsentfaltung der Eltern. 183 In diese darf der Staat nur unter den in Art. 2 Abs. 1 GG geregelten Voraussetzungen, nämlich bei einer Verletzung der verfassungsgemäßen Ordnung, des Sittengesetzes oder der Rechte anderer, eingreifen. Insoweit ist maßgeblich darauf abzustellen, ob die Rechte des Kindes durch die Erziehungsziele der Eltern beeinträchtigt wer323, wonach in Anlehnung an Art. 120 WRV das Erziehungsziel gefordert wurde, den Minderjährigen „zu leiblicher, seelischer und gesellschaftlicher Tüchtigkeit“ zu erziehen. 177 BVerfGE 24, 119, 143 = BVerfG, NJW 1968, 2233, 2235; BVerfGE 31, 194, 204 = BVerfG, NJW 1971, 1447; BVerfGE 47, 46, 69 f. = BVerfG, NJW 1978, 807, 808; BVerfGE 60, 79, 88 = BVerfG, NJW 1982, 1379; BVerfGE 99, 216, 232 = BVerfG, NJW 1999, 557, 558; BVerfGE 107, 104, 117 = BVerfG, NJW 2003, 2004, 2005; BVerfGE 121, 69, 92 = BVerfG, NJW 2008, 1287, 1288. 178 Böckenförde, Essener Gespräche, S. 54, 59. 179 A. A. Schütz, FamRZ 1986, 947, 948. 180 BVerfGE 7, 198, 205 = BVerfG, NJW 1958, 257; BVerfGE 24, 119, 144 = BVerfG, NJW 1968, 2233, 2235; BVerfGE 56, 363 376 f. = BVerfG, NJW 1981, 1201, 1202; BVerfGE 107, 104, 117 = BVerfG, NJW 2003, 2004, 2005. 181 Häberle, Erziehungsziele, S. 59. 182 Mangoldt / Robbers, GG, Art. 6, Rn. 152. 183 So auch Mangoldt / Robbers, GG, Art. 6, Rn. 189.
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B. Das Bedürfnis für eine rechtliche Interessenvertretung Minderjähriger
den. Dies ist jedoch nach der dargestellten Ausformung des Elternrechts gemäß Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG erst dann der Fall, wenn hierdurch das Kindeswohl konkret gefährdet oder gar verletzt wird. Somit steht den Eltern grundsätzlich die Entscheidungsbefugnis darüber zu, wie sie ihrer Elternverantwortung gerecht werden, d. h. wie sie die Pflege und Erziehung des Kindes konkret gestalten wollen. 184 Das Kindeswohl bildet jedoch die oberste Richtschnur 185 und damit zugleich als wesensbestimmendes Merkmal die Grenze der Elternverantwortung. Aus dieser Feststellung folgt, dass bei einer Interessenkollision zwischen den Eltern und dem Kindeswohl letzterem der Vorrang gebührt. 186 Allerdings steht das Interpretationsprimat hinsichtlich des Kindeswohls im jeweiligen Einzelfall den Eltern zu. 187 Hierbei müssen sie ihrerseits das natürliche Bestreben des Kindes berücksichtigen, sich zu einem selbstständigen Menschen zu entwickeln und zunehmend die eigene Persönlichkeit zu entfalten. Mit wachsender Verselbstständigung des Kindes wird das Kindeswohl daher von diesem selbst ausgefüllt und das Elternrecht als dessen nur treuhänderische Wahrnehmungsform verdrängt. 188 Trotz des grundsätzlichen Interpretationsvorranges der Eltern bezüglich des Kindeswohls kommt ihnen kein Interpretationsmonopol zu. 189 Denn soweit die Grenze der Kindeswohlgefährdung durch die Eltern überschritten wird, sind die Handlungen der Eltern nicht mehr von Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG gedeckt und es greift das subsidiäre Wächteramt des Staates nach Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG ein. Demnach obliegt es dann der staatlichen Gemeinschaft, beispielsweise in Gestalt des Familienrichters, den Begriff des Kindeswohls auszufüllen.
184 BVerfGE 24, 119, 143 f. = BVerfG, NJW 1968, 2233, 2235; BVerfGE 59, 360, 376 = BVerfG, NJW 1982, 1375, 1376; BVerfGE 60, 79, 88 = BVerfG, NJW 1982, 1379; BVerfG, FamRZ 2009, 1897; BVerfG, NJW 2010, 2333, 2334; BVerfG, ZKJ 2011, 133, 134. 185 BVerfG, FamRZ 2009, 1897. 186 BVerfGE 37, 217, 252 = BVerfG, NJW 1974, 1609, 1611; BVerfGE 56, 363, 383 = BVerfG, NJW 1981, 1201, 1202; BVerfGE 61, 358, 378 = BVerfG, NJW 1983, 101, 102; BVerfGE 72, 122, 137 = BVerfG, NJW 1986, 3129, 3130; BVerfGE 99, 145, 156 = BVerfG, NJW 1999, 631; BVerfG, NJW 2010, 2336, 2337; Maunz / Dürig / Badura, GG, Art. 6, Rn. 94. 187 BVerfGE 4, 52, 56 = BVerfG, NJW 1954, 176; BVerfGE 24, 119, 135 = BVerfG, NJW 1968, 2233; BVerfGE 59, 360, 376 = BVerfG, NJW 1982, 1375; BVerfGE 60, 79, 88, 94 = BVerfG, NJW 1982, 1379, 1381; BVerfGE 103, 89, 108 = BVerfG, NJW 2001, 957, 959 f; BVerfGE 107, 104, 117 = BVerfG, NJW 2003, 2004, 2005. Vgl. auch Roth, Grundrechte Minderjähriger, S. 118, der darüber hinaus von der „Definitionskompetenz“ der Eltern spricht. 188 Siehe B. II. 2. b). Ebenso Mangoldt / Robbers, GG, Art. 6, Rn. 186; Münder, JAmt 2008, 294, 296; Schwab, JZ 1970, 745, 746; Schwerdtner, NJW 1999, 1525, 1526. 189 Ossenbühl, Elterliches Erziehungsrecht, S. 64.
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dd) Einfachgesetzliche Ausgestaltung Die in Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG verbürgte Elternverantwortung bedarf der einfachgesetzlichen Ausgestaltung. Denn um die Pflicht der Erziehung und Pflege des Kindes wahrnehmen zu können, müssen den Eltern entsprechende rechtliche Befugnisse gegenüber dem Staat, aber auch gegenüber Dritten eingeräumt werden. 190 Richtwert für die Gesetzgebung ist hier ebenfalls das Wohl des Kindes. Zudem gilt es, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren. Seine einfachgesetzliche Ausprägung erhält das Elternrecht vor allem in den §§ 1626 ff. BGB. Gemäß § 1626 Abs. 1 S. 1 BGB steht den Eltern die elterliche Sorge zu, d. h. das Recht und die Pflicht, für das minderjährige Kind zu sorgen. Die hiermit festgeschriebene Fürsorgepflicht der Eltern geht dabei über den bloßen Schutz vor Gefahren hinaus und erfordert vielmehr ein aktives Tätigwerden. 191 Das Sorgerecht beginnt mit der Vollendung der Geburt und wird im Regelfall durch den Eintritt des Kindes in die Volljährigkeit beendet. 192 Im Einzelnen umfasst die elterliche Sorge gemäß § 1626 Abs. 1 S. 2 BGB sowohl die Personensorge als auch die Vermögenssorge. Die Personensorge beinhaltet gemäß § 1631 Abs. 1 BGB neben der zentralen Pflicht zur Pflege und Erziehung des Kindes auch die Aufsichtspflicht über das Kind, das Aufenthaltsbestimmungsrecht, einen eventuellen Herausgabeanspruch sowie das Umgangsbestimmungsrecht. Hinsichtlich der Vermögenssorge enthalten die §§ 1638 ff. BGB Schutzbestimmungen betreffend die Anlage und die Verwaltung des Vermögens des Kindes, sowie die Inbesitznahme der zum Eigentum des Kindes gehörenden Sachen. 193 Die elterliche Fürsorgepflicht für die Person und das Vermögen des Kindes schließt neben der tatsächlichen Fürsorge gemäß § 1629 BGB auch die Vertretung des Kindes bei rechtsgeschäftlichen Handlungen sowie die verfahrensrechtliche Vertretung mit ein.
190 BVerfGE 84, 168, 180 = BVerfG, NJW 1991, 1944; BVerfGE 121, 69, 94 = BVerfG, NJW 2008, 1287, 1289; BVerfG, NJW 2010, 3008, 3009. 191 Staudinger / Peschel-Gutzeit, BGB, § 1626, Rn. 3. Enger hingegen z. T. der BGH, der nur ein Schutzverhältnis annimmt, BGHZ 66, 334, 337 = BVerfG, NJW 1976, 1540, 1541; BGHZ 73, 131, 138 = BVerfG, NJW 1979, 813, 814. 192 Weitere mögliche Beendigungsgründe sind u. a.: die Entziehung des Sorgerechts (§§ 1666, 1666a BGB); Übertragung der elterlichen Sorge bei Trennung oder Scheidung (§§ 1671, 1672 BGB); Tod eines Elternteils (§ 1680 BGB); Tod des Kindes (§ 1698b BGB); Adoption des Kindes (§§ 1741, 1755 BGB). 193 Staudinger / Peschel-Gutzeit, BGB, § 1626, Rn. 64.
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b) Das staatliche Wächteramt aa) Rechtliche Begründung und Funktion Aus der Grundrechtsträgerschaft des minderjährigen Kindes und der damit einhergehenden verfassungssystematischen Verbindung von Art. 6 Abs. 2 GG mit Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG resultiert sein Anspruch auf Schutz durch die staatliche Gemeinschaft. 194 Dieser Schutz wird über das staatliche Wächteramt nach Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG gewährleistet 195, wonach die staatliche Gemeinschaft über die Betätigung der elterlichen Verantwortung wacht. 196 Die Regelung des Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG konstituiert eine Eingriffsbefugnis des Staates zugunsten des Kindeswohls und stärkt somit direkt den Grundrechtsschutz des Kindes selbst. Aus der Verbindung von Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG und dem in Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG festgeschriebenen Elternrecht ergibt sich zudem, dass die staatliche Eingriffsbefugnis ausdrücklich subsidiär zum elterlichen Erziehungsrecht ausgestaltet ist. 197 Somit wird wiederum das Recht der Eltern auf Pflege und Erziehung ihres Kindes zusätzlich geschützt. Insgesamt bedeutet dies für die Funktion des Wächteramtes, dass sich der Staat an dem Wohl des Kindes als oberste Richtschnur orientieren und zugleich den grundsätzlichen Vorrang der Eltern bei der Erziehung und Pflege wahren muss. 198 Das zur Elternverantwortung akzessorisch und subsidiär ausgestaltete staatliche Wächteramt hat daher ebenso wie das Recht der Eltern nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG einen treuhänderischen Charakter. 199 Demgemäß ergibt sich die Eingriffsbefugnis des Staates nicht etwa aus den Grundrechten des Kindes, die der Staat gegen die Eltern durchsetzt, sondern 194 So bereits die Grundsatzentscheidung des BVerfG in BVerfGE 24, 119, 144 = BVerfG, NJW 1968, 2233, 2235. 195 Zur Begründung des staatlichen Wächteramtes werden daneben das legitime Interesse der Staatsgemeinschaft an der Erziehung insgesamt benannt, vgl. Mangoldt / Robbers, GG, Art. 6, Rn. 242 und Rummel, ZfJ 1997, 202, 204, sowie sonstige gesellschaftliche Eigeninteressen, wie etwa die Geringhaltung von Kosten, vgl. Boogaart u.a. / Mann, Frankfurter Rechte-Kongress, S. 77, 84; kritisch Bonner Kommentar / Jestaedt, GG, Art. 6 Abs. 2 und 3, Rn. 175. 196 Die Formulierung des Art. 6 Abs. 2 S. 2 folgt der des Art. 120 WRV und wird teilweise als sprachlich verunglückt angesehen, vgl. Ossenbühl, Elterliches Erziehungsrecht, S. 67. 197 Mangoldt / Robbers, GG, Art. 6, Rn. 243. Hingegen besteht Gleichrangigkeit zwischen dem Elternrecht und dem staatlichen Erziehungsauftrag in der Schule gemäß Art. 7 Abs. 1 GG, BVerfG, Beschluss v. 8.05.2008, 6 B 65/07, Rn. 4 (zitiert nach juris). 198 BVerfGE 59, 360, 376 = BVerfG, NJW 1375, 1376; BVerfGE 60, 79, 88 = BVerfG, NJW 1982, 1379; BVerfGE 99, 145, 156 = BVerfG, NJW 1999, 631. 199 Bonner Kommentar / Jestaedt, GG, Art. 6 Abs. 2 und 3, Rn. 178; Mangoldt / Robbers, GG, Art. 6, Rn. 244.
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vielmehr aus der dem Elternrecht immanenten Begrenzung selbst. 200 Diese Begrenzung stellt indes keine klassische Grundrechtsschranke dar, sondern eine Reaktion auf die mangelnde Wahrnehmung der Elternverantwortung durch die verpflichteten Eltern. Mittels seiner Eingriffsbefugnis gewährleistet die staatliche Gemeinschaft damit den erforderlichen Schutz des Kindes und stellt zudem eine „Erziehungsreserve“ bereit. 201 Das staatliche Wächteramt gemäß Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG erschöpft sich allerdings nicht in seiner eingriffsrechtlichen Funktion, sondern stellt vielmehr zugleich eine Garantienorm dar. 202 Denn gerade aus der Verbindung mit dem Grundsatz der Unverletzlichkeit der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG und dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG ergibt sich die Pflicht des Staates, ein Mindestmaß an Wahrnehmungsmöglichkeiten der Grundrechte des minderjährigen Kindes zu schaffen. 203 Konkret konstituiert dies die Pflicht das Wächteramt so auszuüben, dass jedwede Gefährdung oder gar Beschädigung des Kindeswohls vermieden wird und die Grundvoraussetzungen für die kindliche Entwicklung sichergestellt sind. 204 Als dritte Funktion wird aus dem staatlichen Wächteramt zudem eine Schlichterrolle des Staates bei Konflikten zwischen den Eltern, die grundsätzliche Erziehungsfragen betreffen, hergeleitet. 205 Dies folgt zum einen aus dem Interesse an der Sicherung des Kindeswohls, zum anderen aber auch aus der Aufgabe des Staates, die Rechtsordnung zu wahren und Rechtsfrieden herzustellen. 206
200
So auch Ossenbühl, Elterliches Erziehungsrecht, S. 70. Jeand’Heure, Kindeswohl-Begriff, S. 21. 202 Vgl. hierzu die ausführliche Analyse bei Jeand’Heure, Garantienorm, S. 84 ff.; kritisch Bonner Kommentar / Jestaedt, GG, Art. 6 Abs. 2 und 3, Rn. 199; ebenso, im Ergebnis allerdings zustimmend Dölitzsch, Vom Kindesschutz zu Kindesrechten, 104 f. 203 BVerfGE 24, 119, 145 = BVerfG, NJW 1968, 2233, 2235; Jeand’Heure, Garantienorm, S. 103 ff. 204 Z. T. wird in diesem Zusammenhang aufgrund der veränderten sozialen Verhältnisse gefordert, dass das staatliche Wächteramt verstärkt präventiv ausgeübt werden soll, vgl. Rosenboom, Familiengerichtliche Praxis, S. 201 ff.; Boogaart u. a., Frankfurter RechteKongress, S. 95; Röchling, FamRZ 2007, 431. Kritisch Coester in: Lipp / Schumann / Veit, Kindesschutz, S. 19, 30 f. 205 Ossenbühl, Elterliches Erziehungsrecht, S. 68; Mangoldt / Robbers, GG, Art. 6, Rn. 247; Jeand’Heure, Kindeswohl-Begriff, S. 21. Insoweit ist Pawlowski zu widersprechen, der das Vormundschaftsgericht nicht als Organ der Judikative, sondern der Executive versteht, siehe Pawlowski in: Gerhardt u. a., FS Henckel, S. 633, 648. 206 BVerfGE 31, 194, 205 = BVerfG, NJW 1971, 1447, 1448. 201
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bb) Befugnisse und Schranken des Wächteramtes Die konkrete Ausgestaltung der Schutzaufgabe des staatlichen Wächteramtes ist situationsspezifisch zu bestimmen und die Wahrnehmung der erforderlichen Befugnisse durch Gesetz zu regeln. 207 Dabei werden die Pflichtgebundenheit und die Grenzen der Elternverantwortung zunächst mittels gesetzlicher Regelungen über die Zuordnung von Rechten sowie deren Inhalt und Schranken verbindlich festgelegt. 208 Dem Gesetzgeber kommt in diesem Zusammenhang beispielsweise die Zuweisungsbefugnis hinsichtlich der Elternschaft zu. 209 Darüber hinaus interveniert der Staat im konkreten Einzelfall, beispielsweise über das Familiengericht und die Jugendhilfe. Legitimation, Inhalt und Grenzen solcher konkreten Eingriffe werden durch das Kindeswohl definiert, da dieses die oberste Richtschnur für die Ausübung des Wächteramtes darstellt. 210 Das Interpretationsprimat bezüglich der konkreten Ausformung des Kindeswohls obliegt dabei jedoch den Eltern. Die staatliche Gemeinschaft übernimmt folglich nur eine Art Unvertretbarkeitskontrolle hinsichtlich der durch die Eltern wahrzunehmenden Pflege- und Erziehungsverantwortung und tritt als „Ausfallbürge“ bei der Gefährdung des Kindeswohls ein. 211 Damit kommt das staatliche Wächteramt erst zur Anwendung, wenn eine nachhaltige Störung der Entwicklung des Kindes hin zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit innerhalb der sozialen Gemeinschaft zu befürchten ist. Zudem unterliegt jeglicher Eingriff des Staates ebenso wie die Gesetzgebung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Für den schwerwiegendsten Eingriff in Form der Trennung des Kindes von seinen Eltern sind die Voraussetzungen nebst ausdrücklichem Gesetzesvorbehalt nach Art. 6 Abs. 3 GG grundgesetzlich geregelt. Eine einfachgesetzliche Konkretisierung dieser Regelung sowie des Leitgedankens des staatlichen Wächteramtes insgesamt findet sich beispielsweise in den §§ 1666, 1666a BGB. Danach wird das Erziehungsprimat der Eltern ausdrücklich begrenzt, sofern das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet ist und die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, die Gefahr abzuwen207
BVerfGE 107, 104, 118, NJW 2003, 2004, 2006; BVerfGE 121, 69, 94, NJW 2008, 1287, 1289; Maunz / Dürig / Badura, GG, Art. 6, Rn. 139. 208 Vgl. BVerfG FamRZ 1986, 769, 772, mit der ausdrücklichen Aufforderung an den Gesetzgeber, Gesetzesregelungen zum Schutz des Minderjährigen vor seinen Eltern zu schaffen. 209 BVerfGE 108, 82, 106 = BVerfG, NJW 2003, 2151, 2154; BVerfG, NJW 2010, 3008, 3010. 210 BVerfGE 24, 119, 144 = BVerfG, NJW 1968, 2233, 2235; BVerfGE 72, 122, 134 = BVerfG, NJW 1986, 3129; BVerfGE 75, 201, 218 = BVerfG, NJW 1988, 125, 126; BVerfGE 103, 89, 109 = BVerfG, NJW 2001, 957, 960; Bonner Kommentar / Jestaedt, GG, Art. 6 Abs. 2 und 3, Rn. 174; Ossenbühl, Elterliches Erziehungsrecht, S. 69. 211 Jestaedt in: Lipp / Schumann / Veit, Kindesschutz, S. 5, 13 f.
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den. Diese Vorschrift zeigt beispielhaft, dass das staatliche Wächteramt erst zur Anwendung kommt, wenn und soweit eine Intervention aufgrund einer groben Kindeswohlgefährdung erforderlich ist, die Wahrnehmung der Erziehungsverantwortung durch die Eltern folglich mit Blick auf das Kindeswohl als unvertretbar beurteilt wird. Ein solcher Interventionsfall wird dadurch ausgelöst, dass die gemäß Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG vorrangig verpflichteten Eltern ihre Verantwortung nicht oder nur äußerst ungenügend wahrnehmen. 212 Andererseits verpflichtet das Wächteramt die staatliche Gemeinschaft aber auch, die gesellschaftlichen Grundvoraussetzungen für eine kindgemäße Entwicklung zu schaffen. 213 Dies folgt aus der Gestaltung von Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG als Garantienorm. Im Zusammenspiel mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergibt sich daraus die Konsequenz, dass auch bei Vorliegen eines Interventionsfalles unterstützende Maßnahmen und Hilfestellungen grundsätzlich konkreten Eingriffen, beispielsweise in die elterliche Sorge als Ausprägung der Elternverantwortung, vorzuziehen sind. 214 Denn so gewährleistet der Staat pflichtgemäß und mit dem geringstmöglichen Eingriff, dass die notwendigen Voraussetzungen für die Entwicklung des Kindes, die in der Regel am besten bei den leiblichen Eltern gegeben sind, erfüllt werden. Eine einfachgesetzliche Ausprägung findet dieser Grundsatz beispielsweise in § 1666a Abs. 1 S. 1 BGB, wonach die Trennung des Kindes von den Eltern nur zulässig ist, soweit der Kindeswohlgefährdung nicht auf andere Weise, auch nicht durch öffentliche Hilfen, begegnet werden kann. Aus dem Wächteramt lässt sich indes keine Verpflichtung der staatlichen Gemeinschaft zur Gewährleistung einer optimalen oder gar bestmöglichen Erziehung des Kindes ableiten. 215 Vielmehr bedingt die Eingebundenheit des Kindes in seine Familie und das elterliche Erziehungsprimat, dass es den Eltern obliegt, inwiefern sie hinsichtlich der Erziehung und Pflege leistungsfähig und -willig
212 Eine beispielhafte Aufzählung relevanten elterlichen Fehlverhaltens findet sich bei Bonner Kommentar / Jestaedt, GG, Art. 6 Abs. 2 und 3, Rn. 190. Z. T. wird gefordert, dass eine Beschränkung des Elternrechtes nicht so weit gehen darf, dass diesem insgesamt die Substanz entzogen wird, vgl. Beitzke, FamRZ 1958, 7, 9 f.; a. A. Erman / Michalski / Döll, BGB, Vor § 1626, Rn. 22; Staudinger / Peschel-Gutzeit, BGB, § 1626, Rn. 7. 213 BVerfGE 57, 361, 383 = BVerfG, NJW 1981, 1771, 1772; Jeand’Heure, Garantienorm, S. 108. 214 BVerfGE 24, 119, 145 = BVerfG, NJW 1968, 2233, 2235; BVerfGE 60, 79, 93 = BVerfG, NJW 1982, 1379, 1381; BVerfG, NJW 2010, 2333, 2334; Mangoldt / Robbers, GG, Art. 6, Rn. 248. 215 BVerfGE 60, 79, 94 = BVerfG, NJW 1982, 1379, 1381: „Das bedeutet aber nicht, dass es zur Ausübung des Wächteramtes des Staates nach Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG gehört, gegen den Willen der Eltern für eine den Fähigkeiten des Kindes bestmögliche Förderung zu sorgen.“ BVerfGE 103, 89, 108 = BVerfG, NJW 2001, 957, 960; BVerfGE 107, 104, 117 f. = BVerfG, NJW 2003, 2004, 2005; Coester, FPR 2009, 549; Fieseler / Hannemann, ZKJ 2006, 117, 118; Jesteadt in: Lipp / Schumann / Veit, Kindesschutz, S. 5, 13 m. w. N.
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sind. 216 In diesem Zusammenhang ist nur am Rande zu bemerken, dass der Staat in seiner Wächterfunktion nicht etwa als eine Art dritter Elternteil fungiert 217 oder sich gar zu einer Art „Miterziehenden“ aufschwingen darf. 218 4. Die Wechselwirkung der Grundrechtspositionen im Erziehungsverhältnis Aus dem historisch gewachsenen Verständnis der dargestellten Systematik von Art. 6 Abs. 2 GG und dem Zusammenspiel des Rechte- und Pflichtenprogramms im Beziehungsgeflecht von Kind, Eltern und Staat ergibt sich konsequenterweise die Fragestellung, inwieweit die Elternverantwortung mit den Grundrechten des Kindes, dem objektiven Kindeswohl oder auch dem subjektiven Kindeswillen kollidieren kann. Durch die Beantwortung dieser Frage lassen sich zugleich Vorgaben für das Tätigwerden des Staates in seiner Wächteramtsfunktion ermitteln, was im Ergebnis Einfluss auf die von der staatlichen Gewalt zu regelnde verfahrensrechtliche Vertretung des Minderjährigen hat. a) Grundrechtswirkung im Verhältnis Kind-Eltern-Staat Erster Ansatzpunkt in der Fachdiskussion ist zunächst die Frage, ob die Grundrechte des Kindes und die Elternverantwortung gemäß Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG im Eltern-Kind-Verhältnis eine unmittelbare Bindungswirkung erzeugen. Entgegen einer früher vereinzelt vertretenen Ansicht 219 erkennt die herrschende Lehre heute jedoch allenfalls eine mittelbare Drittwirkung von Grundrechten in Privatbeziehungen wie diejenige des Eltern-Kind-Verhältnisses an. 220 Daher stellt sich die Problematik der unmittelbaren Durchsetzbarkeit der Grundrechte des Minderjährigen sowie des Elternrechtes aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG als Abwehrrecht ausschließlich gegenüber der staatlichen Gewalt und nicht unmittelbar im ElternKind-Verhältnis. Nach der Lehre von der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte stellen diese allerdings zugleich objektive Wertentscheidungen dar, die in allen Rechtsbereichen als verfassungsrechtliche Grundentscheidung zu beachten sind und
216
Coester, FPR 2009, 549, 550; Diederichsen, FamRZ 1978, 461, 469. Coester, NJW 1981, 961, 962. 218 Maunz / Dürig / Badura, GG, Art. 6, Rn. 139; Coester, FPR 2009, 549, 550. 219 Krüger, FamRZ 1956, 329. 220 BVerfGE 73, 261, 269 = BVerfG, NJW 1987, 827 m. w. N.; Staudinger / PeschelGutzeit, BGB, Vorbem. zu §§ 1626ff. u. RKEG, Rn. 35. 217
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sich im einfachgesetzlichen Recht widerspiegeln. 221 Damit wirken die Vorgaben des Art. 6 Abs. 2 GG über das einfachgesetzliche Recht zumindest mittelbar auch in das Eltern-Kind-Verhältnis hinein. Insoweit schreibt beispielsweise § 1626 Abs. 2 BGB die erforderliche Berücksichtigung der wachsenden Fähigkeit und des wachsenden Bedürfnisses des Kindes zu eigenem selbstständigen und verantwortungsbewussten Handeln fest. Zum Teil wird die Dogmatik der Drittwirkung für die besondere Eltern-KindBeziehung jedoch als ungenügend empfunden und Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG als „Anomalie“ in der Systematik der Grundrechte angesehen. Demnach lasse sich Art. 6 Abs. 2 GG nicht in die Wirkungsproblematik der Grundrechte einordnen, da die Vorschrift selbst von einer anormalen Wirkung im Eltern-Kind-Verhältnis ausgehe. 222 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass sich Art. 6 Abs. 2 GG gleichwohl in die Drittwirkungsdogmatik der Grundrechte einfügt, eine Anomalie daher nicht erkennbar ist. Denn der sich aus Art. 6 Abs. 2 GG i. V. m. Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG ergebende Schutzanspruch wie auch das Elternrecht nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG richten sich zunächst ausschließlich unmittelbar gegen den Staat. Über die von ihm einfachgesetzliche Ausprägung insbesondere der §§ 1626 ff. BGB erlangen sie aber auch für die privatrechtliche Rechtsbeziehung zwischen den Eltern und ihren Kindern Geltung. Dies vermittelt ausreichend Schutz und Berücksichtigung der unterschiedlichen Interessenlagen im Dreiecksverhältnis Kind-Eltern-Staat nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsprinzips. b) Kollision zwischen Elternverantwortung und Kindeswohl Folgt man der Feststellung, dass die Grundrechte des Kindes und das Elternrecht jeweils ausschließlich gegenüber der staatlichen Gemeinschaft bestehen, so stellt sich in einem zweiten Schritt die entscheidende Frage, ob diese Grundrechte miteinander kollidieren können. Dies setzt voraus, dass sich die Kindesgrundrechte und das Elternrecht derart gegenüberstehen können, dass der Staat im Rahmen einer Abwägung nur dem einen Grundrecht auf Kosten des anderen gerecht werden kann. In diesem Fall läge eine klassische Grundrechtskollision vor, sodass zu erörtern wäre, wie die staatliche Gemeinschaft eingreifen müsste, um die Interessen des Kindes, beispielsweise im Verfahrensrecht, ausreichend zu sichern.
221 Grundlegend BVerfGE 7, 198, 205 ff. = BVerfG, NJW 1958, 257; Staudinger / Peschel-Gutzeit, BGB, Vorbem. zu §§ 1626ff.u. RKEG, Rn. 35; Diederichsen, FamRZ 1978, 461, 462. 222 Bonner Kommentar / Jestaedt, GG, Art. 6 Abs. 2 und 3, Rn. 25; Fegeler, Wohl des Kindes und gerichtliche Kontrolle, S. 76.
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In der Fachliteratur wird äußerst kritisch diskutiert, ob eine solche Grundrechtskollision zwischen Kindesgrundrechten und Elternverantwortung rechtstheoretisch möglich ist. Einige Autoren bejahen dies und führen hierzu unterschiedlichste rechtssystematische Herleitungen an. 223 Insgesamt gründet sich diese Ansicht aber zumeist auf die einfache tatsächliche Feststellung, dass es im konkreten Beziehungsverhältnis zwischen Kindern und ihren Eltern zu erheblichen Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich einzelner Ausformungen des Kindeswohls oder auch dessen Durchsetzung kommen kann. 224 Demnach träfen die unterschiedlichen Interessen von Eltern und Kind aufeinander und seien im Rahmen einer Grundrechtskollision gegeneinander abzuwägen. Indes verneint die überwiegende Ansicht das Vorliegen eines solchen grundrechtlichen Kollisionsfalles. 225 Denn dass sich die Meinung der Eltern über die richtige Erziehung von der des Kindes unterscheiden kann, betreffe vielmehr die Frage der inhaltlichen Begrenzung der Elternverantwortung. Das objektive Kindeswohl als wesensbestimmendes Merkmal lege die inhaltlichen Grenzen der Elternverantwortung fest. Daher bestehe keine Kollision verschiedener Rechte, sondern vielmehr eine innere Wechselwirkung und gegenseitige Beschränkung zwischen Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG und den Grundrechten des Kindes. 226 Zum Teil lässt man die Frage, ob von einer Grundrechtskollision als äußerer Begrenzung des Elternrechtes auszugehen ist oder davon, dass die Rechte des Kindes über das Kindeswohl als wesensbestimmendes Element der Elternverantwortung diese von innen heraus beschränkt, offen, da beides zu demselben Ergebnis führe. 227 Mit Blick auf die Komplexität des Beziehungsgeflechts und seiner Relevanz in unterschiedlichen Lebens- und Rechtsbereichen ist jedoch zur Wahrung der Rechtssicherheit eine eindeutige Abgrenzung erforderlich. 223 Steindorff-Classen, Recht des Kindes, S. 50 f.; Dreier / Gröschner, GG, Art. 6, Rn. 2; Roth, Grundrechte Minderjähriger, S. 125 ff.; Anders, FamRZ 1960, 475, 476; Belling, FuR 1990, 68, 72; Krüger, FamRZ 1956, 329, 331; Lempp, FamRZ 1986, 1061, 1063. 224 Eine anschauliche Darstellung von konstruierbaren Konfliktsituationen zeigte beispielsweise Krüger, FamRZ 1956, 329, 332 ff. auf. 225 Mangoldt / Robbers, GG, Art. 6, Rn. 144; Böckenförde, Essener Gespräche, S. 64 ff.; Brüser, Grundrechte im Kindesalter, S. 125 ff.; Jeand’Heure, Garantienorm, S. 20 f.; Ossenbühl, Elterliches Erziehungsrecht, S. 55; Roell, Geltung der Grundrechte, S. 52; Goldstein / Freud / Solnit / Simitis, Jenseits des Kindeswohls, S. 108 f.; Adelmann, JAmt 2008, 289, 293; Becker, RdJB 1970, 364, 365; Diederichsen, FamRZ 1978, 461, 462 f.; Gernhuber, FamRZ 1962, 89, 92; Knöpfel, FamRZ 1985, 1211, 1213; Ollmann, FamRZ 1992, 388, 389; Schmidt, NJW 1989, 1712, 1713; Schütz, FamRZ 1987, 438, 439; Schwerdtner, NJW 1999, 1525, 1526. 226 Z. T. wird dies systematisch damit begründet, dass Art. 6 Abs. 2 GG als Spezialnorm zu Art. 2 Abs. 1 GG verstanden wird, vgl. Knöpfel, FamRZ 1985, 1211, 1213. 227 Fegeler, Wohl des Kindes und gerichtliche Kontrolle, S. 77 f.
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Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Zusammenhang ausdrücklich festgestellt, dass das Kindeswohl aufgrund der Pflichtenbindung der Elternverantwortung nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG deren Inhalt und Grenzen als wesensbestimmendes Merkmal von innen heraus festlegt. 228 Was dem Kindeswohl widerspricht, ist folglich nicht von der Elternverantwortung gedeckt. Bei einer Kollision von Elternverantwortung und Kindeswohl ist daher Letzteres vorrangig. 229 Das Interpretationsprimat für das Kindeswohl liegt jedoch bei den Eltern. Dabei müssen sie sich ihrerseits wiederum an dem berücksichtigungsfähigen Kindeswillen orientieren. Mit zunehmender Selbstständigkeit des Minderjährigen verdrängt der Kindeswille die Elternverantwortung, sodass der Minderjährige selbst den Begriff des Kindeswohls ausfüllt. Es geht im Ergebnis folglich allein um die sachliche und zeitliche Bestimmung des Schutzbereichs des Elternrechts über das Kindeswohl von innen heraus. In der Konsequenz bedeutet dies, dass es denklogisch keine Kollision zwischen Elternverantwortung im eigentlichen Sinne und dem Kindeswohl als objektivierte Ausformung der Kindesgrundrechte geben kann. Denn solange die Wahrnehmung der Elternverantwortung dem Kindeswohl unter Berücksichtigung der wachsenden Selbstständigkeit des Kindes entspricht, so lange bilden Elternverantwortung und Kindeswohl eine Einheit. Widerspricht die Wahrnehmung der Elternverantwortung dem Kindeswohl, beispielsweise weil sie die Selbstbestimmungsfähigkeit des Kindes nicht ausreichend berücksichtigt, so ist sie nicht von Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG gedeckt und stellt keine Elternverantwortung im eigentlichen Sinne dar. Solche Handlungen müssen daher hinter dem Kindeswohl zurücktreten. Eine Kollision ist ausgeschlossen. Mithin eröffnen weder das Grundgesetz noch das Bürgerliche Gesetzbuch eine „Zweikampfarena“ zwischen Eltern- und Kindesgrundrechten. 230 Gleiches gilt für das ebenfalls durch Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG geschützte Eigenrecht der Eltern auf die Erziehungs- und Pflegeposition. Hier besteht ein Konfliktpotenzial, beispielsweise für den Fall, dass die Eltern die Herausgabe des Kindes aus seiner Pflegefamilie, an die es sich inzwischen gewöhnt hat, verlangen. Insofern kann das Eigenrecht der Eltern aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG auf Wahrnehmung der Elternverantwortung mit dem Recht des Kindes aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG auf Verbleiben bei der Pflegefamilie kollidieren. Auch hier bildet das Kindeswohl die oberste Leitlinie und ist gegenüber 228 BVerfGE 24, 119, 143 = BVerfG, NJW 1968, 2233, 2235; BVerfGE 68, 176, 190 = BVerfG, NJW 1985, 423, 424; BVerfGE 72, 155, 172 = BVerfG, NJW 1986, 1859, 1860. 229 BVerfGE 37, 217, 252 = BVerfG, NJW 1974, 1609, 1611; BVerfGE 56, 363, 383 = BVerfG, NJW 1981, 1201, 1202; BVerfGE 61, 358, 378 = BVerfG, NJW 1983, 101, 102; BVerfGE 72, 122, 137 = BVerfG, NJW 1986, 3129, 3130; BVerfGE 99, 145, 156 = BVerfG, NJW 1999, 631; BVerfG, NJW 2010, 2336, 2337. 230 Vgl. hierzu auch Goldstein / Freud / Solnit / Simitis, Jenseits des Kindeswohls, S. 108; Schwerdtner, NJW 1999, 1525, 1526.
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dem Recht der Eltern vorrangig. 231 Eine klassische Grundrechtskollision, welche Gleichrangigkeit der kollidierenden Grundrechte voraussetzt, ist damit ebenfalls ausgeschlossen. Hiervon streng zu unterscheiden ist das Verhältnis der subjektiven Interessen von Eltern und ihren Kindern, die durchaus miteinander in Konflikt treten können. 232 Soweit jedoch auf einen solchen Interessenkonflikt abgestellt wird, um einen grundrechtlichen Kollisionsfall zwischen Elternverantwortung und Kindeswohl zu konstruieren, wird verkannt, dass die subjektiven Interessen jeweils nur Teilmengen der objektivierten und komplexeren Begriffe Kindeswohl und Elternverantwortung darstellen. Denn die subjektiven Kindes- und Elterninteressen sind zwar mitbestimmend für die Feststellung des objektiven Wohls des Kindes, soweit sie dem Kindeswohl in seiner Gesamtheit als oberster Maxime allerdings widersprechen, müssen sie grundsätzlich hinter diesem zurücktreten. Tatsächlich stehen sich daher nicht Elternrecht und Kindesrechte gegenüber, sondern vielmehr die Erziehungsbedürftigkeit und die Selbstbestimmungsfähigkeit des Kindes. Sie stellen einander ausschließende Gegenbegriffe dar 233, die den unbestimmten Begriff des Kindeswohls als allgemeingültige Leitlinie ausfüllen. Sie sind es daher, die miteinander in Ausgleich gebracht werden müssen. 234 Gleichzeitig üben die subjektiven Eltern- und Kindesinteressen eine dynamische Wechselwirkung aufeinander aus und sind aufgrund der engen persönlichen Beziehung von Eltern und Kind miteinander verflochten. 235 Das Ergebnis dieser Wechselwirkung und Abwägung beeinflusst jedoch nur die konkrete Ausformung des Kindeswohls. Dessen Prägung bestimmt zugleich die Elternverantwortung. Damit handelt es sich hier um eine vorgeschaltete Kollision von subjektiven Interessen, nicht jedoch um eine Kollision von Grundrechten. Das 231 BVerfGE 68, 176, 188 = BVerfG, NJW 1985, 423, 424; BVerfGE 72, 122, 137 = BVerfG, NJW 1986, 3129, 313; BVerfGE 75, 201, 218 = BVerfG, NJW 1988, 125, 126; BVerfGE 79, 51, 64 = BVerfG, NJW 1989, 519, 520 f.; BVerfG, NJW 2010, 2336, 2337; BayObLG, FamRZ 1995, 626, 627; Mangoldt / Robbers, GG, Art. 6, Rn. 150. Zum Verhältnis der Rechte der Elternteile untereinander vgl. auch BVerfGE 56, 363, 383 = BVerfG, NJW 1981, 1201, 1202; BVerfGE 61, 358, 378 = BVerfG, NJW 1983, 101, 102; BVerfG, FamRZ 2009, 399, 400. Zur Verpflichtung zum Umgangsrecht vgl. BVerfGE 121, 69, 88 = BVerfG, NJW 2008, 1287, 1290; BVerfG, NJW 2010, 3008, 3014. 232 Vgl. hierzu die illustrativen Beispiele bei Krüger, FamRZ 1956, 329, 333 f. 233 So auch Böckenförde, Essener Gespräche, S. 54, 67. Im Ergebnis ebenso Bonner Kommentar / Jestaedt, GG, Art. 6 Abs. 2 und 3, Rn. 139 ff. Anders Belling, FuR 1990, 68, 71, der die Berücksichtigung der Selbstverantwortungsfähigkeit des Minderjährigen als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes versteht. 234 Dies geschieht zum Schutz des Minderjährigen und der Rechtsordnung mittels Typisierungen durch den Gesetzgeber, wie beispielsweise durch Festlegung des Volljährigkeitsalters nach § 2 BGB. 235 So auch Coester, Kindeswohl, S. 216 f. Auch Scheiwe weist auf das Spannungsfeld zwischen Autonomie und Verbundenheit hin, ZKJ 2009, 7, 11.
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und nichts anderes wird durch die Formel vom „wachsenden Kindesrecht und weichenden Elternrecht“ beschrieben. 236 Im Ergebnis gibt es demzufolge rechtstheoretisch keine Kollisionsmöglichkeit zwischen Elternverantwortung und Kindesgrundrechten. 237 Dies verdeutlicht allerdings wiederum, wie unabdingbar die Sicherstellung einer allein dem objektiven Kindeswohl verpflichteten Vertretung des minderjährigen Kindes ist, um dessen Grundrechtsträgerschaft individuelle Geltung zu verschaffen, bis es selbst in der Lage ist, seine Rechte wahrzunehmen. Denn nur so kann das Ziel, den Minderjährigen zu schützen und ihm eine Hilfe bei der Wahrnehmung seiner Rechte zu bieten, damit er sich zu einer eigenständigen Persönlichkeit entwickeln kann, auch tatsächlich erreicht werden. Dies zu gewährleisten obliegt in erster Linie den Eltern, deren Wahrnehmung ihrer Elternverantwortung von der staatlichen Gemeinschaft überwacht wird, Art. 6 Abs. 2 GG. 5. Grundrechtsschutz durch Verfahrensgestaltung Um Grundrechte im Rechtsverkehr verbindlich geltend machen zu können, bedarf es verfahrensrechtlicher Regelungen, die den notwendigen Rahmen zur Rechtsdurchsetzung vorgeben. Dies gilt auch für den Minderjährigen, der, wie bereits festgestellt, des besonderen Schutzes und der Hilfe bedarf. Insoweit stellt sich die Frage, ob und wie der Minderjährige verfahrensrechtlich selbst einbezogen werden muss. Insbesondere bleibt zu untersuchen, inwiefern dem Minderjährigen im familiengerichtlichen Verfahren die Verfahrensfähigkeit, also die Fähigkeit im Verfahren aufzutreten und selbstständig wirksam Verfahrenshandlungen vor- und entgegenzunehmen 238, zuzusprechen ist. Andernfalls müssen seine Rechte durch einen Vertreter wahrgenommen werden. Daran schließt sich sodann die Feststellung an, ob es hierfür neben den Eltern einer weiteren Person oder Institution, wie etwa eines Verfahrenspflegers beziehungsweise eines Verfahrensbeistandes oder Ergänzungspflegers bedarf, um die Grundrechtswahrnehmung des minderjährigen Kindes abzusichern. Auch bleibt zu untersuchen,
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Vgl. hierzu auch Knöpfel, FamRZ 1985, 1211, 1213 f. Hierbei darf jedoch nicht verkannt werden, dass diese theoretische Lösung unter praktischen Gesichtspunkten durchaus nicht immer problemlos umsetzbar sein dürfte. Denn die Erlangung der Einsichts- und Selbstbestimmungsfähigkeit ist ein fließender Prozess. Gerade die Feststellung, inwieweit der Minderjährige zur Selbstständigkeit fähig ist, somit die Elternverantwortung verdrängt und den Kindeswohlbegriff selbst ausfüllt, dürfte im konkreten Einzelfall nicht immer klar zu treffen sein. Vgl. hierzu Schwab, JZ 1970, 745, 747 f.; Schwerdtner, AcP 1973, 227, 246 ff., der für diese Phase eine Zwischenlösung über Zustimmungsmechanismen vorschlägt. 238 Keidel / Zimmermann, FamFG, § 9, Rn. 3. 237
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inwieweit der Minderjährige selbst Anspruch auf rechtliches Gehör im Verfahren hat und ihm dieses ausreichend gewährt wird. a) Die Verfahrensfähigkeit und das Erfordernis einer verfahrensrechtlichen Vertretung Wie dargelegt hat sich die Rechtsprechung, insbesondere des Bundesverfassungsgerichts, in den vergangenen 50 Jahren verstärkt mit dem neuen Verständnis von der Subjektstellung des minderjährigen Kindes auseinandergesetzt und hierbei auch selbst maßgeblich neue Impulse gegeben. Dies äußerte sich in zunehmend konkretisierenden Aussagen zum Grundrechtsschutz Minderjähriger, dessen verfahrensrechtliche Stellung in den Fokus genommen wurde. Denn die Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zur Grundrechtsfähigkeit Minderjähriger 239 brachte ein neues Problembewusstsein bezüglich der Durchsetzbarkeit der dem Minderjährigen zustehenden Rechte nicht nur in materiell-rechtlicher Hinsicht 240, sondern vor allem mit Blick auf das Verfahrensrecht 241 mit sich. Gemäß dem Bundesverfassungsgericht müssen die Ausgestaltung des Verfahrensrechts und seine Anwendung in erster Linie die Verwirklichung und Berücksichtigung der Grundrechtspositionen ermöglichen und dürfen diese gerade nicht einschränken. 242 Von dieser Grundthese ausgehend und in Verbindung mit der Erkenntnis, dass das minderjährige Kind auch bei Streitigkeiten zwischen den Eltern unmittelbar betroffen ist, stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass der Grundrechtsschutz des Minderjährigen nach Art. 6 Abs. 2 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht berücksichtigt werden muss. 243 Daraus folgt weiter, dass die Wahrung der Rechte des Kindes bei einem tatsächlichen Interessenwiderstreit zwischen ihm und seinen Eltern als den eigentlichen gesetzlich berufenen Vertretern gemäß §§ 1626, 1629 BGB als einfachgesetzlicher Ausformung der Elternverantwortung aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG, sowohl materiell-rechtlich 244 als auch insbeson-
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BVerfGE 24, 119, 144 = BVerfG, NJW 1968, 2233, 2235. Z. B. BayObLGZ 1974, 413, 419 f.; BGH, NJW 1975, 345; BVerfGE 72, 122, 137 ff. = BVerfG, NJW 1986, 3129. 241 Vgl. hierzu auch Salgo, Anwalt des Kindes, S. 405 ff. 242 BVerfGE 55, 171, 182 = BVerfG, NJW 1981, 217, 218; BVerfGE 79, 51, 66 = BVerfG, NJW 1989, 519, 521; BVerfGE 84, 34, 45 f. = BVerfG, NJW 1991, 2005; BVerfGE 99, 145, 162 = BVerfG, NJW 1999, 631, 633; BVerfG, FamRZ 2006, 1261, 1262; BVerfG, FamRZ 2009, 399, 400; BVerfG, NJW 2010, 2336, 2337; BVerfG, FamRZ 2012, 1622, 1623. 243 BVerfGE 55, 171, 178 f. = BVerfG, NJW 1981, 217, 218. 244 BVerfGE 72, 155, 173 = BVerfG, FamRZ 1986, 769, 772; BGH, NJW 1974, 1947, 1949. 240
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dere verfahrensrechtlich 245 gefährdet sein kann. Dabei sind die Grundrechte des Kindes verfahrensrechtlich auf zwei Ebenen zu betrachten. Zum einen in der Konstellation, dass die Eltern sich untereinander streiten und das Kind unmittelbar oder mittelbar von dem Konflikt betroffen wird, beispielsweise bei Sorgerechtsoder Aufenthaltsbestimmungsstreitigkeiten, zum anderen aber auch, wenn die Interessen der Eltern mit denen des Kindes direkt in Widerspruch stehen, wie es z. B. bei gerichtlichen Maßnahmen nach §§ 1666, 1666a BGB der Fall sein kann. In diesem Zusammenhang hatte sich das Bundesverfassungsgericht zunächst intensiv mit der Frage zu befassen, ob das minderjährige Kind seine Grundrechte im Verfassungsbeschwerdeverfahren selbst durchsetzen kann. Im konkreten Fall galt es zu klären, wer bei einem bestehenden Interessenwiderstreit für das Kind Verfassungsbeschwerde einlegen, es also verfahrensrechtlich vertreten können sollte, und wie mit verfahrensrechtlichen Folgeproblemen, beispielsweise hinsichtlich der Fristwahrung oder der Rechtswegerschöpfung, umzugehen war. 246 Diese Fragen wurden dabei teilweise unter dem Begriff der „Grundrechtsmündigkeit“ diskutiert. 247 Insgesamt kann nach dem heutigen Verständnis die Grundrechtsträgerschaft des Minderjährigen nicht mehr ernsthaft bezweifelt werden. 248 Daraus folgt, dass seine Grundrechte auch durchsetzbar sein müssen. Fraglich ist daher allenfalls, wem die konkrete gerichtliche Durchsetzung obliegt. Teilweise wird dies durch einfachgesetzliche Vorschriften ausdrücklich geregelt, wie etwa in §§ 51 ff. ZPO. Einen Sonderfall stellt die Verfahrensfähigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren dar. Denn das Gesetz über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) sieht keine entsprechende Regelung vor. In der Vergangenheit hat das Bundesverfassungsgericht daher hinsichtlich der Frage, ob der Minderjährige als verfahrensfähig angesehen werden konnte, z. T. auf dessen konkrete Einsichtsfähigkeit im Einzelfall abgestellt und eine von ihm eingelegte Verfassungsbeschwerde daraufhin für zulässig erkannt. 249 Dabei handelt es sich jedoch entgegen dem 245 BVerfGE 68, 176, 185 ff. = BVerfG, NJW 1985, 423 424, allerdings unter ausdrücklicher Offenlassung der Frage, ob dies die Vertretung des Kindes durch die Eltern im Verfahren ausschließt. Vgl. hierzu auch die kritische Anm. von Salgo, NJW 1985, 413, 415. 246 BVerfGE 72, 122, 135 = BVerfG, NJW 1986, 3129; BVerfGE 75, 201, 213 ff. = BVerfG, NJW 1988, 125 ff. mit ktitischer Anm. von Hohloch, JuS 1988, 488; BVerfGE 79, 51, 58 = BVerfG, NJW 1989, 519. 247 Siehe B. II. 1. 248 Siehe B. II. 1. 249 Zur Frage der Kriegsdienstverweigerung: BVerfGE 28, 243, 254 f. = BVerfG, NJW 1960, 1729; BVerfGE 28, 282, 288 = BVerfG, NJW 1970, 1837. Allgemein: Maunz / Müller-Terpitz, BVerfGG, § 13, Rn. 53a; Roell, Geltung der Grundrechte, S. 58; Zuck, Verfassungsbeschwerde, Rn. 658. Differenzierend: Fehnemann, Grundrechte im
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überwiegenden Verständnis in der Literatur eher um Einzelfallentscheidungen, welche vor allem dem damaligen, als zu hoch angesetzt empfundenem Volljährigkeitsalter von 21 Jahren geschuldet waren. Diese Vorgehensweise, also für die Verfahrensfähigkeit des Minderjährigen einzelfallbezogen auf dessen Einsichtsfähigkeit abzustellen, wäre aus heutiger Sicht zunächst grundsätzlich mit dem dargestellten austarierten System der präventiven Bevormundung des Minderjährigen 250 vereinbar. Denn die Schutz- und Hilfebedürftigkeit des minderjährigen Kindes bedingt zunächst eine Übertragung der treuhänderischen Wahrnehmung und Durchsetzung seiner Rechte auf die Eltern. Ist der Minderjährige im Einzelfall allerdings bereits ausreichend selbstbestimmungs- und einsichtsfähig, so verdrängt er die Eltern aus dieser Position und muss seine Rechte eigenständig wahrnehmen können. Der Staat müsste dies in seiner Wächteramtsfunktion berücksichtigen und entsprechend unterstützende Regelungen für das Verfahrensrecht schaffen. Dieses im materiellen Recht durchaus berechtigte System lässt sich jedoch nicht ohne Weiteres auf das Verfahrensrecht übertragen. Denn dessen Besonderheiten bedingen, dass hier von dem Grundsatz der generellen Verfahrensunfähigkeit Minderjähriger ausgegangen werden muss, soweit nicht im Einzelfall Sonderregelungen 251 etwas anderes bestimmen. Dies folgt daraus, dass das Verfahrensrecht der Rechtsdurchsetzung dient und daher in besonderem Maße Rechtssicherheit und Rechtsfrieden schaffen muss. Der Rechtsverkehr muss sich demnach auf klare gerichtliche Feststellungen verlassen können, die durch verfahrensrechtliche Regelungen abgesichert werden. Diese Schutzbedürftigkeit des Rechtsverkehrs steht einer konkreten Einzelfallprüfung über die Einsichts- und damit Verfahrensfähigkeit des Minderjährigen im jeweiligen Verfahren entgegen. 252 Denn die Rechtssicherheit und der Rechtsfrieden wären andernfalls gerade auch in dem sensiblen Bereich der Familiengerichtsbarkeit dauerhaft gefährdet. Insbesondere die damit einhergehende lange Verfahrensdauer und die stetige Unsicherheit würden sich ihrerseits negativ auf die Persönlichkeitsentwicklung des Minderjährigen auswirken. Das allgemein anerkannte Beschleunigungsgebot, das vor allem den Schutz des Minderjährigen bezweckt, wäre so kaum durchsetzbar. Zudem steht einer solchen Einzelfallprüfung der Schutzanspruch des Minderjährigen entgegen. Denn die eigenständige Wahrnehmung seiner Rechte im Kindesalter, S. 52 f., wonach nicht auf die Einsichtsfähigkeit, sondern darauf abzustellen ist, ob das einfachgesetzliche Recht dem Minderjährigen vor den Fachgerichten eine Prozessfähigkeit zuerkannt hat. Ablehnend: Roth, Grundrechte Minderjähriger, S. 169 ff. 250 Siehe B. II. 4. b). 251 Z. B. § 12 Abs. 1 AsylVfG. 252 So auch Roth, Grundrechte Minderjähriger, S. 169 ff.; Bleckmann, Grundrechte, § 17, Rn. 15.
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Verfahren birgt auch Risiken. So kann sie beispielsweise zu erheblichen Kosten für das Betreiben des Verfahrens oder gar zu einem Rechtsverlust bei unsachgemäßer Vertretung führen, der aufgrund etwaiger Rechtskrafterstreckungen weitreichende, negative Folgen haben kann. Zudem muss berücksichtigt werden, dass auch unter dem System der präventiven Bevormundung die Selbstbestimmungsfähigkeit des Minderjährigen nur gewährt werden kann, wenn und soweit er für den konkreten Einzelfall, also das jeweilige Sachgebiet, ausreichend einsichtsfähig ist. Bezogen auf die zumeist sehr abstrakt und theoretisch wirkenden Verfahrensregelungen und -abläufe, die häufig auch einem Erwachsenen kaum erschließbar erscheinen mögen, kann mithin davon ausgegangen werden, dass ein Minderjähriger hier nicht eigenverantwortlich wird handeln können. 253 Somit ist in Anlehnung beispielsweise an die §§ 51 ff. ZPO von dem Grundsatz der generellen Verfahrensunfähigkeit Minderjähriger auszugehen. Die Durchsetzung der eigenen Rechte des Minderjährigen erfolgt in verfahrensrechtlicher Hinsicht damit regelmäßig durch einen hierzu berufenen Vertreter. 254 Dem steht auch nicht der Grundsatz entgegen, dass das Verfahrensrecht die materiellen Rechte nicht einschränken darf. Denn hier bedingt gerade auch der eigene Schutzanspruch des Minderjährigen, dass seine Rechte bestmöglich eben nicht durch ihn selbst, sondern durch einen Vertreter wahrgenommen werden können. Das Bundesverfassungsgericht geht bis auf die benannten wenigen Ausnahmen heute grundsätzlich ebenfalls von dieser Prämisse aus. Dem minderjährigen und nicht geschäftsfähigen Kind selbst wird somit grundsätzlich keine selbstbestimmte verfahrensrechtliche Beschwerdebefugnis zuerkannt. Vielmehr bedarf es in der Regel einer verfahrensrechtlichen Vertretung. 255 Für die Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit enthielt das FGG a. F. ebenfalls keine Regelung zur Verfahrensfähigkeit. In Bezug auf den Minderjährigen sah lediglich § 59 FGG a. F. unter bestimmten Voraussetzungen ein zweitinstanzliches Beschwerderecht des mindestens vierzehnjährigen Kindes vor. 256 Nunmehr ist die Verfahrensfähigkeit ausdrücklich in § 9 FamFG normiert. Dabei erkennt beispielsweise § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG auch dem mindestens vierzehn 253
So auch Früh, Kindesinteressen, S. 147. So im Ergebnis auch Dreier / Dreier, GG, Vorb., Rn. 73; Fehnemann, Grundrechte im Kindesalter, S. 47; von Mutius, JURA 1987, 272, 274. 255 Dabei wird z. T die zivilprozessuale Prozessfähigkeit nach § 51 ff. ZPO herangezogen, Mangoldt / Starck, GG, Art. 1, Rn. 210; Staudinger / Peschel-Gutzeit, BGB, § 1626, Rn. 13. Kritisch Steindorff-Classen, Recht des Kindes, S. 44 ff., die die Ansicht vertritt, dass die so grundsätzlich fremdbestimmte Vertretung des Minderjährigen als unzulässige Einschränkung des Selbstbestimmungsrechtes abzulehnen und ihm vielmehr grundsätzlich ein Recht auf eigenständige Interessenwahrnehmung durch einen Rechtsanwalt zuzubilligen sei. Hierzu kritisch Zitelmann, Kindeswohl und Kindeswille, S. 307. 256 Siehe hierzu auch D. II. 1. a). Zum Streitstand vgl. auch Gummersbach, Subjektstellung des Kindes, S. 12 ff. 254
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Jahre alten Minderjährigen ausnahmsweise, unter engen Voraussetzungen und nur in Bezug auf bestimmte materielle Rechte, die Verfahrensfähigkeit zu. 257 Hierdurch wird einerseits die Grundrechtsposition des Minderjährigen besonders berücksichtigt und ihm Handlungskompetenzen zugestanden, andererseits wird durch die klare Regelung zugleich die Rechtssicherheit gewahrt und der Rechtsverkehr geschützt. Grundsätzlich bleibt es jedoch auch für Verfahren nach dem FamFG bei der Verfahrensunfähigkeit und Vertretungsbedürftigkeit des Minderjährigen, soweit ihm die Verfahrensfähigkeit aufgrund von Sonderregelungen nicht ausdrücklich zugesprochen wird. Gemäß § 9 Abs. 2 FamFG i. V. m. § 1629 BGB sind daher die Eltern des nicht verfahrensfähigen Kindes zu seiner Vertretung berufen. An diese Feststellung schließt sich jedoch die Schlussfolgerung an, dass, wenn die eigentlich gesetzlich berufenen Vertreter in Person der Eltern aufgrund eines Interessenwiderstreits ihrer Vertretungspflicht nicht nachkommen, dies der Durchsetzbarkeit der Grundrechte des Kindes nicht im Wege stehen darf. 258 Daraus leitete das Bundesverfassungsgericht für das Verfahren der Verfassungsbeschwerde im Falle eines Interessenwiderstreits zwischen Eltern und minderjährigem Kind das Erfordernis ab, eine verfahrensrechtliche Vertretung des Minderjährigen zunächst durch die Bestellung eines Ergänzungspflegers nach § 1909 BGB sicherzustellen, bis der Gesetzgeber eine eigenständige Regelung trifft. 259 Ob dies auch für die einfachgerichtlichen Verfahren gelten sollte, wurde vom Bundesverfassungsgericht zunächst offengelassen und auch im Übrigen kaum thematisiert. 260 Nur vereinzelt setzte sich das Bewusstsein durch, dass dem minderjährigen Kind bei einem Interessenwiderstreit mit seinen Eltern auch hier ein Vertreter für das Verfahren zur Seite gestellt werden müsse. 261 Ob die getroffenen gesetzlichen Regelungen für die gerichtlichen Verfahren im Kindschaftsrecht, insbesondere die Bestellung eines Verfahrenspflegers beziehungsweise nunmehr eines Verfahrensbeistandes für das minderjährige Kind, diese Aufgabe erfüllt, wird im Folgenden zu untersuchen sein. 257
Siehe D. II. 3. b) bb). BVerfGE 72, 122, 135 = BVerfG, NJW 1986, 3129. 259 BVerfGE 72, 122, 135 = BVerfG, NJW 1986, 3129, 3130; BVerfGE 75, 201, 215 = BVerfG, NJW 1988, 125; BVerfGE 79, 51, 58 = BVerfG, NJW 1989, 519; BVerfG, NJW 2010, 2336. 260 Salgo, Anwalt des Kindes, S. 427 ff. 261 Frommann, Wahrnehmung der Interessen Minderjähriger, S. 141 ff. Siehe auch OLG Frankfurt, FamRZ 927 f., zur Rechtmäßigkeit der Bestellung eines Ergänzungspflegers für die Beauftragung eines Rechtsanwalts für das minderjährige Kind. Des Weiteren AG Mönchengladbach-Reydt, FamRZ 1985, 532 sowie FamRZ 1986, 389 ff., wonach dem unter vierzehnjährigen Kind für den Sorgerechtsstreit sogar ein Rechtsanwalt beizuordnen und Prozesskostenhilfe zu bewilligen sei. 258
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b) Anspruch auf rechtliches Gehör Ein zweiter wesentlicher Aspekt, der konsequenterweise aus der Anerkennung der Grundrechtsfähigkeit Minderjähriger folgt, ist die in der Rechtsprechung eröffnete Frage, ob dem Kind in den Verfahren, die es betreffen, ausreichend rechtliches Gehör i. S. d. Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet wird. Denn rechtliches Gehör steht jedem zu, der als Partei oder in ähnlicher Stellung an einem gerichtlichen Verfahren beteiligt ist oder hiervon unmittelbar rechtlich betroffen wird. 262 Eine solche Betroffenheit des Kindes als materiell Beteiligtem war insoweit bereits unter der Geltung des FGG a. F. anerkannt 263 und kommt nunmehr durch die Beteiligtenstellung des Minderjährigen nach § 7 FamFG zum Ausdruck. 264 Zudem besteht der Anspruch auf rechtliches Gehör uneingeschränkt auch in den durch den Untersuchungsgrundsatz beherrschten Gerichtsverfahren 265, mithin für Verfahren nach den Regelungen des FGG a. F., beziehungsweise nunmehr des FamFG. Gerade für den Minderjährigen erlangt das rechtliche Gehör eine besondere Bedeutung dadurch, dass es als Ausdruck seines subjektiven Willens einen wesentlichen Faktor bei der Feststellung des Kindeswohls, das seinerseits Richtschur für die gerichtliche Entscheidung ist, darstellt. Unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Anforderungen an das rechtliche Gehör, nämlich dass das Gericht den Beteiligten ausreichend informiert, dieser die Möglichkeit hat, sich entsprechend zu äußern und das Gericht diese Äußerungen bei seiner Entscheidungsfindung angemessen berücksichtigt 266, stellte sich mit Blick auf das minderjährige Kind die Frage, ob ihm dieses ausreichend gewährleistet wird. Insoweit wurde ab 1980 auf die Anhörungspflicht des Gerichtes nach § 50b FGG a. F. verwiesen. Zwar sollte diese Anhörung vorrangig zu der gemäß § 12 FGG a. F. gebotenen Sachaufklärung beitragen, jedoch gleichzeitig ebenfalls das rechtliche Gehör des minderjährigen Kindes verwirklichen. 267 Die Kritiker wiesen allerdings darauf hin, dass durch diese Anhörung dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf rechtliches Gehör tatsächlich nicht genügt werden könne. 268 262
BVerfGE 1, 418, 429; BVerfGE 6, 12, 14 = BVerfG, NJW 1957, 17; BVerfGE 21, 132, 137 = BVerfG, NJW 1967, 492; BVerfGE 65, 227, 233 = BVerfG, NJW 1984, 719; BVerfG, NJW 2009, 138, 139. 263 Vgl. § 59 FGG a. F. So auch BVerfGE 55, 171, 179 = BVerfG, NJW 1981, 217. 264 Siehe hierzu D. II. 2. 265 BVerfGE 7, 53, 57; BVerfGE 89, 381, 390 = BVerfG, NJW 1994, 1053; BVerfGE 92, 158, 183 = BVerfG, NJW 1995, 2155, 2157 f.; BVerfG, NJW 2009, 138, 139; Bassenge / Roth, FGG, Einl., Rn. 55. 266 BVerfGE 6, 12 = BVerfG, NJW 1957, 17; BVerfGE 11, 218, 220 = BVerfG, MDR 1960, 734; MünchKomm-ZPO / Rauscher, Einleitung, Rn. 225. 267 BVerfGE 75, 201, 216 = BVerfG, NJW 1988, 125; BGH, FamRZ 1985, 169, 172, BGH, NJW 1985, 1702, 1705; Früh, Kindesinteressen, S. 73. 268 AG Mönchengladbach-Rheydt, FamRZ 1986, 389, 390; Salgo, Anwalt des Kindes, S. 425; Steindorff-Classen, Recht des Kindes, S. 91, mit dem Hinweis, dass es an der Dis-
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Dem ist auch aus heutiger Sicht zuzustimmen. Denn die Anhörung des Kindes gemäß § 50b FGG a. F., stellte einen eigenen, gesonderten Verfahrensabschnitt dar, in dem sich das Kind zwar gegenüber dem Richter äußern konnte, jedoch nicht in das Verfahren als solches und in seiner Gesamtheit mit einbezogen wurde. Vielmehr blieb das Kind, wenn auch zu seinem Schutz, grundsätzlich außen vor. Damit ging einher, dass das Kind in der Regel keine ausreichenden und für es verständlichen Informationen über das Verfahren erhielt. Diese Informiertheit ist jedoch Grundvoraussetzung für die Wahrnehmung des rechtlichen Gehörs. 269 Durch die Einführung des § 159 FamFG, welcher § 50b FGG a. F. nunmehr ersetzt, ist dieser Missstand zwar insoweit behoben worden, als § 159 Abs. 4 S. 1 FamFG als Soll-Vorschrift die geeignete Information des Kindes anordnet, soweit dies sein Wohl nicht gefährdet. Allerdings fehlt es weiterhin an der erforderlichen Dispositionsbefugnis des Minderjährigen über sein Recht auf Gehör. 270 Denn die Anhörung dient in erster Linie der Sachaufklärung 271, sodass es an der freien Entscheidungsbefugnis des Kindes fehlt, ob und wie das rechtliche Gehör wahrgenommen werden soll. Vielmehr ist diese Entscheidung allein dem Gericht zugewiesen. 272 Durch die Kindesanhörung allein kann daher das Recht auf rechtliches Gehör nicht vollumfänglich gewährt werden. Zudem fehlt es überdies hinsichtlich der der Anhörung nachfolgenden Verfahrenserkenntnisse an der Gewährung rechtlichen Gehörs für den Minderjährigen. Dem wird jedoch entgegengehalten, dass die Kombination der Anhörung und der Vertretung des Minderjährigen durch eine hierzu berufene Person das rechtliche Gehör im Rahmen des Verfahrens ausreichend ermögliche. 273 Dies wiederum setzt indes eine wirksame und umfassende Interessenvertretung des Minderjährigen voraus, die bei einer Interessenkollision mit den als gesetzliche Vertreter berufenen Eltern, wie festgestellt, gefährdet sein kann.
positionsbefugnis des Kindes über sein rechtliches Gehör fehle. Vgl. auch BT-Drucksache 13/4899, S. 48. 269 BVerfGE 6, 12, NJW 1957, 17; BVerfGE 11, 218, 220, MDR 1960, 734. 270 Steindorff-Classen, Recht des Kindes, S. 91. 271 BayObLG, FamRZ 1995, 500, 501. 272 Zwar ist das Gericht dabei an das Kindeswohl gebunden, allerdings zeigten verschiedene Untersuchungen zur Anhörungspraxis der Gerichte in der Vergangenheit erhebliche Mängel auf. Vgl. hierzu z. B. Früh, Kindesinteressen, S. 71 ff.; Lidle-Haas, Sorgerechtsverfahren, S. 88 ff.; Münder / Mutke / Schone, Kindeswohl, S. 131; Zitelmann, Kindeswohl und Kindeswille, S. 206 ff. 273 BayObLG, FamRZ 1995, 626, 629; Kuntze, FamRZ 1985, 532, 533. Offen gelassen von BVerfGE 75, 201, 216 = BVerfG, NJW 1988, 125; OLG Frankfurt, FamRZ 1980, 927, 928.
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6. Zusammenfassung Im Ergebnis lässt sich die Feststellung treffen, dass die verfassungsrechtliche Ausgestaltung des Kind-Eltern-Staat-Verhältnisses eine feingliedrige Konstruktion von ineinander verwobenen und sich wechselwirkend beeinflussenden Rechtspositionen darstellt, deren oberste Maxime die Herstellung, Erhaltung und Sicherung des objektiven Kindeswohls als Ausformung der Grundrechte des Kindes ist. Durch dieses in Art. 6 Abs. 2 GG angelegte System ergibt sich, dass der Minderjährige als vollwertiger Grundrechtsträger anerkannt, dabei jedoch zugleich unter eine präventive Bevormundung gestellt wird. Denn aufgrund der entwicklungsbedingten Schutz- und Hilfebedürftigkeit des Minderjährigen obliegt die Durchsetzung und Sicherung seiner ihm zustehenden Grundrechte treuhänderisch in erster Linie seinen Eltern. Der Staat sichert dies im Rahmen seines Wächteramtes ab und kann gegebenenfalls subsidiär eingreifen. Daraus ergeben sich zweierlei wichtige Folgerungen. Zum einen muss zwingend darauf geachtet werden, dass diese präventive Bevormundung nur soweit reicht, wie der Minderjährige tatsächlich des Schutzes und der Hilfe bedarf. Folglich ist die wachsende Selbstbestimmungsfähigkeit des Minderjährigen nicht nur bei der einzelfallbezogenen Konkretisierung des Kindeswohls als Richtschnur für die Elternverantwortung und das staatliche Wächteramt zu berücksichtigen, sondern verdrängt vielmehr diese treuhänderischen Sachwalter aus ihrer Position und eröffnet dem Minderjährigen eigene Entscheidungskompetenzen. Daraus folgt, dass im jeweiligen Einzelfall bei der Ermittlung des Kindeswohls grundsätzlich die Feststellung getroffen werden muss, inwieweit dieses bereits von dem Minderjährigen selbst mitbestimmt werden kann. Hierzu ist es unerlässlich, das minderjährige Kind in das Gerichtsverfahren mit einzubeziehen und seinem subjektiven Willen Gehör zu verschaffen. Zum anderen macht es dieses System der präventiven Bevormundung unerlässlich, dass in Angelegenheiten, welche die Grundrechte des Kindes tangieren, sichergestellt sein muss, dass dessen Rechte von einem sich ausschließlich am Kindeswohl orientierenden Vertreter wahrgenommen werden. Insoweit folgt aus dem Wächteramt und dem Schutzauftrag der staatlichen Gemeinschaft die Pflicht Regelungen zu erlassen, die eine solche Vertretung des Kindes auch für den Fall absichern, dass die eigentlich hierzu berufenen Eltern ihrer Verantwortung nicht nachkommen können oder wollen. Das System der präventiven Bevormundung des Minderjährigen setzt sich grundsätzlich auch im Verfahrensrecht fort, sodass auch hier die Rechte des minderjährigen Kindes in erster Linie von seinen Eltern als Vertretungsbefugten wahrgenommen werden. Allerdings ist aufgrund der Besonderheiten des Verfahrensrechtes und des Schutzanspruchs des Minderjährigen sowie der Schutzbedürftigkeit des Rechtsverkehrs zugunsten von Rechtssicherheit und Rechts-
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B. Das Bedürfnis für eine rechtliche Interessenvertretung Minderjähriger
frieden von einer generellen Verfahrensunfähigkeit und Vertretungsbedürftigkeit des Minderjährigen auszugehen. Dabei darf die verfahrensrechtliche Stellung des minderjährigen Kindes jedoch nicht hinter seiner nunmehr verbesserten subjektiven Rechtsposition zurückbleiben. Gerade unter Berücksichtigung der Tragweite von Gerichtsentscheidungen im Kindschaftsrecht für die Persönlichkeitsentwicklung und -entfaltung des Minderjährigen muss der Staat im Rahmen seines Wächteramtes nach Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG dafür Sorge tragen, dass die Grundrechte des Minderjährigen auch durch die Gestaltung des Gerichtsverfahrens wahrgenommen werden. 274 Demnach ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht zu gewährleisten, dass der Minderjährige dementsprechende Mitwirkungsmöglichkeiten hat und sein subjektiver Wille ausreichend Berücksichtigung findet. Insbesondere aber gilt es sicherzustellen, dass das minderjährige Kind stets durch einen allein seinem Wohl verpflichteten und danach handelnden Vertreter repräsentiert wird. Denn sonst würde der Grundrechtsschutz des Kindes faktisch leerlaufen. Besonderes Augenmerk ist dabei auf die Konstellation zu legen, in der ein Interessenkonflikt zwischen den Eltern und dem Kindeswohl besteht. Denn dann gilt die Vermutung, dass sich die Eltern bei der Vertretung des Kindes nicht ausreichend am Kindeswohl orientieren. Demnach muss der Staat hier Regelungen schaffen, welche die interessengerechte Vertretung des Kindes im Gerichtsverfahren, insbesondere im kindschaftsrechtlichen Bereich, absichern. Aus dieser Überlegung heraus, die insbesondere in den neunziger Jahren verstärkt Eingang in die öffentliche Diskussion fand, entspann sich unter dem umstrittenen Titel des „Anwalts des Kindes“ folgerichtig eine heftige Diskussion um das Erfordernis einer eigenen Interessenvertretung für Minderjährige im familiengerichtlichen Verfahren. Umgesetzt wurde dieser Gedanke schließlich durch die Einführung des Verfahrenspflegers nach § 50 FGG a. F. im Rahmen des Gesetzes zur Reform des Kindschaftsrechts (Kindschaftsrechtreformgesetz) 275, das am 1. Juli 1998 in Kraft trat.
274
So grundlegend BVerfGE 72, 122, 134 = BVerfG, NJW 1986, 3129, 3130. Siehe auch BVerfGE 99, 145, 157 = BVerfG, NJW 1999, 631, 632; BVerfGE 121, 69, 107 = BVerfG, NJW 2008, 1287, 1292; BVerfG, FamRZ 2009, 399, 400; BVerfG, FamRZ 2010 109, 110; BVerfG, FamRZ 2010, 1622, 1623; BVerfG, NJW 2010, 2333, 2334; BVerfG, NJW 2010, 2336, 2337; LVerfG Brandenburg FamRZ 2011, 305, 306. 275 BGBl. I, S. 2942.
C. Der Verfahrenspfleger nach § 50 FGG a. F. als Interessenvertreter des minderjährigen Kindes I. Die Einführung der Verfahrenspflegschaft nach § 50 FGG a. F. durch die Kindschaftsrechtsreform von 1998 1. Die rechtspolitische Diskussion um die Einführung der Verfahrenspflegschaft Als Ergebnis der dargestellten langzeitlichen Entwicklung 1 setzte sich in der rechtswissenschaftlichen Fachwelt in den neunziger Jahren zunehmend die Erkenntnis durch, dass der Minderjährige als Grundrechtssubjekt einen Anspruch auf ausreichende Interessenvertretung und rechtliches Gehör, gerade auch im gerichtlichen Verfahren, hat. Allerdings bezog die Rechtsprechung diese Problematik überwiegend noch nicht umfassend genug in ihre Entscheidungen mit ein und reagierte im Allgemeinen eher skeptisch auf den Antrag zur Bestellung eines Ergänzungspflegers als Verfahrensvertreter für das minderjährige Kind. 2 Dies schürte die in der Bundesrepublik geführte rechtstheoretische, aber vor allem auch rechtspolitische Diskussion. So entwickelte sich schließlich ein heftiger Streit darüber, ob es einer eigenen Interessenvertretung Minderjähriger im Kindschaftsverfahren bedürfe und wie eine solche durch rechtliche Regelungen umgesetzt werden könnte. Zum Teil wurde die Idee zur Implementierung einer eigenen Interessenvertretung für Minderjährige energisch abgelehnt. Man brauche keine „Verfahrenspflegerin, die sich als Obergutachterin, Sonderermittlerin, Chefin des Verfahrens, Super-case-managerin oder alleinige Garantin für die Subjektstellung des Kindes im Verfahren versteht und aufspielt“ 3. Insgesamt argumentierten die Gegner 4 und Zweifler 5, dass eine rechtlich reglementierte Verfahrenspflegschaft für das 1
Siehe B. I. Vgl. Salgo, Anwalt des Kindes, S. 447 f. Zu der entwickelten Praxis, dem Minderjährigen einen Ergänzungspfleger für das Gerichtsverfahren zu bestellen siehe B. I. 2. 3 Spät, KindPrax 1999, 50, 53. 4 Linser, ZfJ 1997, 215; Luthin, FamRZ 1984, 114, 116; Luthin, FamRZ 1986, 391; Moritz, JURA 1986, 588, 590; Rummel, ZfJ 1997, 202, 214; Will, ZfJ 1998, 1, 6. 5 Pawlowski in: Gerhardt u. a., FS Henckel, S. 633 ff.; Dickmeis, ZfJ 1994, 183, 184; van Els, ZfJ 1984, 509; Rummel, ZfJ 1997, 202, 214; Wiesner, ZfJ 1998, 173, 179. 2
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C. Verfahrenspfleger als Interessenvertreter des Kindes
minderjährige Kind lediglich zu einer Vermehrung der am Entscheidungsprozess Beteiligten führe und dadurch das gerichtliche Verfahren nur unnötig verkompliziert und verlängert werde. 6 Hierdurch belaste man das betroffene Kind zusätzlich und dränge es in einen Loyalitätskonflikt. 7 Zudem fördere man so eine zunehmende Verrechtlichung des innerfamiliären Bereiches, die sich insgesamt negativ auf die sozialen Beziehungen der Betroffenen auswirke. 8 Denn eine eigenständige Interessenvertretung des Minderjährigen würde zu einer unsachgemäßen Trennung der Interessen des Kindes und der Eltern sowie zur Entmündigung Letzterer führen. 9 Die Institutionalisierung der Kindesinteressen sei zudem unzweckmäßig 10, da ihre Wahrnehmung bereits nach bestehendem Recht über den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 12 FGG a. F.), die Anhörung von Kind (§ 50b FGG a. F.) und Jugendamt (§§ 49, 49a FGG a. F.), die Kindeswohlorientierung des Richters und die mögliche Einbeziehung eines Sachverständigen abgesichert sei. 11 Sinnvoller sei es daher, diese Personengruppen stärker in das Verfahren mit einzubeziehen, ihre organisatorischen Strukturen zu verbessern und spezialisierende Fortbildungen, insbesondere für die Richterschaft, einzurichten. 12 Die Forderung nach gesetzlicher Implementierung einer verfahrensrechtlichen Interessenvertretung für Minderjährige fand jedoch zunehmend Befürworter 13. In Fortführung der sich seit den siebziger Jahren durchsetzenden Erkenntnis der Erforderlichkeit einer abgesicherten Interessenvertretung des Minderjährigen im Kindschaftsverfahren konkretisierten sie die Forderung nach gesetzlichen Veränderungen. Dabei wollte man nicht etwa nur einen weiteren Beteiligten zum
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van Els, ZfJ 1984, 509, 511; Rummel, ZfJ 1997, 202, 214. Pawlowski in: Gerhardt u. a., FS Henckel, S. 633, 642; Linser, ZfJ 1997, 215; Will, ZfJ 1998, 1, 5. 8 Linser, ZfJ 1997, 215; Schütz, FamRZ 1987, 438, 439. Dieses Problem wurde auch von Limbach gesehen, jedoch eher als Frage der Art der gesetzlichen Ausgestaltung der Verfahrenspflegschaft aufgeworfen, denn als Gegenargument gegen ihre Einführung verstanden, Ev. Akademie Bad Boll, Tagungsprotokoll, S. 12, 13. 9 Rummel, ZfJ 1997, 202, 214; Rummel, ZfJ 1997, 202, 214; Will, ZfJ 1998, 1, 5. 10 Luthin, FamRZ 1986, 391. 11 Luthin, FamRZ 1984, 114, 116; Luthin, FamRZ 1986, 391; Rummel, ZfJ 1997, 202, 214; Salzgeber, KindPrax 1998, 43, 45. 12 van Els, ZfJ 1984, 509, 511; Moritz, JURA 1986, 588, 590. 13 U. a. Früh, Kindesinteressen, S. 120 ff.; Jeand’Heure, Garantienorm, S. 258 ff.; Lempp in: Ev. Akademie Bad Boll, Tagungsprotokoll, S. 24, 26; Limbach in: Ev. Akademie Bad Boll, Tagungsprotokoll, S. 12 ff.; Roell, Geltung der Grundrechte, S. 65; Simitis in: Goldstein / Freud / Solnit, Jenseits des Kindeswohls, S. 123; Zenz, Kindesmißhandlung und Kindesrechte, S. 414; Baer / Marx, FamRZ 1997, 1185, 1187; Kleine, FPR 1996, 236 ff.; Salgo, FPR 1996, 239, 240. Siehe auch Salgo, Anwalt des Kindes, S. 557 m. w. N. Auch Seibert bezeichnet eine solche Interessenvertretung zumindest als hilfreich, FamRZ 1995, 1457, 1462. 7
I. Einführung der Verfahrenspflegschaft durch die Kindschaftsrechtsreform
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Verfahren hinzuziehen, der „um das Krankenbett des Kindeswohls herumsteht“ 14, sondern vielmehr, den gesellschaftlichen Veränderungen und den Impulsen durch die Rechtsprechung folgend, einen Perspektivwechsel vornehmen 15 und das Kind als Rechtssubjekt und Individuum verstärkt in den Entscheidungsprozess mit einbeziehen. Gegenüber den Kritikern wurde zunächst herausgestellt, dass eine ausreichende Interessenvertretung des Kindes gerade nicht durch die bereits bestehenden Regelungen und die Einbeziehung der am Verfahren beteiligten Personengruppen gewährleistet werden könne. Die zur Vertretung in erster Linie berufenen Kindeseltern müssten bei Vorliegen eines Interessengegensatzes aufgrund ihrer eigenen Beteiligtenstellung im Verfahren und der damit einhergehenden primären Verfolgung eigener Ziele als Interessenvertreter des Minderjährigen ausscheiden. 16 Dies führe auch dazu, dass der Rechtsanwalt der Eltern nicht als Interessenvertreter des Kindes verstanden werden könne, da er aufgrund des Mandatsverhältnisses den Eltern gegenüber zur parteibezogenen Interessenvertretung verpflichtet sei. 17 Einen eigenen Rechtsanwalt könne das minderjährige Kind mangels Geschäftsfähigkeit in der Regel nicht beauftragen. Werde der Minderjährige hierbei durch die sich im Interessenkonflikt befindlichen Eltern vertreten, so sei eine Beeinflussung des Rechtsanwalts durch sie zu befürchten. 18 Der Richter sei gegenüber allen Verfahrensbeteiligten zur Neutralität verpflichtet, was ihn daran hindere, ausschließlich im Interesse des Kindes zu handeln. 19 Ein Heraustreten aus dieser Rolle würde die Akzeptanz des Richters als unabhängiges Entscheidungsorgan bei den übrigen Beteiligten gefährden. 20 Zudem verfüge der Richter aufgrund seiner zumeist nur rein juristischen Ausbildung nicht über die erforderlichen psychologischen Kenntnisse und könne sich zudem aufgrund der hohen Arbeitsbelastung auch nicht die erforderliche Zeit nehmen, entsprechend auf das Kind und seine individuelle Person und Situation einzugehen. 21 14
von Bracken, KindPrax 1999, 183, 184. Conan, FuR 1996, 171, 177. 16 Simitis in: Goldstein / Freud / Solnit, Jenseits des Kindeswohls, S. 123; Kleine, FPR 1996, 236, 237. 17 Frommann, Wahrnehmung der Interessen Minderjähriger, S. 143 f.; Früh, Kindesinteressen, S. 97. 18 Prestin in: Ev. Akademie Bad Boll, Tagungsprotokoll, S. 90, 91. 19 BT-Drucksache 13/4899, S. 130; Prestin in: Ev. Akademie Bad Boll, Tagungsprotokoll, S. 90, 91; Salgo u. a. / Bauer, HB Verfahrenpflegschaft, Rn. 129; Fehmel, ZfJ 1982, 654, 660; Kleine, FPR 1996, 236, 237. Bestätigt durch BVerfGE 99, 145, 157 = BVerfG, NJW 1999, 631, 632. Dieses Problem wird auch von van Els, ZfJ 1984, 509, 510 gesehen. 20 Salgo, ZfJ 1985, 259, 261. 21 Salgo, ZfJ 1985, 259, 261. 15
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C. Verfahrenspfleger als Interessenvertreter des Kindes
Ebenso ungeeignet für die ausschließliche Interessenvertretung des minderjährigen Kindes sei das Jugendamt, auch wenn es vielfach als Kindesvertreter verstanden werde. Denn das Jugendamt sei eine staatliche Behörde, damit an Art. 6 Abs. 2 und Abs. 3 GG gebunden, und müsse mithin gleichberechtigt die Interessen des Kindes und die Interessen der Eltern berücksichtigen. 22 Zudem sei das Jugendamt beispielsweise auch für die Beratung der Eltern gemäß §§ 17, 18 SGB VIII zuständig oder werde als Ermittlungsstelle des Gerichts tätig. 23 Des Weiteren stehe im gerichtlichen Verfahren die Vorarbeit des Jugendamtes in Bezug auf den Familienkonflikt und die Situation des Kindes auf dem Prüfstand. 24 In die Nachbereitung des Verfahrens kann das Jugendamt ebenfalls involviert sein, sodass es bereits während des Verfahrens versuchen könne Einfluss auf seine spätere Rolle und den Umfang seiner Tätigkeit zu nehmen. Insgesamt ergäben sich daher mehrfache Funktions- und Interessenkonflikte, die einer Fixierung allein auf die Interessenvertretung des Kindes entgegenstehen würden. 25 Auch der vom Gericht gegebenenfalls hinzugezogene Sachverständige nehme eine unparteiliche Rolle ein und sei daher gerade nicht geeignet, als Interessenvertreter des Kindes aufzutreten. 26 Die Möglichkeit, dem Kind im Verfahren einen Ergänzungspfleger nach § 1909 Abs. 1 BGB zu bestellen, wurde aufgrund der Schwerfälligkeit des Instituts und der damit einhergehenden Verfahrensverzögerung ebenfalls als ungenügend empfunden. 27 Des Weiteren wurden auch die übrigen Mechanismen, die das Kind in das gerichtliche Verfahren einbeziehen, wie etwa die Anhörung nach § 50b FGG a. F., das Beschwerderecht nach § 59 FGG a. F. oder der Amtsermittlungsgrundsatz nach § 12 FGG a. F. als nicht ausreichend erachtet. 28 Daher kam man zu dem richtigen Schluss, dass die bisherige Konzeption des Gesetzes nicht genüge, um die grundrechtliche Subjektstellung des Kindes ausreichend im Verfahren 22 Fehmel, ZfJ 1982, 654, 660; BT-Drucksache 13/4899, S. 130. So später ebenfalls BVerfG, FamRZ 2006, 1261, 1263. 23 Limbach in: Ev. Akademie Bad Boll, Tagungsprotokoll, S. 12, 16; Salgo, ZfJ 1985, 259, 260. 24 BT-Drucksache 13/4899, S. 130; Limbach in: Ev. Akademie Bad Boll, Tagungsprotokoll, S. 12, 16. 25 Früh, Kindesinteressen, S. 91; Lidle-Haas, Sorgerechtsverfahren, S. 159 f.; Bauer / Schaus, BJ 1997, 162, 163. 26 BT-Drucksache 13/4899, S. 130; Früh, Kindesinteressen, S. 96; Prestin in: Ev. Akademie Bad Boll, Tagungsprotokoll, S. 90, 92; Bauer / Schaus, BJ 1997, 162, 163; Kleine, FPR 1996, 236, 237. 27 Keidel / Engelhardt, FGG, § 50, Rn. 3; Früh, Kindesinteressen, S. 106; Kleine, FPR 1996, 236, 238. 28 Steindorff-Classen, Recht des Kindes, S. 83, 91. So ergab eine im Jahre 2000 veröffentlichte statistische Erhebung, dass Minderjährige in nur knapp 46% der Fälle persönlich angehört wurden, wobei sich die Quote mit zunehmendem Alter erhöhte, Münder / Mutke / Schone, Kindeswohl, S. 130, 131.
I. Einführung der Verfahrenspflegschaft durch die Kindschaftsrechtsreform
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abzusichern. 29 Ferner setzte sich zunehmend die Ansicht durch, dass nur eine vollständige Einbeziehung des Kindes den Streit überhaupt erst entscheidbar mache und so die Grundlage für eine dauerhafte Regelung schaffe. 30 Diese Erkenntnis fand schließlich Eingang in die politische Diskussion, in der vermehrt die gesetzliche Implementierung eines eigenständigen Interessenvertreters für das minderjährige Kind gefordert wurde. 31 Letztlich wurden diese richtigen Überlegungen auch vom Gesetzgeber aufgegriffen. Im Jahre 1993 gab das Bundesministerium der Justiz eine rechtsvergleichende Untersuchung in Auftrag, die Defizite der Stellung von Minderjährigen im gerichtlichen Verfahren des zivilrechtlichen Kindesschutzes analysieren sollte. Der hiermit beauftragte Ludwig Salgo traf u. a. die Feststellung, dass es einer eigenständigen Interessenvertretung des Minderjährigen bedürfe. 32 Die Diskussion verlagerte sich im Folgenden von der nunmehr positiv beantworteten Frage des „Ob“ hin zum noch ungeklärten „Wie“ der konkreten Ausgestaltung des neu zu schaffenden Instituts. 33 2. Die Implementierung von § 50 FGG a. F. durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz Auch in der politischen Diskussion bezeichnete man die Stärkung der Verfahrensrechte von Kindern seit längerem als „überfälliges Muss“ 34, da sich die bis dahin bestehenden gesetzlichen Vorkehrungen als nicht ausreichend erwiesen hätten. 35 Unter Berücksichtigung der in der Vergangenheit durch das Bundesverfassungsgericht aufgezeigten Defizite des Kindschaftsrechts entschloss man sich daher zu einer umfassenden Reform, welche die Interessenvertretung für den Minderjährigen im Kindschaftsverfahren mit einbezog. Diese Thematik entwickelte sich dabei jedoch zu einer der umstrittensten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes. Bereits in dem ersten Antrag zur Reform des Kindschaftsrechts während der 12. Legislaturperiode wurde u. a. die Einrichtung einer Verfahrenspflegschaft 29
Vgl. insbesondere BT-Drucksache 13/4899, S. 129 ff. Ebenso Früh, Kindesinteressen, S. 119 f.; Zitelmann, Kindeswohl und Kindeswille, S. 21. 30 von Bracken, KindPrax 1999, 183, 186. 31 So etwa von der familienrechtlichen Abteilung des 59. Deutschen Juristentages oder von der Sorgerechtskommission des Zehnten Familiengerichtstages, Salgo, Anwalt des Kindes, S. 488 f. 32 Salgo, Anwalt des Kindes, S. 557 ff. 33 Vgl. hierzu den umfassenden Fragenkatalog bei Salgo, Anwalt des Kindes, S. 45 f. 34 BT-Drucksache 13/3341, S. 11. 35 BT-Drucksache 13/4988, S. 48, 130.
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C. Verfahrenspfleger als Interessenvertreter des Kindes
für das minderjährige Kind im Kindschaftsverfahren gefordert. 36 Dieser Ansatz wurde in der 13. Legislaturperiode wieder aufgegriffen 37 und fand schließlich in Gestalt eines § 50 FGG-E Eingang in den Gesetzreformentwurf. 38 Der Empfehlung von Ludwig Salgo folgend, wählte man dabei den Begriff des Verfahrenspflegers. 39 Allerdings zeichnete sich mit der Konkretisierung der Norm zugleich eine stetige Regression ihres Anwendungsbereiches ab. War das Erfordernis der Bestellung eines Verfahrenspflegers zunächst noch als gebundene Entscheidung vorgesehen, bei der auch in Zweifelsfällen von der Erforderlichkeit ausgegangen werden sollte, 40 so enthielt der Gesetzentwurf der Bundesregierung in § 50 Abs. 1 FGG-E nur noch eine „Kann“-Bestimmung. 41 Zur Umgrenzung, wann das Bestellungserfordernis gegeben sei, wurden Regelbeispiele gebildet, die dem Gericht einen weiten Ermessensspielraum einräumten. Begründet wurde diese regressive Ausgestaltung vor allem mit einer möglichen Kollision mit den Elternrechten nach Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG. 42 Im Übrigen erfolgte die gesetzliche Ausgestaltung in Anlehnung an § 56f Abs. 2 FGG und §§ 67, 70b FGG. Die Neuregelung des Kindschaftsrechts bedurfte der Zustimmung durch den Bundesrat. Dieser forderte jedoch die Streichung des § 50 FGG-E, da er für eine solche Regelung kein Bedürfnis sah und zudem eine zusätzliche Belastung des Verfahrens sowie erhebliche Kosten für die Staatskasse befürchtete. 43 Diese generell ablehnende Haltung des Bundesrates führte im Ergebnis zu der kompromissgeprägten Ausgestaltung des § 50 FGG-E. So stellte die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung ausdrücklich fest, dass der Anwendungsbereich von § 50 FGG-E auf eindeutige Bedarfsfälle beschränkt und damit sehr eng ausgestaltet sein sollte. 44 Während somit die Frage des Anwendungsbereiches umfangreich diskutiert wurde, blieben die in der Fachliteratur als wesentlich angesehenen Problemstellungen der konkreten Ausgestaltung von Funktion und Aufgabenbereich sowie der berufsrechtlichen Einordnung des Verfahrenspfle36
BT-Drucksache 12/4024, S. 13. BT-Drucksache 13/3341, S. 5 f. 38 BT-Drucksache 13/4899 S. 20. 39 Der Begriff „Anwalt des Kindes“ wurde hingegen als zu polarisierend empfunden, Salgo, Anwalt des Kindes, S. 557. Kritisch Diederichsen in: Schilken u. a., FS für Walter Gerhardt, 119, 138. 40 BT-Drucksache 13/3341, S. 5: „Das Gericht bestellt dem minderjährigen Kind von Amts wegen einen unabhängigen Verfahrenspfleger für ein seine Person betreffendes Verfahren, wenn dies erforderlich ist. Die Wahrnehmung der Interessen des Kindes durch einen Verfahrenspfleger ist erforderlich, wenn ein Interessenkonflikt nicht ausgeschlossen werden kann.“ 41 BT-Drucksache 13/4899, S. 20. 42 BT-Drucksache 13/4899, S. 130. 43 BT-Drucksache 13/4899, S. 147, 162. 44 BT-Drucksache 13/4899, S. 166, 172. 37
I. Einführung der Verfahrenspflegschaft durch die Kindschaftsrechtsreform
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gers außen vor. Hintergrund war dabei das Bedürfnis, gegen den politischen Widerstand der Länder den Verfahrenspfleger überhaupt gesetzlich durchsetzen zu können. 45 Entsprechend der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses 46 verabschiedete der Bundestag am 25.09.1997 das Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts mit der von der Bundesregierung vorgeschlagenen Ausgestaltung des § 50 FGG-E. Der Bundesrat erteilte am 17.10.1997 seine Zustimmung, 47 sodass das Reformgesetz am 19.12.1997 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden konnte und sodann am 1.07.1998 in folgender Ausgestaltung in Kraft trat: § 50 FGG 48 (1) Das Gericht kann dem minderjährigen Kind einen Pfleger für ein seine Person betreffendes Verfahren bestellen, soweit dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist. (2) Die Bestellung ist in der Regel erforderlich, wenn 1. das Interesse des Kindes zu dem seiner gesetzlichen Vertreter in erheblichem Gegensatz steht, 2. Gegenstand des Verfahrens Maßnahmen wegen Gefährdung des Kindeswohls sind, mit denen die Trennung des Kindes von seiner Familie oder die Entziehung der gesamten Personensorge verbunden ist (§§ 1666, 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs), oder 3. Gegenstand des Verfahrens die Wegnahme des Kindes von der Pflegeperson (§ 1632 Abs. 4 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) oder von dem Ehegatten oder Umgangsberechtigten (§ 1682 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) ist. Sieht das Gericht in diesen Fällen von der Bestellung eines Pflegers für das Verfahren ab, so ist dies in der Entscheidung zu begründen, die die Person des Kindes betrifft. (3) Die Bestellung soll unterbleiben oder aufgehoben werden, wenn die Interessen des Kindes von einem Rechtsanwalt oder einem anderen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten angemessen vertreten werden. (4) Die Bestellung endet, sofern sie nicht vorher aufgehoben wird, 1. mit der Rechtskraft der das Verfahren abschließenden Entscheidung oder 2. mit dem sonstigen Abschluß des Verfahrens. (5) Der Ersatz von Aufwendungen und die Vergütung des Pflegers erfolgen aus der Staatskasse. Im übrigen sind die §§ 1835, 1836 Abs. 1 Satz 1, 2 und 4, Abs. 2 bis 4 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend anzuwenden. 49 45
Gummersbach, Subjektstellung des Kindes, S. 101. BT-Drucksache 13/8511, S. 40 f. 47 BR-Drucksache 710/97. 48 In der Fassung vom 1. Januar 1999, BGBl. I, 2942, 2958. 49 § 50 Abs. 5 FGG in der Fassung vom 16.12.1997 (BGBl. I, S. 2942, 2958), neugefasst durch das Gesetz vom 25.06.1998 (BGBl. I, S. 1580, 1583), geändert durch das Gesetz vom 21.04.2005 (BGBl. I, S. 1073, 1075). 46
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C. Verfahrenspfleger als Interessenvertreter des Kindes
Damit wurde für die Bundesrepublik erstmals ausdrücklich eine Interessenvertretung des Minderjährigen im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit normiert. § 50 Abs. 1 FGG a. F. schrieb als Generalklausel vor, dass ein Verfahrenspfleger für alle die Person des Kindes betreffenden Verfahren bestellt werden konnte, soweit dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich war. Damit erstreckte sich der Anwendungsbereich von § 50 FGG a. F. auf alle Familien- und Vormundschaftsverfahren, einschließlich einstweiliger Anordnungen, die die Personensorge des minderjährigen Kindes betrafen. 50 Zugleich wurden jedoch solche Verfahren ausgeschlossen, die sich allein auf die Vermögenssorge bezogen. 51 In Abs. 2 wurden sodann Regelbeispiele dafür angeführt, wann ein solches Bestellungserfordernis regelmäßig als gegeben angesehen wurde, wobei Nr. 1 ganz allgemein das Vorliegen eines Interessengegensatzes verlangte und Nr. 2 und 3 exemplarische Fallkonstellationen beschrieben. Unterblieb in diesen Fällen die Bestellung des Verfahrenspflegers, so war dies vom Gericht gesondert zu begründen, § 50 Abs. 2 S. 2 FGG a. F. Fehlte eine solche Begründung, bestand die Gefahr, dass die Entscheidung bereits deswegen keinen Bestand hatte. 52 Gemäß § 50 Abs. 3 FGG a. F. sollte die Bestellung unterbleiben, wenn die Interessenvertretung durch eine andere Person, wie beispielsweise einen Rechtsanwalt des Kindes, abgesichert war. Des Weiteren ordnete § 50 Abs. 4 FGG a. F. an, dass die Bestellung des Verfahrenspflegers mit der Rechtskraft der abschließenden Entscheidung oder bei einem sonstigen Abschluss des Verfahrens endete. Die Entschädigung des Verfahrenspflegers erfolgte gemäß § 50 Abs. 5 FGG a. F. über eine Verweisung auf die entsprechenden vormundschaftlichen Regelungen. 53 Die Einführung des § 50 FGG a. F. traf den überwiegenden Teil der familienund vormundschaftsgerichtlichen Praxis weitgehend unvorbereitet. 54 Entgegen der Empfehlung von Ludwig Salgo 55 fehlten zunächst die erforderlichen wissen50 In Verfahren zur Aufhebung eines Annahmeverhältnisses nach §§ 1759 ff. BGB wurde § 50 FGG a. F. jedoch von § 56f Abs. 2 FGG a. F. und in Verfahren zur Unterbringung eines Minderjährigen nach § 1631b BGB von § 70b FGG a. F. verdrängt. 51 Keidel / Engelhardt, FGG, § 50, Rn. 19. Dies wurde für das Genehmigungsverfahren nach §§ 1828, 1829 BGB z. T. als verfassungswidrig angesehen, vgl. Bork, FamRZ 2002, 65, 73. Nach Zorn soll § 50 FGG a. F. insoweit jedoch analog anwendbar sein, Jansen / Zorn, FGG, § 50, Rn. 10. 52 OLG Köln, FamRZ 1999, 314, 315; Jansen / Zorn, FGG, § 50, Rn. 79. 53 Siehe hierzu C. II. 6. 54 Nur in wenigen Gerichtsbezirken gab es bereits im Vorfeld der Reform eigene konzeptionelle Ansätze oder vergleichbare Praxiserfahrungen mit der Ergänzungspflegschaft. Beispielhaft sind hier der Verein „Anwalt des Kindes in Hamburg e.V.“, der bereits 1987 gegründet wurde oder auch die Gerichtspraxis im Gerichtsbezirk Frankfurt am Main zu benennen, vgl. Bauer / Schaus, BJ 1997, 162, 163 ff. 55 Salgo, Anwalt des Kindes, S. 570.
I. Einführung der Verfahrenspflegschaft durch die Kindschaftsrechtsreform
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schaftlichen Begleitforschungen zur Implementierung der Verfahrenspflegschaft. Auch mangelte es an weiteren flankierenden Maßnahmen, um ausreichend qualifizierte Verfahrenspfleger zu gewinnen, fachlich aus- und weiterzubilden sowie zu unterstützen und gleichzeitig zu kontrollieren. 56 Dementsprechend reichten die ersten Reaktionen auf das neue Institut der Verfahrenspflegschaft von einer euphorischen Begrüßung als Allheilmittel 57 und als Maßnahme zur „Befreiung des Kindes“ aus der Abhängigkeit 58 bis zur Wahrnehmung des § 50 FGG a. F. als „faulen Kompromiss“ 59. Trotz dieser anfänglichen Skepsis verzeichnete das statistische Bundesamt bald einen jährlichen Zuwachs der Verfahrenspflegerbestellungen. 60 Der anfänglichen Kritik entsprechend wurden außerdem unterschiedlichste Untersuchungen zur Verfahrenspflegschaft und ihrer Entwicklung initiiert und durchgeführt. 61 Dabei zeichnete sich insgesamt ein positives Bild ab. 62 So wurde die Verfahrenspflegschaft als „hilfreich“ 63 und als „wirksames Mittel“ 64 beschrieben und galt letztlich als vollständig etabliert. 65 Dies zeigte sich beispielsweise durch die zunehmende Professionalisierung von Weiterbildungslehrgängen 66, die Gründung verschiedenster Vereine 67 und die Durchführung zahlreicher bundesweiter Fachtagungen. 68 56
Zitelmann, Kindeswohl und Kindeswille, S. 26. Bode, Praxishandbuch, S. 11. 58 Klenner, ZKJ 2006, 8, 10. 59 Willutzki, KindPrax 2004, 83. 60 Von 1999 auf 2000 stiegen die Zahlen der Bestellungen von 2544 auf 3757. Dieser Trend setzte sich in den folgenden Jahren fort, sodass sich die Anzahl der Verfahrenspflegerbestellungen allein bis 2005 mehr als verdreifachte, vgl. hierzu die Übersicht bei Mutke, FPR 2006, 26, 37. Ab 2006 sind den Statistiken des Statistischen Bundesamtes aufgrund einer neuen Erhebungsweise hingegen keine verlässlichen Zahlen mehr zu entnehmen, vgl. Salgo / Stötzel, ZKJ 2008, 417, 419. 61 Z. B. Gummersbach, Subjektstellung des Kindes; Münder, Kindschaftrecht; Mündel u. a., Anwalt des Kindes; Proksch, Untersuchung; Schulze, Handeln im Konflikt; Stötzel, Verfahrenspflegschaft; Baier, KindPrax 2002, 154 ff.; Lipinski-Wollenberg / Raack, KindPrax 2003, 3 ff.; Moritz, Verfahrenspflegschaft auf dem Prüfstand; Mutke, FPR 2006, 26 ff.; Peters / Schimke, KindPrax 1999, 143 ff.; Stötzel, FPR 2006, 17 ff. 62 Mündel u. a., Anwalt des Kindes, S. 266; Münder, Kindschaftrecht, S. 147 f.; Salgo in: Lipp / Schumann / Veit, FamFG-Reform, S. 178; Menne, FamRZ 2005, 1035, 1036; Peters / Schimke, KindPrax 1999, 143, 145; Salgo, ZKJ 2009, 49, 51. 63 Rabe, ZKJ 2007, 437, 441. 64 BT-Drucksache 15/2399, S. 4. 65 Rüting, KindPrax 2002, 193. 66 Zitelmann, Kindeswohl und Kindeswille, S. 42 f. 67 Z. B. die „Bundesarbeitsgemeinschaft Verfahrenspflegschaft für Kinder und Jugendliche e.V.“ im Februar 2000. 68 Z. B. Februar 1999: Ev. Akademie Bad Boll; November 1999: Paritätische Akademie und Diakonische Akademie in Berlin; Februar 2000: Ev. Akademie Bad Boll; August 2002: Diakonische Akademie in Berlin. 57
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C. Verfahrenspfleger als Interessenvertreter des Kindes
II. Grundprobleme der gesetzlichen Ausgestaltung der Verfahrenspflegschaft nach § 50 FGG a. F. Der Gesetzestext des § 50 FGG a. F. sowie die dazugehörige Gesetzesbegründung ließen wesentliche rechtliche Fragestellungen zur konkreten Ausgestaltung des neuen Rechtsinstituts der Verfahrenspflegschaft offen. 69 Damit oblag es in erster Linie der Praxis, die hierdurch bedingten Problemfelder zutage zu fördern und der Rechtsprechung, die vagen Regelungen technisch auszufüllen. 1. Die Bestellung des Verfahrenspflegers Bereits die Grundfrage, wann und unter welchen Voraussetzungen von der Erforderlichkeit der Bestellung eines Verfahrenspflegers auszugehen war, wurde durch § 50 FGG a. F. nicht ausreichend konkretisiert. So fehlte es z. B. an einer gesetzlichen Bestimmung des konkreten Bestellungszeitpunkts. Als Voraussetzung galt hier allein, dass ein Verfahren bereits anhängig sein musste. 70 Unmittelbar nach dem Inkrafttreten der Kindschaftsrechtsreform stellte das Bundesverfassungsgericht indes klar, dass die Bestellung zu einer Zeit erfolgen sollte, die der als Verfahrenspfleger bestellten Person noch die Möglichkeit ließ, auf die Gestaltung und den Ausgang des Verfahrens tatsächlich Einfluss zu nehmen. 71 In der Praxis wurde der Bestellungszeitpunkt in der Folge sehr unterschiedlich gewählt, wobei man sich aber um eine frühstmögliche Einbeziehung des Verfahrenspflegers bemühte. 72 Fraglich war des Weiteren, wann von der Erforderlichkeit 73 i. S. d. § 50 Abs. 1 und Abs. 2 FGG a. F. auszugehen war. Nachdem man sich schon während der im Gesetzgebungsverfahren geführten Diskussion hier für Zurückhaltung ausgesprochen hatte, setzte sich auch im Folgenden eine eher restriktive Auslegung des Merkmals Erforderlichkeit in der Rechtsprechung durch. 74 Die Erforderlichkeit war demgemäß nur dann anzunehmen, wenn zwischen dem Kind und den gesetzlichen Vertretern ein konkreter Interessengegensatz positiv festgestellt werden 69 Daher wurde die Regelung des § 50 FGG a. F. z. T. auch als „Minimalkompromiss“ bzw. „fauler Kompromiss“ bezeichnet, Salgo in: Ev. Akademie Bad Boll, Protokolldienst der Ev. Akademie Bad Boll 7/2000, 30, 50; Willutzki, KindPrax 2004, 83. 70 Jansen / Zorn, FGG, § 50, Rn. 7. 71 BVerfG, Beschluss v. 26.08.1999, 1 BvR 1403/99, Rn. 26 (zitiert nach juris); OLG München, FamRZ 2003, 1955, 1956. 72 Söpper, FamRZ 2005, 1787, 1794 f. Zur Problematik des Bestellungszeitpunktes vgl. auch Grün, NJ 1999, 128, 129. 73 Zur Frage der Erforderlichkeit im Einzelnen siehe auch E. II. 2. b). 74 Hierzu beispielhaft OLG Dresden, FamRZ 2000, 1296, 1297 m. w. N.
II. Grundprobleme der Verfahrenspflegschaft nach § 50 FGG a. F.
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konnte. 75 Ob dies der Fall war, sollte durch Anfangsermittlungen geklärt werden, um unnötige Verfahrenspflegerbestellungen zu vermeiden. 76 Zudem ging man davon aus, dass nicht jedweder Interessengegensatz, wie er sich beispielsweise allein aus den kontradiktorischen Anträgen der Beteiligten ergeben könnte, eine Pflegerbestellung erforderlich mache. 77 Vielmehr musste positiv festzustellen sein, dass hierdurch ein Defizit in der Interessenwahrnehmung des Minderjährigen bestand. 78 Der Interessenwiderstreit musste jedoch nicht erwiesenermaßen unüberbrückbar sein. 79 Die Erforderlichkeit sollte entfallen, wenn der Kindeswille auf andere Art und Weise in das Verfahren eingebracht wurde. 80 Soweit die Erforderlichkeit einer Interessenvertretung positiv festgestellt werden konnte, lag trotz der Ausgestaltung der Regelung des § 50 Abs. 1 FGG a. F. als Kann-Bestimmung eine bindende Verpflichtung des Gerichts zur Bestellung eines Verfahrenspflegers vor. 81 Begründet wurde dies damit, dass sich das gerichtliche Ermessen bei Vorliegen der Erforderlichkeit auf Null reduziere und die Kann-Formulierung insoweit irreführend sei. 82 Die Bestellungsentscheidung
75 A. A. KG, FamRZ 2003, 392, 393, wonach die reine Möglichkeit eines Interessengegensatzes für ausreichend erachtet wurde. Ebenso OLG Naumburg, ZKJ 2010, 37; OLG München, FamRZ 1999, 667. 76 OLG Dresden, FamRZ 2000, 1296, 1297; OLG Frankfurt, FamRZ 1999, 1293, 1294. Zum Teil wurde allerdings angenommen, dass bereits für die Prüfung der Frage, ob ein erheblicher Interessengegensatz besteht, ein Verfahrenspfleger zu bestellen sei, Bumiller / Winkler, FGG, § 50, Rn. 2; ablehnend jedoch Jansen / Zorn, FGG, § 50, Rn. 23. 77 OLG Saarbrücken, OLG-Report 2005, 111; OLG Dresden, FamRZ 2000, 1296, 1297; OLG Frankfurt, FamRZ 1999, 1293, 1294; Brock / Breideneichen, FuR 2001, 399, 400. 78 BVerfG, NJW 1999, 631, 633; OLG Düsseldorf, NJW 2000, 1274. A. A. Krille, KindPrax 2003, 12, 13. Ähnlich auch Jansen / Zorn, FGG, § 50, Rn. 16, wonach § 50 Abs. 1 FGG a. F. keinen Interessengegensatz voraussetzte. Ebenso Bienwald, Verfahrenspflegschaft, Rn. 52, der es bereits als ausreichend erachtet, wenn die gesetzlichen Vertreter intellektuell nicht in der Lage sind, die Interessen des Minderjährigen im Verfahren zu vertreten. 79 OLG München, FamRZ 1999, 667; Brock / Breideneichen, FuR 2001, 399, 400. 80 OLG Düsseldorf, FamRZ 2008, 1775, 1776; OLG Stuttgart, FamRZ 2005, 542, 543; Bassenge / Roth, FGG, § 50, Rn. 3. Hierfür genügte es jedoch nicht, wenn der gesetzliche Vertreter einen Bevollmächtigten beauftragte, der das Interesse des Kindes in einer bestimmten Weise vertreten sollte, BT-Drucksache 13/4899, S. 132. Zur Frage der Vorrangigkeit der Verfahrenspflegerbestellung vor der Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Verfahrensbevollmächtigten vgl. auch Jansen / Zorn, FGG, § 50, Rn. 32. 81 Keidel / Engelhardt, FGG, § 50, Rn. 33; Bienwald, Verfahrenspflegschaft, Rn. 22, 69; Salgo in: Ev. Akademie Bad Boll, Protokolldienst der Ev. Akademie Bad Boll 7/2000, S. 15, 23. 82 Vgl. Jansen / Zorn, FGG, § 50, Rn. 19.
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C. Verfahrenspfleger als Interessenvertreter des Kindes
sollte zudem die Feststellung umfassen, ob die Verfahrenspflegschaft berufsmäßig geführt wurde. 83 Die Verfahrenspflegschaft endete gemäß § 50 Abs. 4 FGG a. F. mit der formellen Rechtskraft der Hauptsache, dem sonstigen Verfahrensabschluss oder mit dem Ende der Minderjährigkeit des betroffenen Kindes. 84 Damit wurde zum einen klargestellt, dass sich der Wirkungskreis der Verfahrenspflegschaft ausschließlich auf das Gerichtsverfahren beschränkte. Zum anderen aber sollte die Bestellung des Verfahrenspflegers in der Regel erst mit der formellen Rechtskraft der verfahrensabschließenden Entscheidung enden. Demnach bedurfte es für die Beschwerdeinstanz keiner erneuten Bestellung. Im Übrigen war der Verfahrenspfleger für das jeweilige Verfahren auch berechtigt zugunsten des Kindes Rechtsmittel einzulegen. 85 2. Notwendige Qualifikationsvoraussetzungen Ein weiterer Diskussionspunkt war die Frage, wer als Verfahrenspfleger bestellt werden konnte. Die konkrete Auswahl des Verfahrenspflegers stand dabei im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Ein Vorschlagsrecht des Kindes sah das FGG nicht vor und gewährte dem Minderjährigen auch keinen Anspruch auf Bestellung einer bestimmten Person für die Verfahrenspflegschaft. 86 Nach der Gesetzesbegründung sollte sich das Gericht hinsichtlich der Auswahl des Pflegers an den Besonderheiten des Einzelfalles orientieren und demnach beispielsweise auf Sozialarbeiter oder Kinderpsychologen zurückgreifen. Soweit es im Verfahren jedoch schwerpunktmäßig auf rechtliche Sachkunde ankäme, sollte ein Rechtsanwalt bestellt werden können. In jedem Fall war darauf zu achten, dass die Person des Verfahrenspflegers keine Erhöhung des Konfliktpotentials mit sich brachte. 87 Die Gesetzesbegründung hielt es überdies für möglich, einen engagierten Laien, der auch mit dem Kind verwandt sein konnte, als Verfahrenspfleger einzusetzen. 88 Dies wurde von der Praxis jedoch stark kritisiert mit dem Hinweis, dass hier Zurückhaltung geboten sei. 89
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Keidel / Engelhardt, FGG, § 50, Rn. 38ff. Bumiller / Winkler, FGG, § 50, Rn. 7. 85 BT-Drucksache 13/4899, S. 132. 86 Jansen / Zorn, FGG, § 50, Rn. 38. 87 BT-Drucksache 13/4899, S. 130. 88 BT-Drucksache 13/4899, S. 130. 89 Keidel / Engelhardt, FGG, § 50, Rn. 36; Bode, Praxishandbuch, S. 54. Diese Zurückhaltung schlug sich auch in der Praxis nieder, indem nur sehr selten Laien als Verfahrenspfleger bestellt wurden, vgl. Münder, Kindschaftrecht, S. 139 f. 84
II. Grundprobleme der Verfahrenspflegschaft nach § 50 FGG a. F.
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Hinsichtlich der tatsächlichen Qualifikation des Verfahrenspflegers fehlte es an konkreten gesetzlichen Vorgaben und allgemeinen flankierenden Maßnahmen zur Implementierung des neuen Instituts. Zwar sollte kein gänzlich neues Berufsbild geschaffen werden 90, aber diese gesetzgeberische Unklarheit wirkte sich zum Teil negativ aus. Es wurde ausdrücklich der Praxis überantwortet, Qualifikationsanforderungen für die Person des Verfahrenspflegers zu entwickeln. In der Folge wurde diskutiert, welche Berufsgruppen generell am ehesten geeignet waren. Dabei standen sich zunächst zwei Lager gegenüber: diejenigen, die den Rechtsanwalt i. S. e. Kinderanwaltes als Prototyp für den Verfahrenspfleger vor Augen hatten 91 und diejenigen, die grundsätzlich Vertreter des sozialen und psychologischen Berufsstandes für qualifizierter erachteten 92. Im Ergebnis setzte sich die Erkenntnis durch, dass das besondere Aufgabenspektrum der Verfahrenspflegschaft Kenntnisse aus beiden Bereichen voraussetzte. Eine gewisse Rechtskenntnis war ebenso unabdingbar 93 wie auch die Fähigkeit, auf das Kind eingehen und mit ihm arbeiten zu können. 94 In der Praxis wurden daher Angehörige beider Professionen als Verfahrenspfleger eingesetzt 95, wobei die Richterschaft bei der Auswahl zumeist eher auf die Erfahrung, die vorgewiesenen Weiterbildungen und die persönliche Kenntnis des Verfahrenspflegers abstellte 96. Daneben wurde kontrovers diskutiert, ob das Jugendamt als Behörde beziehungsweise seine Angestellten zu Verfahrenspflegern bestellt werden konnten. Damit hätte zwar sogleich eine Vielzahl qualifizierter Fachkräfte als Interessenvertreter bereitgestanden, aber die Fachöffentlichkeit lehnte ein solches Vorgehen überwiegend ab. Denn man befürchtete, es könne zu Funktions- und Interessenkonflikten kommen und die Verfahrensbeteiligten würden einen solchen Verfahrenspfleger aufgrund seiner institutionellen Zugehörigkeit nicht als unabhängige Person wahrnehmen. 97
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BVerfG, FamRZ 2004, 1267, 1269. Diederichsen in: Schilken u. a., FS für Walter Gerhardt, S. 119, 134; Brock / Breideneichen, FuR 2001, 399, 403. 92 Münder, Kindschaftrecht, S. 138; Peters / Schimke, KindPrax 1999, 143, 145; Schulze, Handeln im Konflikt, S. 521. 93 Bode, Praxishandbuch, S. 59. 94 Zitelmann, Kindeswohl und Kindeswille, S. 384. 95 Mündel u. a., Anwalt des Kindes, S. 181. 96 Mündel u. a., Anwalt des Kindes, S. 130. 97 OLG Naumburg, FamRZ 2000, 300, 301; Keidel / Engelhardt, FGG, § 50, Rn. 37; Salgo, Anwalt des Kindes, S. 566; Zitelmann, Kindeswohl und Kindeswille, S. 373; Carl, FamRZ 1995, 1183, 1190; Engelhardt, FamRZ 2001, 525; Fricke, ZfJ 1999, 51, 53; Hannemann / Kunkel, FamRZ 2004, 1833, 1835; Peters / Schimke, KindPrax 1999, 143, 146. A. A. Bienwald, Verfahrenspflegschaft, Rn. 235 ff. 91
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Insgesamt empfand man das Fehlen von vorgeschriebenen Qualifikationsmerkmalen und die damit einhergehenden Unsicherheiten als Gefahr 98, auf die unterschiedlichste Verbände mit der Entwicklung allgemeingültiger und selbstregulierender Standards reagierten. 99 Damit entwickelte sich in der Praxis zunehmend das Qualifikationsbild eines sowohl rechtlich als auch kinderpsychologisch ausgebildeten und sozial kompetenten Verfahrenspflegers, der in der Lage sein sollte, im konkreten Einzelfall, je nach den individuellen Bedürfnissen des Kindes und der Lage des Falles, die ihm übertragene Aufgabe zu erfüllen 100. 3. Anfechtbarkeit und Entpflichtung Stark umstritten war des Weiteren, inwiefern die Bestellung eines Verfahrenspflegers, deren Unterlassung oder seine Entpflichtung der isolierten Beschwerde zugänglich sein sollten. 101 Auch hier fehlte es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung, sodass es der Rechtsprechung überlassen blieb Lösungen zu finden. Dabei wurde für alle drei Fälle überwiegend vertreten, dass eine isolierte Beschwerde grundsätzlich unzulässig sei, da es sich jeweils nur um verfahrensleitende Zwischenverfügungen handele. 102 Dies wurde auch durch die Gesetzesbegründung gestützt, die ausdrücklich davon ausging, dass die Verfahrenspflegerbestellung „nicht gesondert anfechtbar“ 103 sei.
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Hannemann / Kunkel, FamRZ 2004, 1833, 1838; Stadler / Salzgeber, FPR 1999, 329,
99 So etwa durch den „Verband Anwalt des Kindes“ oder auch durch die „Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Verfahrenspflegschaft Interessenvertretung für Kinder und Jugendliche e.V.“, nunmehr „Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Verfahrensbeistandschaft Interessenvertretung für Kinder und Jugendliche e.V.“ 100 Vgl. hierzu auch Zitelmann, Kindeswohl und Kindeswille, S. 354, die in dem Erfordernis, rechtliche Prozessvertretung und psychosoziale Arbeit mit dem Kind miteinander zu verbinden, ein nicht auflösbares Spannungsfeld unterschiedlicher Handlungslogiken sieht. 101 Vgl. hierzu auch die ausführliche Darstellung bei Menne, ZKJ 2008, 111 ff. sowie die Rechtsprechungsübersicht in FPR 2006, 51 ff. 102 BGH, NJW-RR 2003, 1369, 1370 (zu § 67 FGG a. F.); BGH, FamRZ 2002, 1556; OLG Brandenburg, ZKJ 2009, 132; OLG Hamm, FamRZ 2008, 427, 428; KG, ZKJ 2008, 119; OLG München, FamRZ 2005, 635, 636; OLG Hamburg, FamRZ 2005, 221; OLG Brandenburg, NJW-RR 2001, 76; OLG Karlsruhe NJW 2000, 3361, 3362; OLG Düsseldorf FamRZ 2000, 249; Keidel / Engelhardt, FGG, § 50 FGG, Rn. 47; Gummersbach, Subjektstellung des Kindes, S. 349; Engelhardt, FamRZ 2001, 525, 528. A. A. KG, NJW 2000, 2596. 103 BT-Drucksache 13/4899, S. 172.
II. Grundprobleme der Verfahrenspflegschaft nach § 50 FGG a. F.
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Allerdings war anerkannt, dass auch Zwischenverfügungen ausnahmsweise der isolierten Beschwerde nach § 19 FGG a. F. unterlagen, wenn sie in einschneidender Weise in die Rechte von Beteiligten eingriffen. 104 Demnach war zwischen der Bestellung des Verfahrenspflegers sowie ihrer Unterlassung und seiner Entpflichtung zu unterscheiden. Für die Unterlassung der Verfahrenspflegerbestellung verwies man überwiegend auf die zu § 67 FGG a. F. entwickelten Grundsätze, sodass eine Anfechtung nur im Zusammenhang mit der Endentscheidung möglich sein sollte. 105 Dies wurde durch § 50 Abs. 2 S. 2 FGG a. F. bestätigt, wonach das Absehen von der Bestellung erst in der Endentscheidung zu begründen war. 106 Dabei wurde insbesondere dem minderjährigen Kind selbst ein Beschwerderecht gegen die Endentscheidung zuerkannt. 107 Der Fall der Beschwerde gegen die Bestellung eines Verfahrenspflegers wurde hingegen eigenständig diskutiert. Hier nahm man überwiegend an, dass dem Minderjährigen selbst kein isoliertes Beschwerderecht zustand, da er nicht in eigenen Rechten beeinträchtigt sei. 108 Den Eltern jedoch wurde wegen des Eingriffs in ihr Sorgerecht beziehungsweise in ihre verfahrensrechtliche Beteiligtenrolle nach § 20 FGG a. F. überwiegend ein isoliertes Beschwerderecht zugebilligt. 109 Dem Verfahrenspfleger selbst sollte nur gegen die Bestellung seiner Person, nicht jedoch gegen die Bestellung eines Verfahrenspflegers als solche ein Beschwerderecht nach §§ 19 Abs.1, 20 FGG a. F. zustehen. 110 104 BGH, NJW-RR 2003, 1369, 1370; OLG Hamm, FamRZ 2008, 427, 428; OLG Köln, FamRZ 2006, 282; KG, FamRZ 2003, 392, 393; OLG Köln, FamRZ 2003, 881, 882. 105 KG, ZKJ 2008, 119; OLG Köln, FGPrax 2007, 266; OLG Köln, FamRZ 2003, 881, 882; Bassenge / Roth, FGG, § 50, Rn. 11; Motzer, FamRZ 1999, 1101, 1106. A. A. Roth, Grundrechte Minderjähriger, S. 203. 106 Keidel / Engelhardt, FGG, § 50, Rn. 49. 107 Jansen / Zorn, FGG, § 50, Rn. 78; Bienwald, Verfahrenspflegschaft, Rn. 382. 108 OLG Stuttgart, MDR 2001, 1242; Bassenge / Roth, FGG, § 50, Rn. 10. A. A. OLG Düsseldorf, FPR 1999, 355 für den Fall einer „aufgezwungenen“ Verfahrenspflegschaft trotz Bevollmächtigtem. Nach Alter des Kindes differenzierend hingegen Jansen / Zorn, FGG, § 50, Rn. 77. 109 KG, FamRZ 2003, 392, 393; OLG Köln, FamRZ 2002, 968; KG, NJW 2000, 2596; OLG Dresden, FamRZ 2000, 1296, 1297; OLG Frankfurt, FamRZ 1999, 1293, 1294; OLG München, FamRZ 1999, 667; OLG Hamm, FamRZ 1999, 41; Bassenge / Roth, FGG, § 50, Rn. 10; Jansen / Zorn, FGG, § 50, Rn. 73; Bienwald, Verfahrenspflegschaft, Rn. 369 ff. A. A. OLG Nürnberg, ZKJ 2008, 119; OLG Köln, FamRZ 2006, 282, 283 mit Anm. Bienwald, der richtigerweise die ungeklärte Frage der Verwertbarkeit von bereits getätigten Äußerungen des Verfahrenspflegers nach erfolgreicher Anfechtung seiner Bestellung aufwirft; OLG Zweibrücken, FamRZ 2004, 1980; KG, FamRZ 2003, 1478; OLG Köln, FamRZ 2003, 881, 882; OLG Zweibrücken, FamRZ 2001, 170; OLG Brandenburg, NJW-RR 2001, 76; Keidel / Engelhardt, FGG, § 50, Rn. 48; Salgo u. a. / Salgo, HB Verfahrenpflegschaft, Rn. 28; Menne, FamRZ 2005, 1035, 1038. 110 Salgo u. a. / Bauer, HB Verfahrenpflegschaft, Rn. 135.
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C. Verfahrenspfleger als Interessenvertreter des Kindes
Daneben wurde diskutiert, wie Fälle verfahrenstechnisch zu lösen waren, in denen eine Entpflichtung des Verfahrenspflegers erforderlich werden konnte. Gedacht wurde dabei beispielsweise an die Situation, in der das Kind zu dem Verfahrenspfleger nicht das nötige Vertrauen aufbaut und die Zusammenarbeit mit ihm ablehnt 111 oder wenn im Verlauf des Verfahrens ernsthafte Zweifel an der fachlichen Kompetenz des Verfahrenspflegers aufkommen 112. Auch in diesen Fällen sollte das Gericht die Möglichkeit haben, nach §§ 1915, 1886 BGB über § 18 FGG a. F. den Verfahrenspfleger zu entpflichten. 113 Der Minderjährige sowie der Verfahrenspfleger selbst konnten die Entpflichtung mit der isolierten Beschwerde anfechten. 114 4. Aufgabenkreis und Funktion der Verfahrenspflegschaft Ebenfalls vom Gesetzgeber offengelassen wurden die bereits im Vorfeld der Kindschaftsrechtsreform umstritten diskutierten Kardinalfragen 115, welche Funktion der Verfahrenspfleger nach § 50 FGG a. F. konkret habe und welche Aufgaben sie mit sich bringe. Die Beantwortung dieser Fragen wirkte sich elementar auf eine Vielzahl von Folgeproblemen aus, z. B. inwieweit die Bestellung isoliert anfechtbar war 116, welche Qualifikationsanforderungen an den Verfahrenspfleger zu stellen waren 117 oder auch welche rechtliche Stellung 118 ihm zukam. Anstelle einer klaren Aufgaben- oder Funktionsbeschreibung enthielt § 50 Abs. 1 FGG a. F. lediglich eine pauschale Handlungsorientierung dergestalt, dass die „Interessen“ des Kindes im Verfahren wahrgenommen werden sollten. Da der Begriff des Kindesinteresses sowohl das Kindeswohl als auch den Kindeswillen umfassen kann 119, fehlte es somit an der erforderlichen 120 Klarstellung. Dabei 111
OLG Stuttgart, MDR 2001, 1242. KG, ZKJ 2008, 120. 113 Menne, ZKJ 2008, 111, 112. Zur Beschwerde gegen die ablehnende Entscheidung eines Antrages auf Entpflichtung des Verfahrenspflegers siehe auch OLG Köln, FamRZ 2003, 881, 882. 114 OLG Hamm, FamRZ 2008, 427, 428; OLG Hamm, FamRZ 2007, 2002. A. A. Jansen / Zorn, FGG, § 50, Rn. 78, wonach dem Verfahrenspfleger selbst kein Beschwerderecht zusteht. 115 Zitelmann, Kindeswohl und Kindeswille, S. 25. 116 Siehe C. II. 3. 117 Siehe C. II. 2. 118 Siehe C. II. 5. 119 Siehe B. II. 2. b). Die Verwendung des klärungsbedürftigen Begriffes des Kindesinteresses wurde daher auch als Risikoträger gesehen, der § 50 FGG a. F. zu einem kindschaftsrechtlichen „trojanischen Pferd“ machen könne, Zitelmann, Kindeswohl und Kindeswille, S. 111. A. A. Fricke, ZfJ 1999, 51, 55, die davon ausgeht, dass das „Interesse“ im juristischen Sinne grundsätzlich als objektives Interesse zu verstehen ist. 112
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ging man davon aus, dass der Gesetzgeber eine eindeutige Festlegung bewusst zugunsten der Entwicklung durch die Rechtsprechung hatte vermeiden wollen. 121 In der Folge kam es zu einer Vielzahl unterschiedlicher Interpretationen dessen, was die Aufgabe der Interessenvertretung des minderjährigen Kindes eigentlich umfasse. 122 Dies spiegelte sich in der stark divergierenden und sich teilweise auch sprunghaft widersprechenden Rechtsprechung, insbesondere der Oberlandesgerichte, wider. 123 So wurde der Verfahrenspfleger u. a. beschrieben als jemand, der subjektiver Interessenvertreter des Kindes ist 124, der an die Stelle der gesetzlichen Vertreter als objektiver Interessenvertreter des Kindes tritt 125, oder als derjenige, der die rechtlichen Interessen des Kindes im Verfahren wahrnimmt 126. Dahinter verbargen sich im Wesentlichen zwei Grundpositionen zum Verständnis des Aufgaben- und Funktionsbereichs der Verfahrenspflegschaft. 127 Zum einen gab es die sehr verbreitete Meinung 128, dass aufgrund der historischen Entwicklung die Aufgabenzuweisung durch den Gesetzgeber nur i. S. e. reinen „Sprachrohrfunktion“ für das minderjährige Kind verstanden werden könne. 129 Die „Interessen des Kindes“ seien somit als subjektive Interessen, also als Wille des Kindes zu verstehen, um so bestehende verfahrensrechtliche Defizite, die in einer mangelhaften Übermittlung des kindlichen Willens und der Wahrnehmung
120 Bereits Salgo hatte ausdrücklich gefordert, dass klargestellt sein müsse, wie sich der Interessenvertreter des Kindes im Konfliktfall von Kindeswohl und Kindeswille zu verhalten habe, Salgo, Anwalt des Kindes, 570. 121 Zitelmann, Kindeswohl und Kindeswille, S. 99. Zypries weist insoweit auf die damaligen familienpolitischen und fiskalischen Bedenken hin, Zypries, ZKJ 2009, 4, 5. 122 Vgl. hierzu Röchling / Röchling, FamRZ2007, § 5, Rn. 16ff. 123 Vgl. z. B Kieswetter / Schröder, FPR 2006, 20 ff.; Menne, ZKJ 2007, 67 ff.; Söpper, FamRZ 2005, 1087 ff.; Willutzki, KindPrax 2004, 83 ff. 124 BVerfG, FamRZ 2004, 1267, 1269; OLG Frankfurt, FamRZ 2009, 1770; OLG Brandenburg, FamRZ 2008, 2221; OLG Oldenburg, FamRZ 2005, 391; OLG Brandenburg, FamRZ 2004, 817; KG FamRZ 2002, 1661. 125 OLG Brandenburg, FamRZ 2008, 1633, 1634; OLG Naumburg, OLG-Report 2004, 78, 79. 126 OLG Köln, FamRZ 2003, 1853; OLG Frankfurt, FamRZ 2002, 335, 336. 127 Vgl. hierzu auch Schulze, Handeln im Konflikt, S. 200 f. 128 Z. B. von Bracken, KindPrax 1999, 183, 184; Engelhardt, FamRZ 2001, 525, 526; Köckeritz, KindPrax 2001, 16, 21; Kunkel, FPR 2000, 111; Lipinski-Wollenberg / Raack, KindPrax 2003, 3; Menne, ZKJ 2008, 111, 113; Peters / Schimke, KindPrax 1999, 143, 146; Profitlich / Zivier, FPR 2006, 29, 31; Rabe, ZKJ 2007, 437, 440; Stadler / Salzgeber, FPR 1999, 329, 334; Willutzki, ZKJ 2009, 237, 239 f. Zur Rechtsprechung vgl. z. B. die Rechtsprechungsübersicht bei Kieswetter / Schröder, FPR 2006, 20, 22 f. 129 OLG Brandenburg, FamRZ 2007, 1576; OLG Brandenburg, FamRZ 2004, 1798, 1799; OLG Dresden, FamRZ 2002, 968, 969.
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C. Verfahrenspfleger als Interessenvertreter des Kindes
seines rechtlichen Gehörs gesehen wurden, zu beheben. 130 Dieser subjektiv-advokatorische Ansatz verstand den Verfahrenspfleger mithin als kindbezogenen Beteiligtenvertreter. 131 Dementgegen sei die Ermittlung und Einbringung des Kindeswohls in das Verfahren nicht seine Aufgabe, da dies in den Zuständigkeitsbereich des Richters beziehungsweise des Jugendamts falle. 132 Andere vertraten hingegen die Ansicht, dass der Verfahrenspfleger zumindest auch, wenn nicht sogar in erster Linie, dem Kindeswohl verpflichtet sei und mithin Kindeswohlgesichtspunkte zu ermitteln und in das Verfahren einzubringen habe. 133 Denn die verfahrensrechtliche Stärkung des Kindeswillens im Verfahren durch den Verfahrenspfleger und die Regelung des § 50 FGG a. F. dienten insgesamt der Sicherung des Kindeswohls. 134 Folglich hatte der Verfahrenspfleger den Kindeswillen als zentrales Element der Kindeswohlprüfung 135 in das gerichtliche Verfahren einzubringen, jedoch nur insoweit, als der Kindeswille und das Kindeswohl deckungsgleich waren. 136 Widersprachen sich der subjektive Kindeswille und das objektive Kindeswohl, war fraglich, wie mit dieser Situation von Seiten des Verfahrenspflegers umzugehen war. 137 Teilweise ging man davon aus, dass die Pflicht des Verfahrenspflegers zur Übermittlung des Kindeswillens dort ende, wo er an die Grenzen des Kindeswohls stieß. 138 Vereinzelt fanden sich zudem Ansätze, dass der Verfahrenspfleger im Fall des Auseinanderfallens von Kindeswillen und Kindeswohl
130 OLG Dresden, FamRZ 2003, 877, 879; Engelhardt, FamRZ 2001, 525 mit Verweis auf die Gesetzesbegründung. 131 BVerfG, FamRZ 2004, 1267, 1269; BVerfG, NJW 1999, 631, 362; OLG Hamm, FamRZ 2008, 427, 428; OLG Oldenburg, FamRZ 2005, 391; OLG Frankfurt, FamRZ 1999, 1293, 1294; Roth, Grundrechte Minderjähriger, S. 202; Niepmann, MDR 2000, 613, 614; Will, ZfJ 1998, 1, 4. 132 BVerfG, FamRZ 2004, 1267, 1269 f.; Jansen / Zorn, FGG, § 50, Rn. 48; Balloff, FPR 1999, 341, 342; Hannemann / Kunkel, FamRZ 2004, 1833, 1836. 133 OLG Frankfurt, FamRZ 2008, 1364, 1365; OLG Düsseldorf, FamRZ 2003, 167, 168; OLG Karlsruhe, FamRZ 2002, 1660, 1661; OLG Karlsruhe, FamRZ 2001, 1166 mit Anm. Bienwald und Luthin; OLG Naumburg, NJW-RR 2000, 1532, 1533. Auch Zitelmann leitet unter Heranziehung der Vorschriften über die Pflegschaft, insbesondere § 1915 BGB, ab, dass § 50 FGG a. F. primär die Vertretung des Kindeswohls erfasse, deren integraler Bestandteil jedoch der Kindeswille ist, Zitelmann, Kindeswohl und Kindeswille, S. 100. 134 Jansen / Zorn, FGG, § 50, Rn. 49. 135 Siehe B. II. 2. b). 136 OLG Hamm, FamRZ 2008, 427, 428; Jansen / Zorn, FGG, § 50, Rn. 49; Früh, Kindesinteressen, S. 122. 137 Nach Zitelmann zeige sich an diesem Punkt deutlich das berufsethische Dilemma des Verfahrenspflegers, Zitelmann, Kindeswohl und Kindeswille, S. 308. 138 Keidel / Engelhardt, FGG, § 50, Rn. 7.
II. Grundprobleme der Verfahrenspflegschaft nach § 50 FGG a. F.
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auf das Kind einzuwirken 139 und dadurch einen Gleichklang beider Aspekte zu erreichen habe 140. Überwiegend wurde allerdings vertreten, dass beide Gesichtspunkte unabhängig nebeneinander durch den Verfahrenspfleger in das Verfahren einzubringen seien, wobei auf die strenge Differenzierung beider Aspekte geachtet werden müsse. 141 Dabei sollte der Verfahrenspfleger sich im Zweifel für das Kindeswohl einsetzen. 142 Allerdings hatte er dabei auch auf die Privat- und Intimsphäre des Kindes Rücksicht zu nehmen, was begründete Auslassungen bedingen konnte. 143 In der Praxis setzte sich überwiegend letztere Vorgehensweise durch, indem Ausführungen des Verfahrenspflegers sowohl zum Kindeswillen als auch zum Kindeswohl dokumentiert wurden. 144 Dabei trug der Verfahrenspfleger zumeist den Widerspruch zwischen beiden Aspekten mit vor. 145 Teilweise wurde dieser Grundsatzstreit über die objektiv-kindeswohl-orientierte oder subjektiv-advokatorische Funktion des Verfahrenspflegers gerade unter Praktikern aber auch als gänzlich praxis- und realitätsfern eingeordnet, da eine praktische Unterscheidung zwischen Kindeswillen und Kindeswohl bei der Arbeit mit dem Minderjährigen nicht erforderlich bzw. nicht möglich sei. 146 Diese Einschätzung führte jedoch ebenfalls dazu, dass in der Regel beide Aspekte durch den Verfahrenspfleger in das gerichtliche Verfahren eingebracht wurden. Insgesamt zeigten sich an diesem Problem jedoch besonders deutlich die negativen Konsequenzen des gesetzgeberischen Ansatzes größtmöglicher Offenheit bei der Regelung der Verfahrenspflegschaft durch § 50 FGG a. F. Aus der unklaren Aufgabenzuweisung folgten erhebliche Unsicherheiten hinsichtlich der 139 Krille, KindPrax 2003, 12, 15; Stadler / Salzgeber, FPR 1999, 329, 334. A. A. Jansen / Zorn, FGG, § 50, Rn. 49, da so der Kindeswille unzulässigerweise gefiltert und die Möglichkeit des Kindes sich zu äußern, was Sinn und Zweck des Verfahrens sein soll, beschnitten werde. Vgl. auch OLG Dresden, FamRZ 2003, 877, 878. 140 Balloff, FPR 1999, 341, 342. 141 Früh, Kindesinteressen, S. 125; Salgo, Anwalt des Kindes, S. 570; Zitelmann, Kindeswohl und Kindeswille, S. 393; Balloff, FPR 1999, 221; Salgo, FPR 1996, 239, 243; Stadler / Salzgeber, FPR 1999, 329, 334; Schweppe, FPR 2002, 251, 255. 142 Früh, Kindesinteressen, S. 125. A. A. OLG Dresden, FamRZ 2003, 877, 879; Stadler / Salzgeber, FPR 1999, 329, 334. 143 Z. B. wenn andernfalls negative Folgen drohten, etwa weil die Bindung zu jemandem gefährdet würde, Zitelmann, Kindeswohl und Kindeswille, S. 337. Ebenso Köckeritz, KindPrax 2001, 16, 20 f. 144 Mündel u. a., Anwalt des Kindes, S. 153, 214; Münder, Kindschaftrecht, S. 146; Hannemann / Stötzel, ZKJ 2009, 58, 62; Rabe, ZKJ 2007, 437, 440. 145 Rabe, ZKJ 2007, 437, 441. 146 Grüttner, ZKJ 2006, 61, 63; Schulze, ZKJ 2007, 88, 89; Spät, KindPrax 1999, 50, 52; Willutzki, ZKJ 2006, 4, 6. Salgo weist ebenfalls darauf hin, dass die unterschiedlichen Ansichten in der Praxis nicht weit auseinander liegen würden, sodass sich der Streit eigentlich als von „gestern und vorgestern“ erweisen könnte, Salgo u. a. / Salgo, HB Verfahrenpflegschaft, Rn. 68.
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C. Verfahrenspfleger als Interessenvertreter des Kindes
einzelnen Befugnisse und Wirkungskreise des Verfahrenspflegers. Die von der Rechtsprechung entwickelten Aufgabenbeschreibungen 147 des Verfahrenspflegers waren daher sehr vielseitig und z. T. auch widersprüchlich: Er sollte die subjektiven Kindesinteressen erforschen 148 und vor Gericht zur Geltung bringen 149; er sollte zudem als Parteivertreter 150, vergleichbar einem Verfahrensbevollmächtigen 151, auftreten und auf das Verfahren Einfluss nehmen 152. Dabei wurde es als seine Aufgabe angesehen, Defizite im gerichtlichen Verfahren zu beseitigen 153 beziehungsweise zu verhindern 154, dem Gericht Anregungen zur kindgerechten Verfahrensgestaltung zu geben 155 und die verfahrensrechtliche Stellung des Kindes zu stärken 156. Hingegen sei es nicht Aufgabe des Verfahrenspflegers gewesen, den Sachverhalt aufzuklären 157, Tatsachen zu ermitteln 158 oder die dem Kindeswohl am ehesten entsprechende Entscheidung zu finden 159. Dem Verfahrenspfleger stand hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung seiner Tätigkeit ein Ermessensspielraum zu, wobei er jedoch bei mehreren gleichwertigen Alternativen diejenige zu wählen hatte, welche die Beteiligten und die Allgemeinheit, vor allem in finanzieller Hinsicht, am wenigsten belastete. 160
147 Zu den Aufgabenfeldern des Verfahrenspflegers im Einzelnen vgl. auch Menne, JAmt 2005, 274 ff. 148 BVerfG, FamRZ 2004, 1267, 1269; OLG Brandenburg, FamRZ 2007, 1576. 149 OLG Oldenburg, FamRZ 2005, 391; OLG Brandenburg, FamRZ 2004, 1798, 1799; OLG Dresden, FamRZ 2003, 877, 880. 150 BVerfG, FamRZ 2004, 1267, 1269; OLG Köln, ZKJ 2009, 80; OLG Brandenburg, FamRZ 2008, 1633, 1634; OLG Oldenburg, FamRZ 2005, 391; KG, FamRZ 2002, 1661, 1662. 151 OLG Brandenburg, FamRZ 2004, 1798. 152 OLG Frankfurt, FamRZ 2008, 1364, 1365 mit Verweis auf BT-Drucksache 13/4899, S. 129. Siehe auch OLG Brandenburg, FamRZ 2004, 1798; OLG Brandenburg, FamRZ 2003, 882, 884; OLG Brandenburg, FamRZ 2003, 256. 153 OLG Frankfurt, FamRZ 2008, 1364, 1365; OLG Dresden, FamRZ 2003, 877, 879. 154 OLG Brandenburg, FamRZ 2004, 1798. 155 OLG Brandenburg, FamRZ 2009, 1007, 1008; OLG Dresden, FamRZ 2003, 877, 880. 156 OLG Zweibrücken, FamRZ 2004, 1980; OLG Karlsruhe, FamRZ 2003, 243. 157 BVerfG, FamRZ 2004, 1267, 1270; OLG Brandenburg, FamRZ 2004, 1798; OLG Brandenburg, FGPrax 2004, 73, 74; OLG Köln, FamRZ 2003, 1853. 158 OLG Stuttgart, FamRZ 2003, 322; Menne, JAmt 2005, 274, 277. A. A. Krille, KindPrax 2003, 12, 15. 159 BVerfG, FamRZ 2004, 1267, 1269 f.; OLG Brandenburg, Beschluss v. 31.08.2010 –9 WF 160/10, Rn. 8 (zitiert nach juris); OLG Brandenburg, FamRZ 2009, 1007, 1008; OLG Brandenburg, FamRZ 2004, 1982, 1983 mit Anm. Bienwald; OLG Brandenburg, FamRZ 2004, 1789, 1799; OLG Brandenburg, FamRZ 2003, 882, 884. 160 OLG Brandenburg, FamRZ 2011, 924.
II. Grundprobleme der Verfahrenspflegschaft nach § 50 FGG a. F.
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Strittig war, inwiefern und unter welchen Voraussetzungen der Verfahrenspfleger Gespräche mit den Eltern des Kindes 161 oder mit Personen seines näheren Umfelds führen durfte 162. Zudem war fraglich, inwiefern ein Abschlussgespräch mit dem Minderjährigen nach Verfahrensbeendigung zu dem Aufgabenkreis des Verfahrenspflegers gehörte. 163 Auch die Frage, ob der Verfahrenspfleger als Umgangsbegleiter wirken können sollte, wurde kritisch diskutiert. 164 Umstritten war des Weiteren, ob das Aufgabenspektrum des Verfahrenspflegers die Vermittlung zwischen den Beteiligten mit umfasste. 165 Trotz dieser Unklarheiten ging man durchgängig davon aus, dass dem Verfahrenspfleger eine Art Dolmetscherfunktion 166 bzw. „Hörrohr“-Funktion 167 für das minderjährige Kind zukam. Demnach bestand seine Aufgabe auch darin, dem Kind den Verfahrensgang und seine tatsächlichen Auswirkungen verständlich zu machen und es während des Verfahrens unterstützend zu begleiten. 168 Ebenso war er ohne eigenes Kostenrisiko zur Einlegung von Rechtsmitteln gegen gerichtliche Entscheidungen befugt. 169 Aus diesem Grund wurde der Verfahrenspfleger zum Teil als Kontrollinstanz des Gerichts verstanden, die über die richtige Rechtsan161
Vgl. hierzu Söpper, FamRZ 2005, 1787, 1792 f. m. w. N. Vgl. hierzu Menne, ZKJ 2007, 67 f. sowie Söpper, FamRZ 2005, 1787, 1793. Bauer befürwortet dies nachdrücklich und warnt, dass der Verfahrenspfleger andernfalls drohe ein kostenverursachender „zahnloser Papiertiger“ zu werden, Salgo u. a. / Bauer, HB Verfahrenpflegschaft, Rn. 153. 163 Ablehnend: OLG Naumburg, OLG-Report Naumburg 2004, 78, 79; OLG Hamburg, Kind-Prax 2000, 162. Bejahend unter bestimmten Voraussetzungen hingegen: KG, ZKJ 2006, 377; OLG Köln, FamRZ 2003, 1853, 1854. Uneingeschränkt bejahend: Menne, ZKJ 2007, 67, 70. 164 Bejahend: Bode, Praxishandbuch, S. 96 ff. Ablehnend: OLG Frankfurt, FamRZ 2002, 335, 336; Jansen / Zorn, FGG, § 50, Rn. 53 m. w. N.; Stadler / Salzgeber, FPR 1999, 329, 335. 165 In Rechtsprechung und Literatur wurde dies überwiegend abgelehnt, BVerfG, FamRZ 2004, 1267, 1270; OLG Brandenburg, FamRZ 2008, 2221, 2222; OLG Köln, FamRZ 2006, 1057, 1058; OLG Oldenburg, FamRZ 2005, 391, 392; OLG Brandenburg, FamRZ 2004, 1982, 1983; OLG Brandenburg, FamRZ 2004, 1798, 1800; OLG Stuttgart, FamRZ 2003, 934; OLG Dresden, FamRZ 2003, 877, 880; KG, NJW-RR 2001, 73, 74; OLG Frankfurt, FamRZ 1999, 1293, 1294; Jansen / Zorn, FGG, § 50, Rn. 53; Keidel / Engelhardt, FGG, § 50, Rn. 14; Engelhardt, FamRZ 2001, 525. A. A. OLG Düsseldorf, FamRZ 2003, 167, 168; Früh, Kindesinteressen, S. 132; Dölitzsch, Vom Kindesschutz zu Kindesrechten, S. 180; Schweppe, FPR 2002, 251, 254; Willutzki, KindPrax 2004, 83, 88. Vgl. hierzu auch Söpper, FamRZ 2005, 1787, 1793 m. w. N. 166 KG, FamRZ 2003, 1478, 1479; Schweppe, FPR 2002, 251; 253. 167 Hannemann / Kunkel, FamRZ 2004, 1833, 1834. 168 Klenner, ZKJ 2006, 8, 10 f. Dabei dürfe jedoch nicht über den Kindeswillen „hinwegberaten“ und es unzulässig beeinflusst werden, Zitelmann, Kindeswohl und Kindeswille, S. 311 f. 169 Jansen / Zorn, FGG, § 50, Rn. 58. 162
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C. Verfahrenspfleger als Interessenvertreter des Kindes
wendung durch den Richter wachen sollte. 170 Andererseits sahen Einzelne in ihm aufgrund seines Aufgabenspektrums eine Art „Richtergehilfen“ 171, was jedoch überwiegend auf Ablehnung stieß. 172 Insgesamt folgten aus der unklaren Aufgabenzuweisung erhebliche Unsicherheiten bei der praktischen Ausübung der Verfahrenspflegschaft, die nachträglich zumeist im Rahmen der Vergütung ausgetragen wurden. 173 Die stark divergierenden Auffassungen hinsichtlich der Arbeits- und Funktionsweise der Verfahrenspflegschaft bedingten so eine erhebliche anfängliche Skepsis aller Beteiligten gegenüber dem neu eingeführten Institut zur Kindesinteressenvertretung. 5. Die rechtliche Stellung des Verfahrenspflegers Aus der Unbestimmtheit von Aufgabenkreis und Funktion der Verfahrenspflegschaft folgten erhebliche Unsicherheiten bezüglich der sich aus ihr ergebenden Pflichten und Rechte. So blieb fraglich, ob dem Verfahrenspfleger Auskunftsansprüche und Einsichtsrechte zustanden 174, insbesondere in Bezug auf die Akten des Jugendamts. 175 Auch blieb ungeklärt, ob der Verfahrenspfleger zur Verschwiegenheit verpflichtet war 176, ob er Zeugnisverweigerungsrechte geltend machen konnte 177 und inwiefern ihm gegenüber dem Kind eine strafrechtlich relevante Garantenstellung zukam 178.
170 Salgo in: Ev. Akademie Bad Boll, Protokolldienst der Ev. Akademie Bad Boll 7/2000, S. 15, 20; Grüttner, ZKJ 2006, 61, 66. 171 Dormann / Spangenberg, jurisPR-FamR 21.12.2010, 1294, 1295; Grüttner, ZKJ 2006, 245, 249. 172 Jansen / Zorn, FGG, § 50, Rn. 53; Bienwald, Verfahrenspflegschaft, Rn. 842; Salgo u. a. / Bauer, HB Verfahrenpflegschaft, Rn. 168; Grüttner, ZKJ 2006, 61, 66; Willutzki, KindPrax 2004, 83, 84. Diese Gefahr wurde ebenfalls gesehen von Salgo, Anwalt des Kindes, S. 566 sowie von Zitelmann, Kindeswohl und Kindeswille, S. 368. 173 Dem Verfahrenspfleger wurde daher geraten, unter Berücksichtigung der Kostenund Gebührenrisiken selbst zu entscheiden, welcher Auffassung er folgt, Bode, Praxishandbuch, S. 69. Teilweise wurde es jedoch auch als Aufgabe des Gerichts angesehen, seine Auffassung bezüglich des Aufgabenkreises und seiner Grenzen gegenüber dem Verfahrenspfleger durchzusetzen, OLG München, FamRZ 2005, 635, 636. 174 Zitelmann, Kindeswohl und Kindeswille, S. 25. 175 Zitelmann, Kindeswohl und Kindeswille, S. 346 f.; Kunkel, FPR 2000, 111, 113 f. Ablehnend hingegen Jansen / Zorn, FGG, § 50, Rn. 57. 176 Hannemann / Kunkel bejahen die Verschwiegenheitspflicht, die sich aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG herleite, das über die Generalklausel des § 1789 BGB in das Privatrecht hineinwirke, Hannemann / Kunkel, FamRZ 2004, 1833, 1837.
II. Grundprobleme der Verfahrenspflegschaft nach § 50 FGG a. F.
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Eines der umstrittensten Probleme war zudem, ob der Verfahrenspfleger als gesetzlicher Vertreter des Minderjährigen mit entsprechenden Handlungsbefugnissen ausgestattet war oder nicht. Die Gesetzesbegründung selbst machte hierzu widersprüchliche Angaben. So hieß es einerseits, die gesetzliche Vertretungsmacht werde durch die Verfahrenspflegerbestellung nicht entzogen. 179 Andererseits wurde festgehalten, dass der Verfahrenspfleger gerade an die Stelle des gesetzlichen Vertreters treten sollte. 180 So entwickelte sich im Folgenden der Streit, ob der Verfahrenspfleger gesetzlicher Vertreter des Kindes war oder nur wie ein solcher zu behandeln sei. Dies wirkte sich beispielsweise darauf aus, ob man den Eltern ein Beschwerderecht gegen die Verfahrenspflegerbestellung zuerkannte. 181 Überwiegend vertrat man jedoch die Ansicht, dass der Verfahrenspfleger im Gegensatz zum Ergänzungspfleger die Eltern gerade nicht aus ihrer Position als gesetzliche Vertreter verdrängen sollte, da es ansonsten der Schaffung des neuen Instituts neben dem § 1909 BGB nicht bedurft hätte. 182 Einigkeit bestand darüber, dass der Verfahrenspfleger mit der Wirksamkeit seiner Bestellung Beteiligter des Verfahrens wurde und ihm entsprechende Beteiligtenrechte zustanden. 6. Grundzüge der Entschädigung Die Entschädigung für das Tätigwerden als Pfleger in Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit war seit 1999 zunächst in § 67 Abs. 3 FGG a. F. 183 und
177 So angenommen von Hannemann / Kunkel, FamRZ 2004, 1833, 1837 für das FGGVerfahren über die entsprechende Anwendung von § 15 FGG a. F., hingegen abgelehnt für das Strafverfahren. Vgl. hierzu auch Kunkel, FPR 2000, 111 ff. sowie Zitelmann, Kindeswohl und Kindeswille, S. 25, 348 f. 178 Zitelmann, Kindeswohl und Kindeswille, S. 25. 179 BT-Drucksache 13/4899, S. 129. 180 BT-Drucksache 13/4899, S. 130. 181 Siehe C. II. 3. 182 Jansen / Zorn, FGG, § 50, Rn. 57, 61; Keidel / Engelhardt, FGG, § 50, Rn. 9; Salgo u. a. / Salgo, HB Verfahrenpflegschaft, Rn. 30. A. A. Früh, Kindesinteressen, 134; Bassenge / Roth, FGG, § 50, Rn. 12. Differenzierend hingegen Bienwald, Verfahrenspflegschaft, Rn. 421 ff. 183 § 67 Abs. 3 in der Fassung vom 1.01.1999, BGBl. I, S. 1580, 1584: [...] (3) Der Aufwendungsersatz und die Vergütung des Pflegers für das Verfahren sind aus der Staatskasse zu zahlen. Sie bestimmen sich in entsprechender Anwendung der §§ 1908e bis 1908i, mit Ausnahme der dort in Bezug genommenen § 1835 Abs. 3 und 4, §§ 1835a, 1836b Satz 1 Nr. 2, des Bürgerlichen Gesetzbuchs; die Höhe der zu bewilligenden Vergütung ist stets nach Maßgabe des § 1 des Gesetzes über die Vergütung von Berufsvormündern zu bemessen. Im übrigen gilt § 56g Abs. 1 und 5 entsprechend.
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C. Verfahrenspfleger als Interessenvertreter des Kindes
seit 2005 in § 67a FGG a. F. 184 einheitlich geregelt. Über die Verweisung des jeweiligen § 50 Abs. 5 FGG a. F. 185 galt dies ebenfalls für die Entschädigung des Verfahrenspflegers Minderjähriger. Die Regelung des § 67a FGG a. F. erklärte ihrerseits die Vorschriften über die Vergütung des Vormundes nach §§ 1835 ff. BGB und das Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz (VBVG) 186 für entsprechend anwendbar. So erreichte man gezielt einen Gleichlauf der Entschädigung für die Führung der Betreuung, der Vormundschaft und der Verfahrenspflegschaften. 187 Die Entschädigungsregelungen des § 67a FGG a. F. und der §§ 1835 ff. BGB differenzierten danach, ob die Verfahrenspflegschaft berufsmäßig oder ehrenamtlich geführt wurde, wobei das Gesetz von Letzterem als Regelfall ausging. Der ehrenamtliche Verfahrenspfleger erhielt lediglich einen Aufwendungsersatzanspruch nach § 67a Abs. 1 FGG a. F. i. V. m. § 1835 Abs. 1 und 2 BGB. Wurde die Verfahrenspflegschaft ausnahmsweise berufsmäßig geführt, so begründete dies zusätzlich einen Vergütungsanspruch gemäß § 67a Abs. 2 bis 4 FGG a. F. i. V. m. 184
§ 67a FGG in der Fassung vom 1.07.2005, BGBl. I, S. 1073, 1075: (1) Der Pfleger für das Verfahren erhält Ersatz seiner Aufwendungen nach § 1835 Abs. 1 bis 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Vorschuss kann nicht verlangt werden. Eine Behörde und ein Verein als Pfleger erhalten keinen Aufwendungsersatz. (2) § 1836 Abs. 1 und 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt entsprechend. Wird die Pflegschaft ausnahmsweise berufsmäßig geführt, erhält der Pfleger neben den Aufwendungen nach Absatz 1 eine Vergütung in entsprechender Anwendung der §§ 1 bis 3 Abs. 1 und 2 des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes. (3) Anstelle des Aufwendungsersatzes und der Vergütung nach den Absätzen 1 und 2 kann das Vormundschaftsgericht dem Pfleger einen festen Geldbetrag zubilligen, wenn die für die Führung der Pflegschaftsgeschäfte erforderliche Zeit vorhersehbar und ihre Ausschöpfung durch den Pfleger gewährleistet ist. Bei der Bemessung des Geldbetrages ist die voraussichtlich erforderliche Zeit mit den in § 3 Abs. 1 des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes bestimmten Stundensätzen zuzüglich einer Aufwandspauschale von 3 Euro je veranschlagter Stunde zu vergüten. Einer Nachweisung der vom Pfleger aufgewandten Zeit und der tatsächlichen Aufwendungen bedarf es in diesem Fall nicht; weitergehende Aufwendungsersatz- und Vergütungsansprüche des Pflegers sind ausgeschlossen. (4) [...] (5) Der Aufwendungsersatz und die Vergütung des Pflegers sind stets aus der Staatskasse zu zahlen. Im Übrigen gilt § 56g Abs. 1 und 5 entsprechend. 185 § 50 FGG in der Fassung vom 1.01.1999, BGBl. I, 1580, 1583: [...] (5) Der Ersatz von Aufwendungen und die Vergütung des Pflegers bestimmen sich entsprechend § 67 Abs. 3. § 50 FGG in der Fassung vom 1.07.2005, BGBl. I, S. 1073, 1075: [...] (5) Der Ersatz von Aufwendungen und die Vergütung des Pflegers bestimmen sich entsprechend § 67a. 186 VBVG in der Fassung vom 1.07.2005, BGBl. I, S. 1073, 1076; zuvor Gesetz über die Vergütung von Berufsvormündern vom 25.06.1998, BGBl. I, S. 1580, 1586. 187 BT-Drucksache 13/7158, S. 17
II. Grundprobleme der Verfahrenspflegschaft nach § 50 FGG a. F.
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§§ 1, 2, 3 Abs. 1 und 2 VBVG. Die Höhe der Vergütung beurteilte sich dabei grundsätzlich nach § 3 VBVG 188. Dieser sah eine Staffelung des Stundensatzes in Höhe von 19,50 Euro bis 33,50 Euro, je nach Qualifikation des Verfahrenspflegers, vor. Das Pauschalvergütungssystem der §§ 4 ff. VBVG fand mangels Verweisung in § 67a Abs. 2 S. 2 FGG a. F. hingegen keine Anwendung. Allerdings bestand nach § 67a Abs. 3 FGG a. F. die Möglichkeit, gerichtlich im Voraus 189 einen festen Geldbetrag zuzüglich eines pauschalen Aufwendungsersatzes zuzubilligen, wenn der für die Pflegschaftsgeschäfte erforderliche Zeitaufwand vorhersehbar und seine Ausschöpfung durch den Verfahrenspfleger gewährleistet war. Mangels Vorhersehbarkeit des notwendigen Zeitaufwandes wurde hiervon in der Praxis jedoch kaum Gebrauch gemacht. 190 Die Ansprüche des Verfahrenspflegers richteten sich gemäß § 67a Abs. 5 FGG a. F. gegen die Staatskasse. 191 Der Verfahrenspfleger konnte einen Vergütungsanspruch nur für den zeitlichen Aufwand verlangen, der zur konkreten Aufgabenwahrnehmung im Rahmen seiner Kompetenzen und Verpflichtungen als erforderlich angesehen wurde. Ob dies der Fall war, wurde im Wege einer Plausibili-
188 § 3 VBVG (1) Die dem Vormund nach § 1 Abs. 2 zu bewilligende Vergütung beträgt für jede Stunde der für die Führung der Vormundschaft aufgewandten und erforderlichen Zeit 19,50 Euro. Verfügt der Vormund über besondere Kenntnisse, die für die Führung der Vormundschaft nutzbar sind, so erhöht sich der Stundensatz 1. auf 25 Euro, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Lehre oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind; 2. auf 33,50 Euro, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder durch eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind. Eine auf die Vergütung anfallende Umsatzsteuer wird, soweit sie nicht nach § 19 Abs. 1 Umsatzsteuergesetzes unerhoben bleibt, zusätzlich ersetzt. (2) [...] (3) Soweit die besondere Schwierigkeit der vormundschaftlichen Geschäfte dies ausnahmsweise rechtfertigt, kann das Vormundschaftsgericht einen höheren als den in Absatz 1 vorgesehenen Stundensatz der Vergütung bewilligen. Dies gilt nicht, wenn das Mündel mittellos ist. (4) [...] 189 LG Mönchengladbach, Rpfleger 2003, 365; Bassenge / Roth, FGG, § 67a, Rn. 8; Jansen / Zorn, FGG, § 50, Rn. 91. 190 OLG Oldenburg, FamRZ 2005, 391; Bode, Praxishandbuch, S. 120.; Menne, ZKJ 2009, 68, 72. 191 Für die Geltendmachung des Vergütungsanspruchs bestand eine von Amts wegen zu berücksichtigende Ausschlussfrist von 15 Monaten ab Entstehung des Anspruchs, §§ 50 Abs. 5, 67a Abs. 2 FGG a. F. i. V. m. § 2 VBVG.
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C. Verfahrenspfleger als Interessenvertreter des Kindes
tätskontrolle geprüft. 192 Dabei wirkten sich insbesondere die stark divergierenden Auffassungen zu Aufgabenkreis und Funktion der Verfahrenspflegschaft negativ aus. 193 Denn die Gesamtkosten der Verfahrenspflegschaft variierten aufgrund der uneinheitlichen Rechtsprechung 194 stark zwischen den jeweiligen Gerichtsbezirken. 195 Gerade diese uneinheitliche Vergütungspraxis führte insgesamt zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit. In der Folge wies das Bundesverfassungsgericht im Jahre 2004 darauf hin, dass es nach Art. 12 Abs. 1 GG geboten sei, eine angemessene Entschädigung des Verfahrenspflegers für Minderjährige sicherzustellen. 196 Denn der Verfahrenspfleger erfülle Aufgaben des Staates, deren ordentliche Wahrnehmung gerade auch im öffentlichen Interesse liege. Eine Beschränkung des Vergütungsanspruchs aus Kostengründen sei daher nur innerhalb der Grenzen der Zumutbarkeit gerechtfertigt. Dabei sei jedoch insbesondere zu berücksichtigen, dass der verfassungsrechtlich gebotene Standard der Interessenvertretung des minderjährigen Kindes durch den Verfahrenspfleger gewahrt bleibe. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes war dies seinerzeit jedoch nicht zu beanstanden. 197
III. Zusammenfassung Die Einführung des § 50 FGG a. F. gilt als Meilenstein in der Entwicklung der Rechtsstellung minderjähriger Kinder. Nur kurze Zeit nach Inkrafttreten der Regelung bestätigte das Bundesverfassungsgericht, dass der Gesetzgeber seine aus den verfassungsrechtlichen Vorgaben folgende Verpflichtung zur Sicherung der Grundrechte des Minderjährigen durch Einführung der Verfahrenspflegschaft erfüllt habe. 198 Durch die erstmalige Implementierung einer eigenen Interessenvertretung im Kindschaftsverfahren fand die Subjektstellung des Minderjährigen die ihm gebührende Anerkennung. Das minderjährige Kind wurde nunmehr als durch das Verfahren Betroffener respektiert, in dasselbe einbezogen und erhielt,
192
OLG Brandenburg, Beschluss v. 20.07.2012, 9 WF 172/09, Rn. 6 (zitiert nach juris); OLG Brandenburg, FamRZ 2009, 1007, 1008; OLG Oldenburg, FamRZ 2005, 391; OLG Brandenburg, FamRZ 2004, 1798. 193 Siehe C. II. 4. 194 Vgl. die zusammenfassenden Darstellungen bei Mündel u. a., Anwalt des Kindes, S. 117 ff. sowie Söpper, FamRZ 2005, 1787 ff. und Kieswetter / Schröder, FPR 2006, 20 ff. 195 Während der Mittelwert der Kosten im OLG-Bezirk Brandenburg zwischen 373 Euro und 606 Euro schwankte, lag er im OLG-Bezirk Karlsruhe beispielsweise zwischen 889 Euro und 1049 Euro, Hannemann / Stötzel, ZKJ 2009, 58, 66. 196 BVerfG, FPR 2004, 622, 623. 197 BVerfG, FPR 2004, 622, 624. 198 BVerfG, FamRZ 1999, 85, 87; BVerfG, NJW 2003, 3544.
III. Zusammenfassung
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als zwingende Konsequenz seiner Subjektstellung, den zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlichen Vertreter zur Seite gestellt. Allerdings erwies sich die regelungstechnisch sehr offen gestaltete Vorschrift des § 50 FGG a. F. als ein aus politischer Motivation heraus äußerst halbherzig konstruierter Minimalkompromiss. Die wesentliche Frage, was denn eigentlich die Funktion des Verfahrenspflegers sei und welche Aufgaben sich hieraus ableiteten, blieb ungeklärt und wurde der Rechtsfortbildung überantwortet. Literatur und Rechtsprechung nahmen dieses Thema auf, kamen jedoch zu keiner einheitlichen Lösung. Vielmehr entwickelten sich stark voneinander abweichende Ansätze, die insgesamt zu einer fast unüberschaubaren Fülle an divergierenden Entscheidungen und einem breiten Diskussionsspektrum führten. Diese Unklarheit setzte sich in vielen Problembereichen fort. In der Folge bestand eine erhebliche Rechtsunsicherheit aller Beteiligten, einschließlich des Verfahrenspflegers selbst, im Umgang mit der Verfahrenspflegschaft. Die damit von vornherein als schwierig empfundene Implementierung des neuen Instituts wurde hierdurch zusätzlich behindert und man befürchtete, dass die Verfahrenspflegschaft durch die restriktive Rechtsprechung zu einem „verfahrensrechtlichen Placebo ohne inneren Wert und ohne Gewicht“ 199 degenerieren könnte. Schon bald nach dem Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes bestand daher Einigkeit darüber, dass die Vorschrift des § 50 FGG a. F. nachzubessern sei und der Ruf nach einer Reform durch den Gesetzgeber wurde immer lauter. 200 Dementsprechend begann man bereits 2004 zu prüfen, welche Änderungen an § 50 FGG a. F. vorgenommen werden müssten. 201 Dies fand Eingang in das Reformvorhaben für das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz).
199
Bode, Praxishandbuch, S. 12. Bode, Praxishandbuch, S. 70; Gummersbach, Subjektstellung des Kindes, S. 439; Menne, FamRZ 2005, 1035, 1037; Grüttner, ZKJ 2006, 61, 70; Sander, FPR 2006, 32, 33; Stötzel, FPR 2006, 17, 20. 201 BT-Drucksache15/2399, S. 4; Menne, FamRZ 2005, 1035, 1037. 200
D. Die Stärkung der verfahrensrechtlichen Position des Minderjährigen durch das FGG-Reformgesetz I. Grundzüge der gesetzgeberischen Intention Bereits 1977 zeigten sich erste Ansätze zur Reformierung des noch aus dem 19. Jahrhundert stammenden Rahmengesetzes des FGG in Form des Kommissionsentwurfs einer „Verfahrensordnung für die freiwillige Gerichtsbarkeit“ (FrGO). 1 Denn schon früh setzte sich die Erkenntnis durch, dass die bestehenden, vielfach zersplitterten Regelungen des FGG lückenhaft waren, wegen ihrer Unübersichtlichkeit und unsystematischen Verweisungstechnik die Rechtsanwendung erschwerten und somit die Rechtssicherheit erheblich beeinträchtigten. Die Umsetzung des Kommissionsentwurfs blieb jedoch zunächst aus. Erst rund 30 Jahre später griff man das Vorhaben, das FGG zu reformieren und zu vereinheitlichen, wieder auf. Ausschlaggebend war dabei der Gedanke, dass den Gesetzgeber eine besondere Fürsorgepflicht treffe, eine allgemein verständliche und moderne Verfahrensordnung zu schaffen, die es dem Einzelnen ermöglicht, seine materiellen Rechte gerade dort effektiv durchzusetzen, wo seine innersten Lebensbereiche betroffen sind. 2 Hauptziel der Reform war es demnach, das Verfahren in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit insgesamt einfacher und übersichtlicher zu gestalten. 3 Um dies zu verwirklichen, sollte zum einen der Kreis der Familiensachen erweitert und das lange geforderte Große Familiengericht geschaffen werden. 4 Zum anderen wollte man die bisher in verschiedenen Einzelgesetzen verstreuten Regelungen für die Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit in einem Gesetz zusammenfassen und im Interesse der Übersichtlichkeit und der Rechtssicherheit nicht gebotene Abweichungen und Verweisungen vermeiden. Der Gesetzesaufbau, aber auch die Gesetzessprache sollten insgesamt anwenderfreundlicher werden. 5 Ein wesentliches Ziel war es außerdem, die konfliktvermeidenden und konfliktlösenden Elemente im fa-
1 2 3 4 5
Vgl. Keidel / Sternal, FamFG, Einl., Rn. 10. BT-Drucksache 16/6308, S. 1. BT-Drucksache 16/6308, S. 164; Bumiller / Harders, FamFG, Einl., Rn. 4. BT-Drucksache 16/6308, S. 2. BT-Drucksache 16/6308, S. 164.
II. Verfahrensrechtliche Position Minderjähriger
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miliengerichtlichen Verfahren zu stärken. 6 Damit einher ging auch der Ausbau der Beteiligten- und Mitwirkungsrechte mit erheblichem Einfluss auf die verfahrensrechtliche Position der betroffenen minderjährigen Kinder. 7 Dabei sollte insbesondere für die in § 151 FamFG neu definierten Kindschaftssachen hervorgehoben werden, dass der Minderjährige und sein Wohl im Zentrum des Verfahrens stehen. 8 Dies spiegelt sich bereits in der gesetzlichen Definition des Beteiligten gemäß § 7 FamFG wider sowie in der Ausgestaltung der Beteiligtenund Verfahrensfähigkeit nach § 8 und § 9 FamFG. 9 Des Weiteren wurden spezielle Verfahrensregelungen für die Kindschaftssachen nach §§ 151 ff. FamFG eingeführt, welche die besondere Berücksichtigung des Kindes als Verfahrenssubjekt unterstreichen. 10 Hierzu zählt insbesondere die Neugestaltung der Regelung über die Verfahrensbeistandschaft in § 158 FamFG, die den stark kritisierten § 50 FGG a. F. ablöst. 11
II. Die verfahrensrechtliche Position Minderjähriger nach den §§ 7 ff. FamFG 1. Rückblick: Die verfahrensrechtliche Position Minderjähriger unter der Geltung des FGG a) Der Beteiligtenbegriff Unter der Geltung des FGG fehlte es an einer gesetzlichen Definition des Beteiligtenbegriffs 12, obwohl er in einer Vielzahl der Normen verwendet wurde. 13 In der Folge entwickelten die Rechtsprechung und die Lehre den sogenannten doppelten Beteiligtenbegriff, der zwischen der Beteiligung im formellen und 6 Z. B. durch § 36 FamFG (Vergleich), § 135 FamFG (außergerichtliche Streitbeilegung), § 156 FamFG (Hinwirken auf Einvernehmen), § 155 FamFG (Vorrang- und Beschleunigungsgebot), § 158 FamFG (Verfahrensbeistand). 7 BT-Drucksache 16/6308, S. 164. 8 BT-Drucksache 16/6308, S. 233. 9 Siehe D. II. 3. 10 Siehe D. III. 11 Siehe E. 12 Dies beruht auf dem Umstand, dass die von einem solchen Verfahren Betroffenen ursprünglich nicht als mitwirkungsberechtigte Rechtssubjekte, sondern als bloße Objekte der amtlichen Wohlfahrtspflege verstanden wurden, vgl. RGZ 60, 134, 137; RGZ 62, 132, 134; RGZ 64, 16, 18. Erst mit Inkrafttreten des Grundgesetzes 1949 und den damit einhergehenden rechtsstaatlichen Prinzipien wurde der Betroffene auch als Beteiligter anerkannt, Gummersbach, Subjektstellung des Kindes, S. 9. 13 Z. B. §§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 9, 13, 13a Abs. 1, 15 Abs. 2, 41, 53b Abs. 1, 86 Abs. 1, 155 Abs. 3 FGG a. F.
102
D. Stärkung der verfahrensrechtlichen Position des Minderjährigen
im materiellen Sinn unterschied. 14 Als materiell Beteiligter galt derjenige, dessen materielle Rechtsstellung durch die zu erwartende oder bereits erlassene Entscheidung unmittelbar betroffen wurde oder betroffen werden konnte, unabhängig davon, ob er auch tatsächlich an dem Verfahren teilnahm. 15 Dies setzte die Prognose einer möglichen Rechtsbeeinträchtigung durch die gerichtliche Entscheidung voraus. 16 Eine bloße Anhörungspflicht oder ein Antrags- bzw. Beschwerderecht allein genügten jedoch nicht, um eine materielle Betroffenheit zu begründen. 17 Formell Beteiligter war hingegen derjenige, der an dem Verfahren tatsächlich teilnahm, entweder weil er von dem Gericht hinzugezogen wurde 18 oder weil er von sich aus in das Verfahren eingriff, beispielsweise in Ausübung gesetzlich eingeräumter Antrags- oder Beschwerderechte. 19 Zwischen der formellen und der materiellen Beteiligung bestand kein unmittelbarer Zusammenhang. Daher galt der Grundsatz, dass ein formell Beteiligter nicht zugleich materiell Beteiligter sein musste und umgekehrt. 20 Für den Minderjährigen war eine materielle Betroffenheit in den seine Person betreffenden Verfahren des FGG zwar anerkannt 21, sodass er vielfach als materiell Beteiligter galt. Bis auf wenige Ausnahmefälle 22 fehlte es aber an seiner formellen Beteiligung. Mithin wurde der Minderjährige an den Verfahren, in denen es um seine höchstpersönlichen Rechte ging, in der Regel nicht umfassend beteiligt.
14 Bassenge / Roth, FGG, Einl., Rn. 21; Keidel / Zimmermann, FGG, § 6, Rn. 18; Musielak / Borth, FamFG, § 7, Rn. 2; Holzer, ZNotP 2009, 122, 124. A. A. Kollhosser, Beteiligte, S. 349, der sich für eine Unterscheidung in Haupt- und Nebenbeteiligte aussprach. Hierzu kritisch Holzer, ZNotP 2009, 122, 125. 15 Bumiller / Harders, FamFG, § 7, Rn. 1; Keidel / Zimmermann, FGG, § 6, Rn. 18 m. w. N. 16 Roth, GS für Manfred Wolf, S. 503, 504. 17 BGH, NJW 1999, 3718, 3719; Bassenge / Roth, FGG, Einl., Rn. 22. 18 Ob zu Recht oder zu Unrecht war dabei unerheblich, BGH, NJW 1999, 3718, 3719; Keidel / Zimmermann, FGG, § 6, Rn. 18. Die Hinzuziehung als Beteiligter oder deren Ablehnung war mit der Beschwerde anfechtbar, Bumiller / Winkler, FGG, Vor § 13, Rn. 5. 19 Bassenge / Roth, FGG, Einl., Rn. 24; Bumiller / Harders, FamFG, § 7, Rn. 1. Die bloße Anregung eines Amtsverfahrens ohne materielle Betroffenheit genügte hingegen nicht, BGH, NJW 1999, 3718, 3719. 20 Bassenge / Roth, FGG, Einl., Rn. 21. 21 BVerfGE 55, 171, 179 = BVerfG, NJW 1981, 217. 22 Z. B. § 59 FGG a. F.
II. Verfahrensrechtliche Position Minderjähriger
103
b) Die Beteiligten- und Verfahrensfähigkeit Ebenso wie der Beteiligtenbegriff waren auch die Voraussetzungen für die Beteiligten- und die Verfahrensfähigkeit im FGG-Verfahren nicht gesetzlich definiert. Die Beteiligtenfähigkeit ist die Fähigkeit, Beteiligter eines Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu sein 23 und entsprach unter der Geltung des FGG im Wesentlichen der Rechtsfähigkeit nach materiellem Recht. 24 Als beteiligtenfähig galten daher zunächst alle natürlichen Personen und somit auch der Minderjährige. Des Weiteren waren alle rechtsfähigen juristischen Personen und alle Behörden ohne Rechtspersönlichkeit beteiligtenfähig, soweit sie ein eigenes Antrags- oder Beschwerderecht besaßen. 25 Um selbstständig eigene Rechte im Verfahren wahrnehmen zu können, bedarf es zudem der Verfahrensfähigkeit. Darunter versteht man die Fähigkeit, im Verfahren eigenständig als Beteiligter aufzutreten und Verfahrenshandlungen selbst oder durch einen selbst bestellten Verfahrensvertreter wirksam vorund entgegennehmen zu können. 26 Für die Verfahren nach dem FGG wurde die Verfahrensfähigkeit anhand der §§ 104 ff. BGB bestimmt. 27 Demnach waren gemäß § 104 BGB Geschäftsunfähige grundsätzlich nicht verfahrensfähig, soweit das Gesetz ihnen nicht ausnahmsweise ausdrücklich die Verfahrensfähigkeit zusprach. 28 Gleiches galt grundsätzlich auch für einen nach § 106 BGB beschränkt Geschäftsfähigen, denn die §§ 105a und 107 bis 111 BGB wurden für unanwendbar und das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit als der schwebenden Verfahrensfähigkeit nicht zugänglich erklärt. 29 Dies wurde zum einen damit begründet, dass es bei der Verfahrensfähigkeit um einseitige Verfahrenshandlungen gehe, die eben nicht mit einem Vertragsschluss vergleichbar 23
Bassenge / Roth, FGG, Einl., Rn. 31. BayObLG, NJW-RR 1990, 1446, 1447 m. w. N.; Bumiller / Winkler, FGG, Vor § 13, Rn. 6; Jansen / von König, FGG, § 13, Rn. 2. Umstritten war dabei, ob insoweit § 50 ZPO heranzuziehen war, oder nicht. Zum Streitstand siehe Gummersbach, Subjektstellung des Kindes, S. 10. 25 Z. B. das Jugendamt nach § 57 Abs. 1 Nr. 9 FGG a. F. Zur Beteiligtenfähigkeit vgl. auch die umfassende Darstellung bei Jansen / von König, FGG, § 13, Rn. 3ff. 26 OLG Stuttgart, NJW 2006, 1887; BayObLG, NJW-RR 2005, 1384; Bumiller / Winkler, FGG, Vor § 13, Rn. 19; Jansen / von König, FGG, § 13, Rn. 13; Keidel / Zimmermann, FGG, § 13, Rn. 44. 27 BGHZ 35, 1, 4 = BGH, NJW 1961, 1397; BGHZ 52, 1 = BGH NJW 1967, 1564; OLG Frankfurt, DNotZ 1965, 482, 483; Bumiller / Winkler, FGG, Vor § 13, Rn. 14; Jansen / von König, FGG, § 13, Rn. 14; Keidel / Zimmermann, FGG, § 13, Rn. 32. A. A. für echte Streitverfahren OLG Stuttgart, NJW 2006, 1887, 1889; Bärmann, Freiwillige Gerichtsbarkeit, S. 72; Baur, DNotZ 1965, 484, 486, wonach §§ 51, 52 ZPO analog anzuwenden gewesen seien. 28 So z. B. in §§ 66, 70a FGG a. F. 29 Bassenge / Roth, FGG, Einl., Rn. 38; Jansen / von König, FGG, § 13, Rn. 14. 24
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D. Stärkung der verfahrensrechtlichen Position des Minderjährigen
seien, sodass die §§ 105a und 108 bis 110 BGB deshalb nicht angewendet werden könnten. Zum anderen fehle es auch hinsichtlich der §§ 107 und 111 BGB bei den Verfahrenshandlungen an dem erforderlichen vermögensrechtsgeschäftlichen Charakter. 30 Vereinzelt wurden jedoch von diesem Grundsatz abweichend ausnahmsweise auch beschränkt Geschäftsfähige als verfahrensfähig anerkannt. Dies galt beispielsweise für den Fall, dass sie nach materiellem Recht für den Verfahrensgegenstand als teilrechtsfähig galten 31 oder der Verfahrensgegenstand höchstpersönliche Rechte betraf und der Minderjährige über vierzehn Jahre alt war. 32 Des Weiteren wurde diskutiert, ob der Minderjährige, der das vierzehnte Lebensjahr vollendet hatte, aufgrund seines Beschwerderechtes nach § 59 FGG a. F. generell als verfahrensfähig anzusehen sei. Denn nach überwiegender Ansicht 33 implizierte das Beschwerderecht die Befähigung zur Vornahme aller weiteren Verfahrenshandlungen. Allerdings wurde diese Verfahrensfähigkeit für den Minderjährigen überwiegend auf die Beschwerdeinstanz beschränkt und erstreckte sich nicht auch auf die Ausgangsinstanz. 34 Im Ergebnis galt das minderjährige Kind somit auch ab Vollendung des vierzehnten Lebensjahres als verfahrensunfähig, soweit nicht eine der beschriebenen Ausnahmen vorlag. Als Verfahrensunfähiger bedurfte der Minderjährige zur Teilnahme am Gerichtsverfahren in der Regel daher der gesetzlichen Vertretung. Hierzu waren gemäß §§ 1626, 1629 BGB regelmäßig die Eltern berufen. c) Fazit Im Ergebnis war unter der Geltung des FGG zwar anerkannt, dass der Minderjährige durch bestimmte Verfahren betroffen und somit materiell Beteiligter sein konnte, die formelle Beteiligung blieb ihm jedoch in der Regel verwehrt. Für den seltenen Fall, dass es zu einer formellen Beteiligung des minderjährigen Kindes kam, galt es als beteiligtenfähig, aber grundsätzlich nicht als verfahrensfähig und musste daher durch seine Eltern vertreten werden. Dies führte naturgemäß zu Konfliktlagen, wenn ein Interessenwiderstreit zwischen dem Kind und den zur Vertretung berufenen Eltern bestand. Diese als unbefriedigend empfun30
Jansen / von König, FGG, § 13, Rn. 14. Z. B. nach §§ 112, 113, 1750 Abs. 3, 2229 Abs. 1 BGB. Vgl. hierzu auch Jansen / von König, FGG, § 13, Rn. 27. 32 Z. B. in Verfahren nach § 1303 Abs. 2 BGB. Vgl. auch die Aufzählung bei Bassenge / Roth, FGG, Einl., Rn. 39 f. 33 Jansen / Briesemeister, FGG, § 59, Rn. 4; Keidel / Engelhardt, FGG, § 59, Rn. 4. 34 Jansen / von König, FGG, § 13, Rn. 26; Kunz, ZfJ 1980, 630, 633. A. A. MünchKommBGB / Olzen, § 1666, Rn. 232; Salgo, ZfJ 1985, 259, 266. 31
II. Verfahrensrechtliche Position Minderjähriger
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dene Situation 35 fand Eingang in die FGG-Reform und die damit einhergehende gesetzliche Regelung des Beteiligtenbegriffs sowie der Beteiligten- und Verfahrensfähigkeit nach dem FamFG. 2. Die gesetzliche Definition des Beteiligten gemäß § 7 FamFG und ihre Auswirkung für die Rechtsstellung Minderjähriger im Kindschaftsverfahren Als eines der Kernstücke 36 der FGG-Reform gilt die gesetzliche Definition des Beteiligtenbegriffs in § 7 FamFG. Durch diese normative, strenge Formalisierung wurde ein einheitlicher Beteiligtenbegriff für alle Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit mit dem Ziel geschaffen, das Grundrecht auf rechtliches Gehör besser zu gewährleisten und die gesteigerten Mitwirkungsrechte der am Verfahren teilnehmenden Personen zu akzentuieren. 37 Entsprechend dem Aufbau des FamFG stellt der im allgemeinen Teil verortete § 7 FamFG eine Generalklausel dar 38, während die Bücher 2 bis 8 die für das jeweilige Verfahren geltenden Spezialvorschriften enthalten. 39 Auf Ehe- (§ 121 FamFG) und Familienstreitsachen (§ 112 FamFG) ist § 7 FamFG gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 FamFG allerdings nicht anwendbar. 40 Die Regelung des § 7 FamFG unterscheidet dreierlei Arten der Beteiligten: zum einen die Beteiligten kraft Gesetzes (Abs. 1), zum anderen die Muss-Beteiligten (Abs. 2) und schließlich die Kann-Beteiligten (Abs. 3) 41, wobei die Beteiligung nach § 7 Abs. 2 und Abs. 3 FamFG durch gerichtliche Hinzuziehung 42 begründet wird. 35 Vgl. hierzu z. B. Dölitzsch, Vom Kindesschutz zu Kindesrechten, S. 211, die eine stärkere Anerkennung eigener prozessualer Handlungsrechte des Minderjährigen forderte. 36 BT-Drucksache 16/6308, S. 177. Prütting / Helms / Prütting, FamFG, § 7, Rn. 6 sieht darin zudem eine der wichtigsten Neuerungen des FGG-Reformgesetzes. 37 BT-Drucksache 16/6308, S. 178; Haußleiter / Gomille, FamFG, § 7, Rn. 5. Kritisch hierzu Maurer, FamRZ 2009, 465, 470 Fn. 38, der bemängelt, dass die Formalisierung des Beteiligtenbegriffs wegen der materiell-rechtlichen Anknüpfung in § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG nicht gelungen sei. 38 Johannsen / Henrich / Althammer, FamFG, § 7, Rn. 2. 39 Z. B. §§ 172, 188, 204, 212, 219, 274, 315, 345, 412, 418 FamFG. 40 Für diese Verfahren gelten nach § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG die Regelungen der ZPO, wenn auch unter Verwendung der speziellen Begrifflichkeiten des § 113 Abs. 5 FamFG. Vgl. auch Schael, FamRZ 2009, 7 f. 41 BT-Drucksache 16/6308, S. 178 f. Büte, FuR 2008, 537 f., beschreibt dies als ein Vier-Klassen-System der Beteiligung. Zum Teil wird auch weiterhin an der Unterscheidung zwischen materiell und formell Beteiligtem festgehalten, siehe Johannsen / Henrich / Althammer, FamFG, § 7, Rn. 2; Keidel / Zimmermann, FamFG, § 7, Rn. 3, 7. 42 Die Differenzierung in Beteiligte kraft Gesetzes und Kraft Hinzuziehung folgt dem Vorschlag des bereits 1977 veröffentlichten Entwurfs der Kommission für das Recht
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D. Stärkung der verfahrensrechtlichen Position des Minderjährigen
a) Der Beteiligte kraft Gesetzes gemäß § 7 Abs. 1 FamFG Gemäß § 7 Abs. 1 FamFG ist der Antragsteller in Antragsverfahren kraft Gesetzes Beteiligter. Streng formeller Anknüpfungspunkt ist damit die Antragstellung (§ 23 FamFG), ohne dass es darauf ankommt, ob tatsächlich ein materiell-rechtlicher Anspruch besteht. Dies gilt jedoch ausdrücklich nur für Antragsverfahren, nicht hingegen für Amtsverfahren. Ein bezüglich eines von Amts wegen einzuleitenden Verfahrens gestellter Antrag ist nach ständiger Rechtsprechung 43 nur als Anregung zur Verfahrenseinleitung zu verstehen. Allerdings wird zum Teil vertreten, dass auch ein solcher unechter Antrag auf Einleitung eines Amtsverfahrens zumindest dann zu einer Beteiligung nach § 7 Abs. 1 FamFG führen müsse, wenn die Antragstellung zum Schutz eigener oder anvertrauter Interessen erfolgt. 44 Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass eine solche extensive Auslegung dem eindeutigen Gesetzeswortlaut widerspricht, der die Beteiligung nach § 7 Abs. 1 FamFG ausdrücklich nur für Antragsverfahren vorsieht. 45 Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck der Regelung, die eine zwingende Beteiligung deshalb anordnet, weil über einen im Antragsverfahren gestellten Antrag zwingend und unabhängig von dem Bestehen eines materiellen Rechts immer entschieden werden muss. 46 Bei Amtsverfahren ist das hingegen gerade nicht der Fall. Zudem besteht für eine Erstreckung des § 7 Abs. 1 FamFG auf derlei unechte Anträge auch keine Notwendigkeit, denn der in Amtsverfahren materiell Betroffene ist über § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG zu beteiligen und wird somit ausreichend geschützt. Des Weiteren wird diskutiert, ob neben dem Antragsteller auch der Antragsgegner kraft Gesetzes gemäß § 7 Abs. 1 FamFG Beteiligter wird. 47 Auch hier ist jedoch auf den eindeutigen Wortlaut des Gesetzes abzustellen, der den Antragsgegner gerade nicht einbezieht. Dies ist auch nicht erforderlich, da der Antragsgegner regelmäßig gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG vom Gericht zwingend als Beteiligter hinzuzuziehen sein wird. 48
der freiwilligen Gerichtsbarkeit einschließlich des Beurkundungsrechts, BT-Drucksache 16/6308, S. 177. 43 OLG Frankfurt, FamRB 2012, 7; Haußleiter / Gomille, FamFG, § 7, Rn. 7; Keidel / v. König / v. Schuckmann, FGG, Vor. §§ 8 – 18 FGG, Rn. 5. 44 MünchKomm-ZPO / Pabst, § 7 FamFG, Rn. 5; Brehm, FG, § 7, Rn. 6. 45 So im Ergebnis auch OLG Hamm, ZKJ 2012, 195. 46 BT-Drucksache 16/6308, S. 178. 47 So vertreten von Haußleiter / Gomille, FamFG, § 7, Rn. 7; MünchKomm-ZPO / Pabst, § 7 FamFG, Rn. 4. 48 Bumiller / Harders, FamFG, § 7, Rn. 4; Johannsen / Henrich / Althammer, FamFG, § 7, Rn. 5; Keidel / Zimmermann, FamFG, § 7, Rn. 9; Prütting / Helms / Prütting, FamFG, § 7, Rn. 21a; Roth, GS für Manfred Wolf, S. 503, 507; Bruns, NJW 2009, 2797, 2799.
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Aus der Regelung des § 7 Abs. 1 FamFG folgt damit für den Minderjährigen, dass er kraft Gesetzes Verfahrensbeteiligter wird, soweit er durch einen eigenen Antrag, z. B. gemäß § 1748 BGB, ein Antragsverfahren einleitet. 49 b) Die Beteiligten kraft Hinzuziehung gemäß § 7 Abs. 2 und 3 FamFG Die Beteiligtenstellung gemäß § 7 Abs. 2 und 3 FamFG erfordert im Gegensatz zu § 7 Abs. 1 FamFG grundsätzlich die Hinzuziehung durch das Gericht. Dabei ist zwischen den sogenannten Muss-Beteiligten nach Abs. 2 und den KannBeteiligten nach Abs. 3 zu unterscheiden. 50 aa) Die Muss-Beteiligten gemäß § 7 Abs. 2 FamFG § 7 Abs. 2 FamFG ordnet an, wer an einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zwingend, wenn auch erst kraft Hinzuziehung durch das Gericht, zu beteiligen ist. Dabei muss zwischen der Hinzuziehung wegen unmittelbarer Betroffenheit i. S. v. Nr. 1 und aufgrund einer gesetzlichen Anordnung i. S. v. Nr. 2 unterschieden werden. Gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG sind zwingend und ohne gerichtlichen Ermessensspielraum diejenigen zu beteiligen, deren Rechte durch das Verfahren unmittelbar betroffen sind. Hierbei handelt es sich um eine Auffangklausel für alle nicht von § 7 Abs. 2 Nr. 2 FamFG erfassten Personen, soweit diese wiederum nicht durch Spezialregelungen als Kann-Beteiligte i. S. d. § 7 Abs. 3 FamFG erfasst werden. 51 Durch die materiell-rechtliche Anknüpfung an die unmittelbare Betroffenheit führt die Regelung das zum FGG entwickelte Konzept des materiell Beteiligten fort, sodass die hierzu maßgebliche Rechtsprechung übertragbar ist. 52 Unter einem Recht i. S. v. § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG ist somit jedes rechtlich geschützte Individualinteresse i. S. e. materiellen, nach öffentlichem oder privatem Recht geschützten Rechtsposition eines Einzelnen zu verstehen. 53 Nicht erfasst sind hingegen rechtlich nicht geschützte Interessen sozialer, wirtschaftlicher
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So auch Althammer in: Coester-Waltjen / Lipp / Schumann / Veit, Kindesschutz, 207, 208; Schael, FamRZ 2009, 265, 266; FamVerf / Schael, § 2, Rn. 93. 50 Begriffe eingeführt durch die Gesetzesbegründung, siehe BT-Drucksache 16/6308, S. 178 f. 51 So z. B. die gesetzlichen Erben gemäß § 345 Abs. 1 Nr. 1 FamFG. BT-Drucksache 16/6308, S. 178; MünchKomm-ZPO / Pabst, § 7 FamFG, Rn. 8. 52 B / J/S / Jacoby, FamFG, § 7, Rn. 13.1; Johannsen / Henrich / Althammer, FamFG, § 7, Rn. 8. 53 OLG Hamm, ZKJ 2012, 195 f.; Prütting / Helms / Prütting, FamFG, § 7, Rn. 24; Bruns, NJW 2009, 2797, 2798.
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D. Stärkung der verfahrensrechtlichen Position des Minderjährigen
oder ideeller Art. 54 Das subjektive Recht des zu Beteiligenden muss des Weiteren unmittelbar durch das Verfahren betroffen sein. Dies setzt direkte Auswirkungen auf die individuelle Rechtsposition des zu Beteiligenden voraus, schlichte Kausalität oder präjudizielle Fernwirkung allein genügen nicht. 55 Betroffenheit bedeutet zudem, dass es, anders als unter der Geltung des FGG, keiner Prognose über eine tatsächliche Rechtsbeeinträchtigung mehr bedarf. 56 Maßgeblich ist allein der Verfahrensgegenstand, nicht, welche Entscheidung im Ergebnis konkret getroffen wird. Für das minderjährige Kind folgt aus § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG, dass seine bereits unter der Geltung des FGG anerkannte materielle Beteiligteneigenschaft nunmehr zwingend auch zur formellen Beteiligung kraft Hinzuziehung für diejenigen Verfahren führt, die seine Person betreffen. 57 Diese Betroffenheit liegt zumindest für die in § 151 FamFG geregelten Kindschaftsverfahren vor. 58 Unschädlich ist dabei, dass die §§ 151 ff. FamFG anders als die §§ 172 Abs. 1 Nr. 1, 188 Abs. 1 Nr. 1a FamFG keine Sonderregelungen über die Beteiligung des minderjährigen Kindes enthalten, da dies lediglich zur Anwendung der Generalklausel des § 7 FamFG führt. 59 Gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 2 FamFG sind als Muss-Beteiligte des Weiteren diejenigen hinzuzuziehen, die aufgrund des FamFG oder eines anderen Gesetzes (z. B. § 92 GBO) von Amts wegen oder auf ihren Antrag hin zu beteiligen sind. Der Vorschrift kommt wegen des allgemeinen Grundsatzes „lex specialis derogat legi generali“ keine eigenständige Bedeutung zu, sondern sie dient lediglich der Klarstellung. 60 Sonderregelungen über die Beteiligung finden sich beispielsweise in § 172 (Abstammungssachen), § 188 (Adoptionssachen) 61, § 204 (Wohnungszuweisungssachen), § 212 (Gewaltschutzsachen), § 219 (Versorgungsaus54 BT-Drucksache 16/6308, S. 178; OLG Hamm, ZKJ 2011, 394; Horndasch / Viefhues / Reinken, FamFG, § 7, Rn. 13; Holzer, ZNotP 2009, 122, 129. 55 OLG Hamm, ZKJ 2011, 394; Keidel / Zimmermann, FamFG, § 7 FamFG, Rn. 13; Musielak / Borth, FamFG, § 7, Rn. 4. 56 OLG Oldenburg, NJW 2010, 1888, 1889; MünchKomm-ZPO / Pabst, § 7 FamFG, Rn. 7; Holzer, ZNotP 2009, 122, 128. Roth sieht hierin eine wichtige Fortentwicklung durch die FamFG-Reform, GS für Manfred Wolf, S. 503, 504. 57 BGH, NJW 2011, 3454; OLG Oldenburg NJW 2010, 1888, 1889; Prütting / Helms / Prütting, FamFG, § 7, Rn. 27; Zorn, Rpfleger 2009, 421, 424. Vgl. hierzu auch Musielak / Borth, FamFG, § 7, Rn. 8f. 58 Schael, FamRZ 2009, 265, 266. 59 OLG Oldenburg, FamRZ 2010, 660; Schürmann, FamFR 2009, 153, 154; Zimmermann, FPR 2009, 5, 6. 60 MünchKomm-ZPO / Pabst, § 7 FamFG, Rn. 10; Brehm, FG, § 7, Rn. 14. 61 Die Aufzählung in § 188 FamFG ist nicht abschließend, sondern um die unmittelbar Betroffenen i. S. v. § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG zu erweitern, OLG Stuttgart, FamRZ 2012, 145.
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gleichssachen), § 274 (Betreuungssachen), § 315 (Unterbringungssachen), § 345 (Nachlasssachen), § 412 (weitere Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit) und § 418 FamFG (Freiheitsentziehungssachen). Gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 2 FamFG ist danach zu differenzieren, ob jemand von Amts wegen hinzuzuziehen ist (z. B. § 315 Abs. 1 FamFG) oder ob sich die Muss-Beteiligung aus der Stellung eines gesetzlich vorgesehenen Antrags ergibt. In beiden Fällen besteht kein gerichtliches Ermessen. 62 In diesem Zusammenhang wird zum Teil auf eine Beteiligungspflicht des über vierzehnjährigen Kindes nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 FamFG aus dem Umstand geschlossen, dass ihm eine Entscheidung in Kindschaftssachen gemäß § 164 FamFG selbst bekannt zu machen ist, soweit ihm ein Beschwerderecht zusteht. 63 Richtig ist zwar, dass nach der Regelungstechnik des § 7 FamFG dessen Abs. 2 Nr. 2 mit den entsprechenden Sondernormen den Auffangtatbestand des § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG verdrängt. Allerdings fehlt es bezüglich § 164 FamFG als Nachfolgeregelung des § 59 Abs. 2 FGG a. F. insofern an der tatsächlichen gesetzlichen Anordnung einer Beteiligung. Denn Sinn und Zweck des § 164 FamFG ist allein die Ergänzung des § 60 FamFG und somit die Vorbereitung und Sicherung des eigenständigen Beschwerderechts des Minderjährigen. 64 Die Bekanntgabe allein begründet daher nicht die zwingende Beteiligung des minderjährigen Kindes, sondern ist vielmehr eine mittelbare Folge der unmittelbaren Betroffenheit durch die gerichtliche Entscheidung, die als Voraussetzung von § 164 FamFG das Beschwerderecht des Minderjährigen nach § 60 FamFG begründet. 65 Mithin kann aus § 164 FamFG keine Muss-Beteiligung des Minderjährigen gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 2 FamFG hergeleitet werden. bb) Die Kann-Beteiligten gemäß § 7 Abs. 3 FamFG Gemäß § 7 Abs. 3 FamFG kann das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen von Amts wegen oder aufgrund eines Antrags weitere Beteiligte hinzuziehen, soweit dies durch das FamFG oder ein anderes Gesetz (z. B. § 88 Abs. 1 GBO)
62 Haußleiter / Gomille, FamFG, § 7, Rn. 8. Insbesondere Behörden sind nur dann als Beteiligte hinzuzuziehen, wenn sie ein gesetzlich vorgesehenes Antragsrecht ausgeübt haben. Ein solches Antragsrecht ist z. B. in §§ 162 Abs. 2, 188 Abs. 2, 204 Abs. 2, 212 FamFG für das Jugendamt vorgesehen. Nach Keidel / Zimmermann, FamFG, § 7, Rn. 18 bedarf es nach der Antragstellung keines weiteren gerichtlichen Hinzuziehungsaktes mehr. 63 Musielak / Borth, FamFG, § 7, Rn. 6. 64 Bassenge / Roth, FGG, § 59, Rn. 7; Jansen / Briesemeister, FGG, § 60, Rn. 17. 65 So im Ergebnis wohl auch Schürmann, FamFR 2009, 153, 155.
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vorgesehen ist. 66 Diese sogenannte „Optionsbeteiligung“ 67 regelt die Voraussetzungen für die Hinzuziehung derjenigen, die nur ein ideelles oder soziales Interesse an dem Verfahren haben, wie beispielsweise die Pflegepersonen eines Kindes gemäß § 161 Abs. 1 FamFG. 68 Das Ermessen des Gerichts richtet sich danach, inwieweit die Beteiligung den materiellen Interessen des Betroffenen dient und verfahrensfördernd ist. 69 Für die Hinzuziehung des Jugendamtes nach § 162 Abs. 2 FamFG ist jedoch seinerseits zwingend ein Antrag i. S. v. § 7 Abs. 2 Nr. 2 FamFG erforderlich. Demnach soll seine Beteiligung gerade nicht von Amts wegen erfolgen, um so zu verhindern, dass das Verfahren zu schwerfällig wird. 70 cc) Die Begründung der Beteiligung kraft Hinzuziehung und die Benachrichtigungspflicht Formeller Anknüpfungspunkt für die Beteiligung am Verfahren nach § 7 Abs. 2 und 3 FamFG ist die Hinzuziehung durch das Gericht. Beteiligter wird dabei auch, wer ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 und 3 FamFG zum Verfahren hinzugezogen wird. 71 Der Hinzuziehungsakt muss nicht ausdrücklich, sondern kann auch konkludent, etwa durch Übersendung eines Schriftsatzes oder die Ladung zum Termin erfolgen. 72 Eines weiteren Verhaltens des Adressaten bedarf es nicht. 73 Eine ausdrückliche Entscheidung durch Beschluss ist gemäß § 7 Abs. 5 S. 1 FamFG jedoch erforderlich, wenn ein Antrag 66 Dabei sind die gesetzlichen Bestimmungen über die Kann-Beteiligung abschließend und können nicht erweitert werden, BT-Drucksache 16/6308, S. 179; Bumiller / Harders, FamFG, § 7, Rn. 20. 67 BT-Drucksache 16/6308, S. 179. Dem Kann-Beteiligten steht grundsätzlich keine Verfahrenskostenhilfe und kein Beschwerderecht zu, es sei denn, das Gesetz sieht dies ausdrücklich vor, wie z. B. in § 303 Abs. 2 oder § 335 Abs. 1 FamFG, vgl. Bumiller / Harders, FamFG, § 7, Rn. 29, 90. Ihm ist vor seiner Hinzuziehung jedoch rechtliches Gehör zu gewähren, Bumiller / Harders, FamFG, § 7, Rn. 27. A. A. Keidel / Zimmermann, FamFG, § 7, Rn. 23. 68 Weitere Beispiele finden sich in §§ 274 Abs. 4, 315 Abs. 4, 418 Abs. 3 FamFG. 69 BT-Drucksache 16/6308 S. 179; Bumiller / Harders, FamFG, § 7, Rn. 26; MünchKomm-ZPO / Pabst, § 7 FamFG, Rn. 18; Häußermann in: Lipp / Schumann / Veit, FamFGReform, S. 5, 8. 70 BT-Drucksache 16/6308, S. 241. 71 Jedoch ist eine solche verfahrenswidrige Hinzuziehung, die einen anderen Beteiligten in seinen Rechten beeinträchtigt, mit der Beschwerde nach § 59 Abs. 1 FamFG anfechtbar, Haußleiter / Gomille, FamFG, § 7, Rn. 24. A. A. Keidel / Zimmermann, FamFG, § 7, Rn. 32, der dies mit einem Umkehrschluss aus § 7 Abs. 5 S. 2 FamFG begründet. 72 BT-Drucksache 16/6308, S. 179; Bumiller / Harders, FamFG, § 7, Rn. 31; MünchKomm-ZPO / Pabst, § 7 FamFG, Rn. 22. 73 Haußleiter / Gomille, FamFG, § 7, Rn. 16.
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auf Hinzuziehung durch das Gericht zurückgewiesen wird. Dieser Zurückweisungsbeschluss ist unter entsprechender Anwendung der §§ 567 – 572 ZPO mit der isolierten Beschwerde anfechtbar, § 7 Abs. 4 S. 2 FamFG. Wird ein nach § 7 Abs. 2 FamFG zu Beteiligender nicht zum Verfahren hinzugezogen, so stellt dies einen Verfahrensfehler dar, der die Entscheidung aufhebbar macht. 74 Diejenigen, denen ein Antragsrecht i. S. v. § 7 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 FamFG zusteht, sind gemäß § 7 Abs. 4 FamFG zu benachrichtigen und über ihr Antragsrecht zu belehren. 75 Trotz der Einschränkung „soweit sie dem Gericht bekannt sind“ 76 gilt auch hier der Amtsermittlungsgrundsatz nach § 26 FamFG, sodass das Gericht auch bei ihm nicht bekannten Personen gegebenenfalls Ermittlungen anzustellen hat, um seiner Benachrichtigungspflicht nachkommen zu können. 77 Die Nichtbeteiligung eines zwingend zu Beteiligenden, der mangels Information durch das Gericht keinen Antrag stellen konnte, führt zur Fehlerhaftigkeit der Endentscheidung 78, die ihrerseits mit der Beschwerde nach § 59 Abs. 1 FamFG angefochten werden kann. 79 c) Die Beteiligung kraft Bestellung Das FamFG sieht im besonderen Teil weitere Muss-Beteiligte vor, die kraft ihrer Bestellung und mithin ohne gerichtliche Hinzuziehung zu Verfahrensbeteiligten werden. 80 Insofern wird die Generalklausel des § 7 FamFG beispielsweise in Bezug auf den Verfahrensbeistand in Kindschafts- (§ 158 FamFG) 81, Abstam-
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OLG Oldenburg, FamRZ 2010, 660. Z. T. wird vertreten, dass die Regelung auch für Kann-Beteiligte gelten müsse, die gemäß § 7 Abs. 3 FamFG von Amts wegen hinzugezogen werden können, vgl. Roth, GS für Manfred Wolf, S. 503, 516. 76 Jacoby hält diese Einschränkung für überflüssig, Jacoby, FamRZ 2007, 1703, 1706. 77 OLG Köln, FamRZ 2010, 1013, 1016; B / J/S / Jacoby, FamFG, § 7, Rn. 16; Bumiller / Harders, FamFG, § 7, Rn. 7; Prütting / Helms / Prütting, FamFG, § 7, Rn. 24a; Roth, GS für Manfred Wolf, S. 503, 515; Zimmermann, FPR 2009, 5, 7. A. A. Musielak / Borth, FamFG, § 7, Rn. 13; Holzer, ZNotP 2009, 122, 130. Für die nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG zu Beteiligenden bleibt die Amtsermittlungspflicht nach § 26 FamFG durch § 7 Abs. 4 FamFG unberührt, Roth, GS für Manfred Wolf, S. 503, 515. 78 OLG Oldenburg, NJW 2010, 1888. 79 Haußleiter / Gomille, FamFG, § 7, Rn. 22. Hingegen bleibt die fehlende gerichtliche Information eines nur nach gerichtlichem Ermessen zu Beteiligenden folgenlos, Zimmermann, FPR 2009, 5, 7. 80 Keidel / Zimmermann, FamFG, § 7, Rn. 8, 16f.; Johannsen / Henrich / Althammer, FamFG, § 7, Rn. 11; Stößer, FamRZ 2009, 656, 658. 81 A. A. Haußleiter / Fest, FamFG, § 158, Rn. 22. 75
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mungs- (§ 174 FamFG) und Adoptionssachen (§ 191 FamFG) spezialgesetzlich erweitert. 82 d) Die sich aus der Beteiligtenstellung ergebenden Rechte und Pflichten Durch die Einbeziehung eines Beteiligten in das Gerichtsverfahren wird die Anerkennung seiner Person als Rechtssubjekt zum Ausdruck gebracht. Seine Eigenschaften und Verhältnisse haben maßgeblichen Einfluss auf die Einleitung und die Fortentwicklung des Verfahrens. 83 Zugleich folgen aus der Beteiligtenstellung diverse Rechte und Mitwirkungsmöglichkeiten, aber auch entsprechende Pflichten des Beteiligten. Im Allgemeinen Teil des FamFG finden sich eine Vielzahl von Vorschriften, die dem Beteiligten Rechte oder auch verfahrensgestaltende Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen: § 3 Abs. 1 S. 2 (Anhörungsrecht vor Verweisung wegen Unzuständigkeit), § 4 S. 2 (Anhörungsrecht vor Abgabe), § 10 Abs. 1 (Verfahrensbetreibung), § 10 Abs. 2 (Vertretungsbefugnis), § 12 (Erscheinen mit Beiständen), § 13 (Akteneinsichtsrecht), § 14 Abs. 2 (elektronische Übermittlung von Dokumenten), § 15 (Bekanntgabe von Schriftstücken), § 22 Abs. 1 und Abs. 3 (Antragsrücknahme), § 23 Abs. 1 (Benennung im verfahrenseinleitenden Antrag), § 23 Abs. 2 (Übermittlung des verfahrenseinleitenden Antrags), § 25 FamFG (Abgabe von Anträgen und Erklärungen), § 28 (Hinweispflicht des Gerichtes), § 30 Abs. 4 (Stellungnahme zur förmlichen Beweisaufnahme), § 32 (Erörterung der Sache), § 34 (persönliche Anhörung), § 36 (Vergleich), § 37 Abs. 2 (Entscheidungsgrundlage), §§ 40, 41 Abs. 1 (Bekanntgabe), § 43 Abs. 1 (Antrag auf Ergänzung des Beschlusses), § 44 (Rügerecht), § 46 S. 3 (Rechtskraftzeugnis), § 52 Abs. 1 S. 1 (Antrag auf Einleitung der Hauptsache), § 66 (Anschlussbeschwerde), § 67 Abs. 3 (Berufung auf Beschwerdeverzicht), § 69 Abs. 1 S. 3 (Zurückweisungsantrag), § 70 (Rechtsbeschwerde), § 71 Abs. 4 (Bekanntgabe der Rechtsbeschwerde- und Begründungsschrift), § 73 (Anschlussrechtsbeschwerde), § 74a Abs. 2 (Hinweispflicht des Gerichts), § 75 Abs. 1 Nr. 1 (Einwilligung in Sprungrechtsbeschwerde), § 76 (Verfahrenskostenhilfe), § 77 Abs. 1 (Stellungnahme), § 78 (Beiordnung eines Rechtsanwaltes), § 108 Abs. 2 (Antrag auf Anerkennung) und § 109 Abs. 1 Nr. 1 FamFG (Anerkennungshindernis). Der Beteiligte muss zudem nach dem Grundsatz der Beteiligtenöffentlichkeit an allen gerichtlichen Terminen teilnehmen können. 84
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Weitere Beteiligte kraft Bestellung sind z. B. der Testamentsvollstrecker in Nachlasssachen (§ 345 Abs. 3 S. 1 FamFG) sowie der Verfahrenspfleger in Betreuungs- (§ 276 FamFG), Unterbringungs- (§ 317 FamFG) und Freiheitsentziehungssachen (§ 419 FamFG). 83 Rosenberg / Schwab / Gottwald, ZPR, § 40, Rn. 9. 84 Schürmann, FamFR 2009, 153, 154.
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Daneben treffen den Beteiligten auch erhebliche Pflichten. Hervorzuheben ist hierbei insbesondere die grundsätzliche Kostentragungspflicht nach §§ 81 ff. FamFG. 85 Allerdings ist diese für einen minderjährigen Beteiligten gemäß § 81 Abs. 3 FamFG in Verfahren, die seine Person betreffen, ausgeschlossen. Als weitere Regelungen, die dem Beteiligten Pflichten auferlegen sind § 27 Abs. 1 (Mitwirkung der Beteiligten), § 27 Abs. 2 (Vollständigkeits- und Wahrheitspflicht), § 28 Abs. 1 S. 1 (Erklärungspflichten), § 33 (persönliches Erscheinen), § 49 Abs. 2 S. 2 (einstweilige Anordnung) und § 52 Abs. 2 FamFG (Fristsetzung für die Antragstellung) zu beachten. Außerdem treten in der Person des Beteiligten aufgrund seiner verfahrensrechtlichen Einbeziehung bestimmte Wirkungen, wie z. B. die Anhängigkeit und die Rechtskraft, ein. 86 Daher ist der Beteiligte z. B. nach § 38 Abs. 2 Nr. 1 FamFG im Beschluss konkret zu bezeichnen. Zudem ordnet § 9 Abs. 4 FamFG an, dass einem Beteiligten das Verschulden seines gesetzlichen Vertreters zuzurechnen ist. Die Bücher 2 bis 8 enthalten jeweils weitere besondere Regelungen zu den Rechten, Mitwirkungsmöglichkeiten und Pflichten des Beteiligten. Dabei werden die jeweiligen Beteiligten, wie beispielsweise das minderjährige Kind, die Eltern oder der Ehegatte, z. T. konkret bezeichnet, teilweise greift das Gesetz jedoch auch allgemein auf den Begriff des Beteiligten zurück. Solche allgemeinen Regelungen zu den Rechten und Mitwirkungsmöglichkeiten finden sich für die Kindschaftsverfahren nach §§ 151 ff. FamFG beispielsweise in § 155 Abs. 2 (Erörterung im frühen Termin), § 156 (Hinwirken auf das Einvernehmen der Beteiligten) und § 157 Abs. 2 S. 2 (Schutz des Beteiligten bei Erörterung der Kindeswohlgefährdung). Als Pflicht normiert z. B. § 155 Abs. 3 FamFG die Anordnung des persönlichen Erscheinens der verfahrensfähigen Beteiligten. e) Fazit Die gesetzliche Regelung des Beteiligtenbegriffs in § 7 FamFG ermöglicht die bereits seit langem als notwendig befundene klare Bestimmung der Beteiligten in den Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Die nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG zwingende Verknüpfung von materieller Betroffenheit und formeller Hinzuziehung zum Verfahren eröffnet dem minderjährigen Kind, im Gegensatz zur nur materiellen Beteiligung unter der Geltung des FGG, nunmehr die vollwertige
85 Z. T. wird davon ausgegangen, dass insofern die Differenzierung zwischen formellem und materiellem Beteiligten fortbesteht, Zimmermann, FPR 2009, 5, 8. 86 Rosenberg / Schwab / Gottwald, ZPR, § 40, Rn. 9.
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Beteiligtenstellung im Kindschaftsverfahren nach § 151 FamFG. 87 Zudem wird der Minderjährige nach § 7 Abs. 1 FamFG kraft Gesetzes Beteiligter, sofern er selbst einen verfahrensleitenden Antrag stellt. Diese Einbeziehung des minderjährigen Kindes als Verfahrensbeteiligten setzt somit den Grundgedanken des FGG-Reformgesetzes, den Minderjährigen und sein Wohl in das Zentrum des Verfahrens zu rücken 88, konsequent um. Aufgrund der verfahrensrechtlichen Beteiligtenstellung ist der Minderjährige nunmehr ebenso wie die übrigen Beteiligten grundsätzlich Inhaber vielseitiger Rechte und Mitwirkungsmöglichkeiten. Zugleich treffen ihn jedoch grundsätzlich auch die allgemeinen Beteiligtenpflichten. Allerdings ist er gemäß § 81 Abs. 3 FamFG in Verfahren, die seine Person betreffen, von der Kostentragungspflicht befreit. Im Ergebnis ist damit festzustellen, dass das minderjährige Kind als Beteiligter nunmehr stärker in die Kindschaftsverfahren einbezogen wird. Fraglich bleibt dabei jedoch, inwiefern es die mit seiner Beteiligtenstellung verknüpften Rechte und Pflichten auch tatsächlich selbst wahrnehmen kann und muss, also selbst beteiligten- und vor allem verfahrensfähig ist. 3. Die Beteiligten- und Verfahrensfähigkeit des Minderjährigen nach dem FamFG a) Die Beteiligtenfähigkeit gemäß § 8 FamFG Unter der Geltung des FGG fehlte eine gesetzliche Regelung der Beteiligtenfähigkeit. Diese Lücke wurde mit dem FGG-Reformgesetz durch § 8 FamFG bewusst geschlossen. 89 Ebenso wie § 7 FamFG ist § 8 FamFG für die Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, allerdings gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 FamFG ausdrücklich nicht in Ehe- (§ 121 FamFG) und Familienstreitsachen (§ 112 FamFG) anwendbar. 90 Die Beteiligtenfähigkeit ist, parallel zur Parteifähigkeit der ZPO, die Fähigkeit in einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zulässigerweise als Rechtssubjekt auftreten zu können. 91 Dabei entspricht sie im Wesentlichen der Rechtsfähigkeit nach materiellem Recht. 92 Die Beteiligtenfähigkeit ist zugleich Pro87 Salgo u. a. / Heilmann, HB Verfahrenpflegschaft, Rn. 1208 bezeichnet die Beteiligtenstellung des Minderjährigen als eine Beteiligung sui generes. 88 BT-Drucksache 16/6308, S. 233. 89 Bei der Gestaltung von § 8 FamFG orientierte sich der Gesetzgeber an § 61 VwGO, BT-Drucksache 16/6308, S. 180. 90 Für diese Verfahren gilt unmittelbar die ZPO. 91 Prütting / Helms / Prütting, FamFG, § 8, Rn. 2; Brehm, FG, § 8, Rn. 1. 92 BT-Drucksache 16/6308, S. 180.
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zesshandlungs- und Sachentscheidungsvoraussetzung 93 und in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen. 94 Demnach sind Verfahrenshandlungen eines nicht Beteiligtenfähigen unwirksam 95, können jedoch bei nachträglich eintretender Beteiligtenfähigkeit durch Genehmigung geheilt werden. 96 Ergeht eine Entscheidung trotz fehlender Beteiligtenfähigkeit, so wird diese dadurch nicht ohne Weiteres nichtig, aber sie wirkt nicht gegen den Nichtbeteiligtenfähigen. 97 Ist die Beteiligtenfähigkeit eines Beteiligten streitig, so ist sie positiv zu unterstellen, bis das Gegenteil festgestellt wird. 98 Wer beteiligtenfähig ist, wird in § 8 Nr. 1 bis 3 FamFG abschließend geregelt. Gemäß § 8 Nr. 1 FamFG wird die Beteiligtenfähigkeit allen natürlichen Personen zugesprochen, da dies aus ihrer Rechtsfähigkeit i. S. v. § 1 BGB folgt. 99 Beteiligtenfähig ist mithin jeder Mensch ab Vollendung der Geburt bis zum Hirntod. 100 Daneben ist auch die Beteiligtenfähigkeit des Nasciturus anerkannt, wenn ihm, wie z. B. nach § 1923 Abs. 2 BGB, schon vor der Geburt materielle Rechte zugestanden werden. 101 Des Weiteren sind gemäß § 8 Nr. 1 FamFG alle juristischen Personen des Privatrechts beteiligtenfähig, soweit sie rechtsfähig sind. 102 Im Übrigen regeln § 8 Nr. 2 und 3 FamFG die Beteiligtenfähigkeit von Vereinigungen, Personengruppen, Einrichtungen und Behörden. In Bezug auf den Minderjährigen kann damit festgestellt werden, dass er gemäß § 8 Nr. 1 FamFG als natürliche, rechtsfähige Person unabhängig von seinem Alter stets beteiligtenfähig ist, also im Kindschaftsverfahren als Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zulässigerweise als Rechtssubjekt auftreten kann.
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Prütting / Helms / Prütting, FamFG, § 8, Rn. 2. Keidel / Zimmermann, FamFG, § 8, Rn. 4; Musielak / Borth, FamFG, § 8, Rn. 1. 95 Haußleiter / Gomille, FamFG, § 8, Rn. 3. 96 Brehm, FG, § 8, Rn. 3. 97 Keidel / Zimmermann, FamFG, § 8, Rn. 4. 98 BGH, NJW 1957, 989, 990; BGH, NJW 1993, 2943, 2944; Prütting / Helms / Prütting, FamFG, § 8, Rn. 23. Dies gilt auch für das Beschwerdeverfahren gegen einen die Beteiligtenfähigkeit verneinenden Zurückweisungsbeschluss, BayObLG NJW-RR 1999, 401; Brehm, FG, § 8, Rn. 4. 99 Prütting / Helms / Prütting, FamFG, § 8, Rn. 9. 100 Haußleiter / Gomille, FamFG, § 8, Rn. 5; Keidel / Zimmermann, FamFG, § 8, Rn. 6. 101 Haußleiter / Gomille, FamFG, § 8, Rn. 5. 102 Vgl. hierzu ausführlich Keidel / Zimmermann, FamFG, § 8, Rn. 6f. 94
116
D. Stärkung der verfahrensrechtlichen Position des Minderjährigen
b) Die Verfahrensfähigkeit gemäß § 9 FamFG aa) Allgemeines Aufbauend auf §§ 7 und 8 FamFG regelt § 9 FamFG, inwiefern die Beteiligten eines Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit selbst befähigt sind, wirksam Prozesshandlungen vor- und entgegenzunehmen, um so ihre sich aus der Beteiligtenstellung ergebenden Rechte und Pflichten tatsächlich ausüben zu können. Dabei dient die Verfahrensfähigkeit zum einen dem Schutz des Beteiligten selbst, zum anderen dem des Verfahrensgegners und zugleich auch der Gewährleistung eines geordneten Verfahrens und damit der Rechtssicherheit insgesamt. 103 Als Norm des allgemeinen Teils regelt § 9 FamFG abschließend 104 die Voraussetzungen für die Verfahrensfähigkeit bezüglich aller Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, soweit keine Sonderregelungen 105 im Besonderen Teil getroffen wurden. Ausdrücklich nicht anwendbar ist § 9 FamFG gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 FamFG hingegen in Ehe- (§ 121 FamFG) und Familienstreitsachen (§ 112 FamFG). 106 Verfahrensfähig kann nur sein, wer auch i. S. v. § 8 FamFG beteiligtenfähig ist. 107 Dabei ist die Verfahrensfähigkeit zugleich Sachentscheidungs- und Verfahrenshandlungsvoraussetzung. 108 Sie muss mithin bei allen Verfahrenshandlungen gegenüber oder von einem Beteiligten vorliegen 109 und ist daher gemäß § 9 Abs. 5 FamFG i. V. m. § 56 ZPO von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens, bis in die Rechtsmittelinstanz, zu prüfen. 110 Die Verfahrensfähigkeit orientiert sich grundsätzlich an der Geschäftsfähigkeit nach materiellem Recht. Allerdings kennt das Verfahrensrecht keine der beschränkten Geschäftsfähigkeit entsprechende „beschränkte“ Verfahrensfähigkeit. 111 Somit gilt der Grundsatz, dass ein Geschäftsfähiger verfahrensfähig ist, ein Geschäftsunfähiger oder beschränkt Geschäftsfähiger hingegen nicht, soweit das Gesetz die Verfahrensfähigkeit nicht ausdrücklich anordnet. Verfahrenshand103
Prütting / Helms / Prütting, FamFG, § 9, Rn. 3. Heiter, FamRZ 2009, 85, 86. 105 Z. B. §§ 167 Abs. 3, 275, 316 FamFG. 106 Für diese Verfahren gilt unmittelbar die ZPO, soweit § 125 FamFG für Ehesachen keine Sonderregelungen enthält. 107 BT-Drucksache 16/6308, S. 180. 108 Keidel / Zimmermann, FamFG, § 9, Rn. 5; Prütting / Helms / Prütting, FamFG, § 9, Rn. 2. 109 Hierzu zählen Erwirkungshandlungen (z. B. der Antrag nach § 17 Abs. 1 FamFG) sowie Bewirkungshandlungen (z. B. die Rücknahme von Anträgen) oder auch Wollenserklärungen (z. B. Fragen an Zeugen), Haußleiter / Gomille, FamFG, § 9, Rn. 7. 110 BayObLG, WM 2000, 565; Prütting / Helms / Prütting, FamFG, § 9, Rn. 29. 111 Brehm, FG, § 8, Rn. 5. 104
II. Verfahrensrechtliche Position Minderjähriger
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lungen gegen oder von einem verfahrensunfähigen Beteiligten sind unzulässig. 112 Möglich ist aber eine spätere Heilung durch die Genehmigung des gesetzlichen Vertreters oder des nunmehr Verfahrensfähigen selbst, auch noch in der Rechtsmittelinstanz. 113 Geht die Verfahrensfähigkeit im Verfahren verloren, so ist für eine ordnungsgemäße Vertretung des Beteiligten zu sorgen. 114 Ergeht eine Entscheidung gegen einen Verfahrensunfähigen, so ist diese nicht nichtig, aber anfechtbar bzw. nach § 48 Abs. 1 FamFG aufhebbar oder Grund für eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 48 Abs. 2 FamFG. 115 Im Zulassungsstreit über die Verfahrensfähigkeit ist ein Beteiligter zunächst als verfahrensfähig zu behandeln, bis die Verfahrensunfähigkeit positiv durch das Gericht festgestellt worden ist. 116 Diese Vermutung der Verfahrensfähigkeit gilt allerdings nur für den volljährigen Beteiligten, nicht jedoch für den Zulassungsstreit über die Verfahrensfähigkeit eines Minderjährigen. Vielmehr ist das minderjährige Kind im Zweifel als nicht verfahrensfähig anzusehen bis seine Verfahrensfähigkeit positiv festgestellt worden ist. 117 Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz zur Verfahrensunfähigkeit Minderjähriger im Gerichtsverfahren und folgt aus der ihm gegenüber bestehenden Schutzpflicht der Allgemeinheit. 118 bb) Die Voraussetzungen der Verfahrensfähigkeit gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 FamFG Wer für die Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit als verfahrensfähig anerkannt wird, regelt § 9 Abs. 1 FamFG in seinen Nr. 1 bis 4. So ist gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 FamFG verfahrensfähig, wer nach bürgerlichem Recht geschäftsfähig ist. Dies umfasst nach §§ 2, 104, 106 ff. BGB alle natürlichen Personen, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, soweit für einen solchen Betei-
112
Rn. 1. 113
Prütting / Helms / Prütting, FamFG, § 9, Rn. 29; Zöller / Geimer, ZPO, § 9 FamFG,
BGHZ 106, 96, 100 = BGH, NJW 1989, 984, 985. Insoweit sollen die §§ 241, 246 ZPO entsprechend anwendbar sein, Haußleiter / Gomille, FamFG, § 9, Rn. 11. 115 Haußleiter / Gomille, FamFG, § 9, Rn. 11. 116 BGHZ 110, 294, 297 f. = BGH, NJW 1990, 1734, 1735; BayObLG, NJW-RR 2005, 1384; Haußleiter / Gomille, FamFG, § 9, Rn. 13. Diese vermutete Verfahrensfähigkeit reicht allerdings nur soweit wie der Zulassungsstreit selbst, Prütting / Helms / Prütting, FamFG, § 9, Rn. 30. 117 Prütting / Helms / Prütting, FamFG, § 9, Rn. 31; Heiter, FamRZ 2009, 85, 86. 118 Siehe B. II. 5. a). 114
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D. Stärkung der verfahrensrechtlichen Position des Minderjährigen
ligten weder eine Pflegschaft gemäß §§ 1911, 1913 BGB 119 vorliegt, noch ein Prozesspfleger nach § 57 ZPO bestellt wurde. 120 Des Weiteren ordnet § 9 Abs. 1 Nr. 2 FamFG die Verfahrensfähigkeit derjenigen Beteiligten an, deren Geschäftsfähigkeit für den konkreten Verfahrensgegenstand entgegen § 106 BGB ausnahmsweise nach bürgerlichem Recht anerkannt ist. Damit wird keine beschränkte Verfahrensfähigkeit begründet, sondern eine gesetzliche, gegenständlich begrenzte Ausnahme von dem Grundsatz gemacht, dass Minderjährige in der Regel nicht verfahrensfähig sind 121, um so einen Gleichlauf zwischen materiellem Recht und Verfahrensrecht zu bewirken. Hauptanwendungsfälle des § 9 Abs. 1 Nr. 2 FamFG sind insbesondere die §§ 112, 113 122 BGB, 1750 Abs. 3 123, 2229 BGB und § 5 RelKEG. Von besonderer Bedeutung für die Rechtsstellung des Minderjährigen ist § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG. 124 Diese Vorschrift wurde erst nach der Beratung des Rechtsausschusses unter gleichzeitiger Löschung von § 158 Abs. 2 Nr. 1 FamFG-E 125 mit in den Gesetzentwurf aufgenommen. 126 Dabei stellt § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG eine punktuelle Durchbrechung des Grundsatzes dar, dass sich die Verfahrensfähigkeit an der materiell-rechtlichen Geschäftsfähigkeit orientiert 127 und ist als Ausnahmeregelung eng auszulegen. Voraussetzung für die ausnahmsweise Zuerkennung der Verfahrensfähigkeit nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG ist dabei zunächst, dass es sich bei dem Beteiligten um einen nach bürgerlichem Recht beschränkt Geschäftsfähigen i. S. v. § 106 BGB handelt. Der Minderjährige darf sich mithin nicht in einem die Geschäftsfähigkeit ausschließenden Zustand nach § 104 Nr. 2 BGB befinden.
119
Rn. 7. 120
S / B/W / Schöpflin, FamFG, § 9, Rn. 3. A. A. Keidel / Zimmermann, FamFG, § 9,
BT-Drucksache 16/6308 S. 180. Haußleiter / Gomille, FamFG, § 9, Rn. 15. 122 FamVerf / Schael, § 2, Rn. 98. 123 S / B/W / Schöpflin, FamFG, § 9, Rn. 5; a. A. Thomas / Putzo / Hüßtege, ZPO, § 9, Rn. 5, wonach § 9 Abs. 1 Nr. 2 FamFG auf Abstammungs- und Adoptionssachen nicht anwendbar sein soll. 124 Daneben finden sich vereinzelt Sondervorschriften zur Verfahrensfähigkeit Minderjähriger, z. B. § 60 und § 167 Abs. 3 FamFG. 125 § 158 Abs. 2 Nr. 1 FamFG-E ordnete an, dass eine Verfahrensbeistandsbestellung in der Regel erforderlich sein sollte, „wenn das Kind das 14. Lebensjahr vollendet hat und dies beantragt“. Dieser Regelfall wurde jedoch wegen des in das Gesetz aufgenommenen § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG als nicht mehr erforderlich angesehen, da dem über vierzehnjährigen Minderjährigen nunmehr zugestanden wurde, seine materiellen Rechte selbstständig im Verfahren wahrzunehmen, BT-Drucksache 16/9733, S. 294. 126 Heiter, FamRZ 2009, 85, 86. 127 Zorn, Rpfleger 2009, 421, 424. 121
II. Verfahrensrechtliche Position Minderjähriger
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Hiermit korrespondierend ergibt sich aus dem besonderen Schutzanspruch des Minderjährigen, dass ihm die Verfahrensfähigkeit trotz Vorliegens der Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG dann ausnahmsweise abzusprechen ist, wenn er trotz seines Alters erkennbar nicht die erforderliche Einsichtsfähigkeit besitzt, um seine Rechte eigenständig geltend machen zu können. 128 Denn dies ist die unabdingbare Voraussetzung für die selbstständige Handlungs- und Erklärungsfähigkeit des Minderjährigen als Grundrechtsträger, die in der altersgrenzenabhängigen Normierung des § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG nur ihre generalisierte Verwirklichung findet. Soweit das minderjährige Kind bereits die ausreichende Einsichtsfähigkeit besitzt, um selbstbestimmend handeln zu können, treten die Elternverantwortung und die Schutzpflicht des Staates dahinter zurück und ihm ist die eigene Verfahrensfähigkeit aufgrund der höchstpersönlichen Betroffenheit in seinen Grundrechten zuzugestehen. Der Gesetzgeber nimmt aus Gründen der Rechtssicherheit hierbei keine konkrete Einzelfallprüfung der Selbstbestimmungsfähigkeit des Minderjährigen vor, sondern stellt auf eine starre Altersgrenze von vierzehn Jahren ab. Dies entspricht, trotz zulässiger Kritik an solch verallgemeinernden Altersgrenzen 129, dem legitimen Ansatz, dass zum Schutz des Minderjährigen, aber auch der Allgemeinheit, hinsichtlich der Verfahrensfähigkeit eine besondere Rechtssicherheit geschaffen werden muss. 130 Zudem stellen auch die materiell-rechtlichen Vorschriften, auf die § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG Bezug nimmt, überwiegend auf die Altersgrenze von vierzehn Jahren ab. Als verfahrensrechtliches Korrelat ist § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG zu diesen materiellen Rechten nur akzessorisch ausgestaltet, um ihre verfahrensrechtliche Durchsetzung zu ermöglichen. 131 Insgesamt scheint die altersgrenzenabhängige Zuerkennung der Verfahrensfähigkeit gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG daher unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit durchaus gerechtfertigt. Soweit der über vierzehn Jahre alte Minderjährige jedoch erkennbar noch nicht ausreichend einsichtsfähig ist, gebietet es die besondere Schutzpflicht der Allgemeinheit, die stärker wirkt als das bloße Rechtssicherheitsbedürfnis, ihm die Verfahrensfähigkeit im Einzelfall abzuerkennen. Diese ungeschriebene Prämisse des § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG geht darüber, dass der Minderjährige beschränkt geschäftsfähig sein muss, sich also nicht in einem die Geschäftsfähigkeit ausschließenden Zustand nach § 104 Nr. 2 BGB befinden darf, hinaus, stellt aber ebenso nur eine negative Prüfungsvoraussetzung dar. 132 128
A. A. Heiter, FamRZ 2009, 85, 87. Lempp, FamRZ 1986, 530, 531; Dettenborn, Kindeswille und Kindeswohl, S. 78 ff. 130 Siehe B. II. 5. a). 131 BT-Drucksache 16/9733, S. 288. 132 In der Praxis kann dies nur Ausnahmefälle betreffen, in denen der mindestens vierzehnjährige Minderjährige zwar selbst im Verfahren eigene Rechte geltend macht, allerdings erkennbar ohne über die seinem Alter entsprechende Selbstbestimmungsfähigkeit zu verfügen, beispielsweise weil er offensichtlich fremdbestimmt wird. 129
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D. Stärkung der verfahrensrechtlichen Position des Minderjährigen
Als weitere Voraussetzung des § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG muss das Verfahren die Person des Kindes betreffen. Ausschließlich sein Vermögen betreffende Verfahren sind mithin ausgenommen. Diese Voraussetzung ist jedenfalls für die überwiegende Anzahl 133 der Kindschaftsverfahren i. S. v. § 151 FamFG erfüllt. 134 In einem solchen Verfahren muss das minderjährige Kind ein ihm nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch zustehendes Recht geltend machen. Voraussetzung ist mithin zunächst, dass ein konkretes subjektives Recht des Minderjährigen besteht, das seine Grundlage in den Normen des Bürgerlichen Gesetzbuchs hat und in einem gerichtlichen Verfahren durchsetzbar ist. 135 Nicht ausreichend sind demnach Rechtspositionen, die sich lediglich aus dem Verwaltungs-, Verfassungs- oder Verfahrensrecht ableiten. 136 Das Recht muss dem Minderjährigen auch tatsächlich zustehen, die reine Rechtsbehauptung allein genügt nicht. 137 Diese akzessorische Verknüpfung des § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG mit dem materiellen Recht verdeutlicht den vom Gesetzgeber verfolgten Zweck eine Harmonisierung mit dem Verfahrensrecht herbeizuführen 138, indem ein verfahrensrechtliches Korrelat zu den materiellen höchstpersönlichen Rechten des Minderjährigen geschaffen wird. Zum Teil wird jedoch bezweifelt, ob dieser Zweck tatsächlich erreicht werden kann, da grundsätzlich nur eine Korrelation zwischen Verfahrens- und Geschäftsfähigkeit bestehen könne, nicht jedoch zwischen Verfahrensfähigkeit und Rechtsinhaberschaft, wie in § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG vorgesehen. 139 Diese Überlegung überzeugt jedoch im Ergebnis nicht. Denn die subjektiven Rechte, auf die § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG Bezug nimmt, werden dem Minderjährigen unabhängig von seiner Geschäftsfähigkeit eingeräumt. Sie sind Ausnahmen von der allgemeinen Regel, dass Minderjährige grundsätzlich nicht selbstständig eigene Rechte geltend machen können, sondern der gesetzlichen Vertretung bedürfen. Zudem haben die jeweiligen Rechte keinen rechtsgeschäftlichen, sondern 133 Ausgenommen sind Verfahren nach § 151 Nr. 1, die ausschließlich die Vermögenssorge betreffen, z. B. hinsichtlich § 1644 BGB. Vgl. hierzu die umfassende Aufzählung bei Keidel / Engelhardt, FamFG, § 151, Rn. 7. 134 Umstritten ist hingegen, ob § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG auch auf Abstammungsund Adoptionssachen anwendbar ist. Dagegen: BT-Drucksache 16/6308, S. 352; Bumiller / Harders, FamFG, § 9, Rn. 5; MünchKomm-BGB / Wellenhofer, § 1600a, Rn. 6; Stößer, FamRZ 2009, 923, 926. Dafür: Hahne / Munzig / Burschel, FamFG, § 9, Rn. 7; Keidel / Zimmermann, FamFG, § 9, Rn. 14; MünchKomm-ZPO / Pabst, § 9 FamFG, Rn. 7; Thomas / Putzo / Hüßtege, ZPO, § 9, Rn. 5. 135 Heiter, FamRZ 2009, 85, 87. 136 MünchKomm-ZPO / Pabst, § 9 FamFG, Rn. 7. 137 Prütting / Helms / Prütting, FamFG, § 9, Rn. 15. A. A. S / B/W / Schöpflin, FamFG, § 9, Rn. 9. 138 BT-Drucksache 16/9733, S. 288. 139 Prütting / Helms / Prütting, FamFG, § 9, Rn. 13; Heiter, FamRZ 2009, 85, 86, der darauf hinweist, dass man, um diesen Ansatz konsequent umzusetzen, die Verfahrensfähigkeit allen Minderjährigen und nicht nur den über Vierzehnjährigen zusprechen müsste.
II. Verfahrensrechtliche Position Minderjähriger
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höchstpersönlichen, grundrechtsverwirklichenden Charakter und sind Ausdruck der Anerkennung des Minderjährigen als eigenständiges Rechtssubjekt. 140 Deshalb wird ihm aufgrund der Höchstpersönlichkeit der Angelegenheiten neben der Rechtsinhaberschaft auch ausnahmsweise die materiell-rechtliche Wahrnehmungsmöglichkeit zugestanden. Auf die Geschäftsfähigkeit kommt es insoweit nicht an. Die Zuerkennung der Verfahrensfähigkeit ist daher erforderlich, um zu verhindern, dass die materiellen Rechte des Minderjährigen wegen der fehlenden Möglichkeit selbstständiger gerichtlicher Durchsetzbarkeit leerlaufen. Damit kommt es für die ausnahmsweise Zuerkennung der Verfahrensfähigkeit nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG maßgeblich darauf an, welche subjektiven Rechte das BGB dem Minderjährigen konkret zugesteht. 141 Zu nennen sind hier zum einen die materiellen Widerspruchs- und Mitwirkungsrechte des minderjährigen Kindes, wie etwa § 1617c Abs. 1 S. 2 (Anschlusserklärung des Kindes bei Änderung des Ehenamens der Eltern), § 1671 Abs. 2 Nr. 1 142 (Widerspruchsrecht des Kindes bei Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge), § 1746 Abs. 1 (Einwilligung zur Annahme als Kind) und Abs. 2 (Widerruf der Einwilligung), § 1762 Abs. 1 (Antrag auf Aufhebung des Adoptionsverhältnisses), § 1778 Abs. 1 Nr. 5 (Widerspruchsrecht bei Vormundsbestellung) sowie § 1887 Abs. 2 S. 2 BGB (Entlassung des Jugendamts oder Vereins als Vormund). Des Weiteren kommen solche materiellen Rechte in Betracht, die nach dem bürgerlichen Recht nur durch den Minderjährigen höchstpersönlich ausgeübt werden können. 143 Dies gilt nach der Rechtsprechung 144 beispielsweise für das Umgangsrecht des Kindes mit seinen Eltern gemäß § 1684 Abs. 1 BGB, soweit es dieses selbstständig durchsetzt. 145 Denn der Umgang betrifft die höchstpersönliche Beziehung des Minderjährigen zu seinen Eltern und ist somit ein we140 So betrifft z. B. § 1617c Abs. 1 S. 2 BGB das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Minderjährigen, da der Name ein wesentliches Identitätsmerkmal darstellt, MünchKommBGB / v. Sachsen / Gessaphe, § 1617c, Rn. 7. 141 Abzulehnen ist hingegen die zu weit gehende Auffassung von S / B/W / Schöpflin, FamFG, § 9, Rn. 7, der § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG für alle die Personensorge betreffenden Verfahren für anwendbar hält. Vgl. hierzu auch Johannsen / Henrich / Jaeger, FamFG, § 1671, Rn. 27, der richtig darauf hinweist, dass § 9 Abs.1 Nr. 3 FamFG dem Minderjährigen keine weiteren materiellen Rechte verleiht. 142 BT-Drucksache 16/9733, S. 288. 143 MünchKomm-ZPO / Pabst, § 9 FamFG, Rn. 7, der jedoch fälschlich auf § 1600a Abs. 2 BGB verweist und dabei verkennt, dass der Minderjährige gemäß § 1600a Abs. 3 BGB gerade nicht selbstständig anfechten kann, sondern der gesetzlichen Vertretung bedarf. 144 BVerfGE 121, 69, 89 = BVerfG, NJW 2008, 1287; BGHZ 176, 337, 340 f. = BGH, NJW 2008, 2586, 2587. 145 So auch Hahne / Munzig / Burschel, FamFG, § 9, Rn. 7; Horndasch / Viefhues / Reinken, FamFG, § 9, Rn. 10; Keidel / Zimmermann, FamFG, § 9, Rn. 12; Musielak / Borth, FamFG, § 9, Rn. 3; Ivanits, Die Stellung des Kindes, S. 229; Bruns, NJW 2009, 2797,
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D. Stärkung der verfahrensrechtlichen Position des Minderjährigen
sentlicher Teil der Persönlichkeitsentfaltung. Mit Vollendung des vierzehnten Lebensjahres ist das minderjährige Kind zudem in der Regel als ausreichend einsichtsfähig zu betrachten, um ihm die eigenständige Verfahrensfähigkeit nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG zuzugestehen. Daneben ist das Antrags- und Beschwerderecht des minderjährigen Elternteils gegen Beeinträchtigung der ihm verbleibenden tatsächlichen Personensorge nach § 1673 Abs. 2 S. 2 BGB zu nennen. 146 Auch kommen z. B. der Antrag auf Befreiung vom Volljährigkeitserfordernis nach § 1303 Abs. 2 BGB 147 und der Antrag auf Ersetzung der Einwilligung des Elternteils gemäß § 1748 148 in Betracht. Hingegen ergeben sich aus den §§ 1631 Abs. 2, 1684 Abs. 4, 1685 BGB keine subjektiven Rechte i. S. v. § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG, die eine Verfahrensfähigkeit des Minderjährigen begründen könnten. 149 Auch besteht kein durchsetzbares materielles Recht des minderjährigen Kindes auf eine bestimmte Ausgestaltung der elterlichen Sorge. 150 Ebenso wenig begründet das aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG hergeleitete Recht auf Ausübung der elterlichen Sorge durch die Eltern einen zivilrechtlich durchsetzbaren Anspruch 151, sondern nur ein Beschwerderecht des Minderjährigen gegen deren Entziehung. 152 Der § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG setzt des Weiteren voraus, dass der Minderjährige das subjektive Recht i. S. e. eigenen positiven, zielgerichteten Handelns geltend macht. Ein bloßes Unterlassen oder ein Handeln des Vertreters genügt hingegen nicht. 153 Damit ist die Zuerkennung der Verfahrensfähigkeit von einer aktiven Entscheidung des Minderjährigen abhängig 154, die sich nach außen erkennbar manifestieren muss. Diese Entscheidung muss über den bloßen Wunsch angehört zu werden hinausgehen und sich vielmehr darauf beziehen, umfassend am 2798; Heiter, FamRZ 2009, 85, 87; Zorn, Rpfleger 2009, 421, 424. A. A. Schael, FamRZ 2009, 265, 267. 146 BayObLG, BayObLGZ 1969, 25, 28; Bamberger / Roth / Veit, BGB, § 9, Rn. 3. 147 Insoweit ist jedoch streitig, ob der Antrag nur von dem Minderjährigen selbst gestellt werden kann, vgl. Bamberger / Roth / Hahn, BGB, § 1303, Rn. 4. 148 Nach h. M. kann das über vierzehn Jahre alte Kind ausschließlich selbst den Antrag stellen, bedarf daneben aber der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters, MünchKomm-BGB / Maurer, § 1748, Rn. 68; Palandt / Götz, BGB, § 1748, Rn. 13; Prütting / Helms / Krause, FamFG, § 186, Rn. 28; S / B/W / Sieghörtner, FamFG, § 186, Rn. 20. A. A. Bamberger / Roth / Enders, BGB, § 1748, Rn. 33. 149 Heiter, FamRZ 2009, 85, 87; Keidel / Zimmermann, FamFG, § 9, Rn. 12; Prütting / Helms / Prütting, FamFG, § 9, Rn. 15. 150 Heiter, FamRZ 2009, 85, 87; Huber / Scherer, FamRZ 2001, 797, 800. 151 Staudinger / Coester, BGB, § 1666, Rn. 11m.w.N. 152 OLG Stuttgart, FamRZ 2010, 1166. 153 Prütting / Helms / Prütting, FamFG, § 9, Rn. 15; Heiter, FamRZ 2009, 85, 87. 154 Prütting / Helms / Prütting, FamFG, § 9, Rn. 12; MünchKomm-ZPO / Pabst, § 9 FamFG, Rn. 7. Schürmann in: Coester-Waltjen / Lipp / Schumann / Veit, Kindesschutz, S. 231, 243 bezeichnet dies als verfahrensrechtliches Novum.
II. Verfahrensrechtliche Position Minderjähriger
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Verfahren mitwirken zu wollen. 155 Diesbezüglich ist jedoch problematisch, dass seine Rechte nur derjenige geltend machen kann, der sie auch kennt. Unklar bleibt dabei, durch wen der Minderjährige entsprechend zu informieren ist. Hier ist auf den jeweiligen gesetzlichen Vertreter zu vertrauen und im Konfliktfall eine Information durch das Gericht oder das Jugendamt zu fordern. Aus der freien Entscheidungskompetenz des Minderjährigen folgt zugleich, dass er sich zu jeder Zeit dazu entschließen kann, sein Recht nicht weiter zu verfolgen und somit kraft Willensäußerung die Verfahrensfähigkeit zu beenden. 156 Nach dem Wortlaut des § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG muss der Minderjährige sein subjektives Recht in einem Verfahren geltend machen. Entgegen der überwiegenden Ansicht in der Literatur 157 bedeutet dies jedoch nicht, dass sich die Verfahrensfähigkeit auf ein bereits anhängiges Verfahren beschränkt und der Minderjährige ein solches nicht selbstständig durch einen Antrag einleiten kann. Vielmehr muss die Verfahrensfähigkeit nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG auch die Möglichkeit der selbstständigen Antragstellung als Ausdruck der Geltendmachung eines subjektiven Rechts umfassen. 158 Der Gesetzeswortlaut steht dem nicht entgegen, da sich aus der Ergänzung „in einem Verfahren“ nicht zwingend die einschränkende Voraussetzung eines bereits anhängigen Verfahrens ergibt. Vielmehr ist die Formulierung lediglich als Hinweis darauf zu verstehen, dass die verfahrensrechtliche Geltendmachung des materiellen Rechts erforderlich ist. Dies schließt die Stellung eines verfahrenseinleitenden Antrags mit ein. Eine Beschränkung auf bereits anhängige Verfahren würde dem Sinn und Zweck des § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG widersprechen. Dieser besteht darin, ein verfahrensrechtliches Korrelat zu den höchstpersönlichen materiellen Rechten des Minderjährigen zu schaffen, damit er diese entsprechend durchsetzen kann. Würde man ihm die Antragstellung als notwendige Voraussetzung der verfahrensrechtlichen Durchsetzbarkeit bei Antragsverfahren verweigern, würde dies die dem Minderjährigen durch § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG zuerkannte Handlungsmöglichkeit wieder erheblich einschränken, da er dann insofern auf eine gesetzliche Vertretung angewiesen wäre. Bei Interessenkonflikten mit den Eltern als gesetzlichen Vertretern würde das die Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft nach § 1909 BGB nur zum Zwecke der Stellung des verfahrenseinleitenden Antrags erforderlich machen, was zu einer prozessunökonomischen und dem Kindeswohl abträglichen Verfahrensverzögerung führen würde. Eine solche Auslegung widerspräche zudem der dem materiellen Recht dienenden Annexfunktion des Verfahrensrechtes 159, das eine 155
Zöller / Geimer, ZPO, § 9 FamFG, Rn. 3. Heiter, FamRZ 2009, 85, 86. Hierzu kritisch Schürmann, FamFR 2009, 153, 155. 157 Keidel / Zimmermann, FamFG, § 9, Rn. 15; Schürmann, FamFR 2009, 153, 155. Hierzu kritisch Coester in: Bundestagung Sozialrechtsverband, S. 7, 17. 158 So auch Bumiller / Harders, FamFG, § 60, Rn. 4. 159 BGHZ 10, 351, 359 = BGH, NJW 1953, 1826, 1828; MünchKomm-ZPO / Rauscher, Einl., Rn. 25; MünchKomm-BGB / Säcker, Einl., Rn. 7. 156
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D. Stärkung der verfahrensrechtlichen Position des Minderjährigen
umfassende Durchsetzung der jeweiligen Rechtsposition ermöglichen soll. Die materiell-rechtlichen Vorschriften der § 1303 Abs. 2 160, § 1762 Abs. 1 161, § 1748 Abs. 1 162 und § 1887 Abs. 2 BGB 163, auf die sich § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG bezieht, normieren, dass der Minderjährige selbst die jeweiligen Verfahren durch Antrag einleiten können soll. 164 Nach der Gesetzesbegründung soll dem Minderjährigen durch § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG erlaubt werden, eigenständig seine materiellen Rechte im Kindschaftsverfahren ohne Mitwirkung seiner gesetzlichen Vertreter geltend zu machen. Dafür wird ein verfahrensrechtliches Korrelat zu den verschiedentlich eingeräumten Widerspruchs- und Mitwirkungsrechten geschaffen. 165 Mithin überträgt § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG dem minderjährigen Kind die verfahrensrechtliche Handlungsbefugnis akzessorisch zu den materiell-rechtlichen Rechten und somit auch die Möglichkeit einen verfahrenseinleitenden Antrag selbstständig stellen zu können. Für eine Einschränkung dergestalt, dass für die Antragstellung selbst weiterhin die gesetzliche Vertretung erforderlich sein soll, ergeben sich hingegen keine Anhaltspunkte. Im Ergebnis stellt § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG damit zwar eine beachtliche Erweiterung der Handlungsbefugnisse des über vierzehn Jahre alten Kindes für die Kindschaftsverfahren dar, knüpft diese jedoch an sehr enge Voraussetzungen, die das Gericht von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens prüfen muss. Bei der Prüfung, ob ein Minderjähriger ausnahmsweise als verfahrensfähig anerkannt wird, ist zudem § 9 Abs. 1 Nr. 4 FamFG zu beachten. Dabei handelt es sich um eine Art Blankettvorschrift 166, die den Besonderheiten spezieller Verfahren Rechnung tragen soll. 167 Für das Kindschaftsverfahren normiert § 167 Abs. 3 160
819.
161
Vgl. z. B. OLG Saarbrücken, FamRZ 2003, 1662; OLG Karlsruhe, FamRZ 2000,
MünchKomm-BGB / Maurer, § 1762, Rn. 6; Staudinger / Frank, BGB, § 1762, Rn. 9. MünchKomm-BGB / Maurer, § 1748, Rn. 68; Prütting / Helms / Krause, FamFG, § 186, Rn. 28 (aber nur mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters); a. A. Bamberger / Roth / Enders, BGB, § 1748, Rn. 33. 163 MünchKomm-BGB / Wagenitz, § 1887, Rn. 5. 164 Unklar ist, ob das Umgangsverfahren ein Amts- oder Antragsverfahren darstellt, vgl. Socha, FamRZ 2010, 947, 948, der sich nunmehr für ein Antragserfordernis ausspricht. A. A. Erman / Michalski / Döll, BGB, § 1684, Rn. 32. Auch Palandt / Götz, BGB, § 1684, Rn. 9 hält eine Regelung von Amts wegen nicht für ausgeschlossen. In der gerichtlichen Praxis erfolgt die Verfahrenseinleitung in der Regel durch Antrag, vgl. BGHZ 176, 337, 341 = BGH NJW 2008, 2586, 2587; FamVerf / Schael, § 2, Rn. 146, sodass dem Minderjährigen auch hier die Antragstellung zur Durchsetzung seines subjektiven Rechtes ermöglicht werden muss. So auch MünchKomm-BGB / Hennemann, § 1684, Rn. 5; a. A. Bamberger / Roth / Veit, BGB, § 1684, Rn. 50. 165 BT-Drucksache 16/9733, S. 288. 166 Haußleiter / Gomille, FamFG, § 9, Rn. 17. 167 Hauptanwendungsfall für das FamFG sind hierbei die §§ 275, 316 FamFG, welche die Verfahrensfähigkeit in den betreuungs- und unterbringungsrechtlichen Verfahren 162
II. Verfahrensrechtliche Position Minderjähriger
125
FamFG die Verfahrensfähigkeit des über vierzehnjährigen Kindes, das von einem Unterbringungsverfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 FamFG betroffen wird. Denn dem von einem solchen Verfahren Betroffenen muss nach Art. 1 Abs. 1 GG zwingend die Möglichkeit der eigenständigen Teilnahme am Verfahren unabhängig von seinem Geisteszustand 168 gewährt werden, um zu vermeiden, dass er zu einem bloßen Objekt des Verfahrens wird. 169 Insoweit stellt § 167 Abs. 3 FamFG als lex specialis eine Erweiterung des § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG dar. 170 Gleichzeitig schränkt § 167 Abs. 3 FamFG die Verfahrensfähigkeit des Minderjährigen jedoch auch ein. Denn § 167 Abs. 1 FamFG verweist grundsätzlich auf § 316 FamFG, wonach dem Betroffenen die Verfahrensfähigkeit unabhängig von seiner Geschäftsfähigkeit und somit losgelöst von Alter und Geisteszustand zugesprochen wird. Dementgegen legt § 167 Abs. 3 FamFG als lex specialis für das Verfahren zur Unterbringung Minderjähriger eine Altersgrenze fest. Dem noch nicht vierzehn Jahre alten Kind wird somit entgegen dem Grundgedanken des § 316 FamFG die Verfahrensfähigkeit aberkannt. Damit wird der bereits zu § 70a FGG a. F. 171 vom Gesetzgeber erklärte Grundgedanke fortgeführt, dass es zwar sachgerecht sei, bei derart einschneidenden Maßnahmen dem über Vierzehnjährigen gleich einem Erwachsenen zu ermöglichen, auf das Verfahren Einfluss zu nehmen. Diese Sachgerechtheit fehle jedoch bei dem noch nicht vierzehn Jahre alten Kind. 172 Insoweit nimmt der Gesetzgeber wie bei § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG eine generalisierende Betrachtung der Einsichts- und damit der Selbstbestimmungsfähigkeit des Minderjährigen vor und legt eine entsprechende Altersgrenze fest. Hintergrund ist dabei das unterschiedliche Grundverständnis des Schutzanspruchs von Volljährigen und Minderjährigen. Denn es gilt der Grundsatz, dass der Volljährige im Zweifel als verfahrensfähig gelten muss, der Minderjährige im Zweifel hingegen als verfahrensunfähig. Dies führt dazu, dass der noch nicht vierzehn Jahre alte Minderjährige zu seinem Schutz verfahrensunfähig bleibt. Allerdings ist insoweit darauf zu achten, dass die ordnungsgemäße und kindoriregeln. Zugleich nimmt § 9 Abs. 1 Nr. 4 FamFG jedoch auch Bezug auf Regelungen außerhalb des FamFG, wie z. B. auf das SGB. 168 Auf die Geschäftsfähigkeit des Kindes kommt es demnach nicht an. A. A. MünchKomm-ZPO / Heilmann, § 167 FamFG, Rn. 27, der davon ausgeht, dass der über Vierzehnjährige bei vorliegender Geschäftsunfähigkeit i. S. v. § 104 Nr. 2 BGB nicht selbst handeln kann, sondern der gesetzlichen Vertretung bedarf. 169 BVerfGE 10, 302, 306; BGHZ 35, 1, 8 = BGH, NJW 1961, 1397, 1398; Dölitzsch, Vom Kindesschutz zu Kindesrechten, S. 198; Hahne / Munzig / Schlünder, FamFG, § 167, Rn. 5; Haußleiter / Haußleiter / Heidebach, FamFG, § 275, Rn. 1; Musielak / Borth, FamFG, § 167, Rn. 5. 170 Hahne / Munzig / Schlünder, FamFG, § 167, Rn. 5; MünchKomm-ZPO / Heilmann, § 167 FamFG, Rn. 28. 171 § 70a FGG in der Fassung vom 12. September 1990, BGBl. I, S. 2002, 2015: „Der Betroffene ist ohne Rücksicht auf seine Geschäftsfähigkeit verfahrensfähig, wenn er das vierzehnte Lebensjahr vollendet hat.“ 172 BT-Drucksache 11/4528, S. 183.
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D. Stärkung der verfahrensrechtlichen Position des Minderjährigen
entierte Vertretung des Minderjährigen gerade in dem seine höchstpersönlichen Rechte betreffenden Unterbringungsverfahren sichergestellt wird. cc) Folgeprobleme der Verfahrensfähigkeit des Minderjährigen Liegen die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Nr. 3 oder Nr. 4 i. V. m. § 167 Abs. 3 FamFG vor, so ist der Minderjährige für das Verfahren ausnahmsweise verfahrensfähig, hat also grundsätzlich alle verfahrensrechtlichen Befugnisse und Handlungsmöglichkeiten. 173 Gleichzeitig treffen ihn allerdings auch die entsprechenden verfahrensrechtlichen Pflichten und Obliegenheiten. In diesem Zusammenhang entsteht ein besonderes Problem beispielsweise dadurch, dass die Verfahrensfähigkeit grundsätzlich auch die Erteilung einer Verfahrensvollmacht nach § 11 FamFG mit umfasst. In materiell-rechtlicher Hinsicht bedarf es hierfür jedoch zusätzlich der Geschäftsfähigkeit, sodass die §§ 107 ff. BGB zu beachten sind. Fraglich ist demnach, ob die Erteilung der Verfahrensvollmacht als rechtsgeschäftliche Vollmacht für den Minderjährigen i. S. v. § 107 BGB lediglich rechtlich vorteilhaft ist. Dies ist nach herrschender Meinung 174 dann anzunehmen, wenn das Vertretergeschäft, das in Ausübung der Vollmacht abgeschlossen wird, selbst rechtlich vorteilhaft ist. Folglich hängt die Wirksamkeit der Vollmachtserteilung von der rechtlichen Bewertung jedes einzelnen Vertretergeschäftes ab. Eine solche Einzelfallbeurteilung würde jedoch schon im Hinblick auf die Vielzahl der vorzunehmenden Verfahrenshandlungen die Rechtssicherheit zulasten des Minderjährigen erheblich beeinflussen und ist daher nicht sachgerecht. 175 Zudem widerspräche es dem Sinn und Zweck von § 9 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 i. V. m. § 167 Abs. 3 FamFG, dem Minderjährigen ausnahmsweise die Verfahrensfähigkeit zuzugestehen, ihm jedoch für deren tatsächliche Ausübung die Beauftragung eines Rechtsanwaltes zu verweigern. Dies würde nämlich im Ergebnis bedeuten, dass dem schutzbedürftigeren Minderjährigen im Vergleich zu einem erwachsenen Beteiligten weniger Rechtsschutz gewährt werden würde. Da dies dem Schutzanspruch besonders schutzbedürftiger Beteiligter jedoch widerspricht, war beispielsweise bereits für die §§ 59, 60, 70a FGG a. F. anerkannt, dass auch der nicht geschäftsfähige Beteiligte wirksam Verfahrensvollmachten erteilen konnte. 176 Dies muss auch für den nunmehr nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 oder Nr. 4 i. V. m. § 167 Abs. 3 FamFG verfahrensfähigen Minderjährigen gelten. Mithin ist davon auszugehen, dass auch der minderjährige, 173
Prütting / Helms / Stößer, FamFG, § 164, Rn. 5 schlägt vor, § 164 S. 2 FamFG insoweit entsprechend auf alle im Verfahren anfallenden Schriftstücke anzuwenden. 174 MünchKomm-BGB / Schramm, § 167, Rn. 9. 175 So auch Heiter, FamRZ 2009, 85, 88. 176 Jansen / Sonnenfeld, FGG, § 66, Rn. 16; Keidel / Zimmermann, FGG, § 13, Rn. 36; BayObLG, RNotZ 2003, 127.
II. Verfahrensrechtliche Position Minderjähriger
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verfahrensfähige Beteiligte abweichend von § 107 BGB wirksam Verfahrensvollmachten erteilen kann. 177 Das führt jedoch zu dem Folgeproblem, dass der nur beschränkt geschäftsfähige Minderjährige einem Rechtsanwalt zwar Verfahrensvollmacht erteilen, jedoch selbstständig keinen Geschäftsbesorgungsvertrag mit ihm abschließen kann. Denn insofern gelten wieder die §§ 107 ff. BGB, sodass das minderjährige Kind hierfür grundsätzlich der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters bedarf. Das kann jedoch insbesondere dann problematisch sein, wenn in Bezug auf den Verfahrensgegenstand ein Interessenwiderstreit zwischen dem Kind und seinen Eltern besteht. Insoweit muss der Minderjährige daher, wie bereits schon unter der Geltung von §§ 59, 60, 70a FGG a. F. anerkannt 178, in Anlehnung an §§ 112, 113 BGB als teilgeschäftsfähig gelten. In der Konsequenz bedeutet das jedoch, dass er selbst den Geschäftsbesorgungsvertrag abschließt und damit selbst und nicht etwa seine Eltern zur Zahlung des Rechtsanwaltshonorars verpflichtet wird. Diesbezüglich findet sich in der Literatur der Hinweis, dass der Minderjährige Verfahrenskostenhilfe nach §§ 76 ff. FamFG erhalten könne. 179 Allerdings kann diese als Sonderform der Sozialhilfe 180 gemäß § 36 Abs. 1 SGB I erst ab Vollendung des fünfzehnten Lebensjahres beantragt werden. 181 Zudem besteht für die Eltern nach § 36 Abs. 2 SGB I eine Einschränkungsmöglichkeit der Handlungsfähigkeit des Minderjährigen. Dies führt für das vierzehnjährige, verfahrensfähige Kind zu dem unbefriedigenden und paradoxen Ergebnis, dass es vor Vollendung des fünfzehnten Lebensjahres, anders als ein Erwachsener, ohne Unterstützung selbst für die Rechtsanwaltskosten aufkommen müsste. 182 Somit wäre der besonders schutzbedürftige Minderjährige systemwidrig schlechter gestellt als jeder Erwachsene. Mithin ist auch hier die erforderliche Sozialhilfefähigkeit für den nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG verfahrensfähigen Minderjährigen entsprechend zu erweitern, sodass auch er Verfahrenskostenhilfe ohne Einschränkung bereits ab
177 So auch Hahne / Munzig / Burschel, FamFG, § 9, Rn. 9; Prütting / Helms / Prütting, FamFG, § 9, Rn. 15a; Heiter, FamRZ 2009, 85, 88; Zorn, Rpfleger 2009, 421, 425. 178 Jansen / Sonnenfeld, FGG, § 66, Rn. 16; Keidel / Zimmermann, FGG, § 13, Rn. 36 m. w. N. 179 So Keidel / Zimmermann, FamFG, § 9, Rn. 16. 180 Zöller / Herget / Geimer, ZPO, Vor § 114, Rn. 1. 181 Hahne / Munzig / Burschel, FamFG, § 9, Rn. 9. 182 Zwar hat der Minderjährige in Höhe der Verfahrenskosten, die Sonderbedarf i. S. v. § 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB darstellen, grundsätzlich einen Unterhaltsanspruch gegen seine Eltern (Verfahrenskostenvorschuss), allerdings muss er diesen erst gerichtlich geltend machen und hierbei das Risiko der Beweislast sowie der Anerkennungsfähigkeit tragen. Der Rechtsanwalt wird sich jedoch im Zweifel nicht darauf einlassen, den Minderjährigen zu vertreten und erst über die gerichtliche Geltendmachung von Unterhalt sein Honorar erklagen zu müssen.
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D. Stärkung der verfahrensrechtlichen Position des Minderjährigen
Vollendung des vierzehnten Lebensjahres beantragen kann. 183 Daneben ist der Gesetzgeber dazu aufgerufen, § 36 SGB I entsprechend anzupassen. Des Weiteren ist fraglich, ob die Zuerkennung der Verfahrensfähigkeit des Minderjährigen nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG bewirkt, dass der gesetzliche Vertreter seine diesbezügliche verfahrensrechtliche Vertretungsbefugnis für das minderjährige Kind verliert. Zunächst ist festzustellen, dass § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG akzessorisch zu den materiellen Rechtspositionen des Minderjährigen ausgestaltet ist. Mithin ist auch in Abhängigkeit des jeweiligen materiellen Rechtes zu entscheiden, ob der Minderjährige für den konkreten Verfahrensgegenstand selbst ausschließlich oder neben seinem gesetzlichen Vertreter handlungsbefugt sein soll. Dies ist durch Auslegung der jeweiligen Norm des BGB zu ermitteln. 184 So ergibt die Auslegung von § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB, dass dem Minderjährigen das Widerspruchsrecht ohne Mitwirkung seiner gesetzlichen Vertreter allein zusteht und er somit auch allein verfahrensfähig sein soll. 185 Hingegen ist bezüglich § 1684 Abs. 1 FamFG davon auszugehen, dass die gesetzlichen Vertreter neben dem Minderjährigen entsprechend vertretungsbefugt bleiben und so beispielsweise einen verfahrenseinleitenden Antrag für das Kind stellen können. Eine solche verfahrensrechtliche Situation, in der sowohl der Minderjährige selbst, als auch seine gesetzlichen Vertreter für ihn handeln können, birgt die Gefahr, dass es zu sich widersprechenden Verfahrenshandlungen kommen kann. In diesem Fall ist wie bisher bei § 66 FGG a. F. vorzugehen, d. h. die sich widersprechenden Verfahrenshandlungen werden wie solche unterschiedlicher Beteiligter nach den allgemeinen Verfahrensgrundsätzen behandelt. 186 Im Ergebnis zeigt sich so, dass die Zuerkennung der Verfahrensfähigkeit des über vierzehn Jahre alten Minderjährigen als richtiger Schritt zur Anerkennung seiner Grundrechtssubjektivität in einzelnen Bereichen noch nicht ausreichend konsequent hinsichtlich aller sich daraus ergebenden rechtlichen Folgeprobleme zu Ende gedacht wurde. Hier ist zunächst durch Auslegung sicherzustellen, dass der Minderjährige alle erforderlichen Handlungsbefugnisse im Zusammenhang mit der Verfahrensfähigkeit erhält. Im Übrigen ist der Gesetzgeber dazu aufgerufen, die notwendigen rechtlichen Anpassungen vorzunehmen.
183 Gleiches wird auch für den nach § 113 BGB als teilgeschäftsfähig geltenden Minderjährigen angenommen, KassKommentar / Seewald, § 36 SGBI, Rn. 2. 184 Heiter, FamRZ 2009, 85, 88. 185 Heiter, FamRZ 2009, 85, 88. 186 So sind z. B. widersprüchliche Rechtsmittel als unterschiedliche Rechtsmittel des jeweiligen Einzelberechtigten zu behandeln und einzeln zu bescheiden, Keidel / Kayser, FGG, § 66, Rn. 5 m. w. N.
II. Verfahrensrechtliche Position Minderjähriger
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dd) Die Vertretung nicht verfahrensfähiger Beteiligter gemäß § 9 Abs. 2 bis 5 FamFG Da nicht alle Verfahrensbeteiligten i. S. d. § 7 FamFG zugleich auch gemäß § 9 Abs. 1 FamFG verfahrensfähig sind, regeln die Abs. 2 bis 5 des § 9 FamFG die ordnungsgemäße Vertretung nicht verfahrensfähiger Beteiligter und nehmen hierbei zum Teil Bezug auf die ZPO. Soweit ein Geschäftsunfähiger oder beschränkt Geschäftsfähiger nicht verfahrensfähig ist, handeln für ihn gemäß § 9 Abs. 2 FamFG seine gesetzlichen Vertreter. Für den Minderjährigen sind das gemäß §§ 1626, 1629 BGB die Eltern, gemäß § 1793 BGB der Vormund oder gemäß § 1909 BGB der Ergänzungspfleger. Die Vertretung muss sich an dem Kindeswohl als oberster Richtschnur orientieren. Daher ist sicherzustellen, dass der Vertreter ausschließlich die wohlverstandenen Interessen des minderjährigen Kindes unter Beachtung seiner Einsichtsund Selbstbestimmungsfähigkeit und seines dementsprechend zu berücksichtigenden subjektiven Willens vertritt. Problematisch wird dies jedoch dann, wenn ein Interessenkonflikt zwischen dem unter vierzehn Jahre alten Minderjährigen und seinen ihn vertretenden Eltern besteht. Eine solche Situation kann insbesondere bei den Kindschaftsverfahren nach § 151 FamFG entstehen. Insoweit wird im Folgenden zu untersuchen sein, ob die ordnungsgemäße Vertretung des verfahrensunfähigen Kindes beispielsweise durch die Bestellung eines Verfahrensbeistandes abgesichert werden kann 187 oder ob es der Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft bedarf 188. Hinsichtlich der nicht selbst handlungsfähigen Vereinigungen und Behörden, wie etwa das Jugendamt, regelt § 9 Abs. 3 FamFG in Anknüpfung an ihre Beteiligungsmöglichkeit, dass sie mangels eigener Handlungsfähigkeit durch ihre gesetzlichen Vertreter und Vorstände im Verfahren vertreten werden. Für den Fall der notwendigen Vertretung eines nicht selbst verfahrensfähigen Beteiligten, wie insbesondere des noch nicht vierzehn Jahre alten Minderjährigen, ordnet § 9 Abs. 4 FamFG an, dass das Verschulden des gesetzlichen Vertreters dem Verschulden des Beteiligten gleichsteht. Diese zwingende Zurechnung fremden Verschuldens dient vor allem dem Schutz der anderen Verfahrensbeteiligten. 189 Daher besteht keinerlei Exkulpationsmöglichkeit, auch wenn der Vertretene keinen Einfluss auf die Auswahl des gesetzlichen Vertreters hat 190, so wie es beim Minderjährigen regelmäßig der Fall ist.
187 188 189 190
Siehe E. II. Siehe F. II. Prütting / Helms / Prütting, FamFG, § 9, Rn. 32. Haußleiter / Gomille, FamFG, § 9, Rn. 24.
130
D. Stärkung der verfahrensrechtlichen Position des Minderjährigen
Ergänzend zu den Abs. 2 bis 4 von § 9 FamFG verweist dessen Abs. 5 für bestimmte Sonderkonstellationen im Rahmen der Verfahrensvertretung auf die §§ 53 bis 58 ZPO. 191 Somit richtet sich beispielsweise die Verfahrensfähigkeit von Ausländern nach § 55 ZPO oder das Erfordernis eines Prozesspflegers nach § 57 ZPO. Auch ist über die Verweisung des § 9 Abs. 5 FamFG der § 56 ZPO entsprechend anwendbar, der die Prüfung von Mängeln der Beteiligtenfähigkeit, der Verfahrensfähigkeit, der Legitimation eines gesetzlichen Vertreters und der erforderlichen Ermächtigung zur Verfahrensführung von Amts wegen anordnet. Besondere Beachtung verdient die Verweisung des § 9 Abs. 5 FamFG auf § 53 ZPO. Denn § 53 ZPO ordnet an, dass eine verfahrensfähige Person dann einer nicht verfahrensfähigen Person gleichsteht, wenn sie durch einen Betreuer oder einen Pfleger vertreten wird, dessen Aufgabenkreis sich auf den Verfahrensgegenstand erstreckt. Pfleger in diesem Sinne ist grundsätzlich auch der Ergänzungspfleger für ein minderjähriges Kind nach § 1909 BGB. 192 Problematisch ist dabei, ob § 9 Abs. 5 FamFG i. V. m. § 53 ZPO auch für den nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG ausnahmsweise verfahrensfähigen Minderjährigen gilt und dessen Verfahrensfähigkeit bei Vorliegen einer Ergänzungspflegschaft für den Verfahrensgegenstand wieder aufhebt. 193 Denn § 53 ZPO ordnet an, dass die Verfahrensführung allein dem Pfleger oder Betreuer obliegt, auch wenn der Vertretene grundsätzlich verfahrensfähig bleibt. 194 Das würde bedeuten, dass der über vierzehn Jahre alte Minderjährige, dem beispielsweise für die Durchsetzung seines Rechtes auf Umgang ein Ergänzungspfleger bestellt wird, zwar grundsätzlich nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG verfahrensfähig wäre, ihm diese vom Gesetzgeber explizit vorgesehene Handlungsbefugnis jedoch nach § 9 Abs. 5 FamFG i. V. m. § 53 ZPO wieder genommen werden würde. Dieses Ergebnis widerspricht dem Sinn und Zweck des § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG, dem Minderjährigen hier gerade die eigenständige Verfahrensfähigkeit uneingeschränkt zuzuerkennen. Mithin ist § 9 Abs. 5 FamFG i. V. m. § 53 ZPO dahingehend teleologisch zu reduzieren, dass § 53 ZPO für den Fall nicht greift, in dem der Minderjährige nach § 9 191 § 53a ZPO a. F. wurde durch das FGG-RG aufgehoben. Eine entsprechende Regelung zur Vertretung des Minderjährigen durch das Jugendamt als Beistandschafter gemäß §§ 1712 – 1717 BGB findet sich nunmehr in § 173 FamFG. 192 Bumiller / Harders, FamFG, § 9, Rn. 18; Keidel / Zimmermann, FamFG, § 9, Rn. 24; S / B/W / Schöpflin, FamFG, § 9, Rn. 29. A. A. wohl MünchKomm-ZPO / Lindacher, § 53 ZPO, Rn. 2. § 53 ZPO greift jedoch nicht für den Fall einer Verfahrensbeistandschaft nach § 158 FamFG, Prütting / Helms / Prütting, FamFG, § 9, Rn. 37. 193 Diese Frage könnte sich z. B. dann stellen, wenn einem Dreizehnjährigen zur Geltendmachung seines Umgangsrechtes zunächst ein Ergänzungspfleger bestellt wird, er jedoch im anhängigen Verfahren das vierzehnte Lebensjahr vollendet und gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG durch die Geltendmachung seines Rechtes selbst verfahrensfähig wird. 194 Sogenannte Monopolisierung der Prozessführung, MünchKomm-ZPO / Lindacher, § 53, Rn. 1; Prütting / Helms / Prütting, FamFG, § 9, Rn. 37.
II. Verfahrensrechtliche Position Minderjähriger
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Abs. 1 Nr. 3 FamFG ausdrücklich selbst verfahrensfähig ist. 195 Dies entspricht auch dem Grundgedanken von § 53 ZPO, der, sich an §§ 51 ff. ZPO orientierend, die volljährige Partei im Blick hat, nicht hingegen den Sonderfall des ausnahmsweise verfahrensfähigen Minderjährigen. Denn bei dem Volljährigen entspricht die Bestellung eines Pflegers oder Betreuers dem Entzug eigener Handlungsmöglichkeiten aufgrund bestehender Handlungsdefizite des Betroffenen. Beim Minderjährigen hingegen erfolgt die Bestellung eines Ergänzungspflegers nach § 1909 BGB aufgrund des Ausschlusses oder Fehlens der eigentlich zur Vertretung berufenen Eltern und nicht aufgrund einer notwendigen Einschränkung der Handlungsbefugnisse des Minderjährigen selbst. Vielmehr liegt der gegenteilige Fall vor, soweit dem Minderjährigen nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG von Gesetzes wegen ausnahmsweise die Fähigkeit zuerkannt wird, eigenständig im Verfahren handeln zu können. Die Bestellung eines die Eltern ersetzenden Ergänzungspflegers steht damit in keinem Zusammenhang und darf demnach darauf auch keinen Einfluss haben. Die Eltern bleiben als gesetzliche Vertreter allenfalls neben dem verfahrensfähigen Minderjährigen dazu befugt ihn verfahrensrechtlich zu vertreten. Gleiches muss daher auch für den die Eltern ersetzenden Ergänzungspfleger gelten, der nur neben, nicht aber i. S. v. § 53 ZPO anstelle des verfahrensfähigen Minderjährigen diesen vertreten kann. Für ein solches Ergebnis spricht des Weiteren, dass die sich aus § 167 Abs. 3 FamFG ergebende Verfahrensfähigkeit des Minderjährigen nicht durch das gleichzeitige Bestehen einer Ergänzungspflegschaft eingeschränkt wird. Denn § 167 Abs. 3 FamFG ist zu § 9 Abs. 5 FamFG i. V. m. § 53 ZPO lex specialis. Insoweit ist jedoch kein Grund ersichtlich, warum hier eine unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt sein sollte. Daneben stellt sich die Frage, ob die Bestellung eines Ergänzungspflegers für das minderjährige Kind in Bezug auf den Verfahrensgegenstand, die Bestellung eines Verfahrensbeistandes nach § 158 FamFG obsolet werden lässt. Wie sich Ergänzungspflegschaft und Verfahrensbeistandschaft zueinander verhalten, wird daher noch genauer zu untersuchen sein. 196 c) Das Beschwerderecht des Minderjährigen gemäß § 60 FamFG Neben dem durch das FGG-Reformgesetz neu eingefügten § 9 FamFG ist hinsichtlich der Verfahrensfähigkeit Minderjähriger eine weitere Vorschrift des allgemeinen Teils des FamFG hervorzuheben. Denn den Grundgedanken des § 59 FGG a. F. fortführend regelt § 60 FamFG spezialgesetzlich die Verfahrensfähigkeit des minderjährigen Kindes für das Beschwerdeverfahren und macht
195 196
A. A. Zorn, Rpfleger 2009, 421, 425. Siehe F. II.
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D. Stärkung der verfahrensrechtlichen Position des Minderjährigen
so ergänzend zu § 9 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 FamFG 197 ein weitere Ausnahme von dem Grundsatz der verfahrensrechtlichen Vertretungsbedürftigkeit Minderjähriger. Gemäß § 60 S. 1 und 3 FamFG ist das minderjährige, unter elterlicher Sorge 198 oder Vormundschaft stehende Kind, welches das vierzehnte Lebensjahr zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung vollendet hat 199 und nicht nach § 104 Nr. 2 BGB geschäftsunfähig ist, für alle seine Person betreffenden Angelegenheiten 200 beschwerdefähig und damit i. V. m. § 9 Abs. 2 Nr. 4 FamFG verfahrensfähig. Gleiches gilt nach § 60 S. 2 FamFG für alle anderen Angelegenheiten, in denen der Minderjährige vor der gerichtlichen Entscheidung angehört werden soll. 201 Über den Wortlaut des § 60 FamFG hinaus darf dem Minderjährigen ebenso wie bei § 9 Abs. 1 FamFG nicht die ausreichende Einsichtsfähigkeit, seine verfahrensrechtlichen Befugnisse selbstständig wahrnehmen zu können, erkennbar fehlen. 202 Gegebenenfalls ist ihm zu seiner Unterstützung ein Verfahrensbeistand nach § 158 FamFG zu bestellen. 203 Liegen die Voraussetzungen des § 60 FamFG vor, so kann der Minderjährige sein Beschwerderecht in vollem Umfang selbstständig ausüben. Dies umfasst beispielsweise die wirksame Einlegung der Beschwerde sowie der Rechtsbeschwerde 204, deren Rücknahme und den Verzicht auf das Beschwerderecht gegenüber dem Gericht. Durch § 60 FamFG wird jedoch nicht die Beschwerdeberechtigung an sich begründet. Vielmehr wird eine solche i. S. v. § 59 Abs. 1
197
Liegen hingegen bereits die Voraussetzungen der § 9 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 FamFG vor, so kommt § 60 FamFG nur deklaratorische Wirkung zu, Keidel / Meyer-Holz, FamFG, § 60, Rn. 2. 198 Unter elterlicher Sorge steht der Minderjährige dabei auch, wenn für ihn ein Ergänzungspfleger bestellt ist, Johannsen / Henrich / Althammer, FamFG, § 60, Rn. 3. 199 Maßgeblicher Zeitpunkt ist derjenige, des Erlasses der Entscheidung i. S. v. § 38 Abs. 3 S. 3 FamFG. Die Berechnung des Lebensalters richtet sich nach § 187 Abs. 2 S. 2 BGB, B / J/S / Müther, FamFG, § 60, Rn. 4. Umstritten ist, ob § 60 FamFG anzuwenden ist, wenn der Minderjährige vor Ablauf der Beschwerdefrist das vierzehnte Lebensjahr vollendet. Der eindeutige Wortlaut des § 60 S. 3 FamFG steht einer solchen erweiternden Auslegung jedoch entgegen. So auch Bumiller / Harders, FamFG, § 60, Rn. 6; Keidel / Meyer-Holz, FamFG, § 60, Rn. 13; a. A. B / J/S / Müther, FamFG, § 60, Rn. 4. 200 Vgl. hierzu Keidel / Meyer-Holz, FamFG, § 60, Rn. 6ff. 201 Z. B. nach § 159 FamFG. Ob die Anhörung tatsächlich durchgeführt wurde, ist dabei unerheblich, Zöller / Feskorn, ZPO, § 60 FamFG, Rn. 5. 202 So auch Keidel / Meyer-Holz, FamFG, § 60, Rn. 17. A. A. Prütting / Helms / Abramenko, FamFG, § 60, Rn. 3. 203 Hahne / Munzig / Gutjahr, FamFG, § 60, Rn. 17. 204 B / J/S / Müther, FamFG, § 60, Rn. 10. Für eine entsprechende Anwendung Keidel / Meyer-Holz, FamFG, § 60, Rn. 20.
II. Verfahrensrechtliche Position Minderjähriger
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FamFG vorausgesetzt. 205 Zudem ist die gemäß § 60 FamFG dem minderjährigen Kind eingeräumte Verfahrensfähigkeit, wie schon bei § 59 FGG a. F., ausschließlich auf das Beschwerdeverfahren begrenzt. 206 Wie in der ersten Instanz ergeben sich auch im Beschwerdeverfahren durch das Auseinanderfallen von Geschäfts- und Verfahrensfähigkeit Folgeprobleme, etwa die Bevollmächtigung eines Rechtsanwaltes durch den Minderjährigen betreffend. Sie sind jedoch überwiegend durch Auslegung der anzuwendenden Vorschriften zugunsten einer möglichst umfangreichen Handlungsfähigkeit des Minderjährigen zu lösen. 207 Unberührt von § 60 FamFG bleibt die Befugnis des gesetzlichen Vertreters, im Namen des Kindes Beschwerde einzulegen, bestehen. 208 Insgesamt lässt sich somit festhalten, dass § 60 FamFG die bereits unter der Geltung des § 59 FGG a. F. etablierte Verfahrensfähigkeit des Minderjährigen für die Beschwerde gegen seine Person betreffende Entscheidungen fortführt, um so dessen wachsender Selbstbestimmungsfähigkeit i. S. v. Art. 2 Abs. 1 GG Rechnung zu tragen. Dies unterstreicht maßgeblich die Subjektqualität des Kindes und berücksichtigt auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht seine Eigenverantwortlichkeit. Allerdings beschränkt sich die Wirkung des § 60 FamFG nur auf das über vierzehn Jahre alte Kind und auf die Beschwerdeinstanz. Im Übrigen bedarf der Minderjährige weiterhin der gesetzlichen Vertretung. d) Fazit In Ergänzung zur Beteiligtenstellung wurde das minderjährige Kind mit der Einführung des FamFG nicht nur als gemäß § 8 Nr. 1 FamFG generell beteiligtenfähig, sondern in bestimmten Sonderkonstellationen auch als ausnahmsweise verfahrensfähig anerkannt. Hervorzuheben ist insofern vor allem § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG, der dem über vierzehnjährigen Kind dann die Verfahrensfähigkeit zugesteht, wenn es ihm nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch zustehende subjektive Rechte selbstständig geltend macht. Zu beachten ist des Weiteren § 9 Abs. 1 Nr. 4 i. V. m. § 167 Abs. 3 FamFG für das Unterbringungsverfahren. Zudem finden sich auch außerhalb von § 9 FamFG entsprechende Regelungen zur Verfahrensfähigkeit Minderjähriger, wie z. B. § 60 FamFG. Soweit der Minderjährige 205 Johannsen / Henrich / Althammer, FamFG, § 60, Rn. 2; Prütting / Helms / Abramenko, FamFG, § 60, Rn. 1. 206 B / J/S / Müther, FamFG, § 60, Rn. 2; Haußleiter / Haußleiter, FamFG, § 60, Rn. 1; Keidel / Meyer-Holz, FamFG, § 60, Rn. 3. Hierzu kritisch Schürmann in: Coester-Waltjen / Lipp / Schumann / Veit, Kindesschutz, S. 231, 244. 207 Siehe D. II. 3. b) cc) sowie Prütting / Helms / Abramenko, FamFG, § 60, Rn. 8. 208 Horndasch / Viefhues / Reinken, FamFG, § 60, Rn. 1; Keidel / Meyer-Holz, FamFG, § 60, Rn. 19.
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D. Stärkung der verfahrensrechtlichen Position des Minderjährigen
verfahrensfähig ist, hat er alle verfahrensrechtlichen Befugnisse und Handlungsmöglichkeiten, ihn treffen aber auch die entsprechenden verfahrensrechtlichen Pflichten und Obliegenheiten. Zudem kommt es zu Folgeproblemen, in denen die fehlende Akzessorietät von Geschäftsfähigkeit und Verfahrensfähigkeit rechtliche Lücken bedingt. Diese lassen sich derzeit aber überwiegend im Wege der Auslegung schließen, was den Gesetzgeber allerdings nicht von seiner Pflicht entbindet, die Rechtslage entsprechend anzupassen. Insoweit muss vor allem darauf geachtet werden, dass der Minderjährige im Verfahren nicht gänzlich auf sich allein gestellt bleiben darf, sodass ihm beispielsweise einem Erwachsenen gleich die Beauftragung eines Rechtsanwaltes auch in materiell-rechtlicher Hinsicht ermöglicht werden muss. 4. Zusammenfassendes Ergebnis Mit Inkrafttreten des FamFG wurde die verfahrensrechtliche Position Minderjähriger erheblich ausgebaut. In Fortführung des geschichtlich gewachsenen Verständnisses seiner Grundrechtssubjektivität und der daraus resultierenden Notwendigkeit seiner rechtlichen Einbeziehung in die Verfahren, die seine höchstpersönlichen Rechte betreffen, wurden das minderjährige Kind und seine besondere Situation zielgerichtet bei der gesetzlichen Regelung des Beteiligtenbegriffs, der Beteiligtenfähigkeit und der Verfahrensfähigkeit berücksichtigt, um so seine Mitwirkungsmöglichkeiten insgesamt zu stärken. Durch die gesetzliche Regelung des Beteiligtenbegriffs wurde eines der Kernstücke der FGG-Reform umgesetzt und damit das Ziel der Rechtsklar- und Rechtssicherheit in diesem wichtigen Bereich weitgehend erreicht. Dabei nimmt § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG nunmehr die zwingende Verknüpfung zwischen der materiellen Betroffenheit und der formellen Hinzuziehung des Betroffenen zum Verfahren als Beteiligten vor. Dies eröffnet dem minderjährigen Kind, im Gegensatz zur nur materiellen Beteiligung unter der Geltung des FGG, nunmehr die vollwertige Beteiligtenstellung im Kindschaftsverfahren nach § 151 FamFG. Zudem bewirkt auch der seltene Fall, dass der Minderjährige selbst den Antrag auf Einleitung des Verfahrens stellen kann, seine Beteiligung kraft Gesetz nach § 7 Abs. 1 FamFG. Insgesamt ist das minderjährige Kind damit nun unabhängig von seinem Alter und seiner Verstandesreife im Kindschaftsverfahren Verfahrensbeteiligter und ebenso wie die übrigen Beteiligten grundsätzlich Inhaber vielseitiger Rechte, Mitwirkungsmöglichkeiten und Pflichten, auch wenn es gemäß § 81 Abs. 3 FamFG von der Kostentragungspflicht befreit bleibt. Gesetzlich klargestellt wurde zudem, dass der Minderjährige als rechtsfähige, natürliche Person gemäß § 8 Nr. 1 FamFG unabhängig von seinem Alter stets beteiligtenfähig ist. Punktuell wird ihm zudem auch die Verfahrensfähigkeit nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 FamFG zugestanden. Dies ist ein wichtiger Schritt,
III. Rechtsposition des Minderjährigen im Kindschaftsverfahren
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um die notwenige Akzessorietät zum materiellen Recht herzustellen und so seine Grundrechtssubjektivität zur Geltung zu bringen. Allein hierdurch hat sich die verfahrensrechtliche Position des minderjährigen Kindes erheblich erweitert. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass das verfahrensfähige Kind dennoch kein Beteiligter wie alle anderen ist 209, sondern seine besondere Situation bei der Anwendung und Auslegung der allgemeinen Verfahrensregelungen Beachtung finden muss. Die Zuerkennung der Verfahrensfähigkeit erfolgt allerdings nur in Ausnahmefällen. Für die überwiegende Anzahl der Kindschaftsverfahren ist der Minderjährige weiterhin verfahrensunfähig und bedarf der gesetzlichen Vertretung durch seine Eltern. Dies lässt jedoch die schon unter der Geltung des FGG diskutierte Frage offen, wie eine ordnungsgemäße und kindesorientierte Vertretung im Fall eines den Verfahrensgegenstand betreffenden Interessenkonflikts zwischen dem Kind und seinen Eltern sichergestellt werden kann. Zusammenfassend kann damit festgehalten werden, dass sich die verfahrensrechtliche Position Minderjähriger mit Inkrafttreten des FamFG erheblich verbessert hat. Die §§ 7 bis 9 FamFG stellen ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen der Schutzbedürftigkeit des Minderjährigen und der Anerkennung seiner Selbstbestimmungsfähigkeit unter Berücksichtigung des Bedürfnisses nach Rechtssicherheit und -klarheit dar. Dennoch gilt es für die Verfahren, in denen das minderjährige Kind berechtigterweise nicht als verfahrensfähig anerkannt wird, sicherzustellen, dass der jeweilige Vertreter kindesorientiert handelt und dabei den subjektiven Willen des Minderjährigen ausreichend berücksichtigt. Inwiefern dies durch die spezifischen Regelungen des Kindschaftsverfahrens nach §§ 151 ff. FamFG sowie die Einschaltung eines Verfahrensbeistandes oder Ergänzungspflegers erreicht werden kann, wird im Folgenden zu untersuchen sein.
III. Die Rechtsposition des Minderjährigen im Kindschaftsverfahren nach den §§ 151 ff. FamFG 1. Die besonderen Verfahrensregelungen der §§ 151 ff. FamFG In Umsetzung der FGG-Reform wurden, neben der Stärkung der Beteiligtenund Mitwirkungsrechte des minderjährigen Kindes im allgemeinen Teil des FamFG, weitere Regelungen in die §§ 151 ff. FamFG aufgenommen, welche die Kindeswohlorientierung des Verfahrens und die besondere Berücksichtigung des Minderjährigen als Verfahrenssubjekt unterstreichen.
209
Heiter, FamRZ 2009, 85.
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D. Stärkung der verfahrensrechtlichen Position des Minderjährigen
So enthält § 151 FamFG eine Legaldefinition der Kindschaftssachen als Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 111 Nr. 2 FamFG). 210 Unter Kindschaftssachen sind demnach diejenigen Verfahren zu verstehen, welche die Verantwortung für die Person oder das Vermögen eines Minderjährigen sowie dessen Vertretung betreffen 211 und somit dem Familiengericht zugewiesen sind. Konkret benennt § 151 FamFG die Verfahren, welche die elterliche Sorge (Nr. 1) 212, das Umgangsrecht (Nr. 2) 213, die Kindesherausgabe (Nr. 3) 214, die Vormundschaft (Nr. 4), die Pflegschaft oder die gerichtliche Bestellung eines sonstigen Vertreters für einen Minderjährigen oder eine Leibesfrucht (Nr. 5), die Genehmigung der freiheitsentziehenden Unterbringung eines Minderjährigen (Nr. 6) 215, die Anordnung der freiheitsentziehenden Unterbringung eines Minderjährigen nach den Landesgesetzen über die Unterbringung psychisch Kranker (Nr. 7) 216 und die Aufgaben nach dem Jugendgerichtsgesetz (Nr. 8) 217 zum Gegenstand haben. 218 Als Kindschaftssachen nach §§ 111 Nr. 2, 151 FamFG gelten gemäß § 270 Abs. 1 S. 2 FamFG auch die Verfahren, welche i. S. v. § 269 Abs. 1 Nr. 3 FamFG die elterliche Sorge, das Umgangsrecht oder die Kindesherausgabe in Bezug auf ein gemeinschaftliches Kind einer eingetragenen Lebenspartnerschaft betreffen. Mit Ausnahme der Unterhaltssachen fasst § 151 FamFG, im Gegensatz zur zersplitterten Regelung des FGG, somit all die Verfahren konzentriert zusammen, die 210 Gleichzeitig wurde so ein Begriffswandel vorgenommen, denn der Begriff der Kindschaftssachen wurde bis dahin gemäß § 640 Abs. 2 ZPO a. F. für die Abstammungsverfahren verwendet, die nunmehr als Abstammungssachen in § 169 FamFG geregelt sind. 211 BT-Drucksache 16/6308 S. 233. Coester in: Lipp / Schumann / Veit, FamFG-Reform, S. 39, 40 versteht den Begriff der Kindschaftssachen daher auch als Auffangkategorie. 212 Unter Erweiterung des bisherigen § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO a. F. werden von § 151 Nr. 1 FamFG nunmehr auch alle Verfahrensgegenstände mit umfasst, die mit einer Sorgerechtsregelung sachlich oder verfahrensrechtlich im Zusammenhang stehen, so etwa Entscheidungen § 112 BGB, § 2 Abs. 3, § 3 Abs. 2 und § 7 RelKErzG, § 2 Abs. 1 NamÄndG oder § 16 Abs. 3 VerschG betreffend sowie die bloßen Annexverfahren, z.B. nach §§ 76, 86 FamFG. Zudem fallen hierunter auch einige der bislang in § 621 Abs. 1 Nr. 12 ZPO a. F. geregelten Verfahrensgegenstände, BT-Drucksache 16/6308 S. 233 f. 213 Entspricht § 621 Abs. 1 Nr. 2 ZPO a. F. 214 Entspricht § 621 Abs. 1 Nr. 3 ZPO a. F., jedoch ohne die frühere Beschränkung, dass das Kind unter elterlicher Sorge stehen muss. 215 Erfasst die bislang in § 70 Abs. 1 Nr. 1a FGG a. F. geregelten Fälle. 216 Erfasst die bislang in § 70 Abs. 1 Nr. 3 FGG a. F. geregelten Fälle. 217 Betrifft insbesondere Verfahren zur Festsetzung von Erziehungsmaßregeln nach § 9 JGG durch das Familiengericht (vgl. §§ 53, 104 Abs. 4 JGG) sowie Entscheidungen nach § 67 Abs. 4 S. 3 JGG. 218 Keine Kindschaftssachen sind hingegen Verfahren bezüglich der Unterhaltspflicht gegenüber einem Kind, vgl. § 231 Abs. 1 FamFG. Werden die Kindschaftssachen der § 151 Nr. 1 bis 3 FamFG gemäß § 137 Abs. 3 FamFG als Folgesachen im Scheidungsverbund geltend gemacht, so sind die Sondervorschriften der §§ 135, 138, 142, 144, 146, 148, 150 FamFG zu beachten.
III. Rechtsposition des Minderjährigen im Kindschaftsverfahren
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das Kind und seine Angelegenheiten zum Gegenstand haben. Dabei soll durch die Bezeichnung „Kindschaftssachen“ ausdrücklich hervorgehoben werden, dass das Kind und sein Wohl im Zentrum dieser Verfahren stehen. 219 Das Verfahren in Kindschaftssachen stellt ein Fürsorgeverfahren dar. 220 Es zeichnet sich durch ein gesteigertes Interesse an der materiellen Richtigkeit der Entscheidung aus und verbindet dabei Aspekte der staatlichen Gefahrenabwehr, der sozialen Arbeit und des streitigen Verfahrens. 221 Zugleich dient es im Interesse des Kindeswohls der Erhaltung des Erziehungsverhältnisses zwischen Eltern und Kind. Das Kindschaftsverfahren wird durch den Untersuchungsgrundsatz und den Amtsbetrieb geprägt 222 und verfolgt vom Grundsatz her nicht vorrangig den Zweck, subjektive Rechte durchzusetzen, sondern das Kindeswohl abzusichern und somit der Verantwortung, die aus dem staatlichen Wächteramt gemäß Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG erwächst, zu entsprechen. 223 Aus diesem Grund wurden besondere Verfahrensregelungen in die §§ 151 ff. FamFG aufgenommen, die eben diesen Zweck unterstreichen. So enthalten die §§ 151 ff. FamFG zum einen Regelungen, die indirekt für die geringstmögliche Belastung des minderjährigen Kindes sorgen und damit kindeswohlunterstützend wirken. Hierzu zählt beispielsweise § 152 Abs. 2 bis 4 FamFG, wonach sich die örtliche Zuständigkeit des Familiengerichts in isolierten Kindschaftsverfahren nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes oder dem Ort des Fürsorgebedürfnisses bestimmt. Zu nennen ist weiter § 163 Abs. 3 FamFG, der ausdrücklich die Vernehmung des Kindes als Zeugen verbietet, um es so vor der damit verbundenen Belastung zu schützen. Besondere Bedeutung bei der Wahrung des Kindeswohls 224 kommt zudem § 155 Abs. 1 FamFG 225 zu, der für bestimmte Kindschaftssachen ein ausdrückliches Vorrang- und Beschleunigungsgebot normiert. Danach sind in allen Rechtszügen und in jeder Lage des Verfahrens 226 diejenigen Verfahren vorrangig und 219
BT-Drucksache 16/6308 S. 233; Zorn, Rpfleger 2009, 421, 422. BT-Drucksache 16/6308, S. 162. 221 Ahlert, Verfahrensbeistand, S. 48. 222 Keidel / Sternal, FamFG, § 26, Rn. 10f; Salgo / Zenz / Heilmann, Verfahrensbeistandschaft, Rn. 1137. 223 BGH, NJW 2012, 151, 154. 224 Kemper / Schreiber / Völker / Clausius, FamFG, § 155, Rn. 3. 225 Die Vorschrift entspricht § 50e Abs. 1 FGG a. F, welcher mit Wirkung zum 12. Juli 2008 durch das Gesetz zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls (BGBl. I, S. 1188) eingeführt wurde. Damit ist sowohl den Anforderungen von Art. 6 Abs. 1 EMRK, vgl. EuGHMR, FamRZ 2011, 1283, 1284, als auch den verfassungsrechtlichen Vorgaben Rechnung getragen worden, vgl. MünchKommZPO / Heilmann, § 155 FamFG, Rn. 5f. 226 Prütting / Helms / Stößer, FamFG, § 155, Rn. 4. 220
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D. Stärkung der verfahrensrechtlichen Position des Minderjährigen
beschleunigt durchzuführen, die das Umgangsrecht, den Aufenthalt sowie die Herausgabe des Kindes oder die Gefährdung des Kindeswohls zum Gegenstand haben, um so zugunsten des Kindeswohls dem besonderen kindlichen Zeitempfinden und dem Bedürfnis nach stabilen Strukturen Rechnung zu tragen. 227 Zugleich soll dabei der Gefahr einer faktischen Präjudizierung vorgebeugt werden. 228 Beide Grundsätze sind allerdings nicht schematisch zu handhaben, sondern werden durch das Kindeswohl geprägt und begrenzt 229, sind also bezogen auf den konkreten Einzelfall flexibel anzuwenden. 230 Ergänzt wird der Beschleunigungsgrundsatz durch § 155 Abs. 2 FamFG, der einen frühen Termin zur Erörterung des Verfahrensgegenstandes vorsieht und somit zugleich i. S. v. § 156 FamFG die Möglichkeit einer frühen einvernehmlichen Konfliktlösung eröffnet. 231 Gemäß § 155 Abs. 2 S. 2 FamFG soll der Termin spätestens einen Monat nach Beginn des Verfahrens stattfinden. 232 Zudem soll das Gericht gemäß § 155 Abs. 3 FamFG das persönliche Erscheinen der verfahrensfähigen Beteiligten anordnen 233, um so eine umfassende Sachaufklärung, aber auch die angestrebte einvernehmliche Lösung des Konflikts zu ermöglichen. 234 Die Beschränkung der Anordnung auf die verfahrensfähigen Beteiligten, also der Ausschluss des in der Regel nicht verfahrensfähigen Minderjährigen, wird damit begründet, dass seine Teilnahme aus Kindeswohlgesichtspunkten häufig nicht angezeigt sei. 235 Aufgrund der Ausgestaltung des § 155 Abs. 3 FamFG als Soll-Vorschrift und unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Beteiligtenöffentlichkeit, ist der verfahrensunfähige Minderjährige als Verfahrenssubjekt 227
BT-Drucksache 16/6308, S. 235; Haußleiter / Fest, FamFG, § 155, Rn. 1; Keidel / Engelhardt, FamFG, § 155, Rn. 1; Salgo / Zenz / Heilmann, Verfahrensbeistandschaft, Rn. 1144. 228 MünchKomm-ZPO / Heilmann, § 155 FamFG, Rn. 3. 229 B / J/S / Zorn, FamFG, § 155, Rn. 6; Keidel / Engelhardt, FamFG, § 155, Rn. 4; Musielak / Borth, FamFG, § 155, Rn. 3. 230 So kann im Einzelfall das Kindeswohl ein Abwarten gebieten, Prütting / Helms / Stößer, FamFG, § 155, Rn. 5; Ivanits, Die Stellung des Kindes, S. 210; Rakete-Dombek, FPR 2009, 16, 19; Schmid, FPR 2011, 5, 6, der zu Recht betont, dass die gründliche Aufklärung des Sachverhalts weiterhin im Vordergrund stehen muss. Zu den Zielkonflikten mit § 155 Abs. 1 FamFG innerhalb des neuen Rechts vgl. auch Coester in: Lipp / Schumann / Veit, FamFG-Reform, S. 39, 45. 231 Haußleiter / Fest, FamFG, § 155, Rn. 7; Prütting / Helms / Stößer, FamFG, § 155, Rn. 7. 232 Ein Verstoß gegen § 155 Abs. 2 S. 2 FamFG ist isoliert mit der Untätigkeitsbeschwerde angreifbar, OLG Schleswig, FamRZ 2011, 1823. 233 Bei unentschuldigtem Fernbleiben richten sich die Folgen nach § 33 Abs. 3 FamFG. 234 BT-Drucksache 16/6308, S. 236; Keidel / Engelhardt, FamFG, § 155, Rn. 12. 235 BT-Drucksache 16/6308, S. 236; Prütting / Helms / Stößer, FamFG, § 155, Rn. 10. Hierzu kritisch Trenczek, ZKJ 2009, 97, 101, der diese Einschätzung vor dem Hintergrund der Rechtssubjektivität des Kindes für fachlich zweifelhaft hält.
III. Rechtsposition des Minderjährigen im Kindschaftsverfahren
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allerdings dennoch in die Erörterung einzubeziehen, wenn das Kindeswohl dem nicht entgegensteht. 236 Der Beschleunigungsgrundsatz wird auch durch den mit dem Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vom 21. Juli 2012 neu eingefügten § 155 Abs. 4 FamFG 237 unterstrichen, wonach das aufgrund eines außergerichtlichen Konfliktbeilegungsversuchs ausgesetzte Verfahren in der Regel nach drei Monaten wieder aufgenommen werden soll, wenn keine einvernehmliche Regelung erzielt wurde. Z. T. stellt das FamFG auch direkt auf das Kindeswohl als Leitlinie und Grenze für das Handeln der Verfahrensbeteiligten ab. Zu nennen ist hier insbesondere § 156 FamFG, der zum Wohle des Kindes das Hinwirken auf ein Einvernehmen der Beteiligten in bestimmten Kindschaftsverfahren als übergeordnetes Verfahrensziel festschreibt. 238 Dabei hat der Gesetzgeber in § 156 Abs. 1 S. 1 FamFG ausdrücklich die Einschränkung „wenn es dem Kindeswohl nicht widerspricht“ mit aufgenommen, um klarzustellen, dass das Kindeswohl dieses Verfahrensziel zugleich auch begrenzt. 239 Dementsprechend steht die gerichtliche Billigung einer einvernehmlichen Umgangsregelung 240 gemäß § 156 Abs. 2 S. 2 FamFG unter dem Vorbehalt des Kindeswohls. 241 Der Grundgedanke des Hinwirkens auf das Einvernehmen der Beteiligten zum Wohle des Kindes findet sich daneben ausdrücklich auch in § 158 Abs. 4 S. 2 (Hinwirken auf das Einvernehmen 236 So auch MünchKomm-ZPO / Heilmann, § 155 FamFG, Rn. 65; FamVerf / Schael, §§ 2, Rn. 103. Coester in: Lipp / Schumann / Veit, FamFG-Reform, S. 39, 48 bezeichnet das generelle Fehlen des Kindes im frühen Termin als schweren Mangel. 237 BGBl. I, S. 1577, 1580. 238 Allerdings ist das Beschleunigungsgebot nach § 155 Abs. 1 FamFG demgegenüber vorrangig, Haußleiter / Fest, FamFG, § 156, Rn. 4. 239 BT-Drucksache 16/9733, S. 293; Keidel / Engelhardt, FamFG, § 156, Rn. 3; Trenczek, ZKJ 2009, 97, 102. Vgl. auch BGH, FamRZ 2012, 533, 534 mit Anm. Hammer sowie BGH, FamRZ 2008, 592, 593 mit Anm. Luthin. 240 Überwiegend wird § 156 Abs. 2 S. 2 FamFG entgegen dessen Wortlaut auch auf die Kindesherausgaberegelung erstreckt, vgl. B / J/S / Zorn, FamFG, § 156, Rn. 15; Keidel / Engelhardt, FamFG, § 156, Rn. 14; MünchKomm-ZPO / Schumann, § 156 FamFG, Rn. 13; Schlünder, FamRZ 2012, 9. A. A. Wagner in: Lipp / Schumann / Veit, FamFGReform, S. 85, 88. Vgl. auch Hammer, FamRZ 2011, 1268, 1273, der sich für eine gesetzliche Ausweitung der Regelung auf alle Kindschaftssachen ausspricht. 241 Zur Problematik der verfassungskonformen Auslegung des Kindeswohlbegriffs in § 156 Abs. 2 S. 2 FamFG vgl. Hammer, FamRZ 2011, 1268, 1270. Schumann weist richtig darauf hin, dass das Kind vor der Billigung des gerichtlichen Vergleichs nach § 156 Abs. 2 FamFG in der Regel nach § 159 FamFG anzuhören ist. Denn der gerichtlich gebilligte Vergleich stellt einen Vollstreckungstitel nach § 86 Abs. 1 Nr. 2 FamFG dar, sodass dem minderjährigen Beteiligten rechtliches Gehör gewährt werden muss. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass der Vergleich im frühen Termin in Abwesenheit des verfahrensunfähigen Minderjährigen geschlossen wird, vgl. § 155 Abs. 3 FamFG, MünchKomm-ZPO / Schumann, § 156 FamFG, Rn. 16. Ebenso Schmid, FPR 2011, 5, 6 sowie Ivanits, ZKJ 2012, 98, 102.
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D. Stärkung der verfahrensrechtlichen Position des Minderjährigen
durch den Verfahrensbeistand) 242 und § 163 Abs. 2 FamFG (Hinwirken auf das Einvernehmen durch den Sachverständigen) sowie konkludent in § 165 FamFG (gerichtliches Vermittlungsverfahren) wieder. Neben diesen das Kindeswohl als Verfahrensleitlinie herausstellenden Regelungen wurden korrespondierend mit der vor allem durch § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG begründeten Beteiligtenstellung des Minderjährigen im Kindschaftsverfahren auch dessen verfahrensrechtliche Mitwirkungsmöglichkeiten durch einzelne Regelungen in den §§ 151 ff. FamFG gestärkt. So ist das nach § 9 FamFG verfahrensfähige Kind bereits beim frühen Termin i. S. v. § 155 Abs. 2 FamFG persönlich bei der Sacherörterung einzubeziehen. Für das verfahrensunfähige Kind geht § 155 Abs. 3 FamFG zu seinem Schutz zwar davon aus, dass es in der Regel nicht persönlich erscheinen muss, allerdings steht dies seiner Einbeziehung zumindest dann nicht entgegen, wenn keine Gefährdung des Kindeswohls zu befürchten ist. Als Beteiligter muss der Minderjährige zudem einer einvernehmlichen Regelung i. S. v. § 156 Abs. 2 FamFG zustimmen. 243 § 156 Abs. 2 FamFG flankiert dabei § 36 FamFG als ergänzende Sondernorm, da die Beteiligten andernfalls mangels Verfügungsbefugnis gemäß § 36 FamFG keine verfahrensbeendende Einigung treffen könnten. 244 Dabei stellt das Einvernehmen i. S. d. § 156 Abs. 2 S. 1 FamFG ein rein verfahrensrechtliches Konstrukt dar und weist entgegen einer z. T. in der Literatur 245 vertretenen Auffassung gerade nicht die Doppelnatur eines zivilprozessualen Vergleiches auf. Hierfür fehlt es zum einen an der dem Vergleich immanenten Komponente des gegenseitigen Nachgebens i. S. d. § 779 BGB 246 sowie an der freien Dispositionsbefugnis der Beteiligten. Das Zustimmungsrecht zu dem Einvernehmen folgt mithin allein aus der verfahrensrechtlichen Beteiligung und unterliegt den Verfahrensgrundsätzen. Erforderlich ist somit nur die Verfahrensfähigkeit des Minderjährigen. 247 Soweit das minderjährige Kind gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG verfahrensfähig ist, etwa weil es sein Umgangsrecht nach § 1684 Abs. 1 BGB geltend macht, erfüllt es mithin die Verfahrenshandlungsvoraussetzungen und kann selbst die verfahrensrechtli242
Siehe hierzu E. II. 4. b) bb). BT-Drucksachen 16/6308, S. 237; Haußleiter / Fest, FamFG, § 156, Rn. 14; Keidel / Engelhardt, FamFG, § 156, Rn. 12; Hammer, FamRZ 2011, 1268, 1269; Schlünder, FamRZ 2012, 9, 11. Hierzu kritisch AG Ludwigslust, FamRZ 2010, 488, 489; Zorn, Rpfleger 2009, 421, 430. 244 S / B/W / Ziegler, FamFG, § 156, Rn. 5. 245 B / J/S / Zorn, FamFG, § 156, Rn. 16; Heiter, FamRZ 2009, 85, 89. 246 Schlünder, FamRZ 2012, 9, 11. 247 A. A. Ivanits, Die Stellung des Kindes, S. 241, die annimmt, dass nach dem Wortlaut des § 156 Abs. 2 FamFG nur die Beteiligtenstellung, nicht jedoch die Verfahrensfähigkeit Voraussetzung für die Zustimmungsbefugnis ist. 243
III. Rechtsposition des Minderjährigen im Kindschaftsverfahren
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che Zustimmung erteilen. Andernfalls bedarf es der Vertretung nach § 9 Abs. 2 FamFG. Als Verfahrensbeteiligter ist es auch zwingend an einer einvernehmlichen Regelung zu beteiligen. Demnach kann seine Zustimmung nicht als entbehrlich angesehen werden, 248 sondern ist Ausdruck seines berücksichtigungsfähigen, das Kindeswohl prägenden Willens. Die Zustimmungsverweigerung kann folglich die einvernehmliche Umgangsregelung der Eltern verhindern. 249 Der verfahrensunfähige Minderjährige wird gemäß § 9 Abs. 2 FamFG i. V. m. §§ 1626, 1629 BGB grundsätzlich durch seine Eltern gesetzlich vertreten. Hinsichtlich des Zustimmungserfordernisses zur einvernehmlichen Regelung können diese jedoch von der Vertretung ausgeschlossen sein 250, wenn zwischen dem Minderjährigen und den Eltern diesbezüglich ein erheblicher Interessengegensatz besteht. Dabei ist allerdings zu beachten, dass die Einigung der Eltern die Vermutung der Kindeswohlkonformität in sich trägt. Im Zusammenspiel von subjektivem Kindeswillen und objektivem Kindeswohl 251 kommt der elternunabhängigen Zustimmung des Minderjährigen daher besondere Bedeutung nur dann zu, wenn die Eltern den Kindeswillen nicht ausreichend berücksichtigen und die Einigung damit dem Kindeswohl widerspricht. Insofern stellt sich die Frage, ob dem Minderjährigen für die Erteilung seiner Zustimmung ein Ergänzungspfleger nach § 1909 zu bestellen ist 252 oder ob die Unterstützung des Kindes durch einen Verfahrensbeistand gemäß § 158 FamFG, der einer einvernehmlichen Regelung ebenfalls zustimmen muss 253, genügt. 254 Zu berücksichtigen ist dabei allerdings, dass in praktischer Hinsicht neben den Eltern auch der Verfahrensbeistand und das Jugendamt i. d. R. an der einvernehmlichen Regelung beteiligt sind und sich dabei am Kindeswohl orientieren, sowie das Erfordernis der gerichtlichen Bil-
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Anders Bamberger / Roth / Veit, BGB, § 1629, Rn. 26. So auch Salgo / Zenz / Heilmann, Verfahrensbeistandschaft, Rn. 1181; Ivanits, Die Stellung des Kindes, S. 245. Anders wohl Keidel / Engelhardt, FamFG, § 156, Rn. 12. 250 A. A. AG Ludwigslust, FamRZ 2010, 488, 490, das vielmehr davon ausgeht, dass die Erklärung der Eltern auch die konkludente Zustimmung des noch nicht vierzehn Jahre alten Kindes enthalte. Zustimmend S / B/W / Ziegler, FamFG, § 156, Rn. 5; Schmid, FPR 2011, 5, 6. Hierzu kritisch Ivanits, Die Stellung des Kindes, S. 242 f. 251 Siehe B. II. 2. b). 252 So OLG Oldenburg, FamRZ 2010, 660, 662; Haußleiter / Fest, FamFG, § 156, Rn. 14. B / J/S / Zorn, FamFG, § 156, Rn. 16 spricht sich hingegen dafür aus, mit Blick auf § 155 Abs. 1 FamFG die Zustimmung des Minderjährigen nur dann zu verlangen, wenn er auch verfahrensfähig ist. Ebenso wohl auch Musielak / Borth, FamFG, § 156, Rn. 9. Eine solche Beschneidung der Beteiligtenrechte des Minderjährigen ist jedoch abzulehnen. 253 Zum Zustimmungserfordernis des Verfahrensbeistandes siehe E. II. 4. b) aa). 254 Siehe hierzu F. I. 1. a) bb) (3). 249
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D. Stärkung der verfahrensrechtlichen Position des Minderjährigen
ligung nach § 156 Abs. 2 S. 2 FamFG. Somit ist davon auszugehen, dass ein Interessenwiderstreit nur in seltenen Ausnahmefällen besteht. 255 Soweit zum Teil gefordert wird, § 156 Abs. 2 FamFG insofern verfassungsrechtlich einzuschränken, als die Verweigerung der Zustimmung anderer Beteiligter die einvernehmliche Regelung der Eltern dann nicht verhindert, wenn diese das Kindeswohl nicht konkret gefährdet 256, kann dem hinsichtlich der Zustimmung des Jugendamtes und des Verfahrensbeistandes beigepflichtet werden. 257 Denn unter Berücksichtigung der Elternverantwortung gemäß Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG 258 trägt die Einigung der Eltern auch insofern die Vermutung der Kindeswohlkonformität in sich. Nur wenn das Kindeswohl durch die Einigung gefährdet wird, kommt dem Jugendamt und dem Verfahrensbeistand als funktionellen Organen des staatlichen Wächteramtes nach Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG das Recht zu, sie zu verhindern. Eine Verweigerung der Zustimmung, obwohl keine Kindeswohlgefährdung vorliegt, wäre daher missbräuchlich und somit unbeachtlich. 259 Gleiches gilt auch hinsichtlich eines das minderjährige Kind vertretenden Ergänzungspflegers i. S. d. § 1909 Abs. 1 S. 1 BGB, dessen Verweigerung der Zustimmung die elterliche Einigung folglich nur im Falle einer Kindeswohlgefährdung verhindern kann. Eine direkte Mitwirkung des minderjährigen Kindes sieht § 157 Abs. 1 S. 1 FamFG in geeigneten Fällen auch für die Erörterung der Kindeswohlgefährdung vor. 260 Daneben ordnet § 164 FamFG an, dass eine Entscheidung, gegen die dem Minderjährigen nach §§ 59, 60 FamFG ein Beschwerderecht zusteht, ihm selbst i. S. v. § 41 FamFG bekannt zu machen ist, wenn er das vierzehnte Lebensjahr vollendet hat 261 und nicht geschäftsunfähig ist. Entsprechendes gilt für die Rechtsmittelschrift, wenn ein anderer Beteiligter Beschwerde eingelegt hat. 262 255 Erstreckt man § 156 Abs. 2 S. 1 FamFG zudem auf die Streitigkeiten über das Sorgerecht, so muss die Wertung des § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB mit einbezogen werden. Demnach trägt die Einigung der Eltern die Vermutung in sich, dass das Kindeswohl nicht gefährdet wird, es sei denn, das über 14-jährige Kind widerspricht ihr, lehnt also seine Zustimmung ab. 256 Keidel / Engelhardt, FamFG, § 156, Rn. 12; MünchKomm-ZPO / Schumann, § 156 FamFG, Rn. 17; S / B/W / Ziegler, FamFG, § 156, Rn. 5; ähnlich Heiter, FamRZ 2009, 85, 89 Fn. 48. 257 A. A. Salgo / Zenz / Heilmann, Verfahrensbeistandschaft, Rn. 1181; Ivanits, Die Stellung des Kindes, S. 246; Hammer, FamRZ 2011, 1268, 1270; Schlünder, FamRZ 2012, 9, 12. 258 Siehe B. II. 3. a) cc). 259 So auch MünchKomm-ZPO / Schumann, § 156 FamFG, Rn. 17. 260 Trenczek, ZKJ 2009, 97, 105 sieht darin zudem ein Indiz für den Kindesschutz als Mittel zur Sozialkontrolle. 261 Maßgeblicher Zeitpunkt ist dabei der Erlass der beschwerdefähigen Entscheidung, Haußleiter / Fest, FamFG, § 164, Rn. 6; Keidel / Engelhardt, FamFG, § 164, Rn. 3. 262 Keidel / Meyer-Holz, FamFG, § 60, Rn. 22.
III. Rechtsposition des Minderjährigen im Kindschaftsverfahren
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Dabei soll dem minderjährigen Kind gemäß § 164 S. 2 FamFG die Entscheidungsbegründung nur insoweit mitgeteilt werden, als hierdurch keine Nachteile für dessen Entwicklung, Erziehung oder Gesundheit zu befürchten sind. Zudem ist der von einem Unterbringungsverfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 FamFG betroffene, mindestens vierzehn Jahre alte Minderjährige unabhängig von seiner Geschäftsfähigkeit gemäß § 167 Abs. 3 FamFG selbst verfahrensfähig. 263 Als Konkretisierung von § 34 FamFG ordnet § 159 FamFG 264 die persönliche Anhörung des Minderjährigen an. 265 Hierdurch soll die Rechtssubjektivität des minderjährigen Kindes hervorgehoben und sichergestellt werden, dass sein berücksichtigungsfähiger Wille in das Verfahren mit einfließt. § 159 Abs. 1 FamFG sieht vor, dass das mindestens vierzehn Jahre alte Kind in Verfahren, die nicht ausschließlich sein Vermögen betreffen, zwingend angehört werden muss. 266 Ist der Minderjährige noch nicht vierzehn Jahre alt, so ist er gemäß § 159 Abs. 2 FamFG persönlich anzuhören, wenn seine Neigungen, Bindungen oder sein Wille für die Entscheidung von Bedeutung sind oder die Anhörung aus anderen Gründen angezeigt ist. Diese Voraussetzungen sind bei Kindern ab Vollendung des dritten Lebensjahres in der Regel gegeben. 267 Ein Absehen von der Kindesanhörung ist gemäß § 159 Abs. 3 S. 1 FamFG nur bei schwerwiegenden Gründen möglich. Solche Gründe sind beispielsweise die Vermeidung der Belastung durch Mehrfachvernehmung oder die Beeinträchtigung des seelischen Gleichgewichts des Kindes. 268 Nicht ausreichend ist hingegen der Verzicht der Eltern oder wenn diese eine Anhörung nicht wünschen. 269 Auch das Beschleunigungsgebot nach § 155 Abs. 1 FamFG schließt die Anhörung nicht aus. 270 263
Siehe D. II. 3. b) bb). § 159 FamFG entspricht inhaltlich im Wesentlichen dem bisherigen § 50b FGG a. F., jedoch mit verändertem Aufbau und einzelnen Präzisierungen, BT-Drucksache 16/6308, S. 240. 265 Daneben dient die Anhörung des Minderjährigen in erster Linie der Sachverhaltsaufklärung, BayObLG, FamRZ 1995, 500, 501; Ivanits, Die Stellung des Kindes, S. 70. Siehe auch B. II. 5. b). 266 Auf die Geschäftsfähigkeit des Minderjährigen kommt es hierbei nicht an, a. A. Bumiller / Harders, FamFG, § 159, Rn. 5. 267 BVerfG, FamRZ 2010, 1622, 1623; BVerfG, FamRZ 2007, 1078, 1079; OLG Oldenburg, FamRZ 2010, 44, 45; OLG Brandenburg, FamRZ 2003, 624; Keidel / Engelhardt, FamFG, § 159, Rn. 8; FamVerf / Schael, §§ 2, Rn. 101. Auf ein Alter von 6 Jahren abstellend hingegen OLG Rostock, FamRZ 2007, 1836; Prütting / Helms / Stößer, FamFG, § 159, Rn. 5. Vgl. hierzu auch die Statistik zu § 50b FGG bei BMJ, Kindesanhörung, S. 66, wonach ein Drittel der Richter / innen die Anhörung des Kindes ab einem Alter von 3 Jahren und ein weiteres Drittel ab einem Alter von 4 Jahren für geboten hält. 268 OLG Hamm, FamFR 2012, 93; Keidel / Engelhardt, FamFG, § 159, Rn. 12. 269 OLG Oldenburg, FamRZ 2010, 44, 45; OLG Rostock, FamRZ 2007, 1835; Ivanits, Die Stellung des Kindes, S. 74; Stößer, FamRZ 2009, 656, 660. 270 KG, NJW-RR 2009, 1012, 1013. 264
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D. Stärkung der verfahrensrechtlichen Position des Minderjährigen
Ebenso macht auch die Bestellung eines Verfahrensbeistandes die Kindesanhörung nicht obsolet. 271 Ein entgegenstehender Wille des Kindes ist unbeachtlich. 272 Ist die Anhörung hingegen wegen Gefahr im Verzug unterblieben, so muss sie gemäß § 159 Abs. 3 S. 2 FamFG unverzüglich nachgeholt werden. Im Gegensatz zu § 50b FGG a. F. gibt § 159 Abs. 4 FamFG zum Teil Maßstäbe für eine kindeswohlorientierte Vorgehensweise im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens des Gerichts vor. 273 Insbesondere der Informationsvorbehalt gemäß § 159 Abs. 4 S. 1 FamFG spiegelt den allgemeinen Rechtsgedanken wider, bei der Verfahrensgestaltung und -führung auf die besondere Situation des Kindes Rücksicht zu nehmen und sich am Kindeswohl zu orientieren. 274 Die Anordnung des persönlichen Erscheinens des Kindes zum Zweck der Anhörung ist als verfahrensleitende Zwischenentscheidung nicht anfechtbar. 275 Wird der Minderjährige entgegen § 159 FamFG nicht angehört, 276 so stellt dies einen wesentlichen Verfahrensfehler dar. 277 Eine weitere, § 159 FamFG flankierende Vorschrift zur Anhörung des Minderjährigen findet sich in 156 Abs. 3 S. 3 FamFG hinsichtlich des Erlasses einer einstweiligen Anordnung, das Umgangsrecht oder die Herausgabe des Kindes betreffend. Damit hat der Gesetzgeber hervorgehoben, dass das minderjährige Kind als Verfahrenssubjekt im Kindschaftsverfahren immer dann anzuhören ist, wenn hierdurch sein Wohl nicht gefährdet wird. Insgesamt enthalten die §§ 151 FamFG damit verschiedenste Regelungen, die der Zielsetzung der FGG-Reform entsprechend den Minderjährigen und sein Wohl verstärkt in den Fokus des Verfahrens rücken. Zum einen wird das Kin271
Prütting / Helms / Stößer, FamFG, § 159, Rn. 5; Thomas / Putzo / Hüßtege, ZPO, § 159, Rn. 4; Stößer, FamRZ 2009, 656, 660. Denn der Gesetzgeber hat den entsprechenden Vorschlag des Bundesrates in BR-Drucksachen 309/2/07, S. 56 ausdrücklich abgelehnt, BT-Drucksache 16/6308, S. 416. Zu den Gründen für eine Absehung von der Kindesanhörung vgl. auch die Statistik zu § 50b FGG bei BMJ, Kindesanhörung, S. 64 f. 272 Horndasch / Viefhues / Horndasch, FamFG, § 159, Rn. 5. 273 Der Gesetzgeber wollte durch die ausdrückliche Normierung die Einflussnahme von Verfahrensbeteiligten auf die Gestaltung der Anhörung unterbinden, BT-Drucksache 16/6308, S. 240. Zu den äußeren Bedingungen und dem Ablauf der Anhörung vgl. auch Schweppe / Bussian, ZKJ 2012, 13, 18 f. Zur Praxis der Kindesanhörung in den verschiedenen Bundesländern siehe auch die Statistik zu § 50b FGG bei BMJ, Kindesanhörung, S. 70 ff., 150 ff. 274 Heiter, FamRZ 2009, 85, 89. Siehe auch FamVerf / Schael, §§ 2, Rn. 101. 275 Keidel / Engelhardt, FamFG, § 159, Rn. 24. 276 Zur Frage der notwendigen Wiederholung der Anhörung durch das Beschwerdegericht vgl. Haußleiter / Fest, FamFG, § 159, Rn. 4. 277 Keidel / Engelhardt, FamFG, § 159, Rn. 23; Prütting / Helms / Stößer, FamFG, § 159, Rn. 2. Vgl. zum früheren Recht: OLG Saarbrücken, FamRZ 2009, 1334, 1335; OLG Schleswig, OLG-Report 2008, 316; OLG Rostock, FamRZ 2001, 1835.
III. Rechtsposition des Minderjährigen im Kindschaftsverfahren
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deswohl als verfahrensleitendes Motiv und Grenze der Verfahrensgestaltung ausdrücklich hervorgehoben, zum anderen räumt der Gesetzgeber dem Minderjährigen die seiner Beteiligtenrolle entsprechenden Mitwirkungsmöglichkeiten ein und entspricht so seinem Partizipationsinteresse. 278 Im Übrigen verbleibt es jedoch bei dem Grundsatz, dass der Minderjährige zur eigenständigen Wahrnehmung seiner Beteiligtenrechte und Pflichten verfahrensfähig sein muss bzw. der Vertretung bedarf. 2. Die einzelnen Verfahrensmitwirkenden im Überblick und ihr verfahrensrechtliches Verhältnis zum Minderjährigen Neben den einzelnen Regelungen der §§ 151 ff. FamFG, die das Kindeswohl als übergeordnetes Verfahrensziel unterstreichen und direkte Mitwirkungsmöglichkeiten des Minderjährigen im Kindschaftsverfahren begründen, sind auch die weiteren am Verfahren mitwirkenden Personen in Bezug auf ihre kindeswohlfördernde Funktion und ihr verfahrensrechtliches Verhältnis zum Minderjährigen zu betrachten. Dabei ist zunächst festzustellen, dass das FamFG eine Vielzahl von Mitwirkenden in das Kindschaftsverfahren einbezieht, die sich am Kindeswohl orientierend bemühen, die Interessen des Kindes in das Verfahren mit einzubringen. Dennoch sind sie nicht vollumfänglich geeignet, als rein kindbezogene Interessenvertreter des Minderjährigen zu wirken. 279 Zu nennen ist hierbei zunächst der Familienrichter, dessen Aufgabe es ist, eine am Kindeswohl ausgerichtete, optimale Entscheidung zu treffen 280 und somit im besonderen Maße kindesorientiert zu arbeiten. 281 Dabei steht das Gericht aufgrund der verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 6 GG im Kindschaftsverfahren in der gesteigerten Pflicht, das Verfahren so zu gestalten, dass es möglichst alle Grundlagen für eine kindeswohlorientierte Entscheidung erhält. 282 Dies wird maßgeblich durch den Amtsermittlungsgrundsatz nach § 26 FamFG ermöglicht, wonach das Gericht alle erforderlichen Ermittlungen durchführen kann, um die entscheidungserheblichen Tatsachen festzustellen. Dabei gilt das Prinzip der materiellen Wahrheit. 283 Das Gericht ist hinsichtlich des Verfahrensgegenstandes und der erforderlichen Ermittlungen grundsätzlich nicht an den 278 Zu den positiven sozialpsychologischen Effekten der Beteiligung des Minderjährigen vgl. Maywald, FPR 2010, 460. 279 Siehe hierzu auch die Diskussion um die Erforderlichkeit der Einführung des Verfahrenspflegers unter C. I. 1. 280 Ahlert, Verfahrensbeistand, S. 28. 281 Vgl. hierzu auch § 1697a BGB. 282 BVerfGE 55, 171, 182 = BVerfG, NJW 1981, 217, 218; BVerfG, FamRZ 2009, 399, 400; BGH, NJW 2010, 1351, 1353. 283 Keidel / Sternal, FamFG, § 26, Rn. 12.
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D. Stärkung der verfahrensrechtlichen Position des Minderjährigen
Vortrag der Beteiligten gebunden. 284 So wird eine Beschränkung des Verfahrens auf die von den erwachsenen Beteiligten eingebrachten Ziele und Interessen verhindert und eine umfassende und kindeswohlorientierte Sachverhaltsermittlung ermöglicht. Der Familienrichter ist jedoch kein Interessenvertreter des Kindes. Denn er hat gemäß Art. 97 GG eine neutrale und unabhängige Stellung inne und muss die Interessen aller Beteiligten gleichermaßen wahren. 285 Daher würde ein Heraustreten des Familienrichters aus seiner neutralen Rolle seine Akzeptanz als unabhängiges Entscheidungsorgan bei den übrigen Beteiligten erheblich gefährden. 286 Zudem ist hinsichtlich des Amtsermittlungsgrundsatzes zu beachten, dass das Gericht zwar den Willen des Kindes und alle kindeswohlprägenden Faktoren ermitteln muss, es diesbezüglich jedoch auch gleichzeitig auf die Kindesanhörung nach § 159 FamFG und die Auskünfte des jeweiligen Vertreters des Minderjährigen beschränkt bleibt. Zudem fällt es nicht in den Aufgabenbereich des Richters sich langfristig, vertieft psychologisch ausschließlich mit der umfassenden Erlebniswelt des Kindes auseinanderzusetzen und seine eigentlichen Interessen herauszufiltern. Dies kann von ihm aufgrund seiner zumeist rein juristischen Ausbildung, seiner Arbeitsbelastung und der Pflicht zur Neutralität auch nicht erwartet werden. Gemäß § 163 FamFG kann das Gericht in Kindschaftsverfahren die schriftliche Begutachtung des Kindes durch einen Sachverständigen anordnen. Dieser kann dabei gegebenenfalls mit der zusätzlichen Aufgabe nach § 163 Abs. 2 FamFG betraut werden, auf die Herstellung des Einvernehmens der Verfahrensbeteiligten hinzuwirken. 287 Dabei stellt der Sachverständige dem Gericht als Gehilfe seine besondere Sachkenntnis zur Verfügung und ist zur Unparteilichkeit verpflichtet. Aufgrund dieser wissenschaftlich neutralen Orientierung kann der Sachverständige nicht ausschließlich im Interesse des Minderjährigen tätig werden 288, auch wenn seine Einbeziehung grundsätzlich zur Sachaufklärung als Grundlage einer kindeswohlorientierten Entscheidung beiträgt. Als weitere mitwirkende Institution im Kindschaftsverfahren ist das Jugendamt zu nennen. Aus dem umfassenden Auftrag der Jugendhilfe zur Förderung und zum Schutz des Kindeswohls gemäß § 1 Abs. 1 und 3 SGB VIII ergibt sich dessen Pflicht, auch während des Kindschaftsverfahrens unterstützend tätig 284 Allerdings begrenzen in Antragsverfahren die Anträge den Verfahrensgegenstand, Prütting / Helms / Prütting, FamFG, § 26, Rn. 32. 285 BVerfGE 99, 145, 157 = BVerfG, NJW 1999, 631, 632. 286 So bereits Salgo, ZfJ 1985, 259, 261. 287 Hierzu kritisch Coester in: Lipp / Schumann / Veit, FamFG-Reform, S. 39, 54 f. 288 Salzgeber / Fichtner, ZKJ 2008, 287, 288. So bereits Früh, Kindesinteressen, S. 96; Prestin in: Ev. Akademie Bad Boll, Tagungsprotokoll, S. 90, 92; Bauer / Schaus, BJ 1997, 162, 163; Kleine, FPR 1996, 236, 237.
III. Rechtsposition des Minderjährigen im Kindschaftsverfahren
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zu werden. 289 Konkretisiert wird dies in § 50 Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII 290, wonach das Jugendamt in Kindschaftsverfahren, die die Personensorge des Kindes zum Gegenstand haben, eine gesetzliche Mitwirkungspflicht trifft, die sich am Kindeswohl orientiert. Damit korrespondierend ordnet § 162 FamFG für alle Kindschaftsverfahren, die die Person des Kindes betreffen, an, dass das Jugendamt nach Abs. 1 anzuhören und ihm anschließend nach Abs. 3 die Entscheidung bekannt zu machen ist. Die Anhörung nach § 162 Abs. 1 FamFG stellt dabei zugleich eine besondere Form der Sachaufklärung i. S. v. § 26 FamFG dar. 291 Gemäß § 162 Abs. 3 S. 2 FamFG steht dem Jugendamt auch ein eigenes Beschwerderecht gegen die Entscheidung zu, unabhängig davon, ob die Voraussetzungen des § 59 FamFG vorliegen. Auf seinen Antrag hin ist das Jugendamt nach § 162 Abs. 2 i. V. m. § 7 Abs. 2 Nr. 2 FamFG zudem als Beteiligter hinzuzuziehen. Somit liegt die diesbezügliche Entscheidung, ob es die Beteiligtenstellung einnehmen will, allein in seinem Ermessen. Zwar ist das Jugendamt somit in besonderem Maße dem Kindeswohl verpflichtet, allerdings richtet sich seine Tätigkeit auf die Unterstützung der gesamten Familie. 292 Es ist als staatliche Behörde an Art. 6 Abs. 2 und 3 GG gebunden und muss folglich gleichberechtigt die Interessen des Kindes und die Interessen der Eltern berücksichtigen. 293 Zudem steht bei bestimmten gerichtlichen Verfahren, z. B. nach §§ 1666, 1666a BGB, die bisherige Tätigkeit des Jugendamtes selbst auf dem Prüfstand. 294 Auch ist zu berücksichtigen, dass das Jugendamt bei der Nachbereitung des Verfahrens und bei der anschließenden Betreuung der Familie sowie der entsprechenden Hilfemaßnahmen involviert sein und somit hinsichtlich des Verfahrensausgangs eigene Vorstellungen und Interessen entwickeln kann. Insgesamt besteht somit die Gefahr mehrfacher Funktions- und Interessenkonflikte, die einer Fixierung des Jugendamtes allein auf die Interessenvertretung des Kindes entgegenstehen. 295 Ebenso muss auch die Vertretung des Minderjährigen durch seine hierzu gesetzlich berufenen Eltern kritisch betrachtet werden. Die das minderjährige, nicht verfahrensfähige Kind in der Regel vertretenden Eltern stehen zwar grundsätzlich in der Verantwortung, die ihm als Beteiligten zustehenden Rechte und Pflichten wahrzunehmen. Dabei sind sie grundsätzlich an das Kindeswohl und 289
Trenczek, ZKJ 2009, 97, 99. § 50 SGB VIII wurde durch Art. 105 FGG-Reformgesetz neu gefasst. 291 Vgl. § 50 Abs. 2 SGB VIII; Prütting / Helms / Stößer, FamFG, § 162, Rn. 2. 292 BVerfG, FamRZ 2006, 1261, 1263; OLG Celle, FamRZ 2003, 1359, 1357; OLG Dresden, FamRZ 2003, 877, 879. 293 BVerfG, FamRZ 2006, 1261, 1263. 294 So Limbach in: Ev. Akademie Bad Boll, Tagungsprotokoll, S. 12, 16. 295 Vgl. Früh, Kindesinteressen, S. 91; Lidle-Haas, Sorgerechtsverfahren, S. 159 f.; Bauer / Schaus, BJ 1997, 162, 163. 290
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D. Stärkung der verfahrensrechtlichen Position des Minderjährigen
dementsprechend an den berücksichtigungsfähigen Kindeswillen gebunden. 296 Allerdings sind die Eltern in der Regel gleichzeitig selbst Beteiligte des Kindschaftsverfahren, sodass es zu einem Interessenwiderstreit zwischen den eigenen und den zu vertretenden Interessen des Kindes kommen kann. 297 Gerade in dem zumeist hochemotionalen Kindschaftsverfahren kann dies einen schwer zu bewältigenden Konflikt für die Eltern darstellen, der im Zweifel zugunsten der eigenen Ziele gelöst wird. Somit ist eine rein kindesorientierte Vertretung nicht mehr gewährleistet. Das führt auch dazu, dass der Rechtsanwalt der Eltern nicht als Interessenvertreter des Kindes verstanden werden kann, da er aufgrund des Mandatsverhältnisses den Eltern gegenüber zur parteibezogenen Interessenvertretung verpflichtet ist. 298 Mithin können die Eltern als ausschließlich kindesorientierte Interessenvertreter im Kindschaftsverfahren ausscheiden. Gleiches gilt auch für die Pflegepersonen des minderjährigen Kindes. Diese können zwar gemäß § 161 Abs. 1 i. V. m. § 7 Abs. 3 FamFG als Beteiligte zum Verfahren hinzugezogen oder zumindest nach § 161 Abs. 2 FamFG angehört werden. Allerdings kann es auch hier wie bei den Eltern zu einem Interessenkonflikt kommen, der die Pflegepersonen als ausschließlich kindesorientierte Interessenvertreter ausscheiden lässt. 299 Damit ist festzustellen, dass das FamFG verschiedene Mitwirkende mit unterschiedlichen Funktionsbereichen in das Kindschaftsverfahren einbezieht. Trotz der kindeswohlorientierten Prägung des Verfahrens ist jedoch zu beachten, dass sie entweder aufgrund der gebotenen Neutralität oder wegen des Konfliktes mit eigenen Interesses als ausschließlich kindbezogene Interessenvertreter des Minderjährigen ausscheiden. 3. Fazit Mit dem Inkrafttreten des FamFG fand das Verfahrensziel der Herstellung und Erhaltung des Kindeswohls ausdrückliche Berücksichtigung in den das Kindschaftsverfahren gestaltenden Regelungen der §§ 151 ff. FamFG. Bereits der neu definierte Begriff der Kindschaftssachen in § 151 FamFG bringt zum Ausdruck, dass in diesen Verfahren das Kind und sein Wohl im Zentrum des Verfahrens ste296
Siehe hierzu ausführlich B. II. 4. b). BVerfG, FamRZ 2006, 1261, 1262; BVerfGE 99, 145, 157 = BVerfG, NJW 1999, 631, 632; BGH, NJW 2012, 1150; BGH, NJW 2011, 3454; OLG Brandenburg, ZEV 2011, 594, 595; KG, NJW-RR 2010, 1087, 1088; OLG Stuttgart, NJW-RR 2010, 222, 223; OLG Naumburg FamRZ 2008, 639; OLG Celle, FamRZ 2002, 1356, 1357. 298 So bereits Frommann, Wahrnehmung der Interessen Minderjähriger, S. 143 f.; Früh, Kindesinteressen, S. 97. 299 Ahlert, Verfahrensbeistand, S. 32. 297
III. Rechtsposition des Minderjährigen im Kindschaftsverfahren
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hen. Darüber hinaus stellen unterschiedliche Regelungen, wie z. B. § 163 Abs. 3 FamFG, sicher, dass der Minderjährige vor kindeswohlgefährdender Belastung durch das Verfahren geschützt wird. Besondere Bedeutung kommt hier insbesondere dem Vorrang- und Beschleunigungsgebot nach § 155 Abs. 1 FamFG zu, das seinerseits wiederum durch das Kindeswohl begrenzt wird. Insgesamt wird damit das Kindeswohl als übergeordnetes Verfahrensziel und Grenze der Verfahrensgestaltung in den §§ 151 ff. FamFG festgeschrieben. Zum anderen wurden, korrespondierend mit der Beteiligtenstellung gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG, entsprechende Regelungen getroffen, welche die Einbeziehung des Minderjährigen in das Verfahren und seine Beteiligung daran unterstreichen. Zu beachten ist dabei, dass § 155 Abs. 3 FamFG und § 157 Abs. 1 S. 1 FamFG die Einbeziehung des beteiligten Kindes unter den Vorbehalt der fehlenden Gefährdung des Kindeswohls stellen. Dies entspricht dem allgemeinen, aus der Schutzpflicht des Staates resultierenden Rechtsgedanken, dass die verfahrensrechtliche Einbeziehung des Kindes als Grundrechtssubjekt nicht dazu führen darf, dass es hierdurch Nachteile erleidet. 300 Aus diesem Grund wurde auch die Anhörungspflicht des minderjährigen Kindes in Ergänzung zu § 34 FamFG in § 159 FamFG spezialgesetzlich geregelt und durch § 156 Abs. 3 S. 3 FamFG flankiert. Somit wird den besonderen Bedürfnissen des Minderjährigen Rechnung getragen. Diese speziellen Regelungen betreffen jedoch nur einzelne Rechte und verfahrensgestaltende Mitwirkungsmöglichkeiten 301 des Minderjährigen. Im Übrigen hängt die Frage, ob das minderjährige Kind seine ihm aufgrund der Beteiligung zustehenden Rechte und Pflichten selbstständig wahrnehmen kann, weiterhin davon ab, ob es gemäß § 9 FamFG verfahrensfähig ist. Folglich bleibt trotz der besonderen Regelungen der §§ 151 ff. FamFG das Problem bestehen, dass der zumeist nicht verfahrensfähige Minderjährige im Kindschaftsverfahren für die Wahrnehmung seiner Rechte und Pflichten, wie etwa des Akteneinsichtsrechts nach § 13 FamFG, des Antrags auf Ergänzung nach § 43 FamFG, der Stellungnahme nach § 77 Abs. 1 oder der Zustimmung nach § 156 Abs. 2 S. 1 FamFG weiterhin der Vertretung bedarf. Zudem genügt auch die Anhörung des Minderjährigen nach § 159 FamFG nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben des rechtlichen Gehörs. 302 Es fehlt insofern an dem Selbstbestimmungsrecht des minderjährigen Kindes, da die Anhörung nicht zu seiner Disposition steht. Zudem findet die Anhörung nur einmalig, zu einem vom Gericht gewählten Zeitpunkt statt, sodass zumindest 300
Vgl. hierzu auch Heiter, FamRZ 2009, 85, 89. Heilmann bezeichnet die Beteiligtenstellung des Minderjährigen daher als eine sui generes, Salgo / Zenz / Heilmann, Verfahrensbeistandschaft, Rn. 1280. 301 Siehe hierzu D. II. 2. d). 302 Siehe B. II. 5. b).
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D. Stärkung der verfahrensrechtlichen Position des Minderjährigen
der verfahrensunfähige Minderjährige zu nachfolgenden Gesichtspunkten in der Regel nicht mehr gehört wird. 303 Auch steht bei der Anhörung weiterhin die Sachaufklärung im Vordergrund, so dass die Gefahr besteht, dass der subjektive Wille des Kindes nicht ausreichend Berücksichtigung findet. Diese Lücken in der verfahrensrechtlichen Stellung des Minderjährigen im Kindschaftsverfahren können nicht immer durch die am Verfahren Mitwirkenden geschlossen werden. Insbesondere die in erster Linie zur gesetzlichen Vertretung berufenen Eltern können bei einem Interessenwiderstreit als Vertreter des minderjährigen Kindes ausscheiden.
IV. Zusammenfassung Im Zuge der FGG-Reform hat sich die verfahrensrechtliche Stellung des Minderjährigen im Kindschaftsverfahren erheblich erweitert und damit im Ergebnis wesentlich verbessert. Die gesetzliche Definition des Beteiligtenbegriffs in § 7 FamFG schafft Rechtsklarheit und knüpft an die bislang anerkannte materielle Betroffenheit des Minderjährigen im Kindschaftsverfahren gemäß § 7 Abs. 2 S. 1 FamFG nunmehr auch zwingend dessen formelle Hinzuziehung als Verfahrensbeteiligten. Damit ist das minderjährige Kind ebenso wie jeder andere Beteiligte Inhaber vielseitiger Rechte und Mitwirkungsmöglichkeiten sowie der korrespondierenden Pflichten, sofern das Gesetz, wie z. B. in § 81 Abs. 3 FamFG, nichts anderes bestimmt. Die verfahrensrechtlichen Regelungen des FamFG entsprechen somit dem verfassungsrechtlichen Gebot, dass der Minderjährige als in seinen subjektiven Rechten vom Kindschaftsverfahren Betroffener an diesem auch beteiligt werden muss. Zwar ist der Minderjährige nunmehr nach § 8 Nr. 1 FamFG zudem beteiligtenfähig, kann seine verfahrensspezifischen Rechte und Pflichten jedoch mangels Verfahrensfähigkeit weiterhin grundsätzlich nicht selbst wahrnehmen. Ihm wird aber unter Beachtung der gebotenen Rechtsklarheit und Rechtssicherheit die Verfahrensfähigkeit und somit die notwendige Handlungsbefugnis dann zugesprochen, wenn er nach einer generalisierenden, zumeist auf die feste Altersgrenze von vierzehn Jahren abstellenden Betrachtung als ausreichend einsichtsund selbstbestimmungsfähig anerkannt wird. Dies ist jedoch nur in wenigen, speziell geregelten Fällen gesetzlich vorgesehen. Mithin verbleibt es bei dem Grundsatz, dass der Minderjährige für die umfassende Wahrnehmung seiner Beteiligtenrechte weiterhin der verfahrensrechtlichen Vertretung bedarf. Dies gilt auch in Bezug auf das dem minderjährigen Kind zustehende Recht auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG, da allein seine Anhörung gemäß § 159 303
Z. B. zum Ergebnis der Anhörung.
IV. Zusammenfassung
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FamFG den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügt. Damit besteht weiterhin das Problem, wie die Interessenvertretung des in der Regel verfahrensunfähigen Minderjährigen im Kindschaftsverfahren zu gewährleisten ist, wenn die eigentlich zur gesetzlichen Vertretung berufenen Eltern aufgrund eines Interessenkonfliktes hierfür ausscheiden müssen. Fraglich ist mithin, ob die für die Wahrung der Grundrechtssubjektivität des Minderjährigen wesentliche Vertretung seines berücksichtigungsfähigen Willens und Wohls durch den ebenfalls mit der FGG-Reform eingefügten Verfahrensbeistand gemäß § 158 FamFG gewährleistet werden kann.
E. Die Verfahrensbeistandschaft gemäß § 158 FamFG Im Rahmen der FGG-Reform wurde bei der Neureglementierung des Kindschaftsverfahrens in den §§ 151 ff. FamFG auch die Diskussion um die stark kritisierte Regelung des § 50 FGG a. F. aufgegriffen. Mit der Stärkung der Beteiligtenstellung des Minderjährigen und der Hervorhebung des Kindeswohls als Verfahrensziel und Grenze der Verfahrensgestaltung ging auch die Reform des bis dahin unter dem Begriff des Verfahrenspflegers für ein minderjähriges Kind bekannten Instituts einher. Der Gesetzgeber strebte an, die in Bezug auf die Verfahrenspflegschaft kritisierten wesentlichen Streit- und Zweifelsfragen 1 sowie Fehlentwicklungen 2 durch gesetzgeberische Klarstellung zu beseitigen. Dabei sollte insbesondere die regelungstechnische Offenheit des § 50 FGG a. F., die in der Vergangenheit zu erheblicher Rechtsunsicherheit und divergierenden Entscheidungen geführt hatte 3, behoben werden. Als Ergebnis dieser Reformbemühung trat § 158 FamFG, der die Verfahrensbeistandschaft für ein minderjähriges Kind im Kindschaftsverfahren normiert, am 1. September 2009 in Kraft. Wie die bisherige Analyse zur Subjektstellung des Minderjährigen und seiner sich daraus ergebenden notwendigen verfahrensrechtlichen Vertretung im Kindschaftsverfahren zeigt, kommt der konkreten Ausgestaltung und Funktion der Verfahrensbeistandschaft für die Grundfrage, ob die ordnungsgemäße Vertretung im Kindschaftsverfahren auch bei einem Interessenwiderstreit mit den hierzu eigentlich berufenen Eltern sichergestellt werden kann, wesentliche Bedeutung zu. Daher ist zunächst das Gesetzgebungsverfahren in Bezug auf § 158 FamFG genauer zu betrachten, um die Regelung im Anschluss eingehend untersuchen zu können.
1 2 3
BT-Drucksache 16/6308, S. 238. Salgo / Zenz / Salgo, Verfahrensbeistandschaft, Rdn. 11. Siehe C. II.
I. Die gesetzestechnische Entwicklung
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I. Die gesetzestechnische Entwicklung des § 158 FamFG: Vom ersten Referenten- zum endgültigen Gesetzentwurf 1. § 166 FamFG-E Die Zielvorgaben zur Neuregelung der Verfahrensbeistandschaft wurden zunächst durch den „Referentenentwurf eines Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG)“, den das Bundesministerium der Justiz im Juni 2005 vorstellte, umgesetzt. Die darin enthaltene Regelung über die Verfahrensbeistandschaft in § 166 FamFG-E war wie folgt ausgestaltet: § 166 FamFG-E Verfahrensbeistand 4 (1) Das Gericht hat dem minderjährigen Kind in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, einen Verfahrensbeistand zu bestellen, soweit dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist. (2) Die Bestellung ist in der Regel erforderlich, 1. wenn das Kind älter als 14 Jahre ist und dies beantragt, 2. wenn das Interesse des Kindes zu dem seiner gesetzlichen Vertreter in erheblichem Gegensatz steht, 3. in Verfahren, die Maßnahmen nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs zum Gegenstand haben, wenn die Entziehung der gesamten Personensorge in Betracht kommt, 4. wenn eine Trennung des Kindes von der Person erfolgen soll, in deren Obhut es sich befindet, 5. in Verfahren, die die Herausgabe des Kindes oder eine Verbleibensanordnung zum Gegenstand haben oder 6. wenn der Ausschluss des Umgangsrechts in Betracht kommt. (3) Die Bestellung soll nach Feststellung der Voraussetzungen so früh wie möglich erfolgen. Sieht das Gericht in den Fällen des Absatzes 2 von der Bestellung ab, ist dies in der Endentscheidung zu begründen. Die Bestellung oder Aufhebung der Bestellung eines Verfahrensbeistandes sowie die Ablehnung einer derartigen Maßnahme sind nicht anfechtbar. (4) Der Verfahrensbeistand hat das Interesse des Kindes festzustellen und im gerichtlichen Verfahren zur Geltung zu bringen. Er hat das Kind über Gegenstand, Ablauf und möglichen Ausgang des Verfahrens in geeigneter Weise zu informieren. Zur Erfüllung seiner Aufgaben kann er auch Gespräche mit den Eltern und weiteren Bezugspersonen des Kindes führen sowie am Zustandekommen einer einvernehmlichen Regelung über den Verfahrensgegenstand mitwirken. Der Verfahrensbeistand
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BMJ, Ergänzter Referentenentwurf, S. 85.
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E. Die Verfahrensbeistandschaft gemäß § 158 FamFG hat dieselben Verfahrensrechte wie ein Beteiligter; er kann im Interesse des Kindes Rechtsmittel einlegen. Er ist nicht gesetzlicher Vertreter des Kindes.
(5) Die Bestellung soll unterbleiben oder aufgehoben werden, wenn die Interessen des Kindes von einem Rechtsanwalt oder einem anderen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten angemessen vertreten werden. (6) Die Bestellung endet, sofern sie nicht vorher aufgehoben wird, 1. mit der Rechtskraft der das Verfahren abschließenden Entscheidung oder 2. mit dem sonstigen Abschluss des Verfahrens. (7) Für den Ersatz von Aufwendungen und die Vergütung des Verfahrensbeistands gilt § 289 entsprechend.
Mit der Intention, die Verfahrensbezogenheit der Aufgabe und Funktion des Schutzinstrumentes für Minderjährige widerzuspiegeln, 5 führte dieser erste Entwurf den Begriff des Verfahrensbeistands in Abgrenzung vom Verfahrenspfleger des § 50 FGG a. F. ein. Gleichzeitig sollte die neue Begrifflichkeit im Vergleich zur Beistandschaft des Jugendamtes nach § 1712 BGB verdeutlichen, dass es sich um ein ausschließlich verfahrensrechtliches Institut ohne materiell-rechtliche Auswirkungen handelt. 6 Daneben sollte aus der Kann-Bestimmung des § 50 Abs. 1 FGG a. F. in § 166 Abs. 1 FamFG-E eine Muss-Bestimmung werden, um so die bindende Verpflichtung des Gerichtes zur Bestellung eines Verfahrensbeistandes zum Ausdruck zu bringen. Zudem wurden die Regelbeispiele in § 166 Abs. 2 FamFG-E erheblich erweitert. Ferner stellte § 166 Abs. 3 FamFG-E unter anderem klar, dass der Verfahrensbeistand so früh wie möglich zu bestellen und die Bestellung oder deren erstmals im Gesetzestext normierte Aufhebung 7 nicht anfechtbar seien. 8 § 166 Abs. 4 FamFG-E enthielt konkretisierende Regelungen der Aufgaben des Verfahrensbeistands und legte fest, dass dieser nicht gesetzlicher Vertreter des Kindes sein sollte. Insgesamt wurden so bereits in diesem frühen Stadium des Gesetzgebungsverfahrens wesentliche Unsicherheiten der Vorgängerregelung des § 50 FGG a. F. behoben und das Institut der Interessenvertretung konkretisiert. 9
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BT-Drucksache 16/6308, S. 238. Menne, FPR 2006, 44, 45. 7 Stötzel, JAmt 2009, 213, 216 begrüßt dies als „wichtige Entwicklung“. 8 Hierzu kritisch Salgo, FPR 2006, 12, 15; Willutzki, ZKJ 2006, 224, 227. 9 Der Entwurf wurde daher überwiegend positiv aufgenommen, vgl. Büchner, ZKJ 2006, 412, 414; Menne, FPR 2006, 44, 47; Willutzki, ZKJ 2006, 224, 227. Ebenso, wenn auch kritisch, Salgo, FPR 2006, 12 ff.; Stötzel, JAmt 2009, 213. 6
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2. § 158 FamFG-E Nach einer anschließenden Ergänzung des Referentenentwurfs um die Regelungen in Nachlass- und Aufgebotssachen im Jahr 2006 10 beschloss das Bundeskabinett am 9. Mai 2007 die grundlegende Reform des familiengerichtlichen Verfahrens sowie der Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und brachte den Gesetzesentwurf einen Tag später in den Bundesrat ein. 11 Dieser enthielt in § 158 FamFG-E eine im Vergleich zu § 166 FamFG-E leicht abgeänderte Regelung der Verfahrensbeistandschaft: § 158 FamFG-E Verfahrensbeistand 12 (1) Das Gericht hat dem minderjährigen Kind in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, einen geeigneten Verfahrensbeistand zu bestellen, soweit dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist. (2) Die Bestellung ist in der Regel erforderlich, 1. wenn das Kind das 14. Lebensjahr vollendet hat und dies beantragt, 2. wenn das Interesse des Kindes zu dem seiner gesetzlichen Vertreter in erheblichem Gegensatz steht, 3. in Verfahren nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs, wenn die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge in Betracht kommt, 4. wenn eine Trennung des Kindes von der Person erfolgen soll, in deren Obhut es sich befindet, 5. in Verfahren, die die Herausgabe des Kindes oder eine Verbleibensanordnung zum Gegenstand haben oder 6. wenn der Ausschluss oder eine Beschränkung des Umgangsrechts in Betracht kommt. (3) Der Verfahrensbeistand ist so früh wie möglich zu bestellen. Er wird durch seine Bestellung als Beteiligter zum Verfahren hinzugezogen. Sieht das Gericht in den Fällen des Absatzes 2 von der Bestellung eines Verfahrensbeistands ab, ist dies in der Endentscheidung zu begründen. Die Bestellung eines Verfahrensbeistands oder deren Aufhebung sowie die Ablehnung einer derartigen Maßnahme sind nicht selbstständig anfechtbar. (4) Der Verfahrensbeistand hat das Interesse des Kindes festzustellen und im gerichtlichen Verfahren zur Geltung zu bringen. Er hat das Kind über Gegenstand, Ablauf und möglichen Ausgang des Verfahrens in geeigneter Weise zu informieren. Zur Erfüllung seiner Aufgaben kann er auch Gespräche mit den Eltern und weiteren Bezugspersonen des Kindes führen sowie am Zustandekommen einer einvernehmlichen Regelung über den Verfahrensgegenstand mitwirken. Der Verfahrensbeistand kann im Interesse des Kindes Rechtsmittel einlegen. Er ist nicht gesetzlicher Vertreter des Kindes. 10 11 12
Keidel / Sternal, FamFG, Einl., Rn. 12. BR-Drucksache 309/07. BT-Drucksache 16/6308.
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E. Die Verfahrensbeistandschaft gemäß § 158 FamFG
(5) Die Bestellung soll unterbleiben oder aufgehoben werden, wenn die Interessen des Kindes von einem Rechtsanwalt oder einem anderen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten angemessen vertreten werden. (6) Die Bestellung endet, sofern sie nicht vorher aufgehoben wird, 1. mit der Rechtskraft der das Verfahren abschließenden Entscheidung oder 2. mit dem sonstigen Abschluss des Verfahrens. (7) Für den Ersatz von Aufwendungen und die Vergütung des Verfahrensbeistands gilt § 277 entsprechend. (8) Dem Verfahrensbeistand sind keine Kosten aufzuerlegen.
Im Vergleich zur ursprünglichen Fassung des § 166 FamFG-E zeigt sich, dass Abs. 1 um den Zusatz ergänzt wurde, dass ein „geeigneter“ Verfahrensbeistand zu bestellen sei. 13 Zudem wurde das Regelbeispiel in Abs. 2 Nr. 3 um die teilweise Entziehung der Personensorge und das Regelbeispiel in Abs. 2 Nr. 6 um die Beschränkung des Umgangsrechtes erweitert. Des Weiteren wurde Abs. 3 dahingehend modifiziert, dass die Bestellung so früh wie möglich zu erfolgen habe. Das Erfordernis der „Feststellung der Voraussetzungen“ findet sich nicht mehr. Besonders bedeutsam war die Neugestaltung von Abs. 3 S. 2, der ausdrücklich feststellte, dass der Verfahrensbeistand als und nicht nur wie ein Beteiligter zum Verfahren hinzuzuziehen sei. Insgesamt war die Vorschrift des § 158 FamFG-E im Vergleich zu § 166 FamFG-E daher konkreter und der Katalog der Regelbeispiele umfassender. 3. Die Stellungnahme des Bundesrates Am 6. Juli 2007 gab der Bundesrat seine Stellungnahme zum Gesetzentwurf ab. Diese enthielt umfassende Änderungswünsche und kritisierte unter anderem, dass die finanziellen Auswirkungen auf die Haushalte der Länder nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. 14 Bezüglich des § 158 FamFG-E schlug der Bundesrat daher folgende Neufassung vor: § 158 Verfahrensbeistand 15 (1) Das Gericht bestellt dem minderjährigen Kind in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, einen geeigneten Verfahrensbeistand, soweit dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist. Die Bestellung soll unterbleiben oder aufgehoben werden, wenn die Interessen des Kindes von einem Rechtsanwalt oder einem anderen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten angemessen vertreten werden. 13 Der Deutsche Juristinnenbund sah es bereits zu diesem Zeitpunkt als problematisch an, dass damit keine Mindeststandards festgelegt wurden, DJB, Stellungnahme 2008. 14 BR-Drucksache 309/07 (B), S. 2. 15 BR-Drucksache 309/07 (B), S. 42.
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(2) Der Verfahrensbeistand ist so früh wie möglich zu bestellen. Er wird durch seine Bestellung als Beteiligter zum Verfahren hinzugezogen. Die Bestellung eines Verfahrensbeistandes oder deren Aufhebung sowie die Ablehnung einer derartigen Maßnahme sind nicht selbstständig anfechtbar. (3) Der Verfahrensbeistand hat das Interesse des Kindes festzustellen und im gerichtlichen Verfahren zur Geltung zu bringen. Er hat das Kind über Gegenstand, Ablauf und möglichen Ausgang des Verfahrens in geeigneter Weise zu informieren. Der Verfahrensbeistand kann im Interesse des Kindes Rechtsmittel einlegen. Er ist nicht gesetzlicher Vertreter des Kindes. (4) Soweit nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht, kann das Gericht dem Verfahrensbeistand die Aufgabe übertragen, Gespräche mit den Eltern und weiteren Bezugspersonen des Kindes zu führen sowie am Zustandekommen einer einvernehmlichen Regelung über den Verfahrensgegenstand mitzuwirken. Das Gericht hat Art und Umfang der Beauftragung konkret festzulegen. (5) Die Bestellung endet, sofern sie nicht vorher aufgehoben wird, 1. mit der Rechtskraft der das Verfahren abschließenden Entscheidung oder 2. mit dem sonstigen Abschluss des Verfahrens. (6) Für den Ersatz von Aufwendungen und die Vergütung des Verfahrensbeistands gilt § 277 entsprechend. (7) Dem Verfahrensbeistand sind keine Kosten aufzuerlegen.
Diesem Vorschlag nach sollte beispielsweise der Wortlaut des § 158 Abs. 1 FamFG-E von „hat zu bestellen“ in „bestellt“ geändert werden. 16 Größter Unterschied war die völlige Streichung der in § 158 Abs. 2 FamFG-E vorgesehenen Regelbeispiele, um so den Ermessensspielraum des Gerichtes weiterhin möglichst offen zu halten. Auch die Begründungspflicht bei Aufhebung oder Ablehnung der Bestellung des Verfahrensbeistands nach § 158 Abs. 3 S. 4 FamFG-E sollte gestrichen werden. Zudem schlug der Bundesrat vor, dass der Verfahrensbeistand gemäß Abs. 4 des Entwurfes die erweiterten Aufgaben, wie etwa die Führung von Gesprächen mit Eltern und Bezugspersonen des Kindes, nur sollte wahrnehmen können, wenn ihm diese durch das Gericht aufgrund eines konkret bestehenden Bedürfnisses übertragen würden. Insgesamt zielte der Bundesrat darauf ab, den durch den Regierungsentwurf zuvor erweiterten Aufgabenbereich des Verfahrensbeistands wieder erheblich zu beschränken. Begründet wurde dies damit, dass durch eine Erweiterung der Bestellungsgründe und des Aufgabenkreises erhebliche Kosten für die Justizhaushalte zu befürchten seien, denen nach Ansicht des Bundesrates kein dementsprechender Nutzen gegenüberstünde. 17 16 So zur Klarstellung bereits vorgeschlagen von Gummersbach, Subjektstellung des Kindes, S. 149. 17 BR-Drucksache 309/07 (B), S. 43. Dem schloss sich auch die 79. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister an, 79. Justizministerkonferenz, Beschluss vom 12.06.2008. Kritisch hierzu Jacoby, FamRZ 2007, 1703, 1709.
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E. Die Verfahrensbeistandschaft gemäß § 158 FamFG
4. § 158 FamFG Der Gesetzentwurf nebst Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates wurde dem Deutschen Bundestag am 7. September 2007 vorgelegt 18 und nach der ersten Lesung an den Rechtsausschuss und den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend überwiesen. Im Juni 2008 nahm der Bundestag den Gesetzentwurf in der Beschlussfassung des Rechtsausschusses 19 und unter teilweiser Entsprechung eines Änderungsantrages 20 in 2. und 3. Lesung an. Am 19. September erklärte der Bundesrat seine Zustimmung 21, sodass das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) als Art. 1 des FGG-RG 22 am 17.12.2008 verkündet werden konnte. 23 Gemäß Art. 112 FGG-RG trat das FamFG am 1. September 2009 in Kraft. Bereits vor diesem Datum wurde es durch verschiedene Gesetze vereinzelt wieder geändert. 24 Besonders hervorzuheben ist dabei das Gesetz zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 30.07.2009 25, das beispielsweise auch die Regelung des § 158 FamFG betraf. 26 In seinem Abs. 7 S. 2 wurden nach dem Wort „Verfahrensbeistand“ die Wörter „für die Wahrnehmung seiner Aufgaben nach Absatz 4 in jedem Rechtszug jeweils“ eingefügt, um eine Klarstellung hinsichtlich zu diesem Zeitpunkt bereits umstrittener Vergütungsfragen zu bewirken. 27 Somit trat § 158 FamFG am 1. September 2009 in folgender Fassung in Kraft: § 158 FamFG Verfahrensbeistand (1) Das Gericht hat dem minderjährigen Kind in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, einen geeigneten Verfahrensbeistand zu bestellen, soweit dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist. 18
BT-Drucksache 16/6308. BT-Drucksache 16/9733. 20 BT-Drucksache 16/9831. 21 BR-Drucksache 617/08 (B). 22 Zugleich wurden das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) außer Kraft gesetzt und das 6. Buch der ZPO aufgehoben. Zum Reformgesetz insgesamt vgl. auch Borth, FamRZ 2009, 157 ff. 23 BGBl. I, S. 2586 ff. 24 Vgl. Übersicht bei Bumiller / Harders, FamFG, Einl., Rn. 76 ff.; Keidel / Sternal, FamFG, Einl., Rn. 15 f. 25 BGBl. I, 2449. 26 BGBl. I, 2449, 2471. 27 Siehe hierzu ausführlich E. II. 6. 19
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(2) Die Bestellung ist in der Regel erforderlich, 1. wenn das Interesse des Kindes zu dem seiner gesetzlichen Vertreter in erheblichem Gegensatz steht, 2. in Verfahren nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs, wenn die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge in Betracht kommt, 3. wenn eine Trennung des Kindes von der Person erfolgen soll, in deren Obhut es sich befindet, 4. in Verfahren, die die Herausgabe des Kindes oder eine Verbleibensanordnung zum Gegenstand haben, oder 5. wenn der Ausschluss oder eine wesentliche Beschränkung des Umgangsrechts in Betracht kommt. (3) Der Verfahrensbeistand ist so früh wie möglich zu bestellen. Er wird durch seine Bestellung als Beteiligter zum Verfahren hinzugezogen. Sieht das Gericht in den Fällen des Absatzes 2 von der Bestellung eines Verfahrensbeistands ab, ist dies in der Endentscheidung zu begründen. Die Bestellung eines Verfahrensbeistands oder deren Aufhebung sowie die Ablehnung einer derartigen Maßnahme sind nicht selbstständig anfechtbar. (4) Der Verfahrensbeistand hat das Interesse des Kindes festzustellen und im gerichtlichen Verfahren zur Geltung zu bringen. Er hat das Kind über Gegenstand, Ablauf und möglichen Ausgang des Verfahrens in geeigneter Weise zu informieren. Soweit nach den Umständen des Einzelfalls ein Erfordernis besteht, kann das Gericht dem Verfahrensbeistand die zusätzliche Aufgabe übertragen, Gespräche mit den Eltern und weiteren Bezugspersonen des Kindes zu führen sowie am Zustandekommen einer einvernehmlichen Regelung über den Verfahrensgegenstand mitzuwirken. Das Gericht hat Art und Umfang der Beauftragung konkret festzulegen und die Beauftragung zu begründen. Der Verfahrensbeistand kann im Interesse des Kindes Rechtsmittel einlegen. Er ist nicht gesetzlicher Vertreter des Kindes. (5) Die Bestellung soll unterbleiben oder aufgehoben werden, wenn die Interessen des Kindes von einem Rechtsanwalt oder einem anderen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten angemessen vertreten werden. (6) Die Bestellung endet, sofern sie nicht vorher aufgehoben wird, 1. mit der Rechtskraft der das Verfahren abschließenden Entscheidung oder 2. mit dem sonstigen Abschluss des Verfahrens. (7) Für den Ersatz von Aufwendungen des nicht berufsmäßigen Verfahrensbeistands gilt § 277 Abs. 1 entsprechend. Wird die Verfahrensbeistandschaft berufsmäßig geführt, erhält der Verfahrensbeistand für die Wahrnehmung seiner Aufgaben nach Absatz 4 in jedem Rechtszug jeweils eine einmalige Vergütung in Höhe von 350 Euro. Im Fall der Übertragung von Aufgaben nach Absatz 4 Satz 3 erhöht sich die Vergütung auf 550 Euro. Die Vergütung gilt auch Ansprüche auf Ersatz anlässlich der Verfahrensbeistandschaft entstandener Aufwendungen sowie die auf die Vergütung anfallende Umsatzsteuer ab. Der Aufwendungsersatz und die Vergütung sind stets aus der Staatskasse zu zahlen. Im Übrigen gilt § 168 Abs. 1 entsprechend. (8) Dem Verfahrensbeistand sind keine Kosten aufzuerlegen.
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E. Die Verfahrensbeistandschaft gemäß § 158 FamFG
Bei einer vergleichenden Betrachtung der in Kraft getretenen Vorschrift mit dem ursprünglichen Kabinettsentwurf zeigt sich, dass § 158 FamFG den Bedenken des Bundesrates entsprechend teilweise geändert wurde. Zwar blieben die Regelbeispiele in Abs. 2 überwiegend erhalten. Die im Kabinettsentwurf vorgesehene Nr. 1, die vorsah, dass ein Verfahrensbeistand auch dann zu bestellen sei, wenn das Kind älter als 14 Jahre ist und dies beantragt, wurde jedoch gestrichen. Als Begründung hierfür wurde angegeben, das Aufgabenprofil des Verfahrensbeistands sei auf die Wahrnehmung der Interessen jüngerer Kinder zugeschnitten. Das über vierzehn Jahre alte Kind sei hingegen selbst verfahrensfähig und könne für die Beiordnung eines Rechtsanwaltes Verfahrenskostenhilfe nach § 76 FamFG beantragen. 28 Daneben setzt das Regelbeispiel des § 158 Abs. 2 Nr. 5 FamFG nunmehr „wesentliche“ Beschränkungen des Umgangsrechts voraus, um somit einer Zunahme der Verfahrensbeistandsbestellungen in Umgangsverfahren entgegenzuwirken. Besondere Bedeutung kommt jedoch der Tatsache zu, dass § 158 Abs. 3 S. 3 und S. 4 FamFG entsprechend dem Vorschlag des Bundesrates dahingehend abgeändert wurden, dass der sogenannte erweiterte Aufgabenbereich dem Verfahrensbeistand im konkreten Einzelfall nunmehr ausdrücklich vom Gericht übertragen werden muss. Hierdurch wird der ursprünglich recht weit gefasste Aufgabenkreis des Verfahrensbeistands erheblich eingeschränkt. 29 Besonders einschneidend ist des Weiteren die Neugestaltung der Vergütungsregelung in Abs. 7, die nunmehr eine Pauschalvergütung für die berufsmäßig geführte Verfahrensbeistandschaft vorsieht. 30 5. Fazit Mit der Einführung des § 158 FamFG im Rahmen der FGG-Reform hat der Gesetzgeber den Versuch unternommen, die bestehenden Unsicherheiten der konturlosen Regelung des § 50 FGG a. F. zu beheben und das Institut der Interessenvertretung Minderjähriger im Kindschaftsverfahren weiterzuentwickeln. Insgesamt zeigt die Analyse des Gesetzgebungsverfahrens zu § 158 FamFG, dass die ursprünglich sehr guten Ansätze, die Regelung der Verfahrensbeistandschaft nicht nur zu konkretisieren, sondern auch zu erweitern, im Ergebnis bloß teilweise umgesetzt wurden. Erheblichen Einfluss hatten dabei, wie auch schon bei der Einführung des § 50 FGG a. F. im Rahmen der Kindschaftsrechtsreform von 1998, die fiskalischen Bedenken des Bundesrates.
28 BT-Drucksache 16/9733, S. 294. Hierzu kritisch Menne, ZKJ 2009, 68, 69 sowie Trenczek, ZKJ 2009, 196, 197. 29 Siehe hierzu E. II. 4. b) bb). 30 Siehe hierzu E. II. 6. a).
II. Die gesetzliche Ausgestaltung der Verfahrensbeistandschaft
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Durch die neue Begrifflichkeit der Verfahrensbeistandschaft in Abgrenzung zur Verfahrenspflegschaft, die in anderen Verfahrensarten, wie etwa gemäß § 276 FamFG in Betreuungs- und gemäß § 317 FamFG in Unterbringungssachen beibehalten wurde, stellte der Gesetzgeber klar, dass § 158 FamFG als verfahrensrechtliches Institut zur Interessenvertretung Minderjähriger spezifischen Anforderungen unterliegt. Mit der neuen Regelung des § 158 FamFG wurden zudem einige wesentliche Fragen zur Ausgestaltung der Verfahrensbeistandschaft ausdrücklich geklärt. So etwa, dass der Verfahrensbeistand kein gesetzlicher Vertreter des Minderjährigen ist oder dass die Bestellung eines Verfahrensbeistands beziehungsweise deren Aufhebung sowie die Ablehnung einer derartigen Maßnahme nicht selbstständig anfechtbar sind. Andere Fragestellungen wurden hingegen nur vage geregelt, wie beispielsweise das Erfordernis der Geeignetheit des Verfahrensbeistands. Zum Teil blieben bestehende Rechtsunsicherheiten bei der gesetzlichen Regelung aber auch gänzlich unberücksichtigt, so z. B. die Kardinalfrage, ob der Verfahrensbeistand ausschließlich dem Kindeswillen oder ebenso dem Kindeswohl verpflichtet sein soll. 31 Gleichzeitig wurde das unter § 50 FGG a. F. sehr offen gefasste Institut auch teilweise eingeschränkt. Die ursprünglich geplante gesetzliche Festschreibung der Erweiterung des Aufgabenspektrums wurde nachträglich i. S. d. Vorschlags des Bundesrates durch die Unterscheidung in originäre und gesondert durch das Gericht zu übertragende erweiterte Aufgaben erheblich relativiert. Ebenso wurde die zunächst geplante Erweiterung der Regelbeispiele in Abs. 2 im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens wieder zurückgenommen. Damit bleibt im Ergebnis festzuhalten, dass das Institut zur Interessenvertretung Minderjähriger im Kindschaftsverfahren durch § 158 FamFG insgesamt eine neue Prägung und klarere Konturen erhalten hat.
II. Die gesetzliche Ausgestaltung der Verfahrensbeistandschaft gemäß § 158 FamFG Wie die Analyse der gesetzestechnischen Entwicklung des § 158 FamFG gezeigt hat, wurde das Institut zur Interessenvertretung Minderjähriger im Vergleich zur früheren Verfahrenspflegschaft nach § 50 FGG a. F. mit der Einführung der Verfahrensbeistandschaft wesentlich weiterentwickelt. Es stellt sich daher die Frage, ob durch die Bestellung eines Verfahrensbeistandes die Vertretung des minderjährigen Kindes und seiner subjektiven Interessen im Kindschaftsverfahren ausreichend gewährleistet werden kann. Fraglich ist zudem, ob die unter der Geltung des § 50 FGG a. F. kritisierten rechtlichen Lücken und Un31
Siehe E. II. 4. a).
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E. Die Verfahrensbeistandschaft gemäß § 158 FamFG
klarheiten 32 wie vom Gesetzgeber vorgesehen 33 tatsächlich beseitigt worden sind. Gleichzeitig bleibt zu klären, wie sich das bislang wenig untersuchte Institut der Verfahrensbeistandschaft von demjenigen der Ergänzungspflegschaft abgrenzt. 34 Um diese Fragen beantworten zu können, soll das Institut der Verfahrensbeistandschaft nach § 158 FamFG im Folgenden insbesondere hinsichtlich seines Anwendungsbereichs, seiner Voraussetzungen, seiner Funktion und Aufgaben sowie seiner rechtlichen Stellung genauer untersucht werden. 1. Der Anwendungsbereich des § 158 FamFG War unter der Geltung des § 50 FGG a. F. noch umstritten, für welche Verfahren die Bestellung eines Verfahrenspflegers in Betracht kam 35, so erstreckt sich der Anwendungsbereich des § 158 FamFG nunmehr aufgrund seines eindeutigen Wortlauts in Abs. 1 und seiner systematischen Stellung ausdrücklich auf die in § 151 FamFG definierten Verfahren in Kindschaftssachen. 36 Dies gilt unabhängig davon, ob die jeweilige Kindschaftssache als isoliertes Verfahren oder gemäß § 137 Abs. 3 FamFG als Folgesache im Verbund mit einer Ehesache durchgeführt wird 37 und ob es sich um ein Erst- oder um ein Abänderungsverfahren nach § 166 FamFG i. V. m. § 1696 BGB handelt. 38 Der Anwendungsbereich erstreckt sich auf den gesamten Instanzenzug. 39 Ebenso findet § 158 FamFG Anwendung auf Verfahren der einstweiligen Anordnung nach §§ 49 ff. FamFG 40 und auf selbstständige Vollstreckungsverfahren zur Durchsetzung von Kindschaftssachen nach §§ 86 ff. FamFG 41. Auch im Vermittlungsverfahren gemäß § 165 FamFG kann eine Verfahrensbeistandsbestellung in Betracht kommen, wenn sich die Eltern auf einen von einer bereits bestehenden Gerichtsentscheidung abweichenden Vergleich einigen, der nach § 165 Abs. 4 S. 2 FamFG an die Stelle der bisherigen Regelung treten soll. 42
32
Siehe C. III. BT-Drucksache 16/6308, S. 238. 34 Siehe hierzu F. 35 Vgl. hierzu Gummersbach, Subjektstellung des Kindes, S. 113 f. 36 Für Abstammungssachen verweist § 174 FamFG und für Adoptionssachen § 191 FamFG z. T. auf § 158 FamFG. Vgl. hierzu auch Holzer / Menne, FamFG, § 158, Rn. 24. 37 S / B/W / Tschichoflos, FamFG, § 158, Rn. 1. 38 Holzer / Menne, FamFG, § 158, Rn. 21; Musielak / Borth, FamFG, § 158, Rn. 1. 39 Vgl. § 68 Abs. 3 FamFG und § 74 Abs. 4 FamFG. 40 LVerfG Brandenburg, FamRZ 2011, 305, 307. 41 Haußleiter / Fest, FamFG, § 158, Rn. 5. 42 B / J/S / Zorn, FamFG, § 158, Rn. 3; Vogel, FPR 2010, 43, 44. 33
II. Die gesetzliche Ausgestaltung der Verfahrensbeistandschaft
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2. Die Voraussetzungen für die Verfahrensbeistandsbestellung gemäß § 158 Abs. 1 und Abs. 2 FamFG a) Ein die Person des Kindes betreffendes Kindschaftsverfahren Gemäß § 158 Abs. 1 FamFG setzt die Verfahrensbeistandsbestellung zunächst ein bereits anhängiges Verfahren 43 in Kindschaftssachen voraus, das die Person des Kindes betrifft. Damit werden all diejenigen Verfahren erfasst, die mittelbar oder unmittelbar die Lebensstellung und Lebensführung des Minderjährigen zum Gegenstand haben, soweit es nicht ausschließlich um Vermögensangelegenheiten geht. 44 Hierzu zählen insbesondere Verfahren über folgende Angelegenheiten: §§ 112, 113; § 1618 S. 4; § 1628; § 1630 Abs. 2 und Abs. 3; § 1631 Abs. 3; § 1631b ggf. i. V. m. §§ 1800, 1915; § 1632 Abs. 3 und Abs. 4; § 1666 Abs. 1; § 1671; § 1672; § 1674; § 1678 Abs. 2; §§ 1680, 1681; § 1682; §§ 1684, 1685, 1686; § 1687 Abs. 2 ggf. i. V. m. § 1687a; §§ 1687b Abs. 3, 1688 Abs. 3 S. 2; § 1693; § 1696; § 1746 Abs. 3; §§ 1748, 1749 Abs. 1 S. 2; § 1751 Abs. 3; §§ 1760, 1763, 1764 Abs. 4; § 1765 Abs. 2; §§ 1773, 1915; § 1796 ggf. i. V. m. § 1629 Abs. 2 S. 3; § 1801; § 1887; § 1889 BGB; §§ 19, 25 StAG; §§ 2, 11 NamÄndG. Ausdrücklich vom Gesetzgeber ausgenommen sind somit Verfahren, die ausschließlich das Vermögen des minderjährigen Kindes betreffen, wie z. B. das Genehmigungsverfahren nach §§ 1828, 1829 BGB 45. In diesen Verfahren ist dem verfahrensunfähigen Minderjährigen daher gegebenenfalls ein Ergänzungspfleger gemäß § 1909 BGB zu bestellen. Diesbezüglich ist im Hinblick auf die Bekanntgabe des Genehmigungsbeschlusses nach § 41 Abs. 3 FamFG umstritten, ob nicht auch in diesen Verfahren § 158 FamFG analog anzuwenden sei. 46 Dem steht jedoch der eindeutige Wortlaut des § 158 Abs. 1 FamFG entgegen. Zudem fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke, da die bereits unter der Geltung des § 50 FGG a. F. diskutierte Problematik 47 dem Gesetzgeber bei der Einfüh43
B / J/S / Zorn, FamFG, § 158, Rn. 3; Vogel, FPR 2010, 43, 44. Keidel / Engelhardt, FamFG, § 158, Rn. 3; Ahlert, Verfahrensbeistand, S. 91. 45 Johannsen / Henrich / Büte, FamFG, § 158, Rn. 3. 46 So Althammer in: Coester-Waltjen / Lipp / Schumann / Veit, Kindesschutz, S. 207, 215; Bolkart, MittBayNot 2009, 268, 272; Harders, DNotZ 2009, 725, 730; Heinemann, DNotZ 2009, 6, 17; Litzenburger, RNotZ 2009, 380, 381; Perlwitz / Weber, FamRZ 2011, 1350, 1354. Ebenso wohl MünchKomm-ZPO / Ulrici, § 41 FamFG, Rn. 14, jedoch ohne ausdrückliche Differenzierung nach vermögensrechtlichen und nicht vermögensrechtlichen Angelegenheiten. A. A. KG, NJW-RR 2010, 1087, 1089; Holzer / Menne, FamFG, § 158, Rn. 30; Keidel / Engelhardt, FamFG, § 158, Rn. 6; Musielak / Borth, FamFG, § 41, Rn. 10; Damrau, ZErb 2011, 176, 179; Sonnenfeld, ZKJ 2010, 271, 272. Z. T. wird auch für Verfahren, die keine Kindschaftssachen betreffen, wie etwa beim Erbscheinsverfahren nach § 345 FamFG, das Erfordernis zur Bestellung eines Verfahrensbeistandes aus Art. 103 Abs. 1 GG sowie dem Gebot eines fairen Verfahrens oder mittels einer analogen Anwendung von § 158 FamFG befürwortet, Perlwitz / Weber, FamRZ 2011, 1350, 1352 m. w. N. 47 Vgl. hierzu Jansen / Zorn, FGG, § 50, Rn. 10 m. w. N. 44
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E. Die Verfahrensbeistandschaft gemäß § 158 FamFG
rung des FamFG durchaus bekannt war, er in § 158 Abs. 1 FamFG dennoch ausdrücklich das Erfordernis eines die Person des Kindes betreffenden Verfahrens aufgenommen hat. 48 Auch stellt § 158 Abs. 4 S. 6 FamFG ausdrücklich klar, dass der Verfahrensbeistand gerade nicht gesetzlicher Vertreter des Minderjährigen i. S. v. § 9 Abs. 2 FamFG ist, sodass ihm die für das Genehmigungsverfahren erforderlichen Handlungsmöglichkeiten fehlen würden. 49 Zwar ist den Vertretern der analogen Anwendung von § 158 FamFG insofern zuzustimmen, als das Genehmigungsverfahren durch die Notwendigkeit einer Ergänzungspflegerbestellung schwerfälliger wird. 50 Mit der eindeutigen Ausgestaltung von § 158 Abs. 1 und Abs. 4 S. 6 FamFG liegt jedoch eine gesetzgeberische Entscheidung vor, die es zu beachten gilt. Somit muss eine analoge Anwendung von § 158 FamFG auf ausschließlich das Vermögen des Kindes betreffende Verfahren ausscheiden. b) Die Erforderlichkeit der Bestellung eines Verfahrensbeistands aa) Die Generalklausel des § 158 Abs. 1 FamFG Gemäß § 158 Abs. 1 FamFG hat das Gericht dem Minderjährigen einen Verfahrensbeistand zu bestellen, soweit dies zur Wahrnehmung seiner Interessen 51 erforderlich ist. Im Gegensatz zu § 50 Abs. 1 FGG a. F., der lediglich eine KannRegelung enthielt, besteht damit nun eine bindende Verpflichtung des Gerichtes zur Bestellung eines Verfahrensbeistandes, wenn die Tatbestandsvoraussetzung der Erforderlichkeit erfüllt ist. 52 § 158 Abs. 1 FamFG stellt eine eigenständige Fallvariante 53 in Gestalt einer Generalklausel 54 dar, die jedoch im Lichte der Regelbeispiele nach § 158 Abs. 2 FamFG auszulegen ist 55. Das Gericht muss gemäß § 158 Abs. 1 FamFG von 48
Sonnenfeld, NotBZ 2009, 295, 299; a. A. Kölmel, MittBayNot 2011, 190, 195. OLG Köln, FPR 2012, 398, 399; Holzer / Menne, FamFG, § 158, Rn. 30; Keidel / Meyer-Holz, FamFG, § 41, Rn. 4a; Zorn, Rpfleger 2009, 421, 431. Vgl. hierzu auch Schael, FamRZ 2009, 265, 268. So würde beispielsweise die Zustellung des Genehmigungsbeschlusses trotz Verfahrensbeistandsbestellung gemäß §§ 41 Abs. 3, 15 Abs. 2, 9 Abs. 2 FamFG i. V. m. § 170 Abs. 1 ZPO weiterhin an die Eltern erfolgen müssen, die das Kind insoweit gesetzlich vertreten, vgl. OLG Köln, FPR 2012, 398, 399. 50 So Kölmel, MittBayNot 2011, 190, 195. 51 Zum Begriff des Interesses nach § 158 Abs. 1 FamFG siehe E. II. 4. a). 52 Eine solche bindende Verpflichtung des Gerichtes leitete die überwiegende Meinung trotz des Wortlauts bereits für § 50 Abs. 1 FGG a. F. aus einer Ermessensreduzierung auf Null ab, vgl. BT-Drucksache 16/6308 S. 238 sowie C. II. 1. 53 MünchKomm-ZPO / Schumann, § 158 FamFG, Rn. 6. 54 Johannsen / Henrich / Büte, FamFG, § 158, Rn. 4; Menne, ZKJ 2009, 68. 55 BT-Drucksache 16/6308 S. 238; Keidel / Engelhardt, FamFG, § 158, Rn. 11; MünchKomm-ZPO / Schumann, § 158 FamFG, Rn. 6. 49
II. Die gesetzliche Ausgestaltung der Verfahrensbeistandschaft
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Amts wegen prüfen, ob die Verfahrensbeistandsbestellung nach den konkreten Umständen des Einzelfalls 56 erforderlich ist, um die Interessen des Minderjährigen als Verfahrenssubjekt wahrzunehmen. Damit wird die Verfahrensbeistandsbestellung nicht bereits bei Vorliegen jedweden familiären Konflikts notwendig, beschränkt sich andererseits aber auch nicht auf Extremfälle. 57 Um die Feststellung der Erforderlichkeit treffen zu können, muss das Gericht, wie auch schon unter der Geltung von § 50 FGG a. F. 58, in der Regel Vorermittlungen anstellen. 59 Entgegen der früher vereinzelt vertretenen Ansicht 60 bedarf es allein hierfür jedoch weder der Bestellung eines Verfahrensbeistandes noch eines Ergänzungspflegers, da dies zum einen nicht erforderlich ist, zum anderen das Verfahren untragbar schwerfällig machen und somit dem Kindeswohl und dem Beschleunigungsgrundsatz nach § 155 Abs. 1 FamFG widersprechen würde. Die Erforderlichkeit i. S. d. § 158 Abs. 1 FamFG setzt zum einen voraus, dass das Verfahren Angelegenheiten betrifft, die für den Minderjährigen von erheblicher Bedeutung sind und deren Regelung sich maßgeblich auf die zukünftige Gestaltung seiner Lebensverhältnisse auswirkt. 61 Dies ist bei den Kindschaftsverfahren nach § 151 FamFG regelmäßig der Fall. Zum zweiten muss das Gericht eine konkrete Gefahr feststellen, dass die Interessen des Minderjährigen nicht ausreichend durch seine gesetzlichen Vertreter wahrgenommen bzw. nicht hinreichend in das Verfahren eingebracht werden. 62 Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn die konkrete Möglichkeit eines Interessengegensatzes zwischen dem Minderjährigen und seinen gesetzlichen Vertreter besteht. 63 Daneben genügen auch andere Umstände, um die Gefahr der mangelnden Interessenwahrnehmung des Minderjährigen zu begründen. 64 So wird etwa angenommen, dass die Erforderlichkeit zur Verfahrensbeistandsbestellung nach § 158 Abs. 1 FamFG bestehe, wenn die gesetzlichen Vertreter intellektuell oder aus sonstigen Gründen nicht dazu in der Lage seien, den Min-
56 B / J/S / Zorn, FamFG, § 158, Rn. 5; Keidel / Engelhardt, FamFG, § 158, Rn. 7; FamVerf / Schael, §§ 2, Rn. 94. 57 MünchKomm-ZPO / Schumann, § 158 FamFG, Rn. 6; Leeb, ZKJ 2010, 391, 392. 58 Siehe C. II. 1. 59 Vogel, FPR 2010, 43, 44. 60 Bumiller / Winkler, FGG, § 50, Rn. 2. 61 Musielak / Borth, FamFG, § 158, Rn. 4. 62 B / J/S / Zorn, FamFG, § 158, Rn. 5; Keidel / Engelhardt, FamFG, § 158, Rn. 7. 63 Zum Verhältnis von § 158 Abs. 1 zu Abs. 2 Nr. 1 FamFG siehe E. II. 2. b) bb). 64 B / J/S / Zorn, FamFG, § 158, Rn. 5; Bienwald, Verfahrenspflegschaft, Rn. 51; Brock / Breideneichen, FuR 2001, 399, 400; Engelhardt, FamRZ 2001, 525, 527.
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E. Die Verfahrensbeistandschaft gemäß § 158 FamFG
derjährigen interessengerecht zu vertreten. 65 Insofern ist § 158 Abs. 1 FamFG weiter gefasst als dessen Abs. 2. Als dritte Voraussetzung für die Erforderlichkeit einer Verfahrensbeistandsbestellung wird zum Teil die Feststellung gefordert, dass die Interessen des Kindes nicht bereits aufgrund der allgemeinen Verfahrensgarantien, wie etwa des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 26 FamFG) oder der persönlichen Anhörung des Minderjährigen (§ 159 FamFG), sowie durch Einbeziehung Dritter, z. B. der Pflegepersonen (§ 161 FamFG), des Jugendamtes (§ 162 FamFG) oder eines Sachverständigen (§ 163 FamFG), ausreichend im Verfahren Berücksichtigung finden. 66 Diese Feststellung ist als einzelfallbezogene besondere Voraussetzung jedoch überflüssig. Denn wie bereits erörtert wurde 67, unterstützen die Verfahrensregelungen des FamFG, insbesondere im Kindschaftsverfahren, zwar die besondere Beteiligtenstellung des minderjährigen Kindes. Sie gestehen ihm aber nur einzelne Rechte und verfahrensgestaltende Mitwirkungsmöglichkeiten zu. Im Allgemeinen bleibt es bei seiner Vertretungsbedürftigkeit. So genügt beispielsweise die persönliche Anhörung nach § 159 FamFG nicht den Anforderungen an die Wahrnehmung des rechtlichen Gehörs des Minderjährigen als Verfahrensbeteiligtem. 68 Dieses muss weiterhin durch einen Vertreter vermittelt werden. Auch wurde bereits festgestellt, dass, soweit die Eltern als gesetzliche Vertreter ausscheiden, die übrigen am Verfahren Mitwirkenden, wie etwa das Jugendamt oder der Sachverständige, nicht geeignet sind, die Interessenvertretung des Minderjährigen zu übernehmen. 69 Damit ist für die Verfahren in Kindschaftssachen festzustellen, dass diese in der Literatur geforderte dritte Voraussetzung grundsätzlich gegeben ist, also nicht gesondert durch das Gericht festgestellt werden muss. Eine solche Feststellung wäre unter praktischen Gesichtspunkten auch kaum möglich, da das Gericht, das den Verfahrensbeistand gemäß § 158 Abs. 3 S. 1 FamFG so früh wie möglich bestellen soll 70, zu Beginn des Verfahrens nicht wird absehen können, wie sich die weiteren Verfahrensbeteiligten zum Minderjährigen verhalten, was das Sachverständigengutachten ergeben oder wie sich der Minderjährige bei der Anhörung äußern wird. Somit ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass die Interessen des Minderjährigen nicht bereits aufgrund der Verfahrensgarantien und der Einbeziehung Dritter gewahrt werden können. 65 B / J/S / Zorn, FamFG, § 158, Rn. 5; Keidel / Engelhardt, FamFG, § 158, Rn. 7; noch zu § 50 FGG a. F.: Bienwald, Verfahrenspflegschaft, Rn. 52; Brock / Breideneichen, FuR 2001, 399, 400. 66 B / J/S / Zorn, FamFG, § 158, Rn. 5; Holzer / Menne, FamFG, § 158, Rn. 35f.; Johannsen / Henrich / Büte, FamFG, § 158, Rn. 4; MünchKomm-ZPO / Schumann, § 158 FamFG, Rn. 6. 67 Siehe D. III. 68 Siehe D. III. 3. 69 Siehe D. III. 2. 70 Siehe dazu E. II. 3. a).
II. Die gesetzliche Ausgestaltung der Verfahrensbeistandschaft
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Nur in ganz besonderen Ausnahmefällen, in denen positiv festgestellt werden kann, dass es keiner gesonderten Interessenvertretung Minderjähriger bedarf, kann die Erforderlichkeit fehlen. Ein solcher Ausnahmefall kann z. B. dann vorliegen, wenn alle am Verfahren beteiligten Personen und Stellen gleichgerichtete Verfahrensziele verfolgen. 71 Eine gesetzlich geregelte Ausnahme enthält zudem § 158 Abs. 5 FamFG für den Fall, dass der Minderjährige durch einen Rechtsanwalt oder einen anderen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten angemessen vertreten wird. 72 In diesem Zusammenhang stellt sich des Weiteren die Frage, ob die nunmehr teilweise Zuerkennung der Verfahrensfähigkeit nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 FamFG dazu führt, dass eine Verfahrensbeistandsbestellung für den verfahrensfähigen Minderjährigen nicht mehr erforderlich ist. Die Regelung des § 158 Abs. 1 FamFG unterscheidet selbst nicht zwischen dem verfahrensfähigen und dem verfahrensunfähigen Minderjährigen. Fraglich ist daher, ob aufgrund der Verfahrensfähigkeit des Minderjährigen seine Interessenwahrnehmung bereits ausreichend gewährleistet wird. Soweit das minderjährige Kind nicht verfahrensfähig ist, kommt es, wie dargestellt, für die Erforderlichkeit der Verfahrensbeistandsbestellung darauf an, ob im Einzelfall die konkrete Gefahr besteht, dass die gesetzlichen Vertreter seine Interessen im Verfahren nicht ausreichend wahrnehmen werden. Ist der Minderjährige hingegen selbst verfahrensfähig i. S. v. § 9 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 FamFG, so kann auf diese Gefahr gerade nicht abgestellt werden, da er keiner gesetzlichen Vertretung bedarf, sondern eigenständig im Verfahren auftreten und seine Interessen, insbesondere seinen subjektiven Willen, einbringen kann. Da der Gesetzgeber das verfahrensfähige Kind nach dem Wortlaut des § 158 Abs. 1 FamFG jedoch nicht ausdrücklich von der Verfahrensbeistandsbestellung ausgeschlossen hat, kommt es hinsichtlich der Erforderlichkeit maßgeblich darauf an, ob unter Beachtung von Funktion und Aufgabe des Verfahrensbeistands 73 im konkreten Einzelfall dennoch das Bedürfnis besteht, den verfahrensfähigen Minderjährigen durch einen Verfahrensbeistand bei der Wahrnehmung seiner Rechte und Pflichten zu unterstützen. 74 Dies wird durch die Gesetzgebungsgeschichte gestützt. Ursprünglich sah der Gesetzentwurf in § 166 Abs. 2 Nr. 1 FamFG-E 75 vor, dass eine Verfahrensbeistandsbestellung in 71
BT-Drucksache 16/6308, S. 238. Zu den weiteren Ausnahmefällen siehe E. II. 2. b) bb). 72 Siehe dazu E. II. 2. c). 73 Siehe E. II. 4. 74 So auch Holzer / Menne, FamFG, § 158, Rn. 47. Prütting / Helms / Stößer, FamFG, § 158, Rn. 6 weist ebenfalls auf eine besondere Prüfpflicht bei Kindern ab dem vierzehnten Lebensjahr hin. Das Deutsche Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e.V. sieht hierin sogar den Hauptanwendungsfall des § 158 FamFG, DIJuF, Stellungnahme vom 28. Oktober 2009, S. 7. 75 Siehe hierzu E. I. 1.
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E. Die Verfahrensbeistandschaft gemäß § 158 FamFG
der Regel erforderlich sei, wenn das Kind älter als 14 Jahre ist und einen entsprechenden Antrag stellt. Entsprechend der Empfehlung des Rechtsausschusses wurde dieses Regelbeispiel zwar mit der Begründung gestrichen, dass der Aufgabenbereich des Verfahrensbeistands auf jüngere Kinder zugeschnitten und der über vierzehn Jahre alte Minderjährige zum Teil selbst verfahrensfähig sei. 76 Zugleich wurde aber der Hinweis gegeben, dass eine Verfahrensbeistandsbestellung aufgrund der anderen Regelbeispiele möglich sei. 77 Mithin geht auch der Gesetzgeber davon aus, dass eine Verfahrensbeistandsbestellung grundsätzlich nicht ausgeschlossen ist. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass der verfahrensfähige Minderjährige durch seine Einbeziehung in das Verfahren verstärkt dessen Auswirkungen ausgesetzt wird 78 und die Gefahr seiner Instrumentalisierung besteht. Daher ist aufgrund des besonderen Schutzanspruches auch des verfahrensfähigen Minderjährigen von der Erforderlichkeit einer Verfahrensbeistandsbestellung auszugehen, wenn deutlich wird, dass der Minderjährige seine Interessen nicht ausreichend selbst wahrnehmen kann. 79 Insofern ist der Begriff der Erforderlichkeit in § 158 Abs. 1 FamFG entsprechend der Neugestaltung des Kindschaftsverfahrens und der teilweisen Zuerkennung der Verfahrensfähigkeit Minderjähriger gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 FamFG so auszulegen, dass auch für den verfahrensfähigen Minderjährigen eine Verfahrensbeistandsbestellung grundsätzlich in Betracht kommt. Dies wird jedoch nur Ausnahmefälle betreffen, da die Verfahrensfähigkeit in der Regel die eigenständige Interessenwahrnehmung des Minderjährigen impliziert. bb) Die Regelbeispiele gemäß § 158 Abs. 2 FamFG Die Generalklausel des § 158 Abs. 1 FamFG wird durch die in Abs. 2 aufgeführten Regelbeispiele konkretisiert. 80 Die § 158 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 FamFG beschreiben Fallgestaltungen, in denen der Gesetzgeber vermutet, dass die Verfahrensbeistandsbestellung i. S. v. § 158 Abs. 1 FamFG erforderlich ist, da die Eltern in einer solchen Situation typischerweise die angemessene Interessenwahrnehmung des Minderjährigen nicht gewährleisten können. 81 Hieraus leitet sich ein höherer Verpflichtungsgrad des Gerichts zur Bestellung des Verfahrensbeistandes als im Fall des § 158 Abs. 1 FamFG ab, der auch durch die
76 77 78 79 80 81
Hierzu kritisch Menne, ZKJ 2009, 68, 69. BT-Drucksache 16/9733, S. 294. Heiter, FamRZ 2009, 85, 89. So auch Heiter, FamRZ 2009, 85, 89. LVerfG Brandenburg, FamRZ 2011, 305, 306. OLG Celle, NJW-RR 2011, 1512, 1513; Leeb, ZKJ 2010, 391, 392.
II. Die gesetzliche Ausgestaltung der Verfahrensbeistandschaft
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Begründungspflicht bei Absehen von der Bestellung nach § 158 Abs. 3 S. 3 FamFG zum Ausdruck kommt. 82 Gemäß § 158 Abs. 1 Nr. 1 FamFG ist eine Verfahrensbeistandsbestellung in der Regel erforderlich, wenn das Interesse des Kindes zu dem seiner gesetzlichen Vertreter in erheblichem Gegensatz steht und diese somit nicht zu seiner Vertretung geeignet sind. 83 Die Vorschrift entspricht der früheren Regelung des § 50 Abs. 2 Nr. 1 FGG a. F., sodass die hierzu ergangene Rechtsprechung übertragbar ist. 84 Bei § 158 Abs. 2 Nr. 1 FamFG handelt es sich im Vergleich zu den Nr. 2 bis 5 um einen Auffangtatbestand 85, der an die Voraussetzungen der Entziehung der Vertretungsmacht nach §§ 1629 Abs. 2 S. 3, 1796 Abs. 2 BGB anknüpft. 86 Zur Erfüllung des Regelbeispiels bedarf es eines erheblichen Gegensatzes der Belange des Minderjährigen und derjenigen seiner gesetzlichen Vertreter, sodass die Förderung des Elterninteresses nur auf Kosten des Kindesinteresses möglich ist 87 und die Eltern mithin als Vertreter des Minderjährigen ausscheiden müssen. Bei gemeinsamer elterlicher Sorge genügt es, wenn ein erheblicher Interessengegensatz zu nur einem Elternteil besteht, 88 da dann vermutet wird, dass der partnerschaftliche Streit die Kindeswohlbelange überlagert. 89 Aus diesem Grund ist ein erheblicher Interessengegensatz i. S. v. § 158 Abs. 2 Nr. 1 FamFG beispielsweise auch dann anzunehmen, wenn die Eltern sich seit längerem um die alleinige elterliche Sorge streiten oder wenn der Obhutelternteil sich nicht um eine einvernehmliche Regelung bemüht und so fehlendes Verständnis für die Kindesinteressen zeigt. 90 Wie bereits unter der Geltung von § 50 FGG a. F. genü82 Röchling / Lohrentz / Röchling, Handbuch AdK, § 3, Rn. 6; B / J/S / Zorn, FamFG, § 158, Rn. 7. 83 BT-Drucksache 14/4899, S. 131. Salgo, FPR 2006, 12, 13 kritisiert, dass die Nr. 1 systematisch ungünstig verortet sei, da es sich um einen Grundsatz und nicht um eine Fallkonstellation handele. 84 Zur alten Rechtslage siehe C. II. 1. 85 Salgo, FPR 2006, 12, 13. 86 BT Drucksache 13/4899, S. 131; OLG Köln, NJW-RR 2001, 76, 77; B / J/S / Zorn, FamFG, § 158, Rn. 8; Röchling / Lohrentz / Röchling, Handbuch AdK, § 3, Rn. 9; FamVerf / Schael, §§ 2, Rn. 95. 87 BVerfGE 99, 145, 163 = NJW 1999, 631, 633; OLG Hamm NJW-RR 1986, 79, 80; Haußleiter / Fest, FamFG, § 158, Rn. 9; Palandt / Götz, BGB, § 1796, Rn. 2; Staudinger / Engler, BGB, § 1796, Rn. 7; Trenczek, ZKJ 2009, 97, 100. MünchKomm-BGB / Wagenitz, § 1796, Rn. 5 empfindet dies jedoch als zu eng und lässt es genügen, wenn die Gefahr besteht, dass der Vertreter die Interessen des Minderjährigen im Konfliktfall nicht mit der gebotenen Zielstrebigkeit verfolgt. 88 OLG Naumburg, FamRZ 2009, 2023, 2024; Hoppenz / van Els, Familiensachen, § 158 FamFG, Rn. 5; Keidel / Engelhardt, FamFG, § 158, Rn. 12; Zöller / Lorenz, ZPO, § 158 FamFG, Rn. 4. A. A. Leeb, ZKJ 2010, 391, 392. 89 OLG Düsseldorf, NJW 2000, 1274; Röchling / Lohrentz / Röchling, Handbuch AdK, § 3, Rn. 18. 90 OLG Hamm, FamRZ 1999, 41 f.; FamVerf / Schael, §§ 2, Rn. 95.
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E. Die Verfahrensbeistandschaft gemäß § 158 FamFG
gen einander widersprechende Anträge der Eltern als gesetzliche Vertreter allein jedoch noch nicht, um einen erheblichen Interessengegensatz zum Minderjährigen zu begründen. 91 Vielmehr muss das Gericht konkret prüfen, inwiefern die Anträge Ausdruck von Bemühungen zur Wahrung des Kindeswohls oder vorrangig persönlicher Ziele sind und ob hieraus ein Defizit in der Interessenwahrnehmung des Minderjährigen folgt. 92 Somit können die sich widersprechenden Anträge lediglich als Indiz für das Bestehen eines erheblichen Interessengegensatzes gewertet werden. 93 Dieser muss im Übrigen nicht unüberbrückbar sein. 94 Hinsichtlich des Prüfungsergebnisses des Gerichtes wird die Frage, ob der Interessengegensatz bereits feststellbar 95, sicher vorhersehbar 96, naheliegend 97 oder nur möglich 98 sein muss, wie bereits unter der Geltung von § 50 FGG a. F. 99, uneinheitlich beantwortet. Die Literatur verweist dabei zumeist auf die Rechtsprechung des BVerfG 100 sowie des OLG Frankfurt 101 und des OLG München 102, die sich in Bezug auf § 50 FGG a. F. dafür ausgesprochen haben, dass die bloße Möglichkeit eines Interessengegensatzes ausreiche, um die Bestellung eines Verfahrenspflegers erforderlich zu machen. Dabei wird jedoch verkannt, dass sich die Entscheidungen des BVerfG und des OLG Frankfurt jeweils auf § 50 FGG a. F. insgesamt oder § 50 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 FGG a. F. beziehen, ohne die notwendige Unterscheidung zwischen den Fallvarianten zu treffen. Ledig91 OLG Saarbrücken, OLG-Report 2005, 111; OLG Köln, NJW-RR 2001, 76, 77; OLG Dresden, FamRZ 2000, 1296, 1297; OLG Düsseldorf, NJW 2000, 1274; OLG Frankfurt, FamRZ 1999, 1293, 1294; Johannsen / Henrich / Büte, FamFG, § 158, Rn. 8; Althammer in: Coester-Waltjen / Lipp / Schumann / Veit, Kindesschutz, S. 207, 211; Brock / Breideneichen, FuR 2001, 399, 400. 92 BVerfG, NJW 1999, 631, 633; OLG Düsseldorf, NJW 2000, 1274; Kemper / Schreiber / Völker / Clausius, FamFG, § 158, Rn. 6; Röchling / Lohrentz / Röchling, Handbuch AdK, § 3, Rn. 18. 93 Vgl. Brock / Breideneichen, FuR 2001, 399, 400. 94 OLG München, FamRZ 1999, 667; Haußleiter / Fest, FamFG, § 158, Rn. 9; Keidel / Engelhardt, FamFG, § 158, Rn. 12. 95 Keidel / Engelhardt, FamFG, § 158, Rn. 10, 12; Musielak / Borth, FamFG, § 158, Rn. 6. 96 Johannsen / Henrich / Büte, FamFG, § 158, Rn. 8. 97 B / J/S / Zorn, FamFG, § 158, Rn. 8; Holzer / Menne, FamFG, § 158, Rn. 50; MünchKomm-ZPO / Schumann, § 158 FamFG, Rn. 8. 98 BVerfGE 99, 145, 163 = BVerfG, NJW 1999, 631, 633; OLG Naumburg, ZKJ 2010, 37; OLG Naumburg, FamRZ 2009, 2023, 2024; KG, FamRZ 2003, 392, 393; Bumiller / Harders, FamFG, § 158, Rn. 7; Gummersbach, Subjektstellung des Kindes, S. 182; Röchling / Lohrentz / Röchling, Handbuch AdK, § 3, Rn. 19; Leeb, ZKJ 2010, 391, 393; widersprüchlich Haußleiter / Fest, FamFG, § 158, Rn. 9. 99 Siehe C. II. 1. 100 BVerfGE 99, 145, 163 = BVerfG, NJW 1999, 631, 633. 101 FamRZ 1999, 1293, 1294. 102 FamRZ 1999, 667.
II. Die gesetzliche Ausgestaltung der Verfahrensbeistandschaft
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lich das OLG München spricht sich ausdrücklich dafür aus, dass bei § 50 Abs. 2 Nr. 1 FGG a. F, der dem heutigen § 158 Abs. 2 Nr. 1 FamFG entspricht, die bloße Möglichkeit des Interessengegensatzes genügen muss, um eine effektive Vertretung des Kindes zu gewährleisten. Dabei ging es allerdings aufgrund der noch wenig ausgeprägten Rechtsprechung zur damals jungen Regelung des § 50 FGG a. F. von der falschen Prämisse aus, dass ansonsten eine Verfahrenspflegerbestellung bei einem noch nicht feststellbaren Interessengegensatz ausscheiden würde. Es verkannte insofern den Wirkungsbereich des § 50 Abs. 1 FGG a. F., der für diesen Fall gerade als Auffangregelung fungierte. Das Gleiche gilt für das Verhältnis von § 158 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 FamFG. Die Auslegung von § 158 Abs. 2 Nr. 1 FamFG zeigt, dass das Regelbeispiel einen feststellbaren Interessengegensatz voraussetzt. Hingegen greift die Generalklausel des § 158 Abs. 1 FamFG für den Fall, dass ein solcher nur möglich erscheint, 103 allerdings feststellbar ist, dass dies die verfahrensrechtliche Interessenvertretung des Minderjährigen im konkreten Einzelfall tatsächlich gefährdet. Der Wortlaut des § 158 Abs. 2 Nr. 1 FamFG gibt vor, dass das Kindesinteresse mit dem seiner gesetzlichen Vertreter in erheblichem Gegensatz „steht“, setzt also einen positiv feststellbaren Interessenwiderstreit voraus. 104 Hinsichtlich der Systematik des § 158 FamFG zeigt ein Vergleich von § 158 Abs. 1 FamFG mit dessen Abs. 2 Nr. 1, dass Letzterer ein die Generalklausel des Abs. 1 konkretisierendes Regelbeispiel darstellt, also eine spezielle Fallvariante mit engeren Voraussetzungen normiert. Dies unterstützt die Wortlautauslegung, wonach § 158 Abs. 2 Nr. 1 FamFG den Fall erfasst, in dem ein Interessengegensatz bereits positiv feststellbar ist, während § 158 Abs. 1 FamFG greift, wenn ein solcher nur möglich erscheint, jedoch noch nicht als bestehend festgestellt werden kann. Gleiches folgt auch aus der teleologischen Auslegung nach Sinn und Zweck. Denn nur soweit der Interessengegensatz bereits tatsächlich besteht, kann auch die Vermutung hinter den Regelbeispielen greifen, dass die gesetzlichen Vertreter per se ungeeignet sind, die Kindesinteressen wahrzunehmen. 105 Die reine Möglichkeit eines Interessengegensatzes kann für eine solche Vermutung allein nicht genügen. Auch die Heranziehung der §§ 1629 Abs. 2 S. 3, 1796 Abs. 2 BGB, an die § 158 Abs. 2 Nr. 1 FamFG angelehnt ist, spricht für diese Auslegung. Die dort geregelte Entziehung der Vertretungsmacht setzt ebenfalls einen feststellbaren bestehenden Interessengegensatz voraus und lässt die bloße Möglichkeit eines solchen allein nicht genügen. 106 Dieser Auslegung des § 158 Abs. 2 Nr. 1 FamFG 103 So auch Keidel / Engelhardt, FamFG, § 158, Rn. 10; Musielak / Borth, FamFG, § 158, Rn. 3f.; Brock / Breideneichen, FuR 2001, 399, 400 f. 104 Gummersbach, Subjektstellung des Kindes, S. 166. 105 Vgl. BT-Drucksache 13/4899, S. 131 zu § 50 Abs. 2 Nr. 1 FGG a. F. 106 BGH, NJW 2012, 1150; OLG Karlsruhe, NJW-RR 2012, 839, 840; OLG Oldenburg, ZKJ 2011, 101, 102; OLG Hamm NJW-RR 1986, 79, 80; Palandt / Götz, BGB, § 1796, Rn. 2; Staudinger / Engler, BGB, § 1796, Rn. 10. Siehe auch F. I. 1. a) bb) (3).
172
E. Die Verfahrensbeistandschaft gemäß § 158 FamFG
steht auch nicht entgegen, dass das Gericht unter praktischen Gesichtspunkten nur selten bereits zu Beginn des Verfahrens den Interessengegensatz abschließend wird feststellen können, um nach der Vorgabe von § 158 Abs. 3 S. 1 FamFG den Verfahrensbeistand so früh wie möglich zu bestellen. 107 Denn dem Minderjährigen wird die Verfahrensbeistandsbestellung durch diese Auslegung nicht etwa verwehrt. Vielmehr richtet sich im Rahmen der nunmehr eröffneten Prüfung nach § 158 Abs. 1 FamFG der Fokus richtigerweise darauf, ob durch den möglichen Widerstreit der Interessen die Wahrnehmung der Belange des Minderjährigen im konkreten Einzelfall tatsächlich gefährdet ist. Im Ergebnis setzt § 158 Abs. 2 Nr. 1 FamFG in Abgrenzung von § 158 Abs. 1 FamFG somit einen bereits feststellbaren bestehenden Interessengegensatz zwischen dem Minderjährigen und seinen gesetzlichen Vertretern voraus. Gemäß § 158 Abs. 2 Nr. 2 FamFG ist eine Verfahrensbeistandsbestellung in der Regel in Verfahren nach den §§ 1666, 1666a BGB erforderlich, wenn die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge in Betracht kommt. 108 Die dem Regelbeispiel zugrunde liegende Vermutung, dass in einem solchen Verfahren die Eltern als objektive Interessenvertreter des Kindes ausscheiden müssen, folgt daraus, dass hier typischerweise ihr Fehlverhalten überprüft werden soll. 109 Das Kind selbst gerät zumeist in einen Loyalitätskonflikt 110 und bedarf gerade wegen der schwerwiegenden Bedeutung einer solchen Entscheidung in besonderem Maße der Unterstützung eines objektiven Dritten, um seine Interessen in das Verfahren einzubringen. Im Vergleich zu § 50 Abs. 2 Nr. 2 FGG a. F. ist der Anwendungsbereich des § 158 Abs. 2 Nr. 2 FamFG weiter, da bereits eine teilweise Entziehung der Personensorge ausreicht. Aufgrund des Gesetzeswortlauts „in Betracht kommt“ genügt es für § 158 Abs. 2 Nr. 2 FamFG, wenn das eingeleitete Verfahren die (teilweise) Entziehung der Personensorge zur Folge haben kann, ohne dass diese Entscheidung bereits feststehen muss. 111 Ergänzt wird § 158 Abs. 2 Nr. 2 FamFG durch die Nr. 3, wonach eine Verfahrensbeistandsbestellung in der Regel dann erforderlich ist, wenn die Trennung des Kindes von der Person erfolgen soll, in deren Obhut es sich befindet. 112 Der Tatbestand des § 158 Abs. 2 Nr. 3 FamFG ist somit weiter gefasst als der frühere § 50 Abs. 2 Nr. 2 FGG a. F., da die Regelung keine tatbestandliche Beschränkung 107
So aber Gummersbach, Subjektstellung des Kindes, S. 182. Trenczek, ZKJ 2009, 196, 198 will den Tatbestand auch auf die Aufhebung einer solchen Maßnahme erstrecken. 109 BT-Drucksache 16/6308, S. 238; Kemper / Schreiber / Völker / Clausius, FamFG, § 158, Rn. 7; Musielak / Borth, FamFG, § 158, Rn. 7; FamVerf / Schael, §§ 2, Rn. 95. 110 Keidel / Engelhardt, FamFG, § 158, Rn. 13; Röchling / Lohrentz / Röchling, Handbuch AdK, § 3, Rn. 22. 111 B / J/S / Zorn, FamFG, § 158, Rn. 9. 112 Salgo, FPR 2006, 12, 14 kritisiert die Regelung als für die Praxis zu unkonkret. 108
II. Die gesetzliche Ausgestaltung der Verfahrensbeistandschaft
173
mehr auf Verfahren nach den §§ 1666, 1666a BGB vorsieht. Nunmehr ist es unerheblich, nach welcher Rechtsgrundlage die Trennung erfolgen soll. In Betracht kommen somit beispielsweise auch das Verfahren nach § 1671 BGB 113 oder Rückführungsverfahren gemäß dem Haager Kindesentführungsübereinkommen 114. Unter Obhut i. S. v. § 158 Abs. 2 Nr. 3 FamFG ist in Anlehnung an §§ 1629 Abs. 2 S. 2, 1684 Abs. 2 BGB der Ort zu verstehen, an dem der Schwerpunkt der tatsächlichen Fürsorge liegt, also an dem die elementaren Bedürfnisse des Kindes durch Unterkunft, Pflege, Erziehung und emotionale Zuwendung überwiegend befriedigt werden. 115 Der Begriff der Trennung entspricht demjenigen des § 1666a BGB 116, d. h. er bezieht sich auf die faktische Trennung des Kindes von seiner Obhutsperson i. S. e. Herauslösens aus den Familienbeziehungen. 117 Dabei ist es unerheblich, von wem die Trennung angestrebt wird. 118 In Verfahren nach §§ 1666, 1666a BGB sind regelmäßig sowohl § 158 Abs. 2 Nr. 2 als auch Nr. 3 FamFG einschlägig. 119 Im Gegensatz zu § 158 Abs. 2 Nr. 2 FamFG setzt der Gesetzeswortlaut der Nr. 3 („erfolgen soll“) jedoch voraus, dass das Gericht einen Obhutswechsel bereits ernsthaft in Betracht zieht. 120 Da eine Zuordnung zu § 158 Abs. 2 Nr. 3 FamFG zweifelhaft sein kann, z. B. bei unklaren Obhutsverhältnissen, wurde § 158 Abs. 2 Nr. 4 FamFG geschaffen. 121 Demnach ist die Erforderlichkeit der Verfahrensbeistandsbestellung in der Regel für diejenigen Verfahren gegeben, welche die Herausgabe des Kindes oder eine Verbleibensanordnung zum Gegenstand haben. Dies betrifft in erster Linie Verfahren nach § 1632 Abs. 1 und Abs. 3 BGB, § 1632 Abs. 4 BGB
113 Röchling / Lohrentz / Röchling, Handbuch AdK, § 3, Rn. 29; Jacoby, FamRZ 2007, 1703, 1709. 114 Die gesetzliche Erweiterung des Regelbeispiels ist die Konsequenz aus der Entscheidung des BVerfG NJW 1999, 631 zum HKÜ, vgl. BT-Drucksache 16/6308, S. 239; Kemper / Schreiber / Völker / Clausius, FamFG, § 158, Rn. 9. 115 BGH, NJW 2007, 1882; BGH, NJW 2006, 2258; Johannsen / Henrich / Büte, FamFG, § 158, Rn. 10. 116 BT-Drucksache 16/6308, S. 238; S / B/W / Tschichoflos, FamFG, § 158, Rn. 9; Hoppenz / van Els, Familiensachen, § 158 FamFG, Rn. 7. 117 MünchKomm-BGB / Olzen, §§ 1666a, Rn. 10. 118 BT-Drucksache 16/6308, S. 238; S / B/W / Tschichoflos, FamFG, § 158, Rn. 9; Salgo / Zenz / Bauer, Verfahrensbeistandschaft, Rn. 191; Röchling / Lohrentz / Röchling, Handbuch AdK, § 3, Rn. 28; Stößer, FamRZ 2009, 656, 661. 119 Stößer, FamRZ 2009, 656, 661. 120 Holzer / Menne, FamFG, § 158, Rn. 55; Kemper / Schreiber / Völker / Clausius, FamFG, § 158, Rn. 9. 121 BT-Drucksache 16/6308, S. 239.
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E. Die Verfahrensbeistandschaft gemäß § 158 FamFG
sowie nach § 1682 BGB. 122 Auch hier wird ein erheblicher Interessengegensatz zwischen dem Minderjährigen und seinen Eltern vermutet. Mit § 158 Abs. 2 Nr. 5 FamFG wurde im Vergleich zu § 50 Abs. 2 FGG a. F. ein gänzlich neues Regelbeispiel normiert. Dieses betrifft Verfahren, in denen der Ausschluss oder eine wesentliche Beschränkung des Umgangsrechts in Betracht kommt, also insbesondere Verfahren nach § 1684 Abs. 4 BGB, wie z. B. die Anordnung des begleiteten Umgangs 123. In diesen Verfahren besteht in der Regel ein schwerer Grundkonflikt zwischen dem Kind und dem Umgangsberechtigten. 124 Gleichzeitig stellen die Beschränkung oder der Ausschluss des Umgangsrechts schwere Eingriffe in das grundgesetzlich geschützte Eltern-Kind-Verhältnis mit erheblichen Folgen für den Minderjährigen und seine zukünftige Entwicklung dar, sodass im besonderen Maße durch die Verfahrensgestaltung sicherzustellen ist, dass das Gericht eine zuverlässige Grundlage für eine kindeswohlorientierte Entscheidung erlangt. 125 Hierzu zählt auch, dass der Minderjährige mithilfe eines Verfahrensbeistands seinen Willen in das Verfahren einbringen kann. Der ursprüngliche Kabinettsentwurf des § 158 Abs. 2 Nr. 6 FamFG-E 126 wurde während des Gesetzgebungsverfahrens um die Einschränkung ergänzt, dass neben dem Ausschluss das Regelbeispiel nur erfüllt sei, wenn „wesentliche“ Beschränkungen des Umgangsrechts in Betracht kommen. Dies begründete der Rechtsausschuss des Bundestages mit der Befürchtung einer finanziellen Überforderung der Länder infolge einer Zunahme der Verfahrensbeistandsbestellungen. 127 Bei der Auslegung des Begriffs „wesentlich“ ist jedoch die besondere Tragweite von Umgangsregelungen für die zukünftige Kindesentwicklung und der besondere grundrechtliche Schutz des Eltern-Kind-Verhältnisses zu beachten, sodass die Verfahrensbeistandsbestellung nur in seltenen Ausnahmefällen unterbleiben darf. 128 Demnach kann das Regelbeispiel auch bei nur zeitlich befristeten Anordnungen erfüllt sein. 129
122
Zu den Verfahren im Einzelnen vgl. z. B. Röchling / Lohrentz / Röchling, Handbuch AdK, § 3, Rn. 33. 123 OLG Saarbrücken, NJW-RR 2010, 1446 f. 124 BT-Drucksache 16/6308, S. 239; OLG Celle, NJW-RR 2011, 1512, 1513; Bumiller / Harders, FamFG, § 158, Rn. 11; S / B/W / Tschichoflof, FamFG, §§ 158, Rn. 12; Stötzel, JAmt 2009, 213, 215. 125 Vgl. BVerfG, FamRZ 2008, 246; BVerfG, FamRZ 2007, 1625. 126 Siehe E. I. 2. 127 BT-Drucksache 16/9733, S. 294. 128 So auch Röchling / Lohrentz / Röchling, Handbuch AdK, § 3, Rn. 40. Ggf. kommt eine Bestellung gemäß § 158 Abs. 1 FamFG in Betracht, Zorn, Rpfleger 2009, 421, 425. 129 So auch Musielak / Borth, FamFG, § 158, Rn. 10. A. A. Bumiller / Harders, FamFG, § 158, Rn. 11; Haußleiter / Fest, FamFG, § 158, Rn. 13.
II. Die gesetzliche Ausgestaltung der Verfahrensbeistandschaft
175
Das Regelbeispiel des § 158 Abs. 2 Nr. 5 FamFG erfasst seinem Wortlaut nach grundsätzlich nicht Verfahren über das Umgangsrecht nach § 1685 Abs. 1 und Abs. 2 BGB, da hier das Bestehen einer Umgangsbefugnis als solche geprüft wird. 130 Hingegen liegen die Voraussetzungen der Norm vor, wenn eine nach § 1685 Abs. 1 oder 2 BGB geregelte Umgangsbefugnis wieder eingeschränkt oder versagt werden soll, §§ 1685 Abs. 3 i. V. m § 1684 Abs. 4 BGB. 131 Nach dem Wortlaut der Nr. 5 wird ebenso wie bei § 158 Abs. 2 Nr. 2 FamFG vorausgesetzt, dass der Ausschluss oder die wesentliche Beschränkung des Umgangsrechts im Verfahren „in Betracht“ kommt. Demnach muss eine solche Anordnung von einem Verfahrensbeteiligten oder dem Jugendamt gefordert oder vom Gericht ernsthaft erwogen werden. 132 Liegt eines der Regelbeispiele der § 158 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 FamFG vor, so besteht die Vermutung der Erforderlichkeit und das Gericht hat dem Minderjährigen einen Verfahrensbeistand zu bestellen. Nur in absoluten Ausnahmefällen 133 kann von der Bestellung abgesehen werden, soweit sie im konkreten Einzelfall nicht erforderlich ist. Dies wird beispielsweise für Entscheidungen von nur geringer Tragweite, die sich auf die künftige Lebensgestaltung des Kindes und auf die Rechtspositionen der Beteiligten nicht erheblich auswirken, angenommen. 134 Zudem kann die Erforderlichkeit fehlen, soweit alle Beteiligten gleichgerichtete Verfahrensziele verfolgen 135, also beispielsweise, wenn sich die Eltern im Fall des § 158 Abs. 2 Nr. 3 FamFG über einen Wechsel des Kindes von einem zum anderen Elternteil einig sind 136. Des Weiteren wird ein Ausnahmefall auch dann angenommen, wenn die Interessen des Kindes im Verfahren auf andere Weise ausreichend zur Geltung gebracht werden. 137 Insoweit ist jedoch der grundgesetzlich gesicherte Schutzanspruch des Minderjährigen als Verfahrenssubjekt zu berücksichtigen. Dem trägt 130
OLG Celle, NJW-RR 2011, 1512, 1513; a.A. B / J/S / Zorn, FamFG, § 158, Rn. 12. Musielak / Borth, FamFG, § 158, Rn. 10; FamVerf / Schael, §§ 2, Rn. 95. Salgo, FPR 2006, 12, 14 fordert zudem, dass das Regelbeispiel auch hinsichtlich der Anordnung des Umgangs greifen müsse, da dieser in bestimmten Fällen für das Kind erhebliches Gefahrenpotenzial haben könne. Zustimmend Holzer / Menne, FamFG, § 158, Rn. 63. Coester in: Lipp / Schumann / Veit, FamFG-Reform, S. 39, 60 kritisiert zu Recht, dass § 158 Abs. 2 Nr. 5 FamFG nicht auch den Fall mit einschließt, dass der Minderjährige selbst sein Recht auf Umgang prozessual durchsetzen möchte. 132 BT-Drucksache 16/6308, S. 239; Kemper / Schreiber / Völker / Clausius, FamFG, § 158, Rn. 12; Zöller / Lorenz, ZPO, § 158 FamFG, Rn. 8. 133 LVerfG Brandenburg, FamRZ 2011, 305, 306. 134 BT-Drucksache 16/6308, S. 238. 135 BT-Drucksache 16/6308, S. 238; OLG Düsseldorf, FamRZ 2008, 1775, 1776. Hierzu kritisch Trenczek, ZKJ 2009, 196, 198. 136 Musielak / Borth, FamFG, § 158, Rn. 8. 137 OLG Zweibrücken, ZKJ 2011, 136, 138; Keidel / Engelhardt, FamFG, § 158, Rn. 14. 131
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E. Die Verfahrensbeistandschaft gemäß § 158 FamFG
die derzeitige Ausgestaltung des Kindschaftsverfahrens gerade nicht ausreichend Rechnung. 138 Insbesondere die Anhörung allein genügt auch bei älteren Kindern für sich genommen nicht, um die Beteiligtenstellung zu verwirklichen. 139 Hingegen begründet die Bestellung eines Ergänzungspflegers für den Verfahrensgegenstand eine umfangreiche, elternunabhängige Vertretung des Minderjährigen, sodass in diesem Fall die Erforderlichkeit der Verfahrensbeistandsbestellung ausnahmsweise entfallen kann. 140 Im Übrigen kann das Unterlassen einer Verfahrensbeistandsbestellung auch in kindschaftsrechtlichen Eilverfahren trotz Vorliegens eines Regelbeispiels nur in absoluten Ausnahmefällen und nicht allein durch den Beschleunigungsgrundsatz gerechtfertigt werden. 141 Sieht das Gericht trotz Vorliegens eines Regelbeispiels von der Bestellung eines Verfahrensbeistandes ab, so muss es dies in der Endentscheidung gemäß § 158 Abs. 3 S. 3 FamFG begründen. 142 Das Unterlassen der Begründung stellt einen wesentlichen Verfahrensfehler dar, der nach § 69 Abs. 1 S. 3 FamFG zur Aufhebung der Entscheidung und zur Zurückverweisung führen kann. 143 c) Die Entbehrlichkeit der Bestellung nach § 158 Abs. 5 FamFG Gemäß § 158 Abs. 5 FamFG soll die Verfahrensbeistandsbestellung unterbleiben oder aufgehoben werden, wenn die Interessen des Kindes von einem Rechtsanwalt oder einem anderen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten angemessen vertreten werden. 144 Die Regelung entspricht damit § 50 Abs. 3 FGG a. F. und wird als Spezialfall mangelnder Erforderlichkeit verstanden. 145 138
Siehe D. IV. A. A. OLG Saarbrücken, Beschluss v. 25.05.2011, 6 UF 76/11, Rn. 20 (zitiert nach juris); Kemper / Schreiber / Völker / Clausius, FamFG, § 158, Rn. 15. 140 KG, ZKJ 2012, 314, 315; Bumiller / Harders, FamFG, § 158, Rn. 14; S / B/W / Tschichoflos, FamFG, § 158, Rn. 5; Schael, FamRZ 2009, 265, 269. Zum Verhältnis der Ergänzungspflegschaft zur Verfahrensbeistandschaft siehe F. II. 141 A. A. OLG Saarbrücken, Beschluss v. 25.05.2011, 6 UF 76/11, Rn. 20 (zitiert nach juris); Kemper / Schreiber / Völker / Clausius, FamFG, § 158, Rn. 15; Salgo / Lack, FPR 2012, 353, 357. 142 Entgegen dem eindeutigen Wortlaut des § 158 Abs. 3 S. 3 FamFG will Trenczek, ZKJ 2009, 196, 198 die Begründungspflicht auch auf das Unterlassen der Bestellung im Fall des § 158 Abs. 1 FamFG erstrecken. 143 OLG Brandenburg, Beschluss v. 11.02.2011, 13 UF 7/11, Rn. 8 (zitiert nach juris); OLG Saarbrücken, NJW-RR 2010, 1446, 1447; OLG Naumburg, FamRZ 2009, 2023, 2024; Haußleiter / Fest, FamFG, § 158, Rn. 15. 144 Während Ahlert, Verfahrensbeistand, S. 109 die Regelung für sinnvoll erachtet, lehnen Coester in: Lipp / Schumann / Veit, FamFG-Reform, S. 39, 58 und Salgo, FPR 2006, 12, 16 sowie Trenczek, ZKJ 2009, 196, 198 sie als verfehlt oder überflüssig ab. 145 Brock / Breideneichen, FuR 2001, 399, 400; Johannsen / Henrich / Büte, FamFG, § 158, Rn. 22. 139
II. Die gesetzliche Ausgestaltung der Verfahrensbeistandschaft
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Bei der Anwendung der Vorschrift ist allerdings zu beachten, dass nur das ausnahmsweise nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 FamFG verfahrensfähige minderjährige Kind dazu in der Lage ist, selbstständig einen Rechtsanwalt zu bevollmächtigen und in materieller Hinsicht zu beauftragen. 146 Im Übrigen sind es die gesetzlichen Vertreter, die das Schuldverhältnis mit dem Rechtsanwalt begründen und auch für dessen Vergütung aufkommen. Somit untersteht der Rechtsanwalt grundsätzlich den Weisungen der gesetzlichen Vertreter, also im Regelfall der Eltern, und nicht etwa denen des Minderjährigen. Dies eröffnet für die gesetzlichen Vertreter die Möglichkeit, § 158 Abs. 1 und Abs. 2 FamFG zu umgehen und den neutralen Verfahrensbeistand durch einen weisungsabhängigen Verfahrensbevollmächtigten zu ersetzen, der die Kindesinteressen dann nicht objektiv, sondern mit einer bestimmten Zielrichtung wahrnehmen könnte. 147 Um dies zu vermeiden, ist die Regelung des § 158 Abs. 5 FamFG als Soll-Vorschrift ausgestaltet, sodass das Gericht im Einzelfall trotz Vertretung des Minderjährigen durch einen Rechtsanwalt oder anderen Verfahrensbevollmächtigten einen Verfahrensbeistand bestellen kann, wenn dies zur Interessenwahrnehmung des Kindes erforderlich ist. 148 Das Gericht muss daher überprüfen, ob die Wahrnehmung der Interessen des Minderjährigen durch den Rechtsanwalt oder anderen Bevollmächtigten im Verfahren ausreichend gewährleistet ist und dies im konkreten Einzelfall die Erforderlichkeit der Verfahrensbeistandsbestellung entfallen lässt. Anknüpfungspunkt für diese Prüfung ist das Erfordernis einer „angemessenen“ Vertretung des Minderjährigen gemäß § 158 Abs. 5 FamFG. 149 Angemessen i. d. S. ist eine Vertretung nur, wenn sie im Verhältnis zum gesetzlichen Vertreter unabhängig und zum Kind neutral erfolgt. 150 Daran fehlt es, wenn die Eltern oder das Jugendamt 151 als gesetzliche Vertreter des Kindes den Verfahrensbevollmächtigten mit einer bestimmten Zielvorgabe beauftragen. Auch ein häufiges Wechseln des Verfahrensbevollmächtigten kann die Annahme einer nicht angemessenen Ver-
146
Siehe hierzu D. II. 3. b) cc). Zur Vorgängerregelung: BT-Drucksache 13/4899, S. 132. Siehe auch Keidel / Engelhardt, FamFG, § 158, Rn. 41; Brock / Breideneichen, FuR 2001, 399, 400; Leeb, ZKJ 2010, 391, 393; Vogel, FPR 2010, 43, 46. 148 B / J/S / Zorn, FamFG, § 158, Rn. 25; Keidel / Engelhardt, FamFG, § 158, Rn. 41; Ahlert, Verfahrensbeistand, S. 109. 149 So auch B / J/S / Zorn, FamFG, § 158, Rn. 25; Haußleiter / Fest, FamFG, § 158, Rn. 16; Stötzel / Balloff, ZKJ 2009, 330, 332. Gummersbach, Subjektstellung des Kindes, S. 226 ff. kritisierte den Begriff „angemessen“ bereits unter der Geltung von § 50 Abs. 3 FGG a. F. als zu ungenau und forderte eine Konkretisierung. 150 MünchKomm-ZPO / Schumann, § 158 FamFG, Rn. 15. 151 OLG Köln, FamRZ 2001, 845; Keidel / Engelhardt, FamFG, § 158, Rn. 41; MünchKomm-ZPO / Schumann, § 158 FamFG, Rn. 15. A. A. OLG Stuttgart, FamRZ 2005, 542, 543. 147
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E. Die Verfahrensbeistandschaft gemäß § 158 FamFG
tretung begründen. 152 Bezieht man zudem vor dem Hintergrund seiner speziellen Funktion im Kindschaftsverfahren 153 die besonderen Anforderungen an den Verfahrensbeistand 154 mit ein, so muss der Verfahrensbevollmächtige entsprechende psychologisch-soziale Kompetenzen aufweisen, um den unabhängigen Willen des Kindes erforschen und ihn in das Verfahren einbringen zu können. 155 Sofern der Verfahrensbevollmächtigte keine Ausbildung zum Verfahrensbeistand hat, kann daher auch die fehlende Geeignetheit des Rechtsanwaltes zur Vertretung des Minderjährigen gegen die Angemessenheit sprechen. Das gilt umso mehr, wenn es im Verfahren nicht ausschließlich um rechtliche Kindesinteressen geht. 156 Insgesamt muss § 158 Abs. 5 FamFG gerade auch aufgrund der fehlenden Vergleichbarkeit von rechtsanwaltlicher Vertretung und der Unterstützung des Minderjährigen durch einen Verfahrensbeistand eher restriktiv angewendet werden. Zusätzlich empfiehlt sich eine entsprechende Anwendung der Begründungspflicht nach § 158 Abs. 3 S. 3 FamFG in Bezug darauf, dass eine angemessene Vertretung durch den Verfahrensbevollmächtigten abgesichert wird, 157 um so eine ausreichende Rechtskontrolle zu ermöglichen. d) Zusammenfassung Im Vergleich zur Vorgängerregelung des § 50 FGG a. F. wurden die Voraussetzungen der Bestellung eines Verfahrenbeistandes durch den mit der FGGReform eingeführten § 158 FamFG präzisiert. Der Anwendungsbereich ist nunmehr eindeutig normiert und die Regelbeispiele des § 158 Abs. 2 FamFG helfen, das Merkmal der Erforderlichkeit in Abs. 1 zu konkretisieren. So wird ein erhöhtes Maß an Rechtssicherheit gewährleistet. Zudem sind die Regelbeispiele weiter gefasst, insbesondere durch den neu eingefügten § 158 Abs. 2 Nr. 5 FamFG. Soweit sie dennoch als zu eng empfunden werden, greift die Generalklausel des § 158 Abs. 1 FamFG als Auffangtatbestand und gleicht dies durch eine konkrete Erforderlichkeitsprüfung im Einzelfall aus. Das gilt vor allem im Verhältnis von § 158 Abs. 1 FamFG zu dessen Abs. 2 Nr. 1, da Letzterer als speziellere Regelung einen bereits feststellbaren Interessengegensatz voraussetzt, während für 152 Haußleiter / Fest, FamFG, § 158, Rn. 16; Röchling / Lohrentz / Röchling, Handbuch AdK, § 6, Rn. 6. 153 Siehe hierzu E. II. 4. a). Auch Trenczek, ZKJ 2009, 196, 198 weist auf die unterschiedliche Funktion von Rechtsanwälten und Verfahrensbeiständen hin. 154 Siehe hierzu E. II. 3. b). 155 Ähnlich Röchling / Lohrentz / Röchling, Handbuch AdK, § 6, Rn. 11. 156 Röchling / Lohrentz / Röchling, Handbuch AdK, § 6, Rn. 11. 157 MünchKomm-ZPO / Schumann, § 158 FamFG, Rn. 22; a. A. OLG Köln, NJW-RR 2000, 374.
II. Die gesetzliche Ausgestaltung der Verfahrensbeistandschaft
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die Generalklausel die bloße Möglichkeit eines solchen genügt. Zudem muss bei der Auslegung des § 158 Abs. 1 FamFG die neue verfahrensrechtliche Stellung Minderjähriger im Kindschaftsverfahren berücksichtigt werden, sodass auch für das nunmehr verfahrensfähige Kind die Erforderlichkeit einer Verfahrensbeistandsbestellung im Einzelfall bestehen kann. Nur in Ausnahmefällen soll trotz Erforderlichkeit von der Verfahrensbeistandsbestellung abgesehen werden, so z. B. wenn die Interessen des Minderjährigen gemäß § 158 Abs. 5 FamFG angemessen durch einen Rechtsanwalt vertreten werden. Hier ist jedoch vor dem Hintergrund des grundgesetzlichen Schutzanspruches Minderjähriger eine restriktive Anwendung der Vorschrift und eine genaue Prüfung der Angemessenheit der Vertretung geboten. Insgesamt regeln § 158 Abs. 1, 2 und 5 FamFG damit präzise, wann eine Verfahrensbeistandsbestellung erforderlich sein soll und schaffen ein klares Anwendungsprofil. Allerdings zeigt sich, dass der Minderjährige selbst keinerlei Einfluss auf die Bestellung eines Verfahrensbeistandes hat. Insbesondere nachdem das Regelbeispiel des § 158 Abs. 2 Nr. 1 FamFG-E, das die Antragsmöglichkeit des mindestens Vierzehnjährigen vorsah, wieder gestrichen worden ist, liegt die Beurteilung, ob ein Verfahrensbeistand erforderlich ist, außerhalb der Kindessphäre und allein in den Händen des Gerichtes. Der Minderjährige kann eine Bestellung lediglich gegenüber dem Gericht anregen. 3. Das Bestellungsverfahren a) Der Bestellungszeitpunkt Das zuständige Familiengericht prüft von Amts wegen, ob die Voraussetzungen für eine Verfahrensbeistandsbestellung gemäß § 158 Abs. 1 oder Abs. 2 FamFG vorliegen. Der Zeitpunkt der Bestellung steht dabei grundsätzlich im gerichtlichen Ermessen. 158 Allerdings enthält § 158 Abs. 3 S. 1 FamFG erstmals die gesetzliche Klarstellung, dass sie „so früh wie möglich“ erfolgen soll. Dieser Grundsatz wurde bereits unter der Geltung von § 50 FGG a. F. entwickelt und war allgemein anerkannt. 159 Denn nur wenn der Verfahrensbeistand tatsächlich die Möglichkeit hat, sich in angemessener Weise mit dem Sachverhalt vertraut zu machen 160 sowie Einfluss auf die Gestaltung und den Ausgang des Verfahrens 158 Bumiller / Harders, FamFG, § 158, Rn. 15; Johannsen / Henrich / Büte, FamFG, § 158, Rn. 18. 159 BVerfG, Bechluss v. 26.08.1999, 1 BvR 1403/99, Rn. 26 (zitiert nach juris); Jansen / Zorn, FGG, § 50, Rn. 36; Menne, FPR 2006, 44, 45. Bereits vor der Einführung des § 50 FGG a. F. forderte Salgo, Anwalt des Kindes, S. 559 die frühstmögliche Einbeziehung des Interessenvertreters. 160 BGH, NJW 2011, 2360, 2364; Prütting / Helms / Stößer, FamFG, § 158, Rn. 14.
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E. Die Verfahrensbeistandschaft gemäß § 158 FamFG
zu nehmen, können die Kindesbelange und das rechtliche Gehör des Minderjährigen ausreichend wahrgenommen werden. 161 Sobald die Voraussetzungen des § 158 Abs. 1 oder Abs. 2 FamFG feststehen, muss das Gericht daher die Bestellung vornehmen. 162 Ein weiteres Zuwarten ist nicht gerechtfertigt. 163 Bloße „Alibibestellungen“ am Ende des Verfahrens sind mithin nicht ausreichend, sondern stellen einen Verfahrensfehler dar. 164 Die Vorgabe, das Gericht solle die Bestellung so früh wie möglich vornehmen, erstreckt sich auch auf die vorgelagerte Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 158 FamFG vorliegen. Demnach hat das Gericht so früh wie möglich die notwendigen Vorermittlungen anzustellen. 165 Diese sind erforderlich, um unnötige Verfahrensbeistandsbestellungen zu vermeiden. Sie umfassen beispielsweise die Beiziehung von Akten, die Anhörung des Minderjährigen und / oder des Jugendamtes sowie die erforderliche Gewährung rechtlichen Gehörs für die Beteiligten hinsichtlich der Verfahrensbeistandsbestellung. 166 Gleichzeitig aber soll die Interessenwahrnehmung des Minderjährigen seinem grundgesetzlichen Schutzanspruch und seiner Beteiligtenstellung entsprechend so früh wie möglich erfolgen. Daraus ergibt sich ein gewisses Spannungsverhältnis 167, das insbesondere dann hervortritt, wenn das Beschleunigungsgebot des § 155 Abs. 1 FamFG zum Tragen kommt. Denn in diesem Fall soll gemäß § 155 Abs. 2 S. 2 FamFG bereits nach einem Monat der frühe erste Termin stattfinden, was einerseits dem Gericht wenig Zeit für Vorermittlungen, andererseits aber auch dem Verfahrensbeistand nach seiner Bestellung einen engen zeitlichen Rahmen zur Vorbereitung des Termins setzt. 168 Fraglich ist daher, wie dieses Spannungsverhältnis zwischen der frühestmöglichen Bestellung und der Pflicht zu Vorermittlungen aufzulösen ist. Unzweifelhaft muss das Gericht bereits vor dem frühen Termin mit den 161 BVerfG, Beschluss v. 26.08.1999, 1 BvR 1403/99, Rn. 26 (zitiert nach juris); Jaeger, FPR 2006, 410, 413. 162 Kemper / Schreiber / Völker / Clausius, FamFG, § 158, Rn. 13; Ahlert, Verfahrensbeistand, S. 105. 163 BT-Drucksache 16/6308, S. 239. 164 BGH, NJW 2011, 2360, 2364; OLG Saarbrücken, NJW 2011, 2372, 2373; Salgo / Lack, FPR 2012, 353, 355; Stößer, FamRZ 2009, 656, 661. 165 BT-Drucksache 16/6308, S. 239; Hoppenz / van Els, Familiensachen, § 158, Rn. 10; Keidel / Engelhardt, FamFG, § 158, Rn. 31; S / B/W / Tschichoflos, FamFG, § 158, Rn. 14. Ahlert, Verfahrensbeistand, S. 105 f. kritisiert insofern die fehlende gesetzliche Klarstellung. 166 OLG Frankfurt, FamRZ 1999, 1293, 1294; OLG Dresden, FamRZ 2000, 1296, 1297; Leeb, ZKJ 2010, 391, 394; Menne, ZKJ 2009, 68, 69. 167 Holzer / Menne, FamFG, § 158, Rn. 70; Röchling / Röchling, Handbuch AdK, § 4, Rn. 5; Menne, ZKJ 2009, 68, 70. 168 MünchKomm-ZPO / Schumann, § 158 FamFG, Rn. 17; Menne, ZKJ 2009, 68, 70. A. A. Büchner, ZKJ 2006, 412, 413, wonach sich für den Verfahrensbeistand hieraus kein Problem ergibt, da er im Kindesinteresse ohnehin beschleunigt arbeiten müsse.
II. Die gesetzliche Ausgestaltung der Verfahrensbeistandschaft
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Vorermittlungen beginnen. 169 Im Übrigen verbietet sich eine rein schematische Herangehensweise. 170 Es kommt vielmehr auf den konkreten Einzelfall an. Im Zweifel sollte jedoch eine vorsorgliche Bestellung des Verfahrensbeistands bereits vor dem frühen Termin erfolgen, um die Interessenvertretung des Kindes, das ein vollwertiger Verfahrensbeteiligter ist, bereits in dieser wichtigen Phase zu gewährleisten. 171 Um dem Verfahrensbeistand die notwendige Vorbereitungszeit zu ermöglichen, wird zudem eine spätere Terminierung unter folgenlosem Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot angeregt. 172 b) Die Auswahl des „geeigneten“ Verfahrensbeistands Ebenso wie der Zeitpunkt steht auch die Auswahl der Person des Verfahrensbeistands im gerichtlichen Ermessen. 173 Dabei hat das Gericht gemäß § 158 Abs. 1 FamFG allerdings das Kriterium der Geeignetheit zugrunde zu legen. Geeignet ist nach Auffassung des Gesetzgebers jemand, der persönlich und fachlich das Interesse des Kindes festzustellen und sachgerecht in das Verfahren einzubringen vermag. 174 Durch die gesetzliche Klarstellung des Auswahlkriteriums der Geeignetheit in § 158 Abs. 1 FamFG hat der Gesetzgeber im Vergleich zu § 50 FGG a. F. deutlich gemacht, dass Mindestanforderungen hinsichtlich der Aus- und Fortbildung des Verfahrensbeistands bestehen. 175 Allerdings blieben die konkreten Qualitätsanforderungen weiterhin offen 176 und mussten von der Fachwelt erarbeitet werden. In der Praxis herrscht inzwischen weitestgehend Einigkeit über die Kenntnisse und Fähigkeiten, die eine Person als geeigneten Verfahrensbeistand qua-
169 So auch Salgo / Zenz / Heilmann, Verfahrensbeistandschaft, Rn. 1171; Salgo, FPR 2006, 12, 14. 170 So auch Holzer / Menne, FamFG, § 158, Rn. 71; Keidel / Engelhardt, FamFG, § 158, Rn. 31; MünchKomm-ZPO / Schumann, § 158 FamFG, Rn. 17. 171 Röchling / Röchling, Handbuch AdK, § 4, Rn. 7ff.; Menne, ZKJ 2009, 68, 70; Leeb, ZKJ 2010, 391, 394. Ähnlich auch Prenzlow, ZKJ 2012, 93, 95. A. A. Holzer / Menne, FamFG, § 158, Rn. 71; Prütting / Helms / Stößer, FamFG, § 158, Rn. 14. Einschränkend Keidel / Engelhardt, FamFG, § 158, Rn. 31, soweit ein 2. Termin bereits absehbar ist. 172 Leeb, ZKJ 2010, 391, 394. 173 Keidel / Engelhardt, FamFG, § 158, Rn. 32; FamVerf / Schael, §§ 2, Rn. 96. 174 BT-Drucks. 16/6308 S. 238. Dabei sollte jedoch kein neues Berufsbild als solches geschaffen werden, BVerfG FamRZ 2004, 1267, 1269; MünchKomm-ZPO / Schumann, § 158 FamFG, Rn. 18. 175 Holzer / Menne, FamFG, § 158, Rn. 31. 176 Hierzu kritisch Salgo, FPR 2006, 12, 15.
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E. Die Verfahrensbeistandschaft gemäß § 158 FamFG
lifizieren. 177 Dieser muss beispielsweise Kenntnisse im Kindschafts-, Sozial-, Familien- und Familienverfahrensrecht sowie in der Entwicklungspsychologie und hinsichtlich der Angebote der Kinder- und Jugendhilfe vor Ort haben. 178 Er muss über Techniken und Kompetenzen verfügen, mithilfe derer er die soziale und psychologische Lebenssituation von Minderjährigen verstehen, mit ihnen kommunizieren und gegebenenfalls vermittelnd tätig werden kann. 179 Allerdings sind bei der Auswahlentscheidung auch die Besonderheiten des Einzelfalls und die daraus resultierenden speziellen Anforderungen an den Verfahrensbeistand zu berücksichtigen. 180 So soll die Bestellung eines nicht speziell als Verfahrensbeistand ausgebildeten Rechtsanwaltes nur in Betracht kommen, wenn die Interessenvertretung schwerpunktmäßig Rechtskenntnisse voraussetzt. 181 Wie bereits unter der Geltung von § 50 FGG a. F. 182 wird die Eignung eines Mitarbeiters des Jugendamtes als Verfahrensbeistand aufgrund der zu befürchtenden Funktions- und Interessenkonflikte abgelehnt. 183 Gleiches gilt auch für den Sachverständigen, der im Verfahren eine allen Beteiligten gegenüber neutrale Position wahren muss. 184 Hingegen können Mitarbeiter eines Betreuungsvereins i. S. d. § 1908f BGB nunmehr als Verfahrensbeistände bestellt werden. 185 Grundsätzlich kommen auch weiterhin geeignete Laien als Verfahrensbeistände in Betracht, so z. B. nahe Verwandte des Kindes. 186 Berücksichtigt man jedoch die an einen geeigneten Verfahrensbeistand zu stellenden Mindestanforderungen bezüglich der Aus- und Fortbildung und der notwendigen Fähigkeiten und Kennt177 Vgl. hierzu MünchKomm-ZPO / Schumann, § 158 FamFG, Rn. 18f m. w. N. zu den von der Wissenschaft und diversen Vereinigungen entwickelten Anforderungsprofilen und Ausbildungsstandards. 178 Vgl. hierzu auch Salgo / Zenz / Zitelmann, Verfahrensbeistandschaft, Rn. 511 f. 179 Haußleiter / Fest, FamFG, § 158, Rn. 18; Keidel / Engelhardt, FamFG, § 158, Rn. 32 m. w. N. 180 Bumiller / Harders, FamFG, § 158, Rn. 15; Keidel / Engelhardt, FamFG, § 158, Rn. 32. Siehe auch Bienwald, Verfahrenspflegschaft, Rn. 225. Zur Bestellungspraxis der Gerichte vgl. Hannemann / Stötzel, ZKJ 2009, 58 f. 181 Johannsen / Henrich / Büte, FamFG, § 158, Rn. 19; Keidel / Engelhardt, FamFG, § 158, Rn. 32. 182 Siehe hierzu C. II. 2. 183 Holzer / Menne, FamFG, § 158, Rn. 76; Keidel / Engelhardt, FamFG, § 158, Rn. 33; MünchKomm-ZPO / Schumann, § 158 FamFG, Rn. 19. Ebenso grundsätzlich auch Musielak / Borth, FamFG, § 158, Rn. 14, jedoch mit der Einschränkung, dass einzelne Jugendamtsmitarbeiter dann in Betracht kommen sollen, wenn sie im konkreten Verfahren nicht als Vertreter des Jugendamtes beteiligt sind. 184 Keidel / Engelhardt, FamFG, § 158, Rn. 33; Musielak / Borth, FamFG, § 158, Rn. 14; MünchKomm-ZPO / Schumann, § 158 FamFG, Rn. 19. 185 Keidel / Engelhardt, FamFG, § 158, Rn. 33. 186 Prütting / Helms / Stößer, FamFG, § 158, Rn. 4. Musielak / Borth, FamFG, § 158, Rn. 14 weist jedoch richtigerweise darauf hin, dass diese in keiner besonderen Beziehung zu den Eltern des Kindes stehen dürfen.
II. Die gesetzliche Ausgestaltung der Verfahrensbeistandschaft
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nisse, so ist weiterhin Zurückhaltung geboten. 187 Laien sollten grundsätzlich nur in Ausnahmefällen bestellt werden. 188 Trotz der erheblichen Bedeutung der Verfahrensbeistandschaft für den Minderjährigen und der Notwendigkeit eines gewissen Vertrauensverhältnisses zwischen ihm und der zu seiner Interessenvertretung bestellten Person hat er selbst weder ein diesbezügliches Auswahl- noch ein Ablehnungsrecht. 189 Gleiches gilt auch für die Eltern des Kindes. 190 Lediglich im Rahmen der Anhörung und der sonstigen Vorermittlungen können Anregungen, z. B. hinsichtlich erforderlicher Kenntnisse der Sprache oder des kulturellen Hintergrunds, gegeben werden. 191 c) Die Bestellung des Verfahrensbeistands und ihre Beendigung Auch wenn ein formaler Bestellungsakt vom Gesetz nicht vorgesehen ist, 192 erfolgt die Bestellung des Verfahrensbeistands in der Regel durch Beschluss als Zwischenentscheidung, die gemäß §§ 40, 41 FamFG mit der Bekanntgabe an die Verfahrensbeteiligten wirksam wird. 193 Zuständig ist das Familiengericht, bei dem das Verfahren anhängig ist. 194 Der Bestellungsbeschluss muss grundsätzlich keine Angaben hinsichtlich des Wirkungskreises enthalten, soweit nur der originäre Aufgabenbereich übertragen wird, da sich dieser aus dem Gesetz ergibt. 195 Werden dem Verfahrensbeistand jedoch gemäß § 158 Abs. 4 S. 3 FamFG durch das Gericht die erweiterten Aufgaben übertragen, so müssen diese in den Bestellungsbeschluss mit aufgenommen werden. 196 Gleiches gilt für die nach § 158 Abs. 7 S. 2 FamFG zu treffende Feststellung der berufsmäßigen Führung der Verfahrensbeistandschaft. Diese hat konstitu-
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FamVerf / Schael, §§ 2, Rn. 96. So auch Holzer / Menne, FamFG, § 158, Rn. 34. Bereits unter der Geltung von § 50 FGG a. F. wurden Laien kaum als Verfahrenspfleger bestellt, vgl. Mündel u. a., Anwalt des Kindes, S. 136 f. 189 Holzer / Menne, FamFG, § 158, Rn. 75; Salgo / Zenz / Bauer, Verfahrensbeistandschaft, Rn. 304. 190 Schürmann in: Coester-Waltjen / Lipp / Schumann / Veit, Kindesschutz, S. 231, 237. 191 BVerfG, NJW 2003, 3544, 3545; Holzer / Menne, FamFG, § 158, Rn. 75. 192 B / J/S / Zorn, FamFG, § 158, Rn. 29; Musielak / Borth, FamFG, § 158, Rn. 11; MünchKomm-ZPO / Schumann, § 158 FamFG, Rn. 21. 193 Haußleiter / Fest, FamFG, § 158, Rn. 20; Leeb, ZKJ 2010, 391, 394; Vogel, FPR 2010, 43, 45. 194 Die funktionelle Zuständigkeit richtet sich danach, wer die Hauptsacheentscheidung zu treffen hat, §§ 3 Nr. 2a, 14 RPflG, vgl. B / J/S / Zorn, FamFG, § 158, Rn. 27. 195 Zu den Aufgaben des Verfahrensbeistands siehe auch E. II. 4. b). 196 Keidel / Engelhardt, FamFG, § 158, Rn. 36f. 188
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E. Die Verfahrensbeistandschaft gemäß § 158 FamFG
tive Wirkung und ist für das Vergütungsfestsetzungsverfahren bindend. 197 Gegen die Feststellung der Berufsmäßigkeit oder ein Bestellen ohne diese steht dem Verfahrensbeistand, anders als unter der Geltung der §§ 19, 20 FGG a. F., kein Beschwerderecht zu, da es sich um bloße Zwischenentscheidungen des Gerichts handelt. 198 Ihm bleibt daher nur der Antrag an das Gericht auf Nachholung der Feststellung bzw. Berichtigung des Bestellungsbeschlusses oder die Nichtaufnahme der Tätigkeit als Interessenvertreter. 199 Die Verfahrensbeistandsbestellung wirkt, auch hinsichtlich der Übertragung des erweiterten Aufgabenbereichs nach § 158 Abs. 4 S. 3 FamFG, für alle Instanzen bis zu ihrer Beendigung nach § 158 Abs. 6 FamFG fort. 200 Sie bedarf, anders als ihre Ablehnung, keiner Begründung. 201 Der Beschluss verpflichtet den Verfahrensbeistand nicht zur Übernahme der Verfahrensbeistandschaft. 202 Dies muss gerade auch vor dem Hintergrund der fehlenden Möglichkeit, den Bestellungsbeschluss anzufechten, 203 gelten. Gemäß § 158 Abs. 6 FamFG endet die Bestellung mit der Rechtskraft der das Verfahren abschließenden Entscheidung (Nr. 1) oder mit dem sonstigen Abschluss des Verfahrens (Nr. 2) 204, sofern sie nicht vorher aufgehoben wird. Damit erstreckt sich die Bestellung des Verfahrensbeistands ausdrücklich auch auf die Rechtsmittelinstanz, ohne dass es einer erneuten Bestellung bedarf. 205 Dies unterstreicht auch § 158 Abs. 4 S. 5 FamFG, wonach der Verfahrensbeistand im Interesse des Kindes Rechtsmittel einlegen und somit auch das Rechtsmittelverfahren durchführen kann. Gleichzeitig wird die Bestellung auf das konkrete Kindschaftsverfahren, in dem sie erfolgt ist, begrenzt. Für jedes anschließende Verfahren, wie beispielsweise ein Abänderungsverfahren gemäß § 166 FamFG, § 1696 BGB, bedarf es
197 BGH, NJW 2011, 453, 454; Keidel / Engelhardt, FamFG, § 158, Rn. 34. Zur Nachholbarkeit der Feststellung und zur Vergütung insgesamt siehe E. II. 6. 198 Keidel / Engelhardt, FamFG, § 158, Rn. 35. 199 Keidel / Engelhardt, FamFG, § 158, Rn. 35. 200 OLG München, Rpfleger 2012, 205, 206; OLG München, NJW 2012, 691; OLG Stuttgart, FamRZ 2011, 1533, 1534; Salgo / Zenz / Bauer, Verfahrensbeistandschaft, Rn. 1830; Salgo / Lack, FPR 2012, 353, 355 f. m. w. N. 201 So auch B / J/S / Zorn, FamFG, § 158, Rn. 17; Leeb, ZKJ 2010, 391, 394 f. A. A. Vogel, FPR 2010, 43, 45. Holzer / Menne, FamFG, § 158, Rn. 80 hält eine Begründung jedenfalls für empfehlenswert. 202 Holzer / Menne, FamFG, § 158, Rn. 79; MünchKomm-ZPO / Schumann, § 158 FamFG, Rn. 16. A. A. Bode, Praxishandbuch, S. 61 f. 203 Siehe E. II. 3. d). 204 Z. B. durch Antragsrücknahme. 205 OLG Stuttgart, FamRZ 2011, 1533, 1534.
II. Die gesetzliche Ausgestaltung der Verfahrensbeistandschaft
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mithin einer neuen Verfahrensbeistandsbestellung. 206 Dies gilt auch für eine dem Kindschaftsverfahren nachfolgende Verfassungsbeschwerde. 207 Wie bereits § 50 Abs. 4 FGG a. F. erwähnt § 158 Abs. 6 FamFG die Möglichkeit der gerichtlichen Aufhebung der Verfahrensbeistandsbestellung. Sie kommt in Betracht, wenn der Verfahrensbeistand die Interessen des Kindes nicht wie erforderlich im Verfahren wahrnimmt. 208 Dies ist z. B. dann der Fall, wenn er gänzlich untätig bleibt 209, längerfristig verhindert ist 210 oder wenn die Interessenvertretung aufgrund eines erheblichen Vertrauensbruchs zwischen Minderjährigem und Verfahrensbeistand nicht mehr fortgesetzt werden kann 211. Umstritten ist jedoch, nach welcher Rechtsgrundlage die Aufhebung erfolgt. Teilweise wird das Recht zur Aufhebung aus der Befugnis zur Bestellung des Verfahrensbeistands abgeleitet. 212 Andere befürworten eine entsprechende Anwendung der §§ 1915, 1886 BGB. 213 Richtig ist, dass sich bereits aus dem grundgesetzlichen Schutzanspruch des Minderjährigen eine Verpflichtung des Gerichtes ergibt, von Amts wegen zu prüfen, ob die angemessene Interessenwahrnehmung durch den Verfahrensbeistand in jeder Lage des Verfahrens gewährleistet ist. 214 Ist dies nicht der Fall, so steht das Gericht in der Pflicht, die Bestellung aufzuheben und eine neue Bestellung zu veranlassen. 215 Im Hinblick auf eine kindeswohlorientierte, zügige Verfahrensführung und -beendigung ist die Aufhebung der Verfahrensbeistandsbestellung jedoch auf Ausnahmefälle zu beschränken. 216
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Ahlert, Verfahrensbeistand, S. 107. BVerfG, FamRZ 2004, 1267, 1268; B / J/S / Zorn, FamFG, § 158, Rn. 32; Johannsen / Henrich / Büte, FamFG, § 158, Rn. 25; Keidel / Engelhardt, FamFG, § 158, Rn. 44; MünchKomm-ZPO / Schumann, § 158 FamFG, Rn. 42; Leeb, ZKJ 2010, 391, 397. A. A. Walter, FamRZ 2001, 1, 5 f. 208 KG, ZKJ 2008, 120. 209 Keidel / Engelhardt, FamFG, § 158, Rn. 42. 210 Röchling / Lohrentz / Röchling, Handbuch AdK, § 6, Rn. 17. 211 Stötzel / Balloff, ZKJ 2009, 330, 332; Stötzel, JAmt 2009, 213, 216. Zu weiteren Fallgruppen vgl. Menne, ZKJ 2008, 111, 112. Eine Aufhebung der Verfahrensbeistandsbestellung wegen „Befangenheit“ kommt entgegen der Auffassung von Röchling / Lohrentz / Röchling, Handbuch AdK, § 6, Rn. 17 und Leeb, ZKJ 2010, 391, 397 nicht in Betracht, da eine solche bei einem Verfahrensbeteiligten nicht vorliegen kann, so auch Johannsen / Henrich / Büte, FamFG, § 158, Rn. 21; Keidel / Engelhardt, FamFG, § 158, Rn. 39; FamVerf / Schael, § 2, Rn. 96. 212 KG, ZKJ 2008, 120; Keidel / Engelhardt, FamFG, § 158, Rn. 42. 213 Holzer / Menne, FamFG, § 158, Rn. 122; Menne, ZKJ 2008, 111, 112 f. 214 So auch MünchKomm-ZPO / Schumann, § 158 FamFG, Rn. 41. 215 Salgo, FPR 2006, 12, 16 regt insoweit an, die Aufhebung der Bestellung einem anderen als dem verfahrensleitenden Richter zu übertragen, um so die Unabhängigkeit des Verfahrensbeistands vom Gericht zu unterstützen. Siehe hierzu auch E. II. 5. c). 216 So auch Prütting / Helms / Stößer, FamFG, § 158, Rn. 27. 207
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E. Die Verfahrensbeistandschaft gemäß § 158 FamFG
Aus der in § 158 Abs. 6 FamFG vorgesehenen Möglichkeit, die Verfahrensbeistandsbestellung durch Beschluss aufzuheben, wird abgeleitet, dass das Gericht als weniger starken Eingriff auch eine Abänderung der ursprünglichen Bestellung beschließen kann. 217 Ein Ruhen der Verfahrensbeistandschaft gibt es allerdings nicht. 218 d) Die Unanfechtbarkeit der Bestellung gemäß § 158 Abs. 3 S. 4 FamFG Die Verfahrensbeistandsbestellung, ihre Aufhebung sowie die Ablehnung einer solchen Maßnahme sind gemäß § 158 Abs. 3 S. 4 FamFG nicht selbstständig anfechtbar. Mit dem Ausschluss des isolierten Beschwerderechts hat der Gesetzgeber den unter der Geltung des § 50 FGG a. F. geführten Streit 219 eindeutig und abschließend für alle Beteiligten 220 entschieden. 221 Sinn und Zweck der Regelung ist es dabei, Verfahrensverzögerungen vorzubeugen und das Beschleunigungsgebot zugunsten des Kindeswohls effektiv umzusetzen. 222 Unberührt bleibt die Möglichkeit, die Endentscheidung mit der Begründung anzufechten, die Verfahrensbeistandsbestellung sei zu Unrecht erfolgt, unterlassen oder aufgehoben worden. 223 In der Literatur wird zum Teil darauf hingewiesen, dass gerade aus Sicht des Minderjährigen eine frühzeitige Überprüfung der Verfahrensbeistandsbestellung durch eine isolierte Beschwerde sinnvoll sein könne, 224 beispielsweise wenn der Verfahrensbeistand sich als nicht ausreichend kompetent erweist oder kein 217
OLG Stuttgart, FamRZ 2011, 1533, 1534. OLG Dresden, FamRZ 2002, 1211; Keidel / Engelhardt, FamFG, § 158, Rn. 44; MünchKomm-ZPO / Schumann, § 158 FamFG, Rn. 40. Zur Tätigkeit des Verfahrensbeistands bei Ruhen des Verfahrens vgl. Söpper, FamRZ 2005, 1535, 1540. 219 Siehe C. II. 3. 220 BT-Drucksache 16/6308, S. 239. 221 Dies wird überwiegend begrüßt, da ein isoliertes Anfechtungsrecht der Zwischenentscheidung als nicht gerechtfertigt angesehen wird, Keidel / Engelhardt, FamFG, § 158, Rn. 37; Röchling / Röchling, Handbuch AdK, § 4, Rn. 22f. Bumiller / Harders, FamFG, § 158, Rn. 17 hingegen empfindet die Regelung als unbefriedigend. 222 BT-Drucksache 16/6308, S. 239; Keidel / Engelhardt, FamFG, § 158, Rn. 43; Menne, ZKJ 2009, 68, 70; Menne, FPR 2006, 44, 45. 223 BT-Drucksache 16/6308, S. 239; Haußleiter / Fest, FamFG, § 158, Rn. 20; Keidel / Engelhardt, FamFG, § 158, Rn. 43; S / B/W / Tschichoflos, FamFG, § 158, Rn. 17. Im Übrigen besteht bei einer Maßnahme des Rechtspflegers die Möglichkeit der isolierten Anfechtung in Form einer Erinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG, BayObLG, FamRZ 2003, 189; B / J/S / Zorn, FamFG, § 158, Rn. 17. Siehe auch Bumiller / Harders, FamFG, § 158, Rn. 18, der die Frage aufwirft, wie Verfahrenshandlungen eines zu Unrecht bestellten Verfahrensbeistandes behandelt werden sollen. 224 Salgo, FPR 2006, 12, 15; Ahlert, Verfahrensbeistand, S. 118. 218
II. Die gesetzliche Ausgestaltung der Verfahrensbeistandschaft
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Vertrauensverhältnis zu dem Minderjährigen aufbauen kann. 225 Der Gesetzgeber hat sich jedoch ausdrücklich gegen die Möglichkeit der isolierten Anfechtbarkeit entschieden und räumt dabei richtigerweise dem kindlichen Zeitempfinden und somit dem Beschleunigungsgebot Vorrang ein. 226 Im Übrigen steht dem Gericht der Weg offen, die Bestellung jederzeit wieder aufzuheben, wenn die Interessenvertretung des Minderjährigen durch den Verfahrenspfleger nicht wie erforderlich gewährleistet wird. 227 Der Minderjährige kann eine diesbezügliche Überprüfung in jeder Lage des Verfahrens anregen. Eines gesonderten isolierten Beschwerderechts bedarf es daher nicht. Diskutiert wird des Weiteren, ob der Verfahrensbeistand selbst gegen seine Bestellung mittels isolierter Beschwerde analog §§ 58 ff. FamFG vorgehen kann. Dies wird zum Teil befürwortet, wenn sich der Verfahrensbeistand gegen die Bestellung seiner Person wehren möchte, da er insofern wegen des Eingriffs in sein Persönlichkeitsrecht nach Art. 1, 2 GG beschwert sei. 228 Eine entsprechende Regelung sei bei der Reform nur versehentlich nicht mit aufgenommen worden. Da der Gesetzgeber das isolierte Beschwerderecht jedoch ausdrücklich umfassend für alle Beteiligten und somit auch für den Verfahrensbeistand ausgeschlossen hat, bleibt für eine Analogie kein Raum. Der Verfahrensbeistand ist gerade auch i. S. d. Kindeswohls dazu verpflichtet, seine Bedenken hinsichtlich seiner Bestellung dem Gericht vorab mitzuteilen. Im Übrigen bleibt ihm nur die Anregung der Aufhebung seiner Bestellung. 4. Funktion und Aufgaben des Verfahrensbeistands Bereits bei der Einführung der Verfahrenspflegschaft für Minderjährige gemäß § 50 FGG a. F. wurde als Kernproblematik diskutiert, welche konkrete Funktion diesem neuen Institut zur Interessenvertretung Minderjähriger zukam und welche Aufgaben und Befugnisse sich hieraus ableiteten. 229 Nach der FGG-Reform bleibt daher zu untersuchen, inwiefern der Gesetzgeber durch die Neuregelung der Verfahrensbeistandschaft gemäß § 158 FamFG Klarheit geschaffen bzw. das Institut als solches weiterentwickelt hat.
225 Johannsen / Henrich / Büte, FamFG, § 158, Rn. 24. Vgl. auch Menne, ZKJ 2009, 68, 70, der zugleich darauf hinweist, dass hier ein Abwarten der weiteren Entwicklung empfehlenswert sein kann. 226 So auch Ahlert, Verfahrensbeistand, S. 118. 227 So auch MünchKomm-ZPO / Schumann, § 158 FamFG, Rn. 23. 228 Salgo / Zenz / Bauer, Verfahrensbeistandschaft, § 158, Rn. 331. 229 Siehe C. II. 4.
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E. Die Verfahrensbeistandschaft gemäß § 158 FamFG
a) Die Funktion des Verfahrensbeistands Mit der Einführung einer verfahrensrechtlichen Interessenvertretung für Minderjährige im Kindschaftsverfahren bezweckte der Gesetzgeber die durch die Rechtsprechung und Literatur aufgedeckten und vielfach kritisierten Defizite bei der Wahrnehmung der Kindesinteressen im Verfahren 230 zu beheben. So sollte sichergestellt werden, dass das minderjährige Kind seiner grundgesetzlichen Subjektstellung entsprechend den übrigen Verfahrensbeteiligten gleichgestellt ist. 231 Denn die Ausgestaltung des Verfahrensrechts und seine Anwendung müssen in erster Linie die Verwirklichung der Grundrechtsposition ermöglichen und dürfen diese gerade nicht einschränken. 232 Allerdings sind sowohl die besondere Situation des Minderjährigen und sein grundrechtlich gesicherter Schutzanspruch, als auch das gesteigerte Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Rechtsklarheit im Verfahren zu berücksichtigen. Im Ergebnis führt dies dazu, dass der Minderjährige grundsätzlich nicht verfahrensfähig und mithin vertretungsbedürftig ist. 233 Sofern das minderjährige Kind im Kindschaftsverfahren nach § 9 Abs. 2 FamFG vertreten werden muss, besteht jedoch die Gefahr, dass bei einem Interessenwiderstreit mit den gesetzlichen Vertretern Defizite bei der Wahrung seiner Subjektstellung entstehen. Der Minderjährige hat dann keine Möglichkeit, seinen Willen im Verfahren selbstständig zur Geltung zu bringen, entsprechende Verfahrenshandlungen vor- und sein rechtliches Gehör wahrzunehmen 234. Diese Defizite sollte der Verfahrenspfleger und soll nunmehr der Verfahrensbeistand durch eine eigenständige Interessenvertretung für das minderjährige Kind beheben und damit dessen Subjektstellung im Verfahren absichern. Fraglich ist, ob der Verfahrensbeistand dem in seiner durch § 158 FamFG vorgegebenen Ausgestaltung gerecht werden kann. Der Gesetzgeber hat durch die Regelung des § 158 Abs. 1 und Abs. 4 S. 1 FamFG die Hauptaufgabe des Verfahrensbeistands und somit auch seine Funktionsbestimmung in gewisser Weise festgeschrieben. 235 Demnach soll der Verfah230
Siehe B. II. 6. BVerfG, NJW 1981, 217, 218; BVerfG, NJW 1986, 3129, 3130; BVerfG, FamRZ 2004, 86, 87; B / J/S / Zorn, FamFG, § 158, Rn. 2; Keidel / Engelhardt, FamFG, § 158, Rn. 1; Kemper / Schreiber / Völker / Clausius, FamFG, § 158, Rn. 1. 232 BVerfGE 55, 171, 182 = BVerfG, NJW 1981, 217, 218; BVerfGE 79, 51, 66 = BVerfG, NJW 1989, 519, 521; BVerfGE 84, 34, 45 f. = BVerfG, NJW 1991, 2005; BVerfGE 99, 145, 162 = BVerfG, NJW 1999, 631, 633; BVerfG, FamRZ 2006, 1261, 1262; BVerfG, FamRZ 2009, 399, 400; BVerfG, NJW 2010, 2336, 2337; BVerfG, FamRZ 2012, 1622, 1623. 233 Mit Ausnahmen des Sonderfalls gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 FamFG, siehe D. II. 3. b) bb). 234 Siehe hierzu auch B. II. 5. b). 235 Holzer / Menne, FamFG, § 158, Rn. 97; Ahlert, Verfahrensbeistand, S. 121. 231
II. Die gesetzliche Ausgestaltung der Verfahrensbeistandschaft
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rensbeistand zu bestellen sein, wenn dies zur Wahrnehmung der Interessen des Minderjährigen erforderlich ist. Seine Hauptaufgabe besteht im Wesentlichen darin, das Interesse des Kindes festzustellen und im gerichtlichen Verfahren zur Geltung zu bringen. 236 Der Wirkungskreis des Verfahrensbeistands ist damit streng auf das konkrete gerichtliche Verfahren beschränkt. 237 Zudem hat der Gesetzgeber den bereits in § 50 Abs. 1 FGG a. F. verwendeten Begriff „Interesse des Kindes“ beibehalten. Mithin stellt sich wie bereits bei dem Institut der Verfahrenspflegschaft 238 die Frage, was unter dem „Interesse des Kindes“ zu verstehen ist. Grundsätzlich eröffnet der Begriff „Interesse des Kindes“ vom Wortlaut her sowohl eine Interpretation i. S. d. objektiven Kindeswohls als auch des subjektiven Kindeswillens. 239 Der Gesetzgeber verwendet den Begriff auch in anderen Vorschriften, wie z. B. §§ 1693, 1745 BGB, ohne ihn diesbezüglich genauer zu definieren. In der Vergangenheit wurde das Kindesinteresse daher zum Teil mit dem objektiven Kindeswohl 240 sowie mit dem subjektiven Kindeswillen 241 gleichgesetzt oder auch als beides zusammenfassender Oberbegriff 242 verstanden. Indem der Gesetzgeber den offenen Begriff des Kindesinteresses bei § 50 Abs. 1 FGG a. F. verwendete und in § 158 Abs. 1 und Abs. 4 S. 1 FamFG weiterführt, hat er sich einer eindeutigen Festlegung entzogen. 243 Bereits hinsichtlich der Verfahrenspflegschaft für Minderjährige war heftig umstritten, welche Funktion und damit welche Aufgaben dem Interessenvertreter des Kindes oblagen. Diskutiert wurde, ob er als reines Sprachrohr des Kindes i. S. e. parteilichen, advokatorischen 244 Vertreters ausschließlich dessen Willen in das Verfahren einbringen oder zugleich als objektiver Sachwalter dem Kindeswohl verpflichtet sein sollte. 245 Dabei wirkte sich die Rechtsunsicherheit zumeist im Zusammenhang mit der Vergütung des Verfahrenspflegers aus. 246 236
Näheres zum originären Aufgabenkreis unter E. II. 4. b) aa). BGH, NJW 2011, 1451, 1452; B / J/S / Zorn, FamFG, § 158, Rn. 18. 238 Siehe C. II. 4. 239 Coester in: Lipp / Schumann / Veit, FamFG-Reform, 39, 62. Vgl. hierzu auch Diederichsen in: Schilken u. a., FS für Walter Gerhardt, S. 119, 128 f. 240 Z. B. BVerfGE 24, 119, 145 = BVerfG, NJW 1968, 2233, 2235; BVerfGE 61, 358, 377 = BVerfG, NJW 1983, 101, 102; BVerfGE 75, 201, 219 = BVerfG, NJW 1988, 125, 126; Palandt / Götz, § 1697a, Rn. 2; Parr, Kindeswohl, S. 8; Kropholler, JZ 1984, 164. 241 Z. B. Coester, Kindeswohl, S. 204. 242 Schulze, Handeln im Konflikt, S. 225. 243 Zitelmann, Kindeswohl und Kindeswille, S. 99. Siehe auch C. II. 4. 244 Holzer / Menne, FamFG, § 158, Rn. 96. 245 Zum Streit siehe C. II. 4. Vgl. auch die ausführliche Darstellung bei Röchling / Röchling, Handbuch AdK, § 5, Rn. 4ff. und Gummersbach, Subjektstellung des Kindes, S. 279 ff. sowie die Übersicht zur Rechtsprechung bei Söpper, FamRZ 2005, 1787, 1788 f. 246 Siehe C. II. 6. 237
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E. Die Verfahrensbeistandschaft gemäß § 158 FamFG
Im Rahmen dieser Diskussion entwickelte sich die vermittelnde Ansicht, wonach das „Interesse des Kindes“ sowohl den subjektiven Kindeswillen als auch das objektive Kindeswohl erfasse und daher beides durch den Verfahrenspfleger in das Verfahren einzubringen sei. 247 Dem hat sich bei der Neugestaltung der Verfahrensbeistandschaft gemäß § 158 FamFG laut Gesetzesbegründung nunmehr auch der Gesetzgeber angeschlossen. Mithin soll der Verfahrensbeistand zwar in erster Linie den Willen des Kindes in das Verfahren einbringen, es steht ihm darüber hinaus jedoch frei, auch weitere Gesichtspunkte, insbesondere zum Kindeswohl, in seine Stellungnahme einzubeziehen. 248 Damit hat der Gesetzgeber klargestellt, dass der Verfahrensbeistand sowohl dem Kindeswillen als auch dem Kindeswohl verpflichtet ist. 249 Dies folgt aus der vom Zentralbegriff des Kindeswohls geprägten Wertung des materiellen Rechts. 250 Zugleich ist diese Ambiguität der Funktion des Verfahrensbeistands eine Konsequenz aus der Sonderstellung des Minderjährigen und seinem speziellen Schutzanspruch. 251 Folglich muss der Verfahrensbeistand vorrangig den unbeeinflussten, uninterpretierten subjektiven Willen des Kindes ermitteln und so authentisch wie möglich in das Verfahren einbringen. 252 Dabei darf er das Kind nicht bei der Willensfindung beraten, denn dies könnte eine mögliche – wenn auch ungewollte – Manipulation des kindlichen Willens bewirken. 253 Daneben soll der Verfahrensbeistand den Kindeswillen aber auch im Zusammenhang mit den Gesamtumständen interpretieren 254 und entsprechende Kindeswohlgesichtspunkte in seine Stellungnahme mit aufnehmen. 255 Fraglich bleibt jedoch, wie sich der Verfahrensbeistand bei einem Widerspruch von subjektivem Kindeswillen und objektivem Kindeswohl verhalten soll. Dies war bereits unter der Geltung von § 50 FGG a. F. umstritten. 256 In der Praxis 247 Gummersbach, Subjektstellung des Kindes, S. 287 ff.; Grüttner, ZKJ 2006, 61, 64; Willutzki, ZKJ 2006, 4, 6. So bereits auch schon Salgo, Anwalt des Kindes, S. 570. Zustimmend Ahlert, Verfahrensbeistand, S. 127 ff. 248 BT-Drucksache 16/6308, S. 239. Siehe auch Johannsen / Henrich / Büte, FamFG, § 158, Rn. 14; MünchKomm-ZPO / Schumann, § 158 FamFG, Rn. 27; Röchling / Röchling, Handbuch AdK, § 5, Rn. 2; FamVerf / Schael, §§ 2, Rn. 96; Stötzel, JAmt 2009, 213, 216. 249 Ebenso B / J/S / Zorn, FamFG, § 158, Rn. 18; Kemper / Schreiber / Völker / Clausius, FamFG, § 158, Rn. 17; Prütting / Helms / Stößer, FamFG, § 158, Rn. 19; S / B/W / Tschichoflos, FamFG, § 158, Rn. 18. 250 BT-Drucksache 16/6308, S. 239 mit dem Verweis auf § 1697a BGB. 251 So auch Ahlert, Verfahrensbeistand, S. 84. 252 Holzer / Menne, FamFG, § 158, Rn. 98. 253 So auch Keidel / Engelhardt, FamFG, § 158, Rn. 22; Salgo / Zenz / Zitelmann, Verfahrensbeistandschaft, Rn. 480 ff. 254 Johannsen / Henrich / Büte, FamFG, § 158, Rn. 14. 255 Musielak / Borth, FamFG, § 158, Rn. 15. 256 Siehe C. II. 4.
II. Die gesetzliche Ausgestaltung der Verfahrensbeistandschaft
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setzte sich aber überwiegend die Ansicht durch, der Verfahrenspfleger solle beides getrennt voneinander sowie den Widerspruch selbst vortragen. 257 Die Gesetzesbegründung zu § 158 FamFG lässt diese Fragestellung offen. Teilweise wird daher vertreten, dass der Verfahrensbeistand den Kindeswillen nur bis zur Grenze des Kindeswohls vortragen dürfe. 258 Die überwiegende Meinung spricht sich jedoch, wie bereits unter der Geltung von § 50 FGG a. F., dafür aus, auch bei einem Widerspruch von subjektivem Kindeswillen und objektivem Kindeswohl beide Aspekte getrennt voneinander in das Verfahren einzubringen. 259 Letzterer Ansicht ist zuzustimmen. Zwar ist der Kindeswille nach dem Konzept der präventiven Bevormundung materiell-rechtlich nur insoweit zu berücksichtigen, als er dem Kindeswohl nicht widerspricht. 260 Allerdings ist er zugleich Ausdruck des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gemäß Art. 2 Abs. 1 GG und der Wahrnehmung des grundgesetzlich zugesicherten Rechts auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG. Dies macht es erforderlich, dass der subjektive Wille des Kindes auch über die Grenze des Kindeswohls hinaus in das Verfahren eingebracht wird. Zudem ist der Kindeswille der maßgebliche Indikator, um im Einzelfall den unbestimmten Rechtsbegriff des Kindeswohls überhaupt erst ausfüllen zu können. 261 Dabei obliegt es dem Gericht, das allein über alle hierfür notwendigen Informationen verfügt, eine entsprechende Bestimmung vorzunehmen. Dafür muss es auch den subjektiven Kindeswillen ohne Vorinterpretation durch den Verfahrensbeistand einbeziehen, um so beispielsweise entscheiden zu können, inwiefern der Minderjährige bereits ausreichend selbstbestimmungsfähig ist und das Kindeswohl selbst mit definieren kann. Eine Beschränkung der Funktion des Verfahrensbeistands dahingehend, dass er den Kindeswillen nur bis zur Grenze eines von ihm selbst zu bestimmenden Kindeswohls soll darlegen können, würde dem Sinn und Zweck der Interessenvertretung zuwiderlaufen. Denn so könnte weder das rechtliche Gehör noch die Subjektstellung des Minderjährigen im Verfahren gewahrt werden. Zudem verfügt der Verfahrensbeistand, insbesondere wenn er nur den originären Aufgabenkreis wahrzunehmen hat, nicht über die notwendigen Informationen, um das Kindeswohl im Einzelfall ausreichend bestimmen zu können. Fordert man von ihm dennoch, eine Interpretation des Kin257 Mündel u. a., Anwalt des Kindes, S. 153, 214; Münder, Kindschaftrecht, S. 146; Hannemann / Stötzel, ZKJ 2009, 58, 62; Rabe, ZKJ 2007, 437, 440 f. 258 Johannsen / Henrich / Büte, FamFG, § 158, Rn. 14; Keidel / Engelhardt, FamFG, § 158, Rn. 21. Vgl. zu § 50 auch: OLG Hamm, FamRZ 2008, 427, 428. 259 Bumiller / Harders, FamFG, § 158, Rn. 2; Holzer / Menne, FamFG, § 158, Rn. 98; Zöller / Lorenz, ZPO, § 158 FamFG, Rn. 11; Ahlert, Verfahrensbeistand, S. 137; Salgo / Zenz / Bauer, Verfahrensbeistandschaft, Rn. 285. 260 BGH, NJW 2010, 2805, 2808 m. w. N. Siehe auch B. II. 2. b). 261 Siehe B. II. 2. b).
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E. Die Verfahrensbeistandschaft gemäß § 158 FamFG
deswillens und dessen Einbringung in das Verfahren nach eigenem Ermessen zu begrenzen, schafft man damit eine mögliche Fehlerquelle, die zu einer verfälschten Darstellung gegenüber dem Gericht führen könnte. Dieses würde jedenfalls keine umfassende Kenntnis von der subjektiven Position des Minderjährigen erhalten. Dies würde dem Sinn und Zweck des § 158 FamFG gerade zuwiderlaufen. Einzig der Wille des Kindes, dem Gericht bestimmte Informationen nicht weiterzugeben, kann aufgrund des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung die Pflicht des Verfahrensbeistands entsprechend begrenzen. 262 Daneben ist der Verfahrensbeistand als Instrument des Staates auch dem Kindeswohl verpflichtet, denn seine Befugnisse und Funktionen leiten sich aus dem staatlichen Wächteramt für den Fall ab, dass die Eltern ihrer Elternverantwortung nicht gerecht werden 263 und die Interessen, also den Kindeswillen sowie das Kindeswohl, nicht ausreichend in das Verfahren einbringen. Wie die Eltern und das staatliche Wächteramt selbst ist der Verfahrensbeistand mithin an das Kindeswohl als oberste Richtschnur gebunden. Folglich obliegt es dem Verfahrensbeistand auch, dem Gericht vom Kindeswillen abweichende Aspekte des Kindeswohls mitzuteilen. Diese muss er jedoch von dem subjektiven Kindeswillen abgrenzen und einen etwaigen Widerspruch als solchen mit vortragen. Gerade die flexible Orientierung hinsichtlich des Kindeswillens und des Kindeswohls ermöglicht es dem Verfahrensbeistand, seiner Verantwortung gerecht zu werden, einerseits die Subjektstellung des Minderjährigen im Verfahren zur Geltung zu bringen, ihn aber andererseits zugleich weitestgehend zu schützen. 264 Indem der Verfahrensbeistand neben den subjektiven Interessen auch Aspekte des objektiven Kindeswohls in seine Stellungnahme einbeziehen muss, ist seine Funktion folglich weiter gefasst als die eines bloßen Parteivertreters. 265 Insgesamt lässt sich somit festhalten, dass der Gesetzgeber zwar den offenen Begriff „Interesse des Kindes“ auch in § 158 FamFG beibehalten, in der Gesetzesbegründung jedoch klargestellt hat, dass der Verfahrensbeistand in erster Linie den subjektiven Kindeswillen in das Verfahren einbringen soll. Darüber hinaus kann er aber auch Aspekte des Kindeswohls mit aufnehmen. Dabei muss er beide Aspekte sowie einen etwaigen Widerspruch streng voneinander abgrenzen. Seine Funktion geht mithin über die eines bloßen Parteivertreters oder Sprachrohrs des Kindes hinaus, da er zugleich als Instrument des staatlichen Wächteramtes dem Kindeswohl verpflichtet ist. Dennoch gebieten es das Recht 262 OLG Frankfurt, Beschluss v. 24.08.2010, 7 UF 54/10, Rn. 16 (zitiert nach juris). So auch Keidel / Engelhardt, FamFG, § 158, Rn. 22; Röchling / Kunkel, Handbuch AdK, § 9, Rn. 23, der jedoch davon ausgeht, dass der Verfahrensbeistand dem Kindeswohl nicht verpflichtet ist. 263 Zur Elternverantwortung und dem staatlichen Wächteramt siehe B. II. 3. 264 Salgo / Zenz / Zitelmann, Verfahrensbeistandschaft, Rn. 516 f. 265 So auch Musielak / Borth, FamFG, § 158, Rn. 15.
II. Die gesetzliche Ausgestaltung der Verfahrensbeistandschaft
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des Kindes auf rechtliches Gehör und sein allgemeines Persönlichkeitsrecht, dass der subjektive Kindeswille authentisch und nicht nur bis zur Grenze des Kindeswohls in das Verfahren eingebracht wird. b) Die Aufgaben des Verfahrensbeistands Mit der Neuregelung des § 158 Abs. 4 FamFG hat der Gesetzgeber die Aufgaben des Verfahrensbeistands konkretisiert 266 und so die unter der Geltung von § 50 FGG a. F. bestehende Rechtsunsicherheit weitestgehend behoben. Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens wurde allerdings auf den Vorschlag des Bundesrates 267 hin eine Stufung zwischen verschiedenen Aufgabenkreisen vorgenommen, sodass gemäß § 158 Abs. 4 FamFG nunmehr unterschieden werden muss, ob die jeweiligen Aufgaben dem Verfahrensbeistand originär mit seiner Bestellung zufallen (§ 158 Abs. 4 S. 1, 2 und 5 FamFG) oder gesondert durch das Gericht übertragen werden müssen (§ 158 Abs. 4 S. 3 und S. 4 FamFG). aa) Der originäre Aufgabenkreis Gemäß § 158 Abs. 4 S. 1 FamFG besteht die Kernaufgabe des Verfahrensbeistands darin, das Interesse des Kindes festzustellen und im Verfahren zur Geltung zu bringen. Dabei soll er in erster Linie den subjektiven Kindeswillen 268 ohne eigene Einflussnahme 269 eruieren und dem Gericht so authentisch wie möglich übermitteln. 270 Insofern vermittelt der Verfahrensbeistand dem Minderjährigen auch das zu dessen Disposition stehende rechtliche Gehör. Daneben kann der Verfahrensbeistand aber auch objektive Kindeswohlgesichtspunkte in seine Stellungnahme mit einbeziehen. 271 Nicht zur Aufgabe des Verfahrensbeistands gehört es hingegen, den eigentlichen Sachverhalt zu ermitteln 272 oder Sachverständigen266 BGH, NJW 2011, 3454, 3455. Zur Frage der Haftung bei Pflichtverletzung des Verfahrensbeistands vgl. Koritz, FPR 2012, 568 f. 267 Siehe E. I. 3. 268 Und nicht etwa den Willen der Eltern, BVerfG, FamRZ 2010, 109, 110; OLG Saarbrücken, FamRZ 2011, 1153, 1154. 269 Keidel / Engelhardt, FamFG, § 158, Rn. 22; Salgo / Zenz / Zitelmann, Verfahrensbeistandschaft, Rn. 485. 270 Dies erfordert in der Regel eine außergerichtliche Kontaktaufnahme zum Minderjährigen, Keidel / Engelhardt, FamFG, § 158, Rn. 25. Zur Problematik des Zugangs zum Kind über die Eltern vgl. Salgo / Zenz / Bauer, Verfahrensbeistandschaft, Rn. 298 ff. Vgl. auch MünchKomm-ZPO / Schumann, § 158 FamFG, Rn. 26 und Röchling / Röchling, Handbuch AdK, § 5, Rn. 47, welche Tätigkeiten des Verfahrensbeistands konkret erforderlich sind. 271 Siehe E. II. 4. a). 272 BVerfG, FamRZ 2010, 109, 110; Salgo / Lack, FPR 2012, 353, 356.
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E. Die Verfahrensbeistandschaft gemäß § 158 FamFG
gutachten zu erstellen 273. Da sich sein Wirkungskreis auf das gerichtliche Verfahren beschränkt, 274 fallen zudem weder erzieherische noch therapeutische Tätigkeiten in seinen Aufgabenbereich. 275 Er kann dem Gericht allerdings Anregungen, insbesondere bei Gefährdung des Kindes oder bei der Notwendigkeit zur Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft geben. 276 Seine Stellungnahme kann der Verfahrensbeistand mangels gesetzlicher Formvorgaben sowohl schriftlich als auch mündlich abfassen. 277 Zum originären Aufgabenkreis des Verfahrensbeistands gehört gemäß § 158 Abs. 4 S. 2 FamFG des Weiteren, das Kind über Gegenstand, Ablauf und möglichen Ausgang des Verfahrens in geeigneter Weise zu informieren. Diese Informationspflicht erstreckt sich auf das gesamte Verfahren 278 und bildu. a.s Gegenstück zur Interessenvertretung die wesentliche Grundlage für die Willensbildung des Minderjährigen 279 und damit die Voraussetzung dafür, dass er sein Recht auf rechtliches Gehör wahrnehmen kann. Daneben soll so aber auch dem Kindesschutz Rechnung getragen werden, indem der Minderjährige durch das Verfahren begleitet wird 280 und einen Ansprechpartner erhält, der ihm die sonst zumeist unverständlichen Vorgänge kindgerecht erklärt. Diesbezüglich hat der Gesetzgeber ausdrücklich festgeschrieben, dass die Information des Kindes „in geeigneter Weise“, also unter Berücksichtigung des Alters und des Entwicklungsstandes des Minderjährigen, erfolgen soll. 281 Aufgrund seiner Beteiligtenstellung und aus seiner Funktion als Interessenvertreter des Kindes heraus ist der Verfahrensbeistand berechtigt, aber auch verpflichtet, bei allen Gerichtsterminen anwesend zu sein. 282 Gesonderte Erwähnung findet die Anwesenheit des Verfahrensbeistands für die gerichtliche Anhörung des Minderjährigen in § 159 Abs. 4 S. 3 FamFG. Dabei ist die Regelung als Soll-Vorschrift ausgestaltet, denn die Anwesenheit des Verfahrensbeistands 273 Johannsen / Henrich / Büte, FamFG, § 158, Rn. 14; Keidel / Engelhardt, FamFG, § 158, Rn. 23; Johnson, FPR 2012, 377, 379. 274 BT-Drucksache 16/6308, S. 240; Prütting / Helms / Stößer, FamFG, § 158, Rn. 20. 275 OLG München, FamRZ 2002, 563; Musielak / Borth, FamFG, § 158, Rn. 17. 276 Salgo / Zenz / Bauer, Verfahrensbeistandschaft, Rn. 291. 277 B / J/S / Zorn, FamFG, § 158, Rn. 20; Keidel / Engelhardt, FamFG, § 158, Rn. 24. Eine mündliche Stellungnahme kommt vor allem in Betracht, wenn die Bestellung besonders zeitnah zum Termin erfolgt, vgl. § 155 Abs. 2 S. 2 FamFG, BT-Drucksache 16/6308, S. 240; Salgo / Zenz / Bauer, Verfahrensbeistandschaft, Rn. 205. 278 MünchKomm-ZPO / Schumann, § 158 FamFG, Rn. 30. 279 Johannsen / Henrich / Büte, FamFG, § 158, Rn. 15; Keidel / Engelhardt, FamFG, § 158, Rn. 27; S / B/W / Tschichoflos, FamFG, § 158, Rn. 20. 280 Holzer / Menne, FamFG, § 158, Rn. 101ff. 281 BT-Drucksache 16/6308, S. 240. 282 OLG Bamberg, RPfleger 2010, 588, 589; Salgo / Lack, FPR 2012, 353, 356.
II. Die gesetzliche Ausgestaltung der Verfahrensbeistandschaft
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wird hier in der Regel als notwendig angesehen. 283 Sie dient zudem der Erfüllung der Informationspflicht gemäß § 158 Abs. 4 S. 2 FamFG in Bezug auf den Verfahrensschritt der Anhörung. Gemäß § 158 Abs. 4 S. 5 FamFG kann der Verfahrensbeistand im Rahmen seiner originären Aufgaben im Interesse des Kindes Rechtsmittel einlegen. Dabei vertritt er jedoch nicht etwa das Kind, sondern handelt als Beteiligter aus eigenem Recht. 284 Zum originären Aufgabenkreis des Verfahrensbeistands zählt zudem die nach § 156 Abs. 2 S. 1 FamFG erforderliche Zustimmung zu einer einvernehmlichen Regelung. Diese Befugnis folgt aus der eigenständigen Beteiligtenstellung des Verfahrensbeistands. Allerdings ist er insoweit nicht völlig frei, sondern neben den subjektiven Kindesinteressen, die er vermitteln soll, 285 in seiner Funktion als Instrument des staatlichen Wächteramtes zudem an das objektive Kindeswohl gebunden. Mithin kann die Ablehnung der Zustimmung des Verfahrensbeistands eine einvernehmliche Regelung der Eltern nur verhindern, wenn diese das Kindeswohl gefährden würde. 286 Die Einigung der Eltern trägt jedoch grundsätzlich die Vermutung der Kindeswohlkonformität in sich. Nur für den Fall, dass eine Kindeswohlgefährdung vorliegt, ergibt sich für den Verfahrensbeistand als funktionelles Organ des staatlichen Wächteramtes nach Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG mithin das Recht, sie zu verhindern. Damit ist eine Verweigerung der Zustimmung, obwohl keine Kindeswohlgefährdung vorliegt, missbräuchlich und folglich unbeachtlich. 287 § 156 Abs. 2 FamFG ist insofern einschränkend auszulegen. bb) Der erweiterte Aufgabenkreis, § 158 Abs. 4 S. 3 und S. 4 FamFG Während des Gesetzgebungsverfahrens zu § 158 FamFG wurde auf die Empfehlung des Bundesrates 288 hin die Unterscheidung zwischen dem originären und dem erweiterten Aufgabenkreis des Verfahrensbeistands eingeführt. Letzterer ist nunmehr in § 158 Abs. 4 S. 3 und S. 4 FamFG geregelt. Danach obliegen 283
BGH, NJW 2010, 2805, 2809. Nach Ansicht des OLG Naumburg, Beschluss v. 18.10.2011, 8 UF 204/11, Rn. 19 (zitiert nach juris) besteht jedoch keine Pflicht des Verfahrensbeistands zur Anwesenheit. Vgl. hierzu ausführlich Holzer / Menne, FamFG, § 158, Rn. 87, Fn. 175. 284 Schael, FamRZ 2009, 265, 268. 285 Der Minderjährige gibt seinen subjektiven Interessen zudem selbstständig durch die Ausübung seines ihm als Beteiligtem zustehenden Zustimmungsrechtes Ausdruck. 286 Keidel / Engelhardt, FamFG, § 156, Rn. 12; MünchKomm-ZPO / Schumann, § 156 FamFG, Rn. 17; ähnlich Heiter, FamRZ 2009, 85, 89 Fn. 48. A. A. Salgo / Zenz / Heilmann, Verfahrensbeistandschaft, Rn. 1181; Ivanits, Die Stellung des Kindes, S. 246 ff.; Schlünder, FamRZ 2012, 9, 12. 287 So auch MünchKomm-ZPO / Schumann, § 156 FamFG, Rn. 17. 288 BR-Drucksache 309/07 (B), S. 45.
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E. Die Verfahrensbeistandschaft gemäß § 158 FamFG
dem Verfahrensbeistand die sogenannten fakultativen Aufgaben, Gespräche mit den Eltern und weiteren Bezugspersonen des Kindes zu führen sowie am Zustandekommen einer einvernehmlichen Regelung über den Verfahrensgegenstand mitzuwirken nur, soweit sie ihm durch das Gericht aufgrund der Erforderlichkeit im Einzelfall übertragen wurden. Dabei hat das Gericht die Art und den Umfang der Beauftragung nach seinem Ermessen konkret festzulegen und zu begründen, § 158 Abs. 4 S. 4 FamFG. Hintergrund der Herausnahme dieser Aufgaben aus dem originären Wirkungskreis des Verfahrensbeistands war dabei der Gedanke, dass diese speziellen Tätigkeiten originär dem Gericht und dem Jugendamt zufallen und eine unzulässige Vermischung der Rollen der Verfahrensbeteiligten verhindert werden sollte. 289 Im Zusammenhang mit der Stufung der Vergütungspauschale spielten aber auch finanzielle Erwägungen eine gewichtige Rolle. 290 Die Unterscheidung zwischen den beiden Aufgabenkreisen ist als lebensfremd und gekünstelt 291 sowie als Rückschritt 292 in der gesetzestechnischen Ausgestaltung der Verfahrensbeistandschaft kritisiert worden. Tatsächlich ist die durch § 158 Abs. 4 FamFG festgelegte Differenzierung unter verschiedenen Gesichtspunkten fragwürdig. Zum einen erscheint die Ausgliederung der Befugnis des Verfahrensbeistands, nicht nur mit dem Minderjährigen, sondern auch mit dessen Eltern und den weiteren Bezugspersonen 293 Gespräche zu führen, aus dem originären Aufgabenkreis äußerst problematisch. Denn damit wird die Tätigkeit des Verfahrensbeistands in der Regel auf den bloßen Kontakt mit dem Kind beschränkt. Dies widerspricht jedoch der Pflicht des Verfahrensbeistands, die Interessen des Kindes umfassend zu ermitteln, um sie im Verfahren entsprechend vertreten zu können. Gerade die Gespräche mit den Eltern und Bezugspersonen des Kindes befähigen den Verfahrensbeistand aber häufig erst dazu, die Hintergründe der Familie und des Verfahrens besser verstehen und damit die Interessen des Kindes feststellen zu können. 294 Denn Kinder können zumeist nur im Kontext mit ihren Eltern betrachtet werden. 295 Zwar ist zu berücksichtigen, dass die Aufgaben des Ver289
BT-Drucksache 16/6308, S. 378; Keidel / Engelhardt, FamFG, § 158, Rn. 28. Röchling / Röchling, Handbuch AdK, § 5, Rn. 51ff. Siehe hierzu auch E. II. 6. a). 291 Johannsen / Henrich / Büte, FamFG, § 158, Rn. 16; Menne, ZKJ 2009, 68, 71; Stötzel, JAmt 2009, 213, 217; Veit, FF 2008, 476, 479. 292 Röchling / Röchling, Handbuch AdK, § 5, Rn. 56; Menne, ZKJ 2009, 68, 71. Coester in: Lipp / Schumann / Veit, FamFG-Reform, S. 39, 63 bezweifelt sogar die Notwendigkeit einer „derart reduzierten“ Interessenvertretung. 293 Weitere Bezugspersonen sind z. B. Geschwister, Großeltern, Pflegepersonen, Kindergärtner / innen, Lehrer / innen. Nach Holzer / Menne, FamFG, § 158, Rn. 112 zählt dazu zudem auch das Jugendamt. 294 So auch Haußleiter / Fest, FamFG, § 158, Rn. 24; Salgo / Zenz / Niestroj, Verfahrensbeistandschaft, Rn. 1561 f. 295 Salgo / Lack, FPR 2012, 353, 356. 290
II. Die gesetzliche Ausgestaltung der Verfahrensbeistandschaft
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fahrensbeistands seiner Funktion und seiner rechtlichen Stellung entsprechend mit Blick auf das grundgesetzlich geschützte Elternrecht auf das Erforderliche beschränkt werden müssen. 296 Diese Erforderlichkeit ist jedoch hinsichtlich der Gespräche mit den Eltern und den weiteren Bezugspersonen für die Ermittlung der Interessen des Kindes gerade bei jüngeren Kindern, die sich noch nicht entsprechend artikulieren können, gegeben. 297 Daneben erscheint es unter praktischen Gesichtspunkten zweifelhaft, ob das Gericht, das gemäß § 158 Abs. 3 S. 1 FamFG verpflichtet ist, den Verfahrensbeistand so früh wie möglich zu bestellen, bereits vorab festlegen kann, dass Gespräche mit den Eltern und den weiteren Bezugspersonen nicht erforderlich sein werden. Zumeist ergeben sich die wesentlichen Hintergründe des Einzelfalls erst im Laufe des Verfahrens. Insofern erscheint auch die Möglichkeit, die Übertragung des erweiterten Aufgabenkreises erst im Laufe des Verfahrens nachzuholen, ungenügend, da dies den Verfahrensgang unnötig schwerfällig machen würde. Im Übrigen tragen die im Gesetzgebungsverfahren geäußerten Bedenken nicht, dass die originäre Befugnis des Verfahrensbeistands, entsprechende Gespräche zu führen, eine sich negativ auswirkende Vermischung mit den Verfahrensrollen des Gerichtes und des Jugendamtes mit sich bringen könnte. Zwar führen das Gericht und das Jugendamt ebenfalls Gespräche mit den Eltern und den Bezugspersonen des Kindes, um so die subjektiven Kindesinteressen zu ermitteln. In erster Linie dient der Kontakt aber dazu die subjektiven Positionen der Eltern als Beteiligte sowie objektive Kindeswohlgesichtspunkte zu eruieren. Damit obliegt es dem Gericht und dem Jugendamt durch die Gespräche trotz ihrer knappen Ressourcen möglichst umfassende Informationen einzuholen. Die Aufgabe des Verfahrensbeistands im Rahmen des Kontaktes mit den Eltern und den Bezugspersonen des Kindes beschränkt sich hingegen in erster Linie auf die Ermittlung des subjektiven Kindeswillens. Insofern überschneiden sich beide Rollenfunktionen zwar, dies bewirkt jedoch keine negative Rollenvermischung, sondern eröffnet dem Gericht eine weitere Erkenntnisquelle, anhand derer es seine eigenen Feststellungen verifizieren kann. Insgesamt wird so zugunsten des Minderjährigen eine umfassende Sachverhaltsaufklärung ermöglicht. Mithin ist nicht ersichtlich, warum die Befugnis zur Gesprächsführung mit den Eltern des Kindes und den weiteren Bezugspersonen aus dem originären Aufgabenkreis des
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Ahlert, Verfahrensbeistand, S. 138. OLG Brandenburg, FamRZ 2008, 2049, 2050; Johannsen / Henrich / Büte, FamFG, § 158, Rn. 16; Holzer / Menne, FamFG, § 158, Rn. 107; Salgo / Zenz / Bauer, Verfahrensbeistandschaft, Rn. 244; Menne, ZKJ 2009, 68, 71; Stötzel / Balloff, ZKJ 2009, 330, 333; Trenczek, ZKJ 2009, 196, 199. So bereits auch Salgo, FPR 2006, 12, 15. Vgl. auch Mündel u. a., Anwalt des Kindes, S. 327, wonach 98 % der Verfahrenspfleger und 90 % der Richter Gespräche mit den Eltern als regelmäßige Tätigkeit des Verfahrenspflegers ansahen. 297
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E. Die Verfahrensbeistandschaft gemäß § 158 FamFG
Verfahrensbeistands herauszunehmen und eine gesonderte Übertragung durch das Gericht erforderlich sein sollte. Zum anderen erscheint es fragwürdig, dass der Verfahrensbeistand an dem Zustandekommen einer einvernehmlichen Regelung der Beteiligten gemäß § 158 Abs. 4 S. 3 FamFG nur dann soll mitwirken können, wenn das Gericht ihm diese Aufgabe gesondert überträgt. Dies widerspricht dem im FamFG vielfach zum Ausdruck kommenden Grundgedanken, dass eine einvernehmliche Lösung in jeder Phase des Verfahrens begünstigt werden soll. Zudem ist die Rolle des Verfahrenbeistandes bei dem Zustandekommen des Einvernehmens begrenzt. Der Gesetzeswortlaut des § 158 Abs. 4 S. 3 FamFG spricht lediglich von der Befugnis des Verfahrensbeistands am Zustandekommen der einvernehmlichen Regelung „mitzuwirken“. Die konkrete Art und Weise des Mitwirkens bleibt jedoch unbestimmt. 298 Der Begriff des Mitwirkens findet sich im Übrigen auch in §§ 27, 161 und 162 FamFG und ist von dem des Hinwirkens i. S. d. § 156 Abs. 1 sowie § 163 Abs. 2 FamFG abzugrenzen. 299 Teilweise wird das Mitwirken des Verfahrensbeistandes i. S. d. 158 Abs. 4 S. 3 FamFG daher so verstanden, dass er im Rahmen des Einigungsprozesses einerseits alles zu unterlassen hat, was einer Einigung im Kindesinteresse im Wege stehen würde. 300 Andererseits besteht seine Hauptaufgabe darin, das Kindeswohl in den Mittelpunkt der Diskussion zu rücken und die Beteiligten für die Kindesinteressen zu sensibilisieren. 301 Insofern soll er den Stress und die Intensität des Konfliktes mindern 302 sowie gegebenenfalls auch selbst Vermittlungsbemühungen anstoßen und unterstützen. 303 Eine andere Ansicht meint hingegen, dass diese Tätigkeit bereits zum originären Aufgabenkreis der Feststellung und Geltendmachung der Kindesinteressen nach § 158 Abs. 4 S. 1 FamFG gehöre und der Verfahrensbeistand durch den erweiterten Aufgabenbereich ausnahmsweise zur gesetzlichen Vertretung des Kindes hinsichtlich Zustimmung zu der einvernehmlichen Regelung berechtigt werde. 304 Dies widerspricht jedoch dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 158 Abs. 4 S. 6 FamFG, wonach der Verfahrensbeistand ausdrücklich nicht gesetzlicher Vertreter des Kindes ist. 305
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Haußleiter / Fest, FamFG, § 158, Rn. 25. Prenzlow, FPR 2012, 366, 367. 300 Stötzel, FPR 2010, 425, 427. 301 § 158, Rn. 17; Prenzlow, FPR 2012, 366, 367 f.; Stötzel, FPR 2010, 425, 428. 302 Röchling / Röchling, Handbuch AdK, § 5, Rn. 19. 303 Holzer / Menne, FamFG, § 158, Rn. 116; Kemper / Schreiber / Völker / Clausius, FamFG, § 158, Rn. 18; Prenzlow, FPR 2012, 366, 367. 304 Haußleiter / Fest, FamFG, § 158, Rn. 25. 305 Schlünder, FamRZ 2012, 9, 11. 299
II. Die gesetzliche Ausgestaltung der Verfahrensbeistandschaft
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Mit dem gleichen Ansatz, jedoch unter Bezugnahme auf den zu § 50 FGG a.F. geführten Streit, ob zu den Aufgaben des Verfahrenspflegers auch die Vermittlung zwischen den Beteiligten gehöre 306, wird in der Literatur zum Teil angenommen, dass die Übertragung des erweiterten Aufgabenkreises hier die Streitschlichtung oder Mediation umfassen müsse. 307 Das Mitwirken des Verfahrensbeistandes jedoch als Mediation zu werten, widerspricht seiner Funktion als Interessenvertreter des Minderjährigen. Der Verfahrensbeistand kann daher hinsichtlich des Verfahrens, für das er bestellt ist, niemals als Mediator auftreten. 308 Somit umfasst nach dieser Ansicht der erweiterte Aufgabenkreis nur das Mitwirken als streitschlichtender Vermittler im Rahmen des Zustandekommens einer einvernehmlichen Regelung. Insofern bleibt allerdings offen, wie diese Vermittlertätigkeit des Verfahrensbeistandes ausgestaltet sein soll. Ein Heraustreten des Verfahrensbeistandes aus seiner Position als Interessenvertreter des Kindes, um so als objektiver Vermittler auftreten zu können und beispielsweise gezielt die Interessen der Eltern zu erforschen würde seiner Funktion widersprechen. Zudem käme es hierdurch zu internen Rollenkonflikten, da der Verfahrensbeistand als Beteiligter ausschließlich unter Berücksichtigung der Kindesinteressen der einvernehmlichen Regelung anschließend zustimmen muss. Auch könnte seine Glaubwürdigkeit und seine Vertrauenswürdigkeit gerade in den Augen des Minderjährigen Schaden nehmen. Mithin kann sich auch nach dieser Ansicht die Vermittlungstätigkeit des Verfahrensbeistandes nur auf eine aus der Interessenvertretung des Minderjährigen heraus geführte Streitschlichtung beziehen. Dies wird auch durch den Gesetzeswortlaut untermauert. Denn im Gegensatz zu einem bloßen Hinwirken, wie es in der Regel von einem Dritten aus einer neutralen Position außerhalb des Konfliktes verlangt wird, z.B. vom Gericht nach § 156 Abs. 1 S. 1 FamFG oder vom Sachverständigen nach § 163 Abs. 2 FamFG, stellt das Mitwirken eine Handlung eines direkt Beteiligten und gerade nicht neutralen Dritten dar. Eine solche Vermittlung unterscheidet sich in praktischer Hinsicht nicht von den oben genannten Tätigkeiten des Anstoßens und Vorantreibens von Vermittlungsbemühungen und der Sensibilisierung für die Kindesinteressen. Betrachtet man diese begrenzten Mitwirkungsmöglichkeiten des Verfahrensbeistands, erschließt sich nicht, warum es hierfür einer gesonderten Übertragung durch das Gericht bedarf, obwohl beispielsweise die Zustimmung zu einer einvernehmlichen Regelung gemäß § 156 Abs. 2 S. 1 FamFG bereits zum originären 306
Siehe C. II. 4. Hahne / Munzig / Schlünder, FamFG, § 158, Rn. 28; MünchKomm-ZPO / Schumann, § 158 FamFG, Rn. 32. 308 Holzer / Menne, FamFG, § 158, Rn. 116; Kemper / Schreiber / Völker / Clausius, FamFG, § 158, Rn. 18; Röchling / Röchling, Handbuch AdK, § 5, Rn. 48; Prenzlow, FPR 2012, 366, 367; Stötzel, FPR 2010, 425, 428; Trenczek, ZKJ 2009, 196, 199 Salgo, FPR 2010, 456, 458. 307
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E. Die Verfahrensbeistandschaft gemäß § 158 FamFG
Aufgabenkreis gehört. Insofern ist kaum ein Fall denkbar, bei dem die dargestellte Unterstützung eines Einvernehmens i. S. d. § 156 FamFG nicht im Interesse des Kindeswohls läge. 309 Zudem dürfte sich auch die Informationspflicht des Verfahrensbeistands gegenüber dem Kind gemäß § 158 Abs. 4 S. 2 FamFG auf den Prozess der Einigung erstrecken. Die Sensibilisierung der Beteiligten für die Kindesinteressen gehört zur Hauptfunktion des Verfahrensbeistands und ist in der Regel bei allen Kindschaftsverfahren erforderlich, auch wenn sich die Beteiligten zu einer einvernehmlichen Regelung durchringen. Da die Bestellung des Verfahrensbeistands selbst einen Interessengegensatz zwischen dem Minderjährigen und den gesetzlichen Vertretern voraussetzt, diese das verfahrensunfähige Kind hinsichtlich der Zustimmung nach § 156 Abs. 2 S. 1 FamFG in der Regel jedoch weiterhin vertreten, soweit keine Ergänzungspflegschaft eingerichtet wurde, erscheint es umso notwendiger, dass dem Einigungsprozess im Regelfall der Verfahrensbeistand als Interessenvertreter des Kindes beiwohnt. Des Weiteren wird er so erst in die Lage versetzt, entscheiden zu können, ob die einvernehmliche Regelung das Kindeswohl gefährden könnte, er seine Zustimmung also verweigern darf oder nicht. In der Regel ist dem Verfahrensbeistand die Aufgabe der Mitwirkung an dem Zustandekommen einer einvernehmlichen Regelung daher zu übertragen. Allenfalls soweit eine einvernehmliche Regelung bereits zu Beginn des Verfahrens sicher ausgeschlossen werden kann, mag daher keine Erforderlichkeit eines entsprechenden Mitwirkens des Verfahrensbeistands bestehen, sodass die Übertragung des erweiterten Aufgabenkreises insofern unterbleiben kann. Darüber hinaus widerspricht das Erfordernis der Übertragung des erweiterten Aufgabenkreises insgesamt den verfassungsmäßigen Anforderungen an eine unabhängige Interessenvertretung des Minderjährigen, da der Verfahrensbeistand so weder die Art noch den Umfang seiner Tätigkeit selbst bestimmen kann. 310 Vielmehr wird diese Entscheidung dem Gericht übertragen, sodass die Gefahr eines Abhängigkeitsverhältnisses des Verfahrensbeistands zum Gericht besteht. 311 Zusammenfassend lässt sich somit feststellen, dass die Differenzierung zwischen dem originären und dem erweiterten Aufgabenbereich zwar gesetzlich festgeschrieben ist, sich im Regelfall das gerichtliche Ermessen zur Übertragung der fakultativen Aufgaben auf den Verfahrensbeistand jedoch auf Null reduziert. 312 Denn sowohl die Gespräche mit den Eltern und den weiteren Bezugspersonen als auch das Mitwirken bei dem Zustandekommen einer einvernehmlichen Regelung 309
So auch Stötzel, FPR 2010, 425, 428. A. A. Leeb, ZKJ 2010, 391, 396. Johannsen / Henrich / Büte, FamFG, § 158, Rn. 16; Ahlert, Verfahrensbeistand, S. 139; Knödler, ZKJ 2010, 135, 139; Menne, ZKJ 2009, 68, 71; Stötzel, JAmt 2009, 213, 217; Stötzel / Balloff, ZKJ 2009, 330, 333; Trenczek, ZKJ 2009, 196, 199. 311 Siehe E. II. 5. c). 312 So auch Prütting / Helms / Stößer, FamFG, § 158, Rn. 22. 310
II. Die gesetzliche Ausgestaltung der Verfahrensbeistandschaft
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sind i. S. d. § 158 Abs. 4 S. 3 FamFG erforderlich. Folglich ist dem Verfahrensbeistand bei seiner Bestellung im Regelfall der erweiterte Aufgabenkreis gemäß § 158 Abs. 4 S. 3 und S. 4 FamFG zu übertragen. 313 Dies widerspricht zwar dem gesetzlich vorgesehenen Regel-Ausnahme-Prinzip, das der Gesetzessystematik nach eine eher restriktive Handhabung des § 158 Abs. 4 S. 3 und S. 4 FamFG vorsieht. 314 Allerdings löst sich dies dogmatisch über den Begriff des Erfordernisses zur Übertragung des erweiterten Aufgabenkreises auf. Berücksichtigt man die Funktion des Verfahrensbeistands und seinen Auftrag als Interessenvertreter des Kindes und funktionelles Organ des staatlichen Wächteramtes zur Sicherung des Kindeswohls, so ist in der Regel das Erfordernis gegeben, sowohl Gespräche mit den Eltern und den weiteren Bezugspersonen zu führen als auch am Zustandekommen einer einvernehmlichen Regelung in der dargestellten Art und Weise mitzuwirken. 315 Vom Gericht ist demnach nur noch zu prüfen, mit welchen Bezugspersonen des Kindes im Einzelfall Gespräche erforderlich sind, um seine Interessen feststellen zu können, beziehungsweise ob eine einvernehmliche Regelung der Beteiligten sicher ausgeschlossen werden kann und dies in der Aufgabenübertragung festzuhalten. c) Fazit Im Vergleich zur Vorgängerregelung des § 50 FGG a. F. hat der Gesetzgeber das Institut zur Interessenvertretung Minderjähriger insbesondere in Bezug auf Funktion und Aufgaben des Verfahrensbeistands wesentlich weiterentwickelt und durch konkrete gesetzliche Vorgaben überwiegend Rechtssicherheit geschaffen. Die Neuregelung bringt allerdings auch teilweise neue Problemkreise mit sich, die jedoch überwiegend durch eine entsprechende Gesetzesauslegung gelöst werden können.
313 So beispielsweise auch B / J/S / Zorn, FamFG, § 158, Rn. 19; Holzer / Menne, FamFG, § 158, Rn. 110; Salgo / Zenz / Bauer, Verfahrensbeistandschaft, Rn. 245; Menne, ZKJ 2009, 68, 71; Stötzel, FPR 2010, 425, 428; Stötzel / Balloff, ZKJ 2009, 330, 333; Zorn, Rpfleger 2009, 421, 427. In der Praxis wird der Verfahrensbeistand bislang hingegen durchschnittlich nur in 8 % der Fälle mit dem erweiterten Aufgabenkreis bestellt, vgl. die Publikation des Statistischen Bundesamtes, Fachserie 10, Reihe 2.2, S. 30. 314 Leeb, ZKJ 2010, 391, 396. 315 Abzulehnen ist hingegen die Auffassung von MünchKomm-ZPO / Schumann, § 158 FamFG, Rn. 33, wonach Gespräche mit den Eltern und den Bezugspersonen insoweit zum originären Aufgabenkreis gehören, als sie zur Feststellung des Kindesinteresses erforderlich sind. Diese Auslegung widerspricht zum einen dem eindeutigen Gesetzeswortlaut von § 158 Abs. 4 FamFG. Zum anderen würde man so von den Verfahrensbeiständen verlangen diese zusätzlichen Aufgaben zu übernehmen, obwohl ihnen nur die kleine Fallpauschale zusteht, was praktisch nicht realisierbar sein dürfte. Ebenso Leeb, ZKJ 2010, 391, 396.
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E. Die Verfahrensbeistandschaft gemäß § 158 FamFG
So ist hinsichtlich der Funktion des Verfahrensbeistands zunächst festzustellen, dass der Gesetzgeber weiterhin den unbestimmten Begriff „Interesse des Kindes“ verwendet, allerdings in der Gesetzesbegründung klargestellt hat, dass der Verfahrensbeistand in erster Linie den Kindeswillen darstellen muss, daneben aber auch Kindeswohlgesichtspunkte in seine Stellungnahme einbeziehen kann. Beide Aspekte sind strikt voneinander zu trennen und ein etwaiger Widerspruch ist als solcher dem Gericht kenntlich zu machen. Dabei begrenzt das Kindeswohl nicht die Pflicht des Verfahrensbeistands, den Willen des Kindes in das Verfahren einzubringen. Damit geht seine Rolle über die eines bloßen Parteivertreters oder Sprachrohrs des Kindes hinaus. Mit der Neuregelung des § 158 Abs. 4 FamFG hat der Gesetzgeber zudem die frühere Rechtsunsicherheit bei den konkreten Aufgaben des Verfahrensbeistands weitestgehend behoben. Allerdings erscheint die vorgenommene Differenzierung zwischen einfachem und erweitertem Aufgabenkreis verfehlt. Sie widerspricht zum einen den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die unabhängige Interessenvertretung des Minderjährigen, da der Verfahrensbeistand über Art und Umfang seiner Tätigkeit nicht selbst entscheiden kann. Zum anderen reduziert sich das Ermessen des Gerichtes zur Übertragung des erweiterten Aufgabenkreises auf den Verfahrensbeistand zumeist auf Null, sodass diese entgegen der Gesetzessystematik des § 158 Abs. 4 S. 3 und S. 4 FamFG regelmäßig erfolgen muss. 5. Die rechtliche Stellung des Verfahrensbeistands a) Die eigene Beteiligtenstellung Mit seiner Bestellung wird der Verfahrensbeistand gemäß § 158 Abs. 3 S. 2 FamFG Beteiligter des Verfahrens. 316 Durch die gesetzliche Reglementierung der bereits unter der Geltung des § 50 FGG a. F. einhellig vertretenen Meinung 317 zur verfahrensrechtlichen Einordnung des Interessenvertreters Minderjähriger hat der Gesetzgeber dessen Stellung als vollwertigen Verfahrensbeteiligten weiter gestärkt. 318 Neben der Bestellung des Verfahrensbeistands als solcher bedarf
316 Er ist daher im Rubrum der Entscheidung als eigenständiger Beteiligter aufzuführen, vgl. Musielak / Borth, FamFG, § 158, Rn. 16; Schael, FamRZ 2009, 265, 268. 317 Siehe C. II. 5. 318 Der Referentenentwurf zu § 158 FamFG-E sah hingegen noch vor, dass der Verfahrensbeistand nur „wie ein Beteiligter“ einzuordnen sei, vgl. E. I. 2. Kritisch noch Jacoby, FamRZ 2007, 1703, 1709, der meint, für eine Beteiligtenstellung fehle es an der Betroffenheit des Verfahrensbeistands. Eine solche Betroffenheit ist jedoch keine zwingende Voraussetzung für eine Beteiligtenstellung, wie beispielsweise § 162 Abs. 2 FamFG zeigt.
II. Die gesetzliche Ausgestaltung der Verfahrensbeistandschaft
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es keines weiteren Hinzuziehungsaktes durch das Gericht. 319 Als Beteiligter aus eigenem Recht 320 ist der Verfahrensbeistand gegenüber allen übrigen Beteiligten, einschließlich dem Minderjährigen, für den er bestellt ist, weisungsfrei. 321 Allerdings bleibt er bei der Erfüllung seiner Aufgaben auf die Kooperationsbereitschaft des Kindes und seiner Eltern angewiesen. 322 Aus der Beteiligtenstellung leiten sich für den Verfahrensbeistand die allgemeinen Beteiligtenrechte und -pflichten 323 ab. Allerdings ist er gemäß § 158 Abs. 8 FamFG von der Kostentragungspflicht ausdrücklich ausgenommen. 324 Der Verfahrensbeistand hat als eigenständiger Beteiligter ein Recht auf Anwesenheit bei allen Gerichtsterminen, kann Anträge stellen sowie Anregungen, z. B. zur Einholung eines Sachverständigengutachtens, geben oder auch gemäß § 13 FamFG Akteneinsicht verlangen 325. Nach § 158 Abs. 4 S. 5 FamFG kann der Verfahrensbeistand zudem im Interesse des Kindes in eigenem Namen Rechtsmittel einlegen. Dies verdeutlicht die verfahrensrechtliche Sonderstellung des Verfahrensbeistandes als Institut sui generis. Denn § 158 Abs. 4 S. 5 FamFG normiert eine Ausnahme vom Grundsatz des § 59 Abs. 1 FamFG, das Rechtsmittel grundsätzlich nur derjenige einlegen kann, der durch die angefochtene Beschwerde in seinen subjektiven Rechten auch beeinträchtigt wird. Dem Verfahrensbeistand wird davon abweichend unabhängig von einer solchen Beschwerdeberechtigung ein Rechtsmittelrecht zugebilligt. Dieses ist jedoch darauf beschränkt, den Beschluss im Kindesinteresse anzufechten. Dies folgt daraus, dass der Verfahrensbeistand die Beteiligtenposition des Minderjährigen spiegelt, so das sich sein Rechtsmittelrecht aus dessen Beschwerdeberechtigung herleitet und dementsprechend auch auf dessen Interesse beschränkt bleiben muss. Die gesetzlichen Regelungen zur Beteiligtenstellung des Verfahrensbeistands sind im Übrigen zum Teil unvollständig. So enthält das FamFG keine Regelung hinsichtlich eines Zeugnisverweigerungsrechtes. 326 Dennoch ist inzwischen anerkannt, dass für Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit insoweit § 383 319
Siehe D. II. 2. c). Schael, FamRZ 2009, 265, 268. 321 BT-Drucksache 16/6308, S. 239; MünchKomm-ZPO / Schumann, § 158 FamFG, Rn. 36; Salgo / Zenz / Bauer, Verfahrensbeistandschaft, Rn. 283; Trenczek, ZKJ 2009, 196, 198; Vogel, FPR 2010, 43, 45; Zorn, Rpfleger 2009, 421, 426. 322 Salgo / Zenz / Bauer, Verfahrensbeistandschaft, Rn. 296 ff., insbesondere auch zur Problematik des Zugangs zum Kind über die Eltern. 323 Zu den Beteiligtenrechten und -pflichten allgemein siehe D. II. 2. d). Vgl. auch Salgo / Zenz / Bauer, Verfahrensbeistandschaft, Rn. 1520 f. 324 Diese Privilegierung gilt jedoch nur für das Kindschaftsverfahren, nicht hingegen für das Beschwerdeverfahren gegen die Festsetzung der Vergütung des Verfahrensbeistands, OLG Celle, Beschluss v. 7.08.2012, 10 UF 158/12, Rn. 16 (zitiert nach juris). 325 Vgl. hierzu ausführlich Salgo / Zenz / Bauer, Verfahrensbeistandschaft, Rn. 336 ff. 326 Auch in § 203 StGB wird der Verfahrensbeistand nicht mit aufgeführt. 320
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E. Die Verfahrensbeistandschaft gemäß § 158 FamFG
Abs. 1 Nr. 6 ZPO entweder über § 29 Abs. 2 FamFG oder § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG Anwendung findet und der Verfahrensbeistand als parteilicher Interessenvertreter des Kindes, dem schützenswertes Vertrauen entgegengebracht wird, das Zeugnis verweigern kann. 327 Als Empfänger höchstpersönlicher und damit sensibler Informationen gerade in Bezug auf den Minderjährigen ergibt sich für den Verfahrensbeistand zudem eine Verschwiegenheitspflicht aus § 158 Abs. 4 FamFG i. V. m. dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG. 328 Zugleich ist § 68 SGB VIII als datenschutzrechtliche Regelung analog anwendbar. 329 Insgesamt ergibt sich somit durch die gesetzliche Klarstellung und die konkretisierende Ausformung der eigenständigen Beteiligtenstellung des Verfahrensbeistands eine Stärkung seiner verfahrensrechtlichen Position und seiner eigenen Handlungsbefugnisse als Interessenvertreter des Minderjährigen. b) Nicht gesetzlicher Vertreter, § 158 Abs. 4 S. 6 FamFG Die Stärkung der verfahrensrechtlichen Position des Verfahrensbeistands durch die Normierung seiner eigenständigen Beteiligtenstellung wird dadurch relativiert, dass der Gesetzgeber im gleichen Zuge eine der wesentlichen Streitfragen zur Interessenvertretung Minderjähriger negativ beantwortet und so die Befugnisse des Verfahrensbeistands erheblich beschränkt hat. Denn der bereits zur Verfahrenspflegschaft stark vertretenen Ansicht 330 folgend, stellte der Gesetzgeber in § 158 Abs. 4 S. 6 FamFG klar, dass der Verfahrensbeistand nicht gesetzlicher Vertreter des Kindes ist. 331 Folglich erschöpft sich die Verfahrensbeistandschaft ihrer Bezeichnung entsprechend in einer verfahrensrechtlichen Beistandschaft für das Kind ohne die gesetzlichen Vertretungsverhältnisse zu berühren. 332 Der Verfahrensbeistand kann somit keine rechtlichen Willenserklärungen für den Minder327 OLG Braunschweig, ZKJ 2012, 276, 277; MünchKomm-ZPO / Schumann, § 158 FamFG, Rn. 34; Röchling / Kunkel, Handbuch AdK, § 9, Rn. 24; Leeb, ZKJ 2010, 391, 395; Salgo / Lack, FPR 2012, 353, 357. Ist der Verfahrensbeistand zugleich Rechtsanwalt, ergibt sich das Zeugnisverweigerungsrecht dennoch nicht aus § 43a Abs. 2 BRAO, da die Informationen nicht in Ausübung des Rechtsanwaltsberufs erlangt wird. Zum Zeugnisverweigerungsrecht im Strafprozess siehe Röchling / Kunkel, Handbuch AdK, § 9, Rn. 25. 328 OLG Frankfurt, Beschluss v. 24.08.2010, 7 UF 54/10, Rn. 16 (zitiert nach juris); Röchling / Kunkel, Handbuch AdK, § 9, Rn. 1f.; Salgo / Lack, FPR 2012, 353, 357. 329 Röchling / Kunkel, Handbuch AdK, § 9, Rn. 10ff. 330 Siehe C. II. 5. 331 Jacoby, FamRZ 2007, 1703, 1709 bezeichnet die Regelung als misslungen. 332 BT-Drucksache 16/6308, S. 240; Holzer / Menne, FamFG, § 158, Rn. 88. Dem entgegen sprach sich Jacoby, FamRZ 2007, 1703, 1709 dafür aus, den Verfahrensbeistand als gesetzlichen Vertreter des Kindes auszugestalten.
II. Die gesetzliche Ausgestaltung der Verfahrensbeistandschaft
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jährigen, sondern nur in eigenem Namen abgeben oder entgegennehmen. 333 Ihm stehen auch keine weitergehenden Befugnisse gegenüber Dritten zu, beispielsweise um beim Jugendamt Leistungen nach dem SGB VIII zu beantragen oder den behandelnden Arzt von der Schweigepflicht zu entbinden. 334 Durch diese Einschränkung der Handlungsbefugnisse des Verfahrensbeistands wollte der Gesetzgeber im Hinblick auf Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG den Eingriff in das Elternrecht durch die Bestellung eines Verfahrensbeistands so gering wie möglich halten. 335 Der Verfahrensbeistand tritt damit im Verfahren nicht an die Stelle der Eltern, sondern neben sie. 336 Diese bleiben weiterhin vertretungsberechtigt. Somit sind die Eltern im Verfahren beispielsweise nach wie vor Zustellungsempfänger gemäß § 15 Abs. 2 FamFG i. V. m. § 170 ZPO. Zudem bleibt es ihnen unbenommen, auch die Interessen des Minderjährigen im Verfahren geltend zu machen. Allerdings tritt diesbezüglich der Verfahrensbeistand ergänzend als „Vertreter eigener Art“ 337 hinzu. Der Verfahrensbeistand nimmt mithin eine verfahrensrechtliche Sonderrolle ein, deren Wirkungskreis auf die reine Interessenvertretung begrenzt bleibt. Damit fehlt ihm zum Teil die Handlungsbefugnis, um den Minderjährigen im Verfahren unabhängig von den gesetzlichen Vertretern als eigenständigen Beteiligten vertreten zu können. Konkret bedeutet der Ausschluss des Vertretungsrechtes, dass der Verfahrensbeistand im Verfahren nur in begrenztem Umfang für den Minderjährigen und vielmehr grundsätzlich aus seiner eigenen Beteiligtenstellung heraus auftritt. 338 So kann er aufgrund seiner beschränkten Handlungsbefugnis das Verfahren nur selbst, aber nicht für den Minderjährigen betreiben. Ebenso kann er nur für sich selbst als Beteiligten, nicht jedoch für den Minderjährigen Akteneinsicht nach § 13 FamFG beantragen. Aufgrund der fehlenden Vertretungsbefugnis des Verfahrensbeistands kann er rechtsgeschäftliche Erklärungen nur im eigenen Namen und nicht für den Minderjährigen abgeben. Dieser bedarf für die Antragsstellung (§ 25 FamFG) und die Antragsrücknahme (§ 22 FamFG) daher weiterhin der gesetzlichen Vertretung durch seine Eltern, soweit er nicht ausnahmsweise selbst verfahrensfähig ist. Gleiches gilt für die Zustimmung zu einer einvernehmlichen 333
OLG Oldenburg, NJW 2010, 1888, 1889; KG, NJW-RR 2010, 1087, 1089; BT-Drucksache 16/6308, S. 240; B / J/S / Zorn, FamFG, § 158, Rn. 23. 334 Salgo / Zenz / Bauer, Verfahrensbeistandschaft, Rn. 290, der dies aber teilweise für sinnvoll halten würde. 335 BGH, NJW 2011, 3454, 3456; BT-Drucksache 16/6308, S. 240. 336 A. A. Erman / Roth, BGB, Vor § 1909, Rn. 12. 337 BVerfG FamRZ 2000, 1280, 1281; B / J/S / Zorn, FamFG, § 158, Rn. 21; Johannsen / Henrich / Büte, FamFG, § 158, Rn. 21; Keidel / Engelhardt, FamFG, § 158, Rn. 39; MünchKomm-ZPO / Schumann, § 158 FamFG, Rn. 39; Schael, FamRZ 2009, 265, 268. 338 Vgl. hierzu auch Salgo / Zenz / Bauer, Verfahrensbeistandschaft, Rn. 1520 mit einer detaillierten Aufzählung der Rechte des Verfahrensbeistands.
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E. Die Verfahrensbeistandschaft gemäß § 158 FamFG
Regelung, die der Verfahrensbeistand nur im Rahmen seiner eigenen Beteiligung, nicht jedoch stellvertretend für den beteiligten Minderjährigen abgeben kann. 339 Da der Verfahrensbeistand kein gesetzlicher Vertreter des minderjährigen Kindes i. S. v. § 9 Abs. 2 FamFG ist, erfolgt die Zustellung an den Minderjährigen nach § 15 Abs. 2 FamFG i. V. m. § 170 ZPO weiterhin an die gesetzlichen Vertreter. 340 Dem Verfahrensbeistand selbst sind Schriftstücke nur aufgrund seiner eigenen Beteiligtenstellung bekannt zu geben. Ebenso kann er gemäß § 158 Abs. 4 S. 5 FamFG Rechtsmittel nur im eigenen Namen, nicht jedoch als gesetzlicher Vertreter des Minderjährigen einlegen. Insofern nimmt der Verfahrensbeistand jedoch einen wesentlichen Teil des rechtlichen Gehörs für den Minderjährigen wahr. Indem er durch die Zustellung der gerichtlichen Entscheidung Kenntnis von ihrem Inhalt erlangt, erhält er die Möglichkeit diese für den Minderjährigen daraufhin zu überprüfen, ob im Kindesinteresse Rechtsmittel einzulegen sind. Somit wird der Zweck der Zustellung 341 durch den Verfahrensbeistand als Interessenvertreter des Kindes erfüllt, ohne dass es der Änderung der gesetzlichen Vertretungsverhältnisse bedarf. Gleiches gilt auch hinsichtlich der Zustellung der im Verfahren bekanntzugebenden Dokumente, die dem Verfahrensbeistand als Beteiligtem ebenfalls zugehen, sodass er diese hinsichtlich ihrer Auswirkungen für das Kind prüfen und gegebenenfalls entsprechend im Verfahren tätig werden kann. Allerdings bleibt insofern zu beachten, das dieser Umweg über den Verfahrensbeistand die Beteiligtenstellung des Minderjährigen zwar unterstützt, jedoch nicht vollständig in der Person des Minderjährigen verwirklicht wird. Der Verfahrensbeistand kann grundsätzlich für den Minderjährigen Stellungnahmen 342 und Erklärungen abgeben, soweit diese keine rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen darstellen. In der Regel erfolgen die Erklärungen des Verfahrensbeistands jedoch aufgrund seiner eigenen Beteiligtenstellung. Im Rahmen seiner Funktion als Interessenvertreter kann er die Beteiligtenrolle des Minderjährigen im Kindschaftsverfahren allerdings konkret dadurch unterstützen, dass er ihm hilft, seine Pflichten nach §§ 27, 28 FamFG wahrzunehmen. Hinsichtlich der Anhörung greift § 159 FamFG als spezialgesetzliche Regelung. Hier kann der Verfahrensbeistand als Anwesender bei der Anhörung dem Minderjährigen unterstützend und informierend zur Seite stehen. Somit kann ein wesentliches verfahrensrechtliches Defizit durch die Bestellung eines Verfahrensbeistandes behoben werden, nämlich die Gewährung rechtlichen Gehörs für den Minderjäh339 Zur Zustimmung des Verfahrensbeistands zu einer einvernehmlichen Regelung nach § 156 Abs. 2 FamFG siehe E. II. 4. b) aa). 340 Vgl. hierzu auch BGH, FamRZ 2007, 538, 539; OLG Oldenburg, NJW 2010, 1888, 1889; Schael, FamRZ 2009, 265, 269. 341 BVerfGE 67, 208, 211 = BVerfG, NJW 1984, 2567, 2568; BVerfG, NJW 1988, 2361; MünchKomm-ZPO / Häublein, § 166, Rn. 5. 342 Z. B. nach § 30 Abs. 4 FamFG.
II. Die gesetzliche Ausgestaltung der Verfahrensbeistandschaft
207
rigen während des Verfahrens. Zum einen gewährleistet der Verfahrensbeistand durch seine Pflicht, den Minderjährigen gemäß § 158 Abs. 4 S. 2 FamFG über Gegenstand, Ablauf und möglichen Ausgang während des gesamten Verfahrens zu unterrichten, dass dieser über die hierfür notwendigen Informationen verfügt. Zum anderen besteht die Hauptaufgabe des Verfahrensbeistands gerade darin, die Interessen des Minderjährigen festzustellen und in das Verfahren einzubringen, ihm also das rechtliche Gehör zu vermitteln. 343 Mithin kann der Verfahrensbeistand diese Lücke im Kindschaftsverfahren schließen und so die Subjektstellung des Minderjährigen effektiv sicherstellen. Im Ergebnis zeigt sich damit, dass der Verfahrensbeistand aufgrund seiner fehlenden gesetzlichen Vertretungsbefugnis für den Minderjährigen dessen Beteiligtenstellung nur bedingt direkt unterstützen kann. In Bezug auf das rechtliche Gehör kann er allerdings ein wesentliches bisheriges Defizit im Kindschaftsverfahren sowohl während des Verfahrens als auch bezüglich der Prüfung der Endentscheidung effektiv schließen. Im Übrigen erweist sich die Konstruktion der Verfahrensbeistandschaft als eine nur indirekte Hilfestellung, indem dem Minderjährigen ein weiterer verfahrensfähiger Beteiligter zur Seite gestellt wird 344, dem die gleichen Ziele und Interessen vorgegeben sind wie sie auch dem Minderjährigen unterstellt werden. Damit handelt der Verfahrensbeistand nicht anstelle und im Rahmen der Beteiligung des minderjährigen Kindes, sondern lediglich im Rahmen seiner eigenen Beteiligtenstellung im Verfahren. Dieser Umweg über eine zweite Person neben dem Minderjährigen entspricht der Intention des Gesetzgebers und der Vorgabe des Grundgesetzes das Elternrecht nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG so wenig wie möglich zu beeinträchtigen. Im Gegenzug besteht allerdings auch kein lückenloser Schutz des Minderjährigen und seiner eigenständigen Beteiligtenstellung im Kindschaftsverfahren. Konkret verbleiben die Antrags- und Antragsrücknahmebefugnis sowie die Vertretung bei der Zustimmung des Minderjährigen zu einer einvernehmlichen Regelung nach § 156 Abs. 2 FamFG bei den gesetzlichen Vertretern des nicht verfahrensfähigen Minderjährigen. Insofern erscheint es fragwürdig, warum bei Vorliegen der Regelbeispiele gemäß § 158 Abs. 2 BGB, welche die Vermutung implizieren, dass die Eltern als gesetzliche Vertreter des Minderjährigen aufgrund der bestehenden Konfliktlage ausscheiden müssen, diese jedoch weiterhin zur rechtsgeschäftlichen und interessenbezogenen Vertretung des verfahrensunfähigen Kindes berechtigt bleiben sollen und ihnen lediglich ein Verfahrensbeistand zur Seite gestellt wird. 345 343
Siehe E. II. 4. a). So auch Ahlert, Verfahrensbeistand, S. 116. 345 So auch Zorn, Rpfleger 2009, 421, 426. Vgl. auch OLG Oldenburg, NJW 2010, 1888, 1889; Bumiller / Harders, FamFG, § 158, Rn. 1; Kemper / Schreiber / Völker / Clausius, FamFG, § 158, Rn. 6. 344
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E. Die Verfahrensbeistandschaft gemäß § 158 FamFG
Insbesondere soweit ein Interessenwiderstreit i. S. v. § 158 Abs. 2 Nr. 1 FamFG bejaht wird, ist zu berücksichtigen, dass auch die Voraussetzungen des § 1796 Abs. 2 BGB erfüllt sein können, sodass die Vertretungsmacht möglicherweise zu entziehen ist. 346 Es bleibt damit festzustellen, dass die Konstruktion des Gesetzgebers, die den Verfahrensbeistand als reinen Interessenvertreter neben dem Minderjährigen und seinen gesetzlichen Vertretern positioniert, lückenhaft ist. Wie diese Lücken geschlossen werden könnten und wie sich dabei insbesondere Verfahrensbeistandschaft und Ergänzungspflegschaft zueinander verhalten, wird daher noch genauer zu untersuchen sein. 347 c) Das Verhältnis zum Gericht Grundsätzlich ist der Verfahrensbeistand als eigenständiger Beteiligter gegenüber dem Gericht weisungsfrei und unabhängig. Zwar nimmt er insofern eine den Richter unterstützende Stellung ein 348, als er seinen Teil dazu beiträgt, eine umfassende Sachverhaltsaufklärung durch Einbringung der Kindesinteressen zu gewährleisten. Aber er wirkt gerade nicht als „rechte Hand des Richters“, da dies seiner Funktion als unabhängigem Interessenvertreter des Minderjährigen widersprechen würde. 349 Vielmehr obliegt dem Verfahrensbeistand in gewisser Weise eine Kontrollfunktion gegenüber dem Gericht. Denn er soll darauf achten, dass das Verfahren möglichst kindgerecht gestaltet und streng am Kindeswohl ausgerichtet ist. 350 Seine Handlungsmöglichkeiten beschränken sich allerdings auf positive Anregungen gegenüber dem Gericht. Zu beachten ist jedoch, dass die Auswahl der konkru. a.s Verfahrensbeistand zu bestellenden Person, die Übertragung des erweiterten Aufgabenbereichs nach § 158 Abs. 4 S. 3 FamFG sowie die gegebenenfalls erforderliche Aufhebung der Bestellung im Ermessen des Gerichts liegen, bei dem die Kindschaftssache anhängig ist. Aufgrund dieser Konzentration der Gestaltungsmöglichkeiten der Verfahrensbeistandschaft wird vielfach auf eine mögliche Gefährdung der Unabhängigkeit des Verfahrensbeistands gegenüber dem Gericht hingewiesen. 351 346
158.
347
Vgl. hierzu auch Schael, FamRZ 2009, 265, 269; Schürmann, FamFR 2009, 153,
Siehe F. II. So bereits Salgo, Anwalt des Kindes, S. 564. 349 Salgo / Zenz / Bauer, Verfahrensbeistandschaft, Rn. 394; Grüttner, ZKJ 2006, 61, 66. Vgl. auch Holzer / Menne, FamFG, § 158, Rn. 96. 350 Grüttner, ZKJ 2006, 61, 66; Zorn, Rpfleger 2009, 421, 426. 351 Zitelmann, Kindeswohl und Kindeswille, S. 368; Salgo / Lack, FPR 2012, 353, 358; Knödler, ZKJ 2010, 135, 139; Stötzel, JAmt 2009, 213, 217; Trenczek, ZKJ 2009, 196, 199; Veit, FF 2008, 476, 479. Zur Problematik einer möglichen Instrumentalisierung des Verfahrensbeistands durch das Gericht vgl. auch Salgo / Zenz / Bauer, Verfahrensbeistandschaft, Rn. 383 f. 348
II. Die gesetzliche Ausgestaltung der Verfahrensbeistandschaft
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Insbesondere die Möglichkeit, dem Verfahrensbeistand im Einzelfall den erweiterten Aufgabenbereich mit den entsprechenden vergütungsrechtlichen Folgen zu übertragen, wird zum Teil als wirtschaftlich sanktionierbare Weisungsbefugnis interpretiert, da dem Verfahrensbeistand indirekt vorgegeben wird, wie viel Zeit er für seine Tätigkeit aufwenden darf. 352 Zudem wird darauf hingewiesen, dass der Verfahrensbeistand in seiner Entscheidung, ob er Rechtsmittel gemäß § 158 Abs. 4 S. 5 FamFG einlegt, von der Sorge geleitet werden könnte, das Ausgangsgericht werde ihn dann in Zukunft möglicherweise nicht wieder bestellen. 353 Zwar hat der Staat im Rahmen seines Wächteramtes und seiner Schutzpflicht gegenüber dem Kind eine gewisse Kontrollpflicht in Bezug auf den Verfahrensbeistand. Dieser muss aber dennoch unabhängiger Beteiligter bleiben. Keinesfalls darf ein System der Gefälligkeiten entstehen. 354 Den internen Interessenwiderstreit des Verfahrensbeistands, der sich daraus ergeben mag, dass er vom Gericht wieder bestellt werden möchte, seine Aufgaben aber unabhängig von dessen Wohlwollen ausführen muss, hat er professionell zu bewältigen. 355 Gleiches gilt für das Gericht, das entsprechend seiner Stellung als unabhängiges und objektives Organ der Rechtspflege den Verfahrensbeistand losgelöst von persönlichen Präferenzen, in jedem Fall aber ohne Rücksicht darauf auswählen muss, ob sich dieser oder jener als unbequem erwiesen oder Rechtsmittel gegen getroffene Entscheidungen eingelegt hat. Das kann beispielsweise dadurch unterstützt werden, dass Listen von Verfahrensbeiständen der jeweiligen Gerichtsbezirke erstellt werden und man auf eine gleichmäßige Verteilung der Bestellungen achtet. 356 d) Fazit Die gesetzliche Klarstellung hinsichtlich der vollwertigen Beteiligtenstellung des Verfahrensbeistands in § 158 Abs. 3 S. 2 FamFG hat seine Rechtsposition gestärkt und schafft Rechtssicherheit. Der Verfahrensbeistand ist gegenüber allen übrigen Beteiligten weisungsfrei und nunmehr ausdrücklich Inhaber aller Beteiligtenrechte und -pflichten, ausgenommen der Kostentragung gemäß § 158 Abs. 8 FamFG. Damit stehen ihm umfangreiche Handlungsbefugnisse im Verfahren zu. Diese begrenzen sich jedoch zumeist auf Handlungen aus seiner eigenen 352
Vgl. Salgo / Zenz / Bauer, Verfahrensbeistandschaft, Rn. 1856. Knödler, ZKJ 2010, 135, 140. 354 Salgo, FPR 2006, 12, 16. 355 Ebenso bereits Bode, Praxishandbuch, S. 61. 356 Vgl. Salgo, FPR 2006, 12, 16. Abzulehnen ist hingegen der Vorschlag, Maßnahmen wie etwa die Entpflichtung des Verfahrensbeistands einem anderen Richter zu übertragen, da dies das Verfahren entgegen dem Kindeswohl und Beschleunigungsprinzip unnötig schwerfällig machen würde. 353
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E. Die Verfahrensbeistandschaft gemäß § 158 FamFG
Beteiligtenstellung heraus. Des Weiteren ist er gemäß § 158 Abs. 4 S. 6 FamFG ausdrücklich nicht gesetzlicher Vertreter des minderjährigen Kindes, für das er bestellt ist. Dies schränkt seine Handlungsmöglichkeiten in Bezug auf den Minderjährigen wiederum ein. Er tritt nicht an die Stelle der Eltern, sondern als Vertreter eigener Art neben diese. Die Eltern bleiben trotz seiner Bestellung weiter zur gesetzlichen Vertretung des Minderjährigen, auch hinsichtlich seiner subjektiven Interessen, im Verfahren berechtigt. Insofern überschneiden sich die Befugnisse des Verfahrensbeistands mit denen der gesetzlichen Vertreter, was die Gefahr der Widersprüchlichkeit der Interessenvertretung und der Schwerfälligkeit des Verfahrens begründet. Hervorzuheben ist jedoch, dass der Verfahrensbeistand durch seine Aufgabe, den Minderjährigen gemäß § 158 Abs. 4 S. 2 FamFG über Gegenstand, Ablauf und möglichen Ausgang während des gesamten Verfahrens zu informieren und dessen Interessen in das Verfahren einzubringen, ihm unabhängig von seinen gesetzlichen Vertretern das rechtliche Gehör vermittelt und damit ein wesentliches Defizit im Kindschaftsverfahren behebt. Zudem erfüllt er in seiner Person und unabhängig von den Eltern für den Minderjährigen den Sinn und Zweck der Zustellung, indem er selbstständig im Kindesinteresse die Endentscheidung prüfen und gegebenenfalls Rechtsmittel einlegen kann. Insgesamt handelt der Verfahrensbeistand mithin zwar aus seiner eigenen Beteiligtenstellung heraus und nicht aus der des minderjährigen Kindes. Indem er jedoch dessen Interessen spiegelt und dem Kindeswohl verpflichtet ist, gewährleistet er die Subjektstellung des Minderjährigen, ohne das Elternrecht nach Art. 6 Abs. 2 GG einzuschränken. Dieser Schutz ist mit Blick auf Verfahrenshandlungen, die eine gesetzliche Vertretung erfordern, jedoch nicht lückenlos. Problematisch bleibt zudem, dass der Verfahrensbeistand im Verhältnis zum Gericht trotz der gesetzlichen Regelung beispielsweise in Bezug auf die Übertragung des erweiterten Aufgabenkreises seine Unabhängigkeit bewahren muss. 6. Die Entschädigung für die Verfahrensbeistandschaft a) Die Neuregelung des § 158 Abs. 7 FamFG Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum FGG-Reformgesetz wurde bei der Neufassung von § 158 FamFG auch die Entschädigungsregelung für die Verfahrensbeistandschaft überarbeitet. Der ursprüngliche Gesetzentwurf der Bundesregierung sah zunächst einen dem bisherigen § 50 Abs. 5 FGG entsprechenden Abs. 7 vor 357, der auf § 277 FamFG verwies und damit über dessen Abs. 2 357 BT-Drucksache 16/6308, S. 240: „Absatz 7 entspricht dem bisherigen § 50 Abs. 5 FGG.“
II. Die gesetzliche Ausgestaltung der Verfahrensbeistandschaft
211
S. 2 das VBVG für anwendbar erklärte. 358 Der Bundesrat erhob hiergegen jedoch Einwendungen, da er eine erhöhte Belastung der Länderhaushalte durch steigende Kosten aufgrund einer der neuen Vorschrift immanenten Ausweitung der Bestellungsgründe und der Aufgaben des Verfahrensbeistands befürchtete. 359 Er schlug daher eine Deckelung der Vergütung auf höchstens 2,0 Gebühren eines Rechtsanwaltes für den gesamten Anwendungsbereich des § 277 FamFG, also insgesamt für alle Verfahrenspflegschaften und -beistandschaften nach dem FamFG, vor. 360 Mit dem Hinweis, dass die verfassungsrechtlich gebotene auskömmliche Vergütung des Verfahrensbeistands so nicht gewährleistet werden könne, aber dennoch die Belastung der Länderhaushalte begrenzt werden müsse, lehnte der Rechtsausschuss des Bundestages eine solche Deckelung jedoch ab. Stattdessen empfahl der Ausschuss die Einführung einer Vergütungspauschale in § 158 Abs. 7 FamFG. 361 Begründet wurde dies damit, dass die Vergütung hierdurch unbürokratisch und kostengünstig gestaltet sowie der Abrechnungs- und Kontrollaufwand maßgeblich reduziert werden könne. So sollte gewährleistet werden, dass sich der Verfahrensbeistand verstärkt auf seine eigentliche Aufgabe, nämlich die Interessenvertretung des Minderjährigen, konzentriere. Seine auskömmliche Vergütung sollte dabei durch die Mischkalkulation aus einfach und komplexer gelagerten Fällen gewährleistet werden. 362 Im Folgenden wurde die Vergütungspauschale entgegen dem kritischen Echo in Literatur und Praxis 363 wie vorgeschlagen in das Gesetz mit aufgenommen. Die neue Regelung des § 158 Abs. 7 FamFG 364 differenziert weiterhin zwischen berufsmäßig und nicht berufsmäßig, d. h. ehrenamtlich geführter Verfahrensbei358
In der Literatur wurde bereits in diesem Stadium auch die Möglichkeit einer Fallpauschale diskutiert, jedoch als nicht sachgemäß abgelehnt, Menne, FPR 2006, 44, 47. 359 BT-Drucksache 16/6308, S. 377. 360 BT-Drucksache 16/6308, S. 385 f. 361 BT-Drucksache 16/9733, S. 294. 362 BT-Drucksache 16/9733, S. 74, 294. 363 BAG, ZKJ 2008, 322; BAG, Positionspapier zur zukünftigen Regelung des Verfahrensbeistandes gem. § 158 FamFG vom 11.05.2009; Menne, ZKJ 2009, 68, 72; Salgo, ZKJ 2009, 49, 53; Willutzki, ZKJ 2009, 228, 230. 364 § 158 Abs. 7 FamFG gilt insgesamt für die Verfahrensbeistandschaft Minderjähriger in Kindschaftssachen und durch Verweisung ebenfalls in Abstammungssachen (§ 174 S. 2 FamFG) sowie in Adoptionssachen (§ 191 S. 2 FamFG). Umstritten ist die Anwendbarkeit von § 158 Abs. 7 FamFG für Verfahren zur Unterbringung Minderjähriger nach § 167 FamFG. Für die Anwendbarkeit von § 158 FamFG z. B. Keidel / Engelhardt, FamFG, § 167, Rn. 2; MünchKomm-ZPO / Heilmann, § 167 FamFG, Rn. 23. A. A. Bumiller / Harders, FamFG, § 167, Rn. 15. Gemäß Art. 111 Abs. 1 S. 1 FGG-RG ist § 158 Abs. 7 FamFG auf diejenigen Verfahren anzuwenden, die nach Inkrafttreten des FamFG am 01.01.2009 eingeleitet wurden. Auf Verfahren, die vor diesem Zeitpunkt eingeleitet wurden oder deren
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E. Die Verfahrensbeistandschaft gemäß § 158 FamFG
standschaft. Welche Art der Verfahrensbeistandschaft besteht, ist grundsätzlich bei der Bestellung festzustellen 365, kann jedoch, wie schon beim Verfahrenspfleger 366, auch im Wege der Berichtigung gemäß § 42 FamFG nachgeholt werden. 367 Die Feststellung der Berufsmäßigkeit entfaltet hinsichtlich der Rechtsstellung des Verfahrensbeistands konstitutive Wirkung. 368 Ob eine berufsmäßige Verfahrensbeistandschaft besteht, liegt nicht im gerichtlichen Ermessen, sondern beurteilt sich, wie zuvor unter der Geltung von §§ 50 Abs. 5, 67a Abs. 2 FGG a. F. i. V. m. § 1 Abs. 1 VBVG, nach der Anzahl der gleichzeitig geführten Verfahrensbeistandschaften und der hierfür voraussichtlich erforderlichen Zeit. 369 Maßgeblich ist dabei, ob der Verfahrensbeistand seiner Tätigkeit ordnungsgemäß nur im Rahmen einer Berufstätigkeit nachzukommen vermag. Gegebenenfalls kann auf Antrag des Verfahrensbeistands die Feststellung der Berufsmäßigkeit auch mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Antragstellung nachgeholt werden. 370 Ein ehrenamtlich tätiger Verfahrensbeistand kann gemäß § 158 Abs. 7 S. 1 FamFG Aufwendungsersatz nach § 277 FamFG i. V. m. § 1835 BGB und §§ 669, 670 BGB geltend machen. Handelt es sich bei dem ehrenamtlichen Verfahrensbeistand um eine Behörde oder einen Verein, so erhält er nach § 158 Abs. 1 i. V. m. § 277 Abs. 1 S. 3 und Abs. 4 FamFG jedoch keinen Aufwendungsersatz. 371
Einleitung zumindest beantragt worden ist, gilt weiterhin § 50 Abs. 5 FGG, vgl. auch OLG Düsseldorf, FamRZ 2012, 143. 365 MünchKomm-ZPO / Schumann, § 158 FamFG, Rn. 43. Trotz fehlender Verweisung auf § 277 Abs. 2 FamFG i. V. m. § 1836 Abs. 1 BGB soll die Verfahrensbeistandschaft in der Regel nicht berufsmäßig erfolgen, Bumiller / Harders, FamFG, § 158, Rn. 20; Salgo / Zenz, Verfahrensbeistandschaft, Rn. 1801; a. A. OLG Brandenburg, FamRZ 2003, 323 zu § 50 FGG a. F. 366 LG Koblenz, FamRZ 2006, 801. 367 Der Verfahrensbeistand kann die Bestellung als solche jedoch nicht mehr wegen der fehlenden Feststellung der Berufsmäßigkeit mit der isolierten Beschwerde anfechten, um die Feststellung nachholen zu lassen, § 158 Abs. 3 S. 4 FamFG, Keidel / Engelhardt, FamFG, § 158, Rn. 35. Siehe auch E. II. 3. d). 368 Jansen / Zorn, FGG, § 50, Rn. 89; Bode, Praxishandbuch, S. 117. 369 Vgl. Salgo / Zenz, Verfahrensbeistandschaft, Rn. 1809 mit dem Hinweis, dass es durch die Pauschalvergütung nicht mehr auf die voraussichtlich erforderliche Zeit ankommen könne. 370 Keidel / Engelhardt, FamFG, § 158, Rn. 34. 371 Zum Teil wird allgemein darauf verwiesen, dass dies auch hinsichtlich der Vergütung einer berufsmäßig geführten Verfahrensbeistandschaft durch einen Verein oder eine Behörde gelte, Bumiller / Harders, FamFG, § 158, Rn. 22; Ahlert, Verfahrensbeistand, S. 146. Dem steht jedoch entgegen, dass § 158 Abs. 7 S. 1 FamFG ausschließlich für die ehrenamtliche Verfahrensbeistandschaft auf § 277 FamFG verweist, eine solche Verweisung in § 158 Abs. 7 S. 3 ff. FamFG allerdings gänzlich fehlt. Damit entspricht die Regelung den bisherigen §§ 50 Abs. 5, 67a Abs. 1 FGG. Gemäß § 158 Abs. 7 S. 6 FamFG gilt § 168 Abs. 1 FamFG im Übrigen entsprechend.
II. Die gesetzliche Ausgestaltung der Verfahrensbeistandschaft
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Die berufsmäßig geführte Verfahrensbeistandschaft i. S. v. § 158 Abs. 7 S. 2 bis S. 4 FamFG wird hingegen mit einer Pauschale vergütet. Diese beträgt gemäß § 158 Abs. 7 S. 2 FamFG 350 Euro bei Wahrnehmung der originären Aufgaben i. S. v. § 158 Abs. 4 S. 1 und S. 2 FamFG. Umfasst die Bestellung zudem den erweiterten Aufgabenbereich nach § 158 Abs. 4 S. 3 FamFG, so erhöht sich die Pauschale gemäß § 158 Abs. 7 S. 3 FamFG auf 550 Euro. Durch die Neuregelung entfällt mithin die frühere Staffelung der Vergütung in Abhängigkeit von der Qualifikation des Verfahrensbeistands. Die Höhe der Pauschale orientiert sich an den Rechtsanwaltsgebühren für den Regelstreitwert in Kindschaftssachen gemäß § 45 FamGKG in Höhe von 3.000 Euro. 372 Mit der Vergütungspauschale sind nach § 158 Abs. 7 S. 4 FamFG auch alle weiteren Kosten des Verfahrensbeistands, wie etwa Auslagen oder anfallende Umsatzsteuer, abgegolten. 373 Der Vergütungsanspruch entsteht nicht bereits mit der Entgegennahme des Bestellungsbeschlusses. Vielmehr bedarf es der tatsächlichen Wahrnehmung der Aufgaben i. S. v. § 158 Abs. 4 FamFG durch den Verfahrensbeistand. 374 Dies setzt nicht notwendigerweise eine nach außen in Erscheinung tretende Tätigkeit voraus. So soll beispielsweise das Anlegen einer Akte oder die Prüfung des Bestellungsbeschlusses bereits genügen. 375 Allerdings lässt sich der Vergütungsanspruch nicht auf Tätigkeiten des Verfahrensbeistandes vor seiner Bestellung stützen, da dieser keine Rückwirkung entfaltet. 376 Die Bestellung sowie die Übertragung des erweiterten Aufgabenkreises wirken auch im zweiten Rechtszug fort. 377 Der Vergütungsanspruch richtet sich gemäß § 158 Abs. 7 S. 5 FamFG gegen die Staatskasse. Diese kann gegebenenfalls anschließend nach §§ 1, 3 Abs. 2, 21, 24 FamGKG und 2013 FamGKG KV Rückgriff beim jeweiligen Kostenschuldner nehmen. Noch vor Inkrafttreten der Regelung hat der Gesetzgeber auf Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages hin im Rahmen des Änderungsund Modernisierungsgesetzes zum anwaltlichen und notariellen Berufsrecht und zu sonstigen Vorschriften 378 eine Ergänzung des § 158 Abs. 7 S. 2 FamFG ver372
BT-Drucksache 16/9733, S. 294. BGH, NJW 2010, 3446, 3448; OLG Rostock, ZKJ 2010, 292, 293. 374 BGH, NJW 2012, 3100, 3101; BGH, NJW 2010, 3449. 375 OLG München, NJW-RR 2010, 1448. 376 OLG Dresden, Beschluss v. 19.06.2013, 20 WF573/13, Rn. 5 (zitiert nach juris). 377 OLG München, AGS spezial 2012, 76, 77; OLG München, Rpfleger 2012, 205; OLG München, NJW 2012, 691; OLG Stuttgart, FamRZ 2011, 1533, 1534; Salgo / Zenz / Bauer, Verfahrensbeistandschaft, Rn. 1830; Salgo / Lack, FPR 2012, 353, 355 f. m. w. N. 378 Art. 8 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 23. April 2009, BT-Drucksache 16/12717, S. 50, 61; BGBl. I, S. 2449, 2471. 373
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E. Die Verfahrensbeistandschaft gemäß § 158 FamFG
abschiedet. Der Gesetzgeber reagierte damit auf die in der Literatur 379 bereits umstrittene Problematik der Vergütung des Verfahrensbeistands in der Rechtsmittelinstanz. Nunmehr fällt die Vergütungspauschale in jedem Rechtszug gesondert an. Sie wird jedoch nicht durch die bloße Einlegung eines Rechtsbehelfs ausgelöst. Erforderlich ist vielmehr ein tatsächliches Tätigwerden des Verfahrensbeistands in Bezug auf die Interessenvertretung. 380 Insofern soll es aber beispielsweise genügen, wenn der Verfahrensbeistand das eingelegte Rechtsmittel im Interesse des Kindes später wieder zurücknimmt, oder wenn er das durch andere Beteiligte eingelegte Rechtsmittel würdigend zur Kenntnis genommen hat, im Kindesinteresse jedoch keine weiteren Handlungen vornimmt. 381 Der Bundesrat forderte umgehend die Streichung der Gesetzesergänzung und rief daher im Mai 2009 den Vermittlungsausschuss an. Er regte an, zunächst belastbare Evaluationen und konkrete Zahlen zur Auswirkung der Vergütungspauschale abzuwarten, auf deren Grundlage ihre Angemessenheit konkret überprüft werden könne. 382 Der Vermittlungsausschuss bestätigte jedoch die Ergänzung 383 und der Bundestag wies den Einspruch des Bundesrates 384 gemäß Art. 77 Abs. 4 GG zurück 385, sodass die Regelung einschließlich der Ergänzung am 01.09.2009 in Kraft trat. b) Fortbildung des § 158 Abs. 7 FamFG durch die Rechtsprechung Nach Inkrafttreten des FamFG zeigten sich wesentliche rechtliche Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Vergütungspauschale gemäß § 158 Abs. 7 S. 2 FamFG. Im November 2011 stellte auch das BVerfG in einem Nichtannahmebeschluss fest, dass zwar einfachrechtliche Unklarheiten bestünden, es 379 Im Schrifttum wurde überwiegend die Auffassung vertreten, dass nach der damaligen gesetzlichen Regelung keine zweite Pauschale im Beschwerdeverfahren angefallen wäre, vgl. Menne, ZKJ 2009, 68, 73; Salgo, ZKJ 2009, 49, 57; Trenczek, ZKJ 2009, 196, 200. Ebenso der Rechtsausschuss des Bundestages: „Der Verfahrensbeistand würde danach auch im Kindschaftsverfahren, die über mehrere Instanzen ausgetragen werden, nur eine Fallpauschale erhalten.“ BT-Drucksache 16/12717, S. 61. 380 BT-Drucksache 16/12717, S. 61; OLG München, NJW 2012, 9691, 692 m. w. N. 381 Salgo / Zenz, Verfahrensbeistandschaft, Rn. 1828 f. Weitergehend OLG Celle, Beschluss v. 7.08.2012, 10 UF 158/12, Rn. 11 f. (zitiert nach juris), das die Wahrnehmung seiner Tätigkeit durch den Verfahrensbeistand verlangt. 382 BT-Drucksache 16/13082, S. 3: „Allein sinnvoll ist es daher, auf der Grundlage belastbarer Erfahrungen mit der Neuregelung zu beurteilen, ob die Vergütungsregelungen für die Verfahrensbeistände auskömmlich sind. Erst nach einer derartigen Evaluation wird entschieden werden können, ob und in welcher Weise die Vergütungsregelungen anzupassen sind.“ 383 BR-Drucksache 509/09, S. 1. 384 BT-Drucksache 16/13363, S. 1. 385 Plenarprotokoll 16/227, S. 6, Zusatzpunkt 6.
II. Die gesetzliche Ausgestaltung der Verfahrensbeistandschaft
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jedoch die Aufgabe der Fachgerichte sei, diese zu beseitigen. Erst im Anschluss daran könne das BVerfG abschließend das Ausmaß und die Wirkung der neuen Vergütungsregelung überprüfen. 386 Dem folgend haben der BGH und die obergerichtliche Rechtsprechung die einfachrechtlichen Unklarheiten inzwischen weitestgehend beseitigt. So entschied der BGH im September 2010 387, dass die Vergütungspauschale gemäß § 158 Abs. 7 S. 2 FamFG für jedes Kind gesondert anfällt, zu dessen Interessenvertretung der Verfahrensbeistand im Verfahren bestellt wurde, auch wenn er in einem einheitlichen Verfahren für mehrere Kinder (beispielsweise Geschwister) tätig wird. 388 Dies ergebe sich zum einen aus dem Wortlaut des § 158 FamFG, der jeweils auf die Bestellung des Verfahrensbeistands für das Kind und nicht für das Verfahren abstelle. 389 Zum anderen sei dieses Ergebnis aber auch nach Sinn und Zweck des § 158 FamFG zwingend, wonach dem Kind ein effektiver Verfahrensbeistand zur Seite gestellt werden soll, dessen auskömmliche Vergütung insbesondere aus verfassungsrechtlichen Gründen abgesichert werden müsse. 390 Nach einhelliger und nunmehr vom BGH bestätigter Auffassung fällt des Weiteren je eine Pauschale an, wenn der Verfahrensbeistand hinsichtlich desselben Verfahrensgegenstandes einerseits im Hauptsacheverfahren und andererseits in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bestellt wird. 391 Denn § 51 Abs. 3 FamFG normiert die jeweilige Selbstständigkeit von Hauptsache und einstweiligem Verfahren, sodass auch jeweils gesonderte Gebühren anfallen. Diese Auslegung sei wiederum nach Sinn und Zweck des § 158 Abs. 7 FamFG zwingend, da nur so die Möglichkeit einer auskömmlichen Vergütung und damit die Effektivität des Verfahrensbeistands sichergestellt werden könne. 392 386
BVerfG, NJW 2010, 359. BGH, NJW 2010, 3446 ff.; BGH, NJW 2010, 3449. 388 So auch BGH, NJW 2012, 3100, 3101; OLG Hamm, Beschluss v. 25.10.2010, II 6 WF 130/10, Rn. 9 (zitiert nach juris); OLG Dresden, Rpfleger 2010, 588; OLG München, NJW-RR 2010, 1448, 1449; OLG Oldenburg, FuR 2010, 479; OLG Saarbrücken, Beschluss v. 13.04.2010, 9 WF 28/10, Rn. 9 (zitiert nach juris); OLG Celle, NJW 2010, 2446, 2447; OLG Stuttgart, NJW-RR 2010, 1013, 1014; zustimmend Menne, ZKJ 2009, 68, 74; Stötzel / Balloff, ZKJ 2009, 330, 333; Willutzki, ZKJ 2009, 228, 230; a. A. OLG Bamberg, Rpfleger 2010, 588, 590; AG Hamburg, Beschluss v. 07.12.2009, 271 F 159/09, Rn. 11 f. (zitiert nach juris). 389 BGH, NJW 2010, 3446, 3447; BGH, NJW 2010, 3449. 390 BGH, NJW 2010, 3446, 3448: „Eine restriktive Auslegung des § 158 FamFG trägt die Gefahr in sich, dass den vorstehend genannten Anforderungen auch unter Berücksichtigung einer Mischkalkulation nicht mehr hinreichend Rechnung getragen wird.“ 391 BGH, NJW 2011, 455, 456; OLG Naumburg, Beschluss v. 18.08.2011, 8 WF 192/11, Rn. 13 (zitiert nach juris); OLG Saarbrücken, ZKJ 2010, 378, 379. 392 BGH, NJW 2011, 455, 457. 387
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E. Die Verfahrensbeistandschaft gemäß § 158 FamFG
Zudem soll der Verfahrensbeistand jeweils eine gesonderte und gegebenenfalls i. S. v. § 158 Abs. 7 S. 3 FamFG erhöhte Vergütungspauschale erhalten, wenn er für dasselbe Kind in zwei parallel geführten Verfahren mit unterschiedlichen Streitgegenständen bestellt wird. 393 Dies gilt darüber hinaus auch, wenn unterschiedliche Verfahrensgegenstände, wie etwa Sorgerecht und Umgang, außerhalb des Scheidungsverbundes zusammen in einem Verfahren behandelt werden. 394 Denn die Bestellung des Verfahrensbeistands erfolge jeweils für den Verfahrensgegenstand und nicht für das Verfahren im förmlichen Sinne. Dies lasse sich vor allem aus dem Wortlaut des § 158 Abs. 4 S. 3 FamFG, der auf den Verfahrensgegenstand abstellt, ableiten. 395 Allerdings fällt die Vergütungspauschale trotz Bestellung des Verfahrensbeistands für mehrere Verfahrensgegenstände nur einmal an, wenn diese gemäß § 137 FamFG im Verbund verhandelt werden 396, da die Verfahrensgegenstände kostenrechtlich dann als ein Verfahren gelten. 397 Die Rechtsprechung hat auch geklärt, dass bei dem Verlängerungsbeschluss im einstweiligen Anordnungsverfahren zur geschlossenen Unterbringung von Kindern und Jugendlichen nach § 1631b BGB eine erneute Bestellung des Verfahrensbeistands erforderlich ist und somit eine zusätzliche Vergütungspauschale anfällt. 398 Ferner fällt die Pauschale erneut an, wenn eine Entscheidung in der Rechtsmittelinstanz aufgehoben und das Verfahren an das Ausgangsgericht zurückverwiesen wird, da es sich dabei um ein neues Verfahren handelt. 399 Des Weiteren wurde entschieden, dass eine Kürzung der Pauschale, wenn im Einzelfall ein nur unterdurchschnittlicher Aufwand des Verfahrensbeistands festgestellt werden kann, mangels gesetzlicher Anknüpfungspunkte ausscheiden muss. 400 Eine solche Einzelfallbewertung würde auch im Widerspruch zur Intention des Gesetzgebers stehen, gerade den Kontroll- und Abrechnungsaufwand durch die Pauschalvergütung zu minimieren. Offen geblieben ist bislang die Frage, wie sich das Ruhen eines Verfahrens und seine spätere Fortsetzung auf die Bestellung und somit auf den Anfall der Vergütungspauschale des Verfahrensbeistands auswirkt. 401 393
BGH, FamRZ 2011, 467, 468. BGH, NJW 2012, 3100, 3101; OLG Dresden, Beschluss v. 19.06.2013, 20 WF573/ 13, Rn. 7 (zitiert nach juris); Holzer / Menne, FamFG, § 158, Rn. 137. Vgl. hierzu auch Oevermann, FPR 2012, 370, 372. 395 BGH, NJW 2012, 3100, 3101. 396 OLG München, MDR 2012, 1229, 1230. 397 So fallen gemäß § 44 Abs. 1 FamGKG auch die Gerichtskosten und gemäß § 16 Nr. 4 i. V. m. § 15 Abs. 2 RVG die Anwaltsgebühren nur einmal an. 398 OLG Naumburg, Beschluss v. 18.08.2011, 8 WF 192/11, Rn. 12 (zitiert nach juris). 399 OLG Saarbrücken, Beschluss v. 10.12.2012, 9 WF 409/12, Rn. 7 ff. (zitiert nach juris); Holzer / Menne, FamFG, § 158, Rn. 143. 400 OLG Frankfurt a. M., ZKJ 2011, 64, 65. 401 Vgl. Menne, ZKJ 2009, S. 68, 74. 394
II. Die gesetzliche Ausgestaltung der Verfahrensbeistandschaft
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c) Kritische Betrachtung der Neuregelung Seinerzeit wurde § 50 FGG a. F. in der Rechtsprechung und Literatur stark kritisiert. Dabei fand die Diskussion um die unterschiedlichen Ansichten hinsichtlich Funktion und Aufgabenkreis des Verfahrenspflegers maßgeblich im Rahmen der Festsetzung der Vergütung statt. 402 Dies entfällt nunmehr aufgrund der von Umfang und Zeitaufwand der Tätigkeit unabhängigen Vergütungspauschale gemäß § 158 Abs. 7 S. 2 bis S. 4 FamFG. Dennoch befasste sich die Rechtsprechung zur Neuregelung des § 158 FamFG nach dessen Inkrafttreten überwiegend mit Streitigkeiten vor allem in Bezug auf die Vergütungsfestsetzung, was jedoch einer allgemeinen Kritik an der neu eingeführten Vergütungspauschalierung Rechnung trägt. Die Rollendefinition des Verfahrensbeistands und das Erfordernis der effektiven Wahrnehmung der Kindesinteressen wird dabei nur noch mittelbar diskutiert. Die Kritik setzt bereits bei dem Entscheidungsprozess für die Vergütungspauschale während des Gesetzgebungsverfahrens an. Kritisch beurteilt wird zunächst, dass die Pauschale als Kompromiss eingeführt wurde, um den Widerspruch des Bundesrates gegen die Reform insgesamt zu verhindern. 403 Eine fachliche Diskussion über die Erforderlichkeit und die tatsächlichen Auswirkungen der Vergütungsregelung habe hingegen nicht stattgefunden. 404 Insbesondere hätten der gesetzgeberischen Entscheidung weder tatsächlich greifbare wissenschaftliche Erkenntnisse über die durch die Verfahrenspflegschaft verursachten Kosten zugrunde gelegen, 405 noch sei berücksichtigt worden, in welchem Umfang ein Kostenrückgriff bei den Verfahrensbeteiligten als Kostenschuldnern vorgenommen werden könnte und welche Kosten die Justizhaushalte damit am Ende tatsächlich zu bewältigen haben. 406 Dies bestätigen die Gesetzesmaterialien. Der Bundesrat sprach sich von Beginn an gegen die Neuregelung des § 158 FamFG aus und begründete seine Haltung mit der von ihm befürchteten Erhöhung der von den Länderhaushalten zu tragenden Kosten aufgrund einer angenommenen Ausweitung der Bestellungsgründe durch § 158 Abs. 2 FamFG. 407 Diese Annahme war jedoch fehlerhaft. Die neu eingeführten Regelbeispiele in § 158 Abs. 2 FamFG brachten im Vergleich zu § 50 FGG a. F. faktisch keine nennenswerte Erweiterung der Bestellungsgründe
402 Siehe C. II. 6. Zusammenfassende Darstellung auch bei Kieswetter / Schröder, FPR 2006, 20 ff. 403 Lenz, Rechtsgutachten VAK; Salgo, ZKJ 2009, 49, 56. 404 BAG, ZKJ 2008, 343, 345. 405 BAG, ZKJ 2008, 343, 344; Menne, ZKJ 2009, 68, 72; Salgo, ZKJ 2009, 49, 55. 406 Salgo in: Lipp / Schumann / Veit, FamFG-Reform, S. 186. 407 BT-Drucksache 16/6308, S. 377.
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E. Die Verfahrensbeistandschaft gemäß § 158 FamFG
mit sich. 408 Zwar wurde mit § 158 Abs. 2 Nr. 5 FamFG ein neues Regelbeispiel eingeführt, aber die darunter zu fassenden Umgangsstreitigkeiten waren zuvor bereits Gegenstand der Generalklausel des § 50 Abs. 1 FGG a. F. Die Neuregelung hat mithin lediglich gesetzliche Klarstellungswirkung. Des Weiteren führt auch die Neugestaltung der Beteiligtenstellung nach § 7 FamFG 409 zu keiner anderen Beurteilung. Denn die Bestellung des Verfahrenspflegers nach § 50 FGG a. F. setzte seinerzeit keine formelle Beteiligung des minderjährigen Kindes am Gerichtsverfahren voraus. Allenfalls unter praktischen Gesichtspunkten könnte die Anerkennung der umfassenden Beteiligtenstellung des Minderjährigen auf Seiten des Gerichtes eine gesteigerte Sensibilität und damit auch eine rein faktische, jedoch zu vernachlässigende Zunahme der Bestellungen mit sich bringen. 410 Auch die bei der Diskussion im Gesetzgebungsverfahren einbezogenen Zahlen der Verfahrenspflegerbestellung 411 beruhten lediglich auf kleineren, nicht repräsentativen Untersuchungen und auf wenig aussagekräftigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Sie stellten daher keine ausreichende Basis dar, von der man Anhaltspunkte für die durch die Verfahrensbeistandschaft zukünftig verursachten Kosten hätte ableiten können. Daher beruhte die Diskussion im Gesetzgebungsverfahren insgesamt auf nicht fundierten Annahmen und ließ eine fachlich werthaltige Auseinandersetzung mit der Frage der Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit der Vergütungspauschale vermissen. In der Literatur und von den betroffenen Berufsverbänden wird überdies die im Gesetzgebungsverfahren verfolgte Intention, einen Gleichlauf der Vergütung von Verfahrensbeiständen und in Kindschaftssachen tätigen Rechtsanwälten herbeizuführen 412 äußerst kritisch bewertet. 413 Es fehle von vornherein an der Vergleichbarkeit der beiden Tätigkeitsfelder, denn die Arbeitsweise und der erforderliche Zeitaufwand eines Rechtsanwaltes bei der Vertretung eines Mandanten unterscheide sich erheblich von der eines Verfahrensbeistandes im speziellen Fall der Interessenvertretung Minderjähriger. 414 Dem ist zwar grundsätzlich zuzustimmen. Der Gesetzgeber zog jedoch vorliegend konkret den als Verfahrenspfleger 408
So auch BAG, ZKJ 2008, 343, 344; Willutzki, ZKJ 2009, 228, 230. Siehe hierzu D. II. 2. 410 Eine ähnliche Entwicklung war bei den Verfahrenspflegerbestellungen nach § 50 FGG a. F. in den Jahren 1999 bis 2009 zu beobachten, vgl. z. B. Salgo, ZKJ 2009, 49, 51. 411 BT-Drucksache 16/6308, S. 377, mit Verweis auf Salgo, FPR 2006, 7 ff. Vgl. hierzu auch Salgo in: Lipp / Schumann / Veit, FamFG-Reform, S. 169, 172. 412 BT-Drucksache 16/9733, S. 294. 413 Prütting / Helms / Stößer, FamFG, § 158, Rn. 30; BAG, ZKJ 2008, 343, 345; BAG, Positionspapier zur zukünftigen Regelung des Verfahrensbeistandes gem. § 158 FamFG vom 11.05.2009; Bode, ZKJ 2009, 410, 411; Menne, ZKJ 2009, 68, 73; Prenzlow, ZKJ 2008, 464, 466; Vogel, FPR 2010, 43, 46. 414 Salgo, ZKJ 2009, 49, 55; BAG, ZKJ 2008, 343, 345; ebenso schon OLG Oldenburg, FamRZ 2005, 391, 392; Schweppe, FPR 2002, 251, 256. 409
II. Die gesetzliche Ausgestaltung der Verfahrensbeistandschaft
219
nach § 50 FGG a. F. tätigen Rechtsanwalt vergleichsweise heran. 415 Somit trägt der Ansatz der Andersartigkeit der Tätigkeit hier nicht. Allerdings ist festzustellen, dass durch die Einführung der Vergütungspauschale im Ergebnis gerade kein Gleichlauf mit der Vergütung von Rechtsanwälten erzielt werden kann. 416 Denn ein Rechtsanwalt kann neben seiner Vergütung zusätzlich Umsatzsteuer und Auslagenpauschale geltend machen. Dies ist für den Verfahrensbeistand gemäß § 158 Abs. 7 S. 4 FamFG gerade ausgeschlossen. Darüber hinaus ist auch der für die Gebührenberechnung des Rechtsanwaltes maßgebliche Gegenstandswert 417 grundsätzlich flexibel. 418 Dies schließt die starre Vergütungspauschale nach § 158 Abs. 7 S. 2 und 3 FamFG jedoch aus. Damit bleibt die Vergütung des Verfahrensbeistands im Ergebnis zumeist hinter der eines Rechtsanwaltes zurück. Der Einschätzung des Gesetzgebers, diese Gebührenreduktion sei erforderlich, da der Verfahrensbeistand gegenüber dem Rechtsanwalt weniger qualifiziert sei 419, kann nicht gefolgt werden. Denn gerade die spezifische Tätigkeit des Verfahrensbeistands bedarf einer besonderen, auf die Kindesinteressen ausgerichteten Qualifikation in unterschiedlichen Fachbereichen 420, welche bei einem rein juristisch vorgebildeten Rechtsanwalt nicht per se vorhanden ist. Die Divergenz in der Gebührenhöhe ist daher nicht nachvollziehbar und wird zu Recht kritisiert. Des Weiteren wird die Streichung der abgestuften Vergütung je nach Qualifikationsgrad des Verfahrensbeistands in der Literatur und von den Berufsverbänden als problematisch empfunden. 421 Es wird befürchtet, dass damit jeglicher Anreiz für die als Verfahrensbeistand tätigen Personen, sich weiterzubilden und Qualifikationen zu erwerben, fehle. Dies sei jedoch gerade maßgebliche Vor415
BT-Drucksache 16/6308, S. 386: „Das Gesetz sieht vor, dass ein Rechtsanwalt die Aufgaben des Verfahrensbeistands bzw. -pflegers ausfüllt. Daher ist es sachgerecht, für die Vergütung des Verfahrensbeistands bzw. -pflegers eine Höchstgrenze vorzusehen, die sich an den typischerweise relevanten Gebührentatbeständen des RVG orientiert.[...] Die sich danach ergebende Gebühr von 2,5 ist allerdings maßvoll auf 2,0 Gebühren zu reduzieren, da der Rechtsanwalt als Verfahrensbevollmächtigter für diese Aufgabe besonders qualifiziert ist.“ 416 So auch Menne, ZKJ 2009, 68, 73; Oevermann, FPR 2012, 370, 373; Prenzlow, ZKJ 2008, 464, 466; Willutzki, ZKJ 2009, 228, 230; Willutzki, ZKJ 2008, 270, 271. 417 Der Gegenstandswert betrugt gemäß § 94 Abs. 1 und 2 i. V. m. § 30 Abs. 2 KostO a. F. regelmäßig 3.000 Euro, konnte nach Lage des Falles jedoch auch niedriger oder höher (bis zu 500.000 Euro) angenommen werden. Nunmehr gelten die §§ 45, 46 FamGKG i. V. m. der KostO. 418 Des Weiteren steht einem Rechtsanwalt theoretisch die Möglichkeit der Honorarvereinbarung offen. 419 BT-Drucksache 16/6308, S. 386. 420 Z. B. in den Fachgebieten der Psychologie, Familienrecht, Sozialwissenschaften etc., siehe E. II. 3. b). 421 Lenz, Rechtsgutachten VAK; Bode, ZKJ 2009, 410, 413.
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E. Die Verfahrensbeistandschaft gemäß § 158 FamFG
aussetzung für die Absicherung des Qualitätsstandards der Interessenvertretung Minderjähriger. Im Ergebnis liege somit ein Widerspruch zu dem Erfordernis der Bestellung eines „geeigneten“ Verfahrensbeistandes gemäß § 158 Abs. 1 FamFG vor. 422 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass die Vergütung nicht als einziger und ausschließlicher Anreiz für die Aus- und Weiterbildung der Verfahrensbeistände verstanden werden kann. Vielmehr üben auch die maßgeblichen Berufsverbände und die Gerichte über ihre Bestellungspraxis ausreichend Impulse zur Qualifizierung aus. Einer der in der Fachliteratur am stärksten diskutierten Kritikpunkte ist die erhebliche vergütungsrechtliche Diskrepanz zu anderen Personengruppen mit ähnlicher Rollenfunktion. Im Gegensatz zur starren Vergütungspauschale für den Verfahrensbeistand nach § 158 Abs. 7 S. 2 und 3 FamFG erfolgt die Vergütung des Verfahrenspflegers für Erwachsene gemäß §§ 276, 317 f., 419 FamFG nach § 277 FamFG i. V. m. §§ 1835 ff. BGB und § 1 bis 3 VBVG, also mittels eines Stundensatzes je nach konkretem Zeitaufwand. 423 Ebenso wird der Umgangspfleger gemäß § 1684 Abs. 3 S. 6 i. V. m. § 277 FamFG zeitaufwandsbezogen vergütet. Gleiches gilt für den Ergänzungspfleger gemäß § 1915 i. V. m. §§ 1835 ff. BGB und §§ 1 bis 3 VBVG. Diese Diskrepanz wird unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten für verfassungsrechtlich bedenklich gehalten. 424 Die Kritiker argumentieren, dass es für die faktische Schlechterstellung des Verfahrensbeistands keinen sachlichen Grund i. S. v. Art. 3 Abs. 1 GG gebe. 425 Vielmehr sei gerade der Minderjährige besonders schutzwürdig, sodass ein erhöhtes Bedürfnis für eine effektive und gesicherte Interessenvertretung durch einen Verfahrensbeistand und somit dessen ausreichende Vergütung bestehe. 426 Den Kritikern ist insoweit zuzustimmen, als eine Schlechterstellung des Interessenvertreters des besonders schutzwürdigen Minderjährigen im Vergleich zu den Pflegschaften gemäß Art. 3 Abs. 1 GG einer besonderen Rechtfertigung bedarf. Hinsichtlich der uneinheitlichen Behandlung der Vergütung des Verfahrensbeistands und des Verfahrenspflegers für Erwachsene i. S. v. § 277 FamFG, 422
Lenz, Rechtsgutachten VAK. Zwar kann das Gericht gemäß § 277 Abs. 3 FamFG auch hier grundsätzlich einen festen Geldbetrag ähnlich einer Pauschale festsetzen, jedoch nur unter besonderen Voraussetzungen. Zudem ist die Festsetzung nachträglich bei tatsächlich höherem Aufwand korrigierbar. 424 Holzer / Menne, FamFG, § 158, Rn. 130; Bode, ZKJ 2009, 410, 413; Menne, ZKJ 2009, 68, 72; Vogel, FPR 2010, 43, 46. Zum Teil wird auch die Ungleichbehandlung in Bezug auf die Vergütung des Sachverständigen problematisiert, vgl. Stötzel / Balloff, ZKJ 2009, 330, 333. Dies verkennt jedoch bereits die wesentlichen Unterschiede zwischen den Aufgabenkreisen und Funktionen beider Personengruppen, sodass es schon an ihrer Vergleichbarkeit fehlt. 425 Lenz, Rechtsgutachten VAK 426 Bode, ZKJ 2009, 410, 413. 423
II. Die gesetzliche Ausgestaltung der Verfahrensbeistandschaft
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des Umgangspflegers nach § 1684 Abs. 3 S. 3 und S. 6 BGB i. V. m. § 277 FamFG oder auch des Ergänzungspflegers nach § 1915 i. V. m. §§ 1835 ff. BGB fehlt es auf Seiten des Gesetzgebers an einer genauen Darlegung der Unterscheidungsgründe. In den Gesetzesmaterialien wird lediglich die befürchtete Kostenlast für die Justizhaushalte der Länder angeführt. 427 Grundsätzlich aber dürfen die Funktion und die Aufgaben des Verfahrensbeistands nicht aus reinen Kostengesichtspunkten durch Drosselung der Vergütung eingeschränkt werden, 428 soweit die Grenze des Zumutbaren überschritten wird. 429 Denn dies würde den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Interessenvertretung des Kindes widersprechen. Für eine Vergütungspauschale spricht, dass sie den für die Vergütungsabrechnung und -durchsetzung erforderlichen Aufwand sowohl zugunsten der Justizhaushalte als auch des Verfahrensbeistands 430 reduziert. Der Intention des Gesetzgebers nach wird dem Verfahrensbeistand so mehr Zeit eingeräumt, sich auf seine eigentliche Tätigkeit, nämlich die Interessenvertretung des Minderjährigen konzentrieren zu können. 431 Zudem können die Kosten durch eine Vergütungspauschalierung zumindest stabilisiert werden und sind im Vorhinein besser kalkulierbar. Vor dem Hintergrund, dass die Vergütung des Verfahrensbeistands Teil der Verfahrenskosten ist und demnach gegebenenfalls von den Beteiligten als Kostenschuldnern der Staatskasse getragen werden muss, §§ 1, 3 Abs. 2, 21, 24 FamGKG und 2013 FamGKG KV, sowie angesichts des Umstandes, dass die Vergütung des Verfahrenspflegers nach § 50 FGG a. F. in der Vergangenheit zum Teil sehr hoch ausfiel 432, besteht mithin ein berechtigtes Interesse daran, die Verfahrensbeiteiligten durch eine Pauschale zu schützen. Diese Argumente würden jedoch gleichfalls für eine Pauschalierung der Vergütung von Verfahrens-, Umgangs- und Ergänzungspflegschaften gelten, denn auch hier besteht die Möglichkeit des Kostenregresses gemäß §§ 93a, 137 I Nr. 16, 1 KostO i. V. m. § 1836c BGB sowie ein hoher Abrechnungs- und Kontrollaufwand. Ein sachlicher Differenzierungsgrund für die unterschiedliche Be-
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BT-Drucksache 16/9733, S. 294. So bereits OLG Brandenburg, FamRZ 2007, 1576, 1577. 429 BVerfG, FPR 2004, 622, 623. 430 So entfällt die Unsicherheit hinsichtlich des Umfanges anrechenbarer Tätigkeiten des Verfahrensbeistands, die Erforderlichkeit des Einsatzes von sogenannten Umgehungsstrategien und der nach altem Recht nicht vergütungsfähige Arbeitsaufwand für Dokumentation und Durchsetzung streitiger Entschädigungsansprüche. 431 BT-Drucksache 16/9733, S. 294. 432 OLG Oldenburg, FamRZ 2005, 391 (7.821,37 Euro Entschädigung geltend gemacht); OLG Karlsruhe, FamRZ 2001, 1166 (3.156,44 DM Entschädigung festgesetzt); OLG Frankfurt, FamRZ 1999, 1293, 1294 (Hinweis des Gerichtes auf geltend gemachte Entschädigung i. H. v. 7.200 DM). 428
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E. Die Verfahrensbeistandschaft gemäß § 158 FamFG
handlung von Verfahrensbeistandschaft und den genannten Pflegschaften besteht somit nicht. Zur Begründung der Differenzierung bei der Vergütung verbleibt daher nur die Befürchtung des Gesetzgebers, die Neugestaltung des § 158 FamFG könnte zu einer erheblichen Erhöhung der Anzahl der Verfahrensbeistandsbestellungen und somit zur Entstehung untragbar hoher Kosten für die Länderhaushalte führen. Diese Annahme entbehrt bislang jedoch einer wissenschaftlich tragfähigen Grundlage. 433 Allerdings kommt dem Gesetzgeber bei seiner gesetzgeberischen Entscheidung insofern eine Einschätzungsprärogative zu. 434 Die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Vergütungsmethoden sind von ihm gegeneinander abzuwägen. Hier hat sich der Gesetzgeber zulässigerweise auf die Einsparungsmöglichkeiten bei den Kosten für den Abrechnungs- und Kontrollaufwand gestützt. 435 Dies ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Fraglich erscheint jedoch, ob die Kosten durch die Einführung der Vergütungspauschale tatsächlich entscheidend gesenkt werden können 436 und die dargestellte Differenzierung so sachlich gerechtfertigt werden kann. Hierzu fehlen, wie auch schon im Gesetzgebungsverfahren, wissenschaftlich verwertbare Erkenntnisse darüber, wie hoch die Zahl der Bestellungen von Verfahrensbeiständen tatsächlich ist und in welchem Umfang hierdurch Kosten für die Justizhaushalte entstehen. 437 Erst daraus ließe sich die tatsächliche Kostenlast der Justizhaushalte und die Zumutbarkeit der Vergütungsentwicklung für die Verfahrensbeistände herleiten. Insoweit ist dem Bundesrat beizupflichten, dass belastbare Erfahrungen und Evaluationen abgewartet werden müssen 438, um daraus entsprechende Erkenntnisse ableiten zu können. Hinsichtlich der Differenzierung der Vergütung des Verfahrensbeistands im Vergleich zu anderen Pflegschaften hat der Gesetzgeber daher zunächst in zulässiger Weise von seiner Einschätzungsprärogative 433
Vgl. auch Holzer / Menne, FamFG, § 158, Rn. 131f. BVerfGE 118, 1, 23 f.; BVerfGE 117, 163, 183 = BVerfG, NJW 2007, 979, 983 mit Anm. Johnigk. 435 BT-Drucksache 16/9733, S. 294. 436 Beispielsweise stellte die Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Beobachtung der Kostenentwicklung zum 2. Betreuungsänderungsgesetz aus 2005 und der hierdurch für Berufsbetreuer eingeführten Vergütungspauschale u. a. fest, dass sich die Betreuungskosten anschließend erhöhten, was jedoch z. T. daraus folgte, dass die Pauschale höher angesetzt worden war als die zuvor durchschnittlich gezahlte Vergütung, vgl. Bund-LänderArbeitsgruppe, Bericht zur Beobachtung der Kostenentwicklung im Betreuungsrecht. 437 Bislang liegt insoweit lediglich die Publikation des Statistischen Bundesamtes von 2010 vor, wonach in 79 % der Kindschafts-, Abstammungs- und Adoptionsverfahren kein Verfahrensbeistand bestellt worden sei, Publikation des Statistischen Bundesamtes, Fachserie 10, Reihe 2.2, S. 30. Nach einer nicht veröffentlichten Mitgliederumfrage des BAG e.V. habe sich der Abrechnungsaufwand für die Verfahrensbeistände durch die Neuregelung jedoch anscheinend tatsächlich reduziert, Oevermann, FPR 2012, 370, 373. 438 BT-Drucksache 16/13082, S. 3. Vgl. hierzu auch Salgo / Lack, FPR 2012, 353, 357. 434
II. Die gesetzliche Ausgestaltung der Verfahrensbeistandschaft
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Gebrauch gemacht, muss deren Wirkung jedoch baldmöglichst durch wissenschaftliche Untersuchungen überprüfen. Neben der vergütungsrechtlichen Ungleichbehandlung besteht die wesentliche Kritik an der Vergütungspauschale darin, dass eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine auskömmliche Vergütung des Verfahrensbeistands zur Sicherung der qualifizierten Interessenvertretung Minderjähriger entsprechende Tätigkeit nicht mehr möglich sei. 439 Denn die Pauschalen seien zu knapp bemessen und die Arbeit des Verfahrensbeistands werde unabhängig vom Einzelfall vorab zeitlich begrenzt. Die Regelung verkenne mithin die Besonderheiten und den Umfang der Aufgaben des Verfahrenbeistandes, die so nicht mehr qualifiziert und zugleich kostendeckend wahrgenommen werden könnten. Die Verfassungsmäßigkeit der Regelung wird daher insbesondere im Hinblick auf Art. 12 und Art. 3 GG für bedenklich gehalten. 440 Im Anschluss an die Entwicklung in der Rechtsprechung, wonach die Vergütungspauschale zur Ermöglichung der vom Gesetzgeber vorgesehenen Mischkalkulation, beispielsweise für jedes Geschwisterkind oder auch für Hauptsache- und einstweiliges Verfügungsverfahren, jeweils gesondert anfallen, erheben sich nunmehr aber auch Stimmen in der Literatur, welche die verfassungsrechtlich vorgegebenen Grenzen durch die Pauschalvergütung als noch gewahrt ansehen. 441 Dem ist zuzustimmen. Betrachtet man die durch Gesetzgebung und Rechtsprechung geformte Auslegung der Regelung der Vergütungspauschale nach heutigem Verständnis, so kann davon ausgegangen werden, dass eine auskömmliche Vergütung des Verfahrensbeistands gewährleistet ist. 442 Denn die bei der Einführung des § 158 Abs. 7 FamFG zu Recht gesehene Gefahr der unzulänglichen Vergütung wird nunmehr dadurch abgemildert, dass man umfassend alle Möglichkeiten des Anfalles einer Pauschale ausschöpft und so die von den Verbänden und in der Literatur beklagte negative Auswirkung auf die Interessenvertretung Minderjähriger abwehrt. Zu berücksichtigen ist hier vor allem die vom Gesetzgeber vorgesehene Mischkalkulation von einfach und komplexer gelagerten Fällen 443, die dem Verfahrensbeistand die Möglichkeit eröffnet, im Durchschnitt eine angemesse Vergütung zu erwirtschaften. Dies kann zudem dadurch gestützt werden, dass dem Verfahrensbeistand in der Regel der erweiterte Aufgabenkreis nach § 158 Abs. 4 S. 3 und S. 4 FamFG übertragen 439
Johannsen / Henrich / Büte, FamFG, § 158, Rn. 28; Prütting / Helms / Stößer, FamFG, § 158, Rn. 32; BAG, ZKJ 2008, 343, 345; Bode, ZKJ 2009, 410, 413; Lenz, Rechtsgutachten VAK; Menne, ZKJ 2009, 68, 74; Prenzlow, ZKJ 2008, 464, 466.; Salgo, ZKJ 2009, 49, 57; Stötzel / Balloff, ZKJ 2009, 330, 333; Trenczek, ZKJ 2009, 196, 199; Willutzki, ZKJ 2009, 228, 231. A. A. Leeb, ZKJ 2010, 391, 397. 440 Lenz, Rechtsgutachten VAK. 441 Salgo / Zenz, Verfahrensbeistandschaft, Rn. 18; Johnson, FPR 2012, 377, 378; van Els, FamFR 2010, 571. A. A. Oevermann, FPR 2012, 370, 373. 442 Ebenso OLG Bamberg, Rpfleger 2010, 588, 590. 443 BT-Drucksache 16/9733, S. 294.
224
E. Die Verfahrensbeistandschaft gemäß § 158 FamFG
wird und ihm somit jeweils die höhere Pauschale zusteht. 444 Mithin kann unter Berücksichtigung einer Weiterentwicklung des § 158 Abs. 7 S. 2 bis S. 4 FamFG durch Gesetzgeber und Rechtsprechung eine auskömmliche Vergütung des Verfahrensbeistands i. S. d. verfassungsrechtlichen Vorgaben auch durch die Vergütungspauschale sichergestellt werden. d) Fazit Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Neuregelung der Entschädigung des Verfahrensbeistands durch die Vergütungspauschale gemäß § 158 Abs. 7 S. 2 bis 4 FamFG insbesondere im Hinblick auf die Verfassungsgemäßheit nach Art. 12 und 3 GG stark kritisiert wird. Zentrale Frage ist dabei, ob eine auskömmliche Vergütung des Verfahrensbeistands und somit eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechende Interessenvertretung des Minderjährigen noch gewährleistet werden kann. Aufgrund der durch Gesetzgeber und Rechtsprechung entwickelten Auslegung von § 158 Abs. 7 S. 2 bis S. 4 FamFG, wonach die Vergütungspauschale beispielsweise für jedes Kind, jeden Verfahrensgegenstand und jeden Rechtszug gesondert anfällt, und unter Berücksichtigung des Kostenausgleichs durch eine mögliche Mischkalkulation kann hiervon jedoch nunmehr ausgegangen werden. Hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Vergütungspauschale in Bezug auf die unterschiedliche vergütungsrechtliche Behandlung im Vergleich zur Verfahrens-, Umgangs- und Ergänzungspflegschaft hat der Gesetzgeber von der ihm zustehenden Einschätzungsprärogative in zulässiger Weise Gebrauch gemacht. Allerdings dürfen Funktion und Aufgaben des Verfahrensbeistands grundsätzlich nicht über das zumutbare Maß hinaus allein aus Kostengesichtspunkten eingeschränkt werden, da dies den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Interessenvertretung des Minderjährigen nicht gerecht wird. Derzeit fehlt es für ein abschließendes Urteil jedoch noch an der Begründung durch wissenschaftlich aussagekräftige Zahlen über die Häufigkeit der Bestellungen der Verfahrensbeistände sowie über die Höhe der jeweils hierdurch für die Justizhaushalte verursachten Kosten. Der Gesetzgeber steht mithin in der Pflicht, entsprechende Untersuchungen einzuleiten und seine Entscheidung für die Vergütungspauschale zu verifizieren.
444
Siehe E. II. 4. b) bb).
III. Zusammenfassung
225
III. Zusammenfassung Die Fortentwicklung des Instituts zur Interessenvertretung Minderjähriger im Kindschaftsverfahren in Gestalt der Verfahrensbeistandschaft gemäß § 158 FamFG stellte eine der Kernaufgaben des FGG-Reformgesetzes dar. Im Vergleich zur Vorgängerregelung des § 50 FGG a. F. konnten wesentliche rechtliche Streit- und Zweifelsfragen durch gesetzliche Klarstellung beseitigt werden. So hebt die neue Begrifflichkeit des Verfahrensbeistands dessen Funktion als verfahrensrechtliches Institut hervor. Daneben hat der Gesetzgeber beispielsweise ausdrücklich herausgestellt, dass sich der Anwendungsbereich auf die in § 151 FamFG aufgezählten Kindschaftssachen erstreckt, der Verfahrensbeistand kein gesetzlicher Vertreter des Minderjährigen ist und seine Bestellung, deren Aufhebung oder die Ablehnung einer derartigen Maßnahme nicht selbstständig anfechtbar sind. Zudem wurde die Hauptaufgabe und damit die Funktionsbestimmung des Verfahrensbeistands durch § 158 Abs. 1 und Abs. 4 S. 1 FamFG festgeschrieben. Insgesamt hat das Institut der Verfahrensbeistandschaft durch die Neuregelung des § 158 FamFG damit festere Konturen erhalten. Allerdings bleiben einige Unklarheiten bestehen, die sich aber weitestgehend im Wege der Auslegung beheben lassen. Beispielsweise hat der Gesetzgeber zwar an dem mehrdeutigen Begriff des „Interesses des Kindes“ in § 158 Abs. 1 FamFG festgehalten, durch die Gesetzesbegründung aber klargestellt, dass der Verfahrensbeistand in erster Linie die subjektiven Kindesinteressen feststellen und dem Gericht übermitteln soll. Daneben kann er aber auch Aspekte des objektiven Kindeswohls in seine Stellungnahme mit einbeziehen. Die Übermittlung des subjektiven Kindeswillens wird hierdurch jedoch nicht begrenzt. Im Falle eines Widerspruchs zwischen Kindeswillen und Kindeswohl muss dieser mit vorgetragen werden. Damit geht die Funktion des Verfahrensbeistands über die eines bloßen Parteivertreters oder Sprachrohres des Kindes hinaus. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens wurden auf den Vorschlag des Bundesrates hin zudem einige Neuerungen mit aufgenommen, welche die Wirkungsmöglichkeiten des Verfahrensbeistands einschränken. So führte der Gesetzgeber eine Stufung zwischen einfachem und erweitertem Aufgabenkreis ein, die eine gekünstelte Aufspaltung der Tätigkeitsbereiche des Verfahrensbeistands bewirkt. In der Regel reduziert sich das Ermessen des Gerichtes hier jedoch auf Null, sodass die Übertragung des erweiterten Aufgabenkreises erforderlich ist, um eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechende Interessenvertretung des Minderjährigen zu gewährleisten. Auch die viel kritisierte Einführung der Vergütungspauschale für die berufsmäßig geführte Verfahrensbeistandschaft nach § 158 Abs. 7 S. 2 bis S. 4 FamFG ließ zunächst befürchten, sie könne die Effektivität der Interessenvertretung Minderjähriger beeinträchtigen. Inzwischen ist jedoch davon auszugehen, dass
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E. Die Verfahrensbeistandschaft gemäß § 158 FamFG
die verfassungsrechtlichen Vorgaben, insbesondere zur Absicherung einer auskömmlichen Vergütung, noch gewahrt sind. Problematisch bleibt hingegen die unterschiedliche Behandlung im Vergleich zu anderen Instituten mit ähnlicher Rollenfunktion. Im Ergebnis stellt sich das Institut der Verfahrensbeistandschaft damit als eine gesetzliche Konstruktion sui generis dar, die den spezifischen Bedürfnissen der Interessenvertretung Minderjähriger im Kindschaftsverfahren gerecht zu werden versucht. Um einerseits die verfahrensrechtlichen Defizite in Bezug auf die Subjektstellung des am Verfahren beteiligten, jedoch zumeist verfahrensunfähigen Minderjährigen auszugleichen, andererseits aber das durch Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG geschützte Elternrecht so wenig wie möglich zu beeinträchtigen, hat der Gesetzgeber dem Minderjährigen einen verfahrensrechtlichen Beistand mit eigenständiger Beteiligtenstellung zur Seite gestellt. Diesem wird die Aufgabe übertragen, die gleichen Interessen, wie sie dem Minderjährigen unterstellt werden, zu verfolgen. Er verdrängt dabei weder das minderjährige Kind noch dessen Eltern aus ihren jeweiligen Beteiligtenpositionen. Vielmehr tritt er als eigenständiger Beteiligter ergänzend hinzu und spiegelt in gewisser Weise die Beteiligtenposition des Minderjährigen. Dabei obliegt dem Verfahrensbeistand die Aufgabe, das Gericht und sämtliche Verfahrensbeteiligten auf die Kindesinteressen aufmerksam zu machen sowie das Kind und sein Wohl in den Mittelpunkt des Verfahrens zu rücken. Zugleich leistet er durch seine Pflicht, den Minderjährigen gemäß § 158 Abs. 4 S. 2 FamFG in jeder Lage des Verfahrens zu informieren, indirekt auch eine psychische Unterstützung. Hierdurch wird ein wesentliches verfahrensrechtliches Defizit behoben. Der Verfahrensbeistand wird nunmehr ausdrücklich in die Lage versetzt, den verfahrensunfähigen Minderjährigen bei der Ausübung seines Rechtes auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG zu unterstützen, indem er ihn informiert und seinen Willen zu jedem Zeitpunkt in das Verfahren einbringen kann. Zudem kann der Verfahrensbeistand die zuzustellenden Dokumente und die gerichtliche Endentscheidung für den Minderjährigen prüfen und gegebenenfalls Rechtsmittel im Interesse des Kindes einlegen. Auch insofern nimmt er das rechtliche Gehör für den Minderjährigen wahr. Damit wird diese, noch unter der Geltung von § 50 FGG a. F. hervorgehobene, verfahrensrechtliche Lücke zugunsten der Gleichberechtigung des Minderjährigen gegenüber den übrigen Verfahrenssubjekten geschlossen. Dennoch kann die Verfahrensbeistandschaft in ihrer derzeitigen Ausgestaltung die Subjektstellung des Minderjährigen im Kindschaftsverfahren nicht lückenlos gewährleisten. Dies folgt aus der fehlenden Vertretungsbefugnis für das Kind. Der Verfahrensbeistand kann zumeist nur aus seiner eigenen Verfahrensbeteiligung heraus am Verfahren mitwirken. So verbleiben beispielsweise die Vertretung bei der Zustimmung zu einer einvernehmlichen Regelung nach § 156 Abs. 2 S. 1 FamFG sowie die Antragstellungs- und Antragsrücknahmebefugnis bei den gesetzlichen Vertretern des nicht verfahrensfähigen Minderjährigen.
III. Zusammenfassung
227
Abschließend lässt sich damit feststellen, dass das Institut zur Interessenvertretung Minderjähriger durch die Neuregelung des § 158 FamFG wesentlich weiterentwickelt wurde und damit ein Großteil der im Kindschaftsverfahren auftretenden Defizite zur Absicherung der Subjektstellung des verfahrensunfähigen Kindes behoben ist. Zu Recht wird die Verfahrensbeistandschaft in der Praxis daher überwiegend positiv aufgenommen. Dennoch bleibt zu berücksichtigen, dass der Verfahrensbeistand den Minderjährigen dann nicht unterstützen kann, soweit er im Verfahren gesetzlich vertreten werden muss, um seine Rechtsstellung verwirklichen zu können. Mithin bleibt fraglich, wie dieses Defizit durch die Einschaltung eines Ergänzungspflegers geschlossen werden kann und muss und wie sich die Institute der Verfahrensbeistandschaft und der Ergänzungspflegschaft für das Kindschaftsverfahren insgesamt zueinander verhalten.
F. Die Abgrenzung der Verfahrensbeistandschaft von der Ergänzungspflegschaft Zu Beginn der Diskussion darüber, wie die verfahrensrechtliche Subjektstellung des Minderjährigen den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechend gewährleistet und bestehende verfahrensrechtliche Lücken geschlossen werden können, griff man zunächst nicht nur für das Verfassungsbeschwerdeverfahren, sondern auch für das Kindschaftsverfahren auf das Institut der Ergänzungspflegschaft gemäß § 1909 Abs. 1 S. 1 BGB zurück. 1 Schon früh merkten Kritiker jedoch an, dass das Verfahren hierdurch schwerfälliger wurde und der mit der Bestellung des Ergänzungspflegers einhergehende erhebliche Eingriff in das nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG geschützte Elternrecht nicht in jedem Fall verhältnismäßig war. Nach langen Diskussionen 2 führte der Gesetzgeber daher den Verfahrenspfleger für Minderjährige gemäß § 50 FGG a. F. als Pfleger eigener Art ein. Unklar blieb jedoch, wie sich die Ergänzungspflegschaft für das Kindschaftsverfahren gemäß § 1909 Abs. 1 S. 1 BGB und das neue Institut der Verfahrenspflegschaft zueinander verhielten. 3 Dies galt umso mehr, als das Regelbeispiel des § 50 Abs. 2 Nr. 1 FGG a. F. und § 1796 Abs. 2 BGB, der die Voraussetzung für die Entziehung der elterlichen Vertretungsmacht als Verhinderungsgrund i. S. d. § 1909 Abs. 1 BGB regelt, tatbestandlich identisch waren, indem beide einen erheblichen Gegensatz zwischen dem Interesse des Minderjährigen und dem seiner Eltern voraussetzten. Bei der Neuregelung der Interessenvertretung Minderjähriger in Gestalt der Verfahrensbeistandschaft gemäß § 158 FamFG hat der Gesetzgeber das Regelbeispiel des § 50 Abs. 2 Nr. 1 FGG a. F. in § 158 Abs. 2 Nr. 1 FamFG übernommen. Die Unterschiede zwischen Verfahrensbeistandschaft und Ergänzungspflegschaft, insbesondere hinsichtlich Funktion und Aufgabenkreis, haben sich jedoch weiter verstärkt. So hat der Gesetzgeber ausdrücklich klargestellt, dass dem Verfahrensbeistand gemäß § 158 Abs. 4 S. 6 FamFG im Gegensatz zum Ergänzungspfleger gerade keine gesetzliche Vertretungsbefugnis zukommt. In1 BVerfGE 72, 122, 135 = BVerfG, NJW 1986, 3129, 3130; BVerfGE 75, 201, 214 f. = BVerfG, JuS 1988, 488; AG Mönchengladbach, FamRZ 1985, 532. Siehe hierzu auch B. I. 2. 2 Siehe hierzu C. I. 3 Vgl. z. B. Bienwald, Verfahrenspflegschaft, Rn. 613 ff. sowie Diederichsen in: Schilken u. a., FS für Walter Gerhardt, S. 119, 143: „Verfahrenspflegschaft ist Ergänzungspflegschaft“.
I. Die Ergänzungspflegschaft im Kindschaftsverfahren
229
sofern kann die Subjektstellung des Minderjährigen trotz Bestellung eines Verfahrensbeistands in diesem Bereich nicht lückenlos gewährleistet werden. Fraglich ist daher weiterhin, ob insofern subsidiär auf die Ergänzungspflegschaft zurückgegriffen werden muss und wie das Verhältnis der beiden Institute zur Interessenvertretung Minderjähriger mit ihren unterschiedlichen Ausprägungen zueinander ist. Um feststellen zu können, wann neben oder statt der Verfahrensbeistandschaft die Bestellung eines Ergänzungspflegers erforderlich ist und an welchem Prüfungspunkt das Konkurrenzverhältnis beider Institute anknüpft, bedarf es zunächst einer kurzen Analyse der Voraussetzungen und der Funktionsweise der Ergänzungspflegschaft für das Kindschaftsverfahren gemäß § 1909 Abs. 1 S. 1 BGB.
I. Die Ergänzungspflegschaft im Kindschaftsverfahren Die Ergänzungspflegschaft gemäß § 1909 BGB wird als unselbstständige Fürsorgepflegschaft eingesetzt, um die elterliche Sorge oder eine Vormundschaft, soweit erforderlich, zu ergänzen. Dabei wird die elterliche Sorge oder die Vormundschaft, von deren Bestehen die Ergänzungspflegschaft abhängig ist 4, den gesetzlichen Vertretern teilweise entzogen. Der Ergänzungspfleger verdrängt sie mithin aus ihrer Position. 5 In Abgrenzung zur Vormundschaft gemäß §§ 1773 ff. BGB ist die Ergänzungspflegschaft ihrem Sinn und Zweck nach auf bestimmte Angelegenheiten beschränkt. 6 Als Angelegenheit in diesem Sinne kommt auch die verfahrensrechtliche Vertretung in Betracht. Insbesondere für das Verfassungsbeschwerdeverfahren, in dem die Eltern als gesetzliche Vertreter des Kindes aufgrund eines bestehenden Interessenkonfliktes ausscheiden können, wird die Ergänzungspflegschaft seit Langem als Mittel zur Absicherung der Subjektstellung Minderjähriger eingesetzt. 7 Daneben kann aber auch für das Kindschaftsverfahren i. S. d. § 151 FamFG das Erfordernis bestehen, dem Minderjährigen einen Ergänzungspfleger als gesetzlichen Vertreter anstelle der Eltern für die Wahr-
4 MünchKomm-BGB / Schwab, § 1909, Rn. 1; Staudinger / Bienwald, BGB, § 1909, Rn. 9. 5 Gernhuber / Coester-Waltjen, Familienrecht, § 60, Rn. 35; Palandt / Götz, BGB, § 1909, Rn. 3. Die Geschäfts- und Handlungsfähigkeit desjenigen, für den ein Pfleger bestellt wird, bleibt dabei grundsätzlich unberührt, MünchKomm-BGB / Schwab, Vorb. vor §§ 1909 bis 1914, Rn. 5. 6 BayObLG, FamRZ 1997, 1553, 1554; Bamberger / Roth / Bettin, BGB, § 1909, Rn. 1; MünchKomm-BGB / Schwab, Vorb. vor §§ 1909 bis 1914, Rn. 2. 7 BVerfGE 72, 122, 134 f. = BVerfG, NJW 1986, 3129, 3130. Vgl. auch Salgo, Anwalt des Kindes, S. 413; Bauer / Schaus, BJ 1997, 162, 164.
230 F. Abgrenzung der Verfahrensbeistandschaft von der Ergänzungspflegschaft
nehmung seiner Verfahrensrechte und -pflichten zu bestellen. Wann die Voraussetzungen hierfür vorliegen, soll im Folgenden genauer untersucht werden. 1. Die Voraussetzungen der Bestellung eines Ergänzungspflegers für das Kindschaftsverfahren gemäß § 1909 Abs. 1 S. 1 BGB a) Das Tatbestandsmerkmal der „Verhinderung“ des Sorgerechtsinhabers Die Bestellung eines Ergänzungspflegers setzt gemäß § 1909 Abs. 1 S. 1 BGB zunächst voraus, dass die Sorgerechtsinhaber, also die Eltern oder der Vormund des Minderjährigen, in Bezug auf die Besorgung einer konkreten Angelegenheit oder eines Kreises von Angelegenheiten verhindert sind. 8 Das Erfordernis der Bestellung eines Ergänzungspflegers für das Kindschaftsverfahren setzt mithin voraus, dass es dem Sorgerechtsinhaber unmöglich ist, die verfahrensrechtliche Vertretung für den Minderjährigen wahrzunehmen. Die Gründe hierfür müssen dabei im Zeitpunkt der für das Kind vorzunehmenden Handlung vorliegen und können sowohl tatsächlicher als auch rechtlicher Natur sein. aa) Tatsächliche Verhinderung Eine Verhinderung i. S. d. § 1909 Abs. 1 S. 1 BGB besteht, wenn der Sorgerechtsinhaber aus tatsächlichen Gründen an der Wahrnehmung bestimmter Angelegenheiten gehindert ist. Dies wird beispielsweise bei schwerer Krankheit, Strafhaft oder bei großer räumlicher Entfernung angenommen, wenn aus diesen Gründen die elterliche Sorge nicht mehr ausgeübt werden kann. 9 Teilweise werden aber auch fehlende Sachkunde und Geschäftsgewandheit als Verhinderungsgrund angesehen. 10 Hingegen soll die bloße Weigerung des Sorgeberechtigten, tätig zu werden, also eine Selbstablehnung, für sich genommen noch nicht genügen. 11 Gleiches gilt, wenn der Sorgeberechtigte zwar keinen festen Wohnsitz hat, das Kind sich aber im Inland aufhält. 12 Die Verhinderung muss sich bei gemeinsamer elterlicher Sorge auf beide Elternteile erstrecken, da sie gemäß §§ 1678
8
Die Voraussetzungen des § 1909 Abs. 1 S. 1 BGB sind gemäß § 26 FamFG von Amts wegen zu prüfen, Bamberger / Roth / Bettin, BGB, § 1909, Rn. 15. 9 Bamberger / Roth / Bettin, BGB, § 1909, Rn. 8; Erman / Roth, BGB, § 1909, Rn. 9; MünchKomm-BGB / Schwab, § 1909, Rn. 13; Staudinger / Bienwald, BGB, § 1909, Rn. 14 m.w.N. 10 OLG Brandenburg, ZKJ 2011, 139, 140; a. A. Erman / Roth, BGB, § 1909, Rn. 9; MünchKomm-BGB / Schwab, § 1909, Rn. 14 m. w. N. 11 In Betracht kommen jedoch Maßnahmen nach § 1666 BGB, Erman / Roth, BGB, § 1909, Rn. 9; MünchKomm-BGB / Schwab, § 1909, Rn. 15. 12 Vgl. OLG Düsseldorf, NJW 1968, 453; LG Kleve, DAVorm. 1966, 273.
I. Die Ergänzungspflegschaft im Kindschaftsverfahren
231
Abs. 1 Hs. 1, 1629 Abs. 1 S. 4 FamFG andernfalls von dem nicht verhinderten Elternteil ausgeübt wird. Eine tatsächliche Verhinderung kommt grundsätzlich auch im Falle eines anhängigen Kindschaftsverfahrens i. S. d. § 151 FamFG in Betracht. Soweit andernfalls eine Lücke in der gesetzlichen Vertretung des Minderjährigen entstehen würde, ist daher die Bestellung eines Ergänzungspflegers gemäß § 1909 Abs. 1 S. 1 BGB erforderlich. Allerdings kann dies nicht mit dem Argument der fehlenden Sachkunde hinsichtlich der verfahrensrechtlichen Vertretung begründet werden, da die Möglichkeit der rechtsanwaltlichen Beratung besteht. Der Wirkungskreis des Ergänzungspflegers wird sich bei tatsächlicher Verhinderung in der Regel jedoch nicht nur auf die verfahrensrechtliche Vertretung beschränken können. Vielmehr ist der Sorgeberechtigte auch hinsichtlich der materiellen Vertretung des Minderjährigen zu ersetzen. Damit beschränkt sich die Ergänzungspflegschaft nicht nur auf die Vertretung im Kindschaftsverfahren, sodass insofern kein Konkurrenzverhältnis zum Verfahrensbeistand besteht. bb) Rechtliche Verhinderung Der Sorgerechtsinhaber kann ferner aus rechtlichen Gründen an der Wahrnehmung bestimmter Angelegenheiten für den Minderjährigen verhindert sein. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn er per Gesetz gemäß §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1795 BGB von der Vertretung ausgeschlossen, ihm die gesetzliche Vertretungsmacht vom Gericht nach §§ 1629 Abs. 2 S. 3, 1796 BGB entzogen worden ist oder die elterliche Sorge gemäß §§ 1673 13, 1674 14 BGB aus rechtlichen Gründen ruht. 15 (1) Das Ruhen der elterlichen Sorge Das Ruhen der elterlichen Sorge macht die Bestellung eines Ergänzungspflegers gemäß § 1909 Abs. 1 S. 1 BGB nur insoweit erforderlich, als die elterliche Sorge nicht gemäß § 1678 Abs. 1 BGB durch den anderen Elternteil ausgeübt wird oder diesem die Alleinsorge nach § 1678 Abs. 2 BGB zu übertragen ist. In Abgrenzung zur Vormundschaft nach §§ 1773 ff. BGB kommt eine Ergänzungspflegschaft zudem nur in Betracht, soweit die Verhinderung der Eltern lediglich vorübergehend ist, also die konkrete Aussicht darauf besteht, dass der
13
Vgl. BayObLGZ 1969, 25, 28. Vgl. BayObLGZ 1974, 491, 493 = BayObLG, NJW 1975, 1082, 1083. 15 Weitere rechtliche Verhinderungsgründe ergeben sich beispielsweise aus § 1638 Abs. 1 BGB; § 1801 BGB; § 52 Abs. 2 S. 2 StPO. Vgl. hierzu OLG Nürnberg, NJW 2010, 3041, 3042. 14
232 F. Abgrenzung der Verfahrensbeistandschaft von der Ergänzungspflegschaft
Grund des Ruhens wieder wegfallen wird. 16 Begründet das Ruhen der elterlichen Sorge nach §§ 1673, 1674 BGB in diesem Sinne eine rechtliche Verhinderung, so entsteht eine Lücke bei der gesetzlichen Vertretung des Minderjährigen, die sämtliche Sorgeangelegenheiten umfasst. Der Wirkungskreis des zu bestellenden Ergänzungspflegers erstreckt sich mithin nicht nur auf die Vertretung des Minderjährigen im anhängigen Kindschaftsverfahren, sondern auch auf alle materiell-rechtlichen Angelegenheiten. Damit scheidet die Verfahrensbeistandschaft nach § 158 FamFG als Alternative zur Ergänzungspflegerbestellung aus. (2) Der Ausschluss durch Gesetz gemäß §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1795 BGB Eine rechtliche Verhinderung liegt des Weiteren vor, wenn ein Sorgerechtsinhaber gemäß §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1795 BGB per Gesetz von der Vertretung des Minderjährigen ausgeschlossen ist. Dabei erstreckt sich der Ausschluss eines Elternteils selbst bei gemeinsamem Sorgerecht grundsätzlich auch auf den anderen Elternteil. 17 Fraglich ist jedoch, ob ein Ausschluss nach §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1795 BGB auch für die verfahrensrechtliche Vertretung im Kindschaftsverfahren in Betracht kommt. 18 Gemäß § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB besteht ein gesetzlicher Vertretungsausschluss des Sorgerechtsinhabers für Rechtsgeschäfte zwischen seinem Ehegatten, seinem Lebenspartner oder einem seiner Verwandten in gerader Linie einerseits und dem Mündel andererseits, es sei denn, dass das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht. Grundsätzlich sind reine Verfahrenshandlungen jedoch keine Rechtsgeschäfte in diesem Sinne. Eine Ausnahme besteht jedoch dann, wenn sie materiell-rechtliche Wirkungen entfalten, 19 wie beispielsweise bei der Einwilligung zur Adoption 20. Für die in Rede stehende verfahrensrechtliche Vertretung in Kindschaftssachen ist festzustellen, dass ein Ausschluss gemäß §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB daher in 16 MünchKomm-BGB / Schwab, § 1909, Rn. 17; Staudinger / Bienwald, BGB, § 1909, Rn. 15. 17 BGH, NJW 1972, 1708; OLG Zweibrücken, FamRZ 1980, 911 f.; Bamberger / Roth / Veit, BGB, § 1629, Rn. 20; Erman / Roth, BGB, § 1909, Rn. 4; MünchKomm-BGB / Schwab, § 1909, Rn. 20; Allmendinger, Rechtsgeschäftlicher Minderjährigenschutz, S. 156. Eine Ausnahme besteht gemäß § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB für die Geltendmachung von Kindesunterhalt. 18 Dies ohne weitere Begründung ablehnend z. B. OLG Stuttgart, NJW-RR 2010, 222, 223. Ebenso BGH, NJW 2012, 151, 152, der dies als allgemeine Auffassung versteht. A. A. wohl Erman / Saar, BGB, § 1796, Rn. 3. 19 BGHZ 77, 7, 9 = BGH, NJW 1980, 1577; MünchKomm-BGB / Wagenitz, § 1795, Rn. 23. 20 MünchKomm-BGB / Wagenitz, § 1795, Rn. 23.
I. Die Ergänzungspflegschaft im Kindschaftsverfahren
233
der Regel nicht in Betracht kommt. 21 Denn bei den von dem Minderjährigen abzugebenden Erklärungen und Anträgen handelt es sich um reine Verfahrenshandlungen. Soweit diese eine entsprechende materiell-rechtliche Wirkung erzeugen könnten, sind sie dennoch nicht als materielles Rechtsgeschäft im eigentlichen Sinne zu verstehen, sondern treten in der Regel nur parallel zu den Erklärungen der übrigen Beteiligten hinzu. 22 Problematisch ist allenfalls, ob die nach § 156 Abs. 2 FamFG erforderliche Zustimmung des Minderjährigen zu einer einvernehmlichen Regelung als Sonderform des Vergleiches für ihn neben ihrer verfahrensrechtlichen auch unmittelbare materiell-rechtliche Wirkung entfaltet und als Rechtsgeschäft i. S. d. § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB gewertet werden muss. Zwar hat die Zustimmung des Minderjährigen auch eine materiell-rechtliche Seite 23, allerdings würde die Subsumtion unter den Begriff des Rechtsgeschäftes i. S. d. § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB überdies voraussetzen, dass durch die einvernehmliche Regelung subjektive Rechte des Kindes unmittelbar materiell-rechtlich geregelt werden. Insofern ist zunächst nach dem Gegenstand der einvernehmlichen Regelung i. S. d. § 156 Abs. 2 FamFG zu differenzieren. Betrifft die einvernehmliche Regelung die Herausgabe des Kindes nach § 1632 BGB, so werden hierdurch nur Rechte der Sorgeberechtigten, hingegen keine subjektiven materiellen Rechte des Kindes festgelegt. Denn der Anspruch auf Herausgabe des Kindes stellt lediglich einen Teil des elterlichen Aufenthaltsbestimmungsrechtes aus § 1631 Abs. 1 BGB und mithin eine besondere Ausprägung der elterlichen Sorge dar. 24 Auch wenn für den Minderjährigen aufgrund seiner Beteiligtenstellung ein Zustimmungsrecht besteht, kommt ein Rechtsgeschäft i. S. d. § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB zwischen ihm und seinen Eltern nicht zustande. Hinsichtlich der einvernehmlichen Regelung über das Umgangsrecht ist dagegen zu beachten, dass auch der Minderjährige gemäß § 1684 Abs. 1 BGB grundsätzlich ein subjektives Recht auf Umgang mit seinen Eltern hat. Soweit dieses Recht, beispielsweise aufgrund eines Antrags des minderjährigen Kindes, Verfahrensgegenstand ist, wird es durch eine einvernehmliche Regelung auch unmittelbar und mit materiell-rechtlicher Wirkung für das Kind geregelt. Damit läge formal grundsätzlich ein Rechtsgeschäft i. S. d. § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB vor. Dennoch muss im Ergebnis ein Ausschluss des Sorgeberechtigten nach § 1795 21 So auch OLG Oldenburg, NJW 2010, 1888, 1890; DIJuF, Stellungnahme vom 28. Oktober 2009, S. 5. 22 Vgl. hierzu z. B. OVG Berlin, FamRZ 1981, 87, 88; Staudinger / Engler, BGB, § 1795, Rn. 18, 21 für die Einwilligung zur Namenserteilung und zum Namensänderungsverfahren. 23 Bamberger / Roth / Veit, BGB, § 1629, Rn. 26.2; B / J/S / Zorn, FamFG, § 156, Rn. 16; Heiter, FamRZ 2009, 85, 89. A. A. Ivanits, Die Stellung des Kindes, S. 241 f. 24 MünchKomm-BGB / Huber, § 1632, Rn. 1.
234 F. Abgrenzung der Verfahrensbeistandschaft von der Ergänzungspflegschaft
Abs. 1 Nr. 1 BGB hier ausscheiden. Denn der Begriff des Rechtsgeschäftes in § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB beschreibt ein Geschäft, bei dem Vor- und Nachteile ausgetauscht werden, die Beteiligten sich also wie Geschäftsgegner gegenüber stehen. 25 Dieser Grundgedanke passt nicht auf die einvernehmliche Regelung des Umgangs, die mithin nicht als ein solches Rechtsgeschäft i. S. d. § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB zwischen den Beteiligten angesehen werden kann. 26 Sie dient vielmehr der Herstellung einer dem Kindeswohl entsprechenden Umgangsregelung, die als Zielsetzung aller Beteiligten verstanden wird. Diese wirken dabei gerade nicht als Geschäftsgegner, sondern einvernehmlich zusammen. Auch nach Sinn und Zweck des § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB und § 156 Abs. 2 FamFG kann der Ausschluss der Sorgeberechtigten für die Zustimmung nicht per se für jede einvernehmliche Regelung des Umgangs angenommen werden. Vielmehr bedarf es hier der konkreten Einzelfallprüfung nach § 1796 BGB, ob ein tatsächlicher Interessengegensatz vorliegt. 27 Andernfalls würden die Eltern grundsätzlich von der Vertretung des Minderjährigen ausgeschlossen sein, sobald eine einvernehmliche Regelung des Umgangs im Raum steht. Dies würde einer gütlichen Streitbeilegung jedoch entgegenwirken und das Verfahren insgesamt schwerfälliger machen. Ein Ausschluss nach §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1795 Abs. 1 Nr. 2 BGB für die verfahrensrechtliche Vertretung im Kindschaftsverfahren scheidet ebenfalls aus, da hiervon nur Rechtsgeschäfte erfasst werden, die eine Übertragung oder Belastung einer durch Pfandrecht, Hypothek, Schiffshypothek oder Bürgschaft gesicherten Forderung des Mündels gegen den Vormund oder die Aufhebung oder Minderung dieser Sicherheit zum Gegenstand haben oder die Verpflichtung des Mündels zu einer solchen Übertragung, Belastung, Aufhebung oder Minderung begründen. Die Vertretung im Kindschaftsverfahren wird hiervon nicht erfasst. Gemäß § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB ist der Sorgeberechtigte von der Vertretung des Minderjährigen zudem bei einem Rechtsstreit zwischen den in § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB bezeichneten Personen sowie bei einem Rechtsstreit über eine Angelegenheit der in § 1795 Abs. 1 Nr. 2 BGB bezeichneten Art ausgeschlossen. Der Begriff des Rechtsstreits umfasst dabei alle Streitverfahren der ZPO. Des Weiteren werden darunter auch die echten Streitverfahren des FamFG, also solche Verfahren subsumiert, in denen sich mehrere Beteiligte mit verschiedenartigen Interessen gegenüberstehen und die einem Prozessverfahren derart angeglichen sind, dass es gerechtfertigt erscheint, die ZPO-Vorschriften entsprechend an-
25
Staudinger / Engler, BGB, § 1795, Rn. 19. A. A. Bamberger / Roth / Veit, BGB, § 1629, Rn. 26.2; B / J/S / Zorn, FamFG, § 156, Rn. 16; Haußleiter / Fest, FamFG, § 156, Rn. 14. 27 So auch Keuter, NJW 2010, 1851, 1852. 26
I. Die Ergänzungspflegschaft im Kindschaftsverfahren
235
zuwenden. 28 Hierzu zählen beispielsweise Familienstreitsachen 29 i. S. d. § 112 FamFG. 30 Die Kindschaftssachen des § 151 FamFG sind hingegen keine echten Streitverfahren, sodass ein Ausschluss des Sorgeberechtigten nach § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB hier nicht in Betracht kommt. 31 Soweit § 1795 Abs. 2 BGB ausdrücklich auf die Anwendbarkeit des § 181 BGB hinweist, ist ebenfalls zu beachten, dass das Verbot des Insichgeschäftes des Sorgeberechtigten als Vertreter des Minderjährigen nur für materiell-rechtliche Rechtsgeschäfte, nicht jedoch für bloße Verfahrenshandlungen greift. 32 Insoweit gilt das zu § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB Gesagte. Ein gesetzlicher Ausschluss des Sorgeberechtigten für die Vertretung im Kindschaftsverfahren besteht nicht. 33 Zusammenfassend lässt sich mithin festhalten, dass ein Ausschluss der Sorgeberechtigten nach §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1795 BGB für die Vertretung im Kindschaftsverfahren grundsätzlich nicht in Betracht kommt.
28 BGHZ 61, 308, 310 = BGH, NJW 1974, 240, 241 m. w. N.; MünchKomm-BGB / Schwab, § 1909, Rn. 24. An dieser Auslegung des Begriffs des Rechtsstreits i. S. d. § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB hat sich auch mit der FamFG-Reform nichts geändert, vgl. Keuter, NJW 2010, 1851. Daher gelten trotz ihrer neuen Systematisierung die Abstammungsverfahren nach §§ 169 ff. FamFG weiterhin als echte Streitverfahren, sodass ein Ausschluss des Sorgeberechtigten von der verfahrensrechtlichen Vertretung nach § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB weiterhin möglich ist, BGH, FamRZ 2012, 859, 860 mit Anm. Stößer; OLG Hamburg, NJW 2011, 235, 236; KG, Beschluss v. 21.09.2010, 16 UF 60/10, Rn. 6 (zitiert nach juris); Erman / Roth, BGB, § 1909, Rn. 3; MünchKomm-BGB / Schwab, § 1909, Rn. 25; S / B/W / Schöpflin, FamFG, § 9, Rn. 14; a. A. DIJuF, Stellungnahme vom 28. Oktober 2009, S. 5. Vogel, FPR 2011, 353, 355 spricht sich für eine analoge Anwendung des § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB aus. 29 Z. B. Unterhaltssachen, vgl. beispielsweise OLG Dresden, NJW-RR 2010, 1588 zur Geltendmachung von Kindesunterhalt gegen den alleinsorgeberechtigten Elternteil. 30 S / B/W / Schöpflin, FamFG, § 9, Rn. 14. 31 OLG Koblenz, NJW 2011, 236, 237; OLG Oldenburg, NJW 2010, 1888, 1890; Bamberger / Roth / Veit, BGB, § 1629, Rn. 30; Althammer in: Coester-Waltjen / Lipp / Schumann / Veit, Kindesschutz, S. 207, 210; Keuter, NJW 2010, 1851; Schael, FamRZ 2009, 265, 268; DIJuF, Stellungnahme vom 28. Oktober 2009, S. 5. A. A. noch zu § 50 FGG a. F Roth, Grundrechte Minderjähriger, S. 201, der § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB nach Sinn und Zweck für analog anwendbar hielt. 32 BGH, NJW 1964, 1129, 1130; Bamberger / Roth / Valentin, BGB, § 181, Rn. 16; Erman / Maier-Reimer, BGB, § 181, Rn. 5; MünchKomm-BGB / Schramm, § 181, Rn. 40; Palandt / Ellenberger, BGB, § 181, Rn. 5, jeweils mit dem Hinweis, dass der Grundsatz des § 181 BGB auch auf den Parteiprozess der ZPO sowie auf die echten Streitverfahren des FamFG übertragbar sei. Dies gilt jedoch nicht für die Nichtstreitverfahren wie das Kindschaftsverfahren nach § 151 FamFG. Vgl. hierzu auch BayObLG, NJW 1962, 964. 33 Keuter, NJW 2010, 1851; a. A. Erman / Saar, BGB, § 1795, Rn. 12.
236 F. Abgrenzung der Verfahrensbeistandschaft von der Ergänzungspflegschaft
(3) Die gerichtliche Entziehung der Vertretungsmacht gemäß §§ 1629 Abs. 2 S. 3, 1796 BGB Liegt kein gesetzlicher Ausschlussgrund nach § 1795 BGB vor, so kann dem Sorgeberechtigten die Vertretungsmacht gemäß §§ 1629 Abs. 2 S. 3, 1796 BGB für bestimmte Angelegenheiten durch das Gericht entzogen werden. Dies setzt gemäß § 1796 Abs. 2 BGB die gerichtliche Feststellung voraus, dass im konkreten Einzelfall das Interesse des Minderjährigen zu dem Interesse des Sorgeberechtigten, eines von diesem vertretenen Dritten oder einer der in § 1795 Nr. 1 BGB bezeichneten Personen in erheblichem Gegensatz steht. Vom Wortlaut her decken sich die Tatbestandsvoraussetzungen folglich mit denen des § 158 Abs. 2 Nr. 1 FamFG. Daher wird bei der Auslegung des § 158 Abs. 2 Nr. 1 FamFG auf diejenige des bereits vor der Einführung von § 50 FGG a. F. bestehenden § 1796 Abs. 2 BGB zurückgegriffen, allerdings unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Ausgestaltung beider Institute. 34 Ein Interessengegensatz i. S. d. § 1796 Abs. 2 BGB liegt vor, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass die Förderung des eigenen Interesses des Sorgeberechtigten nur auf Kosten des Kindesinteresses möglich ist, 35 das Kindeswohl im Konfliktfall von dem gesetzlichen Vertreter also nicht mit der gebotenen Zielstrebigkeit verfolgt werden wird. 36 Diese die Interessenvertretung des Kindes gefährdende Konfliktlage muss durch das Gericht hinreichend konkret feststellbar sein und darf nicht allgemein vermutet werden. 37 Die bloße Möglichkeit eines Interessengegensatzes genügt mithin nicht. 38 Das Gericht muss daher von Amts wegen 39 für den konkreten Einzelfall prüfen, welche Handlungen der Sorgeberechtigte in der jeweiligen Angelegenheit plant und ob zu erwarten ist, dass er dabei trotz des Interessenkonfliktes das Kindeswohl angemessen wahren wird. 40 Insofern ist die rein formale Stellung als Verfahrensgegner für sich ge34
Siehe hierzu E. II. 2. b) bb). OLG Köln, FPR 2012, 398, 399; OLG Hamm, FamRZ 1993, 1122, 1123; BayObLG, Rpfleger 1977, 440; MünchKomm-BGB / Schwab, § 1909, Rn. 26; Palandt / Götz, BGB, § 1796, Rn. 2; Staudinger / Engler, BGB, § 1796, Rn. 7; FamVerf / Schael, § 2, Rn. 136. 36 OLG Oldenburg, ZKJ 2011, 101, 102; OLG Oldenburg, NJW 2011, 1888, 1890; OLG Karlsruhe, FamRZ 2004, 51; OLG Stuttgart, OLGZ 1983, 299, 300; MünchKommBGB / Wagenitz, § 1796, Rn. 5; Palandt / Götz, BGB, § 1629, Rn. 15. 37 BGH, NJW-RR 2008, 963, 965; OLG Köln, FPR 2012, 398, 399; OLG Brandenburg, ZEV 2011, 594, 595; OLG Koblenz, NJW 2011, 236, 237; OLG Stuttgart, NJW-RR 2010, 222, 223; OLG Stuttgart, OLGZ 1983, 299, 300; BayObLG, FamRZ 1963, 578, 579; Bamberger / Roth / Bettin, BGB, § 1909, Rn. 9; Erman / Saar, BGB, § 1796, Rn. 2; Salgo, FPR 2011, 314, 317. 38 OLG Frankfurt, MDR 1964, 419, 420; Palandt / Götz, BGB, § 1796, Rn. 2. 39 FamVerf / Schael, § 2, Rn. 136 m. w. N. 40 OLG Oldenburg, ZKJ 2011, 101, 102; OLG Stuttgart, OLGZ 1983, 299, 300; MünchKomm-BGB / Wagenitz, § 1796, Rn. 5; Staudinger / Engler, BGB, § 1796, Rn. 7. 35
I. Die Ergänzungspflegschaft im Kindschaftsverfahren
237
nommen noch nicht ausreichend, um einen Interessenwiderstreit i. S. d. § 1796 Abs. 2 BGB zum Minderjährigen zu begründen. 41 Hingegen wurde ein Interessengegensatz beispielsweise für den Fall angenommen, dass sich die Eltern um das Aufenthaltsrecht des Kindes stritten, wobei ihre Wohnorte weit voneinander entfernt lagen und sich das Interesse zumindest eines Elternteils, mit dem Kind in einem völlig neuen Lebensumfeld den Lebensmittelpunkt zu begründen, von den für das Wohl des Kindes bedeutenden Umständen erheblich unterschied. 42 Liegt ein Interessengegensatz i. S. d. § 1796 Abs. 2 BGB vor, so entfällt die Vertretungsbefugnis des Sorgeberechtigten nicht bereits mit dessen Entstehung, sondern erst mit der Bekanntgabe des gerichtlichen Entziehungsbeschlusses. 43 Dabei erstreckt sich die Entziehung der Vertretungsmacht bei gemeinsamer elterlicher Sorge aufgrund der erforderlichen Einzelfallprüfung nicht automatisch auf den anderen Elternteil. 44 Allerdings hat das Gericht auch in Bezug auf ihn zu prüfen, ob gleich gelagerte Interessen bestehen, die einen Interessengegensatz bewirken und ebenfalls eine Entziehung nach § 1629 Abs. 2 S. 3 i. V. m. § 1796 BGB erforderlich machen. 45 Da es sich bei der Entziehung der Vertretungsmacht um einen erheblichen Eingriff in das grundgesetzlich geschützte Elternrecht nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG handelt, ist zudem der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Mithin muss die gerichtliche Entziehung unterbleiben, soweit ein milderes, gleich geeignetes Mittel zu Verfügung steht, um die Interessenvertretung und die Wahrung der Subjektstellung des Minderjährigen zu gewährleisten. 46 Speziell für die Vertretung im Kindschaftsverfahren stellt sich somit die Frage, ob die Bestellung eines Verfahrensbeistands für das Kind nach § 158 FamFG als milderes, gleich geeignetes Mittel der Entziehung der elterlichen Vertretungsmacht nach §§ 1629 Abs. 2 S. 3 i. V. m. 1796 BGB entgegensteht. Dies war in Literatur und Rechtsprechung zunächst umstritten. 41 OLG Koblenz, NJW 2011, 236, 237; Althammer in: Coester-Waltjen / Lipp / Schumann / Veit, Kindesschutz, S. 207, 214; Keuter, NJW 2010, 1851, 1852; a. A. DIJuF, Stellungnahme vom 28. Oktober 2009, S. 5. 42 BGH, NJW 2011, 3454. Weitere Beispiele bei MünchKomm-BGB / Wagenitz, § 1796, Rn. 13. 43 BGH, NJW 2007, 1677, 1678; MünchKomm-BGB / Wagenitz, § 1796, Rn. 17; Palandt / Götz, BGB, § 1796, Rn. 5; Staudinger / Engler, BGB, § 1796, Rn. 18. 44 MünchKomm-BGB / Schwab, § 1909, Rn. 26; MünchKomm-BGB / Huber, § 1629, Rn. 59; Allmendinger, Rechtsgeschäftlicher Minderjährigenschutz, S. 158; Althammer in: Coester-Waltjen / Lipp / Schumann / Veit, Kindesschutz, S. 207, 211; a. A. OLG Hamm, FamRZ 1993, 1122, 1123. 45 OLG Karlsruhe, FamRZ 2004, 51; OLG Köln, FamRZ 2001, 430, 431; MünchKommBGB / Huber, § 1629, Rn. 56; Palandt / Götz, BGB, § 1629, Rn. 15. 46 BGH, NJW 2012, 151, 153; BGH, NJW 2011, 3454, 3456; OLG Koblenz, NJW 2011, 236, 237; Erman / Saar, BGB, § 1796, Rn. 2; MünchKomm-BGB / Huber, § 1629, Rn. 56; Keuter, NJW 2010, 1851, 1852; Sommer, FPR 2012, 374, 376.
238 F. Abgrenzung der Verfahrensbeistandschaft von der Ergänzungspflegschaft
Das OLG Oldenburg hatte insoweit die Ansicht vertreten, dass die Bestellung eines Verfahrensbeistands nach § 158 FamFG in der Regel nicht ausreichend sei, da diesem gemäß § 158 Abs. 4 S. 6 FamFG die gesetzliche Vertretungsbefugnis fehle. Daher sei in der Mehrzahl der Kindschaftsverfahren weiterhin die Bestellung eines Ergänzungspflegers erforderlich, insbesondere um das Recht des Minderjährigen auf rechtliches Gehör zu gewährleisten. 47 Andere Gerichte sahen die Kindesinteressen hingegen bereits durch die Bestellung eines Verfahrensbeistandes als ausreichend gewahrt an und gingen davon aus, dass ein Ergänzungspfleger nur noch in besonderen Ausnahmefällen in Betracht käme. 48 In der Literatur war die Meinung gespalten. Diejenigen, die eine Ergänzungspflegerbestellung weiterhin für erforderlich hielten, folgerten dies im Wesentlichen aus der fehlenden Handlungsbefugnis des Verfahrensbeistands zur gesetzlichen Vertretung des Minderjährigen gemäß § 158 Abs. 4 S. 6 FamFG. 49 Überwiegend wurde die Auffassung des OLG Oldenburg jedoch kritisiert und ein Ergänzungspfleger für das Kindschaftsverfahren als grundsätzlich nicht mehr erforderlich erachtet. 50 Begründet wurde dies zum einen damit, dass die Ergänzungspflegerbestellung das Kindschaftsverfahren entgegen der gesetzlichen Intention schwerfälliger und langwieriger mache. 51 Zudem sei die Argumentation des OLG Oldenburg inkonsequent, soweit die Bestellung eines Ergänzungspfle47 OLG Oldenburg, NJW 2010, 1888, 1889; OLG Oldenburg, ZKJ 2011, 101, 103 mit ablehnender Anm. Heilmann. Zu beachten ist, dass sich das OLG Oldenburg dabei auf ihm zustimmende Entscheidungen berief, die jedoch solche Verfahren betrafen, die gerade nicht die Person des Kindes im Rahmen eines Kindschaftsverfahrens zum Gegenstand hatten, sondern z. B. die Geltendmachung von Kindesunterhalt (OLG Dresden, NJW-RR 2010, 1588) oder die Genehmigung einer Erbausschlagung (KG, NJW-RR 2010, 1087, 1089). 48 OLG Koblenz, NJW 2011, 236, 237; OLG Stuttgart, NJW-RR 2010, 222, 223 = ZKJ 2010, 36, 37 mit Anm. Menne; OLG Naumburg, Beschluss v. 7.12.2010, 3 UF 178/10. 49 Bumiller / Harders, FamFG, § 9, Rn. 10; Prütting / Helms / Prütting, FamFG, § 9, Rn. 19; S / B/W / Schöpflin, FamFG, § 9, Rn. 15; Thomas / Putzo / Hüßtege, ZPO, § 9 FamFG, Rn. 6a; Götz, NJW 2010, 897, 898; Schürmann, FamFR 2009, 153, 157 f.; Zorn, Rpfleger 2009, 421, 426; DIJuF, Stellungnahme vom 28. Oktober 2009, S. 5 f. Ebenso wohl auch B / J/S / Zorn, FamFG, § 158, Rn. 23. 50 U. a. Bamberger / Roth / Bettin, BGB, § 1909, Rn. 10; Hahne / Munzig / Schlünder, FamFG, § 156, Rn. 13; Keidel / Zimmermann, FamFG, § 9, Rn. 18; S / B/W / Oberheim, FamFG, § 41, Rn. 19; Prütting / Helms / Stößer, FamFG, § 151, Rn. 21; Zöller / Lorenz, ZPO, § 158 FamFG, Rn. 10; Salgo / Zenz / Heilmann, Verfahrensbeistandschaft, Rn. 1281; Anm. Heilmann in ZKJ 2011, 101, 103; Anm. Grün in FamFR 2010, 45; Anm. Stößer in FamRB 2010, 38, 39; Diehl, FuR 2010, 542, 544; Keuter, NJW 2010, 1851 f; Rüntz / Viefhues, FamRZ 2010, 1285, 1289; Salgo, FPR 2011, 314, 315 f; Schael, FamRZ 2009, 165, 269; Schmid, FPR 2011, 5, 7; Sommer, FPR 2012, 374, 375 f. 51 Keuter, NJW 2010, 1851, 1853; Salgo, FPR 2011, 314, 317; Schael, FamRZ 2009, 165, 269; Schmid, FPR 2011, 5, 7.
I. Die Ergänzungspflegschaft im Kindschaftsverfahren
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gers für das Verfahren zur Ergänzungspflegerbestellung, das nach § 151 Nr. 5 FamFG ebenfalls ein Kindschaftsverfahren darstellt, als nicht notwendig erachtet werde. 52 Zum anderen sei der Verfahrensbeistand mit den ihm zustehenden Befugnissen ausreichend ausgestattet, um die Absicherung der Subjektstellung des Minderjährigen im Verfahren zu gewährleisten. 53 Dem hat sich nunmehr der BGH angeschlossen und klargestellt, dass die Wahrnehmung der Interessen des Minderjährigen im Kindschaftsverfahren die originäre Aufgabe des Verfahrensbeistandes sei. 54 Nach der Zielsetzung des Gesetzgebers bei der Einführung des § 158 FamFG habe die Verfahrensbeistandsbestellung daher gegenüber einer Ergänzungspflegerbestellung Vorrang, was der Entziehung der Vertretungsmacht nach §§ 1629 Abs. 2 S. 3 i. V. m. § 1796 BGB in der Regel entgegenstehe. 55 In der Ausgestaltung des § 158 FamFG spiegele sich der gesetzgeberische Wille wider, den Eingriff in das Elternrecht bewusst zu begrenzen. Die dem Verfahrensbeistand zugedachten Befugnisse seien trotz des eingeschränkten Handlungsspielraumes durch den Ausschluss der gesetzlichen Vertretungsmacht vom Gesetzgeber als ausreichend erachtet worden. 56 Zudem unterstreiche z. B. auch der Ausschluss der Anfechtbarkeit der Verfahrensbeistandsbestellung den gesetzgeberischen Willen, Verfahrensverzögerungen zu vermeiden. Dem würde das Erfordernis der Bestellung eines Ergänzungspflegers zuwiderlaufen. 57 Mithin stelle die Verfahrensbeistandschaft ein probates und ausreichendes Mittel dar, um die Interessenvertretung des Minderjährigen auch im Konfliktfall mit den Eltern abzusichern, sodass eine Entziehung der Vertretungsmacht gemäß § 1629 Abs. 2 S. 3 i. V. m. § 1796 BGB in der Regel unverhältnismäßig sei. Die Ansicht des BGH verdient teilweise Zustimmung. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich eindeutig die Intention des Gesetzgebers, den Eingriff in das Elternrecht im Hinblick auf Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG möglichst gering zu halten 58 und das Verfahren ohne unnötige Verzögerungen zum Wohle des Kindes zügig abzuwickeln 59. Dem würde der Entzug der Vertretungsmacht nach §§ 1629 Abs. 2 S. 3, 1796 BGB und die Bestellung eines Ergänzungspflegers nach § 1909 Abs. 1 S. 1 BGB zuwiderlaufen. Insofern stellt der Verfahrensbeistand, dessen Bestellung selbst nicht anfechtbar ist und der die gesetzlichen 52
Keuter, NJW 2010, 1851 f; Salgo, FPR 2011, 314, 317. Siehe hierzu auch F. I. 2. Hahne / Munzig / Schlünder, FamFG, § 156, Rn. 13; Keuter, NJW 2010, 1851, 1853; Salgo, FPR 2011, 314, 319. 54 BGH, NJW 2011, 3454, 3455. Zustimmend KG, ZKJ 2012, 314, 315. 55 BGH, NJW 2011, 3454, 3456. 56 BGH, NJW 2011, 3454, 3455 f. 57 BGH, NJW 2011, 3454, 3456. 58 BT-Drucksache 16/6308, S. 240. 59 BT-Drucksache 16/6308, S. 239. 53
240 F. Abgrenzung der Verfahrensbeistandschaft von der Ergänzungspflegschaft
Vertretungsverhältnisse unberührt lässt, grundsätzlich ein milderes Mittel gegenüber der Ergänzungspflegschaft nach Entzug der elterlichen Vertretungsbefugnis dar. Allerdings verbietet sich eine pauschale Betrachtung und die Annahme einer generellen Vorrangstellung der Verfahrensbeistandschaft gegenüber der Ergänzungspflegschaft. Es ist vielmehr für den konkreten Einzelfall zu prüfen, ob der Verfahrensbeistand im Vergleich zum Ergänzungspfleger jeweils auch gleich geeignet ist, um die Subjektstellung des Minderjährigen im Kindschaftsverfahren ausreichend zu gewährleisten. Wesentlicher Anknüpfungspunkt ist dabei zum einen die Frage, ob eine Verfahrensbeistandsbestellung überhaupt in Betracht kommt, der Anwendungsbereich des § 158 FamFG also allgemein eröffnet ist. 60 Dies gilt einerseits nicht für Verfahren, die keine Kindschaftssachen i. S. d. § 151 FamFG darstellen. 61 Andererseits kann ein Verfahrensbeistand gemäß § 158 Abs. 1 FamFG nur für solche Verfahren bestellt werden, welche die Person des Kindes, also nicht ausschließlich vermögensrechtliche Angelegenheiten betreffen. 62 Zum anderen muss für den jeweiligen Einzelfall festgestellt werden, ob sich der Interessenwiderstreit i. S. d. § 1796 Abs. 2 BGB hinsichtlich des Kindschaftsverfahrens auf Angelegenheiten erstreckt, die eine gesetzliche Vertretung erforderlich machen. Denn in diesem Fall ist der Verfahrensbeistand aufgrund seiner nach § 158 Abs. 4 S. 6 FamFG beschränkten Handlungsmacht gerade nicht gleich geeignet, die Subjektstellung des Minderjährigen ausreichend zu gewährleisten. Sein Aufgabenkreis und seine Befugnisse beschränken sich vorrangig auf die Feststellung der subjektiven Interessen des Kindes nebst den objektiven Kindeswohlgesichtspunkten und deren Einbringung in das Verfahren. 63 Dabei ist hervorzuheben, dass die Ausgestaltung des § 158 FamFG es dem Verfahrensbeistand entgegen der Auffassung des OLG Oldenburg 64 nunmehr ermöglicht, auch das rechtliche Gehör des Minderjährigen im Verfahren zu vermitteln. 65 Außerdem kann er gemäß § 158 Abs. 4 S. 5 FamFG Rechtsmittel im Interesse des Kindes einlegen. 66 Dementgegen hilft die Bestellung eines Verfahrensbeistandes 60
So auch BGH, NJW 2011, 3454, 3456. Z. B. Verfahren wegen Unterhalts und dessen Vollstreckung. 62 Siehe E. II. 2. a). Vgl. hierzu auch OLG Zweibrücken, NJW-RR 2012, 1287; OLG Köln, FPR 2012, 398, 399; OLG Celle, Rpfleger 2011, 436, 437 mit Anm. Zorn; OLG Brandenburg, ZEV 2011, 594, 595; KG, NJW-RR 2010, 1087, 1089 = RNotZ 2010, 463 ff. mit Anm. Kölmel, der § 158 FamFG auch hier zumindest analog anwenden will. Ebenso Perlwitz / Weber, FamRZ 2011, 1350, 1353. 63 Siehe hierzu E. II. 4. a). 64 OLG Oldenburg, ZKJ 2011, 101, 103. 65 Siehe hierzu E. II. 5. b). 66 Hierzu auch Keuter, NJW 2010, 1851, 1853. 61
I. Die Ergänzungspflegschaft im Kindschaftsverfahren
241
aber nicht, soweit der Minderjährige Anträge stellen oder Erklärungen abgeben muss, wie etwa die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht, und hierbei mangels Verfahrensfähigkeit nach § 9 Abs. 2 FamFG der gesetzlichen Vertretung bedarf. Gleiches gilt zwar grundsätzlich auch hinsichtlich der Zustellung, die bei einem nicht verfahrensfähigen Kind gemäß § 15 Abs. 2 FamFG i. V. m. § 170 ZPO weiterhin an die gesetzlichen Vertreter erfolgen muss. 67 Allerdings sieht zum einen § 164 FamFG vor, dass die Bekanntgabe der gerichtlichen Entscheidung an den vierzehnjährigen, geschäftsfähigen Minderjährigen selbst vorzunehmen ist. Zum anderen erfolgt die Zustellung jedenfalls an den Verfahrensbeistand, der nach § 158 Abs. 4 S. 5 FamFG im Interesse des Kindes Rechtsmittel einlegen kann, wenn auch nur in eigenem Namen. Unter der Prämisse, dass der Verfahrensbeistand seine Funktion als Interessenvertreter des Kindes ordnungsgemäß erfüllt, die Endentscheidung im Hinblick auf die Kindesinteressen sorgfältig prüft und den Minderjährigen informiert, kann so der Zweck der Zustellung, nämlich die Gewährung rechtlichen Gehörs des Minderjährigen grundsätzlich erfüllt werden. 68 Da dies jedoch nur über den Umweg des Verfahrensbeistands und nicht aus der Beteiligtenposition des Minderjährigen als vollwertigem Beteiligten heraus erfolgt, bleibt dennoch im Einzelfall zu prüfen, ob ein Bedürfnis dafür besteht, den Eltern aufgrund eines konkret für die Empfangsvertretung bestehenden Interessengegensatzes, den auch der Verfahrensbeistand nicht auffangen kann, die Vertretungsbefugnis zu entziehen und einen Ergänzungspfleger zu bestellen. Besonders problematisch ist des Weiteren die Zustimmung des Minderjährigen zu einer einvernehmlichen Regelung i. S. d. § 156 Abs. 2 FamFG. 69 Denn soweit das minderjährige Kind nicht selbst verfahrensfähig ist, bedarf es auch hier gemäß § 9 Abs. 2 FamFG der gesetzlichen Vertretung. 70 Mithin kann der Verfahrensbeistand, der seinerseits als Beteiligter selbst zustimmungsberechtigt ist, die Zustimmung nicht als Vertreter des Kindes erklären. Vielmehr sind die Eltern grundsätzlich weiterhin vertretungsberechtigt. Insofern bleibt also zu prüfen, ob ein Interessenwiderstreit i. S. d. § 1796 Abs. 2 BGB besteht. Aufgrund der Konzeption des Gesetzes, dass sich beide Eltern einigen und sowohl der Verfahrensbeistand als auch das Jugendamt hierbei mitwirken können, dürfte ein solcher in praktischer Hinsicht allerdings nur in seltenen Ausnahmefällen feststellbar sein. Rein dogmatisch besteht jedoch die theoretische Möglichkeit eines erheblichen Interessenwiderstreits zwischen den Eltern und dem minder67 BGH, FamRZ 2007, 538, 539; OLG Oldenburg, NJW 2010, 1888, 1889; Schael, FamRZ 2009, 265, 269. 68 Siehe E. II. 5. b). Im Ergebnis so auch Keuter, NJW 2010, 1851, 1852. 69 Siehe hierzu D. III. 1. 70 A. A. Salgo / Zenz / Heilmann, Verfahrensbeistandschaft, Rn. 1281.
242 F. Abgrenzung der Verfahrensbeistandschaft von der Ergänzungspflegschaft
jährigen Kind. 71 In diesem Fall stellt der Verfahrensbeistand gerade kein gleich geeignetes Mittel dar und den Sorgeberechtigten wäre die Vertretungsmacht gemäß §§ 1629 Abs. 2 S. 3, 1796 BGB zu entziehen. Die gegenteiligen Ansichten, dass der Minderjährige bereits durch das Erfordernis der gerichtlichen Billigung ausreichend geschützt 72 oder dass die Zustimmung des Kindes in diesem Fall entbehrlich sei 73 sind abzulehnen, da eine solche Beschneidung der Beteiligtenrechte des Minderjährigen dem eindeutigen Wortlaut und dem Schutzzweck des Gesetzes widerspricht. 74 Soweit mithin ein Interessenwiderstreit i. S. d. § 1796 Abs. 2 BGB bezüglich einer dieser konkreten Angelegenheiten im Kindschaftsverfahren durch das Gericht festgestellt werden kann, verkörpert die Verfahrensbeistandschaft mangels gesetzlicher Vertretungsbefugnis kein gleich geeignetes, milderes Mittel. Folglich steht der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz der Entziehung der elterlichen Vertretungsmacht nach §§ 1629 Abs. 2 S. 3, 1796 BGB nicht entgegen und es ist aufgrund der rechtlichen Verhinderung der Eltern gemäß § 1909 Abs. 1 S. 1 BGB ein Ergänzungspfleger für das Kindschaftsverfahren zu bestellen. cc) Fazit Zusammenfassend lässt sich damit in Bezug auf die Frage, wann eine Verhinderung des Sorgeberechtigten ausschließlich für die Vertretung des Minderjährigen im Kindschaftsverfahren i. S. d. § 1909 Abs. 1 S. 1 BGB vorliegt, Folgendes festhalten. Soweit eine tatsächliche Verhinderung oder eine rechtliche Verhinderung wegen des Ruhens der elterlichen Sorge besteht, erstreckt sich die vertretungsrechtliche Lücke über das Kindschaftsverfahren hinaus auch auf die anfallenden materiell-rechtlichen Angelegenheiten. Ein Konkurrenzverhältnis zur Verfahrensbeistandschaft, die sich auf die verfahrensrechtliche Interessenvertretung beschränkt, scheidet damit aus. Des Weiteren liegt die Vertretung im Kindschaftsverfahren nicht im Anwendungsbereich der §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1795 BGB, sodass hiernach keine rechtliche Verhinderung aufgrund des gesetzlichen Ausschlusses besteht. Folglich kann eine Verhinderung i. S. d. § 1909 Abs. 1 S. 1 BGB allein in Bezug auf die Vertretung im Kindschaftsverfahren nur in Betracht kommen, soweit die Voraussetzungen für die Entziehung der Vertretungsmacht nach §§ 1629 71
Z. B. soweit zwischen den Eltern eine Umgangsregelung getroffen wird, die den Kindesinteressen widerspricht. 72 Keuter, NJW 2010, 1851, 1853. 73 B / J/S / Zorn, FamFG, § 156, Rn. 16. Ebenso wohl auch Musielak / Borth, FamFG, § 156, Rn. 9. 74 Siehe hierzu D. III. 1.
I. Die Ergänzungspflegschaft im Kindschaftsverfahren
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Abs. 2 S. 3, 1796 BGB vorliegen. Dies setzt voraus, dass ein erheblicher Interessenwiderstreit zwischen dem Minderjährigen und seinem gesetzlichen Vertreter besteht. Insofern muss jedoch für den konkreten Einzelfall geprüft werden, ob die Möglichkeit der Verfahrensbeistandsbestellung nach § 158 BGB als gleich geeignetes, milderes Mittel einer Entziehung der Vertretungsmacht als Teil des Elternrechtes nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG entgegensteht. Dies kann allerdings nur dann der Fall sein, wenn und soweit der Anwendungsbereich des § 158 FamFG eröffnet ist und die jeweilige Angelegenheit keine gesetzliche Vertretung erfordert. Auch wenn dies in der Praxis nur wenige Ausnahmefälle betrifft, bleibt die Entziehung der Vertretungsmacht insoweit notwendig und es liegt eine rechtliche Verhinderung des Sorgeberechtigten i. S. d. § 1909 Abs. 1 S. 1 BGB vor. b) Das besondere Fürsorgebedürfnis Die Bestellung eines Ergänzungspflegers gemäß § 1909 Abs. 1 S. 1 FamFG setzt neben der Verhinderung des Sorgeberechtigten ferner voraus, dass für die Wahrnehmung bestimmter Angelegenheiten aus aktuellem Anlass ein konkretes, gegenwärtiges Fürsorgebedürfnis 75 besteht. 76 Eine rein vorsorgliche sogenannte Beobachtungspflegschaft ohne gegenwärtigen Anlass ist unzulässig. 77 Ob ein gegenwärtiges Fürsorgebedürfnis besteht, ist gemäß § 26 FamFG von Amts wegen festzustellen. 78 Maßgeblich ist dabei, ob für eine Angelegenheit aufgrund der Verhinderung des Sorgeberechtigten Vertretungslücken entstehen. Das Fürsorgebedürfnis fehlt mithin, wenn die gesetzlichen Vertreter oder der Minderjährige selbst die Angelegenheit wahrnehmen können. 79 Gleiches gilt, soweit das Gericht die Möglichkeit hat die notwendigen Handlungen selbst vorzunehmen. 80 Zudem soll das Fürsorgebedürfnis fehlen, wenn ein noch nicht
75 Allmendinger, Rechtsgeschäftlicher Minderjährigenschutz, S. 158 f. stellt hingegen auf den Begriff der zu besorgenden Angelegenheit ab und hält ein darüber hinausgehendes besonderes Fürsorgebedürfnis für nicht erforderlich. 76 BGH, NJW 1976, 49; BGHZ 65, 93, 95; OLG Hamm, FamRZ 1993, 1122, 1123; MünchKomm-BGB / Schwab, § 1909, Rn. 35. Bei dem Fürsorgebedürfnis handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Konkretisierung durch das Tatsachengericht in der Rechtsmittelinstanz voll überprüft werden kann, Erman / Roth, BGB, Vor § 1909, Rn. 7a. 77 BGH, NJW 1976, 49, 51; OLG Hamm, FamRZ 1993, 1122, 1123; BayObLG, Rpfleger 1977, 440; Erman / Roth, BGB, § 1909, Rn. 12; MünchKomm-BGB / Schwab, § 1909, Rn. 35. 78 Palandt / Götz, BGB, § 1909, Rn. 7. 79 Z. B. nach §§ 112, 113 BGB, Palandt / Götz, BGB, § 1909, Rn. 7. 80 Z. B. gemäß §§ 1693, 1846 BGB, vgl. beispielsweise BayObLGZ 1982, 86, 88; LG Köln, FamRZ 1985, 836, 837; MünchKomm-BGB / Schwab, § 1909, Rn. 35.
244 F. Abgrenzung der Verfahrensbeistandschaft von der Ergänzungspflegschaft
anhängiger, aber in Aussicht genommener Aktivprozess als aussichtslos bewertet wird. 81 Für die Durchführung eines bereits anhängigen Kindschaftsverfahrens i. S. d. § 151 FamFG ist das konkrete Fürsorgebedürfnis im Hinblick auf die nunmehr formelle Beteiligung des Minderjährigen nach § 7 FamFG grundsätzlich gegenwärtig gegeben, soweit der Minderjährige nicht nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 bis Nr. 4 FamFG selbst verfahrensfähig ist. 82 2. Das Bestellungsverfahren Liegen die Voraussetzungen des § 1909 Abs. 1 S. 1 BGB vor, so hat das Familiengericht nach §§ 1789, 1915 BGB einen Ergänzungspfleger für den Minderjährigen zu bestellen. Dabei handelt es sich gemäß § 151 Nr. 5 FamFG um ein Kindschaftsverfahren und damit um eine Familiensache i. S. d. § 111 Nr. 2 FamFG. Somit ist nach §§ 23a Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 23b Abs. 1 GVG das Familiengericht zuständig. 83 Gemäß § 3 Nr. 2a RPflG liegt die funktionale Zuständigkeit grundsätzlich beim Rechtspfleger. 84 Dennoch wird die Entscheidung zur Bestellung eines Ergänzungspflegers zumeist durch den Richter getroffen, was ihre Wirksamkeit nach § 8 Abs. 1 RPflG unberührt lässt. 85 Ist die Entziehung der elterlichen Sorge erforderlich, so muss diese zeitgleich mit der Bestellung erfolgen. Die Pflegerbestellung wirkt aber in jedem Fall gemäß § 1630 Abs. 1 BGB als Sorgerechtsbeschränkung. 86 Der Bestellungsbeschluss muss den Wirkungskreis des Ergänzungspflegers, also die „Vertretung des Minderjährigen im anhängigen“, konkret zu bezeichnenden Kindschaftsverfahren bestimmen und hat konstitutive Wirkung. 87 Er wird gemäß §§ 40, 41 FamFG mit seiner Bekanntgabe gegenüber den Beteiligten wirksam. 88 81
MünchKomm-BGB / Schwab, § 1909, Rn. 35. Soweit, wie z. B. bei Bamberger / Roth / Bettin, BGB, § 1909, Rn. 10, an dieser Stelle diskutiert wird, ob das Fürsorgebedürfnis durch die Verfahrensbeistandsbestellung als milderes Mittel entfällt, kann auf die Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit der Entziehung der Vertretungsmacht nach §§ 1629 Abs. 2 S. 3, 1796 BGB verwiesen werden. 83 Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach § 152 FamFG. 84 Ein Richtervorbehalt besteht hingegen für Maßnahmen aufgrund des § 1666 BGB (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 RPflG) und Maßnahmen die religiöse Kindererziehung betreffend (§ 14 Abs. 1 Nr. 11 RPflG) sowie bei einer Pflegschaft für Ausländer (§ 14 Abs. 1 Nr. 10 RPflG). Hierzu kritisch Salgo, FPR 2011, 314, 317. 85 Schneider / Faber, FuR 2012, 580, 581. 86 MünchKomm-BGB / Schwab, § 1909, Rn. 42. 87 Staudinger / Bienwald, BGB, Vorbem. zu §§ 1909 – 1921, Rn. 11. Bestehen Zweifel am Umfang der Pflegschaft, so richtet sich dieser nach der Natur der übertragenen Aufgabe, MünchKomm-BGB / Schwab, Vorb. vor §§ 1909 bis 1914, Rn. 4 m. w. N. 88 OVG Lüneburg, NJW 2011, 3112. 82
I. Die Ergänzungspflegschaft im Kindschaftsverfahren
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Die gerichtliche Auswahl des Ergänzungspflegers ist ein eigenständiger Verfahrensgegenstand 89 und hat sich am Kindeswohl zu orientieren. Gemäß §§ 1779 Abs. 2, 1915 Abs. 1 BGB sind dabei die persönlichen Verhältnisse, die Vermögenslage und sonstige Umstände, wie z. B. bestehende Bindungen des Kindes, zu berücksichtigen. 90 Gegen die Bestellung des Ergänzungspflegers, gegen die konkrete Auswahl seiner Person sowie gegen deren Ablehnung oder Aufhebung können die Eltern und der Minderjährige 91 nach §§ 58 ff. FamFG Beschwerde einlegen. 92 Da es sich bei der Anordnung der Ergänzungspflegschaft und der Bestellung des Pflegers gemäß § 151 Nr. 5 FamFG um Kindschaftssachen handelt, gelten die §§ 151 ff. FamFG. Wer am Verfahren zu beteiligen ist, richtet sich nach § 7 FamFG sowie nach §§ 161, 162 FamFG. Gemäß §§ 159, 160, 162 Abs. 1 FamFG sind der Minderjährige, die Eltern sowie das Jugendamt anzuhören. Umstritten ist, wie die Vertretung der Kindesinteressen im Verfahren zur Ergänzungspflegerbestellung zu gewährleisten ist. Das OLG Oldenburg vertritt die Auffassung, dass die Eltern in dem Verfahren zur Bestellung eines Ergänzungspflegers nicht ausgeschlossen seien, gegebenenfalls aber ein Verfahrensbeistand zu bestellen sei. 93 Die Gegenmeinung wirft dem OLG Inkonsequenz vor, da es auf diese Weise versuche, die drohende Endlosschleife von Ergänzungspflegerbestellungen zu vermeiden. 94 Bei einer genaueren dogmatischen Prüfung zeigt sich jedoch, dass die Ansicht des OLG Oldenburg Zustimmung verdient. Da es sich bei der Ergänzungspflegerbestellung gemäß § 151 Nr. 5 FamFG um ein Kindschaftsverfahren handelt, findet zunächst § 158 FamFG Anwendung. Mithin ist, soweit nach § 158 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 FamFG erforderlich, auch hier ein Verfahrensbeistand für das Kind zu bestellen, um dessen Interessenvertretung zu gewährleisten. 95 Rein dogmatisch müsste das Gericht zudem von Amts wegen prüfen, ob die Bestellung eines Ergänzungspflegers nach § 1909 Abs. 1 S. 1 BGB erforderlich ist. Dies 89
BGH, NJW 2012, 685; Bamberger / Roth / Bettin, BGB, § 1909, Rn. 17. Vgl. hierzu auch Schneider / Faber, FuR 2012, 580, 581. Zum Antrags- und Vorschlagsrecht der Eltern vgl. Regler, Rpfleger 2000, 305, 308 ff. sowie Allmendinger, Rechtsgeschäftlicher Minderjährigenschutz, S. 174 f. 91 Bamberger / Roth / Bettin, BGB, § 1909, Rn. 17; MünchKomm-BGB / Schwab, § 1909, Rn. 62. 92 Dem Ergänzungspfleger selbst steht gegen die Anordnung der Ergänzungspflegschaft, ihre Ablehnung oder Aufhebung hingegen kein eigenes Beschwerderecht zu, BGH, NJW 2012, 685 f.; Bamberger / Roth / Bettin, BGB, § 1909, Rn. 17. 93 OLG Oldenburg, NJW 2010, 1888, 1890. Zustimmend S / B/W / Schöpflin, FamFG, § 9, Rn. 15. 94 Keuter, NJW 2010, 1851 f. 95 So auch MünchKomm-BGB / Schwab, § 1909, Rn. 62 sowie Perlwitz / Weber, FamRZ 2011, 1350, 1353, allerdings unter analoger Anwendung des § 158 FamFG. 90
246 F. Abgrenzung der Verfahrensbeistandschaft von der Ergänzungspflegschaft
wäre allenfalls dann der Fall, wenn für das Ergänzungspflegerbestellungsverfahren ein erheblicher Interessengegensatz zwischen dem Sorgerechtsinhaber und dem Minderjährigen besteht, der eine Entziehung der Vertretungsmacht nach §§ 1629 Abs. 2 S. 3, 1796 BGB erfordert. Zudem müsste die Verhältnismäßigkeitsprüfung ergeben, dass der Verfahrensbeistand kein gleich geeignetes, milderes Mittel darstellt. 96 Mithin bedarf es der Feststellung, dass der Interessengegensatz dazu führt, dass der Sorgerechtsinhaber bei einer im Verfahren vorzunehmenden Vertretungshandlung für den Minderjährigen dessen Wohl gefährden wird. Dies wird in der Regel nicht der Fall sein. Denn § 156 FamFG findet hier keine Anwendung, sodass eine Zustimmung des Minderjährigen nicht erforderlich ist. Auch bedarf es grundsätzlich keiner rechtsgeschäftlichen Anträge oder Erklärungen des Kindes. Lediglich hinsichtlich der Vertretung bei der Zustellung könnte sich theoretisch ein Interessenkonflikt ergeben, der jedoch ebenfalls durch die Mitwirkung eines Verfahrensbeistandes aufgefangen werden kann. 97 Im Ergebnis liegen die Voraussetzungen einer Ergänzungspflegerbestellung für das Verfahren zur Bestellung eines Ergänzungspflegers damit nicht vor. Aber auch losgelöst von der Einzelfallprüfung muss sich die Einschaltung eines Ergänzungspflegers hier verbieten. Denn wie von der Gegenmeinung 98 richtig festgestellt, droht ansonsten eine Endlosschleife der Ergänzungspflegerbestellungsverfahren. Somit würde sich das eigentliche Kindschaftsverfahren, gerade auch wegen der Anfechtbarkeit der Ergänzungspflegerbestellung, entgegen der sich in § 155 FamFG widerspiegelnden Intention des Gesetzgebers zur Verfahrensbeschleunigung unnötig verzögern. Dies würde das Kindeswohl insgesamt gefährden und im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung des § 1796 Abs. 2 BGB einer Entziehung der Vertretungsmacht in jedem Fall entgegenstehen. Im Ergebnis ist dem OLG Oldenburg darin zuzustimmen, dass eine Ergänzungspflegerbestellung hier grundsätzlich ausscheidet, gegebenenfalls jedoch eine Verfahrensbeistandsbestellung nach § 158 FamFG in Betracht kommt. Die Ergänzungspflegschaft endet gemäß § 1918 BGB kraft Gesetzes bei Beendigung der elterlichen Sorge oder mit Erledigung der zu besorgenden Angelegenheit bzw. gemäß § 1919 BGB durch gerichtlichen Aufhebungsbeschluss bei Wegfall des Anordnungsgrundes oder wenn ein solcher von Anfang an fehlte. 99 In Betracht kommt zudem die Entlassung des Pflegers nach §§ 1886, 1889, 1915 Abs. 1 BGB. 100 Mit der Beendigung der Pflegschaft erlischt die Rechtsmacht
96
Siehe hierzu F. I. 1. a) bb) (3). Siehe hierzu E. II. 5. b). 98 Keuter, NJW 2010, 1851 f. 99 MünchKomm-BGB / Schwab, § 1909, Rn. 58. 100 Staudinger / Bienwald, BGB, Vorbem. zu §§ 1909 –1921, Rn. 21. 97
I. Die Ergänzungspflegschaft im Kindschaftsverfahren
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des Ergänzungspflegers und es bleibt lediglich ein Abwicklungsverhältnis bestehen. 101 3. Die Rechte und Pflichten des Ergänzungspflegers bei der Vertretung im Kindschaftsverfahren Der Ergänzungspfleger ist gemäß §§ 1915 Abs. 1 S. 1, 1793 Abs. 1 S. 1 BGB im Rahmen des Wirkungskreises, für den er bestellt ist, gesetzlicher Vertreter des minderjährigen Kindes. 102 Hinsichtlich des Kindschaftsverfahrens bedeutet dies, dass dem Ergänzungspfleger sowohl die Interessenvertretung als auch die rechtsgeschäftliche Vertretung des Minderjährigen obliegt. Da er insofern den Sorgeberechtigten ersetzt, gelten zudem die Grenzen der elterlichen Vertretungsmacht. 103 Steht dem Ergänzungspfleger lediglich die Personen- oder die Vermögenssorge zu, so entscheidet bei Streitigkeiten zwischen dem Ergänzungspfleger und den Eltern über Angelegenheiten, die sowohl die Person als auch das Vermögen des Kindes betreffen, gemäß § 1630 Abs. 2 BGB das Familiengericht. Die Rechtsstellung des Minderjährigen selbst bleibt von der Pflegerbestellung unberührt. 104 Gemäß §§ 1915 Abs. 1 S. 1, 1789 BGB ist der Ergänzungspfleger zur treuen und gewissenhaften Verfolgung der Kindesinteressen verpflichtet. 105 Es entsteht ein Schuldverhältnis familienrechtlicher Art, aus dem der Ergänzungspfleger bei Pflichtverletzung gemäß §§ 1915 Abs. 1 S. 1, 1833 BGB haftet. 106 In Bezug auf das Gericht hat der Ergänzungspfleger zwar einerseits nach §§ 1837 Abs. 1, 1915 Abs. 1 S. 1 BGB ein Recht auf Beratung, unterliegt aber andererseits gemäß §§ 1837 Abs. 2 bis 4, 1915 Abs. 1 S. 1 BGB auch dessen Aufsicht. Gemäß §§ 1840 f., 1915 Abs. 1 S. 1 BGB trifft ihn zudem gegebenenfalls eine Berichtund Rechnungslegungspflicht. Insgesamt besteht daher zwischen dem Gericht und dem Pfleger ein Weisungsverhältnis. 107 Der Anspruch des Ergänzungspflegers auf Aufwendungsersatz und Vergütung richtet sich nach den §§ 1835 ff. i. V. m. 1915 Abs. 1 S. 1 BGB. Gemäß §§ 1836, 101
Staudinger / Bienwald, BGB, Vorbem. zu §§ 1909 –1921, Rn. 22. BGHZ 48, 147, 158 = BGH, NJW 1967, 2404, 2406; Bamberger / Roth / Bettin, BGB, § 1909, Rn. 1; Staudinger / Bienwald, BGB, § 1909, Rn. 7. 103 Staudinger / Bienwald, BGB, § 1909, Rn. 7; Allmendinger, Rechtsgeschäftlicher Minderjährigenschutz, S. 160 ff., insbesondere zur Problematik der Anwendbarkeit von § 1643 BGB. 104 MünchKomm-BGB / Schwab, Vorb. vor §§ 1909 bis 1914, Rn. 5. 105 BGH, NJW-RR 2005, 297; Allmendinger, Rechtsgeschäftlicher Minderjährigenschutz, S. 164. 106 BGH, NJW-RR 2005, 297; AG Bremen, NJW 1993, 205. 107 Staudinger / Bienwald, BGB, Vorbem. zu §§ 1909 –1921, Rn. 19. 102
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1915 Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. §§ 1, 3 VBVG erfolgt die Vergütung einer berufsmäßig geführten Ergänzungspflegschaft mithin auf der Grundlage eines nach Qualifikation gestaffelten Stundensatzes. 108 Dabei ist auch bei Geschwistern für jedes Kind eine rechtlich selbstständige Pflegschaft einzurichten, sodass jeweils eine gesonderte Vergütung fällig wird. 109 4. Zusammenfassung Insgesamt zeichnet sich nur ein sehr enger Anwendungsbereich für die auf die Vertretung im Kindschaftsverfahren beschränkte Ergänzungspflegschaft nach § 1909 Abs. 1 S. 1 BGB ab. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn die Voraussetzungen für die Entziehung der Vertretungsmacht nach §§ 1629 Abs. 2 S. 3, 1796 BGB vorliegen und die Eltern somit rechtlich verhindert sind. Demnach muss das Gericht für eine konkrete, im Kindschaftsverfahren vorzunehmende Handlung der Eltern feststellen, dass ein erheblicher Interessenwiderstreit zwischen ihnen und dem Minderjährigen besteht. Zudem muss geprüft werden, ob i. S. d. Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht die Bestellung eines Verfahrensbeistandes als gleich geeignetes, milderes Mittel der Entziehung der elterlichen Vertretungsmacht und damit der Ergänzungspflegerbestellung entgegensteht. Dies setzt zum einen voraus, dass der Anwendungsbereich des § 158 FamFG eröffnet ist, und zum anderen, dass die jeweilige Angelegenheit keine gesetzliche Vertretung erfordert. Denn insoweit fehlt dem Verfahrensbeistand die notwendige Handlungsbefugnis, um die Subjektstellung des Minderjährigen im Verfahren angemessen zu gewährleisten. Konkret kann der Verfahrensbeistand für den Minderjährigen keine rechtsgeschäftlichen Erklärungen abgeben oder entgegennehmen. Er kann keine Anträge stellen oder zurücknehmen. Aber auch für die Zustimmung zu einer einvernehmlichen Regelung i. S. d. § 156 Abs. 2 FamFG bedarf der Minderjährige der gesetzlichen Vertretung, sodass der Verfahrensbeistand rein dogmatisch gerade kein gleich geeignetes, milderes Mittel darstellt. Da der Anwendungsbereich des § 156 Abs. 2 FamFG jedoch begrenzt ist und sich beide Elternteile gegebenenfalls unter Mitwirkung des Verfahrensbeistandes und des Jugendamtes einigen, dürfte ein erheblicher Interessenwiderstreit i. S. d. § 1796 Abs. 2 BGB in praktischer Hinsicht nur in seltenen Ausnahmefällen feststellbar sein.
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Der Stundensatz beträgt ohne besondere Kenntnisse 19,50 Euro, bei besonderen Kenntnissen aufgrund einer abgeschlossenen Lehre oder einer vergleichbaren abgeschlossenen Ausbildung 25 Euro und bei besonderen Kenntnissen aufgrund einer abgeschlossenen Ausbildung an einer Hochschule oder durch eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung 33,50 Euro. 109 LG Berlin, FamRZ 2011, 230, 231.
II. Verhältnis von Verfahrensbeistandschaft und Ergänzungspflegschaft
249
Dies kommt auch den gegen die Bestellung eines Ergänzungspflegers geäußerten Bedenken entgegen, welche die Schwerfälligkeit des Bestellungsverfahrens als Gefahr für die beschleunigte Durchführung des Kindschaftsverfahrens sehen. Tatsächlich ist das Verfahren zur Bestellung eines Ergänzungspflegers aufgrund des Eingriffs in das grundgesetzlich geschützte Elternrecht nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG aufwendiger und kann insbesondere durch seine Anfechtbarkeit das Verfahren erheblich verzögern. 110 Allerdings besteht entgegen einer in der Literatur vertretenen Ansicht 111 keine Gefahr einer Endlosschleife von Ergänzungspflegerbestellungen, da eine solche für das Verfahren zur Bestellung des Ergänzungspflegers nicht erforderlich ist. Zudem können im Vergleich zur Verfahrensbeistandsbestellung aufgrund des gestaffelten Stundensatzes höhere Kosten entstehen. Dennoch obliegt dem Gericht von Amts wegen zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens die Prüfung, ob ein Ausnahmefall gegeben und die Bestellung eines Ergänzungspflegers erforderlich ist. Denn nur so kann die verfahrensrechtliche Subjektstellung des Minderjährigen als eigenständiger Verfahrensbeteiligter nach der derzeitigen Gesetzeslage effektiv gewahrt werden.
II. Das Verhältnis von Verfahrensbeistandschaft und Ergänzungspflegschaft Das Verhältnis von Verfahrensbeistandschaft und Ergänzungspflegschaft wird in der Literatur unterschiedlich beurteilt. Es wurde sowohl diskutiert, ob der Ergänzungspfleger aufgrund seiner Vertretungsbefugnis den Verfahrensbeistand verdrängt, 112 als auch, ob eine Überführung der Verfahrensbeistandschaft in eine Ergänzungspflegschaft möglich ist 113. Dementgegen gehen der BGH 114 und mehrere Oberlandesgerichte 115 nunmehr von einer klaren Vorrangstellung der Verfahrensbeistandschaft aus, sodass die Bestellung eines Ergänzungspflegers in der
110 111 112
898.
So auch BT-Drucksache 13/4899, S. 172. Keuter, NJW 2010, 1851 f. Vgl. DIJuF, Stellungnahme vom 28. Oktober 2009, S. 5 f.; Götz, NJW 2010, 897,
113 So Salgo / Zenz / Bauer, Verfahrensbeistandschaft, Rn. 291, der in Rn. 289 Fn. 25 jedoch zugleich vor dem dabei entstehenden Rollenkonflikt warnt. Ähnlich auch Raack, ZKJ 2006, 72, 73. 114 BGH NJW 2011, 3454, 3456. 115 OLG Koblenz, NJW 2011, 236, 237; OLG Stuttgart, NJW-RR 2010, 222, 223 = ZKJ 2010, 36, 37 mit Anm. Menne; OLG Naumburg, Beschluss v. 7.12.2010, 3 UF 178/10.
250 F. Abgrenzung der Verfahrensbeistandschaft von der Ergänzungspflegschaft
Regel nicht mehr in Betracht kommen soll. Dem hat sich inzwischen auch die Literatur weitestgehend angeschlossen. 116 Dieser Ansicht kann jedoch nur eingeschränkt zugestimmt werden. Zunächst zeigt ein Vergleich zwischen der Ergänzungspflegschaft für die Vertretung im Kindschaftsverfahren gemäß § 1909 Abs. 1 S. 1 BGB und der Verfahrensbeistandschaft nach § 158 FamFG, dass der Ergänzungspfleger mit umfassenderer Handlungsbefugnis ausgestattet ist. Er kann das minderjährige Kind vollumfänglich im Verfahren vertreten, also auch rechtsgeschäftliche Erklärungen abgeben und entgegennehmen. Damit wird die Subjektstellung des Minderjährigen im Verfahren unabhängig von den Eltern lückenlos gewährleistet. Dieses Ergebnis kann jedoch nur dadurch erreicht werden, dass den Eltern die Vertretungsmacht entzogen wird. Da es sich dabei aber um einen erheblichen Eingriff in das grundgesetzlich geschützte Elternrecht nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG handelt, bedarf es eines gesonderten, dem eigentlichen Kindschaftsverfahren vorgeschalteten Verfahrens i. S. d. § 151 Nr. 5 FamFG, in dem das Vorliegen der Voraussetzungen einer Ergänzungspflegerbestellung für den konkreten Einzelfall festgestellt werden muss. Der allen Beteiligten bekannt zu gebende Beschluss ist anfechtbar. Durch dieses vorgeschaltete Verfahren kann es zu Verzögerungen des eigentlichen Kindschaftsverfahrens kommen, was der Intention des Gesetzgebers, eine schleunige Verfahrensdurchführung zu gewährleisten, widerspricht. 117 Überdies entstehen hierdurch insgesamt höhere Kosten. Dementgegen ist die Verfahrensbeistandschaft vom Gesetzgeber so konzipiert worden, dass das grundgesetzlich geschützte Elternrecht unangetastet bleibt. 118 Der Verfahrensbeistand tritt neben das Kind und dessen Eltern als eigenständiger Verfahrensbeteiligter. Seine Bestellung unterliegt damit nicht den aus einem Eingriff in das Elternrecht folgenden Erschwernissen. Es ist kein gesondertes Verfahren erforderlich. Die Bestellung des Verfahrensbeistandes, ihre Aufhebung oder die Ablehnung einer derartigen Maßnahme sind zudem gemäß § 158 Abs. 3 S. 4 FamFG unanfechtbar. Damit werden Verfahrensverzögerungen weitestgehend vermieden und Kosten gespart. Im Gegenzug fehlt dem Verfahrensbeistand jedoch die gesetzliche Vertretungsmacht, sodass er die Subjektstellung des Minderjährigen nicht lückenlos gewährleisten kann. 119 Das führt dazu, dass auch nach der Neugestaltung des § 158 FamFG das Erfordernis der Bestellung eines 116 Bamberger / Roth / Bettin, BGB, § 1909, Rn. 10; Hahne / Munzig / Schlünder, FamFG, § 156, Rn. 13; Keidel / Zimmermann, FamFG, § 9, Rn. 18; S / B/W / Oberheim, FamFG, § 41, Rn. 19; Zöller / Lorenz, ZPO, § 158 FamFG, Rn. 10; Ivanits, Die Stellung des Kindes, S. 233; Sommer, FPR 2012, 374, 375 f. 117 Zu den praktischen Erschwernissen bei der Bestellung eines Ergänzungspflegers insgesamt vgl. auch Keuter, NJW 2010, 1851, 1853 f. 118 Siehe hierzu E. II. 5. b). 119 Siehe hierzu E. II. 5. b).
II. Verhältnis von Verfahrensbeistandschaft und Ergänzungspflegschaft
251
Ergänzungspflegers für das Kindschaftsverfahren nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann. Nach einer genauen dogmatischen Prüfung lässt sich die seit Einführung der Interessenvertretung Minderjähriger diskutierte Frage nach dem Verhältnis von Verfahrensbeistandschaft und Ergänzungspflegschaft daher wie folgt beantworten. Soweit für den Minderjährigen bereits vor Einleitung des Kindschaftsverfahrens ein Ergänzungspfleger bestellt worden ist und dessen Wirkungskreis auch auf die gerichtliche Vertretung im Kindschaftsverfahren nachträglich erweitert wurde, steht dies der zusätzlichen Bestellung eines Verfahrensbeistandes mangels Erforderlichkeit entgegen. 120 Zwar ist ein Interessenwiderstreit auch zwischen dem Minderjährigen und dem Ergänzungspfleger möglich, in einem solchen Fall wäre aber zu prüfen, ob nicht ein neuer Pfleger bestellt werden muss. Ist bereits ein Kindschaftsverfahren anhängig und weder ein Ergänzungspfleger noch ein Verfahrensbeistand bestellt, so ist zunächst zu prüfen, ob der Anwendungsbereich des § 158 FamFG überhaupt eröffnet ist. Soweit das Verfahren ausschließlich vermögensrechtliche Angelegenheiten betrifft, kommt lediglich die Bestellung eines Ergänzungspflegers in Betracht. Es fehlt bereits an einem Konkurrenzverhältnis zum Verfahrensbeistand. Geht es hingegen um ein die Person des Kindes betreffendes Kindschaftsverfahren i. S .d. § 158 Abs. 1 FamFG, so ist danach zu differenzieren, ob eine Ergänzungspflegerbestellung überhaupt erforderlich ist. Dies ist beispielsweise bei einem verfahrensfähigen Minderjährigen 121, der eigenständig rechtsgeschäftliche Erklärungen abgeben und entgegennehmen kann, nicht der Fall. Es kommt lediglich eine Verfahrensbeistandsbestellung infrage, soweit die Voraussetzungen des § 158 Abs. 1 und Abs. 2 FamFG vorliegen. Handelt es sich hingegen um einen verfahrensunfähigen Minderjährigen, der gemäß § 9 Abs. 2 FamFG der gesetzlichen Vertretung bedarf, kommen sowohl die Bestellung eines Verfahrensbeistandes als auch die eines Ergänzungspflegers grundsätzlich in Betracht. Es ist jedoch danach zu differenzieren, aus welchem Grund die Eltern als Vertreter möglicherweise ausscheiden. Soweit eine tatsächliche Verhinderung oder eine rechtliche Verhinderung wegen Ruhens der elterlichen Sorge besteht, liegt das Fürsorgebedürfnis nicht nur für die Vertretung im Kindschaftsverfahren, sondern auch in materiell-rechtlicher Hinsicht vor. Mithin stellt der rein verfahrensrechtlich wirkende Verfahrensbeistand hier keine Alter-
120 121
KG, ZKJ 2012, 314, 315 mit ablehnender Anm. Voigt. Siehe hierzu D. II. 3. b) bb).
252 F. Abgrenzung der Verfahrensbeistandschaft von der Ergänzungspflegschaft
native zur Ergänzungspflegschaft dar. Ein Konkurrenzverhältnis besteht somit nicht. Kommt als rechtlicher Verhinderungsgrund hingegen die Entziehung der elterlichen Vertretungsmacht gemäß §§ 1629 Abs. 2 S. 3, 1796 BGB wegen des Vorliegens eines erheblichen Interessengegensatzes in Betracht, besteht ein Konkurrenzverhältnis beider Institute. Prüfungstechnischer Anknüpfungspunkt ist dabei, ob die Entziehung der elterlichen Vertretungsmacht verhältnismäßig ist. Konkret stellt sich die Frage, ob die Möglichkeit einen Verfahrensbeistand zu bestellen nicht als gleich geeignetes, milderes Mittel der Entziehung der Vertretungsmacht entgegensteht. Dabei ist zunächst festzustellen, dass § 158 Abs. 2 Nr. 1 und § 1629 Abs. 2 S. 3 i. V. m. § 1796 Abs. 2 BGB vom Wortlaut des Gesetzes her die gleichen tatbestandlichen Voraussetzungen haben. Vor dem Hintergrund ihrer Funktion und Handlungsbefugnisse stellt die Verfahrensbeistandsbestellung allerdings das mildere Mittel dar, da sie die elterliche Vertretungsmacht und damit das grundgesetzlich geschützte Elternrecht unangetastet lässt. Maßgeblich ist jedoch, ob sie im konkreten Einzelfall auch gleich geeignet ist, um die Subjektstellung des Kindes im Verfahren zu gewährleisten. Wie dargestellt ist dies nicht der Fall, soweit der Minderjährige Anträge stellen oder Erklärungen, wie etwa die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht, abgeben oder entgegennehmen muss. Gleiches gilt grundsätzlich auch hinsichtlich der Zustimmung des Kindes zu einer einvernehmlichen Regelung i. S. d. § 156 Abs. 2 FamFG. Denn hierfür fehlt dem Verfahrensbeistand die notwendige Handlungsbefugnis. Bei Vorliegen eines erheblichen Interessenkonfliktes konkret für diese Angelegenheiten ist mithin rein rechtsdogmatisch die Bestellung eines Ergänzungspflegers weiterhin erforderlich. In praktischer Hinsicht wird ein solcher Interessenwiderstreit aufgrund der sich am Kindeswohl orientierenden Verfahrensgestaltung und dem unterstützenden Wirken von Verfahrensbeistand und Jugendamt insbesondere in Bezug auf die einvernehmliche Regelung nur selten feststellbar sein. Die mit der Ergänzungspflegerbestellung einhergehende Verfahrensverzögerung, die Kumulation von Verfahrensbeistand und Ergänzungspfleger und sonstige praktische Erschwernisse beruhen auf der Konstruktion des Gesetzes und sind daher hinzunehmen. 122 Um das Verhältnis beider Institute beschreiben zu können, muss mithin genau geprüft werden, welche der oben dargestellten Fallvarianten vorliegt. Ein Konkurrenzverhältnis besteht nur, soweit die Voraussetzungen der Entziehung der elterlichen Vertretungsmacht für das Kindschaftsverfahren gemäß §§ 1629 Abs. 2 S. 3, 1796 BGB wegen des Vorliegens eines erheblichen Interessengegensatzes festgestellt werden können. In diesem Fall ist die Ergänzungspflegerbestellung gegenüber der Verfahrensbeistandsbestellung subsidiär, soweit es nicht um An122 So auch Prütting / Helms / Prütting, FamFG, § 158, Rn. 19; Schürmann in: CoesterWaltjen / Lipp / Schumann / Veit, Kindesschutz, S. 231, 241.
III. Alternative Lösungsansätze
253
gelegenheiten geht, die eine rechtsgeschäftliche Vertretung erforderlich machen. Andernfalls bleibt die Bestellung eines Ergänzungspflegers erforderlich. Damit liegt im Ergebnis eine enge Verzahnung beider Institute vor, die es ermöglicht auf die Umstände des konkreten Einzelfalls zu reagieren, um unter angemessener Berücksichtigung des Elternrechtes nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG die Subjektstellung des besonders schutzbedürftigen Minderjährigen im Verfahren bestmöglich zu gewährleisten.
III. Alternative Lösungsansätze In Literatur und Rechtsprechung wird, wie dargestellt, kritisiert, dass die Bestellung eines Ergänzungspflegers im Kindschaftsverfahren zu erheblichen praktischen Erschwernissen führen kann. Insbesondere befürchtet man, dass sich die Verfahrensverzögerung negativ auf das Kindeswohl auswirke. Ferner macht die mögliche Kumulation von Ergänzungspflegschaft und Verfahrensbeistandschaft das Verfahren komplizierter und kann das Kind zusätzlich belasten. Daher ist zu überlegen, welche alternativen Lösungsmöglichkeiten sich bieten, um diese Erschwernisse zu umgehen. Die Erforderlichkeit der Bestellung eines Ergänzungspflegers für das Kindschaftsverfahren könnte man allerdings nur dadurch abwenden, dass man den Verfahrensbeistand für die entsprechenden Angelegenheiten mit gesetzlicher Vertretungsmacht für das Kind ausstattet. Zum Teil wird in der Literatur daher angeregt, in Anlehnung an § 173 FamFG i. V. m. § 1716 BGB eine entsprechende vorrangige verfahrensrechtliche Vertretungsbefugnis des Verfahrensbeistands zu begründen. 123 Denn so würde die elterliche Sorge und damit das Elternrecht des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG unangetastet bleiben. Allerdings wird hierbei übersehen, dass der Verfahrensbeistandsbestellung das der materiell-rechtlichen Beistandschaft innewohnende Moment der Freiwilligkeit 124 fehlt, welches die Einschränkung der elterlichen Vertretungsmacht erst zumutbar macht. 125 Mithin ist der Gedanke des § 173 FamFG i. V. m. § 1716 BGB auf die Verfahrensbeistandschaft nicht übertragbar. Man könnte jedoch überlegen, ob dem Verfahrensbeistand die notwendige Vertretungsmacht für das minderjährige Kind nicht bereits nach der bestehenden Gesetzeslage übertragen werden kann, indem man ihn gemäß § 57 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 9 Abs. 5 FamFG zusätzlich zum Verfahrenspfleger des Minderjähri123 So z. B. Schürmann in: Coester-Waltjen / Lipp / Schumann / Veit, Kindesschutz, S. 231, 241; DIJuF, Stellungnahme vom 28. Oktober 2009, S. 8. 124 Vgl. §§ 1712 Abs. 1, 1715 Abs. 1 BGB. 125 MünchKomm-BGB / v. Sachsen Gessaphe, § 1716, Rn. 7.
254 F. Abgrenzung der Verfahrensbeistandschaft von der Ergänzungspflegschaft
gen bestellt. Voraussetzung ist dabei zum einen, dass der gesetzliche Vertreter des verfahrensunfähigen Minderjährigen rechtlich verhindert ist. 126 Dies setzt jedoch voraus, dass den Eltern die Vertretungsmacht gemäß §§ 1629 Abs. 2 S. 3, 1796 BGB wegen des Vorliegens eines erheblichen Interessengegensatzes hinsichtlich der Abgabe von rechtsgeschäftlichen Erklärungen im Verfahren entzogen worden ist. Daher ergeben sich im Vergleich zur Ergänzungspflegerbestellung die gleichen praktischen Verfahrenserschwernisse. Zum zweiten bedarf es gemäß § 57 ZPO der Gefahr im Verzug, also einer Gefährdung der Rechte des verfahrensunfähigen Beteiligten durch ein Zuwarten auf die Bestellung eines gesetzlichen Vertreters. § 57 ZPO bietet mithin nur eine Übergangslösung an, bis ein gesetzlicher Vertreter zur Verfügung steht. 127 Nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes ist die Bestellung eines Verfahrenspflegers daher lediglich subsidiär zur Ergänzungspflegerbestellung einsetzbar. Zudem soll § 57 ZPO eigentlich dem Schutz desjenigen dienen, der das Verfahren einleitet. Denn dieser soll nach § 57 Abs. 1 ZPO den Antrag auf Bestellung eines Verfahrenspflegers stellen können, damit seine Rechtsdurchsetzung nicht an der Verfahrensunfähigkeit des anderen Teils scheitert. 128 Dieser Schutzzweck erfasst nicht den hier vorliegenden Fall, in dem die Subjektstellung des Minderjährigen gesondert abgesichert werden soll. Im Ergebnis stellt § 57 ZPO i. V. m. § 9 Abs. 5 FamFG daher keine Alternative dar, um die Bestellung eines Ergänzungspflegers zu vermeiden. Allerdings könnte man erwägen, die Übertragung der verfahrensrechtlichen Vertretungsmacht hinsichtlich der jeweiligen konkreten Angelegenheit, wie etwa der Zustimmung zu einer einvernehmlichen Regelung, auf den Verfahrensbeistand als erweiterten Aufgabenkreis i. S. d. § 158 Abs. 4 S. 3 und S. 4 FamFG gesetzlich neu zu regeln. 129 Dies würde eine vorausgehende Einzelfallprüfung des Gerichtes und eine genaue Festlegung des Aufgabenkreises mit sich bringen. Allerdings würde ein solcher Eingriff in das Elternrecht es gegebenenfalls erforderlich machen, dass man gegen eine solche Übertragung Rechtsmittel zulässt. Soweit die mit der Bestellung eines Ergänzungspflegers einhergehenden Umstände als unzumutbar erachtet werden, obliegt es mithin dem Gesetzgeber, entsprechende gesetzliche Änderungen vorzunehmen und den Verfahrensbeistand für den Einzelfall mit der notwendigen Vertretungsmacht auszustatten. Im Übrigen kann aber auch nach der derzeitigen Gesetzeslage durch die enge Verzahnung 126 Eine tatsächliche Verhinderung genügt hingegen nicht, MünchKomm-ZPO / Lindacher, § 57, Rn. 6 m. w. N. A. A. Stein / Jonas / Bork, ZPO, § 57, Rn. 3. 127 LG Mönchengladbach, FamRZ 2002, 1431 (LS). 128 BGH, NJW 1985, 433, 435; MünchKomm-ZPO / Lindacher, § 57, Rn. 1; Stein / Jonas / Bork, ZPO, § 57, Rn. 1; Zöller / Vollkommer, ZPO, § 57, Rn. 1. 129 Ähnlich Haußleiter / Fest, FamFG, § 156, Rn. 14, der jedoch davon auszugehen scheint, dass dies bereits nach derzeitiger Gesetzeslage möglich sei.
III. Alternative Lösungsansätze
255
von Ergänzungspflegschaft und Verfahrensbeistandschaft das wesentliche Ziel, nämlich die umfassende Absicherung der grundgesetzlich geschützten Subjektstellung des Minderjährigen im Kindschaftsverfahren, gewährleistet werden.
G. Zusammenfassende Schlussbetrachtung Rund 110 Jahre nachdem Ellen Key das Jahrhundert des Kindes ausrief, lässt sich feststellen, dass sich die gesellschaftliche aber vor allem auch die rechtliche Position des Minderjährigen grundsätzlich verändert hat. Mit der Zeit hat sich die allgemeine Erkenntnis durchgesetzt, dass das Kind als Grundrechtssubjekt gerade auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht entsprechend einbezogen und unterstützt werden muss, um so seinen Rechten die erforderlich Geltung zu verschaffen. Bedeutung hat dies vor allem für die Verfahren in Kindschaftssachen gemäß § 151 FamFG, die das minderjährige Kind und seine Rechtsposition in besonderem Maße betreffen. Die Neugestaltung der Regelungen der §§ 151 ff. FamFG, insbesondere zur Verfahrensbeistandschaft gemäß § 158 FamFG, setzen dieses neue rechtliche Grundverständnis bewusst um. Im Hinblick auf die aufgeworfene Frage, ob die durch das Grundgesetz geschützte Subjektstellung des Minderjährigen im Kindschaftsverfahren durch die Bestellung eines Verfahrensbeistandes ausreichend gewährleistet werden kann, insbesondere wenn die Eltern als gesetzliche Interessenvertreter ausscheiden müssen, lässt sich zusammenfassend dahingehend beantworten, dass der Gesetzgeber durch die Regelung des § 158 FamFG ein den besonderen Bedürfnissen überwiegend entsprechendes Institut entwickelt hat, das jedoch keinen gänzlich lückenlosen Schutz bietet. Als Vorfrage der Untersuchung galt es zunächst zu erörtern, inwiefern überhaupt die rechtliche Notwendigkeit der Einbeziehung des Minderjährigen in das Verfahren in Kindschaftssachen besteht. Als Ergebnis einer langen historischen Entwicklung stellte das Bundesverfassungsgericht hierzu fest, dass das „Kind ein Wesen mit eigener Menschenwürde und dem eigenen Recht auf Entfaltung seiner Persönlichkeit„ 1, also vollwertiges Grundrechtssubjekt ist. Seine Grundrechtsfähigkeit ist nunmehr allgemein anerkannt. Das Erfordernis einer konstruierten Grundrechtsmündigkeit ist hingegen abzulehnen. Vielmehr ergibt sich aus Art. 6 Abs. 2 GG ein wechselwirkendes Zusammenspiel von Rechten und Pflichten in der Dreiecksbeziehung von Kind, Eltern und Staat, das den besonderen Bedürfnissen des Minderjährigen Rechnung trägt. Zentraler Begriff und Richtschnur ist dabei das objektive Kindeswohl als spezifische Ausformung der Grundrechte des Minderjährigen. Dieses wird wesentlich von dem subjektiven Kindeswillen als Ausdruck der Persönlichkeitsentfaltung i. S. d. Art. 2 Abs. 1 GG geprägt. Der Kindeswille muss daher zwingend bei allen Entscheidungen Berücksichtigung 1
BVerfGE 24, 119, 144 = BVerfG, NJW 1968, 2233, 2235.
G. Zusammenfassende Schlussbetrachtung
257
finden. Dies gilt umso mehr mit zunehmender Selbstbestimmungsfähigkeit des Kindes. Denn insofern verdrängt der Kindeswille das Interpretationsprimat der Eltern als treuhänderische Sachwalter seiner Grundrechte. Insgesamt handelt es sich bei dem Kind-Eltern-Staat-Verhältnis daher um eine feingliedrige Konstruktion von ineinander verwobenen und sich wechselwirkend beeinflussenden Rechtspositionen. Durch dieses in Art. 6 Abs. 2 GG angelegte System wird der Minderjährige als vollwertiger Grundrechtsträger anerkannt, dabei jedoch zugleich unter eine präventive Bevormundung gestellt. Die Durchsetzung und Sicherung der ihm zustehenden Grundrechte obliegt aufgrund seiner entwicklungsbedingten Schutz- und Hilfebedürftigkeit seinen Eltern. Der Staat sichert dies im Rahmen seines Wächteramtes ab und kann gegebenenfalls subsidiär eingreifen. Daraus folgt jedoch auch, dass die präventive Bevormundung zum einen nur so weit reichen darf, wie der Minderjährige noch nicht zur eigenverantwortlichen Selbstbestimmung in der Lage ist. Zum anderen muss sichergestellt werden, dass die Rechte des Minderjährigen von einem sich ausschließlich am Kindeswohl orientierenden Vertreter wahrgenommen werden, insbesondere in den den Minderjährigen im besonderen Maße betreffenden Kindschaftsverfahren des § 151 FamFG. Besonderes Augenmerk ist dabei beispielsweise auf die Gewährung rechtlichen Gehörs für das grundsätzlich verfahrensunfähige Kind zu legen. Das neue Grundverständnis zum verfahrensrechtlichen Schutzanspruch des Minderjährigen führte 1998 zur Einführung einer eigenständigen Interessenvertretung für Minderjährige in Gestalt der Verfahrenspflegschaft nach § 50 FGG a. F. Aufgrund der heftig geführten Diskussion über die Notwendigkeit eines solchen Instituts wurde die Vorschrift gesetzestechnisch sehr offen gestaltet. Dies brachte eine fast unüberschaubare Fülle an Rechtsproblemen mit sich, deren Lösung der Rechtsprechung und der Literatur überantwortet wurde. Aufgrund sehr unterschiedlicher Grundvorstellungen, insbesondere zur Aufgabenstellung und Funktion der Verfahrenspflegschaft entwickelten sich stark voneinander abweichende Ansichten beispielsweise hinsichtlich der Bestellungsvoraussetzungen, der rechtlichen Stellung und der Anfechtbarkeit der Bestellung des Verfahrenspflegers. Dies führte insgesamt zu einer uneinheitlichen Rechtsprechung und erheblicher Rechtsunsicherheit, was die Implementierung des neuen Instituts zur Interessenvertretung Minderjähriger in der Rechtspraxis erschwerte. In Folge der sich dennoch durchsetzenden positiven Wirkung der Verfahrenspflegschaft und ihrer Anerkennung als wichtiges verfahrensrechtliches Institut wurden schon bald Forderungen laut, die Vorschrift des § 50 FGG a. F. entsprechend nachzubessern. Diese Überlegungen fanden Eingang in das FGG-Reformgesetz, das sich unter anderem auch die Neuregelung der Verfahrensbeistandschaft in § 158 FamFG zur Aufgabe machte. Denn mit der FamFG-Reform wollte der Gesetzgeber insgesamt die Subjektstellung des Minderjährigen im neustrukturierten Kindschafts-
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G. Zusammenfassende Schlussbetrachtung
verfahren stärken. Die mit der gesetzlichen Regelung des Beteiligtenbegriffs in § 7 FamFG einhergehende zwingende Beteiligung des Minderjährigen im Kindschaftsverfahren gemäß § 7 Abs. 2 S. 1 FamFG trägt seiner subjektiven Betroffenheit Rechnung. Aus der Beteiligtenstellung ergeben sich für ihn vielseitige verfahrensrechtliche Mitwirkungsmöglichkeiten, Rechte aber auch Pflichten. Um diese im Verfahren wahrnehmen zu können, bedarf der Minderjährige jedoch grundsätzlich weiterhin gemäß § 9 Abs. 2 FamFG eines gesetzlichen Vertreters, soweit er nicht ausnahmsweise nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 FamFG oder § 60 FamFG selbst verfahrensfähig ist. Dies gilt auch in Bezug auf das dem minderjährigen Kind zustehende Recht auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG, da allein seine Anhörung gemäß § 159 FamFG den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügt. Auch die im Übrigen neu geschaffenen Regelungen der §§ 151 ff. FamFG stärken zwar einerseits das Kindeswohl als übergeordnetes Verfahrensziel sowie als Grenze der Verfahrensgestaltung und schaffen unterschiedlichste Mitwirkungsmöglichkeiten des Kindes. Hervorzuheben ist dabei insbesondere das Zustimmungsrecht des Minderjährigen nach § 156 Abs. 2 S. 1 FamFG. Sie ändern jedoch andererseits nichts an der Vertretungsbedürftigkeit des i. d. R. verfahrensunfähigen Minderjährigen hinsichtlich seiner subjektiven Interessen und rechtsgeschäftlichen Erklärungen. Mithin war es zwingend erforderlich, das Institut zur Interessenvertretung Minderjähriger im Rahmen des FGG-Reformgesetzes weiter auszubauen und im Vergleich zur sehr offen gehaltenen Vorgängerregelung zu präzisieren. Die detaillierte Analyse des neu geschaffenen § 158 FamFG hat gezeigt, dass das nunmehr zur begrifflichen Abgrenzung als Verfahrensbeistandschaft betitelte Institut eine neue Prägung und klarere Konturen erhalten hat. So wurde der Anwendungsbereich des § 158 FamFG in dessen Abs. 1 eindeutig festgelegt. Die Erweiterung der Regelbeispiele in § 158 Abs. 2 FamFG präzisieren im Zusammenspiel mit der Generalklausel des § 158 Abs. 1 FamFG die Voraussetzungen der Bestellung eines Verfahrenbeistandes. Dabei ergibt die Auslegung der Norm unter Berücksichtigung der neuen Beteiligtenstellung des Minderjährigen, dass eine Verfahrensbeistandsbestellung auch für den nach § 9 Abs. 1 FamFG ausnahmsweise verfahrensfähigen Minderjährigen grundsätzlich nicht ausgeschlossen ist. Daneben hat auch die gesetzliche Klarstellung der vollwertigen Beteiligtenstellung des Verfahrensbeistands in § 158 Abs. 3 S. 2 FamFG seine Rechtsstellung gestärkt. Zudem wurde mit der Neuregelung des § 158 Abs. 4 S. 1 bis 3 FamFG die frühere Rechtsunsicherheit hinsichtlich der konkreten Aufgaben des Verfahrensbeistands weitestgehend beseitigt. Hervorzuheben ist im Übrigen, dass ein unter der Geltung des FGG bestehendes wesentliches Verfahrensdefizit behoben worden ist. Denn indem der Verfahrensbeistand den Minderjährigen gemäß § 158 Abs. 4 S. 1 und 2 FamFG über Gegenstand, Ablauf und möglichen Ausgang während des gesamten Verfahrens informiert und dessen Interessen in das Verfahren einbringt, vermittelt er ihm unabhängig von seinen gesetzlichen Ver-
G. Zusammenfassende Schlussbetrachtung
259
tretern das rechtliche Gehör i. S. d. Art. 103 Abs. 1 GG. Des Weiteren erfüllt er den Sinn und Zweck der Zustellung, indem er selbstständig im Kindesinteresse die Dokumente sowie die Endentscheidung prüfen und gemäß § 158 Abs. 4 S. 5 FamFG gegebenenfalls, wenn auch im eigenen Namen, Rechtsmittel einlegen kann. Zwar handelt er aus seiner eigenen Beteiligtenstellung heraus, spiegelt dabei jedoch die subjektiven Interessen des Kindes und sichert damit dessen Subjektstellung im Verfahren ab. Andererseits wurden die ursprünglich sehr guten Ansätze während des Gesetzgebungsverfahrens aufgrund des Widerstandes des Bundesrates z. T. nicht vollständig umgesetzt. So ist der Verfahrensbeistand gemäß § 158 Abs. 4 S. 6 FamFG ausdrücklich nicht gesetzlicher Vertreter des minderjährigen Kindes, sodass seine Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt sind. Die Befugnis rechtsgeschäftliche Erklärungen wie beispielsweise die Zustimmung nach § 156 Abs. 2 S. 1 FamFG für den Minderjährigen abzugeben verbleibt mithin bei den Eltern als gesetzliche Vertreter. Daneben nahm der Gesetzgeber dem Vorschlag des Bundesrates entsprechend eine Differenzierung zwischen einfachem und erweitertem Aufgabenkreis vor. Die Untersuchung hat jedoch gezeigt, dass eine solche Unterscheidung verfehlt ist und den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine unabhängige Interessenvertretung des Minderjährigen widerspricht. Das Ermessen des Gerichts zur Übertragung des erweiterten Aufgabenkreises auf den Verfahrensbeistand reduziert sich i. d. R. allerdings auf Null, sodass diese entgegen der Gesetzessystematik des § 158 Abs. 4 S. 3 und S. 4 FamFG regelmäßig erfolgen muss. Zudem wurden konkrete Streitpunkte offen und damit der Rechtsfortbildung überlassen. Dies betrifft in erster Linie die Funktion des Verfahrensbeistands, welche durch den interpretationsoffenen Begriff des Interesses des Kindes geprägt wird. Die Gesetzesbegründung stellt insofern klar, dass der Verfahrensbeistand in erster Linie den subjektiven Willen des Kindes in das Verfahren einbringen soll. Er bleibt daneben aber als Instrument des staatlichen Wächteramtes auch dem objektiven Kindeswohl verpflichtet. Beide Aspekte sowie ein etwaiger Widerspruch sind von ihm streng voneinander abgegrenzt in das Verfahren einzubringen. Das Recht des Kindes auf rechtliches Gehör und sein allgemeines Persönlichkeitsrecht gebieten es dabei, dass der subjektive Kindeswille authentisch und nicht nur bis zur Grenze des Kindeswohls in die Stellungnahme des Verfahrensbeistands mit aufgenommen wird. Die Funktion des Verfahrensbeistandes geht mithin über die eines bloßen Parteivertreters oder Sprachrohrs des Kindes hinaus. Stark kritisiert wurde zudem die neu eingeführte Vergütungspauschale des § 158 Abs. 7 S. 2 bis 4 FamFG. Zentrale Frage ist dabei, ob diese die auskömmliche Vergütung des Verfahrensbeistands und somit eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechende Interessenvertretung des Minderjähri-
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G. Zusammenfassende Schlussbetrachtung
gen gefährdet. Diesen Bedenken wurde jedoch durch die von Gesetzgeber und Rechtsprechung entwickelte Auslegung des § 158 Abs. 7 S. 2 bis S. 4 FamFG aktiv entgegengewirkt. Im Ergebnis ist daher nunmehr von der Angemessenheit der Vergütungspauschale auszugehen. In Bezug auf die unterschiedliche vergütungsrechtliche Behandlung im Vergleich zur Verfahrens-, Umgangs- und Ergänzungspflegschaft hat der Gesetzgeber von der ihm zustehenden Einschätzungsprärogative in zulässiger Weise Gebrauch gemacht. Er steht jedoch in der Pflicht, wissenschaftliche Begleituntersuchungen durchzuführen, um seine Entscheidung für die Vergütungspauschale zu verifizieren. Unklar und stark umstritten blieb zunächst auch die Frage, ob die Möglichkeit einen Verfahrensbeistand nach § 158 FamFG zu bestellen die Einbeziehung eines Ergänzungspflegers für das Kindschaftsverfahren ausschließt. Insbesondere aufgrund der Wortlautidentität der Tatbestandsvoraussetzung eines erheblichen Interessenwiderstreits in § 158 Abs. 2 Nr. 1 FamFG und § 1796 Abs. 2 BGB besteht insgesamt das Problem, wie sich beide Institute zur Interessenvertretung Minderjähriger zueinander verhalten. Die Untersuchung hat gezeigt, dass zur Abgrenzung eine genaue Prüfung des jeweiligen Einzelfalls notwendig ist. Ein Konkurrenzverhältnis besteht nur, soweit eine rechtliche Verhinderung der Sorgerechtsinhaber für das Kindschaftsverfahren aufgrund der Entziehung der Vertretungsbefugnis nach §§ 1629 Abs. 2 S. 3, 1796 BGB in Betracht kommt. Dabei stellt die Bestellung eines Verfahrensbeistandes im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung grundsätzlich das mildere Mittel dar. Dies gilt jedoch nur, soweit die konkrete Angelegenheit keine rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht erfordert. Denn insofern ist der Verfahrensbeistand gemäß § 158 Abs. 4 S. 6 FamFG nicht handlungsbefugt und damit nicht gleich geeignet, sodass die Bestellung eines Ergänzungspflegers erforderlich bleibt. Dies dürfte in der Praxis jedoch nur wenige Ausnahmefälle betreffen. Gerade deswegen sind die mit der Ergänzungspflegschaft einhergehenden praktischen Erschwernisse auch hinnehmbar. Gegebenenfalls obliegt es dem Gesetzgeber den Verfahrensbeistand mit der erforderlichen Vertretungsmacht auszustatten, um die Notwendigkeit der Bestellung eines Ergänzungspflegers auszuschließen. Im Ergebnis lässt sich damit feststellen, dass der Gesetzgeber durch die Einführung der Verfahrensbeistandschaft bewusst und i. S. d. Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eine mildere Alternative zur Ergänzungspflegschaft geschaffen hat. Als Konstrukt sui generis tritt der Verfahrensbeistand in Form eines eigenständigen Beteiligten neben das Kind und dessen Eltern, um der subjektiven Rechtsposition des Minderjährigen die erforderliche Geltung zu verschaffen. Zugleich bleibt er als Instrument des staatlichen Wächteramtes dem objektiven Kindeswohl verpflichtet. Dem Minderjährigen wird über diesen Umweg durch eine dritte Person das rechtliche Gehör vermittelt. Die gesetzlichen Vertretungsverhältnisse und das Elternrecht bleiben dabei weitestgehend unangetastet.
G. Zusammenfassende Schlussbetrachtung
261
Das Institut der Verfahrensbeistandschaft wird in seiner derzeitigen gesetzlichen Ausgestaltung den besonderen Anforderungen und Bedürfnissen des Minderjährigen im Kindschaftsverfahren daher überwiegend gerecht, ohne das Elternrecht und damit das Eltern-Kind-Verhältnis unangemessen zu belasten. Insbesondere im Vergleich zur Vorgängerregelung des § 50 FGG a. F. ist es dem Gesetzgeber dabei gelungen durch die Präzisierung und Festigung des Instituts zur Interessenvertretung Minderjähriger dessen verfahrensrechtliche Subjektstellung wesentlich zu stärken und ihm damit insgesamt die notwendige Anerkennung zu verschaffen. Allerdings bedingt das Fehlen der gesetzlichen Vertretungsmacht des Verfahrensbeistands auch, dass er dann keinen ausreichenden Schutz bieten kann, wenn es um die Abgabe rechtsgeschäftlicher Erklärungen geht. Insofern bleibt weiterhin für den konkreten Einzelfall zu prüfen, ob die Bestellung eines Ergänzungspflegers gemäß § 1909 Abs. 1 S. 1 BGB nach Entziehung der elterlichen Vertretungsmacht erforderlich ist. Gerade die enge Verzahnung von Verfahrensbeistandschaft und Ergänzungspflegschaft ermöglicht es im Ergebnis jedoch die Subjektstellung des Minderjährigen im Kindschaftsverfahren einzelfallbezogen zu gewährleisten.
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Sachverzeichnis Anfechtbarkeit 86, 186, 239, 246, 257 Anhörung 28 ff., 39, 69 f., 74 ff., 102, 112, 143 f., 146 ff., 166, 176, 180, 183, 195, 206, 258 Aufgabenkreis 88 ff., 94, 98, 130, 160, 191, 193 ff., 213, 217, 223, 225, 228, 240, 254, 259 Beschleunigungsgrundsatz / -gebot 137 f., 149, 165, 176, 180 f., 187 Beschwerderecht 67, 76, 87, 95, 102 ff., 109, 122, 131 f., 142, 147, 184, 186 f. Bestellungsverfahren 179 ff., 244 ff. Beteiligtenbegriff 101 ff., 105, 113, 134, 150, 258 Beteiligtenfähigkeit 103, 114 ff., 130, 134 Einsichtsfähigkeit 33 ff., 65 f., 119, 132 Einvernehmen 113, 139 f., 146, 198, 200 Eltern-Kind-Verhältnis 58 f., 174, 261 Elternrecht 28, 42, 44, 45 ff., 58 ff., 197, 205 ff., 210, 226, 228 f., 237 ff., 243, 249 ff., 253 ff. Elternverantwortung 35, 42, 44 ff., 59 ff., 71, 119, 142 Entziehung der Vertretungsmacht 169 ff., 228, 236 ff., 242 f., 246, 248, 252, 260 Erziehungsbedürftigkeit 62 Erziehungsziele 51 Fürsorgebedürfnis 137, 243, 251 Gesetzlicher Vertreter 27, 95, 154, 161, 164, 204 ff., 210, 225, 236, 247, 254, 259
Grundrechtsfähigkeit 32 ff., 69 Grundrechtsmündigkeit 34 f., 256 Interessenwiderstreit 64 ff., 83, 104, 127, 142, 148, 150, 153, 171, 188, 208, 237 ff., 241 f., 248, 251, 260 f. Jugendamt 27, 74 ff., 85, 90, 94, 110, 121 ff., 129, 141 f., 147, 154, 166, 175, 182, 196 f., 205, 241, 245, 248, 252 Kann-Beteiligter 105, 107, 109 Muss-Beteiligter 105, 107 ff., 110, 111 Rechtliches Gehör 64, 69 f., 73, 105, 188, 191 ff., 194, 206, 226, 238, 257 ff. Regelbeispiel 78, 80, 154, 156, 157, 160, 161, 164 ff., 169 ff., 178 f., 207, 217 f., 258 Selbstbestimmungsfähigkeit 61, f., 71, 129, 133, 257
34, 41 ff.,
Verfahrensfähigkeit 34, 63, 64 ff., 101, 103 f., 114, 116 ff., 121 ff., 125, 126 ff., 133 f., 135, 140, 150, 167 f., 241 Verfassungsbeschwerde 65, 185, 228 Vergütungspauschale 211 ff., 214 ff., 218 ff., 224, 225, 259 f. Verhinderung 230 ff., 242 f., 251 f. Wächteramt 24, 25, 28, 32, 35, 42, 52, 54 ff., 66, 71 f., 137, 142, 192, 195, 201, 209, 257 ff.