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German Pages 878 [880] Year 2012
Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament Herausgeber / Editor Jörg Frey (Zürich) Mitherausgeber / Associate Editors Friedrich Avemarie (Marburg) Markus Bockmuehl (Oxford) James A. Kelhoffer (Uppsala) Hans-Josef Klauck (Chicago, IL)
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Die Johannesapokalypse Kontexte – Konzepte – Rezeption Herausgegeben von
Jörg Frey, James A. Kelhoffer und Franz Tóth
Mohr Siebeck
Jörg Frey ist Professor für Neues Testament mit Schwerpunkten Antikes Judentum und Hermeneutik an der Universität Zürich. James A. Kelhoffer ist Professor für Neues Testament an der Theologischen Fakultät der Universität Uppsala, Schweden. Franz Tóth ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Dozent an der Theologischen Hochschule Friedensau und Stipendiat im Rahmen eines Habilitationsförderprogramms.
e-ISBN 978-3-16-152124-9 ISBN 978-3-16-150603-1 ISSN 0512-1604 (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http:// dnb.dnb.de abrufbar. © 2012 Mohr Siebeck Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Sys temen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruck papier gedruckt und von der Großbuchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.
Vorwort Ausgangspunkt für den vorliegenden Band war ein Symposium mit dem Thema „Die Johannesapokalypse: Kontexte, Konzepte und Rezeption“, das am 11./12. Juli 2008 an der Theologischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München abgehalten wurde. Anlass dazu war der von der Alexander-von-Humboldt-Stiftung finanzierte Forschungsaufenthalt von James A. Kelhoffer (jetzt Uppsala), der am Münchener Lehrstuhl von Jörg Frey (jetzt Zürich) an einem Buchprojekt zum Problemkreis der Verfolgung und ihrer Bewertung im frühen Christentum arbeitete (erschienen unter dem Titel: Persecution, Persuation and Power, WUNT 270, Tübingen 2010). Die weitere Vorbereitung der Drucklegung erfolgte wesentlich unter der organisatorischen Leitung von Franz Tóth (Jena). Für die nötige Freiheit, die ihm am dortigen Lehrstuhl gewährt wurde, ist Prof. Dr. KarlWilhelm Niebuhr herzlich zu danken. Ergänzt wurde die Reihe der Vorträge des Münchener Symposiums durch zahlreiche weitere Beiträge, so dass nun ein breiter Querschnitt zur internationalen Apokalypseforschung vorliegt. Allen Autoren, die zum damaligen Symposium bzw. dann zum erweiterten Buchprojekt beigetragen haben, gilt unser herzlicher Dank. Der Titel des Münchener Symposiums gab die Gliederung für den daraus resultierenden und nunmehr vorliegenden Sammelband vor: Unter den drei Rubriken „Kontexte, Konzepte und Rezeption“ lassen sich alle hier verhandelten Problemkreise zur Johannesapokalypse subsumieren. Nach der forschungsgeschichtlichen Einführung von Franz Tóth beginnt die Erörterung der Kontexte mit der wieder neu eröffneten Diskussion um den Text der Johannesapokalypse, um den sich Martin Karrer in der Vorbereitung eines umfangreichen Kommentars und in einem speziellen textkritischen Projekt besonders bemüht. Die beiden Beiträge von Thomas Witulski und Stephan Witetschek behandeln aus unterschiedlichen Blickwinkeln die kontroversen Fragen der Datierung des Werkes. In den darauffolgenden Studien steht die komplexe Frage nach der Intertextualität im Vordergrund. Michael Labahn untersucht die Schriftrezeption der Johannesapokalypse unter besonderer Berücksichtigung des Verhältnisses zwischen der Johannesoffenbarung und der Septuaginta. Loren T. Stuckenbruck erhebt zusammen mit Mark D. Mathews den Einfluss der Henoch-
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Vorwort
Traditionen auf die Johannesapokalypse. Enno Edzard Popkes untersucht die Rezeption von Deuterojesaja an einem konkreten Beispiel, dem klimaktischen Text Apk 21,1−5. Clare K. Rothschild bietet eine instruktive Untersuchung des Laodizea-Schreibens in seinem lokalgeschichtlichen Kontext, und Jan Dochhorn untersucht die Figur des Beliar in der Ascensio Iesaiae in ihrer Bedeutung für die Satanologie des frühen Christentums und die Eschatologie der Johannesapokalypse. Den Reigen der sachlich-theologischen Konzepte der Apokalypse eröffnet Franz Tóth mit einer Untersuchung zum Prozess der Komposition und Redaktion sowie zur theologischen Intention dieses Werkes. Der Gattungsfrage und dem schwierigen Verhältnis von Brief und Buch widmet sich der Beitrag von Hans-Georg Gradl. Konrad Huber behandelt die Christologie der Apokalypse, Jörg Frey ihre Eschatologie und die Frage, was denn dieses Buch eigentlich (geschichtlich und eschatologisch) erwartet. Die Beiträge von James A. Kelhoffer, Jan Willem van Henten und Roland Bergmeier widmen sich schließlich aus je unterschiedlichen Perspektiven den Problemen von Leiden/Verfolgung und Martyrium in der Johannesapokalypse. Die Beiträge des dritten Teils beschäftigen sich mit unterschiedlichen Rezeptionsformen der Apokalypse. William Tabbernee untersucht die Rezeption der Apokalypse im Montanismus, Tobias Nicklas analysiert die Rezeption in der apokryphen Thomasapokalypse, Valentin Fàbrega beschreibt die Aufnahme des Werks bei Laktanz, und Juan Hernández, Jr., legt eine Analyse der Apokalypseauslegung des Andreas von Caesarea vor. Abschließend bieten Konstantin Nikolakopoulos mit seiner Erörterung der Bedeutung der Apokalypse in der orthodoxen Theologie und Liturgie sowie Christopher Rowland mit seiner Darstellung der poetischen und bildhaften Rezeption des Werkes und seines Denkens bei William Blake Brückenschläge in die neuzeitliche Aufnahme der apokalyptischen Bilder und Motive. Gewiss bleibt auch das Profil einer so umfangreichen Sammlung von Beiträgen eklektisch. In allen drei Kategorien ließen sich mehr und andere Themen benennen, die eine ausführliche Erörterung rechtfertigen könnten. Gleichwohl ist es unsere Überzeugung, dass die vorliegende Sammlung wesentliche Impulse zum Diskurs über die Apokalypse bieten und auch das Gespräch zwischen historischer und religionsgeschichtlicher Interpretation und aktueller Rezeption anregen kann. Die Fertigstellung des Bandes hat mehr Zeit in Anspruch genommen, als zunächst kalkuliert war. Das Projekt ist mit Jörg Frey von München nach Zürich und mit James A. Kelhoffer von St. Louis nach Uppsala gewandert. Umso mehr danken wir all denen, die geholfen haben, das immer größer werdende Projekt zum Abschluss zu bringen. Dank gebührt vor allem Herrn Ionuţ-Adrian Forga am Lehrstuhl für Neues Testament in Jena,
Vorwort
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der mit großer Erfahrung und nahezu endlosem Einsatz die Beiträge druckfertig vorbereitet und die Druckvorlage erstellt hat. Bei der Organisation des Münchener Symposiums konnten wir auf die verlässliche Hilfe von Alison Deborah Sauer (jetzt Groningen) zählen. Für die Mithilfe bei den Korrekturen danken wir Lic. theol. Monika Götte (Zürich), Dr. Anni Hentschel (Würzburg/Frankfurt) sowie Megan Arndt (Jena/Marburg). Die Register wurden von Ionuţ-Adrian Forga (Jena/Leipzig), Dr. Anni Hentschel und Sophie Kottsieper (Berlin) erstellt. Schließlich hat uns im Verlag Mohr Siebeck Frau Tanja Idler mit Sachverstand und wie immer großem Entgegenkommen begleitet. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Band die weitere Erforschung der Apokalypse und das breitere Gespräch über dieses letzte Buch der Bibel anregen und den internationalen Austausch über die relevanten Fragen auch weiterhin fördern wird. Zürich / Uppsala / Jena, im Januar 2012 Jörg Frey James A. Kelhoffer Franz Tóth
Inhalt Vorwort ................................................................................................... V FRANZ TÓTH Erträge und Tendenzen in der gegenwärtigen Forschung zur Johannesapokalypse ....................................................................... 1
Kontexte MARTIN KARRER Der Text der Johannesapokalypse ...................................................... 43 THOMAS WITULSKI Der römische Kaiser Hadrian und die neutestamentliche Johannesapokalypse ................................. 79 STEPHAN WITETSCHEK Ein weit geöffnetes Zeitfenster? Überlegungen zur Datierung der Johannesapokalypse ..................... 117 MICHAEL LABAHN Die Septuaginta und die Johannesapokalypse: Möglichkeiten und Grenzen einer Verhältnisbestimmung im Spiegel von kreativer Intertextualität und Textentwicklungen .... 149 LOREN T. STUCKENBRUCK / MARK D. MATHEWS The Apocalypse of John, 1 Enoch, and the Question of Influence ... 191 ENNO EDZARD POPKES Vollendete Gottesgegenwart: Anmerkungen zu den traditionsgeschichtlichen Bezugsgrößen von Apk 21,1–5 ..... 235 CLARE K. ROTHSCHILD Principle, Power, and Purgation in the Letter to the Church in Laodicea (Rev 3:14–22) .................... 259
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Inhalt
JAN DOCHHORN Beliar als Endtyrann in der Ascensio Isaiae: Ein Beitrag zur Eschatologie und Satanologie des frühen Christentums sowie zur Erforschung der Apokalypse des Johannes .............. 293
Konzepte FRANZ TÓTH Von der Vision zur Redaktion: Untersuchungen zur Komposition, Redaktion und Intention der Johannesapokalypse ............................ 319 HANS-GEORG GRADL Buch und Brief: Zur motivischen, literarischen und kommunikativen Interdependenz zweier medialer Typen in der Johannes-Offenbarung ........................................................... 413 KONRAD HUBER Jesus Christus – der Erste und der Letzte: Zur Christologie der Johannesapokalypse ........................................ 435 JÖRG FREY Was erwartet die Johannesapokalypse? Zur Eschatologie des letzten Buchs der Bibel .................................. 473 JAMES A. KELHOFFER The Relevance of Revelation’s Date and the Imperial Cult for John’s Appraisal of the Value of Christians’ Suffering in Revelation 1–3 ............................................................................. 553 JAN WILLEM VAN HENTEN The Concept of Martyrdom in Revelation ........................................ 587 ROLAND BERGMEIER Zeugnis und Martyrium ................................................................... 619
Rezeption WILLIAM TABBERNEE The Appearance of the New Jerusalem in the Montanist Interpretation of the Revelation of John ................ 651 TOBIAS NICKLAS Die apokryphe Thomasapokalypse und ihre Rezeption der Offenbarung des Johannes ......................................................... 683
Inhalt
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VALENTIN FÀBREGA Laktanz und die Apokalypse ............................................................ 709 JUAN HERNÁNDEZ, JR. Andrew of Caesarea and His Reading of Revelation: Catechesis and Paranesis .................................................................. 755 KONSTANTIN NIKOLAKOPOULOS Die Apokalypse des Johannes und die orthodoxe Liturgie: Anknüpfungspunkte zwischen Apokalypse und orthodoxem Kultus ..... 775 CHRISTOPHER ROWLAND ‘Mr. Blake, apo- or rather ana-calyptic Poet, and Painter’: apocalyptic hermeneutics in action .................................................. 793 Autorenverzeichnis .............................................................................. 813 Stellenregister ...................................................................................... Autorenregister .................................................................................... Sach- und Personenregister .................................................................. Register griechischer Begriffe ..............................................................
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Erträge und Tendenzen in der gegenwärtigen Forschung zur Johannesapokalypse FRANZ TÓTH
0 Einleitung Wie ist der Stand der gegenwärtigen Forschung zur Johannesapokalypse? Welche Erträge der jüngeren Forschung sind besonders zu nennen? Welche Forschungstendenzen lassen sich erkennen? Und welche Forschungszweige haben sich herausentwickelt?1 Sicher ist: Die Offenbarung des Johannes hat Hochkonjunktur. In den vergangenen zwei Dekaden hat die wissen1 Jüngere Forschungsberichte zum Stand der Forschung zur Johannesapokalypse bieten O. BÖCHER, Die Johannesapokalypse, EdF 41, Darmstadt 31988; DERS., Die Johannes-Apokalypse in der neueren Forschung, ANRW II, 25, 5 (1988), 3850–3893; T. HOLZ, Literatur zur Johannesapokalypse 1980–1996, ThR 62 (1997) 368–413; F. J. MURPHY, The Book of Revelation, Current Research in Biblical Studies 2 (1994) 181–225; J.-W. TAEGER, Einige neuere Veröffentlichungen zur Apokalypse des Johannes, in: ders., Johanneische Perspektiven. Aufsätze zur Johannesapokalypse und zum johanneischen Kreis 1984–2003, hrg. v. D. C. Bienert / D.-A. Koch, FRLANT 215, Göttingen 2006, 29–58 (zuerst veröffentlicht in VF 29 [1984] 50–75); I. PAUL, Ebbing and Flowing: Scholary Developments in Study of the Book Revelation, ET 119 (2008) 523–531. Eine bibliographische Sammlung findet sich bei S. E. MCGINN / A. M. GALE, Bibliographies for Biblical Research. New Testament Series, Bd. 11: The Book of Revelation, Lewiston, NY/ Queenston/Lampeter 1997. Gebündelte Präsentation der Forschungspositionen bieten darüber hinaus diverse Artikel in den Lexika, vgl. A. YARBRO COLLINS, Art.: Revelation, Book of, AncB Dictionary 5 (1992) 694–708; O. BÖCHER, Art.: Johannes-Apokalypse, RAC 18 (1998) 595–646; D. E. AUNE, Art.: Johannes-Apokalypse/Johannesoffenbarung, RGG4 4 (2001) Sp. 540–547. In der Kommentarliteratur und in Monographien finden sich vereinzelt auch summarische Forschungsberichte, vgl. P. PRIGENT , Commentary on the Apocalypse of St. John, Übers. W. Pradels, Tübingen 2001, 1–22; K. PETER, Apokalyptische Schrifttexte: Gewalt schürend oder transformierend? Ein Beitrag zu einer dramatisch-kritischen Lesart der Offenbarung des Johannes, Beiträge zur mimetischen Theorie 29, Wien/Berlin 2010, 262–336; vgl. auch die im Blick auf die Thesen J.-W. Taeger genannten Forschungstendenzen bei M. KARRER, Die Apokalypse – eine fulminante Streitschrift unter Einfluss des johanneischen Gemeindeverbandes. Jens-W. Taegers Beitrag zur Erforschung der Apk und der joh Theologieentwicklung, in: Taeger, Johanneische Perspektiven (a.a.O.), 17–26.
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Franz Tóth
schaftliche Apokalypseforschung das letzte Buch des Neuen Testaments vermehrt zum Gegenstand eines intensiven exegetischen, historischen und theologischen Diskurses gemacht. Die Fülle der neueren Kommentare,2 Monographien und die zahllosen Artikel zur Johannesapokalypse haben sich seit den 90er Jahre nahezu expotentiell vermehrt.3 Aus diesen reichen Forschungsarbeiten sind neue exegetische Erkenntnisse, hermeneutische Ansätze und rezeptionsgeschichtliche Entdeckungen hervorgegangen, die in der Summe eine höchst komplexe und kaum noch überschaubare Forschungslandschaft bieten. Die aus der langen Auslegungsgeschichte zur Johannesapokalypse hervorgegangenen klassischen Deutungskategorien (die kirchen-, welt-, end-, zeit-, reichs-, traditions- und die übergeschichtliche sowie die axiologische und die wesenskerygmatische) werden auch heute noch – je nach theologischer Disposition des Interpreten und z.T. in freier Kombination der Ansätze – an die Johannesapokalypse angelegt.4 2 Der dringende Wunsch „nach eine[m] neuen großen wissenschaftlichen Kommentar zur Johannesapokalypse“, den 1997 T. Holtz am Ende seines Literaturberichts zur Johannesapokalypse von 1980–1996 äußerte (HOLTZ, Literatur [s. Anm. 1], 413), hat sich – noch im selben Jahr – erfüllt, als der erste Band eines drei Bände und insgesamt 1354 Seiten umfassenden Kommentarwerks von D. E. Aune erschien (Revelation, 3 Bde., WBC 52/52B/52C, Dallas, TX/Nashville 1997/1998/1998). Nur zwei Jahre später folgte der 1245–seitige Kommentar von G. K. BEALE, The Book of Revelation. A Commentary on the Greek Text, NIGTC, Grand Rapids, MI 1999. Voluminös ist auch der zweibändige Kommentar von R. L. THOMAS, Revelation, 2 Bde, Chicago 1992/1995 (insgesamt 1214 Seiten). An weiteren neueren Kommentaren wären zu erwähnen: H. GIESEN, Die Offenbarung des Johannes, RNT, Regensburg 1997; R. H. MOUNCE, The Book of Revelation, NICNT, Grand Rapids, MI/Cambridge 21998; P. PRIGENT , Commentary on the Apocalypse of St. John, Translated from French into English by W. Pradels, Tübingen 2001; G. R. OSBORNE, Revelation, Baker Exegetical Commentary on the New Testament, Grand Rapids, MI 2002; I. BOXALL, The Revelation of John, BNTC 18, London/New York 2006; A. SATAKE, Die Offenbarung des Johannes, red. bearb. von Th. Witulksi, KEK 16, Göttingen 2008; T. HOLTZ, Die Offenbarung des Johannes, NTD 11, Göttingen 2008; B. WITHERINGTON III, Revelation, New Cambridge Bible Commentary, Cambridge 2003 (Nachdr. 2009); B. R. BLOUNT , Revelation. A Commentary, The New Testament Library, Louisville, KY 2009. 3 Einen Eindruck von der rasanten Zunahme der Publikationen zur Johannesoffenbarung vermittelt eine Recherche in der Bibelwissenschaftlichen Literaturdokumentation Innsbruck http://www.uibk.ac.at/bildi/bildi/search/ (Zugriff 30.08.2011). Bei der Stichworteingabe „Offenbarung des Johannes“ ergeben sich für jeweils eine Zehnjahresperiode folgende Treffer (T): Für die Jahre 1900–1909: 2 T; 1910–1919: 0 T; 1920–1929: 1 T; 1930–1939: 3 T; 1940–49: 7 T; 1950–1959: 1 T; 1960–1969: 19 T; 1970–1979: 26 T; 1980–1989: 171 T; 1990–1999: 430 T; 2000–2009: 667 T. Allein für das Jahr 2010 finden sich 34 Treffer, also mehr als in den ganzen 70er Jahre zusammen. 4 Vgl. die Liste bei G. M AIER, Die Johannesoffenbarung und die Kirche, WUNT 25, Tübingen 1981, 622, und die Übersicht über den Stand der Apokalypseforschung in Blick auf diese unterschiedlichen Auslegungskategorien bei U. RIEMER, Das Tier auf dem Kaiserthron? Eine Untersuchung zur Offenbarung des Johannes als Historische Quelle, BsA
Erträge und Tendenzen in der gegenwärtigen Forschung zur Apk
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Bereits 1981 konstatierte G. Maier im Rückblick auf eine lange Auslegungsgeschichte zur Johannesapokalypse: „Die Apokalypse ist – im Längsschnitt der Kirchengeschichte betrachtet – geradezu das Exerzierfeld der Hermeneutik par excellence.“5 Eine auch nur annähernd vollständige Literaturübersicht über die Publikationsfülle der Apokalypseforschung kann an dieser Stelle kaum geleistet werden. Um gleichwohl einen hilfreichen und ökonomischen Überblick bieten zu können, soll eine Kategorisierung und systematische Erfassung wichtiger Ergebnisse und Tendenzen der Apokalypseforschung nach einem Kommunikationsmodell erfolgen, das auch in der Systematisierung der literatur- und kulturwissenschaftlichen Methoden und Theorien zur Anwendung kommt.6 Die Darstellung der Forschung zur Apokalypse erfolgt also unter folgenden Rubriken: (1) Autororientierte Fragestellungen (d.h. entstehungs- und werksgeschichtliche Untersuchungen und die Frage nach der Person des Autors, m.a.W.: im Wesentlichen klassische Einleitungsfragen). (2) Kontextorientierte Fragestellungen, mit der Unterscheidung zwischen (A) extratextuellen (also vorwiegend Fragen nach dem Wirklichkeitsbezug des Textes; vergleichbar der Literatursoziologie und des New Historicism) und (B) intertextuellen Kontexten (Quellen- und Intertextualitätsforschung). (3) Textbezogene Fragestellungen (also werkimmanente Ansätze, wie narrative Textanalysen, Strukturtheorien und theologische Konzepte). Schließlich: (4) Rezeptionsbezogene Fragestellungen (also die Rezeptionsgeschichte und Studien vergleichbar der Rezeptionsästhetik und dem reader-response criticism). Präsentiert werden in der Regel nur Veröffentlichungen, die nach 1990 erschienen sind, so dass eine Übersicht über Erträge und Tendenzen der Apokalypseforschung der letzten 20 Jahre gewährleistet ist.
114, Stuttgart/Leipzig 1998, 34–42; BEALE, Revelation (s. Anm. 2), 44–49; vgl. auch den Beitrag von J. FREY, „Was erwartet die Johannesapokalypse?“ in diesem Band. 5 MAIER, Johannesoffenbarung (s. Anm. 4), 622. 6 Vgl. die Systematisierung nach T. KÖPPE / S. W INKO, Theorien und Methoden der Literaturwissenschaft, in: T. Anz (Hg.), Handbuch der Literaturwissenschaft. Gegenstände – Konzepte – Institutionen. Bd. 2: Methode und Theorien, Stuttgart/Weimar 2007, 285–371: 287f. Zur Anwendung des Kommunikationsmodells in der Literaturwissenschaft vgl. auch V. NÜNNING / A. NÜNNING, Wege und Ziel: Methoden als planvoll und systematisch eingesetzte Problemlösungsstrategien, in: dies., Methoden der literatur- und kulturwissenschaftlichen Textanalyse. Ansätze – Grundlagen – Modellanalysen, Stuttgart/Weimar 2010, 1–27, bes. 17–21.
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Franz Tóth
1 Autororientierte Fragestellungen Zu den autororientierten Fragestellungen gehören zunächst die klassischen Einleitungsfragen, also spezifische Fragen nach dem Profil des Autors, der Genese, Sprache und Datierung des Werkes und das spezielle Problem der Textkritik. Weitestgehend7 einig ist sich die Apokalypseforschung darin, dass der Verfasser der Johannesapokalypse weder mit dem Zebedaiden und Apostel Johannes8 noch mit dem Presbyter oder mit den Verfassern der sonstigen joh. Literatur9 identisch ist.10 Auch der Pseudonymieverdacht11 7 Freilich gibt es auch anderslautende Stimmen, die an der Verfasseridentität der joh. Schriften und der Apokalypse festhalten, so mit Nachdruck M AIER, Johannesoffenbarung (s. Anm. 4), 619f.; DERS., Die Offenbarung des Johannes, Kap. 1–11, Historisch-Theologische Auslegung, Witten/Gießen, 2009, 18–29; W. A. ELWELL / R. W. VARBROUGH, Encountering the New Testament, Baker Books, Grand Rapids, MI 1998, 376f.; MOUNCE, Revelation (s. Anm. 2), 15; E. E. Ellis, The Making of the New Testament Documents, Bibl.-Interpr.S. 39, Leiden/Boston/Köln 1999, 220–222. 8 So S. S. S MALLEY, The Revelation to John: A Commentary on the Greek Text of the Apocalypse, Downers Grove, IN 2005; 22; vgl. auch die vorsichtige Vermutung von BOXALL, Revelation (s. Anm. 2), 7. 9 Zur Frage der Beziehung zwischen den joh. Schriften und der Johannesapokalypse vgl. grundlegend J. FREY, Erwägungen zum Verhältnis der Johannesapokalypse zu den übrigen Schriften des Corpus Johanneum, in: M. Hengel, Die johanneische Frage, WUNT 67, Tübingen 1993, 326–429; vgl. auch A. HEINZE, Johannesapokalypse und johanneische Schriften. Forschungs- und traditionsgeschichtliche Untersuchungen, BWANT 142, Stuttgart/Berlin/Köln 1998; J. U. KALMS, Der Sturz des Gottesfeindes. Traditionsgeschichtliche Studien zu Apokalypse 12, WMANT 93, Neukirchen-Vluyn 2001, 235–273. 10 In „seltener Konsensfreudigkeit“ (so K. BACKHAUS, Die Vision vom ganz Anderen. Geschichtlicher Ort und theologische Mitte der Johannesoffenbarung, in: ders. [Hg.], Theologie als Vision, SBS 191, Stuttgart 2001, 10–53: 16) geht die neuere Kommentarliteratur und jüngere Einleitungswissenschaft bzgl. der joh. Schriften und der Johannesoffenbarung von verschiedenen Verfassern aus, so P RIGENT , Apocalypse (s. Anm. 2), 41; WITHERINGTON, Revelation (s. Anm. 2), 1–3; GIESEN, Offenbarung (s. Anm. 2), 36–40; BLOUNT , Revelation (s. Anm. 2), 5–8; P. POKORNÝ / U. HECKEL, Einleitung in das Neue Testament. Seine Literatur und Theologie im Überblick, UTB 2798, Tübingen 2007, 612; U. SCHNELLE, Einleitung in das Neue Testament, UTB 1830, Göttingen 72011, 547–550; S. SCHREIBER, Die Offenbarung des Johannes, in: M. Ebner / S. Schreiber (Hg.), Einleitung in das Neue Testament, Studienbücher Theologie 6, Stuttgart 2008, 566–568; M. BACHMANN, Die Johannesoffenbarung, in: K. W. Niebuhr (Hg.), Grundinformation Neues Testament, UTB 2108, Göttingen 22003, 357f. 11 So FREY, Erwägungen (s. Anm. 9), 425–427, G. S TRECKER, Literaturgeschichte des Neuen Testaments, UTB 1682, Göttingen 1992, 274f.; und neuerdings wieder T. BAUER, Das tausendjährige Messiasreich der Johannesoffenbarung. Eine literarkritische Studie zur Offb 19,11–21,8, BZNW 148, Berlin/New York 2007, 361; T. WITULSKI, Die Johannesoffenbarung und Kaiser Hadrian. Studien zur Datierung der neutestamentlichen Apokalypse, FRLANT 221, Göttingen 2007, 339–345. Zur Kritik vgl. jüngst J. DOCHHORN , Schriftgelehrte Prophetie. Der eschatologische Teufelsfall in Apc Joh 12 und seine Bedeutung für das Verständnis der Johannesoffenbarung, WUNT 268, Tübingen 2010,
Erträge und Tendenzen in der gegenwärtigen Forschung zur Apk
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und eine vermutete Nähe zu einem johanneischen (Schul-)Kreis12 hat sich bislang nicht wirklich durchsetzten können.13 Übereinstimmend wird Johannes als Prophet gesehen,14 der, wohl im Kreis einer Prophetengruppe, 15 in Kleinasien als Wanderprophet wirkte16 und möglicherweise eine besondere Nähe zur Gemeinde in Thyatira pflegte.17 Sprachliche und stilistische Indikatoren wie auch das stark biblischjüdisch gefärbte Weltbild des Verfassers werten einige Kommentatoren auch biographisch aus und versuchen – z.T. in Kombination mit literarkritischen Schichtungsmodellen – konkrete Lebensphasen des Autors zu re-
46f.50f.; SATAKE, Offenbarung (s. Anm. 2), 33; P. HIRSCHBERG, Das eschatologische Israel. Untersuchungen zum Gottesvolkverständnis der Johannesoffenbarung, WMANT 84, Neukirchen-Vlyn 1999, 11f.; AUNE, Johannes-Apokalypse (s. Ann. 1), Sp. 544. 12 J.-W. TAEGER, Johannesapokalypse und johanneischer Kreis. Versuch einer traditionsgeschichtlichen Ortsbestimmung am Paradigma der Lebenswasser-Thematik, BZNW 51, Berlin/New York 1989, 295; DERS., Offenbarung 1.1–3: Johanneische Autorisierung einer Aufklärungsschrift, in: ders., Johanneische Perspektiven (s. Anm. 1), 157–173; FREY, Erwägungen (s. Anm. 9), 415–429. So neuerdings wieder P RIGENT , Apocalypse (s. Anm. 2), 36–50; W ITHERINGTON, Revelation (s. Anm. 2), 3. 13 Vgl. die ausgewogene Diskussion bei S CHNELLE, Einleitung (s. Anm. 10), 473f.; HEINZE, Johannesapokalypse (s. Anm. 9), 353–358; AUNE, Revelation 1 (s. Anm. 2), liv– lvi; F. W. HORN, Johannesapokalypse und johanneischer Kreis. Zu Jens-Wilhelm Taegers Methode des motivgeschichtlichen Vergleichs innerhalb des Corpus Johanneum, in: Taeger, Johanneische Perspektiven (s. Anm. 1), 219–240; H.-C. KAMMLER, Jesus Christus der Geistparaklet. Eine Studie zur johanneischen Verhältnisbestimmung von Pneumatologie und Christologie, in: O. Hofius / ders. (Hg.), Johannesstudien. Untersuchung zur Theologie des vierten Evangeliums, WUNT 88, Tübingen 1996, 87–190. 14 Vgl. BACKHAUS, Vision (s. Anm. 10), 32 („apokalyptischer Prophet“); J. FEKKES, Isaiah and Prophetic Traditions in the Book of Revelation. Visionary Antecedents and their Development, JSNT.S 93, Sheffield 1994, 22–37. 15 Vgl. D. E. AUNE, The Prophetic Circle of John of Patmos and the Exegesis of Revelation 22:16, in: ders., Apocalypticism, Prophecy and Magic in Early Christianity. Collected Essays, WUNT 199, Tübingen 2006, 250–260; DERS., The Social Matrix of the Apocalypse of John, in: ders., Apocalypticism (a.a.O.), 175–189; DERS., Revelation 1 (s. Anm. 2), liii–liv; R. BAUCKHAM, The Climax of Prophecy. Studies on the Book of Revelation, Edinburgh 1993, 84–86; BACKHAUS, Vision (s. Anm. 10), 17. 16 Vgl. GIESEN, Offenbarung (s. Anm. 2), 40; BACKHAUS, Vision (s. Anm. 10), 17; SATAKE, Offenbarung (s. Anm. 10), 37. 17 So die Vermutung von G. GUTTENBERGER, Johannes von Thyateira. Zur Perspektive des Sehers, in: F. W. Horn / M. Wolter (Hg.), Studien zur Johannesoffenbarung und ihrer Auslegung, FS O. Böcher, Neukirchen-Vlyn 2005, 160–188. Dass Thyateira „die Heimat oder der Ort der überwiegenden Wirkung des Johannes“ (185) gewesen sei, würde nach Guttenberger auch einige Grundfragen klären: „Das Schweigen des Johannes über Paulus verliert an Signifikanz. Auch wenn die Verbreitung und Wirksamkeit paulinischer Tradition auch in Thyateira natürlich nicht ausgeschlossen werden kann (man erinnere sich nur an Lydia, Apg. 16,14), ist doch anzunehmen, dass sie dort eine geringere Rolle spielte als z.B. in Ephesos oder Milet.“ (187f.)
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konstruieren.18 In das Bild einer möglicherweise aus Palästina19 stammenden bilingual geprägten Persönlichkeit passt die Sprache des Verfassers, dessen von zahlreichen Solezismen geprägtes Griechisch weder ein Übersetzungsgriechisch,20 noch ein „heiliger Stil“21 oder eine bewusste semitisierende22 oder septuagisierende23 Nachahmung der biblischen Sprache des 18 So S ATAKE, Offenbarung (s. Anm. 2), 32–38.68–73. Danach erlebte der zunächst als jüdischer Apokalyptiker in Palästina wirkende Verfasser ein (visionäres) Bekehrungserlebnis und zog im Zuge der Kriegswirren 70 n.Chr. nach Kleinasien, wo er in näheren Kontakt mit den dortigen Christen kam und anschließend im kleinasiatischen Raum als judenchristlicher Wanderprophet wirkte. Schließlich sei er auf die Insel Patmos verbannt worden, von wo er aber – so zumindest nach kirchlicher Überlieferung (Eusebius, h.e. 3,20,8f.; 3,23,6; Irenaeus, haer. 2,22,5) – später wieder nach Ephesus zurückgekommen sei und bis in die Zeit Trajans gelebt hätte. Einen ähnlichen biographischen Rekonstruktionsversuch bietet bereits AUNE, Revelation 1 (s. Anm. 2), cxx–cxxxiv. 19 Vgl. AUNE, Johannes-Apokalypse (s. Anm. 1), Sp. 546, der nach Aufweis zahlreicher Parallelen zwischen der Johannesoffenbarung und 1Hen 37–71 (Bilderreden Henochs) bzw. anderen frühjüdischen Apokalypsen und Qumrantexten konstatiert: „Die Verwendung dieser und anderer gemeinsamer apokalyptischer Motive durch den Vf. zeigt, daß er sich, bevor er in die röm. Asia auswanderte, in paläst. apokalyptischen Kreisen bewegte.“ 20 Von einem Übersetzungsresultat einer ursprünglich hebräischen oder aramäischen Vorlage der Johannesoffenbarung sind noch ausgegangen: R. B. Y. SCOTT , The Original Language of the Apocalypse, Toronto 1928; C. C. TORREY, The Apocalypse of John, New Haven, 1958; vgl. ferner A. LANCELLOTTI, Sintassi Ebraica nel Greco dell’Apocalisse I: Uso delle forme vebali, Collectio Assisiensis 1, Assisi 1964; D ERS., Il kai, „consecutivo“ di predizione alla maniera del weqataltî ebraico nell’Apocalisse, SBFLA 32 (1982) 133–146. Zur Kritik vgl. G. MUSSIES, The Morphology of Koine Greek as Used in the Apocalypse of St. John. A Study in Bilingualism, NTS.S 27, Leiden 1971, 343–347. 21 So E. LOHSE, Die alttestamentliche Sprache des Sehers Johannes, in: ders., Die Einheit des Neuen Testaments. Exegetische Studien zur Theologie des Neuen Testaments, Göttingen 1973, 329–333; vgl. auch E. LOHMEYER, Die Offenbarung des Johannes, HNT XVI, Tübingen 31970, 197–199; E. SCHÜSSLER-FIORENZA, Das Buch der Offenbarung. Vision einer gerechten Welt, Stuttgart/Berlin/Köln 1994, 47. 22 Vgl. J. R OLOFF, Die Offenbarung des Johannes, ZBK.NT, Zürich 1984, 20f.; GIESEN, Offenbarung (s. Anm. 2), 39; H. KRAFT , Die Offenbarung des Johannes, HNT 16a, Tübingen 1974, 15f.; R. MÜLLER-FIEBERG, Das ‚neue Jerusalem‘. Vision für alle Herzen und alle Zeiten? Eine Auslegung von Offb 21,1–22,5 im Kontext von alttestamentlich-frühjüdischer Tradition und literarischer Rezeption, BBB 144, Berlin/Wien 2003, 54f.; vgl. eingehend S. THOMPSON, The Apocalypse and Semitic Syntax, SNTSMS 52, Cambridge 1985. Zur Kritik vgl. G. H. R. HORSLEY, The Fiction of ‘Jewish Greek’, in: New Documents Illustrating Early Christianity, Bd. 5: Linguistic Essays, New South Wales 1989, 5–40. S. E. PORTER, The Language of the Apocalypse in Recent Discussion, NTS 35 (1989) 582–603 (587) konstatiert in diesem Zusammenhang: „The burden of proof must rest upon those arguing for a Semitic source to prove that a particular construction is impossible in the NT or a least highly unlikely to occur as often as it does. Since the NT documents are extant Greek documents in a Greek linguistic milieu …, the burden of proof must lie with those argue for Semitic influence.“
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AT ist, wenn auch ein starker atl. Einfluss ebenso in Rechnung zu stellen ist24 wie mögliche ad sensum-Konstruktionen.25 Man wird wohl also eher davon auszugehen haben, dass die Johannesapokalypse das Werk eines bilingualen Autors ist,26 „der über keine griechische literarische Bildung verfügt und in der vulgären griechischen Alltagssprache schreibt.“27 Auch der Gebrauch der wechselnden Tempora in der Johannesapokalypse ist in der Regel kein Zeichen eines semitisierenden Stils, sondern Ausdruck von
23 So D. D. S CHMIDT , Semitisms and Septuagintalisms in the Book of Revelation, NTS 37 (1991) 592–603. Schmidt definiert „Septuagintalisms“ als „syntactical peculiarities that are not typical of Semitic syntax, but are stylistic features characteristic of one of the varieties of translation Greek within the Septuagint“ (596); vgl. auch B EALE, Revelation (s. Anm. 2), 102–105, der sich auf Schmidts Untersuchungen beruft. Zur Kritik vgl. BAUER, Messiasreich (s. Anm. 11), 99f. 24 Der atl. Einfluss dürfte insbesondere durch die griechischen Textversionen vermittelt worden sein. Zur methodisch umsichtigen Annäherung an das Problem der Solezismen vgl. G. K. BEALE, Solecisms in the Apocalypse as Signals for the Presence of Old Testament Allusions: A Selective Analysis of Revelation 1–22, in: C. A. Evans / J. A. Sanders (Hg.), Early Christianity Interpretation of the Scripture Israel: Investigations and Proposals, Sheffield 1997, 421–446. 25 Vgl. AUNE, Revelation 1 (s. Anm. 2), cciv–ccvii; vgl. auch das Kap. 4 unten zur leseorientierten Fragestellung in Zusammenhang mit rhetorischen Studien. 26 Zum „Bilingualism“ und der Bilingualität des Autors vgl. die Literaturübersicht bei HORSLEY, Fiction (s. Anm. 22), 6–26; ferner M. SILVA, Bilingualism and the Character of Palestinian Greek, Bib 61 (1980) 198–219; J. FITZMYER, The Language of Palestine in the First Century, CBQ 32 (1970) 501–531; M USSIES, Morphology (s. Anm. 20), 311–349; FREY, Erwägungen (s. Anm. 9), 378f. Nach B. KOWALSKI, Die Rezeption des Propheten Ezechiel in der Offenbarung des Johannes, SBB 52, Stuttgart 2004, 268f., sollte „man annehmen, dass Johannes bilingual gewesen ist und sich Teile des AT in der Fassung des MT und andere in der LXX-Version in seinem Gedächtnis eingeprägt hatte.“ 27 BAUER, Messiasreich (s. Anm. 11), 97. Scheinbare Semitismen lassen sich nach Bauer daher leicht „aus dem muttersprachlichen Element bei primärer Bilingualität“ (359) erklären: „Da die Muttersprache der meisten Juden Palästinas im 1. Jh. n.Chr. Aramäisch war, muss ein aramäischer Einfluss im Griechischen der Johannesoffenbarung in erster Linie als unbeabsichtigter muttersprachlicher Einfluss auf die zweite Sprache bei einem Bilingualen interpretiert werden.“ (98) Zugleich impliziert das „Fehlen einer systematischen sprachlich-literarichen Ausbildung im Griechischen“ eine Zugehörigkeit des Autors „zu einer niederen sozialen Schicht.“ (359) Zum möglichen sozialen Hintergrund des Verfassers vgl. auch GUTTENBERGER, Johannes von Thyateira (s. Anm. 17), 188: „Johannes könnte als Repräsentant eines ländlichen, eher bildungsfernen frühen Christentums in der griechisch-römischen Welt interpretiert werden und mit seiner Apokalypse einen Einblick in einen Bereich frühchristlichen Lebens gestatten, der uns durch die anderen neutestamentlichen Schriften nur selten ermöglicht wird.“ Entgegengesetzt argumentiert K. WENGST , „Wie lange noch?“ Schreien nach Recht und Gerechtigkeit – eine Deutung der Apokalypse des Johannes, Stuttgart 2010, 33f., der vielmehr vermutet, dass Johannes ein „sozial hoch stehender römischer Bürger gewesen sein“ müsse, aus hochpriesterlicher Familie mit hohem Bildungsniveau.
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bewusst gesetzten perspektivischen Gewichtungen innerhalb des Textes im Rahmen der Möglichkeiten eines „acceptable first century Greek“.28 In der Frage der Datierung der Johannesapokalypse sind die ohnehin schon divergierenden Positionen noch weiter auseinandergedriftet. Die Vorschläge reichen nun von einer extremen Frühdatierung in den ersten Jahren Neros um 54–60 n.Chr.29 über die letzte Phase der neronischen Zeit bzw. das Vierkaiserjahr 68/69 n.Chr.30 bis hin zur klassischen Datierung auf die Zeit Domitians31 und – immer beliebter – auf die Zeit Nervas bzw. Trajans32 sowie – jüngst – Hadrians.33 Die Schwierigkeit einer Datierung 28 Vgl. jetzt eingehend D. L. M ATHEWSON, Verbal Aspect in the Book of Revelation. The Funktion of Greek Verb Tenses in John’s Apocalypse, Leiden/Boston 2010, 173–181 (Zitat 181). 29 So G. ROJAS-F LORES, The Book of Revelation and the First Years of Nero’s Reign, Bib 85 (2004) 375–392. Rojas-Flores stützt sich für seine Datierung im Wesentlichen auf verstreute Hinweise aus der kirchlichen Überlieferung und auf das argumentum e silentio. 30 Vgl. J. C. W ILSON, The Problem of the Domitian Date of Revelation, NTS 39 (1993) 587–605; K. L. GENTRY, Before Jerusalem Fell, Bethesda MD 21996; R. A. BRIGGS, Jewish Temple Imagery in the Book of Revelation, Studies in Biblical Literature 10, New York 1999, 39; ELLIS, Documents (s. Anm. 7), 210–219; K. L. GENTRY, The Beast of Revelation, Powder Springs GA, 2002; T. B. S LATER, Dating the Apocalypse to John, Bib 84 (2003) 252–258; J. W. MARSHALL, Who’s on the Throne? Revelation in the Long Year, in: R. S. Boustan / A. Y. Reed (Hg.), Heavenly Realms and Earthly Realities in Late Antique Religions, Cambridge 2004, 123–141; M. WILSON, The Early Christians in Ephesus and the Date of Revelation, Again, Neot 39 (2005) 163–193; zuletzt umfassend G. H. VAN KOOTEN, The Year of the Four Emperors and the Revelation of John: The ‘pro-Neronian’ Emperors Otho and Vitellius, and the Images and Colossus of Nero in Rom, JSNT 30,2 (2007) 205–248, mit dem resümierenden Eindruck: „There seems to be a growing conviction of an early, Neronian date of Revelation in several recent works.“ (209 Anm. 9); R. MOBERLEY, When was Revelation Conceived? Bib 73 (1992) 376–393, geht für den apokalyptischen Corpus auch von einer Frühdatierung aus, datiert aber die Sendschreiben erst spät in die trajanische Zeit (377.392f.). 31 Die Datierung auf das Ende der Regierungszeit Domitians wird immer noch mehrheitlich bevorzugt, so – aus der Fülle der Lit. – z.B. G IESEN, Offenbarung (s. Anm. 2), 25–30.41f.; BEALE, Revelation (s. Anm. 2), 4–27 (27); D. P EZZOLI-OLGIATI, Täuschung und Klarheit. Zur Wechselwirkung zwischen Vision und Geschichte in der Johannesoffenbarung, FRLANT 175, Göttingen 1997, 221–246; R. METZNER, Die Prominenten im Neuen Testament. Ein prosopographischer Kommentar, NTOA/SUNT 66, Göttingen 2008, 587–599.608.623, und die Einleitungswerke von S CHNELLE, Einleitung (s. Anm.10), 550–552; POKORNÝ/HECKEL, Einleitung (s. Anm. 10), 613f.; BACHMANN, Johannesoffenbarung (s. Anm. 10), 360–363. 32 Vgl. TAEGER, Johannesapokalypse (s. Ann. 12), 22; M. GÜNTHER, Die Frühgeschichte des Christentums in Ephesus, Arbeiten zur Religion und Geschichte des Urchristentums 1, Frankfurt a.M. u.a. 1995; FREY, Erwägungen (s. Anm. 9), 220.427; A. REICHERT , Durchdachte Konfusion. Plinius, Trajan und das Christentum, ZNW 93 (2002) 227–250 (bes. 248f.); HEINZE, Johannesapokalypse (s. Anm. 9), 238–240; H. J. DE J ONGE, The Apocalypse of John and the Imperial Cult, in: H. F. J. Horstmanshoff u.a.,
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wird, wenn man sie nicht marginalisiert,34 von einigen neueren Exegeten und Kommentatoren durch literarkritische Schichtungsmodelle salomonisch gelöst, sodass sowohl Früh- als auch Spätdatierungen ihre Berechtigung erhalten.35 Für die Datierungsfrage sind indes bislang nicht genügend gewichtete Hinweise auf außertextliche Bezugspunkte zur Apokalypse verstärkt in die Debatte einzubringen – so die Bedeutung der kleinasiatischen
Kykeon. Studies in Honor H. S. Versnel, Religions in the Graeco-Roman World 142, Leiden/Boston/Köln 2002, 127–141: 128f.; DERS., The Function of Religious Polemics: The Case of the Revelation of John Versus the Imperial Cult, in: T. L. Hettema / A. von der Kooij (Hg.), Religious Polemics in Context. Papers Presented to Second International Conference of the Leiden Institute for the Study of Religions (LISOR) held at Leiden, 27–28 April 2000, Assen 2004, 276–290 (276f.); J. G. COOK, Roman Attitudes Toward the Christians. From Claudius to Hadrian, WUNT 261, Tübingen 2010, 249f., J. A. KELHOFFER, Persecution, Persuasion and Power, Readiness to Withstand Hardship as Corroboration of Legitimacy in the New Testament, WUNT 270, Tübingen 2010, 144. 33 So zunächst L. KREITZER, The Roman Imperial Adventus Coinage of Hadrian and the Parousia of Christ, in: L. Kreitzer (Hg.), Striking New Images. Roman Imperial Coinage and the New Testament World, Sheffield 1996, 212–219 (bes. 217f., wonach eine ursprünglich unter Domitian entstandene Apokalypse in der Zeit Hadrians neu aktualisiert wurde); eingehend nun T. WITULSKI, Die Johannesoffenbarung und Kaiser Hadrian. Studien zur Datierung der neutestamentlichen Apokalypse, FRLANT 221, Göttingen 2007; DERS., Ein neuer Ansatz zur Datierung der neutestamentlichen Johannesapokalypse, SNTU 30 (2005) 39–60. 34 Die grundsätzliche Kritik der Johannesapokalypse gegenüber einem seit Augustus vorherrschenden Kaiserkult lässt nach S. J. FRIESEN, Imperial Cults and the Apocalypse of John. Reading Revelation in the Ruins, Oxford 2001, 151, die Frage nach der Datierung des Werkes in den Hintergrund treten: „A structural comparison does not require us to choose a particular date within the decades when Revelation was surely written. Roman imperial cosmology and eschatology were growing in importance, but their fundamental character was relatively stable in this period. Although I conclude that Revelation was probably written in the late first century, the following analysis is general enough to be applicable whether one is persuaded the Revelation was written in 69 or 96 CE. John’s critique was not aimed at particular cults or institutions; it was directed at an imperial way of life.“ 35 Ein umfassendes, sowohl die Früh- als auch die Spätdatierung berücksichtigendes Schichtungsmodell hat AUNE, Revelation 1 (s. Anm. 2), cxx–cxxxiv vorgelegt; vgl. auch DERS., Johannes-Apokalype (s. Anm. 1), Sp. 542: „Mit einer wie auch immer gearteten Fassung der Revisions- und Fragementenhypothese läßt sich sowohl eine Früh- als auch eine Spätdatierung der Apk vereinbaren. Die Komposition und Zusammenstellung der Apk war wahrscheinlich ein längerer editorischer Prozeß, der in den 60er Jahren begann und erst in den späten 90er Jahren, vielleicht auch erst am Anfang der Herrschaft Trajans (98–117 n.Chr.) abgeschlossen war.“ Ein ähnliches, mehrere Jahrzehnte umspannendes Entstehungsmodell vertritt auch SATAKE, Offenbarung (s. Anm. 2), 59–73. Gemäßigtere Schichtungsmodelle finden sich im Kommentar von P RIGENT , Apocalypse (s. Anm. 2), 21.25f.; vgl. ferner MOBERLEY, When was Revelation Conceived (s. Anm. 30), 377.392f.; KREITZER, Adventus Coinage (s. Anm. 33), 217f.
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Neokorie36 und der Agone37 wie auch eine besondere Münzemission mit dem Bild einer auf sieben Hügeln sitzenden Dea Roma38 –, die in der Summe eine Datierung der Johannesapokalypse auf eine nachneronische bzw. trajanische Zeit nahelegen. In der Gattungsfrage tendiert die Forschung zur Synthese: Bezüge zur apokalyptischen Literatur und zur Prophetie werden ebenso wie briefliche Formelemente nicht mehr als sich ausschließende Alternativen bewertet, sondern als integrale Bestandteile des Werkes,39 wobei die Johannesapoka36 Bis zur Zeit Domitians gab es drei von den jeweiligen prinzeps genehmigte provinziale Kaisertempel: in Pergamon unter Augustus (29 n.Chr.), in Smyrna unter Tiberius (26 n.Chr.) und in Ephesus unter Domitian (89/90 n.Chr.). Zu den Neokorien vgl. S. FRIESEN, Twice Neokoros. Ephesus, Asia and the Cult of the Flavian Imperial Family, RGRW 116, Leiden/New York/Köln 1993, 7–49; DERS., Imperial Cults (s. Anm. 43), 23– 55; T. WITULSKI, Kaiserkult in Kleinasien. Die Entwicklung der kutlisch-religiösen Kaiserverehrung in der römischen Provinz Asia von Augustus bis Antoninus Pius, NTOA/SUNT 63, Göttingen 2007,9–77. In der Johannesapokalypse werden nun gerade diese drei Städte zuerst (!) genannt (Apk 2,1–17), freilich in umgekehrter Reihenfolge, beginnend mit der wohl für den Verfasser bedeutendsten Stadt Ephesus. 37 Bis zu Beginn des zweiten Jh. n.Chr. sind ephigraphischen Belegen zufolge in insgesamt sieben Städten der Provinz Asia die κοινὰ ᾿Ασίας abgehalten worden: in Ephesus (ab ca. 90 n.Chr.), Smyrna (ab ca. 90 n.Chr.), Pergamon (ab ca. 60 n.Chr.), Sardeis (ab ca. 60 n.Chr.), Philadelphia (trajanische oder hadrianische Zeit), Laodikaia (ab 60 n.Chr.), Tralleis (ab trajanischer oder hadrianischer Zeit). Mitte des 2 Jh. n.Chr. ist auch Kyzikos als Veranstaltungsort der κοινὰ ᾿Ασίας belegt. Vgl. WITULSKI, Kaiserkult (s. Anm. 36), 23f. Sechs der in der Apokalypse genannten Städte der Sendschreiben galten also seit dem Beginn des 2. Jh. n.Chr. als Austragungsorte der κοινὰ ᾿Ασίας (vgl. FRIESEN , Imperial Cults [s. Anm. 34], 136). Dass zu Beginn des 2. Jh. von sieben (!) in Kleinasien bekannten Austragungsorten der κοινὰ ᾿Ασίας gerade sechs zu den Sendschreibenstädten gehören, ist frappierend und wohl kein Zufall. Die Adressierung eines der Sendschreiben an Thyatira statt Tralleis dürfte durch die persönliche Nähe des Verfasser zu dieser Stadt/Gemeinde verursacht sein (vgl. Anm. 17 oben). 38 AUNE, Revelation 3 (s. Anm. 2), 920–928, macht auf eine 71 n.Chr. datierte Münzemission in der Provinz Asia mit der Dea Roma auf sieben Hügeln sitzend aufmerksam, die verblüffende Ähnlichkeiten mit der Bildkomposition in Apk 17 aufweist und für die Datierung der Apokalypse von Bedeutung ist (so 928). Jüngst hat M. HEEMSTRA, The Fiscus Judaicus and the Parting of the Ways, WUNT 277, Tübingen 2010, 107–110, die Relevanz dieser Münze für die Datierungsfrage erneut hervorgehoben. 39 Forschungsüberblicke und nähere Diskussion bieten M. G. M ICHAEL, The Genre of the Apocalypse: What are They Saying now? Bulletin of Biblical Studies 18 (1999) 115– 126; G. L. LINTON, Reading the Apocalypse as Apocalypse: The Limits of Genre, in: D. L. Barr (Hg.), The Reality of Apocalypse. Rhetoric and Politics in the Book of Revelation, SBL.SS 39, Atlanta, GA 2006, 9–41; vgl. auch BACKHAUS, Vision (s. Anm. 10), 30–34. Vgl. das Resumee von R. BAUCKHAM, The Theology of the Book of Revelation, New Testament Theology, Cambridge 1993, 2: „Thus Revelation seems to be an apocalyptic prophecy in the form of a circular letter to seven churches in the Roman province Asia“. Vgl. auch die Diskussion bei J. R. MICHAELS, Interpreting the Book of Revelation, Grand Rapids 1992, 30–32. Weiterführend ist der Beitrag von D. E. AUNE, The Apoca-
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lypse nun wieder vermehrt als prophetisches Buch qualifiziert wird.40 Erwägenswert ist der Vorschlag von L. Hongisto, die Gattungsfrage aus rezipientenorientierter Sicht im Rahmen einer kognitiven Narratologie zu behandeln.41 Immer noch aktuell ist die Frage nach der literarischen Integrität des Werkes. Wenngleich auch die Zeit exzessiver literarkritischer Operationen vorbei sein dürfte, so fordert die literar- und quellenkritische Fragestellung weiterhin ihr Recht ein.42 Neben Schichtungsmodellen,43 die im Resultat lypse of John and the Problem of Genre, in: ders., Apocalypticism, Prophecy and Magic in Early Christianity. Collected Essays, WUNT 199, Tübingen 2006, 39–65. 40 Vgl. B. KOWALSKI, Prophetie und die Offenbarung des Johannes? Offb 22,6–21 als Testfall, in: J. Verheyden / K. Zamfir / T. Nicklas (Hg.), Prophets and Prophecy in Jewish and Early Christian Literature, WUNT 286, Tübingen 2010, 253–293, mit Diskussion der jüngsten Forschungstendenzen. 41 L. HONGISTO, Experiencing the Apocalypse at the Limits of Alterity, Bibl.Interp.S 102, Leiden/Boston 2010, 55–88 (73): „Thus, the reader’s real-life frame is brought into a transaction with the imagistic collection in the Apocalypse, which operates together with the collective memory of each respective reading community. Therefore, a genre description looses prominence and the hermeneutical space heightens the actuality of the cognitive level. The genre of the Apocalypse is not defined through descriptive literary terminology; instead, its structural and compositional features are apprehended through the reading experience.“ In diesem Zusammenhang spricht Hongisto (115) dann auch von „apocalypticality“: „Apocalypticality embraces the perspective that the reading and performing of the artefact are acts that include the audience, the readers, as narratees. Thus, the Apocalypse and its narratees produce a consciousness through visualization, reflection, contrasting and merging of pictures. … The proposed term ‘apocalypticality’ denotes that spirituality emerging from the Apocalypse can be wrapped up in different ways. Apocalypticality is what the reader, by using real-life frames, infers from the imagistic grounding of the narrative as possible ‘experiencible’ entities of the senses.“ Vgl. auch die Überlegungen von LINTON, Reading the Apocalypse (s. Anm. 39). 42 Vgl. die neuere und weiterführende Diskussion bei BAUER, Messiasreich (s. Anm. 11), 48–70; vgl. auch die vorsichtigen Bemerkungen bei H OLTZ, Offenbarung (s. Anm. 11), 10.53. S. MOYISE, Word Frequencies in the Book Revelation, AUSS 43,2 (2005) 285–299, setzt sich mit der These von Bauckham (Climax [s. Anm. 15], 1 Anm. 1: „The more Revelation is studied in detail, the more clear it becomes that it is not simply literary unity, but actually one of the most unified works in the New Testament. The evidence discussed in this chapter should be sufficient to refute theories which divide the book into disparate sources.“) und seinen Wortstudien auseinander und kommt zu einem gegenteiligen Resümee: „far from proving that Revelation is ‚one of the most unified works in the New Testament,‘ it adds weight to the view that the beginning and end were added to an already existing collection of visions.“ (391). 43 Vgl. zuletzt die umfassenden diachronen Entwürfe von A UNE, Revelation 1 (s. Anm. 2), cxviii–cxxxiv und S ATAKE, Offenbarung (s. Anm. 2), 67–73; R. BEILE, Zwischenruf aus Patmos. Eine neue Gesamteinschätzung der Apokalypse des Johannes von Ephesus, Göttingen 22005. Zur Kritik an Aunes Schichtungsvorschlag vgl. A. Y. COLLINS, Source Criticsm of the Book of Revelation, Journal of the Chicago Society of Biblical Research 43 (1998) 50–60.
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durchaus einen gewissen Konsens aufweisen,44 wird vor allem mit der Aufnahme und Verarbeitung von Überlieferungs- und Traditionsstoffen gerechnet, ohne freilich die Integrität und Einheitlichkeit des Gesamtwerkes infrage zu stellen.45 Die Textkritik zur Johannesapokalypse – seit der grundlegenden Arbeit von J. Schmid eher randständig – tritt in jüngster Zeit vermehrt ins Blickfeld der Forschung.46 Neu ausgewertete Handschriften,47 die stärkere Gewichtung des A-Textes (insbesondere der Haupthandschrift Alexandrinus),48 ferner diverse textkritische Entscheidungen gegen NA27 in der Kommentarliteratur,49 zahlreiche Sonderlesarten, die NA27 nicht aufgenommen hat,50 und eine kritische Bewertung der textkritischen Methoden51 44
Vgl. BAUER, Messiasreich (s. Anm. 15), 61. Danach rechnet die literar- und quellenkritisch orientierte Forschung vor allem in Apk 7; 10; 11; 12; 13; 17f. mit älterem Material. In der Regel werden die Sendschreiben – ein auffälliger Konsens in der jüngeren Forschung – zur redaktionellen Endschicht gezählt, vgl. A UNE, Revelation (s. Anm. 2), cxx.cxxxii–cxxxiv; S ATAKE, Offenbarung (s. Anm. 2), 72f.; MOBERLEY, When was Revelation Conceived? (s. Anm. 30), 376–393; M OYISE, Word Frequencies (s. Anm. 42), 290f.; PRIGENT , Apocalypse (s. Anm. 2), 144f.149–151. 45 So z.B. BAUCKHAM, Climax (s. Anm. 11), 39–91; vgl. aber die kritischen Bemerkungen von BAUER, Messiasreich (s. Anm. 11), 65 Anm. 64. 46 Vgl. J. K. ELLIOTT , Manuscripts of the Book of Revelation Collated by H. C. Hoskier, JTS 40 (1989) 100–110; DERS., The Distinctiveness of the Greek Manuscripts of the Book of Revelation, JTS 48 (1997) 116–124; J. HERNÁNDEZ, Jr., Scribal Habits and Theological Influences in the Apocalypse. The Singular Readings of Sinaiticus, Alexandrinus, and Ephraemi, WUNT II/218, Tübingen 2006; DERS., The Apocalypse in “Codex Alexandrinus”. Its Singular Readings and Scribal Habits, in: P. Gray / G. R. O’Day (Hg.), Scripture and Traditions. Essays on Early Judaism and Christianity in Honor of C. R. Holladay, NT.S 129, Leiden 2008, 341–358; D ERS., Theological Tendencies in the Apocalypse: Starting the Conversation, in: C. A. Evans / H. D. Zacharias (Hg.), Jewish and Christian Scripture as Artifact and Canon, SSECS 13, Edingburgh 2009, 248– 260; J. K. ELLIOT , Manuscripts Cited by Stephanus, NTS 55 (2009) 390–395; Y. R. KO, Augmenting Hoskier’s and Schmid’s Works: A Textual Analysis of Revelation, Diss. New Orleans Baptist Theological Seminary 2009; J. HERNÁNDEZ, J R., The Relevance of Andrew of Caesarea for New Testament Textual Criticism, JBL 130 (2011) 183–196. 47 Vgl. die Auswertung von P115 durch D. C. P ARKER, A New Oxyrhynchus Papyrus of Revelation: P115 (P. Oxy. 4499) NTS 46 (2000) 159–174; DERS., An Introduction to the New Testament Manuscript and Their Texts, Cambridge 2008, 242–244, symphatisiert mit der Lesung 616 in Apk 13,18 nach P115. 48 Vgl. den Beitrag von M. Karrer in diesem Band „Der Text der Johannesapokalypse“, ferner: DERS., Der Text der Johannesoffenbarung – Varianten und Theologie, Neotest. 43 (2009) 373–398. Eine Neubewertung strittiger Lesarten würde z.T. weitreichende theologische Implikationen mit sich bringen, so z.B. in Apk 4,3 (Bild des Himmels), 5,10 (Eschatologie), 13,7 (Verfolgungssituation); 13,10 (Fatalismus). 49 AUNE, Revelation 1 (s. Anm. 2), clixf., entscheidet sich in 40 Fällen gegen NA 27 . 50 Vgl. exemplarisch die detaillierte textkritische Analyse von Apk 12 bei D OCHHORN , Schriftgelehrte Prophetie (s. Anm. 11), 171–192, mit zahlreichen Nachweisen im Vergleich zu NA27.
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lassen sowohl eine Neuedition des griechischen Textes als auch weiterführende Auslegungsimpulse für die Johannesapokalypse erwarten.
2 Kontextorientierte Fragestellungen (A) Die Frage nach dem Wirklichkeitsbezug der Johannesapokalypse, also nach dem zeitgeschichtlichen Entstehungskontext, dem „Sitz im Leben“ und der historischen Verankerung der Johannesapokalypse beantwortet die neuere Apokalypseforschung unter völlig neuen Prämissen. Von der Vorstellung einer staatlich organisierten allgemeinen Christenverfolgung im ersten Jh. n.Chr. hat man sich endgültig verabschiedet.52 Leonard L. Thompsons Studie53 brachte ein revidiertes Domitianbild in die Diskussion ein, die nachhaltig den Forschungsdiskurs prägte.54 Weitere kultur-, sozial-, vereins-, und religionsgeschichtliche Untersuchungen bieten nun ein höchst differenziertes Bild zur Lage der jüdischen55 und christlichen56 Gruppen und Gemeinden in Kleinasien, ihrer z.T. guten Integrati51 Vgl. HERNÁNDEZ, Scribal Habits (s. Anm. 46), 194–196, der im Ergebnis das textkritische Prinzip lectio brevior potior kritisch hinterfragt. 52 Vgl. den forschungsgeschichtlichen Überblick und die Diskussion zur Frage nach einer Christenverfolgung im ersten Jh. n.Chr. bei HIRSCHBERG, Israel (s. Anm. 11), 82– 127; RIEMER, Tier (s. Anm. 4), 14–62. 53 L. L. THOMPSON, The Book of Revelation. Apocalypse and Empire, New York/ Oxford 1990, 95–197. 54 Zum revidierten Domitianbild vgl. auch B. W. J ONES, The Emperor Domitian, London/New York 1992; CHR. URNER, Kaiser Domitian im Urteil antiker literarischer Quellen und moderner Forschung, Diss. Augsburg 1993; C HR. WITSCHEL, Domitian, in: M. Clauss (Hg.), Die Römischen Kaiser. 55 historische Portraits von Caesar bis Iustinian, München 22001, 98–110; K. CHRIST , Geschichte der Römischen Kaiserzeit. Von Augustus bis zu Konstantin, München 31995, 263–284; W. ECK, Art. Domitianus [1], DNP 3 (1997) 746–750. 55 Vgl. P. R. TREBILCO, Jewish Communities in Asia Minor, Cambridge 1991, 167– 185; J. M. G. BARCLAY, Jewish in the Mediterranean Diaspora from Alexander to Trajan (323 BCE–117 CE), Edinburgh 1996, 259–281.320–335; T. RAJAK, The Jewish Dialogue with Greece and Rome: Studies in Cultural and Social Interaction, Leiden 2002, 335– 372.447–462; P. A. HARLAND, Associations, Synagogues, and Congregations: Claiming a Place in Ancient Mediterranean Society, Mineapolis, MN 2003; D ERS., Acculturation and Identity in the Diaspora: A Jewish Family and ‘Pagan’ Guilds at Hierapolis, JJS 57 (2006) 222–244; I. LEVINSKAYA, The Traces of Jewish Life in Asia Minor, in: R. Deines / J. Herzer / K.-W. Niebuhr (Hg.), Neues Testament und hellenistisch-jüdische Alltagskultur. Wechselseitige Wahrnehmungen. III. Internationales Symposium zum Corpus Judaeo-Hellenisticum Novi Testamenti 21.–24. Mai 2009, Leipzig, WUNT 274, Tübingen 2011, 347–357. 56 Vgl. D. A. DES ILVA, The ‘Image of the Beast’ and the Christian in Asia Minor: Escalation of Sectarian Tension in Revelation 13, Trinity Journal NF 12 (1991), 185–
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on in das dortige kulturelle und religiöse Leben sowie ihrem – z.T. ebenfalls durchaus auch positiven – Verhältnis zum römischen Staat. Auf diesem Hintergrund sucht die neure Forschung nach plausiblen Erklärungsmodellen sowohl für die gezeichneten Krisen, Konflikt- und Verfolgungssituationen der christlichen Frommen als auch für die damit verbundenen Feindbilder in der Johannesapokalypse. Die Antworten könnten freilich nicht unterschiedlicher sein. Der Zweifel an einer domitianischen Christenverfolgung spielt zunächst denjenigen in die Hände, die eine Neudatierung der Johannapokalypse vertreten.57 Forscher, die weiterhin an einer domitianischen Entstehungszeit der Johannesapokalypse festhalten, gehen nun von mehr oder weniger lokal begrenzten Ausgrenzungen, Repressionen, Diskriminierungen, Denunziationen und – bestenfalls – von sporadischen Verfolgungsmaßnahmen gegen Christen aus, die durch die Landesbevölkerung selbst vor allem im Kontext einer blühenden provinzialen Kaiserkultpraxis hervorgerufen worden seien.58
208; DERS., The Social Setting of the Revelation to John: Conflict within, Fears without, WThJ 54 (1992) 273–302; R. S. ASCOUGH, Translocal Relationship among Voluntary Associations and Early Christianity, JECS 5 (1997) 223–241; P. A. HARLAND, Honouring the Emperor or Assailing the Beast: Participation in Civic Life Among Associations (Jewish, Christian and Other) in Asia Minor and the Apocalypse of John, JSNT 77 (2000) 99–121; DERS., Associations (s. Anm. 55), 213–215.228ff.; DERS., Connections with Elites in the World of the Early Christians, in: A. J. Blasi / P.-A. Turcotte / J. Duhaime (Hg.), Handbook of Early Christianity: Social Science Approaches, Walnut Creek, CA 2002, 385–408; DERS., Christ-Bearers and Fellow-Initiates: Local Cultural Life and Christian Identity in Ignatius’ Letters, JECS 11 (2003) 481–499; D ERS., Dynamics of Identity in the World of the Early Christians: Associations, Judeans, and Cultural Minorities, London/New York 2009; P. BORGEN, “Yes,”, “No,” “How Far”? The Participation of Jews and Christians in Pagan Cults, in: T. Engberg-Pedersen (Hg.), Paul in His Hellenistic Context, London/New York 1994 (Nachdr. 2004) 30–59; 57 So dezidiert die Argumentationslinie von F. G. DOWING, Pliny’s Prosecutions of Christians, in: S. E. Porter / C. A. Evans (Hg.), The Johannine Writings, BS 32, Sheffield 1995, 232–249, für eine Spätdatierung auf die Zeit Trajans. Das gleiche Argument bemühen WILSON, Problem (s. Anm. 30), 597ff. und MOBERLEY, Revelation (s. Anm. 30), 377, dagegen für eine Frühdatierung. 58 Vgl. T. B. S LATER, On the Social Setting of the Revelation to John, NTS 44 (1998) 232–256; K. CUKROWSKI, The Influence of the Emperor Cult on the Book of Revelation, RestQ 45 (2003) 51–64; H. GIESEN, Das Römische Reich im Spiegel der JohannesApokalypse, in: ders., Studien zur Johannesapokalypse, SBAB 29, Stuttgart 2000, 100– 213: 118–122; J. MOLTHAGEN, Die Lage der Christen im römischen Reich nach dem 1. Petrusbrief. Zum Problem einer domitianischen Verfolgung, Hist. 44 (1995) 422–458; BACKHAUS, Vision (s. Anm. 15), 18–21; W ENGST , Wie lange noch? (s. Anm. 27), 59–64; unter den Kommentaren vgl. P. RICHARD, Apokalypse. Das Buch von Hoffnung und Widerstand. Ein Kommentar, übers. von M. Lauble, Luzern 1996, 16.43f.; 10f.; S ATAKE, Offenbarung (s. Anm. 2), 50.54f.; in den Einleitungswerken findet man in der Regel diese Position vertreten, vgl. S CHNELLE, Einleitung (s. Anm. 10), 552–555; P OKORNÝ/
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Darüber hinaus werden innerchristliche Konflikte und Anpassungstendenzen als primärer Entstehungsanlass für die Johannesapokalypse in Anschlag gebracht. Die Gefahr gehe danach eher von einem „weichen“ Kaiserkult und einem liberalen kompromissbereiten sowie gesellschaftsoffenen Kurs innerhalb der christlichen Gemeinden aus,59 die der Apokalyptiker mit einer konsequenten sektiererischen Abgrenzungsstrategie bekämpft.60 Als innergemeindliche Gegner des Verfassers werden – nicht unumstritten – u.a. auch Vertreter einer nachpaulinischen Tradition ausgemacht.61 HECKEL, Einleitung (s. Anm. 10), 610–612; S CHREIBER, Offenbarung (s. Anm. 10), 571– 576. 59 So grundlegend H.-J. KLAUCK, Das Sendschreiben nach Pergamon und der Kaiserkult in der Johannesoffenbarung, Bib 73 (1992) 153–182; ferner J. KNIGHT , Revelation. Readings: A New Biblical Commentary, Sheffield 1999; P. B. DUFF, Who Rides the Beast. Prophetic Rivalry and the Rhetoric of Crisis in the Churches of the Apocalypse, Oxford 2001; R. ROYALTY, The Streets of Heaven. The Ideology of Wealth in the Apocalypse of John, Macon 1998; P. COUTSOUMPOS, The Social Implication of Idolatry in Revelation 2:14: Christ or Caesar, BTB 27 (1997) 23–27; D ERS., The Idolatry Dilemma in 1 John 5:21, DavarLogos 2.2 (2003) 147–152; GIESEN, Reich (s. Anm. 58), 122–148.213; DERS., Ermutigung zur Glaubenstreue in schwerer Zeit, in: ders., Studien zur Johannesapokalypse, SBAB 29, Stuttgart 2000, 214–227; DERS., Offenbarung (s. Anm. 2), 34– 36; BAUER, Messiasreich (s. Anm. 11), 320–358; H. ULLAND, Die Vision als Radikalisierung der Wirklichkeit in der Apokalypse des Johannes, TANZ 21, Tübingen/Basel 1997, 157–162. Das Konzept eines „weichen“ Kaiserkultes von H.-J. Klauck wurde in der Forschung rezipiert, vgl. J. FREY, The Relevance of the Roman Imperial Cult for the Book of Revelation: Exegetical and Hermeneutical Reflections on the Relation Between the Seven Letters and the Visionary Main Part of the Book, in: J. Fotopoulos (Hg.), The New Testament and Early Christian Literature in Greco-Roman Context (FS D. E. Aune), Leiden/Bosten 2006, 231–255: 254; S CHREIBER, Offenbarung (s. Anm. 10), 574f. 60 Vgl. K LAUCK, Sendschreiben (s. Anm. 59), 178–180; D. A. DES ILVA, Seeing Things John’s Way. The Rhetoric of the Book of Revelation, Lousville, KY 2009, 72; DERS., Social Setting (s. Anm. 56), 301f.; DERS., Imgage of the Beast (s. Amm. 56), 206; DERS., The Revelation to John: A Case Study in Apocalyptic Propaganda and the Maintenance of Sectarian Identity, Sociological Analysis 53,4 (1992) 375–395; H ARLAND, Honouring the Emperor (s. Anm. 56), 101. 61 J.-W. TAEGER, Begründetes Schweigen. Paulus und paulinische Tradition in der Johannesapokalypse, in: ders., Johanneische Perspektiven (s. Anm. 1), 136f. BAUER, Messiasreich (s. Anm. 11), 364, vermutet, dass „der nicht paulinische Charakter der Johannesoffenbarung offenbar Ausdruck eines grundsätzlichen Anti-Paulinismus“ sei. Zur Frage nach der Beziehung der Johannesapokalypse zum Paulinismus bzw. zur paulinischen Brieftradition vgl. die Diskussion bei M. KARRER, Die Johannesoffenbarung als Brief. Studien zu ihrem literarischen, historischen und theologischen Ort, FRLANT 140, Göttingen 1986, 35f.66–83, vgl. ferner G. DAUTZENBERG, Die siebte Posaune. Beobachtungen zur Eschatologie und Offenbarung des Johannes in ihrem Verhältnis zur paulinischen und zur frühjüdischen Eschatologie, in: M. Ebner / B. Heiniger (Hg.), Paradigmen auf dem Prüfstand, Exegese wider den Strich (FS K. Müller), NTA NF 47, Münster 2004, 1–15; zuletzt P. MÜLLER-FIEBERG, Paulusrezeption in der Johannesoffenbarung? Auf der
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Oft stehen beide Erklärungsmodelle, die These lokaler Pressionen gegenüber Christen im Kontext des Kaiserkultes und die innergemeindliche Konflikttheorie, zur Rekonstruktion der zeitgeschichtlichen Hintergründe – eher lose – nebeneinander.62 In beiden Erklärungsmodellen wird in der Regel der (kleinasiatische) Kaiserkult bzw. allgemein das imperium Romanum als das primäre Problem des Verfassers der Apokalypse erkannt.63 In Suche nach dem Erbe des Apostels im letzten Buch des biblischen Kanons, NTS 55 (2009) 83–103. 62 So z.B. GIESEN, Offenbarung (s. Anm. 2), 29; DERS., Reich (s. Anm. 58), 213; SCHNELLE, Einleitung (s. Anm. 9), 555; SCHREIBER, Offenbarung (s. Anm. 10), 570–579; exemplarisch POKORNÝ/HECKEL, Einleitung (s. Anm. 9), wonach zunächst auf die lokalen Pressionen gegen Christen im Rahmen des Kaiserkultes hingewiesen wird (610f.), um dann aber im Resümee von „Versuchungen der Assimilation an die heidnische Umgebung … speziell den Kaiserkult“ (615) zu sprechen. Es ist freilich ein Unterschied, ob christliche Kreise aufgrund eines externen Anpassungsdrucks zu Kompromissen bereit gewesen sind, oder ob nicht vielmehr die Pax Romana selbst eine gewisse Attraktivität auf bestimmte christliche Gemeinden ausgestrahlt hat. Hier müsste noch mehr zwischen den einzelnen Gruppierungen innerhalb der Sendschreiben differenziert werden. 63 Diese Sicht hat sich – gegen vereinzelten Widerspruch (vgl. A UNE, Revelation 1 [s. Anm. 2], 183; THOMPSON, Revelation [s. Anm. 53], 164; RIEMER, Tier [s. Anm. 4], 154–172) – allgemein durchgesetzt, vgl. J. FREY, Relevance (s. Anm. 59), 231–255 (in Auseinandersetzung mit D. Aune); GIESEN, Reich (s. Anm. 58), passim; J. N. KRAYBILL, Imperial Cult and Commerce in John’s Apocalypse, JSNT.S 132, Sheffield 1996; S. J. FRIESEN, The Cult of the Roman Emperors in Ephesos: Temple Wardens, City Titles, and the Interpretation of the Revelation of John, in: H. Köster (Hg.), Ephesos – Metropolis of Asia: An Interdisciplinary Approach to Its Archaeology, Religion and Culture, HTS 41, Valley Forge, PA 1996, 229–250; G. BIGUZZI, Ephesus, its Artemision, its Temple to the Flavian Emperors, and Idolatry in Revelation, NT 40 (1998) 276–290; A. BRENT , The Imperial Cult and the Development of the Church Order, SVigChr 45, Leiden 1999; B. J. LIETAERT PEERBOLTE, To Worship the Beast. The Revelation of John and the Imperial Cult in Asia Minor, in: M. Labahn / J. Zangenberg (Hg.), Zwischen den Reichen: Neues Testament und Römische Herrschaft, TANZ 36, Tübingen/Basel 2002, 239–259; de Jonge, Apocalypse (s. Anm. 32), 127–141; K. CUKOWSKI, The Influence of the Emperor Cult on the Book of Revelation, RestQ 45 (2003) 51–64; S. J. FRIESEN, Imperial Cults (s. Anm. 34); DERS., The Beast from the Land: Revelation 13:11–18 and Social Setting, in: D. L. Bar (Hg.), Reading the Book of Revelation, Resources for Biblical Study 44, Leiden/Boston 2004, 49–64; DERS., Satan’s Throne, Imperial Cults and the Social Settings of Revelation, JNTS 27 (2005) 351–373; P. S. PERRY, Critiquing the Excess of Empire: A Synkrisis of John of Patmos and Dio of Prusa, JSNT 29,4 (2007) 473–496; M. NAYLOR, The Roman Imperial Cult and Revelation, Currents in Biblical Research 8,2 (2010) 207– 239; A. Y. COLLINS, Portraits of Rulers in the Book of Revelation, in: Deines/Herzer/ Niebuhr, Neues Testament (s. Anm. 55), 275–299. W ITULSKI, Johannesoffenbarung (s. Anm. 11), 112–134, erhebt die Reaktion des Verfassers auf die vermeintliche Intensivierung der kultisch-religiösen Kaiservehrung in der Gegenwart des Apokalyptikers zum theologischen Erklärungsschlüssel der Johannesoffenbarung. Vgl. jetzt auch den Forschungsbericht bei M. NAYLOR, The Roman Imperial Cult and Revelation, Currents in Biblical Research, 8,2 (2010) 207–239.
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diesem Zusammenhang werden das Bedrängnis- bzw. Verfolgungsmotiv und die Idee des Martyriums erneut intensiv diskutiert.64 Im Vordergrund steht dabei auch die Frage, wie das literarische, konzeptionelle und theologische Verhältnis des Sendschreibencorpus zum Visionscorpus Apk 4,1–22,5, gerade auch im Blick auf das Persekutionsthema, zu erklären ist.65 Statt eine zeitgeschichtliche Gegenwartskrise zu rekonstruieren, sehen andere Erklärungsmodelle dagegen den Fokus in der Johannesapokalypse eher auf kommende Ereignisse gelegt, also auf eine künftig sich dramatisch zuspitzende66 Krisenzeit (durch den Kaiserkult) – eine Zukunftsper-
64 Vgl. H. E. LONA, „Treu bis zum Tod“. Zum Ethos des Martyriums in der Offenbarung des Johannes, in: H. Merklein (Hg.), Neues Testament und Ethik (FS R. Schnackenburg), Freiburg i.Br. 1989, 442–461; M. V. LEE, A Call to Martyrdom: Function as Method and Message in Revelation, NT 40 (1998) 164–94; A. M. SCHWEMER, Prophet, Zeuge und Märtyrer. Zur Entstehung des Märtyrerbegriffs im frühesten Christentum, ZThK 96 (1999) 320–50; B. KOWALSKI, ,...und sie werden Priester Gottes und des Messias sein; und sie werden König sein mit ihm – tausend Jahre lang‘ (Offb 20,6): Martyrium und Auferstehung in der Offenbarung, SNTU.A 26 (2001), 139–163; D IES., Martydom and Resurection in the Revelation to John, AUSS 41 (2003) 55–64; C HR. A. FRILINGOS, Spectacles of Empire. Monsters, Martyrs, and the Book of Revelation, Divinations: Rereading Late Ancient Religion, Philadelphia, PA 2004; J. A. DU RAND, The Ethical Response of an Alternative Community in a Critical Situation: Marturia and Martyrdom in the Apocalypse of John, in: J. G. van der Watt (Hg.), Identity, Ethics, and Ethos in the New Testament, BZNW 141, Berlin/New York 2006, 565–593; KELHOFFER, Persecution (s. Anm. 32), 143–182 mit der These: „By withstanding the coming ‘great tribulation’ (Rev 7:14), Christians in Asia Minor will demonstrate the authenticity of their standing as Jesus’ followers and thereby be saved. This, in a nutshell, is the valuation of suffering argued by the author of Revelation: an anticipated worsening of a perceived crisis will reveal the commitment and resolve of Jesus’ true followers. … I argue that in Revelation John offers a corroboration of believer’s standing if they will remain faithful during the imminently anticipated great tribulation.“ 65 Die Sendschreiben beschreiben ein viel differenzierteres Bild von der Gemeindesituation mit lediglich einem einzigen namentlich genannten Märtyrer (Apk 2,13). Dagegen zeichnet der im Wesentlichen dualistisch geprägte Visionscorpus ein universales Konflikt- und Verfolgungsszenario. Das Problem wird zum Teil durch Schichtungsmodelle gelöst, die eine zeitliche Entwicklung implizieren und damit jeweils veränderte Situationen bzw. Wahrnehmungshorizonte voraussetzen können, wobei die Sendschreiben in der Regel der Endredaktion zugerechnet werden, vgl. A UNE, Revelation (s. Anm. 2), cxx–cxxxiv; PRIGENT , Apocalypse (s. Anm. 2), 149–154; SATAKE, Offenbarung (s. Anm. 2), 67–73. Ein anderes, synchron orientiertes Lösungsmodell bietet U LLAND, Vision (s. Anm. 59), der das Verhältnis zwischen Sendschreiben und Visionscorpus unter dem Aspekt der „Radikalisierung“ interpretiert und vom „vervielfachten Antipas“ im Visionscorpus (163) spricht. 66 Vgl. HEINZE, Johannesapokalypse (s. Anm. 9), 228, wonach die Möglichkeit zu erwägen sei, „daß der Verfasser zu der Erwartung einer ‚großen Verfolgung‘ durch die Ereignisse und das Verhalten der staatlichen Behörden gegenüber den Christen zu seiner Zeit herausgefordert oder zumindest veranlaßt wurde.“
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spektive, die der Verfasser für seine Ermahnungsrhetorik im Blick auf die Adressaten umfassend aktiviert.67 Andere Ansätze kommen dagegen nahezu ganz ohne die Annahme einer real existierenden Krisensituation aus. Nach A. Yarbro Collins ist das Gefährdungsszenario in der Johannesapokalypse Ausdruck einer „perceived crisis“, einer nur subjektiv empfundenen, bestenfalls durch Ausgrenzungserfahrungen hervorgerufenen Krise,68 und nach L. L. Thompson lebten die Christen größenteils gar in tiefem Frieden mit dem heidnischen Umfeld (der „cognitive majority“),69 gegen die der Apokalyptiker seine kritische, antiimperiale Stimme als Vertreter einer „cognitive minority“ erhebt70 und eben dadurch eine Krise erzeugen will.71 67
Als scharfsinniger „social analyst“ der eigenen Gegenwart (Apk 2–3) sieht der Verfasser der Offenbarung nach DESILVA, Social Setting (s. Anm. 56), 273–302, eine drohende Krise heraufkommen (Apk 13), die er im apokalyptischen Corpus narrativ entfaltet (vgl. auch DERS., Seeing Things [s. Anm. 60], 84, mit dem Stichwort „narrating the future“) und die er für seine Paränese fruchtbar macht; vgl. auch D ERS., Revelation to John: A Case Study (s. Anm. 60), 375–395; ähnlich argumentiert auch I. SMITH, A Rational Choice Model of the Book of Revelation, JSNT 85 (2002) 97–116; Vgl. auch K ELHOFFER, Persecution (s. Anm. 32), 143: „The Revelation of John, then, becomes a prime example of claiming persecution for the service of exhorting believers and corroborating their standing.“ 68 Vgl. A. YARBRO COLLINS, Crisis and Catharsis: The Power of the Apocalypse, Philadelphia 1984, 84–110. 69 THOMPSON, Revelation (s. Anm. 53), 95.132.193–197 („For the most part, however, Christians lived peacefully with their neighbors in the Roman political order“ [172]; „We can rule out any portrait of Asian Christians as beleaguered, oppressed minority living as separatists in an isolated ghetto. Christians, for the most part, lived alongside their non-Christian neighbors, sharing peacefully in urban Asian life. There is not even much evidence in the Book of Revelation itself for persistent hostilities towards Christians by Roman officials or non-Christian neighbors.“ [191]) 70 THOMPSON, Revelation (s. Anm. 53), 174–197 („John and his audience can, however, be located in Roman society as a group of people who understand themselves as a minority that continuously encounters and attacks the large Christian community and the even larger Roman social order.“[195]; „When compared to that public knowledge generally taken for granted in the Roman social order, the revealed knowledge of the Book of Revelation is a deviation from, and a censure of, that public order. As censure of the public order its author can be compared to philosophical aristocrats and to magicians, diviners, astrologers, and prophets who disturbed ‘the public mind’ through private transmission of values and ideals that went against the order of the empire.“ [192]). Die in der Apokalypse gezeichneten Schreckensszenarien gehen nicht auf Erlebtes zurück, vielmehr sind diese als literarische Topoi zu verstehen („There is a crisis orientation in the Book of Revelation, but it is a characteristic of the genre, not of political circumstances occasioning the genre; that is, the formulation of ‘crisis situations’ is a topos, a commonplace topic, in the genre ‘apocalypse.’“ [175]) Der Ansatz von L. L. Thompson wird von J.-W. TAEGER, Eine fulminante Streitschrift. Bemerkungen zur Apokalypse des Johannes, in: ders., Johanneische Perspektiven (s. Ann. 1), 105–120, fortgeführt. Danach muss der Apokalyptiker einigen seiner Adressaten erst die Augen dafür öffnen, dass es
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So erweist sich Frage nach dem Wirklichkeitsbezug und der Intention der Johannesapokalypse als ein sehr komplexer und schwieriger Forschungsbereich, die nur höchst differenziert beantwortet werden kann.72 Als Minimalkonsens lässt sich mit K. Backhaus folgende Werkabsicht vermuten: „Der Seher plädiert für einen theozentrischen Identitätsentwurf des Christentums, der für ihn eine Integrationsverweigerung gegenüber der (reichsrömischkleinasiatischen) Welt einschließt. Alle anderen Zwecksetzungen, die man seinem Werk entnimmt – (rebellischer) Trost, Ermutigung zum Durchhalten, Warnung vor dem Kaiserkult – sind diesem Zweck zugeordnet.“73 In der Regel wird die Johannesapokalypse einem gottesdienstlichen Sitz im Leben zugewiesen (Apk 1,3),74 möglicherweise im Rahmen einer Mahlfeier75 und/oder einer Gemeindeversammlung mit geisterfüllten Propheten.76 Liturgische Elemente, hymnische Stücke und kultische Motive77 insich bei „dem weltlichen Wertesystem überhaupt um die ‚Klauen‘ einer widergöttlichen Bestie handelt“ (117), vgl. auch DERS., Begründetes Schweigen (s. Anm. 61), 121–138, wonach der Autor mit seinem Werk eine „Aufklärungsstrategie“ (134) verfolgt. Vgl. auch DESILVA, Seeing Things (s. Anm. 60), 6–8.69–72.93–116. 71 THOMPSON, Revelation (s. Anm. 53), 167: „The writer of the Book of Revelation may urge his readers to see conflicts in their urban setting and to think of Roman society as ‘the enemy’, but those conflicts do not reside in Asia social structures. The urban in which Christians worshipped and lived was stable and beneficial to all who participated in its social and economic institutions.“ 72 Vgl. N. P. FRIEDRICH, Adapt or Resist? A Socio-Political Reading of Revelation 2.18–29, JSNT 25 (2002) 185–211; FRIESEN, Satan’s Throne (s. Anm. 63), 351–373; H. THEUNISSEN, Defining the Situation in Revelation: John’s Intention and Action-Lines, HTS 61 (2005) 441–460; BACKHAUS, Vision (s. Anm. 10), 18–24. 73 BACKHAUS, Vision (s. Anm. 10), 26. 74 Vgl. THOMPSON, Revelation (s. Anm. 53), 72f.; AUNE, Revelation 1 (s. Anm. 2), lxxii.10f.19–21; U. VANNI, Liturgical Dialogue as a Literary Form in the Book of Revelation, NTS 37 (1991) 348–372; O. K. PETERS, The Mandate of the Church in the Apocalypse of John, New York, Studies in Biblical Literature, 77, New York 2005, 43–75; 75 Vgl. KARRER, Brief (s. Anm. 61), 249–256; P RIGENT , Apocalypse (s. Anm. 2), 634f.650–653; J. C. SALZMANN, Lehren und Ermahnen. Zur Geschichte des urchristlichen Wortgottesdienstes in den ersten drei Jahrhunderten, WUNT II/2 59, Tübingen 1994, 115f.; eingehend jüngst H. J. STEIN, Frühchristliche Mahlfeiern. Ihre Gestalt und Bedeutung nach der neutestamentlichen Briefliteratur und der Johannesoffenbarung, WUNT II/2 255, Tübingen 2008, 240–327. Kritisch äußert sich T AEGER, Johannesapokalypse (s. Anm. 12), 50–54. 76 Vgl. U. B. M ÜLLER, Die Offenbarung des Johannes, ÖTBK 19, Gütersloh 1984, 367; H. ROOSE, „Das Zeugnis Jesu“. Seine Bedeutung für die Christologie, Echatologie und Prophetie in der Offenbarung des Johannes, TANZ 32, Tübingen/Basel 2000, 157; G. BIGUZZI, The Chaos of Rev 22,6–21 and Prophecy in Asia, Bib 83 (2002) 193–210; vgl. jetzt die Studie von KOWALSKI, Prophetie (s. Anm. 40), bes. 283, zu Apk 22,6–21. 77 Zu einigen neueren Arbeiten zu liturgischen und kultischen Motiven vgl. A. SPATAFORA, From the “Temple of God” to God as the Temple: A Biblical Theological Study of the Temple in the Book of Revelation, TGST 27, Rome 1997; G. SCHIMANOWS-
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nerhalb des Werkes implizieren aber weniger eine zu destillierende urchristliche oder ursprünglich jüdische Gottesdienststruktur,78 vielmehr dienen diese in der Johannesapokalypse ad hoc kombinierten Elemente und Motive der Konstruktion einer symbolischen Sinnwelt kultischer Präferenz79 mit performativer Kraft80 und einem rhetorisch-kritischen Potenzial.81 KI,
Die himmlische Liturgie in der Apokalypse des Johannes, WUNT II 154, Tübingen 2002; BRIGGS, Temple (s. Anm. 30); J. BEN-DANIEL / G. BEN-DANIEL, The Apocalypse in the Light of the Temple: A New Approach to the Book of Revelation. Beit Yochanan 2003; TH. KNÖPPLER, Das Blut des Lammes. Zur soteriologischen Relevanz des Todes Jesu nach der Johannesapokalypse, in: J. Frey u.a. (Hg.), Deutungen des Todes Jesu im Neuen Testament, WUNT 181, Tübingen 2005, 477–511; F. TÓTH, Der himmlische Kult. Wirklichkeitskonstruktion und Sinnbildung in der Johannesoffenbarung, ABG 22, Leipzig 2006; DERS., Das Gebet der Heiligen. Gebet, Räucherwerk und Räucherkult in der Johannesapokalypse vor dem Hintergrund biblischer und frühjüdischer Traditionen, in: H. Klein u.a. (Hg.), Das Gebet im Neuen Testament. Vierte europäische orthodoxwestliche Exegetenkonferenz in Sâmbă de Sus 4.–8. August 2007, WUNT 249, Tübingen 2009, 249–311. 78 So noch die Positionen der älteren Forschung, vgl. die Forschungsübersicht bei TÓTH, Kult (s. Anm. 77), 34–39; vgl. ferner zur älteren Lit. und einer ausgewogenen Diskussion J.-P. RUIZ, Betwixt and Between on the Lord’s Day: Liturgy and the Apocalypse, in: Barr, Reality (s. Ann. 39), 221–241 (222 Anm. 5). 79 Vgl. – in Aufnahme von wissenssoziologischen, geschichtstheoretischen und konstruktivistischen Aspekten – TÓTH, Kult (s. Anm. 77), und die programmatischen Eröffnungssätze von U. SCHNELLE, Theologie des Neuen Testaments, UTB 2917, Göttingen 2007, 712f., zur Theologie der Johannesoffenbarung: „Für den antiken Menschen ist der rituell geordnete Kultvollzug eine Grundbestimmung seiner Religiosität, somit auch ein zentrales Element seiner Lebens- und Weltkonstruktion. Auf dieser Basis entwickelt die Johannesoffenbarung eine beeindruckende Sakralarchitektur, die als himmlische Kultwirklichkeit im Rahmen einer apokalyptisch stilisierten Geschichtsschau die irdischen Geschehnisse und Widerfahrnisse neu deutet und verstehbar macht.“ 80 Vgl. AUNE, The Apocalypse of John and the Problem of Genre, in: ders., Apocalypticism (s. Anm. 15), 64, mit folgender Definition der Intention apokalyptischer Literatur: „to replicate the original revelatory experience in a literary, rather than a ritual or spatial, idiom, thereby maximizing the participation of the audience in the performance of the Apocalypse within the framework of public performance, possibly within framework of worship.“ Ähnlich auch THOMPSON, Revelation (s. Anm. 53), 72f.: „The Book of Revelation itself engages the worshipping community. Reading and listening to the Book of Revelation are themselves liturgical acts in the worship life of Christians in western Asia Minor … The chain of revelation is complete when the Book of Revelation is read in Christian services of worship; that is, the book itself becomes liturgical material for the churches of western Asia Minor … Worship, then, becomes a context that integrally relates the visions in Revelation with John’s original revelatory experience and the representation of John’s experience in the life of the worshipping community.“ Vgl. auch BACKHAUS, Vision (s. Anm. 10), 39.43: „Das Buch handelt nicht nur vom geöffneten Himmel, es öffnet ihn für das durch die Lektüre umgewandelte Individuum (vgl. 3,20)! … Der himmlische Kult strahlt im ‚hymnischen Evangelium‘ selbst in die Gemeinde hinein. … Das Buch der Offenbarung wird zum ‚Rollenbuch‘ im kultischen Drama des göttlichen Thronsaals. … In Auseinandersetzung mit dem Buch des Sehers sollen die
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(B) Die Intertextualitätsforschung zur Johannesapokalypse erfuhr seit den sechziger Jahren82 ein stetig wachsendes Interesse und ist gegenwärtig einer der prosperierendsten Forschungszweige der Apokalypseforschung.83 Leser/Hörer selbst zu Sehern werden.“ Vgl. auch P. A. DE S. NOGUEIRA, Celestial Worship and Ecstatic-Visionary Experience, JSNT 25 (2002) 165–184. 81 Vgl. S CHÜSSLER-FIORENZA, Offenbarung (s. Anm. 21), 126: „Obwohl die prophetische Rhetorik der Offenbarung voll von kultischer Sprache und Bildern ist, sind ihr sozialer Ort und theologisches Ziel nicht liturgisch, sondern politisch. Gottesdienst und Lobpreis dienen politischen Zielen und ethischen Entscheidungen. Die prophetischapokalyptische Rhetorik des Johannes verwendet konventionelles kultisches Vokabular (wie Tempel, Altar, Priester, Bekleidungsstücke, Weihrauch, Trankopfer, Schalen und Leuchter), liturgische Zusammenhänge, doxologische Formeln, hymnische Kompositionen und priesterlich-biblische Sprache nicht, um die HörerInnen zur Teilnahme an der täglichen oder wöchentlichen Liturgie zu bewegen. Vielmehr gebraucht sie diese kultische Sprache aus der griechisch-römischen bzw. Israels Kultpraxis, um die HörerInnen zum politischen Widerstand zu bewegen.“ Ausgewogener argumentiert DESILVA, Seeing Things (s. Anm. 60), 72 Anm. 20: „John may well seek to influence Christian liturgy, energize participation, and make of the experience of worship a continual reinforcement of the ideological distance from Roman imperial ideology that will reinforce the ‘political resistance’ he nurtures and that indeed will foster long-term critique and witness.“ 82 Zu den älteren Beiträgen zur Intertextualität vgl. B EALE, Revelation (s. Anm. 2), 76f.; S. BØE, Gog and Magog: Ezekiel 38–39 as Pre-Text for Revelation 19,17–21 and 20,7–10, WUNT II/2 135, Tübingen 2001, 7–13. 83 An neueren Arbeiten sind zu nennen: J. FEKKES, His Bridge Has Prepared. Revelation 19–21 and Isaiah Nuptial, JBL 109 (1990) 269–287; T. E. M CCOMISKEY, Alteration of OT Imagery in the Book of Revelation: Its Hermeneutical and Theological Significance, JETS 36 (1993) 307–316; FEKKES, Isaiah (s. Anm. 14); S. MOYISE, The Old Testament in the Book of Revelation, JSNT.S 115, Sheffield 1995; J. VAN RUITEN, Der alttestamentliche Hintergrund von Apocalypse 6:12–17, EstB 53 (1995) 239–260; H. HÜBNER, Biblische Theologie des Neuen Testaments, Bd. 3: Hebräerbrief, Evangelien und Offenbarung. Epilegomena, Göttingen 1995, 206–215; J. PAULIEN, The Book of Revelation and the Old Testament, BR 43 (1998) 61–69; G. K. BEALE, John’s Use of the Old Testament in Revelation, JSNT.S 166, Sheffield, 1998; D ERS., Solecisms (s. Anm. 24), 421–446; DERS., Revelation (s. Anm. 2), 76–99; P. B. DECOCK, The Scripture in the Book of Revelation, Neot. 33 (1999) 373–410; S. MOYISE, The Language of the Old Testament in the Apocalypse, JSNT 76 (1999) 97–113; DERS., The Old Testament in the New: A Reply to Greg Beale, IBSt 21 (1999) 54–58; DERS., Authorial Intention and the Book of Revelation, AUSS 39 (2001) 35–40; DERS., Seeing the Old Testament Through a Lens, IBS 23 (2001) 36–42; DERS. (Hg.), Studies in the Book of Revelation, Edinburgh 2001; I. PAUL, The Use of the Old Testament in Revelation 12, in: S. Moyise (Hg.), The Old Testament in the New Testament (FS J. L. North), JSNT.S 189, Sheffield 2000, 256– 276; BØE, Gog (s. Anm. 82); J. PAULIEN, Criteria and the Assessment of Allusions to the Old Testament in the Book of Revelation, in: Moyise, Studies (a.a.O.), 113–129; D ERS., Dreading the Whirlwind: Intertextuality and the Use of the Old Testament in Revelation, AUSS 39 (2001) 5–22; D. A. DESILVA, Rhetorical Function of Intertexture in Revelation 14:14–16:21, in: D. F. Watson (Hg.), The Intertexture of Apocalyptic Discourse in the New Testament, Atlanta, GA 2002, 215–241; S. MOYISE, Does the Author of Revelation Misappropriate the Scriptures?, AUSS 40 (2002), 2–21; D. MATHEWSON, Assessing Old
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Im Vordergrund des Diskurses standen zunächst bestimmte Fragestellungen und – z.T. freilich wenig überzeugende – Alternativsetzungen:84 Welche Kriterien sind zur Erhebung von atl. Anspielungen anzuwenden?85 Berücksichtigt der Verfasser der Apokalypse Kontext und Intention der atl. Prätexte oder geht er mit den Prätexten völlig kreativ um?86 Hat der VerTestament Allusions in the Book of Revelation, EQ 75,4 (2003) 311–325; D ERS., A New Heaven and a New Earth: The Meaning and Function of the Old Testament in Revelation 21:1–22:5, JSNT.S 238, Sheffield 2003; KOWALSKI, Rezeption (s. Anm. 26); D. SÄNGER (Hg.), Das Ezechielbuch in der Johannesoffenbarung. Mit Beiträgen von M. Bachmann, B. Ego, T. Hieke und M. Karrer, BThS 76, Neukrichen-Vlyn 2004; S. MOYISE, The Psalms in the Book of Revelation, in: ders. / M. J. J. Menken (Hg.), The Psalms in the New Testament: The New New Testament and the Scriptures of Israel, London 2004, 231–246; DERS., Singing the Song of Moses and the Lamb: John’s Dialogical Use of Scripture, AUSS 42 (2004) 347–360; R. M. ROYALTY, Don’t Touch This Book!: Revelation 22:18–19 and the Rhetoric of Reading (in) the Apocalypse of John, Bibl.Interpr. 12 (2004) 282–299; M. J AUHIAINEN, The Use of Zechariah in Revelation, WUNT II/2 199, Tübingen 2005; M. TILLY, Textsicherung und Prophetie. Beobachtungen zur SeptuagintaRezeption in Apk 22,18f, in: Horn/Wolter, Studien (s. Ann. 17), 232–247; I. K. BOXALL, Exile, Prophet, Visionary: Ezekiel’s Influence on the Book of Revelation, in: H. J. de Jonge / J. Tromp (Hg.), The Book of Ezekiel and its Influence, Aldershot u.a. 2007, 147– 164: G. K. BEALE / S. M. MCDONOUGH, Revelation, in: ders. / D. A. Carson (Hg.), Commentary on the New Testament Use of the Old Testament, Grand Rapids, MI 2007, 1081–1162; M. TILLY, Deuteronomy in Revelation, in: S. Moyise / M. J. J. Menken (Hg.), Deuteronomy in New Testament. The New Testament and the Scripture of Israel, LNTS 358, London 2007, 169–188; M. LABAHN, „Geschrieben in diesem Buch“. Die „Anspielungen“ der Johannesapokalypse im Spannungsfeld zwischen den Referenztexten und der handschriftlichen Überlieferung in den großen Bibelhandschriften, in: M. Karrer / S. Kreuzer / M. Sigismund (Hg.), Von der Septuaginta zum Neuen Testament. Textgeschichtliche Erörterungen, ANTT 43, Berlin/New York 2010, 339–384; D ERS., Die Macht des Gedächtnisses. Überlegungen zur Möglichkeit und Grenzen des Einflusses hebräischer Texttraditionen auf die Johannesapokalypse, in: Karrer, Septuaginta (a.a.O.), 385–416. 84 Vgl. die jüngste Forschungsübersicht bei P. T. P ENLEY, The Common Tradition Behind Synoptic Sayings of Judgment and John’s Apocalypse. An Oral Interpretative Tradition of OT Prophetic Material, LNTS 424, London/New York 2010, 38–61. 85 Vgl. die Zusammenfassung der Forschungstendenzen bei M ATHEWSON, Assessing (s. Anm. 83) und die ausgewogene Diskussion bei LABAHN, „Geschrieben in diesem Buch“ (s. Anm. 83), 339–384, bes. 353–357. 86 Der Diskurs wurde im Wesentlichen geprägt von Forschern wie G. K. Beale, J. Paulien, J. Fekkes und S. Moyise, vgl. zum Forschungsdiskurs BØE, Gog (s. Anm. 82), 5–14; BEALE, Revelation (s. Anm. 2), 79–99; vgl. ferner die Beiträge in AUSS 39 (2001) und den lebhaften Dialog zwischen S. MOYISE , The Old Testament in the New: A Reply to Greg Beale, IBSt 21 (1999), 54–58; DERS., The Use of Analogy in Biblical Studies, Anvil 18,1 (2001) 33–42; DERS., Respect for Context Once More, IBSt 27 (2006) 24–31, und G. BEALE, Questions of Authorial Intent, Epistemology, and Presuppositions and Their Bearing on the Study of the Old Testament in the New: A Rejoinder to Steve Moyise, IBSt 21 (1999) 151–180.
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fasser eher den hebräischen Text oder die LXX bzw. jüngere Textrezensionen benutzt?87 Neuere Arbeiten zur Intertextualität der Johannesapokalypse greifen zwar diese Fragestellungen auf, stecken aber den Diskursrahmen nun viel weiter ab. So ist die allgemeine Frage nach der Textrezeption zu ergänzen bzw. zu konkretisieren durch die Frage nach den möglichen zugrunde liegenden Textversionen,88 wobei sich die Tendenz abzeichnet, der griechischen Texttradition wieder einen primären Einfluss auf die Johannesapokalypse einzuräumen.89 Darüber hinaus werden bislang wenig berücksichtigte Aspekte in die Intertextualitäsdebatte eingebracht: das kreative Gedächtnis des Verfassers im Rezeptionsprozess,90 die rhetorische Funktion von Intertextualität91 und die mündliche (wie auch schriftliche) Vermittlung von frühjüdischen und urchristlichen Überlieferungen im Rahmen jüngerer Studien zur Oralität.92 Dieser Breite an Rezeptionsmöglichkeiten entspricht auch die Erkenntnis, dass neben den atl., frühjüdischen93 und urchristlichen94 Traditions- und 87 Vgl. die Bündelung der Diskussion bei LABAHN, Macht des Gedächtnisses (s. Anm. 83), 385–416. 88 Vgl. die instruktive Untersuchung von M. KARRER, Von der Apokalypse zu Ezechiel. Der Ezechieltext der Apokalypse, in: Sänger, Ezechielbuch (s. Anm. 83), 84–120 (85): „Der Frage, in welchem Umfang die Apk das Ezechielbuch benützt, tritt die Frage hinzu, auf welche Fassung des Textes und welches Stadium der Textentwicklung sie sich bezieht.“ Vgl. auch LABAHN, Macht des Gedächtnisses (s. Anm. 83), 386f. 89 Vgl. BEALE, Solecisms (s. Anm. 24), 421–443; KARRER, Apokalypse (s. Anm. 88), 100f.; TILLY, Textsicherung (s. Anm. 83), 232; DERS., Deuteronomy (s. Anm. 83), 169f.; LABAHN, Macht des Gedächtnisses (s. Anm. 83), 387; DERS., Geschrieben in diesem Buch (s. Anm. 83), 374. 90 Vgl. eingehend LABAHN, Macht des Gedächtnisses (s. Anm. 83), 412: „Der Hinweis auf das Gedächtnis des Textproduzenten erspart die Annahme extensiver Rezeptionen schriftlicher Quellen und damit die Verwendung verschiedenster Schriftrollen. Das kreative Gedächtnis ersetzt vielmehr die Annahme direkter textlicher Einflüsse und literarischer Abhängigkeiten.“ DERS, Septuaginta (s. Anm. 83); ähnlich bereits L. A. VOS, The Synoptic Tradition in the Apocalypse, Kampen 1965, 22. 91 Vgl. DES ILVA, Rhetorical Functions (s. Anm. 83), 215–243. 92 Vgl. jetzt P ENLEY, Common Tradition (s. Anm. 84); vgl. auch D ECOCK, Scripture (s. Anm. 83), 398. Zu Studien der Oralität vgl. W. ONG, Orality and Literacy. The Technologizing of the Word, London 1982; J. GOODY, The Interface between the Written and the Oral, Cambridge, MA 1987; P. J. ACHTEMEIER, Omne Verbum Sonat. The New Testament and the Oral Environment of Late Western Antiquity, JBL 109 (1990) 3–27; K. E. BAILEY, Informal Controlled Oral Tradition and the Synoptic Gospels, AJT 51 (1991) 34–54; L. HONKO, Text as Process and Practice: The Textualization of Oral Epics, in: ders. (Hg.), Textualization of Oral Epics, Berlin 2000, 1–54; T. C. MOURNET , Oral Tradition and Literary Dependency: Variability and Stability in the Synoptic Tradition and Q, WUNT 195, Tübingen 2005. 93 Zu jüdischen Traditionselementen in der Johannesoffenbarung vgl. M. W ILCOX, Tradition and Redaction of Rev 21,9–22,5, in: J. Lambrecht (Hg.), L’Apocalypse johan-
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Überlieferungseinflüssen auch mit der Rezeption von paganen, hellenistisch-römischen95 Motivelementen und Vorstellungen zu rechnen ist.96
nique et l’Apocalyptique dans le Nouveau Testament, BEThL 53, Paris-Gembloux/Leuven 1980, 205–215; DECOCK, Scripture (s. Anm. 83), 383; S. GORANSON, Essene Polemic in the Apocalypse of John, in: M. Bernstein / F. García Martínez / J. Kampen (Hg.), Legal Texts and Legal Issues: Proceedings of the Second Meeting of the International Organization for Qumran Studies, Cambridge, 1995, (FS J. M. Baumgarten) Leiden 1997, 453–460; D. E. AUNE, Johannes-Apokalypse (s. Anm. 1), Sp. 546; P. W. FLINT , The Dead Sea Scrolls and the Book of Revelation, in: J. C. VanderKam / P. W. Flint (Hg.), The Meaning of the Dead Sea Scrolls: Their Significance for Understanding the Bible, Judaism, Jesus, and Christianity, San Francisco 2002, 362; PRIGENT , Apocalypse (s. Anm. 2), 22–36; K. ATKINSON, Anti-Roman Polemics in the Dead Sea Scrolls and Related Literature: Their Later Use in the Apocalypse, QumChr 12,2–4 (2004) 109–122; D. E. AUNE, The Apocalypse of John and Palestinian Jewish Apocalyptic, in: ders., Apocalypticism (s. Anm. 15), 175–189; DERS., Qumran and the Book of Revelation, in: ders., Apocalypticism (s. Anm. 15), 79–98; L. L. J OHNS, The Dead Sea Scrolls and the Apocalypse of John, in: J. H. Charlesworth (Hg.), The Bible and the Dead Sea Scrolls, Bd. 3: The Scrolls and Christian Origins. The Second Princeton Symposium on Judaism and Christian Origins, Waco, TX 2006, 254–279. 94 Zu Rezeptionen von christlichen Traditionen in der Johannesapokalypse vgl. J. ROLOFF, „Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an“. Beobachtungen zur Überlieferungsgeschichte von Apk 3,20, in: H. Frankemölle / K. Kertelge (Hg.), Vom Urchristentum zu Jesus (FS J. Gnilka), Freiburg u.a. 1989, 452–466; BAUCKHAM, Climax (s. Anm. 15), 92–117; FEKKES, Isaiah (s. Anm. 14), 269.272; DECOCK, Scripture (s. Anm. 83), 392f.; VOS, Synoptic Traditions (s. Anm. 90), 157–163; M. KARRER, Die Apokalypse und das Aposteldekret, in: W. Kraus (Hg.), Beiträge zur urchristlichen Theologiegeschichte, Berlin 2009, 429–452; umfassend P ENLEY, Common Tradition (s. Anm. 84), 62–170. 95 Vgl. P. BARNETT , Polemical Parallelism: Some Further Reflections on the Apocalypse, JSNT 35 (1989) 111–120; D. E. AUNE, The Apocalypse of John and GraecoRoman Revelatory Magic, in: ders., Apocalypticism (s. Anm. 15), 347–367; R. MORTON, Glory to God and to the Lamb: John’s Use of Jewish and Hellenistic / Roman Themes in Formatting His Theology in Revelation 4–5, JSNT 83 (2001) 89–109; M. FRENSCHKOWSKI, Die Entrückung der zwei Zeugen zum Himmel (Apk 11,11–14), in: M. Ebner u.a. (Hg.), Der Himmel, JBTh 10, Neukirchen-Vluyn 2005, 261–290; B. A. PASCHKE, Die damnatio und consecratio der zwei Zeugen (Offb 11), Bib. 89 (2008) 555–575; D. SEAL, Shouting in the Apocalypse: The Influence of First-Century Acclamations on the Prais Utterances in Revelation 4:8 and 11, JETS 51,2 (2008) 339–352; D. F. TAYLOR, The Monetary Crisis in Revelation 13:17 and the Provenance of the Book of Revelation, CBQ 71 (2009) 580–596; T. WITULSKI, Implizite Polemik durch Parallelisierung. Der ἄλλος ἄγγελος ἰσχυρός (Apk 10,1f.5), der Gott Helios und der Koloss von Rhodos, in: O. Wischmeyer / L. Scornaienchi (Hg.), Polemik in der frühchristlichen Literatur. Texte und Kontexte, BZNW 170, Berlin/New York 2011, 543–575; vgl. aber auch die kritische Diskussion bei PRIGENT, Apocalypse (s. Anm. 2), 59–68. 96 Einige Monografien führen daher ihre motiv-, traditions- und religionsgeschichtlichen Untersuchungen zur Johannesapokalypse programmatisch unter Einbeziehung verschiedener Kulturtkreise durch, vgl. TÓTH, Kult (s. Anm. 77); G. STEVENSON, Power and
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3 Textorientierte Fragestellungen Zu den textorientierten Fragestellungen gehören vorwiegend Fragen zur kompositorischen Form und zum Aufbau der Schrift (also makro- und mikrostrukturelle Analysen) sowie narrative Textanalysen und Untersuchungsschwerpunkte zu besonderen Theologumena der Johannesapokalypse. Die in der älteren Kompositionskritik entwickelten zahlreichen makrostrukturellen Entwürfe (so insbesondere diverse Formen von Makrochiasmen,97 ferner liturgische bzw. festzeitliche,98 dramaturgische,99 inkludierende,100 numerische101 und am Mythos102 orientierte Modelle – um nur einige zu nennen103) führten nicht zu einer allgemein akzeptierten struktuPlace. Temple and Identity in the Book of Revelation, BZNW 107, Berlin/New York 2001. 97 Vgl. K. A. S TRAND, Interpreting the Book of Revelation: Hermeneutical Guidelines with a Brief Introduction to Literary Analysis, Worthington, OH 1976; D ERS., Chiastic Structure and Some Motifs in the Book of Revelation, AUSS 16 (1978) 401–408; J. W. WELCH, Chiasmus in Antiquity: Structures, Analysis, Exegesis, Hildesheim 1981; W. H. SHEA, Revelation 5 and 19 as Literary Reciprocals, AUSS 22 (1984) 248–257; SCHÜSSLER FIORENZA, Offenbarung (s. Anm. 21), 55–58; B. W. SNYDER, Combat Myth in the Apocalypse: The Liturgy of the Day of the Lord and the Dedication of the Heavenly Temple, Diss. Graduate Theological Union and University of California, Berkeley 1991, 84. Zuletzt A. K. W. SIEW, The War between the Two Beasts and the Two Witnesses: A Chiastic Reading of Revelation 11.1–14.5, LNTS 283, London 2005. 98 Vgl. M. H. S HEPHERD JR., The Paschal Liturgy and the Apocalypse, Ecumenical Studies in Worship 6, Richmond, VA 1960; O. PIPER, The Apocalypse of St. John and the Liturgy of the Ancient Church, Church History 20 (1951) 10–22; M. D. GOULDER, The Apocalypse as an Annual Cycle of Prophecies, NTS 27 (1981) 342–367; J. PESCHEK, Geheime Offenbarung und Tempeldienst. Eine Darstellung des Aufbaus der Apokalypse des heiligen Apostels Johannes samt Text und Erklärung, Paderborn 1929; J. PAULIEN, The Role of the Hebrew Cultus, Sanctuary, and Temple in the Plot and Structure of the Book Revelation, AUSS 33 (1995) 245–264. 99 Vgl. J. W. BOWMAN, The First Christian Drama: The Book of Revelation, Philadelphia 1955; DERS., The Revelation of John: Its Dramatic Structure and Message, Interp. 9 (1955) 436–453; J. L. BLEVINS, The Genre of Revelation, RE 77 (1980) 393–408; vgl. jüngst auch F. A. MURPHY, The Comedy of Revelation. Paradise Lost and Regained in Biblical Narrative, Edinburgh 2000, 212–226 und S MALLEY, Revelation (s. Anm. 8), 109–112. 100 Vgl. J. LAMBRECHT , A Structuration of Revelation 4,1–22,5, in: ders., L’Apocalypse (s. Anm. 93), 77–104 101 Vgl. E. LOHMEYER, Die Offenbarung des Johannes, HNT 16, Tübingen 1970; vgl. bereits A. M. FARRER, A Rebirth of Images. The Making of St. John’s Apocalypse, Westminster 1949, 36–58. 102 Vgl. A. Y. COLLINS, The Combat Myth in the Book of Revelation, Missoula, MT 1976; DIES., Crisis (s. Anm. 68), 111–116. 103 Vgl. die Forschungsberichte zu den makrostrukturellen Entwürfen bei U. VANNI, La Struttura Letteraria dell’ Apocalisse, Aloi 8, Roma 1971, 19–115; LAMBRECHT , Struc-
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rellen Gesamtkomposition, so dass die Kommentarliteratur ganz auf Makrostrukturen verzichtet und lediglich Gliederungsvorschläge bietet.104 Trotz der oft gepriesenen „überragenden künstlerischen Komposition“,105 einem „bis ins kleinste durchdachten Aufbau“,106 der darauf schließen ließe, dass die Johannesapokalypse „one of the most unified works in the New Testament“107 sei, ist es bislang doch nicht gelungen, eine plausible einheitliche Gesamtstruktur des Werkes zu rekonstruieren. Die jüngst von David A. deSilva108 geäußerte scharfe Kritik an diversen chiastischen Makromodellen zeigt exemplarisch die Schwächen solcher Versuche auf und lässt zugleich vermuten, dass die Johannesapokalypse ein aus Schriftallusionen sowie aus heterogenen Traditions- und Überlieferungsstoffen gesättigtes und wohl auch editorisch gewachsenes komplexes Kunstwerk mit mehrschichtigen Strukturelementen ist.109
turation (s. Anm. 100), 77–104; F. D. MAZZAFERI, The Genre of the Book of Revelation from a Source-Critical Perspective, BZNW 54, Berlin/New York 1989, 331–363.395f.; SNYDER, Combat Myth (s. Anm. 97), 44–99; J. A. MCLEAN, The Seventieth Week of Daniel 9:27 as a Literary Key for Understanding the Structure of the Apocalypse of John, Mellen Biblical Press Series 38, Lewiston, NY 1996, 259–303; zuletzt R. S. MORTON, One Upon the Throne and the Lamb: A Tradition Historical/Theological Analysis of Revelation 4–5, Studies in Biblical Literature 110, New York 2007, 39–67. 104 So z.B. die Kommentare von Aune, Holtz, Satake, Mounce, Prigent, Giesen (s. Anm. 2); vgl. aber den auf danielische Anspielungen aufruhenden Strukturvorschlag von BEALE, Revelation (s. Anm. 2), 136. 105 H. LILJE, Das letzte Buch der Bibel. Eine Einführung in die Offenbarung des Johannes, Hamburg 71961, 38. 106 J. BEHM, Die Offenbarung des Johannes, NTD 11, Göttingen 7 1956, 4. 107 BAUCKHAM, Climax (s. Anm. 15), 1 Anm. 1. 108 Vgl. D. A. DES ILVA, X Marks the Spot? A Critique of the Use of Chiasmus in Macro-Structural Analysis of Revelation, JSNT 30,3 (2008) 343–371 (367): „If there are indeed that many possibilities for discerning parallel sections on the basis of the same data, perhaps there is indeed no underlying chiastic pattern at all.“ 109 Vgl. bereits H. KRAFT , Die Offenbarung des Johannes, HNT 16a, Tübingen 1974, 14: „Aus dem Gesagten geht hervor, daß es nicht möglich ist, die Apokalypse als strikte Durchführung eines einheitlichen Entwurfs zu verstehen. Natürlich ist immer eine Aufspaltung des Buches in sieben mal sieben Visionen oder in eine andere runde Zahl möglich, aber das Ganze ist doch übersichtlich genug, um zu zeigen, daß ein geometrischer Bauplan nicht vom Verfasser beabsichtigt war, sondern daß ihm der Stoff unter den Händen gewachsen ist. Hier war ein Künstler am Werk, der aus überliefertem Material, an die Tradition gebunden, doch in künstlerischer Freiheit, gestaltet hat.“ So auch vorsichtig BACKHAUS, Vision (s. Anm. 10), 34, gerade auch im Blick auf die literarische Gesamtkomposition der Apokalypse: „Zweifellos erklärt sich die reliefartige Struktur seiner – mit Untergattungen reich bestückten – Schrift auch durch den diachronen Prozeß ihrer Entstehung.“ Zur Frage der literarischen Integrität des Werks vgl. die Lit. oben in Anm. 42 und 43.
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Die jüngere Apokalypseforschung hat sich dann auch vermehrt den mikrostrukturellen Analysen zugewandt,110 die durchaus weiterführende Auslegungsimpulse bieten. Zu nennen sei hier insbesondere die Entdeckung der literarischen Technik der Verschachtelung bzw. Verzahnung, die diverse Textblöcke miteinander verbindet (z.B. Apk 3,21f.; 8,1ff.; 11,15– 12,1ff.; 15,1–8; 22,6–9) und so fließende Übergänge und eine gewisse literarische Kohärenz gewährleistet.111 Neben der Kompositionskritik kommen darüber hinaus vermehrt narrative Textanalysen zur Anwendung,112 die aus dem literaturwissenschaftli110 Vgl. D. HELLHOLM, The Vision He Saw or: To Encode the Future in Writing. An Analysis of the Prologue of John’s Apocalyptic Letter, in: T. W. Jennings, Jr. (Hg.), Text and Logos. The Humanistic Interpretation of the New Testament, Atlanta, GA 1990, 109–146; E. MÜLLER, Microstructural Analysis of Revelation 4–11, Andrews University Seminary Doctoral Dissertation Series 21, Berien Springs, MI 1994; E. CHRISTIAN, A Chiasm of Seven Chiasms: The Structure of the Millennial Vision, Rev 19:1–21:8, AUSS 37,2 (1999) 209–225; E. MÜLLER, Microstructural Analysis of Revelation 20, AUSS 37,2 (1999) 227–255; W. H. SHEA, The Chiastic Structure of Revelation 12:1–15:4. The Great Controversy Vision, AUSS 38,2 (2000) 269–292; M. S. HALL, The Hook Interlocking Structure of Revelation: The Most Important Verses in the Book and How They May Unify Its Structure, NT 44 (2002) 279–296; F. TAVO, The Structure of the Apocalypse. Re-Examining a Perennial Problem, NT 47,1 (2005) 47–68, bes. 61–64; B. W. LONGENECKER, Rhetoric at the Bounderies. The Art and Theology of the New Testament ChainLink Transitions, Waco, TX 2005; R. STEFANOVIC, The Angel at the Altar (Revelation 8:3–5): A Case Study on Intercalations in Revelation, AUSS 44,1 (2006) 79–94; D. E. AUNE, The Form and Function of the Proclamations to the Seven Churches (Revelation 2–3), in: ders., Apocalypticism (s. Ann. 15), 212–232; DOCHHORN, Schriftgelehrte Prophetie (s. Anm. 11), 210–253. Vgl. auch die unveröffentlichte Studie zur Textlinguistik der Johannesoffenbarung von S. L. WAECHTER, An Analysis of the Literary Structure of the Book of Revelation According to Textlinguistic Methods, Diss. Mid-America Baptist Theological Seminary 1994 mit zahlreichen Einzelstudien. 111 Zu dieser auffällig oft verwendeten und mit verschiedenen Namen gekennzeichneten literarischen Technik in der Johannesoffenbarung vgl. S TEFANOVIC, Angel (s. Anm. 110), 79–94; E. SCHÜSSLER FIORENZA, Composition and Structure of the Book of Revelation, CBQ 39 (1977) 360f.; D IES., Offenbarung (s. Anm. 21) 55; HALL, Interlocking Structure (s. Anm. 110), 285f.; TAVO, Structure (s. Anm. 110), 61–64; DIES., Woman, Mother and Bride. An Exegetical Investigation into the “Ecclesial” Notions of the Apocalypse, Biblical Tools and Studies 3, Leuven/Paris/Dudley, MA 39–42; LONGENECKER, Rhetoric (s. Anm. 110), 103–120. Diese literarischen Techniken sprechen nicht gegen, sondern für editorische Arbeiten an einem gewachsenem Text, vgl. AUNE, JohannesApokalypse (s. Anm. 1), Sp. 546: „Diese sehr verschiedenen Typen formaler Organisation vermögen kaum die Spannungen zu verbergen, die zw. dem übergreifenden lit. Rahmen und den grundlegenden Teiltexten, denen das Interesse des Vf. v.a. gilt, entstehen.“ 112 M. E. BORING, Narrative Christology in the Apocalypse, CBQ 54,4 (1992) 702– 723; A. J. P. GARROW, Revelation, New Testament Readings, London/New York 1997; D. L. BARR, Tales of the End: A Narrative Commentary on the Book of Revelation. Polebridge Press, 1998; J. L. RESSEGUIE, Revelation Unsealed. A Narrative Critical Approach to John’s Apocalypse, Bibl.-Interpr.S 32, Leiden/Boston/Köln 1998; D. LEE, The Narra-
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chen Methodeninventar entlehnt sind113 und in der biblischen Exegese bereits praktiziert werden.114 Die narrative Textanalyse dient der Untersuchung narrativer Darstellungsverfahren und der Erzählstrategien auf einer synchronen Ebene. Die Stärke narrativer Textanalysen zeigt sich freilich erst in Kombination mit Methodenschritten der postklassischen Narratologie, die über die rein strukturalen Analysen hinaus auch kognitive und kulturelle Aspekte in die Erzählanalyse einbezieht.115 Die Untersuchung der Theologumena in der Johannesapokalypse konzentriert sich schwerpunktmäßig – darauf sei hier nur summarisch hingewiesen – auf die Christologie,116 Ekklesiologie117 und Eschatologie (darin tive Asides in the Book of Revelation, Lanham, MD 2002; D. L. BARR, The Story John Told. Reading Revelation for Its Plot, in: ders., Reading the Book of Revelation (s. Anm. 63), 11–23; R. HERMS, An Apocalypse for the Church and for the World: The Narrative Function of Universal Language in the Book of Revelation, BZNW 143, Berlin/New York 2006; J. L. RESSEGUIE, The Revelation of John. A Narrative Commentary, Grand Rapids, MI 2009. 113 Vgl. S. CHATMAN, Story and Discourse. Narrative Structure in Fiction and Film, Ithaca, NY (1978) 1993; M. MARTINEZ / M. SCHEFFEL, Einführung in die Erzähltheorie, München 42003; P. WENZEL, (Hg.), Einführung in die Erzähltextanalyse. Kategorien, Modelle, Probleme, Trier 2004. 114 Vgl. H.-J. KLAUCK, Die erzählerische Rolle der Jünger im Markusevangelium. Eine narrative Analyse, NT 24 (1982) 1–26; R. ALTER, The Art of Biblical Narrative, New York: Basic Books, 1981; F. HAHN (Hg.), Der Erzähler des Evangeliums. Methodische Neuansätze in der Markusforschung, SBS 118/119, Stuttgart 1985; J. ZUMSTEIN, Narrative Analyse und neutestamentliche Exegese in der frankophonen Welt, VF 41 (1996) 5–27; M. OEMING / A.-R. PREGLA, New Literary Criticism, ThR 66 (2001) 1–23. 115 Vgl. weiter unten den Abschnitt zu den rezipientenorientierten Fragestellungen. 116 Vgl. M. E. BORING, The Voice of Jesus in the Apocalypse of John, NT 34 (1992) 334–359; H. REICHELT , Angelus interpres – Texte in der Johannesapokalypse. Stukturen, Aussagen und Hintergründe, EHS.T 23,507, Frankfurt a.M. u.a. 1994; L. T. STUCKENBRUCK, Angel Veneration and Christology. A Study in Early Judaism and in the Christology of the Apocalypse of John, WUNT II/2 70, Tübingen 1995; J. HERZER, Der erste apokalyptische Reiter und der König der Könige. Ein Beitrag zur Christologie der Johannesapokalypse, NTS 45 (1999) 230–250; M. HENGEL, Die Throngemeinschaft des Lammes mit Gott in der Johannesapokalypse, in: ders., Studien zur Christologie. Kleine Schriften IV, WUNT 201, Tübingen 2006, 368–385; P. R. CARRELL, Jesus and the Angels. Angelology and the Christology of the Apocalypse of John, MSSNTS 95, Cambridge 1997; L. L. J OHNS, The Lamb in the Rhetorical Program of the Apocalypse of John, SBL.SP 2, Atlanta 1998) 762–784; T. B. SLATER, Christ and Community. A SocioHistorical Study of the Christology of Revelation, JSNT.S 178, Sheffield 1999; O. HOFIUS, Das Zeugnis der Johannesoffenbarung von der Gottheit Jesu Christi, in: ders., Neutestamentliche Studien, WUNT 132, Tübingen 2000; H. GIESEN, Zur Christologie der Johannesapokalypse, ThG 43 (2000) 185–197; TH. SÖDING, Gott und das Lamm. Theozentrik und Christologie in der Johannesapokalypse, in: K. Backhaus (Hg.), Theologie als Vision. Studien zur Johannes-Offenbarung, SBS 191, Stuttgart 2001, 77–120; L. L. J OHNS, The Lamb Christology of the Apocalypse of John. An Investigation into Its Origins and Rhetorical Force, WUNT II/2 167, Tübingen 2003; D. LIOY, The Book of Reve-
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besonders auch Studien zum Millennium).118 Während die Christologie – ganz im Gegensatz zum bekannten Diktum R. Bultmanns119 – als zentrales lation in Christological Focus, Studies in Biblical Literature 58, New York 2003; M. KARRER, Sprechende Bilder. Zur Christologie der Johannesoffenbarung, in: J. Frey / J. Rohls / R. Zimmermann (Hg.), Metaphorik und Christologie, TBT 120, Berlin 2003, 111–129, M.-E. HERGHELEGIU, Siehe, er kommt mit den Wolken. Studien zur Christologie der Johannesoffenbarung, EHS.T 23.785, Frankfurt 2004; M. R. HOFFMANN, The Destroyer and the Lamb. The Relationship between Angelomorphic and Lamb Christology in the Book of Revelation, WUNT II/2 203, Tübingen 2005; D. E. AUNE, Stories of Jesus in the Apocalypse of John, in: R. N. Longenecker (Hg.), Contours of Christology in the New Testament, Grand Rapids 2005, 292–319; R. H. GUNDRY, Angelomorphic Christology in the Book of Revelation, in: ders., The Old is Better. New Testament Essays in Support of Traditional Interpretation, WUNT 178, Tübingen 2005, 377–398; D. SÄNGER, „Amen, komm, Herr Jesus!“ (Apk 22,20). Anmerkungen zur Christologie der JohannesApokalypse, in: Horn/Wolter, Studien (s. Anm. 17), 71–92; KNÖPPLER, Blut des Lammes (s. Anm. 77), 477–511; K. HUBER, Einer gleich einem Menschensohn. Die Christusvisionen in Offb 1,9–20 und Offb 14,14–20 und die Christologie der Johannesoffenbarung, NTA 51, Münster 2007. 117 Vgl. J. ROLOFF, Die Kirche im Neuen Testament, GNT 10, Göttingen 1993, 169– 189; J. M. NÜTZEL, Gottesvolk aus Juden und Heiden: Zum Selbst-Verständnis der Christen in der Johannesapokalypse, in: R. Kampling / T. Söding (Hg.), Ekklesiologie des Neuen Testaments, Freiburg 1996, 458–478; S. S. SMALLEY, The Johannine Community and the Letters of John, in: M. Bockmuehl / M. B. Thompson (Hg.), A Vision for the Church: Studies in Early Christian Ecclesiology in Honour of J. P. M. Sweet, Edinburgh 1997, 95–104; HIRSCHBERG, Israel (s. Anm. 11); M. KARRER, Stärken des Randes. Die Johannesoffenbarung, in: U. Mell / U. B. Müller (Hg.), Das Urchristentum in seiner literarischen Geschichte (FS J. Becker), Berlin/New York 1999, 391–417; R. KAMPLING, Vision der Kirche oder Gemeinde eines Visionärs?, in: K. Backhaus (Hg.), Theologie als Vision. Studien zur Johannes-Offenbarung, SBS 191, Stuttgart 2001, 121–150; J. LAMBRECHT , The People of God in the Book of Revelation, in: ders. (Hg.), Collected Studies on Pauline Literature and on the Book of Revelation, AnBib 147, Rome 2001, 379–394; S. PATTEMORE, The People of God in the Apocalypse: Discourse, Structure, and Exegesis, SNTSMS 128, Cambridge 2004; TAVO, Woman (s. Anm. 111). 118 Vgl. J. W. MEALY, After the Thousand Years: Resurrection and Judgment in Revelation 20, JSNT.SS 70, Sheffield 1992; J. ROLOFF, Weltgericht und Weltvollendung in der Offenbarung des Johannes, in: H.-J. Klauck (Hg.), Weltgericht und Weltvollendung, QD 150, Freiburg 1994, 106–127; D. L. BARR, Blessed Are Those Who Hear: John’s Apocalypse as Present Experience, in: L. B. ELDER / D. L. BARR / E. S. MALBON (Hg.), Biblical and Humane: A Festschrift for John Priest, Atlanta 1996, 87–103; W. ZAGER, Gericht Gottes in der Johannesoffenbarung, in: Horn/Wolter, Studien (s. Anm. 17), 310–327; B. J. MALINA, On the Genre and Message of Revelation. Star Visions and Sky Journey, Peabody 1995, bes. 266; CH. H. GIBLIN, The Millennium (Rev 20.4–6) as Heaven, NTS 45 (1999) 553–570; R. J. MCKELVEY, The Millennium and the Book of Revelation, Cambridge 1999; J. FREY, Das apokalyptische Millennium. Zu Herkunft, Sinn und Wirkung der Millenniumsvorstellung in der Offenbarung 20,4–6, in: C. Bochinger u.a. (Hg.), Deutungen zum christlichen Mythos der Jahrtausendwende, KT 171, Gütersloh 1999, 10–72; M. J AUHIAINEN, Recapitualation and Chronological Progression in John’s Apocalypse: Toward a New Perspective, NTS 49 (2003) 543–559; K.
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Theologumenon erkannt und in der Deutung der christologischen Grundlinien ein gewisser Konsens erzielt ist,120 sind die Forschungspositionen zur Ekklesiologie121 und Eschatologie122 im Verhältnis dazu disparater und unübersichtlicher.
A. MATHISON (Hg.), When Shall These Things Be? A Reformed Response to HyperPreterism. Phillipsburg, NJ 2004; M. KARRER, Himmel, Millennium und neuer Himmel in der Apokalypse, in: Ebner, Der Himmel (s. Anm. 95), 225–259; DAUTZENBERG, Posaune (s. Anm. 61), 1–15; D. L. BARR, Beyond Genre: The Expectations of Apocalypse, in: ders., Reality (s. Anm. 39), 71–89; BAUER, Messiasreich (s. Anm. 11). DOCHHORN, Schiftgelehrte Prophetie (s. Anm. 11), 52–64 119 „Man wird das Christentum der Apk als ein schwach christianisiertes Judentum bezeichnen müssen. Die Bedeutung Christi beschränkt sich doch im wesentlichen darauf, daß er der leidenschaftlichen Hoffnung die Sicherheit gibt, die den jüdischen Apokalyptikern fehlt.“ (R. BULTMANN, Theologie des Neuen Testaments, UTB 630, Tübingen 8 1980, 525f.) 120 Das Problem der Engel-Christologie bzw. angelomorphen Christologie hat jüngst HOFFMANN, Destroyer (s. Anm. 116), eingehend und schlüssig behandelt. Das Motiv des Lammes dagegen wird unterschiedlich interpretiert (so als Passah-Assoziation, Gottesknecht-Idee oder Tamid-Vorstellung, um nur die wichtigsten zu nennen), wenngleich die theologische Aussageintention auch ohne eine genaue Bestimmung des Motivhintergrundes durchaus erkennbar ist (vgl. zum Lamm-Motiv zuletzt eingehend J OHNS, Lamb [s. Anm. 116]). Die Vorstellung vom Menschensohn in der Johannesapokalypse hat zuletzt HUBER, Menschensohn (s. Anm. 116), umfassend untersucht. Schwerwiegender ist die Frage, ob die Christologie der Apokalypse eine These von der „Wesensgleichheit und Seinseinheit“ mit Gott voraussetzt (so HOFIUS, Zeugnis [s. Anm. 116], 235), oder nicht doch viel mehr definiert werden müsste als die „umfassende Teilhabe Jesu an der Herrscherfunktion Gottes“ (SCHNELLE, Theologie [s. Anm. 79], 717). 121 Vgl. die eingehende Forschungsübersicht mit den divergierenden Positionen bei TAVO, Woman (s. Anm. 111), 1–24; DIES., The Ecclesial Notions of the Apocalypse in Recent Studies, CBR 1,1 (2002) 112–136. 122 Die Positionen zur Eschatologie der Apokalypse könnten kaum unterschiedlicher sein. Eine ausschließlich präsentische Eschatologie vertreten z.B. BARR, Beyond Genre (s. Anm. 118) 88 („I suggest, when John saw Jesus enthroned in heaven, when he saw him standing on Mount Zion with 144,000 faithful, when he saw him mounted on a white horse, what he has seen is not the future but the present.“) und M ALINA, Genre (s. Anm. 118), 266 („It seems quite certain that ancient Mediterraneans were not future-oriented at all. In other words, there is nothing in the book of Revelation that refers to the future. Even the new Jerusalem is descending right now.“). Dagegen plädiert D OCHHORN, Schriftgelehrte Prophetie (s. Anm. 11), 52–64, dafür, die Visionen ab Apk 4 zukunftsbezogen zu interpretieren: Danach stellt Apk 4,1–22,5 „das Endzeitgeschehen als einen strukturierten Prozeß mit primär linearer Zeitökonomie dar.“ (54) Freilich muss Dochhorn (58– 60) „Ausnahmen von der Regel“ einräumen (so Apk 7,9–17; 11,2.7; 14,6–20 und 12).
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4 Rezeptionsbezogene Fragestellungen Innerhalb der rezeptionsbezogenen Fragestellungen ist zunächst zwischen rezeptionsgeschichtlichen und rhetorischen bzw. wirkungsgeschichtlichen Forschungsbereichen zu unterscheiden. Rezeptionsgeschichtliche Untersuchungen, die der Aufnahme der Johannesapokalypse im Laufe der Zeit nachgehen, haben deutlich zugenommen. So finden sich neben allgemeinen Sammelbänden und Übersichtswerken123 spezielle Arbeiten zur Rezeption der Johannesapokalypse in der patristischen Literatur124 und im Mittelalter,125 in der Reformation und im Pietismus,126 in der bildenden Kunst und in der Architektur,127 in der Mu123 Vgl. B. E. DALEY, The Hope of the Early Church, Cambridge 1991; C. R. KOESTER, On the Verge of the Millennium: A History of the Interpretation of Revelation, Word & World 15 (1995) 128–136; M. BULL (Hg.), Apocalypse Theory and the End of the World, Oxford 1995; E. WEBER, Apocalypses, Prophecies, Cults, and Millennial Beliefs through the Ages, Cambridge, MA 1999; J. J. COLLINS / B. MCGINN / S. STEIN (Hg.), Encyclopedia of Apocalypticism, 3 Bde. New York 2000f.; K. G. C. NEWPORT , Apocalypse & Millennium: Studies in Biblical Eisegesis. Cambridge 2000; S. HUNT (Hg.), Christian Millenarianism: From the Early Church to Waco, Bloomington, IN 2001; A. W. WAINWRIGHT , Mysterious Apocalypse: Interpreting the Book of Revelation. Nashville 2001; B. MCGINN / J. J. COLLINS / S. J. STEIN (Hg.), The Continuum History of Apocalypticism, New York 2003; MÜLLER-FIEBERG, Jerusalem (s. Anm. 22), 283–366; M. KARRER, Ein optisches Instrument in der Hand der Leser. Wirkungsgeschichte und Auslegung der Johannesoffenbarung, in: HORN/WOLTER, Studien (s. Anm. 17), 402–432; C. ROWLAND, Imagining the Apocalypse, NTS 51 (2005) 303–327; B. U. SCHIPPER / G. PLASGER (Hg.), Apokalyptik und kein Ende?, BThS 29, Göttingen 2007. 124 D. BALÁS / D. J. BINGHAM, Patristic Exegesis of the Books of the Bible. The International Catholic Bible Commentary, hrg. v. W. R. Farmer, Collegeville, MN 1998; J. A. CERRATO, Hippolytus between East and West: The Commentaries and the Provenance of the Corpus, Oxford 2002; W. C. WEINRICH, Ancient Christian Commentary on Scripture. New Testament XII: Revelation, Downers Grove, IL 2005. 125 Vgl. R. K. EMMERSON / B. MCGINN (Hg.), The Apocalypse in the Middle Ages, Ithaca, N.Y./London 1992; C. W. BYNUM / P. FREEDMANN (Hg.), Last Things: Death and the Apocalypse in the Middle Ages, Philadelphia, PA 2000; D. BURR, Olivi’s Peaceable Kingdom: A Reading of the Apocalypse Commentary, Philadelphia 1993; D ERS., The Spiritual Franciscans. From Protest to Persecution in the Century after Francis, Philadelphia 2001. 126 C. HILL, The Antichrist in Seventeenth-Century England, London 1990; D ERS., The English Bible and the Seventeenth-Century Revolution, Marmondsworth 1993; J. A. NESTINGEN, The End of the End: The Role of Apocalyptic in the Lutheran Reform, Word & World 15 (1995) 195–205; C. BURDON, The Apocalypse in England 1700–1834: The Apocalypse Unravelling, London 1997; I. BACKHUS, Reformation Readings of the Apocalypse: Geneva, Zurich and Wittenberg, Oxford 2000. 127 Vgl. O. BÖCHER, Kirchenbau als Bibelexegese, in: D. Meyer (Hg.), Kirchliche Kunst im Rheinland, Düsseldorf 1991, 1–31; G. SCHILLER, Ikonographie der christlichen Kunst, Bd. 5, Teil 1 u. 2, Gütersloh 1990–91; P. BAROLSKY, The Visionary Experience of
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sik128 und im Film,129 und schließlich allgemein in der gegenwärtigen Kultur und Literatur.130 Besonders hingewiesen sei auf den Kommentar von J. Kovacs und Chr. Rowland, die neben einer soliden Kommentierung der Johannesapokalypse auch jeweils rezeptionsgeschichtliche Erläuterungen einfließen lassen und so – zusammen mit einer erhellenden Einführung zur Rezeptionsgeschichte der Johannesapokalypse – ein hilfreiches Handbuch an die Hand geben.131 Hinsichtlich der rhetorischen bzw. wirkungsgeschichtlichen Forschungsschwerpunkte ist wiederum zu differenzieren zwischen Arbeiten, welche die Johannesapokalypse auf mögliche Rezeptionen antiker Rhetorik befragen bzw. grundsätzlich nach rhetorischen Figurationen im Blick auf den Erstleser suchen, und solchen, die – in Aufnahme moderner kognitions- und literaturwissenschaftlicher Methoden – basale rezeptionsästhetische Lektüreprozesse erheben bzw. allgemein mögliche aktualisierende Rezeptionsprozesse thematisieren. Studien zur Rhetorik der Johannesapokalypse – sowohl im Kontext und in Rezeption antiker Rhetorik als auch als Textfiguration einer ErzählstraRenaissance Art, Word and Image 11 (1995) 174–181; N. GRUBB, Revelations: Art of the Apocalypse, New York 1997; D. KINNEY, The Apocalypse in Early Christian Monumental Decoration, in: Emmerson/McGinn, Apocalypse (s. Anm. 125), 200–216; N. GRUBB, Revelations: Art of the Apocalypse, New York 1997; O. BÖCHER, Die Bildwelt der Apokalypse des Johannes, JBTh 13 (1998), 77–105 (91–95); DERS., Von der apokalyptischen Vision zur christlichen Sakralarchitektur, in: T. Schmeller (Hg.), Neutestamentliche Exegese im 21. Jahrhundert. Grenzüberschreitungen (FS J. Gnilka), Freiburg i. Br. etc. 2008, 170–190; N. O’HEAR, Contrasting Images of the Book of Revelation in Late Medieval and Early Modern Art: A Case Study in Visual Exegesis, Oxford Theological Monographs, Oxford 2010. 128 Vgl. T. A. S EEL, A Theology of Music for Worship Derived From the Book of Revelation. Studies in Liturgical Musicology 3, Metuchen, NJ 1995. 129 Vgl. G. AICHELE / R. W ALSH (Hg.), Screening Scripture: Intertextual Connections Between Scripture and Film, Harrisburg, PA 2002; C. TAGLIABUE, Apocalisse e cinema: per una storia senza fine, in: E. Bosetti / A. Colacrai (Hg.), Apokalypsis. Percorsi nellʼ Apocalisse in onore di Ugo Vanni, Assisi 2005, 821–840; D. PEZZOLI-OLGIATI, Vom Ende der Welt zur hoffnungsvollen Vision. Apokalypse im Film, in: C. Bohrmann / W. Veith / St. Zöller (Hg.), Handbuch Theologie und populärer Film, Bd. 2, 2009, 255–275. 130 Vgl. K.-J. KUSCHEL, Vor uns die Sintflut? Spuren der Apokalypse in der Gegenwartsliteratur, in: H.-J. Klauck (Hg.), Weltgericht und Weltvollendung. Zukunftsbilder im Neuen Testament, QD 150, Freiburg i.Br. 1994, 232–260; DERS., Apokalypse, in: H. Schmidinger (Hg.), Die Bibel in der deutschsprachigen Literatur des 20. Jahrhunderts I, Mainz 1999, 543–568; M. N. EBERTZ / R. ZWICK (Hg.), Jüngste Tage. Die Gegenwart der Apokalyptik, Freiburg i.Br. 1999; J. PAULIEN, The Lion/Lamb King. Reading the Apocalypse from Popular Culture, in: Barr, Reading the Book of Revelation (s. Anm. 63), 151– 161. 131 J. KOVACS / CHR. ROWLAND (in Zusammenarbeit mit R. Callow), Revelation. The Apocalypse of Jesus Christ, Blackwell Bible Commentaries, Malden, MA/Oxford/ Victoria 2004.
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tegie – haben rhetorische Lektürekonzepte aufgedeckt, die antiken Lesern durchaus vertraut gewesen sein dürften und die darauf schließen lassen, dass die Erzählstrategie der Johannesapokalypse stark rezipientenorientiert konzipiert ist.132 So weist D. A. deSilva symbuleutische, epideiktische und dikanische Gattungsmerkmale der antiken Rhetorik in der Johannesapokalypse nach133 und P. S. Perry hebt – auf zahlreiche Parallelen aus der antiken Literatur verweisend – die rhetorische Funktion der sog. Zwischengesichte bzw. Einschübe in Apk 7; 10,1–11,13; 16,15 hervor.134 Über die Relevanz der Erzählstrategie der Johannesapokalypse für die Erstleser hinaus fragen rhetorische Analysen auch nach möglichen Brückenschlägen zwischen dem Text der Johannesapokalypse und moderner bzw. aktualisierender Lektüreerfahrung.135 Ausgehend von der Erkenntnis, 132
Vgl. hier die Arbeiten von R. M. ROYALTY, The Rhetoric of Revelation, SBL.SP 36 (1997) 596–617; DERS., Streets (s. Anm. 59); G. CAREY, Elusive Apocalypse: Reading Authority in the Revelation of John, Studies in American Biblical Hermeneutics 15, Macon, GA 1999; DERS. / L. G. BLOOMQUIST (Hg.), Vision and Persuasion: Rhetorical Dimensions of Apocalyptic Discourse, St. Louise 1999; B. R. ROSSING, The Choice Between Two Cities: Whore, Bride, and Empire in the Apocalypse, Harrisburg, PA 1999; D. A. DESILVA, Honor Discourse and Rhetorical Strategy of the Apocalypse of John, JSNT 71 (1998) 79–110; B. W. LONGENECKER, ‘Linked Like a Chain’: Rev. 22:6–9 in Light of Ancient Transition Technique, NTS 47,1 (2001) 105–117; K. NIKOLAKOPOULOS, Rhetorische Auslegungsaspekte der Theologie in der Johannesoffenbarung, in: P. MÜLLER U.A. (Hg.), „… Was ihr auf dem Weg verhandelt habt“: Beiträge zur Exegese und Theologie des Neuen Testaments (FS F. Hahn), Neukirchen-Vluyn 2001, 166–180; SMITH, Rational Choice (s. Anm. 67), 97–116; J OHNS, Lamb (s. Anm. 116); D. A. DESILVA, Toward a Socio-Rhetorical Taxonomy of Divine Intervention: Miracle Discourse in the Revelation to John, in: D. B. Gowler u.a. (Hg.), Fabrics of Discourse. Essays in Honor of Vernon K. Robbins, Harrisburg, PA 2003, 303–315; B. LONGENECKER, Rhetoric at the Boundaries: The Art and Theology of the New Testament Chain-Link Transitions, Waco, TX 2005, 103–120; D. E. AUNE, The Form und Function of the Proclamations to the Seven Churches (Revelation 2–3), in: ders., Apocalypticism (s. Anm. 15), 212–232; J.-P. RUIZ, Hearing and Seeing but Not Saying: A Rhetoric of Authority in Revelation 10:4 and 2 Corinthians 12:4, in: Barr, Reality (s. Anm. 39), 91–111; E. M. HUMPHREY, To Rejoice or Not to Rejoice? Rhetoric and the Fall of Satan in Luke 10:17–24 and Revelation 12:1–17, in: Barr, Reality (s. Anm. 39), 113–125; D. A. DESILVA, What has Athens to Do with Patmos? Rhetorical Criticism of the Revelation of John (1980–2004), Currents in Biblical Research 6,2 (2008) 256–289; DERS., A Rhetorical-Critical Investigation of the Orcale to the Seven Churches, NTS 54 (2008) 90–114; D ERS., Seeing Things (s. Anm. 60), 78–91; P. S. PERRY, The Rhetoric of Digressions. Revelation 7:1–17 and 10:1– 11:13 and Ancient Communication, WUNT II/2 268, Tübingen 2009. 133 DES ILVA, Seeing Things (s. Anm. 60), 78–91; vgl. zu ähnlichen Analysen ROYALTY , Rhetoric (see Anm. 132), 596–617; J OHNS, Lamb (s. Anm. 116), 762–784. 134 P ERRY, Rhetoric (s. Anm. 132). 135 So S CHÜSSLER -F IORENZA, Offenbarung (s. Anm. 21), 40: „Diese rhetorische Analyse will den Text innerhalb der umfassenden literarischen Gestalt und symbolischen Welt der Johannesoffenbarung verstehen. Zudem möchte sie die Überzeugungskraft des
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dass die Bildersprache der Apokalypse einen polyvalenten Charakter136 mit einer evokativen Wirkung137 hat, untersuchen neuere Arbeiten – in Anknüpfung an Performanztheorien und Studien zur Oralität138 – die performativen Figurationen und Effekte des Textes.139 Buches in ihrer ursprünglichen und heutigen Situation herausarbeiten.“ Vgl. auch DESILAnm. 60), 331–349; C AREY, Elusive Apocalypse (s. Ann. 132). Die Bildersprache der Johannesoffenbarung, ZThK 98 (2001) 161– 185, wonach die Bilder der Apokalypse „gerade in ihrer Polyvalenz, ihrer semantischen Mehrdeutigkeit zur Wirkung, ja zum Pathos der apokalyptischen Bilderwelt“ beitragen. Vgl. ferner SCHÜSSLER FIORENZA, Offenbarung (s. Anm. 21), 38: „Es ist daher nötig, die Ambivalenz, Offenheit und Unbestimmtheit der literarischen Vision und symbolischen Erzählung der Johannesoffenbarung wahrzunehmen.“ Diesen Ansatz hat die Apokalypseforschung aufgegriffen, vgl. HIRSCHBERG, Israel (s. Anm. 11), 30; U LLAND, Vision (s. Anm. 59), 13–15. KALMS, Sturz (s. Anm. 9), 143, betont im Zusammenhang mit der Analyse des Gottesfeindes in Apk 12: „Das entworfene Bild des Gottesfeindes will bewusst nicht konkretisieren, sondern beinhaltet eine Vielzahl von Deutungsmöglichkeiten, die gleichrangig nebeneinander stehen sollen, denn gerade hier zeigt sich die Vielgestaltigkeit der gottesfeindlichen Macht.“ P EZZOLI-OLGIATI, Täuschung (s. Anm. 31), 198, spricht bzgl. der Sprachbilder in der Johannesapokalypse von einer „prinzipielle[n] Mehrdeutigkeit“. Jüngst hat M. KOCH, Drachenkampf und Sonnenfrau. Zur Funktion des Mythischen in der Johannesapokalypse am Beispiel von Apk 12, WUNT II/2 184, Tübingen 2004, 17ff.211ff.234ff.306ff.324ff., den polyvalenten Charakter des Textes am Beispiel von Apk 12 herausgearbeitet. 137 Vgl. S CHÜSSLER FIORENZA, Offenbarung (s. Anm. 21), 40.147; M OYISE, Old Testament in Revelation (s. Anm. 83), 125; DERS., Studies in the Book of Revelation (s. Anm. 83), 10; 138 Vgl. A CHTEMEIER, Omne Verbum (s. Anm. 92); MOURNET , Oral Tradition (s. Anm. 92); D. RHOADS, Performance Criticism: An Emerging Methodology in Second Testament Studies, BTB 36 (2006) 118–133.164–184; H. HEARON / R. RUGE-JONES (Hg.), The Bible in Ancient and Modern Media. Story and Performance, Eugene 2009. 139 Vgl. D. L. BARR, The Apocalypse of John as Oral Enactment, Interp. 40 (1986) 243–256; DERS., Blessed are Those Who Hear: John’s Apocalypse as Present Experience, in: L. Elder / E. Malbon (Hg.), Biblical and Humane: A Festschrift for John Priest, Missoula, MT 1996, 87–103; J.-P. RUIZ, Ezekiel in the Apocalypse: The Transformation of Prophetic Language in Revelation 16,17–19,10, European University Studies 23/376, Frankfurt 1989, 235; A. D. CALLAHAN, The Language of the Apocalypse, HThR 88 (1995) 453–470: „Reading the Apocalypse aloud, and hearing the Apocalypse read aloud, was effectual: through exhortations and exclamations, threats and thunder, the reading of the Apocalypse moved its hearers, effected them: the text did something to them.“ (460) Vgl. ferner J. FILHO, The Apocalypse of John as an Account of a Visionary Experience, JSNT 25 (2002) 213–234; S. P. SAUNDERS, Revelation and Resistance: Narrative and Worship in John’s Apocalypse, in: J. B. Green / M. Pasquarello III (Hg.), Narrative Reading, Narrative Preaching: Reuniting New Testament Interpretation and Proclamation, Grand Rapids 2003, 117–150; DERS., Between Blessing and Curse: Reading, Hearing, and Performing the Apocalypse in World of Terror, in: C. R. Yode u.a. (Hg.), Shaking Heaven and Earth. Essays in Honor of Walter Brueggemann and Charles B. Cousar, Lousville, KY 2005, 141–156; E. TAVO, The Structure of the Apocalypse. Re-Examining a Perennial Problem, NT 47 (2005) 47–68; DIES., Woman (s. Anm. 111), 34–45. VA, Seeing Things (s. 136 Vgl. J. F REY,
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In Anlehnung an die kognitive Erzähltheorie, die nach dem „cognitive turn“ weit über die strukturalen Analysen der klassische Narratologie hinausgeht, indem sie kognitive und kulturelle Aspekte in die Erzählanalyse einbezieht,140 hat L. Hongisto jüngst eine weiterführende narratologische Textanalyse der Johannesapokalypse vorgelegt und die Funktion textueller Strategien für die Konstitution von Bedeutung im Leseprozess herausgearbeitet.141 Hongisto vermag durch diese synchrone – diachrone Ansätze nicht unbedingt widersprechende142 – Lektürestrategie Brückenschläge zwischen Text und Leser zu plausibilisieren, die nicht beim Erstleser enden.143 Einen weiteren leseorientierten Zugang bieten T. Hieke und T. Nicklas, die Apk 22,6–21 als „Schlussstein der christlichen Bibel Alten und Neuen Testaments“ lesen. Gemäß dieser Lektürestrategie konstruiert der Text in Apk 22,6–21 mit seinen zahlreichen Verweisen auf das Alte und Neue Tes-
140 Zur kognitiven Narratologie vgl. M. FLUDERNIK, Towards a ‘Natural’ Narratology, London 1996; A. NÜNNING / V. NÜNNING, Von der strukturalistischen Narratologie zur ‚postklassischen‘ Erzähltheorie. Ein Überblick über neue Ansätze und Entwicklungstendenzen, in: A. NÜNNING / V. NÜNNING (HG.), Neue Ansätze in der Erzähltheorie, WVT-Handbücher zum literaturwissenschaftlichen Studium 4, Trier 2002, 1–33; B. ZERWECK, Der cognitive turn in der Erzähltheorie. Kognitive und ‚natürliche‘ Narratologie“, in: Nünning/Nünning (Hg.), Neue Ansätze (a.a.O.), 219–242; M. FLUDERNIK, Cognitive Narratology: Natural Narratology and Cognitive Parameters, in: D. Herman (Hg.), Narrative Theory and the Cognitive Sciences, Stanford 2003, 243–246; D. HERMAN, Story Logic: Problem and Possibilities of Narrative, Lincoln 2004; D ERS., Cognitive Narratology, in: P. Hühn u.a. (Hg.), Handbook of Narratology, Berlin 2009, 161–173; HONGISTO, Experiencing (s. Anm. 41), 15, beruft sich vor allem auf die Arbeiten von M. Fludernik und D. Herman. 141 Die postklassische narratologische Textanalyse hat auch sonst in die exegetische Bibelwissenschaft Einzug gehalten, vgl. S. FINNERN, Narratologie und biblische Exegese. Eine integrative Methode der Erzählanalyse und ihr Ertrag am Beispiel von Matthäus 28, WUNT II/2 285, Tübingen 2010. 142 Im Zuge der narratologischen Textanalyse auf synchroner Ebene identifiziert HONGISTO, Experiencing (s. Anm. 41), 173–186, mehrere Erzählstimmen, so u.a. den „co-narrator“: „In the co-narrator readers and listeners as narratees can find an arguing voice that supplies them with the means necessary for constructing an informed opinion of the dramatizations presented by John.“ (176) Auffällig ist, dass die von Hongisto dem „co-narrator“ zugeschlagenen Textpassagen (9,6; 13,9f.18; 14,4f.12; 17,9–14; 19,8.10; 20,6–10; 21,8; 22,11), sich oft mit den von D. E. Aune als redaktionell erkannten Textpartien decken, so Apk 9,6 (AUNE, Revelation 2 [s. Anm. 2], 531); 13,9f. (ebd. 749f.); 13,18 (ebd, 769); 14,12 (ebd., 837); 19,8 (AUNE, Revelation 3 [s. Anm. 2], 1030); 19,10 (ebd., 1038); 20,6 (ebd., 1093); 22,11 (AUNE, Revelation 1 [s. Anm. 2], cxxxiif.). 143 Vgl. HONGISTO, Experiencing (s. Anm. 41), 188: „Cognitive narratological reading shows that the narration of the Apocalypse constitutes a series of interacting fields of reference extending out of the world of the Apocalypse to the first-century Biblical and Mediterranean world and beyond, involving each new narratee.“
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tament einen Modellleser „des zweigeteilten christlichen Kanons.“144 Diese gesamtbiblische Leseperspektive eröffnet neue in der Apokalypseforschung bislang eher weniger untersuchte kanongeschichtliche Fragestellungen.145 Ebenfalls leseorientiert ist die psychoanalytische Textinterpretation von H. Raguse,146 der, in eingehender Auseinandersetzung mit der tiefenpsychologischen Exegese E. Drewermanns,147 seinen psychoanalytischen Ansatz mit literaturwissenschaftlicher Theoriebildung, theologischer Hermeneutik und exegetischer Forschung verbindet und den Rezeptionsprozess des Textes psychoanalytisch als Übertragung und Gegenübertragung deutet. Raguse lehnt freilich das s.E. paranoid-schizoide Übertragungsangebot
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T. HIEKE / T. NICKLAS, „Die Worte der Prophetie dieses Buches“. Offenbarung 22,6–21 als Schlussstein der christlichen Bibel Alten und Neuen Testaments gelesen, BThS 62, Neukirchen-Vlyn 2003, 109. 145 Vgl. G. S. OEGEMA, Kanon und Apokalyptik. Die Rolle der Apokalyptik im Kanonisierungsprozess der christlichen Bibel, in: J. Krašovec (Hg.), The Interpretation of the Bible. The International Symposium in Slovenia, JSOT.S 289, Sheffiled 1998, 277– 295, bes. 286–290 und dem Resümee: „Die Relevanz der Zahl der vier Evangelien und der sieben (bzw. dreizehn) Briefe des Paulus lassen sich für das Ende des 2. Jh. feststellen, wenn nämlich die Apokalypse als Ausgangspunkt für Deutungsversuche gerade dieses Kanons dient. Die Kanonizität der Johannesoffenbarung stünde damit vom Anfang des 2. Jh. n.Chr. an fest, auch wenn sie später – wohl aus kirchenpolitischen Gründen – immer wieder neu angezweifelt wurde. Gerade in den entscheidenden Jahren der Kanonisierung des Neuen Testaments, von der Mitte bis zum Ende des 2. Jh. n.Chr. oder gar bis ins 3. Jh. n.Chr. hinein, dürfte sie darüber hinaus eine wichtige, wenn auch nicht bestimmende Rolle in dem Kanonisierungsprozess gespielt zu [sic.] haben, und sie mit einer Kanonformel mithalf, weitere Apokalypsen, so beliebt sie als Erbauungsliteratur auch waren, aus dem Kanon auszuschließen.“ 146 Vgl. H. RAGUSE, Psychoanalyse und biblische Interpretation. Eine Auseinandersetzung mit Eugen Drewermanns Auslegung der Johannes-Apokalypse, Stuttgart/Berlin/ Köln 1993. 147 E. DREWERMANN, Tiefenpsychologie und Exegese, Bd. 2: Wunder, Vision, Weissagung, Apokalypse, Geschichte, Gleichnis, Olten 41988, bes. 541–591. Nach Drewermann gibt es in der ganzen Bibel kein Buch wie die Johannesoffenbarung „daß mit einem so langen Atem den mühsamen Weg schildert, auf dem ein Mensch aus Angst und Fremdbestimmung zu sich selbst und dem Ursprung seines Daseins zurückfindet.“ (590). So liest Drewermann die Apokalypse tiefenpsychologisch und erklärt: „Wie in den Mythen, Märchen, Sagen und Legenden wird man folglich auch den ‚Gott‘ der Geh. Offb. als Instanz der menschlichen Psyche interpretieren müssen, deren rächende Gewalt am ehesten mit der Strenge des Überichs in Verbindung zu setzen ist. Die Gestalt des Satans sowie der typhonischen Tiere wird man als Gegenkräfte des Überichs kaum anders denn als Energien des Es verstehen können. Zwischen beiden findet ein unerbitterlicher Kampf statt, das Ich aber übernimmt inmitten dieser zerreißenden Auseinadersetzung die ohnmächtige Rolle des Zuschauers, der erschrocken und hoffend dem Drama der ‚Welt‘ beiwohnt – eine Situation, wie sie für das schizophrene Erleben kennzeichnend ist.“
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des Textes für sich selbst dezidiert ab,148 gleichwohl gesteht er der Johannesapokalypse durchaus eine – je nach Situation des Lesers – stabilisierende Wirkung zu.149 Weitere rezeptionsorientierte Ansätze kommen vor allem aus der feministischen Exegese,150 die z.T. zur dekonstruktivistischen Lektüre neigt,151 ferner aus der Befreiungstheologie152 und aus interkulturellen Studien.153 148 Für R AGUSE, Psychoanalyse (s. Anm. 146), 155f., steht fest, „daß die im Leser zu realisierende Objektbeziehung zwischen Erzähler und fiktivem Leser vor allem durch die paranoid-schizoide Position gekennzeichnet ist. Das Objekt, also das Gegenüber des Erzählers, ist radikal gespalten in ein gutes und ein böses, ein ‚heißes oder kaltes‘ Objekt. Was dazwischen liegt, ist wie nicht vorhanden und wird, weil es ‚lau‘ ist, ausgespieen und dem bösen Objekt zugerechnet. Zwischen dem guten und dem bösen Objekt wird jede Verbindung bestritten. Der Leser soll gezwungen werden, zusammen mit dem Erzähler selber ein nur-gutes Objekt zu sein in einer Schar von vielen anderen guten TeilObjekten.“ Raguse lehnt freilich diese Rollenzuschreibung des Textes für sich ab (208f.). 149 RAGUSE, Psychoanalyse (s. Anm. 146), 230. Zur weiteren Diskussion um die psychoanalytische Textanalyse vgl. M. KARRER, Psychoanalyse und Auslegung. Erwägungen nach der Studie Hartmut Raguses über Psychoanalyse und biblische Interpretation, EvTh 54 (1994) 467–476; E. W. STEGEMANN, Aspekte psychoanalytischer Auslegung der Johannesoffenbarung, EvTh 54 (1994) 452–466. Vgl. auch den psychologischen Lektüreansatz von S. VOLLENWEIDER, Die Beschwörung der Mächte. Überlegungen zur Botschaft der Johannesapokalypse, in: ders., Horizonte neutestamentlicher Christologie. Studien zu Paulus und zur frühchristlichen Theologie, WUNT 144, Tübingen 2002, 309– 326, der die Johannesapokalypse zu verstehen sucht „als ein[en] Text, der elementare Mächte wie Angst, Hass und Hoffnung, die das kollektive Bewusstsein bestimmen, heraufbeschwört, in Arbeit nimmt und in einen umfassenden Sinn-und Orientierungshorizont transportiert. In Zeiten grosser Verunsicherung und Destabilisierung ist diese performative Kraft der Offenbarung von schwer zu überschätzendem Wert.“ 150 Vgl. A. J ACK, Out of the Wilderness: Feminist Perspectives on the Book of Revelation, in: Moyise, Studies (s. Anm. 83), 149–162; T. PIPPIN, Death and Desire: The Rhetoric of Gender in the Apocalypse of John, Literary Currents in Biblical Interpretation, Louisville 1992; DIES., Eros and the End: Reading for Gender in the Apocalypse of John,” Semeia 59 (1992) 193–217; DIES., The Heroine and the Whore: Fantasy and the Female in the Apocalypse of John, Semeia 60 (1992) 67–82; V. K. ROBBINS, A Male Reads a Feminist Reading: The Dialogical Nature of Pippin’s Power: A Response to Tina Pippin, ‘Eros and the End’, Semeia 59 (1992) 211–217; L. SUTTER REHMANN: Geh, frage die Gebärerin! Feministisch-befreiungstheologische Untersuchungen des Gebärmotivs in der Apokalyptik, Gütersloh 1995; DIES., Vom Mut genau hinzusehen. Feministischbefreiungstheologische Interpretationen zur Apokalyptik, Luzern 1998; C. KELLER, Apocalypse Now and Then: A Feminist Guide to the End of the World, Boston, MA 1996; A.-J. LEVINE / M. M. ROBBINS (Hg.), A Feminist Companion to the Apocalypse of John, London/New York 2009. 151 Hier ist vor allem T. P IPPIN, Apocalyptic Bodies: The Biblical End of the World in Text and Image, London 1999, zu nennen. Nach Pippin ist die Johannesapokalypse „a misogynist male fantasy of the end of time“ (117); die Apokalypse komme einem Horrorfilm gleich: „less like the shower scene in Psycho than the all-out killing in the Texas Chain Saw Massacre“ (83), sie sei eine „Pornoapocalypse“ (92). In: The Apocalypse of
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5 Resümee „Solange es eine Mehrzahl von ‚Interpretationen‘ gibt, sind die Dinge in Sicherheit vor dem Wahn der Erkennenden, sie hätten die Objekte – als erkannte – ein für allemal festgestellt.“154 – Gemessen an dieser erhellenden Aussage P. Sloterdijks sind im Blick auf den Stand der gegenwärtigen Forschung zur Johannesapokalypse in der Tat „die Dinge in Sicherheit“, präsentiert sich doch die Apokalypseforschung in einer beispiellosen Vielzahl von Auslegungen und Ansätzen. Zwar ist die Forschung in einigen Fragen zu einem Konsens durchgedrungen (so zur Frage des Verfassers), in der überwiegenden Mehrzahl der Fragestellungen dagegen findet sich, mehr als noch in der älteren Forschung, ein breiter und kontrovers geführter Diskurs. Vor allem die interdisziplinäre Öffnung und die Rezeption diverser Methoden und hermeneutischer Theorien aus dem Bereich der Literatur-, Kognitions-, Sozial- und Kulturwissenschaften, sowie die Aufnahme von Impulsen aus der Wissenssoziologie, dem Konstruktivismus und der Psychoanalyse haben der Apokalypseforschung völlig neue Wege der Texterschließung geöffnet. Die klassischen – z. T. als Alternativen John in Feminist Perspecitve, in: D. Rhoads (Hg.), From Every People and Nation. The Book of Revelation in Intercultural Perspective, Minneapolis, MN 2005, 127–145, konstatiert Pippin resümierend: „The Apocalypse is not a tale for woman. The misogyny that underlies this narrative is extreme. As a result, woman of the past as well as the present are going to have to be about the business of creating their own apocalyptic tales, their own utopian narratives.“ (144). Vgl. ferner DIES., The Revelation of John, in: E. Schüssler Fiorenza (Hg.), Searching the Scripture: A Feminist Commentary, Bd. 2, New York 1994, 109–130. Vgl. hierzu auch A. M. J ACK, Texts Reading Texts, Sacred and Secular, Sheffield 1999, 167–204. 152 A. BOESAK, Comfort and Protest: Reflection on the Apocalypse of John of Patmos, Philadelphia, PA 1987; RICHARD, Apokalypse (s. Anm. 58); B. SAVIANO, Pastoral Urbana: Herausforderung für eine Großstadtpastoral in Metropolen und Megastädten Lateinamerikas, Theologie und Praxis 28, Berlin 2006, bes. 128–140; P. RICHARD, Reading the Apocalypse: Resistance, Hope, and Liberation in Central America, in: Rhoads, From Every People and Nation (s. Anm. 151), 146–164, konstatiert nach einer Exegese von Apk 13: „The first world will be able to resist the global empire of the market when it becomes aware that the whole bureaucratic, political, and military system of the United State is a great Beast threatening the life of human beings and of the whole planet. This resistance will only be possible when citizens of the empire reject the mark of the Beast and exclude themselves from market, in solidarity with the wretched of the earth. Only then will they recover the ethical and spiritual power transmitted by the Apocalypse to destroy the Beast and to build a new heaven and a new earth, a new society where everyone may have a place in harmony with nature.“ 153 Vgl. den Sammelband RHOADS, From Every People and Nation (s. Anm. 151) und S. 249–251 mit weiterer Lit. 154 P. S LOTERDIJK, Kritik der zynischen Vernunft II, edition suhrkamp 1099, Frankfurt 1983, 656f.
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präsentierten – kirchen-, welt-, end-, zeit-, reichs-, traditions- und übergeschichtlichen sowie die axiologischen und die wesenskerygmatischen Deutungskategorien werden durch die neuen Forschungsansätze nachgerade unterlaufen und die Alternativsetzungen als unsachgemäß ausgewiesen: Die Deutungshoheit über Text und Aussage der Johannesapokalypse lässt sich kaum durch die einseitige Favorisierung einer dieser Kategorien gewinnen.155 Im vorliegenden Band spiegelt sich die Breite der gegenwärtigen Apokalypseforschung exemplarisch wider. Die Gliederung in die Kapitel „Kontexte“, „Konzepte“ und „Rezeption“ entspricht – wenn man autorund kontextorientierte Fragestellungen zusammenzieht – weitgehend der Systematisierung im vorliegenden Forschungsbericht. Im ersten Teil „Kontexte“ werden Fragen der Textgestalt und der Traditionsbezüge, der historischen Einordnung und der Datierung erörtert. Ein zweiter Teil thematisiert „Konzepte“ der Apokalypse; darin wird u.a. Fragen nach der Christologie und Eschatologie nachgegangen, ferner stehen die Rede vom Martyrium und Untersuchungen zur rhetorischen und theologischen Intention sowie zur literarischen Integrität des Werkes im Mittelpunkt. Der abschließende dritte Teil „Rezeption“ fokussiert Schwerpunkte der Rezeption vom Montanismus und der Thomasapokalypse über Laktanz und Andreas von Caesarea bis zur orthodoxen Liturgie und zur Kunst William Blakes. Damit bieten die Beiträge einen repräsentativen Einblick in die wesentlichen Diskurse zur gegenwärtigen Apokalypseforschung. Am Ende einer kursorischen Reise durch die Wirkungsgeschichte und Auslegung der Johannesapokalypse stellt sich die Frage: „Was gewinnen wir für die Gegenwart, wenn wir den historischen, fernen, oft mehrdeutigen Apk-Text interpretieren und mit seinen vielen Fortschreibungen ins Gespräch bringen?“ – „Wir gewinnen“, so die Antwort M. Karrers in Anlehnung an Marcel Proust, „einen der großen Texte, die ‚im Unendlichen kreisen‘ und ‚uns viele Jahrhunderte […] einen Strahl zusenden, der nur ihnen eigentümlich ist‘.“156
155 So z.B. MAIER, Johannesoffenbarung (s. Anm. 4), 622.624. Danach muss „man – dem Gefälle der Texte selbst folgend – das heilgeschichtliche Verständnis weiterentwickeln“, denn: „nur eine heilsgeschichtliche Auslegung wird der Weite, dem Spannungsbogen und zugleich der gegenseitigen Beziehung und dem geschichtlichen Charakter der biblischen Aussagen gerecht. Nur so erfassen wir auch hier die Geschichte und die Sendung des Christus.“ 156 KARRER, Instrument (s. Anm. 123), 424, mit Verweis auf M. P ROUST , Auf der Suche nach der verlorenen Zeit: Die wiedergefundene Zeit, dt. v. E. Rechel-Mertens, Frankfurt a.M. 1979, 3975f.
Kontexte
Der Text der Johannesapokalypse MARTIN KARRER
An Rätseln ist die Apk nicht gerade arm. Manche sind gut bekannt, manche eher verborgen, und die verborgenen Rätsel sind oft die reizvollsten. Das gilt allemal für die Frage nach dem ursprünglichen Text der Apk, der Basis ihrer kritischen Interpretation. Denn er steckt weit über die bekannten Einzelstellen wie die Zahl 666 (oder – nach p115 und C – 616) in 13,18 hinaus voller Überraschungen. Ihn direkt herzustellen, ist wie bei allen biblischen Schriften mangels eines überkommenen Autographen unmöglich. Umso mehr Aufmerksamkeit verdient die Bemühung, ihm so nahe wie möglich zu kommen. Die Forschung widmete sich dem in wichtigen Schritten von der Edition der großen Codices im 19. Jh. über die Kollation H. C. Hoskiers1 bis zu den grundlegenden Arbeiten J. Schmids in den 1950er und 1960er Jahren.2 Dann rückte die Textkritik der Apk an den Rand des Interesses, obwohl Hoskier und Schmid keineswegs alle Fragen lösten. Vergegenwärtigen wir in einer Bestandsaufnahme, wie weit wir da———————— 1 H. C. HOSKIER, Concerning the Text of the Apocalypse. Collations of All Existing Available Greek Documents With the Standard Text of Stephen’s Third Edition. Together With the Testimony of Versions, Commentaries and Fathers; a Complete Conspectus of All Authorities, Vol. I–II, London 1929. 2 J. S CHMID, Studien zur Geschichte des Griechischen Apokalypse-Textes, I Der Apokalypse-Kommentar des Andreas von Caesarea. 1 Text (1955), 2 Einleitung (1956), MThS.E I 1–2, München 1955–1956 (zitiert Studien I 1 / I 2); D ERS., Studien zur Geschichte des Griechischen Apokalypse-Textes, II Die Alten Stämme, MThS.E II, München 1955 (zitiert Studien II). Schmids ältere Beiträge sind über die bibliographischen Hinweise dieser Bände und D. C. PARKER, An Introduction to the New Testament Manuscripts and Their Texts, Cambridge 2008, 232 auffindbar. Danach kommen von ihm hinzu: J. SCHMID, Der Apokalypse-Text des Oikumenios, Bib 40 (1959), 935–942; DERS., Unbeachtete und unbekannte griechische Apokalypse-Handschriften, ZNW 52 (1961), 82–88; DERS., Neue griechische Apokalypsehandschriften, ZNW 59 (1968), 250–258. Schmid fand international breite Anerkennung: s. G. D. KILPATRICK, Professor J. Schmid on the Greek Text of the Apocalypse, VigChr 13 (1959), 1–13; J. N. BIRDSALL, The Text of the Revelation of Saint John. A Review of its Materials and Problems with Especial Reference to the Work of Joseph Schmid, EvQ 33 (1961), 228–237.
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Martin Karrer
von entfernt sind, eine stringente Edition zu besitzen.3 Wir beginnen beim Textus receptus und seinen Nachwirkungen (I), wenden uns dann den Problemen um die Textzeugen zu (II), erörtern Ordnung und Gewichtung der Handschriften (III) und ziehen am Ende kurz die Konsequenzen für die erforderliche Neuedition (IV).
1 Der hohe Einfluss junger Textformen Wahrscheinlich trug die besondere Beliebtheit der Apk in der Kirchen- und Kulturgeschichte paradox dazu bei, dass die Schwierigkeiten um die Herstellung ihres ursprünglichen Textes wenig bewusst wurden. Denn die außerordentliche Wirkung der Apk verschob den Horizont des Interesses. Der jeweils aktuelle, nicht ein ältester zu rekonstruierender und damit von der Gegenwart wegführender Text bestimmte die großen Epochen der Rezeptionsgeschichte. Im Westen dominierten ab dem 3. Jh. lateinische Übersetzungen die Wahrnehmung (Vetus Latina und Vulgata). Im Osten herrschten nach einem Einbruch des Interesses an der Apk ab dem 6. Jh. junge ———————— 3 Nennen wir für den Fortgang nach Schmid J. DELOBEL, Le texte de l’Apocalypse. Problèmes de Méthode, in: J. Lambrecht (Hg.), L’Apocalypse Johannique et l’Apocalyptique dans le Nouveau Testament, BEThL 53, Leuven 1980, 151–166, die Kommentare von D. E. AUNE (Revelation, WBC 52, Dallas 1997–1998, cxxxiv–clx) und G. K. BEALE (The Book of Revelation. A Commentary on the Greek Text, NIGTC, Grand Rapids 1999, 70–75), die Studien von J. K. ELLIOTT (Manuscripts of the Book of Revelation Collated by H. C. Hoskier, JThS 40 [1989], 100–110; The Distinctiveness of the Greek Manuscripts of the Book of Revelation, JTS 48 [1997], 116–124; Manuscripts Cited by Stephanus, NTS 55 [2009], 390–395), die Arbeiten von R. GRYSON zur Vetus Latina (Apocalypsis Johannis, VL 26/2, Freiburg 2000–2003, bes. 81–96) und J. HERNÁNDEZ JR. zum griechischen Text (Scribal Habits and Theological Influences in the Apocalypse. The Singular Readings of Sinaiticus, Alexandrinus, and Ephraemi, WUNT II/218, Tübingen 2006); DERS., The Apocalypse in “Codex Alexandrinus”. Its Singular Readings and Scribal Habits, in: P. Gray / G. R. O’Day [Hg.], Scripture and Traditions. Essays on Early Judaism and Christianity in Honor of C. R. Holladay, NT.S 129, Leiden 2008, 341– 358; DERS., Theological Tendencies in the Apocalypse: Starting the Conversation, in: C. A. Evans / H. D. Zacharias [Hg.], Jewish and Christian Scripture as Artifact and Canon, SSECS 13, Edinburgh 2009, 248–260; DERS., Codex Sinaiticus. The Earliest Greek Christian Commentary on John’s Apocalypse?, Paper 2008/9, im Erscheinen); schließlich PARKER, Introduction (s. Anm. 2), 227–245 und M. KARRER, Der Text der Johannesoffenbarung – Varianten und Theologie, Neotest. 43 (2009), 373–398. Alle diese Arbeiten wurden bislang nicht breit wirksam. Der Neuausgabe des KEK ein Jahrhundert nach W. BOUSSET (Die Offenbarung Johannis, KEK 16, Göttingen 61906 [Nachdruck 1966], zur Textkritik 148–159), genügt deshalb eine eineinhalbseitige Skizze zum Textstand, immerhin mit einer Problemanzeige zu Apk 13,10, auf die wir (wie auf die erwähnte Stelle 13,18) in III zurückkommen (A. SATAKE, Die Offenbarung des Johannes, KEK 16, Göttingen 2008, 31f.).
Der Text der Johannesapokalypse
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Textformen – die des Andreaskommentars und des byzantinischen Mehrheitstextes – vor.4 Im 16./17. Jh. schließlich übernahm der Textus receptus das Feld, der auf Basis einer Andreashandschrift entstand,5 also weiterhin eine junge Textform spiegelte. Genauerhin fand Erasmus 1515/16, als er mit seiner Edition des Neuen Testaments dem neuzeitlichen Text Bahn brach, nur ein einziges griechisches Manuskript der Apk. Dieser Codex des 12. Jh. mit dem Kommentar des Andreas von Caesarea (heute Minuskel 2814), der um 1440 nach Europa gekommen war und zunächst im Basler Dominikanerkloster, dann durch den Drucker Frobenius aufbewahrt wurde, enthielt zahlreiche Fehler6 und lacunae; Apk 22,16–21 fehlte vollständig. Deshalb schätzte Erasmus die Handschrift gering.7 Er sah sich zu zahlreichen Eingriffen, teils unter Anlehnung an die Vulgata, teils aus eigenem Stilempfinden genötigt und befugt. 22,16–21 rekonstruierte er anhand des ihm vorliegenden, von heute aus gesehen unbefriedigenden lateinischen Textes und glich das später (1527) partiell zu Handschriften der Complutensischen Polyglotte ab,8 deren Neues Testament 1514 fertig gestellt war, aber erst nach dem Erscheinen von Erasmus’ Neuem Testament für die Öffentlichkeit freigegeben wurde.9 In den Adressen der Sendschreiben stellte er die Weiche zu einer von heute aus ungewohnten rhetorischen Variatio gegen seine Vorlage.10 ———————— 4 5 6 7
Genauere Skizze der alten Textformen unter II / III. SCHMID, Studien I 2 (s. Anm. 2), 1–6. In folio 75v / 76v vertauschte der Schreiber zwei Blätter seiner Vorlage etc. J. SCHMID, Studien I 2 (s. Anm. 2), 3f.5f. unter Berufung auf Erasmus, HieronymusEdition I, Basel 1516, fol. 140r. 8 In V. 19 enthielt seine lateinische Vorlage die Verschreibung „libro“ für ein ursprünglicheres lateinisches „ligno“, das ξύλον („Holz“) wiedergab. So entstand die langwirkende Lesart „Buch (βίβλος) des Lebens“ in 22,19 (s. B. M. METZGER, A Textual Commentary on the Greek New Testament. A Companion Volume to the United Bible Societies’ Greek New Testament [Fourth Revised Edition], Stuttgart 21994, 690). In 22,21 hielt Erasmus auch nach 1522 (dem Jahr, ab dem er Zugang zur Complutense erhielt) an ὑµῶν hinter µετὰ πάντων fest, obwohl das textlich nicht mehr vertretbar war. Der Abgleich zur Complutense durch Erasmus erfolgte also höchst unvollständig. 9 H. J. DE JONGE, Novum Testamentum a nobis versum. The Essence of Erasmus’ edition of the New Testament, JThS 35 (1984), 394–413, weist 408f. (nach 403f.) noch auf weitere Probleme der Edition hin: An den Drucker ging eine Abschrift des Andreas-Manuskripts, die Fehler enthielt und gelegentlich Worte aus dem Kommentar des Andreas in den Apk-Text zurück übertrug. Vgl. auch (weniger differenziert) I. BACKUS, Reformation Readings of the Apocalypse. Geneva, Zurich, and Wittenberg, OSHT, Oxford 2000, 3 sowie 140 Anm. 2. 10 Vgl. den Text bei Stephanus 1550 (2,1 τῷ ἀγγέλῳ τῆς ᾿Εφεσίνης ἐκκλησίας...; 3,14 τῷ ἀγγέλῳ τῆς ἐκκλησίας Λαοδικέων) mit Minuskel 2814 (dort anders 2,1 τῷ ἀγγέλῳ τῆς ᾿Εφεσίων ἐκκλησίας; 3,14 [...] τῷ ἀγγέλῳ τῆς ἐν Λαοδικείᾳ ἐκκλησίας) und der Vulgata (dort stilistische Einheitlichkeit „angelo Ephesi ecclesiae… angelo Laodiciae ecclesiae“). Die hier und im Folgenden zitierten Ausgaben von Stephanus (1550 nach
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Die für die Complutense benützten Handschriften verbanden den Andreastext mit dem byzantinischen Mehrheitstext. Allerdings waren sie dadurch lediglich vollständiger, nicht von besserer Qualität als die Leithandschrift des Erasmus.11 Am bekanntesten wurde die junge Ergänzung der Apk im Codex Vaticanus (B), nach heutiger Zählung die Minuskel 1957 aus dem 15. Jh. und damit Jahrhunderte jünger als 2814 (im Grundtext von B ging die Apk verloren, falls sie nicht – was weniger wahrscheinlich ist – von Anfang an fehlte).12 So wundert nicht, dass Erasmus das Urteil über seine Basler Handschrift nachträglich korrigierte und sie in seinen Annotationes (die er bis 1535 mehrfach redigierte) aufwertete.13 Erasmus’ apologetische Nuance verrät, dass es Kritiker seines Mischtextes (Andreastext, einige Akzente byzantinischen Textes, Einflüsse der Vulgata) gab. Indessen war die Handschriftenlage zu unbefriedigend, um dessen Siegeszug zu verhindern. Denn nicht nur der Vaticanus (B Grundtext), auch die in den Besitz Bezas gelangende Majuskel D (der Leitcodex für den später sog. westlichen Text) und die anderen im frühneuzeitlichen Europa bekannten Majuskeln enthielten die Apk nicht.14 Die wachsende Handschriftenkenntnis korrigierte etliche Einzelheiten, nicht die Textbasis. Die belangreichste Handschrift, die Stephanus in seiner besonders wirksamen editio regia 1550 zusätzlich heranzog (Stephanus ις´, Apk-Hs. 3r), ging zudem später verloren, so dass die Textforschung vor der schwierigen Aufgabe steht, sie und ihre Varianten zu bewerten (Elliott schlägt jüngst eine Untersuchung aufgrund der von Stephanus notierten 77 Stellen vor; eine editio maior sollte das berücksichtigen).15 ———————— Erasmus 51535), Vulgata (kritische Edition 1983), Tischendorf ( 81869–72), Luther (1545), King James (1611, Blayney Edition 1769) etc. sind in BibleWorks 7 und SESB (Stuttgarter Elektronische Bibelausgabe 3.0) gut zugänglich. 11 S CHMID, Studien II (s. Anm. 2), 28f. Zur Complutense-Gruppe gehören 36 Minuskeln, die meist vom Athos stammen. 12 S. S CHMID, Studien II (s. Anm. 2), 41 und K. ALAND / B. A LAND, Der Text des Neuen Testaments. Einführung in die wissenschaftlichen Ausgaben sowie in Theorie und Praxis der modernen Textkritik, Stuttgart 22006, 18. 13 A. REEVE (Hg.), Erasmus’ Annotations on the New Testament. Galatians to the Apocalypse. Facsimile of the Final Latin Text. With All Earlier Variants, SHCT 52, Leiden 1993, 778 zu Apk 3,7: Lorenzo Valla – der Begründer der Textkritik – ziehe in einer Variante zwar die spanische Ausgabe vor. Aber das Exemplar von Erasmus’ Edition sei überlegen; es besäße geradezu apostolisches Alter („Ne quis contemnat nostrum [exemplar], tantae vetustatis erat, ut apostolorum aetate scriptum videri posset“). Vielleicht kam Erasmus zu seiner These, weil seine Handschrift auf Hippolyt von Rom verwies (DE J ONGE, Novum Testamentum [s. Anm. 9], 409 Anm. 55). 14 Namentlich gilt das noch für die Majuskel E, auf die die Drucker schon im 16. Jh. in Zentraleuropa wie auf D Zugriff gehabt hätten (vgl. A LAND / ALAND, Text [s. Anm. 12], 4). 15 ELLIOTT , Stephanus (s. Anm. 3), 393f.
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Die großen Übersetzungen der Neuzeit, deutschsprachig am wirkungsvollsten die Luther- und die Zürcher Bibel, englischsprachig die King James Version u.a. mussten die vorhandene Textbasis benützen. Möglich war ihnen lediglich ein etwas stärkerer Rückgriff auf die Vulgata. Luther wählte diesen Weg und schuf unter Einfluss der Vulgata etwa die bis heute wirksame stilistische Vereinheitlichung der Adressen in den Sendschreiben („Und dem Engel der Gemeinde zu [...] schreibe“) gegen den Textus receptus.16 Eine explizite Auseinandersetzung darüber mit Erasmus unterließ er freilich.17 So wurde die Differenz zwischen dem griechisch edierten und dem jeweils übersetzten Text wenig bewusst. Unter einigen Änderungen setzte sich der Textus receptus bis 162418/ 1633 endgültig durch (Elzevier-Ausgabe19). Der Codex Alexandrinus (A), der zu dieser Zeit nach London gelangte (1627), beeinflusste ihn nicht mehr unmittelbar. Johann Albrecht Bengel erachtete den Andreastext, obwohl er A zur Leithandschrift aufwertete, 1734 weiterhin als qualitätvoll.20 Der Textus receptus hielt sich daraufhin bis weit ins 19. Jh. (gegen Bengels Neuedition, die Arbeiten Wettsteins und anderer). Selbst als er dann unter der Kritik zusammenbrach,21 galt die von Erasmus benützte Leithandschrift (die später nach Harburg und zuletzt von dort nach Augsburg kam) noch einige Zeit als Zeuge eines vergleichsweise guten Textes (B. F. ———————— 16 Martin Luther, Deutsche Bibel 1545 zu Apk 2,1–3,14. Zum Textus receptus s. Anm. 5. Weiteres in M. KARRER, The Angels of the Congregations in Revelation – Textual Criticism and Interpretation, im Erscheinen (2010). 17 H.-U. HOFMANN, Luther und die Johannes-Apokalypse. Dargestellt im Rahmen der Auslegungsgeschichte des letzten Buches der Bibel und im Zusammenhang der theologischen Entwicklung des Reformators, BGBE 24, Tübingen 1982, 262–265 berichtet keine Kontroverse Luthers mit Erasmus über den Textstand der Apk, vielmehr die positive Wahrnehmung des Erasmus und seiner Annotationes bes. zur Frage über den Autor der Apk (nach Erasmus und seiner Andreas-Handschrift ist das Johannes der „Theologe“, der sich vom Evangelisten unterscheiden ließ). 18 Die Änderungen zwischen Stephanus 1550 und dieser ersten Elzevierschen Ausgabe sind zu finden bei S. P. TREGELLES, Apocalypsis Iēsu Christu. The Book of Revelation in Greek. Edited from Ancient Authorities. With a New English Version and Various Readings, London 1844 und F. H. A. SCRIVENER, Hē Kainē Diathēkē. Novum Testamentum textûs Stephanici A.D. 1550. Cum variis lectionibus editionum Bezae, Elzeviri, Lachmanni, Tischendorfii, Tregellesii, Westcott-Hortii, Versionis Anglicanae Emendatorum. Accedunt parallela S. Scripturae, editio quarta ab E. Nestle correcta, London 1906. 19 Elzevier prägte 1633 durch einen Werbetext für den „textum [...] ab omnibus receptum“ den Namen „Textus receptus“ (s. ALAND / ALAND, Text [s. Anm. 12], Zitat: 14), so dass seine Edition gelegentlich Textus receptus im engeren Sinn heißt. 20 S. seine Edition(en) J. A. BENGEL, Novum Testamentum Graecum. Hē Kainē Diathēkē. Ita adornatum ut in textu medulla editionum probatarum retineatur […], Stuttgart 1734 und Tübingen 1734. 21 Seit TREGELLES, Apocalypsis (s. Anm. 18).
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Westcott / F. J. A. Hort).22 Gregory listete sie 1908 als Handschrift 1 der Apk (1r).23 So erklärt sich, dass sich auch in den Neueditionen des 19. Jh. und im Mischtext, den Eberhard Nestle 1898 aus diesen Editionen herstellte, trotz einer Abkehr vom Textus receptus etliche Relikte dieser Textform hielten. Selbst die großen Kommentatoren des frühen 20. Jh., die die Problematik erkannten, widerstanden dem Einfluss nicht ganz. W. Bousset lehnte so den Textus receptus von 22,21 (῾Η χάρις τοῦ κυρίου ἡµῶν ᾿Ιησοῦ Χριστοῦ µετὰ πάντων ὑµῶν. ἀµήν), dessen Herstellung durch Erasmus besonders dubios war, ab und vollzog trotzdem nur eine Teilrevision zu ἡ χάρις τοῦ κυρίου ᾿Ιησοῦ µετὰ πάντων τῶν ἁγίων. In der Sache näherte er sich dem byzantinischen Text, der eine alte Variante,24 indes sicher nicht den ältesten Text darbot (A und heutiger kritischer Text bieten ῾Η χάρις τοῦ κυρίου ᾿Ιησοῦ µετὰ πάντων).25 Erst J. Schmid zerstörte 1956 vollends den Ruhm der Handschrift 1r und der Complutensischen Handschriften.26 Heute wird 1r (Minuskel 2814) im Apparat der kritischen Edition (Nestle-Aland27) allenfalls noch zufällig berücksichtigt (da nicht mehr Zeuge erster oder zweiter Ordnung) und geht die bekannteste complutensische Handschrift, Minuskel 1957, im Mehrheitstext unter.27 Dennoch wäre es ein Irrtum, heute keine fragwürdigen Varianten des Textus receptus mehr zu erwarten. Die schmale Handschriftenlage bei der Apk veranlasste Schmid vielmehr, unbeschadet des Vorrangs für die alten Majuskeln, im Einzelfall jeder Handschriftengruppe zu misstrauen. Komplementär wertete er wiederholt Varianten auf, die ausschließlich in jungen Textformen begegnen. Dadurch bewahrte er die Kombination von Andreas- und byzantinischem Text, die zum Textus receptus wurde, an etlichen Stellen gegen Papyri und alte Majuskeln. Neun junge Varianten listete er
———————— 22 B. F. W ESTCOTT / F. J. A. HORT , The New Testament in the Original Greek (II), Introduction and Appendix, Cambridge/London 1882, 263: Unbeschadet vieler Mängel habe die Handschrift „a large and good ancient element“. 23 C. R. GREGORY, Die griechischen Handschriften des Neuen Testaments, Leipzig 1908, 48. 24 Die Variante ist von Oikumenios (unter Beifügung von „amen“) bezeugt (cap. XII 401, DE GROOTE, Commentarius [s. Anm. 68], 289). 25 BOUSSET , Offenbarung (s. Anm. 3), 460 mit Anm. 4 (Zitat). 26 S CHMID, Studien I 2 (s. Anm. 2), 5 zu 1 r: „Tatsächlich lässt sich zum Ruhme der Hs. wenig sagen. Sie stammt von einem wenig gebildeten und nachlässigen Schreiber“; aaO., 66 Anm. 3 zur complutensischen Gruppe: „für die Textkritik gänzlich wertlos(en)“. 27 Nestle-Aland27 , 713 bzw. (in neueren Drucken) 714.
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selbst als „ursprünglichen Text“ gegen die alten Handschriften;28 sie alle finden sich in Nestle-Aland27 wie im Stephanustext von 1550. Tabelle 1: Entscheidungen Schmids für junge Varianten mit Folge der Kontinuität Textus receptus – Nestle-Aland 27
1,11
Stephanus 1550 / Nestle-Aland27 Λαοδικείαν
3,14
Λαοδικεία
4,3
ἶρις
4,4
ἐπὶ τοὺς θρόνους εἴκοσι τέσσαρας πρεσβυτέρους ὁ θάνατος (mit Artikel)
Stelle
6,8
9,10
ὁµοίας
19,18
ἐπ᾿ αὐτῶν
20,11
ἐπ᾿ αὐτόν
21,12
ἐπὶ τοῖς πυλῶσιν
Hinweis Alle alten Handschriften bieten die itazistische Nebenform Λαοδικια(ν). Schmid postuliert die klassische Schreibung des Textus receptus als (verlorenen) ältesten Text.29 Nestle-Aland27 folgt Schmid gegen den älteren Nestle-Text.30 *אund A haben ιερεις, was den Sinn gravierend ändert („Priester“ statt „Iris“ des Textus receptus). A bietet eine andere Wortfolge, *אdie Auslassung von ἐπὶ τοὺς θρόνους εἴκοσι τέσσαρας; die Variante (Schmid / Textus receptus) kann durch 11,16 beeinflusst sein.31 in אund C fehlt der Artikel, A bietet ἀθάνατος (der vierte Reiter heiße „unsterblich“); die Entscheidung für θάνατος mit Artikel erfolgt stilistisch (vgl. 1,18). Stilistische Entscheidung gegen ὁµοίοις der Haupthandschriften (dort Attraktion zum folgenden σκορπίοις). אαὐτοῖς, A αὐτούς; zu ἐπ᾿ αὐτῶν führt die stilistische Entscheidung, ἐπί werde in der Apk mit dem Kasus des vorangehenden Partizips καθηµένων konstruiert.32 אἐπάνω αὐτοῦ, A ἐπ᾿ αὐτοῦ; zu ἐπ᾿ αὐτόν führt die stilistische Entscheidung, ἐπί werde in der Apk mit dem Kasus des vorangehenden Partizips καθήµενον konstruiert.33 אἐπὶ τοὺς πυλῶνας (in A Auslassung); Bevorzugung des Dativs aus stilistischen Gründen.
———————— 28 S CHMID, Studien II (s. Anm. 2), 146 (Zitat) und 146f. Anm. 1 (Liste) in Verbindung mit 84 (dort Nennung von 20,11). 29 Nach seiner Ansicht (S CHMID, Studien II [s. Anm. 2], 189f.), weil die klassische Form für die Zeit vor den Handschriften zu rekonstruieren sei (dies analog auch bei Philadelphia). 30 Ich benütze die Ausgabe von 1906 (E. N ESTLE, Novum Testamentum Graece et Germanice. Das neue Testament Griechisch und Deutsch. Der griechische Text mit abweichenden Lesarten aus Handschriften und Ausgaben, der deutsche nach der durchgesehenen Ausgabe von Luthers Übersetzung, verglichen mit Luthers letzter Ausgabe von 1545, Stuttgart 51906) z.St. zum Vergleich. Sie ist im Internet unter http://www. archive.org/stream/novumtestamentu02nestgoog#page/n1352/mode/1up zugänglich (geprüft am 6.1.2009). 31 S. M. KARRER, Rupert von Deutz und die Textgeschichte der Apk, erscheint in: R. KLOTZ (Hg.), „Tot sacramenta quot verba“ (Arbeitstitel), voraussichtlich Münster 2010, z.St. 32 S CHMID, Studien II (s. Anm. 2), 81.210f.; αυτους in der Liste 144 Anm. 1 ist missverständlich. 33 S CHMID, Studien II (s. Anm. 2), 82.210f.
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Auffällig viele Entscheidungen betreffen dabei die Stilistik der Apk, nämlich die Namenschreibung (1,1; 3,14), die Wortfolge (4,4), den Artikelgebrauch (6,8), den Umgang mit Attraktionen (9,10) und die Konstruktion von Präpositionen (19,18; 20,11; 21,12). Der ungewöhnliche Stil der Apk stellt die Textherstellung seit Erasmus – wie wir nun zum wiederholten Male sehen – vor große Probleme, und unbeschadet wichtiger Untersuchungen34 fällt es den Editoren bis zur Gegenwart gerade hier schwer, den alten Handschriften den Vorzug vor stilistischer Vereinheitlichung zu geben. Die semantische Schlüsselentscheidung in 4,3 vollzog Schmid knapp und apodiktisch. Im Hintergrund der Varianten steht ein Itazismus, der sich etwas leichter von ιερεις zu ιρις als umgekehrt auflösen lässt. Trotzdem notierte er kurz „ιερεις ist bloßer Schreibfehler, und Αν K [Andreas- und byzantinischer Text] haben den ursprünglichen Text“.35 Inzwischen vertieft die Forschung diese Richtung des Itazismus gelegentlich historisch und vermutet, ἱερεῖς spiegle den Brauch des 4. Jh. und namentlich in Nicäa, kirchliche Amtsträger zu den Seiten des kaiserlichen Throns aufzureihen.36 Falls eine solche Beziehung herzustellen ist, ließe sich freilich auch eine umgekehrte Relation sehen. Denn Konstantin versuchte laut Eusebs vita Constantini (III 10), seinem Auftreten himmlischen Glanz zu geben. Deshalb könnte er die Szenerie (Leuchten und Edelsteinschmuck des Herrschers, Thron, umgeben von Amtsträgern) frei an die Motivik der Apk angelehnt haben. So oder so expliziert Eusebs Text den Bezug auf die Apk nicht, was vor zu kühnen Schlüssen warnt. Damit bleibt die Handschriftenlage maßgeblich. Sie aber spricht für ἱερεῖς (s. neben *אund A bes. die wertvolle Minuskel 2329): Alle griechischen Zeugen für die Iris sind jünger, angefangen beim nicht identifizierbaren Korrektor37 des Sinaiticus, der das erste ε in ἱερεῖς löschte38 und damit eine Äquivalenz zum Lehnwort „iris“ der altlateinischen Übersetzungen39 schuf (seine Vorlage wäre der Andreas- oder ———————— 34
Bis heute wichtig sind neben Schmid etwa die Stiluntersuchungen bei R. H. CHARLES, A Critical and Exegetical Commentary on the Revelation of St. John. With Introduction, Notes and Indices, also Greek Text and English Translation, 2 Bde., ICC, Edinburgh 1920, Bd. I, cxvii–clix, und die grammatischen Erörterungen von G. M USSIES, The Morphology of Koine Greek as Used in the Apocalypse of St. John. A Study in Bilingualism, NT.S 27, Leiden 1971. S. außerdem bes. AUNE, Revelation (s. Anm. 3), clx– ccvii (umfangreiche Lit.). 35 S CHMID, Studien II (s. Anm. 2), 73. 36 P ARKER, Introduction (s. Anm. 2) z.St. 37 Die digitale Sinaiticus-Edition schreibt z.St. „corr“. 38 Er las also ι-ρεις (itazistische Endung); die Genese aus ἱερεῖς bleibt damit in der Korrektur erkennbar. 39 Vetus Latina SV „iris“, I „yris“, C „arcus“: s. G RYSON, Apocalypsis (s. Anm. 3), 246 z.St.
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Koine-Gruppe Schmids zuzuweisen). ἱερεῖς ist darum als ursprüngliche Lesart zu erwägen.40 Schmid favorisierte zusätzlich Varianten, die sich noch schwächer allein in Andreas- oder allein in byzantinischem Text fanden. Z.B. wollte er 20,9 gegen den älteren Nestle-Text (1906) zur Langform πῦρ ἐκ τοῦ θεοῦ ἀπὸ τοῦ οὐρανοῦ aus dem Andreastext rückrevidieren oder 5,4 mit καὶ ἐγώ beginnen.41 Das setzte er nicht durch. An beiden genannten Stellen ist heute (in Nestle-Aland27) der Textus receptus verlassen. Tabelle 2: καλούµενος in Apk 19,11 Stephanus (Textus receptus) / Nestle-Aland27 Stephanus καλούµενος πιστὸς καὶ ἀληθινός Nestle-Aland27 [καλούµενος] πιστὸς καὶ ἀληθινός
Bezeugung
Varianten der Haupthandschriften Stephanus folgt dem byzantini- אπιστὸς schen Mehrheitstext und einer καλούµενος καὶ ἀληθινός Anregung der Vulgata.42 Der Andreastext (Minuskel 2814 = A πιστὸς καὶ Hs. 1r etc.) enthält καλούµενος ἀληθινός nicht. Nestle-Aland27 hält beide in C hiatus Möglichkeiten offen.
Vorschlag Schmid
Byzantinischer Mehrheitstext (Textus receptus)43
Umgekehrt reicht die Nachwirkung des Textus receptus über Schmids besprochene Liste hinaus, gegebenenfalls mit vorsichtiger Einschränkung. Nennen wir dafür 19,11 (Tabelle 2): Nestle-Aland27 und Greek New Testament setzen das seit Stephanus gepflegte und von Schmid favorisierte καλούµενος in eckige Klammern, über das Andreas- und byzantinischer Text auseinandergehen. B. M. Metzger forderte im „Textual Commentary“ zusätzlich die Umstellung des Wortes gemäß אhinter πιστός.44 Die heutige Ausgabe hält gegen den Einspruch Metzgers der Wortstellung des Textus receptus gegen אdie Treue.
———————— 40 41 42 43
S. KARRER, Text (s. Anm. 3). Auch diese Vorschläge listet S CHMID, Studien II (s. Anm. 2), 146f. Anm. 1 auf. Dort „vocabatur Fidelis et Verax vocatur“. SCHMID, Studien II (s. Anm. 2), 130. Die Wortfolge von אbezeichnet er dort als sekundär. 44 METZGER, Textual Commentary (s. Anm. 8), 685f.
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Tabelle 3: πίνειν, πίπτειν oder ποτίζειν in Apk 18,3 Stephanus (Textus receptus) / Nestle-Aland27 Stephanus πέπωκεν, NestleAland27 πέπωκαν (πάντα τὰ ἔθνη); Perfekt zu πίνειν
Bezeugung
Singular in vielen Andreas-Handschriften,45 Plural in Minuskel 2329 und wenigen weiteren Zeugen46
Variante der Haupthandschriften πεπτώκα(σι)ν אA C und die Mehrzahl der weiteren Zeugen; Perfekt zu πίπτειν
Vorschlag Schmid
πεπότικεν in Parallele von 14,8, angelehnt an die (wie Schmid sagt) „treffliche Konjektur“ junger Minuskeln47 und sy
Am fraglichsten ist die heutige Edition von 18,3. Das einstige πέπωκεν, alle Völker „tranken” (Singular des Verbs wegen des Bezugs auf ein Neutrum), des Textus receptus war dort zu schlecht bezeugt, um es aufrecht zu erhalten (es ist Andreastext). Schmid war aber nicht bereit, zum hervorragend bezeugten Verb πίπτειν der Haupthandschriften zu wechseln, das den Sinn gravierend änderte (alle Völker wären nun aufgrund des Weins Babylons „gefallen“). Er schlug deshalb das alternative Verb ποτίζειν („trunken machen“) vor, das er in einzelnen Minuskeln und dem syrischen Text als Abgleichung zu 14,8 entdeckte. Sein Vorschlag überzeugte den Editorenkreis des Greek New Testament / Novum Testamentum Graece nicht (eine einer Konjektur nahe kommende Lesart bedürfte stärkerer Gründe). Doch auch dieser Kreis wagte keine Kehrtwende gegenüber der vertrauten Deutungstradition. Er wählte, um den alten Textus receptus zu vermeiden, den Plural πέπωκαν, die schlechtest bezeugte Variante der Stelle (s. Tabelle 3),48 eine stilistische Änderung (Plural des Verbs bei Neutrum Plural) gegen die klassisch geforderte Form. Der derzeitige kritische Text (πέπωκαν Nestle-Aland27) muss hier sogar als schlechter bezeugt gelten als der alte Textus receptus. Spätestens diese Beobachtung enthüllt, wie unvollendet die im 19. Jh. begonnene Korrekturarbeit ist. Letztlich sind alle jungen Lesarten der Apk im heutigen Obertext der kritischen Edition (Greek New Testament / Nestle-Aland27) neu zu kontrollieren. Besonders auf den Prüfstand gehören stilistische Entscheidungen; der Freiraum für Editoren wird bedenklich groß, wenn stilistische Erwägungen das Zeugnis alter Handschriften überwiegen dürfen. Zugleich muss sich die Textkritik vom Einfluss vertrauter ———————— 45 46
S. SCHMID, Studien I 1 (s. Anm. 2), 193 z.St. S. die Angaben bei H OSKIER, Text (s. Anm. 1), z.St., im Apparat von NestleAland27 und bei METZGER, Textual Commentary (s. Anm. 8), 683. 47 S CHMID, Studien II (s. Anm. 2), 141–143, Zitat 142. 48 Immerhin unter Bedenken (Kategorie {D} der Entscheidung): s. M ETZGER, Textual Commentary (s. Anm. 8), 683. Die wichtigsten Argumente waren nach dortiger Angabe die Bildlichkeit und der Kontext der Passage.
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Deutungstraditionen befreien; ungewohnte Varianten verdienen Aufmerksamkeit (z.B. ἀθάνατος 6,8 A), und gravierende inhaltliche Änderungen aufgrund des Gewichts der alten Handschriften sind offen zu halten (4,3; 18,3).
2 Die schwierige Quellenlage Die Besonderheiten der Überlieferung und insbesondere die Handschriften selbst rücken damit in den Mittelpunkt des Interesses. Ihre Erschließung schritt gut voran, seit Frederick H. A. Scrivener die Forschung in der Mitte des 19. Jh. durch die Feststellung aufrüttelte „the text of the Apocalypse is less satisfactorily represented in our printed editions than that of any other part of the New Testament“.49 Dennoch sind beträchtliche Einschränkungen zu notieren, beginnend bei der Edition der Leithandschriften im 19. Jh.: Der Apk-Text des Codex Ephraemi rescriptus (C) wurde 1843 durch K. von Tischendorf erschlossen,50 allerdings zugleich (oder vielleicht schon zuvor) durch Chemikalien beschädigt. Ein Jahrhundert später nahm R. W. Lyon einige Korrekturen vor,51 ohne die Zerstörungen voll ausgleichen zu können. Seine Emendationen sind nicht durchwegs gesichert und vielleicht unvollständig (die Zuweisung zu Korrektoren und anderes sind nicht klar erkennbar).52 Desgleichen bedarf die gelegentliche These, eine vom übrigen Codex zu unterscheidende Hand habe den Text der Apk geschrieben, der Überprüfung.53 Heutige technische Mittel würden voraussichtlich Fortschritte in der Entzifferung erlauben. Doch unterblieb bislang die Anwendung. Insofern befriedigt der Editionsstand nicht. Nicht durch Zufall ist der Codex im Apparat der kritischen Ausgaben unterrepräsentiert (Nestle———————— 49 F. H. A. S CRIVENER, An Exact Transcript of the Codex Augiensis, a Graeco-Latin Manuscript of St. Paul’s Epistles, Deposited in the Library of Trinity College, Cambridge. To which is added a Full Collation of 50 Manuscripts Containing Various Portions of the Greek New Testament in the Libraries of Cambridge, Parham, Leicester, Oxford, Lambeth, the British Museum, and with a Critical Introduction, Cambridge 1859, lxxviii. 50 K. VON TISCHENDORF, Codex Ephraemi Syri Rescriptus sive fragmenta Novi Testamenti e codice Graeco Parisiense celeberrimo quinti ut videtur post Christum seculi. Leipzig 1843. 51 R. W. LYON, A Re-Examination of Codex Ephraemi Rescriptus, St. Andrews 1958 (unpublished thesis, Univ. of St. Andrews); DERS., A Re-Examination of Codex Ephraemi Rescriptus, NTS 5 (1959), 260–272. 52 Harte Kritik bei D. C. P ARKER, The Majuscule Manuscripts of the New Testament, in: B. D. Ehrman / M. W. Holmes (Hg.), The Text of the New Testament in Contemporary Research. Essays on The Status Quaestionis (FS Bruce M. Metzger), StD 46, Grand Rapids 1995, 22–42, hier 36. 53 P ARKER, Introduction (s. Anm. 2), 235.
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Aland27 bietet eine problematisch schmale Auswahl; in die New Testament Transcripts soll C immerhin in nächster Zeit eingestellt werden). Der Alexandrinus (A) wurde 1850 durch Karl Lachmann in den Apparat seiner Textausgabe eingeführt.54 Anders als bei C war eine Faksimile- und photographische Edition möglich und das Manuskript gut lesbar.55 Trotzdem sind zwei Einschränkungen zu notieren. Zum einen interessierte die Abhebung der Korrektoren zunächst wenig.56 Hoskier übersah sie oft (am gewichtigsten in Apk 22,18), so dass seine gleich zu besprechende Kollation nur unter Vorbehalt benützbar ist.57 Zum anderen ignorierte die Forschung bis in jüngste Zeit das differenzierte Gliederungssystem von A mit Haupt- und Unterabschnitten, das – zusammen mit den weniger ausgeführten, gleichfalls bislang unbearbeiteten Gliederungen der anderen Codices (א, C) – einen erheblichen Fortschritt für die Strukturierung der Apk in Editionen verspricht.58 Eine Aufnahme des Alexandrinus (und ebenso der anderen Hauptcodices) mit den heutigen Möglichkeiten wäre zu wünschen, um dieses Potential voll auszuschöpfen. Tabelle 4: Apk 10,1 Nestle-Aland27
Sinaiticus
Alexandrinus
Weitere Zeugen
ἡ ἶρις (Variante θρίξ im Apparat nicht angegeben)
*אἡ θρίξ אca (in NT Transcripts c2) ἶρις
ἡ ἶρις
C ἡ ἶρις Artikel erkennbar in p47 und p115, aber Nomen dort verloren
———————— 54
K. LACHMANN, Novum Testamentum Graece et Latine, Berlin 1850 (ed. P. Bultmann, Cambridge Library Collection, Cambridge 2010). 55 E. M. THOMPSON (Hg.), Facsimile of the Codex Alexandrinus, 4 Bde. (NT = Bd. IV), London 1879–1883; F. G. KENYON (Hg.), The Codex Alexandrinus (Royal MS. 1 D V–VIII) in Reduced Photographic Facsimile. Bd. V: New Testament and Clementine Epistles, With Introduction, London 1909. Das Faksimile wird elektronisch vom Center for the Study of New Testament Manuscripts bereit gestellt (http://www.csntm.org/ Manuscript/View/GA_02; Abruf: 7.11.2009). 56 Deshalb gibt es kleine Unsicherheiten, die meist den Sinn nicht berühren: s. z.B. die Schreibung von βιβλαρίδιον Apk 10,2. 57 A* hat dort den Kurztext, wenn jemand etwas den Worten der vorliegenden Schriftrolle hinzufüge, werde Gott (ὁ θεός) die Plagen aus der Schriftrolle zufügen. Erst eine junge Korrektur (wahrscheinlich nach 1633) erweitert den Text zu ὁ θεὸς ἐπ᾿ αὐτῷ, d.h. dazu, Gott werde speziell „ihm“ (!) = dem Menschen, der die Worte der Apk erweitert, die Plagen zufügen (M. S IGISMUND, Schreiber und Korrektoren in der Apokalypse des Codex Alexandrinus, in: ders. / S. KREUZER / M. KARRER [Hg.], Von der Septuaginta zum Neuen Testament. Textgeschichtliche Erörterungen, ANTT 43, Berlin 2010.) Die New Testament Transcripts (http://nttranscripts.uni-muenster.de, abgerufen am 4.1.2009) bezeichnen den Vorgang genauer als Nestle-Aland27, doch die Datierung des Korrektors bedarf weiterer Untersuchung am Codex selbst. 58 Erste Hinweise zu A, אund C bei J. Oesch, Die grafischen Textgliederungen der Johannesoffenbarung in den ältesten griechischen Bibelhandschriften, zum Erscheinen vorgesehen in: K LOTZ (Hg.) „Tot sacramenta quot verba“ (s. Anm. 31).
Der Text der Johannesapokalypse
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Die Entdeckung des Codex Sinaiticus ( )אvervollständigte die Trias der seitherigen Leithandschriften der Apk (Tischendorf 186259). Dank der neuerdings vorliegenden digitalen Edition ist dieser Codex am besten erschlossen (die Gliederungsmerkmale werden in der Transkription hoffentlich demnächst nachgetragen). ca (= c2), der wichtigste Korrektor, wird sich deshalb in Zukunft wahrscheinlich wie ein eigenständiger Zeuge erschließen lassen (und neben ihm wären S1, cc und d zu untersuchen).60 Zudem sind gelegentlich eine Verlesung in den New Testament Transcripts61 und unvollständige Angaben in Nestle-Aland27 zu korrigieren. Nennen wir die Beschreibung des gewaltigen Engels in Apk 10,1: Nestle-Aland27 notiert zwar die Auslassung des Artikels vor ἶρις (der Erwähnung des Regenbogens auf dem Haupt des Engels) durch einen Korrektor (nach der digitalen Edition ca), aber nicht die Lesart θρίξ (Haar) der ersten Hand, die einen Bezug zum Haar (θρίξ) des Menschensohnes von 1,14 herstellt. Viel spricht dafür, dass die Lesart der ersten Hand sekundär ist (s. ἶρις in A, C, Andreastext usw.)62 und ca (5.–7. Jh.) eine bessere Handschrift zur Korrektor benützt. Aber gerade dann ist die Differenzierung signifikant: Sie macht auf die text- und auslegungsgeschichtliche Besonderheit der ersten Hand63 und die Relation von ca zu anderen Textformen (AC oder Andreas)64 aufmerksam. Die kritische Ausgabe müsste die Variante außerdem erwähnen, weil *אdank ihrer weder in 4,3 noch an unserer Stelle ἶρις enthält. Die Neuerkenntnisse zum Sinaiticus unterstreichen, wie wichtig eine Digitalisierung von C und A mit den heutigen technischen Möglichkeiten (Infrarot-, Standard- und Seitenlicht) wäre, zumal der Rang dieser drei Handschriften von keiner weiteren Entdeckung mehr übertroffen wurde. Der schon von von Tischendorf veröffentliche Porphyrianus (P 025) erwies ———————— 59 K. v. TISCHENDORF, Bibliorum Codex Sinaiticus Petropolitanus. Auspiciis Augustissimis imperatoris Alexandri II. ex tenebris protraxit in Europam transtulit ad iuvandas atque illustrandas sacras litteras, 4 Bde. (Bd. 4 = NT), St. Petersburg/Leipzig 1862. 60 Zu Schreiber und Korrektoren vgl. D. J ONGKIND, Scribal Habits of Codex Sinaiticus, TaS.TS 5, Piscataway, NJ 2007, 9–17. 61 אc2 enthält in 1,19 den Itazismus γεινεσθαι. Dieser wird standardmäßig zu γινεσθαι regularisiert. אc2 muss deshalb für γινεσθαι gebucht werden (wie in Nestle-Aland27 geschehen), nicht für γενεσθαι, wie in den New Testament Transcripts zur Stelle (http:// nttranscripts.uni-muenster.de, abgerufen am 4.1.2009) vorübergehend vorgeschlagen. 62 „iris“ auch in den meisten Gruppen der Vetus Latina z.St. (G RYSON, Apocalypsis [s. Anm. 3], 405). 63 Im 3. Jh. begann die Identifizierung des Engels mit dem Menschensohn von Kap. 1 (s. Victorinus z.St.), so dass eine sekundäre Beeinflussung des Sinaiticustextes durch 1,14 gut denkbar ist: s. HERNÁNDEZ, Codex Sinaiticus (s. Anm. 3), z.St. 64 Die besondere Bedeutung von ca wird derzeit nicht zuletzt dank der Tätigkeit dieses Korrektors im LXX-Teil entdeckt (durch Beiträge auf der Sinaiticuskonferenz London 2009, deren Veröffentlichung ansteht). Wir kommen unter III auf ihn zurück.
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Martin Karrer
sich von minderer Qualität (10., manche meinen 9.Jh.; Andreas-Textgruppe, vielleicht mit einer unterliegenden, zu A verwandten Schicht),65 ebenso die wenigen weiteren danach bekannt werdenden Majuskeln der Apk: zum einen Handschriftenfragmente des 4.-5. Jh. (0163, 0169, 0207), zum anderen die Majuskeln 0229 (8. Jh.), 046, 051 und 052 (alle drei 10. Jh.). Neben den großen Kommentatoren (Bousset und Charles)66 sammelte H. C. Hoskier im frühen 20. Jh. die Manuskripte und suchte ihre Erweiterung. Ein wichtiger Schritt dazu war die Edition des ältesten erhaltenen griechischen Kommentars mit dem Apk-Text, des Oecumenius 1928.67 Bereits hier zeigte Hoskier allerdings Schwächen. Anders als F. Diekamp, der seit 1901 die Edition vorbereitete, aber verzögerte, da ihm die wichtigste Handschrift fehlte, begnügte er sich mit dem leicht zugänglichen Material und edierte es rasch, damit ohne Scheu vor Flüchtigkeiten. Die Rezensenten bemängelten das umgehend. Inzwischen erwies sich eine vollständige Neuedition erforderlich, die de Groote 1999 vorlegte.68 1929 gab Hoskier69 seine Kollation der ihm bekannt gewordenen 252 Apk-Handschriften heraus. Sie ist bis heute Basis der Editionsarbeit und unersetzt, obwohl sie eine Fülle von Problemen bietet: Hoskier verwendete ein unübliches Zählsystem und beging in der von ihm nachgetragenen Konversionstabelle (II 11–21) eine Reihe von Flüchtigkeiten; seine Tabelle musste bis in jüngste Zeit mehrfach überarbeitet werden (bes. Elliott, Aune).70 Kommentarhandschriften hob er nicht zureichend ab (besonders beschwerlich bei Handschriften des Andreaskommentars, die sich spätestens seit Bengel als Textgruppe abzeichneten).71 An die 145 seiner Datierungen waren vorläufig (und sind inzwischen überholt).72 Er machte keinen Hehl daraus, dass er bereit war, die Apk aktualisierend zu deuten und spirituelle Erfahrungen in seiner Texterkenntnis (bis in die Kollation) zu würdigen (s. ———————— 65 K. VON TISCHENDORF, Monumenta sacra inedita. Nova collectio, Bde. V–VI, Leipzig 1865/1869 und die Forschung bis P ARKER, Introduction (s. Anm. 2), 240. 66 BOUSSET , Offenbarung (s. Anm. 3), 148–159; C HARLES, Commentary (s. Anm. 34), Bd. I, bes. c–cxc. 67 H. C. HOSKIER, The Complete Commentary of Oecumenius on the Apocalypse. Now Printed for the First Time from Manuscripts at Messina, Rome, Salonika and Athos, UMS.H 23, Ann Arbor 1928. 68 Edition: M. DE GROOTE (Hg.), Oecumenii commentarius in Apocalypsin, TEG 8, Leuven 1999 (zur Bewertung Hoskiers 1–8); Index: M. DE GROOTE (Hg.), Index Oecumenianus – Wortindex zum Apokalypsekommentar des Oecumenius, Alpha – Omega; Reihe A, Lexika, Indizes, Konkordanzen zur klassischen Philologie 223, Hildesheim 2001. 69 HOSKIER, Text (s. Anm. 1). 70 ELLIOTT , Manuscripts (s. Anm. 3); DERS., Distinctiveness (s. Anm. 3); AUNE, Revelation (s. Anm. 3), cxl–cxlviii. 71 Die Liste bei AUNE, Revelation (s. Anm. 3) trägt die Zuordnung zu den Kommentaren konsistent nach. 72 So die Überprüfung durch BEALE, Revelation (s. Anm. 3), 73.
Der Text der Johannesapokalypse
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bes. I ix und xxxviii, II 575 zu 21,4).73 Die Vorlagen, die er benützte, waren nicht immer valide, und eigene Flüchtigkeiten oder Missverständnisse kamen (wie bei der Oecumenius-Edition) hinzu. Schmid, der 1955 den Andreaskommentar grundlegend neu edierte,74 musste darum unzuverlässige Angaben bei den Andreashandschriften und Kirchenväterzitaten bemängeln,75 Gryson solche für die altlateinischen Handschriften und anderen Versionen.76 Das griechische Material jenseits des Oecumenius (mit der Kritik de Grootes) und Andreas ist zwar noch nicht geprüft, aber Bedenken sind angezeigt (vgl. oben zu den Korrekturen in A). Gryson würde schärfer sagen: „Si l᾽auteur a traité les témoins grecs avec la même légèreté que les latins, sans parler des versions orientales, y a vraiment quoi de s᾽inquiéter.“77 Nach Hoskier kamen ca. 50 bis 60 Apk-Handschriften hinzu, die meisten von ihnen mittelalterlich, so dass die Vermehrung des relevanten Materials nicht ganz so erheblich ist.78 Die Funde bis in die 50er Jahre (p47 etc.) und die Andreashandschriften (mit etwa 80 Minuskeln eine sehr große Handschriftengruppe) erschloss Schmid sorgfältig. Etwa 3079 Handschriften, darunter neben vielen späten Zeugen belangreiche neue Papyri (p85, p98 und p115), waren ihm noch nicht bekannt. Deren relevanteste, die Papyri, sind inzwischen in die New Testament Transcripts integriert, wenn auch in der Regel noch ohne Fotos. Die Handschriftenlage hat sich damit erheblich verbessert. Alte Handschriften der Apk bleiben, verglichen mit anderen neutestamentlichen Schriften, trotzdem rar. Deshalb kommt den Übersetzungen der Apk, die – namentlich ins Lateinische – sehr früh begannen, und den Kommentaren größere textgeschichtliche Bedeutung zu als bei den anderen neutestamentlichen Schriften. Wir beziehen sie in die Übersicht über die Überlieferung bis zum 6./7. Jh. in Tabelle 5 ein.
———————— 73 P ARKER, Introduction (s. Anm. 2) stellt daher fest „Hoskier’s abilities as a critic were not great“ (230) und fragt: „Was he serious?“ (231). 74 S CHMID, Studien I 1 (s. Anm. 2), 1955. 75 S. z.B. S CHMID, Studien I 2 (s. Anm. 2), 6 mit Anm. 3 (Liste der Corrigenda) zu 1 r und II 166 (anlässlich des Methodios von Olympos). 76 GRYSON, Apocalypsis (s. Anm. 3), 93. 77 GRYSON, Apocalypsis (s. Anm. 3), 93. 78 BEALE, Revelation (s. Anm. 3), 73–75. 79 Zahl nach Auskunft des INTF (Institut für Neutestamentliche Forschung) Münster (Klaus Wachtel).
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Martin Karrer
Tabelle 5: Die Überlieferung der Apk bis zum 6./7. Jh.80 Manuskript / Manuskriptgruppe (kursiv die bei Schmid noch nicht berücksichtigten Papyri) p98
Datum
Inhalt
Kategorie
2., spätestens Anfang 3. Jh. ab spätem 2. Jh.
1,13–2081
I
p47
3. Jh.
p115
3./4. Jh. (weniger wahrscheinlich 3. Jh.) 3./4. Jh. ab Viktorin von Pettau (+ 304) erhalten 4. Jh. 4. Jh. 4. Jh. 4. Jh.
9,10–17,2 mit lacunae82 2,1–15,7 mit erheblichen lacunae und Beschädigungen83 1,4–7
Zitation in altkirchlicher Literatur
p18 lateinische Kommentarliteratur p24 א 0169 0207
5,5–8; 6,5–8 vollständig 3,19–4,3 9,12–15
relevant zur zeitlichen Einordnung von Varianten I I
I Vetus LatinaVarianten von hohem Rang I I III III
———————— 80 Angabe der Handschriften nach derzeitigem Stand (über AUNE, Revelation [s. Anm. 3], cxxxix und den Anhang in Nestle-Aland27, 689 [in jüngeren Drucken 690] hinaus ist p115 hinzugekommen), Angabe der Kategorien nach ALAND / ALAND, Text (Anm. 12), 167f. (vgl. Nestle-Aland27, 3*–6*.46*–48*) und BEALE, Revelation (s. Anm. 3), 70, nach gegenwärtigem Stand vervollständigt (bei Beale noch nicht berücksichtigt p98 und p115). 81 Untersuchung bei D. HAGEDORN , P.IFAO II 31: Johannesapokalypse 1,13–20, ZPE 92 (1992), 243–247 (http://www.uni-koeln.de/phil-fak/ifa/zpe/downloads/1992/092 pdf/092243.pdf, abgerufen am 19.12.2009). Der Papyrus enthält auf der Gegenseite (recto) Reste einer Urkunde von anderer Hand, stellt also wahrscheinlich eine private Abschrift des Anfangs der Apk (die fehlenden vorangehenden Verse passen gut in eine rekonstruierbare Kolumne) dar. Die Schrift ist spätestens frühes 3. Jh., die des recto Ende 1. bis 2. Jh. Hagedorn folgert 244, „daß das 2. Jh. als Datum für die Niederschrift des Texts des Verso durchaus plausibel ist.“ 82 Genauerhin 9,10–11,3; 11,5–16,15; 16,17–17,2. 83 Genauerhin 2,1–3.13–15.27–29; 3,10–12; 5,8–9; 6,4–6; 8,3–8; 8,11–9,5; 9,7–16; 9,18–10,4; 10,8; 11,5.8–15; 11,18–12,6.9–10.12–17; Vgl. P. M. H EAD, Some Recently Published NT Papyri from Oxyrhynchus. An Overview and Preliminary Assessment, TynBul 51 (2000), 1–16; D. C. P ARKER, A New Oxyrhynchus Papyrus of Revelation: P115 [P.Oxy. 4499], NTS 46 (2000), 159–174 und die weitere in den New Testament Transcripts (http://nttranscripts.uni-muenster.de) genannte Literatur.
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Der Text der Johannesapokalypse koptische Übersetzung(en)84 p85 A C
0163 syrische Übersetzung armenische Übersetzung
ab 4. Jh.;85 ältestes Ms. sa 519, 4.–6. Jh.86 4./5. Jh. 5. Jh. 5. Jh.
sa 519 enthält 1,15– 10,4; 1,17–22,21 mit Lücken
noch unbefriedigend erschlossen
9,19–10,1; 10,5–9 vollständig 1,2–19,5 mit erheblichen Lücken88
5. Jh. Philoxeniana 50890 (die Harklensis folgt 616)91 zurückgehend wohl bis ins 6. Jh.
16,17–20 vollständig
II87 I II;89 Aufwertung zu I für die Apk steht an III noch unbefriedigend erschlossen schlechter Erhaltungszustand92
———————— 84 G. HORNER, The Coptic Version of the New Testament in the Northern Dialect Otherwise Called Memphitic and Bohairic, with Introduction Critical Apparatus and Literal English Translation, Oxford 1898–1905 (Apk in Vol. 4 The Catholic Epistles and the Acts of the Apostles: Edited from Ms. Oriental 424. The Apocalypse, Edited from Ms. Curzon 128 in the Care of the British Museum, 1905); D ERS., The Coptic Version of the New Testament in the Southern Dialect Otherwise Called Sahidic and Thebaic with Critical Apparatus, Literal English Translation, Register of Fragments and Estimate of the Version, London 1911–1924 (Apk in Vol. 7 The Catholic Epistles and the Apocalypse, 1924). 85 Nach AUNE, Revelation (s. Anm. 3), clv sogar 3. Jh. 86 K. S CHÜSSLER, Biblia Coptica. Die koptischen Bibeltexte. Das sahidische Alte und Neue Testament. III 1, Wiesbaden 2001, 100–104. Die Ausgabe durch H. GOUSSEN, Apocalypsis s. Johannis apostoli versio sahidica, Leipzig 1895 ist unzureichend. 87 Edition: J. S CHWARTZ, Papyrus et tradition manuscrite, ZPE 4 (1969), 178–182. Weitere Lit. in den New Testament Transcripts http://nttranscripts.uni-muenster.de/Ana Server?NTtranscripts+0+start.anv (abgerufen 19.8.2010). 88 Genauerhin fehlen: 1,1–2; 3,20–5,14; 7,14–17; 8,5–9,16; 10,10–11,3; 16,13–18,2; 19,5–22,21. 89 ALAND / ALAND, Text (s. Anm. 12), 118.168; B EALE, Revelation (s. Anm. 3), 70. 90 Druck einer Handschrift: J. G WYNN, The Apocalypse of John in a Syriac Version, 1897, repr. Amsterdam 1981. 91 A. VÖÖBUS, The Apocalypse of the Harklean Version. A Facsimile Edition of MS, CSCO 400, Louvain 1978; I. R. BEACHAM, The Harklean Syriac Version of Revelation. Manuscripts, Text and Methodology of Translation from Greek, PhD University of Birmingham 1990 (unpublished). 92 Die Rekonstruktion der alten Übersetzungen (nach Conybeare gab es eine im 5., eine im 8.Jh.) muss aus den zahlreichen Zitaten bei armenischen Autoren erfolgen. F. C. CONYBEARE, The Armenian Version of Revelation Cyril of Alexandria᾽s Scholia, London 1907; SCHMID, Studien I 2 (s. Anm. 2), 111; J. MOLITOR, Zum Textcharakter der armenischen Apokalypse, OrChr 56 (1972), 45f.
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OecumeniusKommentartext
1. Hälfte 6. Jh.93
vollständig
AndreasKommentartext p43 äthiopische Übersetzung97
vor 614
vollständig
6./7. Jh. zwischen 550 und 650
2,12–13; 15,8–16,2 vollständig
min. 2053 (de Groote M) und 2062 (de Groote V) I,94 min. 1678 (P) und 1778 (B) auf einen zweiten alten Oecumenius-Texttyp zurückgehend95 III/V96 II nur an wenigen Stellen relevant
Diese Überlieferung spiegelt die eigentümliche Rezeptionsgeschichte der Apk. Ihre Wirkung war im 2. und frühen 3. Jh. hoch. Nach der Erinnerung des Andreas von Caesarea benützte schon Papias sie (spätestens 130 n.Chr.), was gut denkbar ist, da Papias in der Adressatenregion der Apk (in Hierapolis nahe Laodikeia) lebte.98 Danach gewann sie bei Justin99 beträchtlichen Rang. Im Brief der Gemeinden von Vienne und Lyon (ca. 177 n.Chr.) wird sie nach gegenwärtigem Diskussionsstand das erste Mal zitiert und dabei, für neutestamentliche Texte auffällig bald, ausdrücklich als Schrift (γραφή) eingeführt (Euseb, h.e. V 1,58).100 Außerdem griffen Melito, Theophilos von Antiochien und Hegesipp101 sowie wahrscheinlich die Epistula Apostolorum im 2. Jh.
———————— 93 Oecumenius, Commentary on the Apocalypse, transl. by J. N. S UGGIT , Washington 2006, 3–6. 94 ALAND / ALAND, Text (s. Anm. 12), 159.170. 95 S. das Stemma bei DE GROOTE, Oecumenii commentarius (s. Anm. 68), 54. 96 Die Kategorie für den Andreas-Text ergänze ich in Analogie zu den Alandschen Kriterien (s. deren Charakterisierung bei A LAND / ALAND, Text [s. Anm. 12], 167). 97 J. HOFMANN, Die äthiopische Übersetzung der Johannes-Apokalypse I–II, CSCO 281/282, Louvain 1967; DERS., Die äthiopische Johannes-Apokalypse kritisch untersucht, CSCO 297 (Subs 33), Louvain 1969. 98 Andreas, bes. prol. 10,11f. (ed. S CHMID, Studien I 1 [s. Anm. 2], 10); vgl. comm. zu Apk 12,7f. aaO. 129f.). T. W ITULSKI, Die Johannesoffenbarung und Kaiser Hadrian. Die Entwicklung der kultisch-religiösen Kaiserverehrung in der römischen Provinz Asia. Von Augustus bis Antoninus Pius, NTOA/StUNT 63, Göttingen 2007, 59–62 bestreitet diese Erinnerung ohne zwingende Gründe. 99 Hier erstmals unter Benennung als ἀποκάλυψις: Justin, dial. 81,4. 100 T. BAUMEISTER, Der Brief der Gemeinden von Vienne und Lyon und die Offenbarung des Johannes, in: F. W. Horn / M. Wolter (Hg.), Studien zur Johannesoffenbarung und ihrer Auslegung (FS O. Böcher), Neukirchen-Vluyn 2005, 339–355. 101 Deren die Apk betreffenden Texte allerdings verloren gingen.
Der Text der Johannesapokalypse
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auf sie zurück.102 Um und kurz nach 200 schließlich erreichte die Rezeption ihren ersten Höhepunkt. Irenäus verwendete erhebliche Teile des Textes für Zitat oder Auslegung103 und diskutierte erstmals eine Variante (666 oder 616 in Apk 13,18).104 Hippolyt kommentierte die Apk,105 und das Fragmentum Muratori erhob sie zu einem Maßstab frühchristlicher Epistolographie.106 Zu dieser frühen Wirkungsphase passt der Beginn der Papyrusüberlieferung, der noch ins 2. Jh. zu fallen scheint (p98; die Untersuchung des Papyrus ist dringend fortzuführen). Allerdings begann im 2. Jh. auch schon die Kritik. Die ersten Verächter der Apk, Markion107 und die sog. Aloger,108 setzten sich nicht durch. Aber im 3. und 4. Jh. verlor sie im Osten entscheidend an Boden. Im Westen und auf dem Balkan wurde sie eifrig gelesen und kommentiert; der erste (mit Überarbeitungen) erhaltene Kommentar, der Viktorin von Pettaus, bildet den ältesten überkommenen lateinischen Bibelkommentar überhaupt. Im Osten dagegen wurde sie kaum mehr benützt. Papyri sind daher rar. Erst mit einem spätantiken Revival – erkennbar an den bedeutenden Kommentaren des Oecumenius (6. Jh.) und des Andreas von Caesarea (vor 614)109 – ———————— 102 So die Ergebnisse der derzeit entstehenden kritischen Untersuchung durch Tobias Nicklas für den Apk-Band im Novum Testamentum Patristicum; s. DERS., Spuren der Apokalypse im 2. Jh., zum Erscheinen vorgesehen in: Klotz (Hg.), „Tot sacramenta quot verba“ (s. Anm. 31). Eine noch umfangreichere Benützung rekonstruiert C. E. H ILL, The Johannine Corpus in the Early Church, Oxford 2005 (Tabelle 450) nach D ERS., Regnum Caelorum. Patterns of Millennial Thought in Early Christianity, Grand Rapids 2001², 220–244 (zur Chiliasmusdiskussion): Benützung auch durch Sib 1 und 8, Passio Perpetuae und wahrscheinlich AscJes sowie ApkPetr. 103 Irenäus zitiert aus 16 Kapiteln der Apk und versteht sie explizit als „Schrift“: haer. V 30,2. Vgl. N. B. STONEHOUSE, The Apocalypse in the Ancient Church. A Study in the History of the New Testament Canon, Goes 1929, 74f.; B. M UTSCHLER, Irenäus als johanneischer Theologe. Studien zur Schriftauslegung bei Irenäus von Lyon, STAC 21, Tübingen 2004 und DERS., Das Corpus Johanneum bei Irenäus von Lyon. Studien und Kommentar zum dritten Buch von Adversus Haereses, WUNT 189, Tübingen 2006, 178.500. 104 Irenäus, haer. V 30,1–3 bevorzugte 666 und erklärte 616 über eine Verlesung von ξ = 60 (aus χξς =666) zu ι = 10. 105 Allerdings ist sein Commentarius in Joannis Evangelium et Apocalypsin verloren. 106 CanMur 36 (vgl. M. K ARRER, Die Johannesoffenbarung als Brief. Studien zu ihrem literarischen, historischen und theologischen Ort, FRLANT 140, Göttingen 1986, 19–21). Die Versuche, den Canon Muratori spät zu datieren, überzeugen nicht (s. J. VERHEYDEN, The Canon Muratori. A Matter of Dispute, in: J.-M. Auwers / H. J. de Jonge [Hg.], The Biblical Canons, BEThL 163, Leuven 2003, 487–556). 107 Tertullian, Marc. IV 5,2: „apocalypsin eius (= Ioannis) Marcion respuit“. 108 Nach Epiphanius, Panarion 51; vgl. J. DOCHHORN, Die Aloger und die Apk, zur Veröffentlichung vorgesehen in: Klotz (Hg.), „Tot sacramenta quot verba“, (s. Anm. 31). 109 Untersuchung und Lit. bei E. S. C ONSTANTINOU, Andrew of Caesarea and the Apocalypse in the Ancient Church of the East. Studies and Translation, Ph.D. Université Laval, Québec 2008.
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endete die Geringschätzung. Andreas nennt bzw. diskutiert dabei im Kommentar auch wieder Varianten, was im Apparat der kritischen Edition ausgewiesen werden sollte (1,5 λούσαντι neben λύσαντι, 3,7 ᾅδου neben ∆αυίδ, 15,6 λίθον neben λίνον).110 Von den Varianten ist λίθον 15,6 („Stein“ im Sinn von steinbesetztes Gewand) in der Gesamtüberlieferung damit so gut belegt, dass der Obertext vielleicht korrigiert werden muss.111 Unbeschadet des Revivals wurde die Apk kein Bestandteil der griechischen Lesetradition (griechische Lektionare fehlen also; lateinische Lektionare werden in der Rekonstruktion der Vetus Latina / Vulgata berücksichtigt). Die Bedenken im Osten wirken langfristig nach.112 Die Distanz des Ostens dürfen wir freilich nicht vereinfachen. Die vorhandenen (wenigen) Papyri weisen die Apk für Ägypten nach, und bald entstand dort eine Übersetzung (das erste sahidische Manuskript, sa 519, gehört in die Zeit der griechischen Hauptzeugen aus dem 4.–6. Jh.). Das koptische Material bedarf dringend der Neubearbeitung (Schmid konzentrierte sich in seinen Untersuchungen auf den griechischen Text).113 Der Beginn der syrischen Übersetzung erst mit der Philoxeniana (so der gegenwärtige Kenntnisstand) würde umgekehrt die geringe Ausstrahlung der Apk im Osten bestätigen. Indessen ist die Forschungslage zum Syrischen wiederum unbefriedigend; die inzwischen vermehrten Manuskripte rufen gleich dringlich wie die koptischen nach Neubearbeitung.114 Die weiteren ———————— 110 Diesen Hinweis verdanke ich Prof. Dr. Juan Hernández, Bethel University. Bislang sind die drei Andreas-Hinweise auf Varianten in Nestle-Aland 27 nicht berücksichtigt, vielleicht weil SCHMID, Studien II (s. Anm. 2), 45–48 sie nicht aufführt. Der zitierte Schrifttext bei Andreas enthält λύσαντι, ∆αυίδ, λίνον, der Kommentar die Alternativen (Schmid, Studien I 1, 16 Z.9 λούσαντι, 38 Z. 15 ᾅδου, 162 Z. 2 λίθον); ᾅδου und λίθον sah Andreas seiner Angabe nach in mehr als einer Handschrift (τινα τῶν ἀντιγράφων 38 Z. 14f., 162 Z. 2). 111 Vgl. KARRER, Rupert (s. Anm. 31) z.St. (λίθον in A, C, Oecumenius und vielen Lateinern). Der S-Text hat in den alten Zeugen nicht λίνον, sondern das Adjektiv λινοῦς in Sg. (p47, Origenes) oder Pl. (Solözismus ;אSCHMID, Studien II [s. Anm. 2], 155), und erleichtert den Sinn (was S CHMID, Studien II [s. Anm. 2], 92.96 und METZGER, Textual Commentary (s. Anm. 8), 680 nicht zureichend berücksichtigen). Oecumenius VIII 23,6 deutet das schwierige λίθον auf Christus, den Eck- oder Fundament-Stein. 112 Weiteres bei G. KRETSCHMAR, Die Offenbarung des Johannes. Die Geschichte ihrer Auslegung im 1. Jahrtausend, CThM.ST 9, Stuttgart 1985, 77–90 und G. M AIER, Die Johannesoffenbarung und die Kirche, WUNT 25, Tübingen 1981, 104–107. 113 Nach Hinweisen von Prof. Dr. P. Nagel, Universität Bonn, sind folgende sahidische Manuskripte zu beachten (nach Alter geordnet): sa 519; Borg. copt. no. 89 und 88; sa 585; sa 592; Borg. copt. no.87; sa 520 (12. Jh., mit gutem und fast vollständigem Text). 114 Die syrische Apokalypse galt bis zu Beginn des 17. Jh. als nicht vorhanden, da sie nicht Teil der Peschitta (entstanden etwa 450 n.Chr.) wurde. Seit der editio princeps einer syrischen Apokalypse durch Ludovicus de Dieu in Leiden (1627) wurden bis heute über zehn in der Regel späte Handschriften der syrischen Apokalypse bekannt, die, von ihrer typisch gräzisierenden Übersetzungstechnik her zu schließen, den Text der Harklen-
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alten Übersetzungen (armenisch, äthiopisch) haben nicht den gleichen Rang, dürfen aber gleichfalls nicht außer Acht geraten; bes. unbefriedigend ist die Forschungslage zum Armenischen.115 In den Text von Nestle-Aland27 sind die neuesten Papyri nur teilweise, die koptischen und syrischen Übersetzungen an einigen wenigen Stellen aufgenommen. Die anderen Übersetzungen (äthiopisch, armenisch, georgisch) sind nicht nennenswert berücksichtigt, de Grootes OecumeniusEdition und die Edition der besonders wichtigen Vetus Latina durch R. Gryson116 sind noch nicht eingearbeitet. Die Auswahl der Übersetzungen täuscht zudem manchmal. So ist zwar in Apk 2,12 die Harklensis als Zeuge für die Variante τῷ (τῷ ἀγγέλῳ τῷ ἐν; wir müssen übersetzen „dem Engel in…, [dem Engel] von der Gemeinde“) angegeben. Indes ist nicht erkennbar, dass diese Variante durch die Adressen der älteren Philoxeniana vorbereitet ist (2,1.12 usw. ist dort zu übertragen „Dem Engel, der [Äquivalent zu τῷ] in der Gemeinde von Ephesus etc. [ist]“). Dort gipfelt sie in der doppelten Angabe der Präposition in 2,18 zuzüglich Relativpronomen bei der zweiten Präposition, so dass zu übertragen ist „dem Engel, der in der Gemeinde [ist], die in Thyatira [ist]“. Dem zufolge befindet sich der „Engel“ „in“ der jeweiligen Gemeinde. Nun könnte dies eine junge Variante sein, wäre die Bezeugung in den Hauptcodices nicht äquivalent: C liest Τῷ ἀγγέλῳ τῷ (!) ἐν ᾿Εφέσῳ ἐκκλησίας und τῷ ἀγγέλῳ ἐν (!) Θυατείροις ἐκκλησίας, A sogar Τῷ ἀγγέλῳ τῷ (!) ἐν ᾿Εφέσῳ ἐκκλησίας und τῷ ἀγγέλῳ τῷ ἐν (!) Θυατείροις („dem >Engel< in Thyatira“; ἐκκλησίας entfällt). D.h. zwei der Hauptcodices und die wichtige syrische Übersetzung verweisen auf eine alte Textform, die die ἄγγελοι (Boten Gottes) von 2,1–3,14 irdisch lokalisiert.117 Unser heutiger kritischer Text mit der stilistischen Einheitlichkeit der Adressen – die Basis für die derzeit dominierende supranaturale Interpretation ———————— sis widerspiegeln. Die von G WYNN (s. Anm. 91) edierte Handschrift des NT aus dem 12./13. Jh. enthält dagegen eine näher an der Zielsprache orientierte Übersetzung. Sie wird gemeinhin der Philoxeniana zugeordnet (entstanden um 507/8) und gewährt einen Einblick in die frühest erreichbare syrische Apokalypse. Vgl. B. M. M ETZGER, The Early Versions of the New Testament. Their Origin, Transmission, and Limitations, Oxford 1977, 66–75. 115 Nicht aufgeführt ist in unserer Tabelle die außerdem zu erwähnende georgische Version. Sie dürfte deutlich jünger sein, was allerdings derzeit in Frage gestellt wird; die Handschriften schreiben sie Euthymius (frühes 11. Jh.) zu. S. bes. J. N. B IRDSALL, The Georgian Version of the Book of Revelation, Muséon 91 (1978), 355–366 (=Nachdr. Ders., Collected Papers in Greek and Georgian, Textual Criticism, TaS III/3, New Jersey 2006, 161–172). 116 GRYSON, Apocalypsis (s. Anm. 3). 117 Weitere Quellen bei G RYSON, Apocalypsis (s. Anm. 3), bes. 183 (zu 2,18). Für Hinweise zum Syrischen danke ich PD Dr. M. Heide, Marburg; s. auch R. BORGER, NA26 und die neutestamentliche Textkritik, ThR 52 (1987), 1–58, hier 42–45.
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der „Engel“ – stützt sich demgegenüber im Wesentlichen auf die Vulgata und den Codex Sinaiticus (den Luther in seiner oben zitierten Übersetzung interessanterweise vorwegnahm). Was der bessere Text ist, bedarf weit vor dem interpretatorischen Disput unbedingt einer textlichen Klärung. Die Deutung der Gemeindeengel ist offener, als aufgrund der stilistischen Vorliebe für den א-Luther-Text bekannt ist.118 Überschauen wir das, ist die gegenwärtige Editionslage schmerzlich unbefriedigend, angefangen bei den notierten Desiderata zu den Hauptzeugen des 4. und 5. Jh. und über die Mängel der Kollation Hoskiers bis hin zur ausstehenden Aktualisierung im Bereich der Übersetzungen. Fortschritte sind aber auf klar umreißbarem Wege – Digitalisierung und weitere Auswertung der Hauptzeugen, Überprüfung Hoskiers, Erstellung von Neueditionen zur koptischen und syrischen Apk, Prüfung der weiteren alten Übersetzungen – gut zu erreichen.
3 Probleme bei der Gruppierung und Bewertung der Textzeugen Für textkritische Entscheidungen genügt die Erschließung der Zeugen nicht. Sie müssen geordnet werden. Dazu gab es erstmals im 19. Jh. nach der Edition der Haupthandschriften die Möglichkeit, allerdings mit einer für die Debatte um Texttypen gewichtigen Einschränkung: Die Majuskel D enthielt die Apk, wie notiert, nicht, weshalb der Leittext westlichen Typs zum Vergleich ausfiel. Deshalb setzten sich Westcott und Hort, die westliche Einflüsse auf die Apk-Handschriften vermuteten,119 nicht durch. Die Mehrheit der Forschung schloss, es habe zwar im 2. Jh. einen frühen westlichen Text der Apk gegeben, aber alle Spuren dieses Textes seien trotz der starken westlichen Verbreitung der Apk verloren (wie Schmid 1955 knapp zusammenfasste).120 Der Alexandrinus gewann unter den Handschriften den ersten Platz, weil sich in ihm besonders viele Semitismen fanden, die – wie die Forschung vermutete – im Zuge griechischer Abschriften allmählich abgeschliffen oder eliminiert wurden (ein Stilargument spielt mithin in der
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Näheres bei KARRER, Angels (s. Anm. 16) passim. WESTCOTT / HORT , Introduction (s. Anm. 22), 260 (westliche Einflüsse auf )א, 263 (westlicher Text in 1r = min. 2814). 120 S CHMID, Studien II (s. Anm. 2), 150, Anm. 1 (wegen des breiten Konsenses ließ sich die Frage s.E. „mit wenigen Worten erledigen“; ebd.).
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Ordnung der Handschriften von Anfang an eine Rolle).121 C ging oft mit A. Daraufhin erhielten A und C den Wert eines neutralen Textes, wo sie übereinstimmten.122 Viele Flüchtigkeiten von אbekräftigten indirekt ihren Vorrang.123 Schmid ordnete 1955 die Zeugen in bis heute gültiger Weise in vier Gruppen (genannt seien jeweils die Haupthandschriften; Complutense- und andere Drittgruppen bieten späte Mischtexte): – A C Oecumenius – p47 א – Andreashandschriften (wie notiert, eine sehr große Zahl an Handschriften, aber bei Sonderlesarten fast immer jung; Schmid Siglum Αν) – Byzantinischer Text neben Andreas (herkömmlich Koine, daher Siglum K bei Schmid; eine fast so große Zahl von Handschriften wie beim Andreastext,124 jedoch nach Schmid fast immer von geringem textkritischen Wert).125 Die beiden alten Hauptgruppen benannte Schmid nach den Leithandschriften A und ( אin Schmids Schreibung S), also A- und S-Text. Im S-Text ist p47 wegen der vielen Versehen in אhöher als אzu gewichten.126 Als Faustregel setzte sich durch, ein Text sei sehr gut gesichert, wenn אoder p47, der 1934/36 veröffentlichte zweite Hauptzeuge des S-Textes, A und C stütze; wo A- und S-Text differieren, verdient der A-Text den Vorrang.127 Die beiden jüngeren Textformen, Αν und K, verloren durch die Papyrusfunde nach Schmid vollends an Gewicht. Die Editoren von Nestle-Aland27 fassten sie unter dem Siglum des Mehrheitstextes, M, zusammen (als MA [= Αν] / MK). Im A-Text hielt Schmid am Vorrang von A gegenüber C fest, obwohl A – wie er feststellte – „viel nachlässiger geschrieben“ war und den Archetyp „durch eine Menge sekundärer Lesarten“, „mehr sogar als in C“ entstellte. ———————— 121 S. C ONSTANTINOU, Andrew (s. Anm. 109), 120 nach R. V. G. T ASKER, The Chester Beatty Papyrus of the Apocalypse of John, JThS 50 (alte Serie, 1949), 60–68, hier 61. 122 DELOBEL, l’Apocalypse (s. Anm. 3), 153. 123 BEALE, Revelation (s. Anm. 3), 105–107 prüfte den Umgang mit Solözismen und gab אerst den siebten Platz nach A, C und anderen Handschriften, darunter den Minuskeln 2377 und 2344. H ERNÁNDEZ, Scribal Habits (s. Anm. 3) trieb die Kritik an אweiter voran (87 Vorwurf von „scribal blunders“). 124 P ARKER, Introduction (s. Anm. 2), 241 zählt nach heutigem Stand 111 Αν- und 87 K-Handschriften. 125 S CHMID, Studien II (s. Anm. 2), 44–151. 126 S CHMID, Studien II (s. Anm. 2), 151 mit Anm. 1. 127 S. mit den nötigen Differenzierungen zuletzt PARKER, Introduction (s. Anm. 2), 240–242. Nach dem Kriterium der Übereinstimmung von A-Text (p 18 A C) und einem Hauptzeugen des S-Textes ( )אentscheidet er sich 244 modellhaft für λύσαντι in Apk 1,5.
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Denn er schrieb C mehr Einflüsse jüngerer Lesarten zu.128 Einen an Bedeutung mit p47 zu vergleichenden Papyrus des A-Textes kannte er noch nicht. Er liegt inzwischen mit p115 vor, der in der berühmten Variante 616 von 13,18 mit C geht (gegen 666 in A). Die Diskussion, ob der p115-C-Text an dieser Stelle dem Alexandrinus vorzuziehen sei, hat begonnen (ohne dass sich die Deutung sehr ändern müsste).129 Fiele die Entscheidung zugunsten von C, geriete die Waage der Sekundäreinflüsse zuungunsten von A ins Wanken (A entspricht dem S-Text). So steht neben der oben angemahnten Kontrolle des Codex C ein genauer Vergleich zwischen A, C und p115 (sowie den weiteren neu gefundenen Papyri) an, um die Gewichte der Zeugen im A-Text neu auszutarieren. Tabelle 6: αὐτοῖς / αὐταῖς in 9,3–5 (Text nicht erhalten in C und p47) Nestle-Aland27
A
3 καὶ [...] ἐξῆλθον ἀκρίδες [...], καὶ ἐδόθη αὐταῖς (gegen αὐτοῖς aus 25. Aufl.) ἐξουσία ὡς ἔχουσιν ἐξουσίαν οἱ σκορπίοι τῆς γῆς 4 καὶ ἐρρέθη αὐταῖς (gegen αὐτοῖς aus 25. Aufl.) [...]
αὐταῖς
5 καὶ ἐδόθη αὐτοῖς [...]
αὐτοῖς
αὐταῖς
weitere Zeugen des ATextes p115 αὐτοῖς Oec αὐταῖς p115 nicht erhalten Oec M αὐταῖς, aber PB (min. 1678 und 1778) im Text αὐτοῖς130 p115 nicht erhalten Oec αὐτοῖς
א αὐτοῖς
αὐτοῖς
αὐτοῖς
p115 verbessert die Bezeugung der Apk wesentlich. In 9,3f. könnte das zu einer Rückrevision von Nestle-Aland27 zu früheren Auflagen des kritischen Textes führen: Die Verse beziehen das Pronomen αὐτός auf ein Femininum (ἀκρίδες) wie auf ein Maskulinum (σκορπίοι, im Vergleich nachgeordnet), eines der für die Apk typischen Zeugmata. Vor dem Fund des p115 und der Neuedition des Oecumenius herrschte im A-Text der Vv. 3 und 4 das Femininum (Rückbezug auf ἀκρίδες). Schmid war daraufhin bereit, das Maskulinum in V. 5 in Frage zu stellen und durchwegs αὐταῖς zu schrei———————— 128
SCHMID, Studien II (s. Anm. 2), 97f., Zitat 97. PARKER, Revelation (s. Anm. 83), 170 bevorzugte noch 666; inzwischen neigt er p115 zu (Introduction [s. Anm. 3], 242–244). Die Zahl 616 verweist bei zeitgeschichtlicher Deutung entweder auf Caligula (P ARKER, Introduction [s. Anm. 2], 244) oder wie die 666 auf Nero (Nero würde bei 666 hebräisch mit, bei 616 ohne Schluss- נgeschrieben; SATAKE, Offenbarung [s. Anm. 3] 306). P. J. W ILLIAMS, P115 and the Number of the Beast, TynB 58 (2007), 151–153 hält die Mehrdeutigkeit der Zahl fest. Weiteres bei J. N. BIRDSALL, Irenaeus and the Number oft the Beast, in: A. Denaux (Hg.), New Testament Textual Criticism and Exegesis, Leuven 2002, 349–359, und J. C HAPA, Il papiro 115, in: E. Bosetti u.a. (Hg.), Apokalypsis. FS U. Vanni, Assisi 2005, 311–333. 130 DE GROOTE, Oecumenii commentarius (s. Anm. 68), 146. 129
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ben131 (womit das Zeugma aufgelöst wäre). Die kritische Edition folgte ihm nicht, korrigierte aber das frühere αὐτοῖς in den Vv. 3 und 4 mit A zum Femininum. Inzwischen spricht p115 für das Maskulinum in V. 3, und unterstreichen Spuren im Oecumeniustext die Tendenz für V. 4 (OecAuslegung von V. 4; s. Tabelle 6). Αὐτοῖς, der ungewöhnliche Vorausbezug auf σκορπίοι in V. 3, besitzt auf jeden Fall selbst im A-Text eine weit stärkere Bezeugung, als die Editoren von Nestle-Aland27 bei ihrer Revision zum αὐταῖς von A annahmen. Soweit Schmid die alten Papyri und Majuskeln kannte, standen sie mehrheitlich dem A-Text nahe (p18, p24, 0163). 0169 unterstützte umgekehrt den p47-א-Text, und Parallelen in den Origenes-Zitaten erwiesen dessen hohes Alter (vgl. bes. die sog. Scholien min. 2351).132 p43 war zu rudimentär, um klar zugeordnet zu werden. 0207 bietet einen Mischtext nahe א. Die inzwischen hinzu gekommenen Papyri 85 und 98 sind bis Parker 2008133 noch nicht in die Textgruppen eingeordnet, lassen sich aber gut klassifizieren. p85 ist dem S-Text zuzuweisen; die Einfügung von καί vor τοὺς προφήτας in 10,7 entspricht p47 und א, die Wortstellung αὐτό καὶ κατάφαγε in 10,9 p47 und *א. Der Papyrus zeigt aber im – fragmentarischen – Text um θαλάσσης 10,8 auch gewisse Nähe zu A. An dieser Stelle gleicht ca interessanterweise den Sinaiticus an den A-Text an. Der älteste Papyrus der Apk, p98 (mit Apk 1,13–20), vermehrt umgekehrt die Bezeugung des A-Textes. Drei Varianten dieses Papyrus gehen mit A gegen ( אἀστέρες 16, ἔθηκεν und µὴ φόβου 17), keine einzige mit *אgegen A. Eine stilistische Variante (omissio des Artikels vor ἥλιος, 1,16) wird gegen A durch Oecumenius unterstützt, bereitet also eine Nebenlesart der A-Gruppe vor.134 Zwei weitere kleine Varianten, die Konstruktion mit καί statt ἠ δέ in V. 14 und die omissio der Kopula am Ende von V. 20, unterstreichen die für frühe Überlieferungen kennzeichnende Variabilität des Textes. Eine letzte stilistische Variante schließlich, das gut griechische χρυσῆν statt der Nebenform χρυσᾶν in 1,13 (die ausschließlich von *א, A, C getragen wird), galt bis vor kurzem als kennzeichnend für den Mehrheitstext. p98 weist sie als alt nach, und von dort leiten Korrektor ca des Sinaiticus, P (= 025) und 046 zu M über. Das ist in doppelter Hinsicht interessant. Denn zum einen bevorzugten die Editoren χρυσᾶν (Adjektivum contractum, analog zu ἀργυρᾶν gebildet; Blass/Debrunner/Rehkopf, Grammatik § 45,3) vielleicht nicht nur wegen der Bezeugung, sondern auch wegen der Irregu———————— 131 132 133
SCHMID, Studien II (s. Anm. 2), 237. SCHMID, Studien II (s. Anm. 2), 109–112.152–157. Bei PARKER, Introduction (s. Anm. 2), 240 ebenso wie p85 noch nicht den Textgruppen zugeordnet. 134 Oecumenius cap. I 20 zu den Stellen (= DE GROOTE [s. Anm. 68], 80.385).
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larität, die zu den vielen stilistischen Sondererscheinungen der Apk zu passen scheint; nun reduziert sich einmal die Irregularität und zeigt sich zugleich, dass der Mehrheitstext nach wie vor nicht gänzlich zu entwerten ist. Zum anderen fällt Licht auf אca: Wahrscheinlich ringt der Korrektor nicht unabhängig von Vorlagen um die (klassische) Stilbildung, sondern benützt eine alte Vorlage. An anderen Stellen zeigt der Korrekturprozess von א freilich Nähen zum Andreastext.135 So bedarf dieser Korrekturprozess näherer Untersuchung unter Unterscheidung zwischen ca und den anderen Korrektoren von א. Falls ca eine junge Vorlage mit einzelnen alten Merkmalen verwendete, sind die beobachteten Tendenzen zu vereinen. Χρυσῆν ist als Obertext zu erwägen, zumindest (anders als bislang) im Apparat der Edition nachzuweisen.136 An einer forschungsgeschichtlich interessanten Stelle hilft p98 leider nicht: Am Partizip von πυρόω in 1,15 exerzierten die Editoren des heutigen kritischen Textes exemplarisch die Priorität von AC gegen alle anderen Zeugen (incl. Oecumenius von der A-Gruppe). A und C allein enthalten hier den Genitiv Singular πεπυρωµένης, der nicht wie die rhetorische Verschiebung der logischen Wortbeziehung (die Enallage) sonst in der Apk ungewöhnliche Bezüge innerhalb einer syntaktischen Einheit herstellt, sondern jeden syntaktischen Bezug des Verses missachtet. Schmid137 zögerte, dem zu folgen, da es sich leicht um einen (in A und C unabhängig voneinander entstandenen) Schreibfehler handeln kann. Das Greek New Testament / Nestle-Aland27 wählt trotzdem den syntaktischen Solözismus (πεπυρωµένης).138 Das wird sich kaum halten lassen; das inzwischen durch die Neuedition sicher geklärte Zeugnis des Oecumenius139 teilt die A-Gruppe, auch wenn in p98 vom Verb allein der Beginn (πε) lesbar ist.140 ———————— 135 S. C ONSTANTINOU, Andrew (s. Anm. 109), 119. Herkömmlich wird für den Korrekturgang von אoft zusammenfassend gesprochen (als אc, verwandt zum Andreastext); vgl. E LLIOTT , Distinctiveness (s. Anm. 3), 120. Bezeichnung des Korrektors ca nach der digitalen Edition http://www.codex-sinaiticus.net, abgerufen am 19.8.2010 (vgl. o. bei Anm. 60). 136 HAGEDORN (s. Anm. 81) 246. Die Belege, an denen ca eine dem A-Text nahestehende Vorlage benützte, lassen sich vermehren. Nennen wir noch ein markantes Beispiel: In 11,8 liest der S-Text (p47 )אὁ κύριος ἐσταυρώθη, A dagegen ὁ κύριος αὐτῶν ἐσταυρώθη; ca fügt αὐτῶν in אein. Der p47-S-Text erlaubt, Christus als einen der beiden Zeugen zu identifizieren, der A-Text spricht eher dagegen. 137 S CHMID, Studien II (s. Anm. 2), 245. 138 Die im Greek New Testament 838 z.St. zugunsten πεπυρωµένης angeführte Lesart des Primasius ist nach der neuen Vetus-Latina-Ausgabe zu korrigieren (GRYSON, Apocalypsis [s. Anm. 3], 139: in fornace ignea / cf. igniti). P ARKER, Introduction (s. Anm. 2), 245 verteidigt die Edition, liest aber versehentlich πεπυρωµένος. 139 Ed. DE GROOTE, Oecumenii commentarius (s. Anm. 68), 76 (mit App.). 140 GRYSON, Apocalypsis (Anm. 3), 94 stellte die Lesart vehement in Frage: „c’est pousser le principe de la lectio difficilior jusqu᾽à l᾽absurde”.
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Die Variante stößt uns auf eine gravierende Inkonsequenz der derzeitigen kritischen Edition: Zu Recht beginnen die Editoren mit der Revision des Apk-Textes nach den Haupthandschriften. Aber sie verfahren schwankend. Im syntaktischen Ausnahmefall von 1,15 bevorzugen sie AC trotz Schmids Bedenken gegen alle anderen Zeugen. Im vergleichbaren Fall von 13,15 (AC syntaktisch inkorrektes αὐτῇ) dagegen folgen sie dem αὐτῷ der übrigen Zeugen und bejahen damit Schmids Beurteilung als „mechanischer Schreibfehler“. Noch problematischer wird der Vorgang in stilistisch leichteren Fällen wie den Adressen der Sendschreiben. In 2,1 etwa lehnen sie den AC-Text, obwohl er nun von weiteren Zeugen unterstützt wird, gegenüber dem S-Text ab (s.o. unter II). Fast könnte es scheinen, als erprobe die Revision Korrekturen zunächst an einzelnen, nicht immer glücklich ausgewählten Stellen und warte mit der größeren Revision zugunsten von AC ab. Auf den ersten Blick widerlegt das Verfahren bei 13,10 diesen Einspruch. Dort bietet A die harte und syntaktisch schwierige Aussage, wer getötet werde, werde getötet (εἴ τις ἐν µαχαίρῃ ἀποκτανθῆναι αὐτὸν ἐν µαχαίρῃ ἀποκτανθῆναι). Alle anderen Zeugen einschließlich C lesen im Vordersatz, wer töte / töten werde (εἴ τις [...] ἀποκτείνει / ἀποκτενεῖ Aktiv) oder eine Kurzform (K). Schmid erhob die Abweichung zum Schlüssel für die Bewertung des Alexandrinus: Sie sei ursprünglich, was „den überragenden Wert von A als der schlechthin besten Apk-Hs, aber auch, dass C von dem Einfluß eines anderen Textes nicht gänzlich frei ist“, beweise.141 D.h. nicht nur AC, sondern im zugespitzten Fall A allein genügt zur Rekonstruktion des ältesten Textes. Die kritische Edition folgte dem. Die Singulärlesart von A löste den Textus receptus und die früheren kritischen Editionen (Tischendorf, Nestle 1906 etc.) ab, die in 13,10 einen Zusammenhang von Tat und Tatfolge für Mörder konstituierten (Luther übersetzte 1545: „so jemand mit dem Schwert tötet, der muß mit dem Schwert getötet werden“). Im Nachhinein gesehen führt uns diese Entscheidung jedoch zwischen Skylla und Charybdis. Unterstreichen wir mit ihr den einzigartigen Rang des Alexandrinus, wird unbegreiflich, warum die kritische Edition dem an anderen semantisch zentralen Stellen widerrät, wo A nicht einmal alleine steht, etwa in der präsentischen Eschatologie von 5,10 (A und viele weitere Zeugen, unter anderem Oecumenius-Handschrift P142 und byzantinischer Text haben βασιλεύουσιν, was hohe Beachtung verdient).143 Lehnen wir hingegen die Variante in 13,10 ab, weil die Singulärlesart eines einzigen Codex angesichts der heute bekannten Breite der Textüberlieferung stets ———————— 141 142 143
SCHMID, Studien II (s. Anm. 2), 138–141, Zitat 141. DE GROOTE, Oecumenii commentarius (s. Anm. 68), 117. Dazu und zu weiteren Beispielen, die teilweise (wie αὐλαῖαι in 11,4) nicht einmal in der kritischen Edition erkennbar sind, K ARRER, Text (s. Anm. 3).
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mit Vorsicht bedacht werden muss (ein schwerwiegendes Argument),144 mindert sich der Wert von A signifikant.145 Umgekehrt steigt das Gewicht von C, was sich gut zu der sich nun mehrfach andeutenden Linie fügen würde, aber wiederum Folgeänderungen im Obertext erwarten lässt. Eine letzte Schwierigkeit der Edition rundet die Problemstellung ab: Auch das Kriterium der übereinstimmenden Bezeugung von A C und einem Hauptzeugen des S-Textes lässt sich nicht konsequent anwenden. Wählen wir noch einmal ein Beispiel aus Apk 13, nun V. 7a. A C und die Oecumenius-Minuskel 2053 (Kategorie I) aus dem A-Text, p47, der wichtigste Zeuge des S-Textes und der Andreastext überspringen die Zeile καί ἐδόθη αὐτῷ ποιῆσαι πόλεµον µετὰ τῶν ἁγίων καὶ νικῆσαι αὐτούς (es wurde dem Tier gegeben, Krieg mit den Heiligen zu führen und sie zu besiegen). Der Kurztext ist damit deutlich besser bezeugt als die Einfügung. Im Alter reicht der Kurztext zudem nachweislich bis Irenäus zurück,146 während der Langtext griechisch erst ein Jahrhundert später einsetzt (immerhin mit dem vorzüglichen p115, dort fragmentarisch; ältester Zeuge daneben ist die Vetus Latina). Die kritische Edition nimmt ein Homoioarkton in A etc. an,147 das sich außerordentlich früh und weit verbreitet haben müsste. Mindestens ebenso leicht ist die nachträgliche Einfügung der Zeile in den Text zu erklären: Sie wird durch ποιήσει [...] πόλεµον καὶ νικήσει in 11,7 sowie πόλεµον ποιῆσαι in 12,17 ausgelöst und durch den Anklang an Dan 7,8 LXX (ἐποίει πόλεµον πρὸς τοὺς ἁγίους) gefördert. Für die Deutung der Apk sind die Varianten in 13,7a und 10b von hohem Gewicht. Der heutige kritische Text (V. 7a nach א, 10b nach A) schafft einen überaus dichten apokalyptischen Fatalismus; der Sieg des Tieres steht fest und bringt den Heiligen unausweichlich den Tod. Die mögliche Alternative – Kurztext in 7a und Text aller Zeugen außer A in 10b (also Text von C etc.) – dagegen mäßigt den Fatalismus; der Krieg des gestürzten Satans hat begonnen (12,17) und einzelne Opfer gefordert (die Zeugen in 11,7). Doch selbst im Krieg geht das Recht nicht unter, das den Mörder mit der Todesstrafe bedroht, und der Sieg des Tieres bedroht nicht unterschiedslos die Heiligen (13,7 Ergänzung). Die Apk erhält dadurch noch keinen optimistischen Ton, braucht jedoch nicht mehr (wie in vielen Auslegungen bis vor kurzem) einen breiten Verfolgungshintergrund. Viel———————— 144 145
Weitere Kritik der Lesart von A bei SATAKE, Offenbarung (s. Anm. 3), 301f. Zur weiteren Diskussion s. HERNÁNDEZ, Scribal Habits (s. Anm. 3), 97– 100.124f. und DERS., Alexandrinus (s. Anm. 3). J. DOCHHORN, Rezension zu J. Hernández jr., Scribal Habits and Theological Influences in the Apocalypse. The Singular Readings of Sinaiticus, Alexandrinus, and Ephraemi, WUNT II/218, Tübingen 2006, ThLZ 134 (2009), 688–690, hier 689 hält zumindest die inhaltlich weniger relevanten AVarianten κατήγωρ (Singulärlesart A 12,10) und ἀπῆλθαν (A 21,4) für „fragwürdig“. 146 Zu dessen Zitat s. S CHMID, Studien II (s. Anm. 2), 169. 147 So auch GRYSON, Apocalypsis (s. Anm. 3), 490 z.St.
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mehr könnte sich der Fatalismus des heutigen Textes von 13,7a und 13,10 vorzüglich im Rahmen der Christenverfolgungen des 2. und 3. Jh. verdichtet haben. Hier kommt es nicht darauf an, die Varianten zu entscheiden – dafür ist es in Anbetracht des gegenwärtigen Editionsstandes zu früh –, sondern das grundlegende Problem anzuzeigen: Die heutige kritische Edition ist nicht konsequent erstellt. Alle besprochenen Revisionen bekunden die grundsätzliche Abkehr vom Textus receptus und eine allmähliche Korrektur der Lesarten junger Handschriften. Diese Tendenz ist sachlich gut begründet; jüngere Varianten sollen durch den best bezeugten Text ersetzt werden. Doch die Durchführung ist mit einer Fülle von Unsicherheiten belastet. Im Hintergrund dieser Unsicherheiten steht die nicht abschließend erreichte Klärung über die Wertung der Zeugen. Etwa A erhielt ein Janusgesicht, gewann an einigen Stellen singulären Rang, an anderen nur geringen Einfluss. Das übereinstimmende Zeugnis der Hauptzeugen von A- und S-Text gilt im Allgemeinen, nicht im Einzelfall als überragend usw. Diese Unklarheiten machen die jüngsten Verwerfungen der Forschung begreiflich. Die radikalste Alternative, die Berufung auf einen „majority text“148 (in der „majority“ oder „original text theory“149) gibt der großen Mehrheit der Zeugen Vorrang und fordert eine Begründung für (durchaus erlaubte) Abweichungen aufgrund der Haupthandschriften. Ihr zu folgen, hieße den Andreas- und den byzantinischen Text aufzuwerten, statt in der Argumentation bei den Hauptzeugen (A-Text, S-Text, abgestuft Αν und K) zu beginnen.150 Uns scheint ein solch kategorischer Wandel mit der großen Mehrheit der Textkritiker nicht angezeigt. Denn die beschriebenen Probleme um die Bewertung der Hauptzeugen sind im Fortschritt der Forschung zu bewältigen. Allerdings ist bei einer neuen Prüfung der Zeugen mit der höheren Bewertung einzelner jüngerer Handschriften zu rechnen. Die editio maior der katholischen Briefe gelangte unter Anwendung der kohärenzbasierten genealogischen Methode jedenfalls zu einer überraschenden Würdigung von ———————— 148 Z. C. HODGES / A. L. F ARSTAD, The Greek New Testament According to the Majority Text, Nashville u.a. ²1985, vorbereitet durch Aufsätze von Hodges (Z. C. H ODGES, The Critical Text and the Alexandrian Family of Revelation, BS 119 [1962], 129–138 u.a. Beiträge). 149 Deren Bandbreite wir hier nicht diskutieren müssen. Genannt sei aber die Herstellung des Apk-Textes durch W. Pickering in http://www.walkinhiscommandments.com/ Pickering/Greek%20Text/apokalupsis-f.pdf, begleitet durch weitere Beiträge (auffindbar über Pickering᾽s Homepage http://www.walkinhiscommandments.com/pickering12.htm, abgerufen am 1.11.2009). 150 In 13,7a hieße das nochmals problematisch, der Mehrheit des byzantinischen Textes zu folgen und nicht der großen Gruppe der Andreashandschriften: s. Pickering in seiner Edition (s. Anm. 148), z.St.
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Zeugnissen des byzantinischen Textes (M).151 Ein vergleichbares Ergebnis bei Anwendung der Methode auf die Apk würde der beschriebenen Tendenz der jüngeren Forschung, Andreas- und Koinetext immer geringer zu gewichten, auffällig zuwiderlaufen. Andererseits beobachtete schon Schmid die Sonderstellung einzelner Minuskeln (1611, 1854, 2329, 2050, 2344)152 und entdeckte auch unsere Prüfung gelegentlich eine unerwartete Relevanz von M im leidigen Feld der stilistischen Fragen, freilich nicht alleinstehend, sondern in Verbindung mit mindestens einem alten Zeugen (s. χρυσῆν 1,13). Eine Ordnung der Handschriften nach dem gegenwärtig besten methodischen Instrumentarium aus dem Bereich der Textgenealogie153 verspricht eine Verbreiterung und neue Erkenntnisse. Daher müssen alle Bereiche der Überlieferung, insbesondere die der griechischen Handschriften, ergebnisoffen in die Analyse einbezogen werden. Wie gut begründet die hier vorgetragene Skizze der Überlieferung – ausgehend von den ältesten Textzeugen – zum gegenwärtigen Kenntnisstand auch sein mag, sie wird sich unter Einbeziehung der gesamten Überlieferung innerhalb eines globalen Stemmas bewähren oder gegebenenfalls modifizieren lassen müssen (nach derzeitigem Stand lässt sich die Mehrheit der genannten Minuskeln dem Umkreis teilweise des S- [1854 und 2329], teilweise des A-Textes [2344] zuordnen).154 Höhere Relevanz besitzt in Verbindung damit eine andere, jüngst vorgetragene Kritik: Gryson klagte aufgrund seiner Edition der Vetus Latina, in der er nebenbei den griechischen Text verfolgte, nicht nur allgemein eine Überprüfung der modernen Gruppenbildung ein (wozu sich die von ihm noch nicht benützte kohärenzbasierte genealogische Methode ebenfalls gut eignet). Er hob daneben die Unterschiede von Andreas- und byzantinischem Koinetext hervor. Da die Textformen mehr trenne als verbinde, sei das erst nach Schmid eingeführte Siglum M, „Mehrheitstext“ (MA / MK) wieder aufzugeben und zu Schmids Trennung von Αν- und K-Text (bei Gryson mit den Siglen And und Byz) zurückzukehren.155 Dem ist Folge zu ———————— 151 S. zuletzt T. W ASSERMANN, Text-types and the Evaluation of Readings in New Testament Textual Criticism, paper SBL Annual Meeting New Orleans 2009, zu ἐν τῷ ὀνόµατι / ἐν µέρει 1 Petr 4,16. 152 S CHMID, Studien II (s. Anm. 2), 25. 153 S. bes. G. MINK, Kohärenzbasierte Genealogische Methode – Worum geht es?, eingestellt auf die Homepage des Münsteraner Textforschungsinstituts unter http://www. uni-muenster.de/NTTextforschung/Genealogische_Methode.html (abgerufen am 12.11. 2009); vgl. auch die Beiträge von C. HOWE, G. MINK, U. SCHMID, K. WACHTEL u.a. in: P. van Reenen u.a. (Hg.), Studies in Stemmatology II, Amsterdam u.a. 2004. 154 Zur Begrifflichkeit der kohärenzbasierten genealogischen Methode („Global stemma“, etc.) vgl. insbesondere die Präsentation von G. Mink (http://www.uni-muen ster.de/NTTextforschung/cbgm_presentation/download.html, abgerufen am 3.12.2009). 155 GRYSON, Apocalypsis (s. Anm. 3), bes. 94 mit Anm. 2.
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leisten, bis das zur Verfügung stehende methodische Instrumentarium den Zusammenhang zwischen den Repräsentanten der Textgruppen besser klärt. Hier ist auf deutliche Fortschritte durch die kohärenzbasierte genealogische Methode zu hoffen, die – wie erwähnt – bei der editio critica maior des Neuen Testaments in Anschlag kommt. Hinter Grysons Anfrage steht das größere Problem, ob der griechische Apk-Text wie der der Vetus-Latina nach Gruppen geordnet wiedergegeben werden sollte, ohne einen gemeinsamen Archetypen zu rekonstruieren. Auf den ersten Blick ist das reizvoll, da es an besonders umstrittenen Stellen zwei Varianten gleichgewichtig zu würdigen erlaubte156 (Adressen der Sendschreiben nach A und S; Priester und Iris in 4,3; Präsens und Futur in 5,10; 616 und 666 in 13,18 usw.). Indessen ist zwischen Vetus Latina und griechischem Text zu unterscheiden: Die Vetus Latina geht auf verschiedene Übersetzungsimpulse zurück, der griechische Text auf einen einzelnen Archetyp, wenn wir nicht komplizierte Theorien um Autoren- oder Verbreitungskopien bei der Erstveröffentlichung erstellen wollen. Die Rekonstruktion eines einzelnen Ausgangstextes ist also zu wagen, so gewiss das vor Herausforderungen stellt. Das Wagnis wird dadurch erleichtert, dass der S-Text dank der Origeneszitate bis ins frühe 3. Jh. und der A-Text dank p98 (wenn sich dessen Datierung bestätigt) sogar bis ins 2. Jh. zurück nachweisbar ist. Der Abstand unserer beiden Hauptformen der Apk zum Ausgangstext schrumpft damit gegenüber den Kenntnissen der älteren Forschung. Tabelle 7: Die Benützung der Apk im Brief der Gemeinden von Lyon und Vienne bei Euseb, h.e. V 1,3–3,3; 4,3 Brief nach Euseb 1,10 Der Märtyrer Vettius Epagathus war ἀκολουθῶν τῷ ἀρνίῳ ὅπου ἄν ὑπάγη 1,58 Erfüllt werde die Schrift ὁ ἄνοµος ἀνοµησάτω ἔτι καὶ ὁ δίκαιος δικαιωθήτω ἔτι
vgl. Apk krit. Text 14,4 οἱ ἀκολουθοῦντες τῷ ἀρνίῳ ὅπου ἄν ὑπάγη 22,11 (nach )אὁ ἀδικῶν ἀδικησάτω ἔτι· καὶ ὁ ῥυπαρὸς ῥυπαρευθήτω ἔτι· καὶ ὁ δίκαιος δικαιοσύνην ποιησάτω ἔτι
Hinweise Die Entlehnung entspricht Apk 14,4 bis auf die Umsetzung in den Singular. A ὁ ἀδικῶν ἀδικησάτω ἔτι καὶ ὁ δίκαιος δικαιοσύνην ποιησάτω ἔτι Oecumenius Hss. PB ὁ ἀδικῶν ἀδικησάτω ἔτι καὶ ὁ δίκαιος δικαιωθήτω ἔτι157 δικαιωθήτω auch in AndreasHandschriftengruppen158
———————— 156 Bei der Unterscheidung von vier Texttypen (A-Text, S-Text, And und Byz) kämen sogar bis zu vier Varianten in Frage. Zum Vergleich: Gryson unterscheidet bis zu 7 Typen der Vulgata, die je nach Relevanz und Vorkommen von Stelle zu Stelle nachgewiesen werden. 157 DE GROOTE, Oecumenii commentarius (s. Anm. 68), 283. 158 S. S CHMID, Studien I (s. Anm. 2), 258 z.St.
74 2,3 Der Ehrentitel des Martyriums (τῆς µαρτυρίας) gebühre τῷ Χριστῷ, τῷ πιστῷ καὶ ἀληθινῷ µάρτυρι καὶ πρωτοτόκῷ τῶν νεκρῶν
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1,5 ἀπὸ [...] Χριστοῦ, ὁ µάρτυς, ὁ πιστός, ὁ πρωτότοκος τῶν νεκρῶν 3,14 (nach A) ὁ µάρτυς ὁ πιστὸς καὶ ἀληθινός vgl. auch 19,11
Anspielung auf mehrere Stellen der Apk, Verzicht auf Artikel vor ἀληθινός wie 3,14 A א3,14 ὁ µάρτυς ὁ πιστὸς καὶ ὁ ἀληθινός
Der A-Text (oder genauerhin eine seiner Linien) tritt noch stärker hervor, wenn wir das (bei Schmid über die Wiedergabe bei Euseb berücksichtigte und deshalb in der Forschung nach ihm selten als Zeugnis des 2. Jh. erkannte) älteste Zitat der Apk einbeziehen. Es befindet sich im Martyriumsbericht, den die Gemeinden von Vienne und Lyon brieflich an Gemeinden der Asia und Phrygiens, also des Entstehungsgebiets der Apk, sandten (Euseb, h.e. V 1,3–3,3 und 4,3; Adresse V 1,2). Vielleicht benützen sie die Apk schon der Adressaten wegen umfangreich (s. die größere Zahl der Verweise in Tabelle 7).159 Vor allem jedoch kommt sie ihnen theologisch entgegen. Denn Christus, der treue Zeuge, eignet sich zum Urbild allen Martyriums. Er ruft in die Nachfolge, „wohin immer er führt“ (V 1,10 nach Apk 14,4), und bringt den Leidenden als Erstgeborener aus den Toten die Gewissheit, sie durch den Tod in Gottes Leben zu geleiten (V 2,3 nach Apk 1,5; 3,14).160 Die Rezeption gipfelt in V 1,58, wo die Autoren ein Wort der Apk als Schrift deuten. „Der Sünder (Gesetzlose) soll“ – so fasst die Schrift (Apk) das Unrecht von Statthalter und Volk an den leidenden Christen zusammen – „noch sündigen, und der Gerechte soll noch verurteilt werden“. Dieser Zweizeiler lehnt sich an den A-Text von Apk 22,11 an161 (die Zeile καὶ ὁ ῥυπαρὸς ῥυπαρευθήτω ἔτι des S-Textes fehlt), folgt aber im Wortlaut der zweiten Zeile nicht A, sondern den Oecumenius-Hss. PB (und einzelnen weiteren Zeugen); ἄνοµος etc. in der ersten Zeile ist Sonderlesart.
———————— 159 Weitere Referenzen auf die Apk bei BAUMEISTER, Brief (s. Anm. 100), 346–354; vgl. SCHMID II (s. Anm. 2), 165f. 160 14,4 wird hier zur individuellen Leidensnachfolge aktualisiert, ohne in den Text wesentlich einzugreifen; als eindeutiges Indiz für die Apk-Kenntnis bleibt das unverwechselbare, im frühen Christentum einzigartige Christusprädikat ἀρνίον bewahrt. Euseb, h.e. V 1,10 passt lediglich den Numerus des Verbs dem neuen Kontext an; ansonsten finden wir eine wörtliche Übernahme von Apk 14,4 einschließlich dem im Neuen Testament einzigartigen Wortlaut. 161 Den Bezug auf die (im ganzen Brief nicht explizit genannte) Apk weist B AUMEISTER, Brief (s. Anm. 100), 347 nach. Bezüge zu Ez 3,27 und Dan 12,10 sind über die Apk vermittelt.
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Im 2. Jh. läuft demnach in Gallien ein Nebentext zum A-Text der Apk um. Er ist sehr alt162 und dennoch wohl nicht der Ursprungstext (dafür ist die Bezeugung zu schmal), sondern eine interpretatorische Verdichtung: Die Lektüre in der Notsituation kurz nach Verbreitung der Apk steigert den Ungerechten zum Gesetzlosen163 und sieht den Gerechten unausweichlich die Verurteilung erfahren (δικαιωθήτω, Passiv). Der daneben tradierte Apk-Haupttext ermuntert dagegen, selbst in ungerechter Umgebung gerecht zu handeln (δικαιοσύνην ποιεῖν, Aktiv).164 Neuerlich stoßen wir auf die Relevanz der Verfolgungserfahrungen ab dem 2. Jh. für die Fortschreibung des im Apk-Text angelegten apokalyptischen Dualismus zu innerweltlicher Ausweglosigkeit (ACp47 13,7a, A 13,10 und unsere Variante von 22,11 korrespondieren, obwohl unabhängig voneinander überliefert, in der Tendenz).165 Vergleichen wir die Beobachtungen zu denen an p115 und p98, sind nicht nur C-, sondern auch Oecumenius-Lesarten oft alt.166 Die Haupthandschrift A ist, wie alle aufgezeigten Befunde verlangen, stets in Relation zu den anderen Zeugen des A-Textes zu setzen. Den ältesten Zeugen ist dabei freilich nicht vorbehaltlos gegen A zu folgen. Denn die genannten Sondervarianten in p98 und unserem Zitat bestätigen die Tendenz des 2. Jh. zu Freiheiten in der Textwiedergabe. Mit dieser Präzisierung bekräftigen die heute vorhandenen Zeugnisse den Vorrang des A-Textes vor dem S-Text. Noch eine letzte Frage ist ungeklärt, worauf wiederum Gryson aufmerksam macht: Die einst postulierte Lücke von Zeugen des westlichen Textes ist angesichts der inzwischen so weit zurückreichenden Überlieferung der ———————— 162 Auch ἄνοµος haben die Autoren wohl schon vorgefunden. Denn sie brandmarken den Hass von Statthalter und Volk unmittelbar vor dem Zitat als ἄδικος (V 1,58), woran sich das ἀδικῶν aus dem uns überkommenen Apk-Haupttext besser anschließen würde als ihr ἄνοµος. 163 Das könnte auf den apokalyptischen Schluss des Dan-Buches anspielen: s. ἄνοµος in Dan 12,10 Θ (diff. LXX); BAUMEISTER, Brief (s. Anm. 100), 347. 164 Auch die Kürzung von Apk 22,11 zum Zweizeiler passt zu einer interpretatorischen Verdichtung. Denn die im A-Text fehlende Zeile καὶ ὁ ῥυπαρὸς ῥυπαρευθήτω ἔτι („der Befleckte beflecke sich weiter“) korrespondiert antithetisch zu der im Brief von Lyon und Vienne gleichfalls ausgeklammerten letzten Zeile des Verses „der Heilig-Reine heilige sich weiter“. Omissio durch Homoioarkton oder bewusste Kürzung sind also wahrscheinlich. Des weiteren ist die zusätzliche Zeile im Kontext der Apk nicht vorbereitet (ῥυπαρός fehlt in ihr vor unserer Stelle). Die Situation ist zu 13,7a nicht vergleichbar. 165 Die Ausstrahlung der Apk in der Verfolgungsgeschichte setzt sich in der Passio Perpetuae fort: Vgl. P. HABERMEHL, Perpetua und der Ägypter oder Bilder des Bösen im frühen afrikanischen Christentum. Ein Versuch zur Passio sanctarum Perpetuae et Felicitatis, TU 140, Berlin 1992, 91–93 u.ö. 166 Auf eine weitere relevante Variante weist S UGGIT , Oecumenius (s. Anm. 93), 15 hin: Oecumenius erweist das bislang als jung geltende ἐπλάτυναν in 7,14 als eine alte Lesart neben ἔπλυναν.
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Apk kaum mehr plausibel. Gryson schlägt daraufhin vor, der A-Text biete den scheinbar verlorenen westlichen Text, der bei der Apk den Vorrang erhalten habe, weil sich östliche Textformen angesichts der Krise der östlichen Rezeption im 3./4. Jh. nicht gleichermaßen zu entwickeln vermochten.167 Würde sich diese These bestätigen, wäre entweder der westliche Text zum Hauptzeugen der Apk aufzuwerten (was der im französischen Raum beliebten Aufwertung des westlichen Textes entspräche) oder der A-Text wäre (qua westlicher Text) trotz Verbreitung und Alter doch nicht gegenüber p47 אüberragend vorzuziehen. Die Evidenz für Grysons These zu erbringen, fällt schwer. Denn Gryson kann die vermerkte Lücke einer westlichen Leit-Handschrift (Basis für das Dilemma vom 19. Jh. bis Schmid) nicht schließen. Deshalb ist seine These in der anstehenden Neuprüfung der Textgruppen zu beachten. Sie darf aber nicht mehr zur Infragestellung der folgenden Hauptergebnisse aus den Forschungen des 20. Jh.s führen: – Dem A-Text sind p18, p24, p98, p115, A, C (mit beträchtlicher Selbständigkeit), 0163 und Oecumenius168 zuzuweisen, dem – S-text p47, p85, א, 0169, 0207 und Origenes-Zitate (bes. min. 2351). – A-Text und S-Text wirken bis in die Zeit der Minuskeln weiter. Ins Umfeld des A-Textes gehört (mit beträchtlicher Selbständigkeit) Minuskel 2344, ins Umfeld des S-Textes weisen (gleichfalls mit beträchtlicher Selbständigkeit) die Minuskeln 1854 und 2329.169 – A-Text und S-Text sind damit beide so gut belegt, dass die jüngeren Textgruppen des Andreas- und byzantinischen Textes es nach gegenwärtigem Kenntnisstand schwer haben, eigenständige Varianten als Kandidaten für den Ausgangstext beizusteuern. Trotzdem muss sich die Forschung dafür offen halten, dass die Anwendung fortgeschrittener Methodik (konkret der kohärenzbasierten genealogischen Methode) zur Neubewertung auch junger Handschriften führt. Relevant bleiben Andreas- und byzantinischer Text in jedem Fall zur Klärung und Unterstützung von Textrekonstruktionen nach den älteren Textgruppen. – Der A-Text ist etwas älter und besser als der S-Text nachgewiesen. Die begonnene Revision des Apk-Textes in Richtung auf den A-Text hat darum gute Gründe. Sie ist unter sorgsamer Abwägung der Zeugen weiter zu verfolgen.
———————— 167 168 169
GRYSON, Apocalypsis (s. Anm. 3), bes. 94. PARKER, Introduction (s. Anm. 2), 240. AUNE, Revelation (s. Anm. 3), cxliii.cxlvi zusammen mit S CHMID, Studien II (s. Anm. 2), 25.
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4 Ergebnis Die Bestandsaufname fällt kritisch aus. Der heutige Text der Apk ist durch auffällige Reminiszenzen des Textus receptus, bedenkliche Unklarheiten bei der Erschließung und Kollation der Zeugen sowie erhebliche Inkonsistenzen in der Abwägung zwischen den Hauptzeugen belastet. Trotz der enormen Fortschritte seit dem 19. Jh. wiederholt sich insofern die einst von Scrivener gegeißelte Situation: „the text of the Apocalypse is less satisfactorily represented in our printed editions than that of any other part of the New Testament“.170 Es wäre jedoch falsch, dies als Entmutigung zu lesen. Vielmehr zeichnet sich in der Bestandsaufnahme ebenso der Weg zur Behebung der Gravamina und zur Neuedition der Apk ab: 1. Die Quellenlage hat sich durch die im heutigen Apk-Text noch nicht berücksichtigten Editionen der letzten Jahrzehnte (Papyri, Oecumenius und Vetus Latina) wesentlich verbessert, und eine Neuedition von koptischen und syrischen Übersetzungen wird weitere Klärungen bringen. Die bei den anderen neutestamentlichen Schriften zum Standard gewordene Untersuchung über Text und Textwert der Zeugen kann die Basis für eine verbesserte Analyse und Auswahl der griechischen Handschriften legen. Die anstehende Untersuchung über die Korrektoren der Haupthandschriften und die nach der erfolgten Transkription der Handschriften mögliche Prüfung einer genealogischen Kohärenz der Textgruppen verspricht Fortschritte in der Erkenntnis der geschichtlichen Abfolge. 2. Der Vorrang des A-Textes unter den Handschriftengruppen (A-Text, S-Text, Andreas- und byzantinischer Text) ist vorläufig geklärt und damit die Richtung für die Fortentwicklung des Textes gewiesen. Innerhalb des A-Textes ist unter den Hauptlesarten zu wägen und keinesfalls immer A zu bevorzugen. Der Codex Ephraemi (C) ist aufzuwerten, dessen Ort durch eine Kontrolle des Textes mit den heutigen technischen Möglichkeiten und dem Vergleich mit den neuen Papyri (bes. p115) genauer bestimmbar wird, und beide Gruppen der Oecumenius-Handschriften (min. 2053 / 2062 und min. 1678 / 1778) verdienen neben den Papyri hohe Aufmerksamkeit. 3. Neben dem A-Text besitzt der S-Text den höchsten Rang. Wo p47 vorhanden ist, hat der Papyrus noch höheren Wert als א. Begleitende Zeugen (bes. Origenes) beweisen das hohe Alter der Textform, die viele Entscheidungen der derzeitigen kritischen Edition bestimmt. 4. Andreas- und byzantinischer Text, die durch die Handschriftenfunde des 19. und 20. Jh. an selbständigem Gewicht verloren, behalten für die Textrekonstruktionen in Unterstützung und Kontrolle der älteren Textgruppen Bedeutung. Einzelne ihrer Handschriften werden durch die An———————— 170
SCRIVENER, Transcript (s. Anm. 49), lxxviii.
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wendung der kohärenzbasierten genealogischen Methodik voraussichtlich darüber hinaus Relevanz erhalten. 5. Die derzeitigen Brüche zwischen den Textgruppen werden sich durch eine methodisch präzisierte Erstellung genealogischer Kohärenzen voraussichtlich überwinden lassen. Ob sich dann auch die jüngst wieder aufgebrochene Frage nach der Identifikation des westlichen Textes lösen wird, steht mangels eines Leitmanuskripts offen; aber diese Frage darf nicht überschätzt werden. 6. Das heutige methodische Instrumentarium erlaubt, bislang unbeachtete Hinweise der Haupthandschriften zu erschließen. Das größte Interesse verdienen die Gliederungsmerkmale, die sich bis zum Alexandrinus deutlich ausprägen. Eine Neuedition der Apk kann versuchen, diese Struktur im Text wiederzugeben oder sie zumindest zusätzlich zur jüngeren Bildung von Kapiteln, Abschnitten und Versen in Marginalien auszuweisen. Alles in allem lassen die erweiterten und aktualisierten Quellen eine erhebliche Verbesserung von Obertext und Apparat der kritischen Edition erwarten. – Viele stilistische Varianten werden neu hervortreten, wenn die Handschriften den Vorrang vor einer stilistischen Vereinheitlichung durch die Editoren erhalten. Manchmal werden sich Irregularitäten der Apk mindern, manchmal werden sie neu hervortreten. – Die stilistischen Varianten verlangen über die grammatische hinaus eine rhetorische Untersuchung (Vorlieben für Enallage usw.).171 Manche der zunächst stilistischen Varianten zeitigen darüber hinaus erhebliche inhaltliche Folgen (eine Möglichkeit, die wir an den Adressen der Sendschreiben 2,1.18 diskutierten). – Eine Korrektur anderer Varianten, die durch Schreibfehler (wie in 4,3; Itazismus) oder in unbewusster zeitgeschichtlicher Aktualisierung entstanden (wir erörterten den Zusammenhang von 13,7a usw. mit den Verfolgungserfahrungen des 2. bis beginnenden 4. Jh.), wird sich nicht minder auf den Sinn des Textes auswirken. – Betroffen sind von den strittigen Lesarten theologische Schlüsselbereiche der Apk. Das Bild des Himmels (4,3), die Eschatologie (5,10) und der apokalyptische Dualismus (13,10 usw.) könnten erhebliche Modifikationen erfahren. Eine Neuedition der Apk erfordert nach diesen Hinweisen einen beträchtlichen Aufwand. Vielleicht deshalb rückt sie im Programm der begonnenen editio critica maior des Neuen Testaments bislang ans Ende. Unsere Beobachtungen sprächen gegenläufig dafür, mit den Arbeiten baldmöglichst zu beginnen und die Rätsel um den Text der Apk rasch zu lösen. ———————— 171
Die Untersuchung beginnt gerade, unabhängig von der Textkritik: s. D. A. Seeing Things John᾽s Way. The Rhetoric of the Book of Revelation, Louisville, KY 2009. DES ILVA,
Der römische Kaiser Hadrian 1 und die neutestamentliche Johannesapokalypse THOMAS WITULSKI
Seit etwa 20 Jahren wird die Frage der Datierung der Abfassung der neutestamentlichen Johannesapokalypse in der theologisch-exegetischen, aber auch in der althistorischen Forschung wieder neu diskutiert. Galt es etwa bis in die 80-er Jahre des letzten Jahrhunderts als gesichertes Forschungsergebnis, dass die Apk in den letzten Regierungsjahren des Kaisers Domitian, also zwischen ca. 90 und 95 n.Chr. verfaßt worden ist, so haben sich ab diesem Zeitpunkt vermehrt Forscherinnen und Forscher zu Wort gemeldet, die diese opinio communis in Frage stellten. Auf der einen Seite wurde versucht, die im 19. Jahrhundert vorherrschende Meinung, die Apk sei in die Zeit des Kaisers Nero bzw. in das sog. „Vier-Kaiser-Jahr“ 68/69 n.Chr. zu datieren, neu zu begründen.2 Auf der anderen Seite bemühte man sich darum, die Datierung der Abfassung der Apk in einer späteren, nachdomitianischen Zeit, d.h. zur Zeit Nervas bzw. Traians zu erweisen.3 An———————— Dieser Aufsatz ist in Teilen aus einem Vortrag auf dem 1 st International Symposium on Smyrna vom 21.–23. Juli 2003 in İzmir, Türkei erwachsen, der in SNTU.A 30 (2005), 39–60 veröffentlicht worden ist. Darüber hinaus bietet er, allerdings in zusammengefaßter Form, eine Diskussion, die ähnlich bereits in T. WITULSKI, Die Johannesoffenbarung und Kaiser Hadrian. Studien zur Datierung der neutestamentlichen Apokalypse, FRLANT 221, Göttingen 2007, 14–52, geführt worden ist. Die wesentlichen der in der Forschung seitdem vorgebrachten konstruktiv-kritischen Einwände gegen die u.a. in diesen beiden Veröffentlichungen verfochtene These zur Datierung der Apk werden im vorliegenden Beitrag aufgenommen, diejenigen kritischen Äußerungen, die augenscheinlich nicht aus dem sachlich motivierten Interesse eines durchaus auch kritischen Gesprächs erwachsen sind, hingegen stillschweigend übergangen. 2 Vgl. hierzu etwa K. B ERGER, Theologiegeschichte des Urchristentums. Theologie des Neuen Testaments, Tübingen / Basel 1994, 570f., T. B. S LATER, Dating the Apocalypse to John, Bib. 84 (2003), 252–258, und G. H. VAN KOOTEN, The Year of the Four Emperors and the Revelation of John: The ʻpro-Neronian’ Emperors Otho and Vitellius, and the Images and Colossus of Nero in Rome, JSNT 30 (2007), 205–248. 3 Vgl. hierzu etwa H. K RAFT , Die Offenbarung des Johannes, HNT 16a, Tübingen 1974, 93 u.ö. und D. E. AUNE, Revelation 1–5, WBC 52 A, Dallas 1997, lvii–lxx.cxviii– cxxxiv. 1
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knüpfend an diese letztgenannten Versuche wird in der vorliegenden Studie das Ziel verfolgt, die Zeit Hadrians, konkret die Jahre zwischen 132 und ca. 135 n.Chr., als Datum der Abfassung der Apk wahrscheinlich zu machen. Dabei sind vier Schritte zu tun: (a) In einem ersten Schritt sind die wichtigsten derjenigen Argumente, die zugunsten der o.a. unterschiedlichen Datierungen der Apk jeweils angeführt werden, kritisch zu prüfen. (b) Daran anschließend geht es darum, die aus der Apk selbst erhebbare Situation, in der der Apokalyptiker sich und seine Adressaten sieht, und seine Absichten, die er mit der Abfassung seiner Apk verfolgte, näher zu bestimmen. (c) Die hier gewonnenen Ergebnisse werden drittens in die zeitgeschichtlichen Entwicklungen im Umfeld der sieben Gemeinden, an die die Apk adressiert worden ist, d.h. in die zeitgeschichtlichen Entwicklungen innerhalb der römischen Provinz Asia, eingeordnet. Dabei ist der größte mögliche Zeitraum der Abfassung der Apk, d.h. die Zeit von ca. 45/50 n.Chr. bis ca. 155/160 n.Chr. als zeitlicher Rahmen im Blick zu behalten. Als Ergebnis dieser Einordnung ergibt sich dann eine These zur Datierung der Abfassung der Apk. (d) Schließlich soll gezeigt werden, dass Texte aus der Apk selbst, hier Apk 13 und das Sendschreiben an die Gemeinde in Pergamon, Apk 2,12–17, die zuvor gewonnene These stützen.
1 Die unterschiedlichen Datierungen der Apk 1.1 Die Datierung der Apk in das sog. Vierkaiserjahr 68/69 n.Chr. Einen Versuch der Datierung der Abfassung der Apk in das sog. Vierkaiserjahr 68/69 n.Chr. hat wirkmächtig K. Berger4 vorgelegt. Seine drei wichtigsten Argumente seien hier diskutiert: (a) Zunächst verweist er darauf, dass die für die Apk grundlegende Konzeption des Gegeneinanders von Messias und Antichrist die Vertrautheit von Verfasser und Rezipienten mit der Nero redivivus-Tradition voraussetze. Diese Tradition sei aber insbesondere „in den Jahren nach Neros Verschwinden populär“5 gewesen.6 Dem steht jedoch entgegen: (1) Noch ———————— 4 Vgl. hierzu BERGER, Theologiegeschichte (s. Anm. 2), 570f.; neuer, aber nicht unbedingt mit neuen Argumenten T. B. SLATER, Dating (s. Anm. 2) und G. H. VAN KOOTEN , Year (s. Anm. 2). 5 BERGER, Theologiegeschichte (s. Anm. 2), 570. Die Popularität des Mythos vom Nero redivivus im Jahr 69 n.Chr. sieht Berger bei Tacitus, historiae II,8, bei Zonaras XI,15 und bei Cassius Dio LXIV,9 belegt. In späteren Jahren spiele dieser Mythos noch einmal um 80 n.Chr. und „dann nur noch in Ausnahmefällen“ (570), etwa zur Zeit Traians, eine Rolle. Zum Erweis des ersten Datums führt Berger Suetonius, Nero 57, Zonaras CXI,18 und Sib IV,137ff. an, hinsichtlich des zweiten verweist er auf Dio Chrysostomos, orationes (or.) XXI,10. Die Aktualität der Nero redivivus-Vorstellung im Jahr 69 n.Chr.
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20 Jahre später, um 88 n.Chr., eignete dieser Tradition augenscheinlich so viel Lebendigkeit, Popularität und Anziehungskraft, dass ein Unbekannter durchaus ernsthaft den Versuch unternehmen zu können meinte, als Nero redux bzw. redivivus7 um die Herrschaft über das imperium Romanum oder zumindest über dessen östlichen Teil zu kämpfen.8 (2) Dass die Frage nach dem Schicksal Neros offensichtlich auch in späterer Zeit noch die Menschen beschäftigte, bestätigt Dio Cocceianus (Chrysostomos).9 In seiner zwischen 90 und 110 n.Chr. verfaßten 21. Rede10 bringt er die Einschätzung zum Ausdruck, dass die Mehrheit der zur Zeit der Abfassung seiner Rede in seinem Wirkungskreis lebenden Menschen davon ausgeht, dass ———————— erklärt er mit der zu diesem Zeitpunkt akuten Bedrohung der Ostgrenze des imperium Romanum durch die Parther. In der Apk sieht Berger die Tradition des Nero redivivus u.a. in Apk 13,3.12 verarbeitet. Die Sicht Bergers wird unterstützt durch J. C. W ILSON, The Problem of the Domitianic Date of Revelation, NTS 39 (1993), 587–605 (599), der hinsichtlich der in der Gegenwart vorherrschenden domitianischen Datierung der Apk anmerkt, dass die Person Domitians niemals als Nero redivivus interpretiert worden ist. 6 Darüber hinaus weist A. A. BELL, The Date of John’s Apocalypse. The Evidence of Some Roman Historians Reconsidered, NTS 25 (1978/79), 93–102 (97f.) darauf hin, dass die auf das erste der beiden in Apk 13 erwähnten θηρία bezogene Angabe in Apk 13,3 den Bezug auf Nero erfordere. 7 Zur m.E. notwendigen begrifflichen Unterscheidung zwischen der Tradition des Nero redux und der Tradition des Nero redivivus vgl. etwa D. E. AUNE, Revelation 6–16, WBC 52 B, Nashville 1998, 738. Nach AUNE beschreibt die Tradition des Nero redux lediglich das Faktum der Wiederkehr des Kaisers („Nero returned“), während die Tradition des Nero redivivus auf die Auferstehung des zuvor verstorbenen Kaisers („Nero living again“) abhebt. Ähnlich auch U. B. MÜLLER, Die Offenbarung des Johannes, ÖTBK 19, Gütersloh / Würzburg 21995, 298f. 8 Suetonius, Nero 57. 9 Zu Dio Cocceianus (Chrysostomos) vgl. H. D ÖRRIE, Art. Dion.3, in: KP 2 (1975), 60f. Dio wurde um 40 n.Chr. in Prusa in der Provinz Bithynia geboren. Plinius erwähnt in ep. X,81f. einen in das Jahr 110/111 zu datierenden Prozeß, in welchem er als Richter über den von seinen Mitbürgern angeklagten Dio zu richten hatte. Spätere Ereignisse aus seinem Leben sind nicht bekannt. 10 BERGER, Theologiegeschichte (s. Anm. 2), 570 vertritt ebenso wie U. B. M ÜLLER, Offenbarung (s. Anm. 7), 298 die Datierung in die Zeit zwischen 98 und 110 n.Chr. J. W. Cohoon (Hg.), Dio Chrysostom II, LCL 339, London u.a. 1961, 271 datiert die 21. Rede u.a. aufgrund des hier zitierten Abschnitts 10 in die Zeit zwischen 90 und 96 n.Chr. Darüber hinaus verweist Cohoon darauf, dass Nero nach dem Tod Domitians 96 n.Chr. in seinem sechzigsten Lebensjahr gewesen wäre, ein s.E. so hohes Alter, dass die Äußerung Dios, dass die Mehrheit seiner Zeitgenossen glaubt, dass Nero noch lebt, zu dieser Zeit nicht mehr denkbar sei (271). Jenseits solcher Spekulationen läßt sich sicher nur belegen, dass die Verbannung Dios während der Regierungszeit Domitians als terminus a quo von or. XXI gelten muß. Dies ergibt sich daraus, dass sich Dio am Ende von or. XXI,10 mit einem nach Cohoon für einen kynischen Philosophen typischen Charakteristikum bezeichnet. Da Dio nun erst während seiner von Domitian angeordneten Verbannung zu einem Kyniker wurde, muß or. XXI nach diesem Exil datiert werden.
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Nero noch lebt.11 (3) Noch in der Mitte des 2. Jh. n.Chr. benutzt der Sophist und Satiriker Lukianos12 in seiner Schrift adversus indoctum et libros multos ementem die Nerolegende als Beispiel, um die besondere Leichtgläubigkeit der Menschen zu demonstrieren.13 Da Lukianos sich noch um die Mitte des 2. Jh. n.Chr. auf die Tradition des Nero redux bzw. redivivus bezieht, ist eine entsprechende literarische Bezugnahme und Verarbeitung durch den Apokalyptiker nicht auf das Jahr 69 n.Chr. zu beschränken. (b) Zweitens lasse nach Berger die „frühe und intensive Blüte der kultischen Kaiserverehrung in Kleinasien“14 eine frühe Datierung der Apk wahrscheinlich erscheinen.15 Die Analyse der Entwicklung der kultischen Verehrung der römischen Kaiser in der Provinz Asia zeigt jedoch, dass gerade in dem Zeitraum zwischen 60 und 70 n.Chr. die kultisch-religiöse
———————— 11 Or. XXI,10; Vgl. zu dieser Rede auch H.-J. K LAUCK, Do They Never Come Back? Nero Redivivus and the Apocalypse of John, in: Ders., Religion und Gesellschaft im frühen Christentum. Neutestamentliche Studien, WUNT 152, Tübingen 2003, 268–289 (271): „To sum up: Dio Chrysostom is a very valuable, since independent, witness for the origin and early development of the Nero legend. The Roman historians we usually start with in all probability wrote later than he, and the basic pattern is already there, though we only can identify single traits if we have already an idea of the whole picture“. 12 Lukianos wurde um 120 n.Chr. in Samosata geboren und starb nach 180 n.Chr. Vgl. hierzu K. WEGENAST, Art. Lukianos.1, in: KP 3 (1975), 772–777. Dies legt die Annahme nahe, dass die Schrift adv.ind. frühestens etwa um 140/145 n.Chr. verfaßt worden ist. 13 Adv.ind. 20. 14 BERGER, Theologiegeschichte (s. Anm. 2). 570. Dies belegt Berger insbesondere damit, dass „der Titel ‚Herr und Gott‘ samt Kaiserkult ... für römische Kaiser auch schon früher [d.h. vor der Zeit Domitians] belegt [ist], insbesondere für Kleinasien“. Darüber hinaus verweist er darauf, dass sich „hier [d.h. in Kleinasien] ... die Städte Ephesus, Pergamon und Smyrna zu einem Kaiserkultverband zusammengeschlossen“ (570) hatten. 15 Berger macht darauf aufmerksam, dass in den Sendschreiben der Kaiserkult nicht thematisiert wird, und führt dies auf die zur Zeit der Abfassung der Apk für die Adressatengemeinden diesbezüglich wenig bedrohlichen Verhältnisse zurück. Diese Verhältnisse unterscheidet er explizit von denen zur Zeit des Plinius, d.h. die Zeit um 110 n.Chr.: „Hier [d.h. zur Zeit des Plinius] gibt es behördlich organisierte Verfolgungen und eine weite Verbreitung christlichen Glaubens“ (BERGER, Theologiegeschichte [s. Anm. 2], 570). Aus dieser Differenz folgert er einen erheblichen zeitlichen Abstand zwischen den beiden historischen Situationen. Im Zusammenhang dieser Erwägungen deutet Berger unter Verweis auf die Inschrift OGIS 383, Z. 42 den Begriff θρόνος τοῦ σατανᾶ (Apk 2,13) auf „den Himmel als Thron eines Gottes“ (570), hier des Gottes Zeus. Gegen Berger ist darauf hinzuweisen, dass Traian in seinem bei Plinius, ep. X,97 überlieferten Reskript an seinen in die Provinz Bithynia entsandten legatus Augusti consulari potestate eine behördliche Verfolgung der Christen nachgerade verbietet (vgl. hierzu T. W ITULSKI, Kaiserkult in Kleinasien. Die Entwicklung der kultisch-religiösen Kaiserverehrung in der römischen Provinz Asia von Augustus bis Antoninus Pius, NTOA / StUNT 63, Göttingen u.a. 2007, 81–85).
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Kaiserverehrung in der Provinz Asia offensichtlich stagnierte.16 Diese Stagnation wurde erst mit der Einrichtung des provinzialen Kultes der flavischen Σεβαστοί in Ephesus und der Weihe des entsprechenden Heiligtums 89/90 n.Chr. überwunden.17 (c) Drittens verweist Berger darauf, dass die Deutung der Zahl 666 (Apk 13,18) auf Νερὼν Καῖσαρ die wahrscheinlichste sei.18 Dagegen spricht, dass der Bezug der Zahl 666 auf Nero zwar eine, aber keineswegs die einzig mögliche Deutungsvariante dieser Chiffre darstellt19. Gegen die Annahme der Datierung der Abfassung der Apk in die Zeit um 68/69 n.Chr. sprechen nun folgende Argumente: (a) Die Verwendung des Ausdrucks οἱ δώδεκα ἀπόστολοι (Apk 21,14) als Bezeichnung für eine Gruppe aus der Vergangenheit und die Verwendung des Terminus Βαβυλών (Apk 17,5) als Chiffre für Rom weisen hinsichtlich der Entstehungszeit der Apk in die 80-er bzw. 90-er Jahre des ersten nachchristlichen Jahrhunderts, also in jedem Falle in die Zeit nach 70 n.Chr.20 (b) In der römischen Provinz Asia wurden weder der römische Kaiser Nero21 geschweige denn sein Nachfolger Galba auf provinzialer Ebene kultisch-religiös verehrt. Warum hätte dann aber der Apokalyptiker das imperium Romanum und seinen princeps bzw. seine principes als gänzlich unheilvolle und satanische Mächte charakterisieren sollen? 1.2 Die Argumente zugunsten der Datierung der Abfassung der Apk in die Zeit Domitians Diejenigen Forscherinnen und Forscher, die die Apk in die Zeit Domitians datieren, führen zugunsten ihrer Hypothese im wesentlichen zwei Argumente an: ———————— 16
Vgl. hierzu auch S. FRIESEN, Imperial Cults and the Apocalypse of John, Oxford 2001, 148: „The period of Nero seems to have been rather quiet with regard to imperial worship“. 17 Vgl. hierzu W ITULSKI, Kaiserkult (s. Anm. 15), 50f.53–77. 18 So auch BELL, Date (s. Anm. 6), 98: „Aside from the number 666, which is ‚a human number‘ and fits only Nero among the emperors ...“. Vgl. hierzu auch J. C. WillSON, Domitianic Date (s. Anm. 6), 598 und J. A. T. R OBINSON, Redating the New Testament, London 41981; deutsch: Wann entstand das Neue Testament, Paderborn / Wuppertal 1986, 246–249, der darüber hinaus darauf verweist, dass Nero in Rom die Förderung der Verehrung seiner eigenen Person betrieben hat. 19 Vgl. hierzu bereits Irenaeus, haer. V,30,3. 20 Vgl. hierzu etwa AUNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 3), lxixf. Im Blick auf den Begriff Βαβυλών anders, aber nicht überzeugend S LATER, Dating (s. Anm. 2), 254f. 21 Vgl. hierzu F RIESEN, Imperial Cults (s. Anm. 16), 148: „The period of Nero seems to have been rather quiet with regard to imperial worship“. Anders R OBINSON, Redating (s. Anm. 18), 247f.
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(a) Zunächst verweisen sie auf eine Äußerung des Kirchenvaters Irenaeus von Lyon,22 der im fünften Buch seiner ca. 180/185 n.Chr. verfaßten23 Schrift adversus haereses hinsichtlich der Deutung der Zahl 666 Apk 13,18 zunächst ausführt: ῾Ηµεῖς γ᾿οὖν οὐκ ἀποκινδυνεύοµεν περὶ τοῦ ὀνόµατος τοῦ ἀντιχρίστος ἀποφαινόµενοι βεβαιωτικῶς. εἰ γὰρ ἔδει ἀναφανδὸν ἐν τῷ νῦν καιρῷ κηρύττεσθαι τοὔνοµα αὐτοῦ, δι᾿ ἐκείνου ἂν ἐρρέθη τοῦ καὶ τὴν ἀποκάλυψιν ἑωρακότος.
Daran unmittelbar anschließend bemerkt er im Blick auf das Datum der Schau bzw. der Entstehung der Apk: Οὐδὲ γὰρ πρὸ πολλοῦ χρόνου ἑωράθη, ἀλλὰ σχεδὸν ἐπὶ τῆς ἡµετέρας γενεᾶς, πρὸς τῷ τέλει τῆς ∆οµετιανοῦ ἀρχῆς (haer. V,30,3). 24
Gegenüber dieser Bemerkung des Bischofs von Lyon, die die Abfassung der Apk zur Zeit Domitians zweifelsfrei zu belegen scheint, ist kritische Vorsicht angebracht. Einerseits verfasste Irenaeus sein eigenes Werk eine doch geraume Zeit, immerhin ca. 90 Jahre, nach dem von ihm behaupteten Zeitpunkt der Abfassung der Apk. Andererseits lässt sich im Blick auf den gesamten Textzusammenhang haer. V,30,1–4 nicht zeigen, dass der Kirchenvater hier auf alte Traditionen aus der Asia Minor, genauer aus der römischen Provinz Asia, die ihm diese Datierung der Apk überliefert hätten, zurückgegriffen hat. Daraus folgt, dass die Annahme, dass Irenaeus die Angabe zum Zeitpunkt der Abfassung der Apk in haer. V,30,3 aus der Kombination ihm vorliegender Quellen selbst erschlossen hat, nicht ausgeschlossen werden kann. Daraus aber wiederum folgt, dass die Ausführungen des Irenaeus die Datierung der Apk in die Zeit Domitians nicht ursprünglich belegen können. Sie können eine solche Datierung, wenn sie auf anderem Wege gewonnen worden ist, allenfalls sekundär stützen. (b) Zweitens verweisen zumindest einige der Vertreter der Datierung der Apk in die Zeit Domitians immer wieder auf Verfolgungen, die Domitian gegen die Christen angeordnet habe. U.a. damit habe der Kaiser seine eigene Position als dominus et deus, die er sich selbst in unangemessener, hybrid verzerrter Weise zumaß, im imperium Romanum untermauern wol———————— 22 Vgl. hierzu beispielhaft für viele andere Forscherinnen und Forscher A. Y ARBRO COLLINS, Myth and History in the Book of Revelation: The Problem of its Date, in: B. Halpern / J. D. Levenson (Hg), Traditions and Transformations: Turning Points in Biblical Faith, Winona Lake 1981, 377–403 (381) und DIES., Dating the Apocalypse of John, BR 26 (1981), 33–45 (40f.). 23 Vgl. N. Brox (Hg), Irenäus von Lyon, Adversus Haereses. Gegen die Häresien V, FC, 8,5, Freiburg u.a. 2001, 9, etwas anders U. HAMM, Art. Irenaeus von Lyon, in LACL (21999), 311–315 (311), der die Abfassung der fünf Bücher umfassenden Schrift adversus haereses zwischen 174 und 189 n.Chr. datiert. 24 Text nach Brox, Irenäus von Lyon (s. Anm. 23), 228.
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len.25 Der Apokalyptiker habe in diesen Verfolgungen die Christen mit seiner Apk zu trösten, zu ermutigen und wieder aufzurichten versucht. Neuere Forschungen haben jedoch zunächst gezeigt, dass sich solche Verfolgungen historisch nicht nachweisen lassen. Darüber hinaus machten sie die Annahme wahrscheinlich, dass die negativen Urteile über die unangemesse Selbstvergöttlichung des Kaisers nicht auf tatsächlichen historischen Fakten beruhen, sondern auf die entsprechenden Darstellungsabsichten der jeweiligen Historiographen bzw. Literaten wie etwa Suetonius, Plinius Secundus oder Cassius Dio zurückgehen.26 Als Angehörige oder Sympathisanten der senatorischen Partei in Rom stellten diese Domitian, der in der Zeit seiner Herrschaft den Einfluß des Senats zu beschneiden suchte und dabei auch vor Gewalt und Grausamkeit nicht zurückschreckte, mit Absicht in ein schlechtes Licht und ließen ihn als Herrscher mit einem unangemessenen göttlichen Selbstanspruch erscheinen.27 Insbesondere epigraphische Belege zeigen jedoch, dass eine solche Darstellung historisch unzutreffend ist.28 Damit aber vermag auch der Verweis auf Domitian als sich unangemessen überhöhenden dominus et deus, der im Rahmen dieses Anspruches u.a. auch die Christen verfolgen ließ, die Datierung der Apk in die Regierungszeit dieses Kaisers nicht oder nicht mehr zu begründen.
———————— 25 Vgl. hierzu M. P. C HARLESWORTH, Einige Beobachtungen zum Herrscherkult, besonders in Rom, in: A. Wlosok (Hg), Römischer Kaiserkult, WdF 372, Darmstadt 1978, 163–200 (190f.) und K. SCOTT , The Imperial Cult under the Flavians, Stuttgart / Berlin 1936, 102–112. 26 Vgl. hierzu u.a. C. URNER, Kaiser Domitian im Urteil antiker literarischer Quellen und moderner Forschung, Augsburg 1993, 321: „Das Domitianbild unterliegt einem Wandel. Aus dem grausamen, habgierigen Tyrannen, dem haltlosen Lüstling und feigen Versager wurde inzwischen ein strenger, konsequenter, auf Provokationen hart reagierender Herrscher, ein gerechter, umsichtiger Staatsmann, ein sittenstrenger Verfechter altrömischer Werte (!) und fähiger Feldherr mit Augenmaß für Realitäten“. Zur Entstehung des Bildes Domitians als eines Christenverfolgers in der Alten Kirche vgl. P. P RIGENT , Au temps de l’Apocalypse I. Domitien, RHPhR 54 (1974), 455–483 (481). 27 Vgl. hierzu B. LEVICK, Domitian and the Provinces, Latomus 41 (1982), 50–73 (62), die u.a. den persönlichen Erfolg der Einwohner der Provinzen des imperium Romanum, die Frage, inwieweit der entsprechende Kaiser sich an Leistungen für ihr jeweiliges Gemeinwesen beteiligte, und – insbesondere im Blick auf die östlichen Provinzen des römischen Reiches – seine philhellenischen Tendenzen als wichtige Kriterien für ihre Einschätzung seiner Person und seiner Regentschaft benennt. 28 Vgl. hierzu S. FRIESEN, Twice Neokoros. Ephesus, Asia and the Cult of the Flavian Imperial Family, RGRW 116, Leiden u.a. 1993, 34 im Blick auf die Domitiantitulatur: „Thus, there is no suggestion of extraordinary cultic honors for Domitian“.
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1.3 Spätere Datierungen 1.3.1 Die Datierung der Apk in die Zeit Nervas bzw. Traians Im Unterschied zu den bisher erörterten Vorschlägen zur Datierung der Abfassung der Apk nimmt H. Kraft für dieses Werk einen längeren Entstehungszeitraum an. Während „der Rest des Buches, zumindest die Kapitel 13 und 17“29 nach Kraft in der zweiten Hälfte der Regierungszeit Nervas, d.h. 97/98 n.Chr.,30 verfaßt worden sind, datiert er die Abfassung des Corpus der sieben Sendschreiben Apk 2f., die er als spätere Einfügung in die bereits bestehende Apk ansieht,31 in die Zeit zwischen dem Tod Nervas und den jüdischen Aufständen in der Zeit um 114/115 n.Chr.,32 also weit in die Regierungszeit Traians. Für seine Datierung der Entstehung der zunächst ohne Apk 2f. vorliegenden Apk zur Zeit des römischen Kaisers Nerva beruft sich Kraft im wesentlichen auf die Königsliste Apk 17,9–11. Die Tatsache, dass der Apokalyptiker den zur Zeit der Abfassung seines Werkes amtierenden römischen Kaiser nicht als den siebten, sondern als den sechsten βασιλεῦς zählt,33 sei angesichts der Grundintention der Apk34 nur zu erklären mit der Annahme, dass die Regierungszeit des siebten Kaisers bereits in die des sechsten hineinrage und unausweichlich bevorstehe.35 Aus dieser Annahme ———————— 29
KRAFT , Offenbarung (s. Anm. 3), 93. Da nach Kraft Apk 21,9ff., d.h. 21,9–22,5 (276), „als Entsprechung zu Kap. 17 konzipiert ist“ (262), muß dieser Abschnitt zum Zeitpunkt der Abfassung von Apk 17 ebenfalls vorgelegen haben. 30 Vgl. K RAFT , Offenbarung (s. Anm. 3), 10.221f. 31 Diese Annahme begründet Kraft damit, dass die Sendschreiben im Unterschied zum Rest der Apk eine andere Situation voraussetzen: „Man wird aus der Situation – den Christen droht Verfolgung, aber nicht den Juden – schließen müssen, daß die Sendschreiben später geschrieben sind als in der zweiten Regierungshälfte Nervas“ (93). Auf den Verfasser der Sendschreiben führt Kraft darüber hinaus noch Apk 1,4–8; 22,21 zurück: „Der Verfasser der Sendschreiben hat unser Buch mit einem Briefpräskript und einem Segenswunsch (22,21) versehen“ (27). Apk 1,1–3 und Apk 22,6–20 gingen demgegenüber auf spätere Hände zurück (276). 32 Vgl. K RAFT , Offenbarung (s. Anm. 3), 93. 33 Vgl. KRAFT , Offenbarung (s. Anm. 3), 221f.: „Damit kommt die entscheidende Frage, die zur Lösung des Problems führt: ... – was veranlaßte ... den Seher, für seine Gegenwart nicht die Zeit des Siebten, sondern die des Sechsten anzunehmen“? 34 Nach K RAFT , Offenbarung (s. Anm. 3), 222 besteht die Grundintention der Apk darin, zu „trösten und mit[zu]teilen, daß das alles nicht mehr lang dauern wird“. 35 Vgl. K RAFT , Offenbarung (s. Anm. 3), 222: „Es hätte ihm [d.h. dem Apokalyptiker] freigestanden zu sagen: sechs sind gefallen, jetzt ist der Siebte, und dann kommt das Ende – das heißt: so hätte er zählen können und müssen, wenn ihn nicht ein noch ungenannter Umstand daran gehindert hätte. Er ist gezwungen, mit der Regierung des Siebten zu rechnen, weil er ihn bereits kennt, weil am Siebten, wiewohl in diesem Augenblick noch der Sechste regiert, nicht mehr zu zweifeln ist“. Anders als diejenigen Forscher, die bei ihrer Zählung der sieben bzw. acht βασιλεῦς mit Julius Caesar oder Augustus begin-
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folgert Kraft: „Nur in einer kurzen, nach Monaten zählenden Zeitspanne kann diese Weissagung geschrieben sein, nämlich zur Zeit Nervas zwischen der Aufnahme Traians in die Mitregentschaft und Nervas Tod. D.h. zwischen Sommer 97 und Frühjahr 98“.36 Diese Datierung findet er in seiner Deutung der Zahl 666 aus Apk 13,18 bestätigt. Die Addition der mit den Buchstaben des griechisch geschriebenen Namens Nerva, Μ. ΝΕΡΟΥΑ, verbundenen Zahlen ergebe 666.37 Die Datierung der sieben Sendschreiben und der von ihrem Verfasser hinzugefügten Abschnitte Apk 1,4–8; 22,21 in die Zeit zwischen 97/98 und 114/115 n.Chr. begründet Kraft mit der s.E. aus den Sendschreiben sich ergebenden Tatsache, dass die Christen, nicht aber die Juden von Seiten des römischen Staates Verfolgungen zu befürchten hätten. Da sich nach den Aufständen der Juden im römischen Reich 114/115 die Situation der Juden von derjenigen der Christen nicht mehr grundlegend unterschieden hätte, ließe sich das in den Sendschreiben vorausgesetzte unterschiedliche Verhältnis beider Religionsgemeinschaften zum römischen Staat nur innerhalb der Jahre zwischen 97/98 und 114/115 denken. Dabei erwägt Kraft, diesen Zeitraum aufgrund der in Plinius, ep. X,96f. bezeugten christenfeindlichen Maßnahmen näherhin auf die Zeit von 110 bis 114/115 n.Chr. einzugrenzen.38 Doch kann eine Datierung der noch ohne das Corpus der sieben Sendschreiben und der mit diesem Corpus hinzugefügten Passagen Apk 1,4–8; 22,21 vorliegenden Apk in die Regierungszeit Nervas nicht überzeugen: ———————— nen, geht Kraft aufgrund der Tatsache, dass die Siebenzahl an dieser Stelle durch deren Bedeutung im Gesamtzusammenhang der Apk vorgegeben ist, davon aus, dass man „als erste Frage nicht die stellen [darf], bei welchem Kaiser mit der Zählung zu beginnen sei. Denn durch die Art des Rätsels und durch die Konstanz der Siebenzahl ist für den Verfasser festgelegt, dass der Siebte der letzte ist“. Vgl. hierzu auch 221: „Wenn der Seher in der letzten Zeit lebt und nur wenig Zeit vor sich zu haben glaubt, und wenn er in seiner Zählweise (im Anfangspunkt und im Gegenstand seiner Zählung) frei ist – nur dass es römische Kaiser sein müssen, was er zählt – ...“. 36 KRAFT , Offenbarung (s. Anm. 3), 222. 37 Vgl. KRAFT , Offenbarung (s. Anm. 3), 222. Nach Kraft erwartete der Apokalyptiker gemeinsam etwa mit dem Verfasser des 4Esr, dass „Trajans Regierungszeit ... kurz und unruhig sein [werde]. Das ist die gemeinsame Erwartung aller Apokalyptik am Ende des ersten Jahrhunderts. Auch 4. Esra erwartet für die Herrschaft der letzten beiden Flügelchen ..., die den letzten beiden Häuptern in unserm Text entsprechen, ein regnum exile et turbationis plenum. Nach Domitians Ermordung verbreitete sich in apokalyptischen Kreisen die Überzeugung, das Römerreich werde binnen kurzem zusammenbrechen“ (222). 38 Vgl. K RAFT , Offenbarung (s. Anm. 3), 93f.: „So ergibt sich als Terminus post quem der Tod Nervas, vielleicht die christenfeindlichen Maßnahmen, die der Pliniusbrief bezeugt, d.h. etwa das Jahr 110. Als Terminus ante quem haben wir die jüdischen Aufstände im Römerreich in den Jahren 114/15 anzusehen, weil danach die Lage der Juden im allgemeinen nicht mehr so attraktiv war, daß die Fluktuation zwischen Christen und Juden einen Vorteil bedeutet hätte“.
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(a) Die auf den siebten βασιλεῦς bezogene Formulierung ὁ ἄλλος οὔπω ἦλθεν Apk 17,10 setzt keineswegs voraus, dass der siebte βασιλεῦς noch nicht regiert, aber bereits designiert ist. Genausogut ist denkbar, dass der Apokalyptiker hier zum Ausdruck bringen wollte, dass der siebte βασιλεῦς zwar bald kommen,39 zur Zeit der Regentschaft des sechsten aber eben noch keine Rolle spielt, sondern erst im Anschluß daran auftreten wird.40 (b) Darüber hinaus ist festzuhalten, dass die Schreibweise Μ. ΝΕΡΟΥΑ offensichtlich in dieser Form von Kraft konstruiert ist, da sie so zumindest epigraphisch und numismatisch m.W. nicht belegt ist. Durchaus bedenkenswert sind m.E. aber die Überlegungen Krafts hinsichtlich des Ausgangspunktes für die Zählung der sieben Könige Apk 17,9–11. Hier mit Claudius zu beginnen, trägt der historischen Tatsache Rechnung, dass es in der Provinz Asia eine gemeinsame Geschichte von Christentum und römischem Staat und damit auch Konflikte zwischen beiden erst mit der Regentschaft dieses Kaisers gegeben hat. Zwar gibt es für diese Deutung der Königsliste Apk 17,9–11 genausowenig wie für die anderen Deutungsvorschläge41 einen sicheren Beweis. Sie ist aber sicherlich als eine denkbare Möglichkeit anzusehen.
(c) Auch die Datierung der Abfassung der sieben Sendschreiben Apk 2f. und der s.E. vom gleichen Verfasser stammenden Abschnitte Apk 1,1–4; 22,21 in die Zeit zwischen 97/98, näherhin 110 und 114/115 n.Chr., wird von H. Kraft nicht ausreichend begründet. Sicherlich zeigen sich in den Sendschreiben Hinweise auf Anfeindungen der in den angeschriebenen Städten lebenden Christen durch ihre Umwelt.42 Aus ihnen läßt sich aber nicht folgern, dass die Christen, anders als die Juden, zur Zeit der Abfassung der Apk von Verfolgungen von staatlicher Seite betroffen gewesen wären.43 ———————— 39 Zu dieser Deutung der hier diskutierten Formulierung vgl. etwa G. K. B EALE, The Book of Revelation, A Commentary on the Greek Text, NIC, Grand Rapids u.a. 1999, 871: „This is to be understood, as elsewhere, as a near expectation. Thus an idea of imminence is expressed, but there is an indeterminate distance between the present and the future end“. Ähnlich auch J.-W. TAEGER, Johannesapokalypse und Johanneischer Kreis, BZNW 51, Berlin u.a. 1989, 151f. 40 Zu einer solchen Deutung dieser Formulierung Apk 17,10 vgl. etwa T. ZAHN, Die Offenbarung des Johannes, KNT 18d, Nachdruck der 1.–3. Auflage 1924–1926, Wuppertal 1986, 561, der unter der Voraussetzung, dass es sich bei dem sechsten βασιλεῦς um Nero handelte, formuliert: „Es würde dies also zur Zeit der Regierung Neros geschrieben sein, und über seinen Nachfolger anscheinend noch keine Entscheidung getroffen sein“. 41 Vgl. hierzu etwa W ITULSKI, Johannesoffenbarung (s. Anm. 1), 17. 42 Vgl. zu Anfeindungen von jüdischer Seite Apk 2,9; 3,9f., zu Anfeindungen von heidnischer Seite Apk 2,10.13(?). 43 Vgl. hierzu mit Recht BELL, Date (s. Anm. 6), 100: „Nothing in either letter [d.h. den Sendschreiben] indicates that these churches have undergone anything more that harassment by local opponents, of the sort recorded throughout the book of Acts [!]“. In Hinsicht auf Antipas, den einzigen in den sieben Sendschreiben erwähnten µάρτυς (Apk
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Wie H. Kraft geht D. E. Aune44 davon aus, dass die im Neuen Testament vorliegende Apk das Ergebnis eines längeren Entstehungsprozesses darstellt. Am Anfang stünden zwölf zunächst unabhängig voneinander existierende Texteinheiten, die der Apokalyptiker zu unterschiedlichen Zeiten und zu unterschiedlichen Zwecken zusammengestellt habe. Hierbei handele es sich konkret um folgende Abschnitte: Apk 7,1–17; 10,1–11; 11,1–13; 12,1–18; 13,1–18; 14,1–20; 17,1–18; 18,1–24; 19,11–16; 20, 1– 10; 20,11–15 und 21,9–22,5.45 Diese Texteinheiten habe der Apokalyptiker mit weiteren Texten und Traditionen zu einer ersten Auflage seines Buches, im wesentlichen zu Apk 1,7–12a; 4,1–22,5,46 verbunden. Dabei können einzelne Notizen und Verse innerhalb dieses Textcorpus nachträglich eingefügt worden sein. In ihrer zweiten Auflage, der jetzt vorliegenden Endredaktion, wurde die erste Auflage der Apk um Apk 1,1–3.4–6; 1,12b– 3,22; 22,6–21 ergänzt.47 Um nun diese beiden von ihm postulierten Entwicklungsstufen der Apk zu datieren, verknüpft Aune de facto die zwei innerhalb der Forschungsgeschichte bedeutsamsten Vorschläge zur Datierung der Entstehung der Apk, die frühere Datierung in die Zeit unmittelbar nach Neros Tod,48 und die spätere Datierung der Abfassung der Apk in der Regierungszeit Domitians,49 additiv miteinander.50 Dies führt ihn zu der These, dass die erste ———————— 2,13), bemerkt BELL: „Antipas’ death was not necessarily ordered by the governor, but since it occured in Pergamon and since no other martyrs are mentioned in the other letters, it is at least possible that he died in a legal execution rather than at the hands of a mob“ (101). 44 In seinem 1997ff. erschienenen Kommentar zur Apk. 45 Vgl. AUNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 3), cxix. Hier listet A UNE diese zwölf Texteinheiten auf und stellt bezüglich ihrer fest: „The most striking literary characteristic in Revelation is the presence of approximately twelve relatively independent textual units that have little to do with their immediate contexts or indeed with the macronarrative of Revelation: .... These twelve units of text are extremely diverse and provide the critic with evidence to suggest that they were formulated over a relatively extensive period of time for a variety of purposes, and apparently with very different Sitze im Leben“. 46 Vgl. AUNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 3), cxxff.cxxiiif. Unklar bleibt die genaue Abgrenzung der ersten Auflage. Aune gibt auf cxxiii Apk 22,9 und auf cxxxii sowohl Apk 22,5 und 22,4 als ihren letzten Vers an. Aufgrund des neuen thematischen Ansatzes in Apk 22,6 wird hier davon ausgegangen, dass nach Aune 22,5 der letzte Vers der ersten Auflage der Apk gewesen ist. 47 Vgl. AUNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 3), cxxff.cxxxii. Dazu kommen „several expansions or interpolations“, die durch eine „strongly prophetic and parenetic orientation“ charakterisiert sind (cxxf.). Als weitere Ergänzungen innerhalb der zweiten Auflage benennt Aune konkret Apk 13,9f.; 14,12f.; 16,15 (cxxxii). 48 Vgl. hierzu o. 80–83. 49 Vgl. hierzu o. 83–85. 50 Vgl. AUNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 3), lviii: „The position taken in this commentary is that both views [d.h. die frühere und die spätere Datierung der Apk] contain as-
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Auflage der Apk zwischen 68 und 74 n.Chr. zusammengestellt worden sei. In ihrem Hintergrund stünden die Ereignisse vor, während und nach dem ersten Jüdischen Krieg (66–73/74 n.Chr.).51 Für die zweite Auflage der Apk, ihre Endredaktion, so wie sie im NT vorliegt, nimmt Aune dann ein domitianisches oder, wahrscheinlicher, ein traianisches Datum an.52 Die zwölf zunächst unabhängig voneinander vorliegenden Texteinheiten müssen demzufolge dann sämtlich vor der ersten Auflage der Apk, d.h. in den 50er und 60er Jahren des ersten nachchristlichen Jahrhunderts, entstanden sein.53 Der additive Ansatz Aunes bringt es mit sich, dass die Argumente, mit denen er seine Datierung der Abfassung der drei von ihm angenommenen Entwicklungsstadien der Apk zu begründen sucht, im wesentlichen denen entsprechen, die von den Vertretern der vordomitianischen, hier insbesondere der nachneronischen, und der domitianischen Datierung der Entstehung der Apk zur Stützung ihrer Hypothese jeweils vorgetragen worden sind.54 Im einzelnen ergibt die kritische Durchsicht der von Aune vorgetragenen Argumente und Begründungszusammenhänge folgendes Bild: (a) Zugunsten der Datierung der Entstehung der zwölf bereits vor ihrer Zusammenfassung in der ersten Auflage der Apk einzeln existierenden und unabhängig voneinander entstandenen Texteinheiten in die fünfziger bzw. sechziger Jahre des 1. Jh. n.Chr.55 kann Aune allenfalls den Beleg Apk 11 ins Feld führen.56 Konsequent im Sinne seiner eigenen Argumentationslogik gedacht, kann er damit aber höchstens die Abfassung von Apk 11,1– 13, nicht aber die der anderen elf Texteinheiten datieren. ———————— pects of the correct solution, since it appears that while the final edition of revelation was completed toward the end of the reign of Domitian (or, more likely during the early part of the reign of Trajan), the first edition of the book was composed as much as a generation earlier based on written and oral apocalyptic traditions that reach back into the decade of the A.D. 60s, if not somewhat earlier“. 51 Vgl. AUNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 3), cxxiii: „The First Edition of Revelation was probably compiled about A.D. 70 (from A.D. 68 to 74), and the events leading up to and following the first Jewish revolt (A.D. 66–73) provided the Sitz im Leben for this apocalyptic writing“. 52 Vgl. AUNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 3), cxxxii: „The Second Edition of Revelation was completed during the last decade of the first century A.D., perhaps even after the turn of the century during the reign of Trajan“. Vgl. zum Gesamtzusammenhang des hier Dargestellten lvii–lxx.cxviii–cxxxiv. 53 Vgl. AUNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 3), cxxii: „The twelve self-contained textual units in Rev 4:1–22:9 [?] ... were nearly all composed prior to their inclusion in this extensive compilation of vision reports and prophetic narratives, probably in the 50s and 60s of the first century A.D.“. 54 Vgl. hierzu o. 80–83 und o. 83–85. 55 Vgl. hierzu auch W ITULSKI, Johannesoffenbarung (s. Anm. 1), 39f. 56 Vgl. zur Diskussion dieses Belegs WITULSKI, Johannesoffenbarung (s. Anm. 1), 17f.
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(b) Zugunsten der Datierung der Entstehung der ersten Auflage der Apk kann sich Aune nur auf die Königsliste Apk 17,9–11 berufen, wobei er die mit diesen Versen verbundenen interpretatorischen Schwierigkeiten und Möglichkeiten selbst einräumt.57 (c) Für die konkrete Datierung der Abfassung der zweiten Edition der Apk in domitianische bzw. traianische Zeit58 spricht nach Aune nur das Zeugnis des Kirchenvaters Irenaeus. Alle anderen Belege, die s.E. auf eine Abfassung der Apk ans Ende des ersten nachchristlichen Jahrhunderts hinwiesen, lassen keine auch nur einigermaßen eingrenzbare Datierung zu. Angesichts der historischen Fragwürdigkeit der sich auf die Datierung der Entstehung der Apk beziehenden Angabe des Irenaeus59 folgt aus diesem Befund: D. E. Aune kann für die von ihm hinsichtlich der drei Stadien der Entstehung der Apk vertretenen Datierungen mit Ausnahme der möglichen Datierung von Apk 11 in die Zeit vor der Zerstörung Jerusalems im ersten Jüdischen Krieg 70 n.Chr.60 keinen Beleg vorweisen. Ebenfalls für eine Datierung der Abfassung der Apk in traianischer Zeit votiert A. Reichert. Konkret bezieht sie sich auf die Zeit nach dem Inkrafttreten der die rechtliche Stellung der Christen zum römischen Staat neu konstituierenden Verfügungen, so wie sie im Schriftwechsel des in die Provinz Bithynia entsandten legatus augusti consulari potestate Plinius61 mit Kaiser Traian dokumentiert werden,62 also auf die Zeit nach 112 n.Chr.63 Reichert vermutet, dass die in Plinius, ep. X,96f. entwickelte Konzeption der Rechtsstellung der Christen im römischen Staat, die einerseits auf die Strafbarkeit des Christseins an sich (nomen ipsum) und die Hinrichtung standhafter Christen zielt, andererseits aber denen, die ihrem Christ-
———————— 57 58
Vgl. D. E. AUNE, Revelation 17–22, WBC 52 C, Nashville 1998, 945–949. Vgl. hierzu o. 85–87. 59 Vgl. hierzu o. 86. 60 Vgl. hierzu allerdings W ITULSKI, Johannesoffenbarung (s. Anm. 1), 43, Anm. 227. 61 Plinius übte dieses Amt (zu diesem Amt vgl. F. K. D ÖRNER, Art. Bithynia, in: KP 2 [1975], 910) in der Provinz Bithynia von „ca. 110–ca. 112“ (R. HANSLIK, Art. Plinius.2, in: KP 4 [1975], 937) aus. 62 Vgl. hierzu ausführlich W ITULSKI, Kaiserkult (s. Anm. 15), 83–85. Diese Rechtskonzeption stand zunächst in der Provinz Bithynia, in näherer oder weiterer Zukunft aber sicherlich auch darüber hinaus in Geltung. Zu den historischen Unsicherheiten im Blick auf den Geltungsbereich dieser Rechtskonzeption vgl. W ITULSKI, Kaiserkult (s. Anm. 15), 84f. 63 Vgl. hierzu etwa R. FREUDENBERGER, Das Verhalten der römischen Behörden gegen die Christen im 2. Jahrhundert, dargestellt am Brief des Plinius an Trajan und den Reskripten Trajans und Hadrians, MBPF 12, München 21969, 17, Anm. 2.3 und A. REICHERT , Durchdachte Konfusion. Plinius, Trajan und das Christentum, ZNW 93 (2002), 227–250 (227).
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sein abschwören, Straffreiheit gewährt,64 im Hintergrund der Abfassung der Apk65 gestanden habe.66 Somit wäre die Apk in die Zeit nach 112 n.Chr. zu datieren.67 Dieser Ansatz von A. Reichert erfordert eine differenzierte Diskussion. Durchaus denkbar ist einerseits, dass die von Plinius und Traian erarbeitete Konzeption zur Rechtsstellung der Christen im römischen Reich zur Zeit der Abfassung der Apk in Geltung stand. In Apk 2,10 etwa kündigt der Apokalyptiker den standhaften und treuen Christen der Gemeinde in Smyrna einen Gefängnisaufenthalt und eine zehn Tage währende Bedrängnis an,68 an deren Ende offensichtlich der Tod derjenigen Gefangenen steht, die der sich ergebenden Versuchung, ihrem Christsein abzuschwö———————— 64 Diese doppelte Intention bildet nach Reichert den entscheidenden Angelpunkt der von Plinius und Traian neu erarbeiteten, das rechtliche Verhältnis der Christen zum römischen Staat betreffenden Regelung; vgl. hierzu W ITULSKI, Kaiserkult (s. Anm. 15), 83f. 65 Vgl. hierzu auch J.-W. TAEGER, Eine fulminante Streitschrift. Bemerkungen zur Apokalypse des Johannes, in: W. Kurz u.a. (Hg), Krisen und Umbrüche in der Geschichte des Christentums (FS U. Greschat), GSTR 9, Gießen 1994, 293–311 (297): „Aus ihnen [d.h. den sieben Sendschreiben Apk 2f.] gewinnt man nicht den Eindruck einer vor allem unter der Nötigung zum Kaiserkult und umfassenden Nachstellungen leidenden Gemeinschaft. Im Vordergrund stehen hier innerchristliche Auseinandersetzungen und Fehlentwicklungen in einzelnen Gemeinden. Allerdings sind die Botschaften durchzogen von Hinweisen auf zurückliegende, andauernde und befürchtete Bedrängnisse und Leiden (2,3.9f.13; 3,8f; vgl. 1,9)“. 66 Vgl. zum Gesamtzusammenhang ausführlich R EICHERT , Konfusion (s. Anm. 63), 248–250. 67 Ebenfalls aufgrund von Plinius, ep. X,96f. erwägt TAEGER, Johannesapokalypse (s. Anm. 39), 22 die Datierung der Abfassung der Apk in traianischer Zeit: „Auch die unter Trajan geübte, vermutlich aber ältere Praxis ... konnte in Verbindung mit den Erinnerungen an die letzten Regierungsjahre Domitians Schlimmes für die Zukunft befürchten lassen. Zumindest ist es nicht möglich, vom Thema der Verfolgung her mit einiger Sicherheit auf die Zeit Domitians zu schließen“. Ähnlich auch M. G ÜNTHER, Die Frühgeschichte des Christentums in Ephesus, ARGU 1, Frankfurt am Main u.a. 1995, 130–133: „Vor diesem Hintergrund erwartet der Verfasser der Apk das endzeitliche Geschehen, das mit der blutigen Verfolgung der Christen seinen ersten Höhepunkt erreicht (vgl. [Apk] 6,9; 12,11.17; 16,6; 17,6; 18,24; 19,2; 20,4). Eine Situation aber, in der die βλασφηµία zwangsläufig zur θλῖψις der Christen durch staatliche Maßnahmen führte, läßt sich mit dem zur Verfügung stehenden Quellenmaterial ... für die Zeit der Regierung des Domitian nicht belegen. Solche Praxis staatlicher Stellen begegnet zuerst im Briefwechsel zwischen Plinius und Trajan (Ep X 96f)“ (130), woraus er folgert: „Ertrag: die Apk ist in trajanischer Zeit auf Patmos abgefaßt worden“ (133). 68 Der Finalsatz ἵνα πειραθῆτε qualifiziert die Einkerkerung der Christen als eine durch ihre Glaubensüberzeugungen motivierte. Vgl. hierzu etwa M ÜLLER, Offenbarung (s. Anm. 7), 108: „Die Verfolgung gefährdet die Gemeinde als Versuchung zum Abfall von Christus. Im Grunde aber bedeutet diese vom Teufel bewirkte Versuchung eine Erprobung durch Gott, der die Glaubenstreue der Christen prüft. ... Die Christen erwartet Verhaftung und Gefängnis“.
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ren, nicht Folge leisten.69 Auch aus der Nachricht, dass in Pergamon der von Johannes als ὁ µάρτυς µου ὁ πιστός µου bezeichnete Antipas zu Tode gekommen ist (Apk 2,13), läßt sich durchaus schließen, dass zur Zeit der Abfassung der Apk die von Plinius und Traian zunächst für die Provinz Bithynia erarbeitete bzw. erlassene rechtliche Vorgabe auch in der Provinz Asia adäquat galt.70 Ebenso ist schließlich denkbar, dass die Ausführungen Apk 6,9–11 auf die Geltung der von Plinius und Traian erarbeiteten Konzeption zur Rechtsstellung der Christen im Einzugsbereich der Provinz Asia zur Zeit der Abfassung der Apk hinweisen.71 Andererseits aber lassen die Ausführungen des Apokalyptikers in Apk 13,15 die Annahme, dass das Inkrafttreten der von Plinius und Traian ent———————— 69
So etwa MÜLLER, Offenbarung (s. Anm. 7), 108: „Die Christen erwartet Verhaftung und Gefängnis. Dies ist nicht so zu verstehen, als sei damit schon die eigentliche Strafe gemeint, so daß die Todesstrafe noch nicht droht. Einer solchen Deutung widerspricht sofort die Fortsetzung des Textes: ‚Sei getreu bis in den Tod ...‘ ([Apk 2,] Vers 10,c). Im übrigen diente die Einkerkerung nach römischen Brauch nur als vorübergehende Maßnahme, die der eigentlichen Verurteilung vorausging, die etwa Verbannung oder Tod vorsah“, und H. GIESEN, Die Offenbarung des Johannes, RNT, Regensburg 1997, 110: „Der lebensbedrohenden Situation entspricht der Appell, treu bis in den Tod zu bleiben. Die Charakterisierung des Erhöhten in der Botenformel ‚der tot war und wieder lebendig geworden ist‘ ([Apk] 2,8c) wird durchsichtig auf das Geschick nicht nur des Märtyrers ..., sondern eines jeden treuen Christen“. Anders hier T AEGER, Streitschrift, (s. Anm. 65), 297f.: „Mit der Einkerkerung dieser Christen wird der Autor nicht eine lediglich vorläufige Maßnahme meinen, der dann noch die eigentliche Strafe, Verbannung oder Tod, folgt. Einer solchen Sicht widerraten jene Stellen, an denen Johannes ausdrücklich von Todesopfern spricht ..., und 13,10, wo die Gefangenschaft neben der Hinrichtung als eine hinzunehmende Konsequenz unbeugsamer Glaubenstreue erwähnt wird. Auch der der Mahnung zur Treue beigegebene Zusatz ἄχρι θανάτου kann nicht als martyrologische Andeutung gelten. Er entspricht der Rede vom Bewahren (der [Heils-]Werke Christi) ἄχρι τέλους in 2,26, also dem unbeirrten Festhalten am Glauben ‚bis zuletzt‘ im Unterschied zum Verhalten der Feigen und Treulosen (21,8). Nicht einmal die ... in 12,11 vom Seher vorausgesetzte Bereitschaft zur Lebenshingabe ... ist in 2,10 direkt angesprochen. Deshalb ‚charakterisiert‘ die Ermahung im letzten Teil des Verses kaum ‚die Heftigkeit der erwarteten Verfolgung‘; eher belegt sie die Sorge des Johannes um Auswirkungen einer solchen Phase der èësøéò auf die Festigkeit der Gemeinde, weil es sich für sie dabei – verglichen mit der gegenwärtigen Bedrängnis ... – um eine neue Erfahrung handeln wird“. 70 Vgl. hierzu etwa GIESEN, Offenbarung (s. Anm. 69), 113: „Wahrscheinlicher aber wurde er [d.h. Antipas] aufgrund eines ordentlichen Verfahrens hingerichtet, da sein Tod wohl mit der Weigerung, dem Kaiser zu opfern, zusammenhängt“. Ähnlich auch H. KRAFT , Offenbarung (s. Anm. 3), 64f. 71 Vgl. hierzu W. BOUSSET , Die Offenbarung Johannis, KEK 16, Göttingen 6 1906, 269: „Einig ist man sich in der Erklärung dieses Verses darüber, daß mit den Geschlachteten die Märtyrer gemeint sind, die um der Sache Gottes willen den Tod erlitten haben“. Im Blick auf Apk 17,6 geht MÜLLER, Offenbarung (s. Anm. 7), 289 davon aus, dass der Apokalyptiker hier auf„die ganze bisherige Verfolgungsgeschichte ..., zu der die Neronische Verfolgung wie Verfolgungen unter Domitian gehören“, rekurriert.
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wickelte Rechtskonzeption in der römischen Provinz Asia72 der konkrete Anlaß der Abfassung der Apk gewesen ist, die Apk also in die Zeit unmittelbar nach 112 n.Chr. zu datieren sei, unwahrscheinlich erscheinen. In Apk 13,15b stellt er dar, dass im Rahmen der Prozesse gegen Christen als Test der Konformität gegenüber der heidnischen Religiosität die εἰκών des (ersten) θηρίον, d.h. des amtierenden römischen Kaisers, in der Form der προσκύνησις verehrt werden muß.73 Dies läßt angesichts einer gegenteiligen Einlassung Traians74 eher darauf schließen, dass die Apk nicht unmittelbar im Anschluß an die Einführung der von Plinius und Traian erarbeiteten Konzeption zur Rechtsstellung der Christen in der Provinz Asia, sondern auf der Grundlage einer Novellierung bzw. Erweiterung dieser, also in späterer Zeit, abgefaßt worden ist. Auch läßt sich die etwa Apk 13,8.12 bezeugte Intensivierung der kultisch-religiösen Verehrung des amtierenden römischen princeps in der römischen Provinz Asia75 für die Regierungszeit Traians nicht belegen.76 1.3.2 Die Datierung der Apk in die Zeit Hadrians Nach L. Kreitzer ist77 die Konzeption des Triumphes Christi über die Mächte des Bösen am Ende der Zeit78 als für die Apk grundlegend anzusehen. Die früheste inhaltliche Parallele zu dieser Konzeption sei die erstmals bei Justin begegnende Vorstellung des zweiten adventus/der zweiten παρουσία Christi.79 Die in der Apk vorliegende Konzeption stelle einen Reflex auf zumindest zwei Visiten Hadrians in der Provinz Asia80 und ins———————— 72 Zu der Ungewißheit hinsichtlich dieses Datums vgl. W ITULSKI, Kaiserkult (s. Anm. 15), 84f. 73 Vgl. hierzu W ITULSKI, Johannesoffenbarung (s. Anm. 1), 164f. 74 Vgl. hierzu Plinius, ep. X,97,1. Nach der Anweisung Traians sollen bei diesem Konformitätstest nur die di nostri, nicht aber die kaiserliche åkêþí angebetet werden. 75 Vgl. hierzu W ITULSKI, Johannesoffenbarung (s. Anm. 1), 152.161. 76 Vgl. hierzu W ITULSKI, Kaiserkult (s. Anm. 15), 88f. 77 Vgl. hierzu den entsprechenden Aufsatz: L. K REITZER, Sibylline Oracles 8, The Roman Imperial Adventus Coinage of Hadrian and the Apocalypse of John, JSPE 4 (1989), 69–84. 78 Vgl. KREITZER, Adventus Coinage (s. Anm. 77), 81: „It is true that the term ðáñïõóßá does not occur in the Apocalypse of John, but the idea of Christ’s victorious triumph over the powers of the evil at the end of history is fondational to the work as a whole and the theological idea of the παρουσία of Jesus Christ cannot be dismissed so lightly“. 79 Vgl. K REITZER, Adventus Coinage (s. Anm. 77), 80: „It is certainly true that the phrase ‚the second advent (or coming)‘ itself appears for the first time in the writing of Justin Martyr“. Hierbei verweist Kreitzer auf dial. 14,52 und apol. 52,3. 80 Vgl. KREITZER, Adventus Coinage (s. Anm. 77), 82: „Might not his [d.h. Hadrians] very arrival (adventus) in the province be seen as an antitype to Christs glorious arrival
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besondere auch auf den Einmarsch des Kaisers in die Provinz Iudaea und den Kampf gegen nationale jüdische Kräfte im Rahmen des zweiten Jüdischen Krieges81 132–135 n.Chr82 dar. Hadrian besuchte die Provinz Asia im Rahmen seiner beiden Inspektionsreisen, die ihn durch das gesamte imperium Romanum führten.83 Diese Inspektionsreisen fanden ihren imperialen propagandistischen Widerhall in einer Serie von Reiseerinnerungsmünzen,84 die den adventus des Kaisers in Provinzen und anderen Gebietskörperschaften des imperium Romanum feierten. Kreitzer datiert die Emission dieser Reiseerinnerungsmünzen aufgrund der auf ihnen geprägten Legende HADRIANUS AUG COS III PP in die Zeit zwischen 134 und 138 n.Chr.85 Diese historischen Ereignisse veranlaßten nach Kreitzer in hadrianischer Zeit lebende Christen, die ursprünglich in domitianischer Zeit verfaßte Apk im Sinne eines Gegenentwurfes zu ihnen zu aktualisieren, wobei er bemerkt, dass solche Aktualisierungen dem Wesen apokalyptischer Literatur und Mythologie durchaus nicht widersprechen.86 Der angesichts die———————— which was eagerly and expectantly awaited? The answer may be ‚yes‘ if we remember that Hadrian visited the province of Asia on at least two occasions“. 81 Der zweite Jüdische Krieg entzündete sich offensichtlich wesentlich an dem Vorhaben Hadrians, die Stadt Jerusalem als heidnische römische Kolonie Aelia Capitolina wieder aufzubauen und auf dem Platz des im ersten jüdischen Krieg zerstörten zweiten Tempels ein dem Iuppiter Optimus Maximus geweihtes Heiligtum zu errichten. Vgl. hierzu M. T. BOATWRIGHT , Hadrian and the Cities of the Roman Empire, Princeton 2000, 196f. und Cassius Dio LXIX,12: ᾿Ες δὲ τὰ ῾Ιεροσόλυµα πόλιν αὐτοῦ ἀντὶ τῆς κατασκαφείσης οἰκίσαντος, ἣν καὶ Αἰλίαν Καπιτωλῖναν – νόµασε, καὶ ἐς τὸν τοῦ ναοῦ τοῦ θεοῦ τόπον ναὸν τῷ ∆ιὶ ἕτερον ἀντεγείραντος ... („At Jerusalem he founded a city in place of the one which had been razed to the ground, naming it Aelia Capitolina, and on the site of the temple of the god he raised a new temple to Jupiter“; Text und Übersetzung nach E. CARY [Hg.], Dio’s Roman History VIII, Books LXI–LXX, LCL 176, London u.a. 1968, 446f.). 82 Vgl. K REITZER, Adventus Coinage (s. Anm. 77), 82f.: „Given that the Adventus Augusti coinage began to appear at the very time that the Second Jewish Revolt was being hotly contested by Jewish nationalist forces and Roman Imperial armies, it is not difficult to imagine that some Christians would have interpreted the events of the day as heralding the end of the age and thought that the parousia of the Lord Jesus was imminent“. 83 Zu diesen Inspektionsreisen vgl. ausführlich W ITULSKI, Kaiserkult (s. Anm. 15), 153–157. Dabei läßt sich die Reise Hadrians nach Iudaea bzw. Jerusalem im Rahmen des zweiten jüdischen Krieges nicht mehr in den Kontext der kaiserlichen Inspektionsreisen einordnen. Anders KREITZER, Adventus Coinage (s. Anm. 77), 80. 84 Zu diesen Reiseerinnerungsmünzen vgl. ausführlich W ITULSKI, Kaiserkult (s. Anm. 15), 157–165. 85 Vgl. hierzu KREITZER, Adventus Coinage (s. Anm. 77), 77: „It is this inscription, with its reference to the third consulship of Hadrian, which allows the series as a whole to be dated between 134 and 138 CE“. Vgl. zum Problem der Datierung dieser Reiseerinnerungsmünzen WITULSKI, Kaiserkult (s. Anm. 15), 158–160. 86 Vgl. KREITZER, Adventus Coinage (s. Anm. 77), 81f.: „This is not to suggest that the Apocalypse of John should itself be dated as late as Hadrian’s reign. The difficulties
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ses Befundes immerhin durchaus denkbaren Annahme der Abfassung der Apk selbst in hadrianischer Zeit stünden nach Kreitzer dagegen unüberwindliche Schwierigkeiten entgegen.87 Durchaus Sinn mache nach Kreitzer allerdings die Annahme einer aktualisierenden Überarbeitung der aus domitianischer Zeit stammenden Apk in hadrianischer Zeit. Sie wird ihm zufolge dadurch gestützt,88 dass Hadrian in den Büchern V und VIII der oracula Sibyllina mit der Gestalt des Nero redux bzw. redivivus assoziiert bzw. identifiziert wird.89 Darüber hinaus läßt die Abfassung der jüdischen Apokalypsen 4Esr und 2(syr)Bar in hadrianischer Zeit die zeitlich parallele Entstehung bzw. Neuinterpretation ihres christlichen Pendants wahrscheinlich erscheinen.90 Kritisch gegenüber dem Vorschlag Kreitzers ist anzumerken: (a) Kreitzer äußert sich mit keinem Wort zu den angeblich unüberwindlichen Schwierigkeiten, die eine Datierung der Entstehung der Apk selbst in hadrianischer Zeit unmöglich machen sollen.91 Die oben durchgeführte Analyse der Argumente, die in der Forschung zugunsten einer domitianischen Datierung der Apk angeführt werden, hat gezeigt, dass zumindest sie diese Hypothese nicht ausreichend begründen können.92 Insofern stellen sie im Blick auf eine mögliche Datierung der Abfassung der Apk in hadrianischer Zeit keine unüberwindlichen Schwierigkeiten dar. (b) Im Rahmen seiner These einer Neuinterpretation der in domitianischer Zeit verfaßten Apk in der Regierungszeit Hadrians äußert Kreitzer sich nicht dazu, welche konkreten Textpassagen der im NT vorliegenden Apk auf diese neue Bearbeitung zurückgehen.93 Die Analyse der in diesem ———————— such a suggestion raises seem to me insurmountable, and are ... unnecessary given the very nature of apocalyptic mythology itself. Apocalyptic mythology is continually in need of being re-interpretated in fresh settings and circumstances ...; this is natural and understandable. Thus, I see no reason for not accepting the traditional date of circa 90 CE for the Apocalypse of John. But that is not to deny that the Apocalypse of John was reinterpreted by Christians living in Asia Minor a generation later as referring to a subsequent setting and fastening upon a different historical figure“. 87 Vgl. K REITZER, Adventus Coinage (s. Anm. 77), 81. 88 Diesen Nachweis führt Kreitzer in seinem Aufsatz: Hadrian and the Nero Redivivus Myth, ZNW 79 (1988), 92–115. Vgl. zu dieser Thematik auch KREITZER, Adventus Coinage (s. Anm. 77), 69f. 89 Vgl. K REITZER, Adventus Coinage (s. Anm. 77), 81. 90 Vgl. K REITZER, Adventus Coinage (s. Anm. 77), 81: „Is this possibility [d.h. die Abfassung bzw. Neuinterpretation der Apk in hadrianischer Zeit] not even more likely when we consider that a number of Jewish apocalyptic writings, in addition to the obvious Christian example of the genre we have in the New Testament, were being produced at around the same time, that is around the time of Hadrian’s reign as Emperor“? 91 Vgl. hierzu KREITZER, Adventus Coinage (s. Anm. 77), 81. 92 Vgl.o. 85–87. 93 Vgl. hierzu KREITZER, Adventus Coinage (s. Anm. 77), 81f.
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Buch verwendeten Sprache und des in ihr zutage tretenden Sprachstils hat eine in diesen Hinsichten relative Gleichförmigkeit sämtlicher Partien aufgewiesen.94 Das läßt die Annahme einer ca. 40 Jahre nach ihrer ursprünglichen Abfassung von anderer Hand vorgenommenen, ihren Inhalt erheblich erweiternden und ergänzenden Neuinterpretation der Apk unwahrscheinlich erscheinen. Somit bleiben letztlich zwei Möglichkeiten der Erklärung: (1) Entgegen den von Kreitzer lediglich behaupteten unüberwindlichen Schwierigkeiten, die die Annahme, die Apk wäre in hadrianischer Zeit entstanden, mit sich bringt, muß ihre Abfassung in der zweiten Hälfte der Regierungszeit Hadrians95 ernsthaft in Betracht gezogen werden, oder: (2) Bei den in hadrianischer Zeit vorgenommenen Ergänzungen und Erweiterungen des vorliegenden Textes der Apk handelte es sich lediglich um Marginalien, die weder inhaltlich noch von ihrem Umfang her ins Gewicht gefallen sind. Dann aber ergibt sich die Frage, ob es sich bei der von Kreitzer behaupteten Neuakzentuierung der Apk nicht lediglich um eine Fiktion handelt. Die Deutung der Zahl 666 (Apk 13,18) auf Hadrian erwog bereits D. Voelter, 96 der die Buchstaben des hebräisch geschriebenen und auf Münzen belegten Namens Traianus Hadrianus zu 666 addiert: „Hadrian führt offiziell als Kaiser auf Münzen und Inschriften
———————— 94 Vgl. hierzu etwa AUNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 3), cix: „In recent years it has been claimed that analysis of language and style indicates that the linguistic peculiarities of Revelation are not restricted to particular sections of the composition but permeate the book“. Mit Verweis auf G. Mussies stellt Aune im Blick auf die Verwendung hebräischer und aramäischer Sprachelemente in der Apk fest, „that the semitizing elements that reflect the linguistic interference of both Hebrew and Aramaic are not restricted to particular sections of the composition but are scattered uniformly throughout the book“ (cix). Daraus folgert AUNE, „that there are no firm linguistic or stylistic bases that may be used to support various source-critical theories based on the supposition that extensive earlier sources by different authors have somehow been combined to form Revelation in its present state“ (cix). Die daran anschließende Folgerung Aunes („The linguistic homogeneity of Revelation, then, casts doubt on the validity of all compilation theories [hypotheses that Revelation is the product of the combination of two or more relatively extensive apocalypses written by different authors], though it is less problematic for revision theories [a single extensive apocalyptic composition was subject to later editorial expansion by a different hand; either an original Jewish apocalypse was transformed into Revelation by a Christian editor, or an original Christian apocalypse was revised and augmented by a later editor or series of editors]“ [cixf.]) kann auf diesem Hintergrund nur unter der Voraussetzung stimmig bleiben, dass die entsprechenden Revisoren sehr behutsam vorgegangen sind und keine umfangreichen Textpassagen ergänzt haben. 95 Diese grobe Zeitangabe ergibt sich aus der von Kreitzer vorgschlagene Datierung der Reiseerinnerungsmünzen; vgl. hierzu o. 97. Hadrian regierte von 117–138 n.Chr. Vgl. hierzu R. HANSLIK, Art. Hadrianus.1, in: KP 2 (1975), 907–911. 96 Vgl. hierzu D. VOELTER, Die Entstehung der Apokalypse, Freibung 2 1885. So neuestens auch F. SIEGERT , Der Erstentwurf des Johannes, Musteraner Judaistische Studien 16, Münster 2004, 122f. mit Anm. 33.
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den Namen Trajanus Hadrianus. Werden nun diese Namen hebräisch geschrieben und die einzelnen Buchstaben in den entsprechenden Zahlwerth umgesetzt, so kommt genau die Zahl 666 heraus:
s
w
n
y
r
d
a
60
6
50
10 331
200
4
1
+
s
w
60
6
n
y
50 10 335
r
f
200
9 = 666
Eine andere hebräische Namensform für Trajanus ist
z
w
y
r
y
f
50
6
10
200 285
10
9
Setzt man diese Namensform zusammen mit dem Namen swnyrda und summirt die Zahlenwerthe 285 + 331, so erhält man jene andere von Irenäus überlieferte Zahl 616“. 97 Gegen diese Deutung Voelters führt W. Bousset lediglich an, dass diese Lösungen „der Zeit wegen schon gar nicht mehr in Betracht kommen“ 98 können.
2 Die Situation der Adressaten der Apk und die Intention ihres Verfassers In der neutestamentlichen Forschung der Gegenwart werden hinsichtlich der Situation der Adressaten der Apk und der Intention des Apokalyptikers im wesentlichen drei Ansätze diskutiert: (a) Der Apokalyptiker antworte mit seiner Apk auf eine umfassende Verfolgung der Christen in der Provinz Asia und versuche, seine Adressaten in ihren Leiden und Ängsten zu trösten und mit dem Hinweis auf eine Wende ihres Schicksals mit dem Ende der Zeit zu ermutigen.99 Gegen diese Hypothese spricht allerdings, dass sich etwa aus den sieben Sendschreiben Apk 2f. eine solche staatlich organisierte und umfassende Verfolgung, der die Christen in der Provinz Asia ausgesetzt gewesen wären, nicht erheben läßt. Festzuhalten bleibt aber, dass der Apokalyptiker gerade auch in den Sendschreiben sehr wohl auf vergangene, gegenwärtige und auch in der Zukunft zu erwartende Leiden und Bedrängnisse der Christen zu sprechen kommt.100 ———————— 97 98 99
VOELTER, Entstehung (s. Anm. 96), 77. BOUSSET, Offenbarung (s. Anm. 71), 374. Vgl. hierzu etwa E. SCHÜSSLER F IORENZA, The Book of Revelation. Justice and Judgment, Philadelphia 1985, 8. 100 So etwa TAEGER, Streitschrift, (s. Anm. 65), 297: „Wie sich die Lage der christlichen Adressaten des Johannes zur Zeit der Veröffentlichung seiner Schrift darstellt, läßt sich beim Autor, der sich als Zeitgenosse seiner Leser/Hörer ... zu erkennen gibt ..., in erster Linie den sieben Sendschreiben entnehmen (Apk 2f). Aus ihnen gewinnt man nicht den Eindruck einer vor allem unter der Nötigung zum Kaiserkult und umfassenden Nach-
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(b) Der Apokalyptiker spreche mit seinem Werk zwar nicht in eine Situation expliziter staatlicher Verfolgungen gegen die Christen, nehme aber doch auf ihre permanenten Bedrängnisse und Bedrückungen von Seiten ihrer heidnisch geprägten Umwelt Bezug. Diese Situation hätte zumindest er, zugleich aber auch ein Teil seiner Adressaten, subjektiv als krisenhaft empfunden („perceived crisis“) und als Krisensituation interpretiert, da sich die gegenwärtige Lage der Gemeinden und ihrer Glieder anders darstelle, als es der christliche Glaube und die in seiner Verkündigung formulierten Hoffnungen erwarten ließen. Damit die Adressaten seines Werkes die aus dieser Situation erwachsenden und sie beherrschenden Empfindungen der Furcht und des Ärgers überwinden bzw. auf ein normales Maß reduzieren könnten, habe der Apokalyptiker gleichsam in kathartischer Absicht sein Werk verfaßt. Diejenigen seiner Adressaten, die ihre Situation nicht als krisenhaft wahrgenommen hätten, habe er mit seinen Ausführungen hingegen über die tatsächliche Krisenhaftigkeit ihrer gegenwärtigen Lage aufklären wollen.101 Diese Überlegungen sind insoweit weiterführend, als in ihnen mit der Möglichkeit Ernst gemacht wird, dass die Abfassung der Apk zumindest auch durch subjektive Überzeugungen, Wertungen und Interpretationen des Apokalyptikers motiviert worden ist. Allerdings bleibt im Rahmen dieses Ansatzes zunächst die Frage offen, ob ein objektiver Grund vorgelegen hat, der zumindest einen Teil der Christen in der Provinz Asia und vor allem auch den Apokalyptiker ihre gegenwärtige Situation offensichtlich mit einem Mal als krisenhaft empfinden ließ.102 Angesichts der Äußerungen des Apokalyptikers etwa in Apk 2,3.9.13; 3,8 erscheint kaum denkbar, dass allein das alltägliche Leben der Christen in ihrer heidnischen Umwelt dazu geführt habe, die Zeit der Gegenwart als Zeit einer besonderen Krisis wahrzunehmen. Darüber hinaus ist nur schwer vorstellbar, dass der Apokalyptiker das in Apk 4–22 gezeichnete Bild der letzten Zeit der Welt und ———————— stellungen leidenden Gemeinschaft. Im Vordergrund stehen hier innerchristliche Auseinandersetzungen und Fehlentwicklungen in einzelnen Gemeinden. Allerdings sind die Botschaften durchzogen von Hinweisen auf zurückliegende, andauernde und befürchtete Bedrängnisse und Leiden ([Apk] 2,3.9f.13; 3,8f; vgl. 1,9). ... Aber gerade die beiden letztgenannten Belege aus den Sendschreiben [d.h. Apk 2,10.13] lassen nichts von einem planmäßigen Vorgehen seitens der Staatsmacht mit verheerenden Folgen für die Gläubigen erkennen“. 101 Vgl. hierzu etwa A. Y ARBRO COLLINS, Crisis and Catharsis: The Power of the Apocalypse, Philadelphia 1984, 106ff. u.ö. 102 Zu dieser Überlegung vgl. auch P. B. D UFF, Who Rides the Beast. Prophetic Rivalry and the Rhetoric of Crisis in the Churches of the Apocalypse, Oxford 2001, 11: „Nevertheless, her [d.h. Yarbro Collins’] suggestions are not without their problems. For instance, if there was no objective ‚crisis‘ such as persecution, was there a specific catalyst for Revelation or did the author just decide to sit down and write it? If there was a catalyst, should we not label that some kind of ‚crisis‘ and try to identify it, if possible“?
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der Entstehung einer καινὴ κτίσις lediglich zu kathartischen Zwecken entworfen habe.103 Schließlich sprechen die Ausführungen in den Sendschreiben an die Gemeinden in Thyatira (Apk 2,18–27), Sardes (Apk 3,1–6) und Laodicea (Apk 3,14–22) gegen diesen Ansatz. Aus ihnen läßt sich weder entnehmen, dass die Christen in diesen drei Gemeinden ihre Situation als krisenhaft wahrgenommen hätten, noch, dass der Apokalyptiker sie über die tatsächliche Krisenhaftigkeit ihrer Situation aufklären wollte.104 (c) Der Apokalyptiker nehme in der Apk zu innerchristlichen bzw. innergemeindlichen Fehlentwicklungen Stellung und versuche, seine Adressaten davon abzuhalten, sich in zu weit gehender Weise in die heidnisch geprägten Gesellschaften der asianischen Städte zu integrieren und dabei wesentliche Elemente ihres christlichen Glaubens, insbesondere die ausschließliche Verehrung des Gottes des Alten Testaments und seines ἀρνίον Christus, aufzugeben.105 Zunächst vermag dieser Ansatz nicht zu erklären, warum der Apokalyptiker sein Werk dann auch an die christliche Gemeinde in Smyrna gesandt hat. In dem entsprechenden Sendschreiben Apk 2,8–11 geht es um das Verhalten von Christen im Angesicht von Bedrängnissen von außen, nicht aber um das Problem ihrer zu weit gehenden Anpassung und Assimilation
———————— 103 So etwa DUFF, Beast (s. Anm. 102), 12: „Nevertheless, her [d.h. Yarbro Collins’] proposal that the reason that John created (or even heightened) terror was ultimately to alleviate it strikes me as unlikely“. 104 Auf dieses Problem kommt YARBRO COLLINS, Crisis (s. Anm. 101), 106 zwar zu sprechen, ihr Hinweis: „One could say that the author himself and at least some readers were oppressed“ reicht zu einer Lösung dieser Schwierigkeit allerdings nicht zu. Eine Lösung dieses Problems ergäbe sich, würde der von Yarbro Collins eingeführte Begriff der „crisis“ neu definiert bzw. anders akzentuiert. Würde „crisis“ nicht im Sinne einer „unbearable tension ... between what was and what ought to have been“, sondern im Sinne von „Entscheidungssituation, Wende-, Höhepunkt einer gefährlichen Entwicklung“ (so etwa W. MÜLLER u.a. [Hg], Duden „Fremdwörterbuch“, Duden Band 5, Mannheim u.a. 4 1982, 431) verstanden, ließe sich der Ansatz von Yarbro Collins auch angesichts der Äußerungen des Apokalyptikers in den Sendschreiben an die Gemeinden von Thyatira, Sardes und Laodicea aufrechterhalten. 105 Vgl. hierzu etwa H.-J. KLAUCK, Das Sendschreiben nach Pergamon und der Kaiserkult in der Johannesoffenbarung, Bib. 73 (1992), 153–182 (178f.) zu Apk 18,4: „Auf eine Kurzformel gebracht, scheint mir die oft überlesene und selten gewürdigte Stelle Offb 18,4 mit einer Anspielung auf die Erzählung von Sodom und Gomorra in Gen 19,12–13 das Hauptanliegen des Verf. prägnant zu artikulieren: ‚Und ich hörte eine andere Stimme vom Himmel sprechen: ‚Zieht fort aus ihr, mein Volk, damit ihr nicht teilhabt an ihren Sünden und daß ihr nicht empfangt von ihren Plagen‘‘. Zieht fort! Das ist allen Christen gesagt, die einen kompromißbereiteren Kurs gegenüber der heidnischen Stadtgesellschaft steuern wollten. Was bleibt in einer Stadt wie Pergamon als Option noch übrig? Der Untergrund? Das Ghetto? Die Landkommune“?; ähnlich auch 181f.
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an und in die smyrnäische πόλις-Gesellschaft.106 Darüber hinaus bleibt innerhalb dieses Ansatzes offen, warum der Apokalyptiker im Anschluß an die sieben Sendschreiben Apk 2f., in denen er partiell auf die Problematik der zu weit reichenden gesellschaftlichen Assimilation der Christen zu sprechen kommt, noch den sog. apokalyptischen Hauptteil Apk 4–22 anfügt, in dem er sich ausführlich über die Welt und ihr Schicksal bis hin zur Entstehung einer καινὴ κτίσις äußert. Die Annahme, der Apokalyptiker begründe in Apk 4–22 den in Apk 2f. formulierten Aufruf zur Distanz gegenüber den heidnisch geprägten Stadtgesellschaften damit, dass er hier lediglich deren satanischen Charakter aufzeige,107 ist m.E. aufgrund der Ausführungen in Apk 2,24 als nicht zureichend anzusehen. In diesem Vers kommt er auf die in Thyatira wirkenden Gegner bzw. Irrlehrer zu sprechen und gibt ihre eigene Selbsteinschätzung wieder.108 Die thyatirischen Irrlehrer behaupten von sich, sie hätten die βαθέα τοῦ σατανᾶ erkannt.109 Will man diese Aussage nicht als Ironie deuten,110 wofür es keinerlei Anzeichen ———————— 106 BOUSSET , Offenbarung (s. Anm. 71), 209 spricht im Blick auf Apk 2,10 von Verfolgungen: „Da hier Gefängnis als drohende Gefahr genannt wird, so kann es sich nur um Verfolgungen handeln, bei denen, wenn sie auch von Juden ausgingen, doch die heidnische Obrigkeit beteiligt war“. Ähnlich auch J. R OLOFF, Die Offenbarung des Johannes, ZBK 18, Zürich 1984, 52. P. P RIGENT , Commentary on the Apocalypse of St. John, Tübingen 2001, 168 definiert die Situation näherhin als „hostile measures which might well entail imprisonment in certain cases“; G IESEN, Offenbarung (s. Anm. 69), 109 denkt an jüdische Denunziationen, die die römischen Behörden dazu führten, Maßnahmen gegen die Christen zu ergreifen. 107 So J.-W. TAEGER, Begründetes Schweigen. Paulus und paulinische Tradition in der Johannesapokalypse, in: M. Trowitzsch (Hg), Paulus, Apostel Jesu Christi (FS G. Klein), Tübingen 1998, 187–204 (198) und DERS., Offenbarung 1.1–3: Johanneische Autorisierung einer Aufklärungsschrift, NTS 49 (2003), 176–192 (191). 108 Vgl. hierzu BOUSSET , Offenbarung (s. Anm. 71), 220, der aufgrund der Formel ὡς λέγουσιν im Blick auf die Aussage ἔγνωσαν τὰ βαθέα τοῦ σατανᾶ folgert: „Wir haben in dem Ausdruck ‚die Tiefen des Satans erkennen‘ demgemäß eine Selbstcharakteristik der Irrlehrer zu sehen“. 109 Gegenüber einer ironisierenden Interpretation von Apk 2,24 mit Recht skeptisch TAEGER, Begründetes Schweigen (s. Anm. 107), 196 (vgl. u. Anm. 111). 110 So etwa MÜLLER, Offenbarung (s. Anm. 7), 119: „Johannes unterstellt den Gegnern als eigene These ‚Satanserkenntnis‘ .... Man wird jedoch berücksichtigen müssen, daß Johannes das negativ charakterisiert, was bei den Gegnern durchaus positiv und dementsprechend anders gemeint ist. Wahrscheinlich behaupten sie, die ‚Tiefen Gottes‘ zu erkennen“, und DERS., Zur frühchristlichen Theologiegeschichte. Judenchristentum und Paulinismus in Kleinasien an der Wende vom ersten zum zweiten Jahrhundert n.Chr., Gütersloh 1976, 22: „Dabei wird man berücksichtigen müssen, daß Johannes das negativ charakterisieren konnte, was bei den Gegnern durchaus positiv gedacht war. Er stellt ihre Erkenntnis als Erkenntnis des Satans hin. Wahrscheinlich aber beanspruchten sie, Gott in ausgezeichneter Weise zu kennen“. Ähnlich E. LOHMEYER, Die Offenbarung des Johannes, HNT 16, Tübingen 21953, 29: „Das Schlagwort der Gegner ... lautet nicht τὰ βάθη τοῦ σατανᾶ – das ist bitterer Sarkasmus des Sehers – sondern τὰ βάθη τοῦ θεοῦ“, und
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gibt, so folgt aus der Aussage Apk 2,24, dass eine wie auch immer geartete Aufklärung über den satanischen Charakter der heidnisch geprägten Stadtgesellschaften die Irrlehrer, die sich für eine weitgehende Integration in diese Gesellschaften stark machten, gar nicht hätte berühren bzw. in ihrem theologischen Denken erschüttern können. Wer die βαθέα τοῦ σατανᾶ erkannt hat und sich ihnen überlegen weiß, den kann auch der Hinweis darauf, dass es sich bei den Gesellschaften der einzelnen πολεῖς um „Kinder des σατανᾶς“ handelt, nicht von seinen Integrations- und Assimilationsbestrebungen abbringen.111 Im Rahmen des Versuchs, der Situation der Adressaten der Apk und der Intention ihres Verfassers auf die Spur zu kommen, ist es m.E. hilfreich, zunächst bei den Ausführungen des Apokalyptikers in Apk 12f.112 anzusetzen. In diesen beiden Kapiteln entwickelt und entfaltet er gegenüber seinen Adressaten die Deutung der Zeit seiner Gegenwart als einer Zeit des letzten, eschatologischen113 Kampfes des σατανᾶς und seiner Verbündeten ———————— KLAUCK, Sendschreiben (s. Anm. 105), 168: „Die Nikolaiten haben ... von einer pneumatischen Erkenntnis der Tiefen Gottes gesprochen, die ihnen ein Überlegenheitsgefühl gegenüber den vorfindlichen Lebensbedingungen verlieh“. 111 TAEGER, Begründetes Schweigen (s. Anm. 107), selbst rechnet aufgrund von Apk 2,24 damit, dass „die [in Thyatira lebende] Prophetin Isebel und ihr Kreis eine tiefgehende Erkenntnis des Satans für sich beanspruchten und daraus ein Überlegensheitsbewußtsein über das Irdisch-Weltliche ableiteten, das es ihnen ermöglichte, so unbefangen inmitten der römisch-hellenistischen Gesellschaft zu leben, wie sie es tun“ (196). 112 Zur inhaltlichen Bedeutung von Apk 12–14 im Rahmen des apokalyptischen Hauptteils Apk 4–22 vgl. etwa MÜLLER, Offenbarung (s. Anm. 7), 33: „Kap. 12–14 bilden die dramatische Mitte innerhalb der Visionsberichte des apokalyptischen Hauptteils der Offb. Die für den Verfasser geschichtlich aktuellen Gegenspieler des Endgeschehens stehen in hartem Widerstreit miteinander: Satan und Christus, Römische Welt und Gemeinde des Lammes“. Dem entspricht auf der formalen Ebene der Gliederungsvorschlag von A. YARBRO COLLINS, Revelation 18: Taunt-Song or Dirge?, in: J. Lambrecht (Hg), L’Apocalypse johannique et l’Apocalyptique dans le Nouveau Testament, BEThL 53, Gembloux / Leuven 1980, 185–204 (188), die davon ausgeht, dass „the book of Revelation is organized into two great cycles of visions, [Apk] 1,19–11,19 and 12,1–22,5“, was impliziert, dass der Apokalyptiker die Ausführungen in Apk 12–14 in exponierter Position am Beginn der zweiten Visionsreihe platziert hat. Zu der von Y ARBRO COLLINS vorgeschlagenen Gliederung der Apk vgl. auch DIES., The Combat Myth in the Book of Revelation, HDR 9, Missoula 1976, 19–32. Mit einem anderen Akzent etwa R OLOFF, Offenbarung (s. Anm. 106), 24, der feststellt: „Mit [Apk] 12,1 setzt deutlich ein weiterer, bis 19,10 reichender Kreis ein. Denn nunmehr erscheint eine zweite [auf die Thronsaalvision Apk 4,1–5,14 ausgerichtete] Bezugsreihe, die das negative Gegenbild zu [Apk] 4,1– 11,19 ist: Gottes Widersacher und die von ihm eingesetzten dämonischen Mächte, die Christus die Herrschaft über die Welt streitig machen wollen“. 113 Vgl. hierzu M ÜLLER, Offenbarung (s. Anm. 7), 249, der mit Blick auf das erste θηρίον formuliert: „Das Tier wirkt nicht nur in der Macht des Satans ..., dessen Inkarnation es ist, es steht zudem in deutlichem Gegensatz zu Christus. Es erscheint als Antichrist“. Ähnlich auch ZAHN, Offenbarung (s. Anm. 40), 450, der feststellt, „daß [der
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gegen den Gott des Alten Testaments, gegen dessen ἀρνίον Christus und gegen die Christen.114 Der σατανᾶς, nach seinem verlorenen Kampf gegen Michael und dessen Engel (Apk 12,7) aus dem Himmel hinausgeworfen (Apk 12,9), führt seinen himmlischen Kampf nun auf der Erde weiter gegen diejenigen aus dem Geschlecht der in Apk 12 auftretenden ãõíÞ, die die Gebote Gottes halten und das Zeugnis von Jesus haben, d.h. gegen die ———————— Darstellung in Apk 13 zufolge] die aus dem Meer aufsteigende erste Bestie der Antichrist der Endzeit ist“. Dementsprechend wird das ἀρνίον Christus bereits in Apk 5 damit betraut, das βιβλίον κατεσφραγισµένον σφραγῖσιν ἑπτά, das Buch „mit den sieben Siegeln“ zu öffnen und damit die letzte Phase der Weltgeschichte bis hin zur Erschaffung einer neuen Welt zu eröffnen. Vgl. hierzu etwa H.-P. MÜLLER, Die Himmlische Ratsversammlung, Motivgeschichtliches zu Apc 5,1–5, ZNW 54 (1963), 254–267 (254f.): „Dabei enthält das Buch offenbar die nach dem Ratschluß Gottes über die Welt verhängten eschatologischen Katastrophen, welche bei seiner Eröffnung [Apk] 6,1ff. ja auch einzutreten beginnen“. Nach M ÜLLER, Offenbarung (s. Anm. 7), 143 „leitet der Seher [mit Apk 4,1] den apokalyptischen Hauptteil seines Buches ein“, was heißt, dass die eschatologisch zu deutende Formel µετὰ ταῦτα Apk 4,1 alles Folgende als eschatologische Ereignisse qualifiziert. Vgl. hierzu auch DERS., Offenbarung (s. Anm. 22), 53f.: „Johannes schreibt Endgeschichte, wenn er als Offenbarung vermittelt, ‚was danach (bzw. in Kürze) geschehen muß‘ .... Sie umgreift die Zeit zwischen der Erhöhung Jesu (12,1–5) und der Weltvollendung (21,1–22,5). Die Erhöhung Jesu, die mit dem Ziel seiner eschatologischen Funktion erfolgt (12,5), ist mit dem Sturz des Satans aus dem Himmel verbunden (12,7–9); dies sind entscheidende Akte, die zur Durchsetzung der endgültigen Herrschaft Gottes gehören. Die Erhöhung Christi gilt dabei als die Wende der Geschichte. ... Weltgeschichte ist in ihr letztes Stadium eingetreten; sie ist Teil der Endgeschichte, die der letztgültigen Herrschaftsübernahme Gottes entgegengeht“. 114 Vgl. hierzu auch M ÜLLER, Offenbarung (s. Anm. 7), 247: „Kap. 13 entfaltet, was es heißt, daß der aus dem Himmel gestürzte Drache den Kampf gegen die Christen aufnimmt, einen letzten Ansturm gegen die, welche die Gebote Gottes halten und das Zeugnis Jesu bewahren ([Apk] 12,17)“. Ähnlich auch L. J. LIETAERD PEERBOLTE, The Antecedents of Antichrist. A Traditio-Historical Study of the Earliest Christian Views on Eschatological Opponents, JSJ.S, Leiden 1995, 169: „The situation of the church is thus depicted [in der Apk] as an eschatological situation in which a number of opponents act as assistants to Satan. These opponents – the Beast, the False Prophet, and the Harlot – are evidently ad hoc constructions by the author, formed out of divergent traditional materials. They personify the concrete opposition the Church experiences. This means that the author of Revelation has combined various traditions to help him shape a number of personal, eschatological opponents of Jesus Christ. He did not expect these opponents to appear sometimes in the future, but regarded their activities as present [!]. Thus, the eschatological opponents described in the Book of Revelation – the Dragon, the Beast, the False Prophet, and the Harlot – enable the author to describe his own time as an eschatological period. This eschatological period is defined by Christ’s first coming and his parousia, and is characterised by opposition“. Eine ähnliche Konzeption, hier allerdings bezogen auf innerchristliche Gegner, scheint nach LIETAERD PEERBOLTE in 1Joh 2,18–27 vorzuliegen. Vgl. hierzu DERS., Antecedents, 103: „The identifikation of the ‚heretics‘ as antichrists, and the conclusion drawn from it – that the end is near – imply that the author indeed identified the appearance of the ‚heretics‘ as the appearance of the Antichrist himself“.
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Christen (Apk 12,17). Er rüstet – unmittelbar oder mittelbar – die beiden Apk 13 auftretenden θηρία zu, die dann in seinem Namen gegen die Christen Front machen, wobei der Apokalyptiker, wie die Adresse der Apk in Apk 1,4 annehmen läßt, hier insbesondere die in der römischen Provinz Asia lebenden Christen im Blick hat. Die Ausführungen des Apokalyptikers in Apk 13,8.12.14, in gleicher Weise aber auch seine Bemerkungen in Apk 14,9f.; 15,2[!]; 19,20; 20,4; 21,7f. zeigen, dass diese gegenwärtige Situation des Kampfes zwischen dem σατανᾶς und den beiden θηρία auf der einen, den Christen auf der anderen Seite insbesondere auch durch eine offensichtlich massive und signifikante Intensivierung und Ausweitung der kultisch-religiösen Verehrung des amtierenden römischen Kaisers gekennzeichnet ist.115 Verschiedene epigraphische Belege wie etwa die sog. Kalenderinschrift,116 aber auch die zwar ironisierende, aber darstellerisch doch deutlich beabsichtigte Parallelisierung der Gestalt des ersten θηρίον mit dem ἀρνίον Christus117 lassen darauf schließen, dass der amtierende princeps im Rahmen dieser Intensivierung und Ausweitung provinzweit als Gestalt mit quasi-soteriologischer Relevanz, d.h. konkret als σωτήρ und/oder κτίστης, propagiert worden ist, die den Einwohnern der Provinz Asia bedeutende Wohltaten erwiesen hat bzw. erweist. Gegenüber dieser staatlich-imperialen Propaganda und der damit verbundenen Intensivierung und Ausweitung der kultisch-religiösen Verehrung des amtierenden römischen princeps fordert der Apokalyptiker die von ihm angeschriebenen asianischen Christen zu Glaubenstreue und Standhaftigkeit auf.118 Diejenigen Christen, die um ihrer Glaubenstreue ———————— 115 Vgl. hierzu auch T. S ÖDING, Heilig, heilig, heilig. Zur politischen Theologie der Johannes-Apokalypse, ZThK 96 (1999), 49–76 (51): „..., setzt sich die JohannesApokalypse nicht nur mit den täglichen Pressionen der heidnischen Umgebung auf die christliche Minorität auseinander, sondern auch mit der Forcierung des Kaiserkultes speziell in Kleinasien“. D. A. DESILVA, Honor Discourse and the Rhetorical Strategy of the Apocalypse of John, JSNT 71 (1998), 79–110, 94 spricht im Blick auf Apk 13,4.8.11–18 von einer „description of the emergence and enforcement of imperial cult“. 116 Vgl. hierzu u. Anm. 123. 117 Vgl. hierzu P. BARNETT , Polemical Parallelism: Some further Reflections on the Apocalypse, JSNT 35 (1989), 111–120 (112): „‚The Lamb ... as though slain‘ ὡς ἐσφαγµένον, 5.6, 12; 13.8 is parallelled by ‚the [sea] beast‘ one of whose heads ‚seemed to have a mortal wound‘ ὡς ἐσφαγµένην, 13.3. The beast is taken to be the Roman Emperor, perhaps represented in the province of Asia in the persona of the Proconsul“. 118 Zu diesem Gesichtspunkt vgl. etwa T. S ÖDING , Heilig (s. Anm. 115), 52f.: „Johannes bezieht eine entschieden andere Position [als etwa die Nikolaiten]. Er sieht den status confessionis gegeben. Ohne daß er sich den Nikolaïten gegenüber auf eine theologische Argumentation einläßt, ist für ihn doch klar, daß weder das Wissen um die Einzigkeit Gottes noch das Vertrauen auf seine Gnade noch gar die Hoffnung auf das Reich Gottes ein Grund sein können, an heidnischen Opfern, speziell am Kaiserkult teilzuneh-
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willen Bedrängnissen ausgesetzt sind und unter Repressalien leiden und in Zukunft auch noch weiter leiden werden, fordert er auf, in ihrer Glaubenstreue zu beharren.119 Diejenigen Christen, die auf diese Intensivierung und Ausweitung der kultisch-religiösen Kaiserverehrung mit möglicherweise auch noch theologisch begründeter Teilnahme an ihr reagieren, werden zur Umkehr und zur Verweigerung ihr gegenüber ermahnt.120 Wie die Überwindersprüche in Apk 2f. und etwa die Aussagen in Apk 21,7f. deutlich machen, geht es für die Christen in diesem Kampf um alles oder nichts. Wer sich in diesem Kampf bewährt, wer standhaft seinen ursprünglichen und unverfälschten Glauben lebt und sich auch durch Leiden und Bedrängnisse nicht von seiner Standhaftigkeit abbringen läßt, wer also zu den νικῶντες gehört, der wird am Ende der Zeit belohnt und der verheißenen und bereits beschriebenen neuen Schöpfung (Apk 21f.) teilhaftig wer———————— men. Damit ist kein weltabgewandtes Sektierertum propagiert, wohl aber ein konsequentes Bekenntnis: Wo die Verehrung des Kaisers als Gott als das Opfer vor einer StaatsGottheit für den Kaiser verlangt wird, ist nicht ein aufgeklärt-distanziertes Mitmachen angezeigt, sondern ein klares, kompromißloses Nein. Es ist nicht nur das Nein zum Anspruch eines Herrschers, der Gott seiner Untertanen zu sein, und das Nein zum Ansinnen eines Staates, die Religion seiner Bürger zu definieren; es ist auch die Absage an den verführerischen Reiz einer Kultur, deren Synkretismus alle authentische Religiosität integriert und deshalb die Konturen des Gottesbildes verschwimmen läßt“. 119 Vgl. zu Apk 2,8–11 etwa M ÜLLER, Offenbarung (s. Anm. 7), 106: „Anerkennung und Trost für die von außen bedrängte Gemeinde beherrschen das ganze Schreiben“, und zu Apk 3,7–13 etwa G IESEN, Offenbarung (s. Anm. 69), 136: „Als Gemeinde ohne Tadel besitzt die Gemeinde in Philadelphia bereits den Siegeskranz. Da es vor der Heilsvollendung noch keine Heilssicherheit geben kann, muß jedoch auch diese Gemeinde aufgefordert werden, daran festzuhalten, was sie besitzt, damit ihr der Kranz nicht wieder genommen werden kann. Die Gemeinde und jeder einzelne in ihr muß sich in dieser Zeit noch bewähren“. 120 Dies gilt etwa im Blick auf die Sendschreiben an die Gemeinden von Sardes Apk 3,1–6 und Laodicea Apk 3,14–22. Vgl. zu ersterem etwa M ÜLLER, Offenbarung (s. Anm. 7), 123f.: „Man wird also die Situation in Sardes ähnlich wie in jenen Gemeinden sehen müssen, die von libertinistischen Irrlehrern bedroht waren [d.h. die Gemeinden in Pergamon und Thyatira]“, zu letzterem G IESEN, Offenbarung (s. Anm. 69), 140: „Daraus, daß Laodicea als einzige Gemeinde keinerlei Lob erfährt, sondern nur getadelt wird, ist zu schließen, daß sie Christliches und Heidnisches mehr als jede andere Gemeinde vermischt. Das Verhalten der Gemeinde wird folglich lau genannt, weil sie sich weithin dem heidnischen Lebensstil anpaßt .... Ihr Verhalten entspricht dem der [in Pergamon wirkenden] Nikolaiten“. Erwähnt werden diese libertinistischen Irrlehrer auch in dem Sendschreiben an die Gemeinde von Ephesus Apk 2,1–7. Hier haben sie aber offensichtlich nichts ausrichten können (Apk 2,6). Den Christen in Ephesus wird der Apokalyptiker allerdings vor, die ἀγάπη πρώτη verlassen zu haben (Apk 2,4). Zur Interpretation dieses Vorwurfs vgl. BEALE, Revelation (s. Anm. 39), 230: „The idea is that they [d.h. die Christen in Ephesus] no longer expressed their former zealous love for Jesus by witnessing to him in the world“.
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den.121 Die Realisierung dieser neuen Schöpfung und, damit zusammenhängend, der Untergang dieses gegenwärtig noch intensiv verehrten römischen Kaisers und des von ihm repräsentierten imperium Romanum insgesamt stehen unmittelbar bevor (Apk 1,3; 22,10). Insoweit dient die Darstellung in Apk 4–22 in ihrer Gänze der Begründung und der Rechtfertigung der in Apk 2f. stereotyp wiederkehrenden Aufforderungen zu Standhaftigkeit und Glaubenstreue.
3 Die Einordnung der Situation der Adressaten der Apk und der Intention ihres Verfassers in die zeitgeschichtlichen Entwicklungen in der römischen Provinz Asia Wie gezeigt setzt die Apk eine Zeit der intensiven und offensichtlich weit über das übliche Maß hinausgehenden kultisch-religiösen Verehrung des amtierenden römischen princeps voraus. Wird nun die Entwicklung der kultisch-religiösen Kaiserverehrung in der römischen Provinz Asia im Rahmen des möglichen Abfassungszeitraums der Apk, der Zeit zwischen ca. 45/50 und 155/160 n.Chr., untersucht, so ergibt sich folgendes Bild: Am Beginn der kultisch-religiösen Verehrung römischer Kaiser auf provinzialer Ebene stand die Einsetzung des Kultes der Dea Roma und des Divi filius Augustus 29 v.Chr. in Pergamon.122 Um 9 v.Chr. wurde die in ———————— 121 Vgl. hierzu M ÜLLER, Offenbarung (s. Anm. 7), 94f.: „Was ist mit dem ‚Überwinden‘ näherhin gemeint? Es geht um das Bestehenkönnen in der Bedrängnis der endzeitlichen Kampfsituation, um das Standhalten angesichts der Machenschaften des Satans (vgl. [Apk] 2,8ff.; 2,12ff.). In dieser Lage hat die Prophetie zum Durchhalten aufzurufen. Konkret kann dieses Überwinden bedeuten, daß man die Werke Christi bis zuletzt bewahrt (2,26). Im Blick steht vor allem das rechte ethische Verhalten, das Christus fordert, die Treue zu ihm. Von den ‚Überwindern‘ heißt es außerhalb der Sendschreiben in visionärer Vorwegnahme ihrer Vollendung, daß sie über das Tier und sein Ebenbild, Symbolgestalten des Römischen Reiches, gesiegt haben (15,2; vgl. 21,7). Sie haben den Zumutungen des Kaiserkultes getrotzt [!]. Dieses Überwinden kann in den Märtyrertod führen (12,11), wie auch Christus im Tod überwunden hat (3,21). Allerdings ist dabei nicht durchgängig an Märtyrer gedacht ..., wohl aber kann sich das ‚Überwinden‘ der Gläubigen im Martyrium vollenden“. Etwas differenzierter hier J.-W. T AEGER, ‚Gesiegt! O himmlische Musik des Wortes!‘. Zur Entfaltung des Siegesmotivs in den johanneischen Schriften, ZNW 85 (1994), 23–46 (34f.): „Der Autor denkt dabei an den Widerstand gegen Irrlehrer ([Apk] 2,2.6.14f.20ff.), das rechte ethische Verhalten sowie das Bestehen in äußerer, letztlich vom Teufel bewirkter Bedrängnis (vgl. 2,9f.13 in Verbindung mit Kap. 12f.)“. 122 Zu den numismatischen Zeugnissen vgl. C. FAYER, Il Culto della Dea Roma. Origene e Diffusione nell’Impero, Collana die Saggi e Ricerche, 9, Pescara 1976, 109ff. und FRIESEN, Twice Neokoros (s. Anm. 28), 12–15, zu den epigraphischen und literarischen Belegen für Kaisertempel in Pergamon FAYER, Culto, 108, Anm. 4 und 110, Anm. 9.
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der sog. Kalenderinschrift dokumentierte Kalenderreform durchgeführt. Die Zeitrechnung in der Provinz Asia wurde vereinheitlicht und auf den amtierenden Kaiser Augustus hin ausgerichtet: Sein Geburtstag, der 23. September, wurde zum Neujahrstag erklärt, der erste Monat trug ihm zu Ehren den Namen Καῖσαρ.123 Seinem Nachfolger Tiberius wurde 26 n.Chr. in Smyrna ein provinzialer Kult eingerichtet, in dem er gemeinsam mit Livia, der Frau seines Vaters Augustus, und dem römischen Senat verehrt worden ist.124 Im Gegensatz zu dem in Milet auf dessen eigenen Befehl hin eingerichteten Kult des Gaius,125 der bald nach dem Tod des Kaisers wieder in der Bedeutungslosigkeit versank,126 wurden die in Pergamon und Smyrna eingerichteten Kulte weit über den Tod der in ihnen jeweils verehrten Kaiser Augustus und Tiberius hinweg fortgeführt. Der nächste nachweisbare provinziale Kaiserkult ist der den flavischen Σεβαστοί geweihte, der ca. 89/90 in Ephesus installiert worden ist. Bemerkenswert bei diesem Kult, bei dem erstmalig eine gesamte Dynastie zum Objekt der kul———————— 123 Die editio princeps des in Priene gefundenen Exemplars dieser in allen bedeutenderen Städten der Provinz Asia aufgestellten Inschrift mitsamt einem ausführlichen Kommentar wurde vorgelegt von T. MOMMSEN / U. VON WILAMOWITZ-MOELLENDORFF, Die Einführung des Asianischen Kalenders, MDAI.A 24 (1899), 275–293 (275–290). Zu weiteren Editionen und Untersuchungen vgl. T. WITULSKI, Die Adressaten des Galaterbriefes. Untersuchungen zur Gemeinde von Antiochia ad Pisidiam, FRLANT 193, Göttingen 2000, 229, Anm. 2. Eine komplette englische Übersetzung des Exemplars aus Priene bietet R. K. SHERK (Hg), Rome and the Greek East to the Death of Augustus, Cambridge 2 1993, Nr. 101, 124–127, deutsche Übersetzungen von Teilen liegen vor bei A. VON HARNACK, Als die Zeit erfüllet war, in: ders., Reden und Aufsätze 1, Gießen 21906, 301– 306, (301f.), bei J. LEIPOLDT / W. GRUNDMANN (Hg), Umwelt des Urchristentums, II: Texte zum neutestamentlichen Zeitalter, Berlin 1967, 106f., bei H. G. KIPPENBERG / G. A. WEWERS (Hg.), Textbuch zur neutestamentlichen Zeitgeschichte, GNT 8, Göttingen 1979, Nr. 102, (70f.) und – komplett – bei W ITULSKI, Galaterbrief, 232–235. Zur Zeit der editio princeps des Priener Exemplars waren Fragmente dieser Inschrift aus den Städten Apameia, Eumeneia, Dorylaion und Priene bekannt (vgl. M OMMSEN / VON WILAMOWITZ-MOELLENDORFF, Kalender, 275). U. LAFFI, Le Iscrizioni relative all’Introduzione nel 9. A.C. del nuovo Calendario della Provincia d’Asia, SCO 16 (1967), 5–98 (8), weist darüber hinaus noch ein in Maeonia aufgefundenes Exemplar nach. 124 Vgl. hierzu Tacitus, annales IV,15.55f. und FRIESEN, Imperial Cults (s. Anm. 16), 36–38. 125 Zur neuesten Diskussion vgl. P. H ERRMANN, Ein Cult für Caligula, IM 39 (1989), 191–196 und FRIESEN, Imperial Cults (s. Anm. 16), 40f. 126 Vgl. FRIESEN, Twice Neokoros (s. Anm. 28), 25f.: „With the dead of Gaius, the provincial cult in Miletus disappears from the archaeological record. No temple has been identified for the cult, and no other inscriptions mention either officials or festivals related to the cult. The reason for the silence is that this cult, like all others dedicated to the adopted son of Tiberius, was discontinued after Gaius’s assassination“. Ähnlich auch DERS., Imperial Cults (vgl. Anm. 36), 41: „The cult was not viable because it was tied so closely to a single figure, who reigned briefly, was immediately discredited, and ultimately did not deserve such an honor“.
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tisch-religiösen Verehrung geworden ist, ist, dass die Verehrung des amtierenden Kaisers Domitian im Vergleich zu den anderen, in der Vergangenheit zu Lebzeiten kultisch-religiös verehrten principes, recht bescheiden ausfällt. Sie ist nicht individuell auf seine Person ausgerichtet,127 sondern erfolgt nur kollektiv, im Rahmen der Verehrung der flavischen Dynastie.128 Mit dem 113/114 n.Chr. für Pergamon zu Ehren der Gottheit Ζεὺς Φίλιος und des Kaisers Traian genehmigten provinzialen Kult knüpfte die kultisch-religiöse Kaiserverehrung in der Provinz Asia insoweit an die Verehrung des Augustus an, als hier wie dort jeweils der amtierende Kaiser und eine traditionelle Gottheit gemeinsam Objekte der Verehrung gewesen sind.129 Entscheidend ist, dass sämtliche der hier aufgezählten asianischen Provinzialkulte über den mit der kultisch-religiösen Verehrung der Dea Roma und des Divi filius Augustus gesetzten Rahmen nicht hinausreichen; in keinem Falle wird der amtierende princeps weitergehender, intensiver und umfassender verehrt als seinerzeit Augustus, der Begründer des Prinzipats. Erst die kultisch-religiöse Verehrung Hadrians setzte in der Provinz Asia neue Maßstäbe: ———————— 127 Sicherlich belegen schon die in den dreizehn erhaltenen Weihinschriften (vgl. hierzu FRIESEN, Twice Neokoros [s. Anm. 28], 29–41) jeweils enthaltene Widmung für Domitian und dessen Bezeichnung als Σεβαστός, dass er als der amtierende Kaiser selbst im ephesischen ναὸς τῶν Σεβαστῶν ein Objekt kultischer Verehrung gewesen ist (vgl. FRIESEN, Twice Neokoros [s. Anm. 28], 34). Aber der Sachverhalt, dass der ephesische Provinzialkult nicht als ein Kult ∆οµιτιανοῦ Σεβαστοῦ καὶ θεοῦ Τίτου καὶ θεοῦ Οὐεσπασιανοῦ, sondern als ein Kult der Σεβαστοί bezeichnet wird, legt die Vermutung einer gleichberechtigten Verehrung der drei in ihm verehrten Kaiser nahe. Dies spricht gegen die Annahme einer primär auf Domitian ausgerichteten kultischen Verehrung, die durch diejenige seines Bruders und seines Vaters lediglich ergänzt worden wäre. 128 Vgl. hierzu FRIESEN, Twice Neokoros (s. Anm. 28), 49: „The repeated use of the plural ‚Sebastoi‘ indicates that undue emphasis ought not to be placed on one or the other of these rulers“. Ähnlich auch DERS., Imperial Cults (s. Anm. 36), 46: „... nor the cult was focused on one individual“. Damit wird deutlich, dass die Bezeichnung des in Ephesus praktizierten provinzialen Kaiserkults als „Domitiankult“ nicht mehr haltbar ist. Anders M. DRÄGER, Die Städte der Provinz Asia in der Flavierzeit. Studien zur kleinasiatischen Stadtund Regionalgeschichte, EHS.G 576, Frankfurt a. Main u.a. 1993, 122–142 passim. 129 Auf einer in traianischer Zeit geprägten Münze aus Pergamon sind recto die aus vier Säulen bestehende Front eines Tempels und in deren Mitte Darstellungen des Kaisers Traian vor dem thronenden Ζεὺς Φίλιος und verso ebenfalls eine viersäulige Tempelfront mit Darstellungen des Divus Augustus und der Dea Roma abgebildet. Vgl. zu dieser Münze B. PICK, Die Neokorie-Tempel von Pergamon und der Asklepios des Phyromachos, in: A. Cartellieri u.a. (Hg), FS W. Judeich, Weimar 1929, 28–44 (32): „Die Zusammenstellung der beiden Typen bestätigt, daß der neue Neokorietempel durchaus als Gegenstück des alten aufgefaßt werden sollte“; zu weiteren numismatischen Belegen vgl. 32. Im Blick auf die aus numismatischen und archäologischen Zeugnissen ableitbare Architektur der beiden in Pergamon erbauten provinzialen Kaisertempel formuliert Pick: „...; die Stadt Pergamon scheint also bei der Begründung ihres zweiten Provinzialtempels auch äußerlich den ersten zum Muster genommen zu haben“ (33).
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(a) Hadrian werden als erstem Kaiser drei provinziale Kulte gewidmet, der Provinzialkult in Smyrna (123/124 n.Chr.),130 der Provinzialkult in Ephesus (ca. 130 n.Chr.)131 und der Provinzialkult in Cyzicus (138 n.Chr.).132 Im Rahmen des in Ephesus installierten Kultes wurde Hadrian ———————— 130 Vgl. hierzu die Inschrift ISmyrn 594 und G. P ETZL (Hg), Die Inschriften von Smyrna II,1, IK 24.1, Bonn 1987, 74–77. Die Datierung ergibt sich daraus, dass in „Z. 5– 6 ... die Konsuln des Jahres 124 genannt“ (75) werden. 131 Vgl. hierzu die Inschrift IEph 428; zu Datierung vgl. M. W ÖRRLE, Zur Datierung des Hadrianstempels an der ‚Kuretenstrasse‘ in Ephesos, AA 3 (1973), 470–477 (475); vgl. auch 471 mit Verweis auf C. HABICHT u.a. (Hg), Die Inschriften des Asklepieions, AvP VIII.3, Berlin 1969, 54, Anm. 24. 132 Vgl. hierzu eine von T. R EINACH, Lettre à M. le Commadeur J. B. De Rossi au sujet du Temple d’Hadrien à Cyzique, BCH 14 (1890), 517–545 (532) wiedergegebene Inschrift. Die auf Cyriacus von Ancona zurüchgehende Abschrift lautet folgendermaßen (Text bei B. ASHMOLE, Cyriac of Ancona and the Temple of Hadrian at Cyzicus, JWCI 19 [1956], 179–191 [187]): ΕΚ∆ΑΠΕ∆ΟΥ ΜΩΡΘΩΣ ΕΝΟΛΛΗΣΑΣΙΑΣ / ΑΦΘΟΝΙΗ ΧΕΙΡΩΝ ∆ΙΟΣ ΑΡΙΣΤΕΝΟΤΟΣ. Die lateinische Umschrift dieser Inschrift gibt R EINACH wie folgt wieder: Totius impensis Asiae me surgere jussit / Innumeris manibus divus Aristenetus (532). ASHMOLE, Cyriac of Ancona, 187 hält die Rekonstruktion R EINACHS für ausreichend gesichert; dessen Rekonstruktion „indeed can be regarded as tolerably certain“; ähnlich offensichtlich auch A. S CHULZ / E. WINTER, Historisch-Archäologische Untersuchungen zum Hadrianstempel von Kyzikos, in: E. Schwertheim (Hg), Mysische Studien, Asia Minor Studien 1, Bonn 1990, 33–82 (37–40.41). Sie halten es mit Verweis auf die Historia Augusta, vita Hadriani 13,6: eodemque modo per Asiam iter faciens templa sui nominis consecravit und unter Berücksichtigung der Interessen Hadrians durchaus für denkbar, dass der Tempel von Cyzicus noch zu Lebzeiten Hadrians geweiht worden ist (41). „Da erst die offizielle Einweihung eines Tempels seine Existenz begründete und das Bauwerk von einer weltlichen in eine religiöse Sphäre hob, besaß Hadrian zweifellos ein berechtigtes Interesse an der Einweihung dieses Tempels zu seinen Lebzeiten“. J. MARQUARDT , Cyzicus und sein Gebiet. Drei Bücher, Berlin 1836, 143f. und D. MAGIE, Roman Rule in Asia Minor, I: Text, II: Notes, Princeton 1950, II 1472 schlagen als Datum der Weihe des Heiligtums 135 n.Chr. vor. Anders dagegen etwa ASHMOLE, Cyriac of Ancona, 180, die eine Verbindung der Weihe des Heiligtums mit dem Beginn der Olympiade von Cyzicus annimmt und sie daher um 139 n.Chr. datiert: „It [d.h. der Tempel] seems to have been completed in 139, because the era of the Olympian games connected with it, honouring Hadrian as the thirteenth Olympian deity, begins on that date“. Ähnlich auch F. W. HASLUCK, Cyzicus, Cambridge 1910, 187f., der unter Verweis auf A. BOECKH und den von ihm in seinem Kommentar zu CIG 3674 angesetzten Beginn der mit dem Tempel verbundenen Spiele im Jahr 139 n.Chr. für dessen Weihe in diesem Jahr plädiert. Dagegen aber C. A. BEHR, Aelius Aristides and the Sacred Tales, Amsterdam 1968, 101, Anm. 20: „The era of the Cyzicene Olympiad is as yet unknown“. Zur Diskussion vgl. S CHULZ / W INTER, Untersuchungen, 41, Anm. 80 und v.a. A. BARATTOLO, The Temple of Hadrian – Zeus at Cyzicus, IM 45 (1995), 57–108 (60–63). Grundsätzlich muß allerdings fraglich bleiben, ob das Datum der erstmaligen Feier der cyzicenischen Olympiade mit dem Datum der Tempelweihe verbunden gewesen ist (vgl. SCHULZ / WINTER, Untersuchungen, 41).
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als erster Kaiser seit Gaius allein, d.h. nicht in Kultgemeinschaft mit einem traditionellen θεὸς σύνναος kultisch-religiös verehrt. (b) In der 132 n.Chr., im Zusammenhang mit der Weihe des Tempels des Ζεὺς Ὀλύµπιος in Athen133 ins Leben gerufenen Institution des Πανελλήνιον134 wurde Hadrian in weiten Teilen der römischen Provinz Asia in einem überprovinzialen Rahmen kultisch-religiös verehrt. Zwei der sieben in der Apk angeschriebenen Städte, nämlich Sardes und Thyatira, sind nachweislich Mitglieder dieser Institution gewesen,135 für die Städte Ephesus, Pergamon und Smyrna läßt sich dies zumindest wahrscheinlich machen. (c) Offensichtlich ebenfalls im Zusammenhang mit der Weihe des athenischen Ζεὺς Ὀλύµπιος-Tempels wurde u.a. in der römischen Provinz Asia flächendeckend die Aufstellung kleiner Hausaltäre verordnet, die dem Ἁδριανὸς Ὀλύµπιος geweiht gewesen sind und ihn als σωτὴρ καὶ κτίστης rühmten.136 An diesen Hausaltären, die vor dem Haus an der Seite zur Straße aufgestellt wurden,137 vollzog der jeweilige Hausvater bei Prozessionen zu Fest- und Feiertagen das Opfer für den Kaiser, wenn die Prozession an dem entsprechenden Altar vorüberzog.138 Mit diesen Hausaltären ———————— 133 Zur Beschreibung dieses Heiligtums vgl. u.a. Pausanias I,18,6, zur Datierung seiner Weihe vgl. die Inschrift IG IV 2.384. 134 Vgl. aus der reichhaltigen Literatur zur Institution des Πανελλήνιον u.a. A. J. S. SPAWFORTH, The Panhellenion Again, Chiron 29 (1999), 339–352; D ERS. / S. WALKER, The World of the Panhellenion, I. Athens and Eleusis, JRS 75 (1985), 78–104; D IES., The World of the Panhellenion, II. Three Dorian cities, JRS 76 (1986), 88–105; D. W ILLERS, Hadrians panhellenisches Programm. Archäologische Beiträge zur Neugestaltung Athens durch Hadrian, AK.B 16, Basel 1990. 135 S PAWFORTH / W ALKER, Panhellenion I (s. Anm. 134), 79f. listen folgende nachweisbare Mitglieder des Πανελλήνιον auf: aus der Provinz Achaia die Städte Athen, Sparta, Argos, Epidauros, Methana, Korinth, Megara, Chalkis, Akraephniae Amphikleia (?), Hypata und Demetrias, aus der Provinz Macedonia Thessaloniki, aus der Provinz Thracia Perintus, aus der Provinz Asia die Städte Aezani, Tralles, Milet, Apamea, Synnada, Thyatira, Sardes, Magnesia am Maeander und die Gebietskörperschaft Rhodos, und aus der Provinz Creta et Cyrene die Städte Lyttos, Gortyn, Hierapytna, Kyrene und Apollonia. 136 Aus der reichhaltigen Literatur zu diesem Thema vgl. nur A. S. BENJAMIN, The Altars of Hadrian in Athens and Hadrian’s Panhellenic Program, Hesp. 32 (1963), 57–86. 137 Zum exakten Ort der Aufstellung dieser Altäre im Bereich des Hauses vgl. L. ROBERT , Sur un Decret d’Ilion et sur un Papyrus concernant des Cultes Royaux, ASP 1, 1966, Essays in Honor of Bradford Welles, 175–211 (188): „Deux places sont normales pour ces autels privés: devant la porte et sur la terasse“. 138 Vgl. hierzu A. HUPFLOHER, Kulte im kaiserzeitlichen Sparta. Eine Rekonstruktion anhand der Priesterämter, Berlin 2000, 172 mit Verweis auf R OBERT , Décret (s. Anm. 137), 190f.: „L. Robert hat an epigraphischen und literarischen Quellen hellenistischer Zeit gezeigt, wie die Bürger beim Besuch des Königs und bei regelmäßig wiederkehrenden Gedenkfesten vor ihrer Haustüre auf Altären Rauchopfer vollziehen, während die Festprozession passiert“. Vgl. auch S. R. F. P RICE, Rituals and Power. The Roman
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wurde die üblicherweise von beamteten Priestern stellvertretend für das entsprechende Gemeinwesen vollzogene kultisch-religiöse Verehrung des amtierenden princeps in die einzelne Familie hinein (zurück-) delegiert.139 Die kultisch-religiöse Verehrung Hadrians führte an dieser Stelle insofern weit über das mit der kultisch-religiösen Verehrung des Augustus gesetzte Maß hinaus, als hier erstmalig das einzelne Haus bzw. die einzelne Familie unmittelbar zum Subjekt kultisch-religiöser Kaiserverehrung geworden ist. Dies hatte zur Folge, dass die Beteiligung bzw. die Nichtbeteiligung des Einzelnen an dieser kultisch-religiösen Verehrung mehr denn je allgemein augenfällig und für jedermann nachprüfbar wurde. Damit wuchs die Gefahr, dass der Christ, der sich an dieser Verehrung nicht beteiligen wollte, in den Fokus der Öffentlichkeit geriet und seines Christseins wegen angeklagt werden konnte.140 Diese zur Zeit Hadrians, in der Zeit unmittelbar nach 132 n.Chr., zu beobachtende signifikante Ausweitung der kultisch-religiösen Verehrung des amtierenden römischen Kaisers in der römischen Provinz Asia, innerhalb der der Person des princeps eine zumindest quasi-soteriologische Relevanz zugemessen wird, läßt sich als Hintergrund der Abfassung der Apk weit besser als jede andere Phase innerhalb der Entwicklung der kultischreligiösen Kaiserverehrung zwischen ca. 45/50 und 155/160 n.Chr. vorstellen. Offensichtlich sah der Apokalyptiker in Kaiser Hadrian das erste θηρίον, den vom σατανᾶς selbst aus- und zugerüsteten irdischen Gegenspieler des ἀρνίον Christus. Bemerkenswert ist, dass unter Antoninus Pius, dem ab 138 n.Chr. regierenden Nachfolger Hadrians, natürlich unter Bei———————— Imperial Cult in Asia Minor, Cambridge u.a. 1990, 112: „The involvement of the whole community [!] was ... expressed by the regulation that householders should sacrifice on altars outside their houses as the procession passed“. 139 Den offiziellen Charakter dieser von Privatpersonen vollzogenen Opferhandlungen betont HUPFLOHER, Kulte (s. Anm. 138), 172: „Das Opfer wird nicht an einen öffentlich bestellten Beamten oder Priester delegiert, sondern vom einzelnen Haushaltsvorstand selbst vollzogen. Ort der Kulthandlung ist öffentlicher Raum, die Straße, und doch nicht der große, gemeinsame Altar beim Tempel“. L. ROBERT , Décret (s. Anm. 137), 208 beschreibt diesen privat-offiziellen bzw. privat-öffentlichen Charakter dieser Opfer als „à la fois domestique et public“. 140 Natürlich ist die von S. W ITETSCHEK, Rez. Witulski, BZ 52 (2008), 292 formulierte Anfrage, ob die hier aufgewiesenen Veränderungen in der Entwicklung der kultisch-religiösen Kaiserverehrung im Blick auf die Frage nach der Datierung der Apk nicht eine ‚willkürliche Schmerzgrenze‘ darstellen, als solche nicht vollständig von der Hand zu weisen. Um so wichtiger ist es daher, die anhand der Analyse der Entwicklung der kultisch-religiösen Kaiserverehrung gewonnene, zunächst natürlich nur mit wenn auch hoher Plausibilität zu vermutende Datierung der Abfassung der Apk durch die Ergebnisse der Exegese einschlägiger Abschnitte dieses Werkes zu unterfüttern. Dies geschieht etwa im Rahmen der Interpretation von Apk 13 und von Apk 2,12–17, dem Sendschreiben an die Gemeinde zu Pergamon (vgl. hierzu nur u. 114–116).
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behaltung der kultisch-religiösen Verehrung des amtierenden princeps im Rahmen der Institution des Πανελλήνιον, dessen kultisch-religiöse Verehrung auf provinzialer Ebene deutlich und wieder auf bzw. unter das mit der Verehrung des Augustus gesetzte Niveau reduziert worden ist. Eine Aufstellung kleiner, nun dem Antoninus Pius geweihter Hausaltäre läßt sich nicht nachweisen. Wie Augustus, Tiberius und Traian wurde Antoninus Pius nur ein provinzialer Kult eingerichtet, nämlich recht bald nach seiner Inthronisation in Sardes.141 Aufgrund dieser Entwicklungen innerhalb der kultisch-religösen Kaiserverehrung in der römischen Provinz Asia im größten möglichen Zeitraum der Abfassung der Apk ergibt sich als These, dass die neutestamentliche Apk zwischen ca. 132 und ca. 135 n.Chr. abgefaßt worden ist.
4 Die zeitgeschichtliche Interpretation von Apk 13; 2,12–17 als Bestätigung dieser Datierung Werden Apk 13; 2,12–17 zeitgeschichtlich interpretiert, so zeigt sich, dass sie die These der Abfassung der Apk zwischen 132 und 135 n.Chr. in erheblichem Maße zu stützen vermögen. Einiges sei hier skizzenhaft angedeutet: (a) Wird der römische Kaiser Hadrian als das erste der beiden in Apk 13 dargestellten θηρία interpretiert, so läßt sich die Figur des zweiten θηρίον zwanglos auf den Rhetor und Sophisten Antonius Polemon,142 seinen Reisebegleiter, Ratgeber und Freund143 beziehen. Aus dem Blickwinkel der ———————— 141 Vgl. hierzu P RICE, Rituals (s. Anm. 128), 260, der den entsprechenden Kaisertempel mit dem Artemistempel in Sardes identifiziert und davon ausgeht, dass „Antoninus Pius and Faustina in Artemision“ kultisch-religiös verehrt worden sind. Ähnlich auch W. E. MIERSE in: G. M. A. Hanfman u.a. (Hg.), Sardis from Prehistoric to Roman Times, London u.a. 1983, 120. Durchaus denkbar ist auch, das Antoninus Pius und Faustina im sardischen Artemision gemeinsam mit den θεοὶ σύνναοι Ζεύς und Ἄρτεµις verehrt worden sind. Dies ergab zumindest die Diskussion mit Prof. Dr. R. Ascough, Kingston (Ontario), und Prof. Dr. D.-A. Koch, Münster, bei einem Besuch in Sardes im Rahmen der Exkursion „Die hellenistisch-römische Welt und das frühe Christentum im westlichen Kleinasien“ vom 28. März bis 08. April 2004 unter Leitung von Prof. Dr. D.-A. Koch. 142 Zu Antonius Polemon vgl. neben den einschlägigen Lexikonartikeln v.a. auch Philostratos, vitae sophistarum I,25 (530–544). 143 Vgl. A. VON P REMERSTEIN, Das Attentat der Konsulare auf Hadrian im J. 118 n.Chr., Klio.B 8, Leipzig 1908, 60. Ähnlich auch I. R OMEO, Das Panhellenion. Der Begriff des Griechentums im Sinne einer ethnischen Identität zur Zeit Hadrians, in: W.-D. Heilmeyer (Hg), Die Griechische Klassik, Idee oder Wirklichkeit, Mainz 2002, 675–681 (676): „Die Freundschaft zwischen Polemon und Hadrian ist durch viele literarische Quellen belegt“. Im Rahmen dieser Freundschaft übernahm der Sophist zeitweise die „Rolle ... als Mentor des Kaisers“ (676). Vgl. hierzu auch die außerordentlich wohlwollende Beschreibung der Augen Hadrians durch Antonius Polemon in de physiognomonia
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Einwohner der Provinz Asia erstand Hadrian ἐκ τῆς θαλάσσης (Apk 13,1), während es sich bei dem in Laodicea geborenen und in Smyrna lebenden Polemon um das θηρίον ἐκ τῆς γῆς, das aus dem Lande, aus der Provinz selbst stammende θηρίον handelt.144 (b) Die in Apk 13,4 dargestellte gleichzeitige Verehrung des δράκων, d.h. des σατανᾶς (Apk 12,9) und des ersten θηρίον spiegelt die gleichzeitige Verehrung des Gottes Ζεὺς Ὀλύµπιος und des Kaisers Hadrian im athenischen Heiligtum des Ζεὺς Ὀλύµπιος wider. (c) Die Charakterisierung des zweiten θηρίον als einer Gestalt, die ἐλάλει ὠς δράκων (Apk 13,11), entspricht der Position des Antonius Polemon als des herausragenden Sophisten seiner Zeit. (d) Das Apk 13,12 beschriebene Verhältnis zwischen den beiden θηρία145 paßt gut auf das Verhältnis Hadrians zu Antonius Polemon. Wiewohl dem Rhetor und Sophisten keinerlei kaiserliche ἐξουσία eignete, übte er doch als Freund und Mentor Hadrians in der Provinz Asia und auch darüber hinaus erheblichen Einfluß aus. Durchaus denkbar ist, dass er etwa in der Provinz Asia, in Anwesenheit des Kaisers und von diesem autorisiert, an seiner Statt Entscheidungen traf und verkündigte. (e) Zahlreich Exegeten halten die Identifikation des θρόνος τοῦ σατανᾶ Apk 2,13 mit dem dem Ζεὺς Φίλιος und dem Kaiser Traian auf dem pergamenischen Burgberg errichte———————— 148: Sunt certe oculi Hadriani imperatoris huius generis nisi quod luminis pulcri pleni sunt atque charopi acres obtutu, cum inter homines visus not sit quisquam luminosiore praeditus oculo („Unzweifelhaft sind die Augen des Imperators Hadrian von dieser Art, nur dass sie voll herrlichen Lichtes sind und auch hell strahlend, scharf im Blick, da doch unter den Menschen noch niemand gesehen worden ist mit hellerem Auge“), und den entsprechenden Hinweis bei M. W. GLEASON, Making Men. Sophists and Self-Presentation in Ancient Rome, Princeton 1995, 45: „Indeed, Polemo has attributed to Hadrian, Spaniard though he was, eyes of perfect Hellenic type“. 144 Die gesamte Darstellung von Apk 13, insbesondere das dort geschilderte Auftreten der beiden als Individuen zu deutenden θηρία scheint dem von K. BACKHAUS, Rez. Witulski, ThR 104 (2008), 481 geäußerten Einwand einer zu weitgehenden Konzentration auf die Verehrung einzelner Herrscherpersönlichkeiten den Boden zu entziehen. Backhaus formuliert: „Die Hauptschwäche der Studie [d.h. meine o. in Anm. 15 genannte Arbeit] scheint mir indes darin zu liegen, dass W. den Grundfehler der Domitian-These wiederholt und sich auf die Verehrung der einzelnen Herrscherpersönlickeit konzentriert, wo strukturgeschichtlich nach der politischen und religiösen Funktion des Herrscherkults zu fragen wäre“. Dieser Kritik von Backhaus widerrät, dass der Apokalyptiker selbst auf einzelne individuelle Kaiser bzw. Herrscherpersönlichkeiten zu rekurrieren scheint; daher ist es nur angemessen, im Rahmen einer Untersuchung zur Frage der Datierung der Apk dieser Spur zu folgen und allgemeinere, die kultisch-religiöse Kaiserverehrung betreffende Aspekte nur am Rande mitzubedenken. 145 Vgl. hierzu BOUSSET , Offenbarung (s. Anm. 71), 366: „Es [d.h. das zweite θηρίον] übt die Macht des ersten Tieres vor seinem Angesicht aus, es bringt die dem ersten Tier gegebene ἐξουσία zum Vollzug und zur Verwirklichung“. Ähnlich etwa auch MÜLLER, Offenbarung (s. Anm. 7), 253. Anders BEALE, Revelation (s. Anm. 39), 708.
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ten und um 129 n.Chr. geweihten Heiligtum durchaus für plausibel,146 verweisen aber auf die gängige Datierung der Abfassung der Apk in der Zeit des Domitian, die eine solche Deutung unmöglich mache. Der hier vorgelegte Ansatz zur Datierung der Abfassung der Apk ermöglicht die Identifikation des θρόνος τοῦ σατανᾶ mit diesem Heiligtum. Diese Identifikation wird sachlich durch die Tatsache untermauert, dass das in diesem Tempel errichtete Kultbild den auf einem Thron sitzenden Ζεύς darstellt, vor dem sich Kaiser Traian verneigt. Somit hätte der Begriff des θρόνος, der in der Apk stets den Thronsessel oder Thronschemel bezeichnet,147 in dem Thronsitz des Ζεύς sein entsprechendes historisches Äquivalent.148
5 Fazit Die Datierung der neutestamentlichen Apk in die Zeit zwischen ca. 132 und ca. 135 n.Chr. wird durch die Entwicklung der kultisch-religiösen Kaiserverehrung in der römischen Provinz Asia zwischen ca. 45/50 und 155/160 n.Chr. nahegelegt. Die hier nur in Ansätzen vorgetragene zeitge———————— 146 Vgl. hierzu etwa K LAUCK, Sendschreiben (s. Anm. 105), 161: „Der weithin sichtbare Trajanstempel, der auf dem Berggipfel thront, gäbe von der Bildvorgabe her einen vorzüglichen Kandidaten [für die Identifikation des θρόνος τοῦ σατανᾶ] ab“. Für KLAUCK kann dieses Heiligtum, da er an der Abfassung der Apk in domitianischer Zeit festhält, als Bezugspunkt für diesen Begriff nicht in Frage kommen. Vgl. auch 161, Anm. 34. Erwogen wird der Bezug dieses Terminus auf den Tempel des Ζεὺς Φίλιος / Iuppiter Amicalis und des princeps Traian auch von TAEGER, Streitschrift (s. Anm. 65), 300: „... – wobei sich übrigens für den ‚Thron des Satans‘ besonders gut das Trajaneum anbieten würde“, und von A. Y ARBRO COLLINS, Pergamon in Early Christian Literature, in: H. Koester (Hg), Pergamon. Citadel of the Gods, Harrisburg 1998, 163–184 (172f.). 147 Der Begriff θρόνος begegnet in der Apk außer an der hier diskutierten Stelle Apk 2,13 noch in Apk 1,4; 3,21 (zweimal); 4,2 (zweimal).3.4 (dreimal).5 (zweimal).6 (dreimal).9.10 (zweimal); 5,1.6.7.11.13; 6,16; 7,9.10.11 (zweimal).15 (zweimal).17; 8,3; 11,16; 12,5; 13,2; 14,3; 16,10.17; 19,4.5; 20,4.11.12; 21,3.5; 22,1 (zweimal).3, in Verbindung entweder mit Gott (Apk 1,4; 3,21; 4,2.3.4.5.6.9.10; 5,1.6.7.11.13; 6,16; 7,9.10.11.15; 8,3 [?]; 12,5; 13,2 [?]; 14,3; 16,17; 19,4f.; 20,11f.; 21,3.5; 22,1.3) mit dem ἀρνίον Christus (Apk 3,21; 7,17; 22,1.3), mit dem ersten θηρίον (Apk 13,2 [oder auch mit dem σατανᾶς]; 16,10) oder auch mit den vierundzwanzig πρεσβύτεροι (Apk 4,4; 11,16). Dabei wird durch das zugehörige Genitivattribut jeweils derjenige bezeichnet, dem der entsprechende θρόνος zugeeignet ist bzw. der auf dem entsprechenden θρόνος sitzt. 148 BACKHAUS, Rez. Witulski (s. Anm. 143), 481 irrt in der Feststellung, dass in der „Offb ... nur Pergamon als Neokoros erwähnenswert“ ist. Der entsprechende Begriff begegnet in der Apk nicht. Dass allerdings gerade der pergamenische θρόνος τοῦ σατανᾶ in der Apk so ausführlich besprochen wird, hängt m.E. damit zusammen, dass in den anderen angeschriebenen Städten ein dem als σατανᾶς interpretierten Ζεύς (vgl. Apk 12f.) geweihtes Heiligtum solchen Ausmaßes, noch dazu in einer derart exponierten Stellung, nicht nachweisbar ist.
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schichtliche Interpretation von Apk 13 und Apk 2,12–17 vermag diese Datierung zu stützen. Insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass die Frage nach der Datierung der Apk in der gegenwärtigen exegetischen Forschung zu einer offenen Frage geworden ist, stellt die hier vorgeschlagene Datierung der Apk in hadrianische Zeit m.E. einen in jedem Falle ernstzunehmenden Vorschlag dar. Betrachtet man die Entwicklung der kultischreligösen Kaiserverehrung in der römischen Provinz Asia, entspricht er weit mehr als alle anderen der offensichtlich vorausgesetzten historischen Situation, so wie sie sich aus der Apk entnehmen läßt.
Ein weit geöffnetes Zeitfenster? Überlegungen zur Datierung der Johannesapokalypse STEPHAN WITETSCHEK
Die Datierung neutestamentlicher Texte steht zuweilen in dem Ruf, nur ein müßiges Glasperlenspiel und für die Interpretation ohnehin nicht entscheidend zu sein. Im Falle der Johannesapokalypse trifft dies jedoch mitnichten zu: Wie sich zeigen wird, hängt die Datierungsfrage bei dieser Schrift eng mit der Frage nach ihrem Wirklichkeitsbezug zusammen, bzw. mit der Frage, ob und wie der Seher Johannes in seinem Text auf konkrete Phänomene seiner Zeit und Umwelt anspiele und mit welcher Gewissheit solche Anspielungen aus dem Text zu erheben seien.
1 Das Problem Im 20. Jahrhundert hat sich die Meinung eingebürgert, die Johannesapokalypse sei gegen Ende der Herrschaft Kaiser Domitians (81–96)1 verfasst worden, etwa 92–96 n. Chr.2 Als äußerer Beleg dafür lässt sich eine Stelle 1
Für die Lebens- und Regierungsdaten römischer Kaiser stütze ich mich in diesem Beitrag auf D. KIENAST , Römische Kaisertabelle. Grundzüge einer römischen Kaiserchronologie, Darmstadt 21996. 2 Vgl. V. H. S TANTON, The Gospels as Historical Documents. Part I. The Early Use of the Gospels, Cambridge 1903, 172 (für die Endfassung); W. BOUSSET , Die Offenbarung Johannis, KEK 16, Göttingen 21906, 45.134 (für die Endfassung); R. H. C HARLES, A Critical and Exegetical Commentary on the Revelation of St. John. Bd. 1, ICC, Edinburgh 1920, xci–xcvi; E.-B. A LLO, Saint Jean. L’Apocalypse, EtB, Paris 1921, cciii–ccx; A. LOISY, L’Apocalypse de Jean, Paris 1923, 45f.; J. S ICKENBERGER, Erklärung der Johannesapokalypse, Bonn 1940, 15; E. LOHSE, Die Offenbarung des Johannes, NTD 11, Göttingen 1960, 5; W. G. KÜMMEL, Einleitung in das Neue Testament, Heidelberg 1973, 414; H. CONZELMANN / A. LINDEMANN, Arbeitsbuch zum Neuen Testament, UTB 52, Tübingen 1975, 319 (142004, 397); P. VIELHAUER, Urchristliche Literaturgeschichte. Einleitung in das Neue Testament, die Apokryphen und die Apostolischen Väter, Berlin u.a. 1975, 503; A. YARBRO COLLINS, Dating the Apocalypse of John, BR 26 (1981), 33– 45 (41f.); U. B. MÜLLER, Die Offenbarung des Johannes, ÖTBK 19, Gütersloh u.a. 1984,
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bei Irenäus von Lyon anführen:3 „Wenn es nötig gewesen wäre, seinen (sc. des Antichrist) Namen zur jetzigen Zeit offen bekannt zu machen, wäre es 42; A. YARBRO COLLINS, Crisis and Catharsis. The Power of the Apocalypse, Philadelphia, PA 1984, 76; J. H. ULRICHSEN, Die sieben Häupter und die zehn Hörner. Zur Datierung der Offenbarung des Johannes, StTh 39 (1985), 1–20 (15); C. J. HEMER, The Letters to the Seven Churches of Asia in their Local Setting, JSNT.S 11, Sheffield 1986, 3–5; M. KARRER, Die Johannesoffenbarung als Brief. Studien zu ihrem literarischen, historischen und theologischen Ort, FRLANT 140, Göttingen 1986, 306f.; U. S CHNELLE, Einleitung in das Neue Testament, UTB 1830, Göttingen 1994, 591 (= 62007, 551); R. E. BROWN, An Introduction to the New Testament, AncB Reference Library, New York u.a. 1997, 774; H. GIESEN, Die Offenbarung des Johannes, RNT, Regensburg 1997, 41f.; G. K. BEALE, The Book of Revelation. A Commentary on the Greek Text, NIGTC, Grand Rapids, MI u.a. 1999, 13f.; É. CUVILIER, L’Apocalypse de Jean, in: D. Marguerat (Hg.), Introduction au Nouveau Testament. Son histoire, son écriture, sa théologie, MoBi 41, Genève 2000, 387–403 (396); J. MOLTHAGEN, Warnung vor Integration. Die Christen und Rom im Spiegel der Johannes-Apokalypse, in: N. Ehrhardt / L.-M. Günther (Hg.), Widerstand – Anpassung – Integration. Die griechische Staatenwelt und Rom (FS J. Deininger), Stuttgart 2002, 265–280 (267); P. R. TREBILCO, The Early Christians in Ephesus from Paul to Ignatius, WUNT 166, Tübingen 2004, 294; A. SATAKE, Die Offenbarung des Johannes, KEK 16, Göttingen 2008, 51–58; ähnlich S. J. FRIESEN, The Cult of the Roman Emperors in Ephesos. Tempel Wardens, City Titles, and the Interpretation of the Revelation of John, in: H. Koester (Hg.), Ephesos. Metropolis of Asia. An Interdisciplinary Approach to its Archaeology, Religion, and Culture, HThS 41, Valley Forge, PA 1995, 229–250 (245f.); DERS., Imperial Cults and the Apocalypse of John. Reading Revelation in the Ruins, Oxford u.a. 2001, 150 (zwischen 80 und 100); O. BÖCHER, Die Johannesapokalypse, EdF 41, Darmstadt 41998, 41 (zwischen 92 und 98); D. E. AUNE, Revelation 1–5, WBC 52a, Dallas, TX 1997, lviii–cxxxii (Endfassung in den 90er-Jahren des 1. Jh. bzw. unter Trajan). Nach P.-M. BOGAERT , Les apocalypses contemporaines de Baruch, d’Esdras et de Jean, in: J. Lambrecht (Hg.), L’Apocalypse johannique et l’Apocalyptique dans le Nouveau Testament, BEThL 53, Gembloux u.a. 1980, 47–68, v.a. 56.67 rezipiert die Johannesapokalypse die syrische Baruchapokalypse und wird ihrerseits vom 4. Esrabuch rezipiert, doch nach E. LUPIERI, L’Apocalisse di Giovanni, Scrittori Greci e Latini, Milano 1999, lxvii ist das „Gefälle“ genau umgekehrt zu bestimmen. 3 Iren.haer. 5,30,3; Eus.h.e. 3,18,3; 5,8,6: εἰ γὰρ ἔδει ἀναφανδὸν ἐν τῷ νῦν καιρῷ κηρύττεσθαι τοὔνοµα αὐτοῦ, δι᾿ ἐκείνου ἂν ἐρρέθη τοῦ καὶ τὴν ἀποκάλυψιν ἑωρακότος. Οὐδὲ γὰρ πρὸ πολλοῦ χρόνου ἑωράθη, ἀλλὰ σχεδὸν ἐπὶ τῆς ἡµετέρας γενεᾶς, πρὸς τῷ τέλει τῆς ∆οµετιανοῦ ἀρχῆς. In der Diskussion um die Datierung der Johannesapokalypse wird dieser Quellentext manchmal anders interpretiert: Nach K. L. G ENTRY, Before Jerusalem Fell. Dating the Book of Revelation. An Exegetical and Historical Argument for a Pre-A.D. 70 Composition, San Francisco u.a. 1989, 47–57 (und älteren Autoren) bezieht sich das Verb ἑωράθη nicht auf die Apokalypse, sondern auf den Seher Johannes, der nach Abfassung seines Werkes natürlich noch länger leben konnte; damit ließe sich eine Frühdatierung unterstützen. Nach T. W ITULSKI, Die Johannesoffenbarung und Kaiser Hadrian. Studien zur Datierung der neutestamentlichen Apokalypse, FRLANT 221, Göttingen 2007, 31 bezieht sich ἑωράθη hingegen weder auf die Apokalypse noch auf den Seher, sondern auf den Namen des Antichrist, so dass diese Stelle für die Datierung ausfällt. Beide Lösungen sind grammatikalisch nicht völlig unmöglich, aber nicht die natürlichste Lesart: Im vorausgehenden Satz bezieht sich das Verb ὁράω ja eindeutig auf die
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durch den gesagt worden, der auch die Offenbarung geschaut hat. Sie wurde ja nicht vor langer Zeit geschaut, sondern fast in unserer Generation, gegen Ende der Herrschaft Domitians.“ Freilich ist diese Aussage eines Kirchenvaters aus dem späten 2. Jahrhundert in ihrem Quellenwert nicht über jeden Zweifel erhaben, und die Mehrheitsmeinung, welche ihre Datierung – unter anderem – auf diesen Text stützt, wurde und wird zum Teil heftig kritisiert. Abgesehen von der zeitlichen Distanz ist darauf hinzuweisen, dass Irenäus sich schon auf eine entwickelte Tradition stützt,4 vor allem hinsichtlich des Verfassers der Johannesapokalypse, den er mit dem Apostel und Lieblingsjünger Johannes, dem Verfasser des Evangeliums und der Briefe identifiziert:5 Es wäre methodisch fragwürdig, einerseits zu zeigen, dass Irenäus (haer. 4,20,11; 5,26,1) über den Verfasser der Johannesapokalypse falsch informiert war, ihm aber andererseits in der Datierungsfrage blind zu vertrauen.6 Entsprechend wird das Zeugnis des Irenäus nur selten als eigenständige Begründung gewertet;7 viele Autoren räumen zu Recht ein, dass es nur eine anderweitig begründete Datierung unterstützen kann.8 Als Argument gegen die Datierung unter Domitian wird ferner angeführt, dass der unter diesem Kaiser in der Provinz Asia eingerichtete Kaiserkult in der Johannesapokalypse keine Rolle spiele: In Apk 2,1–7, dem Sendschreiben nach Ephesos, wo 89/90 der provinziale Sebastoi-Tempel eingeweiht wurde, wird der
Apokalypse. Wenn sich das Verb im nächsten Satz auf ein anderes Subjekt beziehen sollte, würde man etwa ein Pronomen erwarten, um den Wechsel des Subjekts anzuzeigen. Ein derartiges Signal ist dem Text jedoch nicht zu entnehmen, so dass die Lesart der oben gebotenen Übersetzung vorzuziehen ist. 4 Vgl. H. J. DE JONGE, The Apocalypse of John and the Imperial Cult, in: H. F. J. Horstmanshoff (Hg.), Kykeon (FS H. S. Versnel), RGRW 142, Leiden u.a. 2002, 127– 141 (128); WITULSKI, Johannesoffenbarung (s. Anm. 3), 26–34. 5 Zur Entwicklung dieser Tradition vgl. z.B. S. W ITETSCHEK, Ephesische Enthüllungen 1. Frühe Christen in einer antiken Großstadt. Zugleich ein Beitrag zur Frage nach den Kontexten der Johannesapokalypse, Biblical Tools and Studies 6, Leuven u.a. 2008, 326–340 (Lit.). 6 Vgl. J. A. T. R OBINSON, Redating the New Testament, London 1976, 222; A. A. BELL, The Date of John’s Apocalypse. The Evidence of Some Roman Historians Reconsidered, NTS 25 (1978/79), 93–102 (93); R. B. M OBERLY, When Was Revelation Conceived?, Bib. 73 (1992), 376–393 (380–383); J. C. W ILSON, The Problem of the Domitianic Date of Revelation, NTS 39 (1993), 587–605 (597f.); T. B. S LATER, Dating the Apocalypse to John, Bib. 84 (2003), 252–258 (254); M. W ILSON, The Early Christians in Ephesus and the Date of Revelation, Again, Neotest. 39 (2005), 163–193 (165). 7 Vgl. aber I. BOXALL, The Revelation of St John, BNTC, London 2006, 10: Mit inneren Argumenten sei weder die Datierung unter Nero noch die unter Domitian überzeugend zu begründen; damit sei das Zeugnis des Irenäus der entscheidende Faktor. 8 Vgl. z.B. KARRER, Johannesoffenbarung (s. Anm. 2), 307; FRIESEN, Imperial Cults (s. Anm. 2), 143.
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Kaiserkult mit keinem Wort erwähnt.9 Ebenso lässt sich anführen, dass der äußere Druck auf Christen, den die Johannesapokalypse vorauszusetzen scheint, für die Zeit Domitians nicht nachzuweisen ist, jedenfalls nicht im Stil einer organisierten Christenverfolgung.10 Auch aus Apk 6,6 lässt sich kein eindeutiger Bezug zum „Weinedikt“ Domitians aus dem Jahr 92 (Suetonius, Domitianus 7,2; Philostr.vit.ap. 6,42) ableiten, denn dieses scheint keine nennenswerten Auswirkungen gehabt zu haben (Philostr.vit.soph. 1,21), und die Teuerung, auf die Apk 6,6 anspielt, war gewiss kein einmaliges Ereignis.11 Die gewöhnlich vorgebrachten und oft wiederholten Argumente für eine Datierung der Johannesapokalypse in die Zeit Domitians sind also zumindest nicht zwingend.
2 Die Frühdatierung Angesichts dessen tendieren zahlreiche Autoren zu einer Frühdatierung. Ein extremer Vertreter dieser Richtung ist wohl G. Rojas-Flores, der die Johannesapokalypse im Zeitraum 54–60 ansetzen will: einerseits sei die „Zahl des Tieres“ in Apk 13,18 zwar auf Nero zu beziehen, andererseits reflektiere die Johannesapokalypse weder den jüdischen Aufstand 66–73, noch den Tod von Jakobus, Petrus und Paulus, und im Sendschreiben nach Laodikeia (Apk 3,14–22) sei von dem Erdbeben, das diese Stadt 60/61 stark in Mitleidenschaft zog, nicht die Rede.12 Die meisten anderen Auto9 Vgl. G. H. VAN KOOTEN, The Year of the Four Emperors and the Revelation of John. The ‘pro-Neronian’ Emperors Otho and Vitellius, and the Images and Colossus of Nero in Rome, JSNT 30 (2007), 205–248 (237). Seiner Ansicht nach spricht auch die Tatsache, dass in Offb 13,14 nur von einem Standbild des Tieres die Rede ist, gegen einen Bezug zum Kaiserkult unter Domitian; das eine Standbild ist, ihm zufolge, die Kolossalstatue Neros in Rom (vgl. ebd., 231–234). 10 Vgl. dazu insgesamt U. R IEMER, Das Tier auf dem Kaiserthron? Eine Untersuchung zur Offenbarung des Johannes als historischer Quelle, BzA 114, Stuttgart u.a. 1998; WITETSCHEK, Ephesische Enthüllungen 1 (s. Anm. 5), 314–317 (Lit.) sowie den Beitrag von J. A. KELHOFFER in diesem Band. Etwas anders akzentuiert A. BRENT , The Imperial Cult and the Development of Church Order. Concepts and Images of Authority in Paganism and Early Christianity before the Age of Cyprian, SVigChr 45, Leiden u.a. 1999, 164f.: Wenn es unter Domitian keine besonders heftige Konfrontation zwischen dem Kaiser und der Kirche gegeben hätte, wäre dies ein Argument gegen die Datierung der Johannesapokalypse unter diesem Kaiser. 11 Vgl. z.B. S. S. S MALLEY, The Revelation to John. A Commentary on the Greek Text of the Apocalypse, Downers Grove, IL 2005, 154. 12 Vgl. G. R OJAS-F LORES , The Book of Revelation and the First Years of Nero’s Reign, Bib. 85 (2004), 375–392 (381–386.391). An diesem Beitrag ist vor allem erstaunlich, wie genau der Autor weiß, was ein Apokalyptiker zu einer bestimmten Zeit schreiben müsste.
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ren, die eine Frühdatierung vertreten, denken dabei jedoch an das „Vierkaiserjahr“ 68/69. 2.1 Die „sieben Könige“ von Apk 17,9b–11 Die Vertreter der Frühdatierung stützen sich meistens auf Apk 17,9b–11, wo der Deuteengel dem Seher Johannes die Vision von der Hure Babylon auf dem siebenköpfigen „Tier“ erklärt. Dort heißt es: Die sieben Köpfe sind sieben Berge, wo die Frau auf ihnen sitzt (sic). Und sie sind sieben Könige. Die fünf sind gefallen, der eine ist, der andere ist noch nicht gekommen, und wenn er kommt, muss er ein bisschen bleiben. Und das Tier, das war und nicht ist, und selbst ist es ein achter, und aus den sieben ist es, und ins Verderben geht es.
Diese Stelle bringt die Vertreter einer Datierung unter Domitian regelmäßig in Bedrängnis, denn, egal ob man die Zählung mit C. Iulius Caesar oder mit Augustus beginnt, Domitian war nicht der sechste römische Kaiser. Um die Datierung zu retten, werden dann häufig einzelne Kaiser ausgewählt, die kurz regierenden Kaiser des Jahres 68/69 (Galba, Otho und Vitellius) unterschlagen, oder man beginnt die Zählung erst mit Caligula, dem ersten „nachchristlichen“ Kaiser und dem ersten Kaiser, der seine jüdischen Untertanen in ernsthafte Bedrängnis brachte.13 Diese Ansätze wirken etwas gezwungen, und so ist man geneigt, den Vertretern der Frühdatierung Recht zu geben: Wenn man Apk 17,9b–11 als Kaiserliste lesen will, dann kann man nicht nur bestimmte Kaiser auswählen: Man wird die Liste mit Augustus, dem ersten princeps, beginnen lassen14 und kann schwerlich Galba, Otho und Vitellius unterschlagen. Damit ist die nächstliegende Lesart, dass Augustus der erste „König“ ist, Nero folglich der fünfte und Galba der gegenwärtige sechste „König“, unter dessen Herr-
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ALLO, Saint Jean (s. Anm. 2), 248f.258f. begann die Zählung sogar erst mit Nero, dem ersten Christenverfolger. Die Verlegenheit mit dieser Zählung von Köpfen und Kaisern ist besonders deutlich bei YARBRO COLLINS, Dating (s. Anm. 2), 36; DIES., Crisis (s. Anm. 2), 58–64; ULRICHSEN, Sieben Häupter (s. Anm. 2). Vgl. auch die forschungsgeschichtlichen Überblicke bei D. E. AUNE, Revelation 17–22, WBC 52c, Nashville, TN 1998, 947f.; BEALE, Book of Revelation (s. Anm. 2), 873f. 14 Gewiss lassen sich viele Texte nennen, in denen C. Iulius Caesar als der erste Kaiser betrachtet wird: Abgesehen von Suetons Kaiserviten verweist Y ARBRO COLLINS, Crisis (s. Anm. 2), 61f. auf Flav.Jos.Ant. 18,32; Sib 5,12–51; 4Esr. 11,1–12,34. Das Geschichtsbild dieser Texte ist jedoch nicht unbesehen auf die Johannesapokalypse zu übertragen: In der Wahrnehmung der Provinzialen in Asia dürften das Ende der Bürgerkriege und der Regierungsantritt des Augustus eine entscheidende Zäsur dargestellt haben; am Rande (und für unsere Fragestellung weniger bedeutsam) sei noch erwähnt, dass auch formal die neue Ordnung des Prinzipats erst mit der „Rückgabe“ der res publica durch Augustus 27 v.Chr. begann; vgl. dazu D. K IENAST , Augustus. Prinzeps und Monarch, Darmstadt 31999, 78–98.
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schaft Johannes seine Apokalypse schreibt.15 T. Slater und G. H. van Kooten nehmen jedoch an, dass es sich bei dieser Liste um ein vaticinium ex eventu handelt, dass also der Seher Johannes schon auf die Herrschaft des sechsten „Königs“ Galba zurückblicke und daher unter Otho schreibe.16 Die Vertreter dieser Interpretation zeigen sich in der römischen Kaisergeschichte sehr belesen, doch man fragt sich, ob diese exakte historische Aufschlüsselung der Vision bzw. ihrer Deutung angemessen sei; anders gewendet: Soll das siebenköpfige Tier wirklich die römische Kaisergeschichte des 1. Jh.s n.Chr. darstellen? Die sieben „Könige“ sind ja gewissermaßen nur Nummern; die individuellen Charakteristika, die etwa in 4Esr 11– 12 oder Sib 5,12–51 das Orakel erschließen und dem Kundigen die historische Einordnung ermöglichen, fehlen völlig. Gerade deswegen lässt Apk 17,9b–11 ja so unterschiedliche Deutungen zu. Vor allem die ersten fünf „Könige“ werden en bloc abgehandelt.17 In unmittelbarer Nähe unseres Textes, in Apk 17,12–14, ist zudem von zehn Königen die Rede, die man kaum auf römische Kaiser beziehen wird.18 Es scheint daher geraten, bei der Interpretation von Apk 17,9b–11 die Vorliebe des Sehers Johannes für die Siebenzahl in Rechnung zu stellen.19 Zudem lässt sich das Tier in Apk 13,1–3; 17,3.9 mit seiner hybriden Gestalt und seinen sieben Köpfen als die Summe der vier Weltreich-Tiere aus Dan 7,3–8.17–27 auffassen.20 Die 15
Vgl. ROBINSON, Redating (s. Anm. 6), 243.248; BELL, Date (s. Anm. 6), 98f.; WILSON, Problem (s. Anm. 6), 603f. 16 Vgl. S LATER, Dating (s. Anm. 6), 258; VAN KOOTEN, Year (s. Anm. 9), 209–211. Letzterem zufolge blickt Johannes schon auf alle sieben Könige zurück, schreibt also am Übergang von Otho zu Vitellius. 17 Johannes verwendet hier den Artikel, er scheint also vorauszusetzen, dass seine Hörer wissen, wer οἱ πέντε sind: Sie sind eben das, was in einer Siebenerreihe vor dem vorletzten Glied kommt. Vgl. dazu auch schon LOISY, L’Apocalypse (s. Anm. 2), 310. 18 Anscheinend nur ULRICHSEN, Sieben Häupter (s. Anm. 2), 11.14f. 19 Die Johannesapokalypse ist ja hauptsächlich nach einem Siebenermuster strukturiert: sieben Siegel, sieben Posaunen, sieben Schalen etc. So wird man auch für die sieben Köpfe des Tieres in erster Linie den literarischen Gestaltungswillen des Sehers in Rechnung stellen. Dagegen ließe sich möglicherweise einwenden, dass die sieben Gemeinden von Offb 1,11.20; 2–3 ja vermutlich auch sieben reale Gemeinden bezeichnen (vgl. dazu WITETSCHEK, Ephesische Enthüllungen 1 [s. Anm. 5], 309f.); allerdings sind diese sieben Gemeinden durch reale Ortsnamen gekennzeichnet und jeweils individuell charakterisiert; das ist bei den sieben Köpfen des Tieres gerade nicht der Fall. 20 Vgl. z.B. G IESEN, Offenbarung (s. Anm. 2), 300; G. G LONNER, Zur Bildersprache des Johannes von Patmos. Untersuchung der Johannesapokalypse anhand einer um Elemente der Bildinterpretation erweiterten historisch-kritischen Methode, NTA.NF 34, Münster 1999, 134; M OLTHAGEN, Warnung (s. Anm. 2), 274. Nach VAN KOOTEN, Year (s. Anm. 9), 215 ist die symbolische Deutung abzulehnen, weil die Siebenzahl im danielischen Vorbild nicht vorkommt. Dieser Einwand wird freilich dem eigenständigen Charakter der Johannesapokalypse und insbesondere ihrem freien, allusiven Umgang mit dem Alten Testament nicht gerecht.
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sieben Köpfe/Könige bezeichnen dann die Fülle der widergöttlichen Macht. Diese beherrscht die Gegenwart, doch ihre Tage sind gezählt.21 Indem Johannes die Köpfe mit aufeinander folgenden Königen identifiziert, transponiert er zwar die Ekphrasis des Tieres in eine zeitliche Dimension, aber er will damit nicht einen Abriss der römischen Kaisergeschichte bieten, sondern deutlich machen, dass die Herrschaft der widergöttlichen Mächte zeitlich begrenzt ist, dass das Tier ins Verderben geht (17,11fin). Somit lässt sich aus Apk 17,9b–11 weder eine frühe noch eine späte Datierung der Johannesapokalypse begründen.22 2.2 Der Tempel in Apk 11,1–2 Die Vermessung des Tempels in Apk 11,1–2 wird zumeist im Sinne der Bewahrung interpretiert: Der innere Tempelbezirk mit dem Altar und den Anbetenden steht unter göttlichem Schutz, während der äußere Vorhof, den Johannes nicht vermessen soll, den Heiden übergeben ist.23 Demnach
21 Vgl. J. S ICKENBERGER, Die Johannesapokalypse und Rom, BZ 17 (1926), 270–282 (275); LOHSE, Offenbarung (s. Anm. 2), 6; A. HEINZE, Johannesapokalypse und johanneische Schriften. Forschungs- und traditionsgeschichtliche Untersuchungen, BWANT 142, Stuttgart u.a. 1998, 217f.; BEALE, Book of Revelation (s. Anm. 2), 21–24; FRIESEN, Imperial Cults (s. Anm. 2), 140f.; G. BIGUZZI, L’Apocalisse e i suoi enigmi, StBi 143, Brescia 2004, 45f.; SATAKE, Offenbarung (s. Anm. 2), 350–352; ähnlich H. U LLAND, Die Vision als Radikalisierung der Wirklichkeit in der Apokalypse des Johannes. Das Verhältnis der sieben Sendschreiben zu Apokalypse 12–13, TANZ 21, Tübingen u.a. 1997, 236; LUPIERI, L’Apocalisse (s. Anm. 2), 273f.; SMALLEY, Revelation (s. Anm. 11), 437. Vgl. auch L. J. LIETAERT PEERBOLTE, The Antecedents of Antichrist. A Traditio-Historical Study of the Earliest Christian Views on Eschatological Opponents, JSJ Suppl. 49, Leiden 1996, 161f.: Der sechste „König“ ist nur insofern interessant, als er der vorletzte in der Siebenerreihe ist. 22 Vgl. auch W ITULSKI, Johannesoffenbarung (s. Anm. 3), 328. 23 Vgl. BOUSSET , Offenbarung (s. Anm. 2), 315f.; ALLO, Saint Jean (s. Anm. 2), 129f.; LOISY, L’Apocalypse (s. Anm. 2), 204f.; W. J. HARRINGTON, Revelation, Sacra Pagina 16, Collegeville, MN 1993, 119; GIESEN, Offenbarung (s. Anm. 2), 242–244; D. E. AUNE, Revelation 6–16, WBC 52b, Nashville, TN 1998, 603–605; S MALLEY, Revelation (s. Anm. 11), 271; BOXALL, Revelation (Anm. 7), 160. – Diese Interpretation des Vermessens wurde jüngst von M. DEN DULK, Measuring the Temple of God: Revelation 11.1–2 and the Destruction of Jerusalem, in: NTS 54 (2008), 436–449 in Frage gestellt: Ihm zufolge bezeichnet das Vermessen zunächst die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Jurisdiktion, so dass in Offb 11,1–2 der innere Tempelbezirk unter dem Gericht Gottes steht, während der äußere Vorhof (schon) den Heiden übergeben ist (ἐδόθη). Somit ist Offb 11,1–2 nach der Zerstörung Jerusalems und des Tempels eine Antwort auf die Frage, wie Gott die Zerstörung seiner Stadt und seines Tempels zulassen konnte. Daran ist richtig beobachtet, dass der Tempel nicht von der „heiligen Stadt“ zu trennen ist; sie wird ja erst durch den Tempel zur heiligen Stadt, und wenn die heilige Stadt zerstört wird, dann betrifft das auch den Tempel. Andererseits ist aber zu fragen, ob es mit dem strikten
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ist Jerusalem zwar zur Abfassungszeit der Johannesapokalypse ernsthaft bedroht; aber die Vorstellung, dass der innere Tempelbezirk bewahrt bleibe, sei, so wird argumentiert, nur vor der Zerstörung Jerusalems und des Tempels im Jahre 70 denkbar.24 G. H. van Kooten sieht in dieser gespannten Situation ausdrücklich den „Sitzkrieg“ der Jahre 68 und 69 reflektiert, als Vespasian zwar Jerusalem belagerte, aber zunächst die Klärung der politischen Verhältnisse in Rom abwartete und sich schließlich selbst von seinen Legionen zum Imperator ausrufen ließ.25 Freilich wäre solch eine strikt innergeschichtliche Bewahrungsprophetie sehr bald durch die Ereignisse des Jahres 70 falsifiziert worden. Zudem ist zu beobachten, dass der Seher Johannes sonst keinen großen Wert auf den historischen Jerusalemer Tempel legt. Nach Apk 11,19 befindet sich der Tempel Gottes (ναὸς τοῦ θεοῦ wie in 11,1) im Himmel, und nach Apk 21,22 gibt es im Neuen Jerusalem überhaupt keinen Tempel.26 Das lässt eher vermuten, dass der Seher Johannes auf seine Weise den Verlust des Tempels zu bewältigen sucht und daher schon nach der Katastrophe des Jahres 70 schreibt. In diesem Zusammenhang wird häufig auf den Codenamen „Babylon“ hingewiesen, den der Seher Johannes für Rom verwendet (Apk 14,8; 16,19; 17,5; 18,2.10.21; vgl. 17,9).27 Dieser Codename in dieser Funktion ist sonst nur in Texten belegt, die nach 70 entstanden sind: 4Esr 3,1–2.28– 31; 16,44; 2Bar 10,1–3; 11,1; 67,7; Sib 5,143.159; 1Petr 5,13.28 Indem Monotheismus der Johannesapokalypse vereinbar sei, dass irgendetwas außerhalb der Jurisdiktion Gottes liegt. 24 Vgl. J. A. T. R OBINSON, Redating (s. Anm. 6), 238–242; G ENTRY, Jerusalem (s. Anm. 3), 143f.165–192.250–253; MOBERLY, Revelation (s. Anm. 6), 387 mit Anm. 32; J. C. WILSON, Problem (s. Anm. 6) 604; K. BERGER, Theologiegeschichte des Urchristentums. Theologie des Neuen Testaments, UTB.L 8082, Tübingen u.a. 21995, 618; SLATER, Dating (s. Anm. 6), 255; ROJAS-FLORES, Book of Revelation (s. Anm. 12), 378–380; M. WILSON, Early Christians (s. Anm. 6), 169. 25 Vgl. VAN KOOTEN , Year (s. Anm. 9), 221. 26 Vgl. dazu auch YARBRO COLLINS, Dating (s. Anm. 2), 37; LUPIERI, L’Apocalisse (s. Anm. 2), 176. 27 BIGUZZI, L’Apocalisse (s. Anm. 21), 21–46; DERS., Is the Babylon of Revelation Rome or Jerusalem?, Bib. 87 (2006), 371–386 setzt sich ausführlich mit der Annahme auseinander, „Babylon“ bezeichne Jerusalem bzw. das Judentum. Diese erweist sich als nicht sehr gut begründet. 28 Vgl. C.-H. HUNZINGER, Babylon als Deckname für Rom und die Datierung des 1. Petrusbriefes, in: H. Graf Reventlow (Hg.), Gottes Wort und Gottes Land (FS H.-W. Hertzberg), Göttingen 1965, 67–77; AUNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 2), lxi; DERS., Revelation 6–16 (s. Anm. 23), 829f.; ebenso YARBRO COLLINS, Dating (s. Anm. 2), 35.42; DIES., Crisis (s. Anm. 2), 58; HARRINGTON, Revelation (s. Anm. 23), 9; BEALE, Book of Revelation (s. Anm. 2), 18f.; LUPIERI, L’Apocalisse (s. Anm. 2), lxvi; FRIESEN, Imperial Cults (s. Anm. 2), 138–140; B. W ITHERINGTON, Revelation, The New Cambridge Bible Commentary, Cambridge 2003, 4; BIGUZZI, L’Apocalisse (s. Anm. 21), 43.
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römische Truppen Jerusalem und den Tempel zerstören, tritt Rom in die Fußstapfen des historischen Babylon, dessen Armee 587 v.Chr. das Gleiche vollbracht hatte. Die Kritik daran setzt häufig beim 1. Petrusbrief an: Wenn dieser authentisch sein sollte, wäre er ein Beleg dafür, dass man Rom auch vor 70 „Babylon“ nennen konnte.29 T. B. Slater weist in diesem Zusammenhang auf das Babylon-Motiv im Danielbuch und in Sib 3,300– 309 hin.30 Allerdings ist im Danielbuch das historische Babylon der Schauplatz der Rahmenerzählung, ein Bezug zu Rom ist nirgends erkennbar. Im dritten Buch der sibyllinischen Orakel wird Babylon wegen der Zerstörung des Jerusalemer Tempels die Vernichtung angesagt – in einer Reihe von Völkersprüchen, in deren weiterem Verlauf (Sib 3,350–364) Rom im Klartext genannt wird. Beide Texte belegen also nicht, dass Rom vor 70 als „Babylon“ bezeichnet werden konnte. Erst ab 70 bestand ein sehr konkreter Anlass, Rom mit der früheren Weltmacht Babylon zu identifizieren, die schon einmal Jerusalem und den Tempel zerstört hatte31 – obwohl die Tradition auch andere Codenamen für Rom bereithielt, wie etwa „Edom“ oder „Kittim“.32 2.3 Die neronische Verfolgung An vielen Stellen in der Johannesapokalypse ist zu beobachten, dass Johannes in einer angespannten Situation schreibt. Er weiß bereits von christlichen Märtyrern (Apk 2,13; 6,9–11; 11,7–9; 12,11; 17,6; 18,24; 19,2; 20,4) und bereitet seine Hörer auf eine lebensbedrohliche Verfolgungssituation vor (Apk 2,10; 13,7.10.16–17). Da eine umfassende Christenverfolgung unter Domitian nicht zu belegen ist (s.o.), nehmen viele Autoren an, die Verfolgungsrhetorik beziehe sich auf die neronische Christenverfol-
29 Vgl. R OJAS-F LORES, Book of Revelation (s. Anm. 12), 388; M. W ILSON, Early Christians (s. Anm. 6), 166. Allerdings scheint der 1. Petrusbrief eher das Werk eines Autors zu sein, der selbstverständlich in der hellenistischen Bildungswelt beheimatet war; vgl. z.B. K. M. SCHMIDT , Mahnung und Erinnerung im Maskenspiel. Epistolographie, Rhetorik und Narrativik der pseudepigraphen Petrusbriefe, HBS 38, Freiburg/Br. 2003, 401–403 und passim. 30 Vgl. S LATER, Dating (s. Anm. 6), 254–255. 31 Damit wird der Einwand von VAN KOOTEN, Year (s. Anm. 9), 219f. fragwürdig, wonach man bereits zu Beginn der römischen Operationen gegen den jüdischen Aufstand die Gleichung „Rom = Babylon“ aufstellen konnte. Wenn die Bezeichnung als „Babylon“ so eng mit der Zerstörung Jerusalems und des Tempels verknüpft ist, steht dieser Einwand sogar im Widerspruch zu der von van Kooten selbst vorgetragenen Interpretation von Offb 11,1–2, wonach noch die Hoffnung bestehe, dass Rom nicht die Nachfolge Babylons antreten würde (s.o. Anm. 25). 32 Vgl. HUNZINGER, Babylon (s. Anm. 28), 68–71.76.
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gung (Tacitus, Annales 15,44; Suetonius, Nero 16,2).33 Für G. H. van Kooten wird dies durch den Umstand bestätigt, dass Johannes in Apk 14,9–10 den untreuen Christen, in Apk 17,16; 18,8 der Hure Babylon und in Apk 19,20 dem Tier höchstselbst die Bestrafung im Feuer androht. Dieser starke Akzent auf dem Feuer sei als Reflex der neronischen Verfolgung zu verstehen, als Christen der Brandstiftung beschuldigt und mit dem Feuertod bestraft wurden.34 Dazu ist anzumerken, dass die Christenverfolgung unter Nero allem Anschein nach auf die Stadt Rom beschränkt war; Christen in Kleinasien dürften davon nur vom Hörensagen gewusst haben35 – sofern sie nicht gerade aus Rom in die Provinz gezogen waren. Manche Autoren nehmen zwar an, ein frisch aus Rom angereister Prokonsul habe unter dem Eindruck der dortigen Ereignisse auch in der Provinz Asia die Christen verfolgt,36 doch dies ist lediglich eine Vermutung ohne Quellenbasis. Zudem sprechen die oben genannten Texte von vergangener oder zukünftiger Bedrängnis, sie sind keine eindeutigen Belege für eine gegenwärtige Verfolgung.37 Die Frühdatierung ist also kein Weg, um für die Verfolgungs- und Martyriumsrhetorik der Johannesapokalypse einen historischen Anhaltspunkt zu finden. 2.4 Nero Redivivus Nero spielt aber auch anderweitig in der Diskussion um die Datierung der Johannesapokalypse eine Rolle. Die „Zahl des Tieres“ von Apk 13,18 wird nämlich meistens so entschlüsselt, dass 666 der Zahlenwert der hebräischen Buchstaben von ( נרון קסרΝερὼν Καῖσαρ) ist (50 + 200 + 6 + 50 +
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Vgl. ROBINSON, Redating (s. Anm. 6), 230–234; GENTRY, Jerusalem (s. Anm. 3), 77–83.144.285–299; J. S CHMIDT , Νοῦς und σοφία in Offb 17, NT 46 (2004), 164–189 (176); WILSON, Early Christians (s. Anm. 6), 174.182f. 34 Vgl. VAN KOOTEN, Year (s. Anm. 9), 225; ähnlich W ILSON, Early Christians (s. Anm. 6), 186. 35 Nach BERGER, Theologiegeschichte (s. Anm. 24), 617 spricht es gerade für die Frühdatierung, dass Johannes erst einen christlichen Märtyrer (Antipas, Offb 2,13) namentlich kennt und von anderen Märtyrern (in Rom) nur weiß, dass es sie gibt. Auch die aus Plinius, Epistulae 10,96–97 zu erschließende Rechtslage ist ihm zufolge in der Johannesapokalypse noch nicht greifbar; ähnlich W ILSON, Early Christians (s. Anm. 6), 174. 36 Vgl. GENTRY, Jerusalem (s. Anm. 3), 297; M OBERLY, Revelation (s. Anm. 6), 377–379. 37 Vgl. H.-J. KLAUCK, Das Sendschreiben nach Pergamon und der Kaiserkult in der Johannesoffenbarung, Bib. 73 (1992), 153–182 (174–176) (= Ders., Alte Welt und neuer Glaube. Beiträge zur Religionsgeschichte, Forschungsgeschichte und Theologie des Neuen Testaments, NTOA 29, Freiburg/Ue. u.a. 1994, 115–143 [135f.]).
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100 + 60 + 200 = 666).38 Manche Autoren werten das als Indiz dafür, dass die Johannesapokalypse in der Regierungszeit Neros (54–68) entstanden ist.39 Nun wird dieses Tier aber in Apk 13; 17 in charakteristischer Weise dargestellt: In 13,3 ist davon die Rede, dass einer seiner Köpfe tödlich verletzt war und geheilt wurde, und nach 17,8 „war“ es in der Vergangenheit, existiert in der Gegenwart nicht, wird aber in der Zukunft „aus dem Abgrund“ kommen, um vernichtet zu werden. Diese kryptischen Bilder und Formulierungen passen nicht recht zum historischen Kaiser Nero, und so werden sie häufig mit dem Mythos vom Nero Redivivus in Verbindung gebracht:40 Nach Neros Selbstmord im Juni 68 verbreitete sich das Gerücht, er sei gar nicht tot, sondern habe sich zu den Parthern abgesetzt41 und werde eines Tages mit einem parthischen Heer zurückkommen, um sich an seinen Gegnern zu rächen und die Herrschaft wieder zu übernehmen.42 Gestützt auf dieses Gerücht, machte bereits 69 in den Provinzen 38 Für einen Überblick über andere Lösungsvorschläge vgl. A UNE, Revelation 6–16 (s. Anm. 23), 770–773. 39 Vgl. GENTRY, Jerusalem (s. Anm. 3), 193–219; R OJAS-FLORES, Book of Revelation (s. Anm. 12), 387; ähnlich BERGER, Theologiegeschichte (s. Anm. 24), 617. 40 Vgl. BOUSSET , Offenbarung (s. Anm. 2), 361.405f.; C HARLES, Commentary 1 (s. Anm. 2), 350; DERS., A Critical and Exegetical Commentary on the Revelation of St John. Bd. 2, ICC, Edinburgh 1920, 68; LOISY, L’Apocalypse (s. Anm. 2), 248.306f.; A. YARBRO COLLINS, The Combat Myth in the Book of Revelation, HDR 9, Missoula, MT 1976 (Reprint Eugene, OR 2001), 174–176; HARRINGTON, Revelation (s. Anm. 23), 138.172; LIETAERT PEERBOLTE, Antecedents (s. Anm. 21), 146f.; GIESEN, Offenbarung (s. Anm. 2), 304f.375; FRIESEN, Imperial Cults (s. Anm. 2), 137; H.-J. KLAUCK, Do They Never Come Back? Nero Redivivus and the Apocalypse of John, in: Ders., Religion und Gesellschaft im frühen Christentum. Neutestamentliche Studien, WUNT 152, Tübingen 2003, 268–289; W ITULSKI, Johannesoffenbarung (s. Anm. 3), 208f. Zur Nero-Legende vgl. auch den Beitrag von Jan DOCHHORN in diesem Band. 41 Nach Suetonius, Nero 47,2 scheint er das kurz vor dem Selbstmord erwogen zu haben. Vgl. auch Sib 5,143–151 (übers. von J.-D. GAUGER, Sibyllinische Weissagungen, Sammlung Tusculum, Düsseldorf 22002): „Fliehen aus Babylon wird der gefürchtete, schamlose Herrscher, / den jeder Sterbliche haßt und alle die Guten verabscheun. / Viele ja hat er gemordet, die Hand an die Mutter gelegt, / Ehebruch hat er getrieben und selbst von Befleckten gezeugt. / Der wird nach Medien kommen sowie zu dem Fürsten der Perser, / die er zuerst hat gesucht und denen er Ruhm hat bereitet, / lauernd mit diesem Gelichter jetzt gegen das wahre Volk. / Er hat den göttlichen Tempel erobert, verbrannt alle Bürger, / die Menschen, die diesen betraten, die ich, wie es Recht ist, gepriesen; …“ 42 Suteonius, Nero 57: „Dennoch fehlte es nicht an Leuten, die noch lange Zeit mit Frühlings- und Sommerblumen sein (sc. Neros) Grab schmückten und bald Statuen von ihm im Amtsgewand auf die Rostra stellten, bald seine Edikte (bekannt machten), als ob er noch lebte und bald zum großen Verderben seiner Feinde wiederkommen werde. Als dann, zwanzig Jahre später, als ich ein junger Mann war, jemand von unbekannter Herkunft auftrat, der behauptete, Nero zu sein, stand sein Name in so großer Gunst bei den Parthern, dass sie ihn massiv unterstützten und nur ungern auslieferten.“ Sib 4,119– 124.130–139 (übers. von GAUGER, Sibyllinische Weissagungen [s. Anm. 41]): „Aus Ita-
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Achaia und Asia jemand von sich reden, der sich als Nero ausgab, aber bald entlarvt wurde.43 Zwei Jahrzehnte später scheint ein ähnlicher Prätendent im Partherreich aufgetaucht zu sein (Suetonius, Nero 57; s. Anm 42). Sogar im frühen 2. Jahrhundert waren wohl manche Bewohner Kleinasiens der Meinung, Nero sei noch am Leben.44 In späteren Texten der jüdischen bzw. frühchristlichen Apokalyptik45 wurde Nero dann zu einer geradezu lien erscheint als großer König ein Flüchtling; / fliehen wird er, verschwunden, verschollen über den Euphrat, / wenn er zuvor an der Mutter grausigen Mord beging und viele / andere Verbrechen vollbrachte, mit frevelnder Hand sie verübend. / Viele beflecken den Boden mit Blut für die Herrschaft der Römer, / wenn jener flieht noch über die Grenzen des Parthergebietes. … Schießt im italischen Land aus einer Erdkluft eine Wolke / aus Feuer hervorblitzend zum weiten Himmel empor / und verbrennt gar viele Städte und tötet die Männer, / und erfüllt den geräumigen Äther viel schwärzliche Asche, / fallen ferner Tropfen, dem Mennig vergleichbar vom Himmel, / dann soll draus man erkennen des himmlischen Gottes Erzürnung, / weil man der Guten und Frommen unschuldiges Volk will vernichten. / Westwärts zieht dann das neuentfachte Kriegsgetümmel, / und Roms Flüchtling erhebt dann des Krieges gewaltige Lanze / und überschreitet dann mit vielen Tausend den Euphrat.“ Nach J. J. COLLINS, Sibylline Oracles (Second Century B.C. – Seventh Century A.D.). A New Translation and Introduction, in: OTP I, 317–472 (382) ist dieses Orakel kurz nach dem letzten datierbaren Ereignis, dem Ausbruch des Vesuv 79 n.Chr., anzusetzen, also etwa um 80. Zum Muster der Nero-Legende vgl. auch LIETAERT PEERBOLTE, Antecedents (s. Anm. 21), 331f. 43 Tacitus, Historiae 2,8: „Zur selben Zeit wurden Achaia und Asia fälschlich in Aufregung versetzt, als ob Nero käme, denn es gab verschiedene Gerüchte über sein Ende und entsprechend viele, die behaupteten und glaubten, er lebe. Über die Fälle und Versuche der Übrigen werden wir an gegebener Stelle sprechen. Damals stach ein Sklave aus Pontos oder, wie andere überliefern, ein Freigelassener aus Italien in See, der sich auf Kithara-Spiel und Gesang verstand – weshalb es, abgesehen von der Ähnlichkeit im Aussehen, noch leichter war, auf ihn hereinzufallen –, zusammen mit Deserteuren, die er, arm und wohnsitzlos wie sie waren, mit ungeheuerlichen Versprechungen bestochen hatte. …“ Siehe auch Tacitus, Historiae 1,2. 44 Dion von Prusa, Orationes 21,10: „Dieses ist nämlich auch jetzt noch nicht offensichtlich: Weil ihn (sc. Nero) wegen anderer Dinge nichts gehindert hat, die ganze Zeit zu herrschen, wünschen auch jetzt noch alle, dass er lebe; die meisten aber glauben es, obwohl er in gewisser Weise nicht nur einmal gestorben ist, sondern viele Male mit allen, die fest geglaubt haben, dass er lebe.“ 45 Sib 5,33–34; 8,70–72 stehen jeweils in Abrissen der römischen (Kaiser-)Geschichte, die bis zu den drei Nachfolgern Hadrians (Antoninus Pius, Lucius Verus, Marcus Aurelius) reichen. Allerdings erwähnt das fünfte Buch die Antoninen erst nach dem eigentlichen Abschluss des Orakels in einem relativ farblosen Summarium (5,51), so dass man diesen Vers mit guten Gründen für einen späteren Zusatz halten kann. C OLLINS, Sibylline Oracles (s. Anm. 42), 390 mit Anm. 2 argumentiert zudem, dass sich ein jüdischer Autor nach dem Bar-Kochba Aufstand (132–135) kaum so positiv über Hadrian geäußert haben dürfte; er sieht in den Orakeln des fünften Buches eher die Stimmung des DiasporaAufstandes 115–117 reflektiert, so dass das Orakel 5,1–50 zwischen dem Diaspora- und dem Bar-Kochba-Aufstand, unter Hadrian, entstanden ist. – In Sib 8,68–72 wird, über den auch im fünften Buch zu findenden Abriss hinaus, Marcus Aurelius relativ genau
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mythischen Gestalt46 und konnte sogar mit Beliar47 gleichgesetzt werden.48 Freilich ist in den Texten, die von Beliar sprechen (Sib 3,63–74;49 AscJes 4,1–1350) der Bezug zur Wiederkunft Neros nicht völlig eindeutig. beschrieben, so dass dieses Orakel erst unter Marcus Aurelius (161–180) entstanden sein dürfte; vgl. COLLINS, Sibylline Oracles (s. Anm. 42), 416. Am Rande sei erwähnt, dass L. KREITZER, Hadrian and the Nero Redivivus Myth, ZNW 79 (1988), 92–115 (103–112), ohne Angabe von Gründen, Sib 8,65–70a als späteren, aktualisierenden Zusatz betrachtete und sodann Hadrian mit Nero Redivivus identifizierte, vor allem wegen des beiden Kaisern gemeinsamen Philhellenismus und ihrer ausgedehnten Reisen in den Osten des Reiches. 46 Sib 5,33–34 (übers. von GAUGER, Sibyllinische Weissagungen [s. Anm. 41]): „Doch er wird spurlos verschwinden, der Arge und kehret dann wieder, / Gott sich vergleichend; der wird ihm beweisen jedoch, dass er’s nicht ist.“ 5,361–370: „An dem Ende der Zeit, gegen Ende des leuchtenden Mondes, / wütet ein weltverwüstender Krieg. Der Betrüger voll Arglist / kommt vom Ende der Erde, der Mann, der die Mutter gemordet, / als ein Flüchtling erscheinend, ersinnt er Böses im Herzen; / er zerstört die ganze Welt, und alles bezwingt und beherrscht er; / alles erkennt er weit klüger als sämtliche Menschen auf Erden. / Derentwillen er selber verdarb, die nimmt er sofort ein / und verbrennt sie gänzlich, wie niemals einer zuvor tat. / Viel Männer verdirbt er und auch gewalt’ge Tyrannen, / die aber waren gefallen, die richtet er auf mit Begierde.“ 8,68–72: „Einer, ein würdiger Mann, wird sein Szepter weithin erstrecken, / und doch ein Jammerkönig, der alle Schätze der Erde / einschließt in seinem Hause, um dann, wenn der Mörder der Mutter / von den Enden der Erde als Flüchtling wieder zurückkommt, / allen zu geben und großen Reichtum nach Asien zu bringen.“ 47 Sib 3,63–74 (übers. von GAUGER, Sibyllinische Weissagungen [s. Anm. 41]): „Doch von den Sebastenern wird alsbald Beliar kommen, / schüttern die Höhe der Berge, zum Stehen bringen die Meerflut / und die gewaltige feurige Sonne, den glänzenden Mond, und / Tote lässt er erstehen und wirket viel Zeichen und Wunder / unter den Menschen, doch keine Vollendung wird er erwirken, / sondern verführt nur die Menschen; gar viel wird er verführen, / treue und auserwählte Hebräer, auch Gottlose, andre / Männer, welche noch nicht je Gottes Wort haben vernommen. / Doch wenn des großen Gottes gewaltige Drohungen nahen / und die glühende Masse durch Meeresbrandung an Land kommt, / wird sie den Beliar auch und alle übermütigen Menschen / verschlingen, welche ihren Glauben nur auf diesen gesetzt.“ AscJes 4,1–2 (übers. von C. D. G. M ÜLLER, Die Himmelfahrt des Jesaja, in: NTApo6 II, 547–562): „Und nun, Hiskia und Jasub, mein Sohn, das sind die Tage der Vollendung (?) der Welt. Und nachdem es mit ihr zu Ende gekommen ist, wird Beliar, der große Fürst, der König dieser Welt, der sie beherrscht hat, seit sie besteht, herabkommen, und er wird aus seinem Firmament herabsteigen in der Gestalt eines Menschen, eines ungerechten Königs, eines Muttermörders, was eben dieser König ist, …“ 48 Zur Entwicklung der Nero-Legende vgl. Y ARBRO COLLINS, Combat Myth (s. Anm. 40), 176–183; KLAUCK, Nero Redivivus (s. Anm. 40), 268–278. 49 „Beliar“ steht hier nicht in einer Reihe von Herrschern und wird nicht, wie sonst in diesen Orakeln, als Muttermörder bezeichnet, sondern als jemand von den Σεβαστηνοί. Man könnte nun die Σεβαστηνοί als Bewohner von Sebaste, also als Samaritaner auffassen (vgl. z.B. GAUGER, Sibyllinische Weissagungen [s. Anm. 41] 490 [Komm. z. St.]); man könnte im Prinzip auch an den gleichnamigen, im Bezirk von Sebaste beheimateten Reiterverband in römischen Diensten denken (vgl. Flav.Jos.Ant. 20,122; Flav.Jos.Bell. 2,52.59.63.74.236). Beides wäre jedoch in apokalyptischen Kontexten singulär. Meistens
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Im Sinne der Frühdatierung nehmen nun manche Autoren an, das NeroRedivivus-Motiv in Apk 13; 17 sei am ehesten auf den ersten NeroPrätendenten im Jahre 69 zu beziehen, da dieser gerade in der Provinz Asia mehr Aufsehen erregt habe als spätere.51 Dies ist jedoch nicht unproblematisch, denn in der Nero-Legende, wie sie im späten 1. Jahrhundert im Umlauf war, ist Nero ja ein lebender Mensch, der aus seiner Heimat geflohen ist; man spricht hier besser vom Nero Redux52 bzw. Rediturus.53 Dasselbe gilt für die Versionen des Mythos, wie sie in Sib 5,33–34.361–370; 8,68– 72 (wohl aus der Antoninenzeit) greifbar sind: Auch hier ist mitnichten an den Tod und eine – wie auch immer zu denkende – Wiederbelebung Neros gedacht; Nero ist nach wie vor ein lebender Mensch, der sich aus dem Römischen Reich abgesetzt hat und eines Tages zurückkehrt.54 In der „Himmelfahrt Jesajas“, in einer eindeutig christlichen Passage (4,1–13), die wird daher angenommen, dass Beliar als Mitglied der kaiserlichen Familie, der Σεβαστοί, und damit als Nero identifiziert sei, weil diese Gleichsetzung auch in AscJes 4,1–13 zu finden ist; vgl. z.B. COLLINS, Sibylline Oracles (s. Anm. 42), 360; R. BAUCKHAM, The Climax of Prophecy. Studies on the Book of Revelation, Edinburgh 1993, 419–421; LIETAERT PEERBOLTE, Antecedents (s. Anm. 21), 337f.; K LAUCK, Nero Redivivus (s. Anm. 40), 277. Die unübliche Wortwahl in Sib 3,63 kann freilich auch durch das Metrum bedingt sein (den Hinweis verdanke ich Tobias Nicklas [Regensburg]): ᾿Εκ δὲ Σεβαστηνῶν lässt sich wegen der unterschiedlichen Silbenlänge nicht durch das „sachlich korrektere“ ᾿Εκ δὲ τῶν Σεβαστῶν ersetzen. Zudem kommt das Wort Σεβαστός im Corpus der Sibyllinischen Orakel überhaupt nicht vor, Σεβαστηνός nur an dieser Stelle. Normalerweise wird in den Sibyllinischen Orakeln ein Herrscher als βασιλεύς bezeichnet (Recherche in der Online-Version des TLG [www.tlg.uci.edu] am 18. November 2008). Festzuhalten ist, dass dieses rätselhafte Orakel nur dann im Sinne der Nero-Legende zu interpretieren ist, wenn man das spezifische Verständnis von „Beliar“ aus der Himmelfahrt Jesajas in den Text einträgt. Zu weiteren sachlichen Parallelen zwischen beiden Texten vgl. LIETAERT PEERBOLTE, Antecedents (s. Anm. 21), 338. 50 In AscJes 4,1–13 trägt Beliar eindeutig neronische Züge: Er hat seine Mutter ermordet, und auch einer der Zwölf (offensichtlich Petrus) ist ihm in die Hände geraten; vgl. LIETAERT PEERBOLTE, Antecedents (s. Anm. 21), 202. Allerdings ist das Subjekt dieses Abschnitts Beliar selbst, der in der Gestalt Neros auftritt. Man kann dies als die Wiederkehr Neros interpretieren, wenn man die anderweitig belegte Nero-Legende als Hintergrund heranzieht; im Text selbst ist von einer Rückkehr Neros (als des handelnden Subjekts), sei es aus dem Partherreich oder aus der Unterwelt, jedoch nicht ausdrücklich die Rede. 51 Vgl. BELL, Date (s. Anm. 6), 97f.; BERGER, Theologiegeschichte (s. Anm. 24), 617; M. WILSON, Early Christians (s. Anm. 6), 167; BOXALL, Revelation (Anm. 7), 9. 52 So ULLAND, Vision (s. Anm. 21), 248f. 53 So VAN KOOTEN, Year (s. Anm. 9), 238. 54 Freilich ist hier die Grenze der Plausibilität erreicht: Wenn man etwa die Orakel in Sib 5 unter Antoninus Pius ansetzt, wäre der 37 geborene Nero zu dieser Zeit schon über 100 Jahre alt! Vermutlich hatte der Nero Rediturus zu dieser Zeit ohnehin schon mythische Züge angenommen. Die explizite Identifizierung mit Beliar als einer übermenschlichen Feindgestalt stellt jedoch ein weiteres Stadium für sich dar.
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ebenfalls schon im 2. Jahrhundert anzusetzen sein dürfte,55 ist von Tod und Wiederbelebung Neros ebenfalls nicht ausdrücklich die Rede; Nero liefert nur die „Gestalt“ für das endzeitliche Auftreten Beliars. In Apk 13,3.14 wird hingegen ausdrücklich gesagt, dass das Tier tödlich (εἰς θάνατον) verwundet war, aber geheilt wurde und wieder lebendig geworden ist.56 Daher wird die Darstellung der Johannesapokalypse häufig mit dem spätesten, am höchsten entwickelten Stadium der Nero-Legende identifiziert, in dem der Nero Redivivus zum Antichrist geworden ist.57 Die Verbindung von Apk 13 mit der Nero-Legende ist jedoch keineswegs unproblematisch. Genau genommen hängt sie nur an der „Zahl des Tieres“ (Apk 13,18). Die oben vorgestellte Auflösung als נרון קסרist gewiss eine denkbare Möglichkeit, aber sie ist nicht die einzige Möglichkeit:58 Schon Irenäus (Haer. 5,30,3) referiert die Auflösungen ΕΥΑΝΘΑΣ, ΛΑΤΕΙΝΟΣ und ΤΕΙΤΑΝ. Die in der neueren Forschung – und als Kritik an der üblichen Datierung der Johannesapokalypse – vorgebrachten Auflö-
55 Vgl. MÜLLER, Himmelfahrt (s. Anm. 47), 548. Demnach wurde die heute vorliegende Fassung der AscJes „frühestens in der 2. Hälfte des 2. Jh. zusammengestellt“, und 3,13–4,22 gehört zu ihren jüngsten Teilen. Nach E. NORELLI, Ascensio Isaiae. Commentarius, CChr.SA 8. Turnhout 1995, 66 ist AscJes 1–5 jedoch schon am Anfang des 2. Jahrhunderts (in Antiocheia) entstanden, und für M. A. K NIBB, Martyrdom and Ascension of Isaiah (Second Century B.C. – Fourth Century A.D.). A New Translation and Introduction, in: OTP II, 143–176 (149) ist AscIs 3,13–4,22 schon gegen Ende des 1. Jahrhunderts anzusetzen. Allerdings besagt für Knibb die voll entwickelte Gleichsetzung Neros mit Beliar nur, dass der Text „a little time“ nach dem Tod Neros entstanden sein muss. – Der Kontext der interessierenden Passage, v.a. AscJes 3,21–31 setzt schon eine relativ hoch entwickelte kirchliche Organisation voraus. Das ist zwar kein präzises Datierungsargument, aber die Parallelen zur Milet-Rede in Apg 20,18–35 und zu den Amtsparänesen der Pastoralbriefe sind doch auffällig und mahnen zur Vorsicht mit zu frühen Datierungsansätzen. 56 Man beachte in Offb 13,14 den inkohativ zu verstehenden Aorist ἔζησεν, der eine deutliche Parallele zur Selbstvorstellung Christi in 2,8 darstellt – und doch im Kontrast zum durativen ζῶν εἰµι εἰς τοὺς αἰῶνας τῶν αἰώνων (1,18) steht. 57 Vgl. C HARLES, Commentary 1 (s. Anm. 2), xcvi; LOISY, L’Apocalypse (s. Anm. 2), 46; WITULSKI, Johannesoffenbarung (s. Anm. 3), 209f. KLAUCK, Nero Redivivus (s. Anm. 40), 283 mahnt zu terminologischer Disziplin: Erst in der Version der Johannesapokalypse kann man im eigentlichen Sinn von einem Nero Redivivus sprechen, und auch für diese Gestalt ist die Bezeichnung „Antichrist“ nicht angebracht; so auch LIETAERT PEERBOLTE, Antecedents (s. Anm. 21), 152. 58 Für einen alternativen Interpretationsansatz (666 als Dreieckszahl von 36) vgl. z.B. BAUCKHAM, Climax (s. Anm. 49), 384–404. J. LÓPEZ, La figura de la bestia entre historia y profecía. Investigación teológico-bíblica de Apocalipsis 13,1–18, Tesi Gregoriana Serie Teologia 39, Roma 1998, 241–252 stellt den gematrischen und den „trigonometrischen“ Deutungsansatz nebeneinander und betont in Offb 13,18 vor allem den Imperativ an die Leser, so dass die Zahl des „Tieres“ für die aktualisierende Relecture offen bleibt.
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sungen zeigen, dass sich fast jeder Kaiser von Nero bis Hadrian aus der 666 herauslesen lässt.59 Apk 13 unterscheidet sich zudem von der sonst bekannten Nero-Legende dadurch, dass ausdrücklich vom Tod des fraglichen Wesens die Rede ist60 – in den Sibyllinischen Orakeln und der Himmelfahrt Jesajas findet sich das nicht; diese Traditionen scheinen vielmehr von der populären Meinung auszugehen, dass Nero überhaupt nicht gestorben sei. Wenn es sich also in Apk 13 um eine Version der Nero-Legende handeln sollte, dann hätte Johannes sie schon sehr spezifisch abgewandelt, um nicht zu sagen verfremdet;61 zudem wäre er damit – höchstwahrscheinlich – seiner Zeit weit voraus gewesen, sofern man für die Nero-Legende eine lineare Entwicklung annehmen darf.62 Unter diesen Umständen stirbt die Hypothese vom Nero-Redivivus-Mythos in Apk 13 den „Tod der tausend Modifikationen“: Wir haben hier zwar einen Redivivus, aber der hat mit Nero nicht viel zu tun. Umgekehrt sprechen die anderen hier behandelten Texte zwar ausdrücklich von Nero, aber dort ist er kein Redivivus. Es ist wohl angemessener, das Tier von Apk 13 und 17 zunächst im Kontext der Johannesapokalypse zu interpretieren.63 2.5 Die Reichskrise von 68–69 Auch ohne einen wiederkommenden Nero lässt sich leicht erkennen, dass in Apk 17–20 das als Babylon bezeichnete Römische Reich in gewissen 59 Vgl. z.B. J. S CHMIDT , Νοῦς (s. Anm. 33), 165f. (Nero); DE J ONGE, Apocalypse (s. Anm. 4), 128 (Trajan); W ITULSKI, Johannesoffenbarung (s. Anm. 3), 52.236 (Hadrian). 60 Vgl. YARBRO COLLINS , Combat Myth (s. Anm. 40), 183; ULLAND, Vision (s. Anm. 21), 271. 61 Vgl. auch A LLO, Saint Jean (s. Anm. 2), 265: „S’il s’est servi de l’attente populaire, c’est en l’élevant à un sens bien plus général. Pourquoi, s’il avait voulu prédire le retour de Néron en personne, aurait-il supprimé justement tous les traits, à part de celui de sa mort, qui pouvaient en indiquer l’individualité? … S’il y a pensé, comme nous le croyons bien, ce n’a été que pour en faire un pur symbole; un symbole de l’empire romain, qui est de son côté un symbole de la Bête, qui est un symbole elle-même de l’Antéchrist. On ne trouve donc Néron qu’au troisième étage du symbolisme!“ Ähnlich YARBRO COLLINS, Combat Myth (s. Anm. 40), 183; BEALE, Book of Revelation (s. Anm. 2), 689f.; LUPIERI, L’Apocalisse (s. Anm. 2), 205. Vgl. auch K LAUCK, Nero Redivivus (s. Anm. 40), 273–278. 62 Man darf annehmen, dass eine Transformation der Legende vom Nero Redux/Rediturus in den Mythos vom Nero Redivivus erst zu einer Zeit sinnvoll war, als man beim besten Willen nicht mehr annehmen konnte, dass der 37 geborene Nero noch am Leben war; vgl. dazu auch W ITULSKI, Johannesoffenbarung (s. Anm. 3), 211. Für BAUCKHAM, Climax (s. Anm. 49), 420 liegt mit Sib 4; 5; 3; AscJes keine lineare Entwicklung der Nero-Legende vor, sondern lediglich zwei verschiedene Formen einer Legende (Sib 4; 5 und Sib 3; AscJes), deren zeitliches Verhältnis nicht festgelegt ist. 63 Vgl. U LLAND, Vision (s. Anm. 21), 252.
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Schwierigkeiten steckt. Johannes spricht hier vom bevorstehenden Untergang „Babylons“. Viele Vertreter der Frühdatierung sehen darin die Situation des Jahres 68/69 reflektiert, als das Römische Reich, wie auch Tacitus (Historiae 1,2) feststellte, am Rande des Abgrundes stand:64 Nach dem Tod Neros war ein Bürgerkrieg ausgebrochen, in dem nacheinander vier Feldherren sich von ihren Legionen zum Kaiser ausrufen ließen und auf Rom marschierten;65 erst Vespasian (69–79) konnte sich schließlich auf Dauer behaupten. Es ist jedoch zu fragen, ob diese Interpretation dem literarischen Charakter der Johannesapokalypse gerecht wird. Johannes beschreibt ja nicht das politische und militärische Tagesgeschehen, sondern er will seinen Hörern eine Hoffnungsperspektive vermitteln. Zu diesem Zweck interpretiert er die Geschichte von ihrem Endpunkt her: Die gottfeindlichen Mächte, welche die Gegenwart beherrschen, gehen unweigerlich ihrer Vernichtung entgegen. Das Römische Reich, wie es Johannes und seine Hörer in ihrer Gegenwart erleben (etwa in Apk 13) ist jedoch äußerst stark und stabil. Gerade weil es so mächtig ist, kann Johannes eine Änderung des gegenwärtigen (Unrechts-) Zustandes nur von Gott her erwarten. Anders gewendet: Wenn das Römische Reich zur Zeit des Sehers dem Untergang nahe gewesen wäre, dann hätte der Seher seinen Gemeinden nicht in einer speziellen Offenbarung mitteilen müssen, dass die Tage dieser Weltmacht gezählt sind; es wäre offensichtlich gewesen.66 Näher am Duktus der Johannesapokalypse ist daher der Ansatz R. Bauckhams, der im tödlich verletzten und geheilten Kopf des Tieres (Apk 13,3–4) eine Anspielung auf die schon bewältigte Reichskrise sieht.67 Für unsere Fragestellung ist festzuhalten, dass das krisengeschüttelte Römische Reich des Jahres 68/69 kaum eine lohnende Zielscheibe für einen Apokalyptiker darstellte.
64
Vgl. ROBINSON, Redating (s. Anm. 6), 251; BELL, Date (s. Anm. 6), 102; MOBERRevelation (s. Anm. 6), 383f.; S CHMIDT , Νοῦς (s. Anm. 33), 170; W ILSON, Early Christians (s. Anm. 6), 189. Ähnlich GENTRY, Jerusalem (s. Anm. 3), 144.310–317 (im Sinne einer Voraussage). Nach VAN KOOTEN, Year (s. Anm. 9), 218 wurde der Seher Johannes vom rasanten Lauf der Ereignisse überholt und musste das „Tier vom Land“ (Offb 13,11) behelfsweise mit zwei Hörnern ausstatten, da sich unter dem „siebten König“ Otho schon der nächste Herrscherwechsel zu Vitellius abzeichnete. Zur Deutung des „Tieres vom Land“ auf Otho und Vitellius vgl. ebd. 215–217. 65 Nach S MALLEY, Revelation (s. Anm. 11), 152 ist die Vision vom zweiten „Apokalyptischen Reiter“ (Offb 6,3–4) auf diese Situation zu beziehen. 66 Natürlich kann ein moderner Exeget nicht bestimmen, was der Seher Johannes in welcher Situation sagen konnte und was nicht. Dennoch erscheint es wenig plausibel, dass die Visionen vom Gericht über Babylon (Offb 18) sich auf eine tatsächliche Krise Roms beziehen. Welchen Sinn sollten dann die Visionen von den Tieren und der Hure Babylon in ihrer ganzen Macht und Vitalität (Offb 13; 17,3–6) haben? 67 Vgl. R. BAUCKHAM, The Theology of the Book of Revelation, New Testament Theology, Cambridge 1993, 37. LY,
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2.6 Zum terminus a quo Die oben angestellten Überlegungen haben vor allem das Jahr 70 als terminus a quo für die Abfassung der Johannesapokalypse bestimmt. Nun ist aber das Szenario von Apk 11,1–2 so zu verstehen, dass Johannes schon auf einen längeren Zeitraum zurückblickt, in dem die Heiden auf der heiligen Stadt „herumtrampeln“ – ähnlich wie Lk 21,24. Dieses „Herumtrampeln“ scheint der Zustand zu sein, der seine Gegenwart, die typisch apokalyptischen 42 Monate, habituell prägt. Man muss also nicht annehmen, dass die Trümmer Jerusalems noch rauchen, als Johannes seine Apokalypse schreibt. Lässt sich der terminus a quo noch präziser bestimmen – und damit das Zeitfenster eingrenzen? Oben wurde bereits angedeutet, dass die Errichtung des dritten provinzialen Kaisertempels in Ephesos im Jahre 89/9068 kein zwingendes Argument für die Datierung in die Zeit Domitians darstellt, da es in der Provinz Asia auch vorher schon Tempel für Augustus (in Pergamon) und Tiberius (in Smyrna) gab. Doch wenn man an Hörer der Johannesapokalypse in Ephesos denkt, wird deutlich, dass die Einrichtung des Sebastoi-Kultes69 im Jahre 89/90 einen kaum zu unterschätzenden Eindruck gemacht haben muss.70 Ephesos bekam ja nicht einfach nur einen neuen Tempel, und es war auch nicht genug damit, dass dieser Tempel das Stadtbild beherrschte und vermutlich von fast jedem Punkt in der Stadt aus zu sehen war. An die Einrichtung des Kultes schloss sich eine regelrechte Bau- und Verschönerungskampagne an, die der Stadt Ephesos unter anderem prachtvolle Brunnen, teilweise marmornes Straßenpflaster und vor allem das „Hafengymnasium“ bescherte, in dem u.a. die Agone zu Ehren der Sebastoi stattfanden. Als νεωκόρος („Tempelhüterin“) des provinzialen Kaiserkultes wurde Ephesos geradezu eine neue Stadt.71 Dass der Kult für 68 69
Vgl. dazu WITETSCHEK, Ephesische Enthüllungen 1 (s. Anm. 5), 111–126 (Lit.). Anders als die früheren Kulte für Roma und Augustus in Pergamon und für Tiberius, Livia und den Senat in Smyrna war der Kult in Ephesos nicht auf einen individuellen Kaiser konzentriert; er war allgemein den Σεβαστοί (= Augusti; man beachte den Plural!) gewidmet. 70 Die von W ITULSKI, Johannesoffenbarung (s. Anm. 3), 233 vorgebrachten Gegenargumente sind nur dann stichhaltig, wenn man erwartet, dass die Johannesapokalypse (vor allem in 13,11–17) die uns bekannten Details des Sebastoi-Kultes exakt wiedergeben müsste. Dabei ist zu wenig berücksichtigt, dass sich die Darstellung von Offb 13 stark auf das Danielbuch (hier v.a. Dan 3) stützt und das Auftreten der vom Seher als widergöttliche Mächte identifizierten Akteure bereits zuspitzend interpretiert. 71 Den Bau- und Verschönerungsboom der domitianischen Zeit belegt deutlich eine Inschrift aus dem Corpus der Inschriften von Ephesos (IvE), 449: „Zum guten Glück: Beschlossen haben der Rat und die Tempel hütende (νεωκόρος) Volksversammlung, die Augusti-freundlichen (φιλοσεβαστοί): Über das, was Marcus Tigellius, Sohn des Maikias (?), Lupus, der Caesar-freundliche (φιλοκαῖσαρ), der Sekretär der Volksversammlung, und die Augusti-freundlichen (φιλοσεβαστοί) Strategen der Stadt vorgelegt haben: Da
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die Sebastoi in streng „theologischer“ Hinsicht nicht über die beiden anderen Provinzialkulte hinausging, dürfte seinen Glanz nicht beeinträchtigt haben. Für Ephesos und die Ephesier ist seit der Genehmigung des Sebastoi-Tempels im Jahre 83/84 fraglos ein gesteigertes Engagement für den Kaiserkult festzustellen. Dieses dokumentiert sich in der Bautätigkeit und den Stiftungen dieser Epoche72 sowie im neuen Selbstverständnis der Stadt Ephesos als νεωκόρος;73 Ephesos war die erste Stadt, welche diesen Titel als offizielle Stadttitulatur führte, und im 2. Jahrhundert drehte sich um eben diesen Titel der Rangstreit der Städte in der Provinz Asia.74 Dass Domitian im Jahre 96 ermordet wurde und der damnatio memoriae verfiel, tat all dem keinen Abbruch; der Kult für die Sebastoi wie auch die Bautätigkeit gingen unvermindert weiter. Somit sind die massiven Angriffe auf die Anbetung eines Menschen bzw. seines Standbildes, zumindest im Hinblick auf Ephesos, am Ende des 1. Jahrhunderts leichter nachvollziehbar als etwa um 68/69.75 Vielleicht findet sich in der Johannesapokalypse sogar eine Anspielung auf die Ereignisse des Jahres 96: In Apk 13,3 ist ein Kopf des Tieres tödlich verletzt, aber die Wunde wurde geheilt. Eine zeitgeschichtliche Interpretation liegt verführerisch nahe: Nach seinem gewaltsamen Tod wurde der Name Domitians u.a. aus den Weiheinschriften des ephesischen Sebastoi-Tempels (Inschriften von Ephesos 232; 232A; 233; 234; 235; 237; 238; 239; 240; 241; 242; 1498) eradiert. Da der Kult aber bestehen blieb, setzte man in die Rasuren den Namen von Domitians Vater und Vor-Vorgänger
wegen der neuen und großartigen Augusti-Bauwerke auch die Erneuerung der alten Gebäude angebracht war (ἔπρεπεν) … die glücklichsten Zeiten des gegenwärtigsten der Götter, des Imperators …“ 72 Vgl. W ITETSCHEK, Ephesische Enthüllungen 1 (s. Anm. 5), 30–33.117–119. 73 Vgl. dazu S. J. FRIESEN, Twice Neokoros. Ephesus, Asia and the Cult of the Flavian Imperial Family, RGRW 116, Leiden u.a. 1993, v.a. 50–59; B. BURRELL, Neokoroi. Greek Cities and Roman Emperors, Cincinnati Classical Studies 9, Leiden u.a. 2004, 1– 12.59–85; WITETSCHEK, Ephesische Enthüllungen 1 (s. Anm. 5), 112–117. 74 Vgl. z.B. M. DRÄGER, Die Städte der Provinz Asia in der Flavierzeit, EHS.G 576, Frankfurt/M. 1993, 113–121. 75 Vgl. auch z.B. BOUSSET , Offenbarung (s. Anm. 2), 133f.; CHARLES, Commentary 1 (s. Anm. 2), xcivf.; YARBRO COLLINS, Dating (s. Anm. 2), 40; MÜLLER, Offenbarung (s. Anm. 2), 41f.; H. LONA, „Treu bis zum Tod“. Zum Ethos des Martyriums in der Offenbarung des Johannes, in: H. Merklein (Hg.), Neues Testament und Ethik (FS R. Schnackenburg), Freiburg/Br. u.a. 1989, 442–461 (447); BEALE, Book of Revelation (s. Anm. 2), 9.13f.; GLONNER Bildersprache (s. Anm. 20), 41, Anm. 126; W ITHERINGTON, Revelation (s. Anm. 28), 4; BIGUZZI, L’Apocalisse (s. Anm. 21), 43.77. Etwas anders nuanciert FRIESEN, Imperial Cults (s. Anm. 2), 150f.: „These developments do not provide a date for Revelation. They do provide access to the dominant discourse against which Revelation should be understood.“
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Vespasian.76 So wurde die „Todeswunde“ des „Tieres“ in epigraphischer Hinsicht „geheilt“. Jemand wie der Seher Johannes war darüber wahrscheinlich nicht sehr erfreut.77 Wenn diese Interpretation zutreffen sollte, könnte man die Johannesapokalypse noch etwas später ansetzen, etwa um 100. In die gleiche Richtung weisen die Berührungen zwischen der Johannesapokalypse und dem lukanischen Doppelwerk, das vermutlich um 90– 100 in Ephesos entstanden ist.78 K. Berger meinte zwar, die Frühdatierung der Johannesapokalypse ließe sich auch durch ihre kirchliche und theologische Primitivität sowie durch ihre Nähe zur alten Jesusüberlieferung begründen; die Johannesapokalypse setze die Evangelien noch nicht voraus.79 Bei genauerem Hinsehen zeigen sich jedoch einige Berührungspunkte. Am auffälligsten ist wohl Apk 2,24–25: Apg 15,28–29 ἔδοξεν γὰρ τῷ πνεύµατι τῷ ἁγίῳ καὶ ἡµῖν
µηδὲν πλέον ἐπιτίθεσθαι ὑµῖν βάρος πλὴν τούτων τῶν ἐπάναγκες, ἀπέχεσθαι εἰδωλοθύτων καὶ αἵµατος καὶ πνικτῶν καὶ πορνείας, ἐξ ὧν διατηροῦντες ἑαυτοὺς εὖ πράξετε. ἔρρωσθε.
Apk 2,24–25 ὑµῖν δὲ λέγω τοῖς λοιποῖς τοῖς ἐν Θυατείροις, ὅσοι οὐκ ἔχουσιν τὴν διδαχὴν ταύτην, οἵτινες οὐκ ἔγνωσαν τὰ βαθέα τοῦ σατανᾶ ὡς λέγουσιν· οὐ βάλλω ἐφ᾿ ὑµᾶς ἄλλο βάρος, πλὴν ὃ ἔχετε κρατήσατε ἄχρι[ς] οὗ ἂν ἥξω.
Es ist für Johannes eher untypisch, dass er ein Gebot als βάρος bezeichnet. Die Partikel πλήν kommt in der Johannesapokalypse nur hier vor, ist aber im lukanischen Doppelwerk sehr häufig. Diese Beobachtungen sprechen dafür, dass Johannes an dieser Stelle auf das „Aposteldekret“ Apg 15,28– 76 Hinter dieser Umwidmung ist kein spezieller diplomatischer Winkelzug zu vermuten; es handelte sich wohl schlicht um eine administrative Vereinfachung: Domitians Nachfolger Nerva bestätigte grundsätzlich die von seinem Vorgänger verliehenen Privilegien. Überliefert ist dieses Edictum Divi Nervae bei Plinius, Epistulae 10,58,9.10. Vgl. auch DRÄGER, Städte (s. Anm. 74), 213f. 77 Damit soll nicht behauptet sein, dass sich Offb 13,3 direkt auf diese Inschriften bezieht. Die „Heilung“ der Weiheinschriften ist vielmehr symptomatisch für den ungeminderten Fortbestand des Kultes nach dem Tod Domitians. 78 Vgl. S. W ITETSCHEK, Paulus und die Asiarchen. Apg 19,31 im Streit der Historiker, Gephyra 2 (2005), 59–72 (61–66); DERS., Ephesische Enthüllungen 1 (s. Anm. 5), 245–262. Für diese Lokalisierung spricht vor allem die erzählerische Mühe, die Lukas in Apg 18,19–28 aufwendet, um Paulus zum ersten „richtigen“ christlichen Missionar in Ephesos zu machen, sowie der spezifisch ephesische Bezug der Abschiedsrede in Apg 20,18–35. 79 Vgl. BERGER, Theologiegeschichte (s. Anm. 24), 618.
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29 Bezug nimmt – gerade die Elemente, die Apk 2,24–25 mit dem Aposteldekret gemeinsam hat, tragen ja die Handschrift des Lukas und machen die beiden Verse innerhalb der Johannesapokalypse geradezu zu einem Fremdkörper. Zudem ist die Thematik ähnlich:80 In beiden Texten geht es um Opferfleisch und „Unzucht“. Was damit inhaltlich gemeint ist und ob Johannes das Aposteldekret ablehnt oder begrüßt, sei dahingestellt. Für unsere Fragestellung ist wichtig, dass die Johannesapokalypse an diesem Punkt einen spezifischen Bezug zur Apostelgeschichte aufweist. Es lassen sich auch noch weitere Berührungspunkte finden: Der Überwinderspruch im Sendschreiben nach Sardes (Apk 3,5) hat Parallelen in Mt 10,32 und Lk 12,8 – bzw. in Q 12,8: Mt 10,32
Q 12,8 (CritEd)81
Πᾶς οὖν ὅστις ὁµολογήσει ἐν ἐµοὶ ἔµπροσθεν τῶν ἀνθρώπων,
Πᾶς ὃς ἂν ὁµολογήσῃ/ ἐν ἐµοὶ ἔµπροσθεν τῶν ἀνθρώπων,
ὁµολογήσω κἀγὼ ἐν αὐτῷ
καὶ ὁ υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου ὁµολογήσει ἐν αὐτῷ
Lk 12,8 Λέγω δὲ ὑµῖν, πᾶς ὃς ἂν ὁµολογήσῃ ἐν ἐµοὶ ἔµπροσθεν τῶν ἀνθρώπων,
καὶ ὁ υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου ὁµολογήσει ἐν αὐτῷ
ἔµπροσθεν τοῦ πατρός µου τοῦ ἐν [τοῖς] οὐρανοῖς·
῾Ο νικῶν
οὕτως περιβαλεῖται ἐν ἱµατίοις λευκοῖς καὶ οὐ µὴ ἐξαλείψω τὸ ὄνοµα αὐτοῦ ἐκ τῆς βίβλου τῆς ζωῆς καὶ ὁµολογήσω τὸ ὄνοµα αὐτοῦ ἐνώπιον τοῦ πατρός µου
ἔµπροσθεν τῶν ἀγγέλων τοῦ [ ] 80
Apk 3,5
ἔµπροσθεν τῶν ἀγγέλων τοῦ θεοῦ·
καὶ ἐνώπιον τῶν ἀγγέλων αὐτοῦ.
Anders WITULSKI, Johannesoffenbarung (s. Anm. 3), 247.283f.: In Apg 15 geht es um das Zusammenleben von Juden- und Heidenchristen, in Offb 2,14.20 hingegen um das Verhältnis der Christen zu ihrer nichtchristlichen Umwelt, speziell zum Kaiserkult, das βάρος sei demnach die Strafe die „Isebel“ und ihren Anhängern droht. – Dabei ist jedoch zu beachten, dass das in Apg 15 thematisierte Zusammenleben von Juden- und Heidenchristen immer mit der Frage nach dem Verhältnis zur nichtchristlichen Umwelt konfrontiert war. Andernfalls hätte sich die Frage nach dem Opferfleisch ja gar nicht gestellt. Dass βάρος theoretisch ein Leiden bezeichnen kann, wie es in Offb 2,22 „Isebel“ und ihren Anhängern angedroht wird, sei nicht bestritten. Im vorliegenden Kontext wird aber das, was die Gemeinde in der Gegenwart schon hat, als βάρος bezeichnet, zu dem nichts mehr hinzukommt – ganz im Gegensatz zu den Strafen, welche Isebel und den Ihren für die Zukunft angedroht werden. 81 J. M. R OBINSON u.a. (Hg.), The Critical Edition of Q. Synopsis Including the Gospels of Matthew and Luke, Mark and Thomas with English, German, and French Translations of Q and Thomas, Leuven 2000, 304–305; ähnlich H. T. F LEDDERMANN, Q. A Reconstruction and Commentary, Biblical Tools and Studies 1, Leuven u.a. 2005, 575.
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Ob hier eine alte, möglicherweise noch vor Q anzusetzende Tradition vorliegt, ist fraglich – die Redaktion von Q bzw. Matthäus und Lukas hätte dann die Verheißung an den Bekenner stark gekürzt.82 Die Präposition ἐνώπιον lässt sich als Vorzugswort des Sehers Johannes verstehen.83 So erscheint es zumindest denkbar, die vollere Form des Logions in Apk 3,5 als von den Endtexten des Matthäus- und Lukasevangeliums beeinflusst zu verstehen.84 Das Motiv, dass Jesus an der Tür steht und anklopft (Apk 3,20a) scheint auf Lk 12,35–37 zu basieren.85 In der Johannesapokalypse ist diese Vorstellung vom Kommen Jesu untypisch, verglichen etwa mit dem Parusieszenario in Apk 19,11–21. Im Lukasevangelium ist dieses Bild in das Gleichnis vom treuen und vom schlechten Knecht eingebettet, während der Seher Johannes es anscheinend aus diesem Kontext gelöst hat und eigenständig verwendet. In diesem Fall liegt es nahe, dass der Seher Johannes sich auf das Lukasevangelium stützt. Freilich ist das Verhältnis zwischen der Johannesapokalypse und dem lukanischen Doppelwerk nicht eindimensional als literarische Abhängigkeit in die eine oder die andere Richtung zu bestimmen. An einigen Stellen scheinen sich beide Werke eher auf eine gemeinsame Tradition zu stützen,
82
Zur Diskussion um die Rekonstruktion dieses Verses vgl. P. H OFFMANN u.a., Confessing or Denying, in: C. Heil (Hg.), Q 12:8–12. Confessing or Denying – Speaking against the Holy Spirit – Hearings before Synagogues, Documenta Q. Reconstructions of Q through Two Centuries of Gospel Research Excerpted, Sorted, and Evaluated, Leuven 1997, 1–425 (4–287). Vielleicht müsste man aber Offb 3,5 stärker als bisher in die Rekonstruktion des Q-Textes einbeziehen. 83 Das synoptische Gegenstück ἔµπροσθεν hat Johannes nur in Offb 4,6; 19,10; 22,8. In 4,6 hat das Wort einen anderen Sinn als das im selben Vers vorkommende ἐνώπιον. In 19,10; 22,8 wird die Präposition ἔµπροσθεν im Zusammenhang mit fehlgeleitetem Kult verwendet; für die Proskynese vor dem Thron Gottes verwendet Johannes ἐνώπιον: Offb 4,10; 5,8; 7,11; 11,16; (15,4) vgl. auch 3,9. In forensischen Kontexten wie Offb 3,5 findet sich diese Präposition auch in Offb 3,2; 12,10; 14,10; 16,19; 20,12. 84 Vgl. U. VANNI, L’Apocalisse e il Vangelo di Luca, in: G. Marconi / G. O’Collins (Hg.), Luca-Atti (FS P. E. Rasco), Commenti e Studi Biblici, Assisi 1991, 15–37 (20– 22). Freilich kann das Logion auch außerhalb der literarisch greifbarenen Überlieferung umgelaufen sein; vgl. z.B. LOISY, L’Apocalypse (s. Anm. 2), 111; ähnlich L. A. VOS, The Synoptic Traditions in the Apocalypse, Kampen 1965, 87.91–94; A. YARBRO COLLINS, The “Son of Man” Tradition and the Book of Revelation, in: J. H. Charlesworth (Hg.), The Messiah. Developments in Earliest Judaism and Christianity, Minneapolis, MN 1992, 536–568 (560) (= Dies., Cosmology and Eschatology in Jewish and Christian Apocalypticism, JSJ Suppl. 50, Leiden 1996, 159–197 [187]). 85 Vgl. R. BAUCKHAM, Synoptic Parousia Parables and the Apocalypse, NTS 23 (1977), 162–176 (171–174) (= Ders., Climax [s. Anm. 49], 92–112 [106–108]); BEALE, Book of Revelation (s. Anm. 2), 308; ähnlich VOS, Synoptic Traditions (s. Anm. 84), 97f.100.
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so etwa beim „Himmelssturz“ des Teufels in Lk 10,18; Apk 12,7–9,86 oder hinsichtlich des Geschicks Jerusalems (Lk 21,24) bzw. der „heiligen Stadt“ (Apk 11,2), die von den Heiden getreten wird. Es scheint geraten, zwischen diesen beiden Werken und ihren Autoren bzw. Trägergruppen eine mehrschichtige Interaktion über einen längeren Zeitraum anzunehmen. Im Rahmen dieses Beitrags lässt sich das freilich nicht weiter entfalten. Für die Frage der Datierung bleibt festzuhalten, dass man die Johannesapokalypse getrost um 100 n. Chr. ansetzen kann.
3 Die Spätdatierung Trotz aller Schwächen hat sich also in den letzten Jahren ein gewisser Trend entwickelt, die Johannesapokalypse relativ früh zu datieren. Die im 19. Jahrhundert gebräuchliche Datierung unter Nero ist wieder salonfähig geworden. Gegen diesen Trend steht jedoch der jüngst vorgetragene Ansatz von T. Witulski, der die Johannesapokalypse unter Kaiser Hadrian (117–138) entstanden sein lassen will.87 3.1 Argumente und Kritik Witulskis hauptsächliches Argument ist, dass der Kaiserkult in der Provinz Asia unter den Kaisern nach Augustus qualitativ gleichblieb bzw. in der Intensität abnahm und erst unter Hadrian eine neue Qualität erhielt, da der Kaiser nun offen soteriologische Ansprüche erhob.88 Hadrian wurde auf panhellenischer Ebene verehrt, hatte keinen θεὸς σύνναος neben sich, und seine Verehrung erstreckte sich durch Hausaltäre auch in den privaten Bereich.89 Der Kult für Domitian war, Witulski zufolge, nicht so soteriologisch aufgeladen wie der für Augustus und der für Hadrian; damit hätte Johannes unter Domitian keinen Anlass gehabt, den Kaiser als Nero Redivivus und Gegenspieler Christi zu verstehen. Überspitzt gesagt: Erst unter Hadrian konnte Johannes eine Apokalypse schreiben. 86
Vgl. dazu z.B. LIETAERT PEERBOLTE, Antecedents (s. Anm. 21), 136; S. J. GATHJesus’ Eschatological Vision of the Fall of Satan. Luke 10,18 Reconsidered, ZNW 94 (2003), 143–163 (157f.): angesichts der Parallele in Offb 12 lässt sich in Lk 10,17–20 größere Kohärenz feststellen. 87 Vgl. T. W ITULSKI, Ein neuer Ansatz zur Datierung der neutestamentlichen Johannesapokalypse, SNTU.A 30 (2005), 39–60; DERS., Johannesoffenbarung (s. Anm. 3); sowie seinen Beitrag in diesem Band. 88 Vgl. z.B. T. W ITULSKI, Kaiserkult in Kleinasien. Die Entwicklung der kultischreligiösen Kaiserverehrung, NTOA 63, Göttingen; Freiburg/Ue. 2007, 41f.64.98–101; DERS., Johannesoffenbarung (s. Anm. 3), 34f. 89 Vgl. W ITULSKI, Johannesoffenbarung (s. Anm. 3), 136–138. ERCOLE,
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Unter dieser Voraussetzung identifiziert Witulski den „Thron des Satans“ in Apk 2,13 mit dem 129 n. Chr. eingeweihten Tempel für Zeus Philios und Kaiser Trajan bzw. Hadrian auf der Akropolis von Pergamon. 90 Der Grund dafür liegt im Vokabular von 2,13, das er eingehend analysiert: Der Satan als Oberhaupt aller gottfeindlichen Mächte ist eindeutig mit dem Göttervater Zeus gleichzusetzen; der „Thron des Satans“ kann demnach nur ein Zeus-Heiligtum sein.91 Ferner beobachtet Witulski, dass das Wort θρόνος in der Johannesapokalypse „immer in der buchstäblichen Bedeutung von ‚Stuhl‘ bzw. ‚Thronsessel‘ verwendet“92 wird; daraus folgert er, dass in Apk 2,13 der Thron gemeint sei, der zu einer in Pergamon gefundenen kolossalen Sitzstatue des Zeus Philios gehört.93 Das Verb κατοικεῖν erfordert dann eine Datierung nach der Einweihung dieses Tempels im Jahre 129, als Zeus seinen Tempel in Besitz genommen hatte und bewohnte.94 Die beiden Gleichungen, die Witulski aufstellt, sind freilich nicht unproblematisch: Die Gleichung „Satan = Zeus“ lässt sich in der Johannesapokalypse nicht für alle Belege mathematisch strikt durchhalten. Zumindest der „Satanssturz“ in 12,9 bereitet Probleme: Wenn Johannes diesen Satan (auch bekannt als großer Drache, alte Schlange und Teufel) mit Zeus gleichsetzte, müsste er implizit voraussetzen, dass der Göttervater Zeus sich irgendwann einmal, wenngleich in untergeordneter Stellung, im Himmel befunden habe.95 Diese relativ hohe Meinung von Zeus verträgt sich nicht gut mit der traditionellen Götterpolemik im Stil des Alten Testaments, wie sie etwa in Apk 9,20 greifbar wird: Dort disqualifiziert Johannes die Götter als Dämonen und tote Materie. Den σατανᾶς, der in Apk
90 Vgl. W ITULSKI, Ansatz (s. Anm. 87), 58; DERS., Johannesoffenbarung (s. Anm. 3), 250–278. Auch KLAUCK, Sendschreiben (s. Anm. 37), 161 (= Alte Welt, 122f.) wird nur durch das Datierungsproblem von dieser Identifizierung abgehalten; für einen knappen Überblick über die religiöse Landschaft von Pergamon vgl. ebd. 157–160 (= Alte Welt, 119–122). 91 Vgl. W ITULSKI, Johannesoffenbarung (s. Anm. 3), 251–260. 92 W ITULSKI, Johannesoffenbarung (s. Anm. 3), 260. 93 Vgl. W ITULSKI, Johannesoffenbarung (s. Anm. 3), 276f. 94 Vgl. W ITULSKI, Johannesoffenbarung (s. Anm. 3), 278 mit Anm. 252. – Nach DE J ONGE, Apocalypse (s. Anm. 4), 129 stellt bereits die Grundsteinlegung dieses Tempels im Jahre 114 den Hintergrund von Offb 2,13 dar. Zugunsten dieser Interpretation lässt sich anführen, dass der Bau des Pergamener Zeus-Trajan-Tempels zunächst gewaltige Substruktionen erforderte, um auf dem Gipfel des Burgberges von Pergamon eine hinreichende Plattform für den Tempel zu schaffen. Vom Fuß des Berges aus gesehen, konnten diese Fundamente schon an einen gigantischen Thron denken lassen – sofern man das Wort θρόνος in Offb 2,13 nicht auf seine buchstäbliche Bedeutung einengt. 95 Die Vorstellung der Johannesapokalypse scheint eher vom frühjüdischen Verständnis der Satansfigur auf der Basis von Hiob 1–2 inspiriert zu sein.
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12 als höchst lebendig und aktiv geschildert wird,96 dürfte sich Johannes als ein Wesen sui generis vorgestellt haben.97 Auch die Gleichung „Thron = Stuhl/Sessel“ lässt sich nicht mit letzter Konsequenz durchhalten. Jedenfalls dürfte Apk 13,2 kaum so zu verstehen sein, dass der Drache dem „Tier vom Meer“ ein Sitzmöbel aushändigt; man wird das Wort hier eher metaphorisch verstehen, so dass der Thron parallel zu δύναµις und ἐξουσία µεγάλη steht. Dieses metaphorische Verständnis wird durch 16,10 keineswegs ausgeschlossen,98 sofern man nicht annimmt, dass Johannes in seinem Werk ein Wort nur und ausschließlich in einer einzigen Bedeutung verwenden konnte. Es bleibt sicherlich eine interessante Möglichkeit, den „Thron des Satan“ auf die Sitzstatue des Zeus Philios im Traianeum von Pergamon zu beziehen; die Behauptung, dies sei exklusiv die einzig richtige Interpretation des Verses, erscheint dennoch etwas zu zuversichtlich. Witulski bietet auch eine sehr interessante und originelle Interpretation des „Tieres vom Land“ (Apk 13,11–17): Es steht für Hadrians Freund, Berater und Reisebegleiter, den Sophisten M. Antonius Polemon.99 Ohne Zweifel ist das „Tier vom Land“ in Apk 13 als Propagandist für das „Tier vom Meer“ dargestellt, und so setzt Witulski die einzelnen Elemente dieser apokalyptischen Darstellung in Beziehung zu der Rolle, die M. Antonius Polemon während der Reise Kaiser Hadrians durch den Osten des Reiches (128–132) gespielt haben dürfte. Von besonderem Interesse ist die Rolle des Sophisten bei der Gründung des Panhellenion als provinzübergreifender Organisationsform des Kaiserkultes, sowie bei der Einweihung des Zeus-Olympios-Tempels in Athen. Das große Problem dabei ist, dass Wi96 Dem Drachen in Offb 12 wird seine zerstörerische Potenz nicht „gegeben“ (wie etwa den Tieren in Offb 13), er hat sie einfach. Das mag zum Teil dadurch bedingt sein, dass seine Aufgabe in Offb 12 darin besteht, aus dem Himmel geworfen zu werden und auf Erden der „Himmelsfrau“ nicht schaden zu können, doch die Macht, die er in 13,2 dem Tier vom Meer gibt, scheint seine eigene zu sein. – Ob und wie sich dieses Detail theologisch auswerten lässt, ist eine Frage für sich. 97 Dass Johannes diesen σατανᾶς in den Kulten seiner hellenistischen Umwelt – und besonders im Kaiserkult – am Werk sieht, ist damit keineswegs ausgeschlossen. Die Delegation satanischer Macht, die in 13,2.12 beschrieben wird, dürfte sein Denkmuster treffend wiedergeben. 98 So aber W ITULSKI, Johannesoffenbarung (s. Anm. 3), 261, Anm. 136. Er bemerkt zutreffend, dass es sich bei dem Thron des Tieres „um einen konkret benennbaren Gegenstand handeln“ muss – entsprechend den anderen Objekten der Schalen-Plagen (Erde, Meer, Flüsse, Sonne, Euphrat, Luft). Allerdings ist die Plage in Offb 16,10–11 nicht auf den Thron des Tieres beschränkt, sondern betrifft seinen gesamten Machtbereich (βασιλεία), so dass in dem Wort „Thron“ in diesem Kontext bereits ein übertragenes Verständnis angelegt ist. 99 Vgl. W ITULSKI, Ansatz (s. Anm. 87), 56; DERS. Johannesoffenbarung (s. Anm. 3), 219–237.
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tulskis Identifikation des Sophisten mit dem „Tier vom Land“ zum größten Teil aus Vermutungen besteht: Zwar schreibt er,100 es sei „durchaus mit Grund anzunehmen, daß er [sc. M. Antonius Polemon, S.W.] für diese anscheinend parallel zu dieser Tempelweihe erfolgte Gründung der Institution des Πανελλήνιον und deren konzeptionelle Ausgestaltung mit verantwortlich gewesen ist“, und es sei „durchaus wahrscheinlich“, dass er in seiner Festrede zu diesem Anlass auch zur Errichtung von Hadrians-Altären in Privathäusern aufrief. Man mag jedoch fragen, ob diese große Zuversicht begründet sei. Dass M. Antonius Polemon bei der Einweihung des Athener Zeus-Olympios-Tempels die Festrede gehalten hat, ist durch Philostr.vit.soph. 1,25 (533) bezeugt. Doch Philostratos schreibt nur, dass M. Antonius Polemon πολλὰ καὶ θαυµάσια sagte und referiert sodann das Proömium der Rede, in dem Polemon, dem Anlass gemäß, göttliche Motivation in Anspruch nimmt. Die Rede selbst ist jedoch m.W. nicht erhalten;101 damit ist es keineswegs unbezweifelbar, dass Polemon in dieser Rede etwa „auf die universale quasi-soteriologische Bedeutung Hadrians und seines Handelns für die Stadt Athen und für das gesamte Einzugsgebiet des imperium hingewiesen“102 habe. Das gleiche Problem besteht bei Witulskis Interpretation von Apk 13,12.103 Er stellt zutreffend fest, dass das „Tier vom Land“ zwar die Vollmacht des ersten Tieres ausübt, dass aber von einer formellen Übertragung dieser Vollmacht an das zweite Tier nirgends die Rede ist. Daraus folgert er aber, dass M. Antonius Polemon „sicherlich“ im Namen des Kaisers Entscheidungen treffen durfte, ohne ein Staatsamt innezuhaben. Man kann sich schwerlich des Eindrucks erwehren, dass hier die Johannesapokalypse nicht mehr der Gegenstand der Interpretation ist, den man zu anderweitig verfügbaren historischen Informationen in Beziehung setzen kann, sondern dass sie beinahe selbst zu einer historischen Quelle umfunktioniert wird, die Lücken in unserem historischen Wissen auffüllen soll.104 Witulskis Studie ist in ihrer Gründlichkeit und Kohärenz ohne Frage beeindruckend, daran ändert die hier vorgetragene Kritik im Detail nichts. Es bleiben jedoch zwei eher methodologische Anfragen:
100 101
WITULSKI, Johannesoffenbarung (s. Anm. 3), 228. Nach E. BOWIE, Polemon [6]. M. Antonius P., übers. von T. Gaiser, DNP 10 (2001), 9–10 sind, neben versprengten Zitaten, nur zwei Reden und ein Werk über Physiognomie erhalten. 102 W ITULSKI, Johannesoffenbarung (s. Anm. 3), 229. 103 Vgl. W ITULSKI, Johannesoffenbarung (s. Anm. 3), 226. 104 Hier liegt Witulskis Arbeit in methodischer Hinsicht gefährlich nahe bei W. M. RAMSAY, The Letters to the Seven Churches of Asia and their Place in the Plan of the Apocalypse, New York 1904, 93–113, der die Johannesapokalypse als einzige Quelle für eine Christenverfolgung unter Domitian in Anspruch nehmen wollte.
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1) Der Kaiserkult unter Hadrian hatte sicherlich sein eigenes Gepräge. Doch inwiefern kann man hier von einer „Intensivierung“ sprechen? Gibt es eine Skala, auf der die Intensität der kultischen Kaiserverehrung messbar ist? Von diesen Fragen abgesehen, wäre auch der geographische Aspekt zu berücksichtigen: Witulski konzentriert sich auf die Einweihung des Zeus-Olympios-Tempels bzw. die Einrichtung des Panhellenion in Athen, und es sei unbestritten, dass diese Ereignisse in Athen erhebliche Begeisterung für den Philhellenen Hadrian auslösten. Doch lässt sich das ohne Weiteres auf die Provinz Asia übertragen? Hadrian hielt sich während seiner zweiten Orientreise, im Frühjahr 129, in Ephesos auf; wenn man den Plural (ἀρχιερεὺς ναῶν τῶν ἐν ᾿Εφέσῳ) in IvE 618 (128 n. Chr.) in diesem Sinn interpretieren darf, besaß die Stadt zu diesem Zeitpunkt bereits einen eigenen Tempel für Hadrian (vgl. auch IvE 428), dessen Lokalisierung allerdings umstritten ist.105 Doch in Ephesos, wo sich eine Adressatengemeinde des Sehers Johannes befand, scheint diese zweite Kaiserneokorie keinen nachhaltigeren Eindruck gemacht zu haben als die erste Neokorie, welche die Stadt gut 40 Jahre vorher unter Domitian erhalten hatte. Der neue Titel nebst den neuen Feierlichkeiten zu Ehren Hadrians war gewiss im Rangstreit der Städte in Asia106 höchst willkommen; es ist jedoch fraglich, ob die Provinzialen die theologische Neuakzentuierung des Kultes für Hadrian (der Kult konzentrierte sich nun deutlicher auf die Person des Kaisers; vgl. IvE 742; 814; 921)107 als qualitative Steigerung oder Intensivierung wahrnahmen. Man sollte hier den Boom im Umfeld der ersten Neokorie nicht vernachlässigen. Das in IvE 449 (s.o. Anm. 71) dokumentierte Bau- und Verschönerungsprogramm der domitianischen Zeit zeigte den Ephesiern in aller Deutlichkeit, wie der Kult der Sebastoi ihre Stadt aufwertete, auch wenn dieser Kult, streng theologisch gesehen, im Rahmen des Üblichen blieb. Wenn man die Wahrnehmung der Provinzialen in Rechnung stellt, wird man jedenfalls kaum behaupten können, im Kaiserkult habe es erst unter Hadrian einen „Quantensprung“ gegeben. Damit verbindet sich die Frage nach dem Anlass für eine Apokalypse. Konnte Johannes wirklich erst eine Apokalypse schreiben, wenn die Theologie des Kaiserkultes neue, unerhörte Akzente erhielt?108 Sollte man für diese Fragestellung nicht eher die sinnenfällig wahrnehmbare „Außenseite“ des Kultes im Adressatengebiet in Rechnung stellen? Diese „Außenseite“ mit ihren prachtvollen Bauten und Festen war vermutlich für Johannes und seine Gemeinden (etwa in Ephesos) eine weit größere Herausforderung. 105
Vgl. WITULSKI, Kaiserkult (s. Anm. 88), 98–101; W ITETSCHEK, Ephesische Enthüllungen 1 (s. Anm. 5), 129f. 106 Vgl. dazu v.a. D RÄGER, Städte (s. Anm. 74), 113–121. 107 Vgl. W ITULSKI, Kaiserkult (s. Anm. 88), 99. 108 So W ITULSKI, Johannesoffenbarung (s. Anm. 3), 134.
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Wenn man den Seher Johannes als einen Seelsorger versteht, der, auf seine spezielle Weise, Dinge zur Sprache bringt, die seine Adressaten bewegen, beeindrucken und verunsichern, dann wird man den Anlass der Johannesapokalypse eher z.B. in den neuen, marmornen Bauten und Brunnen von Ephesos und im dadurch dokumentierten Selbstbewusstsein seiner Vollbürger suchen, als in der Festrede eines Sophisten. 2) Wie verhält sich die Johannesapokalypse zur Realität? Genauer gesagt: Sind die Visionen von Apk 13 als ein getreues Abbild der Realität zu verstehen, so dass man nur nach einem historischen Szenario suchen muss, das haargenau zu diesen Visionen passt? Die oben ausgeführte Kritik an Witulskis Interpretation von Apk 13 hat gezeigt, dass immer einige Aspekte bleiben, die man „passend machen“ muss – auch wenn das Szenario mit Hadrian und M. Antonius Polemon dem apokalyptischen Szenario bemerkenswert genau entspricht. Grundsätzlicher ist aber zu fragen, was Johannes mit seiner Apokalypse bezweckt hat. Die apokalyptische Deutung der Wirklichkeit will ja offenbaren, aufdecken, enthüllen, was es mit der real existierenden Welt und den in ihr herrschenden Mächten in Wahrheit auf sich hat; deswegen beginnt der visionäre Hauptteil (Apk 4–22) ja im himmlischen Thronsaal und betrachtet aus dieser Sicht das Geschehen auf Erden. Sicherlich konnten die ersten Hörer die narrativen Figuren der Johannesapokalypse in ihrer realen Umwelt wiedererkennen; doch es wäre wenig gewonnen, wenn der Seher nur referierte, was ohnehin bekannt war. Die Wirklichkeitsdeutung der Johannesapokalypse, in der Kaiser zu Tieren und Tierköpfen werden, enthält ein gewisses Moment der Verfremdung, das man nicht zu gering veranschlagen sollte; nur so kann der Seher ja seine alternative Sicht der Dinge artikulieren.109 Dass dabei keine mathematisch exakten Gleichungen aufzustellen sind, zeigt die Auskunft des angelus interpres in Apk 17,9 in aller wünschenswerten Deutlichkeit: Die sieben Köpfe des Tieres sind sieben Berge, und zugleich sind sie sieben Könige; man wird daraus kaum ableiten dürfen, dass für Johannes Berge und Könige realiter identisch seien. Die rechte Balance zwischen Wirklichkeitsbezug und Verfremdung bzw. interpretatorischer Überspitzung ist eine große Kunst und eine ständige Herausforderung für den Exegeten der Johannesapokalypse. Für unsere Fragestellung ist festzuhalten, dass die Spätdatierung der Johannesapokalypse in die Zeit Kaiser Hadrians zwar aus inneren Gründen nicht völlig unmöglich ist, aber doch einige interpretatorische Schwierigkeiten mit sich bringt. 109 Für LÓPEZ, Figura (s. Anm. 58), v.a. 251–259 ist die Darstellung der Tiere in Offb 13 bewusst polyvalent gehalten. Ähnlich betonte bereits U. VANNI, L’Apocalisse. Ermeneutica, esegesi, teologia, SRivBib 17, Bologna 1988, 59 die aktive, kreative Rolle des Lesers, den Johannes mit eingestreuten Appellen wie in 13,18 herausfordert.
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3.2 Zum terminus ad quem Angesichts einer extremen Spätdatierung tut man gut daran, nach dem terminus ad quem für die Abfassung der Johannesapokalypse zu fragen. Man könnte dafür auf das Vorwort des Kommentars des Andreas von Caesarea aus dem frühen 7. Jahrhundert verweisen.110 Andreas nimmt Papias als Zeugen für die Inspiration der Johannesapokalypse in Anspruch und zitiert ihn in seinem Kommentar zu Apk 12,7. Nach Witulski ist diese Aussage nicht glaubwürdig, denn Papias als Chiliast hätte sich sicherlich zu Apk 20,4–6 geäußert, und zu dieser Stelle zitiert Andreas ihn nicht.111 Man kann jedoch fragen, ob es klug gewesen wäre, Papias gerade zu diesem kritischen Thema zu zitieren, nachdem Andreas ihn zuvor für die Inspiration der Johannesapokalypse in Anspruch genommen hatte. Damit hätte er seinen Gewährsmann als einen Häretiker diskreditiert; er könnte es vorgezogen haben, keine schlafenden Hunde zu wecken. Zudem ist fraglich, ob Andreas das Werk des Papias zur Gänze kannte und ob es zu seiner Zeit überhaupt noch ganz erhalten war. Doch auch wenn die hier angestellten Überlegungen stichhaltig sind, sind wir doch über die Lebensdaten des Papias nicht sehr gut informiert,112 so dass dass Zeugnis des Andreas über diesen keine große Hilfe für die Datierung der Johannesapokalypse darstellt. Sichereren Boden betreten wir mit Justin. In seinem Dialog mit Tryphon (81,4) erwähnt er kurz die Johannesapokalypse – als Werk des Apostels Johannes.113 Allerdings ist die Datierung des Dialogs ihrerseits nicht unproblematisch. In Dial. 120,6 bezieht sich Justin auf Äußerungen über Si110 Frg. 11 (hg. v. U. H. J. KÖRTNER in: SUC 3, Darmstadt 1998, 3–103 [64]): „Hinsichtlich der Inspiration des Buches halten wir es für überflüssig, mehr zu sagen, da doch die seligen Gregor der Theologe und Kyrillos, zudem von den Älteren Papias, Irenäus, Methodios und Hippolytos seine Glaubwürdigkeit bezeugt haben.“ 111 Vgl. W ITULSKI, Johannesoffenbarung (s. Anm. 3), 60. 112 Die Autoren sind hinsichtlich seiner Lebensdaten zu Recht mehr als zurückhaltend; vgl. aber P. BRUNS, Papias, LThK3 7 (1998), 1325f.: „* um 60, † nach 120“. Das Hauptwerk des Papias über die Auslegung der Herrenworte setzt U. H. J. K ÖRTNER, Papias von Hierapolis. Ein Beitrag zur Geschichte des frühen Christentums, FRLANT 133, Göttingen 1983, 225 „eher um 110 n. Chr. als um die Mitte des 2. Jh.s“ an. H. R. D ROBNER, Lehrbuch der Patrologie, Freiburg/Br. u.a. 1994, 45 referiert das „Zeitfenster“ 90– 140 und die neuere Tendenz zur Datierung um 130/140; K. S. FRANK, Lehrbuch der Geschichte der Alten Kirche, Paderborn u.a. 21997, 177 setzt das Werk um 110/130 an; BRUNS, Papias, 1326 um 130 (!); A. SAND, Papias von Hierapolis, LACL (1998), 476f. um 130/140; die Zeittafel in F. YOUNG u.a. (Hg.), The Cambridge History of Early Christian Literature, Cambridge 2004, xxii–xxv (xxii) um 130. 113 Justin, Dial. 81,4: „Und danach prophezeite auch bei uns ein gewisser Mann, dessen Name Johannes war, einer der Apostel Christi, in einer Offenbarung, die ihm zuteil wurde, dass die, welche unserem Christus glauben, 1000 Jahre in Jerusalem verbringen werden, und dass dann die allgemeine und, um es kurz zu machen, ewige Auferstehung aller zusammen stattfinde und das Gericht.“
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mon Magus, die er an den Kaiser geschrieben hat; eine entsprechende Stelle findet sich in der um 150–155 entstandenen Apologie (1 Apol. 26,3). Das lässt sich als Indiz dafür verstehen, dass der Dialog in seiner Endfassung kurz nach 155 in Rom entstanden ist.114 Andererseits scheint aber die Rahmenhandlung in der Zeit des Bar-Kochba-Aufstandes (132–135) zu spielen,115 und die Ortsangabe „bei uns“ in Dial. 81,4 lässt sich, mit Eusebius,116 auf Ephesos beziehen.117 Man wird in der Tat annehmen dürfen, dass der Dialog das Produkt vieler Begegnungen und Diskussionen in einem längeren Zeitraum ist,118 eines Prozesses, der sich möglicherweise wirklich über zwei Jahrzehnte erstreckte. Wichtiger ist jedoch, dass Justin die Johannesapokalypse mit größter Selbstverständlichkeit als das Werk des Apostels Johannes einführt. Für diese Zuschreibung gibt es im Text der Johannesapokalypse selbst keinen Anhaltspunkt, aber sie scheint zur Zeit Justins und in seinem Umfeld schon fest etabliert gewesen zu sein. Daher erscheint es geraten, die Johannesapokalypse nicht später als nötig anzusetzen. 114 Vgl. D ROBNER, Lehrbuch (s. Anm. 112), 61; M. M ARCOVICH, Iustini Martyris Dialogus cum Tryphone, PTS 47, Berlin u.a. 1997, 1; ebenso O. S KARSAUNE, Justin der Märtyrer, TRE 17 (1988), 471–478 (472); S. HEID, Justinos, Martyrer, LThK3 5 (1996), 1112f. (1112): „um 155/160“; FRANK, Lehrbuch (s. Anm. 112), 180: „um 160“. 115 Justin, Dial. 1,3: „Mein Name und mein Volk sind leicht anzugeben: Tryphon, sagte er, heiße ich; ich bin ein Hebräer aus der Beschneidung, auf der Flucht vor dem jetzt ausgebrochenen Krieg und oft durch Korinth gekommen.“ 9,3: „Als wir aber an jenen Ort kamen, an dem sich auf beiden Seiten steinerne Sitzbänke befinden, setzten sich die Begleiter des Tryphon auf die andere, und als einer von ihnen die Rede auf den in Judäa ausgebrochenen Krieg brachte, unterhielten sie sich.“ – Das mag ein Grund dafür sein, dass das Abfassungsdatum des Dialogs in der Zeittafel der Cambridge History of Early Christian Literature (s. Anm. 112), xxii–xxv (xxii) mit ca. 138 angegeben wird. 116 Eus.h.e. 4,18,6: „Und einen Dialog mit den Juden hat er (sc. Justin) verfasst, den er in der Stadt der Ephesier mit Tryphon, dem bedeutendsten der damaligen Hebräer, geführt hat.“ – Den Umstand, dass diese Information im Dialog selbst nicht gegeben wird, führt C. P. VETTEN, Justin der Märtyrer, LACL (1998), 365–369 (367f.) auf die unvollständige Überlieferung des Textes zurück. 117 Die Aussageabsicht des gesamten Dialogs lässt sich gut vor dem Hintergrund des Bar-Kochba-Aufstandes begreifen: Justin will das Christentum mit allen Mitteln von diesem Aufstand distanzieren; deshalb seine scharfen Worte gegen die Juden; vgl. R. A. NORRIS, The Apologists, in: F. Young u.a. (Hg.), The Cambridge History (s. Anm. 112), 36–44 (40). 118 Vgl. A. G. HAMMAN, Essai de chronologie de la vie et des œuvres de Justin, Aug. 35 (1995), 231–239 (236.238). Hamman setzt den Dialog dennoch zuversichtlich zwischen den beiden Rom-Aufenthalten Justins an, als dieser sich in Palästina aufhielt. – Freilich kommt er damit etwas mit der Rahmenhandlung in Konflikt, die in jedem Fall außerhalb der ᾿Ιουδαία spielt (ebd. 231–232.236–237). Etwas mehr Spielraum eröffnet SKARSAUNE, Justin (s. Anm. 114), 472: Der Dialog in seiner literarischen Fassung ist zwar um 155/60 verfasst worden, doch Justin verstand das Werk vermutlich, in Anlehnung an die platonischen Dialoge, als die freie Wiedergabe eines Gespräches, das tatsächlich stattgefunden hat.
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4 Ergebnis Nach diesem Durchgang durch verschiedenste Argumentationen für die Datierung der Johannesapokalypse lässt sich ein materiales und ein formales Ergebnis festhalten: In materialer Hinsicht hat sich gezeigt, dass die in jüngerer Zeit wieder gern vertretene Frühdatierung der Johannesapokalypse mit zahlreichen exegetischen Problemen behaftet ist; die zu ihren Gunsten vorgebrachten Argumente haben sich bei näherem Hinsehen durchweg als nicht sehr stichhaltig überwiesen. Das Gleiche gilt jedoch auch für die von T. Witulski jüngst in einer sehr gelehrten Studie vertretene Spätdatierung. Der in diesem Beitrag unternommene Datierungsversuch setzt die Johannesapokalypse in einem Zeitfenster an, das etwa gleichzeitig mit oder kurz nach dem lukanischen Doppelwerk (um 90–100) oder nach dem Tod Domitians (96) beginnt und nicht zu knapp vor der Rahmenhandlung von Justins Dialog mit Tryphon (132–135) endet. Grob lässt sich dieser Zeitrahmen etwa mit 100–110 umschreiben. In formaler Hinsicht hat sich gezeigt, dass die Probleme sowohl der Früh- wie der Spätdatierung vor allem aus dem jeweiligen Umgang mit historischen Informationen herrühren. In beiden Datierungsansätzen werden Erzählfiguren und erzählte Ereignisse der Johannesapokalypse direkt mit historischen Gestalten und Ereignissen identifiziert. Die Tatsache, dass sich dieses intellektuelle Exercitium in sehr verschiedenen Situationen, vom Vierkaiserjahr 68/69 bis zur Orientreise Kaiser Hadrians 128–132, durchführen lässt, mahnt jedoch zu methodologischer Vorsicht. Vor allem bei Übertragungen der römischen Kaisergeschichte en détail in die Johannesapokalypse stellt sich die Frage, ob diese historischen Einzelheiten dem Seher und seinen Gemeinden in Asia bekannt und für sie relevant waren, bzw. ob sie innerhalb der Johannesapokalypse eine textpragmatische Funktion haben. Das hat Konsequenzen für die Interpretation der Bilder im letzten Buch der Bibel: Die unverzichtbare Grundlage einer angemessenen Interpretation ist und bleibt m.E. der zeitgeschichtliche Ansatz: Die Johannesapokalypse ist in erster Linie als ein Buch aus ihrer Zeit und für ihre Zeit zu verstehen. Der Seher Johannes spricht in diesem Buch als Seelsorger die Probleme an, welche seine Gemeinden in ihrem konkreten Umfeld in der römischen Provinz Asia bewegen – aber er stellt sie in einen größeren, weltgeschichtlichen, ja kosmischen Bezugsrahmen. In seiner apokalyptischen, enthüllenden, entlarvenden Schau betrachtet er Asia Minor vom Himmel aus,119 gewissermaßen aus der Perspektive des himmlischen Thronsaals (Apk 4–5). Das bedeutet eine Uminterpretation der zeitge119
Den Ausdruck verdanke ich Hans-Georg Gradl (Trier).
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schichtlichen Gegebenheiten und damit eine gewisse Verfremdung. Die so verfremdeten Bilder erhalten einen semantischen Mehrwert, sie erschöpfen sich nicht im konkreten Bezug auf einen Kaiser oder einen Tempel. Anders gewendet: Die Johannesapokalypse lebt zwar von Bildern, aber sie ist keine Allegorie, in der sich jedes Element des Textes mechanisch einem Phänomen der (historisch erkennbaren) Realität zuordnen ließe.120 So lassen sich ihre Bilder nur mit größter Vorsicht für eine exakte Chronologie auswerten; vielleicht erkannte der Seher ja schon da ein (Un-)Tier, wo der moderne Ausleger noch keines zu sehen vermag.
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In diese Richtung tendierte ja RAMSAY, Letters (s. Anm. 104), stark rezipiert von HEMER, Letters (s. Anm. 2). Zur Kritik daran vgl. S. J. FRIESEN, Revelation, Realia, and Religion: Archeology in the Interpretation of the Apocalypse, HThR 88 (1995), 291–314.
Die Septuaginta und die Johannesapokalypse Möglichkeiten und Grenzen einer Verhältnisbestimmung im Spiegel von kreativer Intertextualität und Textentwicklungen* MICHAEL LABAHN
1 Einleitung: Die Bedeutung der Schriften Israels für die Johannesapokalypse: Zwischen Sättigung und Transformation Die Bemerkung, dass die Relation zu den Schriften Israels, um den unzeitgemäßen und möglicherweise auch zu stark begrenzenden Begriff „Altes Testament“ wenigstens zunächst zu vermeiden, für die Apokalypse des Johannes grundlegend ist, gehört zu den Gemeinplätzen der Auslegung des letzten Buches im neutestamentlichen Kanon. So stellen Gregory Beale und Sean McDonough in ihrem jüngst (2007) erschienenen Beitrag zum „Commentary on the New Testament’s Use of the Old Testament“ fest: „No other book of the NT is permeated by the OT as is Revelation“.1 Diese Wertung, die die Sättigung des Buches des Sehers Johannes mit Anspielungen, Echos, Motiven und Bildern der Schriften Israels, aber ebenso mit wenigen „unmarkierten Zitaten“ umschreibt, ist etwas zu passivisch formuliert, da das ‚Durchdrungen-Sein‘ zu wenig darüber aussagt, wie sehr der Text oder – darf man noch sagen – sein Autor das intertextu-
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* Der Beitrag, den ich meinem verehrten Doktorvater Prof. Dr. Eduard Lohse zu seinem 85. Geburtstag widmen möchte, greift Beobachtungen auf, die im Rahmen des DFGProjekts „AT/LXX-Rezeption in der Apokalypse“ (KiHo Wuppertal, Leitung Prof. Dr. Karrer) gemacht wurden, und erweitert sie im Blick auf die Themenstellung. Herrn Karrer und meinen Wuppertaler Kollegen gilt mein Dank für Anregungen und Rückfragen in der Vorbereitung, Herrn Prof. Dr. Jörg Frey für die Einladung zum „Münchener Bibelwissenschaftlichen Symposion“ sowie den dortigen Diskussionsteilnehmern für weiterführende Fragen. 1 G. K. BEALE / S. M. MCDONOUGH, Revelation, in: G. K. Beale / D. A. Carson (Hg.), Commentary on the New Testament’s Use of the Old Testament, Grand Rapids 2007, 1081–1161 (1081).
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elle Register verwendet, um seinen Choral der Sinnbildung2 durch die Schau auf die himmlische Lenkung irdischer Geschichte zu spielen. Jürgen Roloff sieht das Vorgehen des Verfassers gleichermaßen von poetischer Ausdruckskraft wie von schriftgelehrter Spekulation bestimmt … Neue Deutungselemente überlagern die traditionellen Bilder, und der neue Sinn, den jene so gewinnen, geht vielfach auf Kosten ihrer Anschaulichkeit. … Es ist vielmehr durch den Prozeß einer am Alten Testament orientierten theologischen Interpretation und Reflexion so stark überlagert, daß Rückschlüsse auf die Inhalte der ursprünglichen Visionen sich verbieten.3
Zu beachten sind somit neben der generellen Bedeutung der Schriften Israel für die Sinnbildung der Johannesapokalypse die rhetorisch-argumentative Autorität und die kreative Gestaltungskraft des Sehers als Erzähler seiner Visionen von der Durchsetzung und Zielführung der Herrschaft Gottes und des Lammes. Die Schriften geben dem Seher die Sprache und die Bilder für seinen Entwurf und seine Aussage über die Ereignisse der eigentlichen, himmlischen Welt sowie für das erwartete Ziel aller Geschichte, dem Neuen Jerusalem; diese Rezeptionen gestaltet der Seher aber zu einem neuen Sinnkosmos um. Die Rezeption von Prätexten aus den Schriften Israels ist daher in hohem Maße eine Transformation; diesen Prozess umschreibt Martin Karrer mit der passenden Metapher der „Einschmelzung“.4 Die rezipierten Texte begegnen nicht anders als der Text der Johannesapokalypse; die Rezeptionen werden ihr Text – sie werden zur „Sicht“ des Sehers, der aus den Schriften neue „Schrift“ entstehen lässt. Diese kurzen weiterführenden und vertiefenden Bemerkungen zum einleitenden Zitat von Gregory Beale und Sean McDonough mögen genügen, um einen wichtigen Ausgangspunkt dieses Beitrages wie zur gesamten Fragestellung zu markieren. Die Sättigung der Johannesapokalypse mit Referenzen auf die Schriften Israels und ihre Transformationen im Rezeptionsprozess beschreiben die Möglichkeiten und Grenzen der Bestimmung ———————— 2
Zur Johannesoffenbarung als Sinnstiftung und Neukonstruktion von Wirklichkeit s.a. F. TÓTH, Der himmlische Kult. Wirklichkeitskonstruktion und Sinnbildung in der Johannesoffenbarung, ABG 22, Leipzig 2006; U. S CHNELLE, Theologie des Neuen Testaments, UTB 2917, Göttingen 2007, 712–733. 3 J. ROLOFF, Die Offenbarung des Johannes, ZBK.NT 18, Zürich 2 1987, 21. Der letzte zitierte Satz Roloffs geht auf die sogenannte „Erlebnisechtheit“ der Johannesapokalypse, kann aber auch Anwendung auf die Schrift-Rezeption generell finden, die als Aneignung beschrieben werden kann. 4 M. KARRER, Von der Apokalypse zu Ezechiel. Der Ezechieltext der Apokalypse, in: D. Sänger (Hg.), Das Ezechielbuch in der Johannesoffenbarung, BThSt 76, NeukirchenVluyn 2004, 84–120 (88): „Deren Autor (der Johannesapokalypse; M.L.) versteht seine Tätigkeit als Wiedergabe einer von ihm (seinen Angaben nach) geschauten Visions- und Auditionsreihe, die frühere Schriften nicht zitiert, sondern in den neuen Formulierungshorizont einschmilzt (1,11.19 u.ö.)“.
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dieser Textrelation und der ihr zugrundeliegenden Textformen, deren zentraler Vertreter die Septuaginta ist. Mit dem Gemeinplatz der hervorragenden Bedeutung der Schriften Israels für das Verständnis der Johannesapokalypse beginnt die eigentliche Arbeit, die Relation zu diesen Schriften zu beschreiben und für die Interpretation der Johannesapokalypse fruchtbar zu machen; dass weiterhin eine Notwendigkeit dieser Arbeit besteht, zeigen m.E. ebenfalls die gerade in jüngerer Zeit vermehrt erschienenen Forschungsbeiträge zur SchriftRezeption5 und die Apokalypse-Kommentare, die zwar Antworten geben, aber daneben weiterhin offene Fragen und die Notwendigkeit nach methodisch schlüssigen Antworten zu suchen dokumentieren.
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5 Exemplarisch seinen genannt: R. BAUCKHAM, The Climax of Prophecy: Studies on the Book of Revelation, Edinburgh 1993; G. K. BEALE, The Use of Daniel in Jewish Apocalyptic Literature and in the Revelation of St. John, Lanham, NY 1984; D ERS., A Reconsideration of the Text of Daniel in the Apocalypse, Bib 67 (1986), 439–543. D ERS., Revelation, in: D. A. Carson (Hg.), It is Written: Scripture Citing Scripture (FS B. Lindars), Cambridge 1988, 318–336; DERS., The Use of the Old Testament in Revelation, in: ders. (Hg.), The Right Doctrine from the Wrong Texts? Essays on the Use of the Old Testament in the New, Grand Rapids, MI, 1994, 257–278; DERS., John’s Use of the Old Testament in Revelation, JSNT.S 166, Sheffield 1998; P. B. D ECOCK, The Scriptures in the Book of Revelation, Neot. 33 (1999), 373–410; J. FEKKES, Isaiah and Prophetic Traditions in the Book of Revelation. Visionary Antecedents and their Development, JSNT.S 93, Sheffield 1994; DERS., Isaiah and the Book of Revelation: John the Prophet as a Fourth Isaiah?, in: C. M. McGinnis / P. K. Tull (Hg.), „As Those who are Taught“. The Interpretation of Isaiah from the LXX to the SBL, SBL.Symp. Series 27, Atlanta, GA 2006, 125–143; F. J ENKINS, The Old Testament in the Book of Revelation, Marion, IN 1972; B. KOWALSKI, Die Rezeption des Propheten Ezechiel in der Offenbarung des Johannes, SBB 52, Stuttgart 2004; M. LABAHN, „Geschrieben in diesem Buche“. Die ,Anspielungen der Johannesapokalypse im Spannungsfeld zwischen Referenztexten und der Handschriftlichen Überlieferung in den großen Bibelhandschriften, in: M. Karrer / S. Kreuzer / M. Sigismund (Hg.), Von der Septuaginta zum Neuen Testament. Textgeschichtliche Erörterungen, ANTF 43, Berlin/New York 2010; D. M ATHEWSON, New Heaven and a New Earth. The Meaning and Function of the Old Testament in Revelation 21.1–22.5, JSNT.S 238, Sheffield 2003; S. MOYISE, The Old Testament in the Book of Revelation, JSNT.S 115, Sheffield 1995; J.-P. R UIZ, Ezekiel in the Apocalypse: The Transformation of Prophetic Language in Revelation 16,17–19,10, EHS 23/376, Frankfurt u.a. 1989; J. M. VOGELGESANG, The Interpretation of Ezekiel in the Book of Revelation, Ph.D. dissertation, Harvard University 1985; s.a. die Auflistung von Beiträgen insbesondere vor 1990 bei G. K. BEALE, The Book of Revelation. A Commentary on the Greek Text, NIGTC, Grand Rapids, MI 1999, 76f.
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2 Generelle Beobachtungen: Zwischen Kreativität und Rekonstruktion 2.1 Gegenstand Mit der Aufgabenstellung, die Relation zwischen der Johannesapokalypse und der Septuaginta zu analysieren, sind wir auf die Frage nach der Textform gewiesen, die der Seher seiner eingangs beschriebenen Relation zu den Schriften Israels zugrunde legt. Wir werden uns damit nicht auf die verschiedentlich diskutierte Bestimmung des Sprachstils des Sehers, semitisch oder durch die Septuaginta geprägt, einlassen,6 sondern dem Grundproblem nachgehen, ob der Seher seiner Schrift-Rezeption die Septuaginta, den griechischen Bibeltext im ersten Jahrhundert oder gar hebräische Texte, die zu dieser Zeit ebenfalls noch nicht fest fixiert7 waren, zugrunde legt. Vorab ist bereits zu signalisieren, dass Pauschalurteile einer befriedigenden Lösung kaum näher führen, sondern, wie die Diskussion der Ausgangslage, der Forschungsgeschichte und der Beispiele dieses Beitrages zeigen, eine differenzierte Antwort von Nöten ist. 2.2 Zwischen Collage, Anspielung und Strukturübereinstimmung: Möglichkeiten und Grenzen der Rekonstruierbarkeit der Textform(en) Die „Sättigung“ der Johannesapokalypse und die „Transformation“ der Prätexte in den neuen Text sind die grundlegenden Schwierigkeiten für die Analyse der Relation der Johannesapokalypse zu ihren Prätexten. Dies ist ————————
6 Die ältere Forschung hat E. LOHMEYER, Die Offenbarung des Johannes, HAT 16, Tübingen 21953, 197–199, treffend zusammengefasst, der einerseits den bewussten Anschluss der Johannesapokalypse an die Sprache ihrer Tradition wie der Gegenwart, der Koine des 1.Jh.s, feststellt. Seine hermeneutische Reflexion des sprachlichen Problems besitzt noch immer grundlegende Gültigkeit, auch wenn weiterführende Differenzierungen wünschenswert wären: „… es wäre nicht Prophetie, wenn es nicht in der Sprache der alten Prophetie spräche. Diese Sprache gibt die notwendige Distanz, die seinen Inhalt vom alltäglich Gegebenen und Gelebten, seinen zeitlosen Sinn vom Fluß der zeitlichen Dinge trennt, sie gibt dem Stoffe die zukommende Kraft und Größe. Und es ist zugleich die Sprache der Gegenwart, denn diese Prophetie enthält keine Geheimnisse, sondern Mahnung und Trost für alle gegenwärtigen Nöte; sie enthüllt nicht Verschleiertes, sondern bekennt Verheißenes. So fordert auch die Sprache dieser Prophetie bei aller Distanz Nähe, bei aller herben Größe Vertrautheit mit den Nöten der Gegenwart, sie kann nicht rein Sprache der Vorwelt, sondern muß auch Sprache der Umwelt sein“ (aaO., 198). 7 Vgl. den grundlegenden Hinweis auf die Bedeutung der Textentwicklung für die Schrift-Rezeption des Sehers bei KARRER, Von der Apokalypse zu Ezechiel (s.o. Anm. 4), 84f., dessen gesamter Artikel ein Beitrag zur Beantwortung der Frage ist, wie von der Textrezeption auf die Textentwicklung zurückgeschlossen werden kann. Hinter die methodischen Standards dieses Beitrag sollte nicht zurückgeschritten werden, wenngleich Rückfragen an die Zuversicht der Rekonstruktionen gestellt werden können.
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eine Warnung vor allzu großem Vertrauen in die methodischen Möglichkeiten, die Prätexte und ihre konkrete Textgestalt zu erfassen,8 dieser Hinweis will aber nicht einem methodischen Agnostizismus das Wort reden.9 Angesichts der Sättigung der Johannesapokalypse mit Referenzen auf die Schrift ist zu unterscheiden zwischen unterschiedlichen Rezeptionsformen und verschiedenen Präsentationen. Bisweilen ist nur mehr eine Collage alttestamentlicher Themen und Bilder in der rhetorisch-kreativen Adaption des Sehers zu vernehmen, die wenig bis keinen Respekt gegenüber dem Kontext des möglichen Prätextes erkennen lässt.10 Gegenüber einer solchen generellen Referenz auf die Schriften Israels – Brian J. Abasciano differenziert zwischen allgemeiner Intertextualität, Bedeutungs-Effekten und Echos11 – ist noch einmal zu unterscheiden, dass auf abgrenzbare Einzeltexte aus den Schriften Israels erkennbar zurückverwiesen wird,12 so dass ein im Text der Johannesapokalypse markiertes Spiel der Intertextualität beginnt, das bisweilen bis hin zur Textauslegung durch die Präsentation im neuen Kontext13 reicht. Diese Referenzen – es lassen sich Echos, Anspielungen und unmarkierte (freie) Zitate (s. Abschn. 2.3) differenzieren – sind an sprachlich konkret zu belegenden Schnittmengen unterschiedlicher Schärfe und Evidenz aus————————
8 Es ist daher nicht möglich, diesem Beitrag eine sich allgemeinen Konsenses erfreuende Auflistung der Schriftanspielungen in der Johannesapokalypse beizufügen. 9 Vgl. hierzu ferner die Bemerkungen von K ARRER, Von der Apokalypse zu Ezechiel (s.o. Anm. 4), 89. 10 Mit Recht fordert BEALE, Book of Revelation (s.o. Anm. 5), 85, zu beachten auf, dass es „varying degrees of context usage of OT passages“ in der Johannesapokalypse gibt; vgl. seine Darstellung und Analyse des Problems: aaO., 81–86. 11 B. J. ABASCIANO, Paul’s Use of the Old Testament in Romans 9.1–9: An Intertextual and Theological Exegesis, Library Of New Testament Studies 301, London 2005, 14ff. 12 Diese Differenzierung zwischen „words and phrases with no special allusion to particular contexts“ und „references in which it is clear that he has in view certain books and passages and is practically quoting from them, although no formula of quotation is used“ nimmt schon H. B. S WETE, Commentary on Revelation, Grand Rapids 1977 (= 3 1911), cliiif., vor. Allerdings müsste gegen Swete noch einmal zwischen Belegen unterschieden werden, die als „Anspielung“, und wenigen Texten, die als nicht durch eine Einleitungsformel markierte Zitate bestimmt werden können. 13 Ein Beispiel ist die Rezeption der Paradiesgeschichte, deren Aufnahme und deren handschriftliche Überlieferung M. LABAHN, Ausharren im Leben, um vom Baum des Lebens zu essen und ewig zu leben. Zur Textform und Auslegung der Paradiesgeschichte der Genesis in der Apokalypse des Johannes und deren Textgeschichte, in: H. Ausloos u.a. (Hg.), Florilegium Lovaniense. Studies in Septuagint and Textual Criticism in Honour of Florentino García Martínez, BEThL 224, Leuven 2008, 291–316, untersucht. Die Kennzeichnung des AT als „Steinbruch“ des Sehers (H. G IESEN, Die Offenbarung des Johannes, RNT, Regensburg 1997, 39) ist so zu pauschal oder wenigstens zu missverständlich, da die Auslegungen der Schriften und die Kontextrezeptionen zeigen, dass der Seher nicht (nur) atomistisch rezipiert.
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zuweisen, auch wenn diese Übereinstimmungen ebenfalls Spuren der Transformation durch Anpassung an den Kontext, an die Sprache und an die Theologie / Christologie des Sehers zeigen. Solche sprachliche Fokussierung dient dem Thema dieses Aufsatzes, der materialen Analyse der Textformen, die den Anspielungen / Zitaten zugrunde liegen. Wenngleich die so text- und sprachorientiert begründeten Anspielungen auch hinsichtlich ihrer Funktion als literarisches „Kunstmittel“ und somit hinsichtlich ihrer Wirkintention befragt werden können,14 bleibt dieser Aspekt in Bezug auf die Fragestellung nach den Textformen undiskutiert.15 Die Fragestellung des vorliegenden Aufsatz ist produktions- und nicht rezeptionsorientiert. Indizien für eine Anspielung sind eine wörtliche sprachliche Übereinstimmung in mindestens zwei Worten16 möglichst mit Gleichförmigkeit in der grammatikalischen Struktur zwischen Prä- und Zieltext („keyword“ oder Schlüsselbegriff), die im Unterschied zu einem stehenden Begriff, Motiv (Bedeutungs-Effekte) oder Echo als Besonderheit zwischen den beiden Texten zu benennen ist; dabei lassen sich graduelle Differenzen klassifizieren, die zwischen eindeutigen, wahrscheinlichen und möglichen An————————
14 Hinsichtlich der Ez-Rezeption betont beispielsweise T. H IEKE, Der Seher Johannes als neuer Ezechiel. Die Offenbarung des Johannes vom Ezechielbuch her gelesen, in: Sänger (Hg.), Das Ezechielbuch in der Johannesoffenbarung (s.o. Anm. 4), 1–30 (27f.), dass die „Einspielung der Ezechiel-Texte und das Wissen um die Zusammenhänge im Ezechielbuch … für das tiefere Verstehen der Offb-Visionen von großer Bedeutung, wenn nicht unabdingbar“ sind. Auch wenn man nicht so weit gehen will, so scheint der Text der Johannesapokalypse in seiner Schriftrezeption einen schriftkundigen Modellleser zu konstruieren, der sein Spiel mit Prätexten nicht nur goutieren, sondern mitgehen kann – dass die realen Leser und Leserinnen kein Spiegelbild dieses Modelllesers gewesen sein werden, bleibt zu beachten. 15 Vgl. zu dieser Differenzierung z.B. R. ZIMMERMANN, Jesus im Bild Gottes. Anspielungen auf das Alte Testament im Johannesevangelium am Beispiel der Hirtenbildfelder, in: J. Frey / U. Schnelle (Hg.), Kontexte des Johannesevangeliums: Das vierte Evangelium in religions- und traditionsgeschichtlicher Perspektive (unter Mitarbeit von J. Schlegel), WUNT 175, Tübingen 2004, 81–116 (93f.), der die „Wirkintention“ als „(e)ntscheidendes Kriterium“ der Anspielung ausmacht. Eine ausschließlich an der Wirkintention ausgerichtete Definition von Anspielung unterbreitet Jean Zumstein, der diese Differenzierung zum Definitionsmerkmal der Anspielung in Kontrast zum Zitat macht: „A ‚reference‘ is also an explicit form of intertextuality; however, in contrast to a quotation, text B refers to text A without presenting it in extenso – we are confronted here with a relationship in absentia. In contrast to a quotation, an ‚allusion‘ is neither an explicit nor a literal reproduction of text A in text B. Rather, a word or turn of phrase is used so as to call some other well-known text to mind.“ (J. ZUMSTEIN, Intratextuality and Intertextuality in the Gospel of John, in: T. Thatcher / S. D. Moore [Hg.], Anatomies of Narrative Criticism. The Past, Present, and Futures of the Fourth Gospel as Literature, SBL.RBS 55, Atlanta, GA 2008, 121–135 [133]; Hervorhebung M.L.) 16 Zu dieser „Minimalbedingung“ s.a. KOWALSKI, Rezeption des Propheten Ezechiel (s.o. Anm. 5), 61.
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spielungen unterscheiden.17 Die zurückliegende Diskussion brachte als weiteres Kriterium ein, dass die Verwendung eines gesicherten Prätextes die Wiederverwendung dieses Textes bzw. Textkomplexes wahrscheinlich macht (ein Kriterium zur Bestimmung von „echoes“ bei Hays18). Gegenüber der Anspielung hebt sich ein Zitat durch eine größere sprachliche Affinität zum Prätext und in der Regel durch eine Zitationsreferenz ab (zum Problem der Zitate in der Johannesapokalypse vgl. den folgenden Abschnitt). Gegenüber dem Echo, das Abasciano durch die mangelnde Autorenintention abgrenzt,19 ist das Kriterium sprachlich-syntaktischer, inhaltlicher und struktureller Übereinstimmung in Relation zu der Sprache und dem literarischem Design der Johannesapokalypse zu betonen.20 Ein Echo ist quasi der im Text ruchbare ‚Atemhauch‘ eines Prätextes.21 Die sprachli————————
17 Gelungen ist die dreifach gestufte Kategorisierung bei B EALE, Book of Revelation (s.o. Anm. 5), 78: „1. Clear allusion: the wording is almost identical to the OT source, shares some common core meaning, and could not likely have come from anywhere else. 2. Probable allusion: though the wording is not as close, it still contains an idea or wording that is uniquely traceable to the OT text or exhibits a structure of ideas uniquely traceable to the OT passage. 3. Possible allusion: the language is only generally similar to the purported source, echoing either its wording or concepts.“ Beales Beschreibung der dritten Kategorie entspricht der Vorstellung eines „echoes“, wie wir sie bei Hays finden (s. folgende Anm.); die Anspielung, die nicht rezeptionsorientiert definiert ist, sondern auf der Ebene des Textvergleichs und somit zunächst nur über diesen Bereich Auskunft gibt, sollte durch die sprachlichen Kriterien vom freieren Echo unterschieden bleiben. 18 Zum Kriterium der Mehrfachverwendung eines Prätextes als Intertexualitätsmarker vgl. R. HAYS, Echoes of Scripture in the Letters of Paul, New Haven, CT u.a. 1989, 29–32, der das Kriterium „of availability and recurrence“ anführt. 19 Nach A BASCIANO, Paul’s Use of the Old Testament (s.o. Anm. 11), 16, verweist eine Anspielung „to informal, intentional reference to a text, person, event, etc. other than quotation“, im Gegensatz zum Echo: „‚Echo‘ will denote allusion without reference to conscious intention“ (aaO., 17). Das Kriterium der „Autorenintention“ erfährt besondere Betonung für die Analyse der Johannesapokalypse durch J. P AULIEN, Criteria and the Assessment of Allusions to the Old Testament in the Book of Revelation, in: S. Moyise (Hg.), Studies in the Book of Revelation, Edinburgh 2001, 113–129 (119); ein „Echo“ wäre demnach eine Passage, „in which OT language and themes are utilized, but no intentional reference to any particular text is made“. 20 Zu Recht kritisch gegenüber dem Kriterium der Autorenintention ist D. M ATHEWSON, Assessing Old Testament Allusions in the Book of Revelation, EvQ 75 (2003), 311– 325 (316): „But in the absence of the historical author to arbitrate subsequent interpretations of his work, definite conclusions will remain tentative. All we have as a record of the author’s intention is the communicative act of the text itself.“ 21 Diese Metapher verweist zurück auf die metaphernhafte Bestimmung des Echos bei J. HOLLANDER, The Figure of Echo. A Mode of Allusion in Milton and After, Berkeley, CA 1981, 95: eine einzelne Vokabel, ein Wort „may easily carry rumors of its resounding cave“. In diesem Gefälle versteht MATHEWSON, Assessing Old Testament Allusions (s.o. Anm. 20), 322, ein Echo „to refer to more subtle usages and finer nuances,
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chen Affinitäten zu den erörterten Prätexten ermöglichen in stetigem Vergleich mit Sprache und Kontext der Johannesapokalypse (vgl. hierzu Abschn. 3.3) Rückschlüsse auf ihre Textform. Martin Karrer hat in seinem Beitrag „Von der Apokalypse zu Ezechiel. Der Ezechieltext der Apokalypse“ versucht, die Textstrukturen der Johannesapokalypse und des Ezechielbuches zu vergleichen;22 sein innovatives und überraschendes Resultat lautet: … die Apk benützt Ez zusätzlich zu unklaren und bestreitbaren Einzelmotiven in größeren Komplexen und einer Anordnung, die ein Bewusstsein für den Aufbau des Ezechielbuchs verrät. … Zugleich erweist die Reihe kleiner und doch unübersehbarer Abweichungen, dass die Apk das Ezechielbuch ihrer Struktur (mit ihrer Siebener-Gliederung etc.) nicht zugrunde legt, sondern es in diese Struktur einschmilzt. Die Verwandtschaft zum Aufbau des Ezechielbuches ist also literarischer Art und erst in zweiter Linie theologisch zu deuten.23
Die gravierendste Abweichung zwischen den Bauplänen, die „Verwerfung der Abfolge von Ez 37–39 in Apk 19,17–21,3“, erweist sich in der These von Karrer nicht als crux, sondern als clue. Karrer zeigt in seinem Beitrag, dass die zeitgenössische Ezechielrezeption inhaltlich und in der Darstellungsabfolge selektiv ist, so dass jede überein gehende Abfolge in der Akoluthie Beachtung verdient. Zudem erkennt Karrer ein Spiel mit den Lesern und ihrer Kenntnis des ezechielischen Prätextes, das im fehlenden Tempel des neuen Jerusalems (Apk 21,22 gegen EzLXX 41,124) seine deutlichste Pointe hat. In P967 (wohl 1. Hälfte 3.Jh. n.Chr.) und Codex Wirceburgensis (LaW: 6. Jh. n.Chr.) ist 36,23bβ–38 nicht enthalten und steht Ez 37 zwischen Kap. 38f. und 40, was dem Rezeptionsschema der Johannesapokalypse nach Karrer entspricht:25
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although there still remains the question as to how subtle and finely nuanced a given instance of OT influence must be to be considered an echo“. 22 KARRER, Von der Apokalypse zu Ezechiel (s.o. Anm. 4), 90ff. Zu strukturbildenden Einflüssen atl. Texte auf die Komposition und Ereignisfolge des Apokalypsetextes s.a. BEALE, Book of Revelation (s.o. Anm. 5), 86ff. („Old Testament Segments as Literary Prototypes“). 23 KARRER, Von der Apokalypse zu Ezechiel (s.o. Anm. 4), 92f. 24 S.a. S. BØE, Gog and Magog. Ezekiel 38–39 as Pre-text for Revelation 19,17–21 and 20,7–10, WUNT II/135, Tübingen 2001, 368f. 25 Tabelle: KARRER, Von der Apokalypse zu Ezechiel (s.o. Anm. 4), 116.
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Die Septuaginta und die Johannesapokalypse Apk
Einzelbezüge (Auswahl)
Ez A, B, krit. Editionen
Einzelbezüge (Auswahl)
Keinerlei Anspielung auf Ez 36,23bβ–38
Ez p967, vgl. LaW Lücke von 36,23bβ–38
Kap. 19 Schreckensmal
Kap. 39 19,17f.21
Kap. 20 Auferstehung
39,4.17–20 Kap. 37
20,4 Kap. 20 Gog-Magog
37,10 Kap. 38–39
20,8.10 Kap. 21,1–8 Gottes Wohnen bei den Menschen
Abfolge von Kap. 37 zu 38 wie A, B 38,6.22; 39,6
Kap. 37
21,398
Kap. 38–39 vor 37. Die Abfolge der Apk entspricht daher derjenigen in p967
Die Abfolge der Apk entspricht wieder derjenigen in p967 37,27
Karrer schließt: Die Tabelle bestätigt, dass die Apk im großen Duktus der Abfolge von p 967 näher steht, das aber einmal zugunsten des A- und B- bzw. protomasoretischen Textes durchbricht (Ez 37,10 in Apk 20,4). Damit spricht sehr viel dafür, dass die Apk als Leittext einem zu p967 verwandten LXX-Text folgte, aber außerdem die Umstellung der protomasoretischen und A-B-Textform kannte.26
Die Darlegung ist bestechend, allerdings durch die Annahme unterschiedlichen Einflusses so komplex, dass sie Rückfragen provoziert. Man kann etwa wie Beale, ausgehend von seinen Danielstudien, den strukturierenden Einfluss von Ez 1 auf Apk 4f. in Frage stellen.27 Das entscheidende Problem ist, ob die Parallelen wirklich „ein Bewusstsein für den Aufbau des Ezechielbuchs“ und damit in der strukturellen Besonderheit den Blick auf eine bestimmte griechische Textform öffnen oder doch in der Parallelität des plots liegen, der von einer Berufungsszene zu einem Endszenarium reicht. ————————
26 KARRER, Von der Apokalypse zu Ezechiel (s.o. Anm. 4), 117; s.a. J. LUST , The Final Events in Revelation and in Ezekiel, in: J. Lambrecht (Hg.), L’Apocalypse johannique et l’Apocalyptique dans le Nouveau Testament, BEThL 53, Gembloux u.a. 1980, 179–183, der für Apk 20–22 die Kenntnis der beiden Textformen, in der das Ezechielbuch überliefert wurde, annimmt: „The author of the Apocalypse knew both editions of Ezekiel’s work. He combined them in his vision of the last events. He overlooked the historical views suggested by the second edition and interpreted its scene of the revival of the dry bones as a first resurrection to be followed by a second one.“ (183). 27 KARRER, Von der Apokalypse zu Ezechiel (s.o. Anm. 4), 117.
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Trotz dieser Fragen zeigt Karrers Studie, dass außerdem ein Vergleich der Bausstruktur zwischen Johannesapokalypse bzw. Textsegmenten und möglichen Modelltexten aus den Schriften Israels für ihr Verständnis lohnend ist und Auskünfte über verwendete Texte und bisweilen sogar über konkrete Textformen geben kann. 2.3 Zitate in der Johannesapokalypse? Seit langem wurde betont, dass die Johannesapokalypse keine formal gekennzeichneten Zitate aus den biblischen Schriften bietet.28 Als Zitat ist zu verstehen: die „wörtl. Übernahme einer Wendung, eines Satzes, Verses oder längeren Abschnittes, auch eines mündl. Ausspruches eines anderen Autors in ein literar. Werk (oder die mündl. Rede) mit Nennung des Verfassers, oft auch der Quelle, sei es durch bes. Hinweise im Text, sei es durch Fußnoten oder Anmerkungen, im Druck meist durch graph. Auszeichnung (Anführungszeichen, Kursivdruck etc.) hervorgehoben. Die Verfasserangabe kann evtl. entfallen bei Z.en mit breitem Bekanntheitsgrad“. 29
Die Abwesenheit solcher mit metasprachlichen Einleitungsformeln markierten Zitate fällt in der Johannesapokalypse innerhalb der neutestamentlichen Schriftrezeption auf, muss aber nicht notwendig bedeuten, dass alttestamentliche Schriften nicht als Zitate begegnen, da die Markierung durch eine Zitationsformel nur eine mögliche Kennzeichnung von Zitaten ist. Dieser Aspekt wurde in der jüngeren Forschung vor allem von Jan Fekkes und Steve Moyise30 betont. Fekkes differenziert zwischen „formal quotation“ („any portion of OT text accompanied by any additional word or phrase which the author uses to introduce that text“), „informal quotations“ („OT citations without introductory formulae“) und Anspielungen,31 wohingegen Moyise feststellt:
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28 Als ein Beispiel mag die Aussage zur Johannesapokalypse in der Aufstellung ntl. Zitate in Swetes Einleitung zum Alten Testament in Griechisch dienen: „The Apocalypse does not quote, but its language is full of O. T. phraseology …“ (H. B. S WETE, An Introduction to the Old Testament in Greek, revised by R. R. Ottley, Cambridge 1914, 392). Diese Feststellung findet sich oft wiederholt; dort, wo sie ausdrücklich begründet wird, geschieht dies mit Hinweis auf das Fehlen von Zitationsformeln. 29 I. S CHWEIKLE, Art. Zitat, in: G. u. I. Schweikle (Hg.), Metzler Literaturlexikon. Begriffe und Definitionen. Stuttgart 21990, 511. 30 Z.B. S. MOYISE, The Psalms in the Book of Revelation, in: S. Moyise / M. J. J. Menken (Hg.), The Psalms in the New Testament, The New Testament and the Scriptures of Israel, London 2004, 231–246 (231). 31 FEKKES, Isaiah and Prophetic Traditions (s.o. Anm. 5), 61.
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there are a number of allusions which I would qualify as unmarked quotations in terms of verbal affinity to known sources. But John’s technique is not to introduce them with an introductory formula or even a break in syntax.32
Hans Hübner, der Fekkes zustimmend aufnimmt, fordert für seine auf den Schrift-Zitaten aufruhende Biblische Theologie des Neuen Testaments: für die Apk sollte man weithin auf die zumindest für die übrigen neutestamentlichen Schriften sinnvolle Unterscheidung von Zitat und Anspielung verzichten, sie passt nicht in das theologische Koordinatensystem dieser Schrift. 33
Hübner selbst hilft sich durch die anregende Konzeption des Sehers als eines Theologen, dem es um die „eine göttliche Realität repräsentierenden Bilder“ geht.34 Allerdings sind andere Formen der Markierung, zu der die sprachliche Identität zwischen zitiertem Text und Rezeptionstext über eine längere grammatikalische Einheit hinweg gehören,35 eine zu beachtende, ————————
32 MOYISE, The Psalms in the Book of Revelation (s.o. Anm. 30), 231. Das Stichwort „unmarked“ oder „unmarkiert“, wie es vom Wuppertaler DFG-Projekt (s.o. Anm. *) benutzt wird, bezieht sich auf die Absenz einer expliziten metasprachlichen Einführung, insbesondere einer formula quotationis. Das Stichwort bestreitet nicht das Faktum von „Markierung“ im Sinne eines Signals der Textrezeption, wie es die hohe verbale Übereinstimmung signalisiert; Moyise bestimmt dieses Phänomen von Markierung als „verbal affinity to known sources“. Zur Markierung in der Intertextualitätsdiskussion vgl. grundlegend J. HELBIG, Intertextualität und Markierung. Untersuchungen zur Systematik und Funktion der Signalisierung von Intertextualität, Beiträge zur neueren Literaturgeschichte III/141, Heidelberg 1996. M. TILLY, Textsicherung und Prophetie. Beobachtungen zur Septuaginta-Rezeption in Apk 22,18f, in: F. W. Horn / M. Wolter (Hg.), Studien zur Johannesoffenbarung (FS Otto Böcher), Neukirchen-Vluyn 2005, 232–247 (232), verwendet in Unterscheidung zu den „mit den üblichen Formeln explizit als solches“ eingeführten Passagen den Begriff „implizite Zitate“. 33 H. HÜBNER, Biblische Theologie des Neuen Testaments 3. Hebräerbrief, Evangelien und Offenbarung. Epilegomena, Göttingen 1995, 207. Hübner führt aus: „Was nämlich der Seher von Patmos tut, ist gerade nicht, daß er mit förmlichen alttestamentlichen Zitaten theologische Gehalte argumentativ begründet, wie dies Paulus und die meisten anderen Autoren neutestamentlicher Briefe, ja selbst die Evangelisten praktizieren. Der Seher Johannes will nicht theologisch argumentieren! Er will vielmehr seinen Lesern Bilder vor Augen stellen; seine Leser sollen sehen. Und diese Bilder sind eben weitesthin aus dem Alten Testament genommen“. 34 HÜBNER, Biblische Theologie des Neuen Testaments 3 (s.o. Anm. 33), 207. Zur Bildersprache der Johannesapokalypse s.a. J. FREY, Die Bildersprache der Johannesapokalypse, ZThK 98 (2001), 161–185; M. LABAHN / O. LEHTIPUU (Hg.), Imagery in the Book of Revelation, Contributions to Biblical Exegesis and Theology 60, Leuven 2011. 35 Ein Beispiel für ein sehr hohes Maß an sprachlicher und grammatischer Übereinstimmung liegt in Apk 20,9b vor, wo aus dem Himmel Feuer herabfällt und das gegnerische Heer verschlingt. Die Feststellung umfasst über sieben Worte hinweg sprachliche und syntaktische Übereinstimmung mit 4Bas 1,14: „Siehe, Feuer kam vom Himmel herab …“ (Apk 20,9b: καὶ κατέβη πῦρ ἐκ τοῦ οὐρανοῦ καὶ κατέφαγεν αὐτούς. ║ 4Bas 1,14a : ἰδοὺ κατέβη πῦρ ἐκ τοῦ οὐρανοῦ καὶ κατέφαγεν τοὺς δύο πεντηκοντάρχους τοὺς πρώτους
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aber oftmals problematischer zu fixierende Relation als die rezeptionssteuernde Markierung durch formula quotationis36. Dem Fehlen formal gekennzeichneter Zitate entspricht auf der Gegenseite eine hohe kreative, selektive und kombinierende Rezeption von Prätexten durch den Seher. An dieser Stelle begegnen wir dem Zentralproblem der Analyse der Rezeption biblischer Schriften durch den Seher. Es ist zunächst einmal methodisch evident zu machen, dass eine als Zitat bzw. als Anspielung zu bezeichnende Rezeption vorliegt, die von weitläufigeren Rezeptionsmodellen wie dem Echo oder dem Motiv zu unterscheiden ist. Bei einzelnen Rezeptionen ist die sprachlich-syntaktische Übereinstimmung zwischen Referenz- und Rezeptionstext derart dicht, dass im Sinne der Deskription von Moyise von ‚unmarkierten Zitaten‘ zu handeln ist (z.B. Dan θ 7,13 in Apk 1,7a;37 PsLXX 85,9 in Apk 15,438; Dan 10,6 in Apk 1,14; Dan θ 7,21 in Apk 11,7). 2.4 Die Kombination und Überlagerung verschiedener Prätexte in der Johannesapokalypse Ein weiteres Problem für die Identifikation möglicher Prätexte und den Rückschluss auf Textformen liegt in der Überlagerungstendenz bzw. der Kombination verschiedener Prätexte in der Rezeption des Sehers: Moreover, the book of Revelation uses OT very freely. … In his own particular way the author of Revelation combines texts and images of OT into an individual narrative. Consequently, it is not easy to make a distinction between an allusion to one specific text on
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καὶ τοὺς πεντήκοντα αὐτῶν). Der Negativeffekt des Feuers betrifft jeweils Menschen. Gegen die Bestimmung als Anspielung/Zitat könnte das Vorkommen der Wendung πῦρ ἐκ τοῦ οὐρανοῦ in Gen 19,24; 1Chr 21,26; 2Chr 7,1 (τὸ πῦρ κατέβη ἐκ τοῦ οὐρανοῦ καὶ κατέφαγεν τὰ ὁλοκαυτώµατα καὶ τὰς θυσίας); Hi 1,6 sprechen. Zumeist weichen jedoch das Verb, der Kontext und die jeweilige Konstruktion ab, so dass die literarische Relation zwischen 4Bas 1,14 und Apk 20,9 nicht in Frage gestellt wird. Schwieriger erfolgt die Argumentation in Bezug auf 2Chr 7,1, da die sprachliche Differenz nur gering ausfällt. Allerdings betrifft der Negativeffekt die Opfergaben. Ein weiteres Indiz für die Relation zu Apk 13,13 ist, dass das zweite Tier als Zeichen Feuer vom Himmel regnen lässt. Als Legitimationszeichen nimmt Apk 13,13 deutlich Bezug auf Elias Handeln in 2Kön 1,10ff. Das Zeichen des Tiers ist jedoch im Vergleich mit 20,9 eine Karikatur; in der Kombination von Apk 13,13 und 20,9 wird m.E. deutlich, dass der Seher ein intertextuelles Spiel mit 2Kön 1,10ff. spielt, so dass ich tatsächlich 4Bas 1,14 in 20,9 zitiert finde. 36 Auch stellt sich die Frage, ob in Einzelfällen Spuren einer formula quotationis wie das einleitende ὅτι in der Schriftrezeption des Sehers mit entsprechender Funktion nachweisbar sind; vgl. z.B. Apk 15,4b; hierzu U. S CHMID u.a., Beobachtungen zum Psalmentext der neutestamentlichen Zitate, in: W. Kraus u.a. (Hg.), Die Septuaginta. Texte, Theologien und Einflüsse, WUNT, Tübingen 2010 (im Erscheinen). 37 S.u. S. 31. 38 Vgl. S CHMID u.a., Beobachtungen zum Psalmentext (s.o. Anm. 36).
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the one hand, and the existence of a theme, an idea or a symbol which is not derived from one specific text on the other.39
Dabei interessiert an dieser Stelle weniger die Frage nach der Intentionalität solcher Referenzen, die in der Forschung ebenfalls strittig ist, sondern Möglichkeiten und Grenzen ihres Nachweises. Im Text des Sehers finden sich oftmals und sehr souverän kombiniert verschiedenartige Texte aus unterschiedlichen Schriften, so dass die Interferenzen dieser Überlagerungen mitsamt der Kreativität des Sehers eine Identifikation des Prätextes schwierig bis gelegentlich unmöglich machen.40 Zudem liegen bisweilen die Formulierungen möglicher Prätexte so eng beieinander, dass es zwar wahrscheinlich ist, dass der Seher in diesen Fällen nicht allein auf stehende atl. Motive, sondern auf einen konkreten Textzusammenhang zurückgreift, aber die Bestimmung dieses rezipierten Textes bleibt methodisch nahezu unkontrollierbar (Beispiele: Apk 9,2 [aufgrund sprachlicher Kohärenz liegt ein Einfluss aus Gen 19,28 oder Ex 19,18 vor];41 4,2 [das Thronen des ————————
39 J. VAN RUITEN, The Intertextual Relationship Between Isaiah 65,17–20 and Revelation 21,1–5b, EstB 51 (1993), 473–510 (474). Zu diesem Phänomen vgl. BEALE, Book of Revelation (s.o. Anm. 5), 79–81; BEALE / MCDONOUGH, Revelation (s.o. Anm. 1), 1083–1085; s.a. schon SWETE, Commentary on Revelation (s.o. Anm. 12), cliv. Swete schreibt diese Kombinationen nicht dem Konto der Kreativität des gestaltenden Autors, sondern der Präsenz im Gedächtnis zu: „… the Apocalyptist’s use of his Old Testament materials is artless and natural; it is the work of a memory which is so charged with Old Testament words and thoughts that they arrange themselves in his visions like the changing patterns of a kaleidoscope, without conscious effort on his own part“ (s.a. L. H. V OS, Synoptic Traditions in the Apocalypse, Kampen 1965, 38f.). Doch wird man, ohne zu neuen Pauschalurteilen greifen zu wollen, der gestaltenden Kraft des Sehers mehr Gewicht einräumen müssen und mit intendierten und kunstvoll gestalteten Kombinationen verschiedener Texte, Textfragmente, Bilder und Motive rechnen müssen. Eine Übersicht über „Mischanspielungen“ aus den umfassenden und einflussreichen Bereichen Ezechiel, Jesaja und Daniel bietet B. KOWALSKI, Rezeption des Propheten Ezechiel (s.o. Anm. 5), 73–83; s.a. VOS, aaO., 39f. Z.B. die Darstellung des Reiters auf dem weißen Pferd in Apk 19,15a: καὶ ἐκ τοῦ στόµατος αὐτοῦ ἐκπορεύεται ῥοµφαία ὀξεῖα, ἵνα ἐν αὐτῇ πατάξῃ τὰ ἔθνη (Jes 11,4; 49,2 mitsamt der in Apk textinternen Schwert-Motivik: 1,16; 2,12.16) καὶ αὐτὸς ποιµανεῖ αὐτοὺς ἐν ῥάβδῳ σιδηρᾷ (Ps 2,9). 40 Diese Problematik thematisiert besonders S. M OYISE, The Language of the Old Testament in the Apocalypse, JSNT 76 (1999), 97–113. 41 In Apk 9,2 sind verschiedene Text- oder Motiveinflüsse miteinander verwoben (vor allem das Verdunkeln der Sonne: Joel 2,10 u.ö. oder das Verdunkeln des Landes), was zeigt, dass es dem Seher vor allem um die kreative Neugestaltung durch Verwendung von Motiven und Prätexten geht. Der aufsteigende (mit dem Verb ἀναβαίνω) Rauch (ἀτµίς bzw. φλόξ [eigentlich die Flamme, aber auch das, was um eine Flamme herum begegnet, von der Glut bis zur lodernden Hitze] und καπνός) wird mit dem Rauch eines Ofens (Rauch + καµίνου) verglichen (ὡσεί bzw. ὡς) und zwar in einer grammatikalisch analogen Konstruktion zwischen Gen 19,28 und Apk 9,2. Es liegt somit eine hohe sprachliche Kohärenz vor, die im AT sich nur noch mit Ex 19,18 vergleichen lässt: καὶ ἀνέβαινεν ὁ καπνὸς ὡς καπνὸς καµίνου, wo man im Blick auf den Wortgebrauch für
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Thronenden ist wohl als Echo oder eher als atl. inspiriertes Motiv zu werten; anders Charles, der Jes 6,1 und / oder 1Kön 22,19; s.a. 2Chron 18,1842 als mögliche Prätexte annimmt]). Es obliegt in Bezug auf die Bestimmung möglicher, vom Seher genutzter Prätexte offensichtlich dem methodisch reflektierten Blickwinkel des Exegeten / der Exegetin, welchem Text ein Prä zugemessen wird. Die Lösung von Beate Kowalski erscheint an diesem Punkt vorteilhaft, wenn sie zwischen primären Bezugsversen (Plural!) und Con-Versen unterscheidet, wobei sie im Sinne ihrer Studie die Ezechiel-Rezeption zumeist als den je gewichtigen Einfluss deutet.43
3 Textform 3.1 Kurzer Abriss der Forschungsgeschichte44 Die Suche nach der Quelle, aus der der Seher die Inspiration für seinen Choral der Sinne schöpft, ist im zurückliegenden Forschungsjahrhundert ————————
„Rauch“ sogar ein höheres Maß an Übereinstimmung finden kann. Zu Ex 19,18 sind aber zwei wichtige Differenzen herauszustellen. Es wird kein Ort angegeben, woher der Rauch aufsteigt, und es handelt sich nicht um einen Gerichtskontext, sondern um die Begleiterscheinung einer Theophanie. Inhaltlich geht es in der Anspielung nicht allein um das Motiv, sondern um die Erinnerung an den Untergang von Sodom und Gomorra und das Mitschwingen des Gedankens an das göttliche Gericht. 42 Der bei R. H. C HARLES , The Revelation of St. John in Two Volumes, ICC, Edinburgh, ND 1956, lxxviii, belegte Befund zweier möglicher Prätexte belegt die Uneindeutigkeit der Situation. Erschwerend kommt hinzu, und dies unterscheidet die Problematik bei Apk 4,2 u.ö. von anderen Texten, bei denen ebenfalls zwei mögliche Prätexte diskutiert werden können, dass das Thronen Gottes in seinem himmlischen Thronsaal keine singuläre Aussage ist, weder im AT (2Kön 19,15; Ps 55,20 [MT diff. LXX]; 80,2; Jes 37,16) noch im zeitgenössischen Judentum (Bar 3,3: ὅτι σὺ καθήµενος τὸν αἰῶνα) noch in der antiken Umwelt (D. E. AUNE, Revelation, Bd. 1–3, WBC 52A–52c, Dallas, TX 1997/98, 284f., verweist für die Formel καθήµενος ἐπί als Gottesepitheton auf magische Texte). Auch die gemeinsame Verwendung der sprachlichen Bausteine dieser formelhaften Wendung als Gottesbezeichnung lässt sich, wenngleich in geringem Maße, nachweisen: Sir 1,8 (καθήµενος ἐπὶ τοῦ θρόνου αὐτοῦ) und VitAd 37,4. Trotz der sprachlichen Schnittmenge zwischen Apk 4,2 u.ö. und seinen potentiellen Prätexten ist daher keine Bestimmung als Anspielung möglich. 43 KOWALSKI, Rezeption des Propheten Ezechiel (s.o. Anm. 5), 72f. 44 S.a. z.B. M. C IMOSA, L’autore dell’Apocalisse ha usato la Bibbia greca?, in: E. Bosetti / A. Colacrai (Hg.), Apokalypsis. Percorsi nell’Apocalisse in onore di Ugo Vanni, Commenti e studi biblici. Sezione Studi Biblici, Assisi 2005, 63–92 (63–67); K ARRER, Von der Apokalypse zu Ezechiel (s.o. Anm. 4), 99–101; B. M ARCONCINI, L’utilizzazione del T.M. nelle citazioni Isaiane dell’Apocalisse, RivBib 24 (1976), 113–136 (114–119).
Die Septuaginta und die Johannesapokalypse
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oftmals in exklusiven Alternativen betrieben worden.45 Die folgende exemplarische Darstellung klassischer Antworten aus der Forschungsgeschichte zeigt, dass eine Alternative von hebräischem Text oder Septuaginta nicht durchgehalten werden kann, sondern auf ein Spektrum an Textformen zurückverwiesen wird, das aus drei Gruppen besteht: der Septuaginta, den griechischen Rezensionen, die im ersten nachchristlichen Jahrhundert mit der Septuaginta konkurrierten, und – im Falle des Sehers – den hebräischen Texten als möglicher Quelle bzw. Einfluss. In den umfassenden und forschungsgeschichtlich bedeutsamen Kommentaren von Robert Henry Charles und Henry Barclay Swete vom Beginn des 20. Jahrhunderts findet die Auseinandersetzung über die Textform der in der Johannesapokalypse verwendeten Anspielungen und Echos eine grundlegende und methodisch reflektierte Alternative, wobei zunächst die Position von Charles größere Gefolgschaft erhielt. Er plädiert für einen direkten Rückgriff des Sehers auf die hebräische Textform. So formuliert Charles in seinem klassischen Apokalypsekommentar von 1920 als Merksatz: John translated directly from the O. T. text. He did not quote from any Greek Version, though he was often influenced in his renderings by the LXX and another later Greek Version, a revised form of the o’ (i.e. the LXX), which was subsequently revised and incorporated by Theodotion in his version.46
Diese These zeigt, dass Charles deutlich die Nähe der AT-Rezeption zur LXX und zu den LXX-Rezensionen des 1. Jh.s. n.Chr. erkennt und in seine Konzeption zu integrieren sucht, die den Seher als produktiven Rezipienten des hebräischen Textes versteht. Noch pointierter, aber damit zugleich einseitiger und methodisch angreifbarer äußert sich Charles in seinen Apokalypse-Studien: All but universally our author uses not the LXX but the Hebrew text of the Old Testament.47
Die Differenz der rezipierten Texte wird zum Kriterium eigenständiger Übersetzung aus dem Hebräischen, die zur eigentlichen Erklärung von Textform und Rezeption wird. Diese findet in der Gegenwart Aufnahme vor allem durch Jan Fekkes.48 ————————
45 Natürlich wird angesichts des kreativen einschmelzenden Prozesses der Schriftrezeption des Sehers die methodische Frage nach der Berechtigung und dem Wert der Diskussion um ihre Textform(en) gestellt; vgl. VOGELGESANG, The Interpretation of Ezekiel (s.o. Anm. 5), 16ff. 46 CHARLES, The Revelation of St. John (s.o. Anm. 42), lxvi. Wichtig ist, dass Charles die Gültigkeit dieser These auch für die von ihm angenommenen Quellen des Sehers beansprucht. 47 R. H. C HARLES, Studies in the Apocalypse. Being Lectures Delivered Before the University of London, Edinburgh 1913 (Neudruck Eugene, OR 1996), 88. 48 FEKKES, Isaiah and Prophetic Traditions (s.o. Anm. 5), 17; zustimmend B. W ITHERINGTON III, Revelation, The New Cambridge Bible Commentary, Cambridge 2003, 11.
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Anders Swete in seinem Kommentar von 1906, der 1911 in dritter Auflage erschienen ist: The Apocalyptist generally availed himself of the Alexandrian version of the Old Testament. The familiar phraseology of the LXX. meets us everywhere, and here and there we observe its peculiar renderings… On the other hand many of the references depart widely from the LXX, in particular words, where the writer of the Apocalypse has either rendered independently, or has used another version, or possibly a text of the LXX different from that which is found in our MSS.49
Swete versteht die Rezeption des Danielbuches durch den Seher als eine Ausnahme; hier ist nicht das Old Greek, d.h. der potentiell älteste erreichbare Text der LXX, sondern eine Textform, die dem Theodotion-Text nahe steht, aufgenommen.50 Hinsichtlich des Einflusses des Hebräischen fällt er eine von seinen Zeitgenossen diametral abweichende Entscheidung: If it can be asked whether there are traces in the Apocalypse of a direct use of the Hebrew Old Testament, the answer must be that the departures from the LXX may perhaps in every instance be otherwise explained.51
In der folgenden Phase bleibt die Abhängigkeit des Apokalypsetextes von der hebräischen Textform das beherrschende Erklärungsmodell für die Schriftrezeption des Sehers.52 In seinem schmalen, aber für die Fragestellung nicht zu unterschätzenden Beitrag „Die alttestamentliche Sprache des Sehers Johannes“ von 1961 fasst Eduard Lohse die Positionen von Bousset und Charles mustergültig zusammen und eignet sie sich an, allerdings nicht ohne auf die für den deutschsprachigen Raum als Pionierarbeit zur Fragestellung zu bezeichnende Monographie „Das Alte Testament in der johanneischen Apokalypse“ von Adolf Schlatter53 zu verweisen:
———————— 49
SWETE, Commentary on Revelation (s.o. Anm. 12), cliv. SWETE, Commentary on Revelation (s.o. Anm. 12), clvf.: „The evidence at any rate shows that Theodotion preserved a considerable number of readings which were current in the first century, and that the Greek text of Daniel known to the Apocalyptist came nearer to the Theodotionic than to the Chigi text.“; s.a. S WETE, Introdution to the Old Testament in Greek (s.o. Anm. 28), 48. 51 S WETE, Commentary on Revelation (s.o. Anm. 12), clvi (Hervorhebung, M.L.). 52 S.a. z.B. MARCONCINI, L’utilizzazione del T.M. (s.o. Anm. 44), 119ff.; A. V ANHOYE, L’utilisation du Livre d’Ezéchiel dans l’Apocalypse, Bib 43 (1962), 436–476 (445ff.). Versuche, aus der wahrscheinlichen Dreisprachigkeit eines palästinischen Juden(-Christen) eine Nutzung des Aramäischen zu erweisen, bleiben vereinzelte und isolierte Ausnahmen (z.B. L. P. TRUDINGER, Some Observations Concerning the Text of the Old Testament in the Book of Revelation, JThSt 17 [1966] 82–88), da diese These im Modus der griechischen Übersetzung kaum vom Hebräischen differenzierbar ist. 53 A. S CHLATTER, Das Alte Testament in der johanneischen Apokalypse, BFChrTh 16,6, Gütersloh 1912. 50
Die Septuaginta und die Johannesapokalypse
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Er (der Seher; M.L.) ist vielmehr in den Schriften der Propheten so tief verwurzelt, daß er sich ständig ihrer Worte bedient, sie aus dem Hebräischen wörtlich in sein Griechisch überträgt und auf diese Weise geradezu einen ‚heiligen Stil‘ entwickelt. 54
Der Einfluss des griechischen Textes ist in diesem älteren Forschungsgang nicht völlig ignoriert, aber, wenn ein Einfluss beachtet wurde, limitiert worden. So stellt Ernst Lohmeyer fest: Nur in einer geringen Zahl von Fällen ist die LXX-Uebersetzung herangezogen; oft setzt der Text eine andere griechische Version voraus (so vor allem für Dan), öfter noch scheint der Grundtext in eigener und freier Uebersetzung wiedergegeben. 55
Lohmeyer rechnet hier bereits mit einem Horizont, auf dem drei verschiedene Textformen präsent sind: einerseits die Septuaginta, andererseits andere griechische Versionen und schließlich eine eigene und freie Übersetzung des Sehers aus hebräischen Texten. Zwar lässt sich die Frage stellen, ob seine Quantifizierung dem gegenwärtigen Forschungs- und Kenntnisstand Stand hält, der mit Recht deutlich stärker den Bezug auf Textebenen gegenüber eigenständiger Übersetzungsvorgänge des Sehers betont (s.u.), aber seine Bewertung hält die Möglichkeit eines differenzierten Einflusses offen.56 In der jüngeren Forschung scheint sich eine breite Tendenz zu entwickeln, die der These von Swete nahe steht.57 Hier wird nicht dem hebräischen Text das Prä zugemessen, sondern angenommen, dass der Seher seine Referenzen der LXX oder doch wenigstens griechischen Textformen ———————— 54
E. LOHSE, Die alttestamentliche Sprache des Sehers Johannes, in: ders., Die Einheit des Neuen Testaments. Exegetische Studien zur Theologie des Neuen Testaments, Göttingen 1973, 329–333 (330). 55 LOHMEYER, Offenbarung des Johannes (s.o. Anm. 6), 195. 56 Am Rande muss notiert werden, dass die versuchten Nachweise unterschiedlicher Textformen bisweilen literarkritisch ausgewertet werden. So unterscheidet H. VON SODEN, Urchristliche Literaturgeschichte (Die Schriften des Neuen Testaments), Berlin 1905, 171ff., zwischen einer jüdischen Apokalypse in Apk 8,1–22,5 und Texten des Johannes; in Bezug auf die verwendete Textform reklamiert er, dass die „Johannes zugehörigen Teile … stets nach der Septuaginta“ zitiert werden, die jüdische Apokalypse hingegen „berücksichtigt den hebräischen Text“. Trotz des neuerlichen literarkritischen Interpretationsansatzes von Aune (Revelation I [s.o. Anm. 42], cxxff.) ist die Forschung eher zurückhaltend gegenüber weitreichenden Quellenhypothesen der Johannesapokalypse; vgl. U. SCHNELLE, Einleitung in das Neue Testament, UTB 1830, Göttingen 62007, 558f. Die bei von Soden vorgeschlagene Verteilung der Textformen kann als eher willkürlich bewertet werden, die so dem komplexen Befund nicht gerecht wird. 57 Anders fällt das Votum bei BEALE, Book of Revelation (s.o. Anm. 5), 78, aus, der den Stand bis Ende der neunziger Jahre und dabei besonders die Kommentare zur Johannesapokalypse in den Blick nimmt; s.a. BEALE / MCDONOUGH, Revelation (s.o. Anm. 1), 1083, die für ihre These auf Literatur bis 1985 verweisen (Ozanne 1965; Trudinger 1966; S. THOMPSON, The Apocalyse and Semitic Syntax, MSSNTS 52, Cambridge u.a. 1985 [Neudruck 2005], 1f.102–108 [Thompson beschäftigt sich hier mit Problemen der semitischen Syntax, nicht mit der AT-Rezeption]).
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seiner Zeit entnimmt.58 Als aktueller Exponent kann Michael Tilly beispielhaft genannt werden, der in seinen methodisch klar argumentierenden Beiträgen zur Schriftrezeption der Johannesoffenbarung die griechische Texttradition, die Septuaginta und ihre Revisionen, als ausschließliche Quelle der Schriftrezeption erklärt: Es kann als wahrscheinlich gelten, dass die Stellen, an denen der Text der Bibelzitate und Anspielungen in der Apk von der LXX abweicht, nicht auf die Benutzung einer hebräischen bzw. aramäischen Vorlage hinweisen. Solche Abweichungen lassen sich vielmehr dadurch erklären, dass hier entweder ein griechischer Bibeltext Verwendung fand, der sich von der späterhin im Christentum bestimmend gewordenen Texttradition unterschied, oder – und das ist am wahrscheinlichsten – dass der Verfasser ‚frei‘ zitierte und im Rahmen seiner kreativen schriftstellerischen Tätigkeit immer wieder kleinere Modifikationen seiner biblischen Traditionsstoffe vornahm. 59
Soweit dies als eine Gewichtung gegenüber dem weiterhin als möglich angesehenen hebräischen Einfluss gemeint ist, scheint dies als notwendige und berechtigte Korrektur der Betonung einer Vorrangstellung des Hebräischen angemessen.60 Dort, wo im eingangs genannten Sinn eine sprachliche Abhängigkeit zwischen möglichen Prätexten und dem Text der Johannesapokalypse zu beobachten ist, belegt die Schnittmenge mehrheitlich große sprachliche Übereinstimmungen mit dem Text der Septuaginta (dazu unten Abschn. 3.4.3). In diesem Fall stellt sich die methodologische Frage, ob die Annahme einer eigenständigen Rezeption aus dem Hebräischen nicht eine zusätzliche oder gar überflüssige Hypothese darstellt.61 Auch bei Beale werden in Bezug auf die Danielrezeption drei verwendete Textformen bestätigt: HT, Theodotion und LXX; zur Erläuterung dieser rätselhaften Dreifachrezeption findet sich folgender Antwortversuch: sie „merely points to his acquaintance with them, whether in some (fluid?!) textual form or through acquaintance with traditions
————————
58 Z.B. MOYISE, The Psalms in the Book of Revelation (s.o. Anm. 30), 245, der in einer abgewogenen Stellungnahme, zumindest für die Psalmen, feststellt: „there is enough to affirm that John knew and used a Greek translation of the Psalms“. 59 TILLY, Textsicherung und Prophetie (s.o. Anm. 32), 232f.; wie Tilly betont auch M. REISER, Sprache und literarische Formen des Neuen Testaments. Eine Einführung, UTB 2197, Paderborn u.a. 2001, 85, dass der Seher „an der Septuaginta vorbei auf den hebräischen Text zurückgegriffen hat, scheint mir nicht erwiesen“. 60 Von den bedeutenden Monographien der jüngeren Forschungsgeschichte wird die Vorrangstellung des Hebräischen z.B. noch von FEKKES, Isaiah and Prophetic Traditions (s.o. Anm. 5), passim, vertreten. 61 So jedoch z.B. M. KARRER, Von der Apokalypse zu Ezechiel (s.o. Anm. 4), 118; s.a. BEALE / MCDONOUGH, Revelation (s.o. Anm. 1), 1083: „The likelihood is that John draws from both Semitic and Greek biblical sources and often modifies both“; M OYISE, Old Testament in the Book of Revelation (s.o. Anm. 5), 18 Anm. 25; S CHNELLE, Einleitung [s.o. Anm. 56], 559: „Zitate und Anklänge sind teilweise von der LXX oder anderen späteren Übersetzungen beeinflusst, vielfach zeigt sich aber eine eigene Kenntnis des hebräischen oder aramäischen Textes“.
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which may have already reflected the combinations“; 62 es stellt sich allerdings die Frage, wie weit das Problem generell durch Referenzen auf vorausgehende Traditionen gelöst werden kann. Ist die kreative Schriftrezeption doch das tragende Merkmal der Textgestaltung des Sehers. Beate Kowalski führt 19[20] Ez-Anspielungen auf „MT“ und 11 auf LXX zurück. Bei 96[97] Stellen trifft sie keine Entscheidung: „Die hohe Anzahl der Verse, in denen der jeweilige ezechielische Bezugsvers weder dem MT noch der LXX zuzuordnen ist, rät zur Zurückhaltung bezüglich einer Theorie der Textbenutzung.“ 63 Kowalski bleibt bei diesem zurückhaltenden Urteil nicht stehen, sondern der „Verfasser der Offb hat den Wortlaut von Versen aus Ez in der LXX Version ebenso gekannt wie Verse aus der Überlieferung des MT“. 64 Zur Erklärung verweist sie auf zwei wichtige Aspekte, (1) das Phänomen der Zweisprachigkeit des Sehers und (2) die Funktion des Gedächtnisses: „Ob man daraus schlussfolgern kann, dass der Verfasser der Offb beide Textfassungen des Ez, den MT und den der LXX vollständig gekannt hat, ist damit nicht bewiesen. … Bei der größten Anzahl der Fälle wird man sich ohnehin weder für die eine noch die andere Möglichkeit entscheiden können: nämlich bei den Ez-Versen, bei denen die Übersetzung der LXX mit dem MT in größtmöglicher Übereinstimmung steht. Die Vorstellung, der Verfasser der Offb habe beide Textversionen schriftlich vor sich gehabt und je auswählen können, welche er nun für seine Intentionen am besten gebrauchen konnte, entspringt der modernen exegetischen Textarbeit. Eher wird man annehmen müssen, dass Johannes bilingual gewesen ist und sich Teile des AT in der Fassung des MT und andere in der LXX-Version in seinem Gedächtnis eingeprägt haben“.65 Beide Aspekte – Zweisprachigkeit und Gedächtnis – sind innovativ und weiter in der Arbeit an den Textformen zu profilieren; die Präsenz und Bedeutung des LXX-Textes, im Falles des Ez-Textes möglicherweise sogar in der globalen Textstruktur nachweisbar (Karrer; s.o.), lassen eine differenzierte Antwort nach der physischen Präsenz von Texten bzw. einer literarischen Relation notwendig sein und zwar in Bezug auf die häufig zu beobachtende sprachliche Kohärenz zwischen Prä- und Zieltext, die auch hinter dem „Gros“ der von Kowalski unentschiedenen Texte steht.
Allerdings ist die Situation nicht bei allen diskutierten Rezeptionen eindeutig, da sprachlichen Übereinstimmungen Abweichungen gegenüber stehen, die zwar der Kreativität des Sehers zugeschrieben werden können, aber den Befund komplizierter machen. Als Aufgabenstellung bleibt daher zu prüfen, ob und welche der drei verschiedenen als Quelle der atl. Anspielungen und Zitate diskutierten Textformen sich bestätigen lassen. Grundsätzlich sollte keine Möglichkeit außer Acht gelassen werden, und das bedeutet gegenüber dem Diktum von Tilly, einen möglichen direkten oder indirekten Einfluss des hebräischen Textes beispielsweise durch das (konstruktive) Gedächtnis zu prüfen. Dies kann im Folgenden nur jeweils in Auswahl erfolgen, wobei die Beispiele so gewählt werden, dass sie auch Problemstellungen der jeweiligen Argumentationsstränge aufzeigen. ———————— 62 63 64 65
BEALE, Use of Daniel (s.o. Anm. 5), 311f. KOWALSKI, Rezeption des Propheten Ezechiel (s.o. Anm. 5), 267. AaO., 268. Ebd.; Hervorhebungen M.L.
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3.2 Text und Texte: Zur Ausgangslage Bevor mit Hilfe konkreter Einzelbeispiele die Diskussion um die Textformen der Rezeption durch die Johannesapokalypse exemplarisch ausgeführt wird, ist auf die komplexe Lage der Textüberlieferung im ersten und im beginnenden zweiten Jh. n.Chr.66 hinzuweisen. Die zu unterschiedlichen Zeiten übersetzten griechischen Bücher des „Alten Testaments“ haben neue Übersetzungen zur Seite gestellt bekommen, in der die Übersetzung der LXX, auch Old Greek genannt, an den hebräischen (proto-masoretischen) Text angepasst wurde;67 dazu gehört der Textfund der Zwölfprophetenrolle von Nahal Hever (8HevXIIgr),68 der als Zeuge für die Kaige-Rezension gilt.69 Zeugnisse der Entwicklung des griechischen Textes sind auch die mit den Namen Aqulia, Theodotion und Symmachus verbundenen griechischen Rezensionen, wie sie durch die Hexapla70 des Origenes71 auf uns gekommen sind. Diese griechischen Übersetzungen nehmen wenigs————————
66 Das gegenwärtig in der Diskussion befindliche Abfassungsdatum zwischen 60 und 132–135 n.Chr., wobei mehrheitlich an das Ende des 1.Jh. n.Chr. gedacht wird (vgl. zusammenfassend SCHNELLE, Einleitung [s.o. Anm. 56], 551f.), ändert das Problem bestenfalls marginal. 67 Vgl. z.B. N. F. M ARCOS, The Septuagint in Context. Introduction to the Greek Versions of the Bible, Leiden 2000, 109–187; M. TILLY, Einführung in die Septuaginta, Einführung Theologie, Darmstadt 2005, 81–92; s.a. F. S IEGERT , Register zur „Einführung in die Septuaginta“. Mit einem Kapitel zur Wirkungsgeschichte, Münsteraner Judaistische Studien 13, Münster 2003, 361–365. 68 Zu Einordnung, Fundgeschichte und Text s. E. T OV, The Greek Minor Prophets Scroll From Nahal Hever (8HevXIIgr) (The Seyâl Collection I, DJD VIII), Oxford 21995; s.a. B. EGO u.a. (Hg.), Minor Prophets, Biblica Qumranica 3B, Leiden u.a. 2005. 69 Darstellung der aktuellen Diskussion um die kaige-Rezension z.B. bei K. H. J OBES / M. SILVA, Invitation to the Septuagint, Grand Rapids, MI 2000, 284–287. 70 Vgl. hierzu die Beiträge bei A. S ALVESEN (Hg.), Origen’s Hexapla and Fragments. Papers Presented at the Rich Seminar on the Hexapla. Oxford Centre for Hebrew and Jewish Studies, 25th July – 3rd August 1994, TSAJ 58, Tübingen 1998; s.a. S IEGERT , Register (s.o. Anm. 67), 365ff. 71 Noch immer unersetzt ist die Ausgabe von Frederick Field: Hexapla quae supersunt (Origenis Hexaplorum quae supersunt); sive veterum interpretum graecorum in totum vetus testamentum fragmenta. Post Falminium nobilium, Drusium, et Montefalconium adhibita etiam versione syro-hexaplari, concinnavit, emendavit, et multis partibus auxit F. Field, 2 Bände, Oxford 1875. Als wichtige Ergänzung und Korrektur zu Field ist der zweite Apparat der Göttinger Septuaginta zu betrachten. Eine kritische Neuausgabe der Fragmente der Hexapla von Origenes ist durch das Hexapla Institute geplant (http://www.hexapla.org); über Methodik und Durchführung anhand des Buches „Genesis“ informieren R. B. TER HAAR ROMENY / P. J. GENTRY, Towards a New Collection of Hexaplaric Material for the Book of Genesis, in: B. A. Taylor (Hg.), X Congress of the International Organization for Septuagint and Cognate Studies, Oslo 1998, SCS 51, Atlanta, GA 2001, 285–299.
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tens teilweise ältere Textformen auf, wobei besonders die Aquila und Theodotion zugeschriebenen Texte der kaige-Rezension nahe stehen. Es hat somit im Zeitraum der neutestamentlichen Rezeption der Schriften Israels konkurrierende griechische Texte gegeben, und es stellt sich damit im Falle der einzelnen Anspielungen (und Zitate) jeweils die Frage, welche Textform rezipiert wurde. Aufgrund der fragmentarischen und indirekten Überlieferung der griechischen Konkurrenzübersetzungen zu der schließlich primär vom frühen Christentum überlieferten Septuaginta können letztlich auch neutestamentliche Schriftzitate und mit geringerem Evidenzwert Anspielungen zu Zeugnissen dieser sich dem hebräischen Wortlaut annähernden Rezensionen werden. Es sind also zu unterscheiden die Textform der Septuaginta und mit ihr konkurrierende Textrezensionen des griechischen Textes, die gelegentlich den griechischen Wortlaut an den hebräischen Text angleichen. Daneben ist – nicht allein aus forschungsgeschichtlichem Interesse – die hebräische Textüberlieferung zu bedenken. Wie bereits ausgeführt, kann die neutestamentliche Schriftrezeption ein Zeugnis für die (hebraisierenden) griechischen Textrezensionen sein, allerdings gelangt man dabei leichthin in einen methodischen Zirkel, da nicht immer dort, wo ein dem hebräischen Text nahestehender griechischer Text begegnet, dieser – eingebettet im griechischen Kontext – ein Zeugnis für hebraisierende Textrezension sein muss. Bei dieser Beurteilung sind weitere Kriterien erforderlich. Wenn man dem Seher der Johannesoffenbarung etwa ein hebraisierendes Griechisch zuschreiben darf,72 muss man mit Kenntnis der hebräischen Schrif————————
72 Zum semitischen Einfluss auf das Griechisch des Sehers vgl. J. F REY, Erwägungen zum Verhältnis der Johannesapokalypse zu den übrigen Schriften des Corpus Johanneum, in: M. Hengel, Die johanneische Frage. Ein Lösungsversuch, WUNT 67, Tübingen 1993, 326–429 (373–380); vgl. bes. 379: „Die stilistische Auswahl des Apokalyptikers aus den im Griechischen seiner Zeit möglichen Kategorien wie etwa die Meidung von Kompositaverben oder der völlige Verzicht auf den Genetivus absolutus läßt daher auf einen semitischen Sprachhintergrund des ,Apokalyptikers letzter Hand‘ selbst schließen, sie wäre bei einer bloßen Prägung durch die LXX oder einer bewußten Imitation alttestamentlicher Sprachmuster kaum erklärlich“. Frey kann für diese Analyse auf wichtige Vorarbeiten zurückgreifen. Besonders zu nennen ist: G. M USSIES, The Greek of the Book of Revelation, in: J. Lambrecht (Hg.), L’Apocalypse johannique et l’Apocalyptique dans le Noveau Testament, BEThL 53, Gembloux u.a. 1980, 167–177. Im Blick auf die sprachliche Gesamtgestalt der Johannesapokalypse, die andererseits auch relativ gute Griechischkenntnisse des Sehers und seines Textes belegen, wie z.B. R OLOFF, Offenbarung des Johannes (s.o. Anm. 3), 20, betont, weist Frey sie den gestaltenden theologischen Tendenzen des Sehers zu: „Gerade die auffälligsten Regelverstöße und Härten lassen sich nicht einfach der hebraisierenden Tendenz des Verfassers anlasten, ein Teil von ihnen entstammt auch der Übernahme alttestamentlicher oder liturgischer Sprachmuster und damit einer bewußten theologischen Gestaltungsabsicht.“ Zum Gestaltungswillen des Sehers in seinen sprachlichen Semitismen s.a. BEALE / MCDONOUGH, Revelation (s.o.
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ten rechnen, was noch mal ein anders Problem aufwirft. Für diese Annahme ergibt sich m.E. die Notwendigkeit, entweder die hebraisierende Textform durch Varianten der griechischen Textüberlieferung (vor allem Aqulia, Theodotion und Symmachus) zu stützen oder die Möglichkeit einer direkten Rezeption aus dem Hebräischen einzurechnen. 3.3 Erwägungen zur Methodik Methodisch ist in der Diskussion um mögliche Zitate und Anspielungen eine Umgestaltung zu bedenken und auszuweisen, da in all den genannten Rezeptionsmodellen die rhetorisch-argumentative Transformation des Sehers für seine im Text der Johannesapokalypse zu findende Rezeption der Schriften Israels leitend bleibt. Wo eine Transformation im Rezeptionstext nachweisbar ist, lassen sich Prätexte möglicherweise begründeter transparent machen, andererseits verlieren Rückschlüsse auf Textformen durch die Veränderung an Evidenz. Entscheidungen und Bewertungen sind aufgrund der Komplexität am jeweiligen Einzeltext zu fällen. Im Gegensatz zu rezeptionsorientierten Intertextualitätskonzepten, die durch das freie Spiel möglicher Textrelationen ein vertiefendes Verstehen von Texten und Lesern / Leserinnen erzeugen, ist die Frage nach den möglichen Textformen der Rezeption an konkrete Wortübereinstimmungen gebunden, die möglichst so umfangreich sein müssen, dass sie zu verifizierbaren und evaluierbaren Aussagen gelangen lassen. 3.4 Textbeispiele Für die möglichen Rezeptionen atl. Texte in der Johannesapokalypse führe ich im Folgenden signifikante Beispiele an. 3.4.1 Hebräische Vorlage (HT) – oder die „Macht der Erinnerung“ Für Untersuchungen der Frage eines möglichen direkten Rückgriffs durch den Seher auf den hebräischen Text eignen sich die Beleglisten bei Charles73 als Ausgangspunkt. Hier kann das nur an einem Beispieltext diskutiert werden, der zugleich die Besonderheit der Schriftrezeption des Sehers und ihrer Identifizierbarkeit mit in den Blick nimmt. Ich wähle die Aufnahme von Hos 12,8(9) in Apk 3,17.74 ————————
Anm. 1), 1087: „It seems that his grammatical ‚howlers‘ are deliberate attempts to express Semitisms and septuagintalisms in his Greek… The fact that most of the time the author does keep the rules further points to the solecisms being intentional“. 73 CHARLES, The Revelation of St. John (s.o. Anm. 42), lxviii–lxxix. 74 Die Rezeption von Hos 12,8(9) in Apk 3,17 sehen auch z.B. BEALE, Book of Revelation (s.o. Anm. 5), 304; G. R. BEASLEY-MURRAY, Revelation, NCBC, Neudruck
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Im letzten der sieben Sendschreiben an die Gemeinde in Laodizea wird an den allgemeinen Vorwurf religiöser Gleichgültigkeit – die Gemeinde lässt den vom Seher geforderten Einsatz „für ein kompromissloses christliches Leben“75 vermissen – mit V.17 angeknüpft. In Kontrast zum Sendschreiben an die „arme“ Gemeinde zu Smyrna (vgl. 2,9) steht in Laodizea das Selbstverständnis wirtschaftlichen Wohlergehens,76 das zudem Beleg
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Grand Rapids, MI 1992, 105f.; GIESEN, Offenbarung des Johannes (s.o. Anm. 13), 140f.; C. J. HEMER, The Letter to the Seven Churches of Asia in Their Local Setting, The Biblical Resource Series, Neudruck Grand Rapids, MI u.a. 2001, 184.191 („v.17 echo the Masoretic text of Hos. 12.8); LOHMEYER, Offenbarung des Johannes (s.o. Anm. 6), 38; H. KRAFT , Die Offenbarung des Johannes, HNT 16a, Tübingen 1974, 85; U. B. M ÜLLER, Die Offenbarung des Johannes, ÖTBK 19, Gütersloh u.a. 1984, 136. 75 GIESEN, Offenbarung des Johannes (s.o. Anm. 13), 140, der die Alternative von heiß und kalt nicht im Sinne der Alternative radikaler Nachfolge und gesellschaftlicher Anpassung deuten möchte; so aber z.B. MÜLLER, Die Offenbarung des Johannes (s.o. Anm. 74), 136. Diese Deutung der Alternative ist angesichts des Drohworts 3,16, der radikalen und exklusiven Ethik des Sehers (vgl. exemplarisch K. S CHOLTISSEK, „Mitteilhaber an der Bedrängnis, der Königsherrschaft und der Ausdauer in Jesus“ [Apk 1,9]. Partizipatorische Ethik in der Offenbarung des Johannes, in: K. Backhaus [Hg.], Theologie als Vision. Studien zur Johannes-Offenbarung, SBS 191, Stuttgart 2001, 172–207; s.a. M. WOLTER, Christliches Ethos nach der Offenbarung des Johannes, in: Horn / Wolter [Hg.], Studien zur Johannesoffenbarung [s.o. Anm. 32], 189–209) und des in 3,17 dargestellten Selbstverständnisses, das ein gewisses Arrangement in der gesellschaftlichen Umwelt und mit ihren wirtschaftlichen Kräften voraussetzt, wenig wahrscheinlich. 76 Die Einbeziehung von Hos 12,8(9) als Hintergrund für Apk 3,17 stützt den ökonomischen Aspekt. Teilnahme am wirtschaftlichen Prozess bedeutet auch Teilnahme an gesellschaftlichen und religiösen Konventionen. So sieht A. S ATAKE, Die Offenbarung des Johannes, KEK 16, Göttingen 2008, 188, unter Hinweis auf Apk 18,3.15.19 materiellen Reichtum als „ein Ergebnis ihrer Kompromisse mit der Umwelt“. H. U LLAND, Die Vision als Radikalisierung der Wirklichkeit in der Apokalypse des Johannes, TANZ 21, Tübingen 1997, 148, verweist angesichts des Lokalkolorits von Laodizea als „bedeutendste Stadt Phrygiens“ (Tacitus, Annales XIV 27,1), die sich nach dem Erdbeben von 60/61 aus eigener Finanzkraft wieder aufbaute (hierzu z.B. H EMER, Letter to the Seven Churches [s.o. Anm. 74], 193ff.; zum Reichtum allgemein: 191–196, jeweils mit antiken Belegen), auf den Wortsinn, schließt aber mit Blick auf die Anwendung in 3,18 eine intendierte Doppeldeutigkeit des Adjektivs πλούσιος nicht aus. Ulland übergeht in seiner Analyse die mögliche Rezeption von Hos 12,8(9). Eine spirituelle Deutung von πλούσιός εἰµι vertritt z.B. KRAFT , Offenbarung des Johannes (s.o. Anm. 74), 85: „reich an Geistesgaben“. Ein „enthusiastisches Denken …, das dem von Paulus in 1Kor 4,8 ironisch kritisierten gleicht“, erwägt J. W. TAEGER, Begründetes Schweigen. Paulus und paulinische Tradition in der Johannesapokalypse, in: ders., Johanneische Perspektiven. Aufsätze zur Johannesapokalypse und zum johanneischen Kreis 1984–2003, hg.v. D. C. Bienert und D.-A. Koch, FRLANT 215, Göttingen 2006, 121–138 (131). Taeger verweist das Problem von 3,17 in die frühchristliche Theologiegeschichte; vor dem Hintergrund der Schriftrezeption ist aber eher an sozialgeschichtliche Entwicklungen zu denken.
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des Anspruchs eines geistlichen Wohlbefindens ist,77 in Alternative zur geforderten radikalen christlichen Lebensführung (V.17a). ὅτι λέγεις ὅτι πλούσιός εἰµι καὶ πεπλούτηκα καὶ οὐδὲν χρείαν ἔχω, … Denn du sagst: Ich bin reich und bin wohlhabend / reich geworden und bedarf nichts, …
Diese Interpretation wird gerade im Horizont des rezipierten Prätextes deutlicher begründet. In der prophetischen Kritik an Ephraim wird zunächst kaufmännisches Fehlverhalten durch Fälschung der Waage vorgeworfen, das für die generelle Liebe des Unrechts steht. Dann folgt auch in Hos 12,8(9) die Selbstreflexion des durch den Propheten kritisierten Charakters: καὶ εἶπεν Εφραιµ Πλὴν πεπλούτηκα, εὕρηκα ἀναψυχὴν ἐµαυτῷ. πάντες οἱ πόνοι αὐτοῦ οὐχ εὑρεθήσονται αὐτῷ δι᾿ ἀδικίας, ἃς ἥµαρτεν. Und Ephraim sprach: Ja, ich bin reich geworden, ich habe eine Erholung für mich selbst gefunden. Alle seine Mühen sollen nicht für ihn (als im Gericht ausreichend) gefunden werden, um des Unrechts willens, das er sündigte.
Dass in Apk 3,17 eine Anspielung auf Hos 12,8(9) vorliegt, ist (1) durch sprachliche Konvergenzen sowohl zum hebräischen wie zum griechischen Text78 und (2) durch inhaltliche Übereinstimmungen zu begründen. Apk 3,14–22 fordert eine Umkehr der Laodizener und korrigiert damit direkt ihr Selbstverständnis, das auf dem Hintergrund des Selbstverständnisses der Kaufleute aus Ephraim nach Hos 12,7(8)f. gelesen wird. Auf der sprachlichen Ebene finden sich zwischen Apk 3,17 und Hos LXX 12,8(9) Differenzen, die bis zum direkten Gerichtsspruch in V.8(9)b reichen. In der Darstellung des Selbstverständnisses der Kaufleute aus Ephraim in V.8(9)a, aber mehr noch im Schuldspruch von V.8(9)b, der wahrscheinlich der schwierigen Konstruktion des Verses in HT geschuldet ist, lassen sich zwischen HT79 und LXX deutliche Differenzen markieren:
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77 Mit umgekehrter Schlussfolgerung, aber analoger Pointe B EALE, Book of Revelation (s.o. Anm. 5), 304: „their healthy spiritual welfare was indicated by their economic prosperity“; s.a. R. H. MOUNCE, The Book of Revelation, NICNT, 21997, 110. 78 Als keywords sind in Bezug auf den Septuagintatext folgende Begriffe zu benennen: λέγεις, πλούσιός εἰµι, πεπλούτηκα. 79 In diesem Aufsatz wird der hebräische Text um der leichteren Lesbarkeit willen masoretisch vokalisiert.
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Hos 12,9
ר־ח ְט א ֵ שׁ ֶ אוּ־ל י ָעוֹן ֲא ִ יעי א י ִ ְמ ְצ ַ ִאת י אוֹן ִל י ָכּ ל־י ְג ִ שׁ ְר ִתּי ָמ ָצ ַ אמ ר ֶא ְפ ַר י ִם ַא ָע ֶ ֹ ַו יּ Und Efraim spricht: Aber / gewiss, ich bin reich geworden, ich habe Kraft / Reichtum für mich gefunden. Was alles, was ich mir erwarb, betrifft, 80 wird man an mir keine Schuld finden, die Sünde ist.
Bereits in V.8(9)a finden sich Abweichungen in der Darstellung des Selbstbewusstseins der Kaufleute hinsichtlich ihres erlangten Reichtums.81 καὶ εἶπεν Εφραιµ Πλὴν πεπλούτηκα, εὕρηκα ἀναψυχὴν ἐµαυτῷ. Und Efraim sprach: Aber ich bin reich, ich habe eine Erholung für mich selbst gefunden …
אמ ר ֶא ְפ ַר י ִם ֶ ֹ ַו יּ ַא שׁ ְר ִתּ י ַ ָע את י אוֹן ִל י ִ ָמ ָצ Und Efraim sprach: Aber / gewiss, ich bin reich geworden, ich habe Kraft / Reichtum für mich gefunden …
MT drückt in zwei sprachlich unterschiedlich gestalten Formulierungen dieselbe Sache aus: den Erwerb von Reichtum. LXX vermeidet dies, indem sie nur einmal den Reichtum und dann die daraus resultierende Erleichterung artikuliert. Das griechische Substantiv ἀναψυχή begegnet in der LXX dreimal und übersetzt jeweils verschiedene hebr. Vorlagen אוֹןI (Kraft, Reichtum: Hos 12,8[9]), ( ֵבּ ַט חSicherheit: JerLXX 30,26[49,31]) und ִר ָו י ָה (Sättigung, Erquickung: PsLXX 65[66],12). אוֹןI wird hingegen neben ἀναψυχή durch δόξα (Ehre, Herrlichkeit; äußerst selten), δύναµις (Kraft, äußerst selten) und τὸ ὑπάρχον / τὰ ὑπάρχοντα (Vermögen; zweimal) wiedergegeben.82 Dass ἀναψυχή nicht ganz dem hebräischen Wortlaut entspricht, ist in der Überlieferung des griechischen Textes realisiert worden und führte zu Varianten. So bietet Theodotion ἀνάπαυσις (Ruhe / Erholung), und Aquila interpretiert mit erhobenem Zeigefinger ἀνωφελὴς αυτῷ (82) („unnütz für mich selbst“), wobei sich allerdings beide ebenfalls nicht in bereits vorhandene Übersetzungen von אוֹןI einreihen. Aquila zeigt dabei ———————— 80 Zur Übersetzung vgl. die Bemerkungen bei W. R UDOLPH, Hosea, KAT, XIII/1, Gütersloh 1966, 223f. 81 Diese Passage fehlt in 8HevXIIgr. 82 Ich gebe hier nicht die bei T. M URAOKA, Hebrew/Aramaic Index to the Septuagint. Keyed to Hatch-Redpath Concordance, Grand Rapids 1998, ad voc., durch eckige Klammern als „implausible“ gekennzeichneten Einträge wieder. Der Eintrag ἐπιδεής bei Muraoka verweist auf hebr. ָע נ ִי.
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einen direkten Rückgriff auf HT, da ἀνωφελής als Interpretation von אוֹן durch עוֹןin V.8(9)b inspiriert sein wird. Diese Varianten weisen keine signifikante Nähe zur doppelten Verwendung des Stammes πλουσ- in der Johannesoffenbarung auf. Der Stamm πλουσ- begegnet in LXX nicht als Übersetzung von אוֹןI, obwohl er der Semantik des hebräischen Wortes nahe steht. Deutlicher ist die Differenz in V.8(9)b. Die LXX enthält einen Schuldֶ ל־עוֹן ֲא ָ יעיו לא ֹ י ִ ָמּ ְצאוּ לוֹ ַע ָ ִ י ְגlautet.83 Überlespruch, der hebräisch שׁ ר ָח ָט א gungen, dass dieser Schuldspruch eine Variante des hebräischen Textes enthält, sind insofern unwahrscheinlich, als der Subjektswechsel erst in ֶ הוה ֱא ָ ְ ְו אָנ ֹ ִכ י י. V.9(10) mit pointiert eingeleiteter Gottesrede erfolgt: Ðהי¢ V.8(9)b entspricht im hebräischen Text insofern der Erzähllogik, als er den Vorwurf der prophetischen Rede durch das eigene Unschuldsbewusstsein kontrastiert. Ein solches selbstzufriedenes Unschuldbewusstsein artikuliert sich auch in Apk 3,17 καὶ οὐδὲν χρείαν ἔχω, was hier in Relation zur Christusverkündigung des Sehers zu setzen ist. Der Seher nimmt nicht den Vorwurf amoralisch erworbenen Gewinns auf, sondern thematisiert durch οὐδὲν χρείαν ἔχω eine Selbstvergessenheit, die zu Ungunsten des geforderten Ernstes der christlichen Lebensgestaltung geht. Die Nähe zwischen Apk 3,17 und Hos 12,8(9) ist kenntlich, wobei Apk 3,17 mit πλούσιός εἰµι καὶ πεπλούτηκα deutlicher auf HT als auf den Text der LXX und seine Entwicklungen bei Theodotion und Aquila zurückgreift.84 Der Seher bezieht die erste Form auf den Zustand des Reich-Seins, die zweite auf das Erlangen des Reichtums und gestaltet so das Verb מצא nach. Angesichts der Nähe zwischen HT und der Johannesapokalypse einerseits und der Differenzen zwischen LXX und HT/Apk andererseits ist die Option eines Einflusses des Hebräischen auf den Seher die beste Erklärungsmöglichkeit, wenn man bereit ist, eine Anspielung von Apk 3,17 auf Hos 12,8(9) zu akzeptieren. Erneut zeigt sich in dieser Rezeption die eigenständige und kreative Rezeption, die den Kontext des Prätextes mit reflektiert. Es findet eine Travestie des Selbstverständnisses der Kaufleute aus Ephraim statt, indem das (falsche Hos 12,8[9]) Selbstverständnis der Sündlosigkeit in die „Armseligkeit“ (Apk 3,17b) der unerkannten Umkehrbedürftigkeit (Apk-Kontext und 3,19b) gewandelt wird. Das Selbstbewusstsein der Laodizener wird im Licht des Prätextes als falsch und wohl als eine Adaption an das Verhalten der Umwelt gekennzeichnet, wenn der Seher כנעin Hos 12,7(8) wie die ———————— 83
Z.B. H. W. WOLFF, Dodekaproheton I. Hosea, BK XIV/1, Neukirchen-Vluyn 1976, 268: 9b–b. 84 Anders urteilt jedoch E. F. LUPIERI, A Commentary on the Apocalypse of John, Italian Texts and Studies on Religion and Society, Grand Rapids, MI 2006, 129, der Apk 3,17 näher an LXX als HT sieht. 3
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Septuaginta auf Kanaan deutet.85 Ist die Drohung in Hos 12,9(10) die „Ankündigung der neuen Wüstensituation“,86 so findet dies in der Forderung neuerlicher Bewährung und Umkehr in Apk 3,18f. eine kreative, aber sachgerechte Adaption. Durch Verwendung von atl. Prätexten wird aus einem Einzelfall ein wiederkehrendes Identifikationsschema. In diesem Licht lassen sich die Sendschreiben als transparent für die Leser / Leserinnen auch außerhalb der Adressatenorte lesen. Der Vergleich und die Analyse zeigen, dass ein Einfluss des hebräischen Prophetentextes möglich, m.E. sogar sehr wahrscheinlich ist. Die sprachliche und inhaltliche Gestalt erinnert an Hos 12,8(9) in seinem literarischen Kontext und diese Erinnerung findet sich in Apk 3,17 wieder. Ob damit der hebräische Text als direkte, literarische Vorlage zu verstehen ist, stellt ein anderes Problem dar. Cilliers Breytenbach hat in einem Beitrag zur Synoptischen Frage auf den Anteil der Gedächtnispsychologie an dem Verständnis von Übereinstimmungen und Differenzen in parallelen Überlieferungen hingewiesen und die Rolle von Grundstrukturen, Schlüsselmotiven und Schlüsselbegriffen in der Bewahrung von Erinnerungen / Traditionen betont.87 Diese Überlegungen ermöglichen einen plausiblen Lösungsansatz für den Einfluss des hebräischen Textes.88 ———————— 85 S.a. R UDOLPH, Hosea (s.o. Anm. 80), 222, 8a, anders z.B. W OLFF, Hosea (s.o. Anm. 83), 268: 8a. 86 W OLFF, Hosea (s.o. Anm. 83), 279, als Aufnahme von Hos 2,1ff.16ff; 9,15.17. 87 C. BREYTENBACH, MNHMONEYEIN. Das „Sich-erinnern“ in der urchristlichen Überlieferung – Die Bethanienepisode (Mk 14,3–9/Jn 12,1–8) als Beispiel, in: A. Denaux (Hg.), John and the Synoptics, BEThL 101, Leuven 1992, 548–557. 88 Weitere in der Projektarbeit diskutierte Beispiele sind: z.B. Apk 1,7 und Ex 3,14 (die dynamische Struktur der Selbstvorstellung Gottes in HT gegenüber der partizipialen in LXX); Apk 5,8 und Ps 140(141),2 (die Übertragung des לdurch ὡς in LXX vergleicht, während HT und Apk 5,8 eine sachliche Identität darstellen). Weiterhin beachtenswert ist die Rezeption der ins Universelle ausgeweiteten jes. Gerichtsbotschaft gegen Idumäa in der Johannesapokalypse: vgl. Apk 6,14 und Jes 34,4. Der Seher fügt in die aufgenommene und leicht variierte Wendung aus JesLXX 34,4 ein weiteres Verb ein, ἀπεχωρίσθη (sich teilen / spalten [angesichts des Bildes der zusammenrollenden Buchrolle eine ungeeignete Übersetzung, die jedoch in W. BAUER u.a., Wörterbuch, 205 vorgeschlagen wird], weggehen, verschwinden; im NT nur hier und in Apg 15,39 [s.a. Mt 19,6 D05]), womit er das Zusammenrollen des Himmels als dessen Entfernung aus dem kosmologiָ ל־צ ָב א ַה ְ ְו נ ָ ַמ קּוּ ָכּreflektieren (so schen Gefüge interpretiert; diese Wendung könnte שּׁ ַמ י ִם HT, aber die Textlesung ist umstritten; z.B. H. W ILDBERGER, Jesaja 3. Teilband. Jesaja 28–39, BK X/3, Neukirchen-Vluyn 1982, 1326; zu HT s.a. 1QJes a), so dass wir einen interessanten Doppeleinfluss aus HT (aus dem Gedächtnis) und LXX bedenken müssten; die griechischen Versionen ergänzen JesMT 34,4a durch das Verb τήκοµαι mit Heer bzw. Kraft / Kräfte des Himmels. Interessant ist, dass ein ähnlicher Doppeleinfluss auch für die Rezeption von Jes 34 in Apk 14,11 ausgemacht werden kann. LXX erzeugt eine andere syntaktische Struktur als HT, bei der die Zeitangabe noch zu 34,9 gerechnet werden muss. LXX unterscheidet das Brennen des Landes bei Nacht und Tag, sein Nicht-
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Obgleich der Seher griechische Textvorlagen verwendet, schlägt doch seine ursprüngliche Bekanntschaft mit hebräischen Texten durch und nimmt Einfluss auf die Gestaltung des Rezeptionstexts; die Macht des konstruktiven Gedächtnisses lässt Schlüsselmomente (Begriffe, Textstrukturen, Motive etc.) in Abweichungen zum griechischen Text erkennen, die durch das kreativ bewahrende Gedächtnis gestaltend auf den Zieltext eingreifen. Die Abweichungen zum Griechischen sind also nicht allein der Kreativität, sondern eher dem konstruktiven Gedächtnis geschuldet. Das Hebräische ist als Erinnerung einflussreich auf den Text der Johannesapokalypse.89 3.4.2 Septuaginta In der großen Mehrzahl der als Anspielungen oder als – im oben genannten Sinne – unmarkierte Zitate zu bestimmenden Texte weist die erkennbare sprachliche Schnittmenge Übereinstimmungen der Johannesapokalypse mit dem Text der Septuaginta auf. Die sprachlichen Affinitäten innerhalb der griechischsprachigen Texte sind auf der Ebene des Prätextes mit dem hebräischen Text zu vergleichen, wo sich im Regelfall keine gravierenden bzw. eindeutig auswertbaren Differenzen zwischen hebräischer und griechischer Sprachform benennen lassen, die die Annahme eines indirekten ————————
Erlöschen auf ewig und das Aufsteigen des Rauchs nach oben. HT differenziert zwischen dem Nichterlöschen bei Nacht und Tag und dem ewigen Aufsteigen des Rauchs. Syntaktisch scheint Apk 14,11 HT näher zu stehen, im verwendeten Vokabular, soweit nicht durch die Neugestaltung überlagert, spiegelt es LXX wieder. Apk 14,11 ist kein Zitat, nimmt aber sprachliche Bestandteile aus Jes 34,10 derart dicht auf (ὁ καπνὸς, εἰς αἰῶνας αἰώνων, ἀναβαίνει, οὐκ, ἡµέρας καὶ νυκτός), dass diese Dichte nur als eine relativ sichere „Anspielung“ interpretiert werden kann. Aus dem sprachlichen Material und der mit ihm verbundenen Motivik schafft der Seher ein mit Jes verwandtes, aber doch neues Bild. Aus dem Land, das als ein schwelendes Feuer wie brennendes Pech dargestellt wird, wird beim Seher eine Höllen-Szene die bereits auf den Feuersee, 20,14f.; 21,8 (ἐν τῇ λίµνῃ τῇ καιοµένῃ πυρὶ καὶ θείῳ ↔ 14,10: καὶ βασανισθήσεται ἐν πυρὶ καὶ θείῳ) vorweg verweist. Intratextualität und Intertextualität greifen in Apk 14,11 nahezu unauflöslich ineinander; der Rückbezug auf Jes 34 stellt das in der Apk erzählte Gerichtshandeln in den Horizont des Eintritts des universell ausgeweiteten, prophetisch angekündigten Gerichtshandelns aus Jes 34 (wie schon Apk 6,13f.). Die Brandmotivik ordnet zudem den Untergang der Hure Babylon in dieses globale Gerichtshandeln ein (vgl. Apk 18,8; 19,3). In Apk 19,3 wird dieser Zusammenhang mit erneuter Anspielung auf Jes 34,10 ausdrücklich hervorgehoben und sein Eintreten markiert. Auch hier ist das Aufsteigen des Rauches mit der ewigen Dauer nach der Syntax von HT verbunden. 89 So die These meines Vortrages „Septuagint and Hebrew Influence in the Book of Revelation – Reflections on the Textual Reception of Old Testament Pre-Texts, Based on Selected Texts“ beim „National Meeting“ der Society of Biblical Literature (SBL) in Boston, USA, November 2008; vgl. jetzt: M. LABAHN, Die Macht des Gedächnisses. Überlegungen zu Möglichkeit und Grenzen des Einflusses hebräischer Texttradition auf die Johannesapokalypse, in: Karrer u.a. (Hg.), Von der Septuaginta zum Neuen Testament (s.o. Anm. 5).
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durch das Gedächtnis oder eines direkten Einflusses der hebräischen Sprachform begründen lassen. In strengem Bezug zur Zielsprache wird man in diesen Fällen – mit der generellen Empfehlung Tillys 90 – der Septuaginta in der Tat das Prä zumessen, da dies die am leichtesten mit dem Textbefund zu kommunizierende Erklärung ist. Jede angenommene direkte Übersetzung aus dem Hebräischen kann zwar oftmals einen zum LXXTextbefund analogen Sprachbefund erzeugen, ist allerdings keine Notwendigkeit, sondern stellt eine im Sinne wissenschaftlicher Ökonomie zu vermeidende zusätzliche Hypothese dar. Zudem spricht die große Zahl solcher dem griechischen Text der LXX nahestehender Rezeptionen eine eindeutige Sprache. Angesichts dieser Vorbemerkungen sollen nunmehr drei Beispiele ausgeführt werden, die einerseits die Bedeutung der Septuaginta als Referenztext belegen, zugleich aber die Kontroversen in der Diskussion um die Identifikation von einzelnen Prätexten zeigen und so die Problematik der Bestimmung der jeweiligen Textform abbilden. Dennoch sind diese Beispiele von besonderer Evidenz, da jeweils sprachliche Besonderheiten des LXX-Textes die Rezeption dieser Textform bei Akzeptanz der Bestimmung als Anspielung unterstützen. Mit Beale91 stellt die Aufnahme von DanLXX 4,37 in Apk 17,14b ein wichtiges und eindeutiges Beispiel für die mögliche Septuagintarezeption des Sehers dar.92 In Apk 17,12–14 werden die zehn Hörner der Vision von der großen Hure und des ihr als Sitzplatz dienenden scharlachroten Tieres mit sieben Köpfen und zehn Hörern (V.3) aus 17,1–6 als zweite Visionsinterpretation gedeutet. Zuvor wurden in V. 7–11 bereits die Herkunft des Tieres und seine Köpfe ausgedeutet. Die zehn Hörner stehen für zukünftige Könige, die für eine festgesetzte Zeit Macht zugemessen bekommen und sie dem Lamm übergeben. V. 14 beschreibt ihre Aktivität; sie werden gegen das Lamm Krieg führen, aber dieses wird sie besiegen. V.14b schließt mit ὅτι an und gibt eine Begründung, die auch als textinterne Antwort auf die Frage, wer gegen das Biest aus dem Meer siegreich Krieg führen kann, zu lesen ist:93 ———————— 90 91
S.o. S. 166. G. K. BEALE, The Origin of the Title „King of Kings and Lord of Lords“ in Revelation 17,14, NTS 31 (1985), 618–620, ergänzt durch T. B. S LATER, „King of the Kings and Lord of Lords“ Revisited, NTS 39 (1993), 159f.; jetzt BEALE, Book of Revelation (s.o. Anm. 5), 881, und DERS. / MCDONOUGH, Revelation (s.o. Anm. 1), 1139; zustimmend CIMOSA, L’autore dell’Apocalisse (s.o. Anm. 44), 79; M. KARRER, Jesus Christus im Neuen Testament, GNT 11, Göttingen 1998, 165; W ITHERINGTON III, Revelation (s.o. Anm. 48), 225. 92 Anders jetzt S ATAKE, Offenbarung des Johannes (s.o. Anm. 76), 353: „ad-hocBildung des Vf.“. 93 Vgl. R UIZ, Ezekiel in the Apocalypse (s.o. Anm. 5), 452.
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… ὅτι κύριος κυρίων ἐστὶν καὶ βασιλεὺς βασιλέων καὶ οἱ µετ᾿ αὐτοῦ κλητοὶ καὶ ἐκλεκτοὶ καὶ πιστοί (denn es ist der Herr der Herren und der König der Könige, und mit ihm sind Berufene und Ausgewählte und Treue).
Der zukünftige Sieg reflektiert nicht den Kreuzestod Jesu, sondern die zukünftige und endgültige Machtdurchsetzung der Gottesherrschaft durch das Lamm. Grund des Sieges sind die göttlichen Insignien des Lammes, „Herr der Herren und König der Könige“, die trotz mancher Parallelen94 in dieser Form ihre nächste Entsprechung95 in DanLXX 4,34(37) haben: … ὅτι αὐτός ἐστι θεὸς τῶν θεῶν καὶ κύριος τῶν κυρίων καὶ βασιλεὺς 96 τῶν βασιλέων (Rahlfs, 88–Syh). 97
DanLXX 4,34(37) legt den aramäischen Vers Dan 4,32 aus, hat aber keine sprachliche Übereinstimmung mit dem hebräischen Text oder dem sonst in der Johannesapokalypse präsenten Theodotiontext. Das Fehlen von θεὸς τῶν θεῶν stellt zwar eine Differenz dar, will aber an dieser Stelle den Gottestitel für das Lamm vermeiden. Hingegen stimmen das einleitende ὅτι und das Verb ἐστι(ν) ebenfalls überein. Ausgelassen ist der Artikel. Wichtig sind die Entsprechungen zum Kontext in Daniel. Hier wie dort begründen die Titel die Überwindung gegnerischer Herrscher (in Apk bezogen auf das neue Babylon, in Dan auf den König Babylons). Diese sachlich und inhaltlich engen Übereinstimmungen heben DanLXX 4,34(37) durchaus qualitativ von 1Hen 9,4 ab, obgleich die Anrede Gottes „Du bist Herr der Herren, Gott der Götter, König der Könige“ und der Erzengel ebenfalls im einem Gerichtskontext begegnen.98 Dass Daniel in der Johannesapokalypse eine bedeutsame Rolle spielt, ist hinlänglich bekannt99 und bestätigt die mögliche Danielrezeption. Dass die Anspielung nicht auf den oft verwendeten Theodotiontext geht, ist eine beachtenswerte Beobachtung, die das ———————— 94
Vgl. die Dokumentation bei AUNE, Revelation III (s.o. Anm. 42), 954f. Als „Aufnahme der ursprünglichen Titulatur orientalischer Großkönige“ versteht daher M ÜLLER, Die Offenbarung des Johannes (s.o. Anm. 74), 296, die Titulatur. Aus Dtn 10,17 leitet MOUNCE, Book of Revelation (s.o. Anm. 77), 319, die Wendung ab. 95 So zu Recht GIESEN, Offenbarung des Johannes (s.o. Anm. 13), 385. 96 Die Neuausgabe des Danielbuches von Olivier Munnich (s.u. Anm. 97) liest in Anpassung an Dan 2,47 κύριος τῶν βασιλέων. Gerade im Vergleich mit Dan 2,47 ist die Lesart von Hs. 88 mit der Syrohexpla übereingehend jedoch die auffälligere Form. 97 Septuaginta. Vetus Testamentum Graecum. Auctoritate Academiae Scientiarum Gottingensis editum. Vol XVI/2: Susanna. Daniel. Bel et Draco ed. J. Ziegler. Editio secunda. Versionis iuxta LXX interpretes textum plane novumm constituit O. Munnich / Versionis iuxta „Theodotionem“ fragmenta adiecit D. Fraenkel, Göttingen 1999. 98 Dies betont AUNE, Revelation III (s.o. Anm. 42), 954, und versucht so, die anderen Signale auf den Dan-Kontext m.E. nicht überzeugend zu relativieren. Übers. von 1Hen 9,4 nach S. Uhlig, JSHRZ V,524. 99 Vgl. nur die Materialpräsentation bei BEALE, The Use of Daniel (s.o. Anm. 5).
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Problem der verwendeten Textformen noch einmal erweitert, aber nicht, wie David Aune meint, als wichtiges Gegenargument gegen die Septuagintareferenz zum Tragen kommt.100 DanLXX 4,34(37) zeigt die Möglichkeiten und Probleme der Identifikation von Prätexten und Textformen deutlich auf. Es lassen sich hinlänglich Gründe für die mögliche Rezeption des Prätextes DanLXX 4,34(37) beibringen, der eine eindeutige Antwort auf die rezipierte Textform gibt. Allerdings gibt es mit 1Hen 9,4 einen konkurrierenden Text, der weniger als ein möglicher Prätext in Frage kommt, aber die Frage nach der Verbreitung der Titulatur von Apk als stehender Wendung stellt. Ob dieser allgemeine Hinweis angesichts der in der Apokalypse unumstrittenen Danielrezeption plausibler ist, ist eine Frage, die diese Danielrezeption, die andernorts deutlich eine andere Textform verwendet, erst verschärft. Die Beobachtungen am Einzeltext Apk 17,14 lassen m.E. die Rezeption von DanLXX 4,34(37) plausibler als die von 1Hen 9,4 erscheinen, so dass Apk 17,14 ein weiteres Indiz für eine uneinheitliche Textform bei der Danielrezeption ist oder einen Mischtext bietet, der (noch) nicht der späteren Textform des Theodotion entspricht. Angesichts dieses interessanten, aber nicht unumstrittenen Beleges möchte ich noch einen zweiten Text vorführen, der als recht typisch für die Diskussionslage angesehen werden kann. In Apk 6,12 wird die Öffnung des sechsten Siegels berichtet und mit der Schilderung der kosmologischen Folgen unmittelbar begonnen; so schildert V.12a zunächst ein Erdbeben, um sodann mit den katastrophalen Veränderungen am Himmel fortzufahren: … καὶ ὁ ἥλιος ἐγένετο µέλας ὡς σάκκος τρίχινος καὶ ἡ σελήνη ὅλη ἐγένετο ὡς αἷµα … und die Sonne wurde schwarz wie ein Trauergewand aus Haaren und der ganze Mond wurde wie Blut.
Die Sonnenfinsternis und die Veränderung des Mondes werden als Referenz auf JoelLXX 2,31 (MT 3,4) wahrgenommen:101 ὁ ἥλιος µεταστραφήσεται εἰς σκότος καὶ ἡ σελήνη εἰς αἷµα πρὶν ἐλθεῖν ἡµέραν κυρίου τὴν µεγάλην καὶ ἐπιφανῆ. Die Sonne wird sich in Finsternis verwandeln und der Mond zu Blut, bevor der große und schreckliche Tag des Herrn kommt.
———————— 100 101
So AUNE, Revelation III (s.o. Anm. 42), 954. Vgl. z.B. AUNE, Revelation I (s.o. Anm. 42), 412; GIESEN, Offenbarung des Johannes (s.o. Anm. 13), 187; KRAFT , Offenbarung des Johannes (s.o. Anm. 74), 122; LOHMEYER, Offenbarung des Johannes (s.o. Anm. 6), 65; ROLOFF, Offenbarung des Johannes (s.o. Anm. 3), 85 (mit Hinweis auf AssMos 10,5 [dazu die folgende Anm.]); ausdrücklich nur als Hinweis auf die „phénomènes célestes en général“ (neben Jes 13,10; 50,3 Mk 13 parr und AssMos 10,5 als Repräsentant apokalyptischer Literatur) bei E.-B. ALLO, Saint Jean. L’Apocalypse, EtB, 41933, 105.
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Die sprachliche Schnittmenge ist problemlos zu benennen: ὁ ἥλιος, µέλας, καὶ, ἡ σελήνη, αἷµα, so dass die Aufnahme von JoelLXX 2,31 durch ein hohes Maß an sprachlicher Konvergenz hinreichend begründet ist, zumal beide Kontexte ein schreckliches Gerichtsereignis anvisieren. Zwischen LXX und HT sind im angespielten Text keine signifikanten sprachlichen Differenzen zu benennen. Joel 3,4
נּוֹר א ָ הו ה ַה גָּדוֹל ְו ַה ָ ְ ְו ַה יּ ָ ֵר ַח ְל ָד ם ִל ְפ נ ֵי בּוֹא יוֹם יR שׁ ֶ ֹ ְל חR שּׁ ֶמ שׁ י ֵ ָה ֵפ ֶ ַה Die Unterschiede zwischen Prätext und Johannesapokalypse geben kein Signal, dass HT/MT die Johannesapokalypse beeinflusst hat. הפךni. (Gesenius, 186: 1. sich wenden / drehen; 2. umgestürzt w.; 3. verwandelt w.) kann, wie die Differenzen in der LXX zeigen, unterschiedlich übersetzt werden, so dass die Verwendung von µεταστραφήσεται ein eindeutiges Signal für den Rückgriff auf LXX wäre. Der Seher verwendet allerdings für die katastrophalen Veränderungen die Konstruktion mit γίνοµαι + ὡς, die dem Rezeptionsprozess zuzuschreiben ist, wie es ferner die in der Johannesapokalypse beliebte Verwendung der Vergleichspartikel (ὡς) belegt oder die Ergänzung des Adjektivs ὅλη, die Apk 6,12 mit der Rezeption von Joel 3,4 in AssMos 10,5102 verbindet. Die Konstruktion ist nicht als direkte Übersetzung des Hebräischen zu deuten. Vielmehr gestaltet der Seher seinen Text unter Aufnahme der Schrift einmal mehr kreativ und eigenständig. Zwar finden sich bei den Schlüsselbegriffen keine Spezifika, die nicht als direkte Übersetzung aus dem Hebräischen betrachtet werden könnten, aber die Übereinstimmung mit der Sprache der Septuaginta,103 die sprachliche Überschneidungen hinreichend erklärt, lässt den Rückgriff auf das Hebräische zu einer zusätzlichen Hypothese werden. Als ein weiteres Beispiel mit hohem Plausibilitätswert kann die Aufnahme von Ps 2,8–9 im Überwinderspruch von Apk 2,26f. gelten. Als Überwinder erweisen sich die Adressaten in Thyateira, die an den Werken des erhöhten Christus bis ans Ende festhalten. Mit Blick auf Apk 2,19 bedeutet dies, dass sie den eingeschlagenen Weg (καὶ τὰ ἔργα σου τὰ ἔσχατα πλείονα τῶν πρώτων) konsequent weitergehen, wozu, im Sinne des Sehers, die Ablehnung der Lehre der Prophetin Isebel und damit die ihre Ausgren———————— 102 AssMos 10,5: „Die Sonne wird kein Licht mehr geben und sich in Finsternis , und er wird sich ganz in Blut verwandeln (et tota convertet se in sanguinem), und der Kreis der Sterne wird verwirrt.“ (Übers.: E. BRANDENBURGER, Himmelfahrt Moses, in: JSHRZ V/2, 76f.). 103 Der zweite Apparat der Göttinger Septuaginta (Vol. XIII: Duodecim Prophetae [ed. J. Ziegler], Göttingen 31984), der Hexapla-Apparat, weist für JoelLXX 2,31 keine Varianten aus. Die Textüberlieferung der LXX enthält lediglich Varianten zu πρὶν ἐλθεῖν κτλ.
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zung und die ihrer Anhänger gehört. Den solchermaßen sich Bewährenden gilt die Zusage: 26 … δώσω αὐτῷ ἐξουσίαν ἐπὶ τῶν ἐθνῶν 27 καὶ ποιµανεῖ αὐτοὺς ἐν ῥάβδῳ σιδηρᾷ ὡς τὰ σκεύη τὰ κεραµικὰ συντρίβεται,104 26 … ich werde ihm (Voll-)Macht über die (Heiden-)Völker geben 27 und er / sie wird sie mit eisernem Stab weiden / beherrschen – wie Tongeschirr zerschlagen wird. 105
Ps 2,9 weist eine derart signifikante sprachliche Schnittmenge in Wortwahl, Wortfolge und grammatikalischer Struktur mit Apk 2,27 auf, die die Bestimmung als Anspielung, möglicherweise sogar als unmarkiertes (freies) Zitat, rechtfertigt.106 Sogar der asyndetische Anschluss des Vergleichs wird übernommen: ποιµανεῖς αὐτοὺς ἐν ῥάβδῳ σιδηρᾷ ὡς σκεῦος κεραµέως συντρίψεις αὐτούς. Du wirst sie mit eisernem Stabe weiden, wie Tongeschirr wirst du sie zerschlagen.
Abweichungen in Numerus und Person sind demgegenüber von sekundärem Gewicht und Teil des Rezeptionsprozesses, in dem die Verheißung an den König Israels (2. Pers. Sg.) auf den Überwinder / die Überwinderin aus Thyateira (3. Pers. Sg.) übertragen wird. Im Zusammenhang des Sendschreibens lässt sich der in der Johannesapokalypse singuläre Titel „Gottessohn“ (2,18)107 zudem als weiteres Rezeptionssignal verstehen: ————————
104 Apk 2,28 bildet die Zusage an die selbst erfahrene Zuwendung durch den Vater; dies kann ebenfalls als ein Echo von Ps 2 im Zuge seiner messianischen Interpretation gelesen werden. 105 Der Mehrheitstext und altlat. wie Vulgata-Mss lesen συντριβήσεται (Fut. Pass.) und passen damit συντρίβεται an das Futur von ποιµανεῖ an. Zu beachten ist, dass auch Ps 2,9 das Futur hat: συντρίψεις (Akt.). Wenn bei Abgleichungen zwischen LXX- und NT-Text in der Frühzeit der LXX-Text „dominiert“ (M. K ARRER / U. SCHMID / M. SIGISMUND, Das lukanische Doppelwerk als Zeuge für den LXX-Text des Jesaja-Buches, in: Ausloos u.a. [Hg.], Florilegium Lovaniense [s.o. Anm. 13], 253–274 [273]), so kann wenigstens im Blick auf die altlat. Überlieferung gefragt werden, ob ein analoges Begründungsmuster für diese Variante von Apk 2,27 beansprucht werden kann. 106 Die Anspielung auf Ps 2,9 findet sich noch einmal in Apk 12,5a (µέλλει ποιµαίνειν πάντα τὰ ἔθνη [→ Ps 2,8?] ἐν ῥάβδῳ σιδηρᾷ) und 19,15 (καὶ αὐτὸς ποιµανεῖ αὐτοὺς [Ps 2,9: αὐτούς] ἐν ῥάβδῳ σιδηρᾷ), jeweils ohne ὡς σκεῦος κεραµέως. Zur Verwendung von Ps 2 in der Johannesapokalypse vgl. S. W ITETSCHEK, Der Lieblingspsalm des Sehers: Die Verwendung von Ps 2 in der Johannesapokalypse, in: M. A. Knibb (Hg.), The Septuagint and Messianism, BEThL 195, Leuven, 487–502. 107 M. KARRER, Jesus Christus im Neuen Testament (s.o. Anm. 91), 197f. Karrer sieht hier die „himmlische Begriffstradition“ bedient, da nach 2,18 „Gottessohnschaft und Herrschaft zu seiner (des Christus; M.L.) himmlischen Stellung“ gehören.
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„Concluding with the promise from Ps 2:9 is fitting because Christ introduced himself at the beginning of the letter as ‚Son of God‘ (2:18) a title derived from Ps. 2, which affirms further that he has already begun to fulfill the prophecy of the psalm“. 108
Von dieser „sicheren“ Ebene aus lässt sich die Zusage der (Voll-)Macht über die Heidenvölker, Apk 2,27, als Variation über die Verheißung der Gabe der Heidenvölker als Erbbesitz lesen (Ps 2,8). Sprachliche und inhaltliche Kohärenz (δώσω + Personalpronomen als Adressat und die Heidenvölker mit einer Bestimmung der Relation zu diesen Völkern als Erbteil bzw. als Objekt der Macht, die im Folgenden als Herrschaft konkretisiert wird) sprechen im Licht der zitatartigen Anspielung in Apk 2,28 für eine Anspielung auf Ps 2 bereits in V.27. Die Verringerung und Veränderung gegenüber Apk 2,26b–27 lässt die Anspielung in 12,5 nicht als eine eigenständige Rezeption, sondern als Teil einer Gesamtkonzeption ansprechen; der Seher entfaltet vielmehr das Verb ποιµαίνω als metaphorische Wendung für das Herrschen in zwei Richtungen; „herrschen“ als fürsorgliches Handeln für das eigene Volk ohne die Beifügung ἐν ῥάβδῳ σιδηρᾷ in 7,17 und mit ἐν ῥάβδῳ σιδηρᾷ als Machtausübung und Durchsetzung einschließlich Strafe und Brechen von Widerstand: 2,27; 12,5; 19,15. Für die Bestimmung der Textform ist aufgrund der sprachlichen Kohärenz vor allem V.9 von Interesse; hier findet sich der herausstechendste Unterschied zwischen LXX und HT. Der vokalisierte Text bietet ְתּ רֺ ֵע םund damit eine Form von ( רעעqal: brechen / zerschlagen). LXX übersetzt hingegen ποιµανεῖς; diese Übersetzung lässt erkennen, dass sie eine Form von רעהstatt רעעliest, wie es nach dem unvokalisierten hebr. Text möglich ist: ִתּ ְר ֶע ם. Hans-Joachim Kraus sieht die Punktierung der Masoreten aufgrund der Parallele von נפץals „richtig“ an.109 Das Verb רעעim qal wird nach Ausweis von Muraoka nie durch ποιµαίνω wiedergegeben.110 Die Übersetzung des hebräischen Textes durch ποιµανεῖς ist somit eine zu gewichtende Auffälligkeit. In diesem Licht lässt die Verwendung von ποιµαίνω für Apk 2,26f. eine LXX(-nahe)-Vorlage erwarten, da zudem die Breite der wörtlichen Übereinstimmungen mit LXX die Annahme einer eigenen Übersetzung aus dem Hebräischen durch den Seher zu einer nicht notwendigen Hypothese macht111; das methodische Axiom von Tilly zum ———————— 108 109
BEALE / MCDONOUGH, Revelation (s.o. Anm. 1), 1095. H.-J. KRAUS, Die Psalmen. 1. Teilband. Psalmen 1–59, BK XV/1, NeukirchenVluyn 51978, 144. 110 MURAOKA, Hebrew/Aramaic Index to the Septuagint (s.o. Anm. 82), 139. 111 Die Möglichkeit einer Kenntnis des hebr. Textes scheinen B EALE / MCDONOUGH, Revelation (s.o. Anm. 1), 1095, vorauszusetzen, wenn sie konstatieren: „Either reading (‚shepherd‘ oder ‚smite‘; M.L.) is possible from the unpointed Hebrew text. John may in fact have both meanings in mind: compare 19:15 (12:5?), where he uses poimaino to mean ‚judge‘ or ‚destroy‘ (cf. the parallelism of ‚strike‘ in 19:15); in 7:17 it has the positive nuance of ‚shepherd‘.“ Das Verb ποιµαίνω als metaphorische Abbildung des
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Prä des LXX-Textes ist angesichts der Zeugnisse der Texte / Textformen an dieser Stelle anzuwenden. Die Annahme zufälliger Koinzidenz zwischen LXX und der Übersetzung von Ps 2,8f. durch den Seher ist eine nicht auszuschließende, aber methodisch kaum zu rechtfertigende Hypothese, so dass die in ihrer Übereinstimmung und ihrem Umfang nahezu als unmarkiertes (freies) Zitat zu bezeichnende Rezeption von Ps 2,8f. in Apk 2,26f. ein schönes Beispiel für die LXX-Benutzung des Sehers darstellt.112 Ein Ausblick auf die so genannten Apokryphen kann die Frage nach LXX-Rezeption ebenfalls erhellen. Die Bemerkung, dass „sie – oder ein Teil von ihnen – bekannt sind und von neutestamentlichen Autoren benutzt werden“,113 lässt sich an der Schriftrezeption der Johannesapokalypse verifizieren. Obwohl nicht alle der in NA27 aufgelisteten Referenzbelege114 als ————————
Herrschens repräsentiert aber per se ein sematisches Spektrum, was Fürsorge wie Gericht und Zerstörung der Feinde umfasst. Dort, wo der Seher auf Ps 2,9 anspielt, ist es jeweils der Aspekt der Machtausübung und Durchsetzung einschließlich Strafe und Brechen von Widerstand: 2,27; 12,5; 19,15; dies ist eine Aktualisierung der Stab-Metaphorik. Nur beim vierten Beleg für seine Verwendung von ποιµαίνω liegt die Betonung auf dem Herrschen zugunsten des eigenen Volkes: 7,17. 112 Ein weiteres Beispiel aus der Psalmenrezeption, das Freiheit und Bindung gegenüber dem Prätext und seiner Textform, hier der LXX, zeigt, liegt in der Aufnahme von PsLXX 113,21(115,13) in Apk 11,18b (…καὶ δοῦναι τὸν µισθὸν τοῖς δούλοις σου τοῖς προφήταις καὶ τοῖς ἁγίοις καὶ τοῖς φοβουµένοις τὸ ὄνοµά σου, τοὺς µικροὺς καὶ τοὺς µεγάλους,) vor: εὐλόγησεν τοὺς φοβουµένους τὸν κύριον τοὺς µικροὺς µετὰ τῶν µεγάλων (Gesegnet hat er die den Herrn fürchten / die Großen und die Kleinen.). Ps 113,21 (115,13) ist sprachlich vollständig in Apk 11,18 repräsentiert. Daher ist eine direkte Relation zwischen beiden Texten angezeigt. Auf der sprachlichen Ebene sind verschiedene Distanzelemente zu beobachten, wobei jeweils eine sinngemäße Übereinstimmung zwischen Prä- und Zieltext festgemacht werden kann. Dem Segnen entspricht die zukünftige Entlohnung und die Gottesfurcht ist völlig sachgemäß in der Furcht des göttlichen Namens wiedergegeben. Statt durch µετά werden die Gruppen der Kleinen und der Großen mit „und“ verbunden, was nur eine leichte Sinnverschiebung darstellen könnte, aber der – etwas gehobenen (wenn man der strophischen Textpräsentation von NA 27 Glauben schenken will) – Textstruktur des Zieltextes entspricht. Ein wichtiger Punkt für die Psalmenrezeption ist zudem der Wechsel in den Akkusativ bei der Wendung τοὺς µικροὺς καὶ τοὺς µεγάλους, während zuvor auch die Furcht des Gottesnamens im Dativ konstruiert wurde. Zwischen LXX und HT besteht eine Differenz: LXX gibt das Imperf. ± י ְ ָב ֵרdurch Aorist wieder. Der Seher verwendet in Apk 11,18 durchgehend Aoristformen für das Handeln Gottes, was als ein deutlicher Hinweis auf LXX-Rezeption gewertet werden kann. 113 M. MÜLLER, Die Septuaginta als Teil des christlichen Kanons, in: M. Karrer / W. Kraus (Hg.), Die Septuaginta – Texte, Kontexte, Lebenswelten. Internationale Fachtagung veranstaltet von Septuaginta Deutsch (LXX.D), Wuppertal 20.–23. Juli 2006, WUNT 219, Tübingen 2008, 708–727 (710). 114 Der Appendix Loci citati vel allegati des NA27 nennt relativ wenige mögliche Bezüge zwischen der Apk und den Schriften, die nur in der LXX stehen: 2Makk (2,4–8: Apk 2,17; 11,19; 3,25: Apk 19,11; 10,7: Apk 7,9; 11,8: Apk 19,11; 13,4: Apk 17,14;
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Anspielungen im oben genannten technischen Sinn verstanden werden können, so scheint der Seher allerdings Baruch (4,35 mit JesLXX 13,21f.115 in Apk 18,2); 1Makk (6,22 in Apk 6,10) und 3Makk (2,11 in 19,11) gekannt und angespielt zu haben, wie es die sprachlich-syntaktischen und inhaltlichen genuinen Kohärenzen belegen. Diese etwas generellen Beobachtungen machen ebenfalls die Bekanntschaft und Verwendung von LXX-Textformen plausibel. Resümierend zeigen die vorgestellten Beispiele teilweise erneut die Schwierigkeiten der methodisch gesicherten Identifizierung von Anspielungen auf die Schrift. Sie machen aber deutlich, dass dort, wo eine Anspielung angenommen werden kann, zunächst das Verhältnis zum LXXText zu prüfen ist; bei sprachlicher Übereinstimmung ist die Annahme der Vorlage einer LXX-Textform die nächstliegende Hypothese, die sich auf ansprechende Beispiele für LXX-Verwendung berufen kann. Eine Prüfung des Einzelfalls unter Beachtung der griechischen Rezensionen und der hebräischen Texttradition ist aber dennoch notwendig und sachgerecht, auch wenn man das Hauptgewicht auf die LXX legt. Die ausdifferenzierte Bewertung, die bereits die Forschungsgeschichte abschloss, hat durch die Analyse der Einzeltexte entscheidende Unterstützung bekommen. 3.4.3 Griechische Rezensionen Ein für unsere Fragestellung wichtiger Text, an dem sich die methodischen Tiefendimensionen und verschiedene Probleme der Fragestellung aufzeigen lassen, stellt die viel diskutierte Danielrezeption (7,13) in Apk 1,7 dar. Die Kombination von Zitaten oder Anspielungen aus Dan 7,13 und Sach 10,10.12 ist für Wilhelm Bousset ein Beleg für eine direkte Rezeption aus dem Hebräischen.116 Dieses Beispiel stellt damit einen wichtigen Prüffall dar, an dem Möglichkeiten und Grenzen zur Erarbeitung der Textform vollzogen werden können.117 ————————
19,16; 13,14: Apk 2,10); 3Makk (2,3: Apk 4,11; 5,35: Apk 17,14); Tobit (12,12: Apk 8,3; 13,17: Apk 21,19f.; 13,18: Apk 19,1); Baruch (4,35: Apk 18,2); Sirach (16,12: Apk 20,12f.; 18,1: Apk 1,18; 4,11; 39,29: Apk 8,7); SapSal (1,14: Apk 4,11; 16,9: Apk 9,3; 16,22: Apk 8,7; 18,14: Apk 8,1; 18,16[15]: Apk 2,12); PsSal (8,2: Apk 19,1; 14,3: Apk 22,2; 17,23f.: Apk 2,27; 17,43: Apk 3,18). Aus 1Makk wird in dieser Liste keine Rezeption vermerkt; hier ist jedoch 1Makk 6,22 zu Apk 6,10 zu bedenken, das mehr als ein Beispiel für ein „type scene“ (AUNE, Revelation I [s.o. Anm. 42], 408), ist. 115 S.a. BEALE, Book of Revelation (s.o. Anm. 5), 894. 116 W. BOUSSET , Die Offenbarung Johannis, KEK 16, Göttingen 6 1906, 189, findet „deutliche Berührungen mit Mt“; C HARLES, The Revelation of St. John (s.o. Anm. 42), lxviii; s.a. LOHMEYER, Offenbarung des Johannes (s.o. Anm. 6), 12. 117 Die Grenzen solcher Identifikation belegt anschaulich die Rezeption von Jes 22,22 in Apk 3,7. Die Differenz zum Text der LXX, die die Kernsemantik des HT aus Schlüssel / Öffnen und Schließen in eine Semantik von Herrlichkeit (δώσω τὴν δόξαν
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Das Briefpräskript des brieflichen Rahmens zur Johannesapokalypse endet mit prophetischen Sprüchen in 1,7f. Der erste prophetische Spruch in V. 7 ist durch den Aufmerksamkeitsruf ‚siehe‘ eingeleitet. Durch ihn und durch das Präsens des Kommens wird die Darstellung auf die Adressaten der Johannesoffenbarung hin geöffnet, und diese werden durch den Lektürevollzug der ἀποκάλυψις zur Konzentration auf das Kommen Jesu Christi hin aufgefordert.118 V.7a entspricht Dan 7,13, wobei die Freiheit des Zitats nicht allein in der Verbindung des Kommenden mit Jesus Christus (1,5) statt des Menschensohngleichen besteht, sondern weiterhin in der Präposition µετά (satt ἐπί) und den Wolken bzw. Wolken des Himmels. Allerdings sind die Differenzen zwischen LXX und θ’ zu beachten; im Horizont dieses Vergleiches steht Apk 1,7a auch aufgrund des PräsensPartizips ἐρχόµενος näher an Dan θ’ 7,13, wobei man durchaus von einem Zitat sprechen kann: Apk 1,7a Dan LXX 7,13 Dan θ 7,13
᾿Ιδοὺ ἔρχεται µετὰ τῶν νεφελῶν … ἰδοὺ ἐπὶ τῶν νεφελῶν τοῦ οὐρανοῦ … ἤρχετο ἰδοὺ µετὰ τῶν νεφελῶν τοῦ οὐρανοῦ … ἐρχόµενος
Dass dieses Kommen selbst ein zukünftiges ist, wird in der Fortsetzung des Zitat-Konglomerats deutlich. Dem aktuellen ἰδού korreliert in der Fortsetzung das zukünftige ὄψεται. Dies ist allerdings nicht mehr allein an die Adressaten gebunden. Durch die verallgemeinernde Einfügung „jedes Auge“ wird auch der Vorwurf des Durchbohrens generalisiert.119 Sprachlich und inhaltlich rekurriert Apk 1,7b auf einen weiteren Prätext. Sach 12,10 ist aufgrund seiner hohen sprachlichen Übereinstimmungstiefe zu Apk 1,7 in den Blick genommen worden, so dass dieser ————————
∆αυιδ) und Herrschaft (καὶ ἄρξει καὶ οὐκ ἔσται ὁ ἀντιλέγων) transponiert, ist eindeutig; deshalb dient diese Stelle beispielsweise MARCONCINI, L’utilizzatione del T.M. (s.o. Anm. 44), 122, als Beleg für seine These von der Rezeption des hebräischen Jesajabuches: „La citazione deriva chiramente dal T.M. pre tre importanti motivi“ (Hervorhebung M.L.). Allerdings zeigen Varianten in den LXX-Handschriften wie die Entwicklungen des griechischen Textes, die bei Aqulia, Theodotion und Symmachus ablesbar sind, dass die Differenz zu HT nicht durchgehalten wurde und wohl recht früh hebraisierende Rezensionen des griechischen Textes von Jes 22,22 existierten. Im Rahmen dieser Studie können die Varianten nicht aufgelistet werden, aber es bestehen sprachliche Kohärenzen zwischen den hebraisierenden griechischen Textformen, die eng HT abbilden, und Apk 3,7, nicht aber zu den Wortformen. Eine Erinnerung an HT scheint nicht ausgeschlossen, allerdings kann Apk 3,7b plausibel als Zeuge eines griechischen Jesaja-Textes zur Zeit der Abfassung der Johannesapokalypse gewertet werden. Leider findet sich das Problem der Textform auch in den großen Kommentaren von Aune oder Beale z.St. nicht erörtert. 118 S.a. M. KARRER, Die Johannesoffenbarung als Brief. Studien zu ihrem literarischen, historischen und theologischen Ort, FRLANT, 140, Göttingen 1986, 123f. 119 Vgl. KARRER, Johannesoffenbarung als Brief (s.o. Anm. 118), 124: „Juden wie Christen“.
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Text durch NA27 als Zitat gekennzeichnet wurde. Die Sacharja-Rezeption in 1,7 stellt jedoch vor einige Probleme. Der Text des Sehers steht HT und der θ’-Überlieferung, die im Gegensatz zu LXX „den sie durchbohrt haben“ lesen (ר־דּ ָק רוּ ָ שׁ ֶ ֲאbzw. ὃν ἐξεκέντησαν), nahe.120 Apk 1,7b: καὶ ὄψεται αὐτὸν πᾶς ὀφθαλµὸς καὶ οἵτινες αὐτὸν ἐξεκέντησαν, καὶ κόψονται ἐπ᾿ αὐτὸν πᾶσαι αἱ φυλαὶ τῆς γῆς. Und jedes Auge wird ihn sehen, / auch die, die ihn durchbohrt haben. Und alle Stämme der Erde werden über ihn klagen. Sach LXX 12,10: καὶ ἐκχεῶ ἐπὶ τὸν οἶκον ∆αυιδ καὶ ἐπὶ τοὺς κατοικοῦντας Ιερουσαληµ πνεῦµα χάριτος καὶ οἰκτιρµοῦ, καὶ ἐπιβλέψονται (θ’: ὄψονται → Joh 19,37: ὄψονται εἰς ὃν ἐξεκέντησαν) πρός µε ἀνθ᾿ ὧν κατωρχήσαντο (θ’ et al.: [εἰς ὃν] ἐξεκέντησαν; α’ σὺν ᾧ ἐξεκέντησαν; σ’ ἐµπροσθὲν ἐξεκέντησαν) καὶ κόψονται ἐπ᾿ αὐτὸν κοπετὸν ὡς ἐπ᾿ ἀγαπητὸν καὶ ὀδυνηθήσονται ὀδύνην ὡς ἐπὶ πρωτοτόκῳ.
Die Einträge zeigen eine unterschiedliche Überlieferung des griechischen Textes an; diese hat ihre Entsprechung in HT: רוּח ֵח ן ַ רוּשׁ ַל ִם ָ ְ יוֹשׁ ב י ֵ ל־בּ ית ָדּ ִו יד ְו ַע ל ֵ שׁ ַפ ְכ ִתּ י ַע ָ ְו ר־דּ ָק רוּ ְו ָס ְפ דוּ ָע ָל יו ְכּ ִמ ְס ֵפּ ד ָ שׁ ֶ ְו ַת ֲח נוּנ ִים ְו ִה ִבּ יטוּ ֵא ַל י ֵא ת ֲא ל־ה ְבּ כוֹר ַ ַע ַ ל־ה יּ ָ ִח יד ְו ָה ֵמ ר ָע ָל יו ְכּ ָה ֵמ ר ַע In einer schwierigen Diskussionslage interessiert vor allem die Wendung ἀνθ᾿ ὧν κατωρχήσαντο (weil sie über mich gelästert haben). Diese Begründung steht in der Septuaginta an der Stelle des Durchbohrens aus HT. Die Übersetzung der Septuaginta liest anstelle der Wurzel דקרeine Form von ( דקרκατωρχήσαντο; ‚über [den sie] im Triumph tanzen‘, ungebührlich benehmen, lästern).121 HT hat hingegen ( דקרdurchbohren) und Theodotion, Aquila und Symmachus belegen durchweg ἐξεκέντησαν, den Aorist von ἐκκεντέω, so dass diese breite Überlieferung als sicheres Indiz für eine hebraisierende griechische Textfassung angesehen werden könnte, die Apk 1,7b oder seiner Quelle voraus ist. ———————— 120 Der Text des Theodotion ist aber, wie die andere Variante in Sach 12,10 zeigt, keineswegs ein unbefangener Zeuge einer hebraisierenden Übersetzung, sondern wohl durch den NT-Text beeinflusst: statt ἐπιβλέψονται wird ὄψονται (→ Joh 19,37: ὄψονται εἰς ὃν ἐξεκέντησαν) gelesen. Daher ergibt sich notwendig, dass der Seher eine (proto-) theodotianische Lesart bietet; zu S. JELLICOE, The Septuagint and Modern Study, Oxford 1968, 87. Den Rückgriff auf das Hebräische bevorzugt E.-B. A LLO, Saint Jean. L’Apocalypse (s.o. Anm. 101), 7. 121 W. RUDOLPH, Haggai – Sacharja 1–8 – Sacharja 9–14 – Maleachi, KAT, XIII/4, Gütersloh 1976, 218.
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Die Verbreitung der Kombination von Dan 7,13 mit Sach 12,10 in der frühchristlichen Literatur (s.a. Mt 24,30122; Iust.dial. 14,8123) lässt an ein christliches Testimonium als Quelle für Apk 1,7 denken.124 Vergleicht man jedoch die Parallelen im Detail, so profiliert sich die individuelle Gestalt der Kombinationen. Der Seher rezipiert anscheinend außerdem Sach 12,12 (καὶ κόψεται ἡ γῆ κατὰ φυλὰς φυλάς, φυλὴ καθ᾿ ἑαυτὴν καὶ αἱ γυναῖκες αὐτῶν καθ᾿ ἑαυτάς, φυλὴ οἶκου ∆αυιδ καθ᾿ ἑαυτὴν καὶ αἱ γυναῖκες αὐτῶν καθ᾿ ἑαυτάς, φυλὴ οἴκου Ναθαν καθ᾿ ἑαυτὴν καὶ αἱ γυναῖκες αὐτῶν καθ᾿ ἑαυτάς.).14 (πᾶσαι αἱ φυλαὶ αἱ ὑπολελειµµέναι φυλὴ καθ᾿ ἑαυτὴν καὶ αἱ γυναῖκες αὐτῶν καθ᾿ ἑαυτάς), was auf eine unabhängige Rezeption von ———————— 122
Mt 24,30 καὶ τότε φανήσεται τὸ σηµεῖον τοῦ υἱοῦ τοῦ ἀνθρώπου ἐν οὐρανῷ, καὶ τότε κόψονται πᾶσαι αἱ φυλαὶ τῆς γῆς καὶ ὄψονται τὸν υἱὸν τοῦ ἀνθρώπου ἐρχόµενον ἐπὶ τῶν νεφελῶν τοῦ οὐρανοῦ µετὰ δυνάµεως καὶ δόξης πολλῆς· Der Durchbohrte begegnet in Mt 24,30 allerdings nicht, so dass das ἐπὶ τῶν νεφελῶν (gegen Mk 13,26) auf eine Verwendung des Septuagintatextes und nicht von HT bzw. Theodotion, Aquila oder Symmachus bzw. einer Vorform schließen lässt. Diese Beobachtung markiert eine wichtige Differenz zu Apk 1,7b, auch wenn es in der Sacharjapassage zwischen Mt 24,30 und Apk 1,7 gegen Sach 12,10 Übereinstimmungen gibt (ὄψεται, πᾶσαι, τῆς γῆς; doch s.a. Sach 12,12.14). U. LUZ, Das Evangelium nach Matthäus III: Mt 18–25, EKK I/3, Zürich u.a. 1997, 433 mit Anm. 164, versteht zu Recht Mt 24,30 als matthäische Bearbeitung von Mk 13,26, bei der die Annahme eines Florilegiums als Quelle eine nicht notwendige Hypothese darstellt; dies gilt auch nach M. J. J. MENKEN, Matthew’s Bible. The Old Testament Text of the Evangelist, BEThL 173, Leuven 2004, 220f., der die Differenzen zu Mk 13,26 der matthäischen Redaktion ohne jeglichen Septuagintaeinfluss zuschreibt. 123 Übers.: P. HAEUSER, Des heiligen Philosophen und Martyrers Justinus Dialog mit dem Juden Tryphon, BKV 33, Kempen u.a. 1917, 22: „Tryphon, diese und ähnliche Prophetenworte sprechen teils von der ersten Parusie Christi, bei der er nach der Verheißung ohne Ehre und Schönheit als Sterblicher erscheint, teils von seiner zweiten Parusie, wo er in Ehren über den Wolken erscheinen und euer Volk ihn sehen und in ihm den erkennen wird, den sie durchbohrt haben (οἱ δὲ εἰς τὴν δευτέραν αὐτοῦ παρουσίαν, ὅτε ἐν δόξῃ καὶ ἐπάνω τῶν νεφελῶν παρέσται, καὶ ὄψεται ὁ λαὸς ὑµῶν καὶ γνωριεῖ εἰς ὃν ἐξεκέντησαν), wie Oseas, einer der zwölf Propheten, und Daniel vorhersagten“. 124 Bereits erwogen bei S WETE, Commentary on Revelation (s.o. Anm. 12), 9: „it is more probable that both Gospel and Apocalypse were indebted to a Greek version of the prophecy other than the Lxx., perhaps to some collection of prophetic testimonies“; als von Tradition abhängig erwägen Apk 1,7 z.B. auch T. H OLTZ, Die Offenbarung des Johannes, hg.v. K.-W. Niebuhr, NTD 11, Göttingen 2008, 24. Ohne nähere Begründung denkt WITHERINGTON III, Revelation (s.o. Anm. 48), 77, an ein „hymn fragment“. L. L. THOMPSON, Lamentation for Christ as a Hero: Revelation 1:7, JBL 119 (2000), 683–703 (685), bestimmt die Relation als Abhängigkeit vom johanneischen Kreis und ruft die Kenntnis der Johannesapokalypse bei Justin in Erinnerung. Vgl. gegen eine schriftliche Testimoniensammlung z.B. R. SCHNACKENBURG, Das Schriftzitat in Joh 19,37, in: J. Schreiner (Hg.), Wort, Lied und Gottesspruch. Beiträge zu Psalmen und Propheten (FS J. Ziegler), fzb 2, Würzburg 1972, 239–247 (243). Differenziert erwägt BEALE, Book of Revelation (s.o. Anm. 5), 196, dass Mt 24,30 „may have influenced John to use the same combination here“.
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Dan 7,13 / Sach 12 schließen lässt (doch s.a. Mt 24,30: … κόψονται πᾶσαι αἱ φυλαὶ τῆς γῆς …).125 Die Annahme eines direkten Rückgriffs auf einen hebräischen Text verliert in dieser Überlieferungssituation an Überzeugungskraft; letztere Überlegung lässt sich durch die wörtliche Übereinstimmung zwischen LXX und Apk erheben, wobei allerdings κόψονται ἐπ᾿ αὐτόν durchaus eine naheliegende Übersetzung von ָס ְפ דוּ ָע ָל יוist, die wenig Raum für Evidenzen für die beiden Optionen lässt. Apk 1,7 in seiner Kombination zweier verschiedener Prätexte stellt, selbst wenn man sich der Testimonienhypothese anschließt, einen Beleg dafür dar, dass die Johannesapokalypse die Entwicklung des griechischen AT-Textes, wie er sich im ersten nachchristlichen Jahrhundert abbildet, voraussetzt.
4 Ergebnis Die Beschreibung des Verhältnisses zwischen Johannesoffenbarung und Septuaginta stellt den Exegeten, wie gezeigt, vor zahlreiche Probleme, da man die Relation des Sehers zu den Schriften bereits auf der Produktionsebene des Textes als einen transformativen Zugriff zu begreifen hat. Der Text der Johannesapokalypse verrät die Schriften Israels als seine hervorragende Quelle in unterschiedlichsten Rezeptionsformen, die von einem allgemeinen Spiel, Motiven, Echos bis zu konkreten Anspielungen, Zitaten und möglichen Aufnahmen von Baustrukturen reichen. Nur dort, wo Anspielungen oder seltener zitatartige Rezeptionen in der Johannesapokalypse vorliegen, lässt sich die Rückfrage nach der Textsorte, die rezipiert wird, mit Hoffnung auf eine aussichtsreiche Antwort stellen. Auch hier werden die Prätexte zu neuem Text; sie werden eingeschmolzen und neuer Darstellung und Argumentation fruchtbar gemacht. Die sprachlichen Schnittmengen sind oft schmal, so dass im Einzelfall mehrere mögliche Referenztexte diskutiert werden können, allerdings zeigen die vorgeführten Beispiele, dass der Kontext dieser Referenztexte in der Transformation des neuen Textes nachklingen kann (z.B. Hos 12,8[9] in Apk 3,17; Dan LXX 4,37 in Apk 17,14b) und somit zusammen mit den inhaltlichen und sachlichen Überschneidungen zu einem Entscheidungskriterium wird. Oftmals erfolgen Kombinationen von Texten; weiterhin ist mit der Möglichkeit der Überlagerung von Prätexten zu rechnen, was zu „Interferenzen“ führen kann, die den genauen Prätext und seine Textform verdecken. ———————— 125
S.a. ROLOFF, Offenbarung des Johannes (s.o. Anm. 3), 35f.
Die Septuaginta und die Johannesapokalypse
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Dort, wo man den Rückschritt auf die aufgenommene Textform wagen kann, wird man in der Regel nicht über die Feststellung hinauskommen, dass dem Seher eine griechische Textfassung vorlag, auf die er für seinen Text zurückgreift. Insofern ist das Umschlagen des Pendels der Forschungsgeschichte hin zur Betonung der griechischen Textform ein Ernstnehmen der oben genannten Kreativität – rechnet man die Differenzen nicht mehr als Resultat dem Übersetzungsgang zu – und ein Beachten des Zieltextes sowie der zu ihm bestehenden sprachlich ausweisbaren Schnittmengen. Dieser Aspekt der Wortidentität zwischen dem angespielten Prätext und dem Zieltext ist auch bei einem Übersetzungsvorgang möglich, aber die Annahme der Übersetzung stellt eine zusätzliche Hypothese dar, die nicht aus den Textvergleichen selbst gewonnen wird. Allerdings reicht der Rekurs auf die griechische Textüberlieferung in zweierlei Hinsicht nicht aus, sondern ist einerseits zu verbreitern und andererseits zu ergänzen. Die vorgeführten Beispiele zeigen, dass dort, wo eine Nähe zum hebräischen Text vorliegt, in jedem Fall die zeitgenössische griechische Textüberlieferung befragt werden muss, die sich durch hebraisierende Textrezensionen auszeichnet und in späterer Form bei Aquila, Symmachus und Theodotion zu finden ist. Die Belege der Johannesapokalypse können Zeugnisse für diese Textüberlieferung sein, allerdings ist es notwendig, diese Annahme durch vorhandene Handschriften der griechischen Textüberlieferung zu stützen. Anders als bei Tillys Spitzenaussage ist weiterhin ein möglicher Rückgriff auf das Hebräische zu beachten. Die Argumentation muss einerseits die Kriterien einer Anspielung bzw. eines unmarkierten126 Zitats erfüllen, sich aber andererseits durch Differenzen zur griechischen Überlieferung ausweisen lassen. So lässt es sich m.E. für Hos 12,8[9] in Apk 3,17 belegen, wo die Nähe zum unmittelbaren hebräischen Kontext des Prätextes die Rezeption aus dem Hebräischen stützt. Als Erklärungsmodell ist auf die Mehrsprachigkeit des Sehers und dessen Gedächtnis zu verweisen. Die kreative Erinnerung an Schlüsselworte und Schlüsselstrukturen hebräischer Referenztexte lässt sich an ihrem Einfluss auf die Gestaltung des griechischen Zieltextes erkennen. Es zeigt sich, dass das sachliche Urteil von Ernst Lohmeyer, der alle drei hier besprochenen Textformen für möglich hält, zutrifft, allerdings nicht in seiner Quantifizierung – das Prä der Septuaginta lässt sich mühelos durch weitere Textbeispiele belegen. Die Danielrezeption innerhalb der Johannesapokalypse zeigt zudem, dass Pauschalurteile jeglicher Art vermieden werden müssen. Selbst die anregende Überlegung von Steve Moyise, dass sich der Seher für einige Bücher hebräischer, für andere Bücher hingegen griechischer Textformen ———————— 126
Zur Verwendung des Begriffs s. Abschn. 2.3.
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bedient,127 muss wohl stärker differenziert werden. Die beiden hier vorgeführten Textbeispiele weisen Parallelen zum Theodotion-Text sowie zur Septuaginta auf. Neben der Möglichkeit, dass beide Texttraditionen Spuren in der Johannesapokalypse hinterlassen haben, kann an einen Mischtext gedacht werden. Weitere Analysen zur Danielrezeption sind noch zu leisten. Die Perspektive für die weitere Erforschung der Schriftrezeption der Johannesapokalypse liegt darin, dass die verschiedenen Einzelbeobachtungen zu Prätexten, Rezeptionsformen und Textformen miteinander vernetzt werden müssen. Noch zu oft stehen die Untersuchungen zu den einzelnen atl. Schriften nebeneinander und werden nicht hinreichend integriert. An dieser Stelle ist weitere methodische Klärung ein dringendes Desiderat wie auch die vergleichende Rezeptionsforschung, die die Arbeit der kreativen und konstruktiven Rezeption des Sehers mit anderer zeitgenössischer Schriftauslegung vergleicht – zu erwarten ist, dass dies die Arbeit und Individualität der Schriftrezeption des Sehers noch weiter profiliert; zugleich aber wären methodische und hermeneutische Impulse eine Bereicherung der Apokalypseforschung. Gerade ein kreativer und produktiver Rezipient wie der Seher, der das Handwerk der Kombinationen verschiedener Prätexte und ihrer Einschmelzung beherrscht, verlangt nach Vernetzung und Kooperation seiner Interpreten und Interpretationen. Hier begegnet also noch ein Desiderat, was nur im Rahmen internationaler Zusammenarbeit von Forscherinnen und Forschern gefüllt werden kann.
————————
127 MOYISE, The Psalms in the Book of Revelation (s.o. Anm. 30), 245 Anm. 28, mit Hinweis auf DERS., The Language of the Old Testament (s.o. Anm. 40), passim.
The Apocalypse of John, 1 Enoch, and the Question of Influence LOREN T. STUCKENBRUCK / MARK D. MATHEWS
1 Introduction A century ago, in his important commentary on The Book of Enoch or 1 Enoch, R. H. Charles made the following claim: The influence of 1 Enoch on the New Testament has been greater than that of all the other apocryphal and pseudepigraphal books taken together. 1
Since then, a considerable amount of new evidence for Jewish tradition in both the Medieval and Second Temple periods has come to light through not only new discoveries (e.g. Cairo Genizah, Dead Sea Scrolls) but also editions and commentaries that have begun to demonstrate the impact of this material for the interpretation of texts and traditions preserved in the Hebrew Bible and the New Testament. The rhetorical claim by Charles regarding the importance of 1 Enoch was no doubt calculated in order to draw attention to a tradition that had only been reintroduced to the western world during the previous century. Certainly the relative value of this or that tradition in comparison with others for the interpretation of New Testament texts is difficult, if not impossible, to argue with any degree of precision. So, rather than focusing on the grander claim of 1 Enoch’s “greater influence,” one is better positioned to reevaluate the question of influence in itself. In what follows we would like to discuss the extent to which “1 Enoch” may be thought to have shaped particular traditions or ideas found in the book of Revelation. Theoretically, such a focus is appropriate: if there is anything to Charles’ claim about the general importance of the book as an “apocalyptic” text, and if Revelation, alongside the book of Daniel in the Hebrew Bible, stands within the emerging stream of early Jewish and Christian apocalyptic traditions, then surely one might plausibly expect there to have been some interface between the two, whether this means 1
R. H. CHARLES, The Book of Enoch or 1 Enoch, Oxford 1912, xcv (cf. further ix–xii).
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Loren T. Stuckenbruck / Mark D. Mathews
dependence in any given instance, indirect influence, or at least a number of shared motifs.2 Drawing 1 Enoch into conversation with Revelation is also appropriate because of the breadth of tradition that the former represents. In fact, the designation “1 Enoch” is in itself misleading; in it we have to do with perhaps as many as nineteen distinguishable traditions which can be dated variously within a period of some four hundred years, that is, all the way from the 4th century B.C.E. until the late 1st century C.E.3 Thus, more than any “document” – this word should be used advisedly – stemming from the Second Temple period, 1 Enoch includes a wide variety of works, mostly organized around and collected under the ante-diluvian patriarch Enoch’s name, that reflect some important motifs articulated, preserved and developed during the time of Alexander the Great to early generations of the fledgling movement represented by the New Testament writings. While it falls outside the scope of the present discussion to elaborate on the developments that can be traced within the early Enochic texts, the theologically significant areas touched on within 1 Enoch include, for example: the “origin” of evil, theological anthropology, the heavenly cosmos, eschatology, poverty and wealth, socio-religious and political oppression, intermediary figures (angelic beings, messianic figures), demonic and malevolent forces, retelling of Israel’s sacred history, predictions of future events based on models of divine activity in the past, early Jewish mystical tradition, prophetic denunciations of wickedness, throne visions, heavenly journeys, offers of reassurance to the righteous, reflection on reality 2 So R. H. CHARLES, Revelation, ICC, 2 vols., Edinburgh 1920. Those who like Charles who have attempted to read Revelation by including Jewish apocalyptic literature as significant alongside the Hebrew prophets include J OHANNES WEISS, Die Offenbarung Johannes: ein Beitrag zur Literatur- und Religionsgeschichte, FRLANT 3, Göttingen 1904; WILHELM BOUSSET , Die Offenbarung Johannis, KEK.NT 16, Göttingen 1906, 5 th ed.; ULRICH B. MÜLLER, Die Offenbarung des Johannes, ÖTKNT 19, Gütersloh 1995, 2 nd ed.; DAVID E. AUNE, Revelation, 3 vols., WBC, Dallas 1997, esp. vol. 1, lxx–xc; P IERRE PRIGENT , L’Apocalypse de Saint Jean, CNT 14, Geneva 2000. 3 These may be summarised, with conventional titles for the major sections, as follows: in the Book of Watchers, (1) chaps. 1–5; (2) 6–11 – itself a blend of 2–3 sources; (3) 12–16; (4) 17–19; (5) 21–36; the Book of Parables, (6) 37–71, into which (7) a number of Noah traditions are interspersed; the Astronomical Book, (8) 72–80 (preserving some of the earliest material going back to the 4th cent. B.C.E.); (9) 81–82:4a; (10) 82:4b–20; the Book of Dreams (11) 83–84, including the Animal Apocalypse (12) 85–90; the Exhortation (13) 91:1–10, 18–19; the Apocalypse of Weeks (14) 93:1–10 + 91:11–17; the Epistle of Enoch (15) 92:1–5 + 93:11–94:6 and 104:9–105:2; (16) 94:7–104:8; the Birth of Noah (17) 106:1–12 + 106:18–107:3; (18) 106:13–17; and Eschatological Admonition (19) 108 (containing some of the latest material that stems from the late 1 st century C.E.). An early form of this collection may also have included the Book of Giants (if 4Q203 and 4Q204 belonged originally to the same manuscript).
The Apocalypse of John, 1 Enoch, and the Question of Influence
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inspired by wisdom tradition, debate surrounding calendar, and the function of gender. This very broad scope of traditions and motifs, when compared not only with the apocalypse of John but also with numerous other apocalyptic works, makes it possible to locate where, in traditionhistorical terms, a given tradition lies within the sometimes complex trajectories that were taking shape within the apocalyptic idiom around the turn of the Common Era. On the other hand, however, many scholars have been prepared to emphasize how much more the Johannine apocalypse was indebted to “Old Testament” prophets than to “pseudepigraphal” literature outside the biblical “canon.”4 This view is mistakenly coupled with the otherwise valid 4
Rendering the contrast in these terms, the merits of comparisons aside, puts the discussion on a misguided footing from the start. Emphasis on continuity between Revelation and the “Old Testament” prophets all too casually becomes a statement about innerbiblical canonicity, while an a priori negative valuation of “pseudepigraphal” texts diminishes in principle what one might expect to learn from them. See ISBON T. BECKWITH, The Apocalypse of John, New York 1922, 166–197, who distinguished between the borrowing of form from other writings and theological value (canonicity); e.g., on 174, while stressing Revelation’s indebtedness to the prophets, he states, “It should be distinctly observed that when the characteristics of apocalyptic literature mentioned above are attributed to the Book of Daniel or the Revelation of John, these books of our Bible are not robbed of their religious value or their canonical rank.” This perspective, with permutation and with consequences for interpretation, has been sustained by major studies and commentaries who entertain a myopic focus on the influence of the Hebrew Bible or neglect and play down the significance of “non-canonical” Second Temple literature; the more significant voices expressing this view over the years have included, e.g., H ENRY BARCLAY S WETE, Commentary on Revelation, Grand Rapids 1977, repr. 1911, cxl– clviii; ADOLF SCHLATTER, Das Alte Testament in der johanneischen Apokalypse, BFCT XVI/6 Gütersloh 1912; MARTIN KIDDLE, The Revelation of St. John, MNTC, New York 1940; AUSTEN M. FARRER, The Rebirth of Images: The Making of St. John’s Apocalypse, Westminster, UK 1949; H. H. ROWLEY, The Relevance of Apocalyptic, London 1963, rev. ed., 138–149; AKIRA SATAKE, Die Gemeindeordnung in der Johannesapokalypse, WMANT 21, Neukirchen-Vluyn 1966, 81–86; DAVID HILL, Prophecy and Prophets in the Revelation of St. John, NTS 18 (1971–1972), 401–418 and On the Evidence of the Creative Role of Christian Prophets, NTS 20 (1973–1974), 262–274; H EINRICH KRAFT , Die Offenbarung des Johannes, HNT 16a, Tübingen 1974; J ÜRGEN ROLOFF, Die Offenbarung des Johannes, ZB.NT 18, Zürich 1974; FREDERICK DAVID MAZZAFERRI, The Genre of the Book of Revelation from a Source-Critical Perspective, BZNW 54, Berlin 1989; BRUCE M. METZGER, Breaking the Code: Understanding the Book of Revelation, Nashville 1993; J AN FEKKES III, Isaiah and Prophetic Traditions in the Book of Revelation: Visionary Antecedents and their Developments, JSNT.S 93, Sheffield 1994; GREGORY K. BEALE, for example, in: John’s Use of the Old Testament in Revelation, JSNT.S 166, Sheffield 1998. Of course, the sustained attention Charles gave to the Jewish apocalyptic underpinnings of many parts of Revelation while clearly privileging the Christian canonical writings over the Jewish non-canonical texts from the Second Temple period shows how interest in the latter did not necessarily result in a theologically sympathetic treatment.
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insight that the writer of the apocalypse understood himself as a prophet. 5 There is another, pragmatic factor at work as well. Some of the analytical focus linking Revelation to the Hebrew Bible is a matter of convenience and more than simply the outworking of a canonical approach. Due to their complicated text-critical and reception histories, some apocalyptic works from the Second Temple period which are predominantly preserved in languages more remote to western scholarship (e.g. Ge‘ez, Armenian, Old Slavonic) and therefore more difficult to negotiate for many critical scholars, who find themselves having to rely on modern translations. Here, both familiarity and a principled circumscription of “canonicity” join hands in a way that neglects a constructive attempt to locate Revelation within the wider Jewish literary output of the ancient world.
2 Comparison and Analysis What can be said about the relationship between the book of Revelation and the early Enochic literature? In terms of principle, two things should be noted. First, given the access to 1 Enoch in different languages, its complete preservation in only Ge‘ez (including two recensions), and its composition over several hundred years, any comparison of the two should involve the recognition of a certain complexity. While Revelation as a whole may also be the product of development, its growth – from traditions that may have initially circulated until the time its visions were organized as messages to the churches of Asia Minor – spanned at most a shorter period of decades towards the end of the 1st century C.E. In other words, while the production of 1 Enoch as preserved in the Ethiopic text traditions reflects the work of many authors who assumed the name “Enoch” and who entertained different theological outlooks,6 the book of 5
By drawing a line of continuity between the Hebrew Bible and Revelation as prophecy, this view assumes that “prophecy” does not describe how the authors of pseudepigraphal texts would have styled themselves. The Epistle of Enoch, Jubilees and 4 Ezra (cf. ch. 14) provide several cases to the contrary. On the Epistle see LOREN T. STUCKENBRUCK, The Epistle of Enoch: Genre and Authorial Presentation, DSD 17.3 (2010), 358– 388 and 1 Enoch 91–108, CEJL, Berlin 2007, 185–216; on Jubilees and 4 Ezra cf. respectively HINDY NAJMAN, How Should We Contextualize Pseudepigrapha? Imitation and Emulation in 4 Ezra, in: Anthony Hilhorst / Émile Puech / Eibert J. C. Tigchelaar (eds.), Flores Florentino: Dead Sea Scrolls and Other Early Jewish Studies in Honour of Florentino García Martínez, JSJ Supplements 122, Leiden/Boston 2007, 529–536 and Reconsidering Jubilees: Prophecy and Exemplarity, in: Gabriele Boccaccini / Giovanni Ibba (eds.), Enoch and the Mosaic Torah, Grand Rapids 2009, 229–243. 6 On the concurrency of authorial activity under the name of Enoch, see LOREN T. STUCKENBRUCK, Reflections on Source-Criticism of the Epistle of Enoch and the Signif-
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Revelation by and large is ascribed to the same prophetic figure, John, who was immediately known to the seven churches addressed in the work. It is therefore important to take the different theological perspectives and hishistorical contexts within 1 Enoch into account as we offer a comparison with selected passages in Revelation. Second, the present discussion, while interested in the question of possible influence of Enoch traditions on Revelation, is also concerned with what can be learned about Revelation when both assemblages of tradition are placed in conversation with one another. Thus not only overlapping perspectives but also differences may provide clues on what kinds of traditions John had at hand and what kinds of traditions John may have attempted to avoid. It is impossible within the present treatment to provide an exhaustive discussion of every possible link that can be subjected to assessment. What we provide below, however, is a list of alleged parallels (columns 1 and 2), and a short summary of what they consist (column 3), followed by a brief discussion that weighs the relative merits of the parallels. The list is largely drawn from several selected studies and commentaries related to 1 Enoch,7 on the one hand, and to Revelation, on the other.8 In order to draw attention to the distribution of parallels in Revelation, the passages supplied follow the sequence of the book of Revelation, while the discussion icance of 1 Enoch 104:9–13, in: Eric F. Mason (ed.), A Teacher for All Generations: Essays in Honor of James C. VanderKam, 2 vols., JSJS 135/I and II, Leiden/Boston 2012, 2:705–714. 7 So esp. C HARLES, The Book of Enoch (see n. 1), xcvi–xcix; M ATTHEW BLACK, The Book of Enoch or I Enoch, SVTP 7, Leiden 1985; GEORGE W. E. NICKELSBURG, 1 Enoch 1 (see n. 7), Hermeneia, Minneapolis 2001; P ATRICK A. TILLER, A Commentary on the Animal Apocalypse of 1 Enoch, Early Judaism and Its Literature 4, Atlanta 1993; and LOREN T. STUCKENBRUCK, 1 Enoch 91–108, CEJL, Berlin 2007. 8 For the present discussion, in addition to taking note of the bibliography in the previous footnote, we have followed the parallels alleged mentioned in C HARLES, Revelation (see n. 2), lxxxii–lxxxiii (a much shorter list than in IDEM, The Book of Enoch or 1 Enoch); AUNE, Revelation (see n. 2); J AMES H. CHARLESWORTH, The Parables of Enoch and the Apocalypse of John, in: Gerbern S. Oegema / James H. Charlesworth (eds.), The Pseudepigrapha and Christian Origins, Jewish and Christian Texts 4, London 2008, 193– 242; DAVID E. AUNE, The Apocalypse of John and Palestinian Jewish Apocalyptic, in: Oegema / Charlesworth, The Pseudepigrapha and Christian Origins (see above), 169– 192; RICHARD BAUCKHAM, The Use of Apocalyptic Traditions, in: IDEM, The Climax of Prophecy: Studies on the Book of Revelation, Edinburgh 1993, 38–91; M ARK D. MATHEWS, Riches, Poverty, and the Faithful: Perspectives on Wealth in the Second Temple Period and the Apocalypse of John, Ph.D. Dissertation, Durham University, UK, forthcoming in the SNTS Monograph Series – citations taken from the dissertation. A number of commentaries or treatments of Revelation contain a general overview of the early Enochic tradition without, however, assessing its significance in more than very general terms; cf. e.g. BECKWITH, The Apocalypse of John (see n. 4), 181–183; LEONARD L. THOMPSON, The Book of Revelation, New York 1990, 19–21.
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and conclusions drawn thereafter will attempt to respect the socio-religious and literary contexts of the Enochic texts in question. Those passages in Revelation which show particular affinity with the Enochic parallel9 and merit discussion are marked in bold. Those passages which show a more general affinity with further parallels in Second Temple Jewish writings (listed in the third column) are left unmarked. Next to each of the Revelation texts, secondary literature from which the parallel was initially derived is indicated by the author’s initials (RC = R. H. Charles; DA = David Aune; AYS = Annette Yoshiko Reed; MM = Mark D. Mathews; LS = Loren T. Stuckenbruck), and readers should note the further bibliographical references and discussions in the notes. Revelation 1:1 (LS 10) – to show the things that must soon take place (4:1; 22:6; cf. 1:19)
1 Enoch 91:1 – “in order that I (Enoch) may show you everything that will happen for ever”11
Alleged Parallel introduction by an intermediary of a document as concerned with the future
An announcement at the beginning of the work that what follows is revealed knowledge about divinely foreordained events is uniquely shared between Revelation and the Exhortation of Enoch. 1:4 (RC12) – seven spirits before God’s throne (cf. 1:20; 3:1–2; 4:5; 5:6; 8:2,6; 15:1,6–8; 16:1; 17:1)
90:20–21 – summoning of seven “white men” to bring disobedient stars before throne (cf. 20:1–8; 81:5; 87:2)
seven angelic beings before God linked to judgment (Tob. 12:15; T.Levi 8:2; cf. Ezek. 9:1–11)
If the seven spirits before God’s throne in Rev 1:4 are angelic beings,13 it is possible that they are linked to those angels who later in the book carry out God’s judgment, especially in chapters 8 (by blowing the trumpets) and 15 (by pouring out bowls of wrath). In relation to the broad motif of seven angelic figures, the texts from Revelation come closer to Tobit 12:15 (cf. the angels᾽ intercessory role in Rev 8:2–5) and to Ezek 9:1–11 (cf. their role as executioners of God’s wrath in Revelation 15).14 Unlike 1 Enoch 90, the activity of the seven angels in Revelation is not immediately correlated to the execution of punishment against the fallen stars. Signifi9 Unless otherwise indicated, the translation cited for 1 Enoch is that of GEORGE W. E. NICKELSBURG / JAMES C. VANDERKAM, 1 Enoch: A New Translation, Minneapolis 2004. 10 STUCKENBRUCK, 1 Enoch 91–108 (see n. 7), 160. 11 Translation in S TUCKENBRUCK, 1 Enoch 91–108 (see n. 7), 157. 12 CHARLES, The Book of Enoch (see n. 1), xcvi. Cf. further N ICKELSBURG, 1 Enoch 1 (see n. 7), 207 (Excursus: The Four – or Seven – Archangels in Jewish and Early Christian Literature). 13 On the equivalence between “spirit” and angelic beings, see the discussion in AUNE, Revelation (see n. 2), 1:34–35. 14 Cf. LOREN T. S TUCKENBRUCK, Angel Veneration and Christology, WUNT 2.70, Tübingen 1995, 226–228 (and n. 58).
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cantly, however, the combination of seven angels as agents of judgment and the motif of a star falling from heaven is only shared with the Animal Apocalypse (1 En. 86:1; 88:1; Rev 8:10; 9:1; cf. 12:7–9). 1:7 – every eye will see him; cf. under 6:15–16 below
62:3, 5 – they (all the kings, the mighty, the exalted, those who possess the earth) will see and recognize that he (the Chosen One, v.1) sits on the throne of his glory … they will see the Son of Man sitting on the throne of glory
eschatological recognition of “son of man” figure by wrongdoers (Matt 24:30; Did. 16:8; Justin Dial. 14.8)
The phrase itself, along with the following one (“and those who pierced him”), is an allusion to Zechariah 12:10b. Here, as in Matt 24:30, Did. 16:8 and Justin’s Dialogue with Trypho 14.8, the Zechariah passage is interpreted together with Daniel 7:13, which refers to a son of man-like figure coming “with” (Theod.; cf. “with” in Rev 1:7) or “on” (MT, Old Gk.; cf. Rev 14:14) the clouds of heaven. The inclusion of a reference in this combination to “those who pierced him” is shared by Rev 1:7 and the passage from Justin who, however, attributed the allusion to Hosea and Daniel. The Enochic passage in the Parables, in which “the Chosen One” acts as a vice regent also designated as enthroned “the Son of Man” (63:5), may reflect the combination of Zechariah and Daniel, though more remotely. Whereas the Parables (the catalogue of wrongdoers) and Justin (nonChristian Jews) emphasize the recognition of God’s vice regent by the wicked, Revelation (“every eye”), Matthew (“all the tribes of the earth”) and Didache (“the world”) underscore the universal scope of the vision. 1:14,16; 10:1 (LS15) – eyes like a flame of fire (cf. 2:18); face like the sun shining in full strength; face like the sun
106:2 – when he (Noah) opened his eyes, they illuminated the entire house as the sun
the comparison of the brightness of the eyes or face of a divine agent with sunlight (Dan 10:5; Gen Apoc. 1Q20 v 7; 1Q19 1.5; Jos. Asen. 15:9; 22:7; 2 En. 1:5 A; Apoc. Zeph. 6:11)
Just as for Noah at his birth in 1 En. 106:2, the descriptions of Jesus (1:14, 16; 2:18) and of a strong angel (10:1) in Revelation pick up on traditions associated with prominent angelic figures (e.g. Dan 10:5; Jos. Asen. 15:9; Apoc. Zeph. 6:11; 2 En. 1:5 A). No direct connection here between the Birth of Noah and Revelation.
15
STUCKENBRUCK, 1 Enoch 91–108 (see n. 7), 628–629.
198 *2:7 (RC16) – to the one who conquers I will grant to eat from the tree of life, which is in the paradise of God (cf. 22:14, 19)
Loren T. Stuckenbruck / Mark D. Mathews 24:4–25:6 – a fragrant tree that no one may touch until the great judgment, when it will be given to the righteous (v. 4) and its fruit as food for the elect (v. 5)
eschatological eating from the tree of life by the righteous (2 En. 8–9; 4 Ezra 8:52; T. Levi 18:11; Apoc. Mos. 28:4; 3 En. 23:18; Apoc. Elij. 5:6)
Access to the tree of life is forbidden after Adam and Eve’s disobedience in the garden of Eden (Gen 3:24). In the Book of Watchers Enoch sees two prominent trees: (1) a fragrant and beautiful tree, whose fruit will be given to the righteous at the time of judgment (1 En. 25:4–5), and (2) a beautiful “tree of wisdom” in “the paradise of righteousness” (1 En. 32:3). Unlike the parallel traditions and Revelation, the Book of Watchers distinguishes between the “tree of life” (Gen 2:7; 3:22, 24; cf. 1 En. 24:4–25:6) and the “tree of the knowledge of good and evil” (Gen 2:9, 17) in “the garden of righteousness”, that is, the one from which Adam and Eve ate (cf. 1 En. 32:3–6). Like Revelation, 2 Enoch 8–9 and 4 Ezra 8:5217 also refer to a tree of life in paradise, but do not expressly state that from it the righteous will eat. The close similarity between Rev 2:7 and the text of Testament of Levi 18:11 is best explained in terms of influence of the former on the latter. If the eschatological tree from which the righteous will eat in 1 En. 24:4–25:6 is to be understood as the “tree of life,” then the Book of Watchers provides the closest prior existing parallel18 to the promise to those who conquer in Rev 2:7. *3:5, 7:13 (RC19) – the one who conquers will be clothed in white (cf. 3:18; 4:4; 7:9,14)
90:28–32 – in the new house (Jerusalem) three angelic beings are clothed in white, and the sheep (the faithful of Israel) are white
association of the faithful with white (clothing) (Hermas, Sim. 8.2.3; 2 Esd. 2:40; b. Shabb. 114a)
In Revelation the color “white” consistently denotes purity,20 while in the Animal Apocalypse the color white is generally applied to those who participate in human lineage (1 En. 85:3–Adam; 85:8–Seth; 89:9–Noah, Shem; 89:10–Abraham; 89:11–Isaac; 89:12–Jacob), to angelic beings (87:2; 90:21, 31), to those among Israel deemed to have been loyal (90:6), and to the eschatological faithful sheep of Israel (90:32). Although angelic beings in the Animal Apocalypse are the only ones specifically presented as 16 CHARLES, The Book of Enoch (see n. 1), xcvii, followed by LOREN L. J OHNS, The Lamb Christology (see n. 16), WUNT 2.167, Tübingen 2003, 94. 17 4 Ezra 7:123 refers to paradise and the unsoiled, plenteous and healing fruit without, however, mentioning the tree of life. 18 The similar tradition is preserved in several compositions that postdate Revelation: Apoc. Mos. 28:4, 3 En. 23:18, and Apoc. Elij. 5:6. 19 CHARLES, The Book of Enoch (see n. 1), xcvii. 20 Cf. AUNE, Revelation (see n. 2), 1:222–223.
The Apocalypse of John, 1 Enoch, and the Question of Influence
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“clothed in white,” the description of the faithful as white leading up to the time of the great judgment (90:31–32) has its equivalent in Revelation (esp. 3:5; 7:13–14), where being clothed in white signifies faithfulness and religious purity. Among Jewish writings composed prior to the end of the 1st century C.E., the Animal Apocalypse offers the closest parallel to Revelation. 3:10 (RC21) – “those who dwell upon the earth” cf. under 13:14 below
37:5 – “those who dwell upon the earth”
the phrase in both the Greek and the Ge‘ez versions corresponds exactly (4 Ezra 3:12, 34–35; 4:21, 39; 5:1 etc.; 2 Bar. 25:1; 48:32, 40 etc.; T. Abr. 3:12 A; Ps.-Philo 3:3, 9, 12; 4:16; CD A x 9)
In addition to sharing the precisely same formulation (οἱ κατοικοῦντες ἐπὶ τῆς γῆς || ’ella yaḥadderu diba yabs), both Revelation (6:10; 8:13; 11:10; 13:8, 12, 14; 17:2, 8) and, for the most part, the Enochic Parables (e.g. 1 En. 40:6–7; 48:5; 54:6, 9; 55:1; 67:7) use it in a negative sense. However, “those who inhabit the land” ( )יושבי הארץis frequently applied to Philistines in the Hebrew Bible (Lam 4:12; Isa 24:6, 17; 26:9, 18, 21; Jer 1:14; 25:29–30; 38:11; Ezek 7:7; Dan 4:35; Zeph 1:18)22 and occurs in a similar form in a sufficient number of other early Jewish writings, such that any direct relationship between Revelation and the Parables cannot be established. *3:12 (RC23) – the one who conquers “I will make him into a pillar in the temple of God” …“I will write on him the name of my God and the name of the city of my God, the new Jerusalem”; cf. 21:22 – the new Jerusalem is without a temple since “its temple is the Lord God the Almighty and the Lamb.”
90:29 – reference to Jerusalem as the “new house” with new pillars, beams, and ornaments; the faithful sheep of Israel will dwell there; no explicit mention of the Temple (cf. 90:32–35)
association of the faithful with a new Jerusalem (including pillars) in which a temple cult is not ultimately envisioned
While it is now argued that “the new house” referred to in the Animal Apocalypse (cf. 1 En. 90:28–29) describes eschatological Jerusalem and not the Temple as such,24 it remains that the description of the new Jerusalem contains imagery that also applies to the Temple. While the notion of 21 22 23
See also CHARLESWORTH, The Parables of Enoch (see n. 8), 237. See the discussion in AUNE, Revelation (see n. 2), 1:240. CHARLES, The Book of Enoch (see n. 1), xcvii; not mentioned in Charles, Revelation (see n. 2). 24 So TILLER, A Commentary on the Animal Apocalypse (see n. 7), 45–51; N ICKELSBURG, 1 Enoch 1 (see n. 7), 404–405.
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the heavenly or new Jerusalem was widespread in Jewish literature, the mention of pillars in relation to it is rare, that is, it is only also found in Ezek 40:49 and 42:6, and preserved in the New Jerusalem fragments from the Dead Sea Scrolls.25 In Revelation, however, the pillars are associated with “the temple of God” which, in a twist, is expressly stated not to exist as a structure in the new Jerusalem in chapter 21 (cf. vv. 10–27). Despite the different emphases and the incongruity between the anticipated temple (3:21) and its absence in the conclusion of John’s vision (ch. 21), the convergence of the motifs of the new Jerusalem, the presence of pillars and the non-inclusion of the temple as an edifice in the eschatological order of things is only shared by Revelation and the Animal Apocalypse. 3:17 (RC26) – For you say, “I am rich, I have prospered, and I need nothing.” You do not realize that you are wretched, pitiable, poor, blind, and naked.” See also under 18:4, 7 below.
97:8–10 – Woe to you, who gain gold and silver which is not through righteousness; and you will say, “We have become wealthy with riches, and we have possessions and own everything that we want. / And now let us do what we have planned, for we have treasured up silver; we have filled our treasures chests, and as much water are the field labourers of our houses.”/ And like water your error will flow away, for your wealthy will not remain, but will quickly go up from you; for you have come into ownership of everything by means of iniquity, and over to a great curse you will be delivered.
speech imputed on wrongdoers who have acquired wealth (Hos 12:9 Gk.; Epictetus in Arrian, Epict. Diss. 3.7.20)
The influence behind the imputed speech within the message to the church of Laodicea in Rev 3:17 has been traced to “the discourse of the moral philosophers,”27 whose sapiential speech underscores the superiority of wisdom over wealth,28 or, more usually, to the speech of Ephraim in Hosea 25 So 1Q32 1.1–2; 5.1; 4Q554 2 iii 22; 5Q15 1 ii 4; 2.4–5; 11Q18 9.2; 11.6 – here the pillars are features of the city, not the Temple per se, in contrast, for example, to Songs of the Sabbath Sacrifice at 4Q403 i 14 which refers to “pillars” in the heavenly temple and where, interestingly, as in Rev. 3:12, the pillars of the heavenly temple are depicted as animate; see DALE C. ALLISON, 4Q403 fragm. 1, col. 1,38–46 and the Revelation to John, RQ 12 (1986), 409–414. 26 CHARLES, The Book of Enoch (see n. 1), xcvii, though the parallel alleged with 1 En. 97:8 is not followed up in his Commentary on Revelation (vol. 1, 96–97). 27 As argued by R OBERT M. ROYALTY, The Streets of Heaven: The Ideology of Wealth in the Apocalypse of John, Macon 1997, 167–172 (cf. n. 51), who appeals to the very similar words of Epicurean perspective made by a Roman official in response to Epictetus’ claim that Epicureans are unlikely to subordinate pleasure to social duties: “But I am rich and have need of nothing.” Unlike Rev 3:17, Hos 12:9 (Gk.) and 1 En. 97:8–10, however, these words are not formally followed up by a declaration that unmasks the speech’s claim. 28 Cf. J. MASSYNGBERDE FORD, Revelation, Anchor Bible 38, Garden City 1975, 421 who refers to Wsd. Sol.7:9 and Sir. 6:30–31 where, however, the form of imputed speech is lacking.
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12:9 (Gk.29): “And Ephraim said, ‘Indeed I am rich; I have found relief for myself!’ But none of his labors will offset the wrongs he has wicked deeds through which he has sinned.”30 Attributed speech, as such, is common in the Hebrew Bible and Second Temple Jewish texts.31 In relation to wealth, such attributed speech also occurs in Ben Sira 11:18–19 (cf. 5:1), while self-glorification speech attributed to Rome is also found in 2 Baruch 12:3 (cf. Ezek 28:2). In Ben Sira, however, this device serves an instructional,32 rather than a polemical, purpose. In addition, the perspective enjoined in Sirach is not categorically critical of the acquisition of affluence in the present life. Siding on the whole with Deuteronomistic tradition, Sirach, though aware of the pitfalls of wealth, holds that one can enjoy material blessing from God in this life, as long as one guards against greed and does not neglect the poor (4:1, 4; 7:32; 13:24; 14:3; 29:9). In its use of the imputed speech form and in overall perspective, Revelation comes closer to the Epistle of Enoch than to any other document. The Epistle expresses five main views regarding wealth: (1) It rejects wealth as a sign of God’s blessing in the present age (e.g. 1 En. 96:4). (2) The Deuteronomistic promise of material reward (Deut 7:13, 15–16, 20– 21; 8:12–13; 9:26; 10:18; 11:6; generally, chaps. 28–30), is postponed to the eschaton (cf. 1 En. 103:9–15 with 104:1–6).33 (3) The acquisition of wealth for the faithful in the present age is categorically rejected, and (4) there are warnings that the righteous should not associate with the rich and powerful (1 En. 96:4; 104:6; cf. 97:4; 99:10). (5) Although the Epistle refers to the unjust wealth (1 En. 97:8–10), those who have acquired wealth are irretrievably branded as “sinners”; no effort is made in the Epistle to call them to repentance or to instruct them to behave differently. 29 In contrast to the Heb. (MT), which presents the entirety of the verse as spoken by Ephraim. 30 So C HARLES, Revelation (see n. 2), 1:96 and, e.g., S WETE, Commentary on Revelation (see n. 4), 61; E. LOHMEYER, Die Offenbarung des Johannes, HNT 16, Tübingen 1970, 3rd ed., 38; WILFRED J. HARRINGTON, Revelation, SP 16, Collegeville 1993, 74; MÜLLER, Die Offenbarung des Johannes (see n. 2), 136; GREGORY K. BEALE, The Book of Revelation: A Commentary on the Greek Text, NIGTC, Grand Rapids 1999, 304–305; EDMUNDO F. LUPIERI, A Commentary on the Apocalypse of John, Grand Rapids 1999, 129. 31 So e.g. Deut 8:17–18; Pss 10:13; 35:25; Prov 24:12; Isa 29:15; 47:8; Jer 2:23; 13:22; 21:13; 42:13–14; Ezek 18:19; Hos 12:9 (Gk., cited above); Amos 7:16; Zech 11:5; Sir 5:1; Wsd. Sol. 2:6–10; 5:8, 15–16; 1 En. 63:10; Luke 12:19; Jas 4:13. 32 Sir. 11:18–19: “One becomes rich through diligence and self-denial, and the reward allotted to him is this: when he says, ‘I have found rest, and now I shall feast on my goods!’ he does not know how long it will be until he leaves them to others and dies.” (NRSV) 33 See the discussion of these passages in S TUCKENBRUCK, 1 Enoch 91–108 (see n. 7), 537–577.
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Despite slight differences,34 Revelation also views the present age as a time when the righteous, who are not among the affluent, who suffer and who, predictably, are going to be materially destitute. In addition, whereas the language that reflects the true state of the rich (wretched, pitiable, poor, blind, naked) has sometimes been explained as related to the banking and wool industry of Laodicea and to medical schools that produced eye salve,35 the conditions of poverty, blindness and nakedness also occur among the Deuteronomistic curses upon those who are unfaithful to the covenant (Deut 28:28–29, 48).36 Coming very close to the Epistle, John points out that wealth is not a sign of divine favor, but rather it reflects a state of being unfaithful; moreover, like the Epistle, John holds that people are so much more wicked because of their wealth as they have become rich through blatant disobedience to God. Hence the audience of Revelation is exhorted to “come out” of Babylon lest they too become guilty by association (cf. 1 En. 97:4). 3:20 (RC37) – Jesus will eat with those to open the door
62:14 – the Lord of the Spirits will abide over the righteous, “and with the Son of Man they will eat”
eating with God’s viceregent is promised to the faithful
Within the context of Revelation, this reference to Jesus’ dining with the faithful is later picked up in “the marriage supper of the Lamb” (Rev 19:9), though the latter has a specific event in view and in it the Lamb is assumed to be the host while in the former Jesus is the guest of the one who opens the door to his knocking.38 The parallel in the Book of Parables does not specify anything about the righteous being hosts or guests; however, the shared act of eating, like in Revelation, is considered a reward to be enjoyed and shared between the faithful, on the one hand, and God’s primary agent of salvation, on the other. Though the imagery of opening the door for a meal to the one who knocks is already found in Jesus tradition (Luke
34 These slight differences are twofold: (1) Revelation makes no mention of unjust wealth, and (2) the message to Laodicea, together with the appeal to “come out” of Babylon in 18:4, does not regard the materially well-to-do as beyond change (see the summons to repent in 3:19); cf. DAVID A. DESILVA, Seeing Things John’s Way: The Rhetoric of the Book of Revelation, Louisville 2009, 250–254. 35 So e.g. W ILLIAM RAMSAY, The Letters to the Seven Churches of Asia and Their Place in the Plan of the Apocalypse, New York 1904; C OLIN HEMER, The Letters to the Seven Churches of Asia in Their Local Setting, JSNTSup 11, Sheffield 1986. 36 MATHEWS, Riches, Poverty, and the Faithful (see n. 8), 176–186, 224–227. 37 CHARLES, The Book of Enoch (see n. 1), xcvii; cf. also C HARLESWORTH, The Parables of Enoch (see n. 8), 237–238. 38 MARTIN KARRER, Die Johannesoffenbarung als Brief, FRLANT 140, Göttingen 1983, 215.
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12:35–37)39 and the tradition of the Last Supper or practice of communion in the church may lie in the background,40 among the non-Christian Jewish writings from the Second Temple period, only the Book of Parables anticipates an eschatological eating with God’s heavenly designate who, as Jesus in the New Testament (and in Revelation), is associated with the “son of man”-like figure known from Daniel 7 (1 En. 46:3–4; 62:7, 9, 14; 63:11; 69:27, 29) and is called “the Anointed One/Messiah” (48:10; 52:4). 3:21 (RC41) – “To the one who conquers I will give a place with me on my throne, just as I myself conquered and sat down with my Father on his throne.” Cf. 20:4.
108:12 – “I will let each one (of the righteous) sit on his throne of honor.”
enthronement promised to the faithful (1 Sam. 2:8; Job 36:7; 4Q521 2 ii 5–8; Luke 12:35–37; 22:28–30; cf. T. Levi 13:9; Apoc. Elijah 1:8)
Taken together with the possible allusion to Luke 12:35–37 in Rev 3:20, some interpreters have stressed the parallel between 3:21 and Jesus’ promise to those who persist with him to eat “at my table in my kingdom” which he has received from “the Father” and “to sit on thrones judging the twelve tribes of Israel” (Luke 22:28–30). These parallels, taken together, might suggest a more immediate frame of reference than either the Enochic Eschatological Exhortation (1 En. 108:12) or the text from 4Q521 2 ii 7 (“for he will honor the pious upon the throne of eternal rule”). In one detail, however, the last mentioned texts agree with Revelation against the parallel from Luke: the faithful will be allowed to sit on the divine throne, not their own individual thrones (plur.).42 If sitting on the throne is not simply a matter of honor for the faithful but takes the notion of an enthroned messianic figure sitting in judgment of the wicked as its point of departure, then Rev 3:21 builds on the tradition found also in Rev 6:16 and 22:1, 3. This, in turn, would have a parallel in the Book of Parables where the Chosen One/Son of Man, seated on the divine throne, judges human perpetrators of evil (cf. 1 En. 45:3; 51:1; 55:4; 61:8; 62:2, 5; 69:26–29).43 It is not clear, though, whether here the faithful are anticipated to sit with Christ in judgment (Rev 20:4) or will do so primarily to illustrate the honor that will come to them (as in 1 En. 108:12; 4Q521 2 ii 7).
39 Cf. LOUIS A. VOS, The Synoptic Traditions in the Apocalypse, Kampen 1965, 100 for the argument of direct dependence on Luke’s Gospel. 40 E.g. P RIGENT , L’Apocalypse de Saint Jean (see n. 2), 167–168. 41 CHARLES, The Book of Enoch (see n. 1), xcvii. The Enochic text is not mentioned by CHARLES in Revelation (see n. 2), vol. 1, 102. 42 For a discussion of this motif, see S TUCKENBRUCK, 1 Enoch 91–108 (see n. 7), 735–738. 43 AUNE, Revelation (see n. 2), 1:261–263.
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4:1 (RC44) – “After this I looked, And there in heaven a door stood open! And the first voice… said, ‘Come up here…’.”
14:8, 15 – “clouds in the vision were summoning me, and mists were crying out to me; … / And look, another open door before me…”
an open doors for entry into heavenly space; a sound beckoning the visionary to come (Aram. Levi Doc. 4Q213a 2.16– 18; T. Levi 2:6)
In two details, the Book of Watchers parallels the beginning of John’s vision of the divine throne room in Revelation 4: (1) the image of an open door as a passageway to heaven (1 En. 14:15; T. Levi 2:5 – “the heavens were opened”) and (2) the sound from above encouraging the visionary to come (14:8; cf. T. Levi 2:6).45 In 1 En. 14:15, the reference to “another door” assumes that the visionary’s initial entrance to heaven was a (unnarrated) door. The combination of both details is uniquely shared by Revelation and, among the Hebrew Bible and Second Temple Jewish writings, the Book of Watchers. 4:6, 8 (RC46) – “around the throne, on each side of the throne, are four living creatures … day and night without ceasing they sing, ‘Holy, holy, holy is the Lord God Almighty…’”
40:2 – “on the four sides of the Lord of Spirits, I was four figures different from those who sleep not”; 39:12 – “those who do not sleep bless you … saying, ‘Holy, holy, holy is the Lord of Spirits…’” (my translation); cf. 14:23
the location on each side of the divine throne of four creatures in the context of continuous worship (Isa. 6:2–3; Ezek. 1:5–25)
Both the description of the four creatures and their worship of God in the divine throne room in Revelation and the Book of Parables are likely influenced by scenes described in Isaiah 6 (the qedushah by the four seraphim; see Rev and 1 En. 39:12) and Ezekiel 1 (the four living creatures). In addition, the difficult phrase “around the throne” in Rev 4:6 (lit. “in the midst of the throne”, ἐν µέσῳ θρόνου) may derive from Ezekiel 1:5 (“in the midst of it” [ἐν τῷ µέσῳ – i.e. a great cloud] “was the likeness of four living creatures”). In addition, unlike Rev 4:8 neither Ezekiel nor Isaiah state anything about the worship around the divine throne being continuous; in Revelation the uninterrupted continuity of worship is underscored by the phrases “do not have rest” (14:11) and “day and night” (esp. 7:15; cf. 12:10; 20:10) both of which reflect language used elsewhere by John. 44 45
CHARLES, Revelation (see n. 2), 1:106–107. Both of these points may be implied by Aramaic Levi Document (4Q213a 2.16– 18) and T. Levi 2:6. For text and commentary of the former, very fragmentary text, see HENRYK DRAWNEL, An Aramaic Wisdom Text from Qumran, JSJ Supplements 86, Leiden/Boston 2004, 176–179 and 224–228. 46 CHARLES, The Book of Enoch (see n. 1), xcvii and Revelation (see n. 2), vol. 1, 118–119; AUNE, Revelation (see n. 2), 1:302; and esp. C HARLESWORTH, The Parables of Enoch (see n. 8), 238.
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Both these details are shared by Revelation with the Book of Parables which, using its own phraseology, attributes worship of God and the reciting of the qedushah to a class of beings “different” from the four creatures as “those who do not sleep” (’ella yenawwemu; 39:12, 13; 40:2). Thus the Book of Parables and Revelation, which are also the only texts outside of Isaiah before the end of the 1st century C.E. to refer to the qedushah, have at least taken their use of the language of Ezekiel and Isaiah in a similar direction; it would be difficult to conclude from this, however, that either of these texts has been influenced by the other.47 Significantly, the phrase “day and night” used by John to denote the ceaseless worship of God comes close to what the Book of Watchers states about “the holy ones of the watchers (Gk. angels) who approached him (God)” in 1 En. 14:23: “they did not depart by night” and, if we may follow Nickelsburg’s emendation of the text, “did not leave .”48 Only these two texts from the Second Temple period share this language in relation to the heavenly worship (also Rev 7:15), while several documents apply the phrase to the cultic activity of priestly groups (1 Chr. 23:3; Josephus, Ant. 7.14.7; 1QS vi 6–12). 5:11 (RC49) – the presence of “myriads of myriads and thousands of thousands” around the divine throne
14:22 – “myriads of myriads stood before him”; 40:1 – “thousands of thousands and myriads of myriads”; 71:8 – “thousands of thousands and myriads of myriads” (my translations)
“myriads” and “thousands” (cf. Dan. 7:10 Th.; Ps 68:17; Book of Giants 4Q530 2 ii + 6–7 i + 8–12, lines 16–20; Apoc. Zeph. 4:1; 8:1)
Though in reverse order, the presence of “myriads of myriads” and “thousands of thousands” is shared by two passages in the Book of Parables (40:1; 71:8; for the same order see Apoc. Zeph. 4:1; 8:1; 1 Clem. 34:6) with Rev 5:11,50 whereas Psalm 68:17 refers to “a myriad thousands,” and the Book of Giants, in a tradition that relates to Daniel 7, describes the wor-
47 CHARLESWORTH, The Parables of Enoch (see n. 8), 238, is more optimistic about the possibility of Enochic influence here. He regards it “probable that one of the sources [i.e. of Revelation 4:8] may ultimately originate with the Parables of Enoch” and goes on to postulate that “perhaps the author of the Apocalypse of John is working from memory and had read the Parables of Enoch.” 48 NICKELSBURG, 1 Enoch 1 (see n. 7), 259 n. b (concluding that Rev. 4:8 “seems to have known” 1 En. 14:23) and 265–266 (“dependent”); cf. N ICKELSBURG / VANDERKAM, 1 Enoch: A New Translation (see n. 9), 36; Johns, The Lamb Christology (see n. 16), 95; and MATHEWS, Riches, Poverty, and the Faithful (see n. 8), 189–190. 49 CHARLES, The Book of Enoch (see n. 1), xcvii; cf. idem, Revelation, vol. 1, 148– 149. Cf. also J OHNS, The Lamb Christology (see n. 16), 94. 50 On the sequence, see A UNE, Revelation (see n. 2), 1:363–364.
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ship of God by “thousands” and “hundreds.”51 The sequence in Revelation, however, corresponds to that of the Book of Watchers (1 En. 14:22) and to Daniel 7:10, either text of which is likely to have shaped the wording here. 6:9–11 (RC52) – the souls of the slain cry out, “Sovereign Lord … how long will it be before you judge and avenge our blood on the inhabitants of the earth?” They were each given a white robe and told to rest a little longer, until the number would be complete … who were soon to be killed as they themselves had been killed.
47:1–4 – prayer of the righteous before the Lord of Spirits and intercession by the holy ones seeking judgment to avenge the blood of the righteous (cf. 8:4–9:2, 9– 10; 22:12; 97:3–4); “the number of the righteous”53
petition for divine judgment to avenge the blood of the faithful (cf. Sib. Or. 3.307–313; 2 Macc. 8:2–4; Rheneia inscription; 4 Ezra 4:33–37) with the time specified as completion of “the number”
Petitions and laments seeking and querying divine justice frequently open with the interrogative “how long” (esp. Pss 4:2; 6:3; 13:1–2; 35:17; 62:3; 74:10; 79:5; 80:4; 82:2; 89:46; 90:13; 94:3; 119:84; Hab 1:2; Zech 1:12; 4 Ezra 4:33, 35 – referring to deceased souls; 6:59), while the motif of avenging “the blood” of the righteous through, without the interrogative, is found both in the Hebrew Bible (Gen 4:10) and in the New Testament (Matt 23:34–35 par. Luke 11:51; Heb 12:24) in relation to Abel’s unjust death. One should further note the reference to the spirit of Abel’s complain in the Book of Watchers in 1 En. 22:5–7, which is followed by a reference to the spirits of the deceased who were murdered “in the days of the sinners” (22:12; as in 1 En. 8:4–9:2, 9:9–10, in which the “blood” of the human victims is mentioned).54 The closest parallel to Rev 6:9–10 is 4 Ezra 4:35, as “how long” is also uttered there by the souls of the deceased (in their chambers; cf. 1 En. 22:12) along with a reference to the completion of their “number” (cf. 2 Bar. 24:3); in 4 Ezra, however, this is not combined with the expression mention of “blood.” What we have in Revela51
Cf. LOREN T. STUCKENBRUCK, Daniel and Early Enoch Traditions in the Dead Sea Scrolls, in: John J. Collins / Peter W. Flint (eds.), The Book of Daniel: Composition and Reception, VTSup 58.2, Leiden 2001, 368–86 and R YAN STOKES, The Throne Visions of Daniel 7, 1 Enoch 14, and the Qumran Book of Giants (4Q530): An Analysis of Their Literary Relationship, DSD 15 (2008), 340–358. 52 CHARLES, The Book of Enoch (see n. 1), xcvii. Cf. further C HARLESWORTH, The Parables of Enoch (see n. 8), 233, the much fuller discussion in A UNE, Revelation (see n. 2), 2:403–413; and J OHNS, The Lamb Christology (see n. 16), 95. 53 Note the plausible emendation to “righteous (ones)” from “righteous one” (Eth. mss. BM 491, Tana 9, IES 392) or “righteousness” (most mss.) by N ICKELSBURG / VANDERKAM, 1 Enoch: A New Translation (see n. 9), 61 n. f. 54 For a fuller discussion of these texts, see J OHN BYRON, The Blood of Righteous Abel, in: idem, Cain and Abel in Text and Tradition: Jewish and Christian Interpretations of the First Sibling Rivalry, TBN 14, Leiden 2011, 167–205 (here 177–190).
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tion, then, is a complex constitution of motifs found in the Hebrew Bible, beginning with the Abel traditions (in addition to the texts cited above, see Targ. C. Gen and Neophyti to Gen 4:10 and Deut 32:43; Ps 79:10) and carried over, by the 3rd and 2nd centuries B.C.E., into petitions for justice by the deceased righteous who have suffered at the hands of sinners (1 En. 8:4–9:3, 9–10; 22:12; 47:1–4, 97:3–4; 99:3, 16; 104:3–4; Rheneia inscription from the 2nd cent. B.C.E.; cf. T. Moses 9:6–7).55 The traditionhistorical developments, so strongly represented in Enochic traditions, are nevertheless so broad that any influence on Rev 6:9–10 from this source cannot be distinguished.56 However, the Enochic tradition, within the Book of Watchers, the Epistle and especially, the Book of Parables, illustrates the trajectory of tradition-historical development which Revelation preserves; this is alongside documents such as Sib. Or. 3.307–313, 4 Ezra 4:33–37 and 2 Bar. 23:4–5. 6:15–16 (RC57) – “the kings of the earth and the great men and the generals and the rich and the powerful, everyone, slave and free, hid in the caves and among the rocks of the mountains … / calling, ‘Fall on us and hide us from the face of the one seated on the throne and from the wrath of the Lamb’.” (NRSV) cf. under 1:7 above
62:3, 5 – “all the kings and the mighty and the exalted and those who possess the earth … and they will be terrified and cast down their faces, and pain will seize them when they see that son of man sitting on the throne of glory”
terror of “kings” and other powerful figures before the divine throne, which is also associated with God’s primary agent
The combination of four elements in Revelation and the Book of Parables is without parallel in other literature: (a) the holders of power (especially 55 Cf. NICKELSBURG, 1 Enoch 1 (see n. 7), 185–186, 201, 208, and 305–306 and STUCKENBRUCK, 1 Enoch 91–108 (see n. 7), 309–313, with a discussion of the Rheineia inscription in STUCKENBRUCK, Angel Veneration and Christology (see n. 14), 183–185 and PIETER W. VAN DER HORST / J UDITH H. NEWMAN, Early Jewish Prayers in Greek, CEJL Berlin 2008, 137–143. 56 BAUCKHAM, The Use of Apocalyptic Traditions (see n. 8), 54, raises and then dismisses the possibility that the tradition in the Book of Parables has shaped that of Revelation which, in turn, underlies that of 4 Ezra and 2 Baruch, arguing instead that “the relationships between ... the texts [i.e. 1 En. 47; Rev. 6; 4 Ezra 4; 2 Bar. 23] ... do not result from direct literary dependence between them, but on a common tradition which had already taken different forms in the sources used by each.” Cf. also AUNE, The Apocalypse of John and Palestinian Jewish Apocalyptic (see n. 8), 178–180. 57 CHARLES, The Book of Enoch (see n. 1), xcvii and Revelation (see n. 2), vol. 1, 182; MICHAEL A. KNIBB, The Date of the Parables of Enoch: A Critical Review, NTS 25 (1979), 345–359 (here, 356); CHARLESWORTH, The Parables of Enoch (see n. 8), 239. The parallel as described here is not picked up in AUNE, Revelation (see n. 2), 1:419– 421, though is discussed by him in: The Apocalypse of John and Palestinian Jewish Apocalyptic (see n. 8), 173–174.
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“kings” and classes of the wealthy; cf. Rev 19:18) who (b) cower in fear (c) before the throne of God which (d) is also occupied by or associated with the Lamb (Rev.) / Son of Man (Book of Parables).58 While the text of Revelation alludes to Isaiah 2:19–21 and Hosea 10:6, and 1 En. 62:3–5 draws on the image of the woman in labor in Isaiah 13:8, the possibility of a connection between the two sources cannot be discounted, though it is difficult to argue that the connection is immediate.59 7:1 (RC60) – “four angels standing at the four corners of the earth, holding back the four winds of the earth”
69:22 – “the spirits of the water, of the winds, and all the breezes and their paths, from all the quarters of the winds” cf. 76:1–14
the responsibility of angelic beings for the winds
This parallel is weak, even if in the Book of Parables the “spirits” refers to angelic beings. Ancient sources that relate four winds to four directions of the earth are numerous, preserved in both the Hebrew Bible (Ezek. 37:9; Jer. 49:36; Dan. 7:2; 8:8; 11:4; Zech 2:6; 6:5) and Second Temple writings (4 Ezra 13:5; Jos. Bell. 6.300; see also Vit. Ad. et Ev. 38:3; Mark 13:27 || Matt 24:31), as well as a wide range of other documents.61 In the Book of Watchers, the visionary sees all classes of winds (1 En. 18:1–5), while the Astronomical Book (1 En. 76:1–14) features twelve winds, in groups of three from each of the four directions. In neither of these Enochic texts are the winds associated with angelic oversight. 7:15 (RC62) – “For this reason they are before the throne of God, and worship him day and night in his temple, and the one who is seated on the throne will shelter them.” (NRSV)
58
45:3–4 – “On that day, my Chosen One will sit on the throne of glory, … I shall make him (my Chosen One) dwell among the chosen ones.” (my translation)
the protective force of the divine enthroned presence on behalf of the righteous (Lev. 26:11; Ezek. 37:27)
AUNE, The Apocalypse of John and Palestinian Jewish Apocalyptic (see n. 8), 174 argues, in addition, that in both texts there is a similar move from the “kings” and powerful ones to everyone (represented in Rev. by the “slave and free” and in 1 En. 62:3 by “those who dwell on the earth”). However, Aune’s textual reconstruction has only limited textual support (Tana 9), while most of the manuscripts from both recensions refer to “those who possess the land”, i.e. landowners. 59 See AUNE, The Apocalypse of John and Palestinian Jewish Apocalyptic (see n. 8), 174, who concludes that the texts are “dependent on a common written source, which each author partially reformulated in a distinctive way.” 60 CHARLES, The Book of Enoch (see n. 1), xcvii; IDEM, Revelation (see n. 2), vol. 1, 203–204. 61 Discussed in AUNE, Revelation (see n. 2), 2:450–451. 62 CHARLES, The Book of Enoch (see n. 1), xcviii; not mentioned in IDEM, Revelation (see n. 2), vol. 1, 215.
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The phrase in Rev 7:15, translated in the NRSV as “will shelter them,” is σκηνώσει ἐπ᾽ αὐτούς and carries the connotation of presence.63 The text of 1 En. 45:4 has a similar phrase, though in the causative: ’anbero mā’kelomu la-xeruyān (“I will make him dwell among the chosen ones”). Both Revelation and the passage in the Book of Parables allude to and draw on Ezekiel 37:27: “my dwelling place shall be with them; and I will be their God, and they will be my people” (NRSV). No direct literary relationship between Revelation and the Book of Parables can be drawn here, however; whereas the latter applies the tradition to the enthroned Chosen One, who dwells with God’s people as the agent of salvation and judgment, the language of Revelation 7 derives the divine presence from language concerned with “the throne of God” alone,64 something one would not expect were Revelation being influenced at this point by the Book of Parables. 7:17 (RC65) – “For the Lamb at the center of the throne will be their shepherd, and he will guide them to the springs of the water of life…” (NRSV); cf. 21:6; 22:1, 17
48:1 – the seer beholds “the spring of righteousness, and it was inexhaustible, and many springs of wisdom surrounded it. And all the thirsty drank from them and were filled with wisdom…”
the living water for the righteous to drink (cf. John 4:14; 7:38)
The phrase “he will guide them to the springs of the water of life” has its closest equivalents in Isaiah 49:10 (Gk., “through streams of water he will lead them”) and Jeremiah 2:13 (the disobedient “have forsaken me, the fountain of living waters”). The Enochic text from the Book of Parables does not expressly refer to the righteous being led to the waters; if the text draws on Isaiah 49:10, the “streams of water” are described as unending and offering wisdom to the righteous elect. Another parallel to Rev 7:17 occurs in the Johannine tradition at John 4:14 and 7:38 (perhaps also influenced by Isa. 49:10) with the difference, however, that the “spring of water” and “rivers of living water,” respectively, are sources located within the transformed human being. In this latter respect, the filling up with wisdom of the chosen ones in 1 En. 48:1 comes closer to the Gospel of John than to the text in Revelation. 63 64
Cf. AUNE, Revelation (see n. 2), 1:476. Without deliberately distancing the Lamb from the throne (cf. 7:9–10 and esp. 7:17), the text, then, draws more immediately on the well developed tradition of Sukkot; cf. HÅKAN ULFGARD, Feast and Future: Revelation 7:9–17 and the Feast of Tabernacles, CB.NT 22, Stockholm 1989, 86–89 and 120–127. 65 CHARLES, The Book of Enoch (see n. 1), xcviii and Revelation (see n. 2), vol. 1, 217, where he calls this “a remarkable parallel,” though finding “the most immediate parallels” in John 4:14; 7:38.
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8:3–4 (RC66) – “Another angel … was given a great quantity of incense to offer with the prayers of all the saints, on the golden alter before the throne, and the smoke of the incense, with the prayers of the saints, rose before God from the hand of the Angel.” (NRSV); cf. 5:8
8:4–9:11; 15:2; 40:7, 9; 47:2; 89:76; 97:2, 5; 99:3, 16; 100:10; 104:1 – angelic beings in 1 Enoch frequently function as mediators of the prayers of the righteous before God
angelic mediation of the prayers of the righteous (cf. Zech 1:12–13; Tob. 12:12; Dan. 10:21; 12:1; Aram. Levi Doc. 4Q213a 2.16–18; T. Levi 3:5; T. Dan 6:2: 3 Bar. 11:3–9; Vit. Ad. et Ev. 9:3)
Although the notion of angelic beings acting as intermediaries for prayers and petitions is a characteristic feature of several works within the Enoch tradition (esp. Book of Watchers, Book of Parables, and the Epistle), it is also shared more widely with a number of writings that preserve Second Temple Jewish tradition.67 Formally, the closest and more elaborate parallel, which also involves a primary angelic being (Michael), is preserved in 3 Baruch chaps. 11–16.68 Therefore, any specific relationship between Revelation and the Enoch tradition cannot be postulated. Revelation’s use of the motif, therefore, reflects a broad stream of tradition that conveys divine concern to dispense justice in this way on behalf of the righteous who have suffered unjustly. 8:8 (RC69) – “something like a great mountain, burning with fire” (NRSV); cf. 8:10
22:3 – “seven of the stars of heaven, bound and thrown in it together, like great mountains, and burning in fire”; 108:4 – “a flame of fire which was burning brightly, and (something) like brightly shining mountains were turning over and shaking from one side to the other” 70; cf. 18:13 “seven stars like great burning mountains”; 52:6 before the Chosen One, mountains will be “like wax before the fire”
a vision of judgment compared to (a) fiery mountain(s) (Deut 5:23; Mic. 1:4; Ep. Jer. 63; cf. Ps 83:14)
66 CHARLES, The Book of Enoch (see n. 1), xcviii; not followed up in IDEM, Revelation (see n. 2), vol. 1, 227–231. 67 See S TUCKENBRUCK, 1 Enoch 91–108 (see n. 7), 386–388 and, further, IDEM, Angel Veneration and Christology (see n. 14), 173–179. 68 For the most complete discussion of this text within its tradition-historical context, see ALEXANDER KULIK, 3 Baruch: Greek-Slavonic Apocalypse of Baruch, CEJL, Berlin 2010, 304–385 (on angelic intercession, 344–346). 69 CHARLES, Revelation (see n. 2), 1:234; not mentioned in IDEM, The Book of Enoch or 1 Enoch (see n. 1), xcviii. 70 Translation in S TUCKENBRUCK, 1 Enoch 91–108 (see n. 7), 707.
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The biblical tradition already associates the burning of mountains with divine judgment (Deut 5:23; Mic. 1:4; Ps 83:14; cf. Ep. Jer. 63). The Enochic traditions have also adapted this image in relation to judgment; in the Book of Watchers (1 En. 21:3) and Eschatological Admonition (1 En. 108:4), this is presented as a verisimilitude (“like”) that is only elsewhere found in Rev 8:8.71 9:1 (RC72) – “… I saw a star that had fallen from heaven to earth”; cf. 20:2 12:9 (AYR 73) – “The great dragon was thrown down, that ancient serpent, who is called the Devil and Satan, the deceiver of the whole world – he was thrown down to the earth, and his angels were thrown down with him.” (NRSV)
86:1, 3 – “I saw the heaven above, and look, a star fell from heaven… I saw many stars descend and cast themselves down from heaven to that first star.” cf. 90:21; further, 6:6 69:6 – the fallen angel, Gadreel, who led Eve astray
descent of a star (angelic being) from heaven to the earth (Luke 10:18) the identification of the snake in the Garden of Eden as a fallen angel or a satan (cf. Luke 10:18–19; 2 Cor. 11:14; Apoc. Moses 17:1; Vit. Ad. et Ev. 16:3; 3 Bar. 9:774)
The tradition of a falling star, with “star” understood as an angelic being, links Rev 9:1 with the Animal Apocalypse at 1 En. 86:1. Conceptually, however, these texts are very different in terms of what they refer to. At the sounding of the fifth trumpet blast, the “star” in Revelation falls, as a divine emissary, to whom a key is given for unlocking “the bottomless pit” in order to unleash the destructive locusts (9:3; cf. “the angel” with a similar function in 20:1–2). In the Animal Apocalypse, however, the falling star represents a lead rebellious angel (1 En. 86:1), followed by “many stars” who throw themselves down (86:3), and thus shows the influence of the disobedient angels tradition in the Book of Watchers (1 Enoch 6–16; cf. the identification of the transgressing angels with stars in 18:13–16). The language of falling or descent in the Enochic texts has more affinity with the myth about “the Devil … and his angels” in Rev 12:9. Here both the head figure and his angelic minions are brought down to earth through a defeat 71 Taking the burning mountain “thrown into the sea” as the point of departure, AUNE (Revelation [see n. 2], vol. 2, 517–518) discusses the possibility that the image reflects volcanic activity as, e.g., was reported in relation to the eruption of Vesuvius on 24 August 79 C.E. However, if the text contains an allusion to this event, then the hurling of the mountain itself (i.e. not simply debris from the mountain) into the sea would have to be hyperbolic and does not match any of the ancient descriptions of what happened (Pliny, Ep. 6.16.11, 20; Dio 66.23.1; Sib. Or. 4.130–134). 72 CHARLES, The Book of Enoch (see n. 1), xcviii and Revelation (see n. 2), vol. 1, 238–239. 73 ANNETTE YOSHIKO REED, Fallen Angels and the History of Judaism and Christianity: The Reception of Enochic Literature, Cambridge 2005, 116. 74 For the rabbinic texts that designate Satan as an “ancient serpent”, see the discussion in AUNE, Revelation (see n. 2), 1:696.
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at the hands of Michael and his angels, so that there is no place for them in heaven (12:7–8). Since in the Enoch tradition it is emphasized that the angels’ descent occurred by their own volition (1 En. 6:6; 12:4; 15:3; 19:1; apparently also in 86:1, 3),75 its texts offer an unlikely background against which to interpret Rev 12:7–9 as well.76 Instead, it reflects a storyline, found in other texts, according to which Satan or a primary malevolent figure and accomplices had to be forced out, either because of disobedience (Vit. Ad. et Ev. 11–17; cf. 1 En. 18:15; 21:3–5; Jude 13) or, as perhaps presupposed in Revelation 12, because of a primordial or eschatological attempt at a usurpation of power in heaven (cf. e.g. 11QMelch ii 7–14; 1QM xv–xix; T. Levi 3:3; Sib. Or. 5.512–513). The mythic hubris is more conditioned by the tradition in Isaiah 14:12–21 than by the Enochic fallen angels tradition. The most important link in Revelation 12 with Enochic tradition resides the identification in the Book of Parables (1 En. 69:6) of Eve’s deceiver as having been one of the fallen angels, named Gadreel. Such an identification may be implied in Luke 10:18–19, in which the announcement of Satan’s fall by Jesus is followed by the power his disciples are given to tread “on snakes and scorpions” or, in Paul’s statement, that Satan “disguises” himself as “an angel of light” (2 Cor 11:14). However, if the Enochic text about Gadreel presupposes a knowledge and reception of Genesis 3, then it is significant that, analogous to Rev 12:9, the serpent is presented as one of the fallen angels.77 9:15–16 (RC78) – “So the four angels (i.e. those bound at the river Euphrates, v. 14) were released, who had been prepared for the hour, the day, the month, and the year, to kill a third of humanity.” (my translation)
75 76
66:1 – “And after this, he showed me the angels of punishment, who are ready to go forth and let loose all the power of the water that is beneath the earth, that it might be for the judgment and destruction of all who reside and dwell on the earth.”
angels of punishment who are prepared/ready to inflict destruction on humanity
Cf. CD A 2.17–19; Jub. 4:15; and 2 En. 18:3–4 A. So correctly AUNE, Revelation (see n. 2), 1:698; contra YOSHIKO REED, Fallen Angels and the History of Judaism and Christianity (see n. 73), 116 n. 81, who argues that traditions related to the Watchers were “transferred to the beginning of time, to the fall of Satan and his hosts”, citing Rev. 9:1; 12:9; and Lk. 10:18 as examples. 77 Reading 1 En. 69:6 in relation to 1 En. 54:6, Charles regarded Gadreel, the fallen angel, as one of Satan’s servants who on the Day of Judgment will be thrown down by the angels, Michael, Raphael, Gabriel and Phanuel “into a burning furnace.” Cf. CHARLES, Revelation (see n. 2), 1:326. This observation is missed in the commentaries. 78 CHARLES, The Book of Enoch (see n. 1), xcviii; esp. IDEM, Revelation (see n. 2), vol. 1, 250.
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The connection between Revelation and this text in the Book of Parables here is strong. Although the notion of punishing angels is found in a number of further passages in the Parables and other sources (e.g. in Book of Parables at 1 En. 40:1–10; 53:3; 56:1; 62:11; 63:1; 1QM ix 15–16; 2 En. 10:3; T. Levi 3:3),79 only Rev 9:15 and 1 En. 66:1 refer to the angels as “those who are ready” (οἱ ἡτοιµασµένοι, Eth. ’ella delewān) to carry out their assigned destructive activities. 9:20 (RC80) – “The rest of humankind, who were not killed by these plagues, did not repent of the works of their hands or give up worshiping demons and idols of gold and silver and bronze and stone and wood, which cannot see or hear or walk” (NRSV)
99:7 – “And they (sinners, v. 6) will worship stones, and others will carve images of gold and silver and wood and clay. And others will worship evil spirits and demons and every (kind of) error – and without knowledge – but no help will be found from them.”81
combination of worshipping idols (listing five materials) and its association with the worship of demons (cf. Dan. 2:32–33; 5:4; 5:23; 4Q242 1.7–8)
In the Hebrew Bible and Second Temple literature, numerous texts refer to the lifeless materials from which idols were fashioned. Infrequently, however, are more than four of such materials listed. The noticeable exceptions occur in Daniel 2:32–33; 5:4, 20; the Prayer of Nabonidus in 4Q242 1.7–8; Epistle of Enoch at 1 En. 99:7; and Rev 9:20. The sequence of materials in the lists are as follows: Daniel 2:32–33 – gold, silver, bronze, iron (legs and feet), clay Daniel 5:4, 23 – gold, silver, bronze, iron, wood, stone 4Q242 1.7–8 – silver, gold, [bronze], [iron], wood, stone 1 En. 99:7 – stones, gold, silver, wood, clay Rev 9:20 – gold, silver, bronze, stone, wood
The closest correspondence occurs between 4Q242 and Daniel 5:23, with the former having the sequence of “silver, gold.” The remaining texts differ in number and content with one another, except for the Epistle and 79 The angels of punishment in these texts are not to be confused with “the angels of destruction” ( )מלאכי חבלreferred to in a number of the texts among the Dead Sea Scrolls (CD A ii 6; 1QS iv 12; 1QM xiii 12; 4Q510 1.5; cf. 4Q495 2.4); see P HILIP S. ALEXANDER, The Demonology of the Dead Sea Scrolls, in: Peter W. Flint / James C. VanderKam (eds.), The Dead Sea Scrolls after Fifty Years, 2 vols., Leiden 1999, 331– 353 (here, 332–334). 80 CHARLES, The Book of Enoch (see n. 1), xcviii; IDEM, Revelation (see n. 2), vol. 1, 252–253. 81 Translation of the Eth. in STUCKENBRUCK, 1 Enoch 91–108 (see n. 7), 392. The Gk. text is partly preserved: “... and those who carve image[s of silv]er and gold, wood and [stone] and clay, and (who) worship [phan]toms and demons [and abomina]tions and evi[l] spirits and all (kinds of) errors – not according to kno[wledge] – and they will not find any help [from] them.”
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Revelation which each list five materials used in the making of idols. Significant, however, is not so much the correspondence of materials, but the combination of these lists with the link drawn between idolatry thus described and the worship of demonic beings; Revelation uniquely shares this among ancient sources with the Epistle of Enoch.82 10:7 (RC83) – “… the mystery of God will be completed” (my translation)
16:1 – “the great judgment, when the great age will be consummated”
correspondence in language about the end of the present age
The text in Revelation is concerned with the blowing of the seventh trumpet (cf. Rev 11:15–19), when the kingdom of God and God’s Anointed One will be established, and judgment will be held in relation to the wicked and the righteous (cf. Rev 11:15–19); the “mystery of God,” then, when fulfilled, refers to the judgment and visible establishment of God’s kingship. Similarly, though in a very different context, the Book of Watchers describes the persistence of evil on the earth through the spirits from the giants until the time when, at the great judgment, they will be destroyed; it is at the final judgment that the present age will be rendered complete. In both texts, if one follows the Greek texts for Book of Watchers, the verbs are similar (Rev 10:7 – ἐτέλεσθε τὸ µυστήριον τοῦ θεοῦ; 1 En. 16:1 Cod. Pan. and Sync. – ὁ αἰὼν ὁ µέγας τελεσθήσεται) and bear the connotation of fulfillment in relation to the present world order. However, it would be going too far to draw a genetic link between the passages, especially given their different frames of reference and since the connection with the final judgment in Revelation has to be derived from the larger literary context (Rev 11:15–19). 11:18 (LS 84) – “… the nations raged, but your wrath has come” (NRSV)
99:4 – “in those days the nations will be thrown into turmoil, and the tribes of the nations will be raised on the day of the destruction of sin”85 cf. also 57:1–2
eschatological tumult among the nations (Dan. 12:1; Jub. 23:23; 4 Ezra 5:5–6; 9:3; 13:30–31; 2 Bar. 25:3; 70:2–4, 6–7; Sib. Or. 1.156; 3.635–637; 2 Esd. 15:16–18; 4Q246 ii 2– 3; Mark 13:7–8 || Matt 24:6 and Luke 21:9, 18, 28).
82 For a text-, literary, and tradition-historical analysis of 1 Enoch 99:7, see STUCKENBRUCK, 1 Enoch 91–108 (see n. 7), 392–404. 83 CHARLES, The Book of Enoch (see n. 1), xcviii; not mentioned in IDEM, Revelation (see n. 2), vol. 1, 264–266. 84 STUCKENBRUCK, 1 Enoch 91–108 (see n. 7), 388–389 and n. 704. 85 Translation in S TUCKENBRUCK, 1 Enoch 91–108 (see n. 7), 381–382, 388; the Gk. may be translated as follows: “and then they will be thrown into turmoil, and will rise on the day of the destruction of wickedness.”
The Apocalypse of John, 1 Enoch, and the Question of Influence
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Drawing on language of Isaiah 19:2 (cf. 2 Chr. 15:5–6), the disarray among the nations during the period leading up to the end of the present age is a very widespread topos, for which the Epistle of Enoch (along with Daniel and Jubilees) provides an early example. No further specific connection between Revelation and either of the Enochic texts can be discerned. 12:8 (MM86) – “but they (Satan and his angels, v. 9) were defeated, and there was no longer any place for them in heaven” (NRSV); see above on 9:1
14:5 – “… from now on you will not ascend into heaven for all the ages; and it has been decreed to bind you in bonds in the earth for all the days of eternity”; cf. 15:6–8
forfeiture by rebellious angels of their place in heaven
We have already considered (above, on 9:1) the unlikelihood that the downthrow of “the Devil and Satan” (Rev 12:9) was influenced by the Enochic fallen angels tradition. In addition to the serpent-fallen angel analogy in the Book of Parables noted above, an additional detail links with the Enochic tradition at the Book of Watchers (cf. 14:5; 15:6–8): the express mention in Revelation that Satan and his angelic forces no longer had a legitimate place in heaven corresponds to the Enochic tradition, worked out in more detail, that the rebellious angels no longer have any claim to their prior existence in heaven. As suggested above (again, on 9:1), the reasons given for this forfeiture are different; the text in Revelation assumes that Satan made an attempt to seize power and therefore was forced out of heaven, while in the Book of Watchers, the angels made a deliberate choice to leave heaven, only to learn that there is no chance of return.87 12:11 (LS 88) – “But they have conquered him by the blood of the Lamb and by the word of their testimony, for they did not love their life even to the point of death.” (my translation)
86 87 88
108:10 – “And he has ordained for them [i.e. the righteous] their reward, for they were found as (those who) love heaven more than their life which is in the world.”
“love of life” contrasted with a willingness to die (Euripedes, Hecuba 348; Hercules 518, 531–534; Philo, Leg. Gaium 369; Josephus, Ant. 6.344, 12.301, 13.198; Demosthenes, Or. 60.28; John 12:25; cf. Mk. 8:35; Matt 10:39, 16:25; Luke 9:24, 17:33)
MATHEWS, Riches, Poverty, and the Faithful (see n. 8), 222–224. Cf. NICKELSBURG, 1 Enoch 1 (see n. 7), 253 and 271–273. STUCKENBRUCK, 1 Enoch 91–108 (see n. 7), 727–728; cf. esp. AUNE, Revelation (see n. 2), 2:703.
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For Rev 12:11 (οὐκ ἠγάπησαν τὴν ψυχὴν αὐτῶν), Charles regarded John 12:25 as the most immediate background89: “The one who loves his life (ὁ φιλῶν τὴν ψυχὴν αὐτῶν) will lose it, and the one who hates his life in this world will keep it for eternal life” (NRSV, modified). On the other hand, commenting on Rev 12:11, Aune argues that “The topos of ‘the love of life’ standing in the way of a willingness to die for an important cause is typically Hellenistic.”90 While Aune’s comment applies to the text of the Eschatological Exhortation at 1 En. 108:10, it does not illuminate Rev 12:11 as much as one might initially think. In the latter, “they did not love their life,” formulated in the negative, “life” refers to earthly, rather than heavenly existence; the link, therefore, to John 12:25 is much stronger. 13:5–6 (LS 91) – “The beast was given a mouth uttering great and blasphemous words … It opened its mouth to utter blasphemies against God, blaspheming his name and his dwelling, that is, those who dwell in heaven.” (my translation)
5:4 – “… but you have not stood firm nor acted according to his commandments; but you have turned aside, you have spoken great and hard words with your unclean mouth against his greatness.” (my translation) also 101:3; cf. 27:2
uttering “great” words against God (cf. Dan. 3:29 [=Gk. 3:96]) 7:8, 11, 20, 25; T. Moses 7)
The Book of Watchers (1 En. 5:4) describes the activity of those who do not act in obedience to God (Cod.Pan. and 4Q201 1 ii 13: they utter “great and hard (words)”). In the same way, the Epistle of Enoch, influenced by this text, is concerned with sinners who utter “great and hard things” (1 En. 101:3). The utterance of such words renders those who speak them in an irretrievable state of wickedness. In the Daniel tradition the fourth beast utters “great things” (7:8, 20-רברבין, µεγάλα; cf. v. 11) and “words against the Most High” (7:25), while in Daniel 3:29 (=Gk. 3:96), following the rescue of the pious men from the fiery furnace, Nebuchadnezzar threatens with death anyone who “utters blasphemy” (Gk. Theod.) against their God. The only feature which aligns the Enoch texts (1 En. 5:4; 101:3) with Revelation is the double description of sacrilegious speech. Otherwise, especially in making such speech a defining feature of God (and of God’s people) arch-opponent, Revelation picks up more immediately on the Danielic antecedent.92
89 CHARLES, Revelation (see n. 2), 1:329; not mentioned in IDEM, The Book of Enoch or 1 Enoch (see n. 1), xcviii. 90 AUNE, Revelation (see n. 2), 1:703. Aune goes on to cite the texts from Euripedes etc. listed above in support. 91 STUCKENBRUCK, 1 Enoch 91–108 (see n. 7), 475–476. 92 So correctly, BEALE, The Book of Revelation (see n. 30), 695–696 who also notes the parallel phraseology (Rev 13:5 “a mouth speaking great things was given to it”; Dan.
The Apocalypse of John, 1 Enoch, and the Question of Influence 13:14 (RC93) – the second beast “leads astray the inhabitants of the earth”
54:6 – the rebellious angels are punished for “leading astray the inhabitants of the earth”; cf. 67:7
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primary agents of sin as those who “lead astray the inhabitants of the earth”
We noted above on Rev 3:10 the propensity for both Revelation and the Book of Parables to use the phrase “inhabitants of the earth.” This designation in itself does not signal a relationship between the two works; however, these are the only two writings which combine the motif of deception by (a) notorious agent(s) of wrongdoing with “inhabitants of the earth” as the object. 14:9–10 (RC94) – “those who worship the beast … will be tormented with fire and sulfur in the presence of the holy angels and in the presence of the Lamb.” (NRSV)
48:9 – the kings of the earth and the landowners (v. 8) “As straw in the fire… they will burn before the face of the holy ones, and they will sink before the face of the righteous ones…”
punishment by fire in the presence of “holy ones”
Both texts emphasize how the punishment of the wicked will be seen in the presence of “the holy ones.” The notion of the righteous being able to see the sinners’ torment in the context of a vision is also found elsewhere (e.g. Book of Watchers at 1 En. 27:2–3; Animal Apocalypse at 90:26–27; 4 Ezra 7:36); however, what Rev 14:9–10 and the Book of Parables (1 En. 48:9) share in addition, and uniquely so, is the announcement that those deemed wicked will perish in fire in the presence of “holy ones.” Although the Enochic text probably applies “holy ones” to the human righteous and Revelation probably has angelic beings in view, the precise meaning of the designation vacillated easy between one meaning and the other.95 14:11 (LS 96) – “…there is no rest day or night for those who worship the beast…” (NRSV) see above on 4:6, 8 and below on 14:13
99:14 – those “who reject the foundation (stone) and eternal inheritance of the fathers and who pursue the spirit of error … will have no rest”
lack of “rest” for the wicked (cf. Isa. 23:12; Deut 28:65), together with a promise of “rest” for the faithful
7:6, 8 Gk.-“a tongue was given to it ... a mouth speaking great things”). Beale, however, makes no mention of any of the Enochic texts. 93 CHARLES, The Book of Enoch (see n. 1), xcviii; not mentioned in IDEM, Revelation (see n. 2), vol. 1, 359–360. 94 CHARLES, The Book of Enoch (see n. 1), xcviii; IDEM, Revelation (see n. 2), vol. 2, 17. See also CHARLESWORTH, The Parables of Enoch (see n. 8), 233–234. 95 On this broad usage within the Enoch tradition and elsewhere, See S TUCKENBRUCK, 1 Enoch 91–108 (see n. 7), 314–315. 96 STUCKENBRUCK, 1 Enoch 91–108 (see n. 7), 423.
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In the Enoch tradition and elsewhere, the usual pronouncement against notorious wrongdoers is “you will have no peace” (cf. the parallel in 1 En. 99:13);97 only in the Epistle at 1 En. 99:14 is the phrase “you will have no rest” used (Gk. οὐκ ἔστιν ὑµῖν ἀνάπαυσαι; Eth. ’esma ’i-yekawwen lakemu ‘eraft), while there is a contrasting promise of “rest” for the righteous in the Epistle at 1 En. 96:3. Variations of this pronouncement occur in descriptions of divine punishment in Deuteronomy 23:12 and, especially, Isa 23:12; however, these texts do not promise rest for those obedient to the covenant. Similar to the Epistle, on the other hand, Revelation couples the pronouncement (“they have no rest,” οὐκ ἔχουσιν ἀνάπαυσιν) with the promise, in 14:13, that “those who from now on die in the Lord … will rest (ἀναπαύσωνται) from their labors.” This combination of rest and no rest to the righteous and wicked, respectively, is only shared by these texts. 14:13 (RC98) – pronouncement of a blessing on “the dead who from now on die in the Lord”
81:4 – “… Blessed is the one who dies righteous and good; regarding him no book of wickedness has been written and no day of judgment will be found.”
makarism on the faithful who die
Apart from the testamentary conclusion to the Astronomical Book at 1 En. 81:4, no other text composed prior to Revelation preserves the pronouncement of a blessing on those who die in a state of faithfulness to God.99 14:14–15 (JC100) – “Then I looked, and there was a white cloud, and seated on the cloud was one like the Son of Man… And another angel…”
46:1–2 – “There I saw one who had a head of days … And with him was another, whose face was like the appearance of a man; and his face was full of graciousness, like one of the holy angels. And I asked the angel of peace, who went with me and showed me all the hidden things, about that son of man-who he was and whence he was (and) why he went with the Head of Days.”
vision of the “son of man” as an angelic being
The similarities between the texts can be reduced to the vision of “the Son of Man” figure whose own being is expressly identified as or compared with angels (respectively, Rev 14:15 and 1 En. 46:1). Taking the whole of the Book of Parables into consideration, Charlesworth argues, “The author 97 See S TUCKENBRUCK, 1 Enoch 91–108 (see n. 7), 261–262 for a discussion of the literature. 98 CHARLES, The Book of Enoch (see n. 1), xcviii; not mentioned in IDEM, Revelation (see n. 2), vol. 1, 370. 99 Without mentioning the parallel in 1 En. 81:4, Aune cites the nearly contemporary 1 Clem. 44:5 as a parallel (Revelation, vol. 2, 839): “Blessed are those presbyters who have travelled on before, who had a perfect and fruitful departure, for they are no longer concerned that anyone remove them from the place established for them.” 100 CHARLESWORTH, The Parables of Enoch (see n. 8), 234–235.
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of the Apocalypse of John develops and brings into focus his creative Christology by stressing the judgment given to the Son of Man, a theme created and developed in 1 En. 37–71.”101 This possibility, given the extensive influence of Daniel (in this case, Dan. 7:9–14) on Revelation, is too general to confirm that, in this case, the presentation of “the son of man” of Revelation draws or is reliant on the direction of the interpretation taken up in the Book of Parables. 14:19–20 (RC102) – “So the angel swung his sickle over the earth and gathered the vintage of the earth, and he threw it into the great wine press of the wrath of God. / And the wine press was trodden outside the city, and blood flowed from the wine press, as high as a horse’s bridle…” (NRSV)
100:3 – “And a horse will go up to its chest in the blood of sinners, and the chariot will sink up to (its) height. And in those days the angels will descend to the hidden places and gather into one place all those who have given aid to sin.”103
great slaughter of sinners illustrated through the height of their blood in relation to a horse, combined with angelic harvest of sinners
While the phrase “the wine press was trodden” at the beginning of Rev 14:20 echoes language from Isaiah 63:3 (cf. Lam. 1:15), the subsequent phrase links the wine press to a motif about the blood of sinners flowing up to a certain height on a horse. The Epistle (1 En. 100:3) offers an early image of a horse wading in blood that is picked up in later Christian (Rev 14:20; 2 Esd. 15:35–36 adds “a man’s thigh and a camel’s hock” to the comparison) and Jewish texts (Lam. Rabba 2.2.4; b. Ta‘anith 69a; b. Gittin 57a).104 If a source for the text in Revelation is to be traced, 1 En. 100:3 provides the best candidate. What makes the Epistle even more likely as a source here, however, is the location it assigns to the motif of angels acting as harvesters of sinners alongside the vivid imagery regarding the height of the sinners’ blood. This is precisely what the text of Rev 14:19–20 does, albeit in reverse order.
101 102
CHARLESWORTH, The Parables of Enoch (see n. 8), 235. For Rev. 14:20, see CHARLES, The Book of Enoch (see n. 1), xcviii; IDEM, Revelation (see n. 2), vol. 2, 24; cf. MAZZAFERRI, The Genre of the Book of Revelation (see n. 4), 49. On Rev. 14:19–20 in relation to 1 En. 100:3–4, see STUCKENBRUCK, 1 Enoch 91– 108 (see n. 7), 433–435. 103 Translation by S TUCKENBRUCK, 1 Enoch 91–108 (see n. 7), 426, 433–434; the Gk. reads: “And a horse will go up to its chest through the blood of sinners, and the chariot will sink down to its axles.” 104 See BAUCKHAM, The Use of Apocalyptic Traditions (see n. 8), 38–91 (esp. 40– 48). AUNE, Revelation (see n. 2), 2:847–848, in noting the parallel with 1 En. 100:3, resists, perhaps too categorically, that the Epistle could have exerted any influence on Revelation here, as “there is no evidence of any literary borrowing among these [1 Enoch, 6 Ezra=2 Esd. 15–16] sources.”
220 16:5 (RC105) – “the angel of the waters”
Loren T. Stuckenbruck / Mark D. Mathews 66:1–2 – the angels of punishment ready to go forth (v. 1); “And the Lord of Spirits commanded the angels who were going forth, that they not raise their hands, but that they keep watch; for these angels were in charge of the power of the waters.” 60:22 – “For the waters are for those who dwell on the land … and the angels are given charge of it.” cf. 69:22; 75:3
angelic being(s) with responsibility over waters (cf. over elements: Jub. 2:2; 1QHa ix 8–13; 2 En. 2–4, 19:1– 4)106
The text in Revelation assumes that material elements of the world are placed under the charge of angelic beings (see 1 En. 60:11–22). The link between the angel in Rev 16:5 is stronger with the Book of Parables at 1 En. 66:1–2, since the context of both is that of punishment. However, though the angel in Rev 16:5 speaks when the third bowl of wrath has been poured out (v. 4), this angel simply declares God’s ways to be just, without actually functioning as an agent of the unfolding acts of divine wrath. The Book of Parables is the only other early Jewish text outside Revelation that specifically connects angelic oversight with water. 16:12–16 (Aune107) – “kings of the east,” also called “kings of the whole earth,” being assembled by demonic spirits for the great battle at Harmagedon cf. 19:19–21
56:5 – angels “hurl themselves toward the East against the Parthians and Medes. They will stir up the kings… to “trample the land of his chosen ones” and to come up against Jerusalem
spiritual forces arouse kings in the East to engage in military activity in Palestine
Other Jewish texts anticipate a single king from the East (T. Moses 3:1; Sib. Or. 4.120, 139 – the return of Nero myth). Only these passages in Revelation and the Book of Parables refer to the activity of “kings” while attributing this to the work, respectively, of demonic or angelic forces.108
105 CHARLES, The Book of Enoch (see n. 1), xcviii; IDEM, Revelation (see n. 2), vol. 2, 44; cf. AUNE, Revelation (see n. 2), 2:884. 106 See further AUNE, Revelation (see n. 2), 2:884–885 for later rabbinic and magical sources that regard angels as being in charge of rain or water. 107 AUNE, Revelation (see n. 2), 2:891 and esp. 866–867. 108 This attribution could explain why the notoriously evil Nero could be readily identified with Belial in Sib. Or. 3.63–74 and Asc. Isa. 4:1–12 (Beliar).
The Apocalypse of John, 1 Enoch, and the Question of Influence 17:14 (RC109) – the warring Lamb is called “Lord of lords and King of kings”; cf. 19:16
9:4 – (Cod.Pan.) “you are Lord of lords and God of gods and king of the ages”; (Sync. a,b) “you are God of gods and Lord of lords and King of those who reign and God of the ages”; (Eth.) “Lord of lords and God of gods and King of kings”; (4Q202 iii 14) “you are ]our great Lord, [(you) ar]e the Lord of the world, […]
221
similarity of divine title (cf. Dan. OG 4:37)
The angels’ address to God in the Book of Watchers, in its Greek and Ethiopic versions, attests to the combination of the two titles applied to the Lamb in Rev 17:14 and 19:16. Matthew Black accounted for the difference between the Aramaic text of 4Q202 and the later Greek and Ethiopic versions by positing the addition in the latter of the titles “Lord of lords” and “God of gods” on the basis of designations for God in the Greek translation tradition of the Hebrew Bible (esp. Deut 10:17; Ezek. 26:7; Dan. 2:23; Ezra 7:12).110 If Black was correct, the pertinent question would be whether these formulations existed prior to the composition of Revelation. Beale, on the other hand, has argued that underlying the title in Revelation is the Old Greek version of Daniel 4:37, where it is without an equivalent in the Aramaic text: “he is God of gods and Lord of lords and King of kings.”111 Both the Daniel (OG) and the Book of Watchers (cf. Jude 14–15) existed by the end of the 1st century. The verbal parallel to Rev 17:14 and 19:16 is closest in the Danielic text. If one leaves open whether or not the Enochic text tradition might have influenced the Old Greek translation of Daniel at this point (or vice versa), the affinity between the latter and the Lamb’s title in Revelation is striking.112 Since this Greek text to Daniel (as Gk. and Eth. 1 En. 9:4) preserves the threefold title, it is improbable that it has been influenced by the text of Revelation. If a background is therefore to be sought, it is best found in the Danielic, not the Enochic tradition.
109
CHARLES, The Book of Enoch (see n. 1), xcviii; IDEM, Revelation (see n. 2), vol.
2, 75. 110 111
MATTHEW BLACK, The Book of Enoch or 1 Enoch, SVTP 7, Leiden 1985, 130. Beale argues this in several publications; see esp. IDEM, The Book of Revelation (see n. 30), 881–882, where he draws attention, in addition, to the titles for Nebuchadnezzar in the Old Greek version to Daniel 2:37 and 3:2 (respectively, “king of kings” and “king of kings and lord of the world”). 112 Despite some of the problems noted in Beale’s argumentation by A UNE , Revelation (see n. 2), 3:953–954.
222 17:14 (RC113) – the Lamb who conquers when warred against by the kings allied with the beast
Loren T. Stuckenbruck / Mark D. Mathews 90:9, 12–13 – “I saw until horns came out on those lambs … and I saw until a great horn sprouted on one of the sheep. … And those ravens were struggling and fighting with it (one of the lambs, v. 8)…, but did not prevail against it. And I saw until the shepherds and the eagles and those vultures and the kites came, and they cried to the ravens to smash the horn of that ram, and they made war with it, and it was struggling with them…”
presentation of a warring lamb figure (cf. Dan. 7:21, 15; T. Joseph 19:8–9)
In addition to emphasizing the image of Jesus as a “slaughtered” Lamb (5:6), the Lamb functions as a warrior who defeats the enemies of God and of God’s people as well.114 While the former image clearly comes to terms with Jesus’ death within the framework of Passover and related traditions,115 scholars have debated whether or not the latter had any precedent in Second Temple Jewish tradition. The primary focus of this discussion has centered on the Animal Apocalypse in which the Maccabeans, depicted as horned “lambs” (1 En. 90:9a),116 wage war with Judas at their head in response to Antiochus Epiphanes’ persecution. A related question, and more easy to assess, is the degree to which any link can be discerned in the Animal Apocalypse between such lamb imagery and the primary figure of power in 1 En. 90:37–39. Beginning with the latter question, we may note that the divine agent in the eschatological vision is symbolized by a “bull,” not a lamb. If that divine agent were to be understood as a “messianic” figure, then the lamb symbolism does not play a role.117 Thus, although one can argue, despite textual and source-critical complexities in 1 En. 90:6–16,118 that Revelation has some precedent in the Animal Apocalypse in its present form for a combative lamb figure, the background is weak; Judas Maccabeus, as a horned lamb (v. 9b) is given provisional, though not 113
CHARLES, Revelation (see n. 2), 1:141 (on Rev 5:6); see also, e.g., ROBERT H. MOUNCE, The Book of Revelation, NICNT, 145; GEORGE BEASLEY-MURRAY, The Book of Revelation, NCBC, Grand Rapids 1981, repr. 1974, 124–125; G. K. BEALE, The Use of Daniel in Jewish Apocalyptic Literature and in the Revelation of St. John, Lanham 1984, 71–75; and IDEM, The Book of Revelation (see n. 30), 881 (focusing esp. on 1 En. 90:12–13). 114 So MATTHIAS HOFFMANN , The Destroyer and the Lamb, WUNT 2.203, Tübingen 2005, esp. 169–211. 115 J OHNS, The Lamb Christology (see n. 16), 108–149. 116 By contast, the lamb seized by the ravens (the Gentile oppressors) in 1 En. 90:8 is likely to refer to the high priest Onias III (cf. also 90:12). 117 Cf. the discussion of the textual evidence in scholarly analysis by J OHNS, The Lamb Christology (see n. 16), 90–92. Johns is correct in noting the disjunct between “lamb” or “ram” in the Animal Apocalypse and the bull figure in 1 En. 90:37–39, though he strains to draw a distinction between the more fluid “lamb” and “ram” imagery in the text. 118 See TILLER, Commentary on the Animal Apocalypse (see n. 7), 352–353 and Nickelsburg, 1 Enoch 1 (see n. 7), 396–401.
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ultimate support in the work.119 It would be difficult to explain how the Enochic work would have provided John in Revelation with any warrant to transfer the lamb symbol to God’s primary agent. 18:4, 7 (MM120) – the exhortation to “come out of” Babylon “lest you participate in her sins,” for “she has glorified herself and lived in luxury” (cf. above 2:9; 3:17)
104:6 and 108:8–15 – do not fear and do not become companions with strong and prosperous sinners
the critique of wealth and of associating with prosperous wrongdoers
Critiques of wealth to varying degrees are well attested in the Hebrew Bible and Second Temple writings (including the New Testament).121 Several texts also warn against collusion with sinners: Prov 13:20; Ben Sira 12:14; 37:11–12; Jub. 22:16; and the Epistle of Enoch (1 En. 94:2–4; 97:4). The critique of wealth in Revelation (2:9; 3:17) is amplified in the warning, announced by a heavenly voice, to disassociate from Babylon (18:4), who then is linked to living in luxury (18:7). Apart from the Epistle of Enoch (1 En. 104:6; cf. more generally 108:8–15) there is no other Jewish text that combines a critique of wealth with an injunction not to associate with wealthy sinners. 18:6–7 (MM) – Render to her as she herself has rendered, and repay her double for her deeds; mix a double draught for her in the cup she mixed. / As she glorified herself and lived luxuriously, so give her a like measure of torment and grief…. (NRSV)
91:12 – After this there will arise an eighth week of righteousness, in which a sword will be given to all the righteous, to execute righteous judgment on all the wicked, and they will be delivered into their hands. cf. 38:5; 90:19; 95:3; 96:1; 98:12
the righteous to carry out judgment against the wicked (cf. 2 Macc. 15:15– 16; Jub. 23:30; Apoc. Abraham 29.17–20)
The motif of “double” repayment for wrongdoing is well attested in the Hebrew Bible. The summons to “render to her as she herself has rendered, and repay her double for her deeds” is very close to the Greek text for Jeremiah (27:29, Heb 50:29), to which it may be an allusion.122 Significantly, those who are exhorted to be agents of punishment against Rome are “my people” of Rev 18:4.123 Parallels for this idea exist in several early Jewish writings, though it is best attested in the Animal Apocalypse (1 En. 90:19), 119 120 121
TILLER, Commentary on the Animal Apocalypse (see n. 7), 109–115. MATHEWS, Riches, Poverty, and the Faithful (see n. 8), 231–235. See CATHERINE M. MURPHY, Wealth in the Dead Sea Scrolls and in the Qumran Community, STDJ 40, Leiden 2002 and MATHEWS, Riches, Poverty and the Faithful (see n. 8). 122 On double retribution see Exod. 21:24–25; Lev. 24:19–20; Deut. 19:21; Isa. 40:2; and Jer. 16:18, all passages in which it is considered unjust; cf. A UNE, Revelation (see n. 2), 3:992–993 (also for parallels in classical Gk. literature). 123 Cf. AUNE, Revelation (see n. 2), 3:994.
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the Epistle of Enoch (95:3; 96:1; 98:12), and the Book of Parables (38:5). A reliance of Revelation on the Enochic texts, however, is hard to establish since none of specific terms used in Rev 18:6–7 reflect any verbal link with these traditions. At most, Revelation shares the motif with a number of writings, for which several sections of 1 Enoch provide examples. 18:10 (MM124) – the kings of the earth (v. 9) say, “Woe, woe, O great city, Babylon, the mighty city! For in one hour your judgment has come!” (cf. 8:13; 9:12; 11:14; 11:12; 18:10, 16, 19)
Epistle of Enoch alone has 32 woe-oracles, 125 most of which are followed by a 2nd person address (94:6– 8; 95:4–7; 96:4–8; 97:7– 10; 98:9, 11–99:2; 99:11– 16; 100:7–9; 103:5–8)
woe oracles with 2nd person (passim in the Hebrew Bible)
The “woe-oracle” form, which functions to denounce perpetrators of wrongdoing, occurs frequently among the Hebrew Bible prophets (e.g. Isa. 3:11; 10:1, 5; Jer. 22:13; 48:1; Ezek. 13:3, 18; 34:2; Amos 5:18; 6:1). Up to fifty-four such oracles can be identified within the entirety of the Hebrew Bible,126 while Isaiah accounts for twenty of them.127 Against this background, there is an unusually high proportion of woe-oracles in the Epistle of Enoch, where they number to thirty-two, of which thirty occur in collections of two to six oracles.128 Both the Hebrew Bible texts and the Epistle of Enoch follow a pattern which, following the “woe” itself, includes (a) an accusation and (b) a threat. There is no question here of Revelation being influenced by the Enochic tradition, though the latter provides the fullest use of the woe-oracle among Jewish apocalyptic writings, especially as the Epistle, as Revelation characteristically makes this form function as a formal announcement that guarantees the punishment of the wicked at the time of eschatological judgment.129 18:20 (MM130) – “Rejoice over her, O heaven, you saints and apostles and prophets! For God has given judgment for you against her.” (NRSV) cf. 19:1–4 124 125
94:10 – denunciation of the rich: “… with regard to your fall there will be no compassion, and your Creator will rejoice over your destruction.” (89:58)
rejoicing over the destruction of the wicked (cf. Jer. 51:48; 4Q225 = 4QPsJuba 2 ii 6–7)
MATHEWS, Riches, Poverty, and the Faithful (see n. 8), 245–250. For a list of the texts and discussion, see NICKELSBURG, 1 Enoch 1 (see n. 7), 416–418 and STUCKENBRUCK, 1 Enoch 91–108 (see n. 7), 193–197. 126 So C LAUS W ESTERMANN, Basic Forms of Prophetic Speech, trans. Hugh Clayton White, Louisville 1991, 191. 127 J. W ILLIAM W HEDBEE, Isaiah and Wisdom, Nashville 1971, 80. 128 In addition to the discussions by Nickelsburg and Stuckenbruck mentioned in n. 115 above, see ROBERT A. COUGHENOUR, The Woe-Oracles in Ethiopic Enoch, JSJ 9 (1978), 192–197 (here 192). 129 MATHEWS, Riches, Poverty, and the Faithful (see n. 8), 248–249 130 MATHEWS, Riches, Poverty, and the Faithful (see n. 8), 249.
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A divine response of rejoicing at the destruction of the wicked for their wrongdoing is denied in Ezekiel (18:23, 32; 33:11). The motif in Rev 18:20 is very different: the righteous though to have suffered because of Babylon’s deeds are exhorted to rejoice at God’s judgment against her. The closest parallel to this is the rejoicing of “heaven and earth and all that is in them” over the destruction of Babylon in Jeremiah 51:48. In the Enochic Animal Apocalypse (1 En. 89:58) and Epistle (94:10), a similar motif can be found. However, there are three differences. The first is that, unlike Revelation, the righteous are not expressly told to rejoice in this way. Secondly, in the Enochic texts, the rejoicing is ascribed to God, not to the righteous. Thirdly, in the Epistle the second person is directed at the wicked, not the righteous (1 En. 94:10), while in the Animal Apocalypse tells of God’s rejoicing, in the third person, at the devouring of Judah by the Babylonians when the Temple was destroyed (89:58). Although the motif of rejoicing when the wicked are punished or destroyed is rare in the Hebrew Bible and Jewish apocalyptic traditions, the differences just noted render it unlikely that the Enochic tradition explains its use in Revelation. 20:4 – the beheaded “came to life and reigned with Christ a thousand years” (NRSV)
91:12–13 – in “the eighth week of righteousness … a sword will be given to all the righteous, to execute righteous judgment on all the wicked, and they will be delivered into their hands. / And at its conclusion, they will acquire possessions in righteousness, and the temple of the kingdom of the Great One will be built for all the generations of eternity.”
temporary kingdom for the righteous
The comparable point between Revelation and the Apocalypse of Weeks is the limited duration of control or rule given to those who are faithful, in the former a thousand years and in the latter the period covered by the eighth week. In addition, both texts anticipate the reign of the righteous in the near future, that is, after an initial punishment is carried out against the wicked. Beyond the notion of reigning, however, there are no verbal links between the texts. 20:7–9 (RC131) – “When the thousand years are over, Satan will be released from his prison, / and will come out to deceive the nations at the four corners of the earth, Gog and Magog, in order to gather them for battle; they are as 131
56:5–8 – “In those days, the angels will assemble themselves, and hurl themselves toward the East against the Parthians and Medes. They will stir up the kings, and a spirit of agitation will come upon them, and it will rouse them from their thrones… They will begin (to make) war among themselves… / They will go up and trample the land of his
CHARLES, Revelation (see n. 2), 2:188.
nations roused by powers make war on Jerusalem but are defeated by divine intervention
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numerous as the sands of the sea. / They marched up over the breadth of the earth and surrounded the camp of the saints and the beloved city. And fire came down from heaven and consumed them.” (NRSV)
chosen ones, … / but the city of my righteous ones will be a hindrance to their horses. / In those days, Sheol will open its mouth, and they will sink into it. And their destruction will be at an end; Sheol will devour the sinners from the presence of the chosen.”
The text in the Book of Parables does not mention Satan, nor does it name the nations gathered to attack Jerusalem Gog and Magog (cf. Ezek. 38:14– 18 where, however, God stirs up the nations). In broad terms, these texts correlate, and Jerusalem is linked with the faithful. However, correspondences in detail and vocabulary are lacking, so that any direct connection between the texts is difficult to maintain.132 20:12 (RC133) – “And I saw the dead, great and small, standing before the throne, and books were opened. Also another book was opened, the book of life. And the dead were judged according to their works, as recorded in the books.” (NRSV) cf. Rev 3:5
90:20 – “I saw until a throne was constructed in the pleasant land and the Lord of the sheep sat upon it, and he took all the sealed books and opened those books before the Lord of the sheep.” 47:3 – “In those days I saw the Head of Days as he took his seat on the throne of his glory, and the books of the living were opened in his presence…” 108:3 – “… their (those who do evil) names will be erased from the book of life and from the books of the holy ones, and their seed will be destroyed forever…” 134
the opening of books for judgment in the divine court (cf. Dan. 7:9–10; Book of Giants at 4Q530 7–12 ii 16–20); book(s) of life/living
Among the texts given above, only Rev 20:12 distinguishes the opened “book of life” from the books opened for judgment. In Revelation the expression “book of life” (τὸ βιβλίον τῆς ζωῆς) occurs a number of times (Rev 3:5; 13:8; 17:8; 20:15; 21:27), while elsewhere in the New Testament it appears only in Philippians 4:3. An approximate form of the expression, “book of the living (ones)”, is attested in the Book of Parables at 1 En. 47:3 and in Ps 69:28 (“let them [the enemies] be blotted out from the book of the living and let them not be enrolled among the righteous”, NRSV to Heb.). A more exact equivalent is preserved in the Eschatological Admonition of 1 En. 108:3 (maṣḥafa ḥāwiyān), where it is twinned with “the books of the holy ones”. The latter text announces that the names of the 132 133
Cf. CHARLESWORTH, The Parables of Enoch (see n. 8), 235–236. CHARLES, The Book of Enoch (see n. 1), xcviii (for v. 12: the opening of books for judgment). 134 The translation is taken from STUCKENBRUCK, 1 Enoch 91–108 (see n. 7), 697–698.
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wicked “will be erased from the book of life”, a phrase that has its negative equivalent in Rev 3:5: “To those who conquer … I will not blot your name out of the book of life”. Both Rev 3:5 and 1 En. 108:3 allude to Psalm 68:29 and, perhaps secondarily, to Exodus 32:32 (“[b]ut now, if you will only forgive their sin – and if not, blot me out of the book you have written”); they go beyond the texts from the Hebrew Bible, however, in regarding the book of life as a list of names of those who will survive the eschatological judgment, an idea which among literature composed before the Common Era is also found in Daniel 12:1 and Jub. 36:10 (cf. also 1 En. 103:2; 104:1).135 Since the motif is broadly shared, it is difficult to isolate influence on or an immediate link with Revelation from either the Book of Parables or Eschatological Admonition. A similar conclusion can be reached in relation to the books of judgment that are “opened” in Rev 20:12. The important parallels in Animal Apocalypse (1 En. 90:20), the Book of Giants (4Q530 7–12 ii 16–20) and Daniel 7:9–10 demonstrate how much traditions formed during the 2nd century B.C.E.136 still had when Revelation was composed. More specifically, Revelation envisions the opened books relating to the expanse of deceased humanity (“great and small”), while the texts in Daniel 7 and the Book of Giants are concerned with the judgment to be executed against the fourth beast (Dan. 7:8) and the ante-diluvian giants, respectively. The Enochic Animal Apocalypse, on the other hand, conceives of the judgment in the broadest possible terms; it is meted out to several groups, all who “were found to be sinners”: the fallen stars (1 En. 90:21), the seventy angelic shepherds (90:22), and the “blinded sheep”, that is, the disobedient of Israel (90:26–27). In a different vein, however, Revelation relates the books to the human dead (Rev 20:12–13), not to the judgment of demonic powers (20:9). Conceptually, the scope of judgment in the Animal Apocalypse provides the nearest antecedent to Revelation; however, it is difficult to 135 Moreover, erasure “from the book of life” may be inferred from the fragmentary 4QNon-Canonical Psalmsb = 4Q381 B 31.8 in which the writer refers to the death of his enemies. The more contemporary and later texts containing this motif include Jos. and Asen. 15:4; T. Levi 18:59–60 (Gk. ms. Athos Koutloumous 39); the parallel petitions in the Shemoneh Esreh 12 th benediction (Pal. recension); and Pistis Sophia 1.33. See also the more wide ranging discussion of the notion of citizen enrolment in classical Greece in AUNE, Revelation (see n. 2), 1:224–225. A number of rabbinic discussions pick up on the motif, albeit while more immediately concerned with Psa. 69:28 and Exod. 32:32; see HERMANN STRACK / PAUL BILLERBECK, Kommentar zum Neuen Testament, 6 vols., München 1922–1961, 2.170. 136 These three texts, with the Book of Giants preserving the tradition in its earlier form, are roughly contemporary and can be interpreted in relation to one another; cf. LOREN T. STUCKENBRUCK, Daniel and Early Enoch Traditions in the Dead Sea Scrolls, in: John J. Collins / Peter W. Flint (eds.), The Book of Daniel: Composition and Reception, SVT 58.2, Leiden 2001, 368–386.
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establish that the inclusion of the deeds of dead humans in the opened books can be explained on the basis of literary influence. 20:13 (RC137) – “And the sea gave up the dead that were in it, Death and Hades gave up the dead that were in them, and all were judged according to what they had done.” (NRSV)
51:1 – “In those days the earth will restore what has been entrusted to it, and Sheol will restore what it has received, and destruction will restore what it owes.”
the return of the dead from the netherworld for judgment (cf. literature mentioned below)
The notion of a resurrection of the dead, whether spiritual or physical, for judgment is of course well attested in ancient Jewish and early Christian tradition.138 Rev 20:13, more particularly, shares a tradition with a number of other writings that presents resurrection as taking place when (a) the abode of the dead returns the dead and (b) this abode returns what was entrusted to it (1 En. 51:1; 4 Ezra 4:41–43; 7:32; Ps.-Philo 3:10; 33:3; Apoc. Peter 4:10–12; Midr. Psa. 1:20; Pirq. R. Eliezer 34; Pes. Rabbati 21:4). 139 In no respect does the text of Rev 20:13, which goes its own way among these texts by including the sea as a repository for the dead, share with the Book of Parables at 1 En. 51:1 any detail not also found elsewhere. It is therefore difficult to posit any form of connection beyond the observation that Revelation draws on a widely shared tradition. 20:15 (RC140) – “and anyone whose name was not found written in the book of life was thrown into the lake of fire.” (NRSV)
137
90:26 – “And I saw at that time that an abyss like it was opened in the middle of the earth, which was full of fire. And they brought those blinded sheep, and they were all judged and found to be sinners. And they were thrown into that fiery abyss, and they burned.”
image of the wicked being thrown into a fiery place
CHARLES, The Book of Enoch (see n. 1), xcix and IDEM, Revelation (see n. 2), vol. 2, 195. 138 Texts featuring in reviews of this literature include Dan. 12:2–3; 1 En. 51:1–2; 4 Ezra 6:18–29; 7:31–38; 2 Bar. 21:23; 24; Ps.-Philo 3:10; Sib. Or. 2.221–237; 4.179–191. See the different treatments on the texts in question and their relationship with the Dead Sea Scrolls by ÉMILE PUECH, La croyance des esséniens en la vie future: immortalité, résurrection, vie éternelle?: histoire d’une croyance dans le judaïsme ancient, 2 vols., Paris 1993; J OHN J. COLLINS, Resurrection and Eternal Life, in: idem, Apocalypticism in the Dead Sea Scrolls, London 1997, 110–129; and GEORGE NICKELSBURG, Resurrection, Immortality, and Eternal Life in Intertestamental Judaism and Early Christianity, HTS 56, Cambridge, Mass. 2006, 2nd ed. 139 These texts and their constituent elements are discussed by B AUCKHAM , The Use of Apocalyptic Traditions (see n. 8), 56–70. 140 CHARLES, The Book of Enoch (see n. 1), xcix.
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The expression “lake of fire” (ἡ λιµνὴ τοῦ πυρός) occurs six times in the context of final judgment in Revelation (19:20; 20:10, 14 bis, 15; 21:8). Into it are thrown “the beast” and “false prophet” (19:10), “the devil” (20:10), “Death and Hades” (20:14), and those not in “the book of life” (20:15), including various wrongdoers (21:8). Although fire is frequently associated with eschatological punishment in Jewish literature (1QS ii 7–8; CD A ii 5; 1 En. 10:6; Sib. Or. 2.195–205; cf. Ezek. 38:22; Mk. 9:43; Rev 14:10–11), the image of being “thrown” into a fiery place is limited to Revelation (ἐβλήθη) and, among the early apocalyptic texts, to the Animal Apocalypse at 1 En. 90:26. In the Enochic text, as in Rev 20:15, it is human wrongdoers who are judged in this way, and the equivalents to Revelation would be the Ethiopic wa-tawaddeyu westa zeku ‘emuqa ’essāt (lit. “and they were thrown into that deep place of fire”). If we focus on the combination of the verb and the place of punishment, Animal Apocalypse offers the closest linguistic parallel to Revelation. 21:1 (RC141) – “Then I saw a new heaven and a new earth; for the first heaven and the first earth had passed away, and the sea was no more.
91:16 – “And the first heaven shall disappear and pass away, and a new heaven shall appear, and every power of the heavens shall shine sevenfold for ever.”142
the disappearance of “the first heaven” at the appearance of “a new heaven”
The anticipation of “a new heaven and new earth” in Rev 21:1 is traditional; see especially Isaiah 65:17; 66:22; and 2 Peter 3:3. Indeed, it is from Isaiah that Revelation has derived this language. On the other hand, outside Revelation only the Apocalypse of Weeks at 1 En. 91:16 refers to the passing away of “the first heaven.”143 While this correspondence might appear minor, it is possible to discern, based on the comparisons made above, a further correspondence in the following four-point sequence of eschatological events between the Apocalypse of Weeks and the later chapters of Revelation:144 (1) the motif of the righteous executing judgment against the wicked (1 En. 91:12, in the eighth week; Rev 18:6–7); (2) a period of temporary dominance by the righteous on the earth (1 En. 91:13– 14, in the eighth and ninth weeks; Rev 20:4); (3) eschatological judgment 141 142 143
CHARLES, The Book of Enoch (see n. 1), xcix. Translation in STUCKENBRUCK, 1 Enoch 91–108 (see n. 7), 145. As noted by DANIEL OLSON, Enoch: A New Translation, North Richland Hills, 2005, 222 and MATHEWS, Riches, Poverty, and the Faithful (see n. 8), 235 n. 736. No mention is made of a recreation of the “earth” for the tenth week in the Apoc. of Weeks because the seventh, eighth and ninth weeks are concerned with events on earth; cf. STUCKENBRUCK, 1 Enoch 91–108 (see n. 4), 149 and n. 303. 144 So C HARLES, The Book of Enoch or 1 Enoch (see n. 1), 260–265; M ATHEWS, Riches, Poverty, and the Faithful (see n. 8), 234–235.
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(1 En. 91:15, in the tenth week; Rev 20:11–12); and (4) the establishment of a new cosmic order (1 En. 91:16; Rev 21:1).145 This broad correlation, coupled with the verbal linkage, suggests that if the text of Revelation does not know the Apocalypse of Weeks directly, it was shaped by an otherwise unknown tradition that stemmed from it. 22:2 (RC146) – “the throne of God and of the Lamb”
51:3; 61:8; 62:2–3, 5; – the Chosen One sits on the throne of God’s glory cf. 45:3; 51:1; 55:4; 69:27, 29
a primary divine agent seated on the throne of God (cf. Matt 25:31)
Though it is not clear that the Enochic tradition in the Book of Parables has influenced the assimilation of the Lamb to God’s throne, it does attest the possibility that non-Christian tradition could envision the heavenly enthronement of a principal mediator figure. This notion of placing of God’s designate on a throne to vanquish God’s enemies is probably influenced by Psalm 110:1, interpreted in relation to a divine agent. However, these texts go beyond Psalm 110 to specify that the place of seating is none other than the divine throne itself. This idea already occurs in Matthew 25:31, which anticipates that at the final judgment “the Son of Man will sit on the throne of his (God’s) glory”, language that comes much closer to the formulations in the Book of Parables, as the divine throne in Revelation is never described as such in relation to “glory”. 22:3 (RC147) – “Nothing accursed will be found there any more. But the throne of God and of the Lamb will be in it, and his servants will worship him.” (NRSV)
25:6 – “Then they (the righteous) will rejoice greatly and be glad, and they will enter into the sanctuary. Its fragrances in their bones, and they will live a long life on the earth, such as your fathers lived also in their days, and torments and plagues and suffering will not touch them.”
the combination of nothing harmful in the new cosmic order with the worship of God by the faithful
The presentation of the future Jerusalem as a place unaffected by manifestations of evil in Rev 22:3 alludes to Zech 14:11. Although it is possible, too, that the Book of Watchers at 1 En. 25:6 alludes to Zechariah as well, 25:6 implies that the joyful righteous who enter the Temple will worship God. In Revelation, the cultic worship (λατρεύσουσιν) by the faithful is explicit, with God and the Lamb constituting the heavenly Temple (Rev 21:22).
145 A similar sequence, though with less immediate correspondence to Revelation, is discernable in 1 En. 50:1–51:5. 146 CHARLES, Revelation (see n. 2), 2:175–176. 147 CHARLES, The Book of Enoch (see n. 1), xcix.
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3 Conclusions Having reviewed forty-nine alleged parallels between the Apocalypse of John and 1 Enoch, we are in a better position to summarize in five overarching points what can be said about the significance of the latter for the former. First, in most of the cases identified and discussed, Revelation has been shown to participate alongside other early Jewish writings in developments of apocalyptic tradition. In these instances, Revelation preserves nothing, whether conceptually or in a given detail, that corresponds with the Enochic tradition in a way not found in other traditions. We have found this to be the case in the following twenty-two passages of Revelation: 1:7; 1:14, 16 (cf. 10:1); 3:21; 5:11; 6:9–11; 7:1; 7:15; 7:17; 8:3–4; 9:1; 10:7; 11:18; 12:11; 13:5–6; 17:14; 18:6–7; 18:10; 18:20; 20:4; 20:7–9; 20:12; and 20:13. These general and widely shared traditions demonstrate at least how much Revelation stands generally within the Jewish apocalyptic tradition. Second, a further group of thirteen parallels reflects more strongly a specific affinity between Revelation and the Enochic tradition. In these cases, the correspondences are based on a uniquely shared combination of ideas or motifs in Revelation and one of the sections of 1 Enoch. Though sometimes there is a correspondence in detail, the combination occurs mostly on a conceptual level of commonly held motifs. The texts and Enochic parallels in question are as follows, with the stronger cases for Enochic influence on Revelation marked with an asterisk: Rev 1:1 Exhortation 91:1–2 Introduction of a document as concerned with the future by an intermediary Rev 1:4; 9:1; and 15:5–6 Animal Apocalypse 86:1; 88:1 Seven angels associated with the divine throne who act as agents of judgment with the motif of a falling star *Rev 3:12 and 21:22 Animal Apocalypse 90:29; 90:32–25 Location of the faithful in the New Jerusalem (including association with pillars) in which a temple structure is not ultimately envisioned *Rev 4:1 Book of Watchers 14:8, 15 An open door in heaven with a sound that beckons the visionary to come *Rev 4:6, 8 Book of Parables 40:2; 39:12 Four creatures on each side of the throne singing the Trishagion in the context of continuous worship *Rev 6:15–16 Book of Parables 62:3, 5 The terror of kings and the mighty before the divine throne which, in turn, is associated with a primary agent
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*Rev 9:20 Epistle of Enoch 99:7 The combination of a list of materials used to make idols, idolatry, and the worship of demonic beings Rev 12:9 Book of Parables 69:6 The identification of the serpent in the Garden of Eden with a demonic being *Rev 14:11, 13 Epistle of Enoch 99:14 No rest for the wicked with promise of rest for the righteous Rev 14:19–20 Epistle of Enoch 100:3 A great slaughter of sinners, resulting in flow of blood to a height comparable to parts of a horse combined with the angelic harvest of sinners *Rev 16:12–16 Book of Parables 56:5 Spiritual forces arouse kings from the East to military activity in Palestine Rev 18:4, 7 Epistle of Enoch 104:6; Eschatological Admonition 108:8–15 The critique of wealth with condemnation of those who associate with rich wrongdoers Rev 22:3 Book of Watchers 25:6 Nothing harmful in the new world order together with the worship of God by the faithful
Third, in fourteen instances the correspondences between Revelation and 1 Enoch can be observed in exclusively or almost exclusively shared significant terms or closely comparable phrases, especially if the remaining parallels, if they exist, are preserved in later literature. Again, the stronger parallels that open the possibility of Enochic influence on Revelation are marked with an asterisk: Rev 2:7 Book of Watchers 24:4–25:6 The eschatological eating from the tree of life by the righteous Rev 3:5, 7:13 Animal Apocalypse 90:28–32 The association of the faithful with white clothing *Rev 3:20 Book of Parables 62:14 Promise that the faithful will eat with God’s vice regent Rev 8:8 Book of Watchers 22:3 Vision of fiery mountain(s) in the context of divine judgment *Rev 12:8 Book of Watchers 14:5; cf. 15:6–8 Rebellious angels forfeit their assigned position in heaven *Rev 13:14 Book of Parables 54:6 The primary agents of sin lead astray those who inhabit the earth
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Rev 14:9–10 Book of Parables 48:9 Punishment by fire in the presence of the holy ones *Rev 14:13 Astronomical Book (addition) 81:4 Blessing pronounced on the faithful who die *Rev 14:14–15 Book of Parables 46:1–2 Vision of the “son of man” as an angelic being Rev 16:5 Book of Parables 66:1–2; cf. 60:22 Angels with assigned responsibilities over water Rev 17:14 A warring lamb figure
Animal Apocalypse 90:9, 12–13
*Rev 20:15 Animal Apocalypse 90:26 The wicked thrown into a fiery place *Rev 21:1 Apocalypse of Weeks 91:16 The passing away of the first heaven when the new heaven appears Rev 22:2 Book of Parables 51:3; 61:8; 62:2–3, 5 God’s vice regent seated on the divine throne
Fourth, certain parts of 1 Enoch have featured more than others as the stronger parallels (from the last two lists) have been determined. The largest number of significant parallels (marked with an asterisk) suggesting the possibility of Enochic influence on Revelation has to do with the Book of Parables (six). This signifies an affinity that can be explained by the relative contemporaneity of the Book of Parables with Revelation or by the use of one by the other, with the direction of influence most likely being from the Book of Parables to Revelation. The other writings with potentially significant parallels are Book of Watchers (two), Animal Apocalypse (two), Epistle of Enoch (two), Exhortation (one), Astronomical Book (testamentary addition) (one), and Apocalypse of Weeks (one). On the whole, this makes it likely that the writer of Revelation either was directly acquainted with (through literary or oral transmission) with several of the major sections of 1 Enoch or at least had access to traditions that were influenced by these writings. While most recent scholarly attention has understandably focused on the correspondences between Revelation and the Book of Parables, our analysis has demonstrated that the importance, perhaps even impact, of the Enochic tradition on the interpretation of Revelation does not stop there. Fifth and finally, at no point can it be demonstrated that Revelation quotes from any passage in 1 Enoch. The same is true, of course, for most of the remaining books of the Hebrew Bible, though the books of Exodus,
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Daniel, Isaiah and Ezekiel stand out as having wielded considerable influence on the shape and concepts of Revelation. Leaving these four books from the Hebrew Bible aside, we would not be far wrong to claim that the works brought together into 1 Enoch are, collectively, at least as important as most of the other biblical books. How this compares, for example, with the traditions Revelation shares with the more contemporary works of 4 Ezra and 2 Baruch is a matter for further investigation.
Vollendete Gottesgegenwart Anmerkungen zu den traditionsgeschichtlichen Bezugsgrößen von Apk 21,1–5 ENNO EDZARD POPKES
1 Thematische Hinführung Nur wenige biblische Schriften konnten so viele Leser faszinieren wie die Offenbarung des Johannes. Ihre Wirkung ist keineswegs auf kirchliche Kreise beschränkt. Die Visionen des Sehers von Patmos wurden von unterschiedlichsten Künstlern und Schriftstellern verarbeitet und auch in einer Vielzahl von Filmen kann der kundige Beobachter Bezüge zum letzten Buch der christlichen Bibel erahnen.1 Ein Bild der Johannesapokalypse fand dabei eine besondere Aufmerksamkeit, nämlich ihre letzte Vision (19,11–22,6), in welche die Vision von einem Neuen Himmel und einer Neuen Erde eingebettet ist (v.a. Apk 21,1–5). Die Hoffnung auf eine Welt, in der alles Leid und jeder Schmerz überwunden sind, flammte immer wieder in Notsituationen auf, in denen Menschen unter Ungerechtigkeiten leiden mussten. Jeder Mensch, dessen vertrautes Leben durch Unglück oder Krankheit zerrissen wird, kann wohl kaum ohne innere Betroffenheit jene Worte hören, dass eine Zeit kommen soll, in der Tod, Schmerz und Leid überwunden sein werden und in der Gott die Tränen von den Angesichtern der Menschen abwischen wird.2 Der implizite Autor der Apokalypse 1 Aus dem breiten Spektrum der Studien zur Rezeptions- bzw. Wirkungsgeschichte der Johannesapokalypse sei exemplarisch verwiesen auf die themenspezifisch relevanten Beiträge des Sammelbandes von A. K. Nagel u.a. (Hg.), Apokalypse. Zur Soziologie und Geschichte religiöser Krisenrhetorik, Frankfurt/New York 2008; ferner D. PEZZOLIOLGIATI, Vom Ende der Welt zur hoffnungsvollen Vision. Apokalypse im Film, in: T. Bohrmann u.a. (Hg.), Handbuch Theologie und Populärer Film. Bd. II, Paderborn 2009; L. SUTTER REHMANN, Die Offenbarung des Johannes. Inspirationen aus Patmos, in: L. Schottroff / M.-T. Wacker (Hg.), Kompendium Feministische Bibelauslegung, Gütersloh 1998, 725–741. 2 Zur Rezeptionsgeschichte der letzten Vision der Johannesapokalypse vgl. v.a. R. MÜLLER-FIEBERG, Das „neue Jerusalem“ – Vision für alle Herzen und alle Zeiten? Eine
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nimmt für sich in Anspruch, dass ihm diese Vision auf der Insel Patmos zuteil wurde (Apk 1,9). Durch diese ἀποκάλυψις ᾿Ιησοῦ Χριστοῦ solle den Glaubenden offenbart werden, was in Kürze geschehen wird (Apk 1,3). Gerade an der Schlussvision wird jedoch erkennbar, dass diese Botschaft nicht unvermittelt aus einer göttlichen Sphäre in die menschliche Wahrnehmung hereinbricht. An diesen Versen lässt sich vielmehr exemplarisch erläutern, in welcher Weise der Verfasser der Johannesapokalypse unterschiedliche eschatologische Vorstellungen der jüdischen Bibel aufnimmt und im Zeichen seines christlichen Glaubens neu arrangiert. An der Gestaltung und Einbettung dieser Vorgaben lässt sich wiederum erkennen, wie sehr seine Weltsicht in der frühjüdischen Apokalyptik wurzelt. Um diesen Sachverhalt erläutern zu können, soll im Folgenden zunächst die Stellung dieses Textes in der Komposition der Johannesapokalypse ergründet werden (2). Daraufhin werden zentrale religionsgeschichtliche Vergleichsgrößen zu Apk 21,1–5 dargestellt (3.). Dabei soll einem Motiv besondere Aufmerksamkeit zuteil werden, an dem die innovative Gestaltungskraft des Sehers von Patmos besonders deutlich zu Tage tritt, nämlich dem der Vollendung der Gegenwart Gottes, welches nur im Kontext der sich sukzessive entwickelnden Vorstellungen von der Schechina Gottes angemessen verstanden werden kann (zur Erläuterung der diesbezüglich relevanten Arbeitsterminologie vgl. 4). Vor diesem Hintergrund wird schließlich eine Fragestellung aufgegriffen, die für die traditionsgeschichtliche Verortung von Apk 21,1–5 von besonderer Relevanz ist, nämlich die Frage, in welchem Verhältnis die in diesem Text vorliegende Vorstellung vom ,Wohnen Gottes bei den Menschen‘ zu den entsprechenden Zügen des Johannesevangeliums steht (5).
2 Zur Stellung und Funktion von Apk 21,1–5 in der Komposition der Johannesapokalypse Apk 21,1–5 ist Teil der großen Schlussvision der Johannesapokalypse. Die Struktur dieser letzten und zugleich ausführlichsten Vision ist klar erkennbar.3 Sie ist in drei große Hauptteile untergliedert. Zunächst umfassen die Auslegung von Offb 21,1–22,5 im Kontext von alttestamentlich-frühjüdischer Tradition und literarischer Rezeption, BBB 144, Berlin u.a. 2003, 283–394; speziell zu ihrer kunstgeschichtlichen Rezeption ferner O. BÖCHER, Das himmlische Jerusalem und seine Wirkungsgeschichte in der Kunst. Unter besonderer Berücksichtigung des Gebrauchs der Edelsteine, Kleine Arbeiten zum Alten und Neuen Testament 6, Waltrop 2004. 3 Zu entsprechenden Strukturanalysen vgl. u.a. M ÜLLER-FIEBERG, Das „neue Jerusalem“ (s. Anm. 2), passim; P. PRIGENT , Commentary on the Apokalypse of St. John (trans. from French into English by W. Pradels), Tübingen 2001, 534ff. bzw. 582f.; T. H OLTZ,
Vollendete Gottesgegenwart
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Verse Apk 19,11–20,15 die Vision vom Ende der alten Welt. Dieser Abschnitt untergliedert sich wiederum in die Vision von einer eschatologischen Schlacht zwischen dem wiederkommenden Christus und den widergöttlichen Mächten (Apk 19,11–27), dem Tausendjährigen Reich (Apk 20,1–10) und dem Weltgericht (Apk 20,11–15). Demgegenüber liegt in Apk 21,9–22,6 die Vision der neuen Welt und des Neuen Jerusalem vor. Die Verse 1–8 können als eine literarische Überleitung zwischen diesen beiden Textbereichen verstanden werden. In den ersten vier Versen werden wie in der Ouvertüre einer musikalischen Komposition jene Grundmotive exponiert, welche im weiteren Verlauf der Schlussvision im Einzelnen entfaltet werden. Nachdem unmittelbar zuvor das Weltgericht und die Vernichtung aller widergöttlichen Mächte beschrieben wurden, erscheinen dem Seher nun ein neuer Himmel und eine neue Erde (Apk 21,1a). Kontrastierend wird hervorgehoben, dass der alte Himmel und die alte Erde und das die Chaosmächte repräsentierende Meer vergangen sind (Apk 21,1b bzw. V. 1c). Daraufhin exponiert Apk 21,1 das Motiv des neuen Jerusalem, das dann ab Apk 21,9 detailliert beschrieben wird. Zuvor wird jedoch in Apk 21,3–8 eine Audition in die Vision integriert. Eine vom göttlichen Thron ausgehende Stimme verkündigt, dass in der neuen Welt jede Distanz zwischen Gott und den Menschen schwindet, da Gott bei den Menschen wohnen bzw. präziser – im Sinne der später ausführlich diskutierten ,Schechinatheologie‘ – ,zelten‘ wird. V. 4 erläutert schließlich, welche Konsequenz dies für die individuelle menschliche Existenz nach sich zieht. Wie schon im siebten Kapitel – in der Vision der im Himmel versammelten Märtyrer – wird auch hier betont, dass Gott in der eschatologischen Vollendung jede Träne vom Angesicht der Menschen abwischen wird. Nach dieser positiven Bestimmung wird via negationis umschrieben, in welcher Weise die neue Welt sich grundlegend von der alten unterscheidet. V. 4bα hebt zunächst hervor, dass der Tod vernichtet sein wird. Daraufhin ergänzt V. 4bβ ganz im Geiste alttestamentlich-frühjüdischer Anthropologie, dass nicht nur der Tod selbst, sondern auch die weitere Sphäre des Todes, nämlich jedes Leiden, jeder Schmerz und jede Klage, überwunden sein wird.4 Der die Aussageeinheit abschließende Stichos V. 4c bietet daraufhin eine Inklusion zu V. 1a, insofern nochmals rekapituliert wird, dass die alte bzw. erste Welt vergangen ist. Auch wenn in den Versen Die Offenbarung des Johannes, hg.v. K.-W. Niebuhr, NTD 11, Göttingen 2008, 13 bzw. 121ff.; D. E. AUNE, Revelation 17 – 22, WBC 52C, Waco 1998, 1112–1114. 4 Zu entsprechenden Vorstellungen in alttestamentlich-frühjüdischen Traditionsbildungen vgl. B. JANOWSKI, De profundis. Tod und Leben in der Bildersprache der Psalmen, in: Ders., Der Gott des Lebens. Beiträge zur Theologie des Alten Testaments, NeukirchenVluyn 2003, 244–266; DERS., Konfliktgespräche mit Gott. Eine Anthropologie der Psalmen, Neukirchen-Vluyn 22006, 253ff.; K. LIESS, Der Weg des Lebens. Psalm 16 und das Lebens- und Todesverständnis der Individualpsalmen, FAT II 5, Tübingen 2004, 293ff.
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21,5–8 die Audition fortgesetzt wird, wechselt nun das sprechende Subjekt. Zum ersten und einzigen Mal nach Apk 1,8 spricht in der Apokalypse nun Gott selbst. Er versichert, dass diese Vision sich definitiv bewahrheiten wird. Durch dieses literarische Detail gewinnt der Text ein einzigartiges Gewicht. Diese Verse bilden den Zielpunkt, auf den die gesamte argumentative Linienführung des Werkes zuläuft.5 Die Erzählstruktur der Johannesapokalypse ist eigentlich darauf angelegt, dass der Leser nun im Zuge einer synchronen Textlektüre erfährt, wie die Leitmotive von Apk 21,1–5 entfaltet werden. Diese Zugangsperspektive soll in der vorliegenden Studie jedoch nicht weiter verfolgt werden. Stattdessen kommen im Sinne einer diachronen Textbetrachtung im Folgenden die religionsgeschichtlichen Vergleichsgrößen dieses Textes näher in den Blick.
3 Religionsgeschichtliche Vergleichsgrößen zu Apk 21,1–5 Wie in der gesamten Johannesapokalypse lässt sich auch in der Schlussvision erkennen, wie sehr die Bilderwelt des Werkes getränkt ist von Anspielungen auf alttestamentlich-frühjüdische Motivhintergründe. Das facettenreiche Spektrum dieser Anspielungen soll durch die folgende tabellarische Aufstellung veranschaulicht werden: Alttestamentlich-frühjüdische Vergleichsgrößen Jes 65,17; 66,22; 1Hen 91,16f.; 2Bar 32,6
Frühchristliche Vergleichsgrößen 2Petr 3,13; 2Kor 5,17; Röm 8,21ff.
1bα ὁ γὰρ πρῶτος οὐρανὸς καὶ ἡ πρώτη γῆ ἀπῆλθαν
ApkEl 3,98; TDtn 32,12; Jub 1,29; 4Esra 7,49–51
Mk 13,31; Mt 5,18; 24,35; Lk 16,17; 21,33
1bβ καὶ ἡ θάλασσα οὐκ ἔστιν ἔτι.
AssMos 10,6; Sib 3,83–87; 4,176–181; 5,158–161
2a
καὶ τὴν πόλιν τὴν ἁγίαν ᾿Ιερουσαλὴµ καινὴν εἶδον
Jes 52,1
2bα καταβαίνουσαν ἐκ τοῦ οὐρανοῦ ἀπὸ τοῦ θεοῦ
Jes 61,10
Die Einleitung der Schlussvision (Apk 21,1–4) 1a
Καὶ εἶδον οὐρανὸν καινὸν καὶ γῆν καινήν.
5
Hebr 11,16; Gal 4,26
Zur erzähldramaturgischen Funktion des Spannungsbogens zwischen Apk 1,8 und Apk 21,5 vgl. HOLTZ, Offenbarung (s. Anm. 3), 134; AUNE, Revelation 17–22 (s. Anm. 3), 1125f.
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Vollendete Gottesgegenwart 2bβ ἡτοιµασµένην ὡς νύµφην κεκοσµηµένην τῷ ἀνδρὶ αὐτῆς. 3a
καὶ ἤκουσα φωνῆς µεγάλης ἐκ τοῦ θρόνου λεγούσης·
3bα ἰδοὺ ἡ σκηνὴ τοῦ θεοῦ µετὰ τῶν ἀνθρώπων,
Joh 1,14
3bβ καὶ σκηνώσει µετ᾿ αὐτῶν,
Lev 26,12; Sach 2,14f.
3cα καὶ αὐτοὶ λαοὶ αὐτοῦ ἔσονται,
Ez 37,27; 2Kön 8,27; Jer 31,1; Ps 95,7
2Kor 6,16
3cβ καὶ αὐτὸς ὁ θεὸς µετ᾿ αὐτῶν ἔσται αὐτῶν θεός,
Ez 37,27
4aα καὶ ἐξαλείψει πᾶν δάκρυον ἐκ τῶν ὀφθαλµῶν αὐτῶν,
Jes 25,8b; 4Esra 7,99ff.
4aβ καὶ ὁ θάνατος οὐκ ἔσται ἔτι
Jes 25,8a
1Kor 15,54f.
4aγ
οὔτε πένθος οὔτε κραυγὴ οὔτε πόνος οὐκ ἔσται ἔτι,
Jes 35,10; 51,11; Jer 31,16 ; 2Hen 65,9f.
Röm 8,21ff.
4b
ὅτι τὰ πρῶτα ἀπῆλθαν.
Jes 43,18f.; 65,17
Im Folgenden sollen drei der angesprochenen traditionsgeschichtlichen Bezugsgrößen genauer betrachtet werden, nämlich die Hintergründe der Vision eines neuen Himmels und einer Neuen Erde, des Motivs der Überwindung des Todesschicksals und der vollendeten Gottesgegenwart. Am Motiv des neuen Himmels und der neuen Erde tritt zu Tage, welche Bedeutung das Buch Jesaja für die Theologie der Johannesapokalypse besitzt.6 Begriffs- und motivgeschichtlich ist dasselbe bereits in den aufeinander bezogenen Versen Jes 65,17 und Jes 66,22 vorgezeichnet. Freilich erfährt die Erwartung eines neuen Himmels und einer neuen Erde in ihrem tritojesajanischen Kontext eine theologische Einbettung, die sich von derjenigen der Johannesapokalypse markant unterscheidet. Jes 65,17 ist innerhalb der jesajanischen Komposition bereits Jes 43,18f. vorgezeichnet, wo die für Deuterojesaja grundlegende Hoffnung eines erneuernden Schöpfungshandeln Gottes formuliert wird.7 Im Zusammenhang mit dem Motiv eines neuen Exodus, das für die erhoffte Heimkehr aus dem 6 Zur Rezeption der jesajanischen Traditionsbildungen in der Johannesapokalypse vgl. u.a. P. LEE, The New Jerusalem in the book of Revelation. A study of Revelation 21–22 in the light of its background in Jewish tradition, WUNT II/129, Tübingen 2001, passim. 7 Zu den theologischen Anliegen der tritojesajanischen Reformulierungen der protound deuterojesanaischen Vorgaben vgl. L. RUSZKOWSKI, Volk und Gemeinde im Wandel. Eine Untersuchung zu Jesaja 56–66, FRLANT 191, Göttingen 2000, 171–174; P. A. SMITH, Rhetoric and redaction in Trito-Isaiah. The structure, growth, and authorship of Isaiah 56–66, VT.S 62, Leiden u.a. 1995, 187ff.
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Exil von grundlegender Bedeutung ist, wird in Jes 43,19a noch relativ unbestimmt davon gesprochen, dass Gott ,Neues machen‘ wird. Es gilt zu beachten, dass in Jes 43,19a MT in der Wendung שׁ ה ָ שׂה ֲח ָד ֶ ֹ ִה נ ְנ ִי עder Begriff עשׂהvorliegt, welchen die Septuaginta präzise mit dem Äquivalent ποιεῖν wiedergibt. Der exklusiv für das Schöpfungshandeln Gottes verwendete Begriff בראbegegnet jedoch nicht hier, sondern erst in der tritojesajanischen Reformulierung von Jes 43,19 in Jes 65,17. In dieser tritojesajaniaschen Zuspitzung der Jes 43,19 innewohnenden Schöpfungsvorstellung dokumentiert sich ferner, dass nun nicht nur das eschatologische Schicksal des erwählten Volkes thematisiert wird, sondern darüber hinaus eine Neuschöpfung des gesamten Kosmos. Doch obwohl diese Entwicklungen den eschatologischen Hoffnungen der Johannesapokalypse prinzipiell nahe stehen, besteht zwischen Jes 65,17 und Apk 21,1 ein markanter Unterschied. Im Gegensatz zu Apk 21,1–4 ist bei Tritojesaja noch nicht von dem Gegensatz zwischen einer alten und einer neuen Welt bzw. von einer Vernichtung der alten Welt die Rede. Eine wesentlich deutlichere apokalyptische Ausrichtung besitzt demgegenüber bereits der zweite jesajanische Bezugstext, auf welchen der Verfasser der Johannesapokalypse in seiner Vision des neuen Himmels und der neuen Erde rekurriert, nämlich das Motiv der Überwindung des Todes, welches offensichtlich durch Jes 25,8 inspiriert wurde. Auch wenn dieses Motiv textchronologisch betrachtet bereits bei Protojesaja begegnet, ist es traditionsgeschichtlich wesentlich jünger als Jes 65,17. Es gehört zur sogenannten Jesajaapokalypse in den Kapiteln 24–27, in der unterschiedliche Traditionen kompiliert werden. In der Kompositionseinheit Jes 25,6–8 wird das Motiv einer Völkerwallfahrt zum Berge Zion aufgenommen und – ganz im Geiste der deutero- und tritojesajanischen Theologie – universal ausgestaltet. Eine Besonderheit besteht freilich darin, dass in Jes 25,8 von einer endgültigen Vernichtung des Todes die Rede ist.8 Gleichwohl ist zu betonen, dass auch für diese sehr jungen Traditionsschichten des Jesajabuchs die Bezeichnung ,Jesaja-Apokalypse‘ nicht präzise gewählt ist, insofern wesentliche Charakteristika apokalyptischer Schriften sich hier noch nicht erkennen lassen.9 Auch hier zeigt sich, dass wesentliche Eigen8 Hierbei handelt es sich wahrscheinlich um einen der ältesten Belege für diese Vorstellung innerhalb der alttestamentlichen Prophetie (zu traditionsgeschichtlichen Einordnungen von Jes 25,8 vgl. LIESS, Der Weg des Lebens [s. Anm. 4], 316–322; A. LABAHN, „Deine Toten werden leben ...“ (Jes 26,19). Sinngebung mittels der Vorstellung individueller Revivifikation als Grenzerweiterung im Jesajabuch, in: M. Labahn / M. Lang [Hg.], Lebendige Hoffnung – ewiger Tod?! Jenseitsvorstellungen in Hellenismus, Judentum und Christentum, ABG 24, Leipzig 2007, 53–86 [53f. bzw. 63–65]). 9 So z.B. Ansätze einer Periodisierung der Geschichte, eine Legitimation der Botschaft durch einen pseudepigraphisch in Anspruch genommenen Traditionsgaranten, eine Dualisierung des gegenwärtigen und des kommenden Äon, die Vorstellung eines Weltge-
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tümlichkeiten der Gestaltung von Apk 21,1–5 nur unzureichend erfasst werden können, wenn man sie ausschließlich von Bezugsgrößen der hebräischen Bibel bzw. der Septuaginta her interpretiert. Anders verhält es sich, wenn man weitere Schriften der frühjüdischen Apokalyptik in die Diskussion mit einbezieht. Aus dem vielschichtigen Spektrum möglicher religionsgeschichtlicher Vergleichsgrößen sollen daher im Folgenden v.a. zwei zu Rate gezogen werden, die für die Entwicklungsgeschichte der frühjüdischen und frühchristlichen Apokalyptik aufschlussreich sind, nämlich einerseits die im äthiopischen Henochbuch tradierte Zehnwochen-Apokalypse und andererseits das vierte Esrabuch. Im vielschichtigen Spektrum der frühjüdisch-apokalyptischen Literatur nehmen die Henoch-Traditionen eine besondere Stellung ein. Das Wachstum der Henoch-Traditionen erstreckte sich über Jahrhunderte und lässt sich in völlig verschiedenen geographischen Regionen und religionsgeschichtlichen Kontexten beobachten.10 Die frühen Stadien der HenochTraditionen, die im sogenannten äthiopischen bzw. ersten Henochbuch vorliegen, zählen zu den ältesten Zeugnissen frühjüdisch-apokalyptischer Traditionsbildungen.11 Die Bedeutung des ersten Henochbuchs dokumentiert sich auch bei der Analyse der religionsgeschichtlichen Hintergründe der Johannesapokalypse, die zu diesem Werk eine Reihe begriffs- und motivgeschichtlicher Affinitäten aufweist.12 Dieser Sachverhalt zeigt sich auch in der Vision eines richts über die Lebenden und die Toten etc. (vgl. hierzu F. H AHN, Frühjüdische und urchristliche Apokalyptik. Eine Einführung, BThS 36, Neukirchen-Vluyn 1998, 17f.). 10 Zur Rezeptions- bzw. Wirkungsgeschichte der Henochtraditionen vgl. P. S CHÄFER, Der verborgene und offenbare Gott. Hauptthemen der frühen jüdischen Mystik, Tübingen 1991, passim; G. SCHOLEM, Die jüdischen Mystik in ihren Hauptströmungen, Zürich 1957, passim; J. C. VANDERKAM, Enoch. A Man for All Generations, Studies on the Personalities of the Old Testament, Columbia 1995, passim. 11 Treffend konstatiert K. KOCH, Sabbatstruktur der Geschichte. Die sogenannte Zehn-Wochen-Apokalypse (1 Hen 93 1–10 91 11–17) und das Ringen um die alttestamentlichen Chronologien im späten Israelitentum, in: ders., Von der Wende der Zeiten. Beiträge zur apokalyptischen Literatur. GAufs. Bd. III., Neukirchen-Vlyun 1996, 45–76 (45): „Der herrschenden Überzeugung, daß die Apokalyptik mit dem Danielbuch beginne und demnach aus den Bedrängnissen der seleukidischen Religionsverfolgung und des makkabäischen Aufstandes herrühre, ist ... der Boden entzogen. ... gewichtige Teile des Henochbuches erweisen sich aus paläographischen Gründen (als) älter als 168/167 v. Chr. (Sie...) gehören in den Anfang des 2. Jahrhunderts oder schon ans Ende des 3. Jahrhunderts v. Chr. Nicht Daniel also, (sondern) Henoch scheint der Born zu sein, aus dem die israelitische Apokalyptik sich speist.“ 12 Exemplarisch verwiesen sei auf die im vierten und fünften Kapitel der Johannesapokalypse vorliegenden Beschreibungen des göttlichen Thronsaals und des himmlischen Gottesdienstes und die entsprechenden Ausführungen im ,Buch der Wächter‘ und im ,Astronomischen Henochbuch‘, ferner die der Johannesapokalypse zugrundeliegenden topographischen Vorstellungen (vgl. diesbezüglich u.a. L. T. S TUCKENBRUCK, Angel Ve-
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neuen Himmels und einer neuen Erde, nämlich an der Interpretation, die Jes 65,17 in der ,Zehnwochen-Apokalypse‘ (1Hen 91,11–17) erfährt. Die Zehnwochen-Apokalypse ist in ihrer vorliegenden Form in den fünften und letzten Teil des äthiopischen Henochbuchs integriert, der sogenannten Epistel Henochs. Auch wenn die Epistel Henochs wohl erst im letzten vorchristlichen Jahrhundert entstanden ist, erweist sich die ZehnwochenApokalypse textkritisch und redaktionsgeschichtlich betrachtet als eine ursprünglich eigenständige Komposition, die zeitlich etwas jünger als das Danielbuch ist. Für die vorliegende Themenstellung ist v.a. die Sequenz 1Hen 93,9f.; 91,11–17 aufschlussreich, in der die Hoffnungen erkennbar werden, welche die Trägerkreise dieser Schrift propagierten. Die Anordnung der apokalyptischen Endzeitereignisse steht dabei der Grundstruktur der Schlussvision in der Johannesapokalypse durchaus nahe. In 1Hen 93,9f.; 91,11–13 wird ebenso wie in Apk 19 zunächst eine Niederwerfung der widergöttlichen Mächte erwartet, auf die ebenso wie in Apk 20,1–10 die Beschreibung einer irdischen Heilszeit folgt. Erst daraufhin erfolgt wie in Apk 20,11–15 ein Weltgericht, in welchem die Menschen gemäß ihrer Werke bzw. ihrer Rechtschaffenheit beurteilt werden (1Hen 91,14). Im Unterschied zur Johannesapokalypse folgt daraufhin ein weiteres Gericht, und zwar unter den himmlischen Mächten (1Hen 91,14). Ein Motiv, welches für die Auslegungsgeschichte von Jes 65,17 aufschlussreich ist, schließt sich an. Die Trägerkreise dieser Schrift propagieren die Erwartung, dass in der zehnten Epoche der bestehende Himmel vernichtet und durch einen neuen ersetzt wird (vgl. 1Hen 91,16: „Und der erste Himmel wird verschwinden und vergehen, und ein neuer Himmel wird erscheinen“; vgl. 4QEng ar 24 [4Q212]: [שמיא...)קדמין בה יעברון ושמ]יו.13 Diese Neuschöpfung bezieht sich aber nur auf die himmlische Sphäre. Da in diesem Kontext nicht von einer Vernichtung der alten Erde die Rede ist, wird offensichtlich vorausgesetzt, dass die bereits in der achten und neunten Woche restituierte irdische Ordnung aufrecht erhalten bleibt.14 Von einer neration and Christology. A Study in Early Judaism and the Christology of the Apocalypse of John, WUNT II/70, Tübingen 1995, passim; D. HANNAH, The throne of his glory. The divine throne and heavenly mediators in Revelation and the Similitudes of Enoch, ZNW 94 [2003], 68–96; F. TÓTH, Der himmlische Kult. Wirklichkeitskonstruktion und Sinnbildung in der Johannesoffenbarung, ABG 22, Leipzig 2006 etc.). 13 Die für die Rezeption von Jes 65,17 entscheidende Zeile 4QEn g ar 24 (4Q212) ist aufgrund einer Textverderbnis nur zur Hälfte erhalten. Da jedoch die aramäische ansonsten weitestgehend den äthiopischen Textfassungen entspricht, sind die Rekonstruktionsvorschläge von F. DEXINGER, Henochs Zehnwochenapokalypse und offene Probleme der Apokalyptikforschung, Studia Post-Biblia 29, Leiden 1977, 115f. und J. T. M ILIK, The Books Enoch. Aramaic Fragments of Qumran Cave 4, Oxford 1975, 267–269, berechtigt. 14 Vgl. KOCH, Sabbatstruktur der Geschichte (s. Anm. 11), 66: „Von einer einmaligen eschatologischen Kehre, …, also einem jähen Weltende und einer nachfolgenden
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Überwindung der Vergänglichkeit bzw. einer Vernichtung des Todes ist aber noch nicht die Rede. Aus diesem Grunde kann die skizzierte Konzeption der Zehnwochen-Apokalypse als eine Entwicklungsstufe zwischen Jes 65,17 und Apk 21,1.4 verstanden werden. 1Hen 91,16 bietet den ältesten schriftlich überlieferten Beleg für eine apokalyptische Interpretation der tritojesajanischen Hoffnung, dass Gott eine neue Erde und einen neuen Himmel schaffen wird.15 Eine solche Interpretation von Jes 65,17 wurde in verschiedenen frühjüdisch-apokalyptischen Traditionsbildungen mit jeweils eigenen Akzentsetzungen ausgestaltet. Eines der prominentesten Beispiele für die fortschreitende apokalyptische Interpretation von Jes 65,17 findet sich im vierten Esra-Buch. Das vierte Esra-Buch ist für unsere Fragestellung nicht zuletzt deshalb aufschlussreich, weil es ebenso wie die Johannesapokalypse die Zerstörung des Jerusalemer Tempels bereits vor geraumer Zeit voraussetzt.16 Auch unabhängig von der Frage des historisch-genetischen Verhältnisses dieser Texte ist das vierte Esra-Buch dazu behilflich, die differentia specifica von Apk 21,1–5 zu erfassen. Eindrücklich zeigt sich dies in der Passage 4Esra 7,1–9,22, die einen Dialog zwischen Esra und dem Erzengel Uriel beinhaltet. Der textexterne Leser kann hierin eine Reflexion bzw. einen Bewältigungsversuch enttäuschter eschatologischer Hoffnungen erkennen, insofern auf der textinternen Erzählebene Esra mit einem Vertreter des himmlischen Hofstaats darüber diskutiert, ob der Verlauf der Geschichte nicht die Gerechtigkeit und Allmacht Gottes in Frage stellt.17 Neuschöpfung quasi ex nihilo lässt sich in der 10-Wochen-Lehre nichts entdecken“. Zustimmend aufgenommen bei U. MELL, Neue Schöpfung. Eine traditionsgeschichtliche und exegetische Studie zu einem soteriologischen Grundsatz paulinischer Theologie, BZNW 56, Berlin/New York 1989, 123f. 15 Ausführlich hierzu J. VAN RUITEN, The Influence and Development of Js 65,17 in 1 Hen 91,16, in: J. Vermeylen (Hg.), The Book of Isaiah – Le Livre d’Isaïe. Les oracles et leurs relectures unité et complexité de l’ouvrage, BEThL 81, Leuven 1989, 161–166 (166), der treffend resümiert: „The most striking result is that, while referring to Is 65,17 and its context, the author of 1 Hen 91,16 changes perspective completely. The innovation of the earth is made of second importance to the innovation of the heaven.“ Ähnlich MELL, Neue Schöpfung (s. Anm. 14), 123–126; zum Verhältnis von 1Hen 91,16 und Apk 21,1–4 ebd., 133f. 16 In Bezug auf die Entstehungszeit gilt es zu beachten, dass das 4. Esra-Buch in seiner vorliegenden Gestalt christliche Interpolationen erkennen lässt, auch wenn der wesentliche Bestandteil des Textkorpus als ein ursprünglich jüdisches Zeugnis verstanden werden kann (besonders deutlich zeigen sich die Überarbeitungen in den Bezügen, die zwischen dem Grundtext 4 Esra 3–14 und den späteren Ergänzungen bzw. Fortschreibungen in 4 Esra 1f.; 15f. bestehen (vgl. M. E. S TONE, Fourth Ezra. A Commentary on the Book of Fourth Ezra, Hermeneia, Minneapolis 1990, 1–9; J. S CHREINER, Das vierte Buch Esra, JSHRZ V/4, Gütersloh 1981, 291–412 [291f. bzw. 297–301]; H AHN, Frühjüdische und urchristliche Apokalyptik [s. Anm. 9], 63f.). 17 Vgl. S TONE, Fourth Ezra (s. Anm. 16), 189.
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In diesem Zusammenhang begegnen verschiedene Motive, die eine bemerkenswerte Analogie zu Apk 21 aufweisen, insbesondere in der Unterscheidung zweier von Gott geschaffener Welten. 4Esra 7,30 zufolge bewirkt das göttliche Gerichtshandeln, dass alles Vergängliche bzw. die Vergänglichkeit vernichtet wird (vgl. 4Esra 7,30: „Die Welt wird in das einstige Schweigen sieben Tage lang zurückkehren, wie es im Uranfang war, so dass niemand übrigbleibt. 31: Nach sieben Tagen aber wird die Welt, die noch nicht wach ist, erweckt werden, und das Vergängliche wird sterben“ [... et morietur corruptum]18). Der Erzengel Uriel teilt dem an der göttlichen Gerechtigkeit und Vollmacht zweifelnden Esra ferner mit, dass zwischen der gegenwärtigen und einer kommenden Welt kategorisch unterschieden werden müsse. Gott habe nicht eine, sondern zwei Welten geschaffen (4Esra 7,51: „Deshalb hat der Höchste nicht eine Welt geschaffen, sondern zwei ...“). Eine Unsterblichkeit werde es nur in der neuen Welt geben, die sich offenbare, wenn die alte Welt vernichtet worden sei (4Esra 7,113: „Der Tag des Gerichts aber ist das Ende dieser Welt und der Anfang der unsterblichen kommenden Welt, in der die Vergänglichkeit vorüber ist“ [... in quo pertransivit corruptela]). Wie nahe diese Vorstellung Apk 21 steht, zeigt sich auch daran, das nicht nur auf das in Jes 65,17 dokumentierte Motiv einer Neuschöpfung angespielt wird, sondern auch auf das in Jes 25,8 vorliegende Motiv der Überwindung des Todes, das ja auch für Apk 21,4 von konstitutiver Bedeutung ist (vgl. 4Esra 8,52–54: „Denn für euch ist das Paradies geöffnet, der Baum des Lebens gepflanzt, die kommende Welt bereitet, die Seligkeit vorbereitet, die Stadt erbaut, die Ruhe zugerüstet, die Güte vollkommen gemacht, die Weisheit vollendet. 53: Die Wurzel [des Bösen] ist vor euch versiegelt. Die Krankheit vor euch ausgetilgt, der Tod verborgen, die Unterwelt ist entflohen, die Vergänglichkeit vergessen. Die Schmerzen sind vergangen, und erschienen ist am Ende der Schatz der Unsterblichkeit“). Die Affinität, die diese Worte zur Schlussvision der Johannesapokalypse aufweisen, ist geradezu frappierend. Diese Aspekte sprechen dafür, dass die Schlussvision der Johannesapokalypse eine am Ende des ersten Jahrhunderts verschiedentlich dokumentierte Hoffnung zur Sprache bringt, die darüber Auskunft gibt, in welcher Weise sich die in den tritojesajanischen Traditionsbildungen vorliegende Neuschöpfung realisieren könnte (vgl. entsprechend 2Petr 3,1319). Dennoch gibt es in Apk 21,1–5 ein Detail, dass nicht aus den angesprochenen 18 Zur textgeschichtlich nicht eindeutigen Überlieferung von 4 Esra 7,31 vgl. S TONE, Fourth Ezra (s. Anm. 16), 202 bzw. 251f. 19 Auch in 2 Petr 3,13 wird das Neuschöpfungsmotiv aus Jes 65,17 ebenso wie in 1 Hen 91,16 und Apk 21,1–5 im Sinne einer Vernichtung der bestehenden Welt gedeutet (zum Verhältnis dieser Traditionen vgl. A. VÖGTLE, Der Judasbrief. Der 2. Petrusbrief, EKK 22, Zürich u.a. 1994, 243).
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frühjüdisch-apokalyptischen Reformulierungen von Jes 65,17 heraus erläutert werden kann. Und gerade an diesem Detail zeigt sich, wie sehr der Seher von Patmos nicht nur zeitgenössischen apokalyptischen Traditionsbildungen nahe steht, sondern diese eigenständig weiter entfaltet. Der Verfasser der Apokalypse verbindet die angesprochenen jesajanischen Motive nämlich mit einem weiteren Themenfeld der alttestamentlich-frühjüdischen Traditionsbildungen, das in dieser Weise zuvor noch nicht ausgestaltet wurde, nämlich mit dem Themenfeld der Schechina-Theologie.
4 Apk 21,3 im Kontext biblischer Schechina-Vorstellungen Wie die meisten metasprachlichen Termini können die Begriffe ,Schechina-Vorstellungen‘ bzw. ,Schechina-Theologie‘ nicht unmittelbar aus biblischen Texten abgeleitet werden. Auch wenn der Begriff ,Schechina‘ als Nominalbildung erst in frührabbinischen Zeugnissen belegt ist,20 können ,Schechina-Vorstellungen‘ als eine zentrale Größe biblischer Traditionsbildungen verstanden werden. Im weiteren Sinne werden hiermit Vorstellungen von der Einwohnung bzw. Gegenwart Gottes oder einer göttlichen Entität an einem bestimmten kultischen Ort bzw. in einer menschlichen Gemeinschaft gekennzeichnet.21 Im engeren Sinne handelt es sich um jene Konzepte, in denen dieses Geschehen mit dem hebräischen Begriffsfeld שׁ ַכ ן ָ (schāḳan) bzw. dem griechischen Äquivalent σκηνοῦν κ.τ.λ. (skenoun) zur Sprache gebracht wird.22 Die terminologische Unterscheidung zwischen ,Schechina-Vorstellungen im engeren Sinne‘ und ,Schechina-Vorstellungen im weiteren Sinne‘ legt sich aus zwei Gründen nahe. Einerseits wurden im Zuge der griechischen Übersetzung der hebräischen Bibel Formulierungen, in denen die Einwohnung bzw. das Wohnen Gottes mit dem Terminus שׁ ַכ ן ָ umschrieben 20
Zur Begriffsgeschichte vgl. A. M. GOLDBERG, Untersuchungen über die Vorstellung von der Schekhinah in der frühen rabbinischen Literatur, StJud 5, Berlin 1969, 439ff.; C. THOMA, Art. Schekhina, in: J. J. Petuchowski / ders., Lexikon der jüdischchristlichen Begegnung, Freiburg u.a. 1989, 352–356; F. N IEWÖHNER, Art. Schechina, HWP 8 (1992), 1226–1230. 21 Als göttliche Entitäten sind z.B. im Zusammenhang der frühjüdischen Weisheitstheologie v.a. die personifizierte Sophia bzw. im Kontext der johanneischen Christologie der Gottessohn zu verstehen (s.u. die Ausführungen Sir 24 bzw. Joh 1,14). 22 Der Terminus kann sowohl ein zeitlich begrenztes Lagern bzw. Zelten, ein dauerndes Wohnen als auch den Akt des sich Niederlassens bezeichnen (vgl. M. GÖRG, Art. ָ ', ThWAT 7 [1993], 1337–1348; A. R. HULST , Art. שׁ ַכ ן ָ ', THAT5 2 [1995], 904–909; B. שׁ ַכ ן 4 J ANOWSKI, Art. Shekhina I, RGG 7 [2004] 1274f.). Entsprechend zum phonetisch nahe stehenden griechischen Äquivalent σκηνοῦν κ.τ.λ. vgl. W. MICHAELIS, Art. σκηνοῦν κ.τ.λ., ThWNT 7 (1964), 386–388; J.-A. BÜHNER, Art. σκηνοῦν κ.τ.λ. EWNT 3 (1983), 603f.
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wurde, zuweilen mit Begriffen wiedergegeben wurden, in denen die phonetische Nähe zur hebräischen Vorgabe nicht mehr erkennbar ist, obwohl das Motiv inhaltlich-sachlich betrachtet nicht verändert wurde.23 Diese Übersetzungsprozesse sind wiederum eine Ursache dafür, dass in frühchristlichen Zeugnissen zuweilen Motive begegnen, die eine markante Affinität zu alttestamentlichen Schechina-Vorstellungen aufweisen, aber nicht mit Termini des Begriffsfelds σκηνοῦν κ.τ.λ. arbeiten. Durch die Kategorisierung ,Schechina-Vorstellung im weiteren Sinne‘ ist es jedoch möglich, diese traditionsgeschichtlichen Bezüge zu kennzeichnen. Andererseits lassen sich aber auch auf der Ebene alttestamentlich-frühjüdischer Traditionsbildungen Texte namhaft machen, die zwar von einer Gegenwart bzw. Einwohnung Gottes sprechen, ohne aber diese Vorstellung mit einem Terminus aus dem Begriffsfeld שׁ ַכ ן ָ zu umschreiben. Auch in dieser Hinsicht ist es ratsam, von ,Schechina-Vorstellung im weiteren Sinne‘ zu sprechen. In den biblischen Traditionsbildungen begegnen unterschiedliche Varianten von Schechina-Vorstellungen, die partiell aufeinander aufbauen bzw. einander modifizieren. Inhaltlich-sachlich betrachtet können zwei Hauptkategorien von Schechina-Vorstellungen unterschieden werden. Räumlich strukturierte Schechina-Vorstellungen liegen dort vor, wo von der (zeitlich begrenzt bzw. kontinuierlich gedachten) Einwohnung bzw. Gegenwart Gottes in einem kultisch qualifizierten Bereich gesprochen wird (z.B. im Jerusalemer Tempel [1Kön 8,12f.], auf dem Zion [Jes 8,18] bzw. dem ,Zelt der Begegnung‘ [Ex 40,17.34–38]). Personal strukturierte Schechina-Vorstellungen bezeichnen demgegenüber bestimmte Menschen bzw. Menschengruppen als Ort der Gegenwart Gottes (z.B. das Motiv der Einwohnung Gottes in seinem erwählten Volk [Ez 43,7–9; Ex 25,8; 29,42–46], das Motiv der christlichen Gemeinschaft als Wohnort und Tempel Gottes [2Kor 6,16; Eph 2,19–22] bzw. die johanneische Vorstellung von der reziproken Immanenz von Gott, dem auferstandenen Christus und den Glaubenden [Joh 14,23]). Diese Grundkategorien erfahren in der Entwicklungsgeschichte biblischer Schechina-Vorstellungen unterschiedliche Ausdifferenzierungen. In ihren vorexilischen Entwicklungsstadien sind SchechinaVorstellungen v.a. Bestandteile tempeltheologischer Konzeptionen (vgl. u.a. den Tempelweihspruch 1Kön 8,12f., in welchem der Salomonische Tempel zum Ort der Gegenwart Gottes erklärt wird: „Damals sagte Salomo: Der Herr hat die Sonne an den Himmel gesetzt; er selbst wollte im Dunkel wohnen [שׁ כּ ֹן ָבּ ֲע ָר ֶפ ל ְ ] ִל. 13: Ich habe ein fürstliches Haus für dich
23
Neben σκηνοῦν κ.τ.λ. konnten auch Termini wie οἰκεῖν, κατοικεῖν, παροικεῖν bzw. ἀποπαύειν zur Übersetzung von שׁ ַכ ן ָ ' verwendet werden (vgl. GÖRG, Art. שׁ ַכ ן ָ ' [s. Anm. 22], 1347f.).
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gebaut, eine Wohnstätte für ewige Zeiten“ [עוֹל ִמ ים ָ · שׁ ְב ְתּ ִ )] ָמכוֹן ְל.24 Eine solche Vorstellung wurde in exilisch-nachexilischen Konzepten, welche die Katastrophe der Zerstörung des Salomonischen Tempels theologisch zu bewältigen versuchten, mit unterschiedlichen Akzentsetzungen modifiziert bzw. korrigiert. Eindrücklich zeigt sich dies bereits in der frühexilischen Tradition Ez 43,7–9, welche eine Vision von der Rückkehr Gottes zum Zion formuliert und dabei das Motiv des Wohnens Gottes ,inmitten seines erwählten Volkes‘ herausarbeitet (vgl. die Einleitung der Gottesrede Ez 43,7–9).25 Dieses Motiv steht inhaltlich-sachlich auch der Akzentverschiebung nahe, welche durch eine spätdeuteronomistische Bearbeitung des vordeuteronomistischen Tempelbauberichts 1Kön 6* vorgenommen wurde und die zugleich den Tempelweihspruchs 1Kön 8,12f. in einen neuen Deutungsrahmen stellt. Der verhältnismäßig deutlich als redaktioneller Zusatz erkennbare Text 1 Kön 6,11–13 unterscheidet sich gegenüber jenen früheren Traditionsstufen darin, dass die Einwohnung Gottes an die Bedingung geknüpft wird, dass Israel den göttlichen Willen befolgt (V. 12a) und dass nicht der Salomonische Tempel als Ort der Einwohnung Gottes bezeichnet wird, sondern die Gemeinschaft der Israeliten (vgl. V. 13 „Und ich werde inmitten der Söhne Israels wohnen [שׂ ָר ֵאל ְ ִ ְבּ נ ֵי י¹שׁ ַכ נ ְ ִתּ י ְבּ תוֹ ָ ] ְוund mein Volk Israel nicht verlassen“).26 Dass gerade das Motiv des Wohnen Gottes inmitten seines erwählten Volkes sich zu einem bestimmenden Element exilisch-nachexilischer Schechina-Vorstellungen entwickelte, zeigt sich auch 24
In diesem Zusammenhang wird die Präsenz Gottes nicht nur mit dem Terminus
שׁ ַכ ן ָ umschrieben, sondern auch mit dem Terminus ישׁב, der im Zuge der deuteronomistischen Kult-Zentralisation dazu verwendet wurde, die Gegenwart bzw. wörtlich das ,Anbringen‘ bzw. ,Deponieren‘ des Gottesnamen im Jerusalemer Heiligtum zu kennzeichnen (zur traditionsgeschichtlichen Einordnung von 1Kön 8,12f. vgl. M. M ETZGER, Himmlische und irdische Wohnstatt Jahwes, in: ders., Schöpfung, Thron und Heiligtum. Beiträge zur Theologie des Alten Testaments; hg.v. W. Zwickel, BThS 57, Stuttgart 2003, 1–37 (1–4 bzw. 37); zum Verhältnis von 1Kön 8,12f. zur deuteronomistischen Kultzentralisation bzw. zur vorexilischen Zionstradition vgl. E. R EUTER, Kultzentralisation. Entstehung und Theologie von Dtn 12, BBB 87, Frankfurt a.M. 1993, 118–128; B. J ANOWSKI, „Ich will in eurer Mitte wohnen“. Struktur und Genese der exilischen Schekina-Theologie, in: ders., Gottes Gegenwart in Israel. Beiträge zur Theologie des Alten Testaments, Neukirchen-Vluyn 1993, 119–147 [137]). 25 Ausführlich hierzu J ANOWSKI, „Ich will in eurer Mitte wohnen“ (s. Anm. 24), 122ff. 26 Zu diesen redaktionsgeschichtlichen Entwicklungen vgl. ebd., 137. Der durch 1Kön 6,11–3 formulierte Vorbehalt entspricht prinzipiell einer prophetischen Kultkritik, welche eine vermeintliche Selbstsicherheit in Frage stellt, derzufolge der Jerusalemer Tempel als Wohnort Jahwes per se ein Garant für das Wohlergehen Israels ist (vgl. u.a. die entsprechenden Züge der sogenannten Tempelrede Jer 7,1–15; vgl. A. LANGE, Gebotsobservanz statt Opferkult. Zur Kultpolemik in Jer 7,1–8,3, in: B. Ego u.a. [Hg.], Gemeinde ohne Tempel. Community without Temple. Zur Substituierung und Transformation des Jerusalemer Tempels und seines Kults im Alten Testament, antiken Judentum und frühen Christentum, WUNT 118, Tübingen 1999, 19–36 [24ff.]).
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in der Grundschrift der Priesterschrift, welche dieses Motiv in einer exponierten Position inmitten der Dramaturgie der Wüstenwanderungserzählung verortet. Nachdem es bereits in der Einleitung der Instruktion zum Bau des Wüstenheiligtum einführend erwähnt wird (Ex 25,8), hebt Ex 29,43–46 hervor, dass Gott sein Volk aus Ägypten geführt hat, um ,in ihrer Mitte zu wohnen‘ (Ex 29,46b MT: תוֹכ ם ָ שׁ ְכ נ ִי ְב ָ ) ְל. Das theologische Gewicht dieses Textes tritt umso deutlicher zu Tage, wenn man sich vergegenwärtigt, dass Ex 29,43–46 einen, wenn nicht gar den theologischen Höhepunkt der Grundschrift der Priesterschrift in Worte fasst.27 Während die angesprochenen Textbeispiele v.a. das Verhältnis Israels zu seinem Gott thematisieren, begegnet in Ez 37,25–28 eine prinzipiell vergleichbare Motivik, die zugleich eine heilsuniversale Dimension impliziert.28 In einer Ergänzung zu der in Ez 37,15–19 beschriebenen dreiteiligen Zeichenhandlung, welche u.a. eine Hoffnung auf die Wiedervereinigung des Nord- und Südreichs bzw. auf die Restitution des Davidischen Königtums dokumentiert, wird ebenso wie in den zuvor angesprochenen exilischnachexilischen Schechina-Vorstellungen dem Motiv des Wohnens Gottes bei seinem erwählten Volk eine zentrale Bedeutung zugestanden (Ez 37,27a: „Bei ihnen wird meine Wohnung sein …“ [MT: יהם ֶ שׁ ָכּ נ ִי ֲע ֵל ְ ; ְו ָה י ָה ִמLXX: καὶ ἔσται ἡ κατασκήνωσίς µου ἐν αὐτοῖς]29). Die finale Aussage dieser Texteinheit hebt jedoch hervor, dass die verheißene Einwohnung Gottes auch nicht-jüdischen Völkern eine Erkenntnis des Gottes Israels ermöglichen wird (vgl. Ez 37,28). Dass eine solche heilsuniversale Komponente einer Schechina-Vorstellung keine singuläre Größe darstellt, zeigt sich ferner an den der persisch-hellenistischen Epoche zuzuordnenden Nachtgesichten Sacharjas (Sach 1,7–6,15), deren dritte Vision (Sach 2,5–17) in der 27 Zur Stellung und Funktion von Ex 25,8; 29,43–46 in der Grundschrift der Priesterschrift vgl. C. FREVEL, Mit Blick auf das Land die Schöpfung erinnern. Zum Ende der Priestergrundschrift, HBS 23, Freiburg 2000, 96–104 bzw. 134–137; T. P OLA, Die ursprüngliche Priesterschrift. Beobachtungen zur Literarkritik und Traditionsgeschichte von Pg, WMANT 70, Neukirchen-Vluyn 1995, 242–256 bzw. 233–237. 28 Zum traditionsgeschichtlichen Verhältnis von Ex 25,8; 29,43–46 und Ez 37,25–28 vgl. S. OWCZAREK, Die Vorstellung vom ,Wohnen Gottes inmitten seines Volkes‘ in der Priesterschrift. Zur Heiligtumstheologie der priesterschriftlichen Grundschrift, EHS 625, Frankfurt a.M. 1998, 202–214. 29 Zum Verhältnis von Ez 37,25–28 zu weiteren Schechina-Vorstellungen innerhalb des Ezechielbuchs vgl. S. OHNESORGE, Jahwe gestaltet sein Volk neu. Zur Sicht der Zukunft Israels nach Ez 11,14–21; 20,1–44; 36,16–38; 37,1–14.15–28, fzb 64, Würzburg 1991, 402–418; zur kontroversen Diskussion der redaktionsgeschichtlichen Einordnung von Ez 37,25–28 ferner T. A. RUDNIG, Heilig und Profan. Redaktionskritische Studien zu Ez 40–48, BZAW 287, Berlin/New York 2000, 62f.; D. BALTZER, Ezechiel und Deuterojesaja. Berührungen in der Heilserwartung der beiden großen Exilspropheten, BZAW 121, Berlin/New York 1971, 156ff.; M. KONKEL, Architektonik des Heiligen. Studien zur zweiten Tempelvision Ezechiels (Ez 40–48), BBB 129, Berlin u.a. 2001, passim.
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Verheißung kulminiert, dass die Einwohnung Gottes mit einer Hinwendung nichtjüdischer Völker zum Gott Israels einhergeht (Sach 2,14f.).30 Eine diesem Motiv gegenläufige Entwicklung lässt sich demgegenüber in dem ebenfalls der persisch-hellenistischen Phase zuzuordnenden Text Joel 4,17.21 beobachten, wo das Motiv des Wohnens Gottes mit einer scharfen Abgrenzung gegenüber nichtjüdischen Völkern einhergeht.31 Wie kreativ Schechina-Vorstellungen in alttestamentlich-frühjüdischen Traditionsbildungen entfaltet werden konnten, zeigt sich zudem in frühjüdisch-weisheitlichen Traditionen. Insbesondere das bereits in Hiob 28; Prov 8,22f. vorliegende Motiv der personifizierten Weisheit, die vor der Erschaffung der Welt bei Gott wohnte, ermöglichte es, den Modus der Einwohnung Gottes in der Welt neu zur Sprache zu bringen.32 Eindrücklich zeigt sich dies in dem Text Sir 24,4–31, welchen der palästinisch-jüdische Theologe Ben Sira als eine Selbstvorstellung der Sophia komponierte. In diesem Zusammenhang wird hervorgehoben, dass die Weisheit bei Gott wohnte (Sir 24,4: ἐγὼ ἐν ὑψηλοῖς κατεσκήνωσα) und von ihrem Schöpfer beauftragt wurde, bei den Nachkommen Jakobs bzw. Israels eine irdische Wohnstatt einzunehmen (vgl. Sir 24,8b … ἐν Ιακωβ κατασκήνωσον).33 Auch nach den drei jüdischen Kriegen bzw. Aufständen gegen das Imperium Romanum lässt sich das Phänomen beobachten, dass sich bereits nach der Zerstörung des Salomonischen Tempels vollzog. Die geschichtliche Katastrophe der Zerstörung des kultischen Zentrums jüdischen Glaubens führt nicht etwa zu einer Aufgabe traditioneller Schechina-Vorstel30 Zum Verhältnis der heilsuniversalen Implikationen der Schechina-Vorstellung in Ez 37,28 und Sach 2,14f. vgl. H.-G. S CHÖTTLER, Gott inmitten seines Volkes. Die Neuordnung des Gottesvolkes nach Sacharja 1–6, TTS 43, Trier 1987, 76–85; R. LUX, „... damit ihr erkennt, daß Jhwh Zebaot mich gesandt hat“. Erwägungen zur Berufung und Sendung des Propheten Sacharja, in: ders. / W.-J. Waschke (Hg.), Die unwiderstehliche Wahrheit. Studien zur alttestamentlichen Prophetie (FS A. Meinhold), ABG 23, Leipzig 2006, 373–388 (385f.). 31 Eine solche Tendenz lässt sich in Ansätzen auch in der Tempelrolle beobachten, die ihrerseits intensiv mit Schechina-Motiven arbeitet (vgl. 11QT 29,3.8; 45,12–14; 46,4.12; 47,1.3f.18; 51,7; 53,9; 56,5; 60,13). 32 Zur Entwicklungsgeschichte des Motivs der personifizierten Weisheit vgl. zuletzt M. LEUENBERGER, Die personifizierte Weisheit vorweltlichen Ursprungs von Hiob 28 bis Joh 1. Ein traditionsgeschichtlicher Strang zwischen den Testamenten, ZAW 120 (2008), 366–386. 33 Zur traditionsgeschichtlichen Einordnung bzw. biblisch-theologischen Dimension von Sir 24,1–12 vgl. J. MARBÖCK, Gottes Weisheit unter uns. Sir 24 als Beitrag zur biblischen Theologie, in: ders., Gottes Weisheit unter uns. Zur Theologie des Buches Sirach; hg.v. I. Fischer, HBS 6, Freiburg 1995, 73–87; B. J ANOWSKI, Gottes Weisheit in Jerusalem. Sirach 24 und die biblische Schekina-Theologie, in: U. Mittmann-Richert / H. Lichtenberger (Hg.), Biblical Figures in Deuterocanonical and Cognate Literature, Deuterocanonical and Cognate Literature Yearbook 2008, Berlin/New York 2009, 1–29.
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lung, sondern zu deren Ausgestaltung. Im Zuge der Neubestimmung jüdischer Identität in tannaitisch-amoräischen bzw. rabbinischen Traditionsbildungen finden Schechina-Vorstellungen ihre intensivste Entfaltung, in deren Zuge die Schechina schließlich sogar als eine Hypostase bzw. als Emanation Gottes verstanden werden konnte.34 Schechina-Vorstellungen waren jedoch nicht nur für jüdische Identitätsfindungsprozesse von Relevanz, sondern auch für die Entwicklungsgeschichte der frühchristlichen Theologie. Implizite Bezüge zu diesem Erbe jüdischer Glaubensvorstellungen können bei vielen neutestamentlichen Texten erkannt werden. Im weiteren Sinne gilt dies z.B. für die Lk 17,21; Mt 18,20 zugrunde liegende Vorstellung von der Präsenz des Gottesreiches bzw. der Gegenwart Jesu in der Gemeinschaft der Glaubenden oder für die Zeltmetaphorik im Kontext der synoptischen Verklärungserzählungen (Mk 9,5 parr.).35 Die profiliertesten Adaptionen alttestamentlich-frühjüdischer Schechina-Vorstellungen begegnen bezeichnender Weise bei denjenigen frühchristlichen Autoren, deren Theologie sich durch eine reflektierte Aneignung und Interpretation jüdischer Glaubenstraditionen auszeichnet. Eindrücklich zeigt sich dies bereits bei Paulus, der wie kein zweiter frühchristlicher Denker in seiner eigenen Biographie und Theologie das Ringen jüdischer und christlicher Glaubenshoffnungen verkörpert. Dass Paulus dabei auch Schechina-Vorstellungen aufnimmt, zeigt sich v.a. im Kontext seiner pneumatologischen und ekklesiologischen Ausführungen. Bereits in 1Kor 3,16; 6,19 konfrontiert Paulus seine Adressaten in der Gemeinde zu Korinth mit der These, dass sie ein Tempel Gottes seien, in dem der Geist Gottes wohne (tendenziell ähnlich auch Röm 8,9). Während Paulus in diesem Zusammenhang nicht eigens erläutert, welche die schrifthermeneuti34 Zur Skizze entsprechender Traditionsbildungen vgl. G OLDBERG, Untersuchungen (s. Anm. 20), 531ff.; P. KUHN, Gottes Selbsterniedrigung in der Theologie der Rabbinen, München 1968; P. SCHÄFER, The Miracle and His Beauty. Feminine Images of God from the Bible to the Early Kabbalah, Princeton/Oxford 2002, 79ff.; D ERS., Die Vorstellung vom Heiligen Geist in der rabbinischen Literatur, München 1972, passim; D ERS., Der verborgene und offenbare Gott. Hauptthemen der frühen jüdischen Mystik, Tübingen 1991, 84f. bzw. 117ff.; H. ERNST , Die Schekîna in rabbinischen Gleichnissen, JeC 14, Bern u.a. 1994 etc. 35 Zu den schechina-theologischen Implikationen von Mt 18,20 vgl. P. P OKORNÝ, „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen …“ (Mt 18,20), in: Gemeinde ohne Tempel (s. Anm. 26), 477–488 (479f.); J. SIEVERS, „Wo zwei oder drei ...“. Der rabbinische Begriff der Schechina und Matthäus 18,20, Das Prisma 1 (2005), 18–29; zum Verhältnis von Mt 18,20 zum matthäischen Immanuel-Motiv zudem M. K ONRADT , Israel, Kirche und die Völker im Matthäusevangelium, WUNT 215, Tübingen 2007, 346f. Zu den Anspielungen auf die Verklärungserzählungen Ex 34,29–35 bzw. das Motiv der Gottesnähe im Begegnungszelt (Ex 33,7–12) in den synoptischen Verklärungserzählungen vgl. D. DU TOIT , Der abwesende Herr. Strategien im Markusevangelium zur Bewältigung der Abwesenheit des Auferstandenen, WMANT 111, Neukirchen-Vluyn 2006, 358ff.
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schen Hintergründe dieser Einschätzung sind, bringt er dieselben in 2Kor 6,16 explizit zur Geltung, indem er nun das für die Entwicklungsgeschichte alttestamentlicher Schechina-Vorstellungen grundlegende Motiv Ez 37,27 zitiert. Die Bedeutung von 2Kor 6,16 tritt umso deutlicher in den Vordergrund, wenn man sich vergegenwärtigt, dass sprachlich-stilistische und literarkritische Gründe dafür sprechen, dass 2Kor 6,14–71 vorpaulinische Traditionen verarbeitet. Im Zuge der Apologie seines apostolischen Selbstverständnisses rekurriert Paulus auf ein Argument, bei dem er sich der Zustimmung seiner Adressaten bzw. Kontrahenten sicher sein kann.36 In Bezug auf die vorliegende Fragestellung bedeutet dies, dass 2Kor 6,16 nicht nur eine paulinische Ansicht repräsentiert, sondern eine im frühen Christentum weit verbreitete Überzeugung (dies zeigt sich auch an Traditionen wie 1Petr 2,4–8; 1Tim 3,14f.; Apk 3,12, die ebenfalls tempelmetaphorische Motive in ekklesiologischen Aussagezusammenhängen verarbeiten, in denen jedoch die Bezüge zu entsprechenden Schechina-Vorstellungen nicht so markant zu Tage treten wie in 2Kor 6,16). In dieser Hinsicht ist es nur konsequent, dass die skizzierten Züge der paulinischen Ekklesiologie und Pneumatologie im deuteropaulinischen Epheserbrief dahingehend ausgestaltet werden, dass die Einheit der christlichen Gemeinde aus Juden und NichtJuden als der kontinuierlich wachsende Tempel Gottes bezeichnet wird, der als Wohnstätte Gottes zu verstehen sei (vgl. Eph 2, 19–22).37 Die genannten paulinisch-deuteropaulinischen Beispiele können als ,Schechina-Vorstellungen‘ im weiteren Sinne verstanden werden, da sie zwar eine deutliche Affinität zu entsprechenden Vorgaben der jüdischen Bibel aufweisen, aber nicht mit Termini des Begriffsfeldes σκηνοῦν κ.τ.λ. arbeiten. Profilierte ,Schechina-Vorstellungen im engeren Sinne‘ begegnen demgegenüber in drei frühchristlichen Zeugnissen, deren Theologie sich ebenso wie die paulinische Theologie durch hoch reflektierte Adaptionen und Reformulierungen jüdischer Glaubenstraditionen auszeichnet, nämlich im Hebräerbrief, im Johannesevangelium und in der Johannesapokalypse. Bemerkenswert ist dabei, dass diese Konzeptionen jeweils als eigenständige Entwicklungen verstanden werden können, die keinen unmittelbaren 36 Vgl. hierzu C. BÖTTRICH, „Ihr seid der Tempel Gottes“. Tempelmetaphorik und Gemeinde bei Paulus, in: Gemeinde ohne Tempel (s. Anm. 26), 411–425 (417f.); zur Bedeutung dieses Motiv für die paulinische Ekklesiologie und Pneumatologie ferner F.W. HORN, Das Angeld des Geistes. Studien zur paulinischen Pneumatologie, FRLANT 154, Göttingen 1996, 61–76, der diese paulinische Vorstellung treffend als „Tempelexistenz“ bezeichnet (ebd., 75). 37 Dabei gilt es zu beachten, dass dieses Motiv die finale Aussage der Texteinheit Eph 2,11–22 bildet, in welchem das zentrale Anliegen des Epheserbriefs zu Tage tritt (zur Diskussion vgl. zuletzt G. S ELLIN, Adresse und Intention des Epheserbriefs, in: ders., Studien zu Paulus und zum Epheserbrief, hg.v. D. Sänger, FRLANT 229, Göttingen 2009, 164–189 [175f.]).
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Bezug zueinander aufweisen. Dieses Phänomen dokumentiert bereits für sich genommen, wie inspirierend traditionelle Schechina-Vorstellungen für frühchristliche Identitätsfindungsprozesse sein konnten. Im Hebräerbrief und im Johannesevangelium dienen Schechina-Vorstellungen v.a. christologischen Ausführungen. So erläutert z.B. der anonyme Verfasser des Hebräerbriefs mittels dieses Motivhintergrunds seine Vorstellungen über die nachösterliche Tätigkeit des Auferstandenen. Hebr 8,1– 5 zufolge nimmt der zur Rechten Gottes erhöhte Christus eine hohepriesterliche Funktion ein, in welcher er für die Glaubenden eintritt. Dieses Geschehen vollzieht sich Hebr 8,2 zufolge im ,wahren Wüstenheiligtum‘, welches das Urbild jenes Heiligtums war, welches Mose im Sinne der Wüstenwanderungserzählung am Sinai errichten ließ (vgl. den Rekurs auf Ex 25,20 in Hebr 8,5).38 Wie kreativ der Verfasser des Hebräerbriefs mit diesen Motivhintergründen umgeht, zeigt sich im weiteren Verlauf seiner Argumentationen daran, in welcher Weise er mit den im Kontext der zitierten Schechina-Vorstellungen formulierten opfertheologischen Instruktionen arbeitet (vgl. u.a. die Unterscheidungen der Bereiche der Stiftshütte in Hebr 9,1–3.8f.; 13,10).39 Noch differenzierter und v.a. wirkungsgeschichtlich bedeutender sind jedoch die schechina-theologischen Konzeptionen des Johannesevangeliums und der Johannesapokalypse. Dieses Phänomen ist umso bemerkenswerter, wenn man es zu einer Frage in Beziehung setzt, bei der es sich – um es mit Martin Hengel zu sagen – um das „schwierigste Rätsel des Corpus Johanneum“ handelt, nämlich zu der Frage nach dem traditionsgeschichtlichen Verhältnis der Johannesapokalypse und des Johannesevangeliums. Aus diesem Grund sollen im Folgenden die schechina-theologischen Motive des Johannesevangeliums und der Johannesapokalypse dargestellt und auf ihr traditionsgeschichtliches Verhältnis hin untersucht werden.
38 Die doppelte Benennung des Tätigkeitsbereichs (Hebr 8,2a: τῶν ἁγίων λειτουργὸς καὶ τῆς σκηνῆς τῆς ἀληθινῆς) impliziert Anspielungen auf die Architektur des Tempels bzw. auf das kultische Geschehen am Jom Kippur (vgl. E. GRÄSSER, An die Hebräer, EKK 17/2, Zürich 1993, 82). 39 Zu diesen Facetten der Schrifthermeneutik des Hebräerbrief vgl. zuletzt A. R ASCHER, Schriftauslegung und Christologie im Hebräerbrief, BZNW 153, Berlin/New York 2007, 145f.; D. C. TIMMER, Creation, Tabernacle, and Sabbath. The Sabbath Frame of Ex 31:12–17; 33:1–3 in Exegetical and Theological Perspective, FRLANT 227, Göttingen 2008, 158ff., die freilich jeweils die Bedeutung der entsprechenden SchechinaVorstellungen nicht angemessen zur Geltung bringen.
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5 Das traditionsgeschichtliche Verhältnis der schechina-theologischen Motive der Johannesapokalypse und des Johannesevangeliums Nach wie vor ist die Frage nach dem Verhältnis der Johannesapokalypse und des Johannesevangeliums eines der kontroversesten Themen der neutestamentlichen Wissenschaft. Auch wenn heute nicht mehr die Ansicht frühchristlicher Autoren vertreten werden kann, dass das Johannesevangelium und die Johannesapokalypse auf einen gemeinsamen Autor zurückgehen, so wird man auch nicht behaupten können, dass diese Werke überhaupt keine Beziehung zueinander haben. Das Problem besteht darin, dass sie sich einerseits gattungsgeschichtlich und sprachlich-syntaktisch markant voneinander unterscheiden. Andererseits arbeiten ihre Verfasser mit vergleichbaren Termini und Bildfeldtraditionen, die in den meisten Fällen nicht aus anderen frühchristlichen Traditionen abgeleitet werden können. Aus diesem Grunde ergibt sich unweigerlich der Eindruck, dass das Johannesevangelium und die Johannesapokalypse auf eine gemeinsame Schulbildung zurückgehen. Die theologische Ausgestaltung der vergleichbaren Motivbestände fällt jedoch oft dermaßen konträr aus, dass man wiederum vermuten könnte, dass hier ein Konkurrenzverhältnis besteht. Und diese Aporien begegnen auch, wenn man die Schechina-Vorstellungen dieser Schriften betrachtet. Der vierte Evangelist nimmt unterschiedliche Facetten alttestamentlichfrühjüdischer Schechinavorstellungen auf und gestaltet so eine ,SchechinaChristologie‘. Der locus classicus der johanneischen Schechinavorstellung begegnet im Prolog des vierten Evangeliums, der eine Vielzahl christologischer Adaptionen jüdisch-weisheitlicher Vorstellungen aufweist, insbesondere des Motivs der personifizierten Weisheit, die bereits vor der Schöpfung der Welt bei Gott weilte.40 Vor diesem Hintergrund ist es nur konse40
Im Gegensatz zu früheren Entwicklungsphasen der Johannesforschung ist in jüngeren Forschungsdiskussion weitgehend akzeptiert, dass die Komposition und inhaltlichsachliche Gestaltung des Johannesprologes grundlegend an frühjüdisch-weisheitlichen Traditionen orientiert ist und dass dabei den entsprechenden Schechina-Vorstellungen eine besondere Bedeutung zugestanden wird. Zu entsprechenden Diskussionsbeiträgen neutestamentlicher Provenienz vgl. u.a. K. S CHOLTISSEK, In ihm sein und bleiben. Die Sprache der Immanenz in den johanneischen Schriften, HBS 21, Freiburg u.a. 2000, 174ff.; M. THEOBALD, Im Anfang war das Wort. Textlinguistische Studien zum Johannesprolog, SBS 106, Stuttgart 1983, 102ff.; O. HOFIUS, Struktur und Gedankengang des Logos-Hymnus Joh 1,1–18, in: ders. / H.-C. Kammler, Johannesstudien, WUNT 88, Tübingen 1996, 1–23; U. B. MÜLLER, Die Menschwerdung des Gottessohnes. Frühchristliche Inkarnationsvorstellungen und die Anfänge des Doketismus, SBS 140, Stuttgart 1990, 40ff.; H. THYEN, Das Johannesevangelium, HNT 6, Tübingen 2005, 88ff.; zu alttestamentlichen Diskussionsbeiträgen vgl. u.a. J ANOWSKI, „Ich will in eurer Mitte woh-
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quent, dass der vierte Evangelist die Gegenwart des Logos in der Welt als Geschehen der Schechina Gottes interpretiert (vgl. die Kernthese des Johannesprologs Joh 1,14 „Und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns ….“ [καὶ ἐσκήνωσεν ἐν ἡµῖν], die als eine Klimax der Entwicklungsgeschichte der frühchristlichen Christologie verstanden werden kann).41 Auch wenn der Terminus σκηνεῖν ein johanneisches hapax legomenon ist, begegnen im Erzählverlauf des vierten Evangeliums weitere Affinitäten zu alttestamentlichen Schechina-Vorstellungen, welche die Leitthese Joh 1,14 entfalten. Eindrücklich zeigt sich dies im Kontext der johanneischen Tempelmetaphorik. Die Art und Weise, wie die tempelmetaphorischen Aussagen erzählerisch dargeboten werden, dokumentiert eindrücklich die literarische und theologische Tiefsinnigkeit des vierten Evangelisten, der seinen Adressaten zu vermitteln versucht, dass sich in den Worten und Taten Jesu die Hoffnungen des jüdischen Glaubens erfüllt haben. Exemplarisch sei auf das Phänomen hingewiesen, dass wesentliche Dialoge des johanneischen Jesus im Areal des Jerusalemer Tempels verortet sind. Entsprechend ist z.B. das Lebenswasserwort Joh 7,37f. chronologisch mit dem Höhepunkt des Laubhüttenfestes verbunden, in dessen Zusammenhang jüdischen Festriten zufolge eine rituelle Wasserspende vollzogen wurde.42 Die Vorstellung vom Lebenswasser weist u.a. eine Affinität zu Ez 47,1–12 auf, wo in der Vision eines von Gott neu errichteten Tempels die Verheißung formuliert wird, dass von jenem Heiligtum ein Wasserstrom ausgeht, der allen Lebewesen Leben und Heilung schenken wird. Die in Joh 7,39 vorliegende Identifizierung des Lebenswassers mit dem Heiligen Geist entspricht deutlich der Vision in Ez 47,1–12. Von Jesus als dem neu errichteten Heiligtum Gottes geht der Strom des Lebens, der Heilige Geist, aus, welchen Jesus nach seinem Weggang zu seinem Vater zu den Jüngern senden wird. Wie sich die Gegenwart Jesu bzw. Gottes in der nachösterlichen Zeit realisiert, wird v.a. in den pneumatologischen und ekklesiologischen Zügen der Abschiedsreden dargelegt. Der johanneische Jesus verheißt seinen Jünnen“ (s. Anm. 24), 145–146; H. GESE, Der Johannesprolog, in: ders., Zur biblischen Theologie, Tübingen 31989, 152–201; LEUENBERGER, Weisheit (s. Anm. 32), 385f. 41 Vgl. M. HENGEL, Der Sohn Gottes, die Entstehung der Christologie und die jüdisch-hellenistische Religionsgeschichte, Tübingen 1975, 114: „Die Logoschristologie des johanneischen Prologs rund 50 Jahre nach Paulus ist ... der konsequente Schlußpunkt jener Verschmelzung des präexistenten Gottessohnes mit der traditionellen Weisheit, wobei freilich der stets von der mythologischen Spekulation bedrohte Begriff der ,Sophia‘ dem klaren ,Logos‘, dem Wort Gottes, weichen mußte.“ 42 Zu Traditionen einer rituellen Wasserspende wie tSuk 3,1; mSuk 4,1.9; 5,1; jSuk 5,1 etc. und entsprechenden alttestamentlichen bzw. frühjüdischen Korrespondenzmotiven wie z.B. Jes 12,3; 55,1; Sir 51,23f. vgl. K. W ENGST , Das Johannesevangelium I, ThHK 4/1, Stuttgart u.a. 290f.; Bil. II, 799–805.
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gern, dass er und Gott zu den Glaubenden kommen werden, die seine Worte bewahren, und dass sie bei Ihnen Wohnung nehmen werden (Joh 14,23: καὶ µονὴν παρ᾿ αὐτῷ ποιησόµεθα43). Auch wenn in dieser Wendung das Wortfeld σκηνόω κ.τ.λ. nicht begegnet, besitzt auch dieses Motiv eine Affinität zu Schechina-Vorstellungen. Dies wird deutlich, wenn man die weitere Verwendung des Begriffs µονή in den Abschiedsreden betrachtet. Zu Beginn der ersten Abschiedsrede wird den Jüngern mitgeteilt, dass Jesus zu Gott zurückkehrt, um im Hause seines Vaters Wohnungen zu bereiten (Joh 14,2f.). Im Verhältnis dieser beiden Texte tritt eindrücklich die Dialektik der präsentischen und futurischen Eschatologie im Johannesevangelium zu Tage. Demnach dürfen die Glaubenden sich der Gegenwart Gottes gewiss sein bzw. sich als Wohnstätte des Gottessohn und des Vaters verstehen. Gleichwohl ist ihre nachösterliche Existenz in einer ihr hasserfüllt gegenüberstehenden Welt von Angst und Erschütterung geprägt. Die Vollendung des eschatologischen Heils realisiert sich erst in der vollendeten Gemeinschaft mit Gott und Jesus.44 Auf den ersten Blick unterscheidet sich diese Konzeption markant von den entsprechenden Zügen der Johannesapokalypse. Der Seher von Patmos akzentuiert den eschatologischen Vorbehalt weit entschiedener, wonach die Gegenwart Gottes sich erst in eschatologischer Vollendung vollziehen wird, in welcher das Todesschicksal menschlicher Existenz überwunden ist. Für den Verfasser der Apokalypse wird sich die Schechina Gottes erst in einer kosmologischen Neuschöpfung vollenden und mit der Überwindung aller menschlichen Leiden und des Todesschicksals einhergehen (vgl. v.a. die Formulierung Apk 21,3b, in welcher die Schechinamotivik sowohl durch das Nomen σκηνή als auch durch das Verb σκηνείν hervorgehoben wird: ἰδοὺ ἡ σκηνὴ τοῦ θεοῦ µετὰ τῶν ἀνθρώπων, καὶ σκηνώσει µετ᾿
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Die Wendung Joh 14,23c καὶ µονὴν παρ᾿ αὐτῷ ποιησόµεθα kann nur im Zusammenhang mit den sogenannten reziproken Immanenzaussagen und der johanneischen Tempelmetaphorik angemessen verstanden werden. Während die johanneische Tempelmetaphorik die Aussageintention verfolgt, Jesus als den neuen Tempel Gottes darzustellen, in welchem Gott und Mensch einander begegnen (vgl. A. R. KERR, The Temple of Jesus’ Body. The Temple Theme in the Gospel of John, JSNTSS 220, Sheffield 2002; passim; J. RAHNER, „Er aber sprach vom Tempel seines Leibes“. Jesus von Nazaret als Ort der Offenbarung Gottes im vierten Evangelium, BBB 117, Bodenheim 1998, passim), wird durch das Motiv der reziproken Immanenz von Gott, dem auferstandenen Christus und den Glaubenden der Modus der nachösterlichen Gegenwart Gottes bzw. Jesu zur Sprache gebracht (ausführlich hierzu SCHOLTISSEK, In ihm sein und bleiben [s. Anm. 40], 264f.). 44 In dieser Hinsicht weist das Motiv der himmlischen Wohnungen in Joh 14,2 eine Affinität zu Variationen der Schechina-Theologie auf, die z.B. in den Bilderreden des ersten Henochbuchs vorliegen (zu den traditions- und religionsgeschichtlichen Hintergründen von Joh 14,2f. vgl. J. FREY, Die johanneische Eschatologie, Bd. III: Die eschatologische Verkündigung in den johanneischen Texten, WUNT 117, Tübingen 2000, 138–144).
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αὐτῶν).45 Dieses Motiv weist eine deutliche Affinität zu dem oben skizzierten Motiv Ez 37,25–28 auf, in welchem eine Vision von der Restitution Israels bzw. der Wiedervereinigung Israels und Judas entworfen wird. Die Affinität zwischen Apk 21,3 und Ez 37,27f. besteht nicht nur in dem Motiv der sich vollendenden Gegenwart Gottes, sondern auch in der bundestheologischen Umschreibung dieses Phänomens. Die in Ez 37,27b als Gottesrede formulierte Bundesformel entspricht sachlich Apk 21,3, wo dieses Geschehen aus der Perspektive des Sehers von Patmos umschrieben wird (also einerseits: „Ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein“ [Ez 37,27b] und andererseits „Und er wird Ihr Gott sein, und sie werden seine Völker sein“ [Apk 21,3]).46 Eine Besonderheit dieser Vorstellung besteht darin, dass der Seher von Patmos in diesem Zusammenhang eine Schechina-Vorstellung wie Ez 37,25–28 rezipiert und mit weiteren eschatologischen Motiven alttestamentlich-frühjüdischer Traditionsbildungen verbindet (v.a. mit oben skizzierten tritojesajanischen Erwartungen einer Neuschöpfung von Himmel und Erde [Jes 65,17; 66,22] und mit der in der Jesajaapokalypse [Jes 24–27*] dokumentierten Hoffnung, dass Gott das Todesschicksal der menschlichen Existenz überwinden und alle Tränen von den Angesichtern seiner Menschen abwischen werde [Jes 25,6–8]). Die Zusammenführung dieser unterschiedlichen Hoffnungen des jüdischen Glaubens besitzt im Spektrum frühjüdischer und frühchristlicher Schriften in dieser Form keine Analogien. In dieser Hinsicht kann resümiert werden, dass Apk 21,1–5 einen Höhepunkt der Auslegungsgeschichte von Jes 65,17 verkörpert. Das wohl am meisten ergreifende eschatologische Hoffnungsbild, welches in der frühchristlichen Theologiegeschichte ausformuliert wurde, kann somit als eine konsequente Ausgestaltung alttestamentlichfrühjüdischer Schechina-Vorstellungen bezeichnet werden. Doch trotz der skizzierten Differenzen zu den v.a. präsentisch-eschatologisch akzentuierten Schechina-Motiven des Johannesevangeliums lassen 45 Vgl. die Rezeption von Jes 25,6–8 in Apk 21,4; zu diesen Motivverschmelzungen vgl. u.a. LEE, The New Jerusalem (s. Anm. 6), Tübingen 2001, passim. 46 Entsprechend konstatiert AUNE, Revelation 17–22 (s. Anm. 3), 1122 in Bezug auf den traditionsgeschichtlichen Hintergrund von Apk 21,3: „This is almost certainly an allusion to Ezek 37:27.“ In welcher Weise der Verfasser der Johannesapokalypse diese Tradition aufnimmt, entspricht auch der sonstigen Ezechiel-Rezeption in der Schlussvision dieses Werkes. Einerseits prägte z.B. die in Ez 38 bzw. 39 dokumentierte Erwartung der widergöttlichen Mächte Gog und Magog die Schilderung der eschatologischen Schlacht nach dem 1000-jährigen Reich (Apk 21,8). Andererseits rekurriert die Beschreibung des Neuen Jerusalems in Apk 21 fortwährend auf den sogenannten Verfassungsentwurf Ezechiels, also auf den in Ez 40–48 vorliegenden Abschluss und Höhepunkt des Werkes (generell zur Struktur und zum Anliegen der Rezeption des Ezechielbuchs in der Johannesapokalypse vgl. T. HIEKE, Der Seher Johannes als neuer Ezechiel. Die Offenbarung des Johannes vom Ezechielbuch her gelesen, in: D. Sänger [Hg.], Das Ezechielbuch in der Johannesoffenbarung, BThS 76, Neukirchen-Vluyn 2006, 1–30).
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sich auf den zweiten Blick bemerkenswerte Affinitäten zwischen den themenspezifisch relevanten Zügen des vierten Evangelium und dem letzten Buch der Bibel erkennen. So fällt z.B. auf, dass im weiteren Erzählverlauf der Schlussvision der Apokalypse betont wird, dass sich die vollendete Gegenwart Gottes u.a. darin auswirkt, dass im Himmlischen Jerusalem kein Tempel mehr existiert. Stattdessen werden nun Gott und das Lamm als der Tempel bezeichnet (Apk 21,22). Dieses Motiv entspricht prinzipiell der johanneischen Tempelmetaphorik, in der zunächst der als Lamm Gottes bezeichnete Jesus (Joh 1,29.36) im weiteren Erzählverlauf des Evangeliums als der neue Tempel bezeichnet wird.47 Ferner fällt in Joh 14,3 auf, dass das Johannesevangelium kaum inhaltlich ausführt, was die Leser sich unter jenen himmlischen Wohnungen vorstellen sollen, die der johanneische Jesus seinen Jüngern im Hause seines Vaters bereiten möchte. Aus diesem Grund könnte man geradezu zu der Vermutung inspiriert werden, dass im Kontext der johanneischen Traditionsbildungen die Beschreibung der vollendeten Gottesgemeinschaft in Apk 21,1–5 das sachliche Pendant zu dem Motiv der himmlischen Wohnungen und damit einhergehend der Gemeinschaft zwischen Gott, Jesus und den Glaubenden bildet, das am Beginn der johanneischen Abschiedsreden (Joh 14,2f.) nur beiläufig erwähnt wird. Doch auch wenn innerhalb der johanneischen Schule das Verständnis der Schechina Gottes ein Gegenstand theologischer Reflexionen bzw. Kontroversen gewesen zu sein scheint, so können wie bei nahezu allen weiteren phraseologischen und motivischen Berührungen zwischen dem Johannesevangelium und der Johannesapokalypse die Differenzen der Konzeptionen kaum nivelliert werden. Resümieren lässt sich jedoch, dass diese beiden frühchristlichen Zeugnisse eindrückliche Beispiele dafür sind, wie sehr alttestamentlich-frühjüdische Schechina-Vorstellung frühchristliche Reflexionsprozesse inspirieren konnten. Sowohl das Johannesevangelium als auch die Johannesapokalypse schöpfen aus dem facettenreichen Spektrum biblischer Vorstellungen von der Gegenwart Gottes und komponieren auf diese Weise Glaubensüberzeugungen, die bis zur Gegenwart zentrale Topoi christlicher Theologie sind.
47 Trotz der terminologischen Differenzen zwischen ἀµνός und ἀρνίον in Bezug auf den Lamm-Begriff kann man mit PRIGENT , Commentary on the Apokalypse of John (s. Anm. 3), 621, konstatieren: „The Christological turn taken here assertation (‚God … as well as the Lamb‘) gives it a typically Johannine coloring.“ Zur Skizze der themenspezifisch relevanten Berührungen zwischen der Johannesapokalypse und dem vierten Evangelium vgl. ferner J. FREY, Erwägungen zum Verhältnis der Johannesapokalypse zu den übrigen Schriften des Corpus Johanneum, in: M. HENGEL, Die johanneische Frage. Ein Lösungsversuch, mit einem Beitrag zur Apokalypse von J. Frey, WUNT 67, Tübingen 1993, 326–429 (356 Anm. 182 bzw. 383); M. HASITSCHKA, Bilder des Lebens in der Johannesapokalyse, in: Lebendige Hoffnung – ewiger Tod?! (s. Anm. 8), 265–286 (282f).
Principle, Power, and Purgation in the Letter to the Church in Laodicea (Rev 3:14–22)* CLARE K. ROTHSCHILD
1 Introduction In Rev 3:15, the risen Christ begins his letter to the Laodiceans as he does four of the other letters in Revelation 2–31 with a reference to τὰ ἔργα.2 Different from the other letters, however, in the case of Laodicea, “the works” are qualified as neither ψυχρός (“cold”) nor ζεστός (“hot”). This negative statement is immediately followed by an exclamatory wish that the church (“you,” sg.) were either cold or hot: ὄφελον ψυχρὸς ἦς ἤ
* My thanks to Troy Martin for his critique of this article. I also wish to thank Trevor W. Thompson, Richard I. Pervo, James A. Kelhoffer, Robert Matthew Calhoun and Robert Kinney for critical comments on prior drafts. 1 I.e., Ephesus, Thyatira, Sardis, and Philadelphia. 2 Although the bulk of its argument does not rely on it (focusing on the letter to the Laodiceans), this essay assumes that Revelation was composed using sources and was revised over time. It accepts that the seven ‘letters’ know the vision of Christ in 1:12–16, that they know each other, and that they were incorporated in Revelation, in part, because, like the other distinct pieces comprising Revelation, they reflect an apocalyptic and/or prophetic world view. C. H. H. Scobie writes, “… it is very much an open question today how far the Book of Revelation, and in particular the letters to the seven churches, can most accurately be classified as ‘apocalyptic.’ An impressive number of recent treatments emphasize the prophetic aspects of Revelation” (C. H. H. SCOBIE, Local References in the Letters to the Seven Churches, NTS 39 [1993], 606–24, here: 611, cf. 612, 622). Thus, the essay admits coherence with the view of Scobie: “Clearly there is both reference back to the inaugural vision of chapter 1, and reference forward to later passages in Revelation” (Local References [see above], 606). As such, contra J. M. FORD (Revelation: Introduction, Translation and Commentary, AB 38, Garden City, NY, 1965, 41), the letters exhibit thematic coherence with other parts of Revelation. See D AVID AUNE, Revelation, 3 vols., WBC 52a–c, Dallas 1997–98, 1.cxviii–cxxxiv; cf. M ARTIN KARRER, Die Johannesoffenbarung als Brief: Studien zu ihrem literarischen, historischen und theologischen Ort, Göttingen 1986. For convenience, I refer to the final editor of Revelation as the ‘author’ or ‘John.’
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ζεστός.3 The general meaning of Rev 3:14–16 is not in doubt: the risen Christ threatens to reject the church in Laodicea, much like he threatens to reject other churches in Asia Minor, for “works” considered inadequate.4 In Laodicea’s letter, what is unclear in the precise nature of the defective “works.”5 Exceptional words and usage draw suspicion.6 Interpretations frequently contradict themselves. Ψυχρός (“cold”) and ζεστός (“hot”) are ambiguous terms dependent upon substance association and/or context for valuation. Although it hardly makes sense in light of Revelation’s apocalyptic worldview, the non-scholarly assumption about χλιαρός (“lukewarm” 3:16) is that the risen Christ prefers all or nothing – ambivalence considered worse than antagonism. Commentators both moralize (two temperaments or spiritual dispositions) and analogize (two local water supplies) the temperature extremes (i.e., “cold,” “hot”).7 However, in doing so, “cold” and “hot” are valuated both negatively and positively: “cold” represents a self-controlled (positive) and/or apostasizing (negative) believer, “hot,” an intemperate (negative) and/or fervent (positive) believer8 – often on analogy with the nearby hot (Hierapolis) and cold (Colossae) wa-
3 “ὄφελον is used with the past ind. in late Greek to introduce an impracticable wish and with the fut. ind. (Gal. v.12) to express a practicable wish. But here as in 2 Cor. xi.1 we have ὄφελον with the past ind. to express a possibility though in the present still unrealized. Moulton defines these as instances of the ‘unreal’ indicative. See Blass, Gram. 206, 220; Moulton, Gram. i.200” (R. H. CHARLES, A Critical and Exegetical Commentary on the Revelation of St. John, 2 vols., Edinburgh 1920, 1.95–96). 4 John takes for granted that the present world will be destroyed at the return of Christ (21:1–2). He argues for the purity of a group in the world but not of it; that is, he is emphatic about the health of the living church prior to the judgment. His ecclesiology demands a seamless transition from the church to the eschaton. His concern is how to guarantee that Christians will be saved. According to H.–J. Klauck, the author of Revelation is concerned about “weich” or “soft” participation in the imperial cult; see: H.-J. KLAUCK, Das Sendschreiben nach Pergamon und der Kaiserkult in der Johannesoffenbarung, Bib 73 (1992), 153–82. John may not represent a majority view of early second century Christian prophets. See critique of John’s ethics in E. SCHÜSSLER-FIORENZA, The Book of Revelation: Justice and Judgment, Philadelphia 21998 (11985), 140–56. 5 And/or individual Laodicean church members, i.e., “you are neither cold nor hot.” 6 The key expressions in this passage occur rarely in the NT; likewise, their usage in the passage (i.e., “cold” and “hot” to refer to mental or moral states of ἡ ἐκκλησία is atypical. With homoioteleuton and other inadvertent mistakes, textual variants (esp. e.g., א1: ζεστὸς εἶ οὔτε ψυχρός) express these uncertainties. Aune offers an excellent summary (AUNE, Revelation [see n. 2], 1.246–47). 7 E.g., C OLIN J. HEMER’s conclusions: Letters to the Seven Churches of Asia in Their Local Setting, JSNTSup 11, Sheffield 1986, 208. 8 Many commentators offer Rom 12:11 as proof text: τῷ πνεύµατι ζέοντες. E.g., CHARLES, Critical and Exegetical Commentary on Rev (see n. 3), 96.
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ter springs.9 Yet antiquity preserves few metaphorical uses of “hot” and “cold” for temperament, and the accuracy and relevance of the analogy to local water sources is uncertain at best.10 Moreover, Revelation 3 specifies that the Laodicean church (σε) is neither cold nor hot and, therefore, faces “vomiting up” – a curious form of judgment11 for collective ambivalence.12 This essay identifies the interpretive key of the passage in ancient medical literature. Specifically, the essay explores an interpretation of ψυχρός and ζεστός not as temperatures for which the reader must infer substance association (usually water-related based on translation of ἐµέω as “to spit”), but as entities in their own right, that is, as the ‘potent’ two of the four elements: hot, cold, wet, and dry. Insofar as the Laodicean church is neither “cold” nor “hot,” it lacks potency. Medical protocol for correcting imbalances of the elements in the human body, after diet and exercise, is purgation. Χλιαρός (“lukewarm”) represents the tepid water given to patients to induce vomiting, a standard part of the procedure. The negative valuation of the church as unlike the elements connotes their ineffectiveness and, thus, the risen Christ’s threat to purge them. As the essay attempts to demonstrate, this interpretation makes sense both of the difficult expressions in 3:14–16 as well as the letter’s opening epithet (i.e., ἡ ἀρχὴ τῆς κτίσεως τοῦ θεοῦ). This theme of potency/impotence may be understood in terms of not nearly every aspect of the letter to the Laodiceans, but the text overall. Although not necessary to the argument, the interpretation may also support a view of Lokalkolorit in the letters.13 Finally, the 9 H. B. S WETE, The Apocalypse of John, 3rd ed., London 1908, 61; R. H. M OUNCE, The Book of Revelation, NICNT, Grand Rapids, MI 1977, 109–10; A UNE, Revelation (see n. 2), 1.257; G. K. BEALE, NIGTC, Grand Rapids, MI 1999, 303–4. 10 If not as scarce as Rudwick and Green reflect, commentaries often assume such metaphorical references are (as in our own time) common. M. J. S. RUDWICK / E. M. B. GREEN, The Laodicean Lukewarmness, ExpTim 69 (1957–58), 176-78. 11 See argument below. 12 RUDWICK/GREEN, Laodicean Lukewarmness (see n. 10), 177; see also argument below. 13 I.e., supporting Lokalkolorit theories of the seven letters. E.g., most commentators following W. Ramsay, including D. AUNE (“eminently justified”) in the introduction to HEMER, Letters to the Seven Churches (see n. 7), xxi, and P ETER WOOD, Local Knowledge in the Letters of the Apocalypse, ExpTim 73 (1961–62), 263–64. Contra Koester who argues that the local color of the seven letters has been exaggerated at the expense of a more universal message: “…quests for local allusions often allow the expressions in Revelation to exert too much control over the selection and interpretation of material from other sources. They observe that archaeological and other ancient materials appear as isolated pieces of evidence that are used without adequate consideration of the broader context from which these materials were taken. Appeals to conjecture are common, and some key points rely on circumstantial evidence.” C RAIG KOESTER, The Message to Laodicea and the Problem of Its Local Context: A Study of the Imagery in Rev 3.14–22, NTS 49 (2003), 408; cf. 420–24. Much earlier, Prigent too denied local refer-
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elements denote impotency of Laodicean church members,14 not on the basis of hot and cold as metaphors, for which few ancient precedents exist, but another para-medical phenomenon, physiognomy;15 that is, a fascination in and around Asia Minor in the early second-century possessing special roots in Laodicea. The remainder of this essay examines the history of interpretation; cold/ hot versus lukewarm in terms of potency versus impotence; “cold” and “hot” as elements in Revelation; and ancient physiognomy.
2 History of Interpretation In the letter to the Laodiceans (Rev 3:14–22), the risen Christ begins his exhortation with a refrain about deeds (τὰ ἔργα), qualifying them as neither “cold” nor “hot.” He follows with the statement about the church itself: “How I wish that you were either cold or hot”: οἶδά σου τὰ ἔργα ὅτι οὔτε ψυχρὸς εἶ οὔτε ζεστός. ὄφελον ψυχρὸς ἦς ἢ ζεστός. οὕτως ὅτι χλιαρὸς εἶ καὶ οὔτε ζεστὸς οὔτε ψυχρός, µέλλω σε ἐµέσαι ἐκ τοῦ στόµατός µου. I know your works that you are neither cold nor hot. Would that that you were either cold or hot. So, because you are lukewarm, and neither cold nor hot, I am about to vomit you out of my mouth.
Χλιαρός (“lukewarm” v. 16) occurs only here in the NT. Ζεστός (“boiling hot”) occurs in vv. 15 and 16, but not outside these two verses within the NT.16 Ψυχρός (“cold”) occurs in vv. 15 and 16 as well as Matt 10:42.17 At ences in the seven letters (PIERRE PRIGENT , L’Apocalypse de Saint Jean, CNT 14, Lausanne/Paris 1981); ET: Commentary on the Apocalypse of St. John, trans. Wendy Pradels, Tübingen 2004. Scobie offers a reasonable approach: “It is freely conceded that some of the suggestions which have been advanced regarding local references (even by Hemer) are far-fetched, and have tended in the eyes of some to discredit the theory as a whole. Each case must be considered on its merits and a local reference recognized only when the evidence is found convincing. The conclusion suggested here is that there is at least a core of local references in the letters, and that while this recognition in most cases does not affect the meaning of the terms used it does shed light on the nature of the letters a Christian prophetic oracles and on John’s relation to the local situations addressed. Further work needs to be done in relating this ‘social-historical’ approach to other sociological approaches; and equally, the theological significance of the references needs to be further explored” (SCOBIE, Local References [see n. 2], 624). Scobie also points out: “One of the most convincing cases for a local reference relates to the threefold structure of Rev 3.17, 18 in the letter to Laodicea” (619). Scobie sees three types of possible local references in the letters in general: (1) historical; (2) topographical; and (3) contemporary (608). 14 I.e., the church. 15 I.e., interpreting character through observations of physical appearance. 16 Cf. ζεέιν in Acts 18:25; Rom 12:11.
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least three options exist for the interpretation of these unusual usages. First (#1), “cold” and “hot” possess a substance association such as water, and are adjudicated, thus, as metaphors; for example, the Laodiceans are neither “cold,” (i.e., refreshing) nor “hot” (i.e., therapeutic) water.18 Second (#2), “cold” and “hot” are adjectives representing temperaments; so, the Laodiceans are neither “cold” (i.e., detached) nor “hot” (i.e., hot-headed), although this option is rare in antiquity. Third (#3), “cold” and “hot” are adjectives representing belief statuses; so, the Laodiceans are neither “cold” (i.e., unbelievers) nor “hot” (fervent followers).19 This option, too, has few if any precedents. All these options interpret “hot” and “cold” as binary opposites. Other texts representing early Christian binaries are brought forward for comparison, including Matt 6:24: οὐδεὶς δύναται δυσὶ κυρίοις δουλεύειν (“No one is able to serve two lords”) and Matt 12:30: ὁ µὴ ὢν µετ᾽ ἐµοῦ κατ᾽ ἐµοῦ ἐστιν (“Whoever is not with me is against me”). Of these options, typically #1 is combined with #2 and/or #3, entailing contradictions. For example, David Aune interprets “cold” and “hot” as “figures of speech meaning ‘against me’ and ‘for me’ or ‘hostile towards me’ and ‘friendly towards me,’” respectively (#3).20 At the same time, Aune also notes that Jewish wisdom literature offers possible background for “cold” and “hot” as metaphors of self-control. “Cold” is positive, suggesting restraint, whereas “hot” is negative, suggesting lack of self-control (e.g., “hot-headed”) (#2): In OT wisdom literature, the images of the “hot” (negative) and “cold” (positive) person relate to the motif of self-control, for “hot” is a pejorative metaphor for a lack of control (Prov 15:18), while “cold” is a positive metaphor for restraint (Prov 17:27; m. ʼAbot 1:17); … Thus the phrase אישׁ חמהʼîš ḥēmâ, literally “man of heat,” means “an angry man” (Prov 16:4; 19:19; 27:4; Isa 51:13; Ezek 23:25; cf. Prov 22:24 [ אישׁ חמותʼîš ḥēmôt]).21
17 Καὶ ὃς ἂν ποτίσῃ ἕνα τῶν µικρῶν τούτων ποτήριον ψυχροῦ µόνον εἰς ὄνοµα µαθητοῦ, ἀµὴν λέγω ὑµῖν, οὐ µὴ ἀπολέσῃ τὸν µισθὸν αὐτοῦ (“and whoever gives even a cup of cold water to one of these litlle ones in the name of a disciple – truly I tell you, none of these will lose their reward”). 18 This is the argument of R UDWICK and G REEN’ S essay, Laodicean Lukewarmness (see n. 10); numerous interpreters follow. 19 So LOHMEYER: “Der Gegensatz von heiß und kalt prägt in aller Schärfe die grundsätzliche Scheidung von gläubig und ungläubig, von Gemeinde und ‘Welt’ aus” (Die Offenbarung des Johannes, HNT 16, Tübingen 1970, 38). 20 AUNE, Revelation (see n. 2), 1.257. 21 AUNE, Revelation (see n. 2), 1.257.
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Aune links these proposals to a conjecture (traceable to William Ramsay but copied frequently in the literature since)22 about nearby water supplies (#3): Some have suggested that the terms “cold,” “hot,” and “lukewarm” are metaphors drawn from the water supply of the city of Laodicea, which was lukewarm, which, in contrast to the hot medicinal springs of Hierapolis and the pure cold water of Colossae, is a metaphor for barrenness or ineffectiveness. 23
It is frequently speculated that an aqueduct at Laodicea carried hot water from springs five (or six) miles south.24 Aune explains the temperature loss in this way: “This would have cooled slowly and become tepid and emetic when it finally arrived at Laodicea.”25 That Strabo found Laodicea’s water ‘hard’ (13.4.14)26 is rallied in support of the tepid water theory to which is appended the mendacious claim that lukewarm water is emetic (i.e., stimu22 W. M. RAMSAY, The Letters to the Seven Churches of Asia and Their Place in the Plan of the Apocalypse, New York 11904, 413–15. Cf. RUDWICK/GREEN, Laodicean Lukewarmness (see n. 10), 176–78; HEMER, The Letters to the Seven Churches of Asia in Their Local Setting (see n. 7), 186–91; cf. C OLIN HEMER, Unto the Angels of the Churches: 4. Philadelphia and Laodicea, BurH 11 (1975), 164–90. 23 AUNE, Revelation (see n. 2), 1.257. 24 See R AMSAY, Letters to the Seven Churches (see n. 22), 413–15; H EMER, Unto the Angels of the Churches (see n. 22), 181–82; KOESTER, Message to Laodicea and the Problem of Its Local Context: A Study of the Imagery in Rev 3.14–22 (see n. 13), 409–11. 25 AUNE, Revelation (see n. 2), 1.257, citing R UDWICK/GREEN, Laodicean Lukewarmness (see n. 10), 177. Cf. HEMER’S endorsement of this reading: Letters to the Seven Churches of Asia in Their Local Setting, 189–90. 26 Aune: “extremely hard, though drinkable,” (A UNE, Revelation [see n. 2], 1.257). HEMER observes: “The local water [western Turkey today], when cold, contains calcium bicarbonate in solution. This substance is unstable, and when the water temperature is raised a little, carbon dioxide forms as a solution in the water and the insoluble calcium carbonate is deposited. Many of the strange properties of the waters of the valley are to be explained by the diverse and reversible operations of this reaction under varying conditions. In the present case the mere presence of the thick rings of carcium (sic) carbonate inside the stone pipes testifies unmistakably to the warmth of the water which once flowed through them. The system must have continued in use like this for many years. We have still the plainest visual evidence of the character of the water in Laodicea” (Unto the Angels of the Churches; 4. Philadelphia and Laodicea (see n. 22), 181– 82). Modern research, however, shows that Hemer’s explanation is not quite correct. First, nearly natural water contains calcium carbonate (CaCO 3) from the rocks and shells present in it. Heating and cooling has little to do with calcium carbonate, which forms naturally from contact between carbon dioxide in the air and the rocks, shells, and other sediments in the water. Calcium carbonate’s presence typically qualifies water as “hard.” The waters of the region of ancient Laodicea were not peculiar in this regard. “Hard” water is not emetic, poor tasting, or bad for one’s health. In fact, it is often used as a calcium supplement or antacid. However, hard water may pose problems in equipment that handles water. Gratitude for this information to Tobin Sosnick, Professor, Biochemistry & Molecular Biophysics, Inst. Biophysical Dynamics, the University of Chicago.
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lating vomiting).27 Hard water is, in fact, healthy; a point appreciated by ancient and modern doctors alike.28 As Colin Hemer once noted, archaeol27 Most cite Vita Aesopi 2–3 for proof that lukewarm water was considered emetic in antiquity (see, e.g., KOESTER, Message to Laodicea and the Problem of Its Local Context: A Study of the Imagery in Rev 3.14–22 (see n. 22), 415). One might also cite Galen (see below). Seldom if ever acknowledged, however, is that in both texts after lukewarm water is imbibed, the person vomiting uses a finger in the back of the throat to stimulate reflux. The finger possesses the emetic function, the water transports the emetic proper, (not unlike increased salivation), eases the discomfort associated with regurgitating highly acidic intestinal contents (mixed with digestive enzymes, bile acids, and HCO 3), and prevents dehydration (common with vomiting). In terms of natural emetics, Galen includes barley soup: “If you give it [barley soup] to someone to drink, you will later cause that person to be sick and bring up the phlegm which lies in the stomach, and everything will be expelled with the vomiting” (MARK GRANT , Galen on Food and Diet London/NY 2000, 90). “If you lick honey on its own without the addition of water, it is less nourishing, but passes better through the stomach. If you eat too much honey, it tends to excite the upper part of the bowels to vomit, but when boiled without water, it is not such an emetic, nor does it act as aperient on the bowels, but is instead assimilated and more nutritious. If it is boiled with water it is less diuretic” (187). “[On fungi]: I know of one person who ate lots of a particular mushroom which is thought to be harmless; these mushrooms had not been properly cooked. The entrance to his bowels was constricted, felt heavy and was cramped; his respiration was difficult; he fainted; his sweat was cold. He was only just saved by dosing with whatever disperses thick juices, such as vinegar mixed with honey, on its own or with hyssop and oregano gently boiled in it. He took this from someone sprinkled with sodium carbonate, and with their help he committed the mushrooms which he had eaten, which already were changing into phlegm that was very cold and thick” (151). Watermelon also induces vomiting (113–14). In the following passage, Galen specifies that he uses “medicine” to induce vomiting: “I once observed a man who was perfectly healthy vomiting blood, and asked him to narrate to me the regimen which he had followed in the preceding days. Among other things which he narrated, he also recounted how he had drunk water from a certain well [or fountain, κρήνη] whose water was not entirely pure when he became thirsty at night; a servant had brought it to him. When I heard this, I asked him further whether leeches had ever been seen in the water at the well. When he said that they had been seen, I gave him the appropriate medicine and made him vomit the leech (120, 8.265–66K)” (S USAN P. MATTERN, Galen and the Rhetoric of Healing, Baltimore 2008, 122, cf. 66). Artemidorus, Onir. 1.66 reflects superstition about hot water: “Drinking cold water indicates good luck for all. Warm water, on the other hand, signifies sickness and inactivity to all but those who are accustomed [to drink it]. For drinking warm water is unnatural” (Artemidorus, The Interpretation of Dreams/Oneirocritica, trans. Robert J. White; Torrance, CA 1990, 68). White also notes: “Achmes (p. 143, 3) states that if a man dreams that he has drunk hot water, he will experience pains and afflictions that are analogous to boiling heat” (265). The knowledge that seawater produces emesis is likely ancient. Nausea is related to the Greek word for ‘ship’ (ναῦς). However, as an emetic agent, salt (NaCl) water has low efficacy (W. J. DECKER, In Quest of Emesis: Fact, Fable, and Fancy, Clinical Toxicology 4 [1971], 383–87; here: 383–84). Cf. also M. NASSER, A Prescription of Vomiting: Historical Footnotes, International Journal of Eating Disorders 13 (1993), 129–31. 28 See n. 26 above.
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ogy supports little of this hypothesis.29 Craig Koester offers a recent (and thorough) redressing of the argument.30 According to one early twentieth century traveler, Laodicea was hardly waterless; it was, rather, “watered by so many streams.”31 The precise location of ancient Colossae is, today, still 29 “One might … suppose that the city water of Laodicea was literally lukewarm. Commentators suggest this option and it is not impossible. One of the few remaining monuments of the city is the water tower, the terra cotta pipes of which are completely choked by lime deposits. The water came, not from Hierapolis, but from the south, first by aqueduct and then, nearer the city, through stone barrel pipes. All of this was seen by Hamilton more than a hundred years ago, but the stones have since disappeared, along with most of the other ruins of Laodicea – some of them unfortunately used by the builders of the railroad. The water may have come from hot springs, of which there are many in the neighborhood, and have been cooled down to lukewarmness; but even if it was originally cold, the heat of the sun no doubt warmed it until it was flat and unpalatable” (S. E. J OHNSON, Laodicea and Its Neighbors, BA 13 [1950], 1–18, here: 10–11). If the sun warmed up the water, it would be difficult to see how lukewarm water is distinctive to this city. Cf. Porter who presumes, on the basis of Hemer, that Laodicean water was warm and, therefore, unsatisfactory: S TANLEY PORTER, Why the Laodiceans Received Lukewarm Water (Revelation 3:15–18), TynBul 38 (1987), 143–49. Porter stresses lexical similarities with Herodotus (4.181.3–4), arguing they establish that “cold” and “hot” in Rev 3:15–16 refer to water supplies. Yet, Herodotus (concerning the Ammonians in Northern Africa) states that variations in the water temperature of streams based on the position of the sun are not exceptional. Thus, lukewarm water – occurring naturally at different times each day – would hardly be offensive. Herodotus mentions no such offense. Rather, his interest lies in the phenomenon of temperature change. Porter also cites as relevant Xenophon, Mem. 3.13.3; however, this passage does not contain any reference to “lukewarm” water. Moreover, the passage does not support Porter’s inference that “lukewarm” water was appropriate only for slaves. Wood voices relevant objections to Rudwick and Green’s thesis that water from hot springs was conducted to the city via an aqueduct (WOOD, Local Knowledge in the Letters of the Apocalypse (see n. 13), 263 n. 4), especially: “In point of fact there is an all-season stream slightly to the east of Eski Hisar, the Turkish village near the site of Laodicea” (263 n. 4d). 30 KOESTER, The Message to Laodicea and the Problem of Its Local Context (see n. 13), 409–11. On water supply, also: R. H. WORTH, J R., The Seven Cities of the Apocalypse & Greco-Asian Culture, Mahwah, NY 1999, 215–16. Koester’s constructive proposal that dining practices constitute the background behind “cold” and “hot” “imagery” in Revelation 3 (KOESTER, Message to Laodicea and the Problem of Its Local Context: A Study of the Imagery in Rev 3.14–22 [see n. 13], 411–16), however, is not persuasive in part because it relies too heavily on a purported chiasm connecting vv. 14–16 to Rev vv. 20–22 (i.e., dining practices). The latter passage’s inclusion in the Laodicean letter has been called into question (RAMSAY, Letters to the Seven Churches [see n. 22], 430). Individual letter lengths could support Ramsay’s hypothesis. As Scobie observes: “The average length [of each letter] is 164 words (in Greek), but the longest letter (Thyatira) at 230 words is well over twice as long as the shortest (Smyrna, with 98 words)” (S COBIE, Local References [see n. 2], 613). This essay favors inclusion of vv. 20–22 in the Laodicean letter, although the essay’s argument in no way relies on this point. See below. 31 “The agricultural produce of the district, which was watered by five rivers, had a high reputation. The town itself was washed by the Asopus and the Caprousa. Nearby
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unknown.32 In addition to offering contradictions, the various proposals do not adequately account for the positive eschatological results of a “cold” Laodicean church. Despite overwhelming support in the commentaries, the passage hardly presents a positive/negative binary between “hot” and “cold” (or vice versa).33 Mounce poses the problem as follows: “It is difficult to understand why Christ prefers the church to be “cold” rather than “lukewarm.”34 The widely cited article by Rudwick and Green echoes this sentiment, also indicating anomalous ancient use of “cold” and “hot” to refer to a person’s temperament: It implies that even the apathy of a pagan is preferable in God’s sight to the halfheartedness of a Christian, a doctrine that would be difficult to defend from other passages of Scripture. Moreover, the application of the adjectives “hot” and “cold” to spiritual temperature, though natural to us, appears to be almost entirely foreign to the Ancient World.35
flowed the Lycus, which below Colossis disappeared underground to reappear on the surface about a mile further on; and in addition there was the river known today as the Tchoruk Sou, which comes down from Cadmus. A mile from the walls of Laodicea the waters of the earlier rivers joined the Meander. Many small streams plashed around the town…. [It is] a city watered by so many streams” (S. XIMINEZ, Asia Minor in Ruins, trans. A. Chambers, London 1925, 160 as cited by W ORTH, The Seven Cities of the Apocalypse & Greco-Asian Culture [see n. 30], 207–8). 32 For the status quaestionis as of 2007, see A LAN CADWALLADER / MICHAEL TRAINOR, The Rise and Fall of the European Recovery of the Ancient Site of Colossae, in: Uluslararasi Denizli ve Cevresi Tarih ve Kültür Semposyrumu, International Symposium on the History and Culture of Denizli and its Surroundings 2, Denizli 2007, 73–79. 33 E.g., Krodel: “To be hot may mean to be ‘aglow with the Spirit’ (Rom 12:11; Acts 18:25), committed to God’s purpose and Christ’s testimony. Such commitment would result in a dynamic witness. To be cold means to be a pagan, unwilling to listen to the gospel. The Laodiceans are neither. They do not indulge in pagan idolatry and vices, nor do they express their redemption through Christ in Spirit-empowered conduct. They are complacent, ‘wishy-washy’ Christians, as insipid as their water supply, and Jesus will have none of it. … Here Jesus is saying something that no preacher would dare to say if the Lord had not spoken it first, namely, that ice-cold atheists and pagans are preferable to him than lukewarm Christians.” G. A. KRODEL, Revelation, Augsburg Commentary on the New Testament, Minneapolis 1989, 142. Satake comments: “‘Kalt’ ist nicht negativ; mit ‘heiß’ zusammen steht es ‘lau’ als einem negativen Begriff gegenüber.” A KIRA SATAKE, Die Offenbarung des Johannes, KEK 16, Göttingen 2008, 187–88. 34 MOUNCE, Book of Revelation (see n. 9), 110. The problem is recognized much earlier by R. C. TRENCH, Commentary on the Epistles to the Seven Churches in Asia: Revelation II, III, London 1861, 185. 35 RUDWICK/GREEN, Laodicean Lukewarmness (see n. 10), 176. Cf. Maier: “Mit jemandem umzugehen, der weder kalt noch heiß ist, ist schon innerhalb der Christenheit schwierig. Es ist aber auch für die nichtchristliche Umwelt schwierig, die ein Christsein dieser Art oft als ‘klebrig’ empfindet. Lauheit ist die Art, mit der wir dem dreieinigen Gott unsere Liebe entziehen. Vgl. noch 2 Petr 2,21. Und missionarisch gilt, was Morris so formulierte: ‘There is more hope for the openly antagonistic then for the coolly indifferent’ (S. 82)” (G. MAIER, Die Offenbarung des Johannes Kapitel 1–11, Witten/Gießen
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Craig Koester too shares the question: “How can both heat and coldness be viewed positively?”36 Although Rev 3:15–16 certainly implies an opposition, “cold” and “hot” reside together on one end of the spectrum as positive; the binary exists between “cold”/“hot” (positive) and “lukewarm” (negative).37 The risen Christ expresses the wish (ὄφελον) that the Laodicean church be “either cold or hot.”38 If they are neither “cold,” nor “hot,” they are about to be “vomited out” (ἐµέσαι). If, however, they are either “cold” or “hot,” they are to be retained in the belly of the risen Christ. Rudwick and Green sum up: … “hot” and “cold” are to be taken as equally commendable alternatives. Moreover, on two out of the three occasions in this context where the words “hot” and “cold” are coupled together, “cold” precedes “hot,” as though it were the preferable condition! … Any acceptable interpretation must take account of this point.39
Rudwick and Green (1957–58) attempt to solve this problem by qualifying “cold” and “hot” as aspects of Laodicean ἔργα, rather than spiritual temperance.40 On analogy with local water supplies, they argue that the Laodicean church “was providing neither refreshment for the spiritually weary [cold water], nor healing for the spiritually sick [hot water].”41 Echoing 2009, 238, citing LEON MORRIS, The Book of Revelation: An Introduction and Commentary, Tyndale New Testament Commentaries, Grand Rapids, MI 1987 [ 11969], 82). 36 KOESTER, The Message to Laodicea and the Problem of Its Local Context (see n. 13), 409. 37 Χλιαρός opposes ζεστός in Sextus Empiricus’s discussion of natural versus unnatural states (160–210 CE) Pyr. 1.101. “There is no known inst. of metaph. usage [ζεστός] in secular Gk” (A. OEPKE “ζεστός,” TDNT 2.876). Oepke draws an interesting parallel between Rev 3:15–16 and figurative usage of “hot” and “tepid” in Gen. Rab. 86 on Gen 39:3. Note that Gen 39:3 is about Joseph and Potiphar’s wife, a suspected case of adultery (cf. Revelation’s depiction of opponents as adulterers, e.g., Ch. 18). Oepke also comments: “The Judge will reject the half-hearted with distaste as one spews out a tepid and tasteless drink” (TDNT 2.877; = EDNT 3.469). 38 Aune writes, “For similar uses of ὄφελον, see 1 Cor 4:8; 2 Cor 11:1; Gal 5:12; Ignatius Smyrn. 12:1 (J.B. Lightfoot, Apostolic Fathers 2/3, 321). It is not an unaugmented form of ὤφελον but a participle with ἐστίν expressed or understood (BDR § 67.2). Here it is used with the imperfect ἦς to express present time (Bauer-Aland, 1211),” (A UNE, Revelation [see n. 2], 1.258). 39 RUDWICK/GREEN, Laodicean Lukewarmness (see n. 10), 177. Cf. S COBIE, Local References (see n. 2), 623. “Cold” may be first precisely for this reason: namely, to guide readers away from interpretations favoring “hot” over “cold” when the intention is to establish them as equals. 40 Cf. HEMER’ S endorsement of this reading: Letters to the Seven Churches of Asia in Their Local Setting (see n. 7), 187–88. 41 RUDWICK/GREEN, Laodicean Lukewarmness (see n. 10), 178. Rudwick and Green argue that ζεστός usually applies to water. Oepke offers same claim with the following evidence: Diosc. Mat. Med., I 33 etc. and Sextus Empiricus, Pyr. 1.101. The present thesis does not rule out an association of “cold” and “hot” with water. It argues for such
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Tyconius,42 “lukewarm,” for Rudwick and Greeen, equals barren, ineffective works,43 “thus distasteful to its Lord.”44 However, “cold” Colossian and “lukewarm” Laodicean water are unproven claims, especially insofar as archaeologists have not identified ancient Colossae.45 Furthermore, it is unclear how “useless” (i.e., “lukewarm”) offers a midpoint between, mixture of, or other relationship between the two extremes: refreshing (i.e., “cold”) and healing (i.e., “hot”). In order to explain these three key terms, Rudwick and Green’s analysis discards the most crucial aspect of the signifiers, namely their temperature relationship to each other.46 Although many interpreters, beginning in Late Antiquity,47 assume that the author puts forward an all-or-nothing preference, such as that it is bet-
an association for χλιαρός, also used of water in Herodotus 4.181; Diocles (Medicus), Fr. 139; and Soranus 1.82. 42 According to this late fourth century African Donatist, “neither cold nor hot” means “useless” (F. LO BUE / G. C. WILLIS, The Turin Fragments: Commentary on Revelation, Cambridge 1963, 74–75). Later in this essay, I will accept this conclusion as correct, albeit on the basis of a different background and logic. 43 Rather than “deeds” (NRSV), Aune translates ἔργα as “conduct” reflecting Rev 2:2 where ἔργα is qualified as “your effort and endurance” (A UNE, Revelation [see n. 2], 1.143). Aune’s interpretation is preferable also insofar as ἔργα in Rev 3:15 is equated with the church itself: “I know your ἔργα; you (sg.) are neither cold nor hot.” 44 RUDWICK/GREEN, Laodicean Lukewarmness (see n. 10), 78. 45 E.g., O. F. A. MEINARDUS, Colossus, Colossae, Colossi: Confusio Colossaea, BA 36 (1973), 33–36, arguing that the Colossians were Rhodians, so designated for their famous Colossus. The site is located near the modern town of Honaz in Turkey, but has never been excavated. HEMER, Letters to the Seven Churches (see n. 7), 182. Cilel Simsek, Head of the Archaeology Department at Denizli Pamukkale University has been very involved in the excavation of the site at Laodicea. 46 What is more, if John (the author) intends an analogy to local water supplies, then a passage from Ovid – not brought forward in commentaries – is compelling. Ovid describes the Phrygian river, Gallus as driving people mad (Fasti 4.361).46 Its association with the pagan Magna Mater cult would have provided an excellent basis for its rejection by the risen Christ. 47 Rudwick and Green, for example, cite Arethas (ὁς µετουσίας ἔλαβεν πνεύµατος ἁγίου διὰ βαπτίσµατος, ἔσβεσε δὲ τὸ χάρισµα) and Gregory the Great (Qui post conversionem tepuit, et spem quae esse potuit de peccatore subtraxit [Reg. Past., 3.34]) (RUDWICK/G REEN, Laodicean Lukewarmness [see n. 10], 176). Whereas earlier patristic authors overlook the difficulty, Rudwick and Green observe its acknowledgment by Origen: “We are unfortunate in that practically no Greek commentary on Revelation survives, but it is perhaps significant that Origen refers to this passage in the De Principiis 3.4.3 (Tunc est quando nec calida nec frigida dicitur esse, sed in medio quodam tepore perdurans, tardam et satis difficilem conversionem poterit invenire) and with his characteristic insight recognizes and accepts the equipollence of hot and cold. The lukewarmness, according to him, applies not to the lapsed Christian, but to the unregenerate man” (R UDWICK/G REEN, Laodicean Lukewarmness [see n. 10], 177).
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ter for the Laodiceans to be unsaved (“cold”) than lapsed (“lukewarm”),48 the text does not polarize the relative differences of temperature by comparing a positive or superior with a negative or inferior pole. Rather, the text states that extreme conditions of temperature (i.e., physical properties of matter) are preferable to their weak dilution or (perhaps) admixture.49 The interpretation may be traced, in part, to the prior letter to the church in Sardis in Revelation 3 in which the risen Christ contrasts two church reputations (i.e., ὄνοµα ἔχεις, 3:1): “alive” and “dead” (Rev 3:1–3). The church is Sardis, he remarks, is dead. This pair (i.e., alive, dead) clearly represents binary opposition. Moreover, unlike the letter to the Laodiceans, in this case the risen Christ follows up his diagnosis of the church as “dead” with an exhortation: γίνου γρηγορῶν καὶ στήρισον τὰ λοιπὰ ἃ ἔµελλον ἀποθανεῖν (“be watchful, and strengthen the remaining who are about to die”). This comment suggests that “alive” churches are satisfactory, nearly dead ones, revivable. In the case of the Laodicean church, however, the acceptable church is portrayed as “cold” or “hot,” the rejected church, a mixture of the two. The opposition appears to be a polarity, not of temperature, but potency – the negative pole constituting an irremediable (or near so, see v. 19) eschatological situation. In conclusion, current explanations do not adequately account for the precise condemnation of the Laodicean church in Revelation 3. The next section seeks a solution in the elements and principles of physical matter and their imbalances resulting in human illness.
3 Hot/Cold versus Lukewarm: Potency versus Purgation 3.1 Elements In order to explain the hot/cold versus lukewarm dichotomy, it is helpful to explore the seminal role of these entities as concepts of ancient biological science.50 Since Hippocrates, hot/cold and wet/dry are viewed as qualities possessing corporeality in the four elements: fire, air, water, and earth, 48 Schick writes: “Such an indecisive Christianity is in Christ’s judgment more tasteless than genuine paganism, a Christian without character has less worth in his eyes than a pagan of strong character” (E. SCHICK, The Revelation of St. John, 2 vols., New Testament for Spiritual Reading, New York 1971, 1.45). R OBERT L. THOMAS: the “simplest and most straightforward meaning of the metaphorical psychros” is “a picture of an unbeliever who has rejected the gospel openly and aggressively” (Revelation 1–7, Chicago 1992, 306–7). 49 Cf. MOUNCE, Book of Revelation (see n. 9), 110. 50 An exceptional work on ancient medicine is: V. NUTTON, Ancient Medicine, London/New York 2004. Nutton discusses humoral theories at 116, 121–22, and 241.
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respectively.51 In turn, these elements are associated with four basic substances known as humors thought to comprise (in mixtures) the human body: black bile, yellow bile, phlegm, and blood.52 To understand how the human body constitutes a mixture of hot, cold, wet, and dry requires tracing hot and cold back to their roles as elements.53 As elements, they are imagined as primitive unmingled bodies not comprised of other constituents or of one another. Galen writes: If you want to know which of the alterative faculties are primary and elementary, they are moisture, dryness, coldness, and warmth (ψυχρότης καὶ θερµότης), and if you wish to know which ones arise from the combination of these, they will be found to be in each animal of a number corresponding to its sensible elements (αἰσθητὰ στοιχεῖα) (Nat.Fac. 1.6.12)54
Reporting and objecting to Chrysippus, Galen explains further: This breath [i.e., the one which constitutes the soul’s commanding-faculty] possesses two parts, elements [στοιχεῖα] or conditions, which are blended with one another through and through, the cold and hot [τὸ ψυχρὸν καὶ θερµόν], or if one wished to describe them by different names taken from their substances, air and fire; and it also acquires some moisture from the bodies in which it dwells (Galen, On Hippocrates’ and Plato’s Doctrines 5.3.8).55
3.2 Principles (ἀρχαί) However, according to Galen, hot, cold, wet, and dry are also principles (ἀρχαί), directing those constituents: In addition to this there are four qualities, pure cold, dryness, heat and moisture. These are not elements either of man or anything else, but rather principles: but this was confused by the earlier thinkers, who failed to distinguish the concepts of principle and element, since the word ‘element’ may be used in the case of the principles as well. But the two things are evidently distinct from one another, the one [sc. ‘element’] being the least part of the whole, the other [sc. ‘principle’] being that into which this least is conceptually changeable. 56
51 52
Diog. Laert. 7.137. Earth was thought to be predominantly present in black bile, fire in yellow bile, water in phlegm, and all four elements in blood. 53 In the late Middle Ages, scientists such as “Paracelsus” (real name: Phillippus Theophrastus Bombastus von Hohenheim 1493–1591), followed by Johann Baptista van Helmont (1579–1644), Robert Boyle (1627–91), Antoine Lavoisier (1743–1794), and others, questioned such notions, doubting (prior to the invention of the microscope) whether elements were not themselves comprised of multiple components. 54 ET: A. J. BROCK, Galen, Natural Faculties, LCL, Cambridge, MA 1 1916. 55 A. A. LONG / D. N. S EDLEY, The Hellenistic Philosophers, 2 vols., Cambridge 1987, 1.282, emphasis added. 56 HNH XV 30–1 as cited by R. J. HANKINSON, The Cambridge Companion to Galen, Cambridge 2008, 214, emphasis original.
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R. J. Hankinson explicates the relationship between elements and principles in Galen as follows: “the primary elementary qualities combine initially to generate the uniform parts. Hot, cold, wet, and dry are the primary causal powers.”57 The qualities of “hot” and “cold,” then, were the pure principles of (and giving rise to) their elemental counterparts “fire” and “air.” As principles, they are (unlike their elemental counterparts) unsusceptible to contamination, and, therefore, pure. Aristotle distinguishes cold and hot over and against wet and dry. “Cold” and “hot” are ποιητικά (‘capable of making’), whereas “wet” and “dry” are παθητικά (‘capable of feeling’). The distinction underscores the former’s potency (Mete. 4.1. 387b10–13).58 3.3 Mixtures Homeostatic plant and animal life do not reflect these absolutes. When a human being was healthy, the humors were thought to be in balance. A balanced mixture of the humors is, in fact, the hallmark trait of homeostasis. Although the theory predates him, Galen explains: No animal is hot in the absolute sense, like fire, nor wet in the absolute sense, like water. Nor does it have an extreme degree of either cold or dry. Such epithets derive rather from an excess of any one of these qualities in the mixture (Temp. 510; ET: P. N. Singer). 59
Galen further describes the balances: Nor can the healthy regime be discovered otherwise than by reference to this wellbalanced state of nature; for the aim is to cool any body which is hotter than it should be, to heat any which is colder, and similarly to dry any which is wetter and moisten any which is drier. In each case the attempt is to remedy an excess by the introduction of what is missing, in order to bring about a state which may be described as well-balanced or median. (Temp. 519)60
3.4 Stoic Physics Such ancient medical concepts were closely related to certain philosophical ideals. Galen’s model shares precepts in common with Stoic physics. For example, according to Diogenes Laertius, the active (logos = “reason,” 57 58
HANKINSON, Cambridge Companion to Galen (see n. 56), 225. There was a debate in antiquity about whether the original elements were substances or ‘powers.’ Aristotle (Phys. e.g., 3.3) argues that the elements of earth, water, air, and fire could not be original because they were mixtures and therefore could be broken down into something prior to them. He reasons that earth is cold and dry; water is cold and moist; air is hot and moist; fire is hot and dry. Aristotle concludes that the ‘powers’ of hot, cold, moist, and dry were, therefore, the original elements that precede everything else. 59 P. N. S INGER, Galen: Selected Works, Oxford 1997, 202. 60 ET: S INGER, Galen: Selected Works (see n. 59), 206.
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“god,” or “cause”) and passive (matter) principles together comprise the entire world (7.134, 137). Long and Sedley explain: Matter and god together give a metaphysical foundation for any statement about the world, since to predicate a property of a subject is to describe a quality or disposition of god in matter. 61
Galen draws an explicit connection between these Stoic ideals and the principles of hot and cold:62 Since they [the Stoics] would explain the reciprocal change of even the elements themselves by certain expansions and contractions, it was reasonable for them to make the hot and the cold active principles (εὔλογον ἦν ἀρχὰς δραστικὰς ποιήσασθαι 63 τὸ θερµὸν καὶ τὸ ψυχρόν) (Nat.Fac.1.3.8).64
Yet neither Galen nor the Stoics invented these ideas.65 Empedocles considered earth, air, water, and, fire the “roots of all things.”66 Anaximander (from Miletus, not far from Laodicea) refers to the substratum of the opposites as ἀρχή.67 According to Anaximander’s cosmology, cold, hot, wet, and dry were the first contraries separated out of eternal motion, representing the first distinctions within chaos or “the One.”68 Such references to cold and hot as ἀρχαί are not, therefore, exclusive of an originative role in the creation of the universe.69 Long before John wrote Revelation, Philo of Alexandria (Opif. 52) too incorporated the doctrine of the four elements into his understanding of creation, even specifying the elements as creation’s ἀρχή:
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LONG/SEDLEY, Hellenistic Philosophers (see n. 55), 1.271. With his own interpretation of the model, Nemesius (Bishop of Emesa in Syria c. 390 CE) associates the active and passive principles with the four elements: “air and fire are active, earth and water passive” (164, 15–18; SVF 2.418; ET: LONG/SEDLEY, Hellenistic Philosophers [see n. 55], 1.282). 63 For this Aristotelian concept, see p. 13 above. 64 ET: LONG/S EDLEY, Hellenistic Philosophers (see n. 55), 1.282. 65 I would not presume a direct connection between Revelation and Stoicism, although more than one convergence of ideas exists. E.g., s.v. παντοκράτωρ: H. BALZ, EDNT, 3.11. 66 Arist. de Gen. et Corr. 6, 333A16. 67 From version of Theophrastus’ account of Anaximander’s originative substance in G. S. KIRK / J. E. RAVEN, The Presocratic Philosophers, Cambridge 1957, 107. Authors note that Burnet explained ἀρχή (according to Anaximander) as meaning “being the first to name the substratum of the opposites as the material cause.” For the purposes of this argument the difference is immaterial. 68 F. CORNFORD, From Religion to Philosophy: A Study in the Origin of Western Speculation, Princeton repr. 1991, 65. 69 See the concise survey in DELLING, “ἀρχή,” TDNT 1.479–84.
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Suffice it to add just this, that 4 was made the starting-point (ἀρχή) of the creation of heaven and the world; for the four elements (στοιχεῖα), of which this universe was fashioned, issued, as it were from a fountain, from the numeral 4. 70
For the Neoplatonist Origen, Christ is the ἀρχή or prior principle who directed the separation of contraries out of chaos.71 70 ἀπόχρη δὲ κἀκεῖνο προσθεῖναι, ὅτι καὶ τῇ τοῦ παντὸς οὐρανοῦ τε καὶ κόσµου γενέσει γέγονεν ἀρχή. τὰ γὰρ τέτταρα στοιχεῖα, ἐξ ὧν τόδε τὸ πᾶν ἐδηµιουργήθη, καθάπερ ἀπὸ πηγῆς ἐρρύη τῆς ἐν ἀριθµοῖς τετράδος. ET: F. H. COLSON / G. H. WHITAKER (LCL). Cf. Her. 27.133–35; 57.281; QG 3.11, 49. See also H. A. W OLFSON, Philo, 2 vols., Cambridge/London 1947, 1.260, 304–10, 400. 71 See below. A possible objection to this interpretation involves the appropriation of medicine by an explicitly apocalyptic text or collection of texts. Shirley Jackson Case once warned against such an interpretive move, preferring for Revelation 3 a political reading of ἀρχή as emperor, hailing the beginning of a new age. Case writes, “It is true that ἡ ἀρχή of Rev. 3:14 is usually given a more speculative turn, as meaning either that Christ was the first work of God’s creation or, more commonly, that he was the active source and principle underlying creation (Col. 1:15 ff.). But, apocalyptic seers usually are interested primarily in questions of authority and have no taste, or even no capacity, for philosophical definitions. In general this is also true of John, and since ἀρχή may mean a position of primacy, a magistracy (Titus 3:1), this is more probably the sense in which John uses the term. This probability is enhanced by the practice, current at this time in Asia, of applying ἄρχω and ἀρχή to emperors whose birthday or accession to power the inscriptions flatteringly hail as the beginning of a new age for mankind” (SHIRLEY J ACKSON CASE, The Revelation of John: A Historical Interpretation, Chicago 1919, 240 n. 1). The two readings are not, however, mutually exclusive, particularly not in a text such as Revelation in which multiple images frequently depict a single concept or event. Moreover, the separation Case poses between Jewish eschatological and Greek medical/philosophical literature is untenable. Several NT writers appropriated both ‘philosophical’ (including medical) and eschatological ideas. That the author of Revelation harbored no specific interest in ‘classical literature’ did not rule out reliance on forms such as the ‘combat myth.’ That local color is exaggerated in the letters is the thesis of KOESTER, The Message to Laodicea and the Problem of Its Local Context: A Study of the Imagery in Rev 3.14–22 (see n. 13). A. Y. C OLLINS offers a history of the debate beginning with the history-of-religions school, in: Revelation, Book of, ABD 5.694–708. See also H. CANCIK, The End of the World, of History, and of the Individual in Greek and Roman Antiquity, in: The Encyclopedia of Apocalypticism, Vol. 1, The Origins of Apocalypticism in Judaism and Christianity, New York 1998, 84–125. Moreover, it is neither plausible nor necessary to assume direct reliance on Stoicism by the author or redactor(s) of Revelation. If the author or redactor had philosophical implications of the medical theory in mind, it might have been adjudicated through Christian circles. Col 1:15–20, for example, relays a similar point. Delling writes, “In Col. 1:18 Christ is called the ἀρχή in parallelism with the statements that He is the εἰκὼν θεοῦ and πρωτότοκος πάσης κρίσεως who existed πρὸ πάντων. In this sense, he is first the ἀρχή from which all creation has received its norm and in which it will result with the fulfillment of the plan of creation. This corresponds to the Stoic doctrine of the ἀρχή and as the κοινὸς νόµος, the dominating world principle, which gives to each in the cosmos the place which is meaningful for the whole. In v. 16b we have another formulation of the ἀρχή καὶ τέλος princi-
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4 Cold and Hot as Elements in Revelation The interpretation of “cold” and “hot” as elements in Revelation 3:15–16 commends itself on the basis of two clear connections in the text: (1) the opening epithet and (2) judgment expressed by vomiting. Each is treated in turn. 4.1 Letter Epithets The descriptive titles of the risen Christ in the seven letters demonstrate connections to both the christophany in Rev 1:9–20 and each letter’s content.72 Christopher Rowland argues as follows: The letters to the seven churches each pick up on aspects of the call vision or the character of Christ in their introductions. There is some connection between the characteristics chosen and the particular situations of the churches concerned. Ephesus is addressed by the one who holds the seven stars and walks among the seven lamps. That feature of presence and the privilege of possession speaks of the reality of Christ’s presence and reinforces the threat in 2.5 to remove the lamp from its place. 73
A summation of other connections includes: Smyrna: 2:8b = 10d; Pergamum: 2:12b = 2:16b; Thyatira: 2:18a–c = 2:23b, 26b;74 Sardis: 3:1b = 5b;75 ple. This significance of Christ is also demonstrated in the fact (ἵνα γένηται ἐν πᾶσιν αὐτὸς πρωτεύων) that he is the first to be raised from the dead” (DELLING, ἀρχή, TDNT 1.479–84, here: 1.484). Delling also explains: “It cannot be said with certainty whether ἀρχή is used in the same sense [as Colossians 1:18b] in Rev. 3:14. This is not unlikely in view of [Rev] 21:6; 22:13. The ἀρχή/τέλος statement in relation to God and Christ (Α/Ω) is wholly along the lines of philosophical usage” (DELLING, ἀρχή, TDNT 1.484). 72 Although he does not make this point, Duff offers a helpful analysis of the letters’ forms: PAUL DUFF, Who Rides the Beast? Prophetic Rivalry and the Rhetoric of Crisis in the Churches of the Aocalypse, Oxford 2001, 31–47. 73 Revelation, 63 (emphasis added); cf. The Letter to Ephesus: Rev 2:1b = 2:4–5. 74 Son of God (contrast 1:13) possesses prophetic knowledge (John 8:28; Matt 25:31–46; cf. Matt 9:4; John 2:25; 4:29, 39; 16:30; 18:4; 21:17) and v. 23b will serve as eschatological judge (cf. Ps 2:8–9 LXX). AUNE, Revelation (see n. 2), 1.206, 209. Rowland writes: “In the letter to Thyatira Christ appears as Son of God (a unique reference in Revelation) with eyes like flames of fire and feet like bronze. The eyes of Christ are the ever searching Spirit of God sent out into the world (5.6), which will equip him to exercise judgment (19.11f.), to be ‘a searcher of hearts and minds’ and to know ‘the deep secrets of Satan’ (2.23f.). The feet of bronze are those which tread the winepress of the wrath of God. The searching Spirit of God proves and tests the Christians at Sardis and brings to mind the teaching which they have received (cf. John 14.26) so that they may observe it (3.3).” C. ROWLAND, Revelation, Epworth Commentaries, London 1993, 64. 75 The seven spirits of God and the seven stars are integrally related to the ‘book of life’ as features of the heavenly throne room; cf. Rev 4:1–5:14. Aune comments: “In Judaism and early Christianity, the primary setting of the Book of Life motif was the judgment scene in which God is seated upon his throne surrounded by heavenly courtiers
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and Philadelphia: 3:7b = 11b.76 Rowland ventures no connection between the epithet and the content of the Laodicean letter. Yet, in Rev 3:14, the risen Christ is called ἡ ἀρχὴ τῆς κτίσεως τοῦ θεοῦ, “the principle of God’s creation.”77 Although the motivation for the analogy is an unproven (likely (Dan 7:9–10; Rev 20:12–15; 1 Enoch 47:3; 90:20). The origin of this metaphor is certainly that of the ancient Near Eastern royal court, where records were made available to the king for dispensing justice (Ezra 4:15; Esth 6:1), though the idea itself goes back to Sumerian and Akkadian literature (Paul, JANESCU 5 [1973] 345–53)” (AUNE, Revelation [see n. 2], 1.223). 76 The “key” is a symbol of the Philadelphians’ royal status (cf. Isa 22:22). Their royal status is reflected by the Philadelphian’s στέφανος (“crown”) in the letter in v. 11b. Aune comments: “In the context of Isa 22:22, the key, the robe, and the sash (v. 21) are symbols of the authority and power of the royal vizier or steward, in this case of Eliashib, who will take the place of the disgraced and exiled Shebna (vv 15–20; see 2 Kgs 18:18 = Isa 36:3)” (AUNE, Revelation [see n. 2], 1.235). Moreover, as J. M. Ford points out, the epithets often are not connected to the rest of Revelation. On Laodicea, for example, Ford writes: “In the prophecy to Laodicea the speaker is designated ‘the beginning of the creation of God’ 3:14. There is no similar statement with reference to the Lamb, the Messiah, or the messianic figure of the rider on the white horse in chs. 4–22” (FORD, Revelation, 41). 77 See HEMER, Letters to the Seven Churches (see n. 7), 185–86. Müller acknowledges the possibility: “An sich könnte das entsprechende Wort für ‘Anfang’ im Griechischen auch ‘Prinzip,’ ‘Ursache,’ ‘Urgrund,’ heißen” (U. B. MÜLLER, Die Offenbarung des Johannes, Gutersloh 1984, 135. cf. S ATAKE, Offenbarung [see n. 33], 186–87. Maier writes: “Der Sinn der Worte Anfang der Schöpfung Gottes ist also: Durch Jesus Christus hat Gott, der Vater, die Schöpfung beginnen lassen. Deshalb sagt Gerhard Delling mit Recht, durch Jesus Christus habe ‘alles Geschaffene seine Norm erhalten,’ auf ihn selbst aber dürften ‘die Zeitkategorien keine Anwendung finden’”. (M AIER, Die Offenbarung des Johannes Kapitel 1–11 [see n. 35], 237, citing ThWNT (1933) 1.482–83). Cf. Rev 22:13 (cf. 1:8, 17; 2:8; 21:6): ἐγὼ τὸ ἄλφα καὶ τὸ ὦ, ὁ πρῶτος καὶ ὁ ἔσχατος, ἡ ἀρχὴ καὶ τὸ τέλος may connote the same meaning, although emphasizing the potential of Christ as originating principle not to initiate, stabilize, or sustain, but to purge and renew (e.g., through, in part, conflagration). Trench offers a helpful diagnosis of the issues: “There are two ways in which grammatically it would be possible to understand these words. They might say that Christ was passively this “beginning of the creation of God,” as the first and most excellent creature of God’s hands. … Or, on the other hand, they might declare of Christ that He was the active source, author, and, in this sense, “beginning” and beginner of all creation. … The Catholic Church has ever rejected the other as an Arian gloss; impossible to accept, because it would place this passage in contradiction with every passage in Scripture which claims divine attributes, and not creaturely, for the Son. … He is not, therefore, the “principium principiatum,” but rather the “principium principians,” – not He whom God created the first, but He who was the fountain-source of all the creation of God, by whom God created all things (John 1.1–3; Col. 1.15, 18); … compare the Gospel of Nicodemus, c. 25, in which Hades addresses Satan as ἡ τοῦ θανάτου ἀρχὴ καὶ ῥίζα τῆς ἁµαρτίας; and further, Dionysius the Areopagite (c. 15); ὁ θεὸς δὲ ἄναρχος, ἀρχὴ τῶν ὅλων παντελής; and again, Clement of Alexandria (Strom. 4.25): ἀρχή. These and innumerable other passages abundantly vindicate for ἀρχή that active sense which we must needs claim for it here” (T RENCH, Commentary on the Epistles to the Seven Churches in Asia [see n. 34], 183–84). ὁ ἀµήν is actually –אמוןthe
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spurious) relationship between Laodicea and Colossae in Col 4:16, commentators frequently note a correspondence between Rev 3:14 and Col 1:18: ὅς ἐστιν εἰκὼν τοῦ θεοῦ τοῦ ἀοράτου πρωτότοκος πάσης κτίσεως ὅτι ἐν αὐτῷ ἐκτίσθη τὰ πάντα ἐν τοῖς οὐρανοῖς καὶ ἐπὶ τῆς γῆς. With R. H. Charles, ὅς ἐστιν ἀρχή (i.e., Col 1:18) is: “the active principle in creation = creation’s αἰτία, cause.”78 Likewise, Origen offers an interpretation of Christ as ἡ ἀρχή in his interpretation of John 1:1, stressing Christ’s pure79 nature as “principle of life”: equivalent of ἡ ἀρχή τῆς κτίσεως τοῦ θεοῦ as suggested in Ber. R. and mistakenly transliterated by Christian copyists as “the Amen” perhaps on the basis of John 3:11 (cf. Mark 14:9; Luke 18:17). What is intended by both of these epithets, according to Silberman, is “Christ as God's advisor in creation; a figure found, for example, in the Shepherd of Hermas: ‘The Son of God is older than all his creation so that he was the counselor of his creation to the Father’” (L. H. S ILBERMAN, Farewell to ὁ ἀµήν: A Note on Rev 3:14, JBL 82 (1963), 213–15, here: 214). The third appellative, ὁ µάρτυς ὁ πιστὸς καὶ ἀληθινός represents a literal rendering of phrases in Proverbs: 14:5 and 14:25 respectively. On this argument, the best English translation of Rev 3:14 is: “Thus says the Master Workman, the faithful and true witness, the Origin (or: “foremost”) of the creation of God” (Silberman, “Farewell to ὁ ἀµήν,” 215). See also P. TRUDINGER, Ho Amen (Rev III:14), and the Case for a Semitic Original of the Apocalypse, NovT 14 (1972), 277–79; A UNE, Revelation (see n. 2), 1.246. If this interpretation is correct, the epithets emphasize Christ’s control – with God – of nature. Elsewhere I develop the argument that these epithets may suggest a combined background, including the purgative ordeal (e.g., Sotah, Num 5:11– 31). 78 CHARLES, Critical and Exegetical Commentary on Rev (see n. 3), 94. Cf. Col 1:15 πρωτότοκος πάσας κτίσεως. 79 Purity is a central theme of Revelation. The word καθαρός is emblematic of the theme in Rev 21:18, 21. The theme arises in Revelation with respect to sexuality: 14:4. Purity may appear symbolically in the text, e.g., as white linen garments: 15:5–6; 19:7–8; 19:14. In addition, λευκός (“white”) (1:14; 2:17; 3:4, 5, 18; 4:4; 6:2, 11; 7:9, 13, 14; 14:14; 19:11, 14; 20:11), the sun (1:16; 6:12; 7:2, 16; 8:12; 9:2; 10:1; 12:1; 16:8; 19:17; 21:23; and 22:5), fire (Rev 1:14; 2:18; 3:18; 4:5; 8:5, 7, 8; 9:17, 18; 10:1; 11:5; 13:13; 14:10, 18; 15:2; 16:8; 17:16; 18:8; 19:12, 20; 20:9, 10, 14, 15; and 21:8), and water (Rev 1:15; 7:17; 8:10, 11; 11:6; 12:15; 14:2, 7; 16:4, 5, 12; 17:1, 15; 19:6; 21:6; 22:1; and 22:17) play roles in the explication of this theme. The mouth, too, may function as an instrument of purification and judgment in Revelation (1:16; 2:16 (letter to Pergamum, cf. 2:12b); 3:16; 9:17, 18, 19; 10:9, 10; 11:5; 12:15, 16; 13:2, 5, 6; 14:5; 16:13; 19:15, 21). Often Revelation presents the mouth in association with a second symbol of purification or judgment, such as the sword, fire, or water. In contrast, Revelation presents mixtures as impure. According to Jewish laws, mixture is hybrid and, therefore, abomination. Mary Douglas offers the classic explanation: “The word ‘perversion’ is a significant mistranslation of the rare Hebrew word tebhel, which has as its meaning mixing or confusion. The same theme is taken up in Leviticus xix, 19. ‘You shall keep my statutes. You shall not let your cattle breed with a different kind; you shall not sow your field with two kinds of seed; nor shall there come upon you a garment of cloth made of two kinds of stuff.’ All these injunctions are prefaced by the general command: ‘Be holy, for I am holy.’ We can conclude that holiness is exemplified by completeness. Holiness requires
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It is clear also that the principle of that life which is pure and unmixed with any other element, resides in Him who is the first-born of all creation, taking from which those who have a share in Christ live the life which is true life, while all those who are thought to live apart from his, as they have not the true light, have not the true life either. 80
In sum, Christ is ἡ ἀρχή – the principle of life – an interpretation known elsewhere in early Christian literature. As principle, he is the essence of, guides, and directs elements, in particular the two he expects to be most effective (i.e., ποιητικά), hot and cold. 4.2 Vomit Model of Judgment The interpretation of cold and hot in Revelation 3:15–16 as elements – Christ the guiding elemental principle – also recommends itself on the basis of a link to judgment by vomiting. According to the passage, the church is threatened with judgment, not punishment (cf. v. 19 in which repentance that individuals shall conform to the class to which they belong. And holiness requires that different classes of things shall not be confused” (M ARY DOUGLAS, Purity and Danger: An Analysis of Concepts of Pollution and Taboo, London/New York 11966, 54, emphasis added). Douglas further specifies the connection between ritual and moral purity: “Another set of precepts refines on this last point. Holiness means keeping distinct the categories of creation. It therefore involves correct definition, discrimination and order. Under this head all the rules of sexual morality exemplify the holy. Incest and adultery (Lev. xviii, 6–20) are against holiness, in the simple sense of right order. Morality does not conflict with holiness, but holiness is more a matter of separating that which should be separated than of protecting the rights of husbands and brothers” (54–55). Like the Jews, early Christians often express the danger and impurity of mixtures. In the Sermon on the Mount (Matt 5:48), for example, Jesus exhorts perfection: ἔσεσθε οὖν ὑµεῖς τέλειοι ὡς ὁ πατὴρ ὑµῶν ὁ οὐράνιος τέλειός ἐστιν and category separation (Matt 7:6): µὴ δῶτε τὸ ἅγιον τοῖς κυσὶν µηδὲ βάλητε τοὺς µαργαρίτας ὑµῶν ἔµπροσθεν τῶν χοίρων, µήποτε καταπατήσουσιν αὐτοὺς ἐν τοῖς ποσὶν αὐτῶν καὶ στραφέντες ῥήξωσιν ὑµᾶς. Likwise, in Trall. 6:2, Ignatius writes, οἳ ἑαυτοῖς παρεµπλέκουσιν Ἰησοῦν Χριστὸν καταξιοπιστευόµενοι, ὥσπερ θανάσιµον φάρµακον διδόντες µετὰ οἰνοµέλιτος, ὅπερ ὁ ἀγνοῶν ἡδέως λαµβάνει ἐν ἡδονῇ κακῇ τὸ ἀποθανεῖν (“For these men mingle Jesus Christ with themselves in specious honesty, mixing as it were a deadly poison with honeyed wine, which the ignorant takes gladly in his baneful pleasure, and it is his death”). ET: K. LAKE, Apostolic Fathers, 2 vols., LCL, Cambridge, MA 11912. Revelation too specifies mixtures as hazardous contamination. Four passages are relevant. Demonstrating remarkable coherence with the above thesis concerning “cold” and “hot,” the first three describe the nefarious character of elemental mixtures. The two verbs µιγνύναι (Rev 8:7; 15:2) and κεραννύναι (14:10; 18:6) signify mixture as impurity. The fourth passage offers a counter-example: the purity of non-mixed entities, their association with God, and their deleterious effect on God’s enemies. In 14:10, ἀκράτος denotes “unmixed,” viz., a state of purity. 80 ET: ALLAN MENZIES. Origen, Comm. Jo. Ch. 9, 1.28. Cf. E. LOHSE: “Er is der Ursprung und Uranfang alles dessen, was ist” (vgl. John. 1,1; Hebr. 1,3). E. LOHSE, Die Offenbarung des Johannes, NTD 11, Göttingen 1988, 35.
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is an option). Lev 18:25, 28, and 20:22 famously refer to the land as “vomiting up” ( )קיאinhabitants as punishment (declaration of ill fate) for disobedience, although the LXX equivalent προσοχθίζω (“to be wroth with, weary of” or “to be object of wrath”) never connotes vomiting.81 Moreover, for Leviticus to be the background of Rev 3:16 requires that the risen Christ be analogized as ‘the land,’ an unusual link. In the book of Jonah the victor is swallowed as punishment and expurgated as salvation (i.e., rescue), and in Num 16:28–35 the earth devours the wicked. By contrast, in Revelation 3 the church that receives a negative verdict at Christ's judgment is expurgated, and the victors remain swallowed. Although its reverse analogue (i.e., swallowing enemies) occurs, as noted about Jonah, in prophetic literature, this ‘swallowing model’ of judgment is rare – perhaps unprecedented – in apocalyptic literature.82 The anomaly demands an explanation. Curiously, a close, heretofore overlooked parallel in Greek literature offers an explanation. The TLG records 15 occurrences of ζεστός in the Galenic corpus. The contexts vary.83 However, one occurrence of ζεστός in the Galenic corpus exhibits remarkable coherence with the Laodicean letter.84 Not only do the words ζεστός and χλιαρός occur together in this ex81 S.v. προσοχθίζω, LSJ, 1522. This implies that the author of Revelation was not reading the LXX. Ἐµεῖν is a NT hapax legomenon and appears only once in the LXX (Isa 19:14 in which Egypt staggers in its drunken vomit). 82 Antiquity preserves a rich background of descriptions, even rituals, of the earth devouring human beings as punishment. Pausanias preserves the descent ritual at the oracle of Trophonius (9.39.3–14). Cf. “Rab. Judah the son of R. Hiyya also said: ‘Since the day the earth opened her mouth to receive the blood of Abel, she has never opened it again, for it is written, From the edge of the earth have we heard songs, glory to the righteous: implying, from the “edge” of the earth, but not from the mouth of the earth. Hezekiah his brother objected thereto: And the earth opened her mouth!’ He answered: ‘She opened if for evil, but not for good’” (Sanh. 37b). 83 Cf. ζεστότατον, Comp.Med.Gen. 13.364.13. Where Galen does not literally mean “boiling” or “boiled,” he employs ζεστός as a superlative of θερµός (so: “very hot” or “scalding”). 84 In speaking about cold and hot as principles in ancient medical and philosophical texts, θερµός usually denotes the principle of hot. θερµός and ζεστός are equally seldom across Greek literature in a figurative sense. TDNT 2. 875–76. NB: While ζεστός occurs only in Rev 3:15, 16 in the NT, θερµός never occurs. Cf. θέρµη in Acts 28:3. θερµός occurs in Jewish Wisdom literature, whereas ζεστός is absent from the LXX, Philo, and Josephus. A Thesaurus Linguae Graecae search of either of these words renders baseless the claim, perpetuated in the commentaries and other literature, that they appear chiefly with respect to liquid (e.g., HEMER, Unto the Angels of the Churches [see n. 22], 183). A few possible explanations exist for Revelation’s preference for ζεστός: (1) idiosyncratic even occasionally poetic (and/or prophetic) word choice characterizes Revelation (this choice demonstrating alliteration, i.e., ζεστός, rather than θερµός, with ψυχρός = initial alveolar over velar consonant) (see Aune’s extensive treatment: AUNE, Revelation [see n.
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cerpt (cf. ψῦχος with Rev 3:14, 15: ψυχρός), but the concepts στόµαχος (“throat, esophagus, stomach, mouth”; cf. Rev 3:16: στόµα), ἀπερεύγοµαι (“to vomit, belch forth, disgorge”; cf. Rev 3:16: ἐµέω), καθαρίζειν (“to purify”; cf. Rev 3:18: πυρόω), and ἄκρατος (“unmixed”) also converge in it as constituents of ancient purgation therapy.85 The locus of medical concern in the passage is the esophagus and stomach. By means of humoral pathology, Galen seeks to cure patients suffering from dyspepsia. For mild illnesses, ancient doctors frequently prescribed regimens of diet and courses of exercise to keep the humors balanced.86 For example, fevers thought to be caused by yellow bile (i.e., hot, dry) were treated by cold baths to increase yellow bile’s opposite, phlegm. Colds (i.e. Erkältungen) caused by excessive phlegm required a warm bed and wine (i.e., to increase phlegm’s opposite, blood). When these measures were ineffective, purgation provided a second course. A patient swallowed lukewarm water (sometimes a drug such as hellebore was added) after which a finger provoked the back of the throat to induce vomiting and/or diarrhea, eliminating the disproportionate humor. In the following passage, terms relevant to the study of Revelation 3 are underlined: γενοµένης δὲ ἀπεψίας µετρίας ποτὲ καὶ εὐκαταφρονήτου πλείονα χρόνον ἐπὶ τῆς κλίνης ἠρεµητέον. εἰ δὲ µὴ τὰ πράγµατα ἐπιτρέποι, ἐφ’ ὅσον ἐνδέχεται, πᾶσαν διάτασιν καὶ κόπον, ἔτι τε καῦµα καὶ ψῦχος καὶ θυµὸν ἐκφευκτέον. ὀψιαίτερον δὲ τῆς συνήθους ὥρας ἐν ζεστῷ λουστέον. ἔν τε τῷ προβαλανείῳ χλιαρὸν ὕδωρ πιόντες ἀπερευγέτωσαν πάντα τὰ εἰς τὸν στόµαχον συναθροισθέντα φλέγµατα, ὀλιγοσιτίᾳ τε καὶ ὀλιγοποσίᾳ τῇ πρώτῃ χρήσθωσαν εἰ δ’ εὔτονος ἡ φθορὰ τῶν σιτίων γένοιτο, δάκνοιντό τε τὸν στόµαχον καὶ ἐρεύγοιντο αὐτὰ, ἔτι τε ναυτοῖεν, χλιαρῷ ποτίσας ἀνάγκαζε ἐξερᾷν, µέχρι πᾶν τὸ διέφθορον καθαρισθῇ… 87 2], clx–ccxi) and (2) ζεστός may be intended to cue the reader to read figuratively – that is, ζέω “to boil” is sometimes associated with hot blood, establishing denotative meaning beyond doubt (see below: physiognomy). Anger is sometimes understood as the boiling of blood near the heart (SVF 2.878; 3.416; cf. 2.886 and 900). See GEORGE BOYS-STONE, Physiognomy and Ancient Psychological Theory, in: S. Swain (ed.), Seeing the Face, Seeing the Soul: Polemon’s Physiognomy from Classical Antiquity to Medieval Islam, Oxford 2007, 88 n. 150. Cf. also χλιαρός – lukewarm from χλιαίνω – heat up; χλιδανός – luxurious, delicate, voluptuous from χλιδάω – to be soft or delicate; to live delicately, to revel, luxuriate. As χλιαρός is NT hapax and Rev 3:17 blames Laodiceans for wealth, it seems possible that there is wordplay here. To my knowledge no one has posed this question. 85 I have not been able to locate a single attestation. 86 GRANT , Galen on Food and Diet (see n. 27), 9–10. 87 Prior to the above excerpt in Galen of Comp.Med.Loc. 167–69: Τῶν δὲ περὶ τὸν στόµαχον παθῶν πολλῶν καὶ ποικίλων ὄντων, καὶ τούτων σχεδὸν ἁπάντων ὡς ἐπίπαν ἐξ ἀπεψίας γινοµένων, παντὶ σθένει αὐτὸν ἐπισκεπτέον. εἰ µὲν δὴ ὑδάτων ἢ ἀέρος κακία δείκνυται, ὡς µάλιστα ἐπιδέχεται µεθοδεύοντας, ταῦτα ἀλλάσσοντας ἀπαλλάττειν· εἰ δὲ ἀσυνήθων βρωµάτων, παραιτουµένους ταῦτα· εἰ δὲ διὰ πλῆθος, συστέλλοντας τὰ σιτία καὶ καθόλου ἐξ οὗ ἂν ὑπονοήσωµεν γίνεσθαι, τοῦτο παραιτουµένους. εἰ δὲ πάντα τὰ
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When, therefore, indigestion (i.e., dyspepsia) becomes measurable and annoying, one must rest for much time upon the bed. If, however, the matter should not yield, to the extent possible, one must expurgate every tension (i.e., pain) and fatigue, indeed the burning heat and cold and spirited types. Thus, during the earliest customary hour, one must bathe in hot (i.e., water). In the anteroom before the bath, after drinking lukewarm water, let them vomit all the phlegm coalesced in the esophagus. Let them use moderate food and moderate drinking at first. If, however, the expulsion of food should be vigorous, then they should stimulate the esophagus and should vomit them (i.e., the phlegm). Still being nauseous, after having drunk lukewarm water, he is compelled to vomit until the entire expulsion is purged. (Comp.Med.Loc. 167–69)
4.3 Late Antique Interpretations Although it becomes lost in history acutely after Ramsay’s (and subsequently Hemer’s) theory of a metaphorical reference to local water supplies (and, thus, ἐµέω as ‘spitting’ rather than ‘vomiting’), more than one early interpreter of the Laodicean letter emphasized ancient medicine – specifically the mechanics of purgation – in their interpretations of Rev 3:14–22.88 Victorinus of Pettau, for example, writes: εἰρηµένα εὐτακτοίη, παρ’ αὐτὸν δὲ τὸν στόµαχον τὰ κατὰ τὰς πέψεις παραποδίζοιτο, ἀλείµµασι καὶ γυµνασίοις ἀναφωνήσεσί τε καὶ τοῖς τοιούτοις ὁµοίοις γινοµένοις τὸν στόµαχον ῥωστέον. τοῖς δὲ ὀξυρεγµιώδεσι κοριάνου ὡς κοχλιάριον δίδου πρὸ ἑτέρου τῶν σιτίων τρώγειν καὶ ἐπιῤῥοφεῖν ἄκρατον. Following the excerpt: εἶτα ἐµβρέξας τὴν κεφαλὴν λιπαροῖς ὀθονίοις παρὰ πυρὶ θερµανθεῖσιν ἢ τοιαύτῃ τινὶ ἀπεριέργῳ ἀγωγῇ, πυρία τὰ περὶ τὸν στόµαχον καὶ ὑποχόνδρια παρηγορήσας τά τε ἄκρα λιπαρὰ ψηλαφίᾳ ἢ καὶ κατειλησίᾳ λεάνας, ἐπὶ τοῦ κλινιδίου ἠρεµεῖν ἐάσεις ἀσιτήσαντάς τε ἐξ ὅλου τῇ ἑξῆς, εἰ µηδὲν ἐπακολουθήσειεν ἄτοπον. εὐτονοῦντας µὲν, ὡς προείρηται, λούσας ἐπιµελοῦ· εἰ δ’ ἀτονοῖεν, συµµέτρως ἐπὶ µίαν ἀναλαβὼν τῇ ἑξῆς λοῦε, παραινῶν µέχρι τριῶν ἡµερῶν ἐν ταῖς τροφαῖς καὶ τοῖς πότοις µετριάζειν. 88 Not all late antique interpreters of Revelation shared this interpretation. John Cassian writes: “Between these two desires, then, the free will of the soul occupies a somewhat blameworthy middle position and neither delights in the disgrace of vice nor agrees to the hardships of virtue. It seeks to refrain from fleshly passions in such a way that it would by no means wish to endure those necessary sorrows without which the desires of the spirit cannot be laid hold of - hoping to obtain bodily chastity without disciplining the flesh, to acquire purity of heart without the exertion of vigils, to abound in the spiritual virtues while enjoying fleshly repose, to possess the grace of patience without the aggravation of any contrariness, to practice the humility of Christ without jettisoning worldly honors, to pursue religious simplicity along with secular ambition, to serve Christ to the accompaniment of human praise and acclamation, to be strictly truthful without the least offense to anyone. Finally, it prefers to pursue future goods in such a way as not to lose present ones. This would never bring us to true perfection but would place us in a very lukewarm state and make us like those who are rebuked by the Lord's reproach in the Apocalypse” (The Conferences 4.11.2-12.3; cited from John Cassian, The Conferences [trans. Boniface Ramsay, Ancient Christian Writers Series, Vol. 57, New York 1997], 161–62). Cassian believed that monks were particularly vulnerable to the ‘lukewarm’ condition: “because they are, as it were, freed from this fleshly constraint and consider
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And since he who is neither cold nor hot must of necessity be lukewarm, he produces nausea. And the Lord says, “I will vomit him from my mouth.” For nausea is hateful and hidden to no one, and it is the same way with such persons when they are thrown out. 89
Likewise, Bede explains: Laodicea is interpreted “tribe beloved of the lord” or “they were in vomit.” For there were some there to whom he had said, “I will begin to spew you out of my mouth,” and others to whom he said, “Those whom I love I reprove and chastise.” According to the Greek, Laodicea is translated “just people.” 90
Andrew of Caesarea (Commentary, 611 CE) interprets similarly: Just as that which is lukewarm induces vomiting in those who take it in, so also, he says, I will vomit you out through the word of my mouth into eternal destruction, as though you were rotten food. For mixing together the seed of the divine word with the thistles of wealth, you have become unaware of your poverty in spiritual matters and of the blindness of your spiritual eyes and of your nakedness in good works. 91
Finally (and more generally), Cyprian acknowledges the importance of medicine for the passage’s interpretation: For his part, a priest of Christ must be as a good physician who may even inflict pain for health to be acquired, and therefore he must not reconcile the sinner to the church before adequate repentance.
That these interpretations did not carry the day (see e.g., John Cassian n. 88 above) may reflect growing apprehension of associating the risen Christ with illness, imbalance, and/or vomit. themselves to stand in no need of either the effort of bodily abstinence or a contrite heart. Weakened by this sense of security, they never really struggle to seek for and possess perfection of heart or even purification from spiritual sins. This condition, which comes from their fleshly state, becomes animal, which is certainly a worse situation. For the person who passes from cold to lukewarm is, in the Lord's words, said to be more detestable” (The Conferences 4.17; ACW 57:166). Caesarius of Arles shares this interpretation: “This means that it would have been better for you to have remained cold in the world or to be fervent in the monastery” (Serm. 235.4, Caesarius of Arles, Sermons, 3 Vols. [trans. M. M. Mueller, Fathers of the Church Series Vols. 31, 47, and 66, New York 1956–73], 66:206–7). In contrast, Victorinus interprets “lukewarm” as a person “neither believing nor unbelieving, for they are all things to all men” (Vie. 3.15; ANF 7:347). This note reproduces information in EUGÉNIA SCARVELIS CONSTANTINOU, Andrew of Caesarea and the Apocalypse in the Ancient Church of the East, Ph.D. dissertation, Université Laval, Quebec 2008, 51 n. 215. 89 Comm. Apoc. 3.3, CSEL 49.42–44, emphasis added. 90 Laodicia dicitur tribus amabilis Domini, sive fuerunt in vomitu. Erant enim ibi et quibus diceret: Incipiam te evomere ex ore meo. Et quibus item: Ego quos amo, arguo et castigo. Ex Graeco autem populus justus interpretatur (Explanation of the Apocalypse 3.14, CCL 121A–271). 91 Comm. Apoc. 3.16–17, MTS 1 Sup 1:43. See CONSTANTINOU, Andrew of Caesarea (see n. 88). NB: Andrew interprets the “dogs” in Rev 22:15 as those “returning to their vomit” (cf. Prov 26:1; 2 Pet 2:22). See CONSTANTINOU, Andrew of Caesarea (see n. 88), 237.
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4.4 Summation Together with the epithet in v. 14, the convergence of terms and concepts in Comp.Med.Loc. 167–69 and Rev 3:14–19 suggests that Hippocratic medical treatments constitute one immediate background of the Laodicean threat in vv. 14–16.92 Revelation offers only a thumbnail sketch of the ideas. Nevertheless, the central concepts operating behind the accusation to “vomit” a “lukewarm” church are all encompassed in it.93 Cold and hot are two of the four elements. Opposite the elements of cold and hot, χλιαρός (“lukewarm”) – defined within the text (v. 16) as “that which is vomited up” (ὅτι χλιαρὸς εἶ … µέλλω σε ἐµέσαι ἐκ τοῦ στόµατός µου) – is an adjectival noun denoting the mixture of water and the excess humor – the consequence of standard medical protocol for restoring balance or health.94 The risen Christ’s message to the Laodicean church is therefore: You and the works that represent you are not effective like the pure, originative, potent elements. You do not, therefore, incarnate me as guiding elemental principle (ἀρχή, v. 14). You are to me as an excess in a human body: causing illness and requiring purgation by lukewarm water. The Laodicean church makes the risen Christ, literally, sick.95 92 Cf. another Galenic hot/cold/tepid medical regime: “Bringing him straightaway to the baths and pouring over him a lot of tepid oil, and rubbing him very gently, we ordered him to spend as much time as possible in the water of the hot bath. Then when he had got out and used the cold water, we covered him in the usual way with a cloth and ordered him to rest a little, to build up his strength; and again we led him to the bath just as before, anointing him, rubbing him and ordering him to spend time in the hot water. And again after getting him out and immersing him in the cold water, and drying him off, we gave him food straight away” (MATTERN, Galen and the Rhetoric of Healing [see n. 27], 143). 93 The shame of nudity noted in Rev 3:17–18 may itself summon ancient medical practices. Galen, for example, notes his awareness of possible shame in, for example, his various treatments of women. See MATTERN, Galen and the Rhetoric of Healing, 145. 94 In this context, katharsis is purgation or the evacuation of excess (153); see M ATTERN , Galen and the Rhetoric of Healing [see n. 27], 152). Lukewarm water attracts the excess humor, expelling it as comfortably as possible while avoiding dehydration. The excess is emitted not thanks to any emetic quality of lukewarm water, but the provocation of the throat with the finger and, perhaps, the addition of a drug such as hellebore. When water is used to cause emesis, a drug is often added to it. In commenting on Revelation, Andrew of Caesarea declaims ‘lukewarm’ or ‘the middle way’ as pejorative in terms of spiritual, but not other (e.g., sexual) practices: “For (with respect to) actions, the middle way is not refused, just as a legal marriage is not rejected, being the middle way between virginity and fornication. But in (matters of) faith, the middle way and the lukewarm is worthless” (CONSTANTINOU, Andrew of Caesarea [see n. 88], 51). 95 Elsewhere Galen explains that all changes in the human body result from relationships between the four primary principles: warm, cold, dry, and moist: “But, as has been frequently said already, the one starting-point of all this is a thorough-going enquiry into the question of the Warm, Cold, Dry and Moist; this Aristotle carried out in the second of
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5 Ancient Physiognomy: Polemon of Laodicea Background in ancient medical science, while crucial, is still one step removed from the appropriation of cold and hot in Revelation 3:14–22. As elements, cold and hot are appropriated in this passage as character determinants. They indicate that the works of church members are ineffective. Yet few precedents exist for such a metaphorical application. However, another currently unnoticed or ignored mechanism for the appropriation of elements as character determinants exists. Whereas commentators correctly note that cold and hot do not commonly occur as personality metaphors in antiquity,96 they fail to acknowledge the significant body of physiognomic literature in which cold and hot as elements are interpreted as signs of temperament. 5.1 Ancient Physiognomy Physiognomy is the art of reading bodies to interpret individuals.97 With much to offer to the study of early Christian texts, it has not yet been adequately exploited in this regard. Aristotle expressed its fundamental principles, but physiognomy does not rise to its height of popularity until the second century CE. During the so-called Second Sophistic, physiognomy is of widespread social and intellectual significance, in particular to physihis books “On Genesis and Destruction,” where he shows that all the transmutations and alterations throughout the body take place as a result of these principles. (Nat.Fat. 3.7; ET: A. J. Brock, emphasis added). One such “transmutation and alteration” is digestion. Whereas Erasistratus likened digestion to boiling (τὸ ἕψειν), 95 Galen explains the stomach’s complex role in peristalsis. Following a description of how the stomach’s two coats – inner and outer – interact to digest food (3.8.168–72), Galen offers a comparison between swallowing and vomiting: “And for this reason it is easier to swallow than to vomit … For, although the swallowing of food is ordinarily preceded by a feeling of desire on the part of the stomach, there is in the case of vomiting no corresponding desire from the mouth-parts for the experience; the two are opposite dispositions of the stomach itself; it yearns after and tends towards what is advantageous and proper to it, it loathes and rids itself of what is foreign (τὰ ἀλλότρια)” (Nat.Fac. 3.8.172; ET: Brock). It is clear from this passage that Galen understands vomiting and other bodily functions as direct results of the interaction of the active elements of hot, cold, wet, and dry in the body. 96 Overstating the point slightly is Rudwick and Green, “Moreover, the application of the adjectives “hot” and “cold” to spiritual temperature, though natural to us, appear to be almost entirely foreign to the Ancient World” (RUDWICK/GREEN, The Laodicean Lukewarmness [see n. 10], 176, emphasis added). 97 Classic expression of physiognomic science: “It seems to me that the soul and the body react on each other. An altered trait in the soul will produce an altered shape in the body, while an altered form of the body will produce a corresponding change in the soul” ([Aristotle], Phys. 808b; as cited in MAUD W. GLEASON, Making Men: Sophists and SelfPresentation in Ancient Rome, Princeton 1995, 29).
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cians and astrologers for whom analogical theories about the human body were most relevant. Astrologers accepted connections between stars, planets, and characters; physicians, between wellbeing and personality. Even if he ultimately rejects it for purposes of diagnosis, Galen agrees with the underlying tenet of physiognomy: “the powers of the soul follow the temperaments of the body” (QAM 32:1–2; ET: Boys–Stones).98 The earliest and foremost remaining witness of physiognomy is Marcus Antonius Polemon (ca. 90–144 CE).99 Polemon flourished in Asia Minor during the second century. He was a native of Laodicea. As a sophist and favorite of Trajan, Hadrian, and Antonius Pius, he delivered the dedicatory oration of the Temple of Zeus in Athens to Hadrian. While alive, he was a preeminent citizen of Smyrna,100 living and working between Smyrna and Laodicea.101 Philostratus writes about Polemon that he “conversed with cities as his inferiors, with Emperors as if they were not his superiors, and with gods as his equals.”102 Citizens of Smyrna and Laodicea, too, venerated him for an “almost supernatural power of … physiognomic insight.” 103 Most of Polemon’s works have not survived. Nevertheless, his Physiognomie was preserved in Arabic due to its tremendous popularity in antiquity. In this work, Polemon lays out the mechanics of the ancient science of physiognomy.104 The basic assumption behind physiognomic theory is that the elements – hot, cold, wet, and dry – in their mixtures in the humors display themselves in temperament. The heat of the blood, for example, is believed to determine intelligence. Boys-Stone explains Ps-Aristotle’s point at 813b 28–35: “Heat, we are told, assists blood flow and so helps the movements 98 BOYS-S TONE, Physiognomy and Ancient Psychological Theory (see n. 84), 102–9. 99 With only the exception of Ps.-Aristotle. 100 Ὡς ἀρίστῃ τῶν κατὰ τὴν Σµύρναν καὶ ἀρίστου ἀνδρός, Philostratus, Vit. soph. 534. 101 “The suits which they [the people of Smyrna] brought against one another he
[Polemon] did not allow to be carried anywhere abroad, but he would settle them at home. I mean the suits about money, for those against adulterers, sacrilegious persons and murderers, the neglect of which breeds pollution, he not only urged them to carry them out of Smyrna but even to drive them out. For he said that they needed a judge with a sword in his hand” (Philostratus, Vit. soph. 532). Cf. Rev 1:16; 2:12, 16; 19:15, 21. 102 Philostratus, Vit. soph. 489, 535; as cited by G LEASON, Making Men (see n. 97), xxvii. 103 GLEASON, Making Men (see n. 97), 33. 104 In the fourth century, Adamantius wrote a paraphrasis of Polemon’s work – faithful, according to Swain, to the original. S IMON SWAIN, Introduction, in: S. Swain (ed.), Seeing the Face, Seeing the Soul: Polemon’s Physiognomy from Classical Antiquity to Medieval Islam, Oxford 2007, 3. The main Arabic version is known as “the Leiden Polemon.” See also ROBERT HOYLAND, A New Edition and Translation of the Leiden Polemon, in: Swain (ed.), Seeing the Face (see above), 329–463. It contains many of personal observations of Polemon, excluded from Adamantius’s abridgment.
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of the blood reach the organs of intelligence.”105 Likewise, human size effects productivity, Boys-Stones (on Ps.-Aristotle 813b28–35) writes: The larger the body, the further the blood has to go, so that a large body slows thought down while a small one speeds it up. (A small hot man is so flighty in his thought as to be equally ineffective with a large cold man.) 106
Anonymous Latinus, Physiognomy (derived from Polemon, see Anon. Lat. 89) attests the expression of hot and cold in human temperament specifically:107 Again, when a small body is surrounded with soft, that is ὑγρά, flesh and has one of the colder colours, it easily completes what it has begun and is effectual. But when a large body is surrounded by dry flesh and takes one of the hotter colours, it is effectual and is strong in these senses. (§88)108
Ps.-Arist. 813b 23–7 offers a similar theory: Small men with dry flesh or of the hue that heat produces in the body, have not persistence enough to effect their purposes; for their blood flowing in a confined space, and at the same time, in consequence of the fiery condition of the body, flowing rapidly, their thought never keeps to a single topic, but is always passing to something new before being done with the old. Again, big men with moist flesh or of the hue that results from cold, also lack persistence; for their blood flowing over a large area and slowly, on account of the cold condition of the body, its movement does not manage to reach the organ of intelligence entire. On the other hand, small men with moist flesh and of the hue that results from cold, do effect their purposes; for their blood moving in a confined area, the less mobile constituent in its composition produces a proportion which conduces to effectiveness. And again, big men with dry flesh, and of the hue that results from heat, are also persistent, and are keen of sense; for the warmth of flesh and complexion counteracts the excessive size, so that a proportion conducive to effectiveness is attained. So we have discussed how excess or deficiency in physical size makes for the effective or ineffective bodies. 109
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BOYS-STONE, Physiognomy and Ancient Psychological Theory (see n. 84), 60. BOYS-STONE, Physiognomy and Ancient Psychological Theory (see n. 84), 60. Visual observation is a part of medical protocol contributing to accurate diagnosis and effective therapy, e.g., careful scrutiny of the texture, consistency, smell, and sometimes contents of vomit (MATTERN, Galen and the Rhetoric of Healing [see n. 27], 150). 107 Simon Swain suspects Anonymous Latinus was a fourth-century writer who based his Latin work on Polemon’s original, supplemented by the works of Ps.-Aristotle and the lost Hellenistic physiognomist Loxus (S WAIN, Introduction [see n. 104], 3). Gleason sums up her view of the state of Polemon’s extant writings at: G LEASON, Making Men (see n. 97), 30–32. 108 ET: IAN REPATH, Anonymous Latinus, Book of Physiognomy, in: Swain, Seeing the Face (see n. 104), 615. 109 ET: R EPATH, Anonymous Latinus, Book of Physiognomy, 660 (Greek), 661 (ET). As indicated on 637, ET is a revised version of T. LOVEDAY / E. S. FORSTER in: The
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At the end of this text the author adds a comment about human beings who are neither extreme, but “somewhere in between.” Not surprisingly, from a physiognomic viewpoint, this state – like the biological one – is viewed as ideal: But someone whose nature falls in the mean between these points has the keenest senses and is more effective. For the blood does not have far to go in order to reach the mind, but nor does lack of space force it away from the mind again. This is why a moderate size makes for efficiency and the keenest senses. (ET: Simon Swain)110
The physiognomic identifier for wickedness is a nauseous skin shade and property: “a wicked man is … of a pale and dull hue even though not ill.”111 These excerpts about the impact of the elements of cold and hot on faces and bodies offer a simple and plausible explanation for the condemnation of Laodicean church members (on account of their works). They are neither cold, nor hot – that is impotent (and perhaps impure) and must, therefore, be expelled. In Revelation 3, lukewarm does not represent the balanced admixture of or median between cold and hot; it is the vomited mixture containing harmful excesses. A contrast is evident. Whereas earthly standards (human physiology and physiognomy) value, even demand, a balance between hot and cold (so: lukewarm), the risen Christ holds his churches to a heavenly standard of potency and purity: “I wish that you were either cold or hot” (v. 15). An element of irony may be present: in the heavenly sphere, lukewarm is only effective for purging impurity. A moral message is also possible: lukewarm represents earthly ideals from which Christian churches must be purged. Finally, in his castigation of the church and her works as neither cold nor hot, the risen Christ may deride not just the Laodicean church, but their city, medical school, and science of physiognomy.112
Complete Works of Aristotle: The Revised Oxford Translation, I, ed. J. Barnes, Princeton 1984, 1237–50. 110 REPATH, Anonymous Latinus, Book of Physiognomy, 660, (Greek) 661 (ET). 111 ET: R OBERT HOYLAND, The Islamic Background to Polemon’s Treatise, in: Swain, Seeing the Face (see n. 104), 245; Cf. also Polemon’s use of the color ὠχρός meaning “fear, weakness, sickness, change” (220). 112 In so doing, John is not the only early Christian to deploy physiognomy. In its description of Paul, Acts of Paul 3 too makes use of this character theory.
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Perhaps, in bold, locally relevant invective, Christ even scorns Polemon himself113 – his inordinate wealth and arrogance – estimating himself an equal of the gods.114 113
The attack may be related to social prejudice against Christians. Gleason writes: “Physiognomy was a merciless discipline because it acknowledged no exceptions to its rules and provided no shade under which certain privileged signs of human frailty or idiosyncrasy could shelter. Polemo was not a physiognomist by accident or caprice” (GLEASON, Making Men [see n. 97], 28). Gleason refers to Polemon’s treatise on physiognomy as “a source for social prejudice” (33). If polemical in this way, the Laodicean letter would not, with Scobie, be without opponents: “… there remain two letters, those to Sardis and Laodicea, where there are no clear references to opponents at all” (S COBIE, Local References [see n. 2], 617). 114 If cold, hot, lukewarm, and purgation allude to the medical school founded in connection with the temple of Phrygian god Men in Laodicea, then these elements of the letter may feature of this famous institution. This school followed the teachings of Herophilos (330–250 BCE) whose most distinguished achievement was the principle that disease is complex requiring complex drug mixing. Laodicea may have become famous for two such compounds: one to strengthen ears, the other, eyes. Ramsay writes: “The only medicine which is expressly quoted as Laodicean seems to be an ointment for strengthening the ears made from the spice nard; Galen mentions it as having been originally prepared only in Laodicea, though by the second century after Christ it was made in other cities. But a medicine for the eyes is also described as Phrygian: Galen describes it as having the form of a tabloid made from the Phrygian stone, while Aristotle speaks of it as Phrygian powder; the two are probably identical, Aristotle describes the powder to which the tabloids were reduced when they were to be applied to the eye. There can be no doubt that this Phrygian powder came through Laodicea into general use among the Greeks. Laodicea was the one famous medical centre in Phrygia; and to the Greeks ‘Phrygian’ often stood in place of ‘Laodicean’; thus, for example, the famous orator of the second century, Polemon of Laodicea was called simply ‘the Phrygian.’ The Phrygian stone was exported after a time to all parts of the Greek and Roman world; and as the powder had now become common, and was prepared in all the medical centres, Galen does not mention it as being made in any special place; but Laodicea was probably the oldest home of its use, so far as the Greeks knew” (R AMSAY, Letters to the Seven Churches [see n. 22], 419). Hemer updates this view harboring doubts as to its validity: HEMER, Letters to the Seven Churches [see n. 7], 196–99, 208. For a careful word study of κολλύριον in Rev 3:18, see P. R. BERGER, Kollyrium für die blinden Augen, Apk. 3.18, NovT 27 (1985), 174–95. See also C HARLES, Critical and Exegetical Commentary on Rev (see n. 3), 78–79. As commentators frequently allege, Rev 3:18 may allude to the eye ointment: καὶ κολλ[ο]ύριον ἐγχρῖσαι τοῦς ὀφθαλµούς σου ἵνα βλέπῃς (“and salve to anoint your eyes so that you may see”). Ramsay documents the history of the school. He notes its association with the local temple and describes what can be known of the medical school, highlighting a predilection for medicinal mixtures as opposed to homogeneous drug cures. “Between Laodicea and the ‘Gate of Phrygia’ lay a famous temple, the home of the Phrygian god Men Karou, the Carian Men. This was the original god of the valley. His temple was the centre of society and administration, intercourse and trade, as well as of religion, – or, rather, that primitive religion was a system of performing those duties and purposes in the orderly way that the god approved and taught – for the valley in which the Lycus and the Meander meet. A market was held under the protection of his
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5.2 Elemental Potency as Theme in the Laodicean Letter and Revelation In Ps.-Arist. 813b.23–7 above, appropriate balances of the elements cold and hot translate in human personality and behavior as effectiveness. Effectiveness and ineffectiveness as themes are discernible elsewhere in the letter to the Laodiceans as well as the text of Revelation overall.115 Focusing first on the letter, this theme of potency, power, and effectiveness arises at least four times. (1) V. 17 challenges the Laodiceans’ claim to being rich and powerful by pointing out that they are among the powerless: ὅτι λέγεις ὅτι πλούσιός εἰµι καὶ πεπλούτηκα καὶ οὐδὲν χρείαν ἔχω, καὶ οὐκ sacred name, beside or in his own precinct, at which the people of the valley met and traded with strangers from a distance” (R AMSAY, Letters to the Seven Churches [see n. 22], 417). Ramsay adds: “The school seems to have had its seat at Laodicea, and not at the temple (which was about thirteen miles west of Laodicea and in the territory of the city Attoudda; and the names of the leading physicians of the school in the time of Augustus are mentioned on Laodicean coins. These coins bear as type either the serpentencircled staff of Asklepios or the figure of Zeus. The Zeus who was worshipped at Laodicea was the Hellenized form of the old native god. Men had been the king and father of his people. … The Laodicean god was sometimes called Aseis, perhaps a Semitic word meaning ‘powerful’” (RAMSAY, Letters to the Seven Churches, 417–18). “In connection with this temple there grew up a famous school of medicine. … This Laodicean school of physicians followed the teaching of Herophilos (330–250 BC), who, on the principle that compound diseases require compound medicines, began that strange system of heterogeneous mixtures, some of which have only lately been expelled from our own Pharmacopoeia” (RAMSAY, Letters to the Seven Churches, 417–19). If “cold” and “hot” as elements, are applied to the eye ointment for which the Laodicean medical school was famous and if the implication of this school is their well-known effective drugs, then, with references in the letter to gold and white clothing, the potent/impotent binary permeates nearly every feature of the Laodicean letter. The risen Christ, as the pure principle of the universe ‘sells’ (Rev 3:18 συµβουλεύω σοι ἀγοράσαι παρ᾽ ἐµοῦ…) his effective spiritual cure; the Laodiceans sell ineffective, pharmacological mixtures. The salve sold by the Laodiceans cures only biological blindness, whereas that “sold” by the risen Christ offers a preferable ‘heavenly’ (i.e., “pre-Fall” or Edenic) alternative. R. H. Charles comments: “They are exhorted to seek the true riches and the true wisdom which comes from a vision purged by the Great Physician” (CHARLES, Critical and Exegetical Commentary on Rev [see n. 3], 95). God opens the eyes of the “blind” in Ps 146:8, Isa 29:18; 35:5; 42:7, 16, 18–20; cf. John 9:39. The importance of the eyes to physiognomy as evidenced by dedication of the first chapter of Polemon’s Physiognomy to the every possible aspect of the topic (“the external form of the eyes, their shapes, indications, and signs”) may constitute a final local link. HOYLAND, A New Edition and Translation of the Leiden Polemon (see n. 104), 340–463 (entire tractate), on eyes: 340–83 (43 of 123 total pages, Arabic verso and English recto). Similarly, Gleason observes about the length of Polemon’s treatment of the eye: “Fully one-third of his treatise, amounting to some thirty Teubner pages out of ninety in the surviving Arabic text” (GLEASON, Making Men [see n. 97], 32). 115 The theme of conquering appears in each of seven letters: 2:7 (Ephesus), 11 (Smyrna), 17 (Pergamum), 26 (Thyatira); 3:5 (Sardis), 12 (Philadelphia), 21 (Laodicea). It is also picked up elsewhere in Revelation: 5:5; 6:2; 11:7; 12:11; 13:7; 15:2; 17:14; 21:7.
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οἶδας ὅτι σὺ εἶ ὁ ταλαίπωρος καὶ ἐλεεινὸς καὶ πτωχὸς καὶ τυφλὸς καὶ γυµνός. (2) V. 18 contains several symbols of power and weakness. The powerful have the purest gold συµβουλεύω σοι ἀγοράσαι παρ ἐµοῦ χρυσίον πεπυρωµένον ἐκ πυρὸς ἵνα πλουτήσῃς. Others may have gold coins, but the degree of their impurity determines their purchasing power. (3) Nakedness is a classic symbol of powerlessness; conquered peoples often appear naked in triumphal processions: καὶ ἱµάτια λευκὰ ἵνα περιβάλη καὶ µὴ φανερωθ̣ῇ ἡ αἰσχύνη τῆς γυµνότητός σου. (4) One has only to consider the blinding of the Cyclops (Od. 9) to learn how blindness renders someone impotent: καὶ κολλ[ο]ύριον ἐγχρῖσαι τοὺς ὀφθαλµούς σου ἵνα βλέπῃς. Lastly, that nutrition restores strength and power constitutes a basic principle in the ancient medical texts. Mark Grant, in Galen on Food and Diet, writes about the role of diet in ancient medicine as follows: Scribonius Largus, writing at the time of the emperor Claudius (AD 41–54), summed up the stages of medical care (Scrib.Larg.intr.6): first came diet, then drugs, and finally either cautery or surgery. … Diet was therefore not the only way by which disease could be treated, although it was perhaps the most important. … Plutarch (Mor. 73D) held that a good doctor was someone who used sleep and diet rather than violent drugs to effect a cure.
This tenet of ancient (and modern) medical science explains vv. 19–21. V. 19 summons the Laodiceans to repent of their powerless state by dining with the Lord: ἐγὼ ὅσους ἐὰν φιλῶ ἐλέγχω καὶ παιδεύω. ζήλευε οὖν καὶ µετανόησον. V. 20 explains how their power will be restored: ἰδοὺ ἕστηκα ἐπὶ τὴν θύραν καὶ κρούω. ἐάν τις ἀκούσῃ τῆς φωνῆς µου καὶ ἀνοίξῃ τὴν θύραν, [καὶ] εἰσελεύσοµαι πρὸς αὐτὸν καὶ δειπνήσω µετ᾽ αὐτοῦ καὶ αὐτὸς µετ᾽ ἐµοῦ. In v. 21, the risen Christ as doctor explains to the Laodiceans what they stand to gain if they repent of their powerlessness and ineffectiveness. They will, he says, regain their strength and power, so as to conquer and sit victoriously with him on his throne.
6 Conclusion This essay argues that ancient medicine offers a lens through which the risen Christ’s threat against the church in Laodicea (Rev 3:14-19) may be best understood. Cold and hot are the elements determining health, personality, and behavior. Lukewarm represents the vomited mixture of tepid water and gastric content (i.e., excess humor, tainted food, or poison) forced up from the stomach during purgation, made necessary by the im-
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balance of the humors.116 Lukewarm water is an ideal purgative because it contains both hot and cold in a balance. Lukewarm water will not, it was thought, contribute to either a hot or cold excess. On the principle that “like attracts like,” lukewarm water was imagined to attract the excess heat or the excess cold, restoring balance to the body. The risen Christ’s threat to vomit up the Laodicean church makes sense in terms of contemporary medical protocol requiring purgation for imbalanced (so: sick) bodies when diet and other health regimes fail. The interpretation of cold and hot as potent elements recommends itself on at least the following five bases: (1) it corresponds to the epithet of the risen Christ as “principle” in v. 14; (2) it corresponds to the risen Christ’s threat to “vomit” the church as an indicator of its indictment; (3) it corresponds to the major theme of power vs. impotency in Revelation; (4) it avoids conjectural substance association of “cold” and “hot” with local water supplies, long questioned in the history of research on this letter; (5) it avoids emphasis on what audience understood (i.e., Lokalkolorit esp. water supplies), rather arguing the more provable point of what author attempted to convey; and (6) versions of it are attested by at least three early commentators on this text. What is more, the interpretation of cold and hot as elements explains how they act as character determinants in the passage (i.e., “you are neither cold nor hot”). They do so not through any rare usage as metaphor, but according to the popular, local, scientific trend of physiognomy. A proper balance of cold and hot was thought to be recognizable in a person’s face and body, determining their effectiveness in both personality and behavior. Wickedness possessed a nauseous hue. If local implications of the message are present, then despite the premiere reputation of their medical school and citizen Polemon, the risen Christ is nauseated by the Laodiceans. The interpretation offered in this essay has important implications for scholars and non-scholars alike. For scholars, it insists that ancient medical texts are relevant, if not frequently enough brought into conversation with, early Christian writings to the detriment of their accuracy of interpretation.117 For non-scholars, it suggests that quotidian use of “lukewarm” (in other modern languages as well, e.g., German: lauwarm) to mean ‘lacking conviction’ is not quite correct. More accurately, it means ‘impotent,’ in the sense of powerless and ineffective.
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It is tempting, but perhaps going too far, to equate the excess humor (voided in purgation) with Laodicean ‘excess’ (i.e., “I am rich, I have prospered, and I need nothing,” Rev 3:17). 117 See TROY MARTIN, Ancient Medical Texts, Newly Re-discovered: The Medical Background of Biblical Breathing, EC 1 (2010), 513–38.
Beliar als Endtyrann in der Ascensio Isaiae Ein Beitrag zur Eschatologie und Satanologie des frühen Christentums sowie zur Erforschung der Apokalypse des Johannes JAN DOCHHORN
1 Einleitung Zu den mit der Apokalypse des Johannes verbundenen Forschungsaufgaben gehört seit je eine Rekonstruktion der Traditionsgeschichte des jüdischen und christlichen Mythenkomplexes um den Endtyrannen. Dies kommt etwa darin zum Ausdruck, dass einer ihrer bedeutendsten Kommentatoren, Wilhelm Bousset, eben auch eine Abhandlung zu diesem Thema verfasst hat.1 Der Grund hierfür liegt auf der Hand: Ein solcher Endtyrann – in Gestalt des Tieres aus dem Meere (13,1) – spielt in der Apk eine ganz entscheidende Rolle. Im Folgenden soll zu diesem – nach wie vor nicht abgeschlossenen – Forschungsbereich durch eine Detailstudie beigetragen werden, die nur eine Schrift betrifft, nämlich die Ascensio Isaiae (Asc Isa). Dieses Werk ist einer sich mehr und mehr etablierenden Forschungsmeinung zufolge in Gänze als eine ursprünglich griechischsprachige, christliche Schrift aus dem zweiten Jahrhundert anzusehen, die der Apk einigermaßen nahestehen dürfte. Strittig ist, ob die Asc Isa als Einheit komponiert oder in mehreren Stadien gewachsen ist; der ersteren Auffassung neige ich selber zu.2 Die literarkritische Fragestellung tut hier allerdings wenig zur Sache, da auch die diachronistisch orientierten Textentstehungsmodelle, etwa von Acerbi und Norelli, die Asc Isa als Produkt eines theologisch weithin einheitlichen
1 W. BOUSSET , Der Antichrist in der Überlieferung des Judentums, des Neuen Testaments und der alten Kirche. Ein Beitrag zur Auslegung der Apokalypse, Göttingen 1895 (Nachdruck: Hildesheim 1983). 2 Vgl. J. DOCHHORN , Die Ascensio Isaiae, JSHRZ II,1: Martyrium Jesajas, in: G. S. Oegema (Hg.), Unterweisung in erzählender Form, JSHRZ 6,1,2, Gütersloh 2005, 1–48, speziell 16–19.
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Milieus auffassen.3 Die Asc Isa ist vollständig nur in äthiopischer Sprache überliefert; daneben existieren griechische, koptische, lateinische und altkirchenslavische Textzeugen in Gestalt von Fragmenten, Exzerpten und Schriftstellerzitaten bzw. -expilationen.4 Für die hier untersuchte Passage ist weitgehend nur der äthiopische Text erhalten (Asc Isa [aeth]). Die ersten vier Verse finden eine Parallele im Papyrus Amherst (Asc Isa [gr/pap.amh]), dem einzigen originalsprachlichen Fragment, das freilich auch schon zahlreiche Textverderbnisse aufweist, interessanterweise oft ähnliche wie die äthiopische Version.5 Die Untersuchung wird – in § 2 – einsetzen mit einer Präsentation des Textes (Asc Isa 4,1–22). Anschließend wird die dort vor Augen geführte Endtyrannengestalt näher beschrieben und mit weiteren frühchristlichen Endtyrannentraditionen verglichen (§ 3). Danach wird die Endtyrannenkonzeption der Asc Isa mit theologischen Tiefenstrukturen dieses Werkes zu korrelieren sein: In § 4 wird es um die Position des Endtyrannen im Geschichtsbild der Asc Isa als ganzer gehen. Der letzte Abschnitt (§ 5) wird den Endtyrannen der Asc Isa mit deren Satanologie und der des frühen Christentums in Beziehung setzen. Dabei wird der überraschende Befund skizziert werden, dass offenbar traditionsgeschichtliche Beziehungen zwischen der Endtyrannenvorstellung der Asc Isa und der altkirchlichen Luziferlegende bestehen, die den urzeitlichen Teufelsfall zum Thema hat. In diesem Zusammenhang wird sich eine – wohl ebenfalls überraschende – Querverbindung zum Jaldabaothmythos in der Hypostase der Archonten ergeben.
3 Zur Orientierung über die Positionen A CERBIS und NORELLIS vgl. E. NORELLI, Interprétations nouvelles de l’Ascension d’Isaïe, REAug 37 (1991), 11–22 (eine Rezension zu A. ACERBI, L’Ascensione di Isaia. Cristologia e profetismo in Siria nei primi decenni del II secolo, Studia Patristica Mediolanensia 17, Mailand 1989). 4 Vgl. hierzu DOCHHORN, Ascensio (s. Anm. 2), 9–11 (primäre Textzeugen) und 12–15 (sekundäre Textzeugen und Referenzen auf die Asc Isa in späteren Quellen). Zur Terminologie: Ein Fragment ist ein aus physischen Gründen defekter primärer Textzeuge, etwa die koptischen Manuskripte zur Asc Isa. Ein Exzerpt ist ein selbständig überlieferter Teil eines größeren Textes, im gegebenen Fall die als Visio Isaiae lateinisch und altkirchenslavisch überlieferte Visionserzählung aus Asc Isa 6–11 (vgl. DOCHHORN, Ascensio [s. Anm. 2], 11). Bei einem Exzerpt ist grundsätzlich zu prüfen, ob es sich um einen Quellentext der umgreifenden Schrift handelt. Bei der Visio Isaiae dürfte dies nicht der Fall sein; sie wurde wohl vor dem 7. Jh. n.Chr. aus der Asc Isa herausgelöst (vgl. ebenda 11; 20). Ein Zitat liegt bei einer Textaufnahme durch einen anderen Schriftsteller mit Quotationskennung vor, etwa bei Hieronymus, Commentarius in Isaiam 17 zu Jes 64,4–5 (CCSL 73a, 735), eine Expilation, wenn ein Schriftsteller die Asc Isa lediglich benutzt, ohne seine Quelle anzugeben, so im Opus Imperfectum ad Matthaeum, Homilia 1 zu Mt 1,10 (PG 56, 626). 5 Vgl. DOCHHORN , Ascensio (s. Anm 2), 9–10.
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2 Der Text: Asc Isa 4,1–22 Der zur Rede stehende Text findet sich in einem Abschnitt, dessen christliche Provenienz seit je unumstritten war: Er ist der abschließende Teil der Geschichtsprophetie in Asc Isa 3,13–4,22, die mit dem „Ausgang des Geliebten“ (= Christus) „aus dem Himmel“ (3,13) einsetzend die Geschichte der Kirche und der Endzeit nachzeichnet. Er beginnt in Asc Isa 4,1a mit einer vom Kontext her nicht erwartbaren Anrede von Adressaten, die offenbar als Hörer der prophetischen Rede zu denken sind; es handelt sich um den König Ḥezqejâs / Hiskia und Jesajas Sohn Îjôsâb (fehlerhaft für ᾿Ιασούβ, vgl. die Parallele in Asc Isa [gr/pap.amh] und Jes 7,3 LXX). Durch diese Kurzreferenz auf eine als Rahmen zu denkende Kommunikationssituation wird der Folgekontext in besonderer Weise markiert; was folgt, fällt damit auf, ist wichtig. Und es handelt sich denn auch um die „Tage der Berufung der Welt“; ursprünglich war wohl von den „Tagen der Erfüllung der Welt“ die Rede (vgl. unten die Anmerkung zu Asc Isa 4,1b). Wir sind jetzt also beim Weltende angelangt. Es tritt der Endtyrann auf, der mit dem im äthiopischen Text als „Engel“ (mal’ak) vorgestellten Weltregenten Beliar identifiziert wird (4,2–13), und dieser wird von Christus besiegt, der die bestehende Welt zu ihrem Ende bringt (4,14–18). Anschließend (4,19–22) folgen Referenzen auf biblische Prophetien, welche die vorliegende Prophetie supplementieren und damit auf derselben Linie liegen; zunächst sind dies Passagen aus dem Jesajabuch (Jes 13–14; 53), danach andere als prophetisch aufgefasste Schriften; die Liste ist auch kanongeschichtlich interessant. Nachfolgend wird eine Übersetzung des äthiopischen Textes geboten, wie er in der neuen Ausgabe von Perrone rekonstruiert wird.6 Textkritische Bemerkungen dienen dem Ziel, den Abstand zum Urtext zu überbrücken. Dabei werden Lemmata durch die Zeichen ‘...’ bzw. ‘’ bei Surpluslesarten gekennzeichnet. †...† steht für eine bisher nicht heilbare Korruptele. In 4,1–4 kann Asc Isa (aeth) mit Hilfe der Parallele in Asc Isa (gr/pap.amh) emendiert werden; in 4,5–22 hingegen sind wir auf reine Konjekturen angewiesen, da hier nur noch der äthiopische Text zur Verfügung steht. Da der äthiopische Text übersetzt wird, sind auch die Namensformen diejenigen des äthiopischen Textes. Im Zusammenhang mit deren Transkription sind Unwägbarkeiten zu berücksichtigen, bei denen, soll die 6 Vgl. L. P ERRONE (Ed.) / E. NORELLI (Tr.), Ascensione di Isaia Profeta. Versione Etiopica, in: P. Bettiolo u.a. (Hg.): Ascensio Isaiae. Textus, CChr.SA 7, Turnhout 1995, 1–129, speziell 64–73 (mit italienischer Übersetzung); vgl. die lateinische Synopse der Textzeugen, besorgt von E. NORELLI in demselben Band, S. 353–441, speziell 375–377 (die Benutzung ist erschwert, weil in der Kopfzeile keine Kapitel- und Versangaben gegeben werden).
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Transkription den Usancen entsprechend phonematisch und nicht rein graphematisch sein, man sich festzulegen hat: Konsonantenintensität (einfache Konsonanz oder „Verdoppelung“) wird in der äthiopischen Schrift nicht bezeichnet. Außerdem bleibt jeweils zu entscheiden, ob die Grapheme der sechsten Reihe Vokallosigkeit oder die Konstellation Konsonant + [e] bezeichnen ([e], ein dumpfer Kurzvokal, entspricht lautlich in etwa dem Schwa, nicht aber funktional, da es den Ton tragen kann). Im Falle des Namens belejâr war von dem zu vermutenden griechischen Orginal ΒΕΛΙΑΡ auszugehen (vgl. 2Kor 6,15). In der traditionellen Aussprache des Geez wird die phonematische Konstellation [ej] mit /î/ realisiert7; gesprochen wird also, wenn ብልያር mit belejâr wiedergegeben wird, /belîar/. Dies entspricht in etwa dem griechischen Original. Anscheinend ist zumindest die Realisierung von [ej] mit /î/ in der traditionellen Aussprache alt; auch die Namensformen Îsâjejâs (/îsâjîas/ = ᾿Ισαΐας) und Ebdejô (vgl. gr. ᾿Αβδίας) scheinen diese vorauszusetzen. Übersetzung von Asc Isa (aeth) 4,1–22: 4,1 ‘Und’8 nun, Ḥezqejâs, und mein Sohn Îjôsâb: Dies sind die Tage der ‘Berufung’ 9 der Welt. 4,2 Und wenn sie am Ende ist, wird herabkommen Belejâr, der große Engel, der König dieser Welt, der sie in der Gewalt hatte, seitdem sie bestand. Und er wird herabkommen von seinem Firmament in der Gestalt eines Menschen, eines Königs, gesetzlos und muttermörderisch. ‘Dies ist der König dieser Welt. 4,3 Und’10 die Pflanzung, welche die 12 Apostel des Geliebten gepflanzt haben, wird er verfolgen, ‘’11 aus den 12 wird ‘in seine Hand’ 12 gegeben werden.
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Vgl. E. M ITTWOCH, Die traditionelle Aussprache des Äthiopischen, Abessinische Studien 1, Berlin/Leipzig 1926, 16. 8 In Asc Isa (aeth) nicht sicher bezeugt, aber vgl. και in Pap Amh. 9 Pap Amh: ΠΛΗΡ[ΩCΕΩC] – passt besser. Las der Übersetzer *κλήσεως (so N ORELLI, Ascensione [s. Anm. 6], 64)? 10 Aeth: zewe’etu neguša zentu ‘âlam wa; Pap Amh: ΟCΤΙC ΑΥΤΟC Ο ΒΑCΙΛΕΥC ΟΥΤΟC. Nach ΟΥΤΟC ist Ο; zu ergänzen. Dann ist der ursprüngliche Text folgendermaßen zu verstehen: „welcher genau der König ist, der die Pflanzung .... verfolgen wird.“ Der ursprüngliche Text von Asc Isa (aeth) lautete wohl zawe’etu neguš zentu za („welcher genau der König ist, der“) (gegen P ERRONE; Ascensione [s. Anm. 6], 65; 67). Dabei stand we’etu für αὐτός. Diese Rekonstruktion wird dadurch gestützt, dass die Handschriften BE (beide verhältnismäßig alt und unterschiedlichen Familien angehörig) zawe’etu statt zewe’etu lesen, und dass F HIC L ‘âlam nicht bezeugen. Dieses Wort könnte von einem Schreiber unwillkürlich aus dem vorhergehenden Text übernommen worden sein, vgl. Asc Isa (aeth) 4,1.2. 11 Pap Amh: + ΚΑΙ.
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4,4 ‘Dieser Engel’ 13 wird in der Gestalt jenes Königs kommen, und ‘mit ihm’14 werden alle Gewalten dieser Welt kommen15, und sie werden auf ihn hören in allem, was er will. 4,5 Und auf seine Stimme hin wird die Sonne in der Nacht aufgehen, und, was den Mond betrifft, wird er es schaffen, dass er in der sechsten Stunde gesehen wird. 4,6 Und alles, was er will, wird er tun in der Welt: Er wird tun und reden ‘†bei dem†’16 Geliebten, und er wird sagen: „Ich bin Gott, und ‘vor mir’17 ist keiner, auch nicht einer.“ 4,7 Und alle Menschen in der Welt werden an ihn glauben. 4,8 Und sie werden ihm opfern und ihn als Gott verehren, indem sie sagen: „Dieser ist Gott und ‘außer ihm’ 18 ist kein anderer.“ 4,9 Und den größeren Teil derer, die sich versammelt haben, um den Geliebten anzunehmen, wird er hinter sich bringen. 4,10 Und die Macht seiner Wunder wird präsent sein in jeder Stadt und in jedem Land. 4,11 Und er wird sein Bildnis vor sein Antlitz stellen in allen Städten. 4,12 Und er wird drei Jahre und ‘sieben Monate und 27 Tage’ 19 herrschen.
12 In Aeth fehlt ein Zahlwort für „eins“ (vgl. den Singular im Prädikat!), das inneräthiopisch leicht ausgefallen sein kann, da man zumeist Zahlzeichen verwendete (in diesem Falle wäre es ፩ ). Pap Amh liest [ ] ΤΑΙC ΧΕΡCΙΝ. Die Lücke in Pap Amh lässt zu, dass *ΕΙC ergänzt werden kann. Ursprünglich hieß die obenstehende Sinnzeile als ganze also: „Und aus den zwölf wird einer in seine Hände gegeben werden“. Zu „und“ vgl. Anm. 11. 13 Pap Amh: ΟΥΤΟC [Ο ΑΡ]ΧΩΝ. 14 Pap Amh: -. 15 Ab hier setzt der Pap Amh aus. Jetzt haben wir, was die Primärüberlieferung betrifft, bis 6,1 nur noch den äthiopischen Text. 16 „Bei“ entspricht in Aeth: baḫaba. Dieses Wort wird von DILLMANN mit instar („entsprechend“) übersetzt, vgl. A. D ILLMANN, Ascensio Isaiae Aethiopice et Latine cum Prolegomenis, Adnotationibus Criticis et Exegeticis Additis Versionum Latinarum Reliquiis, Leipzig 1877, 17; diese Übersetzung paßt zur Christusmimese. N ORELLI übersetzt mit come („wie“), vgl. den italienischen Paralleltext zu der in Anm. 6 genannten Textausgabe. Die in DILLMANNs Wörterbuch genannten Belege für die Wiedergabe von በኀበ mit in modum, quasi, instar passen freilich eher zu griechisch πρός in der Bedeutung „im Verhältnis zu / im Vergleich zu“, was hier keinen Sinn ergeben würde, vgl. A. D ILLMANN, Lexicon Linguae Aethiopicae cum Indice Latino, Leipzig 1862–1865 (Nachdruck: Osnabrück 1970), s.v. ኀበ (speziell Sp. 594). Die Grundbedeutung von baḫaba ist „bei“ (vgl. DILLMANN, Lexicon, 593–594); das passt noch weniger. Wahrscheinlich ist baḫaba aus *bakama („wie“) verderbt. Die Handschrift B bezeugt eine Reaktion auf das Problem, indem sie statt wajetnâggar baḫaba („und er wird reden bei“) wajetmêssal kama („und er wird sich genauso geben wie“) liest. Das trifft den zu vermutenden Sinn. 17 Aeth: ’emqedmeja. Das dürfte griechisch πρὸ προσώπου µου entsprechen, vgl. Dtn 5,7 LXX. 18 Aeth: za’enbalêhu. Das dürfte griechisch πλὴν αὐτοῦ; entsprechen, vgl. πλὴν ἐµοῦ; in Ex 20,3 LXX; Jes 45,5 LXX. 19 Vgl. Anm. 20.
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4,13 Und viele Gläubige und Heilige, wenn sie gesehen haben, welchen sie erhoffen, den Gekreuzigten, Ijâsus, den Herrn, Krestôs, nachdem ich, Îsâjejâs, den Gekreuzigten und Aufgestiegenen gesehen habe, und welche an ihn glauben – wenige von ihnen werden ihm in jenen Tagen als seine Diener übrig bleiben, indem sie von Einöde zu Einöde ziehen, und die Ankunft des Geliebten erwarten. 4,14 Nach ‘1332’20 Tagen aber wird der Herr mit seinen Engeln kommen und mit den Heerscharen der Heiligen aus dem siebten Himmel mit der Herrlichkeit des siebten Himmels, und er wird Belejâr in die Gahânam führen und ebenso seine Heerscharen. 4,15 Und er wird denen Ruhe bringen, die er im Fleisch vorfinden wird in dieser Welt, den Gottesfürchtigen des Guten. Und die Sonne wird erröten. 4,16 † Und alle, die um des Glaubens willen, welche Belejâr verflucht haben und seine Könige... † Und die Heiligen werden mit dem Herrn kommen, mit ihren Kleidern, die oben lagern, im siebten Himmel. Mit dem Herrn werden sie kommen. Die, deren Geister bekleidet sind, werden herabkommen und werden in der Welt sein. Und er wird die stärken, die im Fleisch vorgefunden werden mit den Heiligen, durch das Gewand der Heiligen. Und der Herr wird denjenigen dienen, die gewacht haben in dieser Welt. 4,17 Und danach werden sie zurückgebracht werden in ihre Kleider, nach oben hin, und ihr Fleisch wird zurückgelassen werden in dieser Welt. 4,18 Dann wird die Stimme des Geliebten in Zorn diesen Himmel ausschelten und dieses Festland und die Berge und die Hügel und die Städte und die Wüste und die Bäume und den Engel der Sonne und den des Mondes und alles, wodurch Belejâr sich sehen ließ und öffentlich handelte in dieser Welt. Und es wird die Auferstehung sein
20 Die Zahl 1332 wird gewonnen, indem man dem Zahlzeichen ወ፴ወ፪ in Zeuge A ein ፲ወ ወ voransetzt, vgl. DILLMANN, Ascensio (s. Anm. 16) 18–19; 69. Würde man das Zahlzeichen ፪ durch das ähnlich aussehende ፭ ersetzen, dann hätte man die 1335 Tage von Dan 12,12. Aber es ist zu berücksichtigen, was in 4,12 über die Dauer der Herrschaft des Endtyrannen gesagt wird. Die dort erwähnten 3 Jahre, 7 Monate und 27 Tage ergeben 1332 Tage, wenn man für ein Jahr 365 und für einen Monat 30 Tage rechnet. Die 1332 Tage hier und die Zahl dort erscheinen also aufeinander abgestimmt, und das erschwert die Rückführung des Textes auf Dan 12,12.
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und das Gericht unter ihnen in jenen Tagen. Und der Geliebte wird Feuerflammen aufsteigen lassen von ihm selbst her und (damit) alle Frevler verzehren, und sie werden sein, wie wenn sie nicht erschaffen worden wären. 4,19 Und die übrigen Worte des Gesichtes sind geschrieben in dem Gesicht über Bâbilôn. 4,20 Und die übrigen Gesichte des Herrn, siehe, sie sind geschrieben im Gleichnis in meiner Rede in dem, was in dem Buch geschrieben steht, das ich öffentlich prophezeit habe. 4,21 Und das Herabsteigen des Geliebten in die Hölle – siehe, sie sind geschrieben in dem Abschnitt, in dem der Herr sagt: „Siehe, es erkennt mein Sohn“. Und all dieses ist geschrieben in den Psalmen – in den Parabolai des Dâvit, des Sohnes Esaj, und in den Parabolai des Salômôn, seines Sohnes, und in den Worten des Qôrê und des Êtân, des Israeliten, und in den Worten des Asâf und in den übrigen Psalmen, die der Engel des Geistes redete, 4,22 in denen, welchen kein Name beigeschrieben ist, und in den Worten des Amôṣ, meines Vaters, und des Hôsê‘, des Propheten, und des Mikejâs und des Îjô’êl und des Nâḥôm und des Jônâs und des Ebdejô und des Enbâqôm und des Ḥagê und des Safônejâs und des Zakârejas und des Melkîjâs und in den Worten des Jôsêf, des Gerechten, und in den Worten des Dân’êl.
3 Das Profil des Endtyrannen in Asc Isa 4,1–22 Im Vordergrund der hier geschilderten Endzeitweissagung steht – zunächst – ein als endzeitlicher Weltherrscher agierender König, der unmittelbar vor der Parusie Christi auftritt und von diesem schließlich besiegt wird. Um diesen Akteur soll es in der vorliegenden Arbeit gehen. Er ist funktional äquivalent mit anderen Gestalten, die für den endzeitlichen Weltherrscher stehen, vgl. das „andere kleine Horn“ in Dan 7,8, den „Menschen der Gesetzlosigkeit“ (ἄνθρωπος τῆς ἀνοµίας) in 2Thess 2,3, das Tier aus dem Meere in Apk 13,1, das „nebenher aufschießenden Horn“ (κέρας παραφυάδιον) in Barn 4,5 sowie den Antichristen bei Irenäus, Adversus Haereses 5,25–30 und Hippolyt (in De Christo et Antichristo und im Danielkommentar). Alle diese Gestalten lassen sich neutral unter dem Begriff „Endtyrann“ zusammenfassen; vom Antichrist und Nero redivivus oder Nero rediturus sollte erst dann die Rede sein, wenn die betreffende Gestalt unzweifelhaft dahingehend zu identifizieren ist. Das ist hier der Fall; der Endtyrann der Asc Isa ist – wie wir sehen werden – zugleich Nero. Doch
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bleiben wir erst einmal bei dem neutralen Begriff. Wie ist der Endtyrann in Asc Isa 4,1–22 nun im Einzelnen profiliert? 3.1 Er ist Beliar. Damit ist der Endtyrann nicht einfach nur ein König, sondern identisch mit Beliar, dem „Engel der Gewalttätigkeit der Herrschaft dieser Welt“ (Asc Isa 2,4), der diese laut Asc Isa 4,2 in der Gewalt hatte, seitdem sie bestand. Seit je liegt also die Welt unter der Herrschaft eines bösen Engels, der endzeitlich als ein weltbeherrschender König manifest wird. Dieser Engel wiederum ist deutlich erkennbar eine Satansgestalt, da er etwa König Manasse durch diabolische Inspiration zu gesetzlosem Handeln anregt (vgl. Asc Isa 2,4). Er steht dabei in einem schwer zu klärendem Verhältnis zu Samael, der in der Asc Isa ebenfalls für die satanische Macht figuriert.21 Wenn Beliar nun hier als Endtyrann auftritt, so kann dies paulinische Hintergründe haben: In 2Thess 2,3 heißt der Endtyrann ὁ ἄνθρωπος τῆς ἀνοµίας, und ἀνοµία steht in 2Kor 6,14–15 parallel mit Βελιάρ. Vielleicht ist es auch kein Zufall, dass die Asc Isa die vom hebräischen בליעלabweichende Form Βελιάρ hat (mit Liquidadissimilation /l/ > /r/), die auch der paulinische Text in 1Kor 6,15 bietet. Angesichts des in der Asc Isa auch sonst zu beobachtenden Paulinismus22 kann durchaus angenommen werden, dass die Asc Isa hier von 1Kor 6,15 abhängig ist. Traditionsgeschichtlich könnte auch von Bedeutung sein, dass etwa in 1QM Belial mit der universalen Feindmacht der Endzeit assoziiert erscheint, vgl. 1QM 1,1.5.13; 15,3.13; 16,18; 18,1.3. Jüdische Traditionseinflüsse, die nicht erkennbar christlich vermittelt sind und vielleicht direktem Kontakt mit einem jüdischen Milieu entstammen, sind gerade in der Asc Isa gut denkbar: Sie hat höchstwahrscheinlich eine jüdische Tradition vom Martyrium Jesajas aufgenommen23 und regt mit ihrer onomastischen Arbeit zu der Frage an, ob bei der Abfassung Hebräischkenntnisse zur Verfügung standen, die über ein gelehrtes Wissen aus zweiter Hand hinausgingen, etwa wenn sie Samael mit dem Eponym malkirâ (= )מלכי־רעbelegt.24 3.2 Er ist Nero. Dies wird dem Leser durch Hinweise angedeutet, die er kaum anders verstehen kann: Der endzeitliche König ist ein Muttermörder (Asc Isa 4,2). Diese Prädikation ist Nero schon zu seiner Zeit als römischer Kaiser in paganen Kreisen zugewachsen, vgl. die bei Sueton, Nero 39,2 zitierte Propagandalyrik.25 Die Oracula Sibyllina kommen darauf immer wieder zu sprechen, vgl. Sib 4,121; 5,29–30; 5,142.145–146.26 Er ist zu21 22 23 24 25
Vgl. DOCHHORN, Ascensio (s. Anm. 2), 34–36. Vgl. ebd., 45f. Vgl. ebd., 29f. Vgl. ebd., 16. Vgl. den Text bei M. IHM, Suetonius, Vol. I: De Vita Caesarum Libri, Bibliotheca Scriptorum Graecorum et Romanorum Teubneriana, Stuttgart/Leipzig 1993, 249. 26 Zu den Oracula Sibyllina vgl. die Ausgabe J. G EFFCKEN, Die Oracula Sibyllina, GCS o.Z., Leipzig 1902.
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gleich der erste Christenverfolger; darauf wird in Asc Isa 4,2–3 hingewiesen.27 Er ist es auch, der einen der Zwölf, gemeint ist Petrus, getötet hat, vgl. Asc Isa 4,3; auch hier ist der Text in beiden Textzeugen etwas fehlerhaft.28 All diese Angaben referieren auf etwas, das in der erzählten Gegenwart (der Endzeit) schon Vergangenheit ist; sie haben also, wie so vieles in der Asc Isa, Exkurscharakter.29 Diesem Moment ist die Renominalisierung „dieser Engel“ in 4,4 geschuldet. Wie der zukünftige Nero in der Apk, als den wir wohl das Tier aus dem Meere identifizieren dürfen, ist der Nero der Asc Isa begleitet von Königen (Asc Isa 4,16 // Apk 17,12–14.16–17) und Heerscharen (Asc Isa 4,14 // Apk 19,19–21). Er agiert also eindeutig militärisch; dieser Zug tritt in den Sibyllinen noch stärker hervor (s.u.). Er lässt fernerhin ein Bildnis von sich aufstellen (Asc Isa 4,11); dies verbindet ihn ebenfalls mit dem kommenden Nero der Apk, vgl. Apk 13,14.15. Ein Unterschied besteht freilich darin, dass in der Apk von einem einzigen Bild und in der Asc Isa von mehreren Bildern Neros die Rede ist. Wahrscheinlich steht hier historische Realität im Hintergrund, die in der Apk noch stärker durchscheint: Nero hatte in Rom ein goldenes Haus mit einer Kolossalstatue seiner eigenen Person anfertigen lassen, vgl. etwa Suetonius, Nero 31,1–2.30 Eine Münze aus der Zeit des Severus Alexander zeigt den Koloss; er war also nicht ganz unprominent.31 Dem Nero der Asc Isa ist des Weiteren eine definite Wirkperiode zugeordnet, die funktional den 42 Monaten des Tieres in Apk 13,5 entspricht bzw. den mit diesen deckungsgleichen 1260 Tagen (12,6) bzw. den 3 1/2 Zeiten (12,14), in welchen die Frau (= Zion) vor dem Drachen in der Wüste bewahrt wird.32 Die Wirkperiode Neros beläuft sich laut Asc Isa 4,12.14 auf eine Dauer von 1332 Tagen bzw. 3 Jahren, 7 Monaten und 27 Tagen.33 27 Vgl. die in Anm. 10 dazu vorgetragene Konjektur (ohne die freilich der gleiche Sinn besteht, nur dass die Syntax gestört ist). 28 Vgl. Anm. 12. 29 Vgl. dazu DOCHHORN , Ascensio (s. Anm. 2), 2–6. 30 Text bei IHM, Suetonius (s. Anm. 25), 240–241. 31 Vgl. hierzu G.H. VAN KOOTEN, The Year oft the Four Emperors and the Revelation of John: The ‘Pro-Neronian’ Emperors Otho and Vitellius, and the Images and Colossus of Nero in Rome, JSNT 30 (2007), 205–248 (221–224). 32 Vorausgesetzt ist hier eine Auffassung zur Zeitökonomie von Apk 12 einerseits und Apk 13–19 andererseits, derzufolge in beiden Abschnitten die jeweils gleiche Zeitperiode (die zweite Hälfte der letzten Jahrwoche vor dem tausendjährigen Reich) thematisiert wird, einmal im Hinblick auf die satanische Hintergrundmacht (den Drachen) und das andere Mal im Hinblick auf dessen Akteure in der Endzeitgeschichte (die beiden Tiere). Vgl. jetzt eingehend J. DOCHHORN, Schriftgelehrte Prophetie. Der eschatologische Teufelsfall in Apc Joh 12 und seine Bedeutung für das Verständnis der Johannesoffenbarung, WUNT 268, Tübingen 2010, 130–137. 33 Vgl. Anm. 19 und 20.
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Welche Idee dieser Angabe zugrundeliegt, ist schwer zu ermitteln, aber es fällt eine gewisse Ähnlichkeit mit den 1335 Tagen in Dan 12,12 auf. 34 Vermutlich geht also die Zeitspanne in Asc Isa 4,12.14 auf Dan 12,12 zurück. Die 1335 Tage in Dan 12,12 stehen im Zusammenhang mit dem Konzept einer endzeitlichen Tyrannenherrschaft von einer halben Jahrwoche, also 3 1/2 Jahren, und dieses wiederum wird auch in den genannten Zeitangaben der Apokalypse verwirklicht (vgl. Dan 9,27θ und Dan 7,25: „eine Zeit, Zeiten und eine halbe Zeit“ // Apk 12,14). Relativ klar dürfte sein, dass Asc Isa 4,12.14 die Endzeitberechnung des Danielbuchs unabhängig von der Apk weiterverarbeitet hat: Drei Jahre, sieben Monate und 27 Tage (Asc Isa 4,12) lassen sich wohl niemals mit den 42 Monaten der Apokalypse zusammenreimen, und die Zahlen in 4,14 werden kaum auf die 1260 Tage in Apk 12,6 passen. Interessanterweise hat ihrerseits die Apk anders als die Asc Isa die Zeitangabe in Dan 12,12 nicht übernommen. Die Ascensio Isaiae und die Apokalypse gehen hier also – bei prinzipieller Übereinstimmung in der Sache – unterschiedliche Wege. Andere Züge, die dem zukünftig auftretenden Nero in anderen Überlieferungen zueigen sind, fehlen in Asc Isa 4,1–22. So bleibt jede Erwähnung einer Zerstörung Roms durch Nero aus, die sowohl in der Apk als auch in den Sibyllinen eine entscheidende Rolle spielt, vgl. Apk 17,16–17 und Sib 4,137–139; 8,139–150. Erst recht fehlen Reminiszenzen an eine Koalition Neros mit den Persern bzw. Parthern, die vor allem in den Sibyllinen begegnen, vgl. Sib 4,139; 5,143 (?).147–148; 5,363 (?); 8,146; sie haben etwas mit realen politischen Gegebenheiten zu tun, vgl. Tacitus, Historiae 1,235, wo von einem parthischen Interesse an einem falschen Nero die Rede ist; vgl. dazu Historiae 2,8–9.36 Gemessen an der Apk und erst recht an den Sibyllinen erscheint das Nero-Bild der Asc Isa so einigermaßen unpolitisch. Was das für den oder die Verfasser der Asc Isa – literatursoziologisch gesehen – bedeutet, kann in diesem Rahmen nicht erörtert werden. Wie lässt sich die Nero-Gestalt der Asc Isa näher bestimmen? Haben wir es mit einem Nero rediturus zu tun, der nicht gestorben ist und aus seinem Versteck wieder hervortritt, oder mit einem Nero redivivus, der aus dem Tod ins Leben tritt, wie etwa in Apk 13,3.14; 17,8.11 angedeutet? Nichts weist auf die zweite Variante hin, die übrigens auch in den Sibyllinen keine Rolle zu spielen scheint (allenfalls in Sib 5,33–34) und damit offenbar – in der frühen Literatur – eher ein Spezifikum der Apk darstellt. Noch Laktanz übrigens bezeugt eine Nero Rediturus-Vorstellung, derzu34 35
S. Anm. 20. Vgl. den Text bei K. W ELLESLEY, Cornelii Taciti Libri qui Supersunt, Tomus II: Historiarum Libri, Bibliotheca Scriptorum Graecorum et Romanorum Teubneriana, Leipzig 1989, 2. 36 Text bei W ELLESLEY, Cornelii Taciti (s. Anm. 35), 45–46.
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folge Nero noch – in alter Frische – am Leben ist, vgl. De Mortibus Persecutorum 2,8 (CSEL 27,2/2,175): Quidam deliri credunt [illum] esse translatum ac vivum reservatum („Einige Wahnsinnige glauben, er sei entrückt und am Leben erhalten worden“). 3.3 Er imitiert Christus. Dies wird vor allem in Asc Isa 4,6 mitgeteilt, wo der äthiopische Text allerdings unter Korruptelverdacht steht. Im Zusammenhang mit Beliars Christusmimese ist von seinen Zeichen und Wundern die Rede (4,5) sowie davon, dass er auf den größeren Teil der Christen überzeugend wirkt (4,9). Das Motiv der Christusmimese verbindet die Endtyrannenfigur der Asc Isa mit der Antichristtradition, vgl. Hippolyt, De Christo et Antichristo 6: Κατὰ πάντα γὰρ ἐξοµοιοῦσθαι βούλεται ὁ πλάνος τῷ υἱῷ τοῦ θεοῦ („Nach allem nämlich will der Verführer dem Sohn Gottes ähnlich sein“)37, und mit anderen Erzählungen, die von einem als Christus auftretenden Endtyrannen berichten, vgl. Apocalypsis Eliae, Papyrus Chester Beatty 2018, p. 13, Z. 13–15: Fna[e]ire @nneHb[hue] [@n]tap[e]xrhstos [a]au Sat@n to[unes oureFmoou]t („Er wird die Dinge tun, die Christus tat, bis auf die Aufe[rweckung eines Tot]en“).38 Im Kontext ging es um Wundertaten; von diesen wird auch in Asc Isa 4 berichtet. Christusmimetisch ist auch der Nero redivivus der Apokalypse. Dies kommt vor allem darin zum Ausdruck, dass er, ähnlich wie Christus, nach dem Tod wieder ins Leben gekommen ist, vgl. die stichwortartig miteinander assoziierten Prädikationen in Apk 13,3.4; 17,8.11 (das Tier) einerseits und Apk 1,18; 2,8 (Christus) andererseits. Der Christusmimese Neros ist wohl ein wesentlicher, wenn nicht sogar der einzige, Grund dafür, dass er in der Apk, im Unterschied zu anderen Nero-Überlieferungen, als ein Redivivus auftritt: Auch Christus kehrt aus dem Tod ins Leben zurück! Erneut teilen die Apk und die Asc Isa ein Grundanliegen – hier Nero als Christusmimet –, gehen bei der Umsetzung aber unterschiedliche Wege. Der Hintergrund des Christusmimesemotivs wird in der Vorstellung von endzeitlich auftretenden „Pseudomessiassen“ (ψευδόχριστοι) liegen, wie sie in der synoptischen Apokalypse bezeugt ist, vgl. etwa Mk 13,22; gemeint sind wohl jüdische Messiasprätendenten, die man im 1. Jh. n.Chr. vielfach erlebte und daher auch für die Zukunft erwarten konnte, vgl. die bei Flavius Josephus genannten jüdischen Aufrührer mit der Selbstbezeichnung βασιλεύς aus dem 1. Jh. n.Chr. – Antiquitates 17,285 (namenlose Könige); Ant. 17,271–272 (᾿Ιούδας ᾿Εζεκίου); Ant. 17,273–277 (Σίµων δοῦλος ... ῾Ηρώδου τοῦ βασιλέως); Ant. 17,278–284 (᾿Αθρόγγης); Bellum 37 Vgl. den Text bei P. DE LAGARDE, Hippolyti Romani quae Feruntur Omnia Graece, Osnabrück 1966 (Nachdruck der Ausgabe 1858), 4–5. 38 Vgl. den Text bei A. P IETERSMA u.a., The Apocalypse of Elijah based on P. Chester Beatty 2018, SBL.PS 9, Chico, CA 1981, 44–45.
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Judaicum 2,433–440 (Μανάηµος); Bell. 4,503 ff. (bes. 510) (Σίµων ... υἱὸς Γιώρα).39 Eine Herleitung des Christusmimesemotivs aus der in Mk 13,22 bezeugten Erwartung falscher Messiasse legt sich nahe, weil die PseudoChristi dort unmittelbar vor der Wiederkunft Christi auftreten (vgl. Mk 13,24) – genauso wie der Antichrist bei Hippolyt, der Nero Rediturus in der Asc Isa und der Nero redivivus in der Apk. Bestätigt erscheint diese Vermutung durch die Apokalypse des Petrus, wo in Kap. 2 zunächst nach der Manier der synoptischen Apokalypse von Pseudomessiassen die Rede ist, dann aber mehr und mehr von einem Herrscher, der als Endtyrann agiert und sich als Jesus Christus ausgibt; anscheinend ist dem Erzähler hier die Erwartung von Pseudochristi unter der Hand zur Erwartung eines einzigen falschen Jesus Christus geworden.40 Das entscheidende Moment am Mimesemotiv scheint darin zu bestehen, dass der Christusmimet mit Christus verwechselt werden kann und damit auch für den Glaubensstand der Christen zu einer Gefahr wird, vgl. Asc Isa 4,9 und vielleicht auch Apk 13,7, wo von einem Sieg des Tieres über die Heiligen die Rede ist, was wohl ähnlich im „übertragenen“ Sinne zu verstehen ist wie die Rede vom siegenden Christen in den Sendschreiben (Apk 2–3). Das Moment einer gefährlichen Verwechselbarkeit ist schon in Mk 13,22 deutlich zu spüren. Eine die Forschung an der Asc Isa und der Apk gemeinsam bewegende Frage wird es sein, wie nun eigentlich Nero ein solches Motiv attrahieren konnte. Er war ein guter Schauspieler; das wird zumindest in den Sibyllinen vermerkt (vgl. Sib 5,141–142). Aber reicht das als Erklärung aus? Wir stehen hier vor der weit prinzipielleren Frage, wieso wir bei Nero eine Eigenschaft vorfinden, die in älterer christlicher Überlieferung jüdischen Messiasprätendenten zugeschrieben wird (s.o.). Warum kann Nero als ähnlich attraktiv imaginiert werden wie jüdische (Pseudo-) Messiasse? In traditionsgeschichtlich längerfristiger Perspektive betrachtet ist die Idee eines wiederkehrenden oder wiederauferstehenden Nero als Endtyrann wohl nicht zufällig eher eine Episode geblieben, mag es auch die eine oder
39 Zu den national-religiös motivierten Aufständen in Palästina, die freilich keineswegs durchgehend von einem Messiasprätendenten angeführt wurden, vgl. P. W. BARNETT, The Jewish Sign Prophets – A.D. 40–70. Their Intention and Origin, NTS 27 (1981), 679–697 (696 [Anm. 74]: jüdische „βασιλεῖς“ bei Josephus). Zu den Texten vgl. B. NIESE, Flavii Iosephi Opera, 7 Vol., Berlin 1887–1895 (Nachdruck: Berlin 1955). 40 Vgl. den (äthiopischen) Text bei S. GRÉBAUT , Littérature éthiopienne pseudoClémentine, Revue de l’Orient Chrétien 12 (1907), 139–151; 285–297; 380–392; 13 (1908), 166–180; 314–320; 15 (1910), 198–214; 307–323; 425–439 (speziell: 15 [1910], 200) und die Übersetzung bei C. D. G. MÜLLER, Offenbarung des Petrus, in: W. Schneemelcher, Neutestamentliche Apokryphen in deutscher Übersetzung, II. Band: Apostolisches, Apokalypsen und Verwandtes, Tübingen 51989, 562–578 (567).
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andere Nachwirkung dieser Tradition gegeben haben.41 Schon gegen Ende des zweiten Jahrhunderts dominiert eine andere Endtyrannengestalt, nämlich der Antichrist, wie wir ihn vor allem bei Irenäus und Hippolyt finden, und dieser Antichrist ist ein Jude.42 3.4 Er erhebt den Anspruch, der eine Gott zu sein, an den Israel glaubt. Er formuliert diesen Anspruch mit einem Satz, der typische Parolen des biblischen Monotheismus aufnimmt: „Ich bin Gott, und vor mir ist keiner, auch nicht einer“ in Asc Isa 4,6 erinnert an Jes 45,6 LXX: ᾿Εγὼ κύριος ὁ θεὸς, καὶ οὐκ ἔστιν ἔτι („Ich bin der Herr, der Gott, und darüber hinaus ist keiner sonst“) und an Dtn 5,7 LXX: 6 ᾿Εγὼ κύριος ὁ θεός σου ... 7 Οὐκ ἔσονταί σοι θεοὶ ἕτεροι πρὸ προσώπου µου („6 Ich bin der Herr, dein Gott ... 7 Nicht sollen Dir sein andere Götter vor meinem Angesicht“). Letzterer Bibelstelle dürfte das „vor mir“ (emqedmeja) im äthiopischen Text geschuldet sein. Mit ganz ähnlichen Worten wird der Anspruch des Endtyrannen von seinen Anhängern bestätigt: „Dieser ist Gott und außer ihm ist kein anderer“ sagen sie laut Asc Isa 4,8, und das gemahnt an Jes 45,5 LXX: ᾿Εγὼ κύριος ὁ θεὸς, καὶ οὐκ ἔστιν ἔτι πλὴν ἐµοῦ θεός („Ich bin Gott der Herr, und es ist außer mir sonst kein Gott“) und Ex 20,2–3 LXX: 2 ᾿Εγώ εἰµι κύριος ὁ θεός σου ... 3 Οὐκ ἔσονταί σοι θεοὶ ἕτεροι πλὴν ἐµοῦ („2 Ich bin der Herr, dein Gott ... 3 Nicht sollen Dir sein andere Götter außer mir“). Dass sich der Endtyrann als der eine Gott ausgibt, ist nicht untypisch, tritt aber nicht in allen Endtyrannentraditionen hervor. Das Motiv erscheint geradezu dominant in 2Thess 2,1–11, vgl. 2,4, demzufolge sich der „Mensch der Gesetzlosigkeit“ in den Tempel Gottes setzt und den Anspruch erhebt, dass er Gott sei (ἀποδεικνύντα ἑαυτὸν ὅτι ἐστὶν θεός). Neben dem Göttlichkeitsanspruch findet das Motiv der Christusmimese in 2Thess 2,1–11 keinen Platz; dies dürfte eines der Spezifika des Textes sein (doch ist zu beachten, dass eventuell eine Gegenüberstellung Christi und Beliars im Hintergrund steht, vgl. 2Kor 6,14–15 [s.o.]). Belegt ist das Motiv auch in Sib 5,33–34, wo es über Nero heißt: 33 ᾿Αλλ᾿ ἔσται καὶ ἄιστος ὀλοίιος· εἶτ᾿ ἀνακάµψει 34 ἰσάζων θεῷ αὐτόν· ἐλέγξει δ᾿ οὔ µιν ἐόντα („33 Aber unerkannt wird er verderben. Dann kommt er wieder, 34 Gott sich gleichsetzend, der jedoch zeigen wird, dass er es nicht ist“). Die beiden Verse lassen sich problemlos aus dem Kontext lösen, in dem die Geschich-
41 Vgl. Laktanz, De Mortibus Persecutorum 2,8 (CSEL 27,2/2,175); Commodian, Instructionum Liber 1,41 (CChr.SL 128,33). 42 Bezeugt ist eine Harmonisierung von Nero Redivivus- und Antichrist-Vorstellung: Zuerst tritt Nero als paganer Endtyrann und dann der jüdische Antichrist auf, vgl. Commodian, Carmen de duobus Populis 823–936 (CChr.SL 128,103–109) und Sulpicius Severus, Chronicorum Liber II,28,1 (CSEL 1,82); Dialogus I,14 (CSEL 1,197).
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te der römischen Kaiser von Cäsar bis Hadrian prophezeit wird (Sib 5,10– 51). Sie dürften eine Interpolation sein. Für die Apokalypse hingegen lässt sich ein solcher Göttlichkeitsanspruch des Endtyrannen nicht ohne weiteres erweisen: Das Tier lästert Gott (13,6), ihm wird die Proskynese zuteil (13,8.12), und zwar speziell in Gestalt seines Bildes (13,15). Für den Monotheismus Israels stellt es damit eine Herausforderung dar, aber damit ist noch nicht gesagt, dass es beanspruchen würde, der Gott Israels zu sein. 3.5 Christus bereitet ihm ein Ende. Dies entspricht dem Schicksal, das den Endtyrannen gewohnheitsmäßig ereilt. Schon in Dan 7 wird er Opfer des Menschensohns. Zur Tötung des Endtyrannen durch Christus vgl. 2Thess 2,8 und – von 2Thess 2 abhängig – Justinus, Dialogus cum Tryphone 110,2.43 Auch die Apk bezeugt diese Vorstellung, vgl. Apk 19,11– 21. Ein Spezifikum sowohl der Asc Isa als auch der Apk ist die Verbringung des Endtyrannen an einen Unterweltsort, vgl. Asc Isa 4,14 // Apk 19,19–21. Dies sind die wohl wichtigsten Aspekte des Bildes vom Endtyrannen, wie er uns in Asc Isa 4 vor Augen tritt. Der hier prophetisch imaginierte Beliar alias Nero Rediturus ist freilich Teil eines weiteren Bezugsrahmens, der mit dem Makrokontext in Gestalt der Asc Isa als ganzer gegeben ist. Aufgrund dessen ergeben sich noch zwei weitere wichtige Aspekte dieser Gestalt, die nun in zwei abschließenden Kapiteln verhandelt werden sollen.
4 Der Endtyrann und die Geschichte der Pseudoprophetie in der Asc Isa Laut Asc Isa 4,13 werden unter der endzeitlichen Herrschaft Beliars wenige Gläubige übrig bleiben, die „von Einöde zu Einöde ziehen und auf die Ankunft des Geliebten hoffen werden“. In 4,16 werden darüber hinaus Martyrien angedeutet, bei denen die Märtyrer Beliar verfluchen. Dies jedenfalls steht zu vermuten; der äthiopische Text ist hier wohl verderbt. Mit der Flucht der Gläubigen und den Martyrien einschließlich des Märtyrerfluches wiederholt sich etwas, das es laut der Ascensio Isaiae schon vorher gegeben hatte: Auch Jesaja ist – mit anderen Propheten, die man namentlich aus der Bibel kennt –, in eine verlassene Gegend geflohen, näherhin ins Gebirge, wohl in der Nähe von Bethlehem, wo sie eine zivilationsferne Existenz führten (Asc Isa 2,9–11; vgl. Hebr 11,38). Der Grund war die Herrschaft eines von Beliar (Asc Isa 1,9) bzw. Samael (2,1) sata43 Vgl. den Text bei E. J. GOODSPEED, Die ältesten Apologeten. Texte mit kurzen Einleitungen, Göttingen 1914 (Nachdruck: 1984), 226.
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nisch inspirierten Königs, nämlich Manasses, in Jerusalem (vgl. 2,1–11). In der Einöde wird Jesaja mit seinen prophetischen Anhängern von einem falschen Propheten namens Belkirâ aufgespürt (2,12; 3,1; 3,6)44, der sie vor Manasse verklagt (3,6–10). Die Folge ist ein Martyrium Jesajas (5,1– 14), bei dem Jesaja jemanden verflucht (5,9), freilich ohne dass der Adressat ganz klar ist: Angeredet ist ausweislich Asc Isa 5,8 balkirâ, und diese – wohl verderbte – Namensform steht entweder für den Pseudopropheten belkirâ45 oder aber für den Namen malkirâ (= )מלכי־רע, der in Asc Isa 1,8 als Eponym der diabolischen Macht Samael erscheint. Eine ganz ähnliche Geschichte ist auch dieser vorhergegangen: Belkirâ entstammt einem Geschlecht, das schon vorher durch Pseudoprophetie aufgefallen war. Einer seiner Vorfahren ist nämlich Sedekias, der Sohn Chananas, der dem Propheten Micha eine Ohrfeige gegeben hatte (Asc Isa 2,12 // 1Kön 22,11.24). Micha – und ähnlich Elia – waren damals also mit pseudoprophetischen Vorfahren des Belkirâ konfrontiert. Als Folge ergaben sich Pressionen der von diesen Pseudopropheten beeinflussten Könige Ahab und Ahasja. Erzählt wird dies in einem Exkurs zur Familiengeschichte des Belkirâ in Asc Isa 2,12–16. Was diesem Text im Einzelnen zu entnehmen ist, kann hier nicht geklärt werden; die Textzeugen sind verderbt, können aber auf einen halbwegs verstehbaren Grundtext zurückgeführt werden. Bei allem Kampf mit dem Text, die Grundlinien sind klar: Es gibt eine Prophetie vor Jesaja und eine Prophetie zur Zeit des Jesaja, die beide jeweils mit pseudoprophetischen Gegnern konfrontiert sind und schließlich unterdrückt werden von Herrschern, die sich dem Einfluss der Pseudopropheten geöffnet haben. Diese Konstellation aber wiederholt sich in der Endzeit: Auch dort gibt es Propheten, die verfolgt werden und Martyrien erleiden. Freilich hat es den Anschein, dass in der Endzeit nur eine Gestalt die Gegner des Jesaja und seiner prophetischen Vorgänger vertritt. Der Endtyrann ist nämlich ein Herrscher, der Propheten verfolgt, er agiert aber auch selbst als Prophet: Seine Zeichen und Wunder, die in Asc Isa 4 mehrfach hervorgehoben werden (4,5.10), stellen ihn in die pseudoprophetische Traditionslinie. Dies zeigt sich durch den Vergleich mit der Apokalypse, wo sich das zweite Tier, in Apk 16,13 als der Pseudoprophet identifiziert, durch Zeichen und Wunder ausweist (vgl. Apk 13,11–13.14.15). Damit tut sich freilich erneut ein Unterschied zwischen der Asc Isa und der Apk auf: In der Apokalypse erscheint offenbar auch in der Zukunft 44 Belkirâ ist die in Asc Isa (aeth) dominierende Namensform; zur – textkritisch äußerst diffizilen – Überlieferung zum Namen des betreffenden Propheten vgl. DOCHHORN, Ascensio (s. Anm. 2), 32 (dort Anm. 49). 45 Vgl. Anm. 44.
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unterschieden, was in der Asc Isa nur in der Vergangenheit und in der erzählten Gegenwart des Jesaja unterschieden wird. Wenn die Asc Isa mit der Zusammenfassung von Pseudoprophetie und ungerechter Herrschaft in der Endzeit hier andere Wege geht als die Apokalypse, so findet sie darin vermutlich eine Parallele in 2Thess 2,1–12: Der „Mensch der Gesetzlosigkeit“ agiert eindeutig pseudoprophetisch (vgl. seine Zeichen und Wunder in 2Thess 2,9), andererseits aber wohl auch als Herrscher, wenn er sich in den Tempel Gottes setzt, vgl. 2Thess 2,4.46 Der Auftritt des Endtyrannen gehört in der Asc Isa also in den größeren Zusammenhang eines Konflikts, bei dem die Prophetie auf der einen Seite steht und die Pseudoprophetie, sekundiert von ungerechter Herrschaft, auf der anderen Seite. Entscheidend an diesem Konflikt ist, dass er sich auf unterschiedlichen Zeitebenen wiederholt, unter anderem in der Endzeit. Eine ganz ähnliche Konfliktgeschichte von Prophetie und Pseudoprophetie lässt sich nun interessanterweise auch in der Apokalypse feststellen; sie erscheint dort allerdings eher implizit angelegt: In der Endzeit figuriert das erste Tier für die ungerechte Herrschaft und das zweite Tier für die Pseudoprophetie; sie treten nebeneinander auf (vgl. Apk 13,8–18). Ihnen stehen die in Apk 11,3–13 erwähnten beiden prophetischen Zeugen gegenüber, die laut Apk 11,7 vom ersten Tier getötet werden; auch hier haben wir also – wie in der Asc Isa – ein Prophetenmartyrium. Der Pseudoprophet erweist sich als ein solcher unter anderem dadurch, dass er die beiden Zeugen von Apk 11,3–13 imitiert: Er lässt Feuer vom Himmel fallen (13,13), vgl. 11,4, wo Feuer vom Mund der beiden Zeugen ausgeht. Die beiden Zeugen sind Mose und Elia, die endzeitlich wiederkehren; ihre Identität ergibt sich aus ihren Strafwundern (das Feuerwunder in Apk 11,4 weist auf Elia, vgl. 1Kön 1,10, die Dürre in Apk 11,6 ebenfalls, vgl. 1Kön17,1, während die Verwandlung von Flusswasser in Blut auf Moses deutet, vgl. Ex 7,17). Eine durchgängig vergleichbare Konstellation findet der Seher Johannes aber auch in seiner Gegenwart vor: Seine prophetischen Gegner in den Gemeinden heißen Balaam (2,14) und Jezabel (2,20); ersterer trägt den Namen eines Pseudopropheten, der zur Zeit des Mose wirkte (zur negativen Beurteilung des Balaam in Apk 2,14 vgl. Num 25,1, das dort im Hintergrund steht), letztere den einer Gegnerin des Elia (vgl. z.B. 1Kön 19,1– 2). Damit ist implizit gesagt, dass Johannes sich in der Rolle des Elia und des Mose vorfindet. Dies aber bedeutet: In seiner gegenwärtigen Lage bildet sich diejenige der zukünftig zu erwartenden Prophetie ab, denn Mose und Elia sind es ja auch, die dereinst kommen werden! Und zugleich ist über die Vergangenheit gesagt, dass es mit der Antinomie Mose : Balaam 46 Vgl. die Auslegung dieser Stelle bei Commodian, Instructionum Liber 1,41,13–14 (CChr.SL 128,34).
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und Elia : Jezabel eine solche Konstellation auch in der älteren Geschichte Israels gab. Auch die ungerechte Herrschaft erscheint in diese Konstellation einbezogen, und zwar tendenziell ganz ähnlich wie in der Asc Isa: Für die ungerechte Herrschaft in der Endzeit fungiert in der Apokalypse das erste Tier, und dieses steht einerseits an der Seite des Pseudopropheten (vgl. Apk 13,11ff) und ist andererseits der Mörder der beiden Zeugen (Apk 11,7). Was die Vergangenheit betrifft, so erscheint der Name eines Mose entgegensetzten Königs, nämlich des Moabiterkönigs Balak, unmittelbar neben Balaam. Ferner wird der Leser vermutlich wissen, dass Jezabel weniger Prophetin als eine Königin war, die Elia verfolgen ließ (vgl. 3. Reg 19,1– 2), also eben auch etwas mit einer der Prophetie entgegenstehenden Gewaltherrschaft zu tun hat. Vielleicht soll der Name Jezabel in Apk 2,20 eben gerade diese Assoziation wachrufen. Und in der Gegenwart fällt die Pseudoprophetie gerade dadurch auf, dass sie mit einer toleranten Haltung zur Götzenopferfleischproblematik (vgl. Apk 2,14.20) eine im Vergleich zu Johannes stärkere Nähe zur heidnischen Umwelt erkennen lässt. Das kann als Nähe zu einer antiprophetisch agierenden paganen Staatsgewalt aufgefasst werden; unmittelbar vor Apk 2,14 war von dem Blutzeugen Antipas die Rede (Apk 2,13); vgl. auch die in 2,10 erwähnte Gefangenlegung von Christen in Smyrna. Erneut lässt sich also eine Affinität zwischen der Apokalypse und der Asc Isa beobachten: Bei beiden erscheint der Auftritt des Endtyrannen eingebettet in eine epochenübergreifende Konfliktgeschichte von Prophetie und – seitens der ungerechten Herrschaft unterstützter – Pseudoprophetie. Das Konzept ist insoweit das gleiche, aber es wird doch sehr unterschiedlich umgesetzt; die Akteure sind ja auch weithin nicht dieselben – bis auf Nero und Elia. Es hat auch hier den Anschein, dass die Beziehungen zwischen der Asc Isa und der Apk eher traditionsgeschichtlicher als literargeschichtlicher Natur sind.
5 Der Endtyrann in Asc Isa 4 und die Satanologie der Asc Isa und des frühen Christentums Die Endtyrannengestalt ist in der Asc Isa Gegenstand einer satanologischen Interpretation geworden. Der Endtyrann, der wiederkehrende Nero, ist in ihr zugleich der satanische Herrscher dieser Welt, Beliar selbst (Asc Isa 4,1). Es ist für den Endtyrannen allerdings nicht von vornherein selbstverständlich, mit dem Satan derart in Beziehung gesetzt zu werden. Der Endtyrann im Danielbuch kommt ganz ohne „satanischen Überbau“ aus, und ähnliches scheint für die meisten Nero Rediturus-Belege der Sibylli-
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nen zu gelten, vgl. Sib 4,115–127; 5,33–34.137–154. 214–227.361–374; 8,70–72.88–92(?).139–159. Doch charakteristisch für die Entwicklung der Endtyrannenfigur – speziell im Christentum – ist etwas anderes: Man zeichnete ihn in den Rahmen eines dämonologisch bestimmten Weltbildes ein, und das heißt: Man assoziierte ihn mit dem Satan, freilich auf unterschiedliche Weise. So erfolgt in 2Thess 2,9 die „Parusie“ des „Menschen der Gesetzlosigkeit“ „entsprechend der Wirkkraft des Satans“ (κατ᾿ ἐνέργειαν τοῦ Σατανᾶ); er erscheint hier vom Satan deutlich geschieden, aber sein endzeitliches Auftreten wird vom diesem her erklärt. Ähnlich verhält es sich in der Apk: Das Tier aus dem Meere, der Endtyrann, ist deutlich nach dem in Apk 12–19 als Drachen auftretenden Satan modelliert; es hat wie dieser sieben Köpfe und zehn Hörner, vgl. Apk 13,1 // 12,2–3. Der Drache gibt ihm seine Kraft und seinen Thron (13,2b), und empfängt wie das Tier die Proskynese, weil es ihm seine Macht gegeben hat (13,3b–4). Identisch sind Endtyrann und Satan allerdings auch hier nicht. Diese Idee ist offenbar für die Asc Isa kennzeichnend, findet aber auch ihre Parallelen. Dies gilt zunächst einmal für einige Belege in den sibyllinischen Orakeln; sie sind freilich, bezogen auf diese, die Minderzahl: Sib 2,64–73 scheint Beliar und Nero Rediturus gleichzusetzen, Sib 2,167 spricht einfach von einem endzeitlich auftretenden Beliar, der Zeichen und Wunder tut, und in Sib 5,228–246 wird Nero dahingehend angeredet, dass er schon immer die Ursache für das Verderben der Menschen gewesen sei. Vielleicht liegt hier der Gedanke von Asc Isa 4,1 vor, nämlich dass der wiederkehrende Nero genau derjenige ist, der schon immer das Böse in der Welt verursacht hat, eben Satan oder eine ihm nahestehende Geistmacht (Beliar steht ja in der Asc Isa möglicherweise neben Samael). Ein weiterer Text, der die Gleichsetzung von Satansfigur und Endtyrannen bezeugt, ist Apocalypsis Eliae, Papyrus Chester Beatty 20,18,15,12–20,47 vgl. Zeile 20, wo Mose und Elia dem falschen Christus die Worte entgegenschleudern: @ntook pdiabolos („du bist der Teufel“). In Kolumne 13,248 hieß diese Gestalt noch pShre @ntanomia („der Sohn der Gesetzlosigkeit“); das erinnert an ὁ ἄνθρωπος τῆς ἀνοµίας, ὁ υἱὸς τῆς ἀπωλείας in 2Thess 2,3; möglicherweise wurde in der Apokalypse des Elia oder in der ihr zugrundeliegenden Tradition eine – frühere – Korrelation von Satan und Endtyrann ersetzt durch eine – spätere – Identifikation. Die satanologische Deutung der Endtyrannengestalt blieb für die Satanologie selbst nicht ohne Folgen. Das ist auch unschwer zu verstehen. Führt man, was dem Endtyrannen zugeschrieben wird, auf den Satan zurück, so sagt dies natürlich einiges aus über den Endtyrannen, aber eben 47 48
Text bei PIETERSMA, Apocalypse (s. Anm. 38), 48f. Text bei ebd., 44.
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auch über den Satan. Es nimmt daher nicht Wunder, dass sich traditionsgeschichtlich des Öfteren eine Übertragung von Eigenschaften des Endtyrannen auf den Satan beobachten lässt. Dies kommt schon in der Apk zur Geltung: Dort fungiert der Drache als Archetyp des Tieres, aber traditionsgeschichtlich gesehen sieht es vielfach umgekehrt aus: Dafür etwa, dass der Drache sieben Köpfe hat, wird man in den biblischen Referenztexten, aus denen Apk 12 komponiert wurde, keine Ursache finden; man müsste schon zu einer ugaritischen Parallele Zuflucht nehmen (KTU I,5,1–3) oder zu siebenköpfigen Drachen in bQid 29b; Oden Salomos (syr) 22,549; Linker Ginza 3,950 aber dies alles liegt doch sehr weit entfernt von dem zu vermutenden Referenzwissen der Leser, die mit Richard Reitzenstein wohl nicht so viel gemein hatten. Anders verhält es sich mit dem Tier, das die Leser mindestens nach dem zweiten Lektüredurchgang kennen dürften: Dieses hat sieben Köpfe, weil Rom sieben Hügel hat und weil sieben römische Kaiser regieren müssen, bevor das Tier selbst als der achte und zugleich als einer von ihnen die Macht ergreift (Apk 17,9–11). Und so wird also der Drache sieben Köpfe haben, weil das Tier sieben Köpfe hat, und diese wiederum assoziieren ihn – unter anderem – mit der römischen Macht. Eine solche Assoziation des Satans mit römischer Macht ist dem Leser schon aus Apk 2,10 bekannt, wenn dort Gefängnisstrafen für Christen auf den Teufel zurückgeführt werden. Eine ähnliche Übertragung von Endtyrannenvorstellungen auf den Teufel kann auch anhand der Asc Isa beobachtet werden. Freilich geht es hier nicht so sehr um etwas, das in der Asc Isa selbst stattfände. Sie lässt eher den Ausgangspunkt für einen traditionsgeschichtlichen Prozess erkennen. Das macht die Sache nicht uninteressanter, zeigt sich damit doch einmal mehr die immense religionshistorische Bedeutung dieser Schrift. Ein auffälliges Merkmal des Endtyrannen in der Asc Isa besteht darin, dass er für sich in Anspruch nimmt, der eine Gott Israels zu sein (vgl. § 3,4). Dieses Merkmal ist freilich insofern nicht besonders charakteristisch, als es auch anderswo begegnet, etwa in 2Thess 2,1–11, speziell 1Thess 2,4. Sehr viel exzeptioneller erscheint indes die Tatsache, dass der Endtyrann diesen Anspruch mit Parolen kundtut, die an Selbstprädikationen des Gottes Israels in den heiligen Schriften gemahnen (Asc Isa 4,6; vgl. 4,8 – s. dazu § 3,4). Man hat sich also die Mühe gemacht, für den falschen Anspruch des Endtyrannen exegetisches Material aufzubieten, und dieses stammt zunächst einmal aus dem Dekalog, aber dann eben auch aus dem Jesajabuch, auf das die Asc Isa schließlich in besonderem Maße bezogen 49 Vgl. W. BAUER (Hg.), Die Oden Salomos, Kleine Texte für Vorlesungen und Übungen 64, Berlin 1933, 44–45. 50 Text bei M. LIDZBARSKI (Übers.), Ginzâ. Der Schatz oder: Das große Buch der Mandäer, Quellen der Religionsgeschichte 13,4, Göttingen 1925 (Nachdruck ebenda 1978).
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ist. Es sind näherhin Selbstprädikationen Gottes aus dem Kyrosorakel, die der Endtyrann auf sich bezieht, vgl. Jes 45,5.6. Doch noch ein weiterer Text spielt eine Rolle, freilich nur als Supplement: In Asc Isa 4,19–22 findet sich, wie in § 2 erwähnt, eine lange Liste von biblischen Texten, die mit der soeben vorgetragenen Prophetie des Jesaja konform gehen sollen. Als zweiter dieser Texte wird das Jesajabuch genannt (Asc Isa 4,20), als dritter das vierte Gottesknechtslied (Asc Isa 4,21). Als erster, und damit an der prominentesten Stelle erscheint jedoch „das Gesicht über Babîlôn“ (râ’eja bâbîlôn), vgl. Asc Isa 4,19. Da im Folgekontext zunächst einmal nur jesajanisches Material erwähnt wird, dürfte es sich bei diesem Gesicht über Babylon wohl ebenfalls um eine Prophetie Jesajas handeln. Und hier fällt der Blick auf Jes 13–14, das in der Septuaginta überschrieben ist mit den Worten ὅρασις, ἣν εἶδεν ᾿Ησαΐας υἱὸς ᾿Αµὼς κατὰ Βαβυλῶνος („Gesicht, das Jesaja, der Sohn des Amos, gegen Babylon sah“ – Jes 13,1). In diesem Text aber begegnet eine Selbstaussage des Königs von Babylon, die sehr gut zu einem Göttlichkeitsanspruch des Endtyrannen passt: In Jes 14,12–15 bekundet der König von Babylon, hier mit dem ἑωσφόρος („Morgenstern“) identifiziert, die Absicht, seinen Thron über den Sterne des Himmels zu errichten und dem Höchsten gleich zu sein. Wahrscheinlich ist speziell diese Perikope im Blick. Sie dürfte der Leserschaft schon als Belegtext bekannt gewesen sein; darauf deutet die Tatsache, dass Jes 13–14 nur als zusätzliche Referenz angedeutet wird, und dies eben auch nicht besonders explizit. Andere frühchristliche Schriftsteller bezeugen, dass man Jes 14,12–15 tatsächlich mit dem Endtyrannen in Verbindung bringen konnte; dies zeigt sich etwa bei Hippolyt, De Christo et Antichristo 1751; 5352, wo Jes 14,4– 21 bzw. Jes 14,12ff mit dem Antichristen in Verbindung gebracht wird, und bei Cyprian, Epistula 59,3 (CSEL 3/2,669), der Jes 14,12ff mit dem spiritus antichristi assoziiert; vgl. auch Cyprian, Ad Quirinum III,118 (CChr.SL 3,178) und Commodian, Instructionum Liber 1,41,1–2 (CChr.SL 128,33), wo sicher nicht ohne Grund Jes 14,16 auf den Endtyrannen bezogen wird (bei Cyprian ist es der Antichrist, bei Commodian vielleicht Nero redivivus, vielleicht ein von diesem zu unterscheidender Antichrist). Mindestens um 200 n.Chr. (Hippolyt) konnte man also Jes 14,12–15 auf den Endtyrannen deuten, und Asc Isa 4,19 ist vermutlich ein indirekter Beleg dafür, dass dies schon früher möglich war. Was hat dies nun mit der frühchristlichen Satanologie zu tun? Die Antwort ist relativ einfach: Beide Texte, sowohl Jes 14,12–15 als auch Jes 45,5.6, sind der Forschung primär aus anderen Zusammenhängen bekannt,
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Text bei LAGARDE, Hippolyti Romani quae Feruntur Omnia Graece (s. Anm. 37), 8–9. Text bei ebd., 27.
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die weniger an den Endtyrannen gemahnen als an die Urgeschichte des Teufels bzw. des gnostischen Demiurgen. Beginnen wir mit Überlieferungen über die Urgeschichte des Teufels: Jes 14,12–15 erscheint erstmalig klar datierbar bei Origenes als Beleg für die sogenannte Luziferlegende. Dieser zufolge ist der Teufel ein in der Urzeit gestürzter Engel, der kurz nach der Erschaffung der Welt auf den Gedanken kam, sich – den Worten in Jes 14,12–15 entsprechend – dem Höchsten gleichzumachen, und darum seinen Engelstatus verlor, vgl. Origenes, De Principiis 1,5,5.53 Der Text dürfte nach Hippolyt datieren und ebenso nach der Asc Isa, die man wohl in der Mitte des zweiten Jahrhunderts nach Christus anzusetzen hat.54 Damit legt sich die Annahme nahe, dass die Luziferlegende kaum sonderlich alt ist; es empfiehlt sich nicht, sie als Hintergrund älterer Teufelsfallsüberlieferung wie etwa derjenigen in Vita Adae 11–17 anzusetzen. Sehr viel plausibler erscheint es hingegen, sie als ein Derivat der Endtyrannenüberlieferung zu identifizieren, das nicht allzu viele Jahrzehnte vor Origenes entstanden sein dürfte. Das bedeutet: Ursprünglich bezog man Jes 14,12–15 auf den Endtyrannen; dies ist durch die Asc Isa etwa in der Mitte des 2. Jahrhunderts bezeugt. Mit der Zeit übertrug sich dann diese Anwendung auf den Satan, wie auch sonst Endtyrannenmaterial auf den Satan überging. Nachvollziehbar erscheint ein solcher Hergang schon deshalb, weil sich die Auslegung einer Unheilsweissagung über Babylon und seinen König auf den Endtyrannen immer dann anbot, wenn man Babylon mit Rom assoziierte und zugleich dem Endtyrannen eine – wie auch immer geartete – römische Identität zuschrieb. Beides geschah im frühen Christentum: Nero gemahnt natürlich an Rom, und selbst Irenäus kann noch die Zahl des Antichristen (666 nach Apk 13,18) auf den Namen Latinus deuten, vgl. Adversus Haereses 5,30,3,55 und zwar mit der Begründung, dass es jetzt ja die Lateiner seien, die regierten (Latini enim sunt qui nunc regnant). Und die Gleichsetzung von Babylon und Rom werden wir etwa in 1Petr 5,13; Apk 14,8; 16,19; 17,5; 18,2.10.21 vermuten dürfen, vielleicht auch in Sib 5,159–161. Damit hat Jes 14,12–15 also seinen „natürlichen“ Ort in der Endtyrannenüberlieferung; zu einem Belegtext einer protologisch orientierten Satanologie wurde diese Perikope erst sekundär. Ein ähnliches Szenario lässt sich für die gnostischen Mythen über den Demiurgen vermuten, in denen der böse Weltschöpfer – zu Unrecht – den Anspruch erhebt, er sei Gott und sonst keiner. Das in der Asc Isa bezeugte 53
Vgl. den Text bei P. K OETSCHAU, Origenes Werke, Fünfter Band: De Principiis (ΠΕΡΙ ΑΡΧΩΝ), GCS o.Z., Leipzig 1913, 75–78. 54 Vgl. DOCHHORN , Ascensio (s. Anm. 2), 23–26. 55 Text bei A. S TIEREN (Hg.), Sancti Irenaei Episcopi Lugdunensis quae Supersunt Omnia, Tomus I, Leipzig 1853.
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Material zum Endtyrannen erlaubt nämlich die Vermutung, dass sie ganz ähnliche Ursprünge haben wie die Luzifergeschichte: Sie könnten auf einer satanologischen Tradition gründen, die ihrerseits entstanden ist aus einer Auslegung der Ein-Gott-Parole des Kyrosorakels und des Dekalogs auf den Endtyrannen, wie wir sie in der Asc Isa finden, vgl. Asc Isa 4,6.8. Literaturgeschichtlich spricht wenig dagegen; keiner der gnostischen Belegtexte dürfte mit Gewissheit früher datieren als die Asc Isa. Skizziert werden soll der zu vermutende traditionsgeschichtliche Prozess im Folgenden anhand nur eines gnostischen Textes, nämlich der Hypostase der Archonten; mehr wird an anderer Stelle zu leisten sein: Ein traditionsgeschichtlicher Zusammenhang zwischen dem Demiurgmythos und der Satanologie legt sich zunächst einmal nahe, weil es in der Hypostase der Archonten Anzeichen dafür gibt, dass speziell die Aufnahme des Ein-Gott-Postulats durch den Demiurgen aus der satanologischen Tradition stammt. Der Demiurg heißt gerade dort, wo er seinen Göttlichkeitsanspruch formuliert, „Samael“ (samahl), vgl. NHC 2,94,25–26. Dies aber ist in der christlichen Tradition ein Teufelsname, nicht zuletzt in der Asc Isa! Und genau dieser Samael wird, nachdem er seinen Anspruch geäußert hat, von einem starken Engel gefesselt und in den Tartarus verbracht, vgl. NHC II,95,10–13. Das passt eigentlich wenig zu einem Weltschöpfer, wohl aber zum Satan, vgl. Apk 20,1–2. Zu den Indizien für einen satanologischen Hintergrund des Demiurgmythos in der Hypostase der Archonten gesellt sich ein weiterer Befund: Der Demiurg in der Hypostase nimmt für sich mit nahezu denselben Worten Göttlichkeit in Anspruch wie der Endtyrann der Asc Isa, vgl. Asc Isa 4,6.8. Dabei weisen die auf den Endtyrannen bezogenen Parolen in Asc Isa 4,6.8 und die des Demiurgen in der Hypostase der Archonten sprachliche Affinitäten auf, die sie von Jes 45,5.6 und den Parallelen im Dekalog unterscheiden: Die zur Rede stehenden Sätze in Asc Isa 4,6 („Ich bin Gott, und vor mir ist keiner, auch nicht einer“) und 4,8 („Dieser ist Gott und außer ihm ist kein anderer“) ähneln natürlich den biblischen Bezugstexten, aber am meisten ähneln sie – nicht zuletzt in ihrer plakativen Prägnanz – den Worten des Demiurgen in der Hypostase der Archonten, vgl. die Belege in NHC II,86,30–31: anok [pe p]noute m@n laau [aJnt] („ich bin Gott, keiner ist außer mir“) und NHC II,94,21–22: anok pe pnoute auw m@n Ge aJnt („ich bin Gott und nicht ist ein anderer außer mir“).56 Offenbar haben die Worte des Endtyrannen bzw. des Demiurgen sich schon, von den biblischen Texten ausgehend, zu einer mehr oder minder stehenden Redewendung, eben zu einer Parole entwickelt. 56
Vgl. Text und Übersetzung bei R.A. BULLARD, The Hypostasis of the Archons, in: B. Layton (Hg.), Nag Hammadi Codex II,2–7. Together with XIII, 2*, Brit. Lib. Or. 4926(1), and P.Oxy 1, 654, 655, NHS 20, Leiden etc. 1989, 219–259.
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Beide Befunde lassen sich wie folgt beschreiben: Es gibt im Demiurgmythos der Hypostase der Archonten Anklänge an die satanologische Tradition, von der eine gewisse Affinität zur Endtyrannenüberlieferung bekannt ist. Und es gibt Übereinstimmungen zwischen dem genannten Demiurgmythos und der Endtyrannenüberlieferung der Asc Isa in einem ganz entscheidenden Punkt, nämlich der Anwendung monotheistischer Parolen auf den Demiurgen bzw. Endtyrannen. Eine Zusammenschau beider Befunde legt die Annahme eines missing link nahe: Es gab eine satanologische Tradition, die den ursprünglich wie in Asc Isa 4,6.8 erhobenen Göttlichkeitsanspruch des Endtyrannen auf den Teufel bezog. Diese satanologische Tradition könnte zugleich auch das Luzifermotiv enthalten haben, so dass ihr Spezifikum also eine kombinatorische Lektüre des usurpatorischen Anspruchs in Jes 14,12 und der monotheistischen Postulate des Kyrosorakels und des Dekalogs war. Dies ist speziell deshalb zu vermuten, weil schon in der Endtyrannenüberlieferung, wie die Asc Isa sie bezeugt, Jes 14,12–15 und die monotheistischen Parolen aus dem Kyrosorakel bzw. dem Dekalog implizit nebeneinanderstehen, vgl. Asc Isa 4,6.8 und 4,19. Es gibt also einige Indizien dafür, dass der gnostische Demiurgmythos mit der Allusion an Jes 45,5.6 und den Dekalog aus der satanologischen Tradition geschöpft hat, und diese wiederum wird – ausweislich des Befundes in der Asc Isa – in dieser Sache von der Endtyrannentradition geprägt sein. Wahrscheinlich hat man zuerst Jes 14,12–15 auf den Endtyrannen bezogen und dann Jes 45,5.6 sowie die Parallelen aus dem Dekalog auf dem Wege einer kombinatorischen Lektüre mit Jes 14,12–15 verblendet. Danach wird die satanologische Umdeutung dieser exegetischen Tradition anzusetzen sein, die dann schließlich – im gnostischen Milieu – auf den Demiurgen übertragen wurde. Der besondere Wert der Asc Isa könnte darin liegen, dass sie uns den Ort zeigt, an dem das Kyrosorakel seine merkwürdige Karriere als Stichwortgeber für eine gegen Gott gerichtete Anmaßung begann: Es war zuerst der in Jes 14,12–15 »wiedererkannte« Endtyrann, der so redete, und darauf konnte man kommen im Rahmen einer eschatologischen Auslegung des Buches Jesaja, wie die Asc Isa sie uns bezeugt.
Konzepte
Von der Vision zur Redaktion Untersuchungen zur Komposition, Redaktion und Intention der Johannesapokalypse FRANZ TÓTH
1 Einleitung Die Johannesapokalypse hat endgültig das wissenschaftliche Interesse der neutestamentlichen exegetischen Fachwelt auf sich gezogen. Der Diskurs in der jüngeren Forschung zur Johannesapokalypse hat sich dabei gegenüber früheren Untersuchungen erheblich geweitet und neue hermeneutische Zugänge, exegetische Einsichten und rezeptionsgeschichtliche Entdeckungen hervorgebracht. Gleichzeitig brechen aber auch gerade in den jüngeren Publikationen – teilweise vergessene – Fragehorizonte und Problembereiche auf, die z.T. ganz neues Licht auf die Johannesapokalypse werfen. Hatte man mit einem Seitenblick auf die Einleitungs- und Kommentarwerke bisweilen den Eindruck, dass in Fragen zur Verfasserschaft,1 Abfassungszeit,2 (Entstehungs-)Situation (Sitz im Leben)3 und literarische 1 Es besteht in der Forschung weitgehend Konsens darüber, dass der Verfasser der Apk weder mit dem Apostel Johannes, dem Zebedaiden und Jesusjünger, noch mit dem Autor des vierten Evangeliums identisch ist, vielmehr dürfte es sich um einen sonst nicht weiter bekannten judenchristlichen (Wander)Propheten jüdischer Provenienz handeln, vgl. U. SCHNELLE, Einleitung in das Neue Testament, UTB 1830, Göttingen 72011, 547– 550; P. POKORNÝ/U. HECKEL, Einleitung in das Neue Testament. Seine Literatur und Theologie im Überblick, UTB 2798, Tübingen 2007, 612f.; S. SCHREIBER, Die Offenbarung des Johannes, in: M. Ebner/S. Schreiber (Hrg.), Einleitung in das Neue Testament, Studienbücher Theologie, Stuttgart 2008, 566–568; M. BACHMANN, Die Johannesoffenbarung, in: K.-W. Niebuhr (Hrg.), Grundinformation Neues Testament, UTB 2108, Göttingen 22003, 346–370 (357f.); A. SATAKE, Die Offenbarung des Johannes, KEK 16, Göttingen 2008, 32–44; P. PRIGENT , Commentary on the Apocalypse of St. John, Tübingen 2001, 36–50. 2 Zwar ist die Datierungsfrage ein immer wieder gern diskutiertes Thema, in den Standardeinleitungswerken und Kommentaren zur Johannesoffenbarung zeichnet sich freilich die Tendenz ab, die Johannesapokalypse in den Ausgang des 1. Jh. bzw. Anfang des 2. Jh. zu datieren (mit beharrlicher Sympathie für eine domitianische Zeit), vgl.
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Integrität4 eine gewisse Übereinkunft erzielt sei, so zeigt sich in der neueren Forschungstendenz ein verändertes Bild. So mehren sich ehemals vereinzelte Stimmen, die hinter dem Verfassernamen ein Pseudonym vermuten und damit das Buch als Ganzes als pseudepigraphisches Werk bewerten.5 Konnte sich noch die auf das äußere Zeugnis des Irenaeus (haer. V 30,3; vgl. Eus.h.e. III 18,1–3) stützende Datierung auf die (späte) Regierungszeit Domitians gegenüber einer teilweise hartnäckig vertretenen Frühdatierung der Apk – meist auf die neronische Zeit bzw. in das Vierkaiserjahr 68/69 n. Chr.6 – nahezu als Mehrheitsmeinung durchsetzen, so SCHNELLE, Einleitung (s. Anm. 1), 551f.; P OKORNÝ/HECKEL, Einleitung (s. Anm. 1), 613f.; SCHREIBER, Offenbarung (s. Anm. 1), 570; BACHMANN, Johannesoffenbarung (s. Anm. 1), 360–363; C. R. HOLLADAY, A Critical Introduction to the New Testament. Interpreting the Message and Meaning of Jesus Christ, Nashville 2005, 541f.; S ATAKE, Offenbarung (s. Anm. 1), 54–58; P RIGENT , Apocalypse (s. Anm. 1), 68–74; G. BEALE, The Book of Revelation. A Commentary on the Greek Text, NIGTC, Grand Rapids, MI 1999, 4–27; B. WITHERINGTON III, Revelation, The New Cambridge Bible Commentary, Cambridge 2003, 3–9. 3 In der Regel wird der Entstehungshintergrund der Johannesoffenbarung mit einer vermuteten, freilich nicht umfassenden, Christenverfolgung in Verbindung gebracht, die – neben den zeitlich und räumlich begrenzen Maßnahmen unter Nero – vor allem unter Domitian forciert worden wäre, vgl. S CHNELLE, Einleitung (s. Anm. 1), 551–555; W. M. RAMSAY, The Church in the Roman Empire before A.D. 170, London 81904. Nachdr. Boston 1978, 259.275; K. CUKROWSKI, The Influence of the Emperor Cult on the Book of Revelation, ResQ 45 (2003), 51–64 (60); H. ZIMMERMANN, Christus und die Kirche in den Sendschreiben der Apokalypse, in: O. Schilling/H. Zimmermann (Hrg.), Unio Christianorum (FS L. Jaeger), Paderborn 1962, 176–197 (185–189); C. J. HEMER, The Letters to the Seven Churches of Asia in their Local Setting, JSNT.S 11, Sheffield, 1986, 11; T. B. SLATER, On the Social Setting of the Revelation to John, NTS 44, 1998, 232–256. 4 Die Verarbeitung von mündlichen oder schriftlichen Quellen oder Traditionen vorausgesetzt, geht die Mehrheit der Forschung in der Regel von der literarischen Integrität der Apokalypse aus: U. B. MÜLLER, Die Offenbarung des Johannes, ÖTBK 19, Gütersloh 1984, 38–40; M. KARRER, Die Johannesoffenbarung als Brief. Studien zu ihrem literarischen, historischen und theologischen Ort, FRLANT 140, Göttingen 1986, 137f.; SCHNELLE, Einleitung (s. Anm. 1), 558f.; BEALE, Revelation (s. Anm. 2) diskutiert die literarkritische Frage erst gar nicht. P RIGENT , Apocalypse (s. Anm. 1), dagegen vertritt eine gemäßigte quellenkritische Position mit der Vermutung von lediglich zwei Editionsphasen. 5 Vgl. J. FREY, Erwägungen zum Verhältnis der Johannesapokalypse zu den übrigen Schriften des Corpus Johanneum, in: M. Hengel, Die johanneische Frage, WUNT 67, Tübingen 1993, 326–429 (425–427); J. BECKER, Erwägungen zu Fragen der neutestamentlichen Exegese, BZ NF 13 (1969), 99–102 (101f.); G. STRECKER, Literaturgeschichte des Neuen Testaments, UTB 1682, Göttingen 1992, 274f.; D ERS., Chiliasmus und Doketismus in der Johanneischen Schule, KuD 38 (1992), 30–46 (33); vgl. jetzt auch T. WITULSKI, Die Johannesoffenbarung und Kaiser Hadrian. Studien zur Datierung der neutestamentlichen Apokalypse, FRLANT 221, Göttingen 2007, 339–345. 6 Vgl. K. BERGER, Theologiegeschichte des Urchristentums. Theologie des Neuen Testaments, Tübingen/Basel 1994, 570f.; T. B. SLATER, Dating the Apocalypse to John,
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scheint diese opinio communis immer mehr zugunsten einer Spätdatierung auf die Zeit Trajans,7 wenn nicht gar Hadrians,8 zu bröckeln. Eine Ursache für die neuen Datierungsansätze liegt sicherlich auch in der neuen Bewertung zum Entstehungshintergrund der Johannesapokalypse, die eben nicht mehr pauschal von einer Verfolgungssituation ausgeht.9 Schließlich ist Bib 84 (2003), 252–258; K. L. GENTRY, Jr., Before Jerusalem Fell. Dating the Book of Revelation, Tyler, TX 1989; C. ROWLAND, The Open Heaven. A Study of Apocalyptic in Judaism and Early Christianity, London 1982, 266; R. A BRIGGS, Jewish Temple Imagery in the Book of Revelation, Studies in Biblical Literature, New York 1999; G. H. VAN KOOTEN, The Year of the Four Emperors and the Revelation of John: The ‘pro-Neronian’ Emperors Otho and Vitellius, and the Images and Colossus of Nero in Rome, JSNT 30 (2007), 205–248; R. MOBERLY, When was Revelation Conceived? Bib 73 (1992), 376– 393. Nach Moberley sind allerdings die Sendschreiben erst später nach dem Patmosaufenthalt des Sehers, wo er den eigentlichen apokalyptischen Corpus 4–22 im Winter 69 n.Chr. verfasst hätte, geschrieben worden, möglicherweise in den Anfangsjahren Trajans (S. 377.392f.). 7 Die Zeit Nervas bzw. besonders Trajans wird immer öfters ins Spiel gebracht, vgl. bereits H. KRAFT , Die Offenbarung des Johannes, HNT 16a, Tübingen 1974, 10.221f. (Kap. 13 und 17 Zeit Nervas 97/98 n.Chr.) und S. 93 (Sendschreiben Zeit Trajans zwischen 110 und 114/115 n.Chr.); A. REICHERT , Durchdachte Konfusion. Plinius, Trajan und das Christentum, ZNW 93 (2002), 227–250 (terminus post quem 112 n.Chr. orientiert sich an dem berühmten Brief des Plinius an Trajan ep. X 96f.); ferner J. W. TAEGER, Johannesapokalypse und Johanneischer Kreis, BZNW 51, Berlin/New York 1989, 22; M. GÜNTHER, Die Frühgeschichte des Christentums in Ephesus, ARGU 1, Frankfurt a. M. u.a. 1995, 130–133; FREY, Erwägungen (s. Anm. 5), 220.427 (zwischen 105 und 110 n.Chr.); A. HEINZE, Johannesapokalypse und johanneische Schriften. Forschungs- und traditionsgeschichtliche Untersuchungen, BWANT 142, Stuttgart u.a. 1998, 238–240; F. G. DOWNING, Pliny's Prosecutions of Christians. Revelation and 1 Peter, JSNT 34 (1988) 105–123; H. J. DE J ONGE, The Function of Religious Polemics: The Case of the Revelation of John versus the Imperial Cult, in: T. L. Hettema/A. van der Kooij (Hrg.), Religious Polemics in Context: Papers Presented to the Second International Conference of the Leiden Institute for the Study of Religions (LISOR) held at Leiden, 27 – 28 April 2000, Studies in Theology and Religion 11, Assen 2004, 276–290. 8 Vgl. L. KREITZER, The Roman Imperial Adventus Coinage of Hadrian and the Parousia of Christ, in: L. Kreitzer (Hrg.), Striking New Images. Roman Imperial Coinage and the New Testament World, Sheffield 1996, 212–219 (bes. S. 217f.: eine ursprünglich unter Domitian entstandene Apokalypse wäre später auf die Zeit Hadrians neu aktualisiert – Kreitzer denkt wohl besonders an Apk 13 und 17). Jüngst hat sich WITULSKI, Johannesoffenbarung (s. Anm. 5) in einer umfassenden Arbeit nachdrücklich für eine Datierung auf die Zeit Hadrians ca. zwischen 132 und 135 n.Chr. eingesetzt. Apk 13 und 17 gelten dabei als Schlüsseltexte, die nach Witulski als äußerst zeitnahe Deutung realpolitischer Ereignisse zu lesen sind: „Dem Kaiser Hadrian, dem Herrscher des imperium Romanum, dem ersten der beiden in Apk 13 beschriebenen θηρία, dem Kulminationspunkt der gottfeindlichen Hybris dieses Reiches, und dem Rhetor und Sophisten Antonius Polemon, dem zweiten der beiden θηρία, sagt er [der Verfasser der Johannesapokalypse] den baldigen Untergang voraus“. (S. 350). 9 So konstatieren H.-W. NEUDORFER/E. J. S CHNABEL, Das Studium des Neuen Testaments – Einführung in die Methoden der Exegese, Wuppertal 2006, 149: „Erkennt man
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auch die allzu optimistische Haltung, angesichts des offensichtlichen kompositionellen Gestaltungswillens des Apk-Verfassers, die Blütezeit der extremen Quellenhypothesen endgültig hinter sich gelassen zu haben, doch der Ernüchterung gewichen, dass zahlreiche Sprünge, Wiederholungen, retardierende Elemente, redaktionelle Bearbeitungen und die Übernahme von diversen Traditionsstoffen auf einen Wachstumsprozess schließen lassen, der letztlich doch wieder literar- und quellenkritische Erwägungen erfordert.10 Hilfreich erwies sich dabei die bereits von W. Bousset entwickelte Fragmentenhypothese.11 Darüber hinaus präsentieren sich Ansätze, die von einem Wachstumsprozess – möglicherweise in mehreren Schüben – des gesamten Werkes ausgehen, der entweder von einer Hand oder durch
aber in der reichsweiten Christenverfolgung des Domitian eine überholte wissenschaftliche Konstruktion, dann ergibt sich auch eine neue Offenheit für die Datierung der Johannesoffenbarung.“ Richtungweisend für die Neubewertung der domitianischen Herrschaft und einer vermeintlichen Christenverfolgung ist die Arbeit von L. L. THOMPSON, The Book of Revelation. Apocalypse and Empire, New York/Oxford 1990, 95–167. Davon ausgehend wurde die sich in der Offenbarung widerspiegelnde Krisensituation der Gläubigen ganz neu zu deuten versucht: als bloß empfundene Krise („perceived crisis“, so A. YARBRO COLLINS, Crisis and Catharsis. The Power of the Apocalypse, Philadelphia 1984, 84.71.106ff.) bzw. als kritische Bewertung einer „cognitive minority“ (T HOMPSON, aaO., 193-197) oder als innerchristliche Auseinandersetzung zwischen rivalisierenden Kreisen und Haltungen gegenüber dem Kaiserkult und dem paganen Umfeld (vgl. H.-J. KLAUCK, Das Sendschreiben nach Pergamon und der Kaiserkult in der Johannesoffenbarung, Bib 73 [1992], 153–182 [181f.]; P. B. DUFF, Who Rides the Beast. Prophetic Rivalry and the Rhetoric of Crisis in the Churches of the Apocalypse, Oxford 2001, 14f.). 10 Vgl. die Forschungsgeschichte bei D. E. AUNE, Revelation 1–5, WBC 52, Dallas 1997, cv–cxvii, und die Beobachtungen auf S. cxviii–cxxii; ferner jetzt T. J. BAUER, Das tausendjährige Messiasreich der Johannesoffenbarung. Eine literarkritische Studie zu Offb 19,11–21,8, BZNW 148, Berlin/New York 2007, 52–70; S ATAKE, Offenbarung (s. Anm. 1), 60.64–73. Vgl. auch S. MOYISE, Word Frequencies in the Book Revelation, AUSS 43,2 (2005) 285-299, der sich mit der These von R. Bauckham (Structure [s. Anm. 79], 1 Anm. 1: „The more Revelation is studied in detail, the more clear it becomes that it is not simply literary unity, but actually one of the most unified works in the New Testament. The evidence discussed in this chapter should be sufficient to refute theories which divide the book into disparate sources“) auseinandersetzt und zu einem gegenteiligen Resümee kommt: „far from proving that Revelation is ‘one of the most unified works in the New Testament,’ it adds weight to the view that the beginning and end were added to an already existing collection of visions.“ (391). 11 Vgl. W. BOUSSET , Die Offenbarung Johannis, KEK 6, Göttingen 1906, 116f.122– 129 (129): „Wir nehmen keine Grundschrift mit allmählichen Erweiterungen, keine Quellen und keinen mechanisch arbeitenden Redaktor an, sondern einen apokalyptischen Schriftsteller, der jedoch in vielen Punkten nicht aus freier Hand schuf, sondern ältere apokalyptische Fragmente und Überlieferungen, deren Überlieferung vorläufig noch dunkel bleibt, verarbeitete.“
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mehrere Verfasser/Editoren verantwortet sein soll.12 Je nach Gewichtung der textlichen Kohärenz und der Kompositionsdichte erfolgt entsprechend auch die theologische Würdigung der Apokalypse und die Beantwortung der Frage nach dem kommunikationsstrategischen Ziel und der rhetorischen Intention des Werkes.13 Es zeigt sich also eine bunte Palette unterschiedlicher Modelle und Bewertungen dieses wohl seit seiner Herausgabe fesselnden, aber auch sehr umstrittenen letzten Buches der Bibel. Ein Beitrag zur rhetorischen und theologischen Intention der Johannesapokalypse wird diese neueren Erkenntnisse und Tendenzen zu berücksichtigen haben, wenn sie nach der sachgemäßen Auslegung dieses komplexen Werkes fragt. Zu fragen ist zunächst nach den bestimmenden kompositorischen und theologischen Hauptlinien, nach dem roten Faden bzw. dem Cantus firmus, der das Werk als Ganzes strukturiert, dominiert und ihm den eigentümlichen Charakter verleiht, von dessen Ausstrahlungskraft die Wirkungsgeschichte bis heute zehrt. Gleichzeitig müssen textliche und thematische Kohärenzsprünge und das schriftstellerische Bemühen des Verfassers, verschiedene und heterogene Stoffe zu einem Gesamtentwurf zusammenzuführen, exegetisch gewürdigt werden. Entsprechend soll dieses apokalyptische Werk als Ganzes sowohl in synchroner als auch diachroner Hinsicht untersucht werden. Die Frage nach den theologischen Kerngedanken und gedanklichen Leitlinien sowie die Profilierung des zugrundeliegenden Makrokonzeptes stehen dabei ebenso im Vordergrund wie die Bestimmung der leseführenden Strategie des Verfassers und die damit verbundene Suche nach dem Sitz im Leben des Textes. Dabei wird es entscheidend darauf ankommen, den Problemhorizont des Werkes so konkret wie möglich zu bestimmen: Was also hat den Autor dazu verleitet – mehrfach – zur Feder zur greifen? In welche frühchristliche und realpolitische Situation ist die Schrift verortet und wie hat sich der Verfasser angesichts der Herausforderungen verstanden und präsentiert? Wie kann der (implizite) Leser und der Trägerkreis der Johannesoffenbarung näher konturiert werden? Und schließlich: Wie wirkt sich 12 Vgl. den ambitionierten Entwurf von A UNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 10), cxx– cxxxiv; in gemäßigter Form folgt P RIGENT , Apocalypse (s. Anm. 1), 21.25f. (mit der Annahme zweier Editionsschübe); auch S ATAKE, Offenbarung (s. Anm. 1), 59–73, baut letztlich auf Aunes Beobachtungen auf. Redaktionsgeschichtliche Erwägungen sind nun auch (wieder) in die Einleitungswissenschaft eingeflossen, vgl. H OLLADAY, Introduction (s. Anm. 2), 543f. 13 So hängt z.B. die Entscheidung über die kommunikationsstrategische Intention des Werkes u.a. davon ab, wie das Verhältnis zwischen den brieflichen Rahmenelementen (Apk 1,4–3,21; 22,21) und dem apokalyptischem Corpus (Apk 4–22) zu bewerten ist. Ähnlich richtungsweisend ist auch eine gattungskritische Bewertung der Johannesoffenbarung entweder als „Apokalypse“, „Prophetie“ oder „Brief“; vgl. die Diskussion bei AUNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 10), lxx–xc.
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die Beantwortung dieser Fragen auf eine sachgemäße Würdigung der theologischen Aussageintention der Johannesoffenbarung aus?
2 Synchrone Perspektiven 2.1 Die makrostrukturelle Komposition Überlegungen zur Makrostruktur der Johannesapokalypse und die Suche nach einer kohärenten Kompositionsgestalt gehören zu den schwierigsten, aber auch wichtigsten Voraussetzungen für eine angemessene Würdigung der theologischen Intention des Textes und der Aussageabsicht des Verfassers. Allerdings sind damit nicht unerhebliche Schwierigkeiten verbunden. Zutreffend ist daher die Bemerkung von A. Yarbro Collins: „There are almost as many outlines of the book as there are interpreters“.14 Entsprechend zahlreich und divergent fallen auch die makrostrukturellen Erhebungen zur Johannesapokalypse in der Forschung aus.15 Gerade die unterschiedlich ausfallenden Strukturvorschläge und die Problematik, in weiten Teilen des Buches einen einlinigen Handlungsablauf zu erkennen, mahnen zur Vorsicht gegenüber zu starren Systematisierungen. Gleichzeitig ist nicht zu verkennen, dass der Text einem bewussten Gestaltungswillen unterworfen ist und entsprechend von makrostrukturellen Signalen durchsetzt ist. Gerade dieser ambivalente Charakter des Textes muss bei der Strukturanalyse immer mit berücksichtigt werden. Strukturspezifische Kriterien16 für mögliche und exegetisch wichtige Schnittpunkte sind zunächst die offensichtlichen Siebenerreihen der Send14 A. YARBRO COLLINS, The Combat Myth in the Book of Revelation, HDR 9, Missoula 1976, 8. Ähnlich urteilt auch D. L. BARR, „The Apocalypse of John as Oral Enactment“, Int 40 (1986), 246–249.252–256 (43): „There are, unfortunately, nearly as many outlines of the apocalypse as there are commentators on it.“ 15 Vgl. die Diskussion der vielfältigen Strukturvorschläge in den Forschungsberichten bei F. D. MAZZAFERRI, The Genre of the Book of Revelation from a SourceCritical Perspective, BZNW 54, Berlin/New York 1989, 331–363.395f.; B. W. SNYDER, Combat Myth in the Apocalypse. The Liturgy of the Day of the Lord and the Dedication of the Heavenly Temple. Diss., Graduate Theological Union and University of California, Berkeley 1991, 44–99; J. A. MCLEAN, The Seventieth Week of Daniel 9:27 as a Literary Key for Understanding the Structure of the Apocalypse of John, Mellen Biblical Press Series 38, Lewiston, NY 1996, 259–303; U. VANNI, La Struttura Letteraria dell’ Apocalisse, Aloi 8, Roma 1971, 19–115; J. LAMBRECHT , A Structuration of Rev 4,1– 22,5, in: ders., (Hrg.), L’Apocalypse johannique et l’Apocalyptique dans le Nouveau Testament, Leuven 1980, 77–104. 16 Zur Erhebung von weiteren Kriterien vgl. E. S CHÜSSLER FIORENZA, Composition and Structure of the Book of Revelation, CBQ 39 (1977), 244–266 (358–366); K ARRER, Brief (s. Anm. 4), 225–228.
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schreiben (Apk 2–3), Siegel (Apk 6,1–17 + 8,1–6), Posaunen (Apk 8,1– 9,21 + 11,15–19) und Schalen (Apk 16,1–21),17 womit man eine erste grobe Gliederung (Apk 1–3; 4–7; 8–11; 15–16) erhält. Dabei heben sich freilich die Gemeindebriefe (Apk 2–3) vom großen Visionsblock Apk 4,1– 22,5 ab. Durch die Beauftragungsvision in 1,10–20 und die Querverweise auf das Neue Jerusalem wird dieser Briefteil allerdings wieder in den visionären Duktus eingegliedert (s.u.). Weiterhin sind hier die zwischen diesen Siebenerreihen eingeschobenen „Interludien“ bzw. „Zwischenstücke“18 zu nennen, die sich retardierend zwischen das sechste und siebte Element (außer in den Sendschreiben) schieben (Apk 7; 10–11,13; 16,15). Sprachliche, strukturelle und thematische Querverbindungen zwischen Apk 7 und Apk 14,1–13 (Thematisierung der 144000)19 lassen vermuten, dass es sich in Apk 14,1–13 ebenfalls im Charakter um eine Art Interludium handelt.20 Obgleich Apk 16,15 nur ein kurzer „Zwischenruf“ ist, so verrät doch der aus dem Kontext hervorstechende paränetische Stil den Interludiumscharakter des Verses. 21 17 Vgl. z.B. A. FARRER, A Rebirth of Images. The Making of St. John’s Apocalypse, Gloucester, MA 1970, 45, der die Siebenerreihen konkret als einzelne Blöcke definiert, wobei er freilich die fehlenden Textpassagen, die nicht durch die Siebenerzahl gegliedert sind, kurzerhand als zusätzliche Blöcke eingliedert, womit er eine sechsfache Unterteilung erhält: I: 7 Gemeinden (Apk 1–3); II: 7 Siegel (Apk 4–7); III: 7 Posaunen (8– 11,14); IV: ... (Apk 11,15–14,20); V: 7 Schalen (Apk 15–18); VI: ... (Apk 19–22). Zur Kritik vgl. YARBRO COLLINS, Combat (s. Anm. 14), 14ff. 18 Vgl. M. R ISSI, Die Hure Babylon und die Verführung der Heiligen. Eine Studie zur Apokalypse des Johannes, BWANT 136, Stuttgart u.a. 1995, 17–23; K. STRAND, The ‚Spotlight-On-Last-Events‘ Sections in the Book of Revelation, AUSS 27 (1989), 201– 221; DERS., The Eight Basic Visions in the Book of Revelation, AUSS 25 (1987), 107– 121; E. MÜLLER, Microstructural Analysis of Revelation 4–11, Andrews University Seminary Studies Dissertation Series 21, Berrien Springs, MI 1994, 250ff.377ff. (mit Lit); vgl. jetzt die umfassende Analyse von P. S. PERRY, The Rhetoric of Digression. Revelation 7:1–17 and 10:1–11:13 and Ancient Communication, WUNT II 268, Tübingen 2009, 29–105. 19 Vgl. P. HIRSCHBERG, Das eschatologische Israel. Untersuchungen zum Gottesvolkverständnis der Johannesoffenbarung, WMANT 84, Neukirchen-Vluyn 1999, 195– 200, der auf die enge textliche und thematische Verflochtenheit zwischen Apk 7 und 14 verweist. 20 Vgl. S TRAND, Spotlight (s. Anm. 18), 204.207ff.; vgl. auch P ERRY, Digression (s. Anm. 18), 247–249. 21 Apk 16,15 ist umstritten. Für E. LOHMEYER, Die Offenbarung des Johannes, HNT 16, Tübingen 31970, 136, ist V. 15 „nach Form und Inhalt an dieser Stelle unmöglich“; sein ursprünglicher Ort sollte hinter Apk 3,3 gesucht werden, dort hat er „sprachlich, metrisch und sachlich einen guten Platz“ (137); ähnlich auch R. H. CHARLES, A Critical and Exegtical Commentary on the Revelation of St. John, Bd. II, ICC, Edinburgh 1976, 49. D. E. AUNE, Revelation 6–16, WBC 52B, Nashville 1998, 896f., vermutet einen redaktionellen Eingriff der zweiten Edition. Ursprünglichkeit befürwortet weiterhin z.B. MÜLLER, Offenbarung (s. Anm. 4), 282; vgl. jetzt PERRY, Digression (s. Anm. 18), 245–
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Heben sich die vier Siebenerreihen (Sendschreiben, Siegel, Posaunen, Schalen) als einheitliche Textcorpora aus dem übrigen Textfluss hervor, so fällt auf, dass ihnen „himmlische Beauftragungsszenen“22 vorangehen, die gleichsam das irdische Geschehen präludieren. Zu nennen sind Apk 1,10– 20 (Menschensohn); Apk 4–5 (Thron und Lamm); Apk 8,1–6 (Räucheropfer), Apk 11,15–19 (Antiphonie und offener Tempel); Apk 14,14–15,8 (Menschensohn, Gerichtsengel und offener Tempel).23 Ist Apk 17f. als Gerichtsbild ähnlichen Stils wie die vorhergehenden Plagenzyklen zu verstehen, dann dürfte auch Apk 16,17–21 himmlischen Präludiumscharakter haben.24 Bleibende Fragen sind die schwer zu gliedernden Kapitel 17,1– 22,5.25 Die engen textlichen, thematischen und theologischen Rückbezüge zwischen Apk 19,1–10 und Apk 4–5 bzw. 11,15–19 lassen es naheliegend erscheinen, auch an dieser Stelle von einer Art himmlischen Abschlussbzw. Einführungsszene zu sprechen.26 Ähnliches kann wohl auch für die imposante Vision vom Kommen des Neuen Jerusalem aus dem Himmel und die einmalige Audition der Worte Gottes vom himmlischen Thron in Apk 21,1–8 gelten, die zahlreiche Bezugslinien zu den vorhergehenden Präludien aufweist und gleichzeitig in die Vision vom Neuen Jerusalem einführt.27 Gleichzeitig stellt die Vision vom Neuen Jerusalem in Kap. 21,1–22,5 aber auch eine Besonderheit dar, insofern hier das Neue Jerusa-
247, und die Diskussion bei H. W. GÜNTHER, Der Nah- und Enderwartungshorizont in der Apokalypse des heiligen Johannes, FB 41, Würzburg 1980, 152f. 22 Vgl. MÜLLER, Offenbarung (s. Anm. 4), 30. 23 Der Textabschnitt Apk 14,14–15,8 wird u.a. von einem immer wiederkehren Motiv zusammengehalten: dem Hervortreten von Engeln aus dem Tempel (bzw. Altar) in Apk 14,15.17.18; 15,6; vgl. F. TÓTH, Der himmlische Kult. Wirklichkeitskonstruktion und Sinnbildung in der Johannesoffenbarung, ABG 22, Leipzig 2006, 161. 24 Vgl. G. S TEVENSON, Power and Place. Temple and Identity in the Book of Revelation, BZNW 107, Berlin/New York 2001, 236; GÜNTHER, Enderwartungshorizont (s. Anm. 21), 211ff. 25 Zu den Abgrenzungsvorschlägen vgl. BEALE, Revelation (s. Anm. 2), 109. Nach Beale (108) ist in der Forschung bzgl. der Struktur der Kap. 1–16 ein gewisser Konsens zu verzeichnen; für den Rest der Apokalypse ist dagegen die Forschungslage umso disparater. 26 Vgl. AUNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 10), xcvii; K.-P. JÖRNS, Das hymnische Evangelium. Untersuchungen zu Aufbau, Funktion und Herkunft der hymnischen Stücke in der Johannesoffenbarung, SNT 5, Gütersloh 1971, 160. W. H. SHEA, Revelation 5 and 19 as Literary Reciprocals, AUSS 22 (1984), 249–257, verweist auf die engen strukturellen und thematischen Parallelen zwischen Apk 5 und 19,1–8. 27 Zum Charakter dieser Abschnitte als Kultszene vgl. J. P AULIEN , The Role of the Hebrew Cultus, Sanctuary, and Temple in the Plot and Structure of the Book of Revelation, AUSS 33 (1995), 245–264 (bes. 248); vgl. auch M ÜLLER, Offenbarung (s. Anm. 4), 349: „Der Abschnitt 21,1–8 hat die Funktion, die eschatologische Vollendung in ihrer Bedeutung für die irdische Gemeinde zu bestimmen, während 21,9–22,5 die Erscheinung des neuen Jerusalem näher beschreibt.“
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lem selbst kultische Züge trägt28 und wo nun Gott und das Lamm den Tempel bilden (Apk 21,22). „Die Bilder von Himmel und Erde“, so K. Backhaus, „werden dabei buchstäblich ineinandergeschoben (21,1f.). Diese Vollendung des Heils wird im Lauf der Visionszyklen unter verschiedenen Aspekten soteriologisch vorbereitet und vorweggenommen.“29 Jede der vorhergehenden Heiligtumsszenen ist dabei letztlich auf diese Abschlussvision hin konzipiert. Die zweite Hälfte der Apk (Kap. 17–22) lässt zwar eine erkennbare Strukturierung – zumindest in Form von Siebenerreihen – zunächst vermissen. Gleichwohl können durch analoge Textsignale zu dem vorhergehenden Kompositionsverlauf ähnliche Gestaltungstechniken auch in den restlichen Visionskorpora ausgemacht werden. So können, ähnlich den drei Engelsbotschaften in Apk 14,6–12 und dem „Zwischenruf“ in Apk 16,15, die drei Rufe in Kap. 18 (in thematischer Anlehnung an den dreifachen Gerichtsruf in Apk 14,6–13) und der Makarismus im Kontext von Apk 20,4–6 als mögliche „Zwischenstücke“ identifiziert werden.30 Von besonderer struktureller Relevanz für die Kap. 17–22 sind ferner die beiden Visionsabschnitte 17,1–19,10 und 21,9–22,9, die thematisch antithetisch und doch kompositorisch aufeinander bezogen sind; Einführung (17,1–3; 21,9f.) und Schlussteil (19,9f.; 22,6–9) beider Abschnitte entsprechen sich äußerst eng und inkludieren somit den Babylon- bzw. Neues JerusalemKomplex.31 28
Vgl. T. HOLTZ, Die Offenbarung des Johannes, NTD 11, Göttingen 2008, 137: „Allerdings hat die Stadt selbst Züge eines Tempels durch ihre Gestalt als die eines (riesigen) Kubus von gleicher Länge, Breite und Höhe, 21,16, wie andererseits der neue Tempel bei Ezechiel Züge einer Stadt aufweist (s. Ez 40,2, sowie ab 45).“; vgl. auch P. LEE, The New Jerusalem in the Book of Revelation. A Study of Revelation 21–22 in the Light of its Background in Jewish Tradition, WUNT II 129, Tübingen 2001, 283f.301–303. 29 K. BACKHAUS, Die Vision vom ganz Anderen. Geschichtlicher Ort und theologische Mitte der Johannes-Offenbarung, in: ders. (Hrg.), Theologie als Vision. Studien zur Johannes-Offenbarung, SBS 191, Stuttgart 2001, 10–53 (47). 30 Vgl. S TRAND, Spotlight (s. Anm. 18), 201–221; DERS., Eight Basic Visions (s. Anm. 18), 107–121, der ebenfalls in Apk 18,4–8.20 und in 20,6 Interludiumselemente erkennt. Nach PERRY, Digression (s. Anm. 18), 246f., ist der ganze Abschnitt Apk 20,4–6 als „digression“ zu identifizieren. E. MÜLLER, Microstructural Analysis of Revelation 20, AUSS 37 (1999), 227–255 hebt dabei die zentrale mikrostrukturelle Position von Apk 20,4–6 im Kontext von Kap. 20 hervor. Nach B OUSSET , Offenbarung (s. Anm. 11), 438; AUNE, Revelation 17–22, WBC 52C, Nashville 1998, 1079.1084–1093; BAUER, Messiasreich (s. Anm. 10), 190–195 geht Apk 20,4–6 (bis auf kleinere Traditionsstoffe) auf den Letztredaktor bzw. den Verfasser des apokalyptischen Corpus zurück. 31 Vgl. die eingehende Studie von C. H. GIBLIN, Structural and Thematic Correlations in the Theology of Revelation 16–22, Bib 55 (1974), 487–504 (488f.491); C OLLINS, Combat (s. Anm. 12), 14f.; AUNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 10), xcv–xcvii; DERS., Revelation 17–22 (s. Anm. 30), 1019–1021.1143.1146; BAUER, Messiasreich (s. Anm. 10), 103–117.
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Bereits an dieser Stelle ist der Gestaltungswille des Verfassers zu erkennen. Vorherrschend ist ein wiederkehrender Vierer-Rhythmus von (1) Präludium/Postludium, (2) (Siebener-) Visionsreihe oder Visionsblock (3) Interludium und (4) wiederum Postludium/Präludium. Eine Ausnahme bildet hier offenbar der Textkomplex Apk 1–3, da hier von einem Interludium abgesehen ist und die Vision Apk 1,10–20 naturgemäß nur Präludiumcharakter hat. Eine mögliche zusammenfassende Gesamtschau ergäbe dann für die Kap. 1–22 eine Zuordnung wie sie im Darstellungsverzeichnis (Dar.1) zu finden ist. In dieser oktaedrischen Ordnung gehen den acht Visionsabschnitten (I– VIII) jeweils himmlische Einleitungsszenen voraus, die das Grundthema der nachfolgenden Ereignisse determinieren (Apk 1,10–20; 4–5; 8,1–6; 11,15–19; 14,14–15,8; 16,17–21; 19,1–10; 21,1–8). Gleichzeitig schließen diese Visionsszenen aber auch einen vorausgehenden Visionsblock oder eine Visionsreihe ab. Im Begriffspaar Postludium/Präludium soll die literarische Funktion dieser Scharniertexte zwischen den einzelnen Visionsreihen zum Ausdruck gebracht werden. Dieser Doppelcharakter der auch als himmlische Kultszenen zu bezeichnenden Textpartien wird noch eigens zu thematisieren sein (s. u.).32 Ein nahezu durchgängiges Kennzeichen der himmlischen Prä- bzw. Postludien ist, neben ihrem offensichtlich kultischen und einleitenden programmatischen Charakter (s.u.), die zu Beginn einer jeden Vision ertönende „laute Stimme“ (φωνὴ µεγάλη, im Singular oder Plural);33 allein in Apk 8,1 ist als akustisches Pendant zu den lauten Stimmen eine kurze Stille genannt. Ein weiteres stilistisches, freilich nicht durchgängiges Merkmal der Einleitungsvisionen ist die Wendung κύριος ὁ θεὸς ὁ παντοκράτωρ (4,8; 11,17; 15,3; 19,6; vgl. 21,22).34 32 In der vorliegenden Endgestalt der Johannesapokalypse hat auch Apk 4f. nicht nur einleitenden Charakter für die nachfolgenden Siegel, sondern durchaus auch eine Überleitungsfunktion im Kontext der vorhergehenden Sendschreiben: so bereitet Apk 3,21 auf Kap. 4f. vor, vgl. BEALE, Revelation (s. Anm. 2), 311f.; vgl. jetzt F. TAVO, The Structure of the Apocalypse. Re-Examining a Perennial Problem, NT 47 (2005), 47–68 (62). Zu den Einleitungsszenen vgl. auch die Makrostruktur bei A. LÄPPLE, Die Apokalypse nach Johannes. Ein Lebensbuch der Christenheit, München 1966, 56f., mit folgenden Einleitungsszenen: 1,9–20; 4,1–5,14; 8,2–6; 11,19; 15,1–16,1; 16,18–21; 19,6–10. 33 So Apk 1,10f. (ἤκουσα ὀπίσω µου φωνὴν µεγάλην); 4,1f.(ἡ φωνὴ ἡ πρώτη ἣν ἤκουσα); 11,15 (ἐγένοντο φωναὶ µεγάλαι); 14,15 (κράζων ἐν φωνῇ µεγάλη); 16,1 (ἤκουσα µεγάλης φωνῆς); 16,17 (ἐξῆλθεν φωνὴ µεγάλη); 19,1 (ἤκουσα ὡς φωνὴν µεγάλην); 21,3 (ἤκουσα φωνῆς µεγάλης). Da Apk 4,1 explizit auf die vorherige Stimme wie die einer Posaune zurückverweist, ist davon auszugehen, dass auch die Stimme in 4,1 als µεγάλη zu verstehen ist. 34 Außerhalb der Einleitungsvisionen kommt die Wendung nur noch in Apk 1,8; 16,7 und 21,22 vor; Apk 21,22 gehört in den Visionsrahmen vom Neuen Jerusalem und erhält dadurch eine besondere Qualität.
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Auch die sog. Interludien zeichnen sich durch besondere charakteristische Eigenschaften aus. Die µακάριος-Zusagen finden sich neben dem Eröffnungs- und Abschlussteil des Buches (Apk 1,3; 22,7.14) – und außer in Apk 19,9 (in einer Einleitungsvision) – sonst nur noch in den Zwischenstücken 14,13; 16,15; 20,6. Die in 14,13; 16,15; 18,1–3 und 20,6 erfolgten Rufe, z.T. als Makarismen, unterstreichen darüber hinaus die rezipientenorientierte Textstrategie dieser Abschnitte.35 Ein weiteres Merkmal dieser Visions- bzw. Auditionsperikopen ist ihr parenthetischer Charakter, der durch die Zwischenschaltungen innerhalb der Siebenerreihen in Kap. 7; 10,1–11,14 und 16,15 noch gut zu erkennen ist.36 Die Makrostruktur der Apokalypse präsentiert somit im visionären Textkorpus einen durchdachten Kompositionswillen, der bestrebt ist, die einzelnen zwischen Himmel und Erde alternierenden Visionen in eine kosmologische Konzeption kultischer Prägung einzufangen. Jede der großen Siebenerreihen (Sendschreiben, Siegel, Posaunen und Schalen) und die weiteren Visionsblöcke werden von himmlischen Kultszenen eröffnet, aus denen z.T. zahlreiche Hymnen erklingen (Apk 4,8c; 4,11; 5,9b– 10.12b.13b; 11,15b.17f.; 15,3b–4; 19,1b–2.5b.6b–8;).37 Von diesen himmlischen Präludien her wird erst die theologische Tiefendimension der in den Siebenerreihen und Visionsblöcken geschilderten irdischen Abläufe verständlich. Die Geschichte der Erde steht im Zeichen himmlischer, konkret kultischer Vorgänge (vgl. Dar. 2). Der Kompositionswille des Verfassers äußert sich nicht nur durch dieses alternierende Spiel von Prä- bzw. Postludium, Visionsreihe und Interludium, vielmehr werden diese einzelnen Blöcke (I–VIII) auch intratextuell zueinander in Beziehung gesetzt, so dass sich letztlich eine beeindruckende chiastische Makrokomposition offenbart.38
35 36
Vgl. KARRER, Brief (s. Anm. 4), 224–248 (bes. 230). Vgl. jetzt die umfassende Analyse von P ERRY, Digressions (s. Anm. 18), 52– 105.209–249; Perry bietet zudem sowohl einen guten Forschungsüberblick über die divergierenden Bezeichnung für diese rhetorische Stilfigur (32–52) als auch eingehende Parallelen zur antiken Literatur (106–208). 37 Vgl. J ÖRNS, Evangelium (s. Anm. 26), 19f.; zum kultischen Hintergrund dieser Szenen vgl. TÓTH, Kult (s. Anm. 23), 177–492. 38 Vgl. TÓTH, Kult (s. Anm. 23), 162f.; ähnliche chiastische Makrostrukturen entwickeln u.a. K. A. STRAND, Interpreting the Book of Revelation. Hermeneutical Guidelines. With Brief Introduction to Literary Analysis. Naples, FL 21979, 43–59; N. W. LUND, Chiasmus in the New Testament. A Study in Formgeschichte, Chapel Hill 1942, 325f.; E. SCHÜSSLER FIORENZA, Das Buch der Offenbarung. Vision einer gerechten Welt, Stuttgart u.a. 1994, 55–58.
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2.2 Die makrostrukturelle Intratextualität Nicht nur die makrostrukturelle Komposition weist eine hohe Strukturdichte auf, vielmehr zeigen auch die himmlischen Kult- bzw. Heiligtumsszenen unter sich eine starke intratextuelle Verflechtung. Ausgangspunkt der dynamischen Entfaltung des kosmologischen Konzeptes ist die ausladende Tempel- und Thronvision in Apk 4f. J. Roloff ist Recht zu geben, wenn er die Thronsaalvision in Apk 4–5 „als das den gesamten zweiten Hauptteil beherrschende Zentrum“39 bezeichnet. Zeigt sich doch mittels der engen Verflechtung der einzelnen Kultszenen eine übergreifende, auf Apk 4–5 zurückreichende Tempelszenerie. Nachfolgend sollen die auffälligsten sprachlichen und thematischen Bezugslinien zwischen Apk 4–5 und den restlichen Kultszenen präsentiert werden, die in besonderer Weise die literarische Kohärenz des apokalyptischen Corpus unterstreichen. Die sich nach Apk 4–5 anschließende nächste Kultszene erfolgt im Rahmen der Öffnung des siebten Siegels (Apk 8,1–6). Bereits durch die Schilderung der siebten und letzten Siegelbrechung durch das Lamm wird unweigerlich auf die Eröffnungsszene in Apk 4–5 bzw. 6,1 zurückverwiesen. Ferner findet sich allein in Apk 5,8 und 8,3f. die Wendung „Gebete der Heiligen“. Außer in Apk 18,13 kommt schließlich θυµίαµα nur noch in Apk 5,8 und 8,3f. vor.40 Zahlreiche Parallelen finden sich auch zwischen der siebten Posaune (bis einschließlich V. 19) und Apk 4–5. So greift die in V. 19 verwendete Formulierung ἠνοίγη ὁ ναὸς τοῦ θεοῦ ὁ ἐν τῷ οὐρανῶ ebenso auf die Eröffnungsworte der Thronvision in Apk 4,1 zurück (θύρα ἠνεῳγµένη ἐν τῷ οὐρανῶ)41 wie das Anbetungsmotiv der 24 Ältesten und die Antiphonien.42 39 40
J. ROLOFF, Die Offenbarung des Johannes, ZBK.NT 18, Zürich 1984, 24. Vgl. die Parallelen in systematischer Reihenfolge: (1) Lamm kommt (ἦλθεν) vor den Thron (5,6) / Engel kommt (ἦλθεν) vor den Altar, der vor dem Thron ist (8,3); (2) 24 Älteste haben goldene (χρυσοῦς) Schalen (5,8) / Engel hat goldenes (χρυσοῦς) Räucherfass; (3) 24 Älteste haben Räucherwerk (θυµίαµα) (5,8) / Engel hat Räucherwerk (θυµίαµα) (8,3); (4) Räucherwerk sind Gebete der Heiligen (αἱ προσευχαὶ τῶν ἁγίων) (5,8) / Räucherwerk mit den Gebeten der Heiligen (ταῖς προσευχαῖς τῶν ἁγίων) (8,4); (5) Lamm öffnet die Siegel (6,1ff.): Siebenerreihe / Sieben Posaunenengel beginnen zu blasen (8,6ff.): Siebenerreihe. Vgl. ferner die Theophaniemotive (ἀστραπαὶ καὶ φωναὶ καὶ βρονται) (4,5) / βρονταὶ καὶ φωναὶ καὶ ἀστραπαὶ καὶ σεισµός (8,5); 41 Vgl. MÜLLER, Analysis (s. Anm. 18), 330. 42 Vgl. J ÖRNS, Evangelium (s. Anm. 26), 97; KARRER, Brief (s. Anm. 4), 234f.241. Vgl. auch die Parallelen: (1) Tür geöffnet im Himmel (θύρα ἠνεῳγµένη ἐν τῷ οὐρανῶ) (4,1) / ἠνοίγη ὁ ναὸς τοῦ θεοῦ ὁ ἐν τῷ οὐρανῶ (11,19); (2) 24 Älteste sitzen auf Thronen (ἐπὶ τοὺς θρόνους εἴκοσι τέσσαρας πρεσβυτέρους καθηµένους) (4,4) / οἱ εἴκοσι τέσσαρες πρεσβύτεροι [οἱ] ἐνώπιον τοῦ θεοῦ καθήµενοι ἐπὶ τοὺς θρόνους αὐτῶν (11,16) (= invertierter Rekurs); (3) 24 Älteste beten an vor dem Thron (πεσοῦνται … καὶ προσκυνή-
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Das besondere Motiv des gläsernen Meeres (θάλασσα ὑαλίνη Apk 15,2; vgl. 4,6), die hymnischen Elemente und die abermalige Öffnung des himmlischen Tempels (15,5; 4,1; vgl. 11,19) sind nur einige der zahlreichen Elemente, die Apk 14,14–15,8 mit Apk 4–5 verbinden.43 Die siebte Schale bündelt als letzter Höhepunkt der Siebenerreihen verschiedene Motive aus den vorhergehenden himmlischen Tempelszenen, so z.B. der in 11,18 und 15,1.7 angekündigte und nun in der siebten Schale vollendete Zorn Gottes (16,19). Das hervorstechendste Wiedererkennungsmerkmal aber sind die seit Apk 4,5 allein (!) in den himmlischen Kultszenen genannten und sich steigernden Theophanieelemente Blitze, Stimmen, Donner, Erdbeben und Hagel, die nun abschließend und in umfassender Weise in der siebten Schale genannt werden.44 σουσιν) (4,10) / ἔπεσαν ἐπὶ τὰ πρόσωπα αὐτῶν καὶ προσεκύνησαν (11,16); (4) Herr, Gott, Allmächtiger (κύριος ὁ θεὸς ὁ παντοκράτωρ) (4,8) / κύριε ὁ θεὸς ὁ παντοκράτωρ (11,17); (5) Gottesprädikation (ὁ ἦν καὶ ὁ ὢν καὶ ὁ ἐρχόµενος) (4,8) / ὁ ὢν καὶ ὁ ἦν (11,17); (6) Machtergreifung (λαβεῖν τὴν δύναµιν) (4,11; 5,12) / εἴληφας τὴν δύναµίν σου (11,17); (7) Theophaniemotive (ἀστραπαὶ καὶ φωναὶ καὶ βρονταί) (4,5) / ἀστραπαὶ καὶ φωναὶ καὶ βρονταὶ καὶ σεισµὸς καὶ χάλαζα µεγάλη (11,19). 43 Vgl. die vielfältigen Parallelen: (1) goldene Siegeskränze (στέφανοι χρυσοῖ) (4,4) / στέφανος χρυσοῦς (14,14); (2) Gläsernes Meer (θάλασσα ὑαλίνη ὁµοία κρυστάλλῳ) (4,6) / θάλασσαν ὑαλίνην µεµιγµένην πυρί (15,2); (3) Überwinder (νικάω) (5,5) / νικάω (15,2); (4) 24 Älteste haben Harfen (κιθάρα) (5,8) / Überwinder haben Harfen (κιθάρα) (15,2); (5) Älteste und Wesen „singen ein neues Lied“ (ᾄδουσιν ᾠδὴν καινὴν λέγοντες) (5,9) / Überwinder singen ein Lied (ᾄδουσιν τὴν ᾠδὴν Μωϋσέως τοῦ δούλου τοῦ θεοῦ καὶ τὴν ᾠδὴν τοῦ ἀρνίου λέγοντες) (15,3; vgl. das neue Lied in 14,3); (6) Gott der Herr, der Allmächtige (κύριος ὁ θεὸς ὁ παντοκράτωρ) (4,8) / κύριε ὁ θεὸς ὁ παντοκράτωρ (15,3); (7) Himmlische Wesen beten an (προσκυνέω) (4,10; 5,14) / Nationen werden anbeten (προσκυνέω) (15,4); (8) Tür geöffnet im Himmel (θύρα ἠνεῳγµένη ἐν τῷ οὐρανῶ) (4,1) / Tempel…geöffnet im Himmel (ἠνοίγη ὁ ναὸς τῆς σκηνῆς τοῦ µαρτυρίου ἐν τῷ οὐρανῷ) (15,5) (= invertierter Rekurs); (9) Motiv: vier lebendige Wesen (τέσσαρα ζῷα) (4,6–9; 5,6) / τέσσαρα ζῷα (15,7); (10) Motiv: „goldene Schalen gefüllt…“ (φιάλας χρυσᾶς γεµούσας) (5,8) / φιάλας χρυσᾶς γεµούσας (15,7); „der da lebt von Ewigkeit zu Ewigkeit“ (τῷ ζῶντι εἰς τοὺς αἰῶνας τῶν αἰώνων) (4,9f.; vgl. 5,13) / τοῦ ζῶντος εἰς τοὺς αἰῶνας τῶν αἰώνων (15,7); (12) Motiv: Herrlichkeit und Macht (δόξα und δύναµις) (4,11; 5,12) / δόξα und δύναµις (15,8); (13) Lamm kommt (ἦλθεν) zum Thron (5,7) / Kontrast: niemand kann in den Tempel kommen (εἰσελθεῖν) (15,8). 44 Vgl. die Parallelen zu allen vorhergehenden Kultszenen: (1) Große Stimme aus dem Tempel (ἤκουσα µεγάλης φωνῆς ἐκ τοῦ ναοῦ λεγούσης) (16,1 als Überleitung zum tatsächlichen Vollzug der Schalengerichte) / φωνὴ µεγάλη ἐκ τοῦ ναοῦ ἀπὸ τοῦ θρόνου λέγουσα (16,17); (2) Theophaniemotive (4,5; 8,5; 11,19) / 16,18.21; (3) Grimm/Zorn Gottes (ἡ ὀργή σου) (11,18), ὁ θυµὸς τοῦ θεοῦ (15,1.7; 14,19) / Grimm und Zorn Gottes (ὁ θυµὸς ἡ ὀργή) (16,19); (4) Tempelbegriff (ὁ ναὸς) (11,19; 14,15.17; 15,5f.8) / ὁ ναός (16,17); (5) „vor Gott“ (ἐνώπιον τοῦ θεου) (8,2.4; 11,16) / ἐνώπιον τοῦ θεοῦ (16,19); (6) Ab 15,8 wird eine Außenperspektive auf den Tempel eingenommen: vgl. 15,8 „und niemand konnte in den Tempel gehen“ (οὐδεὶς ἐδύνατο εἰσελθεῖν εἰς τὸν ναὸν) / 16,17 „und es kam (ἐξῆλθεν) eine große Stimme aus dem Tempel“ (vgl. bereits 16,1).
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Mit dem hymnischen Finale in Apk 19,1–10 ertönt der krönende Abschluss der mit Apk 4f. begonnenen hymnischen Ouvertüre.45 Zahlreiche Motivparallelen zwischen Apk 4–5 und 19,1–10 unterstreichen die thematischen und theologischen Bezugslinien zwischen den beiden himmlischen Visionsszenen.46 Das eigentliche Ende der Visionen und der dramatische Höhepunkt der Erzählstrategie erfolgen mit der Schilderung vom Neuen Jerusalem im großen Visionskomplex Apk 21,1–22,5. Zwar kann Apk 21,1–8 (mit V. 9f. als Überleitungstext) als Einleitung zu der Beschreibung vom Neuen Jerusalem definiert werden, gleichwohl ist die gesamte Vision vom Neuen Jerusalem die Offenbarung einer umfassenden himmlischen Wirklichkeit auf Erden (!), die sich in Apk 4–5 sukzessive dem Visionär – zunächst nur im himmlischen Bereich – enthüllt hat; insofern muss immer auch die gesamte Vision vom Neuen Jerusalem Berücksichtigung finden. Ähnlich wie Apk 4,2 mit dem thronenden Gott (ἐπὶ τὸν θρόνον καθήµενος) in die grandiose himmlische Welt von Apk 4–5 einführt, so leitet Apk 21,5 als invertierter Rekurs (ὁ καθήµενος ἐπὶ τῷ θρόνῳ) in die abschließende Vision vom Neuen Jerusalem ein. Unübersehbar ist die funkelnde Herrlichkeit des Neuen Jerusalems, die – Gott gleich (Apk 4,3) – wie ein kristallklarer Jaspis bzw. wie Sarder und Smaragd erstrahlt (Apk 21,11.18–20).47 45
Vgl. J ÖRNS, Evangelium (s. Anm. 26), 160: „Wird die erste Gruppe von Antiphonien angestimmt, als Gott das Gericht einleitet, und als das Buch dem Lamm übergeben wird, so steht die letzte Gruppe von hymnischen Stücken da, wo das Gericht vollzogen ist.“ (Hervorhebung im Original). 46 Vgl. die Parallelen zwischen Apk 4–5 und 19,1–10: (1) Motiv: Herrlichkeit und Macht (δόξα und δύναµις) (4,11; 5,12) / δόξα und δύναµις (19,1); (2) 24 Älteste und die vier Wesen (τὰ τέσσαρα ζῷα καὶ οἱ εἴκοσι τέσσαρες πρεσβύτεροι) (5,8) / οἱ πρεσβύτεροι οἱ εἴκοσι τέσσαρες καὶ τὰ τέσσαρα ζῷα (19,4) (= invertierter Rekurs); (3) „niederfallen“ und „anbeten“ (πίπτω und προσκυνέω) (4,10; 5,14) / πίπτω und προσκυνέω (19,4); (4) „der auf dem Thron sitzt“ (τῷ καθηµένῳ ἐπὶ τῷ θρόνῳ) (4,9; 5,13) / τῷ καθηµένῳ ἐπὶ τῷ θρόνῳ (19,4); (5) „Amen“ (5,14) / „Amen“ (19,4); (6) „Herr, Gott, Allmächtiger“ (κύριος ὁ θεὸς ὁ παντοκράτωρ) (4,8; vgl. 4,11) / κύριος ὁ θεὸς [ἡµῶν] ὁ παντοκράτωρ (19,6); (7) Motiv: Lamm (ἀρνίον) (5,6.12) / ἀρνίον (19,7.9). 47 Zu den intratextuellen Verbindungen zwischen Apk 4–5 und 21,1–22,5 vgl. die Parallelen: (1) „im Geist“ (ἐν πνεύµατι) (4,2) / ἐν πνεύµατι (21,10); (2) Gott sitzend auf dem Thron (ἐπὶ τὸν θρόνον καθήµενος) (4,2) / ὁ καθήµενος ἐπὶ τῷ θρόνῳ (21,5) (= invertierter Rekurs); (3) Thron mit Edelsteinen: Jaspis, Sarder, Smaragd (λίθῳ ἰάσπιδι καὶ σαρδίῳ, καὶ ἶρις κυκλόθεν τοῦ θρόνου ὅµοιος ὁράσει σµαραγδίνῳ) (4,3) / Stadt mit Edelsteinen: Jaspis, Sarder, Smaragd (21,11.18–20); (4) Gott und das Lamm (4–5; 5,13) / Gott und das Lamm (21,22); (5) vor dem Thron: Kristall-Motiv (θάλασσα ὑαλίνη ὁµοία κρυστάλλῳ) (4,6) / Stadt und Thron: Kristall-Motiv: ὡς λίθῳ ἰάσπιδι κρυσταλλίζοντι, ὕδατος ζωῆς λαµπρὸν ὡς κρύσταλλον (21,11; 22,1); (6) Schöpfungsmotiv (5,13) / Schöpfungsmotiv (21,1.5; 22,2–4); (7) Johannes: „Tränen“ (ἔκλαιον πολὺ) (5,4) / Gottesvolk: keine Tränen mehr (ἐξαλείψει πᾶν δάκρυον ἐκ τῶν ὀφθαλµῶν αὐτῶν) (21,4); (8) Johannes wird getröstet (5,5) / Gottesvolk wird getröstet (21,4); (9) Himmlische Wesen geben
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Die engen Querbezüge zwischen den einzelnen Textblöcken – insbesondere zwischen den eröffnenden Tempelszenen – vermitteln eine kohärente Textkomposition des Gesamtwerkes. Hinter dem netzartigen Verweischarakter zwischen den jeweiligen Corpora steht ein Gestaltungswille, der sich um die strukturelle Geschlossenheit des Werkes bemüht. Gerade aber diese literarische Komplexität lässt darauf schließen, dass hier mit großer Akribie und technischem Fleiß ein literarisches Kunstwerk über Jahre hinweg entstanden ist. David E. Aune hält im Blick auf die komplexe Struktur der Apk zu Recht fest: „This structural complexity suggests that Revelation was not written over a period of a few days, weeks, or even months, but rather was the product of years of apocalyptic-prophetic proclamation, writings, and reflection, including the appropriation and adaption of a variety of types and forms of earlier traditional material, both written and oral.“48 Tatsächlich lassen verschiedene Textsignale darauf schließen, dass in der Apk unterschiedliche Visionsberichte und prophetische Berufungserfahrungen des Apokalyptikers zusammengeflossen sind. So wird der in Apk 1,10 geschilderte, durch die Wendung ἐν πνεύµατι eingeleitete erste Visionsbericht noch drei Mal wiederholt (4,2; 17,3; 21,10), was auf eine mehrfache Visionserfahrung schließen lässt.49 Auch eine bereits in Apk 1,10–20 erfolgte prophetische Beauftragungserfahrung kann in Apk 10 noch einmal wiederholt werden, wobei Apk 10 Züge der prophetischen Berufungsberichte aus den klassischen Schriftpropheten aufnimmt.50 Diese Beobachtungen lassen mit D. Aune an verschiedene Visionserlebnisse und literarische Wachstumsschübe denken: „separate visions have been linked together within a larger literary framework“.51 Gott die Herrlichkeit (δόξα) (4,9.11) / Herrlichkeit (δόξα) Gottes in der Stadt (21,11), Könige bringen ihre Herrlichkeit (δόξα) zur Stadt (21,25); (10) Erlöste werden herrschen über die Erde (βασιλεύσουσιν ἐπὶ τῆς γῆς) (5,10) / Erlöste werden für immer herrschen (βασιλεύσουσιν εἰς τοὺς αἰῶνας τῶν αἰώνων) (22,5); (12) Lamm am Thron Gottes (5,6f.) / Thron Gottes und des Lammes (22,1); (13) Herr, Gott, der Allmächtige (κύριος ὁ θεὸς ὁ παντοκράτωρ) (4,8) / κύριος ὁ θεὸς ὁ παντοκράτωρ (21,22). 48 AUNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 10), xci. 49 Vgl. AUNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 10), xciii; vgl. auch Irenaeus, haer. IV 20,10, der mehrere Visionserfahrungen des Verfassers der Apokalypse voraussetzt. 50 S ATAKE, Offenbarung (s. Anm. 1), 69, vermutet, dass der Verfasser das Stück „ursprünglich als einen Bericht seiner Berufung zu einem (jüdischen) Propheten verfasst [habe]; das Stück gehört wahrscheinlich zum frühesten Stadium seiner Wirksamkeit.“ Zum prophetischen Berufungsbericht in Apk 10 in Anlehnung an atl. Berufungsberichte vgl. eingehend MAZZAFERRI, Genere (s. Anm. 15), 264–296. 51 AUNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 10), xciii. Ferner: „The barely perceptible change of scene from heaven to earth (cf. the earthly perspective of the visions in 17:11ff.; 19:11ff.; 21:9ff.) is a further indication that separate visions have been linked together within a larger literary framework. The originally discrete existence of these earthly vi-
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3 Diachrone Perspektiven 3.1 Redaktionsgeschichtliche Erwägungen Neben der synchronen, die sachliche Kohärenz und literarische Einheitlichkeit betonenden Sichtweise ist aber auch die diachrone, d.h. die auf literarkritische Beobachtungen aufruhende Quellenkritik und Redaktionskritik zu berücksichtigen, die nach möglichen vorausgehenden schriftlichen Quellen und nach den redaktionellen Tätigkeiten fragt.52 Waren am Ende des 19. und Anfang des 20. Jh. literar- und quellenkritische Untersuchungen an der Johannesoffenbarung noch durchaus üblich, so hat sich angesichts neuerer makro- bzw. mikrostruktureller Arbeiten, narrativer Analysen und soziohistorischer Untersuchungen eine synchrone Betrachtungsweise immer mehr durchgesetzt.53 sions is further suggested by the reference to John’s being transported ‚in the spirit‘ (17:3; 21:10).“ (Ebd.). 52 Zwischen der klassischen Literarkritik (die keineswegs einheitlich definiert wird, vgl. G. FOHRER u.a., Exegese des Alten Testaments. Einführung in die Methodik, Heidelberg/Wiesbaden 51989, 47; J. ROLOFF, Neues Testament, Neukirchener Arbeitsbücher, Neukirchen-Vluyn 71999, 4) und der Quellenkritik ist an dieser Stelle zu differenzieren. Erstere befragt die Struktur des Textes nach möglichen Kohärenzstörungen, der zweite Methodenschritt dagegen untersucht unter diachronem Aspekt mögliche vorausliegende schriftliche Quellen. Vgl. die methodische Differenzierung bei B. W. STENGER, Biblische Methodenlehre, Leitfaden Theologie 18, Düsseldorf 1987, 65–70; H. SCHWEIZER, Literarkritik, ThQ 168 (1988) 23–43; T. NICKLAS, Literarkritik und Leserrezeption. Ein Beitrag zur Methodendiskussion am Beispiel Joh 3,22–4,3, Bib 83 (2002), 175–192, hier bes. 175–179. Zahlreiche deutschsprachige Methodenbücher verbinden dagegen beide Methodenschritte, vgl. K. HAACKER, Neutestamentliche Wissenschaft. Eine Einführung in Fragestellungen und Methoden, Wuppertal 21985, 41; R. HEILIGENTHAL/T. M. SCHNEIDER (Hrg.), Einführung in das Studium der Evangelischen Theologie. Überarbeitete Neuausgabe, Stuttgart 2004, 125f.; H. ZIMMERMANN, Neutestamentliche Methodenlehre. Darstellung der historisch-kritischen Methode. Neubearbeitet von K. Kliesch, Stuttgart 7 1982, 79; W. EGGER, Methodenlehre zum Neuen Testament. Einführung in linguistische und historisch-kritische Methoden, Freiburg/Basel/Wien 31993, 162; M. EBNER/B. HEI2 NINGER, Exegese des Neuen Testaments, UTB 2677, Paderborn u.a. 2007, 161–170. Ähnlich werden auch in der englischen Literatur beide Arbeitsgänge unter dem Begriff source criticism subsumiert, vgl. D. R. CATCHPOLE, Source, Form and Redaction Criticism of the New Testament, in: S. E. Porter (Hrg.), Handbook to Exegesis of the New Testament, NTTS 25, Leiden 1997, 167–188; D. WENHAM, Source Criticism, in: H. I. Marshall (Hrg.), New Testament Interpretation. Essays on Principles and Methods, Exeter 1977, 139–152, bes. 140–144. 53 Vgl. u.a. J. L. RESSEGUIE, Revelation Unsealed. A Narrative Critical Approach to John’s Apocalypse. Bibl.-Interpr.S 32. Leiden 1998; D. L. BARR, Tales of the End. A Narrative Commentary on the Book of Revelation, Santa Rosa, CA 1998; A. J. P. GARROW, Revelation, London/New York 1997; R. HERMS, An Apocalypse for the Church and for the World. The Narrative Function of Universal Language in the Book of Revelation,
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Allerdings lassen sich auch (wieder) Stimmen vernehmen, die – u.a. anknüpfend an W. Boussets Fragmentenhypothese – dem z.T. sehr unterschiedlichen Charakter der einzelnen Textcorpora durch Berücksichtigung der Überlieferungsströme gerecht zu werden versuchen.54 Dabei zeigt sich bei aller Verschiedenheit in der Rekonstruktion der Entstehungsverhältnisse in den neueren Versuchen eine gewisse Übereinkunft bei der Bewertung von literar- und quellenkritisch auffälligen Textabschnitten. Bereits R. H. Charles vermutete in seinem lange Zeit klassischen Kommentarwerk zahlreiche griechische oder ursprünglich hebräisch verfasste jüdische und judenchristliche Fragmente, die zum größten Teil noch vor 70 n.Chr. entstanden sein sollen: Apk 7,1–8 (vor 70 n.Chr.); 11,1–13* (vor 70 n.Chr.); 12* (vor 70 n.Chr.); 13* (vor 70 n.Chr.); (15,5–8); 17–18 (71–79 n.Chr.); Vergleichbares nahm auch, in Anknüpfung an ältere Forschungen, W. Bousset an.55 Georg Strecker entdeckt ebenfalls in den Texten Apk BZNW 143, Berlin/New York 2006; MÜLLER, Analysis (s. Anm. 18); THOMPSON, Revelation (s. Anm. 9), 37–73 54 Vgl. die positive Würdigung von M ÜLLER, Offenbarung (s. Anm. 4), 39. Vgl. die literar- und quellenkritischen Analysen von R. BERGMEIER, Altes und Neues zur „Sonnenfrau am Himmel“ (Apk 12). Religionsgeschichtliche und quellenkritische Beobachtungen zu Apk 12.1–17, ZNW 76 (1982), 225–242; DERS., Die Erzhure und das Tier. Apk 12,18–13,18 und 17f. Eine quellen- und redaktionskritische Analyse, ANRW II 25/5, Berlin/New York 1980, 3899–3916; DERS., „Jerusalem, du hochgebaute Stadt“, ZNW 75 (1984), 86–106; DERS., Die Buchrolle und das Lamm (Apk 5 und 10), ZNW 76 (1985), 225–242; BAUER, Messiasreich (s. Anm. 10), passim. 55 Vgl. R. H. CHARLES, A Critical and Exegetical Commentary on the Revelation of St. John, Bd. I, ICC, Edinburgh 1975, lxii–lxv.lxxxix–xci. Auch BOUSSET , Offenbarung (s. Anm. 11), 141, vermutete in nahezu denselben Textpassagen ursprüngliches Traditionsgut: Apk 7,1–8; 11,1–3; 12; 13,11–18; 14,14–20; 17–18; 21,9–22,5. Boussets Identifizierung der im Laufe der Zeit in die Johannesapokalypse eingetragenen Fragmente ruht, wie er selbst einräumt (116), auf die Arbeiten von C. H. von Weizsäcker, A. Sabatier und H. Schön auf. CARL HEINRICH VON WEIZSÄCKER vermutet in seinem umfangreichen Werk (Das apostolische Zeitalter der christlichen Kirche, Freiburg 1886, 21892, Tübingen/Leipzig 31902 [S. 486–512]), eine Anreicherung von unterschiedlichen Fragmenten (Apk 7 [aus dem Jahr 64–66 n.Chr.]; 10; 11,1–13 [Anfang des jüdischen Krieges]; 12 [Flucht der Christen aus Jerusalem]; 13 [Vespasian]; 17 [Domitian]) um die als inneren Kern der Apk ausgewiesenen Stücke der drei mal sieben Zeichen (Siegel, Trompeten, Schalen); aus späterer Zeit stammen schließlich die Sendschreiben. Auch A UGUSTE SABATIER, Les origines littéraires et la composition de l’Apocalypse de Saint-Jean, Paris 1888, vermutet den Zuwachs von ursprünglich jüdischen Fragmenten in ein bestehendes christliches Grunddokument, hierzu zählen Apk 11,1–13; 12–13; 14,6–20; 16,13.14.16; 17,1–19,2; 19,11–20,10; 21,9–22,5. Eine ähnliche Rekonstruktion bietet auch H. SCHÖN, L’origine de l’apocalypse de Saint-Jean, Paris 1887, mit der Identifizierung von folgenden jüdischen Stücken: Apk 11,1–3; 12,1–9; 13; 18. Schließlich ging auch O TTO PFLEIDERER, Das Urchristentum, seine Schriften und Lehren in geschichtlichem Zusammenhang beschrieben, Berlin 21902, 281–335, davon aus, dass der Apokalyptiker letzter Hand verschiedene Fragmente in sein Werk einverleibt habe, u.a. Apk 11,1–12; 12; 13;
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7,1–8; 11,1–3; 12; 13–14; 17–18; 21–22 frühe apokalyptische Fragmente. 56 Ähnlich sieht auch J. FREY traditionelles bzw. archaisches Material in nahezu denselben Textpartien – hinzugenommen ist noch Apk 10,1–11 – gegeben.57 Ein Letztredaktor johanneischer Prägung hätte dann diese apokalyptischen Textfragmente wohl in der „mittleren trajanischen Zeit“58 zusammenkomponiert: „Der mit der johanneischen Schule verbundene oder von ihr beeinflußte ‚Apokalyptiker letzter Hand‘ ist daher – insbesondere auch aufgrund der kunstvollen Komposition des Ganzen – als eigenständiger Schriftsteller zu würdigen.“59 Ein kompaktes und eindrucksvolles redaktionsgeschichtliches Modell hat DAVID E. AUNE in seinem voluminösen Kommentarwerk vorgelegt.60 Nach Aune ist zunächst von unabhängigen, den Abgrenzungen von R. H. Charles, W. Bousset, G. Strecker und J. Frey recht ähnlichen Texteinheiten auszugehen, die zu unterschiedlichen Anlässen aus der Feder eines zunächst jüdischen Apokalyptikers aus Palästina um 50–60 n.Chr. entstanden sein sollen: (1) 7,1–17; (2) 10,1–11; (3) 11,1–13; (4) 12,1–17; (5) 13,1–18; (6) 14,1–20; (7) 17,1–18; (8) 18,1–24; (9) 19,11–16; (10) 20,1–10; (11) 20,11–15; (12) 21,9–22,5. In einer ersten Editionsphase zwischen 68 – 74 n.Chr. seien diese Stücke von dem nun als jüdisch-christlicher Prophet agierenden Visionär, der in den Wirren des jüdischen Krieges nach Kleinasien geflohen sein soll, in einen größeren Textkomplex eingefügt, der neben Apk 1,7–12a im Wesentlichen von Kap. 4,1 bis 22,5 reiche und nun von den Siebenerreihen (Siegel, Posaunen, Schalen) dominiert werde. 14,6–11.14–20; 17,1–5; 18; 21,9–22,5. Bei den Forschern, die eine Form der Fragmententheorie bevorzugen, lässt sich demnach eine gewisser Konsens in der Identifizierung archaischer Stoffe erkennen. 56 STRECKER, Literaturgeschichte (s. Anm. 5), 267. 57 FREY, Erwägungen (s. Anm. 5), 421. Die Kap. 7,1–8, 11, 13 und 17 standen daher immer wieder unter dem Verdacht, frühe (jüdische) apokalyptische Fragmente zu sein, vgl. u.a. BERGMEIER, Erzhure (s. Anm. 54), 3900–3903, der für Apk 13 und 17 ein apokalyptisches Fragment aus der Zeit Vespasians geltend macht; zu Apk 11,1f. vgl. H. SCHWIER, Tempel und Tempelzerstörung. Untersuchungen zu den theologischen und ideologischen Faktoren im ersten jüdisch-römischen Krieg (66–74 n.Chr.), NTOA 11, Freiburg/Göttingen 1989, 170f.; vgl. ferner zu Apk 11,3–13 die quellenkritische Diskussion bei AUNE, Revelation 6–16 (s. Anm. 21), 588–593. 58 FREY, Erwägungen (s. Anm. 5), 427, vgl. auch 412f. Mit einer ähnlich späten letzten Editionsphase rechnet auch H. KRAFT , Die Bilder der Offenbarung des Johannes, Frankfurt a. M. 1994, 23–26: Die Schlussredaktion der Johannesapokalypse sei zwischen 111 und 117 n.Chr. vollzogen; die romfeindlichen Kapitel Apk 13–17 dagegen seien um einen noch älteren Grundstock (Apk 4,1–8,5) in der Zeit der Regentschaft Nervas, zwischen Sommer 97/Frühjahr 98 n.Chr., weitergeschrieben worden; vgl. auch K RAFT , Offenbarung (s. Anm. 7), 11–15. 59 FREY, Erwägungen (s. Anm. 5), 420; hier mit Hinweis auf BOUSSET , Offenbarung (s. Anm. 11), 242. 60 Vgl. AUNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 10), lviii.cxviii–cxxxiv.
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Schließlich, in einer zweiten Edition um 98–117 n.Chr., wuchs das Werk um die Textpartien 1,1–6.12b–3,22; 22,6–21 zu der jetzigen Apokalypse an. Entsprechend des Schichtenmodells lässt sich auch eine relative Biographie des Autors nachzeichnen, „who moved from the role of Jewish apocalyptist to Christian prophet and who regarded himself as virtually on an equal footing with the Israelite-Jewish prophets whose writings are included in the OT canon.“61 In seinem jüngst erschienenen Kommentar vermutet A. Satake62 – der Rekonstruktion D. Aunes nicht unähnlich – ebenfalls, dass die ältesten Stücke der Apokalypse auf einen jüdischen Apokalyptiker vor seiner Bekehrung zurückreichen. Hierzu gehören (in ihrer chronologischen Entstehungsordnung): Apk 10; 11,1f.; 7,1–8; die drei nummerierten Visionsreihen (Siegel, Posaunen, Schalen); 20,1–15; 21,1–4; 15,2–4; 21,9–22,5. Die Fragmente Apk 17,1–19,10; 13 stammen sodann aus der Phase der Abwendung vom Judentum bzw. Hinwendung des jüdischen Apokalyptikers zum Christentum. In einer ersten Auflage habe der Verfasser aus seinen selbst verfassten früheren Texteinheiten die Kap. 4,1–22,5 zu einem ersten umfangreichen Werk zusammengefügt. In einer abschließenden Editionsphase habe schließlich der nun christliche Prophet auf Patmos dem Textkorpus 4,1–22,5 eine Einleitung und die Sendschreiben Kap. 1–3 vorangestellt und mit dem Nachwort 22,6–21. abgerundet. In Anknüpfung an die klassische Fragmententheorie aus der Schule W. Boussets geht die neuere quellenkritisch orientierte Forschung demnach auch davon aus, dass die Heterogenität des Werkes durch die Stoffdivergenz bedingt ist. Dabei bleibt es offen, ob diese unterschiedlichen Fragmente – in Anlehnung an z.B. H. Kraft – mehr oder weniger auf ein und denselben Autor zurückgehen, der innerhalb eines längeren Zeitraums diese Texte verfasst und in mehreren Editionsschüben redigiert haben soll, oder ob – eher mit W. Bousset – diese Textstoffe überlieferte zumeist jüdische Traditionen beinhalten. Die Kriterien, die bei der Eruierung von ursprünglichen heterogenen Quellen helfen – seien diese nun aus der Feder des Letztautors stammende oder überkommene, vom Schlussredaktor freilich überarbeitete Texte – und für ein genetisches Kompositionsmodell sprechen, basieren dabei auf dem Methodeninstrumentarium der klassischen Literarkritik63 mit der spe61 62 63
AUNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 10), cxxii. Vgl. SATAKE, Offenbarung (s. Anm. 1), 33–38.64–73. Vgl. die Liste der Kriterien bei U. SCHNELLE, Einführung in die neutestamentliche Exegese, UTB 1253, Göttingen 52000, 57f.; EGGER, Methodenlehre (s. Anm. 52), 165– 169; K. BERGER, Exegese des Neuen Testaments, UTB 658, Heidelberg, Wiesbaden 3 1991, 27–32; H. BARTH/O. H. STECK, Exegese des Alten Testaments. Leitfaden der Methodik. Ein Arbeitsbuch für Proseminare, Seminare und Vorlesungen, Neukirchen-Vluyn 10 1999, 34; M. É. BOISMARD/A. LAMOUILLE, Aus der Werkstatt der Evangelisten. Einfüh-
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ziellen Beobachtung von Kohärenzbrüchen64 und – vorwiegend für die Apokalypse – mit der Erkenntnis von abgeschlossenen Abschnitten, in denen christliche Elemente, von Interpolationen abgesehen, nicht erkennbar sind bzw. mit ihrem unmittelbaren Kontext wenig zu tun haben.65 Hebt man nun die von D. E. Aune und zahlreichen anderen Forschern vermuteten archaischen Textkomplexe im oben (Dar. 2)66 konstruierten kosmologischen Modell der Johannesapokalypse hervor, so zeigt sich eine gewisse Ordnung bei der redaktionellen Inkorporation der Fragmentenstoffe in den apokalyptischen Gesamtrahmen (vgl. Dar. 3).67 Die von D. E. Aune als früheste Textkomplexe identifizierten Abschnitte sind fett hervorgehoben, die in der zweiten Editionsphase inkorporierten Textpartien (vorwiegend der Sendschreibenkomplex) dagegen gestrichelt. Es fällt auf, dass bis auf Apk 16,15 und 20,4–6 – alles Texte der Redaktion – die sogenannten rung in die Literarkritik, München 1980, 24–47; W. RICHTER, Exegese als Literaturwissenschaft. Entwurf einer alttestamentlichen Literaturtheorie und Methodologie, Göttingen 1971, 50–61; SCHWEIZER, Literarkritik, (s. Anm. 52) 23–43; EBNER/HEININGER, Exegese (s. Anm. 52), 164–170. 64 Vgl. die Beobachtungen für literarkritische Indikatoren und Kohärenzbrüche bei BOUSSET, Offenbarung (s. Anm. 11), 122–125; AUNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 10), cxixf.; ROLOFF, Offenbarung (s. Anm. 39), 71f.; BAUER, Messiasreich (s. Anm. 10), 65–70. 65 Vgl. S ATAKE, Offenbarung (s. Anm. 1), 68–72; AUNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 10), cxix. 66 Vgl. S ATAKE, Offenbarung (s. Anm. 1), 70, der sich sonst zu großen Teilen an den Analysen D. E. Aunes orientiert, sieht auch in den nummerierten Visionsreihen (Siegel, Posaunen, Schalen) frühe ausschließlich jüdische Textbestände noch vor 70 n.Chr, da hier – unter Abzug zahlreicher christlicher Einfügungen – „kein spezifisch christliches Element“ zu finden sei. Abgesehen davon, dass die enge Verzahnung zwischen Apk 5 (Lösen der Siegel durch das Lamm [!]) und 6f. kaum so einfach zu zerreißen ist, gibt es textinterne Beobachtungen, die eher die Rekonstruktion Aunes stärken. So setzt die zusammenfassende und vorausweisende „Inhaltsangabe“ in Apk 11,15–19 den Rest des Buches Apk 12–22 – und damit Textpartien, die Satake eher später datiert – ebenso voraus (vgl. TÓTH, Kult [s. Anm. 23], 367–370) wie die Erwähnung des „Malzeichens“ in Apk 16,2, dem „Thron des Tieres“ in Apk 16,10 und die Bezeichnungen „Mund des Drachen, des Tieres und des falschen Propheten“ in Apk 16,13 den Abschnitt Apk 13 voraussetzen – Apk 13 wäre aber nach SATAKE, Offenbarung (s. Anm. 1), 72, „kryptochristlich“ und damit nach Apk 16 zu datieren. Bereits W. BOUSSET , Offenbarung (s. Anm. 11), 401, hat auf die redaktionelle Funktion von Apk 16 hingewiesen, die tatsächlich zahlreiche Beziehungen u.a. zu den Kap. 13 und 17 aufweise. 67 Fraglich ist, ob der ganze Stoff Apk 14,1–20 ähnlich archaischen Charakter hat wie die restlichen von D. E. Aune ins Spiel gebrachten Textfragmente. A UNE, Revelation 6–16 (s. Anm. 21), 795f., hebt die zahlreichen Bezüge zwischen Apk 14,1–20 und dem Rest der Apk hervor, so dass er eher von „pastiche of themes and motifs drawn from elsewhere in Revelation“ spricht (795). Bereits BOUSSET , Offenbarung (s. Anm. 11), 379–392, hat mit der Mehrheit der Forschung lediglich noch für 14,14–20 ein ursprüngliches Fragment vermutet; CHARLES, Revelation II (s. Anm. 21), 2ff., verdächtigte die Verse 4f.15–17 der Interpolation und schlug den Rest von Kap. 14 dem Verfasser selbst zu.
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Zwischengesichte oder „Interludien“ zu den ursprünglichen Textfragmenten gezählt sind. Hinzu kommen drei ältere Textkomplexe, die an die nummerierten Visionsreihen angeschlossen werden (Apk 12–13 an die Siegel- und Posaunenvisionen; Apk 17f., 19,11–20,15 und 21,1–22,5 an die Schalenvisionen).68 Die redaktionellen Rahmenpartien (R) Apk 17,1–3 + 19,9f. und 21,9f. + 22,6–9 inkludieren dabei die sich kontrastierend gegenüberstehenden Motivkomplexe von der Hure bzw. Stadt Babylon und der Braut des Lammes bzw. dem Neuen Jerusalem (gestrichelt umrahmt). 3.2 Die literarische Funktion der Kultszenen Für die Makrostruktur der Johannesapokalypse ist die literarisch außerordentlich wichtige Stellung der oben auch als Kultszenen bezeichneten Abschnitte (Apk 4–5; 8,1–6; 11,15–19; 14,14–15,8; 16,17–21; 19,1–10; 21,1– 8) von besonderer Relevanz. Offenbar haben diese Kultszenen eine systematisierende und ordnungsgliedernde Funktion für den Gesamtaufbau der Johannesapokalypse. Die Kultszenen fungieren gleichsam als literarisches Scharnier, welche die unterschiedlichen älteren Textblöcke zusammenhalten. Aus literarkritischer Sicht kann diese Kompositionstechnik durchaus auf eine redaktionelle Tätigkeit zurückgeführt werden. Die zunächst einzelnen, möglicherweise in prophetischen Kreisen entstandenen, aus verschiedenen Überlieferungsstoffe zusammengetragenen oder auf den Seher Johannes selbst zurückgehenden Weissagungselemente sind im späteren Verlauf zu einem einheitlichen, im Wesentlichen zunächst Kap. 4,1–22,5 (s.u.) beinhaltenden Corpus zusammengefügt worden. In einem redaktionsgeschichtlichen Kompositionsmodell nach Dar. 4 ist die Rekonstruktion der Kompositionsgeschichte in Anlehnung an D. E. Aune, mit einigen wichtigen Hervorhebungen, zusammengefasst. A, B, C bezeichnen die jeweiligen Entstehungsbzw. Editionsphasen. Die dunklen Schattierungen mit dem Buchstaben K vor jedem Textkomplex („7 Siegel“, „7 Posaunen“, „Kampf“, „7 Schalen“, „Babylon“, „Gericht“ und „Jerusalem“) in der Editionsphase B stellen die den Großabschnitten vorausgehenden Kultszenen dar; die Dreiecke bezeichnen dagegen die Einleitungsformulierung ἐν πνεύµατι in Apk 4,2; 17,3; 21,10. Die nummerierten Visionsreihen (schattiert hervorgehoben), vor allem aber die himmlischen Kultszenen, haben aus redaktionsgeschichtlicher Perspektive eine enorm wichtige strukturierende Funktion. Die Kultszenen bilden das literarische Bindeglied, welches die einzelnen Visionssequenzen zusammenhält und den 68 Vgl. AUNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 10), cxxiiif.; vgl. auch S. VOLLENWEIDER, Horizonte neutestamentlicher Christologie. Studien zu Paulus und zur frühchristlichen Theologie, WUNT 144, Tübingen 2002, 315f. Der einzige innerhalb der himmlischen Kultszenen eingegliederte und von z.B. Aune als ursprünglicher Traditionsstoff identifizierte Abschnitt ist Apk 14,14–20 (vgl. aber Anm. 67). Allerdings ist diese apokalyptische Perikope redaktionell gut mit Apk 15 verbunden. Zu fragen ist auch, ob Apk 16,15 unbedingt erst auf das Konto der zweiten Redaktion gehen muss, wie dies AUNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 10), cxxiv–cxxxii; DERS., Revelation 6–16 (s. Anm. 21), 896f., vermutet.
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Eindruck der Geschlossenheit vermittelt. Mit der stereotypen Einleitungsformulierung ἐν πνεύµατι, die nur im Kontext der Kultszenen verwendet wird, wird der Großcorpus Apk 4–22 in drei Teile untergliedert und nun als kontinuierliche visionäre Erfahrung des Autors ausgewiesen: Apk 4,2 für den Komplex 4–16; Apk 17,3 für den Komplex 17–20; Apk 21,10 für den Komplex 21–22. In der letzte Redaktionsphase C sind schließlich die brieflichen Elemente (Apk 1,4–8), ferner eine ebenfalls kultisch konnotierte Beauftragungsvision (Apk 1,9–22) mit den darauffolgenden Sendschreiben (Apk 2–3), und ein weiterer Epilog (Apk 22,11–20) mit dem abschließenden Schlussgruß (Apk 22,21) inkorporiert.
Aus der atl. und ntl. Forschung sind in den letzten Dekaden zahlreiche Impulse hervorgegangen, die gegenüber allzu einseitigen Urkundenhypothesen oder der verengten Favorisierung formgeschichtlicher Analysen vermehrt nach den schriftgelehrten Fortschreibungsarbeiten und Redaktionstätigkeiten innerhalb der biblischen Bücher fragen.69 Ein wichtiges Anliegen dieses 69
Aus der Fülle der Literatur vgl. für den Pentateuch J. C. GERTZ, Tradition und Redaktion in der Exoduserzählung. Untersuchungen zur Endredaktion des Pentateuch, FRLANT 186, Göttingen 2000; E. OTTO, Innerbiblische Exegese im Heiligkeitsgesetz Levitikus 17–196, in: W.-W. Jügling/H. J. Fabry (Hrg.). Levitikus als Buch, BBB 119, Bodenheim 1999, 125–196; DERS., Gesetzesfortschreibung und Pentateuchredaktion, ZAW 107 (1995): 373–392; C. LEVIN, Der Jahwist, FRLANT 157, Göttingen 1993; P. WEIMAR, Exodus 1,1–2,10 als Eröffnungskomposition des Exodusbuches, in: M. Vervenne (Hrg.), Studies in the Book of Exodus. Redaction – Reception – Interpretation, BEThL 126, Leuven 1996, 179–208; für die Bücher Samuel, Könige und Chronik vgl. T. WILLI, Die Chronik als Auslegung. Untersuchungen zur literarischen Gestaltung der historischen Überlieferung Israels, FRLANT 106, Göttingen 1972; R. G. KRATZ, Die Suche nach Identität in der nachexilischen Theologiegeschichte. Zur Hermeneutik des chronistischen Geschichtswerkes und ihrer Bedeutung für das Verständnis des Alten Testaments, in: J. Mehlhausen (Hrg.), Pluralismus und Identität, VWGTh 8, Gütersloh 1995, 279–303; für die Prophetenbücher vgl. R. E. WOLFE, The Editing of the Book of the Twelve, ZAW 53 (1935), 90–129; M. FISHBANE, Biblical Interpretation in Ancient Israel, Oxford 1985; O. H. STECK, Bereitete Heimkehr. Jesaja 35 als redaktionelle Brücke zwischen dem Ersten und Zweiten Jesaja, SBS 121, Stuttgart 1985; R. G. KRATZ, Kyros im Deuterojesaja-Buch. Redaktionsgeschichtliche Untersuchungen zu Entstehung und Theologie von Jes 40–55, FAT 1, Tübingen 1991; C. LEVIN, Verheißung des neuen Bundes in ihrem theologiegeschichtlichen Zusammenhang ausgelegt, FRLANT 137, Göttingen 1985; W. ZIMMERLI, Das Phänomen der ‚Fortschreibung‘ im Buche Ezechiel, in: J. A. Emerton (Hrg.), Prophecy (FS G. Fohrer), BZAW 150, Berlin/New York 1980, 174– 191; T. COLLINS, The Mantle of Elijah. The Redaction Criticism of the Prophetical Books, BiSe 20, Sheffield 1993; R. G. KRATZ/T. KRÜGER (Hrg.), Rezeption und Auslegung im Alten Testament und in seinem Umfeld. Ein Symposium aus Anlass des 60. Geburtstags von Odil Hannes Steck, OBO 153, Fribourg/Göttingen 1997; S IMON J. DE VRIES, From Old Revelation to New. A Tradition-Historical and Redaction-Critical Study of Temporal Transitions in Prophetic Prediction, Grand Rapids 1995, 3–20, 239ff. Die neutestamentliche Forschung hat ebenfalls diesen Forschungszweig zur redaktionsgeschichtlichen Analyse vermehrt in den Blick genommen, vgl. für das MkEv: W. MARXSEN, Der Evangelist Markus. Studien zur Redaktionsgeschichte des Evangeliums, FRLANT 67, Göttingen 21959; W. STENGER, Strukturale Beobachtungen zum Neuen Testament, NTTS 12, 1990, 1–38 (= LingBibl 61 [1988], 7–56); B. VAN IERSEL, Locality,
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Forschungszweiges ist die Eruierung von redaktionellen Eingriffen und Techniken.70 Unter den zahlreichen Kriterien zur Identifizierung dieser redaktionellen Tätigkeiten ist die intratextuelle Vernetzung durch sprachliche, thematische und strukturelle Repetitionen bzw. die kompositorische Komplexität und strukturelle Dichte besonders hervorzuheben.71 Die redaktionelle Tätigkeit des Verfassers lässt sich vermehrt an Verweiszusammenhängen und Strukturvernetzungen ablesen, die dazu dienen, das Werk als einheitlich erscheinen zu lassen.72 Die kompositionstechnisch an zentraler Stelle redaktionell eingefügten Kultszenen dienen in der Apokalypse des Johannes offenbar eben diesem Zweck der Kohärenzbildung: sie verbinden die einzelnen Textblöcke zu einem apokalyptischen Gesamtentwurf und generieren so ein imposantes literarisches Werk: den späteren zentralen Teil der Apokalypse des Johannes. Durch unterschiedliche Techniken wird diese literarische Brückenfunktion der kultkonnotierten Prä- bzw. Postludien realisiert. Hierzu gehöStructure, and Meaning in Mark, LingBibl 53 (1983), 45–54; zum MtEv vgl. den Band von G. BORNKAMM/G. BARTH/H. J. HELD, Überlieferung und Auslegung im Matthäusevangelium, Neukirchen-Vlyn 51968; ferner G. STRECKER, Der Weg der Gerechtigkeit. Untersuchung zur Theologie des Matthäus, FRLANT 82, Göttingen 1962; zum lukanischem Doppelwerk vgl. H. CONZELMANN, Die Mitte der Zeit. Studien zur Theologie des Lukas, BHTh 17, Tübingen 51964, J. VERHEYDEN (Hrg.), The Unity of Luke – Acts, BEThL 142, Leuven 1999; zum JohEv vgl. A. DETTWILER, Die Gegenwart des Erhöhten. Eine exegetische Studie zu den johanneischen Abschiedsreden (Joh 13,31–16,33) unter besonderer Berücksichtigung ihres Relecture-Charakters, FRLANT 169, Göttingen 1995; J. ZUMSTEIN, Kreative Erinnerung. Relecture und Auslegung im Johannesevangelium, Zürich 1999. 70 Vgl. N. HABEL, Literary Criticism of the Old Testament, GBS, Philadelphia 1971; 11ff.; N. PERRIN, What is Redaction Criticism? Guides to Biblical Scholarhip, Philadelphia 1969; ZIMMERMANN, Methodenlehre (s. Anm. 52), 215–238; S. S. SMALLEY, Redaction Criticism, in: I. H. Marshall (Hrg.), New Testament Interpretation. Essays on Principles and Methods, Exeter 1977, 181–195; J. ROHDE, Die redaktionsgeschichtliche Methode. Einführung und Sichtung des Forschungsstandes, ThA22, Hamburg 1966; T. SCHRAMM, Der Markus-Stoff bei Lukas. Eine literarkritische und redaktionsgeschichtliche Untersuchung, SNTS Monograph Series 14, Cambridge 1971; O. H. STECK, Exegese des Alten Testaments: Leitfaden der Methodik. Ein Arbeitsbuch für Proseminare, Seminare und Vorlesungen, Neukirchen-Vluyn 141999; U. BECKER, Exegese des Alten Testaments. Ein Methoden- und Arbeitsbuch, UTB 2664, Tübingen 22008, 89–97. 71 Eine umfassende Theorie der Redaktion bietet R. W ONNEBERGER, Redaktion. Studien zur Textfortschreibung im Alten Testament, entwickelt am Beispiel der SamuelÜberlieferung, FRLANT 156, Göttingen 1992, 113–177, mit einer erschöpfenden Systematisierung aller möglichen Redaktionstechniken. 72 Vgl. EBNER/HEININGER , Exegese (s. Anm. 52), 288: „Ein positives, konstruktives Indiz für schriftliche Sammlungen sind übergreifende Kompositionsprinzipien, also Inklusionen, symmetrische Anordnung des Stoffes, Gruppierungen des Stoffes unter einer einheitlichen Idee usw. Je gehäufter und verschachtelter diese Kompositionsprinzipien auftauchen, desto sicherer kann von schriftlich fixierter Tradition ausgegangen werden.“
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ren: Verzahnungstechniken oder Interkalationen (engl. interlocking oder intercalation) und invertierte Rekurse bzw. unterschiedliche Formen von Repetitionen, sodann Analepsen, Prolepsen und die Verwendung von gleichen Motiven bzw. Themen innerhalb der strukturell ähnlich gewichteten Textpartien. Verzahnungstechniken: Bereits J. Ellul hat auf die eigenartige Bewegung des Apokalypsetextes hingewiesen, die mittels der „Verschachtelung“ ermöglicht wird. 73 Exegeten haben des Öfteren diese kompositorische Technik betont, kraft derer verschiedene Textpartien miteinander „verzahnt“ werden. Eine übereinstimmende Bezeichnung für diesen literarischen Stil hat sich allerdings noch nicht durchgesetzt. 74 Das entscheidende Kennzeichen der Verzahnungstechnik ist ein literarischer Kompositionsstil, in dem die in der Interkalation enthaltenen Elemente sowohl retrospektive als auch prospektive Bindeglieder aufweisen. Diese bilden gleichsam eine textliche Scharnierstelle für das Ende des einen und den Beginn des nächsten Visionscorpus. 75 Durch solch eine literarische Kom-
73 Vgl. J. ELLUL, Apokalypse. Die Offenbarung des Johannes – Enthüllung der Wirklichkeit, Übers. J. Meuth, Neukirchen-Vluyn 1981, 28.33–35. „Es geht also nicht darum, einzelne Abschnitte des Buches zu verstehen, als vielmehr diese Bewegung zu erfassen, die von einem Teil zum anderen überleitet (und die besonders im Ineinandergreifen der einzelnen Abschnitte sichtbar wird).“ (Ebd., 4). 74 Namen für diese literarische Technik gibt es in Fülle: „Verschachtelung“ oder die „Methode der Ineinanderschachtelung“ (so E LLUL, aaO., 35); das Gesetz der Verschachtelung („la loi de l’emboitement“, E.-B. ALLO, Saint Jean l’Apocalypse, EtB 10, lxxxii– lxxxv); „Inklusion“ (U. VANNI, La Struttura [s. Anm. 15], 7–104); „Intercalation“ (R. STEFANOVIC, The Angel at the Altar. Revelation 8:3–5: A Case Study on Intercalations in Revelation, AUSS 44 (2006), 79–94); „Interlocking“ (BEALE, Revelation, [s. Anm. 2], 112; M. S. HALL, The Hook Interlocking Structure of Revelation: The Most Important Verses in the Book and How they May Unify its Structure, NovT 44 [2002], 279–296, hier bes. 285f.; COLLINS, Combat [s. Anm. 14), 15ff.). Von einem „literarischen Mittel der Verschränkung“ will LOHMEYER, Offenbarung (s. Anm. 21), 73, reden. S CHÜSSLER FIORENZA, Composition (s. Anm. 16), 360ff. hebt die interpretatorische Relevanz dieser Technik hervor: „The recognition of the method of intercalation has far-reaching consequences for the understanding of the composition and structure of Revelation. The method of intercalation presents one of the greatest obstacles to the correct understanding of Revelation. Since exegets are trained to divide a text into sections (lat. secare) which follow each other in a logical-linear fashion, we usually search for the markers which divide Revelation into different sections. However these ‘dividing marks’ do not occupy such a clear position in the outline of Revelation that the author could have intended to indicate the structure of his work with them. The author of Revelation does not divide the text into separate sections or parts, but joins units together by interweaving them with each other through the method of intercalation. It is therefore more crucial to find out the joints of the structure which interlace the different parts then to discover ‘dividing marks’.“ 75 Vgl. S CHÜSSLER FIORENZA, Offenbarung (s. Anm. 38), 55, zur Funktion dieser „Technik der Einschaltung“: „Der Autor der Johannesoffenbarung unterteilt die narrative Struktur nicht in klare Abschnitte oder logische Sequenzen, sondern er fügt die einzelnen Visionen und Zyklen ineinander, indem er sie miteinander durch die Technik der Einschaltung und des Einschlusses verwebt. Wenn auch WissenschaftlerInnen gewöhnlich
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positionstechnik sind die Übergänge zwischen den Visionszyklen fließend, treten die einen aus den anderen nahtlos hervor.76 Vermehrt ist in der jüngeren Apokalypseforschung diese Verzahnungstechnik in den Blick geraten. So durch F. Tavo, die auf diese als „transitions“ bezeichneten Stellen nachdrücklich hinweist, welche die einzelnen Visionsblöcke miteinander verbinden („narrativ joint“),77 ferner B. W. Longenecker, der, in Anlehnung an antike Rhetoriktheorien, von „chain-link interlock/transition“-Texten spricht und besonders Apk 22,6–9; 3,21–22; 8,2–5 und 15,1–4 unter diesem Aspekt näher untersucht. 78 So führt Apk 4,2 mit dem Begriff θρόνος den aus Apk 3,21 eröffneten Gedanken fort; 79 gleichzeitig wird mit der Einführung des Siegelbuches in Apk 5 die folgende Siegelbrechung in Apk 6 vorbereitet. Für Apk 8,1–6 und 11,15–19 ist in der jüngeren Forschung immer wieder auf die kompositorische Brückenfunktion dieser Texte hingewiesen worden. 80 Gerade diese beiden wichtigen Textabschnitte illustrieren auf besonders schöner Weise die Scharnierfunktion der Kultszenen. Apk 14,14–15,8 greift mit sprachlichen Berührungen auf Apk 14,6–1381 und Apk 11,1982 zurück. Zugleich wird mit
nach Trennungszeichen in der Gliederung der Johannesoffenbarung suchen, scheint es doch fruchtbarer zu sein, sich auf die Verbindungsstücke bzw. Scharniere zu konzentrieren.“ 76 Die hier zu ermittelnden „Verzahnungsmuster“ sind von G. H. GUTHRIE, The Structure of Hebrews. A Text-Linguistic Analysis, SNT 73, Leiden 1994, 96ff., für Heb ausführlich analysiert worden (vgl. dort auch die anschaulichen Darstellungen); für die Apokalypse vgl. u.a. die Analysen bei BEALE, Revelation (s. Anm. 2), 113f.; YARBRO COLLINS, Combat (s. Anm. 14), 15ff.; SCHÜSSLER FIORENZA, Composition (s. Anm. 16), 360f.; DIES., Offenbarung (s. Anm. 38), 54f. 77 F. TAVO, The Structure of the Apocalypse. Re-Examining a Perennial Problem, NT 47 (2005), 47–68; D IES., Woman, Mother and Bride. An Exegetical Investigation into the “Ecclesial” Notions of the Apocalypse, Biblical Tools and Studies 3, Leuven u.a. 2007, 39–42. Tavo zählt hierzu: Apk 4,1–5,15; 8,1–5; 11,15–19; 15,1–8; 16,17–19,10; 21,1–8 Freilich bleiben Anfragen an TAVOS Makrostruktur nicht aus. Das auch von Tavo durchaus gesehene Problem der „Überlänge“ von Apk 16,17–19,10 (Structure, 67), die kaum dem Charakter der anderen Einleitungsszenen entspricht, bringt die makrostrukturelle Konzeption Tavos ebenso in Schieflage wie die Beobachtung, dass diese lange Textpartie kaum noch den Charakter von „liturgical activities“ (Structure, 63; Woman, 41) besitzt, wie es für die anderen Kultszenen durchaus der Fall ist. 78 B. W. LONGENECKER, Rhetoric at the Boundaries. The Art and Theology of the New Testament Chain-Link Transitions, Waco, TX 2005, 103–120. Longenecker untersucht ähnliche Stilphänomene auch im übrigen Neuen Testament und in zahlreichen antiken Texten. 79 Vgl. R. BAUCKHAM, Structure and Composition, in: ders., The Climax of Prophecy. Studies on the Book of Revelation, Edinburgh 1993, 1–37 (6); LONGENECKER, Rhetoric (s. Anm. 78), 113f. 80 Vgl. LONGENECKER, Rhetoric (s. Anm. 78), 114f.; T ÓTH, Kult (s. Anm. 23), 168– 171; TAVO, Structure (s. Anm. 77), 62; DIES., Mother (s. Anm. 77), 43; MÜLLER, Offenbarung (s. Anm. 4), 184f.; BEALE, Revelation (s. Anm. 2), 112; YARBRO COLLINS, Combat (s. Anm. 14), 15–18; SCHÜSSLER FIORENZA, Offenbarung (s. Anm. 38), 54f. 81 Vgl. die chiastische Verflechtung zwischen Apk 14,6–13 und 15,2–4: A (14,6–7a): fürchten (φοβέοµαι), Ehre geben (δόξαν), anbeten (προσκυνέω) – B (14,7b): Gottes Werke – C (14,9–11): Tier, Bild, Malzeichen – D (14,12–13): Heilige // D’ (15,2a): Überwinder – C’ (15,2b): Tier, Bild, Namenszahl – B’ (15,3): Gottes Werke – A’ (15,4): fürchten (φοβέοµαι), ehren (δοξάζω), anbeten (προσκυνέω); zu Apk 15,1–4 als Schar-
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Thematisierung des Gotteszorns (θυµὸς τοῦ θεοῦ 14,19; 15,1.7) und der sieben Schalenplagen (15,1.6–8) die folgende und abschließende Gerichtsvision in Apk 16 eingeleitet. Ähnlich bietet auch Apk 16,17–21 einen Abschluss der Schalengerichte, zugleich aber auch eine Eröffnung für einen weiteren Visionszyklus über Babylon (Apk 17f.) 83 und das Neue Jerusalem (Apk 21,1ff.). 84 Apk 19,1–10 schließt mit dem Jubel über die gerichtete Hure (V. 2) nicht nur den vorhergehenden Visionscorpus ab, vielmehr leitet 19,6–10 mit der hochzeitlichen Mahlmetapher kontrastierend zur gerichtlichen Mahlinvitation in 19,17f. über. 85 Schließlich fungiert auch Apk 21,1–8 als Überleitungstext zwischen dem vorhergehenden Millenniumsgericht in Kap. 20 (vgl. 21,8; 20,14f.; 19,20; vgl. auch 21,1 mit 20,11) und der Schilderung des Neuen Jerusalems in den nachfolgenden Versen (vgl. 21,2; 21,9–22,5).86 Invertierte Rekurse und andere Formen von Repetitionen: Bei der Erhebung von redaktionellen Eingriffen spielt die Beobachtung von intratextuellen Vernetzungen in Form von Repetitionen und invertierten Rekursen eine besondere Rolle. Hierzu zählen unterschiedliche Arten von Wiederholungen in Gestalt von (inklusionär verwendeten) invertierten Parallelismen bzw. Chiasmen87 und allgemeinen „Klammerungen“.88 Die chiasti-
niertext vgl. auch LONGENECKER, Rhetoric (s. Anm. 77), 116; BEALE, Revelation (s. Anm. 2), 113. 82 Die sprachliche Formulierung zwischen beiden Texten ist denkbar eng: Apk 11,19: καὶ ἠνοίγη ὁ ναὸς τοῦ θεοῦ ὁ ἐν τῷ οὐρανῷ καὶ ὤφθη ἡ κιβωτὸς τῆς διαθήκης αὐτοῦ ἐν τῷ ναῷ αὐτοῦ; Apk 15,5: καὶ ἠνοίγη ὁ ναὸς τῆς σκηνῆς τοῦ µαρτυρίου ἐν τῷ οὐρανῷ. 83 Vgl. S ATAKE, Offenbarung (s. Anm. 1), 342; M ÜLLER, Offenbarung (s. Anm. 4), 284. BEALE, Revelation (s. Anm. 2), 114, macht darüber hinaus eine ähnliche Funktion auch für Apk 17,1–3 (im Kontext von Apk 16,17–21) geltend. 84 Vgl. BAUER, Messiasreich (s. Anm. 10), 107f.; G IBLIN, Structural and Thematic Correlations (s. Anm. 31), 502f.; BAUCKHAM, Structure (s. Anm. 79), 7. 85 Vgl. BEALE, Revelation (s. Anm. 2), 114. 86 Vgl. TAVO, Structure (s. Anm. 77), 62; DIES., Mother (s. Anm. 77), 40f. 87 Aus der hebräischen Poesie ist die Unterscheidung zwischen Parallelismus (parallelismus membrorum) in der synthetischen, antithetischen oder progressiven Art und einem invertierten Parallelismus bzw. Chiasmus zweckdienlich. Zur hebräischen Poesie (bes. im Hinblick auf technische Terminologien) vgl. W. G. E. WATSON, Chiastic Patterns in Biblical Hebrew Poetry, in: J. W. Welch (Hrg.), Chiasmus in Antiquity. Structures, Analyses, Exegesis, Hildesheim 1981, 118–168; A. R. CERESKO, The Function of Chiasmus in Hebrew Poetry, CBQ 40 (1978), 1–10; J. T. WILLIS, The Juxtaposition of Synonymous and Chiastic Parallelism in Tricola in Old Testament Hebrew Psalm Poetry, VT 29 (1979), 465–480; J. W. WELCH, Criteria for Identifying and Evaluating the Presence of Chiasmus, in: J. W. Welch/D. B. McKinley (Hrg.), Chiasmus Bibliography, Provo, UT 1999, 157–174. Gerade für die zweite Stilart fanden sich eine Vielzahl von Namen: „(semitische) Inklusion, konzentrische Struktur, konzentrische Symmetrie, invertierter Parallelismus, Palindromie oder Palindrom, Regression, ‘Envelopped Figure’, Ring Composition, Palistrophe, zirkuläre Logik, antithetischer Parallelismus, rückwärtsgerichteter Parallelismus usw.“ (A. DI MARCO, Der Chiasmus in der Bibel 1. Teil, LingBib 36 (1975), 21–97 [22]). Der Begriff Chiasmus hat sich offenbar allgemein für jegliche Art von rückwärtsgerichteten Parallelismen nach dem Muster A-B-…(C[-…’])-…’B’-A’ eingebürgert – und zwar je Definition mit oder ohne zentralem Glied. An dieser Stelle soll unterschieden werden zwischen der Inclusio (bzw. Inklusion) in der Art: A-B-
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sche Rahmung von Textpartien lässt auf gezielte Kompositionsstrategien innerhalb eines Werkes schließen. 89 B. M. Levinson verweist auf einige Beispiele im Alten Testament, in denen invertierte Parallelismen auf „editorial activity“ schließen lassen und der gerahmte Mittelteil als interpoliert erscheint. 90 Eine weitere nun intertextuelle Form invertierten Rekurses ist der Gebrauch von „inverted quotations“, die auch als „Seidel’s Law“ bekannt sind.91 Demnach ist das Phänomen zu beobachten, dass Zitationen von Prätexten an bestimmten Stellen verändert sind, somit u.U. auf redaktionelle Tätigkeiten 92 schließen lassen bzw. beim kundigen Leser „a moment of extra attention“93 hervorrufen wollen. Der Verfasser der Apokalypse scheint bei seiner Kompositionsarbeit von eben diesen schriftgelehrten Mitteln der invertierten Rekurse Gebrauch gemacht zu haben. So vermutet E. D. Aune, dass ursprünglich Apk 4,1f. sich nahtlos an 1,10–12a angeschlossen hat. Erst eine spätere zweite Redaktionsarbeit hätte den Corpus Apk 1,12b–3,22 zwischen Apk 1,10–12a und 4,1f. einfließen lassen. 94 Tatsächlich sind Apk 1,10–12 und 4,1f. durch einen invertierten Parallelismus aufeinander bezogen und inkludieren so das Corpus der Sendschreiben.
A’, einem Chiasmus ohne einem zentralen Glied, d. h. einem invertierten Parallelismus in der Art: A-B-B’-A’ (und Erweiterungen) und einem Chiasmus mit integrierter und mit den Rahmengliedern verbundener Apex, d. h. ein konzentrischer Parallelismus in der Art A-B-C-B’-A’ (und Erweiterungen). 88 Vgl. eingehend W ONNEBERGER, Redaktion (s. Anm. 71), 117–124. 89 Die reiche und faszinierende Stilvielfalt des „Chiasmus“ erfreut sich einer wachsenden Analysebeliebtheit vgl. C. BLOMBERG, The Structure of 2 Corinthians 1–7, Criswell Theological Review 4 (1989): 3–20; Y. T. RADDAY, Chiasmus in the Hebrew Bible Narrative, in: J. Welch (Hrg.), Chiasmus in Antiquity, Hildesheim 1981, 50–117. Freilich gehen diese Arbeiten von der ursprünglichen literarischen Einheit der durch Chiasmen zusammengehaltenen Textpartien aus und lehnen dezidiert literarkritische Schichtungsmodelle ab. Demgegenüber verweisen andere Forscher gerade wegen der kompositorischen Dichte auf einen redaktionellen Gestaltungswillen im Endtext, vgl. S. PORTER/J. T. REED, Philippians as a Macro-Chiasm and its Exegetical Significance, NTS 44 (1998), 213–231 (hier bes. 230f.); W. BROUWER, The Literary Development of John 13–17. A Chiastic Reading, SBL.DS 182, Atlanta 2000, 115; J. A. EMERTON, An Examination of Some Attempts to Defend the Unity of the Flood Narrative in Genesis, VT 38 (1988), 1–21. 90 B. M. LEVINSON, Deuteronomy and the Hermeneutics of Legal Innovation, New York 1997, 18–20. 90f. 91 Vgl. M. S EIDEL, Parallels between Isaiah and Psalms, Sinai 38 (1955–1956), 148– 172.229–240.272–280.335–355; P. BEENTJES, Discovering a New Path of Intertextuality: Inverted Quotations and their Dynamics, in: L. de Regt/J. de Waard/J. Fokkelman (Hrg.), Literary Structure and Rhetorical Strategy in the Hebrew Bible, Assen 1996, 31–50 (mit zahlreichen Beispielen); ferner S. TALMON, The Textual Study of the Bible – A New Outlook, in: F. Cross/S. Talmon (Hrg.), Qumran and the History of the Biblical Text, Cambridge 1975, 311–400, hier bes. 358–378; I. KALIMI, The Reshaping of Ancient Israelite History in Chronicles, Winona Lake, Ind. 2005, 232–274. 92 Vgl. LEVINSON, Deuteronomy (s. Anm. 90), 18ff. 93 Vgl. BEENTJES, Inverted Quotations (s. Anm. 91), 49. 94 Vgl. AUNE, Revelation 1–15 (s. Anm. 10), cxxiv, 282; vgl. auch KRAFT, Offenbarung (s. Anm. 7), 95: „Die Erzählung fährt nun da fort, wo sie (1,10) durch die Einfügung unterbrochen worden war, d.h. durch die Beigabe der Christusvision und der Sendschreiben.“
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A’
Franz Tóth Im Geist (ἐν πνεύµατι) (Apk 1,10) B Stimme = Posaune (φωνὴν µεγάλην ὡς σάλπιγγος) (Apk 1,10) C εἶδον: Leuchter (Apk 1,12) X Apk 1,13–3,22 C’ εἶδον: Tür (Apk 4,1) B’ Stimme = Posaune (ἡ φωνὴ ἡ πρώτη ἣν ἤκουσα ὡς σάλπιγγος) (Apk 4,1) Im Geist (ἐν πνεύµατι) (Apk 4,2)
Die chiastische Verzahnung zwischen beiden visionären Einleitungsformulierungen impliziert eine kohärente Leseführung, die den Textkomplex Apk 1,13–3,22 inkludiert und dabei gleichzeitig die beiden Stoffe Apk 1–3 und 4ff. verbindet. 95 Eine ähnliche inklusionäre Funktion hat der invertierte Rekurs zwischen Apk 15,1 ([a] ἀγγέλους [b] ἑπτὰ [c] ἔχοντας [d] πληγὰς [e] ἑπτὰ) und 15,6 (οἱ [b’] ἑπτὰ [a’] ἄγγελοι οἱ [c’] ἔχοντες τὰς [e’] ἑπτὰ [d’] πληγὰς), womit die z.T. als interpoliert geltenden Verse 2–4 gerahmt werden. 96 Apk 15,1 führt mit der Wendung [a] εἶδον ἄλλο [b] σηµεῖον [c] ἐν τῷ οὐρανῷ in invertierter Form die vorhergehende Einleitungswendung in Apk 12,1 ([b’] σηµεῖον µέγα [a’] ὤφθη [c’] ἐν τῷ οὐρανῷ) fort (vgl. auch Apk 12,3). Mit diesem redaktionellen Vermerk weist Apk 15,1 ebenso auf die Eröffnung des vorhergehenden Textkomplexes Apk 12–14 zurück,97 wie Apk 15,5 (ἠνοίγη ὁ ναὸς…ἐν τῷ οὐρανῷ) den Gedanken von Apk 11,19 (ἠνοίγη ὁ ναὸς τοῦ θεοῦ ὁ ἐν τῷ οὐρανῷ) wieder aufgreift.98 „Die Öffnung des himmlischen Tempels in 15,5 knüpft an 11,19 an und zeigt“, wie H. Kraft vermutet, „daß hier die Fortsetzung des ursprünglichen, durch große Einschübe unterbrochenen Zusammenhangs zu sehen ist.“ 99 Die Überleitung von Apk 11,19 zum großen Textblock Apk 12–14, der nun den Zusammenhang zwischen den Posaunen- und Schalenreihen unterbricht,
95 Der chiastische Rahmen von Apk 1,10–12 und 4,1f. ähnelt formal den Beispielen, die LEVINSON, Deuteronomy (s. Anm. 90), 18ff., anführt. Eine ähnliche inklusionäre Funktion des invertierten Rekurses für mögliche interpolierte Texte zeigt sich in Apk 12 an den Nahtstellen in V. 9 (καὶ ἐβλήθη ὁ δράκων) und 13 (ὁ δράκων ὅτι ἐβλήθη) – die Forschung hat seit jeher in den Versen 10–12 eine Interpolation vermutet, vgl. A UNE, Revelation 6–16 (s. Anm. 21), 664–666; DERS., Revelation 1–5 (s. Anm. 10), cxix; SATAKE, Offenbarung (s. Anm. 1), 278f.; C HARLES, Revelation I (s. Anm. 55), 305– 314.329f.; BOUSSET , Offenbarung (s. Anm. 11), 344: „Es hat den Anschein, als wenn hier eine Naht sichtbar wird, durch welche der Apok. divergierende Elemente mit einander verbindet, zumal V. 13 in merkwürdiger Weise auf V. 6 zurückgreift.“ 96 Zum sekundärem Charakter von Apk 15,2–4 vgl. S ATAKE, Offenbarung (s. Anm. 1), 71.327; BOUSSET , Offenbarung (s. Anm. 11), 393f.; AUNE, Revelation 6–16 (s. Anm. 21), 863.869; PRIGENT , Apocalypse (s. Anm. 1), 459. 97 Vgl. AUNE, Revelation 6–16 (s. Anm. 21), 863.869; BEALE, Revelation (s. Anm. 2), 784–786; KRAFT , Offenbarung (s. Anm. 7), 200f. 98 Vgl. BAUCKHAM, Structure (s. Anm. 79), 9.15ff.; AUNE, Revelation 6–16 (s. Anm. 21), 661; KRAFT , Offenbarung (s. Anm. 7), 201. Nimmt Apk 11,19a (Öffnung des Tempels) die Szene aus Apk 15,5 – und damit den Beginn der Schalengerichte – vorweg, so blickt Apk 11,19b (Theophaniezeichen aus Apk 4,5; 8,5 inklusive einem großen Hagel) bereits auf das mit der siebten Schale sich vollendende Gottesgericht an der großen Stadt (Apk 16,17–21) voraus; vgl. BAUCKHAM, Structure (s. Anm. 79), 16, wonach „15,5 echoes 11,19a and 16,17–20 expands 11,19b, making the seven bowls a fuller version of the seventh trumpet.“ 99 KRAFT , Offenbarung (s. Anm. 7), 201.
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wird ebenfalls durch einen invertierten Rekurs gewährleistet. 100 Tatsächlich ist eine enge literarische Verschränkung zwischen Apk 11,19 und 12,1.3 zu erkennen, wobei statt des gewöhnlichen καὶ εἶδον nur an diesen drei Stellen die passivische Form ὤφθη in Kombination mit ἐν τῷ οὐρανῷ vorkommt, mit welcher eine fließende Überleitung, nun zwischen Apk 11,19 und Apk 12,1ff., hergestellt wird.101 Ein weiterer invertierter Rekurs auf einen intratextuell vorausgehenden Prätext liegt im Kontext von Apk 14,14–15,8 vor. Die möglicherweise auf eine archaische Quelle zurückgehende Erntevision in Apk 14,14–20102 wird an dem nachfolgenden Textabschnitt Apk 15 angebunden, indem in Apk 15,6 das mehrfach wiederholte Motiv vom Heraustreten der Engel aus dem Tempel bzw. Altar (Apk 14,15.17.18) als invertierter Rekurs wieder aufgegriffen wird. Apk 14,15: Apk 14,17: Apk 14,18: Apk 15,6:
ἄλλος ἄγγελος ἐξῆλθεν ἐκ τοῦ ναοῦ ἄλλος ἄγγελος ἐξῆλθεν ἐκ τοῦ ναοῦ ἄλλος ἄγγελος ἐξῆλθεν ἐκ τοῦ θυσιαστηρίου ἐξῆλθον οἱ ἑπτὰ ἄγγελοι…ἐκ τοῦ ναοῦ
Der Textkomplex Apk 14,14–15,8 liest sich nun als ein durchgehender Visionsbericht über die im Angesicht der kommenden Gottesgerichte sukzessive den himmlischen Tempel verlassenden Gerichtsengel; 103 gleichzeitig fungiert der so zusammgehaltene Textabschnitt auch als Einleitung für die Schalenvision. Eine äußerst enge literarische Verflechtung liegt zwischen den Rahmenszenerien in Apk 17,1–19,10 und 21,9–22,9 vor. Anfang und Ende beider Visionen, darauf wurde bereits weiter oben hingewiesen, stimmen nahezu wörtlich überein. Mit dieser Kompositionstechnik werden zum einen der Visionsbericht über die große Hure bzw. die große Stadt Babylon auf der einen Seite und die Vision über die Braut des Lammes, das himmlische Jerusalem, auf der anderen Seite gerahmt. Beide Visionsabschnitte Apk 17,1– 19,10 und 21,9–22,9 inkludieren ihrerseits den Visionsstoff Apk 19,11–21,8. Die Ausgrenzung von Apk 19,11–21,8 wird noch dadurch verstärkt, dass der Verfasser, wie jüngst T. J. Bauer hervorhebt, „in 19,2.7, also am Ende der ersten der beiden rahmenden Visionen (19,1–10), auf die zweite voraus weist, indem er die Hure Babylon mit der Braut des Lammes, d.h. dem himmlischen Jerusalem, kontrastiert und dadurch das Auf-
100
Vgl. die gleichlautenden und doch sich variierenden Wendungen: Apk 11,19: …ἐν τῷ οὐρανῷ καὶ ὤφθη ἡ κιβωτὸς…ἐν τῷ ναῷ Apk 12,1: καὶ σηµεῖον µέγα ὤφθη ἐν τῷ οὐρανῷ Apk 12,3: καὶ ὤφθη ἄλλο σηµεῖον ἐν τῷ οὐρανῷ 101 Vgl. MÜLLER, Analysis (s. Anm. 18), 327ff.; AUNE, Revelation 6–16 (s. Anm. 21), 661f.; KARRER, Brief (s. Anm. 4), 242. Die redaktionellen Tätigkeiten innerhalb des Gesamtkomplexes Apk 11,19–15,6 bestätigen die aus der Analyse zur Genese der Gesamtkomposition eruierte Vermutung, dass die Heptadenvisionen zunächst eine Einheit gebildet haben, in die im Zuge redaktioneller Bearbeitungsphasen frühere Textpartien (z.B. Apk 12ff.) eingearbeitet worden sind. 102 Vgl. BOUSSET , Offenbarung (s. Anm. 11), 391f. (mit Forschungsüberblick); R OLOFF, Offenbarung (s. Anm. 39), 154f.; vgl. auch A UNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 10), cxix.cxxii. AUNE, Revelation 6–16 (s. Anm. 21), 799, vermutet, dass Apk 14,14–20 auf den Verfasser der Apokalypse selbst zurückgeht; ähnlich C HARLES, Revelation II (s. Anm. 21), 3.18–23, der lediglich die Verse 15–17 einer späteren Interpolation zuschlägt. 103 Vgl. eingehend TÓTH, Kult (s. Anm. 23), 391–395.412–417.
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Franz Tóth
einander-Bezogen-Sein der beiden Visionen betont: Dem Gericht über die ‚große Hure‘ entspricht gegenbildlich die Hochzeit des Lammes.“ 104 (A) 17,1
…δεῦρο, δείξω σοι τὸ κρίµα τῆς πόρνης τῆς µεγάλης…
(B) 19,2
…ὅτι ἔκρινεν τὴν πόρνην τὴν µεγάλην…
(B’) 19,7
…ὅτι ἦλθεν ὁ γάµος τοῦ ἀρνίου καὶ ἡ γυνὴ αὐτοῦ ἡτοίµασεν ἑαυτήν
(A’) 21,9
…δεῦρο, δείξω σοι τὴν νύµφην τὴν γυναῖκα τοῦ ἀρνίου…
17,1–19,10
21,9–22,9 Die redaktionelle Rahmenerzählung wird demnach durch den invertierten Rekurs zusammengehalten und ermöglicht die Inkludierung verschiedenster Visionselemente, die z.T. kontrastierend aufeinander bezogen werden. Solch ein komplexes literarisches Beziehungsgeflecht deutet auf einen umfangreichen kompositorischen Gestaltungswillen schriftgelehrter Provenienz hin. Ein weiterer invertierter Rekurs zwischen den Rahmenpartien findet sich zwischen Apk 19,10 und 22,8. 105 Mit dem erneuten Auftreten von jeweils einem der sieben Schalenengel in Apk 17,1–3 und 19,9f. sowie 21,9f. und 22,6–9 erhalten die zunächst unabhängigen Textstoffe Apk 17, 18, 19, 20, 21 nicht nur einen erkennbaren Rahmen, vielmehr werden sie nun auch an den Heptadenzyklus der sieben Siegel, Posaunen und Schalen angebunden. Apk 17,1–3 dient dabei als Brückentext zwischen 16,17–21 und dem nachfolgenden Visionskomplex Kap. 17f., 106 wobei der Eröffnungsrahmen in Apk 17,2 in 18,3 als invertierter Rekurs wieder auftaucht. 107 Apk 18,1–3 ist seinerseits als redaktioneller Eröffnungstext für die Klagelieder über Babylon in Apk 18 konzipiert.108 Auch auf alttestamentliche Prätexte wird durch die invertierte Rekurstechnik verwiesen, obgleich die Apokalypse freilich nirgends eine direkte Zitationsformel gebraucht. So ist der Bezug zu DanΘ 7,9 (ἡ θρὶξ τῆς κεφαλῆς αὐτοῦ vgl. ähnlich DanLXX 7,9) in Apk 1,14 (ἡ δὲ κεφαλὴ αὐτοῦ καὶ αἱ τρίχες) als invertierter Rekurs gestaltet; ähnliche invertierte Rekurse sind auch zwischen Apk 4,8 (κυκλόθεν … ὀφθαλµῶν) und Ez 10,12 (ὀφθαλµῶν κυκλόθεν) und zwischen Apk 5,6 (ὀφθαλµοὺς ἑπτά οἵ εἰσιν τὰ ἑπτὰ πνεύµατα τοῦ θεοῦ ἀπεσταλµένοι εἰς πᾶσαν τὴν γῆν) und Sach 4,10 (ἑπτὰ οὗτοι ὀφθαλµοὶ κυρίου εἰσὶν οἱ ἐπιβλέποντες ἐπὶ πᾶσαν τὴν γῆν) zu beobachten. Prolepsen und Analepsen: Die außerordentlich starke intratextuelle Vernetzung innerhalb der Johannesapokalypse bedingt eine Vielzahl von erzählerischen Vorwegnahmen von erst später behandelten Themen oder den Nachtrag bzw. Rückverweis auf bereits
104 105
BAUER, Messiasreich (s. Anm. 10), 106. Vgl. die invertierten Bezüge: Apk 19,10: ἔπεσα ἔµπροσθεν τῶν ποδῶν αὐτοῦ προσκυνῆσαι αὐτῷ Apk 22,8: ἔπεσα προσκυνῆσαι ἔµπροσθεν τῶν ποδῶν τοῦ ἀγγέλου. 106 Vgl. BEALE, Revelation (s. Anm. 2), 114. 107 Vgl. AUNE, Revelation 17–22 (s. Anm. 31), 916, mit Verweis auf folgende Bezüge: Apk 17,2: (a) µεθ᾿ ἡς ἐπόρνευσαν (b) οἱ βασιλεῖς τῆς γῆς (c) καὶ ἐµεθύσθησαν οἱ κατοικοῦντες τὴν γῆν (d) ἐκ τοῦ οἴνου τῆς πορνείας αὐτῆς – Apk 18,3: (d’) ὅτι ἐκ τοῦ οἴνου τοῦ θυµοῦ (c’) τῆς πορνείας αὐτῆς πέπωκαν πάντα τὰ ἔθνη καὶ (b’) οἱ βασιλεῖς τῆς γῆς (a’) µετ᾿ αὐτῆς ἐπόρνευσαν. 108 Vgl. AUNE, Revelation 17–22 (s. Anm. 30), 977.
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Dargestelltes. 109 Im Zusammenhang mit den Kultszenen sei für eine Prolepse hier exemplarisch auf die siebte Posaune Apk 11,15–19 hingewiesen. Im Blick auf den Verweischarakter von Apk 11,14–19 lässt sich festhalten, dass die siebte Posaune „a summary statement in preview of the contents of the rest of the book of Revelation“ ist, so dass die siebte Posaune „a certein structural relationship to the events portrayed in chaps. 12–22“110 herstellt. Dagegen liegt in Apk 19,1–8 ein charakteristischer Rückgriff auf vorausliegende Themen vor, wie dies bereits W. Bousset richtig beobachtet hat. 111 Motiv- und Themenkontinuität: Ein wenn auch nicht für jede Kultszene verwendetes typisches und markantes Motivinventar ist die Kombination von sich steigernden Theophaniemotiven wie Blitze, Stimmen, Donner, Erdbeben und großer Hagel im ersten Teil des Werkes Kap. 4–16 (Apk 4,5; 8,5; 11,19; 16,17–21). Die Implementierung der Theophaniemotive in den kosmologischen Kultrahmen vermittelt eine deutliche Steigerung, die letztlich auf das Gericht über Babylon in der siebten Schalenplage (Apk 16,17–21) hindrängt. 112 Im Modus fortlaufender und gerichtlicher Theophanien wird ein konstitutives Kontinuitätselement in den himmlischen Tempelszenen zur Sprache gebracht, das die Kohärenz des himmlischen Kult- und Gerichtsgeschehens unterstreicht. Ziel der sich mittels der Theophaniemotive durchsetzenden Macht Gottes ist die Zerstörung Babylons, die im siebten Schalengericht freilich nur kurz erwähnt wird, in den darauffolgenden Kap. 17ff. dann aber eingehend und in Blick auf das Neue Jerusalem geschildert ist. – Die Überleitung vom ersten Corpusteil Kap. 4–16 zu Apk 17–22 und die Kohärenz zwischen dem Abschnitt Apk 17–22 gewährleistet dabei die redaktionelle Rahmenstruktur in Apk 17,1–3; 19,9f.; 21,9f.; 22,6–9.113 Weitere verbindende thematische Elemente sind die vorwiegend in den Kultszenen verorteten hymnischen Stücke und der ausgeprägte
109 Vgl. die Beispiele bei S ATAKE, Offenbarung (s. Anm. 1), 64f.; AUNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 10), cxxixf. 110 So J. PAULIEN , Decoding Revelation’s Trumpets. Literary Allusions and Interpretation of Revelation 8:7–12, Andrews University Seminary Doctoral Dissertation Series 11, Berrien Springs, MI. 1988, 239f.; vgl. auch TÓTH, Kult (s. Anm. 23), 367–370. BOUSSET , Offenbarung (s. Anm. 11), 333, hält bzgl. Apk 11,14–19 im Blick auf die zahlreichen quellenkritischen Hypothesen summarisch fest: „Gegenüber allen kritischen Operationen läßt sich nachweisen, daß V. 14 bis 19 von einem Verfasser stammt, der das Ganze der Apk überschaute. V. 15 weißt rückwärts auf die Sieben-Posaunen-Vision und mit dem Ausruf: ‚Die Herrschaft fiel anheim unserm Herrn und seinem Christus‘, hinüber auf den Drachenkampf und messianischen Sieg im Himmel in Kap. 12. V. 16 schaut auf die Siegelvision zurück. V. 17–18 gibt einen kurzen Überblick über das, was folgen soll, Zorn der Heiden (Kap. 13), Zorn Gottes (Kap. 19), Gericht über die Toten, Belohnung der Knechte Gottes, (Kap. 20), Vernichtung der Weltverderber (Kap. 17 bis 18).“ 111 Für W. BOUSSET , Offenbarung (s. Anm. 11), 428, steht fest, „daß nur der Apok. letzter Hand diese Verse geschrieben haben kann. Sie stehen mit allen Teilen der Apk in inniger Verbindung. Vgl. V. 1 mit 7,9, V. 2a mit 15,6. 16,5, 2b mit Kap. 17. 18 (vgl. 11,18), 2c mit 6,10, V. 3 mit 14,11, V. 4 mit Kap. 4, V. 5 mit 11,18, V. 6 mit 14,1ff., V. 7f. mit Kap. 21.“ Ähnlich auch AUNE, Revelation 17–22 (s. Anm. 30), 1023. 112 Vgl. R. BAUCKHAM, The Eschatological Earthquake, in: ders., Climax (s. Anm. 79), 199–209; DERS., Structure (s. Anm. 79), 8; TÓTH, Kult (s. Anm. 23), 467–470. 113 Zur Rahmenstruktur vgl. AUNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 10), xcv–xcvii; D ERS., Revelation 17–22 (s. Anm. 30), 1202–1204; zum Überleitungscharakter von Apk 17,1–3 vgl. AUNE, Revelation 17–22 (s. Anm. 30), 915f.; BEALE, Revelation (s. Anm. 2), 114.
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kultische Charakter dieser Szenen. Diese zeichnen sich vornehmlich dadurch aus, dass sie „a form of liturgical activity before the heavenly throne“ 114 aufweisen.
Die zahlreichen schriftgelehrten redaktionellen Techniken lassen im Endergebnis das Werk des Apokalyptikers Apk 4–22 als eine einheitliche und strukturierte Komposition erscheinen. Für den Zusammenhalt der einzelnen Visionsstoffe sorgen vorwiegend die als Scharniere eingefügten himmlischen Kultszenen. Sie gewährleisten in besonderer Weise die literarische und sachliche Kohärenz des Werkes als ein corpus apocalypticum.115 Darüber hinaus deuten die makrostrukturellen und komplexen intratextuellen Vernetzungen und Bezüge zwischen den einzelnen Kultszenen, die das gesamte apokalyptische Werk prägen, darauf hin, dass diese Kultszenen auf die redaktionelle Abschlussarbeit am apokalyptischen Corpus zurückgehen. 3.3 Das apokalyptische Buch und die Sendschreiben In welchem literarischen, strukturellen und theologischen Verhältnis die Sendschreiben zu dem nachfolgenden apokalyptischen Corpus stehen, lässt sich nur schwer sagen.116 Die Frage nach der ursprünglichen Einheitlichkeit beider Großcorpora ist in der Apokalypseforschung umstritten. Einige neuere Kommentarwerke und exegetische Monographien tendieren z.T. (erneut) dazu, die Sendschreiben als jüngsten Teil der Johannesapokalypse
114 TAVO, Structure (s. Anm. 77), 63. Tavo konstatiert weiter: „The seer seems adamant that at each of these critical junctures in his narrative, liturgical activities before the throne must play a role. That they are sandwiched between the introduction to the narrative and the narrative proper further suggests their importance.“ Zur Analyse der kultischen Konnotationen dieser Tempelszenen vgl. eingehend TÓTH, Kult (s. Anm. 23), passim. 115 Vgl. BOUSSET , Offenbarung (s. Anm. 11), 140f.: „Aber daneben schafft nun freilich der Schreiber der Apk in einem großen Teil seiner Schrift, wie bereits deutlich geworden ist, nicht aus freier Hand und mit eigenen Mitteln; es scheint fast so als hätte er die Absicht, nicht bloß eine bestimmte Weissagung zu geben, sondern ein corpus apocalypticum zu schreiben, eine Sammlung von damals im Umlauf befindlichem apokalyptischem Material unter einem einheitlichen Gesichtspunkt zu veranstalten.“ 116 KARRER, Brief (s. Anm. 4), 265, selbst die Einheit zwischen Sendschreiben- und Apokalypsecorpus favorisierend, muss einräumen: „Kommt es dem Apk-Autor im Corpus also nachweislich auf die situative Einschlägigkeit seiner Schilderung in von heidnischen Pressionen geschüttelten Gemeinden an, so überrascht doch die Einlinigkeit und Intensität, mit der er die satanische Größe nun gegenüber der in den Sendschreiben gespiegelten Situationsvielfalt auf Rom zuspitzt und fixiert. Diese Darstellungs- und Beurteilungsverschiebung läßt sich nicht ganz auflösen, wird aber aufgrund der Motive verständlich, die zu ihr geführt haben dürften.“ Vgl. auch die immer noch lesenswerte Analyse dieses Problems bei BOUSSET , Offenbarung (s. Anm. 11), 234–242; vgl. ferner W. POPKES, Die Funktion der Sendschreiben in der Johannes-Apokalypse. Zugleich ein Beitrag zur Spätgeschichte der neutestamentlichen Gleichnisse, ZNW 74 (1983), 90–107.
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zu werten.117 In der Tat blickt der Gesamtaufriss der Sendschreiben inklusive der Einleitung in Apk 1,12–20 auf den bereits zusammengewachsenen apokalyptischen Corpus Apk 4–22 hinaus und ist auf diesen hin komponiert.118 Sprachlich und stilistisch scheinen sich die Sendschreiben zum gewissen Grad vom restlichen Corpus abzuheben.119 Auch inhaltlich setzen die Sendschreiben andere Akzente und theologische Schwerpunkte.120 „If the Letters are to be dated later than the rest of Revelation, then one can look to them for an application of the book’s message to the particular problems of contemporaneous Churches in Asia Minor“ – so die plausible Vermutung P. Prigents.121 Die Sendschreiben wären demnach eine im Zuge anwachsender 117 Vgl. TAEGER, Johannesapokalypse (s. Anm. 7), 24f.; S ATAKE, Offenbarung (s. Anm. 1), 59f.72f.; AUNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 10), cxxxii–cxxxiv; selbst P RIGENT , Apocalypse (s. Anm. 1), 149–154.633, der grundsätzlich von der literarischen Einheit des Werkes ausgeht, vermutet, dass die Sendschreiben erst im Zuge einer zweiten Editionsphase entstanden sind; ähnlich auch HOLTZ, Offenbarung (s. Anm. 28), 53. Ursprüngliche Zusammengehörigkeit der Sendschreiben zum Visionsteil favorisieren weiterhin K ARRER, Brief (s. Anm. 4), 137; H. GIESEN, Die Offenbarung des Johannes, RNT, Regensburg 1997, 93; WITULSKI, Hadrian (s. Anm. 5), 62; K. HUBER, Einer gleich einem Menschensohn. Die Christusvisionen in Offb 1,9–20 und Offb 14,14–20 und die Christologie der Johannesoffenbarung, NTA 51, Münster 2007, 76 Anm. 9. 118 Vgl. P RIGENT , Apocalypse (s. Anm. 1), „Thus for example the tree of life (2:7; 22:2,14); the second death (2:11; 21,8); the new name which no one knows (2:17; 19:12); the heavenly Jerusalem (3:12; 21:2), etc. This fact clearly demonstrates that our author had already written the body of the book of Revelation when he composed the Letters.“ Ähnlich auch SATAKE, Offenbarung (s. Anm. 1), 65. 119 Vgl. AUNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 10), cxxxiii: „The concentration of these stylistic features in Rev 2–3 suggests that the author is intentionally trying to write in slightly more elevated style or at least in a higher linguistic register when composing the speeches of the exalted Christ“. Zu den sprachlichen und stilistischen Differenzen zwischen den Sendschreiben und dem apokalyptischem Corpus vgl. auch B OUSSET , Offenbarung (s. Anm. 11), 234–41. Die sprachlichen Differenzen zwischen den Sendschreiben und dem Rest der Apokalypse und die sprachlichen Berührungen zwischen den Sendschreiben und den übrigen johanneischen Schriften deuten nach FREY , Erwägungen (s. Anm. 5), 358, in Anschluss an Bousset darauf hin, dass „diese sprachlichen Anklänge…am ehesten auf das Konto des Letztherausgebers gehen, der für die Sendschreiben (und vermutlich auch das Eingangs- und Schlußkapitel) besonders unmittelbar verantwortlich zeichnet.“ 120 Vgl. das Resümee bei S ATAKE, Offenbarung (s. Anm. 1), 60: „Die Sendschreiben konzentrieren ihr Interesse auf die Situation der sieben Gemeinden, während im Visionsteil von diesem nicht einmal die Rede ist; vielmehr öffnet der Vf. hier seinen Blick, dem apokalyptischen Grundschema entsprechend, auf die universale Weltgeschichte…In einigen Sendschreiben ist von Verfolgung durch die Juden und dem Wirken von Irrlehrern in den Gemeinden die Rede – Themen, die im Visionsteil gar nicht behandelt werden.“ 121 P RIGENT , Apocalypse (s. Anm. 1), 151. Prigent macht diesbezüglich auf das geänderte Gefährdungsszenario in den Sendschreiben gegenüber dem apokalyptischen Teil aufmerksam: „This danger is indeed a new one in comparison to the subjects addressed in the rest of Revelation: the threat is not only from the exterior, for it is encoun-
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nun auch innergemeindlicher Konflikte und Gefährdungen formulierte prophetische Mahnrede an die Gemeinden im Blick auf eine im apokalyptischen Teil offenbarte radikalisierte apokalyptische Wirklichkeit.122 Ein weiteres literarisches und kompositorisches Problem bilden die Eröffnungs- (Apk 1,1–20) und Abschlussverse (Apk 22,6–21), die bekanntlich schwer zu gliedern und abzugrenzen sind. Der äußerst enge sprachliche Bezug zwischen Apk 1,1–3 und 22,6–10123 (22,6ff. ist freilich selbst eng in die makrokompositorische Rahmenstruktur Apk 17,1–3 + 19,9f. und 21,9f. + 22,6–9 eingebunden [s.o.]) lässt vermuten, dass die Einführungsverse Apk 1,1–3 zum ursprünglichen Bestand des bis Apk 22,10 reichenden apokalyptischen Corpus Apk 4,1–22,10 gehört haben.124
tered in the very midst of the Churches, where it insidiously masks its demonic character behind features which appear to be Christian. The threat in question is heresy.“ (Ebd.). 122 Zur Hermeneutik einer radikalisierten Wirklichkeit im Wechselspiel zwischen Sendschreiben und Visionsteil vgl. die umfassende Analyse von H. ULLAND, Die Vision als Radikalisierung der Wirklichkeit in der Apokalypse des Johannes, TANZ 21, Tübingen/Basel 1997, bes. 324–336. Die Radikalisierungsperspektive kann freilich auch dann greifen, wenn die literarische Integrität der Sendschreiben nicht vorausgesetzt wird – dann könnten die Sendschreiben gleichsam als konkrete situative Anwendung einer bereits radikalisierten apokalyptischen Wirklichkeit gelesen werden. 123 Vgl. die gute Parallelübersicht bei A UNE, Revelation 17–22 (s. Anm. 30), 1148f.1205; DERS., Revelation 1–5 (s. Anm. 10), 14. 124 Gegen AUNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 10), cxxiv–cxxxii; D ERS., Revelation 17– 22 (s. Anm. 30), 1146, der Apk 1,1–3 zur letzten Editionsphase rechnet, wodurch mutatis mutandis auch Apk 22,6–9 zur Letztedition gezählt wird. Die enge Verzahnung von Apk 22,6–10 zum Visionscorpus Apk 17–19 zeigt allerdings, dass Apk 22,6–10 eine doppelte Funktion besitzt: sowohl als Abschluss der Jerusalemvision im Kontext der Rahmenstruktur Apk 21,9f. und in Parallele zu Apk 17,1–3 + 19,9f. als auch als makrostruktureller Epilog, der inklusionär auf die Einleitung Apk 1,1–3 zurückverweist; vgl. P RIGENT, Apocalypse (s. Anm. 1), 92: „what constituted a fitting conclusion to a vision is a perfect conclusion to a book of visionary revelations.“ Vgl. auch ebd., 631f. Vgl. eingehend LONGENECKER, Rhetoric (s. Anm. 78), 104–112; BAUCKHAM, Structure (s. Anm. 79), 5. Der enge literarische Zusammenhang von Apk 22,6–10 zum Visionscorpus bei gleichzeitiger Rückbindung zu Apk 1,1–3 lässt umgekehrt vermuten, dass auch das Vorwort Apk 1,1–3 zum ursprünglichen Bestand der Apokalypse gehört hat.
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Von der Vision zur Redaktion Apk 1,1–3
(1) ᾿Αποκάλυψις ᾿Ιησοῦ Χριστοῦ ἣν ἔδωκεν αὐτῷ ὁ θεός δεῖξαι τοῖς δούλοις αὐτοῦ ἃ δεῖ γενέσθαι ἐν τάχει, καὶ ἐσήµανεν ἀποστείλας διὰ τοῦ ἀγγέλου αὐτοῦ τῷ δούλῳ αὐτοῦ ᾿Ιωάννῃ, (2) ὃς ἐµαρτύρησεν τὸν λόγον τοῦ θεοῦ καὶ τὴν µαρτυρίαν ᾿Ιησοῦ Χριστοῦ ὅσα εἶδεν. (3a) µακάριος ὁ ἀναγινώσκων καὶ οἱ ἀκούοντες τοὺς λόγους τῆς προφητείας καὶ τηροῦντες τὰ ἐν αὐτῇ γεγραµµένα,
Apk 22,6–10
Apk 19,9f.
(6a) Καὶ εἶπέν µοι, οὗτοι οἱ λόγοι πιστοὶ καὶ ἀληθινοί,
19,9
(6b) καὶ ὁ κύριος ὁ θεὸς τῶν πνευµάτων τῶν προφητῶν ἀπέστειλεν τὸν ἄγγελον αὐτοῦ δεῖξαι τοῖς δούλοις αὐτοῦ ἃ δεῖ γενέσθαι ἐν τάχει. (7) καὶ ἰδοὺ ἔρχοµαι ταχύ.
µακάριος ὁ τηρῶν τοὺς λόγους τῆς προφητείας τοῦ βιβλίου τούτου.
(8) Κἀγὼ ᾿Ιωάννης ὁ ἀκούων καὶ βλέπων ταῦτα. καὶ ὅτε ἤκουσα καὶ ἔβλεψα, ἔπεσα προσκυνῆσαι ἔµπροσθεν τῶν ποδῶν τοῦ ἀγγέλου τοῦ δεικνύοντός µοι ταῦτα. (9) καὶ λέγει µοι, ῞Ορα µή· σύνδουλός σού εἰµι καὶ τῶν ἀδελφῶν σου τῶν προφητῶν καὶ τῶν τηρούντων τοὺς λόγους τοῦ βιβλίου τούτου· τῷ θεῷ προσκύνησον. (10a) καὶ λέγει µοι, Μὴ σφραγίσῃς τοὺς λόγους τῆς προφητείας τοῦ βιβλίου τούτου, (3b) ὁ γὰρ καιρὸς ἐγγύς ἐστιν.
19,10
(10b) ὁ καιρὸς γὰρ ἐγγύς ἐστιν.
Äußerst engmaschig und verzahnt ist die intratextuelle Vernetzung von Apk 22,6–10 mit 1,1–3 und 19,9f. Die textliche Rückbindung von Apk 22,6–10 an die beiden Referenztexte erfolgt systematisch im Wechsel von (a) 22,6a // 19,9; (b) 22,6b–7 // 1,1–3a; (a’) 22,8–10a // 19,10; (b’) 22,10b // 1,3b, wobei 22,6b als invertierter Rekurs zu 1,1 gestaltet ist.125 Als
125 Vgl. die Wendung Apk 22,6b: (a) ἀπέστειλεν τὸν ἄγγελον αὐτοῦ (b) δεῖξαι τοῖς δούλοις αὐτοῦ ἃ δεῖ γενέσθαι ἐν τάχει mit 1,1 (b’) δεῖξαι τοῖς δούλοις αὐτοῦ ἃ δεῖ γενέσθαι ἐν τάχει, (a’) καὶ ἐσήµανεν ἀποστείλας διὰ τοῦ ἀγγέλου αὐτοῦ τῷ δούλῳ αὐτοῦ. Vgl. auch die unterschiedliche Reihenfolge in der Abschlussformulierung zwischen Apk 22,10: ὁ καιρὸς γὰρ ἐγγύς ἐστιν mit 1,3: ὁ γὰρ καιρὸς ἐγγύς ἐστιν und den Wechsel zwischen Apk 22,7: τηρῶν τοὺς λόγους τῆς προφητείας und 1,3: τοὺς λόγους τῆς προφητείας καὶ τηροῦντες.
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„kompositionelles Scharnier“126 bildet Apk 22,6–10 damit sowohl den Abschluss der mit Apk 17,1–3 und 21,9f. eröffneten Rahmenstruktur als auch das Ende der mit dem Prolog Apk 1,1–3 beginnenden „Ur-Apokalypse.“127 Der mit dem Briefpräskript in Apk 1,4f. eröffnete briefliche Teil des Werkes Apk 1,4–3,22 und der zweite Epilog Apk 22,[11–14]16–21 dürften dagegen auf das Konto der abschließenden Redaktionsarbeit gehen.128 126 So S CHÜSSLER FIORENZA, Offenbarung (s. Anm. 38), 138. Entsprechend sollte man die Bezugslinien zwischen Apk 1,1–3 und 22,6–10 auf der einen Seite und Apk 21,9f. und 22,6–9 auf der anderen Seite nicht gegeneinander ausspielen, vgl. LONGENECKER, Rhetoric (s. Anm. 78), 104–112. Dagegen weisen die von LONGENECKER, aaO., 106–108, genannten Bezugslinien zwischen Apk 22,6–9 und 22,10–21 nicht zwingend auf eine ursprüngliche literarische Integrität von Apk 22,6–21 hin, zumal Vers 10 durch die Parallele zu Apk 1,1–3 noch zum Abschnitt Apk 22,6–9 hinzugenommen werden muss; der Schlussteil Apk 22,11–21 kann vielmehr auch als literarisch-theologische Fortschreibung von Apk 22,6–10 gelesen werden, der sich – wie noch zu zeigen sein wird – eng an den brieflichen Teil Apk 1,4–3,22 und damit an der Schlussredaktion orientiert. 127 Diese „Ur-Apokalypse“ hat hier freilich nichts mit den u.a. von F. S PITTA, Die Offenbarung des Johannes, Halle 1889, oder J. WEIß, Die Offenbarung des Johannes, Göttingen 1904, rekonstruierten „Ur-Apokalypsen“ zu tun, vgl. die kritische Bewertung bei BOUSSET , Offenbarung (s. Anm. 11), 113f.116f. 128 Vgl. P RIGENT , Apocalypse (s. Anm. 1), 633, im Blick auf den Zusammenhang zwischen Apk 22,16 und den Sendschreiben: „There is indeed a section in the book of Revelation which corresponds exactly to this definition, namely the Letters to the Churches. This is in fact the only part of the book in which Christ speaks in the first person that we were led to imagine that the Letters were introduced at a later time into the body of the book in order to spell out its relevance to the current situation… is it not possible that we have here an epilogue added by the person (probably the author himself) who has inserted the Letters at the beginnings of the book?“ Tatsächlich zeigt die Epilogpassage Apk 22,11–21 – im Gegensatz zu Apk 22,6–10, wo sich lediglich in V. 7 ein möglicher Bezug findet – vermehrt textliche Brückenschläge zum brieflichem Corpus Apk 1,4–3,22: vgl. V. 12a mit 3,11 (vgl. bereits 1,7); V. 12b mit 2,23; V. 13 mit 1,8; V. 14 mit 2,7; 2,16 (ἐκκλησία) mit 1,4.11.20; 2–3; V. 16 mit 2,28; V. 17 mit 2,7 par.; V. 19 mit 2,7; V. 20 mit 3,11, V. 21 (χάρις) mit 1,4. Darüber hinaus lassen sich auch in den christologischen Hoheitstiteln und Umschreibungen Unterschiede und Neuakzentuierungen konstatieren (vgl. dazu auch AUNE, Revelation 1–5 [s. Anm. 10], cxxvf.): So wird die in Apk 21,6 Gott vorbehaltene Bezeichnung τὸ ἄλφα καὶ τὸ ὦ, ἡ ἀρχὴ καὶ τὸ τέλος in der „zweiten Edition“ Apk 22,13 auf Christus übertragen; die hoheitsvolle Selbstvorstellungsformel in der Gottesrede Apk 21,6 mit ἐγώ εἰµι wird anschließend sowohl von Gott (Apk 1,8) als auch von Christus ausgesagt (Apk 1,17; 22,13.16; 2,23); schließlich wird in der zweiten Edition die besondere Nähe bzw. Aktionseinheit zwischen Jesus Christus und Gott dadurch zum Ausdruck gebracht, dass in Apk 22,16 – in pointierter Gegenüberstellung zu Apk 22,6 und 1,1 – nun Christus selbst den angelus interpres sendet – dabei spiegelt die direkte adressatenorientierte Anrede in der zweiten Person Plural in Apk 22,16 die typische Anredeform im Briefcorpus wider (vgl. Apk 1,4.9; 2,10.13.23f.; vgl. dagegen die rhetorisch anders gelagerte Formulierung in 12,12; 18,20); mit Apk 22,16 liegt demnach eine fortgeschrittene Deutungsarbeit von 1,1 vor. So wird auch die sonst übliche Zuordnung zwischen Gott und seinen Knechten (Apk 1,1; 7,3; 10,7; 11,18; 15,3;
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Apk 1,1–3 (möglicherweise in Zusammenhang mit den Versen 10.12a129) leitet demnach zunächst programmatisch in den ursprünglichen apokalyptischen Teil Apk 4,1–22,10 ein.130 Die redaktionsgeschichtlich bedingte Zweiteilung des Werkes wird durch die programmatische Formulierung in Apk 1,19 unterstrichen: „Schreibe also, was du gesehen hast (V. 19b), auch was es bedeutet (V. 19c), und was du danach sehen wirst (V. 19d)“131 (γράψον οὖν ἃ εἶδες καὶ ἃ εἰσὶν καὶ ἃ µέλλει γενέσθαι µετὰ ταῦτα). Als Erläuterung dieser Übersetzung konstatiert H. Giesen: „V. 19bc bezieht sich somit nicht auf das ganze Buch, sondern auf das in V. 9–16 Geschaute und dessen Erklärung in V. 17–20 sowie wahrscheinlich auch auf Kapitel 2–3, V. 19d (‚was geschehen wird danach‘) auf die folgenden Visionen, die nicht notwendig etwas über die eschatologische Zukunft aussagen, und deren Deutungen.“132 Apk 1,19 19,2.5; 22,3) im Briefteil (Apk 2,20) auf den erhöhten Christus ausgeweitet. Erst von Apk 22,16 her wird es möglich, die ansonsten theozentrische Offenbarungsstruktur von Apk 1,1–3 (vgl. LOHMEYER, Offenbarung [s. Anm. 21], 6.8) christologisch neu zu lesen. 129 Die Zuordnung dieser Verse orientiert sich an dem oben eruierten inklusionären Bezug zu Apk 4,1f. AUNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 10), cxxff., zieht die gesamten Verse Apk 1,7–12a zum ursprünglichen apokalyptischen Corpus. Ob dabei das Kriterium des „apokalyptischen Charakters“ von Apk 1,7f. ausreicht, um diese Verse in das ursprüngliche Corpus einzugliedern, ist angesichts der problematischen Abgrenzung zwischen „Prophetie“ und „Apokalyptik“ (vgl. E. SCHÜSSLER FIORENZA, Apokalypsis and Propheteia. The Book of Revelation in the Context of Early Christian Prophecy, in: J. Lambrecht [Hrg.], L’Apocalypse johannique et l’Apocalyptique dans le Nouveau Testament, Leuven 1980, 105–128 [111–114]) und den engen Bezügen zwischen Apk 1,7f. und 22,12f. (die auch Aune der zweiten Editions zuschlägt) doch eher fraglich. 130 Tatsächlich führt Apk 1,1–3.10.12a durchaus glatt zu 4,1f. hinüber: (1,1) ᾿Αποκάλυψις ᾿Ιησοῦ Χριστοῦ ἣν ἔδωκεν αὐτῷ ὁ θεὸς δεῖξαι τοῖς δούλοις αὐτοῦ ἃ δεῖ γενέσθαι ἐν τάχει, καὶ ἐσήµανεν ἀποστείλας διὰ τοῦ ἀγγέλου αὐτοῦ τῷ δούλῳ αὐτοῦ ᾿Ιωάννῃ, … [V. 2–3]… (1,10.12a) ἐγενόµην ἐν πνεύµατι ἐν τῇ κυριακῇ ἡµέρᾳ καὶ ἤκουσα ὀπίσω µου φωνὴν µεγάλην ὡς σάλπιγγος … Καὶ ἐπέστρεψα βλέπειν τὴν φωνὴν ἥτις ἐλάλει µετ᾿ ἐµοῦ, καὶ ἐπιστρέψας εἶδον … (4,1) καὶ ἰδοὺ θύρα ἠνεῳγµένη ἐν τῷ οὐρανῷ, καὶ ἡ φωνὴ [ἡ πρώτη] ἣν ἤκουσα ὡς σάλπιγγος λαλούσης µετ᾿ ἐµοῦ λέγων· ἀνάβα ὧδε, καὶ δείξω σοι ἃ δεῖ γενέσθαι… Die Wendungen µετὰ ταῦτα und ἡ πρώτη in Vers 4,1 dürften redaktionelle Erläuterungen sein, um den Anschluss an die hinzugekommenen vorhergehenden Kapitel zu gewährleisten (vgl. A UNE, Revelation 1–5 [s. Anm. 10], cxxiv.279f.; KRAFT , Offenbarung [s. Anm. 7], 50.94f.). 131 So die Übersetzung von H. GIESEN, Kirche in der Endzeit. Ekklesiologie und Eschatologie in der Johannesapokalypse, in: ders. (Hrg.), Studien zur Johannesapokalypse, SBAB 29, Stuttgart 200, 68–99 (77); DERS., Offenbarung (s. Anm. 117), 48–53. 132 GIESEN, Kirche (s. Anm. 131), 78. Eine andere, ebenfalls das erste καί epexegetisch interpretierende Übersetzung, die eine Zweiteilung favorisiert, bietet A UNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 10), 105: „Therefore write down what you will see, that is, the events which are now happening and the events which will happen later.“ Ähnlich nun auch SATAKE, Offenbarung (s. Anm. 1), 146. Einen hilfreichen Überblick über die möglichen Interpretationsansätze zu Apk 1,19 liefert BEALE, Revelation (s. Anm. 2), 152–170.
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fasst demnach die redaktionelle Zusammenfügung beider Textkomplexe Apk 1,1–3; 4,1–22,10 und 1,4–20; 2–3; 22,11–21 summarisch zusammen und bietet mit V. 19c (ἃ µέλλει γενέσθαι µετὰ ταῦτα) einen Brückenschlag zu 4,1 (ἃ δεῖ γενέσθαι µετὰ ταῦτα). Gleichzeitig greift Apk 1,19 als invertierter Rekurs aber auch den in 1,11 verlassenen Faden wieder auf133 und inkludiert die Menschensohnephiphanie 1,12–18.134 Das ursprüngliche apokalyptische Corpus dürfte demnach in Apk 1,1–3.10.12a; 4,1–22,10 vorliegen.135 3.4 Die Enthüllung des himmlischen Buches Zentrale Aussage der Eröffnungsworte und des Epilogs in Apk 22,6–10 ist ein zweifach wiederholtes dreigliedriges Offenbarungsgefälle von Gott, Jesus/Engel zu Knechte/Johannes.136 Eben diese revelatorische Zuordnung spiegelt sich auch im apokalyptischen Corpus wieder. Der Träger der großen Posaunenstimme (Apk 1,10; 4,1) dürfte dabei der in Apk 1,1 erwähnte angelus interpres sein,137 der in der ursprünglichen Apokalypse direkt in 133 Vgl. Apk 1,11: ὃ βλέπεις γράψον εἰς βιβλίον mit 1,19: γράψον οὖν ἃ εἶδες. Die redaktionelle Arbeitsweise des schriftgelehrten Propheten ist hier schön zu sehen. 134 Vgl. AUNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 10), 74; K RAFT , Offenbarung (s. Anm. 7), 38.43.50. Apk 1,11 und 19 sind demnach redaktionelle Rahmenstücke, um zum einen die Sendschreiben einzuleiten (Vers 11), zum anderen aber, um mit 1,19 auf den Visionsteil Apk 4,1ff. vorzubereiten. 135 Vgl. AUNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 10), 74: „The first-person narrative of Rev 1:9–11 looks very much like the original beginning of Revelation (which probably immediately followed the title in 1:1–3) which was very probably followed by Rev 4:1– 6:17“. Vgl. zustimmend F. W. HORN, Johannes auf Patmos, in: ders./M. Wolter (Hrg.), Studien zur Johannesoffenbarung und ihrer Auslegung (FS O. Böcher), Neukichen-Vluyn 2005, 139–159 (142): „Apk 1,9–11 hat in Apk 4,1–6,17 eine ausgezeichnete Fortsetzung, die Sendschreiben in Apk 2,1–3,22 scheinen diesen Zusammenhang empfindlich zu unterbrechen, sie haben aber etliche Bezüge und Verbindungen zu Apk 1,12–20.“ Vgl. auch KRAFT , Offenbarung (s. Anm. 7), 95. Aune scheint sich bzgl. der Zuordnung von Apk 1,1–3 wohl nicht ganz sicher zu sein, ordnet er doch im Gegensatz zum obigen Zitat Apk 1,1–3 sonst der letzten Redaktionsstufe zu, vgl. AUNE, aaO., cxxff. 136 Vgl. die eingehende Diskussion bei H. R EICHELT , Angelus interpres – Texte in der Johannes-Apokalypse, EHS.T 507, Frankfurt a. M. u.a. 1994, 38–41. 137 Die Subjektidentifikation der Posaunenstimme in Apk 1,10 und 4,1 ist in der Forschung umstritten. Entgegen der Deutung auf den Menschensohn (vgl. B OUSSET , Offenbarung [s. Anm. 11], 139; GIESEN, Offenbarung [s. Anm. 117], 86; SATAKE, Offenbarung [s. Anm. 1], 141) bzw. auf die Stimme Gottes selbst (vgl. F RIEDRICH, σάλπιγξ, ThWNT VII, Stuttgart 1964, 71–88 [86]) lässt sich doch aufgrund der apositionellen Wendung ἡ φωνὴ ἡ πρώτη (Apk 4,1) die Posaunenstimme von der in Apk 1,15 ergehenden Menschensohnstimme ὡς φωνὴ ὑδάτων πολλῶν klar unterscheiden; vgl. U LLAND, Vision (s. Anm. 122), 26 Anm. 23; R OLOFF, Offenbarung (s. Anm. 39), 40; KARRER, Brief (s. Anm. 4), 104, Anm. 66; vgl. die Diskussion bei AUNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 10), 282; REICHELT , Angelus (s. Anm. 136, 147–151, lässt die Frage offen und vermutet
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die himmlische Vision einführt. Auch das Auftreten der Deuteengel in den Rahmenstücken Apk 17,1–3 + 19,9f. und 21,9f. + 22,6–10 ist demnach ebenfalls bereits durch Apk 1,1 vorbereitet. So erscheint der in Apk 1,1 genannte und speziell zum Seher Johannes gesandte (ἀποστέλλω) angelus interpres an den buchkompositorisch entscheidenden Stellen,138 an denen auch von der visionären Erfahrung des Apokalyptikers ἐν πνεύµατι die Rede ist.139 Entsprechend kommt auch der in Apk 1,1 programmatisch eingeführte Offenbarungsterminus δείκνυµι (neben 22,1 und im Epilog 22,6.8, ebenfalls mit einem angelus interpres verbunden) nur (!) im Kontext der angelus interpres-Textstellen vor (4,1; 17,1; 21,9f.; in 1,10 fehlt bezeichnenderweise diese Kombination – hier enthüllt nun Christus selbst). Schließlich erscheint, wiederum nur in den angelus interpres-Stellen, eine besondere Form der Einladung an den Visionär (Apk 4,1 ἀνάβα ὧδε [vgl. 11,12]; 17,1 und 21,9 δεῦρο): Apk 4,1f.: angelus interpres + δείκνυµι + ἐν πνεύµατι + ἀνάβα ὧδε Apk 17,1.3: angelus interpres + δείκνυµι + ἐν πνεύµατι + δεῦρο Apk 21,9f.: angelus interpres + δείκνυµι + ἐν πνεύµατι + δεῦρο.
Die in Apk 1,1 thematisierte Vermittlung der von Gott stammenden und durch Jesus offenbarten Apokalypse wird ebenfalls eingehend in Apk 4f. entfaltet. Als „bester Kommentar zur Buchrollenvision Apk 5“, so R. Bergmeier, bereitet Apk 1,1 den Leser auf eine umfassende Offenbarungskette vor: „Die Buchrolle ist Bild für die ‚Offenbarung Jesu Christi, die Gott ihm gegeben hat‘, denn Christus empfängt die Buchrolle aus der Rechten der himmlischen Majestät. Ihr Inhalt ist also nichts anderes als ἃ δεῖ γενέσθαι ἐν τάχει 1,1, also Weissagung, wie es dem Selbstverständnis der Johannesapokalypse von ihrem Hauptteil entspricht (1,3; 22,7.10.18.19).“140 letztlich hinter der Stimme entweder Gott (wegen des Posaunenklangs) oder den angelus interpres – letzteres ist freilich wegen der stereotypen Formulierung λαλεῖν µετ᾿ ἐµοῦ/ naheliegender (vgl. Apk 17,1; 21,9.15). 138 Es ist dabei nicht zwingend notwendig, hinter dem Motiv des angelus interpres immer denselben Engel zu vermuten – es können auch mehrere Engel oder auch andere himmlische Wesen (vgl. Apk 7,13f.) in der apokalyptischen Funktion des angelus interpres auftreten, zum Ganzen REICHELT , Angelus (s. Anm. 136), passim. 139 Zur makrostrukturellen Bedeutung der ἐν πνεύµατι-Wendung vgl. D. P EZZOLI OLGIATI, Täuschung und Klarheit. Zur Wechselwirkung zwischen Vision und Geschichte in der Johannesoffenbarung, FRLANT 175, Göttingen 1997, 37f.; M AZZAFERRI, Genre (s. Anm. 15), 332–343; BEALE, Revelation (s. Anm. 2), 111; B. KOWALSKI, Die Rezeption des Propheten Ezechiel in der Offenbarung des Johannes, SBB 52, Stuttgart 2004, 281–291; TÓTH, Kult (s. Anm. 23), 439–443. 140 BERGMEIER, Buchrolle (s. Anm. 54), 230; vgl. auch R. H. MOUNCE, The Book of Revelation, NIC, Grand Rapids, MI 21998, 40; GIESEN, Offenbarung (s. Anm. 117), 56: „Jesus Christus ist nicht der Inhalt der Offenbarung, sondern deren Urheber (Gen. auctoris). … Dem entspricht, daß das Buch, das das Lamm nach Offb 5 empfängt, mit der
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Das in Apk 5 hochdramatisch eingeführte Siegelbuch dominiert in der weiteren leseführenden Kommunikationsstrategie die nachfolgenden Visionsberichte. Unabhängig von der Frage ob das Siegelbuch nun die dokumentarische Form einer Doppelurkunde141 oder die eines sog. Opisthographon hat,142 entscheidend ist, dass die nachfolgenden Ereignisse (Apk 6ff.) erst durch den Entsiegelungsprozess realisiert werden können.143 Der Verfasser der Apk scheint, da im späteren Erzählverlauf nirgends der Inhalt des Buches selbst zur Sprache gebracht wird, davon auszugehen, „daß mit der Ablösung jedes Siegels sich ein Teil des Inhalts der Buchrolle“ 144 Offenbarung Jesu Christi in 1,1 gleichzusetzen ist. … Jesus Christus schöpft die Offenbarung, die nach Offb 5 die endzeitliche Machtfülle bedeutet, nicht aus sich selbst, sondern hat sie als der einzige Würde (5,5.7) von Gott, seinem Vater (vgl. 1,6), empfangen, der ihr eigentlicher Ursprung ist.“ In dieser Konzeption wird nochmals ein gewisser Unterschied zwischen dem Prolog in Apk 1,1–3 und dessen sachlicher Fortsetzung in Apk 4ff. auf der einen Seite und dem brieflichen Teil Apk 1,4–3,22 auf der anderen Seite deutlich: von der Ansage in Apk 1,1–3, wonach Jesus selbst Empfänger der göttlichen Offenbarung sein soll, ist in Apk 1,4–3,22 gerade nicht die Rede, vielmehr ist nun der Menschensohngleiche selbst Ursprung und Autor der himmlischen Offenbarungsworte an die sieben Gemeinden. 141 Vgl. G. BORNKAMM, Die Komposition der apokalyptischen Visionen in der Offenbarung des Johannis, in: ders., Studien zu Antike und Urchristentum. Gesammelte Aufsätze, Bd. II, München 1963, 204–222 (= ZNW 36 [1937], 132–149) (221f.); E. LOHSE, Die Offenbarung des Johannes, NTD 11, Göttingen 91966, 40; ROLOFF, Offenbarung (s. Anm. 39), 73; G. FITZER, σφραγίς κτλ., ThWNT VII, Stuttgart 1964, 939–945 (951); vgl. Näheres mit anschließender Kritik bei AUNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 10), 341f. 142 Vgl. BOUSSET , Offenbarung (s. Anm. 11), 254; C HARLES, Revelation I (s. Anm. 55), 136f.; vgl. die Diskussion bei AUNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 10), 341, mit zahlreichen Quellen. 143 Zu Recht konstatiert K. M. W OSCHITZ, Erneuerung aus dem Ewigen. Denkweisen – Glaubensweisen in Antike und Christentum nach Offb 1–3, Wien/Freiburg/Basel 1987, 261: „Bei den ‚sieben Siegeln‘ ist nicht an Vorschriften bei der Testamentbestallung zu denken, sondern an den Aufbau der Offenbarung selber. Um es zu entsiegeln, bedarf es eines, der als ‚würdig‘ (ἄξιος) akklamiert werden könne, d. i. der dazu mächtig und zugleich würdig ist. Dieser enthüllt, indem er die Geschichte geschehen läßt, zugleich ihr Wesen.“ 144 BOUSSET , Offenbarung (s. Anm. 11), 255, Anm. 1; ähnlich auch C HARLES, Revelation I (s. Anm. 55), 138: „With the loosing of each seal a part of its contents is revealed in symbolic representation.“ So jetzt auch M. REISER, Das christliche Geschichtsbild. Seine Herkunft und seine moderne Rezeption, in: Horn/Wolter, Studien (s. Anm. 135), 46–70 (63): „Mit jedem gelösten Siegel kann ein Teil der in dem Buch beschriebenen Geschehnisse (bzw. Schrecknisse) wirklich eintreten. Wie das sozusagen ‚buchtechnisch‘ gehen soll, kümmert den Seher nicht. Man kann ein Buch ja eigentlich erst öffnen und lesen, wenn alle Siegel gelöst sind. Aber jedes Gleichnis hinkt, und so auch das vom Buch der Geschichte.“ (Hervorhebung im Original). Eine mögliche Lösung bietet GIESEN, Offenbarung (s. Anm. 117), 160f., der mit RISSI, Hure Babylon (s. Anm. 18), 14, vermutet: „Am ehesten hat man sich sieben je einzeln versiegelte und ineinander gerollte Blätter vorzustellen, die nach ihrer Entsiegelung sofort eingesehen werden können“.
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verwirklicht; m.a.W.: „Die Siegel binden nicht so sehr das Buch wie die Ereignisse, die in dem Buch aufgeschrieben sind.“145 Dann aber ist bereits mit Apk 6,2 und nicht erst ab Kap. 8,1 oder ab 10f.146 der Inhalt des Buches sukzessive offengelegt: „Weil nun bereits das Brechen der Siegel Akte des Endgeschehens in Gang setzt, wird man den Inhalt des ‚Buches‘ ab Kap. 6,1ff. geschildert finden.“147 Das Ende des himmlischen Schriftstückes dürfte dann in Apk 22,5 zu finden sein, das durch den ursprünglichen Epilog Apk 22,6–10 abgeschlossen und – im Rückgriff auf Apk 1,1–3 – gerahmt wird. Inhalt und Gegenstand der himmlischen Siegelurkunde ist demnach der zentrale apokalyptische Teil Apk 6,1–22,5 der Johannesoffenbarung.148 145
KRAFT , Offenbarung (s. Anm. 7), 105; zustimmend G. SCHIMANOWSKI, Die himmlische Liturgie in der Apokalypse des Johannes. Die frühjüdischen Traditionen in Offenbarung 4–5 unter Einschluß der Hekhalotliteratur, WUNT II 154, Tübingen 2002, 165.379; BEALE, Revelation (s. Anm. 2), 347; vgl. ferner BILL. II, 175, mit Verweis auf Dan 7,10; 4Esr 6,20ff.: „Auch hier handelt es sich um Bücher, in denen die Geschehnisse der Endzeit im voraus festgesetzt sind; ihr Aufschlagen hat dann den sofortigen Eintritt der betreffenden Ereignisse zur Folge: vgl. im NT Apk 5,1ff.; 6,1ff.“ Ähnlich auch M ÜLLER, Offenbarung (s. Anm. 4), 153f. P. MÜLLER, Das Buch und die Bücher in der Johannesoffenbarung, in: Horn/Wolter, Studien (s. Anm. 135), 293–309 (303), konstatiert zu Recht: „Die Buchrolle wird deshalb, auch dies ist ein eigener Akzent, bereits mit dem Öffnen der einzelnen Siegel ‚lesbar‘, wobei das ‚Lesen‘ nicht in erster Linie das Wahrnehmen von Geschriebenem meint, sondern das Erleben und Verstehen der in Kraft gesetzten Ereignisse. Das Buch wird geöffnet, indem sein Inhalt in Kraft gesetzt wird, und es wird gelesen, indem es (visionär) gesehen wird. Der Hinweis auf die römische Urkunde ist vor allem darin berechtigt, dass die Urkunde rechtskräftig etwas in Kraft setzt.“ 146 Für die Offenlegung der Siegelurkunde erst nach Apk 8,1 (mit 8,2–22,5 als Inhalt des Buches) votiert u.a. J. WEISS, Die Offenbarung des Johannes. Ein Beitrag zur Literatur- und Religionsgeschichte, FRLANT 3, Göttingen 1904, 57f.; vgl. auch die Lit. bei AUNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 10), 344 unter (a)[3]; BORNKAMM, Komposition (s. Anm. 141), 220, der den Inhalt des Siegelbuches ab Apk 8,2 als geöffnet erklärt, vermutet, „daß das siebenfach versiegelte βιβλίον in 22,5 endet, und 22,6 bringt die feierliche Beglaubigung der Urkunde aus dem Munde des Kronzeugen Christus: οὗτοι οἱ λόγοι πιστοὶ καὶ ἀληθινοί.“ Dass der Inhalt der Urkunde von 8,2 bis 22,6 reichen soll, beruht auf der Annahme, dass – freilich nirgends ausdrücklich gesagt – zwischen Apk 8,1 und 2 das Buch nun zwischenzeitlich geöffnet wurde. BORNKAMM, aaO., 221, räumt selbst ein, dass „an dieser Stelle kein Exeget darum herumkommt, ‚e silentio‘ zu argumentieren.“ Die Identität des Siegelbuches mit dem Büchlein aus Apk 10 voraussetzend, vermutet R. BAUCKHAM, The Conversion of the Nation, in: ders., Climax (s. Anm. 79), 238–337 (243–257), dass der Inhalt des Siegelbuches erst ab Kap. 11 enthüllt wird. 147 MÜLLER, Offenbarung (s. Anm. 4), 153f.; so auch H. G IESEN, „Das Buch mit den sieben Siegeln“. Bilder und Symbole in der Offenbarung des Johannes, in: ders., Studien (s. Anm. 131), 25–33; DERS., Symbole und mythische Aussagen in der Johannes-Apokalypse und ihre theologische Bedeutung, in: ders., Studien (s. Anm. 131), 48–67 (51.55). 148 Vgl. auch A. W IKENHAUSER, Die Offenbarung des Johannes, RNT 9, Regensburg 3 1959, 56.61f.; HOLTZ, Offenbarung (s. Anm. 28), 56.60f. Die inhaltliche Identität des Siegelbuches mit der Johannesapokalypse selbst bzw. mit Teilen daraus wurde in der
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Als rezipientenorientierte und kompositorische Schlüsselstelle für das buchkompositorische Gesamtverständnis der Apk kann der Auftrag in Apk 22,10 gelten: Im Rückgriff auf den Prätext Dan 12,4.9 und doch in pointiertem Gegensatz dazu soll das prophetische Buch im Blick auf die Nähe der Zeit nun nicht versiegelt werden.149 Die Kap. 10–12 des Danielbuches bilden einen narrativ zusammenhängenden Textkomplex.150 Dabei stellen Dan 10,1–11,2a und 12,4–13 den Rahmen für eine lange kommentierende Rede des angelus interpres. Dieser teilt Daniel mit, dass er gekommen ist um ihn verstehen ( )ביןzu lassen, was dem Volk am „Ende der Tage“ ( אַח ִר ית ַה יּ ָ ִמ ים ֲ ) ְבּwiderfahren wird (Dan 10,14). Sodann schickt sich der Engel an, dem Propheten mitzuteilen ()נגד, was im sog. Buch der Wahrheit ( ) ִבּ ְכ ָת ב ֱא ֶמ תaufgezeichnet ist (Dan 10,21). Offensichtlich geht es um ein himmlisches Buch, dessen Inhalt nun der Engel wiedergeben möchte. Gleich darauf bekräftigt der Engel in Dan 11,2 nochmals – und zwar unmittelbar vor der eigentlichen langen Rede in Dan 11,2b–12,3 –, dass er nun die Wahrheit ( ) ֱא ֶמ ת mitteilen ( )נגדmöchte. Nach der ausladenden Rede des angelus interpres macht dieser Daniel darauf aufmerksam, dass er die Worte ( ) ַה ְדּ ָב ִר יםgeheim halten und das Buch ( ) ַה ֵסּ ֶפ רversiegeln ( חתםσφραγίζω) solle bis zur Zeit des Endes ( ( ) ֵע ת ֵק ץDan 12,4); dann erst werden die Verständigen, im Gegensatz zu den Gottlosen, die Worte verstehen ()בין (Dan 12,10, vgl. 11,14); Daniel selbst aber wird zur Geduld auf die Auferstehung ermutigt, die am Ende der Tage ( ) ֵק ץ ַה יּ ָ ִמ יןgeschehen wird. Die sprachlichen und thematischen Brückenschläge zwischen den Rahmenteilen in Dan 10 und 12 lassen nun vermuten, dass die lange Rede des Engels in Dan 11,2b–12,4 nichts anderes ist als die inhaltliAuslegungsgeschichte zum Siegelbuch immer wieder favorisiert, vgl. BOUSSET , Offenbarung (s. Anm. 11), 255 (bezogen auf die sieben Siegel); LOHMEYER, Offenbarung (s. Anm. 21), 53 (zunächst beschränkt auf 6,1–8,1, sodann aber auch ausgeweitet auf die Kap. 6–13). Die Gleichsetzung der gesamte Johannesapokalypse mit dem Inhalt des Siegelbuches ist u.a. von R. STEFANOVIĆ, The Backgrounds and Meaning of the Sealed Book of Revelation 5, Andrews University Seminary Doctoral Dissertation Series 22, Berien Springs, MI 1996, 305–312; GIESEN, Offenbarung (s. Anm. 117), 161, favorisiert worden. Bereits früh wurde der Inhalt des Siegelbuches mit Teilen oder mit dem ganzen Corpus der Johannesapokalypse identifiziert, vgl. F RANCISCO DE RIBERA (1537–1591), In Sacram beati Ioannis apostoli et evangelistae Apocalypsin commentarii, Lyon 1593, 122 (Inhalt des Siegelbuches: Apk 6–7); LUDOVICUS AB ALCASAR (1554–1614), Vestigatio arcani sensus in Apocalypsi, Antverpiae 1614, 406 (Inhalt des Siegelbuches: Apk 6–11); J OSEPH MEDE (1586–1638), Clavis Apocalyptica, Cambridge 1627, engl. Übers.: The Key of the Revelation, Übers. von R. More, London 1643, 37–39 (Inhalt des Siegelbuches: Apk 4,1–10,7; dagegen Inhalt des Büchleins aus Apk 10: Apk 10,8–22,21); die Auslegung J. Medes sollte für die später Auslegungstradition zum Siegelbuch prägend werden, vgl. die weitere Forschungsgeschichte bei S TEFANOVIĆ, aaO., 47ff., mit den Hinweisen auf James Durham (1622–1658), John Gill (1697–1771), Moses Lowman (1680–1752), Campegius Vitringa (1659–1722), Johannes A. Bengel (1687–1752), Samuel Langdon (1723–1797). 149 Zur Rezeption des Danielbuches in Apk 22,10 vgl. BEALE, Revelation (s. Anm. 2), 1129f.; KRAFT, Offenbarung (s. Anm. 7), 278; AUNE, Revelation 17–22 (s. Anm. 30), 1216f.; 150 Vgl. J.-C HR. LEBRAM, Das Buch Daniel, ZBK.AT 23, Zürich 1984, 110–113; J. J. COLLINS, Daniel, Hermeneia, Minneapolis 1993, 371f.; O. PLÖGER, Das Buch Daniel, KAT 18, Gütersloh 1965, 143f.
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che Wiedergabe des (himmlischen) Buches der Wahrheit.151 Allerdings ist das Verständnis um die eigentliche Bedeutung des Buches – aus der Sicht des Propheten – noch verschlossen, eben versiegelt; erst für das „Ende der Tage“ bzw. für die „Zeit des Endes“ soll das himmlische Schriftstück verstehbar werden.152
Ein ähnliches am danielischen Vorbild inspiriertes Konzept lässt sich auch für die Johannesoffenbarung geltend machen.153 Sofern der Inhalt des Siegelbuches mit Kap. 6,1–22,5 identifiziert werden kann, sind Apk 1,1– 3.10.12a; 4–5 und Kap. 22,6–10 als Rahmenteile charakterisiert. Die abschließende Aufforderung in Apk 22,10 „die Worte der Weissagung dieses Buches“ (τοὺς λόγους τῆς προφητείας τοῦ βιβλίου τούτου) nicht zu versiegeln (σφραγίζω) ist demnach nicht nur in bewusster Abgrenzung zu Dan 12,4.9 formuliert, vielmehr wird hier auch an das Entsiegelungsgeschehen in Apk 5 zurückerinnert (κατασφραγίζω [Apk 5,1]; σφραγίς [Apk 5,2passim; 6,1passim]):154 das nun durch das Lamm entsiegelte himmlische Buch, dessen Inhalt sich visionär in 6,1–22,5 entschleierte und durch den angelus interpres dem Johannes vermittelt wurde (Apk 1,1; 17,1–3; 21,9f.), soll eben nicht wieder versiegelt werden – denn die Zeit ist nahe (ὁ καιρὸς γὰρ ἐγγύς ἐστιν). Gemäß der überragenden Bedeutung, die diesem gleichsam „himmlischen Buch“ zukommt, wird entsprechend im Buchschluss dem Leser immer wieder die prophetische, ja göttliche Autorität dieser Schrift eingeschärft (Apk 22,6.7.9.10).
151 Vgl. H. C. LEUPOLD, Exposition on Daniel, Grand Rapids 1949, 534. Zu den rhetorischen Effekten in diesem Zusammenhang vgl. J. KALTNER, Is Daniel also Among the Prophets?, in: G. Cary/L. G. Bloomquist (Hrg.), Vision and Persuasion. Rhetorical Dimensions of Apocalyptic Discourse, St. Louise, MO 1999, 41–60 (bes. 54–57). Oft wird in der Kommentarliteratur der Versiegelungsauftrag in Dan 12,4 auf das ganze Buch Daniel ausgedehnt, vgl. L. F. HARTMANN/A. A. DI LELLA, The Book of Daniel, AncB, New York u.a. 1978, 310f.; J. E. GOLDINGAY, Daniel, WBC, Dallas 1989, 309; J. A. MONTGOMERY, A Critical and Exegetical Commentary on the Book of Daniel, ICC, Edinburgh 1927, 473. 152 Vgl. die weiterführenden Beobachtungen von J. BLENKINSOPP , Opening the Sealed Book: Interpretations of the Book of Isaiah in Late Antiquity, Grand Rapids, MI 2006, 21ff. 153 Vgl. ANTONINUS KING W AI S IEW, The War between the two Beasts and the two Witnesses. A Chiastic Reading of Revelation 11:1–14:5, JSNT.S 283, London 2005, 137, für den Vergleich des danielischen Konzeptes mit Apk 10f. 154 Vgl. G IESEN, Offenbarung (s. Anm. 117), 161: „Sobald Christus die Siegel geöffnet und damit die Offenbarung an Johannes und durch ihn an die Christen weitergegeben hat, gilt die Aufforderung: ‚Versiegle die Worte der Weissagung dieses Buches nicht!‘ (22,10). Es ist also ein christliches Buch, das nur für den Seher und die Christen geöffnet wird“. Vgl. auch HOLTZ, Offenbarung (s. Anm. 28), 143.
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3.5 Wort Gottes und Zeugnis Jesu Im inklusionär gestalteten Rahmen Apk 1,1–3 und 22,6–10 wird mehrfach die für die Adressaten außerordentliche, ja existenzielle Relevanz des prophetischen Buches hervorgehoben. In den Eröffnungsversen wird das prophetische Werk selbst unter verschiedenen Bezeichnungen eingeführt: Offenbarung (ἀποκάλυψις) (V. 1), Wort Gottes und Zeugnis Jesu (τὸν λόγον τοῦ θεοῦ καὶ τὴν µαρτυρίαν ᾿Ιησοῦ Χριστοῦ) (V. 2) und schließlich die Worte der Prophetie (οἱ λόγοι τῆς προφητείας) (V. 3).155 Gegenüber der Kennzeichnung des Werkes als οἱ λόγοι τῆς προφητείας, die neben dem Prolog ausschließlich im Epilog auftaucht (Apk 22,7.10) – der Begriff ἀποκάλυψις ist dagegen einmalig –, führt die Charakterisierung des prophetischen Buches als „Wort Gottes und Zeugnis Jesu“ programmatisch in die Welt des Textes ein. Die Doppelwendung kommt – mit gewissen Variationen – mehrfach im weiteren Textverlauf vor: Apk 1,9 (λόγος τοῦ θεοῦ und µαρτυρία ᾿Ιησοῦ); 6,9 (λόγος τοῦ θεοῦ und µαρτυρία ἣν εἶχον); 20,4 (µαρτυρία ᾿Ιησοῦ und λόγος τοῦ θεοῦ); ferner: 12,17 (ἐντολαὶ τοῦ θεοῦ und µαρτυρία ᾿Ιησοῦ) und 14,12 (ἐντολαὶ τοῦ θεοῦ und πίστις ᾿Ιησοῦ); λόγος/λόγοι τοῦ θεοῦ alleine noch in 17,17; 19,9.13 und µαρτυρία ᾿Ιησοῦ 19,10.156 Mit den variierenden Bezeichnungen, die offenbar im Lichte der programmatischen Eröffnungsformulierung Apk 1,1–3 gelesen werden 155 Zu den Einführungsversen vgl. die Analysen bei K ARRER, Brief (s. Anm. 4), 85– 108; L. HARTMANN, Form and Message. A Preliminary Discussion of ‘Partial Texts’ in Rev 1–3 and 22,6ff., in: D. Hellholm (Hrg.), Text-Centered New Testament Studies. Text-Theoretical Essays on Early Jewish and Early Christian Literature, WUNT 102, Tübingen 1997, 125–149; D. HELLHOLM, The Visions He Saw or: To Encode the Future in Writing. An Analysis of the Prologue of John’s Apocalyptic Letter, in: Th. W. Jennings, Jr. (Hrg.), Text and Logos. The Humanistic Interpretation of the New Testament (FS H. W. Boers), Scholars Press Homage Series, Atlanta, GA 1990, 109–146. 156 Die Doppelwendung Wort/Gebote Gottes und Zeugnis Jesu war immer wieder Gegenstand zahlreicher exegetischer Untersuchungen, vgl. N. BROX, Zeuge und Märtyrer. Untersuchungen zur frühchristlichen Zeugnis-Terminologie, StANT 5, München 1961; J. BEUTLER, Traditionsgeschichtliche Untersuchungen zum Zeugnisthema bei Johannes, FTS 10, Frankfurt a.M. 1972; J. COMBLIN, Le Christ dans L’Apocalypse, BT.B 6, Tounai 1965, 132–142; A. A. TRITES, Μάρτυς and Martyrdom in the Apocalypse: A Semantic Study, NT 15 (1973), 72–80; B. DEHANDSCHUTTER, The Meaning of Witness in the Apocalypse, in: J. Lambrecht (Hrg.), L’Apocalypse johannique et l’Apocalyptique dans le Nouveau Testament, Paris/Gembloux 1980, 283–288; G. W. H. LAMPE, The Testimony of Jesus is the Spirit of Prophecy, in: W. C. Weinrich (Hrg.), The New Testament Age: Essays in Honor of Bo Reicke, Macon 1984, 245–258; P. VASSILIADIS, The Translation of Martyria Iēsou in Revelation, BiTr 36 (1985), 129–134; F. D. MAZZAFERRI, Martyria Iēsou Revisited, BiTr 39 (1988), 114–122; P. ELLINGWORTH, The Marturia Debate, BiTr 41 (1990), 138–139; grundlegend zuletzt H. ROOSE, ‚Das Zeugnis Jesu‘. Seine Bedeutung für die Christologie, Eschatologie und Prophetie in der Offenbarung des Johannes, TANZ 32, Tübingen/Basel 2000.
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wollen, wird immer wieder ein charakteristisches Identitätsmerkmal der Gläubigen im Sinne des Verfassers thematisiert: ihre Treue zum offenbarten prophetischen Wort, Schrift geworden im Werk der Apokalypse selbst. „Liest man von 1,2 her kommend 1,9; 6,9; 20,4“, wie es J. W. Taeger zurecht tut, so „heißt dies jetzt: Das Christliche, dem der explizite Autor Johannes selbst verpflichtet war und ist (1,9), das die Glaubenden von den (durchweg negativ zu verstehenden) ‚Bewohnern der Erde‘ (6,9–10) und den Tieranbetern bis aufs Blut scheidet (20,4), ist fortan durch dieses vorliegende Buch definiert und in ihm fixiert.“157 Auch die im Mittelteil Apk 12–14 genannten Kennzeichen der Heiligen als diejenigen, die die Gebote Gottes halten und das Zeugnis Jesu haben (Apk 12,17) bzw. den Glauben Jesu bewahren (Apk 14,12), sind am besten von der grundlegenden und programmatischen Definition aus Apk 1,1f. her zu verstehen.158 Sichtbares Kennzeichen der Heiligen ist demnach ihr mehrfach betontes „Bewahren“ (τηρέω), nämlich der Gebote Gottes bzw. des Glaubens Jesu. Τηρέω ist nun aber das dominierende Verb im Rahmenteil des Werkes, das immer wieder die Treue gegenüber den Worten des prophetischen Buches umschreibt (Apk 1,3; 22,7.9). Die Doppelwendung „Gebote Gottes und Zeugnis Jesu“ (Apk 12,17) bzw. „Wort Gottes und Zeugnis Jesu“ (Apk 1,2.9; 20,4; vgl. 6,9) ähnelt der Formulierung in Jes 8,16.20: Weisung bzw. Tora (תּוֹר ה ָ ) und Zeugnis bzw. Bezeugung (עוּד ה ָ ) ְתּsollen in Zeiten der Verborgenheit Gottes (Jes 8,17) versiegelt ( )חתםbzw. zusammengebunden werden ()צרר. Eine synchrone Leseperspektive legt es nahe, den wohl redaktionell eingeführten, als synonymen Parallelismus zu verstehenden Doppelbegriff „Bezeugung und Weisung“ in Jes 8,16.20 mit dem Inhalt der sogenannten Denkschrift Jes 6,1–8,15 in Verbindung zu
157 J.-W. TAEGER, Offenbarung 1.1–3: Johanneische Autorisierung einer Aufklärungsschrift, in: ders., Johanneische Perspektiven. Aufsätze zur Johannesapokalypse und zum johanneischen Kreis 1984–2003, hg.v. D. C. Bienert/D.-A. Koch, FRLANT 215, Göttingen 2006, 157–173 (164) (Hervorhebung im Original). T AEGER, aaO, 167, kann freilich der These, dass Apk 1,1 schlicht die Wiedergabe des im Werk selbst Geschilderten himmlischen Buches aus Apk 5 sei, nichts abgewinnen: „Vor allem verkennt diese Sicht, dass die ἀποκάλυψις von 1,1 das Buch selbst ist, kein Buch(inhalt) im Buch, kein Gegenstand in dessen erzählter Welt.“ Gerade aber darin liegt die schöpferische Kraft und das imaginative Potenzial des prophetischen Buches, dass es sich selbst zum Gegenstand der Offenbarung macht, indem es sich innerhalb des eigenen Werkes thematisiert! (s.u.). 158 Vgl. R OOSE, Zeugnis (s. Anm. 156), 27ff.; S. K. TONSTAD, Saving God’s Reputation. The Theological Funktion of Pistis Iesou in the Cosmic Narratives of Revelation, Library of the New Testament Studies, London 2006, 179–194; vgl. jetzt auch F. TÓTH, Das Gebet der Heiligen. Gebet, Räucherwerk und Räucherkult in der Johannesapokalypse vor dem Hintergrund biblischer und frühjüdischer Traditionen, in: H. Klein/V. Mihoc/K.W. Niebuhr (Hrg.), Das Gebet im Neuen Testament. Vierte europäische orthodoxwestliche Exegetenkonferenz in Sâmbăta de Sus 4.–8. August 2007, WUNT 249, Tübingen 2009, 249–311, hier 302ff.
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bringen. 159 „Tora“ ist wie auch in Jes 1,10; 2,3 eben nicht die Mosetora, sondern JHWHs richtungsweisendes Wort, das dem Prophet aufgetragen wird. 160 In Jes 29,11–18 wird erneut der Zusammenhang von Gesicht ( – ) ָח זוּתalso die prophetischen Worte Jesajas (vgl. Jes 1,1; 21,2 [ ;] ָח זוּתvgl. auch 2,1; 13,1) – und versiegelter Buchrolle thematisiert (V. 11); erst in der zukünftigen Heilswende, „an jenem Tag“ ( יּוֹם־ה הוּא ַ ) ַב, sollen die „Worte des Buches“ (V. 18) wieder vernommen werden können. Möglicherweise sind sowohl Deuterojesaja (vgl. Jes 50,4–9) als auch das Danielbuch (vgl. 9,24; 12,4.9) von dem jesajanischen Konzept einer eschatologischen und endgültigen Freilegung von einst ergangenen prophetischen Worten in der Heilszeit inspiriert worden. 161 Im Kontext dieses motiv- bzw. rezeptionsgeschichtlichen Bezugsrahmens dürfte wohl auch die in der Johannesapokalypse verwendete Doppelwendung zu verstehen sein. 162
Mit dem Begriffspaar „Wort Gottes und Zeugnis Jesu“ (bzw. austauschbar Gebote Gottes und Zeugnis Jesu bzw. Glaube Jesu) ist in Apk 1,1f. ein – an die jesajanische Diktion angelehntes – Selbstzeugnis der Johannesapokalypse grundlegend formuliert: „Die Botschaft ist deshalb Gottes Wort, weil sie in Gott ihren Ursprung hat; sie ist deshalb ἡ µαρτυρία ᾿Ιησοῦ Χριστοῦ, weil sie durch Jesus Christus bezeugt wird.“163
159 Vgl. J. BARTHEL, Prophetenwort und Geschichte. Die Jesajaüberlieferung in Jes 6–8 und 28–31, FAT 19, Tübingen 1997, 228–242; U. BECKER, Jesaja – von der Botschaft zum Buch, FRLANT 178, Göttingen 1997, 114–120; K. FINSTERBUSCH, Weisung für Israel. Studien zu religiösem Lehren und Lernen im Deuteronomium und in seinem Umfeld, FAT 44, Tübingen 2005, 21–23; zur Forschungsgeschichte der sog. Denkschrift vgl. T. WAGNER, Gottes Herrschaft: eine Analyse der Denkschrift (Jes 6,1–9,6), VT.S 108, Leiden 2006, 18–41. 160 Vgl. FINSTERBUCH, Weisung (s. Anm. 159), 19–22; J. J ENSEN, The Use of tora by Isaiah. His Debate with the Wisdom Tradition, Washington 1973, 68ff.; K. A. TÅNGBERG, Die prophetische Mahnrede. Form- und traditionsgeschichtliche Studien zum prophetischen Umkehrruf, FRLANT 143, Göttingen 1987, 63f. In Jes 1,10; 2,3 steht תּוֹר ה ָ parallel zu הו ה ָ ְ ; ְד ַב ר־יvgl. auch 5,24; ferner Sach 7,12. 161 Vgl. in diesem Zusammenhang H. G. M. W ILLIAMSON, The Book Called Isaiah. Deutero-Isaiah’s Role in Composition and Redaction, Oxford 1994, 94–115; J. BLENKINSOPP , Opening the Seald Book (s. Anm. 152), 8–23. 162 Im neutestamentlichen Kontext sei ferner auf die johanneische Zeugnistheologie verwiesen: So werden in Joh 3,31–36 das „Zeugnis“ (µαρτυρία), das der Gesandte selbst empfangen hat (V. 32: ὃ ἑώρακεν καὶ ἤκουσεν), und das „Wort Gottes“ (V. 34: ῥήµατα τοῦ θεοῦ) zusammengesehen; vgl. auch Joh 5,31–47. Gleichzeitig wird in Joh 12,44–50 das von Jesus vermittelte Wort Gottes als Gebot (ἐντολή,) Gottes bezeichnet. 163 A. S ATAKE, Die Gemeindeordnung in der Johannesapokalypse, WMANT 21, Neukirchen-Vluyn 1966, 98. Dass die Offenbarung als „Wort Gottes“ tatsächlich in Gott ihren Ursprung hat, das nun als apokalyptisches Schriftzeugnis vorliegt, wird innerhalb des Werkes mehrfach hervorgehoben; vgl. 19,9 (γράψον·…οὗτοι οἱ λόγοι ἀληθινοὶ τοῦ θεοῦ εἰσιν); 21,5 (γράψον, ὅτι οὗτοι οἱ λόγοι πιστοὶ καὶ ἀληθινοί εἰσιν); so auch Apk 17,17: ἄχρι τελεσθήσονται οἱ λόγοι τοῦ θεοῦ mit der richtigen Beobachtung von S ATAKE, Offenbarung (s. Anm. 1), 354 zu Apk 17,17: „In der Offb weist ‚das Wort‘ (λόγος), wenn es im Plural verwendet wird, immer auf den Inhalt des Buches hin; auch ‚die Worte Gottes‘ an unserer Stelle sind in der gleichen Weise zu verstehen.“
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Die durchaus immer als Genitivus subjectivus zu interpretierende Formulierung „Zeugnis Jesu“164 zielt auf die Offenbarungstätigkeit des erhöhten Christus, wohingegen die Offenbarung selbst auf Gott zurückgeht (ἣν ἔδωκεν αὐτῷ ὁ θεὸς Apk 1,1). „Als Zeitpunkt, an dem er [Christus] von Gott die Offenbarung empfangen hat, kommt nur seine Inthronisation in Frage (Kap. 5).“165 Am Ende dieser Offenbarungskette stehen die als implizite Leser zu verstehenden Knechte (Apk 1,1; 22,6), die „Übrigen“ (12,17) bzw. Heiligen (14,12; vgl. 13,10) die Brüder (19,10; 22,9) und die Märtyrer (6,9f.), die alle das „Zeugnis Jesu“ haben (ἔχω).166 Fragt man nun mit H. Roose danach, „wer denn in den Augen des Sehers gemeint sei, wenn von denjenigen die Rede ist, die die µαρτυρία ᾿Ιησοῦ haben, so ergibt sich die Schlussfolgerung: Da die µαρτυρία ᾿Ιησοῦ nicht vom Inhalt des Buches getrennt werden kann, ist davon auszugehen, daß diejenigen, an die die Offb adressiert ist, auch diejenigen sind, die die µαρτυρία ᾿Ιησοῦ haben – also damit Zeugen sind.“167 Insofern besteht zwischen der Zeugnisfunktion des Erhöhten als Offenbarungsmittler und den Gläubigen im Sinne des Sehers ein mehrschichtiges Entsprechungsverhältnis.168 164 Als Genitivus subjektives interpretieren die Wendung u.a. R OOSE, Zeugnis (s. Anm. 156), 27; TONSTAD, Reputation (s. Anm. 158), 179–184; BEUTLER, Martyria (s. Anm. 156), 189; TRITES, Μάρτυς (s. Anm. 156), 75; HUBER, Menschensohn (s. Anm. 117), 95; GIESEN, Offenbarung (s. Anm. 117), 59: „Das Zeugnis Jesu Christi spielt also nicht auf seinen Tod an; es ist vielmehr der erhöhte Herr, der das Wort Gottes durch sein Zeugnis bekannt macht. Das Zeugnis Jesu ist in der Offb nie das Zeugnis über Jesus, sondern immer das Zeugnis, das Jesus gibt und seine Anhänger besitzen.“; D. B. G. CAIRD, A Commentary on the Revelation of St. John the Divine, New York 1966, 237: „ … in each case the context requires that the genitive be taken as a subjective genitive.“ 165 So S ATAKE, Offenbarung (s. Anm. 1), 212; so auch G IESEN, Offenbarung (s. Anm. 117), 56, wonach Apk 1,1 zum Ausdruck bringt, „dass das Buch, das das Lamm nach Offb 5 empfängt, mit der Offenbarung Jesu Christi in 1,1 gleichzusetzen ist.“ 166 Vgl. R OOSE, Zeugnis (s. Anm. 156), 41: „Worin besteht die Pointe, wenn der Seher die Christen als diejenigen charakterisiert, die ‚das Wort Gottes und das Zeugnis Jesu‘ festhalten? Zunächst liegt die Vermutung nahe, daß der Seher auf den Inhalt des Zeugnisses abhebt. Denn der Inhalt des ‚Zeugnisses Jesu‘ ist nach 1,1–3 das Buch der Offb. Die Parallelität von 19,10 (‚die das Zeugnis Jesu haben‘) und 22,9 (‚die die Worte dieses Buches festhalten‘) legt nahe, das ‚Zeugnis Jesu‘ auch in diesen Versen konkret auf das Buch der Offb zu beziehen. Inhaltlich ist das ‚Zeugnis Jesu‘ also zweifellos stark an die Offb gebunden.“. 167 ROOSE, Zeugnis (s. Anm. 156), 41. Die Einschränkung, zu der sich H. Roose an dieser Stelle mit SATAKE, Gemeindeordnung (s. Anm. 163), 99–106, in Blick auf Apk 1,9 genötigt fühlt, ist dagegen unnötig (s.w.u.). 168 Vgl. dazu die Differenzierungen bei R OOSE, Zeugnis (s. Anm. 156), 100–105. Innerhalb der Gruppe der Gläubigen, die entgegen R OOSE, aaO., 42–53, eben nicht mit allen Christen gleichzusetzen sind, ist mit Apk 11,18; 16,6; 18,24; vgl. auch 18,20 nochmals zu unterscheiden zwischen den Propheten (bzw. Zeugen vgl. 17,6) und den Heiligen. Ist der Prophet in der Apokalypse der eigentliche, von Gott beauftragte Zeuge (vgl. 11,3.7.10; vgl. auch 17,6 – hier dürften die µαρτυρεῖς in Blick auf 16,6 und 18,20 mit den
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Durch eben diese Entsprechungsstruktur werden die entscheidenden Identitätsmerkmale der Gläubigen definiert und so der implizite Leser bzw. Modell-Leser konturiert, der in den Text eingezeichnet ist und als Identifikationsangebot im Lese- und Deuteprozess fungiert.169 Die Wendung „Wort Gottes und Zeugnis Jesu“ ist damit nicht nur ein Synonym für das Buch selbst, das zur Charakterisierung des in der Textwelt der Apokalypse genannten himmlischen Buches dient (dessen Inhalt ja Gegenstand von Apk 6,1–22,5 ist), vielmehr definiert die Doppelformel ein identitätsstiftendes Merkmal des impliziten Lesers. Diese konstruierte Leserfigur in Gestalt der zahlreichen ekklesiologischen Begriffe (Heilige, Knechte, Brüder etc.) enthält ein immenses Aktualisierungspotenzial, wie die spätere Rezeptions- und Auslegungsgeschichte der Apokalypse zu Genüge dokumentiert170 und das bereits in der weiteren redaktionellen Fortschreibungsund Deutungsarbeit innerhalb der Johannesapokalypse – namentlich in den Sendschreiben – selbst zur Geltung gebracht wird.
προφῆται identisch sein, vgl. KRAFT , Offenbarung [s. Anm. 7], 215f.; AUNE, Revelation 17–22 [s. Anm. 30], 937), so sind die Heiligen bzw. „Übrigen“ und die Märtyrer als diejenigen charakterisiert, die das Zeugnis Jesu „haben“ oder „bewahren“ (6,9f.; 12,17; 14,12) – in Apk 22,9 sind abschließend beide Gruppen zusammenfassend genannt; vgl. auch TÓTH, Gebet (s. Anm. 158), 299–305. 169 Vgl. zum impliziten Leser W. ISER, Der Akt des Lesens. Theorie ästhetischer Wirkung, UTB 636, München 41994, 60ff.; demnach besitzt der implizite Leser „keine reale Existenz; denn er verkörpert die Gesamtheit der Vororientierungen, die ein fiktionaler Text seinen möglichen Lesern als Rezeptionsbedingungen anbietet. Folglich ist der implizite Leser nicht in einem empirischen Substrat verankert, sondern in der Struktur des Textes selbst fundiert.“ (60). Zum Modell-Leser vgl. U. ECCO, Lector in fabula. Die Mitarbeit der Interpretation in erzählenden Texten, München u.a. 31998. Das Konzept des Modell-Lesers bzw. impliziten Lesers erfreut sich zunehmender Beliebtheit innerhalb der theologischen Wissenschaft, vgl. W. MAGASS, 11 Thesen zum Bibellesen – und zum „Suchen“ in der Schrift (Joh 5,39), LingBibl 47 (1980), 5–19; J. FREY, Der implizite Leser und die biblischen Texte, ThBeitr 23 (1992), 265–290; P. MÜLLER, „Verstehst du auch, was du liest?“ Lesen und Verstehen im Neuen Testament, Darmstadt 1994; H. FRANKEMÖLLE, Matthäus. Kommentar I, Düsseldorf 1994, 37–45; unter den Methodenbüchern W. EGGER, Methodenlehre (s. Anm. 52), 34–45; zur konkreten exegetischen Anwendung vgl. umfassend S. PELLEGRINI, Elija – Wegbereiter des Gottessohnes. Eine textsemiotische Untersuchung im Markusevangelium, HBS 26, Freiburg u.a. 2000, 57– 59.79–122.228–238; K. DRONSCH, Bedeutung als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft. Texttheoretische und semiotische Entwürfe zur Kritik der Semantik dargelegt anhand einer Analyse zu ἀκούειν in Mk 4, Neutestamentliche Entwürfe zur Theologie 15, Tübingen/Basel 2010, 337–362. 170 Vgl. zur Rezeptions- und Wirkungsgeschichte der Johannesapokalypse G. KRETSCHMAR, Die Offenbarung des Johannes. Die Geschichte Ihrer Auslegung im 1. Jahrtausend, CThM.ST 9, Stuttgart 1985; G. MAIER, Die Johannesoffenbarung und die Kirche, WUNT 25, Tübingen 1981; K. G. C. NEWPORT , Apocalypse and Millennium. Studies in Biblical Eisegesis, Cambridge 2000.
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In den Sendschreiben sucht der Verfasser nun „durch Aktualisierung und Hinwendung zu konkreten Gemeinden in konkreten Situationen“171 die im apokalyptischem Corpus (Apk 4,1–22,5) entfaltete radikale Wirklichkeit im Kontext innergemeindlicher Auseinandersetzungen neu zu aktivieren.172 Der Verfasser blickt dabei zunächst auf seine (Apk 1,9) und des Antipas (Apk 2,13) leidvolle Erfahrungen zurück. 3.6 Leiden um des prophetischen Zeugnisses willen Nach Apk 1,9 war Johannes auf Patmos διὰ τὸν λόγον τοῦ θεοῦ καὶ τὴν µαρτυρίαν ᾿Ιησοῦ „wegen des Wortes Gottes und des Zeugnisses Jesu“. Nun liegt es grammatikalisch nahe, die präpositionale Wendung διά (mit Akk.) als Angabe des Grundes und nicht des Zweckes zu verstehen (vgl. Apk 2,3; 4,11; 6,9; 12,11; 13,14; 18,10.15; 20,4).173 Gleichzeitig lässt die Doppelformulierung „Wort Gottes und Zeugnis Jesu“ unweigerlich an Apk 1,2 zurückdenken.174 Geht man von der in Apk 1,1f. formulierten Definition der Wendung „Wort Gottes und Zeugnis Jesu“ aus,175 dann setzt – eine semantische Kohärenz vorausgesetzt – Apk 1,9 den bereits vollendeten apokalyptischen Buchcorpus Apk 1,1–3.10.12a; 4,1–22,10 voraus!176 Ur171 172 173
KRAFT , Offenbarung (s. Anm. 7), 14. Vgl. PRIGENT , Apocalypse (s. Anm. 1), 149–152. Die Deutung von Apk 1,9 im Sinne des Grundes hat sich in der neueren Forschung durchgesetzt, vgl. ROOSE, Zeugnis (s. Anm. 156), 41f.; KARRER, Brief (s. Anm. 4) 187; HUBER, Menschensohn (s. Anm. 117), 92f.; GIESEN, Offenbarung (s. Anm. 117), 85; PEZZOLI-OLGIATI, Täuschung (s. Anm. 139), 23. Vgl. dagegen die überholten Theorien, wonach Apk 1,9 einen bewussten Aufenthalt zum Zweck des Offenbarungsempfanges meine (vgl. BOUSSET , Offenbarung [s. Anm. 11], 192; KRAFT , Offenbarung [s. Anm. 7], 41f.) oder als Hinweis auf Verkündigungs- und Missionierungsabsichten des Verfassers zu deuten sei (vgl. W. J. HARRINGTON, Revelation, Sacra Pagina 16, Collegeville 1993, 50; THOMPSON, Revelation [s. Anm. 9], 173). SCHREIBER, Offenbarung (s. Anm. 1), erwägt demgegenüber jüngst die „Annahme eines Rückzugs oder einer Flucht des Johannes vor einer drohenden Anzeige bei den römischen Behörden.“ (Hervorhebung im Original). 174 Vgl. HOLTZ, Offenbarung (s. Anm. 28), 27. Bereits BOUSSET , Offenbarung (s. Anm. 11), 192, sah den Bezug zwischen Apk 1,2 und 1,9, und schlussfolgerte: „Aber man könnte auch annehmen, daß er bei einem zufälligen Aufenthalt auf der Insel seine Visionen erlebt und dann später dies Zusammentreffen unter einem teleologischen Gesichtspunkt gerückt habe: ἐγενόµην διά.“ 175 Wonach die Doppelwendung in der ersten Redaktionsphase den abgeschlossenen apokalyptischen Buchcorpus Apk 1,1–3; 4,1–22,10 meint. 176 Die von R OOSE, Zeugnis (s. Anm. 156), 41f., insinuierte Inkonsistenz beim Gebrauch der Doppelwendung („Denn der Inhalt des Buches wird dem Seher ja erst auf Patmos offenbart, kann also nicht der Grund für seine Verbannung dorthin sein. Die Wendung müßte hier also auf alle Fälle inhaltlich weiter gefaßt werden als das ὅσα εἶδεν aus 1,2.“ [42]) läuft dagegen vor dem Hintergrund der hier vertretenen Rekonstruktion ins Leere. Bevor Johannes – zwangsweise – auf die Insel kam, war er bereits prophetisch
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sache für den Patmosaufenthalt des Johannes wären demnach seine vorausgehenden prophetischen Aktivitäten und literarischen Tätigkeiten in Zusammenhang mit der Verschriftlichung seines corpus apocalypticum.177 Tatsächlich deuten die Sendschreiben ein aktives prophetisches Engagement des Sehers noch vor der Verschriftlichung der Sendschreiben an.178 Mit der Beauftragungsvision – nicht Berufungsvision – in Apk 1,9–20 spricht der Menschensohn Johannes entsprechend auf seinen bereits bestehenden prophetischen Dienst an und beauftragt ihn nun mit der Niederschrift der Sendschreiben (Apk 1,11).179 Das präteriale Erzähltempus in Apk 1,9 impliziert ferner, dass der Autor sich bei der Abschrift des Sendschreibens möglicherweise nicht mehr auf der Insel Patmos aufhält: „Wenn die Apk, wie uns mit einem großen Teil der Forschung wahrscheinlich ist, eine Endredaktion erhalten hat, die möglicherweise Jahrzehnte nach dem Patmosaufenthalt anzusetzen ist, dann hat diese Redaktion einerseits das gesamte visionäre Potential, das in der Apk gesammelt worden ist, mit diesem zurückliegenden Aufenthalt auf Patmos und mit der Person des Propheten Johannes verbunden. Sie bringt damit antätig gewesen und eben diese Tätigkeit hat sich im apokalyptischem Werk Apk 1,1– 3.4,1–22,10 schriftlich niedergeschlagen – darauf blickt Apk 1,9 zurück. 177 Vgl. S CHÜSSLER F IORENZA, Offenbarung (s. Anm. 38), 71: „Wegen seiner prophetischen Aktivität und seiner Predigt von Christus scheint Johannes schon Verfolgungen und Bedrängnis erfahren zu haben“. 178 Im Blick auf Offb 2,21 und die hier geäußerte prophetische Schelte Isebels konstatiert D. E. AUNE, Prophecy in Early Christianity and the Ancient Mediterranean World, Grand Rapids, MI 1983, 278, zu Recht: „The conclusion is unavoidable that the seer has had previous contact with ‚Jezebel‘ and her followers and that he has delivered an earlier salvation-judgment oracle to them.“ Vgl. auch A UNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 10), 204; DERS., The Social Matrix of the Apocalypse of John, in: ders., Apocalypticism, Prophecy, and Magic in Early Christianity. Collected Essays, WUNT 199, Tübigen 2006, 175–189 (187); ferner U. B. MÜLLER, Prophetie und Predigt im Neuen Testament. Formgeschichtliche Untersuchungen zur urchristlichen Prophetie, StNT 10, Gütersloh 1975, 69f. Vgl. jetzt auch K. WENGST , „Wie lange noch?“ Schreien nach Recht und Gerechtigkeit – eine Deutung der Apokalypse des Johannes, Stuttgart 2010, zu Apk 2,21: „Konkret dürfte Johannes an seine eigene letzte persönliche Anwesenheit in der Gemeinde von Thyatira denken, in der er als Prophet in dieser Weise geredet hat. … Johannes erinnert also in V. 21 faktisch an sein eigenes prophetisches Reden gegen die Prophetin von Thyatira“. 179 ROLOFF, Offenbarung (s. Anm. 39), 38 konstatiert zu Recht: „Johannes ist ja bereits um des Wortes Gottes und des Zeugnisses Jesu willen auf Patmos (V. 9). Der Auftrag, den er erhält, bedeutet nicht die Einweisung in einen neuen Dienst, sondern spricht ihn auf den Dienst als Zeuge des Wortes an, in dem er bereits steht. Zudem ist er inhaltlich beschränkt auf das Niederschreiben und Versenden der jetzt ergehenden Worte des Herrn; er bezieht sich also lediglich auf das vorliegende Buch, strenggenommen sogar nur auf 1,9–3,22.“ Vgl. SATAKE, Offenbarung (s. Anm. 1), 138; G IESEN, Offenbarung (s. Anm. 117), 32: „Das Buch kennt keine Berufungsvision …, wohl aber eine Beauftragungsvision (1,9–20), die voraussetzt, daß Johannes bereits Prophet ist.“ Ähnlich auch HUBER, Menschensohn (s. Anm. 117), 108 Anm. 121 mit weiterer Lit.
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dererseits aber auch zum Ausdruck, dass dieser Patmosaufenthalt mit seinen Visionen und Auditionen die Grundlage für diejenige Apokalyptik gelegt hat, die sich jetzt in der Apk in literarischer Form Gehör verschafft.“180 Apk 1,9 dokumentiert demnach zusammen mit 1,1–3 einen literarischen und redaktionellen Wachstums- und Bearbeitungsprozess von ursprünglich separaten und zu unterschiedlichen Zeiten und Anlässen erfolgten Visionserlebnissen und –berichten, die – in einer ersten Redaktionsphase zusammengestellt – den apokalyptischen Corpus 4,1–22,10 ausmachen. Der einzige Fall von Martyrium, der innerhalb der Sendschreiben namentlich erwähnt wird – dies ist schon eine Auffälligkeit angesichts des sonstigen Eindrucks aus dem apokalyptischen Teil – ist Antipas ὁ µάρτυς µου ὁ πιστός µου (Apk 2,13). Die Charakterisierung des Antipas ähnelt auffällig stark den christologisch gewendeten Aussagen in Apk 1,5 (᾿Ιησοῦ Χριστοῦ, ὁ µάρτυς, ὁ πιστός) und 3,14 (ὁ µάρτυς ὁ πιστός). Entscheidend ist, dass die christologisch zugespitzte Zeugnisterminologie nicht martyrologisch, sondern vielmehr von Apk 1,1–3 und Apk 11 her zu verstehen ist.181 Jesus ist insofern Zeuge, als er eben die ἀποκάλυψις weitergibt, die er selbst von Gott erhalten hat.182 Zeuge (µάρτυς Apk 11,3; 17,6) bzw. Prophet sein (προφήτης Apk 11,10; vgl. 16,6), Zeugnis geben (µαρτυρέω Apk 1,2; 22,16.18.20) und die Vermittlung von prophetischen Offenbarungen (vgl. προφητεύω Apk 11,3 mit 11,7) sind in der Apokalypse aufs engste miteinander verbunden. Die Offenbarungstätigkeit Christi wird entsprechend in Apk 22,20 hervorgehoben: es ist der Erhöhte und bald Wieder-
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F. W. HORN, Johannes auf Patmos (s. Anm. 135), 159; vgl. auch M. FRENSCHDie Johannesoffenbarung zwischen Vision, astralmythologischer Imagination und Literatur. Perspektiven und Desiderate der Apokalypse-Forschung, in: F. W. Horn/M. Wolter (Hrg.), Studien zur Johannesoffenbarung und ihrer Auslegung (FS O. Böcher), Neukirchen-Vluyn 2005, 20–45 (23), zu Apk 1,9f.: „Patmosaufenthalt und Visionsempfang werden als Ereignisse der Vergangenheit dargestellt.“ Vgl. ferner DE J ONGE, Religious Polemics (s. Anm. 7), 276; MOBERLY, When Was Revelation Conceived (s. Anm. 6), 392f., vermutet wegen Apk 1,9, dass der Apokalyptiker, nachdem er im Winter 69 n.Chr. den apokalyptischen Corpus Apk 4–22 verfasst habe, aus dem Exil zurückgekehrt wäre und in den frühen Jahren Trajans die Sendschreiben, verursacht durch sich veränderte Umstände in Kleinasien, geschrieben hätte; vgl. auch H UBER, Menschensohn (s. Anm. 117), 92 Anm. 65 (mit Lit.!). 181 Vgl. eingehend R OOSE, Zeugnis (s. Anm. 156), 14–37, mit der Mehrheit der Forschung, die die martyrologische Deutungsverengung ablehnen, vgl. H. E. LONA, „Treu bis zum Tod“. Zum Ethos des Martyriums in der Offenbarung des Johannes, in: H. Merklein (Hrg.), Neues Testament und Ethik (FS R. Schnackenburg), Freiburg u.a. 1989, 442– 461 hier bes. 451 Anm. 26 (Lit.!). 182 Demnach ist in Apk 1,5 und 3,14 von der Offenbarungstätigkeit des Erhöhten die Rede, vgl. ROOSE, Zeugnis (s. Anm. 156), 26–37. KOWSKI,
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kommende, der den Inhalt des Buches bezeugt (µαρτυρέω).183 Antipas, der treue Zeuge, ist demnach nicht generell um seines Christseins willen umgekommen, vielmehr lässt seine Charakterisierung auf prophetische und – so kann man angesichts des scharfen Kontrastes zwischen Antipas und dem Thron des Satans vermuten (Apk 2,13) – antirömische Verkündigungsaktivitäten schließen, weswegen er sich verantworten musste und schließlich den Tod fand.184 Beide namentlich genannten christlichen Personen, Johannes und Antipas, sind demnach wegen ihren prophetischen Aktivitäten und ihrer Treue zum offenbarten Wort in eine politisch gefährliche Lage geraten. Die Folgen waren zum einen der Verlust der Heimat (Johannes)185 oder schlimmer noch, das Martyrium (Antipas).186 Das den Gemeinden als vorbildhaft geschilderte Schicksal beider Protagonisten spiegelt dabei gezielt das in der apokalyptischen Textwelt Kap. 4,1–22,5 skizzierte Bild von der Verfolgung eben derjenigen wider, die das „Wort Gottes und das Zeugnis Jesu“ 183 Vgl. R OOSE, Zeugnis (s. Anm. 156), 28: „Der, der bezeugt, ist der Erhöhte, der wiederkommen wird. Was nun bezeugt der Erhöhte? 22,20 sagt: ταῦτα und meint damit den Inhalt des vorliegenden Buches.“ 184 Vgl. K RAFT , Offenbarung (s. Anm. 7), 64f., wonach µάρτυς in Zusammenhang mit Antipas „noch den Propheten, insbesondere den leidenden Propheten“ meine. Entsprechend dürften „seine Verkündigung und seine andern Zeugeneigenschaften der Grund für diese Hervorhebung gewesen sein.“ Als „führender Charismatiker“ seiner Gemeinde hätte Antipas „sein Martyrium im Sinn von Kap. 11 vielleicht sogar provoziert“ – Kraft vermutet gar, dass es sich bei Antipas „um einen der letzten eigentlichen Auferstehungszeugen gehandelt habe, d.h. einen direkt vom Auferstandenen berufenen Zeugen, beispielsweise einen der letzten jener ‚über 500 Brüder‘.“ 185 Zur Frage, ob hier eine relegatio ab (d.h. eine Ausweisung) oder eher eine relegatio in insulam (d.h. eine Verbannung auf eine Insel) vorliegt (eine deportatio, d.h. eine lebenslange Verbannung dürfte dagegen nach den altkirchlichen Zeugnissen und der Tatsache, dass Johannes möglicherweise nach Apk 1,9 die Insel bereits wieder verlassen hat, eher nicht in Frage kommen), vgl. HORN, Johannes auf Patmos (s. Anm. 135), 150– 157. Auch eine dritte Alternative wäre denkbar, nämlich, „dass sich Johannes freiwillig auf die Insel begeben hat, um entweder einem drohenden Exil zu entgehen oder um einfach einer für ihn sich gefährlich zuspitzenden politischen Situation (etwa dem Vorwurf des crimen maiestatis) aus dem Weg zu gehen.“ (HORN, aaO., 153). 186 Vgl. HORN, Johannes auf Patmos, (s. Anm. 135), 153f., der einen Zusammenhang zwischen den Schicksalen des Johannes und Antipas vermutet: „Es gehört zum Wissen der Gemeinde, für die und an die der Apokalyptiker bzw. die Redaktoren des Werks schreiben, dass in der zurückliegenden Zeit der Christ Antipas in Pergamon hingerichtet wurde (Apk 2,13). Es ist dies der einzige namentlich genannte Märtyrer der Apk. Zu dem Zeitpunkt seines Martyriums, damals hat die Gemeinde am Glauben festgehalten, jetzt aber hat sie sich abweichenden Lehren gehöffnet. Ist es denkbar, dass der Apokalyptiker sich auf Patmos zurückgezogen hat und dass seine Visionen und Auditionen unter dem Eindruck dieser jüngst erfahrenen politischen Bedrängnis der Kirche, ihres ersten Märtyrers und der nach seiner Sicht zunehmenden uneindeutigen politischen Haltung vieler Christen wuchsen?“
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haben. Die Modellfunktion des impliziten Lesers innerhalb des apokalyptischen Corpus in Gestalt der „Heiligen“, die sich am prophetischen Wort orientieren und der „Propheten“, die selbst Zeugnis geben, wird so bereits im Schicksal des Johannes und Antipas realisiert und konkretisiert.187 Eben zu dieser Treue gegenüber dem prophetischen Wort werden – gerade angesichts falscher Propheten (Apk 2,20–23) – nun auch die Gemeinden der Sendschreiben immer wieder neu aufgerufen und ermutigt: Apk 2,25 (ὃ ἔχετε κρατήσατε);188 2,26 (τηρῶν ἄχρι τέλους τὰ ἔργα µου);189 3,8 (ἐτήρησάς µου τὸν λόγον); 3,10 (ὅτι ἐτήρησας τὸν λόγον τῆς ὑποµονῆς µου); 3,11 (κράτει ὃ ἔχεις);190 vgl. auch 3,3 (πῶς εἴληφας καὶ ἤκουσας καὶ 187 Vgl. D. A. DES ILVA, Seeing Things John’s Way. The Rhetoric of the Book of Revelation, Louisville, KY 2009, 52–55.132f. 188 Vgl. hierzu ULLAND, Vision (s. Anm. 122), 113f.: „Die Aufforderung festzuhalten ergeht im komplexiv-terminativen und nicht im ingressiven Aorist. D.h., die orthodoxe Gemeinde soll nicht erst zupacken und dann festhalten, sondern festhalten, was sie bereits hat (κράτειν). Die Gemeinde soll bis zur Parusie festhalten, was sie hat, und das ist zunächst die gehörte Botschaft, die sich als ‚Zeugnis von Jesus‘ konkretisieren soll, ferner die Inhalte der im Sendschreiben genannten Belobigungen wegen Werken, Glauben etc. und darüber hinaus die gesamte Botschaft der Apk (vgl. 1,3; 22,6ff u.ö.).“ Vor allem der letzte Aspekt scheint das Gemeinte zu treffen: die Gemeinde wird ermutigt, an den bereits verkündigten und in Apk 4,1–22,10 verschriftlichten prophetischen Worten festzuhalten; vgl. SATAKE, Gemeindeordnung (s. Anm. 163), 66, wonach der Prophet Johannes „Isebel“ „die Überlieferung … seiner eigenen Lehre“ entgegensetzt. 189 „Aufgrund der Entsprechung zu der Formulierung ‚was ihr habt‘ in V. 25 ist anzunehmen, dass ‚meine Werke‘ die Verkündigung des Vf. bezeichnet.“ (S ATAKE, Offenbarung [s. Anm. 1], 174). 190 Apk 3,8.10f. drücken im Sinne eines Genitivus subjectivus (vgl. M ÜLLER, Offenbarung [s. Anm. 4], 130) immer den gleichen Gedanken aus: das Festhalten am bereits offenbarten prophetischem Wort. „λόγος ist in der Apk fast immer entweder in Verbindung mit τοῦ θεοῦ anzutreffen (1,2.9; 6,9; 17,17; 20,4) oder als λόγος τῆς προφητεῖας bzw. λόγοι οὗτοι auf die gesamte Apk als Buch bezogen (vgl. 1,3; 19,9; 21,5; 22,6f.9f.18f.).“ (U LLAND, Vision [s. Anm. 122], 133 Anm. 533). In diesen Fällen hat λόγος demnach etwas mit den prophetischen Worten der Apokalypse selbst zu tun. Als Ausnahmen von der Regel will Ulland Apk 12,11 und eben 3,8 bewerten, was freilich nicht nötig ist. Zu Apk 12,11 hält KRAFT , Offenbarung (s. Anm. 7), 169, zu Recht fest: „Die grammatische Analogie dieser beiden Ausdrücke verlangt auch logische und sachliche Analogie. Es ist daher nicht möglich, unter dem ‚Blut des Lammes‘ die Sakramente (oder ein Sakrament) zu verstehen, unter dem ‚Zeugniswort‘ aber das von den Märtyrern abgelegte Zeugnis. Die Märtyrer müssen für beide Begriffe entweder als Spender oder als Empfänger gedacht werden.“ Wird das Blut des Lammes als empfangend vorgestellt, dann muss auch das Wort ihres Zeugnisses „das von ihnen empfangene Zeugniswort sein.“ (So auch LOHMEYER, Offenbarung [s. Anm. 21], 103, wonach τὸν λόγον τῆς µαρτυρίας „ein religiös Gegenständliches bezeichnen [muß], also = Offenbarungswort, das sie empfingen.“) Entsprechend wird in Apk 3,8 das Bewahren (τηρέω) des bereits verfügbaren Wortes betont. Τηρέω in Kombination mit Wort (bzw. Gebote) – darauf wurde schon hingewiesen – ist im apokalyptischem Teil immer (!) mit der prophetischen Botschaft des Buches selbst in Verbindung gebracht (vgl. Apk 1,3; 12,17; 14,12; 22,7.9).
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τήρει)191 und 2,13 (κρατεῖς τὸ ὄνοµά µου καὶ οὐκ ἠρνήσω τὴν πίστιν µου).192 Mit den Verben κρατέω („festhalten“ Apk 2,13.25; 3,11), τηρέω („bewahren“ Apk 2,26; 3,3.8.10; vgl. 1,3; 12,17; 14,12; 22,7.9), λαµβάνω („empfangen“ Apk 3,3) und ἀκούω („hören“ Apk 3,3; vgl. 1,3; 22,18) wird demnach immer wieder auf die bereits verkündigten und im Besitz der Gemeinden befindlichen prophetischen Worte verwiesen, auf die sich die Gläubigen wieder besinnen sollen.193 3.7 Propheten und andere Unruhestifter Die Johannesapokalypse will ein prophetisches Buch mit apokalyptischen Elementen sein, geschrieben von einem Visionär, der sich offenbar selbst
Auf die Frage U LLANDS, aaO., 133 Anm. 534, „welches Wort Jesu die Gemeinde denn bewahrt hat, bevor sie die Offenbarung des Johannes gelesen hat“, ist zu antworten: eben das prophetische Wort, schriftgeworden im Corpus 1,1–3; 4,1–22,10, das als Wort Gottes und Zeugnis Jesu definiert ist und das der Erhöhte selbst bezeugt hat (Apk 22,18). Vorausgesetzt ist dabei, dass die Sendschreiben auf das apokalyptische Werk zurückblicken. Vgl. auch J. KERNER, Die Ethik der Johannes-Apokalypse im Vergleich mit der des 4. Esra. Ein Beitrag zum Verhältnis von Apokalyptik und Ethik, BZNW 94, Berlin/New York 1998, 45.51, der ebenfalls die Bezüge zwischen Apk 3,8.10 und 12,11 hervorhebt. 191 Mit der summarischen Nennung von λαµβάνω, ἀκούω und τηρέω in Apk 3,3 wird ebenfalls auf den apokalyptischen Corpus zurückgeblickt: das bereits prophetisch Gesagte soll wieder in Erinnerung gerufen werden. Das Verb λαµβάνω wird u.a. im Sinne des Ergreifens eines Buches verwendet (vgl. Apk 5,7–9; 10,8–10, vgl. G IESEN, Offenbarung [s. Anm. 117], 162); „Hören“ und „Bewahren“ dagegen kennzeichnen die Haltung gegenüber dem prophetischen Buch (vgl. 1,3: ἀκούω + τηρέω; vgl. auch 22,7.9.18.). Wie Christus (Apk 5,7–9) und Johannes (Apk 10,8–10), so hat auch die Gemeinde Sardes einst die prophetische Botschaft gemäß Apk 1,3 empfangen und gehört, es aber versäumt, beständig daran festzuhalten. Was die Sardesgemeinde empfangen hat, war also die nun verschriftlichte Verkündigung des Propheten selbst (vgl. S ATAKE, Offenbarung [s. Anm. 1], 179). Die zeitliche Spannung zwischen einst und jetzt deutet in Apk 3,3 dabei auf eine längere Gemeindehistorie. AUNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 10), 221, schlussfolgert daraus: „This is one of several indications that the final edition of Revelation was written toward the end of the first or beginning of the second centuries A.D.“ 192 Vgl. S ATAKE, Offenbarung (s. Anm. 1), 165, mit Verweis auf Apk 14,12: „Der Glaube, der aus Jesus stammt, ist inhaltlich der Glaube, der in diesem Buch dargestellt ist, also dass Gott die letzte Instanz ist.“ Dagegen erinnert der erste Teil der Aussage κρατεῖς τὸ ὄνοµά µου an Apk 3,8 in Verbindung mit 3,10f. Zum πίστις-Begriff in diesem Zusammenhang vgl. eingehend TONSTAD, Reputation (s. Anm. 158), 165ff. 193 Vgl. L. T. S TUCKENBRUCK, Revelation, in: J. D. G. Dunn/J. W. Rogerson (Hrg.), Eerdmanns Commentary on the Bible, Grand Rapids, MI 2003, 1535–1572 (1536): „It is possible that John has adapted visions, some perhaps already known to his audience, into a framework that enhanced their relevance. If this is correct, the explicit and implicit epistolary features of Revelation may be said to have played an important role in John’s communicative strategy.“
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als Prophet innerhalb eines Prophetenkreises verstand.194 Sein prophetisches Selbstverständnis spiegelt sich nicht nur im Rahmenteil des Werkes wider, vielmehr dominiert es auch das Werkcorpus selbst.195 Seine Sorge gilt dabei zunächst und vor allen Dingen denjenigen, die sich am prophetischen Wort orientieren oder gar selbst prophetisch aktiv sind. Entsprechend konzentrieren sich die gezeichneten Verfolgungssituationen innerhalb des Visionscorpus der Johannesoffenbarung auf das (bereits erlittene [Apk 6,9f.] oder noch drohende [Apk 6,11; 13,9f.) Schicksal von prophetischen Kreisen und Gruppen. Das Los, das die prophetische Bewegung und den Seher Johannes und Antipas im Besonderen ereilte, entspricht freilich im Wesentlichen dem Schicksal, dem auch sonst politisch verfolgte divinatorische Kreise und die Klasse der Astrologen ausgesetzt waren, die aus welchen Gründen auch immer den Missmut des Kaisers oder der lokalen Behörden auf sich gezogen haben oder eines politischen oder gesellschaftsschädigenden Vergehens oder gar abergläubischen Verbrechens (superstitio) bezichtigt wurden.196 Zahlreich sind die Fälle von Vertreibungen, Verbannungen und 194 Vgl. zum Ganzen P. TREBILCO, The Early Christians in Ephesus from Paul to Ignatius, WUNT 166, Tübingen 2004, 328–331; D. HILL, Prophecy and Prophets in the Revelation of St. John, NTS 18 (1971–1972), 406–411; D. AUNE, The Prophetic Circle of John of Patmos and the Exegesis of Revelation 22,16, in: ders., Apocalypticsm (s. Anm. 178), 250–260; SCHNELLE, Einleitung (s. Anm. 1), 559: „Johannes versteht sich offenbar als Prophet, nach Apk 22,9 ist er führendes Mitglied eines urchristlichen Prophetenkreises (vgl. Apk 22,6).“ 195 Vgl. besonders den prophetischen Auftrag der zwei Zeugen in Apk 11, der den Agitationen des Erdentieres (Apk 13,11–17), der als falscher Prophet bezeichnet wird (Apk 19,20), kontrastierend gegengestellt ist, wobei die zwei Zeugen wohl als „Repräsentanten der christlichen Propheten“ auftreten (so S CHÜSSLER FIORENZA, Offenbarung [s. Anm. 38], 100f.; ROLOFF, Offenbarung [s. Anm. 39], 114f.); vgl. ferner die in Apk 10 als prophetischer Berufungsbericht stilisierte Schilderung, vgl. M AZZAFERRI, Genre (s. Anm. 15), 264–378; die zahlreichen, vorwiegend auf die Prophetenbücher des Alten Testaments anspielenden Textelemente evozieren einen prophetischen Charakter des Werkes (vgl. J. FEKKES, Isaiah and Prophetic Traditions in the Book of Revelation. Visionary Antecedents and their Development, JSNT.SS 93, Sheffield 1994, 49–57; G. BEALE, John’s Use of the Old Testament in Revelation, JSNT.SS, Sheffield 1989; B. KOWALSKI, Die Rezeption des Propheten Ezechiel in der Offenbarung des Johannes, SBB 52, Stuttgart 2004; T. HIEKE, Der Seher Johannes als neuer Ezechiel. Die Offenbarung des Johannes vom Ezechielbuch her gelesen, in: D. Sänger [Hrg.], Das Ezechielbuch in der Johannesoffenbarung, BThSt 76, Neukirchen-Vluyn 2004, 1–30). 196 Vgl. THOMPSON, Revelation (s. Anm. 9), 181–158.192f. Ausgehend von einer gattungskritischen Definition der Johannesoffenbarung als Offenbarungsliteratur konstatiert Thompson (184): „The Book of Revelation offers to its audience revealed knowledge that may be contrasted with the public knowledge available through such sources as civic institutions, public roles, and spatial arrangements in the city. As revealer of esoteric knowledge the Book of Revelation has its own means of establishing the authenticity and authority of the divine truth it reports. When compared to that public
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ähnlichen harten Sanktionen (bis hin zu Hinrichtungen) gegen Astrologen, Propheten, Magier, Zauberer und Philosophen und die, welche sich mit solchen Leuten abgeben.197 In seiner Schrift De officio proconsulis, überliefert in der sog. Collatio legum Mosaicarum et Romanarum, informiert der römische Jurist Ulpian (213 n.Chr.)198 im siebten Buch De mathematicis et vaticinatoribus die Prokonsuln über die bereits bestehenden gesetzlichen Vorgaben und kaiserlichen Maßnahmen gegen Astrologen und Propheten: Coll. 15,2,1: Ferner sind die hinterlistige Betrügerei und der hartnäckige Glaube der Astrologen (mathematicorum callida inpostura et obstinata persuasione) untersagt worden. Und nicht erst heute schien es angemessen, ihr Treiben zu untersagen, sondern dieses knowledge generally taken for granted in the Roman social order, the revealed knowledge of the Book of Revelation is a deviation from, and a censure of, that public order. As censure of the public order its author can be compared to philosophical aristocrats and to magicians, diviners, astrologers, and prophets who disturbed ‘the public mind’ through private transmission of values and ideals that went against the order of the empire.“ Und weiter (184): „It is also obvious that magic and prophecy bring us close to circles involving the Book of Revelation. The seer is a Christian prophet who proclaims specially revealed information, including the destiny of the Roman Empire. He records conversation between himself and his God. He seeks to disrupt the peace at least to the extent of dislocating Christians in the cities of Asia and proclaiming in the form of apocalypse the destruction of the public order.“ Für B. J. MALINA, Die Offenbarung des Johannes. Sternenvisionen und Himmelsreisen, Stuttgart 2002, 32, ist der Verfasser der Apk gar selbst ein „Astralprophet“, sein Werk eine „Astralprophetie“: „Astralprophetie meint jene antiken Berichte, die die Interaktion von Propheten und Sehern mit auf Sterne bezogenen himmlischen Persönlichkeiten und die Ergebnisse dieser Interaktion betreffen.“ 197 Vgl. z.B. die Senatsbeschlüsse gegen Astrologen und Magier in den Jahren 16/17 n.Chr. unter Tiberius (vgl. Tacitus, Annales 2,32f.; Suet., Tiberius 36; Cassius Dio LVII 15,8–6) und 52 n.Chr. unter Claudius (Tacitus, Annales 12,52; Cassius Dio LXI 33,36); ferner die kaiserlichen Edikte 69 n.Chr. unter Vitellius (Tacitus, Historiae 2,62; Suet., Vitellius 14,4) und 70 n.Chr. unter Vespasian (Cassius Dio LXV 9,2) und das von Angst getriebene Handeln Domitians (Suet.Dom. 15,3). Weitere kaiserliche Strafmaßnahmen betrafen ferner die haruspices (Suet., Tiberius 63,1), Druiden (Suet.Cl. 25) und Philosophen (vgl. Suet.Dom 10,2f.; Cassius Dio LXVII 13,2–4; LV 13,1; LXXVIII 7,3). All diese politischen und strafrechtlichen Vorgehen nutzten letztlich wenig, wie dies Tacitus, Annales 12,52, resigniert feststellt: „Über die Ausweisung der Astrologen aus Italien wurde ein ebenso strenger wie wirkungsloser (atrox et irritum) Senatsbeschluss gefasst“ (so auch Historiae 1,22; vgl. auch Cassius Dio LVII 15,7–9). Zu den Astrologen, Divinatoren und den zahlreichen Formen von Träumen und Visionen vgl. grundlegend F. H. CRAMER, Astrology in Roman Law and Politics. Memoirs of the American Philosophical Society 37, Philadelphia 1954; G. WEBER, Kaiser, Träume und Visionen in Prinzipat und Spätantike, Historia 143, Stuttgart 1993; M. T. FÖGEN, Die Enteignung der Wahrsager. Studien zum kaiserlichen Wissensmonopol in der Spätantike, Frankfurt a. M. 1997; vgl. jüngst K. VON STUCKRAD, Das Ringen um die Astrologie. Jüdische und christliche Beiträge zum antiken Zeitverständnis, BGVV 49, Berlin/New York 2000. 198 Vgl. zur Datierung T. HONORÉ, Ulpian. Pioneer of Human Rights, Oxfod 2 2002, 182; die Collatio selbst wurde Ende des 4. Jh. fertiggestellt, vgl. D. LIEBS, Die Jurisprudenz im spätantiken Italien (260–640 n.Chr.), Berlin 1987, 165–170.
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Verbot ist alt: so gibt es ein unter den Konsuln Pomponius und Rufus ergangenes senatus consultum, welches verordnet, daß Astrologen (mathematicis), Chaldäer (Chaldaeis), Hariolen (ariolis) und andere, die ähnlich Ungewisses betreiben (simile incertum fecerint), verbannt werden (aqua et igni interdicatur) und ihr ganzes Vermögen konfisziert wird. Wenn der Täter ein Ausländer ist (externarum gentium), wird die Todesstrafe gegen ihn verhängt. Coll. 15,2,3: Sehr häufig wurde dann von fast allen Herrschern verboten, daß sich jemand überhaupt auf irgendeine Weise auf solche Dummheiten einläßt, und diejenigen, die solches ausübten, wurden in verschiedenem Maße bestraft, im Verhältnis nämlich zum Gegenstand der Weissagung: Wer über das Heil des Herrschers eine Auskunft einholte, wurde mit dem Tode bestraft oder mit einer anderen schweren Strafe belegt; wer sich hingegen über seine persönlichen Angelegenheiten wahrsagen ließ, leichter. Zu diesen Leuten werden auch die Weissager (vaticinatores) gezählt, welche gleichermaßen zu bestrafen sind, weil sie ihre zu mißbilligenden Künste häufig gegen die öffentliche Ruhe und den Staat des römischen Volkes einsetzen (quoniam nonnunquam contra publicam quietem imperiumque populi Romani improbandas artes exercent). Coll. 15,2,5: Ferner hat auch Divus Marcus einen Mann, der beim Aufstand des Cassius gewahrsagt und vieles gleichermaßen durch Eingebung der Götter gesagt hatte (vaticinatus erat et multa quasi instinctu deorum dixerat), auf die Insel Syros verbannt (in insulam Syrum relegavit). Coll. 15,2,6: Und freilich dürfen derartige Menschen nicht straflos bleiben, die unter dem Vorwand göttlicher Eingebungen etwas verkündigen oder mit solchem prahlen oder etwas zu wissen vorgeben.199
Die z.T. schwer zu bewertenden Exzerpte200 aus der Schrift des römischen Juristen dokumentieren eine wachsende Missbilligung und politische bzw. gesetzliche Sanktionierung der sich vermehrenden divinatorischen Künste.201 Im Kern nimmt der Gesetzestext bereits bestehende Verordnungen wieder auf, so das im 1. Kapitel von Coll. 15,2 erwähnte senatus consultum vom Jahr 16/17 n.Chr. bzgl. der Ausweisung der Magier und Astrologen aus Rom.202 Ähnliche Edikte finden sich auch in den Sententien des 199 200
Text und Übersetzung nach FÖGEN, Wahrsager (s. Anm. 197), 63–74.329f. So dürfte das hier ausgelassene 2. Kap. der Coll. eine Glosse aus der Zeit Diokletians (294 n.Chr.) sein, vgl. FÖGEN, Wahrsager (s. Anm. 197), 64–68; überhaupt steht nach Fögen Coll. 15, 2 bis auf den Hinsweis auf das senatus consultum von 16/17 n.Chr. im Verdacht, erst aus späterer Zeit (zwischen 302–321 n.Chr.) zu stammen (ebd., 73). 201 Vgl. die Analysen bei C. MOTSCHMANN, Die Relgionspolitik Marc Aurels, Hermes 88, Stuttgart 2002, 144–168; CRAMER, Astrology (s. Anm. 197), 247; R. MACMULLEN , Enemies of the Roman Order, Cambridge 1966, 133. 202 Zum Senatsbeschluss vgl. oben Anm. 197. Grundlage dieser Gesetzgebungen dürfte ein Edikt des Augustus aus dem Jahre 11 n.Chr. sein (Dio Cassius LVI 25,5), wonach Weissagungen nur in Anwesenheit von weiteren Personen gestattet, Prophezeiungen über das Ableben einer Person dagegen grundsätzlich unter Strafe gestellt wurden (vgl. CRAMER, Astrology [s. Anm. 197], 248ff.; MOTSCHMANN, Religionspolitik [s. Anm. 201], 158 Anm. 478). Die weitere rechtshistorische Lage zur juristischen Beurteilung der Magier, Astrologen und weiteren Divinatoren ist freilich umstritten, vgl. F ÖGEN, Wahrsager (s. Anm. 197), 54–88; jetzt C. SÁNCHEZ-MORENO ELLART , Ulpian and the Stars. The actio iniuriarum against the Astrologer: Some Reflections about D. 7.10.15.13 (Ulp.
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Iulius Paulus.203 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die in Coll. 15,2,5 genannte Ausweisung eines Propheten im Zusammenhang mit dem Aufstand des Cassius 175 n.Chr. Bereits in Kap. 3 von Coll. 15,2 wurden verschiedene strafrechtliche Maßnahmen gegen Propheten (vaticinatores), die ihre Künste gegen die öffentliche Ruhe und den Staat einsetzten, genannt. Von „fast allen Herrschern“, so Ulpian, wurde das Treiben der Divinatoren zu unterbinden gesucht. Auch die Relegation des Anonymus ist durch sein prophetisches Wirken – wohl in der Provinz – in Zeiten politischer Unruhen veranlasst und dürfte als ein Akt der Herrschaftssicherung zu bewerten sein.204 Der Eindämmung von religiösen Unruhen dient auch das von Modestinus im 1. Buch de poenis überlieferte Reskript Marc Aurels über das Strafmaß für die Verbreitung von Aberglauben,205 auch wenn lib. 77 ad edictum), Ivris Antiqvi Historia 1 (2009), 195–22, bes. 212–221. Tatsächlich ist der bei Tacitus, Annales 2,32 (vgl. Dio Cassius LVII 15,8f.) genannte Bericht über die seneatus consulta die erste Nachricht über eine gesetzliche Regelung bzgl. Astrologen und Magier (vgl. FÖGEN , aaO., 108).. 203 Sentent. 5,21,1 [Iulius Paulus]: „Weissager (vaticinatores), die heucheln, von Gott erfüllt zu sein, sollen deshalb aus dem Land vertrieben werden (civitate expelli), damit nicht durch menschliche Leichtgläubigkeit die öffentlichen Sitten in Erwartung irgendeines Ereignisses (ad spem alicuius rei corrumperentur) verdorben werden oder doch zumindest durch solches Tun die Gesinnung des einfachen Volkes in Verwirrung (turbarentur) gestürzt wird. Deshalb werden die Weissager, nachdem sie mit Ruten geschlagen wurden, aus dem Land vertrieben (pelluntur). Die Hartnäckigen werden in öffentliche Gefängnisse geworfen oder auf eine Insel deportiert, zumindest aber ausgewiesen (perseverantes autem in vincula publica coniciuntur aut in insulam deportantur vel certe relegantur).“ (Text und Übersetzung nach FÖGEN, Wahrsager [s. Anm. 197], 76.330). Die Datierung dieses Ediktes ist umstritten; FÖGEN, aaO. 75–79, vermutet das Ende des 3. und Anfang des 4. Jh. n.Chr.; M OTSCHMANN, Religionspolitik (s. Anm. 201), 149 Anm. 455, dagegen ist geneigt das Edikt „in die Regierungszeit Domitians und damit in die Wirkungszeit des Apollonios von Tyana zu verlegen, der nach dem Zeugnis Philostrats von dem genannten Kaiser tatsächlich ins Gefängnis geworfen wurde.“ 204 Vgl. MOTSCHMANN , Religionspolitik (s. Anm. 201), 156ff., der zu Recht auf den provinzialen Kontext des Reskripts verweist und die Relegation des Propheten politisch begründet sieht. 205 Modestinus, Dig. 48,19,30: „Für den Fall, daß jemand etwas getan hat, wodurch die leichtgläubigen Gemüter der Menschen wegen superstitione numinis in Unruhe versetzt werden, sollen die entsprechenden Personen nach einem Reskript des göttlichen Marcus auf eine Insel verbannt werden.“ (Vgl. M OTSCHMANN, Religionspolitik [s. Anm. 201], 144). Superstitio, allgemein mit „Aberglaube“ übersetzt, hat bereits in der Antike ein breites semantisches Konnotationsfeld, das die Bedeutung „Wahrsagerei“, „fremde Kulte“, „eine übertriebenen Form religiöser Praxis“ und „abergläubische Furcht“ umfassen kann und u.a. auf Juden (Tacitus, Annales 2,84,4; Historiae 5,8,2; 13,1; Suet., Tiberius 36,1), Christen (Tacitus, Annales 15,44,3; Suet., Nero 16,2), Druiden (Tacitus, Annales 14,30,3; Historiae 4,54,3) sowie auf Formen der Wahrsagekunst (vgl. Tacitus, Historiae 2,78,1; 4,61,2; Plinius d.Ä., naturalis historia 11,182,3) angewendet werden konnte. Zum Problemkreis von superstitio vgl. D. HARMENING, Superstitio. Überlieferungs- und
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der Anlass dieses Reskripts möglicherweise einen anderen Hintergrund als den bei Ulpian hatte.206 Die Zunft der geistgeleiteten Weltdeuter und der wissbegierigen Astrologen stand daher immer in der Gefahr, dass ihre Profession politisch oder strafrechtlich verfolgt wurde, was aber nicht bedeutete, dass die römischen Kaiser und die herrschende Elite divininatorisches Wissen grundsätzlich abgelehnt hätten – im Gegenteil. Besonders die Astrologie stand bei den Kaisern im hohen Kurs; entweder besaßen diese selbst astrologische Kenntnisse207 oder sie unterhielten zahlreiche Hofastrologen.208 Darüber hinaus wurden auch Wahrsager, ferner haruspices209 und diverse Orakelstätten210 konsultiert. Akzeptanz oder Verbot der Divinatoren und Astrologen war in der frühen Kaiserzeit zunächst weniger eine Frage, die anhand eines bereits ausdifferenzierten Gesetzestextes beantwortet worden wäre, vielmehr waren theoriegeschichtliche Untersuchungen zur kirchlich-theologischen Aberglaubensliteratur des Mittelalters, Berlin 1979, 14–32; L. F. J ANSSEN, Die Bedeutungsentwicklung von superstitio/superstes, Mnemosyne 28 (1975), 135–188; vgl. jüngst G. GUTTENBERGER, Superstitio. Facetten eines antik-religionstheoretischen Diskurses und die Genese des frühen Christentum als religio, in: W. Kraus (Hrg.), Beiträge zur urchristlichen Theologiegeschichte, BZNW 163, Berlin/New York 2009, 183–227. 206 Vgl. die Diskussion bei M OTSCHMANN , Religionspolitik (s. Anm. 201), 144–168, der zwischen den Reskripten keinen Bezug erkennen kann; anders D. LIEBS, Römisches Recht in Africa im 2. Jh. nach Chr. nach der Apologie von Apulejus, in: U. Mölk (Hrg.), Literatur und Recht. Literarische Rechtfälle von der Antike bis in die Gegenwart, Göttingen 1996, 25–36 (32); M. SORDI, Die „Neuen Verordnungen“ Marc Aurels gegen die Christen, in: R. Klein (Hrg.), Marc Aurel, Darmstadt 1979, 176–196 (184); M ACMULLEN , Enemies (s. Anm. 201), 130. 207 So besonders Tiberius, Hadrian und die Severer, vgl. C RAMER, Astrology (s. Anm. 197), 146ff.; W EBER, Kaiser (s. Anm. 197), 116; bzgl. Hadrian meldet P. A. KUHLMANN, Religion und Erinnerung. Die Religionspolitik Kaiser Hadrians und ihre Rezeption in der antiken Literatur, Formen der Erinnerung 12, Göttingen 2002, 105–171, allerdings Skepsis an. 208 So z. B. Theogenes unter Augustus (Suet., Aug. 94,12); Thrasyllos unter Tiberius (Tacitus, Annales 6,20; Suet., Tiberius 14,4; Cal. 19,3; Cassius Dio LV 11,1–2); Sulla unter Caligula (Suet.Cal. 57,2); Balbillus (Thrasyllos Sohn) und Chairemon unter Nero (Suet.Cl. 27; Tacitus, Annales 6,22); Ptolemaios (Seleukos) unter Otho (Suet., Otho 4,1 u. 6,1; Tacitus, Historiae 1,22); Seleukos und Balbillus unter Vespasian (Tacitus, Historiae 2,78; Cassius Dio LXV [LXVI] 9,2); Ascletario unter Domitian (Suet.Dom. 15); vgl. WEBER, Kaiser (s. Anm. 197), 116 Anm. 123 (Lit.!). 209 Gaius Gracchus hatte ebenso Herennius Siculus als persönlichen Haruspex (vgl. Velleius II 7,2) wie Sulla den Gaius Postumus (vgl. Plut., Sulla 9,3; 27,6; Cic., de divinatione 1,72) und Caesar den Seher Spurinna (vgl. Cic., epistulae ad familiares 9,24; de divinatione 1,119); Vitellius vertraute dagegen auf eine weissagende Chattin (Suet., Vitellius 14,5); vgl. die weiteren Belege bei WEBER, Kaiser (s. Anm. 197), 115.117 Amm. 127. 210 So z.B. Tiberius und das Orakel des Geryon bei Patavium (Suet., Tiberius 14,3); Titus und Aphrodite von Paphos (Tacitus, Historiae 2,2–4; Suet., Titus 5); vgl. die weiteren Belege mit Lit. bei WEBER, Kaiser (s. Anm. 197), 118 Anm. 131.
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es handfeste real- und religionspolitische Interessen, die über die Zukunft der weissagenden Deuter und Astrologen entschied. Auskünfte über das Heil des Herrschers einzuholen war ebenso untersagt wie die Störung der öffentlichen politischen Ruhe durch immer wieder aufblühende antirömische Stimmungen oder Unheilsprophetien.211 Konsequent wurden unliebsame antirömische Schriften und Orakelsammlungen konfisziert, verbrannt oder ihr Besitz hart bestraft.212 In diesem rechtsgeschichtlichen Kontext dürfte auch das bei Androhung der Todesstrafe erlassene Verbot der Lektüre des Hystaspesorakels (vgl. Iust. 1 apol. 44,12f.) einzuordnen sein, das bekanntlich Roms Untergang in einem Weltenbrand prophetisch ersehnte.213 211 Immer wieder flammten antirömische Ressentiments in Form von Orakeln, Prophezeiungen, Ideologien, Untergrundbewegungen und offenen Widerständen und Revolten auf. Zu den bekannten antirömischen Prophezeiungen zählen besonders die sibyllinischen Bücher, ferner die Lamm-, Töpfer-, und Hystaspes-Orakel, vgl. J.-D. GAUGER, Sibyllinische Weissagungen. Griechisch-deutsch. Auf der Grundlage der Ausgabe von A. Kurfeß, Tusculum, Düsseldorf/Zürich 1989, 404–423; H. FUCHS, Der geistige Widerstand gegen Rom in der antiken Welt, Berlin 1938, Nachdr. 1964; J. J. COLLINS, Seers, Sybils and Sages in Hellenistic-Roman Judaism, JSJ Suppl. 54, Leiden 1997; K. D. BRACHER, Verfall und Fortschritt im Denken der frühen römischen Kaiserzeit. Studien zum Zeitgefühl und Geschichtsbewußtsein des Jahrhunderts nach Augustus, Studien zu Politik und Verwaltung 21, Wien u.a. 1987, 190–198.250–261; A. MOMIGLIANO, Some Preliminary Remarks on the ‚Religious Opposition‘ to the Roman Empire, in: A. Giovannini/D. van Berchem (Hrg.), Opposition et résistances à l’Empire d’Auguste à Trajan, EnAC 33, Vandœuvres/Genève 1986, 103–129. 212 Bereits in der Krisenzeit des Zweiten Punischen Krieges, als nach der Katastrophe von Cannae (216 v. Chr.) eine Welle von wilden Orakeln und Sibyllinensprüchen die schon ängstliche Stimmung des Volkes weiter beunruhigte, wurden strikte Vorsichtsmaßnahmen unter einer strengen Polizeiaufsicht angeordnet. 213 v.Chr. ließ der praetor urbanus die Bevölkerung durch ein – ganz modern formuliertes – Edikt von solcher Art religiöser Verirrung „befreien“ (ut eis religionibus populum liberat, Livius XXV 1,9ff.). Zu solchen illegitimen Sibyllinensprüchen vgl. auch Dio Cassius XLI 14,4; LVII 18,4; LXII 18,3f. Ein ähnliches Schicksal widerfuhr den 181 v.Chr. in einer Truhe gefundenen, angeblich von Numa Pompilius (religiöser Stadtgründer Roms) verfassten Orakelrollen, die, vom Stadtprätor Q. Petillius beschlagnahmt, wegen ihres offensichtlich sakralrechtlichen Inhalts vom Senat dem Feuer übergeben wurden (vgl. Plinius d.Ä., naturalis historia 13,84ff.; Livius XL 29,3ff.; Varro bei Augustin, civ. 7,34.) Religionspolitisch konsequent war daher auch die von Augustus 12 v.Chr. durchgeführte Säuberung der Orakelsammlungen, in deren Zuge alle lateinischen und griechischen Orakelbücher bis auf die – bereinigten – libri Sibyllini verbrannt wurden (Suet., Aug. 31,1; Lact., de mortibus persecutorum 44,8; ähnliches dann auch noch unter Tiberius, vgl. Cassius Dio XLVII 18,4f.). Die – freilich umstrittene – Verhaltensvorschrift für Richter in Dig. 10, 2, 4, 1 (Ulpian, Buch 19) hält fest: „Ebenso wird er [der Richter] sich verhalten müssen in Bezug auf Bücher, deren Lektüre zu mißbilligen ist, etwa magische oder solchen ähnliche Bücher. All dieses muß nämlich sofort vernichtet werden.“ (Vgl. FÖGEN, Wahrsager [s. Anm. 197], 58). 213 S CHWIER, Tempel (s. Anm. 57), in Anknüpfung an W. RORDORF, Die neronische Christenverfolgung im Spiegel der apokryphen Paulusakten, NTS 28 (1982), 365–374,
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Sollte nun, wie es die altkirchliche Überlieferung bezeugt, tatsächlich eine verhängte relegatio in insulam die Ursache für den Patmosaufenthalt des Propheten Johannes sein,214 dann wäre das aus der Sicht römischer Strafpraxis zunächst nichts Außergewöhnliches: Analog der Ausweisung und Verbannung von unliebsamen Astrologen und inspirierten Zukunftsdeutern215 ist auch der apokalyptische Seher wegen seiner prophetischen vermutet aufgrund der Bemerkung bei Iust.1 apol. 44, und der Tatsache, dass die Christen nach dem Brand Roms unter Nero verhaftet und als Brandstifter verurteilt wurden (Tacitus, Annales 15,44), dass sich die ohnehin durch den 64 n.Chr. entstandenen Brand aufgeflammten Untergangsbefürchtungen (vgl. Cassius Dio LVII 18,4f.; LXII 18,2f.; Tacitus, Annales 15,41) in Persekutionen gegen die Christen entluden, die ob ihrer endzeitlichen Untergangserwartungen wegen – womöglich ist damit der „verhängnisvolle Aberglaube“ (exitiabilis superstitio) gemeint – durchaus bekannt und als odium humani generis verschrien waren. Schwier (280f.) resümiert: „Die ‚Christianer‘ galten also als politisch verdächtig und als Vertreter orientalischer Hoffnungen, die den Untergang Roms implizierten.“ Daraus ergibt sich die plausible Vermutung: „Die Verfolgung der Christen könnte dann auch verstanden werden als ‚Beseitigung‘ der gefährlichen Hoffnung auf Roms Untergang.“ (Ebd., 281) Vgl. auch, in Zusammenhang mit dem Rombrand 64 n.Chr, G. J. BAUDY, Die Brände Roms. Ein apokalyptisches Motiv in der antiken Historiographie, Spudasmata. Studien zur klassischen Philologie und ihren Grenzgebieten 50, Hildesheim/Zürich 1991, 35, mit der provokanten These., „daß Christen die Brandstifter waren. Ihre Motive liegen auf der Hand: Sie haben die Stadt Rom angezündet aufgrund messianischer, auf den Termin des 19. Juli ausgerichteter Parusie-Erwartung.“ Einen engen Bezug zwischen den Bränden in Rom und einer aufkommenden superstitio im Sinne einer Untergangsprophezeihung – nun der Druiden – zieht Tacitus auch in seiner Schilderung des Kapitolbrandes 69 n.Chr. (Historiae 4,54; vgl. SCHWIER, aaO., 279f.). Demnach dürften die der superstitio bezichtigten Christen vorwiegend als eine prophetischapokalyptische Bewegung mit ausgeprägten Untergangshoffnungen in Erscheinung getreten sein. Vgl. in diesem Zusammenhang auch den gegen Christen geäußerten Verdacht der „Verschwörung“ (vgl. W. SCHÄFKE, Frühchristlicher Widerstand, ANRW II 23,1, Berlin/New York 1979, 460–723 [611–615]) und der Zauberei (ebd., 599–602). 214 Tertullian, selbst Jurist, verwendet bei seiner Notiz bzgl. der Verbannung des Johannes die korrekte Terminologie: ubi apostolus Iohannes, posteaquam in oleum igneum demersus nihil passus est, in insulam relegatur (praescr. 36); vgl. auch Eus.h.e. III 20,8f. 215 Die Verbannung des anonymen Propheten in Coll. 15,2,5 ist in mehrfacher Hinsicht als Referenzdokument für Apk 1,9 von Interesse. Zunächst: in beiden Fällen handelt es sich um das Wirken von Propheten in der Provinz (vgl. M OTSCHMANN, Religionspolitik [s. Anm. 201], 156, zum anonymen Propheten, der darauf hinweist, „daß der Vorfall in Ulpians Buch über die Pflichten eines Prokonsul überliefert ist. Dies läßt keinen anderen Schluß zu, als das prophetische Wirken unseres Anonymus in die Provinz zu verlegen.“); entsprechend erfolgt auch die Verbannung der Propheten in der Provinz. Sodann ist die Verbannung beider Propheten eine relegatio in insulam. Ursache für die Verbannung des anonymen Propheten sind dessen Weissagungen zur Zeit des Aufstandes des Avidius Cassius. Die prophetische Tätigkeit des Anonymus dürfte daher als Störung der öffentlichen Ruhe bzw. als feindliche Handlung gegen den Staat bewertet worden sein; nach Coll. 15,2,3 steht darauf eine moderate Bestrafung – nach Coll. 15,2,1 eben Verbannung (auf Weissagungen über das Heil des lebenden Herrschers selbst stand dagegen
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Aktivitäten und Schriften, die durchaus antirömisch interpretiert werden konnten, verbannt worden.216 Eben diese durch seine prophetische Tätigkeit verursachte missliche Lage wird in Apk 1,9 nun aber auch zum gemeinsamen Erfahrungshintergrund seiner Leser, der Brüder, erklärt: Johannes ὁ ἀδελφὸς ὑµῶν καὶ συγκοινωνὸς ἐν τῇ θλίψει. Ähnlich der direkten Anrede in Apk 22,16 wird hier eine besondere Personengruppe, die Brüder, hervorgehoben: „Die zwischen ihm und den Lesern bestehende Bruderschaft wird in 19,10; 22,9 damit begründet, dass sie das Zeugnis Jesu haben und die Worte dieses Buches bewahren.“217 Die Brüder sind demnach diejenigen, die sich ebenfalls dem prophetischen Wort gewidmet haben und nun – gemeinsam mit Johannes – in Bedrängnis (θλίψει) sind (vgl. die Situation in Smyrna Apk 2,9f.). Der hier eröffnete Gefährdungshorizont thematisiert demnach nicht die generellen Mühen der Christen in ihrer bedrängten Lebenswelt, schon gar nicht ist eine allgemeine staatlich
die Todesstrafe, vgl. auch Pauli Sententiae 5,21,3). Ähnlich dürfte auch das prophetische Auftreten des Johannes in der Provinz Asia beurteilt worden sein, dessen apokalyptische Untergangszenarien ebenfalls die bestehende Ordnung in Frage stellen. 216 Vgl. MALINA, Offenbarung (s. Anm. 196), 265: „Ziemlich plausibel ist, daß der Autor des Buches nach Patmos exiliert worden ist, und zwar wegen der Praktizierung von Astralphilosophie.“ Ähnlich D. A. DESILVA, The Social Setting of the Revelation to John. Conflicts within, Fears without, Westminster Theological Journal 54 (1992), 273– 302 (286): „Given John’s attitude about the Roman empire and its representatives, not to mention the social consequences of following his exhortations, it would not be at all surprising, nor even really blameworthy from a political point of view, to remove this prophet from his circuit and relegate him to some sufficiently distant island within the province.“ Vgl. auch S CHÜSSLER FIORENZA, Offenbarung (s. Anm. 38), 71; jüngst I. BOXALL, The Revelation of St. John, BNTC, London 2006, 39. Ob mit der Relegation des Johannes gleichzeitig auch etwas über dessen sozialen Rang ausgesagt werden könnte, wie es u.a. M. HENGEL, Die johanneische Frage. Ein Lösungsversuch, WUNT 67, Tübingen 1993, 311; AUNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 10), 80, und jüngst W ENGST , „Wie lange noch?“ (s. Anm. 178), 33f., vermuten (eine relegatio wäre eine Standesstrafe ohne Ehrverlust für honestiores), ist doch eher fraglich, da die Unterscheidung zwischen honestiores und humiliores im Strafrecht erst seit Hadrian und Antoninus Pius bezeugt ist, vgl. P. GARNSEY, Social Status and Legal Privilege in the Roman Empire, Oxford 1970; R. RILINGER, Humiliores – Honestiores – Zu einer sozialen Dichotomie im Strafrecht der römischen Kaiserzeit, München 1988. Bei der in Coll. 15,2,5 (Ulpian) genannten Relegation des anonymen Propheten auf eine Insel ist die Unterscheidung von honestiores und humiliores jedenfalls noch nicht im Blick. 217 S ATAKE, Offenbarung (s. Anm. 1), 138f. Die Kennzeichnung „Bruder“ kommt in der Offenbarung nur in 1,9; 6,11; 12,10; 19,10; 22,9 vor. Entgegen S ATAKE, aaO., 139 Anm. 49, dürfte nach dem bisher Gesagten auch in 6,11 mit Brüdern nicht allgemein „Mitchristen“ gemeint sein, vielmehr eben diejenigen, die sich an das Wort Gottes und Zeugnis Jesu, d.h. an das prophetisch offenbarte Wort der Apokalypse selbst halten.
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sanktionierte Christenverfolgung im Blick,218 vielmehr gilt das Mitgefühl und die Sorge des Visionärs seinen „Mitbrüdern“, also anderen gleichgesinnten Propheten (Apk 19,10; 22,9a), und denjenigen, die wegen ihrer Treue zum prophetischen Wort (Apk 22,9b) in Not geraten sind (Apk 6,9f.) bzw. deswegen zukünftig bedroht sein werden (Apk 13,9f.15–17). Mit der Betonung des Gefährdungspotenzials einer besonderen prophetischen Gruppe bewegt sich der Verfasser dabei innerhalb eines frühchristlichen Diskurses, der nach neuen Abgrenzungs- und Legitimationsstrategien sucht. K. Waldner verweist in diesem Zusammenhang auf die sich etablierende Beziehung zwischen Prophetie und Martyrium hin. Demnach lässt sich beobachten, wie – z.B. bei Paulus, in den synoptischen Evangelien oder in der Apostelgeschichte –, „die Situation der Verfolgung mit inspiriertem Sprechen in Verbindung gebracht“219 wird. Resümierend hält K. Waldner fest: „In nicht montanistischen Quellen, so lässt sich diese kurze Beispielreihe kommentieren, finden wir christliche Divination, prophetisches, inspiriertes Sprechen und Zukunftsvoraussagen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Erzählung von Verfolgung und Martyrium. Der Grund, warum christliches Denken und Schreiben im ersten und zweiten Jahrhundert um die Themen Martyrium und Prophetie kreist, liegt darin, dass diese Motive im philosophisch-religiösen Diskurs der Zeit eine zentrale Rolle spielten. Die Figur des Märtyrers ist eine extreme Außenseiterposition; durch die historische Tatsache der öffentlichen Hinrichtung war es jedoch gleichzeitig möglich, das Martyrium als weithin sichtbaren, öffentlichen Auftritt dieses Außenseiters zu erzählen.“220 Es entspricht dem Kontext dieser antiken Diskurswelt, dass Verfolgung und Verbannung von Divinatoren und Astrologen in Teilen der römischen Gesellschaft gerade als ein besonders Kennzeichen der Glaubwürdigkeit und Authentizität bewertet wurden.221 218
Zu den unterschiedlichen Konzepten und Deutungen bzgl. der Gefährdungslage der Christen aus der Sicht des Apokalyptikers vgl. die Diskussion der Forschungspositionen bei WITULSKI, Hadrian (s. Anm. 5), 68–134. 219 K. W ALDNER, Märtyrer als Propheten: Divination und Martyrium im christlichen Diskurs des ersten und zweiten Jahrhunderts, in: H. Cancik/J. Rüpke (Hrg.), Die Religion des Imperium Romanum. Koine und Konfrontation, Tübingen 2009, 299–311 (305f.). So setzt die Apostelgeschichte die in Mt 10,19–20 verheißene Verfolgungssituation der inspirierten Redner narrativ um, indem das Motiv des Prophetenmordes aufgegriffen und mit dem Tod des Stephanus aktualisiert wird: „Bereits bei diesem Beispiel wird deutlich, dass die extreme Außenseiter-Position des Märtyrers – ein zu Tode Verurteilter steht jenseits der Gesellschaft, sowohl der Götter als auch der Menschen – im erzählerischen Text gleichzeitig als zentrale Position erzählerisch inszeniert ist.“ (S. 306). Vgl. auch die weiteren Beispiele bei WALDNER, aaO., 306–308. 220 W ALDNER, Märtyrer (s. Anm. 219), 308f. 221 Juvenal, satirae 6,553–564: „Die Chaldaeer genießen jedoch größeres Vertrauen: was immer ein Astrologe sagt, werde, glauben sie [die römischen Damen der höheren
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4 Rhetorische Strategien und theologische Intentionen 4.1 Leseführende Kompositionsstrategien und rezipientenorientierte Signale im apk Hauptteil (Kap. 4–22) Die Johannesapokalypse ist ein Buch, das – wie überhaupt das antike Schrifttum222 – vor allen Dingen gehört werden will: „Selig ist, der da liest (ὁ ἀναγινώσκων) und die da hören (οἱ ἀκούοντες) die Worte der Weissagung“ (Apk 1,3).223 Nicht nur der briefliche Teil des Werkes entfaltet rezipientenorientierte Kommunikationsstrategien.224 Auch das apokalyptische Corpus ist gerade in seiner redaktionell gestalteten literarischen Gesamtkomposition (Apk 4–22) rezipientenorientiert und das heißt zunächst hörerfreundlich strukturiert.225 U.a. hat F. Tavo die Johannesapokalypse nach makrostrukturellen und gleichzeitig rezipientenorientierten Kommunikationssignalen durchleuchtet.226 Ausgehend von Apk 1,3 entwickelt Tavo strukturspezifische Leitgedanken (Gewichtung der Siebenerreihen, Beachtung der rekapitulativen wie progressiven Elemente wie auch der rezipientenorientierten Leseführung und schließlich die Fokussierung auf das Neue Jerusalem) und betont
Gesellschaft], von der Quelle Ammons her berichtet, da ja in Delphi das Orakel untätig ist und die Dunkelheit der Zukunft das Menschengeschlecht straft. Einen besonderen Rang unter ihnen nimmt jedoch der ein, der öfter verbannt wurde. […] Zutrauen zu seiner Kunst findet einer, wenn an seiner Rechten und Linken Eisen geklirrt hat, wenn er lange im Kerker des Praetorianerlagers gewesen ist. Kein Astrologe wird als begabt gelten ohne eine Verurteilung, jedoch wer fast dem Tod verfiel, wem es gerade noch gelang, auf eine Kykladeninsel verbannt und endlich von dem kleinen Seriphos erlöst zu werden.“ (Übers. nach J. ADAMIETZ, Juvenal. Satieren. Lateinisch – deutsch, Sammlung Tusculum, München 1993, 135). Die Kyladeninseln, darunter Seriphos, galten als Verbannungsorte. 222 Vgl. M. ERREN, Lesen mit den Ohren. Syntax und Wortstellung als Lesehilfe bei Caesar und Livius, in: G. Vogt-Spira (Hrg.), Strukturen der Mündlichkeit in der römischen Literatur, Script-Oralia 4, Tübingen 1990, 117–128 (117f.): „Ohne besondere wissenschaftliche Studien kann man getrost behaupten, daß antike Schriftsteller sich nur an das Ohr wenden und sich über die besonderen Bedürfnisse von Augenlesern aufs rücksichtsloseste hinwegsetzten. (…) Ein antiker Text muß also in jeden Falle vorgelesen werden, um überhaupt zur Existenz zu kommen, und das Vorlesen eines ganzen Buches für ein versammeltes Publikum, das ist ein Vollzug, den man wie einen Rede- oder Schauspielvortrag vorbereiten und einstudieren muß, weil er auf Anhieb nur unvollkommen gelingen kann.“ 223 Zu Apk 1,3 vgl. das reichhaltige Material bei A UNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 10), 19–21. 224 KARRER, Brief (s. Anm. 4), 86–220, hat in seiner Arbeit – freilich um die eigene These von der Brieflichkeit der Apk zu erhärten – ausgiebig auf die rezipientenorientierte Kommunikationsstrategie des Werkes hingewiesen. 225 Vgl. KARRER, Brief (s. Anm. 4), 220–284. 226 Vgl. TAVO, Structure (s. Anm. 77), 47–68; DIES ., Mother (s. Anm. 77), 34–45.
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die besondere rezipientenorientierte Funktion der Textstruktur. In diesem Zusammenhang werden besonders die von Tavo als „transition“ bezeichneten Textabschnitte hervorgehoben, die sich im Wesentlichen mit den hier eruierten Kultszenen decken.227 Es sind insbesondere diese transitionSzenen, die eine hörerorientierte „evocative“ Kraft entfalten und zudem liturgische Elemente aufweisen.228 Auf weitere rezipientenorientierte Funktionen der Textpassagen, die als Scharnierstellen fungieren, verweist B. Longenecker.229 Das oben entfaltete kosmologische Modell einer sich zwischen Himmel und Erde fortwährend alternierenden Bewegung gewährleistet in der vorliegenden literarischen Konstruktion durchaus ein – auch hörendes – Nachvollziehen des vom Visionär Geschauten (vgl. Dar. 2). Der Rezipient wird hineingenommen in die Visionsreise des Sehers, der den Leser/Hörer bei der Hand nimmt und ihn bei der Lektüre des Werks durch die wechselnden Perspektiven zwischen Himmel und Erde führt.230 Eine solche „Vernehmbarkeit“ des Textes wird erst durch die großartige literarische Kompositionskunst des Verfassers ermöglicht. Zur Konstruktion solch eines beeindruckenden literarischen Kunstwerkes dienen vor allem die zentralen Kultszenen. Gerade diese Kultszenen gewichten die visionäre Narration, geben den Rhythmus der Textstruktur vor und gewährleisten fließende Übergänge zwischen den Textblöcken. Die redaktionelle Arbeit an der Zusammenfügung eines apokalyptischprophetischen Werkes hat neben der rezipientenorientierten Kompositionsstrategie auch ein äußerst intensives rhetorisches Interesse. Auf das rheto227 Problematisch ist freilich die Charakterisierung des überlangen Textkomplexes Apk 16,17–19,10 als transition, vgl. dazu TÓTH, Kult (s. Anm. 23), 178f. 228 Entsprechend resümiert TAVO, Structure (s. Anm. 77), 64: „the ‚effecting power‘ of these liturgical activities could well have been the more fundamental reason for their inclusion in these transitions by the seer.“ 229 Vgl. LONGENECKER, Rhetoric (s. Anm. 78), 117–120, mit Verweis auf die sog. „chain-link“ Texte Apk 3,21–22; 8,2–5; 15,1–4; 22,6–9. Vor allem durch die literarische chain-link-Technik werden die Sendschreiben und der apokalyptische Teil zusammengebunden und fließende Übergänge geschaffen, die auch theologisch von Relevanz sind: „By means of chain-link interlock, the author not only links apocalyptic and epistolary genres together, but does so precisely in order that the visionary scenarios of suprahuman phenomena might be seen as relevant to the ordinary lives of those who would seek to follow the Lamb.“ (119). 230 Treffend formuliert BACKHAUS, Vision (s. Anm. 29), 54: „Johannes räsoniert nicht – er läßt sich Gott vor Augen halten und sucht aus der neuerschlossenen Realität heraus seine Gemeinde in diese symbolische Welt hineinzunehmen, weil nur so die alte Welt mit neuen – von Gott geheilten – Augen (vgl. 3,18c!) zu sehen ist. Der Rezipient ist seligzupreisen, insoweit die rezipierte Schrift mit ihren Visionen ihn selbst verwandelt.“ So können und sollen die Leser/Hörer in der Auseinandersetzung mit dem Buch „selbst zu Sehern werden.“ (43).
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rische Potenzial der Textstruktur hat jüngst P. S. Perry hingewiesen. Für die rhetorische Funktion der sog. „Zwischengesichte“ Apk 7 und 10,1– 11,13 macht Perry auf besondere Figurationen in Erzähldiskursen der antiken Rhetorik, die sog. Digression, aufmerksam. Mit den gezielt gesetzten Digressionen spricht der Verfasser im literarischen Modus die Rezipienten direkt an, „evoke emotions, construct the ethos of the author and audience, and offer examples for imitations.“231 Erst in Kontext einer Gesamtkomposition, die im Kern durch die Kultszenen konstituiert ist, kann sich freilich diese rhetorische Kraft völlig entfalten. Zudem wird durch die Digressionstechnik das letzte, zumeist siebte Element als Höhepunkt einer Reihe nochmals nachdrücklich hervorgehoben. Ein weiteres rhetorisches Potenzial liegt in der kontrastierenden Gegenüberstellung zwischen der Hure/Stadt Babylon (Apk 17,1–19,10) und der Braut bzw. dem Neuen Jerusalem (Apk 21,9–22,8), die in Anlehnung an die weisheitliche Tradition der Zwei-Wege-Lehre konstruiert ist.232 Auch diese rhetorische Textstrategie kann erst durch eine gezielt gestaltete Gesamtkomposition erreicht werden. In diesem Falle durch die mit den Kultszenen verbundenen Rahmenglieder (Apk 17,1–3 + 19,9f. und 21,9f. + 22,8f.). 4.2 Der Kult als Strukturprinzip und theologischer Kristallisationspunkt in der Johannesapokalypse Die narrative Geschlossenheit und literarische Kohärenz der Johannesapokalypse wird im Wesentlichen – darauf wurde mehrfach hingewiesen – durch die zentrale Funktion der Kultszenen gewährleistet. Die engen intratextuellen Querbezüge zwischen den einzelnen Kultszenen vermitteln eine kohärente und kontinuierliche Leselinie. Das die Apokalypse auszeichnende hymnische Material findet sich gehäuft gerade in diesen Kultszenen (Apk 4,8c; 4,11; 5,9b–10.12b.13b; 11,15b.17f.; 15,3b–4; 19,1b–2.5b.6b–8; vgl. ferner 7,10b.12; 12,10b–12; 16,5b–6.7b).233 Bereits G. Delling verwies auf die Relevanz dieser hymnischen Texte: „ohne diesen gottesdienstlichen Rahmen fielen die Visionen weithin auseinander“234 und das Bild der Johannesapokalypse wäre, so die ähnliche Einschätzung K.-P. Jörns, 231 232
PERRY, Digressions (s. Anm. 18), 207. Vgl. eingehend B. R. R OSSING, The Choice Between Two Cities. Whore, Bride, and Empire in the Apocalypse, HTS 48, Harrisburg, Pa: 1999; D IES., City Visions, Feminine Figures and Economic Critique: A Sapiential Topos in the Apocalypse, in: B. G. Wright III/L. M. Wills (Hrg.), Conflicted Boundaries in Wisdom and Apocalypticism, SBL Symposium Series 35, Leiden 2006, 181–196. 233 Zur Analyse der Hymnen in der Apk vgl. J ÖRNS, Evangelium (s. Anm. 26), 19f.161f. 234 G. DELLING, Zum gottesdienstlichen Stil der Johannes-Apokalypse, NT 3 (1959), 107–137 (136).
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„nicht nur torsohaft, sondern auch düster und fast durchgehend Unheilsbotschaft. Die Hymnen stellen demgegenüber die Seite des Heils dar.“235 Wie stark die Kultszenen und die darin eingebetteten Hymnen dabei auf die Gesamtkomposition hin konstruiert sind, zeigt sich allein schon daran, dass die Hymen ad hoc-Bildungen sind,236 also „literarische Schöpfung und keine Spiegelbilder des urchristlichen Gottesdienstes.“237 Insofern spiegeln die Kultszenen, abgesehen von einzelnen gottesdienstlichen Elementen (wie z.B. das Trishagion in Apk 4,8 oder die Wendung εὐχαριστοῦµέν σοι in 11,17) auch keine bestehenden frühchristlichen Gemeindeliturgien wider. Vielmehr sind diese Kultszenen Ausdruck einer literarischen Konzeption im Rahmen eines umfassenden apokalyptischen Weltbildes. Im Kern geht es bei den himmlischen Tempelszenen um die Frage nach der wahren Anbetung, die sich konkret im Kult manifestiert. Der Apokalyptiker entfaltet in seiner Schrift das Konzept eines himmlischen Kultes als ein symbolisches Sinnuniversum,238 das sich die Adressaten als lesende und hörende Rezipienten des Werkes in einem gleichsam kultischen Akt zu eigen machen können und sollen, wenn sie den eschatologischen Anfechtungen und Herausforderungen standhalten wollen.239 „Der himmlische Kult“, so Backhaus, „strahlt im ‚hymnischen Evangelium‘ selbst in die Gemeinde hinein. … Der liturgische Raum transformiert die symbolische Welt der kultischen Aktanten und öffnet die himmlische Herrlichkeit für die kleine Gemeinde aus berufenen ‚Königen und Priestern für Gott‘ (vgl. 1,6; 5,10; 20,6), in deren Mitte die Johannes-Offenbarung verlesen werden soll. Das Buch der Offenbarung wird zum ‚Rollenbuch‘ im kultischen 235 J ÖRNS, Evangelium (s. Anm. 26), 168 (Hervorhebung im Original). „Im Aufbau der aufeinanderfolgenden Visionsreihen“, so Jörns zu den Schaltstellen Apk 4f. und 19 „stehen die hymnischen Stücke einmal als Umklammerung an Anfang und Ende der drei Reihen, zum anderen fast ausschließlich an den Übergängen als jeweilige Höhepunkte und Überleitungen. In der Umklammerung und Verknüpfung der Siegel-, Posaunen- und Schalenvisionen haben sie also eine fest strukturelle Aufgabe.“ (170). 236 Vgl. J ÖRNS, Evangelium (s. Anm. 26), 178f.; R. B RUCKER, „Christushymnen“ oder „epideiktische Passage“? Studien zum Stilwechsel im Neuen Testament und seiner Umwelt, FRLANT 176, Göttingen 1997, 10; R. DEICHGRÄBER, Gotteshymnus und Christushymnus in der frühen Christenheit. Untersuchungen zu Form, Sprache und Stil der frühchristlichen Hymnen, SUNT 5, Göttingen 1967, 44–59. 237 J ÖRNS, Evangelium (s. Anm. 26), 182 Anm. 15; vgl. auch B RUCKER, Christushymnen (s. Anm. 236), 10. 238 Vgl. S CHÜSSLER F IORENZA, Offenbarung (s. Anm. 38), 144–157; T ÓTH, Kult (s. Anm. 23), 23–26.314–318.424–510. 239 Vgl. u.a. THOMPSON, Revelation (s. Anm. 9), 53–73. „Reading and listening the book of Revelation are themselves liturgical acts in the worship life of Christians in western Asia Minor. … The chain of revelation is complete when the Book of Revelation is read in Christian services of worship; that is, the book itself becomes liturgical material for the church of western Asia Minor.“ (72).
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Drama des göttlichen Thronsaals.“240 So bietet das apokalyptische Werk, dessen Inhalt wesentlich von der kultischen Anbetung handelt, eine Sinnwelt des Kultes an, die sich in der gemeinschaftlichen Lektüre erschließen lassen will. Aus der umfassenden redaktionellen Tätigkeit des Verfassers lassen sich weitere grundlegende Einsichten zu der kulttheologischen und rezeptionsorientierten Aussageabsicht des Sehers ableiten, die (a) eine besondere Form literarischer Selbstbezüglichkeit präsentieren, (b) die jüdischen Wurzeln der Johannesapokalypse betreffen und (c) die religionspolitischen Entstehungsbedingungen des Werkes berücksichtigen. (Ad a) Der bruchlose, durch die Kultszenen gewährleistete Übergang zwischen den einzelnen Visionstexten ermöglicht es, den ganzen Textkomplex Apk 6,1–22,5 als die visionäre Wiedergabe des himmlischen Buchinhalts (Apk 5,1) zu vernehmen, das eben nicht mehr versiegelt werden soll (Apk 22,10). Die am Ende wiederholt hervorgehobene existenzielle Relevanz dieses nun vom Propheten vermittelten Buches (Apk 22,7–10) demonstriert dabei eine ausgeprägte literarischer Selbstbezüglichkeit, die sich, eine semantische Kohärenz vorausgesetzt, auch im Textcorpus mehrfach findet: Apk 6,9; 12,11.17; 14,12; 19,9f.; 20,4; 21,5.241 „Worte bzw. Gebote Gottes und Zeugnis Jesus“ – diese formelhafte, an die Diktion Jesajas angelehnte Wendung steht synonym für die nun in der „Apokalypse Jesu Christi“ Schrift gewordenen, vom Seher Johannes bezeugten, auf Gott zurückgehenden und von Christus vermittelten prophetischen Offenbarungsworte.242 Die möglicherweise im Zuge der ersten Redaktionsphase 240 241
BACKHAUS, Vision (s. Anm. 29), 39. Die literarische Selbstbezüglichkeit ist in der zwischentestamentlichen Literatur bekannt: 1Hen 14,1; 73,1; 83,1; 92,1; 108,1; AscJes 1,2–7 (vgl. 11,39f.); Sir 50,27–29; VitAd 50; 3Bar 77,12–24; 78,1.5; AssMos 1,16–18; 10,11. Ferner ist die Vorstellung von himmlischen Büchern oder Tafeln, die dem Visionär mitgeteilt werden, wobei dieser wiederum den Inhalt niederschreiben bzw. für spätere Generationen aufbewahren soll, ein verbreitetes Motiv, 1Hen 68,1; 81,1ff.; 82,1–3; 103,2 106,19–107; 107,7; Jub 1,7.26f.; 23,32; 32,20–26 etc. (vgl. R. A. KRAFT , Scripture and Canon in Jewish Apocrypha and Pseudepigrapha, in: M. Sæbø [Hrg.], Hebrew Bible/Old Testament. The History of Its Interpretation I: From the Beginnings to the Middle Ages, Göttingen 1996, 199– 216 bes. 204–209; F. GARCÍA MARTÍNEZ, The Heavenly Tablets in the Book of Jubilee, in: M. Albani/J. Frey/A. Lange [Hrg.], Studies in the Book of Jubilees, TSAJ 65, Tübingen 1997, 243–260; G. BOCCACCINI, From a Movement of Dissent to a Distinct Form of Judaism: The Heavenly Tablets in Jubilees as the Foundation of a Competing Halakah, in: G. Boccaccini/G. Ibba [Hrg.], Enoch and the Mosaic Torah. The Evidence of Jubilees, Grand Rapids, MI 2009, 193–240). 242 Ehedem wurden auserwählten Visionären wie Henoch (1Hen 93,1ff.), Mose (Jub 1,1ff.) und Jakob (32,20ff.) Einblicke in den auf himmlischen Büchern und Tafeln verzeichneten universalen Geschichtsplan Gottes gewährt. In Jub 1,27–29; 2,1 wird gar ein ähnliches Offenbarungsgefälle wie in Apk 1,1f. sichtbar: Gott – Engel – Mose.
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eingestreuten selbstreflexiven Textstellen243 präsentieren dabei die zunächst unabhängigen Visionselemente als die schriftgewordene Summe der prophetischen Offenbarungsworte Gottes, an die sich die Heiligen und Propheten nun unerschütterlich klammern. Die Treuen, die „Heiligen“, die das „Wort Gottes und Zeugnis Jesu“ haben und dafür mit Verfolgung und Martyrium bedroht sind, fungieren ihrerseits innerhalb der Visionswelt modell- und vorbildhaft für diejenigen, die im Buchschluss Apk 22,6–10 dazu ermutigt werden, sich ebenfalls an die Worte des prophetischen Buches zu halten.244 Gerade der fließende Übergang im Ausklang des Werkes Apk 22,6–10 führt die apokalyptische Textwelt an die Welt außerhalb der Visionen und damit an die lebensweltliche Realität der Rezipienten heran, so dass es zu einer „Horizontverschmelzung“ kommt (dies möglicherweise im Rahmen gottesdienstlicher Lesung als kultischer Akt, Apk 1,3).245 (Ad b) Ausgangspunkt der durch die Kultszenen zusammengehaltenen Gesamtkonzeption des apokalyptischen Corpus Apk 4,1–22,10 ist die überladene, vorwiegend auf atl. Bezugstexte (Jes 6; Ez 1; 10; Dan 7) zurück243 Z.T werden gerade diese innerhalb des Textcorpus genannten selbstreflexiven Stellen auf eine redaktionelle Hand zurückgeführt: Apk 12,11 (A UNE, Revelation 1–5 [s. Anm. 10], cxxxf.; DERS., Revelation 6–16 [s. Anm. 21], 699f.); 14,12 (AUNE, Revelation 1–5 [s. Anm. 10], cxxvii.cxxxi; DERS, Revelation 6–16 [s. Anm. 21], 708f.); 19,9f. (AUNE, Revelation 17–22 [s. Anm. 30], 1031f.1036f.); 20,4 (A UNE, Revelation 17–22 [s. Anm. 30], 1085.1088; vgl. auch BAUER, Messiasreich [s. Anm. 10], 190ff.). 244 Vgl. T. HIEKE/T. NICKLAS, „Die Worte der Prophetie dieses Buches“. Offenbarung 22,6–21 als Schlussstein der christlichen Bibel Alten und Neuen Testaments gelesen, BThSt 62, Neukirchen-Vluyn 2003, 39, die in Bezug auf die Gleichstellung zwischen Johannes und dem Engel in Apk 22,8f. fragen: „Ist dies nicht auch die Folge dessen, dass die Offenbarung objektiviert in einem ‚Buch‘ jedem Menschen zugänglich ist, so dass jeder in den Kreis der ‚Mitknechte‘ gelangen kann, wenn er sich nur an diese Worte hält? Das Buch selbst wird zum Offenbarungsmittler, zum Medium, durch das Gottes Wort und Heil zugänglich werden. Des Menschen Aufgabe besteht darin, sich an die prophetischen Worte dieses Buches zu halten – dann gelangt er in den Kreis der ‚Mitknechte‘, der Propheten, des Sehers Johannes.“ 245 Vgl. THOMPSON, Revelation (s. Anm. 9), 72f. im Blick auf die Verschränkung zwischen himmlischem und irdischen Kult: „There is, thus, a reflexive character of the Book of Revelation: the use of the Book of Revelation in the church reflects the interconnection of heaven worship and eschatological drama within the book. In both Revelation and the early church, worship serves as the context and setting in which eschatological narratives (such as the Book of Revelation itself) unfold. Furthermore, in both Revelation and the churches of Asia Minor, worship realizes the kingship of God and his just judgment; through liturgical celebration eschatological expectations are experienced presently…. Worship, then, becomes a context that integrally relates the visions in Revelation with John’s original revelatory experience and the re-presentation of John’s experience in the life of the worshipping community. The Book of Revelation, by functioning in communal worship of Asia Minor as heavenly worship functions in the book itself, links heaven and earth. The work mediates its own message.“
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greifende Kult- und Thronvision Apk 4–5. Zentrales Thema innerhalb dieser Einleitungsvision ist die Präsentation und Öffnung des himmlischen Siegelbuches – ein Motiv, das programmatisch in den weiteren Erzählverlauf überleitet und bereits im Prolog Apk 1,1–3 angekündigt wird. Die konsequente intratextuelle Rückbindung der folgenden Kultszenen (Apk 8,1–5; 11,15–19; 14,14–15,8; 19,1–10; 21,1–8) an die Anfangsvision Apk 4f. und der durch die Kultszenen ermöglichte bruchlose Übergang zwischen den einzelnen Visionsblöcken wollen den Hörer dazu anleiten, den Textkomplex Apk 4,1–22,10 als einen fortlaufenden Erzählzusammenhang zu lesen, der vom himmlischen Kult geprägt ist und narrativ auf die Erscheinung des Neuen Jerusalems auf Erden zuführt. So kombiniert die redaktionelle Hand die Vorstellung vom himmlischen Tempelkult mit der Erwartung eines eschatologischen kultischen Heilsraumes auf Erden.246 Diese Koppelung von unterschiedlichen kult- und tempeltheologischen Konzepten ist, darauf hat G. Gäbel nachdrücklich hingewiesen, ein Spezifikum jüdischer Theologiebildung nach 70 n.Chr.247 246 Das Neue Jerusalem mit der kubusförmigen Gestalt zieht selbst kultische Assoziationen an sich, indem es an das Allerheiligste des Tempelheiligtums erinnert, vgl. O. BÖCHER, Bürger der Gottesstadt, in: ders., Kirche in Zeit und Endzeit. Aufsätze zur Offenbarung des Johannes, Neukirchen 1983, 157–167 (158): „Diese neue Stadt besitzt Würfelgestalt (Apk 21,16) wie das Allerheiligste des Tempels; da sie […] keinen Tempel aufweist (Apk 21,22), hat die ganze ‚heilige‘ Stadt als Tempel zu gelten.“; so auch C. DEUTSCH, Transformation of Symbols: The New Jerusalem in Rv 21.1–22.5, ZNW 78 (1987), 106–126; M. BACHMANN, Himmlisch: Der ‚Tempel Gottes‘ von Apok 11.1, NTS 40 (1994), 474–480 (62). Ferner setzt der Kommentar des Sehers (!) in Apk 21,22 – er sähe keinen Tempel in der Stadt – voraus, dass er seinerseits einen Tempel in der eschatologischen Stadt erwartet hat (vgl. AUNE, Revelation 17–22 [s. Anm. 30], 1166). Freilich wird der Tempel- und damit Kultbegriff in Apk 21,22 – unter Beibehaltung von tempeltheologischen Konzepten wie z.B. das von der Herrlichkeit Gottes (Apk 21,11.23) – theologisch und christologisch neu definiert, aber eben nicht grundsätzlich abgelehnt, wie die Rede vom „Dienen“ (λατρεύω) der Knechte, ein kultisch konnotierter Begriff, zeigt (Apk 22,3; vgl. 7,15); vgl. H. STRATHMANN, λατρεύω κτλ. ThWNT 4, Stuttgart 1942, 58–66 (60): „λατρεύειν bedeutet also genauer kultisch dienen, kultisch verehren.“ Freilich erweitert sich im ntl. Zusammenhang die semantische Bedeutung von λατρεύω, wo es nun allgemein „Gottesdienst“ oder speziell „Gebetsdienst“ meinen kann. 247 G. GÄBEL, Die Kulttheologie des Hebräerbriefes. Eine exegetisch-religionsgeschichtliche Studie, WUNT II 212, Tübingen 2006, 107: „Himmlischer und zukünftiger bzw. eschatologischer Tempel werden nur in wenigen, späten Schriften (IV Esr; II Bar) sowie in der rabbinischen Literatur aufeinander bezogen. Beide Themen sind ursprünglich in unterschiedlichen Zusammenhängen beheimatet. Bis 70 n.Chr. gilt daher: Wo vom himmlischen Tempel und Kult die Rede ist, findet Erwartung eines neuen, eschatologischen Tempels keinen Ausdruck – und umgekehrt. Die in moderner Literatur häufige Anschauung von der himmlischen (Prä-) Existenz der irdischen Eschata geht über den Befund in der Mehrzahl der frühjüdischen Texte hinaus. Sie übersieht den wichtigen Unterschied zwischen idealer und realer Präexistenz, zwischen himmlischen und utopischen Größen. Dadurch wird weiter übersehen, dass die Vorstellung vom endzeitli-
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(Ad c) Das Buch, das sich selbst als von Gott stammendes himmlisches Buch thematisiert, bietet sich als autoritative nicht mehr zu überbietende Offenbarung einem Leserkreis an, der mit den religionspolitischen Bedingungen kleinasiatischer Provenienz zu kämpfen hat. Indem die literarische und theologische Konzeption der Apokalypse durch die Kultszenen strukturiert ist, von denen her erst das Weltganze erfasst wird, bietet die so gewonnene kultische Matrix auch ein Deutungsraster, das die Gemeindewirklichkeit der kleinasiatischen Lebenswelt im Kontext des Kaiserkultes neu zu sehen und zu bewerten hilft.248 Die rhetorischen Anstrengungen des Verfassers im Rahmen der kultischen Gesamtkonstruktion des Werkes haben dabei eine ausgeprägte politische Sinnspitze, wie dies Schüssler Fiorenza nachdrücklich hervorhebt: „Obwohl die prophetische Rhetorik der Offenbarung voll von kultischer Sprache und Bildern ist, sind ihr sozialer Ort und theologisches Ziel nicht liturgisch, sondern politisch. Gottesdienst und Lobpreis dienen politischen Zielen und ethischen Entscheidungen. Die prophetisch-apokalyptische Rhetorik des Johannes verwendet konventionelles kultisches Vokabular (wie Tempel, Altar, Priester, Bekleidungstücke, Weihrauch, Trankopfer, Schalen und Leuchter), liturgische Zusamchen Erscheinen himmlischer Größen auf Erden bzw. von ihrem Herabkommen auf die Erde wie in IV Esr (oder in Apk) eine bedeutende Neubildung darstellt. Die Rede vom himmlischen und die vom eschatologischen Tempel und Kult sind daher gesondert zu interpretieren“. Und weiter: „Erst in den frührabbinischen Schriften der Zeit nach 70 n.Chr. wird das Urbild-Abbild-Motiv dann mit der Erwartung eines künftigen Tempels verbunden. Der Grund liegt auf der Hand: Während die Urbild-Abbild-Relation der Legitimation von irdischem Tempel und Kult dient, pflegt die Erwartung eines neuen Tempels gerade das Ungenügen am bestehenden Tempel und Kult auszudrücken. Erst nach dem Verlust des zweiten Tempels konnten sich beide Motive verbinden, da nun keine Kritik am gegenwärtigen irdischen Tempel mehr in der Erwartung eines neuen Tempels impliziert sein konnte.“ (108). Und schließlich: „Wenngleich nicht bei allen behandelten frühjüdischen Schriften eine eindeutige Datierung möglich ist, bleibt doch eindrücklich, dass nach der Tempelzerstörung von 70 n.Chr. die Erwartung eines neuen irdischen Jerusalem wieder anzutreffen ist, die zuvor immer stärker zurücktrat; teils ohne, häufig mit expliziter Erwähnung eines neuen irdischen Tempels.“ (110) Flankiert wird diese Beobachtung durch eine in der Apk stark ausgeprägte Tempelmetaphorik, die auf eine Tempelsubstitution hinausläuft. Die Ursache für diese durch unterschiedliche Konzepte präsentierte Tempelsubstitution liegt nach K. HUBER, Volk Gottes als Tempel in der Offenbarung des Johannes, in: A. Vonach/R. Meßner (Hrg.), Volk Gottes als Tempel, Synagoge und Kirchen 1, Wien/Berlin 2008, 195–231 (231), „sicherlich in der Erfahrung des Verlustes des realen Tempels, so dass die metaphorische Übertragung tempeltheologischer Topoi als eine (mögliche / notwendige?) Reaktion darauf und eine Form der Bewältigung derselben zu verstehen ist. Die Ursache dafür mag vielleicht aber auch in einer bewussten kritischen Distanz zur auf ein ganz bestimmtes Bauwerk lokalisierbaren (und kultisch bestimmten) Tempelinstitution und Loslösung von derselben durch das vom prophetischen Visionär Johannes propagierte Christentum zu sehen sein.“ 248 Vgl. THOMPSON, Revelation (s. Anm. 9), 177–181, bes. 180.
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menhänge, doxologische Formeln, hymnische Kompositionen und priesterlich-biblische Sprache nicht um die HörerInnen zur Teilnahme an der täglichen oder wöchentlichen Liturgie zu bewegen. Vielmehr gebraucht sie diese kultische Sprache aus der griechisch-römischen bzw. aus Israels Kultpraxis, um die HörerInnen zum politischen Widerstand zu bewegen. Johannes möchte sie motivieren, sich entweder der Macht Gottes und des Lammes zu unterwerfen oder der Herrschaft Babylons/Roms. Zwar beabsichtigt Johannes, daß sein Buch in den Versammlungen der christlichen Gemeinschaft gelesen und gehört werden soll, und es ist auch richtig, daß auch die kultische Sprache und Bildwelt der Offenbarung einen großen Einfluß auf die spätere christliche Ritual- und Liturgiepraxis gehabt haben. Und dennoch gilt, daß die liturgische Rhetorik des Johannes keineswegs eine Anleitung zu einer religiös-kultischen Praxis ist. Vielmehr hat sie die Funktion, die symbolisch-apokalyptische Erzählung der Johannesoffenbarung zu interpretieren. D.h., es geht ihr um eine politische Erhellung und Ermahnung der religiös-politischen Situation der Christenheit am Ende des 1. Jahrhunderts.“249 Dieser politische antirömische Ton des apokalyptischen Buches aus der Feder eines prophetisch wirkenden Sehers wie auch die Kolportierung solch apokalyptischen Gedankengutes bzw. solch einer Schrift dürften der Grund sein für diverse Verfolgungen und Sanktionen, denen sich ein Teil der urchristlichen Gläubigen – nicht zuletzt Johannes selbst und Antipas, ferner die „Brüder“, d.h. die Propheten, und „Heiligen“ – ausgesetzt sahen. 4.3 Adressatenorientierte Aktualisierungsstrategien in den Sendschreiben Freilich waren nicht alle Gemeindeglieder von einer kompromisslosen und konsequenten antirömischen Haltung überzeugt. Die Zeiten scheinen sich innerhalb der angeschriebenen sieben christlichen Gemeinden überhaupt geändert zu haben. Einstmals treue und standfeste Gemeinden haben die „erste Liebe“ verloren (Ephesus Apk 2,4) und das prophetische Wort, das sie einst empfangen haben, droht in Vergessenheit zu geraten (Sardes Apk 3,3). Hinzu kommen nun offene Anfeindungen jüdischer Diasporagemeinden in der Provinz Asia gegenüber einzelnen christlichen Gruppen (Smyrna Apk 2,9 „Lästerungen“; vgl. 3,9 Philadelphia). Dass die jüdischen Gemeinden sich dabei gut in das sozialpolitische und kulturelle Netz Kleinasiens einzufügen vermochten und damit in die Nähe des Kaiserkultes gelangten, war für den apokalyptischen Seher ein Grund mehr, die Synagogengemeinde als Teufelswerk zu brandmarken („Synagoge des Sa249
SCHÜSSLER FIORENZA, Offenbarung (s. Anm. 38), 126f; Vgl. DESILVA, Seeing Things (s. Anm. 187), 72 Anm. 20: „John may well seek to influence Christian liturgy, energize participation, and make of the experience of worship a continual reinforcement of the ideological distance from Roman imperial ideology that will reinforce the ‘political resistance’ he nurtures and that indeed will foster long-term critique and witness.“
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tans“ Apk 2,9; 3,9).250 Aber nicht nur jüdische Synagogengemeinden, auch christliche Kreise und Gruppen konnten sich durchaus erfolgreich in die kleinasiatische Lebenswelt integrieren (vgl. die Laodizeagemeinde Apk 3,17f. im Gegensatz zur Smyrnagemeinde Apk 2,9).251 Vor allem aber sieht sich der Prophet konfrontiert mit bekannten, den Gemeinden nahe stehenden Persönlichkeiten, die z.T. ebenfalls den Anspruch erheben, Propheten zu sein. Hierzu zählt insbesondere die als „Isebel“ (Apk 2,20–24) bezeichnete charismatische Führungspersönlichkeit, „die sich eine Prophetin nennt“ (Apk 2,20) und ihr (prophetischer) Kreis; ferner die Anhängerschaft der „Lehre der Nikolaiten“ (Apk 2,15; vgl. 2,6) bzw. der „Lehre Bileams“ (Apk 2,14).252 Allen ist eine Lehre gemeinsam, die zur Unzucht 250
Vgl. DESILVA, Seeing Things (s. Anm. 187), 56ff. Zur guten Integration jüdischer Gemeinden in der Diaspora vgl. P. A. HARLAND, Acculturation and Identity in the Diaspora: A Jewish Family and ‘Pagan’ Guilds at Hierapolis,“ JJS 57 (2006), 222–244; DERS., Associations, Synagogues, and Congregations: Claiming a Place in Ancient Mediterranean Society, Minneapolis 2003; P. HIRSCHBERG, Das eschatologische Israel. Untersuchungen zum Gottesvolkverständnis der Johannesoffenbarung, WMANT 84, Neukirchen-Vluyn 1999, 31–127. 251 Vgl. P. A. HARLAND, Honouring the Emperor or Assailing the Beast: Participation in Civic Life among Associations (Jewish, Christian and Other) in Asia Minor and the Apocalypse of John, JSNT 77 (2000) 99–121; DERS., Connections with Elites in the World of the Early Christians, in: A. J. Blasi/P.-A. Turcotte/J. Duhaime (Hrg.), Handbook of Early Christianity. Social Science Approaches, Walnut Creek, CA 2002, 385– 408. Vgl. auch die umfangreiche Sammlung der frühchristlichen Quellen über die äußerst vielschichtige und differenzierte Haltung der Christen zu ihrem Umfeld in den ersten drei Jahrhunderten bei SCHÄFKE, Frühchristlicher Widerstand (s. Anm. 213), 460–723; zu der offenen Haltung einzelner Christen vgl. ebd., 493f.; ferner 504ff. („Christen spielten selbst im Theater oder arbeiteten im Zirkus … ebenso hören wir von christlichen Rennfahrern.“ [505]); 506ff. („Die Teilnahme der Christen an plötzlich ausgerufenen öffentlichen Feiern ist genauso selbstverständlich gewesen.“ [509]); 541 („Tertullian erwähnt ebenso einen Astrologen, der seinen Verbleib bei dieser Tätigkeit verteidigt. Als Argument benutzt er die Magier, die Christus in Bethlehem huldigten und Geschenke brachten. Christliche Lehrer scheint es in größerer Anzahl gegeben zu haben. Christliche Rennfahrer und Rennstallbesitzer sind ebenfalls bekannt. Cyprian berichtet von einem Schauspieler, der selbst nicht mehr auftritt, aber jetzt Schauspielunterricht erteilt.“); 555 („Die Christen sind weitgehend ins Wirtschaftsleben integriert. Man findet Hersteller heidnischer Devotionalien selbst im Priesterstand, christliche Schauspieler und Rennfahrer, Bischöfe, die Handel und Geldverleih betreiben und Christen in bald allen Berufen der Antike, als Soldaten und Magistrate, schließlich sogar als flamines des Kaiserkultes.“). 252 Vgl. P. T REBILCO, Early Christians (s. Anm. 194), 316–318; D UFF, Beast (s. Anm. 9), 48–96.113–125; W ITULSKI, Hadrian (s. Anm. 5), 238–298; Bileam galt in der jüdischen und christlichen Tradition als Wahrsager und Verführer zum Götzendienst; zur Person Bileams vgl. das reiche Material bei AUNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 10), 185– 188; ferner BILL. III, 410.599.793; IV, 1013.1190; BEALE, Revelation (s. Anm. 2), 250; zu Isebel vgl. AUNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 10), 203f. Zum Konflikt zwischen unterschiedlichen prophetischen Kreisen vgl. auch S CHÜSSLER FIORENZA, Apokalypsis and Propheteia (s. Anm. 129), 119ff.
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und zum Essen von Götzenopferfleisch verführt (Apk 2,14.20). Die Lehre, die im Kaiserkult und der Verehrung heidnischer Gottheiten – auch im Alltag der Christen – keine Gefahr sieht, scheint u.a. auf eine prophetische Erkenntnis zurückzugehen. Möglicherweise steht hinter der scharfen Kritik an dem Kreis um „Isebel“ und an den Lehren Bileams bzw. der Nikolaiten nicht nur die Ablehnung ihrer Kompromissbereitschaft gegenüber dem Kaiserkult, sondern auch eine durch diese Gruppen favorisierte positive Bewertung des Imperialstaates: so könnte die Lehre der falschen Prophetien Isebels auf einer prorömischen Haltung beruhen, die dem Kaiser eine gewisse Rolle im Heilsgeschehen einräumt.253 Tatsächlich ist die einzige, aus der Sicht des Verfassers gegenwärtige und gleichzeitig auf eine mögliche staatliche Sanktionierung zurückzuführende, Bedrängnis innerhalb der Sendschreiben eine drohende Gefängnisstrafe von zehn Tagen für einige (!) Gemeindeglieder in Smyrna (Apk 2,10).254 Dagegen ist der Tod des offenbar gut bekannten Antipas, den die pergamenische Gemeinde zu beklagen hat und der möglicherweise ebenfalls durch behördliche Eingriffe verursacht wurde, eine schon bereits zurückliegende Episode in der Geschichte der Gemeinde.255 Sowohl die gegenwärtige als auch die bereits vergangene Gefährdungssituation durch behördliche Instanzen dürfte dabei offenbar durch eine bekenntnisorientierte, vorwiegend wohl prophetisch profilierte (antirömische) Haltung von Gemeindegliedern hervorgerufen worden sein.256 Gegenüber dem endzeitlich gemalten Konfliktszenario im apokalyptischen Corpus Apk 4–22, der von einer klaren Dichotomie lebt – hier die wahre und reine Gemeinde, dort die gotteslästerlichen und gefährlichen 253 Nach W ITULSKI, Hadrian (s. Anm. 5), 133, ist es denkbar „daß zumindest ein Teil der Adressaten der Apk bereit gewesen ist, in diametralem Gegensatz zum Verfasser der Apk dem amtierenden princeps imperii Romani entsprechend der von ihm lancierten Propaganda eine für die Existenz der Welt und für das Heil bzw. das Wohl der Menschen in Gegenwart und Zukunft durchaus bedeutungsvolle Rolle beizulegen. Somit brachten sie ihm innerhalb und auch außerhalb des Kultes im engeren Sinne aus freien Stücke religiöse Verehrung entgegen.“ So ist auch für die Lehre der Nikolaiten darauf zu schließen, dass Nikolaiten „dazu verführen wollen, ergänzend zu ihrer christlichen Gottesverehrung auch heidnische Gottheiten, m.E. hier konkret den amtierenden römischen Kaiser, zu verehren.“ (248). 254 S ATAKE, Offenbarung (s. Anm. 1), 161, vermutet allerdings für die Ankündigung in Apk 2,10 ein vaticinium ex eventu: „Einige Gemeindeglieder sind festgenommen und jetzt im Gefängnis. Das Geschehen gehört freilich noch nicht ganz zur Vergangenheit; sonst hätten die Mahnungen keinen Sinn.“ 255 Vgl. ULLAND, Vision (s. Anm. 122), 80ff.; MÜLLER, Offenbarung (s. Anm. 4), 113f. 256 Die Bedrängnis (θλῖψις) der Gemeinde Smyrna erinnert an die Bedrängnis des Johannes, der wegen des „Wortes Gottes und des Zeugnisses Jesu“ willen verbannt ist (Apk 1,9); Antipas dagegen dürfte als Prophet hartnäckig provoziert haben und deshalb zum Tode verurteilt worden sein.
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religionspolitischen Mächte des Kaiserkultes –, ist die Zustands- und Situationsbeschreibung der kleinasiatischen Gemeinden innerhalb der Sendschreiben demnach weitaus komplexer und vielschichtiger.257 Neben Gefahren von außen (Pressionen von staatlicher Seite [Apk 2,10] und Lästerungen durch jüdische Gemeinden („Synagoge des Satans“ Apk 2,9; 3,9) treten vermehrt innergemeindliche Konflikte und Probleme in den Blick: falsche Apostel (Apk 2,2) und verführerische Propheten (Isebel und ihr prophetischer Kreis Apk 2,20–24) ferner gefährliche Lehren (Apk 2,15; vgl. 2,6) und geistliche Mängel (Apk 3,1f.15–18).258 Umso mehr lobt der Seher diejenigen Gemeinden, die – ähnlich wie der Verfasser selbst (Apk 1,9) – in der Bedrängnis stehen (Apk 2,9f. Smyrna) bzw. sich konsequent auf das prophetische Wort verlassen (Apk 3,8.10 Philadelphia; 2,13 Pergamon).259 Gleichzeitig ermutigt er konfliktreiche Gemeinden, sich auf die einst empfangenen Offenbarungsworte zu besinnen (Apk 2,25 Thyatira; 3,3 Sardes; 2,13 Pergamon). Als berufener Prophet sucht Johannes diesen vielfältigen Herausforderungen gerecht zu werden, indem er das bereits offenbarte „Wort Gottes und Zeugnis Jesu“, also den im prophetischen Buch Apk 1,1–3; 4,1–22,10 sich kundtuenden Heils- und Gerichtswillen Gottes, neu auf die kleinasiatische Gemeindesituation aktualisierend und interpretierend zur Geltung bringt.260
257 KARRER, Brief (s. Anm. 4), 220: „Die kritischen Töne der Sendschreiben weichen weitgehend Idealbeschreibungen der Jesus Zugehörigen wie 14,1–5. Dem korrespondiert eine gleichfalls einseitige Zuspitzung des widergöttlichen Gegenspielers auf Babylon/Rom (bes. Kap. 13; 17–18). Nicht mehr situative Differenzierungen gilt also von Apk 4 bis zum Beginn des Werkschlusses das Interesse, sondern einer im Positiven wie im Negativen klaren Diktion, die Abstraktion nicht scheut und die Zukunft entfaltet, auf die die Leseführung von Apk 1–3 hinweist.“ 258 Zur Identifizierung und Systematisierung der vielfältigen Problembereiche und Situationsbeschreibungen, die sich innerhalb der Sendschreiben zeigen, vgl. K ARRER, Brief (s. Anm. 4), 186–209; DESILVA, Seeing Things (s. Anm. 187), 29–92; H. GIESEN, Das Römische Reich im Spiegel der Johannes–Apokalypse, in: ders., Studien (s. Anm. 131), 100–213, bes. 118–166. 259 Smyrna und Philadelphia sind im Übrigen die einzigen Gemeinden der Sendschreiben, die ausschließlich gelobt werden und keinen Tadel empfangen; zudem sind es gerade diese beiden Gemeinden, die sich offenbar im verstärkten Maße mit jüdischen Diasporagemeinden auseinandersetzen müssen. 260 Vgl. in diesem Sinne P RIGENT , Apocalypse (s. Anm. 1), 144f.: „At some point during the writing of the book the author, having suddenly become aware of a particular and difficult aspect of the life of the Churches of Asia Minor, felt the need to complete his message by showing its implications in a new situation. This means that the Letters should be seen as testimonies to a later period in time than that of the rest of Revelation.“ Und weiter: „If the Letters are to be dated later than the rest of Revelation, then one can look to them for an application of the book’s mesage to the particular problems of contemporaneous Churches in Asia Minor.“ (151).
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Die äußeren Gefährdungspotenziale und die innergemeindlichen Eruptionen, besonders aber die Gegner des Propheten – allen voran „Isebel“, die ihrerseits einen prophetischen Anspruch erhebt –, werden in den Horizont des durch die Öffnung des Siegelbuches bereits angebrochenen endzeitlichen und kosmischen Konfliktes, eingebunden und gedeutet.261 Die Gläubigen in Kleinasien sollen verstehen, dass ihre konkrete Lebenswelt unmittelbar mit der apokalyptischen Welt des prophetischen Buches verbunden ist.262 Wenn „Isebel“, die einen prophetischen Anspruch erhebt, die Knechte Christi innerhalb der Gemeinde Thyatira zu verführen vermag (πλανάω Apk 2,20), so tut sie – so die Kritik des Johannes – nichts anderes, als was bereits Satan, der Verführer (Apk 12,9; 20,3.8.10), der falsche Prophet (Apk 13,14; 19,20) und Babylon (Apk 18,23) tun bzw. noch verstärkt tun werden. Und so wie Babylon wegen Hurerei (πορνεία, Apk 14,8; 17,2.4; 18,3; 19,2; πορνεύω, Apk 18,9) verurteilt wird, so verführen auch die falschen Lehren „Bileams“, „Isebels“ und der „Nikolaiten“ zur Unzucht (πορνεία, Apk 2,21; πορνεύω, Apk 2,14.20).263 Demgegenüber werden alle Gläubigen in Kleinasien zum Überwinden (νικάω Apk 2,7 passim) ermahnt, indem ihnen erneut die Überwinder über das Tier (Apk 15,2) – das 261 Vgl. R OOSE, Zeugnis (s. Anm. 156), 78: „Der Seher lokalisiert sich und seine Gemeinde eschatologisch in der Endzeit, die mit dem Öffnen des Buches durch das Lamm bereits angebrochen ist.“ (Hervorhebung im Original). Und: „Da nicht nur der Heilstod, sondern auch das Öffnen des Buches vom Standpunkt des Sehers aus ein bereits zurückliegendes Geschehen ist, lebt die Gemeinde in den Augen des Sehers bereits in der Endzeit, blickt auf den entscheidenden Neubeginn bereits zurück. … Der Seher charakterisiert die Gegenwart der Christen als eschatologische End- und Heilszeit.“ (80). 262 Vgl. R OLOFF, Offenbarung (s. Anm. 39), 17: „Und zwar will er [d.h. der Apokalyptiker] den Gemeinden klar machen, was es für sie bedeutet, daß Christus der Herr der Geschichte ist: Es gilt für sie, ihren gegenwärtigen Standort innerhalb der von Christus umgriffenen, auf seine sichtbare Selbstdurchsetzung hinlaufende Geschichte zu erkennen, ihren geschichtslosen Individualismus, ihr mattes Gewohnheitschristentum und ihre sittliche Lauheit zu überwinden und die auf sie zukommende kritische Situation in Gehorsam und Verantwortung gegenüber dem wiederkommenden Herrn zu bestehen.“ Und weiter (18): „Aber Johannes kündigt in seinen dramatischen Bildern nicht nur eine bevorstehende äußere Verschärfung des Konflikts an, sondern er läßt vor allem dessen wahres Wesen sichtbar werden: Die Christen Kleinasiens sollen wissen, daß ihnen im totalitären religiösen Machtanspruch des römischen Staates die Manifestation der widergöttlichen Mächte begegnet, die in der Endzeit zum letzten vergeblichen Kampf gegen die Herrschaft Jesu Christi antreten. In diesem Konflikt zwischen der Kirche und dem Weltreich gibt es keinen Kompromiß.“ Vgl. auch THOMPSON, Revelation (s. Anm. 9), 180: „By linking the seven letters on the one hand to the initial vision which John saw and on the other hand to the characters and actions of the visions to follow, the seer links the Christians in Asia integrally to his revelatory visions. They become a part of those visions and do not read or hear them as ‚external‘.“ 263 Vgl. T REBILCO, Early Christians (s. Anm. 194), 324f.; D UFF, Beast (s. Anm. 9), 83–125; TAEGER, Johannesapokalypse (s. Anm. 7), 193f.
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imperium Romanum – vor Augen gemalt werden und das Erbe der eschatologischen Gaben verheißen wird (Apk 21,7).264 Überwindung aber ist in Zeiten anbrechender eschatologischer Krisen nur möglich durch „das Blut des Lammes und durch das Wort ihres Zeugnisses“ (ἐνίκησαν αὐτὸν διὰ τὸ αἷµα τοῦ ἀρνίου καὶ διὰ τὸν λόγον τῆς µαρτυρίας αὐτῶν Apk 12,11). Was die Überwinder und damit die Modell-Leser des prophetischen Buches nach dieser „Spitzenaussage“265 bereits realisiert haben – diese haben durch das Blut des Lammes und durch das empfangene Offenbarungswort offenkundig überwunden266 – wird nun auch von den Gläubigen in Kleinasien eingefordert. Das zunächst in sich abgerundete apokalyptische Buch Apk 1,1–3; 4,1– 22,10, das inhaltlich eine umfassende sakrale himmlische Wirklichkeit in kritischer Auseinandersetzung mit der imperialen Realität präsentiert, dient demnach als Referenzdokument für die Argumentationsstrategie des Autors bei der Konzipierung der prophetischen Sendschreiben. M.a.W.: der in brieflicher Kommunikationsform verfasste Teil der Johannesoffenbarung (grob Apk 1,4–3,22; 22,11–21) ist gleichsam ein erster, die differenzierte Situation der Adressaten berücksichtigender und daher äußerst rezipientenorientiert gestalteter Aktualisierungsvorgang des bereits vorliegenden apokalyptischen Werkes Apk 1,1–3; 4,1–22,10.267 Wie groß das Aktualisierungspotenzial der apokalyptischen Bilder tatsächlich werden sollte, illustriert die spätere Rezeptions- und Wirkungsge264
Zum Sieges-Motiv vgl. J.-W. TAEGER, „Gesiegt! O himmlische Musik des Wortes!“ Zur Entfaltung des Siegesmotivs in den johanneischen Schriften, in: ders., Johanneische Perspektiven (s. Anm. 157), 81–104. 265 So R OOSE, Zeugnis (s. Anm. 156), 82f. 266 So ist, wie bereits erwähnt (s. Anm. 190), das Zeugniswort hier, analog zum Blut des Lammes, als zu empfangende Gabe gedacht, vgl. KRAFT , Offenbarung (s. Anm. 7), 169; LOHMEYER, Offenbarung (s. Anm. 21), 103. Die Rede vom Wortzeugnis in Apk 12,11 wird im ebenfalls redaktionell (vgl. AUNE, Revelation 6–16 [s. Anm. 21], 702.708) angefügten letzten Vers 17 nochmals aufgegriffen, wonach die λοιποί die Gebote Gottes halten und das Zeugnis Jesu haben – die Wendung „Gebote Gottes und Zeugnis Jesu“ wiederum ist ein Substitut für die Formulierung „Wort Gottes und Zeugnis Jesu“ in Apk 1,2.9; 6,9f.; 20,4. 267 Die Einbindung aber auch Unterordnung der besonders von K ARRER , Brief (s. Anm. 4), passim, prononcierten brieflichen Züge innerhalb des Werkes – das „vortitulare Incipit“ Apk 1,1–3 geht der brieflichen Eröffnungsform eben voraus – lassen sich m.E. vor dem Hintergrund dieses redaktionellen Aktualisierungsvorgangs erklären. Die adressatenorientierte Kommuniktationsstrategie in den Eröffnungsversen Apk 1,4ff., welche die konkreten aber auch divergierenden Gemeindesituationen ernstnehmen will, zielt ja auf die briefliche Vermittlung des eigenen Werkes ab. Im Gegensatz zum apokalyptischen Corpus sind die Sendschreiben an konkrete kleinasiatische Gemeinden gerichtet. Für diese adressatenorientierte Konzeption bedarf es naturgemäß einer der antiken Konvention entsprechenden brieflichen Form des Werkes, sofern dieses Buch in den jeweiligen Gemeinden gehört werden soll (vgl. U LLAND, Vision [s. Anm. 122], 21–26).
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schichte der Johannesoffenbarung. Sowohl die Idealbeschreibung der Jesus Zugehörigen als auch die Stilisierung des Gegenspielers boten in der Auslegungsgeschichte ja bekanntlich vielfältige und kreative Anwendungsund Interpretationsmöglichkeiten. Sendschreiben und apokalyptischer Corpus stehen sich in der redaktionellen Endgestalt des Werkes daher durchaus komplementär gegenüber. 268 Gleichzeitig soll das bereits offenbarte und vermittelte prophetische Wort neu in der veränderten Situation der Gemeindewirklichkeit zur Sprache gebracht werden.269 4.4 Redaktion und Intention Fragt man also nach der theologischen Intention und Aussageabsicht der Johannesoffenbarung, so muss immer auch dem historischen, sozialen und literarischen Entstehungskontext des Werkes im Einzelnen und im Ganzen Rechnung getragen werden. Während das Visionscorpus 1,1–3; 4,1–22,10 noch im Stile konventioneller Untergangsprophezeiungen,270 Prodigienberichte271 und sibyllinischer
268 Vgl. AUNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 10), xc: „By placing apocalyptic traditions within a prophetic framework (Rev 1–3; 22,10–20) and by juxtaposing apocalyptic with prophetic elements throughout the entire composition, the author appears to have attempted to give a new lease on life to apocalyptic traditions that could not and did not long retain their vitality in early Christianity because of their indissoluble association with nationalistic myths connected with the royal ideology of ancient Israel.“ 269 Eine ähnliche Vermutung äußert M OBERLY, When was Revelation Conceived? (s. Anm. 6), 392: „He [der Prophet] had time to become well-known to (and to know much about) the seven churches. He was aware of current tension between Jews and Christians in Smyrna and Philadelphia (2,9; 3,9). He could felt called, in old age, to lecture one or two of the churches, tactfully and briefly but bluntly and with the highest authority. […] He could have remembered his relatively youthful and hitherto unused draft. He could have used it, almost as it stood; by rewording chapter 1, and updating what if anything he had originally felt called to say to the seven churches.“ Allerdings ist es nicht zwingend, den apokalyptischen Corpus Apk 4–22 auf 69 n.Chr. zu datieren, vgl. die kritische Analyse bei W ITULSKI, Hadrian (s. Anm. 5), 20f. Vgl. auch LÄPPLE, Apokalypse (s. Anm. 32), 48f., der von zwei Redaktionsphasen der Johannesapokalypse ausgeht, wobei die zweite und letzte Bearbeitungsphase am bestehenden Corpus 4–22 in einer späteren Zeit „nur einige ‚johanneische Retuschen‘ angebracht habe und durch Voranstellung der sieben Sendschreiben (Apc 2,1–3,22) eine Konkretisierung und Aktualisierung erreichen wollte, aus der heute Zeit und Ort der Endfassung erschlossen werden können.“ 270 Hier sind vorwiegend die Parallelen zwischen den synoptischen Endzeitreden (Mk 13; Lk 21; Mt 24) und Apk 6 zu nennen, vgl. C HARLES, Revelation II (s. Anm. 21), 158–160; M. RISSI, Zeit und Geschichte in der Offenbarung des Johannes, AThANT 22, Zürich 1952, 90ff.; G. A. KRODEL, Revelation. Augsburg Commentary on the New Testament, Minneapolis 1989, 170f.
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sowie anderer Orakel272 das nahe Ende (insbesondere des römischen Imperiums) drohend ankündigt und dabei ein dualistisches Weltbild entwirft, tragen die Sendschreiben einer sich ausdifferenzierenden Gemeinde- und Lebensweltsituation Rechnung und bemühen sich mit verfeinerten rhetorischen Kommunikations- und Überzeugungsstrategien die nun auch konkret benannten Adressatenkreise von der Position des Propheten zu überzeugen. Gleichzeitig dokumentieren die Sendschreiben neue theologische Gewichtungen, z.B. in der Christologie und Pneumatologie,273 einen „slightly more elevated style“ und einen vermehrten Einfluss johanneischer Schultradition.274 Schließlich scheint auch das prophetische Offenbarungsgefälle 271 Zu den zahlreichen Bezügen zwischen antiken Prodigienberichten und der Apk vgl. TÓTH, Kult (s. Anm. 23), 307–314; AUNE, Revelation 6–16 (s. Anm. 21), 416–419. 272 Zu den Beziehungen zwischen den sibyllinischen Orakeln, besonders zum dritten Buch, und der Apk vgl. TÓTH, Kult (s. Anm. 23), 294–300; besonders zum vierten Buch vgl. YARBRO COLLINS, Crisis (s. Anm. 9), 49: „Sib. Or. 4 and Revelation belong to the same literary category, revelatory literature. There are similarities in content as well. Both works are anti-Roman and have a strong interest in the last things. The legend of Nero’s flight to the Parthians and his future return not only is reflected in each work but is a significant theme in both. Both compositions reject the idea of a physical, earthly temple. Ultimate salvation in both works involves the raising of the good from death to life on a new earth. If John did bring sibylline traditions from Palestine to Asia Minor, he probably was not bringing something unknown or new to the region.“ Ferner lassen sich Beziehungen zum Hystaspesorakel erkennen, vgl. D. FLUSSER, „Hystaspes and John of Patmos“, in: S. Shaked (Hrg.), Irano-Judaica: Studies Relating to Jewish Contacts with Persian Culture throughout the Ages, Jerusalem 1988, 390–453; AUNE, Revelation 6–16 (s. Anm. 21), 590–593; vgl. aber die Skepsis von PRIGENT, Apocalypse (s. Anm. 1), 52–54. 273 Zur differenzierten Sicht der Christologie vgl. die Anm. 128 und A UNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 10), cxxvf.; zur unterschiedlichen Gewichtung und Interpretation des „Geistes“ in den jeweiligen Redaktionsphasen der Apk vgl. A UNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 10), 36. 274 Zu den sprachlichen Differenzen zwischen Sendschreiben und dem apokalyptischen Corpus vgl. AUNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 10), cxxxii–cxxxiv (Zitat cxxxiii). Zu johanneischer Sprachfärbung besonders in den Sendschreiben vgl. FREY, Erwägungen (s. Anm. 5), 420: „Wie bereits Wilhelm Bousset bemerkte, begegnen die auffälligsten Spuren einer johanneischen ‚Sprachfärbung‘ gerade in jenen Teilen der Apokalypse besonders gehäuft, die der letzten Hand anzugehören scheinen: dem Eingangs- und dem Schlußkapitel, aber auch in den Sendschreiben von c. 2–3. Inhaltliche Beobachtungen treten zu den sprachlichen hinzu: Die Übertragung der Selbstprädikation der Form ἐγώ εἰµι von Gott auf Christus wird in programmatischer Weise im Anfangs- und Schlußkapitel des Werkes vorgenommen, auch Präexistenzaussagen begegnen ausschließlich in c. 1– 3 und 22. Die in der Apokalypse zu findenden Ansätze einer Hoch-Christologie, die freilich hinter deren Ausgestaltung im 4. Evangelium weit zurückbleiben, begegnen am deutlichsten in den redaktionellen Rahmenstücken. Nur hier zeigt sich die epistolare Form, und nur hier wird der Name des Johannes genannt. Die am klarsten erkennbare – gleichwohl nicht unbedingt einzige – Verbindung zur johanneischen Schule mag daher beim Letzredaktor, dem ‚Apokalyptiker letzter Hand‘ liegen.“ (Hervorhebung im Original). Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Überlegung von T AEGER, Johannesapokalypse
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und die damit zusammenhängende literarische Konzeption im apokalyptischen Corpus und den Sendscheiben unterschiedlich nuanciert zu sein. So legt sich nach Apk 1,1f.; 5,1–7 ein besonderes, direkt von Gott stammendes und anschließend vom erhöhten Christus vermitteltes apokalyptisches Offenbarungswissen nahe. In dem Sendschreibenkorpus lässt sich dieses Offenbarungsgefälle gerade nicht erkennen. Nun sind die prophetischen Worte der Sendschreiben in der Autorität des erhöhten Christus selbst verankert. Eine zeitliche Einordnung oder historische Konkretisierung der jeweiligen Textkomplexe kann freilich nur äußerst zurückhaltend gewagt werden – über Eckdaten wird man kaum hinausgelangen. Eine Schüsselrolle für eine nähere zeitgeschichtliche Einbettung der redaktionellen Endgestalt der Apk dürfte in diesem Zusammenhang der berühmte Briefwechsel zwischen dem Jüngeren Plinius und Kaiser Trajan aus dem Jahre 111/112 n.Chr. sein.275 Gegenüber früheren, eher von rechtshistorischen Fragen geleiteten Untersuchungen, muss eine sachgemäße Würdigung des zehnten Pliniusbriefes sowohl die rhetorischen Kommunikationsstrategien und die Werkabsicht als auch den vermuteten historischen Zusammenhang des Briefes selbst berücksichtigen. 276 Plinius, als proprätorischer Legat der Provinz Pontus und Bithynia mit prokonsularischer Machtbefugnis, also mit persönlich vom Kaiser ausgestatteten Sondervollmachten ausgerüstet 277 sollte die schwierigen, vor allem finanziellen Probleme in der Doppelprovinz regeln, für Reformen sorgen und womöglich einzelnen Unruhen entgegenwirken. Zu den besorgniserregenden Verhältnissen gehört offenbar auch die in ep. X 96,10 genannte Verwahrlosung der Tempel, die Vernachlässigung der Opferzeremonien und die mangelnde Nachfrage nach Opferfleisch. Nach Plinius lag die Ursache für diesen Verfall in der offenbar rapiden Zunahme christli(s. Anm. 7), 211, zu der Beziehung zwischen der Paraklet-Anschauung des Evangeliums und dem Pneuma-Verständnis der Sendschreiben der Apk: „Dabei wäre zum einen das der johanneischen Gemeinde nicht unbekannte prophetische Element zu berücksichtigen, zum anderen die sachliche, wenn nicht literarische und eine Entwicklung widerspiegelnde Mehrschichtigkeit der Paraklet-Aussagen des JohEv.“ 275 Zur Datierung vgl. U. W ILCKEN, Plinius’ Reisen in Bithynien und Pontus, Hermes 49 (1914), 120–136 (133f.136). Die Forschungsliteratur zu diesem Briefwechsel ist inzwischen uferlos, vgl. im Wesentlichen: R. FREUDENBERGER, Das Verhalten der römischen Behörden gegen die Christen im 2. Jahrhundert – dargestellt am Brief des Plinius an Trajan und den Reskripten Trajans und Hadrians, München 21969; A. N. SHERWINWHITE, The Letters of Pliny – A Historical and Social Commentary, Oxford 1966; J. MOLTHAGEN, Der römische Staat und die Christen im zweiten und dritten Jahrhundert, Hyp. 28, Göttingen 1970; A. REICHERT , Durchdachte Konfusion. Plinius, Trajan und das Christentum, ZNW 93 (2002), 227–250; K. THRAEDE, Noch einmal: Plinius d. J. und die Christen, ZNW 95 (2004), 102–128; J. G. COOK, Roman Attitudes Toward the Christians. From Claudius to Hadrian, WUNT 261, Tübingen 2010, 138–240. 276 Darauf haben R EICHERT , Konfusion (s. Anm. 275) und T HRAEDE, Plinius (s. Anm. 275), nachdrücklich hingewiesen. 277 Vgl. G. A LFÖLDY, Die Inschriften des jüngeren Plinius und seine Mission in der Provinz Pontus et Bithyniae, in: ders., Städte, Eliten und Gesellschaft in der Gallia Cisalpina, Heidelberger althistorische Beiträge und epigraphische Studien 30, Stuttgart 1999, 221–244.
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cher superstitio. Die Wende zum Guten sei aber – so die gute Nachricht des Legaten an den Kaiser – bereits in Sicht, da durch seine richterlichen Maßnahmen die Masse (turba) der (ehemaligen oder jüngst widerrufenden) Christen sich wieder in das provinziale Kultleben eingegliedert hätten. Einzig diejenigen bekennenden Christen mit ausgesprochener Hartnäckigkeit und unbeugsamer Halsstarrigkeit (pertinaciam certe et inflexibilem obstinationem § 3) wurden hingerichtet bzw., sofern römische Bürger, zur Überführung nach Rom vermerkt. So bleibt es auf der einen Seite beim (rechtshistorisch gleichwohl völlig ungedeckten 278) Straftatbestand des nomen ipsum; gleichzeitig plädiert Plinius aber für ein Verzeihungsangebot an die Apostaten. 279 Hinter den persönlichen (§ 2f.), später anonymen Anzeigen (§ 5) dürften, wie § 10 es nahelegt, Delatoren aus dem Kreis derer stammen, die sich wegen der zunehmenden Vernachlässigung des Kultes durch eine wachsende christliche superstitio280 um ihr wirtschaftliches Auskommen sorgten – d.h. also besonders die Priesterschaft und die von der wirtschaftlichen Prosperität des Tempels profitierenden Händler, wie z.B. Viehhändler und die Vieh züchtenden Großgrundbesitzer. 281 Mit dem Angebot der Straffreiheit für christliche Apostaten, die zunächst durch einen Opfertest ihre Loyalität und ihren Willen zur Widereingliederung in das kultische Leben zum Ausdruck bringen, hofft Plinius auf eine „Renaissance paganer Kulte“, 282 auf die erneute Teilnahme an den „heiligen Zeremonien“ (sacra soloemnia) und eine steigende Nachfrage nach „Götzenopferfleisch“ (carnem victimarum). 283 So zeigen sich der römi-
278 Ob es eine rechtliche Regelung bzw. Grundlage bzgl. der Christenprozesse noch vor Trajans Reskript gegeben hat, ist in der Forschung bekanntlich umstritten. Mit A. REICHERT , Konfusion (s. Anm. 275), 237, ist festzuhalten: „Auch wenn sich positiv kaum noch ermitteln lässt, auf welchen Erwägungen das tatsächliche plinianische Verfahren beruhte, so dürfte folglich zumindest negativ die Annahme einer vorausliegenden gängigen Praxis von Todesurteilen gegen christliche Personen ausscheiden können.“ 279 Vgl. eingehend zu diesem „Doppelkonzept“ R EICHERT , Konfusion (s. Anm. 275), 238f.; vgl. auch die umfassende Diskussion bei C OOK, Roman Attitudes (s. Anm. 275), 151–164.220–227: „Pliny is confident he can suppress Christianity and change the people for the better … Pliny believes that he can correct the Christians’ depraved superstition.“ 280 Plinius formuliert deutlich seine Besorgnis über diese sich schnell ausbreitende „Seuche“, wenn er dem Kaiser berichtet (§ 9): „Nicht nur über Städte, sondern auch über Dörfer und Felder hat sich die Seuche (contagio) dieses Aberglaubens (superstitionis) ausgebreitet.“ (Übers. nach P. GUYOT /R. KLEIN [Hrg.], Das frühe Christentum bis zum Ende der Verfolgungen. Eine Dokumentation, Darmstadt 32006, 41). 281 Vgl. W. P LANKL, Wirtschaftliche Hintergründe der Christenverfolgung in Bithynien, Gymnasium 60 (1953), 54–56. Der hier vorausgesetzte historische Hintergrund ähnelt der Schilderung in Apg 19, vgl. hierzu P. PILHOFER, Die ökonomische Attraktivität christlicher Gemeinden der Frühzeit, in: U. Kern (Hrg.), Wirtschaft und Ethik in theologischer Perspektive, Rostocker Theologische Studien 7, Münster u.a. 2002, 29–51, bes. 34–40. 282 THRAEDE, Plinius (s. Anm. 275), 110. 283 Vgl. die Diskussion bei THRAEDE, Plinius (s. Anm. 275), 109 Anm. 22. Die von Plinius geforderten Opfer blieben dabei im Rahmen üblicher Adorationsbezeugungen, vgl. COOK, Roman Attitudes (s. Anm. 275), 179: „From Pliny’s perspetive he was not asking the Christians to do anything that would have been alien to a Roman.“ Vgl. ferner die Diskussion um die wirtschaftlichen Interessen des Plinius bei C OOK, Roman Attitudes (s. Anm. 275), 222–227.
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sche Staatsapparat und die provinziale Verwaltungspolitik eher reaktiv. Mit dem Verzeihungsangebot wird den irregeleiteten Christen sogar eine „goldene Brücke“ gebaut. 284 Wegen ihrer distanzierten Haltung in sozialen und kultischen Lebensbereichen zogen einige Christen dagegen unweigerlich den Ärger und Zorn der lokalen Bevölkerung auf sich. Die eigentliche Initiative zur Christenverfolgung durch Denunziationen und Anzeigen, ja bis hin zu Lynchmorden, ging daher von den Mitbürgern und Landsleuten der Christen aus.285 Um die durch die christliche superstitio entstandenen lokalen Unruhen einzudämmen, sah sich die römische Justiz gezwungen, entsprechende, die provinziale Ordnung und lokale Sicherheit gewährleistende Maßnahmen zu ergreifen; dagegen wurden Christen, die keinen Anstoß bei der Bevölkerung erregten, offenbar auch strafrechtlich in Ruhe gelassen. 286 Die im kaiserlichen Reskript ep. X 97 formulierte rechtliche Vorgabe, dass im Wesentlichen die Verfahrensweise des Plinius bestätigt – bis auf das dezidierte Verbot sowohl der Annahme von anonymen Anzeigen als auch der staatlichen Fahndung nach Christen (!) – dürfte über die Provinz Bithynia hinaus bald auch in der Provinz Asia rechtswirksam geworden sein.287 Nun fällt auf, dass eines der dringlichsten Probleme innerhalb der in der Provinz Asia angeschriebenen Gemeinden der Johannesoffenbarung – freilich aus der Sicht des Sehers Johannes – die Unzucht (πορνεῦσαι) und das Essen von Götzenopferfleisch (φαγεῖν εἰδωλόθυτα) ist (Apk 2,14.20). „Unzucht“ und „Götzenopferfleisch essen“ dürften „gleichsinnige Metaphern für den Abfall vom wahren Glauben“ 288 bedeuten. Konkret dürfte sich der Ausdruck φαγεῖν εἰδωλόθυτα „auf die Teilnahme an heidnisch-religiösen (Kult-)Veranstaltungen, Kultmahlen und Festivitäten [beziehen]. Mit dem Begriff πορνεῦσαι spielt der Apokalyptiker auf eine neben der Verehrung des einen Gottes und
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E. STEPHAN, Honoratioren, Griechen, Polisbürger. Kollektive Identität innerhalb der Oberschicht des kaiserzeitlichen Kleinasien, Hyp. 143, Göttingen 2002, 304. 285 Vgl. J. BLEICKEN, Verfassungs- und Sozialgeschichte des Römischen Kaiserreiches, Bd. 2, Paderborn u.a. 31994, 164: „Die Mißstimmung gegen die Christen kam also nicht von den offiziellen Behörden, sie kam von unten, aus den Massen der Reichsbevölkerung. Gerade eine Zeit, in der vieles schwieriger wurde, in der wirtschaftliche Not herrschte, Naturkatastrophen in größerer Anzahl ausbrachen und auch schon feindliche Völker über die Reichsgrenze strömten, verschärfte die Spannungen.“ 286 Vgl. B LEICKEN, Sozialgeschichte (s. Anm. 285), 169: „Der Kaiser und seine Beamten liebten die Christen gewiß nicht, aber erst der Druck der Massen zwang sie, widerwillig, zu einer prozessualen Stellungnahme: Die Aburteilung der Christen erfolgte aus dem Willen zur Aufrechterhaltung der Ordnung; sie war demnach ein politischer Akt, und im Hinblick auf die Strafwürdigkeit des Phänomens zählte für die Behörden allein das Christsein (nomen ipsum) als Anlaß der Unruhe: Das Bekenntnis der Christen zu ihrem einzigen Gott war das Unruhe stiftende Element, sonst nichts. Daraus erklärt sich, daß derjenige, der es abstritt, ein Christ zu sein, oder, sofern er eingestandenermaßen Christ gewesen war, Christus verleugnete, nicht bestraft wurde und daß überhaupt alle Christen, die bei der sie umgebenden Bevölkerung keinen Anstoß erregten, auch in Ruhe gelassen wurden.“ 287 Vgl. T. W ITULSKI, Kaiserkult in Kleinasien. Die Entwicklung der kultischreligiösen Kaiserverehrung in der römischen Provinz Asia von Augustus bis Antoninus Pius, NTOA 63, Göttingen/Fribourg 2007, 165ff. 288 GIESEN, Offenbarung (s. Anm. 117), 103 (mit weitere Lit.).
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seines ἀρνίον Christus praktizierte Verehrung heidnischer Gottheiten an.“ 289 Nicht ausgeschlossen ist, dass das Götzenopferfleisch u.a. auch käuflich erworben wurde. 290 Einzelne Gemeinden in der Provinz Asia tun also nach Apk 2–3 genau das, was vor dem Einschreiten des Plinius zunächst noch ein ausgesprochenes Problem der Provinz Bithynia gewesen ist und durch die klugen Maßnahmen des Legaten gelöst wurde: Die Christen nehmen nun (wieder) an Kultfeiern teil und essen u.a. wohl auch käuflich erworbenes Opferfleisch. Mit dieser Eingliederung in das soziale Netz und der Partizipation am kultischen Leben der Provinz wollten christliche Gemeindeglieder (sofern diese nicht schon gänzlich ihren Glauben verleugnet hatten) wohl offenbar eine Anzeige vermeiden und sich als gute Bürger der Region und ihrer Stadt ausweisen. 291 Es sollte also gar nicht erst dazu kommen, Anlass zu einer Anklage zu bieten, die zur Verhaftung und Verhör führen würde und – bei bekennender Standhaftigkeit – unweigerlich mit der Hinrichtung enden würde. Es ist also zu vermuten, „daß die Durchsetzung dieses neuen Rechtsgrundsatzes unter den Christen zu großen Ängsten geführt“ 292 und die Anpassungsbereitschaft an das soziale, kulturelle und kultische Leben in der Provinz gefördert hat.
Vor diesem Hintergrund lässt sich das prophetische Auftreten des Visionäres Johannes und seine gefährdete Situation schärfer konturieren. Sofern nämlich der Patmosaufenthalt des Johannes auf eine tatsächliche relegatio, also eine behördlich verhängte Verbannung, zurückzuführen ist, so ist diese relegatio in insulam für einen so ausgesprochen hartnäckigen Christen, 289 W ITULSKI, Hadrian (s. Anm. 5), 280. Vgl. auch U. RIEMER, Das Tier auf dem Kaiserthron? Eine Untersuchung zur Offenbarung des Johannes als Historischer Quelle, BzA 114, Stuttgart/Leipzig 1998, 157–167. H. J. STEIN, Frühchristliche Mahlfeiern. Ihre Gestalt und Bedeutung nach der neutestamentlichen Briefliteratur und der Johannesoffenbarung, WUNT II 255, Tübingen 2008, 245–256, denkt dagegen bei den beiden Reizworten „Unzucht“ und „Götzenopferfleisch essen“ an außergemeindliche Mahlgemeinschaften, konkret an Symposien. Jüngst hat M. KARRER, Die Apokalypse und das Aposteldekret, in: W. Kraus (Hrg.), Beiträge zur urchristlichen Theologiegeschichte, BZNW 163, Berlin/New York 2009, 429–452, hinter der Kritik an der πορνεία die Abwehr von Mischehen zwischen judenchristlichen und heidenchristlichen Gemeindegliedern vermutet. 290 AUNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 10), 186, erwägt vier unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten für φαγεῖν εἰδωλόθυτα (zusammengefasst bei WITULSKI, Hadrian [s. Anm. 5], 245f.) „(a) die Teilnahme an einer sakralen Mahlzeit im Tempel, (b) der Verzehr von Götzenopferfleisch, das während öffentlicher, religiös motivierter Festlichkeiten verteilt worden ist, (c) der Kauf von Götzenopferfleisch auf dem Markt, und (d) die Teilnahme an einer von einem Verein oder einer Gilde im Rahmen der in dieser Corporation praktizierten religiösen Verehrung abgehaltenen Mahlzeit.“ Aune selbst favorisiert die zweite und dritte Möglichkeit. 291 Vgl. GIESEN, Offenbarung (s. Anm. 117), 103: „Wer sich nach dem Verhaltensmuster der Nikolaïten verhält, muß gewiß keine Denunziation fürchten.“ Die Gefahr der Denunziation dürfte gleichwohl vor allem durch die zunehmend feindliche Haltung jüdischer Synagogengemeinden immer latent bestanden haben, vgl. H. GIESEN, Das römische Reich im Spiegel der Johannes-Apokalypse, in: ders, Studien (s. Anm. 131), 149–166; WITULSKI, Hadrian (s. Anm. 5), 292f.; MÜLLER, Offenbarung (s. Anm. 4), 106.130. 292 HEINZE, Johannesapokalypse (s. Anm. 7), 238. Heinze vermutet aufgrund des trajanischen Reskripts einen direkten Zusammenhang zwischen den festgesetzten und z.T. verschärften Rechtsgrundsätzen und der Entstehung der Johannesapokalypse (238–240).
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wie dies offenbar Johannes zumal mit seinem prophetischem Anspruch war, angesichts der klaren vom Kaiser approbierten Vorgaben des Plinius, die unbeugsamen und hartnäckigen Christen nach dreimaliger Befragung sofort hinrichten zu lassen, kaum noch nach 112 n.Chr. denkbar. Die Verbannung des Propheten müsste demnach wohl längere Zeit vor dem Einschreiten des Plinius und dem Reskript des Kaisers erfolgt sein – möglicherweise unter Domitian (so zumindest nach der kirchlichen Überlieferung, Eus.h.e. III 18,1–3; V 8,6; Iren.haer. V 30,3). Hier in der Abgeschiedenheit der Insel dürfte er dann – zur trajanischen Zeit – eine erneute Beauftragungsvision empfangen haben, die nun konkret die aktuelle Situation der Gemeinden in Kleinasien in den Blick nimmt (Apk 1,4–3,22). Als Sprachrohr und Zeuge des Erhöhten kritisiert er nun scharf den unakzeptablen und doch wachsenden Glaubensabfall innerhalb seiner Gemeinden in der Provinz Asia. Gleichzeitig erinnert er die Gemeinden an das bereits erfolgte, von ihm selbst seinerzeit in Kleinasien verkündigte prophetische „Wort Gottes und Zeugnis Jesu“, nun schriftgeworden im Corpus Apk 4,1– 22,10. Dieses frühere apokalyptische Visionscorpus verbindet er mit den neuen prophetischen Botschaften des Erhöhten und gibt dem ganzen einen brieflichen Rahmen. In den apokalyptischen Weissagungen wurde unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass ein Kompromiss zwischen rechtverstandenem christlichen, vom prophetischen Bewusstsein geprägten Glauben und heidnischem Leben grundsätzlich nicht möglich ist. Vielmehr gilt: Wenn die Gläubigen den unausweichlich bevorstehenden Untergang des imperium Romanum und die damit einhergehenden Endzeitzeichen überstehen wollen, so müssen diese sich ebenso wie die im apokalyptischen Buch beschriebenen Heiligen fest an das prophetische Wort klammern. In der nachahmenswerten Standhaftigkeit der Heiligen ist die siegreiche Treue exemplifiziert, an der sich die Adressatengemeinden ein Beispiel nehmen können und sollen. Die innerhalb des apokalyptischen Visionscorpus gezeichneten Verfolgungsszenarien spiegeln dabei ursprünglich die entweder bereits erlittene Not prophetischer Kreise wider (so bes. Apk 6,9–11)293 oder aber sie zielen auf noch zu erwartende eschatologische Persekutionen ab, die z.T. aber schon als angebrochen oder unmittelbar bevorstehend erkannt werden (vgl. Apk 13; 17).294 Der verlangte Opfertest durch Plinius – ein Verfahren, das 293 Neben Apk 6,9–11 blicken nach M ÜLLER, Offenbarung (s. Anm. 4), 289 auch Apk 17,6; 16,6; 18,24; 19,2 auf die „ganze bisherige Verfolgungsgeschichte“ unter Einbindung auch der neronischen Christenverfolgung zurück. 294 Vgl. HEINZE, Johannesapokalypse (s. Anm. 7), 225–228, der die Möglichkeit erwägt, „daß der Verfasser [der Apk] zu der Erwartung einer ‚großen Verfolgung‘ durch die Ereignisse und das Verhalten der staatlichen Behörden gegenüber den Christen zu seiner Zeit herausgefordert oder zumindest veranlaßt wurde.“ (228). Ähnlich D ESILVA, Social Setting (s. Anm. 216), 281; vgl. auch P RIGENT , Apocalype (s. Anm. 1), 423 (zu
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später Schule machen sollte – dürfte in den Augen des Propheten und seiner Anhänger als nun beginnende Erfüllung der in Apk 13 angekündigten Weissagungen interpretiert worden sein. Es war wohl dieses inhärente Aktualisierungspotenzial des prophetischen Textes, das womöglich auch zur Akzeptanz und Verbreitung der Johannesapokalypse beigetragen hat. Andererseits dürften zur Zeit Trajans zahlreiche Christen angesichts der sich zuspitzenden Lage der christlichen Gemeinden in Kleinasien, die spätestens seit der rigorosen Eintreibung des fiscus Judaicus immer mehr ins Blickfeld der römischen Staatsapparates gelangten,295 eine konziliante Haltung gegenüber dem römischen Staat und ihrem kulturellen und religiösen Umfeld bevorzugt haben. Plinius bestätigt ja in seinem Brief an den Kaiser (§10), dass durch seine Maßnahmen gegenüber den reuigen Christen die Apk 13,17); J. ROLOFF, Die Kirche im Neuen Testament, GNT 10, Göttingen 1993, 182: „Die kritische Lage, die für die Kirche durch die behördliche Forcierung des Kaiserkultes entstanden war, verlangte eine theologische Bewältigung. Hier liegt das Recht der zeitgeschichtlichen Interpretation. Trotzdem wäre es wohl zu einfach, wollte man diese Sicht nur als zeitgeschichtlich bedingte überhizte Reaktion werten. Zur Vorsicht mahnt nämlich die historische Feststellung, daß von einer umfassenden und allgemeinen behördlich organisierten Verfolgung der kleinasiatischen Christengemeinden zur Abfassungszeit der Offenbarung keine Rede sein konnte. Es war lediglich zu einzelnen lokalen Pressionen und Übergriffen gekommen, aufgrund derer der Profet Johannes eine kritische Zuspitzung der Lage für die allernächste Zukunft erwartete.“ Ferner K. ALAND, Das Verhältnis von Kirche und Staat nach dem Neuen Testament und den Aussagen des 2. Jahrhunderts, in: ders., Neutestamentliche Entwürfe, TB 63, München 1979, 26–123 (84.88.92). Eine konsequente Auslegung von Apk 13 und 17 auf eine noch zu erwartende eschatologische Krisensituation bzgl. eines noch kommenden Antichristen bietet R IEMER, Tier (s. Anm. 289), 63–156 (die von Riemer insinuierte scharfe Trennung zwischen „zeitgeschichtlicher“ und „eschatologischer“ Deutung ist freilich nicht zwingend, vgl. die Kritik bei BERT J AN LIETAERT PEERBOLTE, To Worhip the Beast. The Revelation of John and the Imperial Cult in Asia Minor, in: M. Labahn/J. Zangenberg [Hrg.], Zwischen den Reichen: Neues Testament und Römische Herrschaft, TANZ 36, Tübingen/Basel 2002, 239–259 [255 Anm. 74]). Neben der Deutung von Apk 13.17f. auf eine noch kommende Krisenzeit sucht eine konsequente zeitgeschichtliche Auslegung den Gegenwartsbezug von Apk 12f.17f. zu betonen (BEALE, Revelation [s. Anm. 2], 698; W ITULSKI, Hadrian (s. Anm. 5), 112–237, der aber doch z.B. in Blick auf Apk 13,7a.8 eine futurische Perspektive einräumen muss [vgl. 152]). Angesichts des Futurs in Apk 13,8.12 dürfte es wohl kaum möglich sein, eine zukünftige Perspektive kommender Notzeiten aus der Sicht des Autors völlig auszublenden, vgl. AUNE, Revelation 6–16 (s. Anm. 21), 746. 295 Die besondere für die Frage nach der endgültigen Trennung zwischen Judentum und Christentum entscheidende Bedeutung des fiscus Judaicus hebt jetzt M. HEEMSTRA, The Fiscus Judaicus and the Parting of the Ways, WUNT II 277, Tübingen 2010, hervor. Das von Heemstra für die Johannesapokalypse entworfene Szenario, das im Wesentlichen auf einer klaren Trennung zwischen Juden- und Heidenchristen beruht (S. 122–133), erscheint am Ende doch zu konstruiert. Ausgewogener erfasst D ESILVA, Social Setting (s. Anm. 216), 278ff.; DERS., Seeing Things (s. Anm. 187), 56ff., die Zusammenhänge zwischen dem fiscus Judaicus und der Johannesapokalypse.
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bereits verwahrlosten Kultstätten und vernachlässigten Opfergaben wieder zu florieren begonnen hätten. Es liegt nahe, dass die in der Provinz Bithythia von Plinius eingeführten und vom Kaiser genehmigten Maßnahmen auch in der Provinz Asia, nicht zuletzt von den Christen, zur Kenntnis genommen worden sind. Angesichts der drohenden durch Anzeigen provozierten Strafmaßnahmen gegen Christen dürften dabei wohl die wenigsten die radikalen Ansichten des apokalyptischen Visionärs geteilt haben.296 In diesem Zusammenhang ist es wohl auch kein Zufall, dass in der Zeit Trajans, den epigraphischen Belegen zufolge, gerade in sechs von sieben der in den Sendschreiben genannten Städte der Provinz Asia die κοινὰ ’Ασίας, die vom asianischen Provinziallandtag veranstalteten Spiele, durchgeführt wurden, nämlich in Smyrna (als erster Austragungsort), ferner in Sardeis, Laodikaia, Pergamon, Ephesus, und schließlich in Philadelphia und Tralleis. 297 Bis auf Thyatira gelten somit sämtliche Städte der Sendschreiben auch gleichzeitig – allerdings erst seit der Zeit Trajans (!) – als Veranstaltungsorte der prominenten provinzialen Agone. 298 Die herausragende Bedeutung dieser Agone für die Städte und die Provinz erhöhte sicherlich beträchtlich den sozialen Druck auf die städtischen Christen, ebenfalls an diesen Festereignissen teilzunehmen. 299
296 Vgl. DE J ONGE, Religious Polemics (s. Anm. 7), 283: „Revelation is not representative of the Christian Churches of Asia in general. The author’s extremely negative view of Rome was probably the exception rather than the rule among contemporary Christians in Asia. ‚The ani-Roman stance of Revelation was unusual in early Christianity.‘“ (Das abschließende Zitat ist von A. YARBRO COLLINS, Vilification and SelfDefinition in the Book of Revelation, HTR 79 [1986], 308–320 [318]). 297 Später, in der zweiten Hälfte des 2. Jh. n.Chr., ist auch Kyzikos als Veranstaltungsort der κοινὰ ᾿Ασίας bekannt. Zu der Datierung der Inschriften bzgl. der κοινὰ ᾿Ασίας vgl. L. MORETTI, ΚΟΙΝΑ ΑΣΙΑΣ, RFIC 82, NS 32, Turin 1954, 276–289; DERS., Iscrizioni Agonistiche Greche, Studi pubblicati dall’Istituto Italiano per la Storia Antica, Fascicolo 12, Rom 1953, passim; WITULSKI, Kaiserkult (s. Anm. 287), 23f.; DE J ONGE, Religious Polemics 8s. Anm. 7), 277f.; D. O. A. KLOSE, Die Münzprägung von Smyrna in der Römischen Kaiserzeit, Deutsches Archäologisches Institut, Antike Münzen und Geschnittene Steine X, Berlin 1987, 42f.; J. DEININGER, Die Provinziallandtage der römischen Kaiserzeit von Augustus bis zum Ende des dritten Jahrhunderts n.Chr., Vestigia 6, München 1965, 55; M. DRÄGER, Die Städte der Provinz Asia in der Flavierzeit. Studien zur kleinasiatischen Stadt- und Regionalsgeschichte, Frankfurt a.M. u.a. 1993, 34f. 298 Dass in den Sendschreiben statt Tralleis Thyatira genannt wird, liegt möglicherweise in der besonderen persönlichen Nähe, die den Visionär Johannes mit der Gemeinde in Thyatira verband. Vgl. diesbezüglich die Überlegungen von G. GUTTENBERGER, Johannes von Thateira. Zur Perspektive des Sehers, in: Horn/Wolter, Studien (s. Anm. 135), 160–188 (183–188). Einige Aspekte der agonalen Festveranstaltungen haben offenbar ihre Spuren innerhalb der Sendschreiben hinterlassen, vgl. Apk 2,10; 3,11; ferner TÓTH, Kult (s. Anm. 23),108.112f.117; AUNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 10), 167.241. 299 Vgl. DE J ONGE, Religious Polemics (s. Anm. 7), 278: „For the Christians it was often very difficult to avoid participating in, or attending, the public celebrations (processions, prayers, singing, recitals, sacrifices, sacrifical meals, games, athletic contest, horse races, gladiator fights, animal figths, etc.) without appearing to be disloyal. In the eyes of their compatriots, the Christians who refused to participate in these celebrations
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Nimmt man also die Aussagen des Verfassers ernst und stellt die Zustandsbeschreibungen der Sendschreibengemeinden in der Provinz Asia sowie die Schilderung der Verfolgungssituationen prophetischer (Träger) Kreise im apokalyptischen Corpus den möglichen zeitgeschichtlichen Gegebenheiten im imperium Romanun des 1. und 2. Jh. n.Chr. gegenüber, so scheint es naheliegend zu sein, dass die vorliegende Johannesoffenbarung auf verschiedene visionäre Erfahrungen zu ganz unterschiedlichen Anlässen zurückgeht. Für die redaktionelle Bearbeitung des corpus apocalypticum Apk 1,1–3; 4,1–22,10 steht ein Zeitfenster zwischen der Spätzeit und dem Ende der domitianischen Herrschaft (zwischen 86–96 n.Chr.) offen.300 Dagegen dürfte die Abfassung der Sendschreiben und die Herausgabe der gesamten Schrift der Johannesapokalypse erst nach 111/112 n.Chr. erfolgt sein. Eine genauere zeitliche und situative Konturierung der einzelnen Visionsfragmente muss dagegen (noch) offen bleiben.301
enjoyed the advantage of the peace, the social stability, the benefits, and the prosperity which the imperial government and the emperor’s house provide, but they were not willing to pay the homage which was due to the emperor for providing these benefits.“ 300 Sollte die Wendung in Apk 4,11 (ὁ κύριος καὶ ὁ θεὸς ἡµῶν) – ein Ausdruck der Anbetung und Würdigung Gottes im Kontext der Kultszene Apk 4–5, die zur abschließenden Redaktionsstufe des apokalyptischen Corpus gehört – ein Reflex auf die von Sueton (Dom. 13,2) erwähnten Forderungen des Kaisers Domitian sein, der für sich selbst die Anrede dominus et deus noster gefordert hätte (vgl. die Diskussion bei AUNE, Revelation 1–5 [s. Anm. 10], 310–312; ferner S CHREIBER, Offenbarung [s. Anm. 1], 573), dann ist die redaktionelle Vollendung des apokalyptischen Gesamtcorpus Apk 1,1– 3; 4,1–22,10 ab 86 n.Chr. denkbar (zur möglichen Datierung des domitianischen Ediktes zwischen 86–89 n.Chr. vgl. M. GRIFFIN, The Flavians, in: A. K. BOWMAN/P. GARNSEY/D. RATHBONE [Hrg.], The Cambridge Ancient History, Bd. 11: The High Empire, A.D. 70– 192, Cambridge 2000, 1–83 [81]). 301 Für die Frage nach einem möglichen zeitgeschichtlich näher fassbaren Hintergrund bzw. Anlass bei der Abfassung der prophetischen Fragmente bieten sich sicherlich vor allem Apk 13 und 17 an; vgl. diesbezüglich z.B. die Überlegungen von BERGMEIER, Erzhure (s. Anm. 54), 3899–3916, der aus diesen Kap. eine ursprünglich unabhängige jüdische Quelle aus der Zeit Vespasians unmittelbar nach dem Ende des jüdischen Krieges herausarbeitet. „Aus der jüdischen Vorlage komponierte [später] der Seher Johannes zur Zeit Domitians den jetzt vorliegenden Text Apk 12 18 –1318 und 17f. und setzte ihm seine christlichen Lichter auf.“ (3916). Tatsächlich dürfte zumindest für das in Apk 17 vorliegende Bild von der auf sieben Bergen sitzenden Hure Babylon das Jahr 71 n.Chr. als terminus post quem zu vermuten sein, da das Apk 17 verblüffend ähnliche Münzmotiv einer auf sieben Hügeln thronenden Dea Roma nur für das Jahr 71 n.Chr., aus dem dritten Konsulat Vespasians, bekannt ist. Vgl. hierzu A UNE, Revelation 17–22 (s. Anm. 30), 919–928; BERGMEIER, Erzhure (s. Anm. 54), 3911f.; und jüngst HEEMSTRA, Fiscus Judaicus (s. Anm. 295), 107–110. Zum zeitgeschichtlichen Hintergrund von Apk 13 vgl. jetzt F. TÓTH, Das Tier, sein Bild und der falsche Prophet. Untersuchungen zum zeitgeschichtlichen Hintergrund von Offenbarung 13 unter Einbeziehung des kleinasiatischen Orakelwesens, BThSt, Neukirchen-Vluyn 2012 (im Druck).
406
Franz Tóth
5 Resümee Die Apokalypse des Johannes ist erlebter Visionsbericht und literarisches Kunstprodukt zugleich. Die Zusammenfügung, Konzipierung, Strukturierung und theologische Akzentuierung der Visionsstoffe zu einem prophetischen Buch ist das Werk eines begnadeten Künstlers und schriftgelehrten Autors, der – wohl nicht zuletzt durch eigene visionäre Erlebnisse motiviert – offenbar mehrfach über längere Zeiten hindurch zur Feder gegriffen hat.302 Dabei ist der Name Johannes, da dieser bereits im früheren Corpus Apk 1,1–3; 4,1– 22,10 auftaucht und offenbar auch für das spätere Textmaterial verantwortlich zeichnet, wohl kein Pseudonym. Beispiele aus der mittelalterlichen Literatur, wie die sukzessive Verschriftung der Visionen von Hildegard von Bingen oder der Mystikerin Juliana von Norwich, unterstreichen die Annahme, „Johannes habe eine oder mehrere Visionen als Initialerfahrung(en) über einen längeren, vielleicht sogar sehr langen Zeitraum in seinem Herzen bewegt, meditiert, reflektiert und in Etappen literarisch fixiert.“303 302 Vgl. bereits BOUSSET , Offenbarung (s. Anm. 11), 15f., zur bleibenden Spannung zwischen Vision und redaktioneller Komposition innerhalb der Johannesoffenbarung: „Je größer, umfangreicher, komplizierter, je künstlicher komponiert eine Apokalypse ist, desto mehr erhalten wir den Eindruck einer rein literarischen Produktion. In diesem Punkt steht nun gerade die neutestamentliche Apokalypse auf dem äußersten Punkt der Entwicklung zur literarischen apokalyptischen Kunstform. Keine Schrift des genus, zu dem die Johannesapokalypse gehört, zeigt auch nur annähernd eine so künstliche Komposition wie diese. In keiner Schrift sind die einzelnen Visionen und Visionsreihen so künstlich mit einander verwoben, daß keine fast sich aus dem Ganzen herausnehmen läßt, ohne dieses zu schädigen. Nirgends so wie hier haben wir den Eindruck bis ins einzelne berechnender, in taghellem Bewußtsein arbeitender, künstlerischer Reflexion. Von der Johannesapokalypse als einem Ganzen gilt sicher, daß sie gedichtet und nicht geschaut, daß sie eine literarisches Kunstwerk und nicht das Tagebuch eines Visionärs ist. Mit diesem Urteil ist nun aber wieder nicht gegeben, daß hinter einzelnen Gesichten der Apokalypse nicht unmittelbare Erfahrung stände, sei es, daß der Verfasser der Apokalypse selbst einzelne wirkliche Gesichte älterer Propheten in sein Kunstwerk verwoben, sei es, daß er einmal wirklich erlebte Visionen aufgenommen hat.“ So auch bereits A. J ÜLICHER/E. FASCHER, Einleitung in das Neue Testament, Grundriss der Theologischen Wissenschaft III/1, Tübingen 71931, 248f.: „Wir leugnen damit nicht, daß der Verf. Visionen gehabt hat, daß sie einen gewaltigen Eindruck bei ihm hinterlassen haben und ihm als eine göttliche Nötigung erschienen sind, von seinem Trost und seinem Wissen auch den Brüdern in der ganzen Welt mitzuteilen; der Mann, der die Apk schrieb, hat an sein Wort geglaubt: aber jenseits seiner Visionen liegen apokalyptische Studien, die seinen Geist und seine Phantasie erregt und befruchtet haben, und diesseits liegen sie erst recht; die Apk ist nicht ein in der glühenden Erregung einer Nacht auf das Papier geworfenes Pamphlet, sondern ein gelehrtes Werk, bei dessen Anfertigung sich der Verf. oft lange besonnen, nach dessen Vollendung er sicher manche Feile angesetzt hat“. 303 So FRENSCHKOWSKI, Johannesoffenbarung (s. Anm. 180), 26. Zu Hildegard von Bingen und Juliana von Norwich in diesem Zusammenhang vgl. ebd., 24. An anderer Stelle erläutert Frenschkowski weiter (27): „Vielmehr kann eine historische Religions-
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Als judenchristlicher Prophet setzt sich der Verfasser der Johannesapokalypse kompromisslos für die Sache Gottes ein und leistet lange Jahre hindurch und mit unterschiedlichen Argumentatiosstrategien antirömische Überzeugungsarbeit an den kleinasiatischen Gemeinden. Seine prophetische und Unruhe stiftende Tätigkeit in Kleinaisen nach 70 n.Chr. führt schließlich, nicht zuletzt wegen des Inhalts seines corpus apocalypticum (Apk 1,9), zu seiner Verbannung auf die Insel Patmos in der späten domitianischen Zeit, von wo er die sich verändernde Gemeindesituationen mit kritischem Prophetenblick verfolgt und mit einer überarbeiteten Version seines apokalyptischen, von Gott selbst autorisierten Werkes in der trajanischen Zeit antwortet. Rückblickend auf das Ganze seiner prophetischen Schrift betont der Seher von Patmos in der Textsicherungsformel Apk 22,18f. nachdrücklich, dass er „sein Werk als literarische Verarbeitung seines prophetischen Offenbarungsempfangs versteht, dessen maßgebliche und unbedingte Integrität und Autorität hier abschließend betont werden soll.“304 Unterstrichen wird das vom Autor unüberbietbar postulierte und unbedingt anzuerkennende Offenbarungswort durch die Heilsverheißungen und eschatologischen Drohungen in der Textsicherungsformel. Michael Tilly gibt in dem Zusammenhang zu bedenken, „ob sich der Verfasser des visionären Buches dabei gegen Strömungen oder charismatische Lehrergestalten innerhalb der von ihm angesprochenen kleinasiatischen christlichen Gemeinden richtet, die sein – vom Geist Gottes eingegebenes – Werk im Anspruch ihrer eigenen prophetischen Geistbegabung fortzuschreiben bzw. zu ändern beabsichtigten.“305 Nachdem der Prophet selbst seine ursprüngliche apokalyptische Schrift um die brieflichen Elemente der Sendschreiben redaktionell erweitert und nun endgültig abgeschlossen hat, legt er, im Wissen um die Gefahr von unautorisierten Ergänzungen und Verfälschungen,306 entsprechend großen Wert auf die bleibende Integrität seines Werkes – eine redaktionelle Fortschreibung oder textliche Veränderung soll es an seinem Werk fortan nicht mehr geben. psychologie der Vision, ihrer Verschriftlichung und ihrer Tradierungsprozesse im Rahmen des historisch-kritischen Diskures wahrscheinlich machen, dass wir den Befund der Johannesoffenbarung am ehesten verstehen können, wenn wir ihre Vorgeschichte in einem komplexen Spannungsfeld zwischen tradiertem mythologischem Bildrepertoire, visionären Initialerfahrungen, längerfristiger Meditation und etappenweiser Verschriftlichung ansetzen.“ 304 M. TILLY, Textsicherung und Prophetie. Beobachtungen zur SeptuagintaRezeption in Apk 22,18f., in: Horn/Michael, Studien (s. Anm. 135), 232–247 (245). 305 TILLY, Textsicherung (s. Anm. 304), 246; vgl. auch die Diskussion bei A UNE, Revelation 17–22 (s. Anm. 30), 1231f. 306 Zur Textsicherungsformel im Rahmen literarischer Strategien antiker Autoren gegen mögliche Textverfälschungen vgl. M. MÜLKE, Der Autor und sein Text. Die Verfälschung des Originals im Urteil antiker Autoren, UALG 93, Berlin/New York 2008, 11–82.
408
Franz Tóth
Prolog (1,1-3) Brieflicher Eingang (1,4-9)
Ruf: µακάριος (1,3)
I
Präludium Auditionsreihe
Kultszene (1,10-20) Sendschreiben (2-3)
II
Postludium/Präludium Kultszene (4-5) Visionsreihe Siegelgerichte (6) Interludium 144000; große Schar (7)
Stimme
III
Postludium/Präludium Kultszene (8,1-6) Visionsreihe Posaunengerichte (8,7-9,21) Interludium Büchlein (10); Zeugen (11,1-14)
Stille
IV
Postludium/Präludium Kultszene (11,15-19) Stimme Visionsblock Kampfvision (12-13) Interludium Zion; Ruf der drei Engel (14,1-13) Ruf: µακάριος (14,13)
Herr, Gott, Allm.
V
Postludium/Präludium Kultszene (14,14-20; 15,1-8) Visionsreihe Schalengerichte (16,1-14.16) Interludium Ruf: µακάριος (16,15)
Stimme
Herr, Gott, Allm. Herr, Gott, Allm.
VI
Postludium/Präludium Kultszene (16,17-21) Visionsblock Gericht über Babylon (17) Interludium Ruf: Babylons Untergang (18)
Stimme
VII
Postludium/Präludium Kultszene (19,1-10) Visionsblock Gerichtsvisionen (19,11-20,15) Interludium Ruf: µακάριος (20,4-6)
Stimme
Herr, Gott, Allm.
VIII Postludium/Präludium Kultszene (21,1-8) Visionsblock Neues Jerusalem (21,9-22,5)
Buchschluss (22,6-21)
Stimme
Herr, Gott, Allm.
Herr, Gott, Allm.
Stimme
Ruf 2x: µακάριος (22,7.14)
Darstellung 1: Die Gliederung der Johannesapokalypse
Herr, Gott, Allm.
2–3 7 Briefe
1,10–20 Leuchter
8–9 6 Posaunen
12–13 Kampf
ERDE
14,6–13 3 Rufe
11 Zeugen
7,9–17 gr. Menge
18,1–24 3 Rufe
17 Babylon
16,17–21 Tempel
16,15 Ruf
16 6 Schalen
14,14–15,8 Tempel
14,1–5 144000
11,15–19 Tempel
10 Buch
8,1–6 Altar
7,1–8 144000
6 6 Siegel
4–5 Thron
HIMMEL
21,1–8 Thron
21f. Neues Jerusalem
20,4–6 Ruf
19,11–20,15 Gericht
19,1–10 Thron
Von der Vision zur Redaktion
409
Darstellung 2: Das kosmologische Kompositionsmodell der Johannesapokalypse
2–3 7 Briefe
1,10–20 Leuchter
6 6 Siegel
8–9 6 Posaunen
12–13 Kampf
14,6–13 3 Rufe
11 Zeugen
7,9–17 gr. Menge
16,15 Ruf
16,17–21 Tempel
16 6 Schalen
14,14–15,8 Tempel
14,1–5 144000
11,15–19 Tempel
10 Buch
8,1–6 Altar
7,1–8 144000
4–5 Thron 19,9f. R
17 Babylon
18,1–24 3 Rufe
17,1–3 R
19,1–10 Thron
19,11–20,15 Gericht
20,4–6 Ruf
21,1–8 Thron
21f. Neues Jerusalem
21,9f. 22,6–9 R R
410 Franz Tóth
Darstellung 3: Das literarkritische Kompositionsmodell der Johannesapokalypse
C
B
A
7 Schalen
K
q
Brief
18
Babylon
17
K
Die Johannesapokalypse
20
Gericht
19,11–16
Corpus Apocalypticum (Apk 1,1–3; 4,1–22,10)
K
12 13 14
K 7 Siegel K 7 Posaunen K Kap. 12–14 K
11
q
10
q
7
Brief
K Jerusalem
q
21f.
Von der Vision zur Redaktion
411
Darstellung 4: Das redaktionsgeschichtliche Kompositionsmodell der Johannesapokalypse
Buch und Brief Zur motivischen, literarischen und kommunikativen Interdependenz zweier medialer Typen in der Johannes-Offenbarung HANS-GEORG GRADL
Ihrem medialen Selbstverständnis nach präsentiert sich die Offenbarung des Johannes als ein Buch.1 In der Eingangsvision (Apk 1,9–20) erhält der Seher den Auftrag, das Geschaute in einem Buch niederzuschreiben (ὃ βλέπεις γράψον εἰς βιβλίον, Apk 1,11). Im Epilog (Apk 22,6–21) wird die Schrift mehrfach rückblickend als Buch bezeichnet: Die Apokalypse ist ein Buch, an dessen Worten festgehalten werden soll (τῶν τηρούντων τοὺς λόγους τοῦ βιβλίου τούτου, Apk 22,7.9), das nicht versiegelt werden darf (µὴ σφραγίσῃς τοὺς λόγους τῆς προφητείας τοῦ βιβλίου τούτου, Apk 22,10) und dessen Inhalt vor redigierenden Eingriffen geschützt wird (τῶν γεγραµµένων ἐν τῷ βιβλίῳ τούτω, Apk 22,18.19). Als mediumsspezifische Selbstbezeichnung verwendet die Johannes-Offenbarung den Begriff βιβλίον. Neben dieser Präsentation der Schrift als Buch steht dessen briefliche Rahmung: Johannes stellt sich als Autor oder Mediator in der superscriptio vor (Apk 1,4a), er nennt die sieben kleinasiatischen Gemeinden in der ———————— 1
Die Wortstatistik verdeutlicht die zentrale Bedeutung des Topos Buch im Motivreservoir und für das mediale Selbstverständnis der Johannes-Offenbarung: Von 47 neutestamentlichen Belegen zum Wort oder Wortfeld Buch finden sich 28 in der Apokalypse des Johannes. βίβλος – zwei Belege: Apk 3,5; 20,15; βιβλίον – 23 Belege: Apk 1,11; 5,1.2.3.4.5.8.9; 6,14; 10,8; 13,8; 17,8; 20,12 (drei Belege); 21,27; 22,7.9.10.18 (zwei Belege).19 (zwei Belege); βιβλαρίδιον – drei Belege: Apk 10,2.9.10. Vgl. dazu: G. SCHRENK, βίβλος, βιβλίον, ThWNT 1 (21953), 613–620; W. BAUER, Griechischdeutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der frühchristlichen Literatur, Berlin u.a. 61988, 281–282; A. LEMAIRE, Buch/Buchrolle, NBL 1 (1991), 340– 342; H. BALZ, βιβλίον – βίβλος, EWNT 1 (21992), 521–525; U. BECKER, βίβλος, TBLNT (neubearbeitete Ausgabe) 2005, 1572–1574. Als erster Überblick zum medialen wie motivkritischen Gehalt des Wortes Buch in der Johannes-Offenbarung empfehlen sich: P. MÜLLER, Das Buch und die Bücher in der Johannesoffenbarung, in: F. W. Horn / M. Wolter (Hg.), Studien zur Johannesoffenbarung und ihrer Auslegung (FS Otto Böcher), Neukirchen-Vluyn 2005, 293–309; M. R EISER, Das Buch in der Apokalypse, Kirchliches Buch- und Bibliothekswesen. Jahrbuch 2004, Rottenburg 2005, 69–83.
414
Hans-Georg Gradl
adscriptio (Apk 1,4a) und erweitert – ähnlich dem Galaterbrief (vgl. Gal 1,3–4) – die salutatio (Apk 1,4b) durch eine umfangreiche Gottes- (Apk 1,4c) und Christusprädikation (Apk 1,5–6a), die in eine Doxologie (Apk 1,6b) münden. Am Ende des Buches steht ein auf die Konvention des paulinischen Briefformulars ausgreifender „Schlußgnadenwunsch“2 (Apk 22,21). Ebenso entspricht der Ruf ἔρχου κύριε ᾿Ιησοῦ (Apk 22,20b) der Bitte „Maranatha“ in 1Kor 16,22. Diese briefliche Stilisierung der Schrift führte in der Auslegungsgeschichte zu einem Verstehen der Apokalypse als Brief.3 Dennoch: „Sie lässt sich (…) keiner antiken Briefgattung direkt zuordnen.“4 Trotz der zweifellos vorhandenen Adressatenorientierung widersprechen der Umfang, die Stillage, die fehlende Durchgängigkeit epistographischer Formen und der nur marginal vorhandene und sehr selbständig entwickelte Bezug zum paulinischen Briefformular einer gattungskritischen Klassifikation als Brief.5 Der Hinweis, der Begriff βιβλίον fungiere in der profanen Literatur der griechisch-römischen Antike und in der frühjüdisch apokalyptischen Literatur als Gattungsbezeichnung eines Briefes, begründet nicht die Interpretation der Apokalypse als Brief.6 Im Falle der Johannes-Offenbarung sind insbesondere drei Argumente gegen das Verständnis von βιβλίον im Sinne eines Briefes ins Feld zu führen:
———————— 2
H.-J. KLAUCK, Die antike Briefliteratur und das Neue Testament, UTB 2022, Paderborn u.a. 1998, 264. 3 Einen forschungsgeschichtlichen Überblick zur Interpretation der Offenbarung als Buch wie auch als Brief bietet M. KARRER, Die Johannesoffenbarung als Brief. Studien zu ihrem literarischen, historischen und theologischen Ort, FRLANT 140, Göttingen 1986, 22–39. 4 KARRER, Brief (s. Anm. 3), 305. 5 Vgl. K LAUCK, Briefliteratur (s. Anm. 2), 264; ebenso für die Argumente im Einzelnen und dennoch als Beispiel einer durchgängigen Auslegung der Offenbarung als Brief KARRER, Brief (s. Anm. 3), 305. 6 Vgl. K. BERGER, Formen und Gattungen im Neuen Testament, UTB 2532, Tübingen u.a. 2005, 359–360; ferner zum gattungskritischen Profil und zur Einteilung in verschiedene Arten von Briefen DERS., Hellenistische Gattungen im Neuen Testament, ANRW II 25.2 (1984), 1031–1885 (1327–1363); sowie insbesondere D ERS., Apostelbrief und apostolische Rede. Zum Formular frühchristlicher Briefe, ZNW 65 (1974), 190–231 (217), der mit den kaum überzeugenden Beispielen Hab 2,2; Jes 30,8 und Ez 2,8 (!) die „allgemeine Bedeutung“ von „Tafel, Buchrolle und ‚Schriften‘“ betont, auf den weit formalisierten Buchbegriff der Henochliteratur (vor allem 1Hen 108,1 und 81,6) verweist und den Unterschied zwischen Büchern und Briefen darin sieht, „daß Briefe an eine namentlich und/oder lokal fixierte Adresse gerichtet sind“. Diese lokale Fixierung findet sich gerade am Beginn der Offenbarung (Apk 1,1–3) nicht. Auch die konkrete Adressierung an die kleinasiatischen Gemeinden (vgl. Apk 1,4 und den Beginn der jeweiligen Sendschreiben) wird stets durch die universale Perspektive in den Weckrufen (Apk 2,7.11.17.29; 3,6.13.22) und im Schlusspart der Offenbarung (vgl. etwa Apk 22,7.9.17– 19) geweitet.
Buch und Brief
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1. Gegenüber der außerbiblischen Verwendung des Begriffs βιβλίον, der „für Schriftstücke aller Art von Buchrollen über Briefe bis zu Urkunden (wie Scheidebriefen)“ gebraucht wurde, „so daß erst der jeweilige Begriffskontext eine nähere Bestimmung des mit ihm Bezeichneten erlaubt,“7 zeigt sich der neutestamentliche Sprachgebrauch durchgängig kohärent: Im Kanon der neutestamentlichen Schriften wird βιβλίον nur im Sinne einer Buchrolle und häufig in Bezugnahme auf einzelne Schriften des Alten Testaments verwendet. Mit der Bezeichnung βιβλίον wird ihre theologische Authentizität, autoritative Eigenständigkeit und Gültigkeit herausgestellt, die sich nicht auf eine einzelne Kommunikationssituation beschränken (vgl. als Buch der Propheten: Apg 7,42; des Gesetzes: Gal 3,10; Hebr 9,19; des Mose: Mk 12,26; des Propheten Jesaja: Lk 3,4; 4,17.20; der Psalmen: Lk 20,42; Apg 1,20; Hebr 10,7; allgemein als Bücher des Alten Testaments: 2Tim 4,13; oder der Zauberliteratur: Apg 19,19; schließlich in der medialen Selbstbezeichnung des Johannes-Evangeliums als Buch: Joh 20,30; 21,25). Als Ausnahmen können lediglich die fest geprägten Verbindungen βίβλος γενέσεως (Stammbaum im Sinne eines Verzeichnisses der Ahnen, Mt 1,1) und βιβλίον ἀποστασίου (Scheidungsurkunde im Sinne eines juristisch gültigen Dokuments, Mk 10,4; Mt 19,7) gelten. In keinem Fall dient der Begriff zur Kennzeichnung eines – dem antiken Briefformular verpflichteten – brieflichen Dokuments. Dafür verwenden die Schriften des Neuen Testaments durchgängig den – in der Johannes-Offenbarung nicht vorhandenen – Begriff ἐπιστολή (vgl. als Brief im Sinne einer Bevollmächtigung oder Urkunde: Apg 9,2; 22,5; als Gemeindebrief mit quasi rechtlichem Inhalt: Apg 15,30; im Kontext einer persönlichen wie gemeindlichen Briefkorrespondenz und unter Verwendung einzelner Elemente des antiken Briefformulars: Apg 23,25; Röm 16,22; 1Kor 5,9; 16,3; 2Kor 7,8; 10,9–11; Kol 4,16; 1Thess 5,27; 2Thess 2,2.15; 3,14.17; 2Petr 3,1; als Empfehlungsschreiben: 2Kor 3,1–3; als Sammlung einzelner Briefe: 2Petr 3,16). 2. Ebenso spricht die univoke Verwendung des Begriffs βιβλίον im Kontext der Johannes-Offenbarung gegen eine äquivoke Interpretation der Bezeichnung βιβλίον als Brief: Die Bücher im apokalyptischen Hauptteil – das zunächst siebenfach versiegelte Buch (βιβλίον γεγραµµένον ἔσωθεν καὶ ὄπισθεν κατεσφραγισµένον σφραγῖσιν ἑπτά, Apk 5,1), die Gerichtsbücher (καὶ βιβλία ἠνοίχθησαν, Apk 20,12), das in der frühjüdisch apokalyptischen Literatur (vgl. 1Hen 47,3; 81,1–4; 90,20; 104,1; 108,3; Jub 19,9; 30,22; 36,10) bezeugte Lebensbuch (ἐκ τῆς βίβλου τῆς ζωῆς, Apk 3,5; ebenso Apk 13,8; 17,8; 20,12.15; 21,27) und das in Diminutivform beschriebene Büchlein, das der Seher aufisst (βιβλαρίδιον ἠνεῳγµένον, Apk 10,2) – lassen keinerlei Anklänge an eine briefliche Korrespondenz oder Briefkonvention erkennen. Sie sind im eigentlichen Sinn des Wortes Buchrollen (deutlich durch den Vergleich des entschwindenden Himmels in Apk 6,14 mit dem Einrollen einer Buchrolle), an die sich eine je eigene theologische Aussageabsicht bindet: Das Buch fungiert als Schiedsinstanz im Gericht, als Medium zur Beauftragung des Sehers und als Veranschaulichung der himmlischen Machtverhältnisse. 3. Ferner kann gerade im Fall der Johannes-Offenbarung „die Textübermittlung zwischen räumlich getrennten definiten Kommunikationspartnern“ 8 als alleiniges Unterscheidungskriterium zwischen Brief und Buch kaum überzeugen: Eine wechselseitige Korrespondenz zwischen Johannes und den kleinasiatischen Gemeinden ist nicht bezeugt, auch Bücher wurden räumlich zum Teil weit übermittelt und besitzen eine – deutlich
———————— 7 KARRER, Brief (s. Anm. 3), 168. Vgl. zur differenzierten Verwendung des Begriffs in der klassischen Antike W. SCHUBART , Das Buch bei den Griechen und Römern, Handbücher der staatlichen Museen zu Berlin, Berlin-Leipzig 1921, 32–33. 8 KARRER, Brief (s. Anm. 3), 168.
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durch den Gebrauch von Widmungen und Zuschreibungen – kommunikative Funktion. Die briefliche Prägung der Johannes-Offenbarung soll dabei nicht in Abrede gestellt werden. Entscheidend ist die Frage, wie sich die brieflichen Elemente jener Selbstpräsentation der Offenbarung als Buch zuordnen lassen und ob sie rechtfertigen, das Werk im Gesamten als Brief zu interpretieren.
Zur Definition und Klassifikation einer Schrift als Buch bzw. als Brief sind – über die vorangegangenen Überlegungen hinaus – stets auch folgende Merkmale relevant und im Einzelnen zu diskutieren: 1. Die Selbstaussage und das Selbstverständnis der Schrift. 2. Die durchgängige Verwendung bzw. das Fehlen klassischer Elemente des Briefformulars. 3. Das Vorhandensein typisch brieflicher Stilelemente im Korpus der Schrift (wie etwa die durchgängige Anrede in der 2. Person Singular oder Plural, Elemente der gliedernden, argumentativen und stilistischen Briefrhetorik, Bezugnahmen auf vorhandene Korrespondenz, Besuchs- und Wiedersehensabsichten, Wünsche, Grüße und Unterschriften). 4. Die mit dem Medium des Briefs verbundene Funktion der Sprecherparusie. 5. Die eindeutig dialogische Kommunikationssituation oder die eigenständige Funktion einer (literarischen) Wissensvermittlung. 6. Der individuell konkrete oder intendiert universale Adressatenkreis. 7. Die im Falle des Mediums Buch von Anfang an und selbstverständlicher als beim Brief intendierte Erhaltung und Publikation der Schrift. 8. Die werkästhetische Prägung als äußerlich und innerlich zusammenhängende, in sich abgeschlossene Niederschrift. – Sowohl Brief wie Buch können als Speicher-, Kommunikations- und Informationsmedium benutzt werden. Die Frage nach der medialen Fassung der Johannes-Offenbarung lässt sich damit nicht über ein Definitionskriterium allein (wie etwa die Kommunikationsstruktur des Werkes) beantworten, sondern bedarf der Wägung und Bündelung mehrerer Argumente mit Blick auf die durchgängige Prägung und Kohärenz der Schrift. Im Kontext des Neuen Testaments und im Kontext jener apokalyptischen Schriften, welche für die Analyse der Johannes-Offenbarung bedeutsam erscheinen (vgl. insbesondere Dan, 1Hen, 2Hen, 4Esr, 2Bar, ApkAbr, AssMos, ApkZeph, Jub, Sib), ergibt sich somit ein singulärer Befund: Der Seher präsentiert seine Schrift – im Vollsinn des Wortes – als prophetischapokalyptisches Buch, das briefliche Elemente im Anfangs- und Schlussteil aufgreift und dessen Teil sieben Einzelbriefe an die kleinasiatischen Gemeinden (Apk 2,1–3,22) sind. Für eine Präzisierung der Begrifflichkeiten und des Untersuchungsgegenstandes ist der Hinweis geboten, dass in einer Definition der Johannes-Offenbarung als prophetischapokalyptisches Buch die gattungskritische Zuordnung (als prophetische Apokalypse) und der mediale Typus der Schrift (als Buch) in eins fließen, aber in ihrer je eigenen inhaltlichen Aussage wahrzunehmen sind. Nach den typischen Strukturmerkmalen der Form und des Inhalts, dem darin ersichtlichen Gestaltungswillen und den damit verbundenen notwendigen Verstehensvoraussetzungen ist die Johannes-Offenbarung gattungs-
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kritisch als prophetische (vgl. die gattungsrelevanten Formen von Botenspruch, Botenformel, Gerichts- und Heilsworten, Beauftragungsvisionen, Orakel und Zeichenhandlungen) Apokalypse (vgl. hier insbesondere Visionen, Auditionen, Himmelsreisen, das Auftreten überirdischer Offenbarungs- und Handlungsträger, den Gebrauch von Symbolisierungen, vor allem die Verwendung der Zahlensymbolik) zu klassifizieren. 9 Diese gattungskritische Zuordnung „erweist sich auch insofern als zweckmäßig, als gerade so die ‚Abweichungen‘ von dem heuristischen Gattungsprofil auf das eigentümliche Selbstverständnis und die Kommunikationsabsicht des Sehers schließen lassen.“ 10 Von dieser auf vergleichenden und synthetisierenden Textbeobachtungen basierenden Gattungsbestimmung ist das – mehrfach demonstrativ in der Schrift selbst betonte – mediale Selbstverständnis der Johannes-Offenbarung begrifflich und analytisch zu unterscheiden. Ein Medium ist Träger und Stütze einer dem Wesen und Anspruch eines Textes verpflichteten und auf die Adressaten ausgerichteten Kommunikation und dient der Verständigung zwischen Kommunikationspartnern wie der Übermittlung von Inhalten. Insofern komplementiert gerade im Falle der Johannes-Offenbarung die Untersuchung ihrer medialen Form als Buch das Verstehen des prophetisch-apokalyptischen Textes: Warum werden Inhalte prophetisch-apokalyptischer Provenienz über das Medium eines Buches mitgeteilt? „Medium is the message!“ 11 Die Wahl des Mediums besitzt bereits an und für sich eine Aussage und wirkt auf das Verstehen des Inhalts ein. In diesem Sinn lässt sich – mit der Unterscheidung zwischen der Gattung und dem medialen Typus der JohannesOffenbarung – die Fragestellung präzisieren: Welche Aussage ist an die Wahl des Mediums Buch gebunden? Inwiefern entspricht das Medium und die Kommunikationsform Buch den Anliegen, Funktionen und Inhalten einer prophetisch-apokalyptischen Wirklichkeitswahrnehmung?
Wie lässt sich das Zueinander von Buch- und Briefmotiven in der Johannes-Offenbarung erklären? Was ist der motivische, literarische und kommunikative Gehalt dieser doppelten medialen Fassung? Welche Bedeutung kommt den Briefen und der brieflichen Stilisierung innerhalb des Großmediums Buch zu? Wie wirkt sich die Interpretation der Offenbarung als Buch auf das Verstehen der gesamten Schrift aus?
———————— 9 Vgl. dazu D. E. AUNE, Revelation 1–5, WBC 52A, Nashville 1997, lxxxix–xc, der die Johannes-Offenbarung als „mixtum compositum“ begreift und der Gattung einer „Prophetic Apocalypse“ zuordnet. Vor dem Hintergrund der zum Teil heftig geführten Diskussion über die Gattungsfrage sei ferner verwiesen auf J. J. C OLLINS, Pseudonymity, Historical Reviews and the Genre of the Revelation of John, CBQ 39 (1977), 329–343 (342), der die „distinctive features“ und gattungsuntypischen Elemente der JohannesOffenbarung sichtet und dennoch keine zureichenden Gründe findet, „to deny that the Apocalypse is an apocalypse“. 10 K. BACKHAUS, Die Vision vom ganz Anderen. Geschichtlicher Ort und theologische Mitte der Johannes-Offenbarung, in: ders. (Hg.), Theologie als Vision. Studien zur Johannes-Offenbarung, SBS 191, Stuttgart 2001, 10–53 (30). 11 Vgl. M. MC LUHAN, Understanding Media. The Extensions of Man, New York u.a. 1964, insbesondere 7–21.
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1 Analyse 1.1 Apk 1,1–3 Die ersten Verse der Johannes-Offenbarung (Apk 1,1–3) geben die rezeptionsleitenden Koordinaten für das ganze Werk vor: Das Incipit ᾿Αποκάλυψις ᾿Ιησοῦ Χριστοῦ ἣν ἔδωκεν αὐτῷ ὁ θεὸς (Apk 1,1) – fern davon schon als Gattungsbezeichnung im engeren Sinn gelten zu können12 – ordnet die Schrift „dem Umkreis frühchristlicher Offenbarungsliteratur zu.“13 In keiner der wichtigen Apokalypse-Handschriften fehlt Apk 1,1–3. Es lassen sich keine Gründe für eine sekundäre Abfassung und damit notwenige literarische Trennung oder Nivellierung beibringen.14 In prophetischen wie apokalyptischen Schriften sind solche Titel gut bezeugt (vgl. Jer 1,1–3; Ez 1,1–3; Am 1,1; 1Hen 1,1–2; 93,1–3; 3Bar praef 1–2). Auf die literarische Funktion und die Erwartungen, die an solche einleitenden Sätze gestellt wurden, verweist Epiphanius von Salamis zu Beginn seiner Schrift Panarion (1,1,1): „Die antiken Autoren gaben im Vorwort oder in Anmerkungen, die sie wie einen Titel gestalteten, eine Vorstellung vom Inhalt ihres Werkes. So wollen auch wir jenen Stil zu Beginn unserer Schrift gebrauchen, geliebte Brüder, und in aller Kürze den wesentlichen Inhalt unseres Buches gegen die Sekten zusammenfassen.“15 So stellt auch Johannes „seinem Werk rezeptionslenkende Kurzhinweise zu Abfassung und Inhalt“16 voran. Die Herkunft der Offenbarung wird im genitivus subiectivus auf Jesus Christus und letztlich auf Gott zurückgeführt. Als Adressaten der Schrift erscheinen τοῖς δούλοις αὐτοῦ. Ihrem Modus der Vermittlung nach wird die visionäre Erschließung der Apokalypse in typisch sinnenfälliger Weise17 durch das Verb δεῖξαι charakterisiert und inhaltlich durch ἃ δεῖ γενέσθαι ἐν τάχει näher spezifiziert. Der Rekurs auf den Übermittlungsprozess (καὶ ἐσήµανεν ἀποστείλας διὰ τοῦ ἀγγέλου αὐτοῦ) führt den Seher Johannes ein (τῷ δούλῳ αὐτοῦ ᾿Ιωάννῃ), der als Vermittlungsinstanz zwischen der Offenbarung Jesu Christi und dem noch nicht näher bestimmten Adressatenkreis der Knechte fungiert. Er bezeugt den Anspruch der Offenbarung als τὸν λόγον τοῦ θεοῦ καὶ τὴν µαρτυρίαν ᾿Ιησοῦ Χριστοῦ (Apk 1,2) und ———————— 12 13 14
Vgl. AUNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 9), 3–4.12. KARRER, Brief (s. Anm. 3), 88. Vgl. A. Y. COLLINS, The Early Christian Apocalypses, in: J. J. Collins (Hg.), Apocalypse: The Morphology of a Genre, Semeia 14, Missoula 1979, 61–121 (71). 15 Epiphanius, Ancoratus und Panarion haer 1–33. Erster Band (Hg. von K. Holl), GCS 25, Leipzig 1915, 155. Vgl. für die englische Übersetzung: P. R. Amidon (Hg.), The Panarion of St. Epiphanius, Bishop of Salamis. Selected Passages, New York u.a. 1990, 5. 16 KARRER, Brief (s. Anm. 3), 93. 17 Vgl. dazu K. BACKHAUS, Apokalyptische Bilder? Die Vernunft der Vision in der Johannes-Offenbarung, EvTh 64 (2004), 421–437 (432–435).
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deren Inhalt (ὅσα εἶδεν). Der Makarismus in Apk 1,3 situiert die Schrift – zusammenfassend als τοὺς λόγους τῆς προφητείας bezeichnet – im Kontext des gemeindlichen Lesens und Hörens (ὁ ἀναγινώσκων καὶ οἱ ἀκούοντες), weist auf die lebenspraktischen Konsequenzen der schriftlich niedergelegten Offenbarung hin (τηροῦντες τὰ ἐν αὐτῇ γεγραµµένα) und betont – begründend wie motivierend – die Dringlichkeit der Zeit (ὁ γὰρ καιρὸς ἐγγύς). Besonderes Augenmerk verdient die Gesamtbezeichnung der Apokalypse als τοὺς λόγους τῆς προφητείας (Apk 1,3), die im Epilog und damit im Rückblick auf das Gesamt der Schrift um τοῦ βιβλίου (Apk 22,7.10.18.19) erweitert wird. In drei von vier Fällen erfährt die Schrift dort durch den demonstrativen Zusatz τούτου (Apk 22,7.10.18) eine zusätzliche Konzentration auf ihre Gestalt als Buch. Vor jedweder brieflichen Prägung steht die Apokalypse damit einer zunächst nicht in brieflicher Korrespondenz geographisch lokalisierten, sondern durch die persönliche Beziehung zu Christus bzw. Gott bestimmten Adressatengemeinde als prophetische Schrift vor Augen.18 Die brieflichen Elemente sind motivischer und funktionaler Teil der Visionswelt und dieser ersten Charakterisierung der Apokalypse als Buch ein- bzw. unterzuordnen.19 Im Medium des Buches sind alle Inhalte der Offenbarung, die unterschiedlichen literarischen Gattungen, Visionen, Motive und Bilder zusammengefasst. Ins Medium eines prophetischen Buches trägt der Seher – schon vorausgeblickt auf den Schreibbefehl in Apk 1,11 (γράψον εἰς βιβλίον) und deutlich durch die Charakterisierung der Schrift als Buch im Epilog – die ergangene Offenbarung ein und legt sie seinen Adressaten zur lesenden und hörenden Aktualisierung vor. So ist die gemeindliche Verlesung der Schrift nicht in erster Linie an ihren brieflichen Charakter, sondern an ihr Selbstverständnis als prophetisches Buch gebunden. Ein wesentlicher Rezeptionsschlüssel zum Verstehen der JohannesOffenbarung und zur Verhältnisbestimmung von Buch- und Briefmotiven wird deutlich: Ihrem Selbstverständnis nach präsentiert sich die JohannesOffenbarung als ein prophetisches Buch. Innerhalb des Buches fungieren Briefe als motivische und literarische Träger eines kommunikativen Potentials, das in der Adressatenorientierung des Briefpräskripts (Apk 1,4–6) verankert wird und sich in den sieben Sendschreiben (Apk 2,1–3,22) konkretisiert. Doch sind gerade die brieflichen Elemente als Teil des Buches der Offenbarung zu interpretieren. So merkt Adela Yarbro Collins an: „It ———————— 18
Auf die „theologiegeschichtliche und textpragmatische Näherbestimmung“ der Johannes-Offenbarung als prophetische Schrift, die „keine Alternative zur Gattungsbestimmung ‚Apokalypseʻ“ darstellt, verweist BACKHAUS, Vision (s. Anm. 10), 31–32. 19 Vgl. – auch in Absetzung von KARRER, Brief (s. Anm. 3) – zur Einordnung der Briefelemente „in den Rahmen der Offenbarungsschrift“ MÜLLER, Buch (s. Anm. 1), 297.
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has often been noted that the visions of the book of Revelation are enclosed within an epistolary framework, yet it would be an error of misplaced emphasis to say that the book of Revelation is primarily a letter in form. The epistolary form is subordinated to and in the service of the book’s revelatory character.“20 1.2 Apk 1,4–8 Nachdem in kondensierter Form die Herkunft, der Inhalt, der Überlieferungsprozess, die Adressaten und die Funktion der Offenbarung benannt sind, setzt mit Apk 1,4 das Briefpräskript ein. Allein die Tatsache dieser Nachordnung des Briefformulars spricht für die Überordnung des Großmediums Buch und lässt nach der Funktion der darin zu verortenden brieflichen Elemente fragen. Bereits Apk 1,1 gab final das Ziel der Ἀποκάλυψις ᾿Ιησοῦ Χριστοῦ an: δεῖξαι τοῖς δούλοις αὐτοῦ ἃ δεῖ γενέσθαι ἐν τάχει. Als erster Empfänger der Offenbarung wird Johannes vorgestellt. Mit Aufnahme des Briefformulars löst er seine in Apk 1,1 angedeutete Vermittlerrolle ein. Er wendet sich aus der noch weit gefassten Adressatenschaft der τοῖς δούλοις αὐτου21 und aller Leser wie Hörer der Schrift im Allgemeinen (Apk 1,3) an die sieben Gemeinden der Provinz Asia (Apk 1,4a). Die briefliche Anrede stiftet Kommunikation zwischen Johannes und den kleinasiatischen Gemeinden, die damit als zunächst nur geographisch lokalisierte Empfänger aus dem universalen Adressatenkreis herausgehoben und angesprochen werden. Festzuhalten bleibt, dass die Anrede in der 2. Person Plural (χάρις ὑµῖν καὶ εἰρήνη) die umfassende Gültigkeit und Zielrichtung der ergangenen Offenbarung nicht einschränkt, sondern auf die ἑπτὰ ἐκκλησίαις ταῖς ἐν τῇ ᾿Ασίᾳ hin konkretisiert. Nach dem Briefpräskript greifen der Prophetenund Gottesspruch (πᾶς ὀφθαλµὸς, πᾶσαι αἱ φυλαὶ τῆς γῆς, ὁ παντοκράτωρ, Apk 1,7–8) die universale Perspektive erneut auf und ordnen den konkretisierten Adressatenkreis dem letztlich weltumspannenden Bedeutungsrahmen der Apokalypse zu. Zugleich fasst Apk 1,4–8 die theologische (Apk 1,4c.8), soteriologische (Apk 1,5–6a) und eschatologische (Apk 1,7) Grundaussage der Offenbarung zusammen und bereitet damit schon auf die Visionen und die darin symbolsprachlich entfalteten Gehalte vor.22 Mit der brieflichen Anrede ———————— 20 A. Y. C OLLINS, Apocalypses (s. Anm. 14), 70; ebenso D IES., The Apocalypse, New Testament Message 22, Wilmington 1979, x, zum Buch der Offenbarung: „whoever tries to read it as a letter will be severely frustrated.“ 21 Vgl. I. T. BECKWITH, The Apocalypse of John. Studies in Introduction with a Critical and Exegetical Commentary, Eugene 2001 (11919), 419. 22 Zur Vorstellung von Christus als treuen Zeugen: Apk 3,14; 22,20; zu den Königen der Erde: Apk 6,15; 10,11; 16,12.14; 17,2.18; 18,3.9; 19,18.19; 21,24; zur Erlösung
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zeichnet der Seher die kleinasiatischen Adressaten in das Heilsgeschehen ein. Er beschreibt die Wirklichkeit der christlichen Gemeinde in der 1. Person Plural (τῷ ἀγαπῶντι ἡµᾶς καὶ λύσαντι ἡµᾶς ἐκ τῶν ἁµαρτιῶν ἡµῶν ἐν τῷ αἵµατι αὐτοῦ, καὶ ἐποίησεν ἡµᾶς βασιλείαν, ἱερεῖς τῷ θεῷ καὶ πατρὶ αὐτοῦ, Apk 1,5b–6a), verdeutlicht die indikativischen Konsequenzen des Heilsmysteriums und legt damit die Rezeptionsbasis für das Gesamt der visionären Welterschließung und dessen imperativische Zuspitzung in den Sendschreiben. Als von Christus geliebte und erlöste, königliche und priesterliche Gemeinschaft tritt die christliche Minorität in die Verlesung der Offenbarung ein. Auf die im Titel des Buches betonte Nähe und Dringlichkeit der Zeit (Apk 1,1.3) antwortet die mit der salutatio (Apk 1,4b.c) und der Gottesprädikation (Apk 1,8) verbundene Dreizeitenformel: Inmitten der θλῖψις der Gemeinde (vgl. Apk 1,9; 2,9.10; 7,14) wird der christlichen Minorität nicht ein Gott vor Augen gestellt, der sein wird (ὁ ἐσόµενος), sondern der kommt (ὁ ἐρχόµενος). Prophetisch greift dies Apk 1,7 auf und expliziert das Kommen Gottes mit dem Kommen Christi. Damit steht die gesamte Schrift unter der Erwartung dieses im Kommen befindlichen Gottes. Im Briefpräskript weckt Johannes diese Erwartungshaltung und löst sie im Medium des prophetischen Buches ein. Die Apokalypse enthüllt das Kommen Gottes, das in der gemeindlichen Verlesung inszeniert und am Ende mit der Bitte um das Kommen Jesu beantwortet wird (Apk 22,20). So lässt sich Apk 1,4–6 nach der Bucheröffnung und vor Beginn der eigentlichen Visionsschilderung in Apk 1,10 als kommunikationsstiftende und die Rezeptionshaltung grundlegende Einheit verstehen. Beschließen Doxologien in der neutestamentlichen Briefliteratur Hauptteile eines Briefes (vgl. Phil 4,20; 1Tim 1,17; Hebr 13,21) oder den gesamten Brief (vgl. Röm 16,25–27; 2Petr 3,18; Jud 24–25; ebenso 1Clem 65,2)23, beendet die Doxologie in Apk 1,6b mit einem responsorischen ἀµήν24 das Briefpräskript. Das Aufmerksamkeit fordernde und Gültigkeit betonende ἰδού (Apk 1,7) leitet auf die prophetische Ankündigung des kommenden Christus und die Gottesprädikation (Apk 1,8) über. Die briefliche Anredeform tritt in den Hintergrund und wird lediglich im Schlussgruß (Apk 22,21) noch einmal aufgegriffen. Die Visionswelt des Buches ist eröffnet.
———————— durch das Blut Christi: Apk 5,9; 7,14; 12,11; 19,13; zur Priesterschaft Gottes: Apk 5,10; 20,6. 23 Vgl. D. E. AUNE, Apocalypse Renewed. An Intertextual Reading of the Apocalypse of John, in: D. L. Barr (Hg.), The Reality of Apocalypse. Rhetoric and Politics in the Book of Revelation, Symposium Series 39, Atlanta 2006, 43–70 (49). 24 Vgl. J. R OLOFF, Die Offenbarung des Johannes, ZBK.NT 18, Zürich 3 2001, 35.
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1.3 Apk 1,9–3,22 Sachlich und inhaltlich greift Apk 1,9 auf den im Buchtitel beschriebenen Offenbarungsempfang (Apk 1,1) zurück und nimmt den – durch das Briefpräskript unterbrochenen – Erzählfaden wieder auf. In paralleler Formulierung zu Apk 1,2 charakterisiert sich der Seher als Zeuge für das Wort Gottes und Jesus Christus (διὰ τὸν λόγον τοῦ θεοῦ καὶ τὴν µαρτυρίαν ᾿Ιησοῦ). Er begründet damit seinen Aufenthalt auf der Insel Patmos und präzisiert den ergangenen Offenbarungsempfang in örtlicher und zeitlicher (ἐν τῇ κυριακῇ ἡµέρᾳ, Apk 1,10) Hinsicht. Zur Kennzeichnung seiner Situation betont er die Gemeinsamkeiten zwischen sich und den kleinasiatischen Christen: als ihr Bruder und Mitgenosse (ὁ ἀδελφὸς ὑµῶν καὶ συγκοινωνός) steht er in derselben Bedrängnis (ἐν τῇ θλίψει) und harrt mit ihnen – im Wissen um die Teilhabe an der Königsherrschaft – geduldig in Jesus aus (καὶ βασιλείᾳ καὶ ὑποµονῇ ἐν ᾿Ιησοῦ). Der Seher nutzt das im Briefpräskript grundgelegte kommunikative Potential: Er stellt sich als ὁ ἀδελφὸς ὑµῶν vor und führt sich als nahen und glaubwürdigen Zeugen für die nachfolgende Vision ein. Die Hervorhebung der gemeinsamen Situation vertieft die persönliche Kommunikation lebensweltlich und theologisch: Der gemeinsame gesellschaftliche und schon soteriologisch gedeutete Hintergrund macht die nun folgende Offenbarung für Johannes und die christliche Minorität gleichermaßen bedeutsam. Mit Apk 1,11 wird der Seher beauftragt, im Medium eines Buches niederzulegen (γράψον εἰς βιβλίον), was er sieht. Diese noch interpretationsoffene Inhaltsangabe – handelt es sich nur um die Niederschrift der Christusbegegnung? – wird durch die Wiederholung des Schreibbefehls in Apk 1,19 präzisiert. Der Inhalt des Buches sind die Beauftragungsvision (γράψον οὖν ἃ εἶδες) (Apk 1,12–18), die Sendschreiben (καὶ ἃ εἰσίν) (Apk 1,20 – 3,22) und die visionären Zyklen des apokalyptischen Hauptteils (καὶ ἃ µέλλει γενέσθαι µετὰ ταῦτα) (Apk 4,1 – 22,20).25 Dagegen stehen der Buchtitel und die briefliche Einleitung mit den prophetischen Orakeln außerhalb der Schrift: Als einleitende Rezeptionshinweise vor Beginn des eigentlichen Offenbarungsbuches fassen sie dessen Inhalt zusammen und stellen einen Kommunikationskontext her. Auf den Schreibbefehl folgt der Versendungsauftrag (καὶ πέµψον, Apk 1,11), der als Adressaten des gesamten Buches die kleinasiatischen Gemeinden – im Vergleich zu Apk 1,4 – nun namentlich nennt (ταῖς ἑπτὰ ἐκκλησίαις, εἰς ῎Εφεσον καὶ εἰς Σµύρναν καὶ εἰς Πέργαµον καὶ εἰς Θυάτειρα καὶ εἰς Σάρδεις καὶ εἰς Φιλαδέλφειαν καὶ εἰς Λαοδίκειαν). Jedes Sendschreiben richtet sich an je eine Gemeinde (vgl. Apk 2,1.8.12.18; 3,1.7.14). Der universale Weckruf am Ende des jeweiligen Briefes weitet die Adres———————— 25
Vgl. MÜLLER, Buch (s. Anm. 1), 293–294.
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satenschaft aber auf alle Hörer aus (vgl. Apk 2,7.11.17.29; 3,6.13.22). Zudem sind mit dem ganzen Buch die Sendschreiben als dessen integraler Teil zu verlesen: Was den Gemeinden einzeln gesagt wird, soll von allen gehört werden. So schränkt die gewählte Briefform im Medium des Buches das Wirkungspotential der Sendschreiben nicht ein. Der paränetische Gehalt des einzelnen Briefes wird auf den Kreis aller Zuhörer ausgeweitet. Zugleich verdeutlicht die direkte Anrede die Relevanz der Offenbarung im Lebenskontext der einzelnen Gemeinde. Die Sendschreiben transponieren die universale Bedeutung der Offenbarung vom kommenden Gott (Apk 1,1.3.4.8) in die Lebenswirklichkeit der jeweiligen Gemeinde hinein und verdeutlichen die lebenspraktischen Konsequenzen. Jede Gemeinde ist in ihrer eigenen Verantwortung angesprochen. Durch die literarische Form einzelner Sendschreiben und die Auffächerung des Adressatenkreises lassen sich die Konfliktherde im Einzelnen ausdifferenzieren. Das Heidentum zeigt sich als Gegner (vgl. Apk 2,10.13. 14.20). Die Weigerung, am Kaiserkult und an den gesellschaftlichen Gepflogenheiten der Staatsmacht teilzunehmen, zwingt die Christen in die gesellschaftliche Marginalisierung. Von Seiten des Judentums sieht sich die christliche Gemeinde theologisch herausgefordert und gesellschaftlich in Bedrängnis gebracht (vgl. Apk 2,9; 3,9). Das Christentum tritt mit seinem Glauben an Jesus als Heilsträger heraus aus dem Schutzschild des Judentums als religio licita. Die gesellschaftlichen Pressalien, die sogar weitere Martyrien erwarten lassen (vgl. Apk 2,10; 3,10), fördern die Anpassung an die Mehrheitsgesellschaft und die Suche nach Kompromissen (vgl. Apk 2,6.14.15.20). Vor dem Hintergrund dieses lebensweltlich erfahrenen Widerspruchs zwischen βασιλεία und θλῖψις enthüllt das Buch der Apokalypse die endgültige Durchsetzung Gottes und Jesu Christi und formt die christliche Gemeinde – mit Blick auf das himmlische Jerusalem (vgl. Apk 18,4) – zu einer Kontrastgesellschaft. Immer geht es in den Sendschreiben um ein kompromissloses Festhalten am christlichen Bekenntnis, das aber im Kontext der jeweiligen Gemeinde zu je unterschiedlichen Mahnungen führt und entsprechende Verhaltensweisen fordert. Schließlich sind die Sendschreiben als Teil des Großmediums Buch in ihrer rezeptionsstützenden Funktion der visionären Erschließung wahrzunehmen. In ihrer symbolsprachlichen Vermittlung sind die Einzelbriefe fester Bestandteil der apokalyptischen Weltwahrnehmung und unterscheiden sich in ihrer visionär geprägten referentiellen Sprache vom Titel und von der brieflichen Einleitung des Buches.26 Schon die Adressierung der ———————— 26 Der These einer sekundären Hinzufügung oder ursprünglich literarischen Eigenständigkeit der Sendschreiben ist mit Verweis auf deren motivische Beziehung zum engeren und weiteren Kontext des Buches zu begegnen. Motive, mit denen Christus in der Beauftragungsvision beschrieben wird, werden in der Botenformel der Sendschreiben
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Sendschreiben an den Engel der Gemeinde (τῷ ἀγγέλῳ τῆς ἐν κτλ. ἐκκλησίας γράψον) spricht die Gemeinde in ihrer überirdischen Gestalt an und macht sie zum Teil der Visionswelt. Die im Modus der visionären Erschließung im apokalyptischen Hauptteil gebrauchten Metaphern werden in den Sendschreiben zeitgeschichtlich verankert und konkretisiert. Die Schar derer (Apk 7,9–17), die aus der großen Bedrängnis kommen, findet ihr historisches Beispiel im treuen Zeugen Antipas (Apk 2,13). Die Macht des Tieres (Apk 13,1–10) lässt sich mit Apk 3,17–18 als politischer und wirtschaftlicher Einfluss des römischen Reiches entschlüsseln. Die in Pergamon und Thyatira kritisierte Verführung, Götzenopferfleisch zu essen und Unzucht zu treiben (Apk 2,14–15.20), kann mit dem Bild der Hure Babylon in Apk 17,1–6 gedeutet werden, deren Verführungskunst historisch spezifiziert und zugleich theologisch demaskiert wird. Die Sendschreiben machen die religiöse, politische und soziale Wirklichkeit Kleinasiens zum Verständnisschlüssel des apokalyptischen Hauptteils. Mit Apk 4,1 wird die gesellschaftliche Wirklichkeit in die Weite des Himmels gestellt. Die Konflikte werden nicht mehr auf der Bühne des Weltgeschehens, sondern vor der Kulisse des himmlischen Thronsaales ausgetragen und schließlich gelöst. Die lebenspraktischen Konsequenzen dieses kosmischen Dramas sind in den Sendschreiben vorweggenommen und in der Lebenswelt der Einzelgemeinden konkretisiert.
2 Auswertung In der vorangegangenen Analyse wurden vor allem jene motivischen, literarischen und kommunikativen Gehalte deutlich, die sich an die briefliche Stilisierung der Offenbarung im Briefpräskript und die Verwendung der ———————— aufgegriffen (vgl. Apk 2,1 – 1,12–13.16.20 / 2,8 – 1,5.17–18 / 2,12 – 1,16 / 2,18 – 1,14f./ 3,1 – 1,16.20 / 3,7 – 1,2.5.17 / 3,14 – 1,2.5.16). Die einzelnen Motive in den Überwindersprüchen finden sich am Ende des Buches wieder (vgl. Apk 2,7b – 22,2.14 / 2,11b – 20,6.14; 21,8 / 2,17b – 22,4 / 2,26–28 – 20,6; 22,16 / 3,5 – 20,12.15; 21,27 / 3,12 – 21,2; 22,4 / 3,21 – 20,4; 22,5). Die Sendschreiben konkretisieren die vom Buch als Ganzem unternommene Enthüllung der Wirklichkeit, sind damit deutlich im Korpus des Buches verankert und als fester Bestandteil des apokalyptischen Entwurfes zu interpretieren. Vgl. für die literarische Integrität und ursprüngliche Zugehörigkeit der Sendschreiben zur Johannes-Offenbarung: B. KOWALSKI, Das Verhältnis von Theologie und Zeitgeschichte in den Sendschreiben der Johannes-Offenbarung, in: Backhaus, Vision (s. Anm. 10), 54– 76 (55–56); F. HAHN, Die Sendschreiben der Johannesapokalypse. Ein Beitrag zur Bestimmung prophetischer Redeformen, in: G. Jeremias / H.-W. Kuhn / H. Stegemann (Hg.), Tradition und Glaube. Das frühe Christentum in seiner Umwelt (FS Karl Georg Kuhn), Göttingen 1971, 357–394 (362); B. W ITHERINGTON III, Revelation, New Cambridge Bible Commentary, Cambridge 2003, 90.
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sieben Sendschreiben innerhalb des Großmediums Buch binden. Vor dem Hintergrund des in Apk 22,6–21 reflektierten inhaltlichen wie theologischen Anspruchs der gesamten Schrift lassen sich die Bedeutung und die Funktion der Briefelemente auswerten und zusammenfassen. Die an Johannes ergangene Offenbarung findet ihren literarischen Niederschlag im Medium des Buches, auf dessen Herkunft, Wesen, Inhalt und Wirkung der Epilog rekurriert. 2.1 Briefe als Träger eines kommunikativen Potentials Die briefliche Anrede der kleinasiatischen Adressaten im Präskript wie zu Beginn der Sendschreiben und der Schlussgruß (῾Η χάρις τοῦ κυρίου ᾿Ιησοῦ µετὰ πάντων, Apk 22,21) stellen das Buch der Offenbarung in eine Kommunikationssituation. Gerade am Beginn und Ende des Buches fundieren und stabilisieren die brieflichen Elemente eine Kommunikation zwischen Christus und seinen Gemeinden, vermittelt durch den Seher Johannes. Diese Kommunikation wird durch die Betonung der persönlichen Beziehung zwischen Johannes und den kleinasiatischen Christen (Apk 1,4) in ihrer Zuverlässigkeit gestützt: Johannes fungiert als bekannter Gewährsmann (Apk 1,9), der sich für die von ihm gehörte und geschaute Offenbarung persönlich verbürgt (Κἀγὼ ᾿Ιωάννης ὁ ἀκούων καὶ βλέπων ταῦτα, Apk 22,8). Der schon soteriologisch gedeutete zeitgeschichtliche Hintergrund (Apk 1,9) ist der gemeinsame Kontext, der die Kommunikationspartner miteinander verbindet und den Grund für die gemeinsame Relevanz der Offenbarung legt. Die Anrede im Schlussgnadenwunsch27 greift die direkte Kommunikation von Apk 1,4 auf und entlässt die Leser und Hörer des Buches in ihre jeweilige Lebenswelt hinein: Aus der Verlesung der Schrift folgt das Halten der Worte (µακάριος ὁ τηρῶν τοὺς λόγους, Apk 22,7), das unter die Zusage der bleibenden Nähe Jesu gestellt wird. Mit der brieflichen Stilisierung ist ein kommunikatives Potential verbunden, das Johannes in Beziehung zu den kleinasiatischen Adressaten setzt, die Offenbarung in einen Kommunikationskontext bettet und in der persönlichen Kommunikation autoritativ verankert. Zugleich gewährleistet das Medium des Briefes die Verlesung des Buches und gibt den Rezeptionsmodus und den Rezeptionskontext der Schrift vor: Im lesenden und hörenden Verfolgen der Gemeinde vollziehen sich die Inszenierung des
———————— 27 Die textkritische Situation des Verses stellt sich – bedingt durch die Anpassung an das paulinische Briefformular – keineswegs einheitlich dar. Für eine Besprechung der einzelnen handschriftlichen Varianten vgl. G. R. OSBORNE, Revelation, Baker Exegetical Commentary on the New Testament, Grand Rapids 2002, 799.
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Buches und die Aktualisierung seines Inhalts.28 Die brieflichen Elemente stehen im Dienst dieses wechselseitigen Prozesses von Verschriftlichung und Aktualisierung und unterstreichen den Charakter des Buches als Offenbarungsschrift, die auf eine „aktualisierende Weitergabe zielt.“29 Ebenso tritt mit dem Schreibbefehl am Beginn der jeweiligen Sendschreiben, der namentlichen Nennung der einzelnen Stadtgemeinde, der durchgängigen Anrede in der zweiten Person Singular wie überhaupt durch den Gebrauch des Mediums Brief Christus in direkte Kommunikation mit den Gemeinden. Christus weiß um den Zustand der Gemeinden (οἶδα, Apk 2,2.9.13.19; 3,1.8.15), er lobt (Apk 2,2–3.6.9.13.19; 3,4.8.10) und tadelt (Apk 2,4.14–15.20; 3,1.15–17), benennt Bedrohung und Gefahren für die Glaubenspraxis (Apk 2,10.14.20; 3,9), mahnt zur Umkehr und fordert konkrete Schritte der Verhaltensänderung (Apk 2,5.16.21–22; 3,2–3.18–19). Die Sendschreiben lösen die Aussage des Bilds vom Wandel Christi inmitten der sieben Leuchter in der Beauftragungsvision (in Apk 1,12–13.20) ein: Christus steht in enger Beziehung zu den Gemeinden, wacht über sie, kommuniziert mit ihnen in der brieflichen Stilisierung eines kaiserlichen Ediktes,30 macht so das Leben der jeweiligen Gemeinde transparent und fordert lebenspraktische Konsequenzen ein. 2.2 Briefe als Konkretisierung der lebenspraktischen Konsequenzen Das Buch der Offenbarung enthüllt Gott als παντοκράτωρ (Apk 1,8; 4,8; 11,17; 15,3; 16,7.14; 19,6.15; 21,22). In einer dezidiert christlichen Selbstdefinition sollen sich die Gemeinden als königliche Priesterschaft Gottes (Apk 1,6) verstehen, deren verbindendes Fundament das Halten der Worte des Buches ist (µακάριος ὁ τηρῶν τοὺς λόγους τῆς προφητείας τοῦ βιβλίου τούτου, Apk 22,7; ebenso: Apk 1,3; 2,26; 3,3.8; 22,9). Der θλῖψις der Gemeinden setzt die Apokalypse als ureigenen Lebensort der Christen „die entgrenzte Perspektive eines anziehenden Himmels“31 entgegen. Daran ist die Aufforderung gebunden, die Abgrenzung von der Mehrheitsgesellschaft deutlich zu vollziehen, die Integration in die urbane Kultur des Römer———————— 28 Auf die Erwartung des Sehers, „daß sein Buch im Gottesdienst der Gemeinden vorgelesen wird“ verweist U. B. MÜLLER, Die Offenbarung des Johannes, ÖTBK 19, Gütersloh u.a. 21995, 367; ebenso: ROLOFF, Offenbarung (s. Anm. 24), 212f. 29 MÜLLER, Buch (s. Anm. 1), 300. 30 Vgl. dazu D. E. AUNE, The Form and Function of the Proclamations to the Seven Churches (Revelation 2–3), NTS 36 (1990), 182–204 (198–204), der unter Gewichtung der einleitenden Formulierung τάδε λέγει (Apk 2,1.8.12.18; 3,1.7.14) die Sendschreiben als „royal or imperial edicts“ fasst und mit der Wahl dieser Form eine theologische Aussage verbindet: „John has consciously employed the form of the royal or imperial edict as part of his strategy to emphasize the fact that Christ is the true king in contrast to the Roman emperor who is both a clone and tool of Satan.“ (204). 31 BACKHAUS, Apokalyptische Bilder (s. Anm. 17), 424.
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reichs entschieden zu verweigern (ἐξέλθατε ὁ λαός µου, Apk 18,4) und eine auch soziologisch zu verstehende Kontrastgesellschaft zu formen.32 Die Apokalypse strengt einen „liminalen Prozess“33 an, der sich für den Seher aus dem Herrschersein Gottes und dem bereits errungenen Sieg seines Gesalbten ergibt (Apk 12,10) und sein Ziel in der Stabilisierung der christlichen Identität inmitten der pluralen Mittelmeerkultur findet. Die lebenspraktische Ausgestaltung dieser Auszugsbewegung, die sich aus dem Herrschersein Gottes und dem bereits errungenen Sieg seines Gesalbten (Apk 12,10) ergibt, veranschaulichen die Sendschreiben als integraler Bestandteil des Buches. Der Gemeinde von Pergamon wird – angesichts der gottgleichen Verehrung des Kaisers (Apk 2,13) – Gott als alleinigen Herrscher vor Augen gestellt, der allein als „dominus et deus“ (Suet.Dom. 13.2; Dio Cassius, 67,4,7; 67,13,4; Martial 10,72,3,8)34 zu bezeichnen ist und eine Teilnahme am Kaiserkult verbietet. Die finanzielle Sicherheit und Unabhängigkeit, die für die Gemeinde von Laodizea aus dem lokalen Bankwesen und der Textil- und Heilmittelindustrie resultieren, werden angesichts des Sieges Christi in ihrem trügerischen Schein und ihrer Hinfälligkeit entlarvt (Apk 3,17–18). Der Seher warnt somit auch vor den wirtschaftlichen Attraktivitätsfaktoren des Römerreichs und plädiert für eine kognitive und ökonomische Distanzierung von der Gesellschaft. In Ephesus, Pergamon und Thyatira wendet sich Johannes mit der Nennung der Nikolaiten (Apk 2,6.15), der Anhänger der Lehre Bileams (Apk 2,14) und der Prophetin Isebel (Apk 2,20) gegen innergemeindliche Assimilierungstendenzen an die heidnische Umwelt. Er fordert den Verzicht auf die Teilnahme an paganen sakralen Mahlzeiten, öffentlichen Veranstaltungen und Festlichkeiten mit religiösem Charakter. Die Apokalypse stellt sich von „ihrem ethischen Impetus her (…) als ein Text dar, der die Christen zur Besinnung auf die imperativischen Implikationen des Heilsindikativs ruft, in dem sie stehen“35. Das IndikativImperativ-Schema der paulinischen Briefliteratur (vgl. als vielfach zitierten locus classicus Gal 5,25) ließe erwarten, dass die theologische Grundlegung (vgl. Röm 1–11) vor der Paränese (vgl. Röm 12–15) steht, die den indikativischen Heilsstatus expliziert und in das gemeindliche Leben über———————— 32 Vgl. B. J. LIETAERT P EERBOLTE, To Worship the Beast. The Revelation of John and the Imperial Cult in Asia Minor, in: M. Labahn / J. Zangenberg (Hg.), Zwischen den Reichen. Neues Testament und Römische Herrschaft. Vorträge auf der Ersten Konferenz der European Association for Biblical Studies, TANZ 36, Tübingen 2002, 239–259 (257). 33 Vgl. dazu M. KARRER, Der Brief an die Hebräer, ÖTBK 20, Gütersloh u.a. 2002, 48–53. 34 Vgl. H.-J. KLAUCK, Das Sendschreiben nach Pergamon und der Kaiserkult in der Johannesoffenbarung, Bib. 73 (1992), 153–182 (171–174). 35 KARRER, Brief (s. Anm. 3), 210.
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setzt.36 Die Johannes-Offenbarung beginnt mit der paränetischen Adressierung der kleinasiatischen Gemeinden und entfaltet erst anschließend mit der visionären Enthüllung des Sieges Christi den Heilsindikativ.37 Das Medium des Briefes ist Träger der Paränese. Die Briefe stellen vor den Beginn des apokalyptischen Hauptteils die ethischen Konsequenzen und betten die visionäre Schau damit von Anfang an in einen konkreten Adressatenbezug: Die visionären Bilder und Zyklen sind vor der Kulisse der Sendschreiben lebensweltlich zu deuten und erklären – begründend wie motivierend – die vorangestellten imperativischen Inhalte der Briefe. Die Paränese ist damit sowohl als Konsequenz der visionären Schau wie auch als praktisch-ethische Prolepsis der endgültigen Durchsetzung Gottes zu interpretieren. 2.3 Briefe in der Rezeption eines symbolischen Universums Als prophetisch-apokalyptisches Buch (Apk 22,7.10.18.19) enthüllt die Offenbarung ihren Adressaten einen religiösen Wissensvorrat: Im apokalyptischen Hauptteil wird die θλῖψις der Gemeinde als Nachwehen eines längst errungenen kosmischen Sieges erklärt und gedeutet (Apk 12,17). Die brieflichen Elemente erden den apokalyptischen Symbolkosmos in der kleinasiatischen Lebenswelt und bringen zugleich die gesellschaftliche Wirklichkeit in das Medium des Buches ein, um sie dort im Modus der visionären Erschließung und symbolsprachlichen Vermittlung zu transformieren. ———————— 36
Zweifellos greifen die theologische Grundlegung und die Paränese für Paulus wie Johannes ineinander, vgl. dazu J. D. DUNN, The Theology of Paul the Apostle, Grand Rapids – Cambridge 2006, 630: „To reduce Paul’s paraenesis to an afterthought is to misunderstand Paul’s theology. The imperative is the inevitable outworking of the indicative.“ Das Nacheinander von Indikativ und Imperativ ist damit nicht nur als Ausdruck eines theologischen Verhältnisses zu verstehen, sondern ebenso vom rhetorischen und textpragmatischen Interesse des Verfassers beeinflusst und von der Gattung, dem paränetischen Anliegen und dem gemeindlichen Hintergrund der Schrift geprägt. 37 Die Erwähnung der Erlösungstat Christi in Apk 1,5, die Anrede der Gemeinde als königliche Priesterschaft Gottes in Apk 1,6, die prophetischen Orakel in Apk 1,7–8 und die christologischen Inhalte der Botenformel am Beginn der Sendschreiben können schon als indikativische Zusage des Heils verstanden werden. Sie benennen den theologischen Verständnisrahmen der Sendschreiben, werden aber im eigentlichen Sinn erst im apokalyptischen Hauptteil weiter entfaltet. Sie sind in ihrer die Autorität und den Anspruch der Paränese grundlegenden Funktion wahrzunehmen. BERGER, Formen (s. Anm. 6), 220, verweist als typisches „Merkmal brieflicher Mahnrede“ auf „die sog. ‚angehängte Mahnrede‘: Auf eine längere sachliche Erörterung folgt eine Art ‚Anwendung‘ als Mahnrede, so etwa Phil 4,1ff. nach Phil 3,18–21; 1 Kor 15,58 nach 1 Kor 15,1–57; Hebr 10,19–39 nach Hebr 7,1–10,18; Hebr 12,1–11 nach Hebr 11,1ff.; 1 Petr 1,13 nach 1 Petr 1,3–12; Eph 3,13 nach Eph 3,1–12.“ Gerade von diesem Schema hebt sich die Johannes-Offenbarung durch die Voranstellung der paränetisch gehaltenen Sendschreiben ab. Der darauf folgende apokalyptische Hauptteil greift die Bilderwelt und Motivik der einzelnen Briefe auf und entfaltet deren theologische Prämissen im Modus der visionären Erschließung.
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Mit der brieflichen Adressierung an die sieben kleinasiatischen Gemeinden ist der Rezeptionshintergrund der einzelnen Bilder und visionären Zyklen benannt. Die mediale Form des Briefes übernimmt eine Brückenfunktion, führt die Hörer in den Symbolkosmos des Buches ein und entlässt sie am Ende in ihre eigene Lebenswirklichkeit.38 An die direkte Anrede der Gemeinden (Apk 1,4) ist ein Gnadenwunsch gebunden, der die christologische und soteriologische Grundaussage des apokalyptischen Hauptteils aufgreift (Apk 1,4–8) und schon auf die Visionswelt des Buches vorbereitet. Die Sendschreiben entschlüsseln die Symbolisierung im apokalyptischen Hauptteil und verbinden die visionären Zyklen des Buches mit der historischen, gesellschaftlichen, religiösen und politischen Situation Kleinasiens. Die dort fassbaren Personen (Apk 2,2.6.13.14.15.20; 3,4), Institutionen und Gruppierungen (Apk 2,9–10.24; 3,9), Gebäude (Apk 2,13; 3,9) und ökonomischen (Apk 3,17–18) wie ökologischen (Apk 3,15– 16) Hintergründe bestimmen rezeptionsleitend das Verstehen und die Interpretation des apokalyptischen Hauptteils. Am Ende verbindet der Epilog die Symbolwelt des Buches mit der Lebenswelt Kleinasiens: Das Buch wird gerade im Gegensatz zu anderen apokalyptischen Schriften (vgl. Dan 8,26; 12,4.9; ferner 4Esr 12,37; 14,5– 6.45–46; AssMos 1,17–18; 1Hen 1,2) nicht versiegelt, sondern ausdrücklich offen gehalten (Apk 22,10). Das Buch zielt auf „die bedrängende Situation der Gegenwart.“39 Der liturgisch geprägte Schlussteil40 lässt die Visionswelt des Buches in die lesende und hörende Versammlung der Gemein———————— 38 Erhellend sind in dieser Hinsicht die Ausführungen von D. L. B ARR, The Apocalypse as a Symbolic Transformation of the World. A Literary Analysis, Interpretation 38 (1984), 39–50 (46): „This common setting constitutes a frame, and in this frame John directly addresses the reader/hearers, blesses them, and carries out the fiction of a letter (1:4–5 and 22:21). This direct address to the reader is of prime literary significance for it bridges the gap between the normal world and the fictive world (or in Peter Berger’s terms, between the paramount reality and a finite province of meaning). That is, the Apocalypse consists of a fantastic journey into another reality, a journey that begins and ends in the real world.“ Auf die thematischen Parallelen zwischen Prolog und Epilog – wie etwa δεῖξαι τοῖς δούλοις (Apk 1,1 – Apk 22,6), der göttliche Ursprung der Schrift (Apk 1,1 – Apk 22,6), die Seligpreisung des Lesens, Hörens bzw. Haltens der Worte (Apk 1,3 – Apk 22,7) sowie τὸ ἄλφα καὶ τὸ ὦ (Apk 1,8 – Apk 22,13) – verweisen R OLOFF, Offenbarung (s. Anm. 24), 209, und OSBORNE, Revelation (s. Anm. 27), 777–778. 39 A. VÖGTLE, Das Buch mit den sieben Siegeln. Die Offenbarung des Johannes in Auswahl gedeutet, Freiburg – Basel – Wien 1981, 185. 40 Vgl. dazu J.-P. R UIZ, Betwixt and Between on the Lord’s Day. Liturgy and the Apocalypse, in: Barr, Reality of Apocalypse (s. Anm. 23), 221–241 (221–233). Eine Darstellung der verschiedenen – durchaus disparaten – Vorschläge zur liturgischen Prägung des Schlussteils und eine Besprechung wie Wertung der Theorien im Einzelnen bietet D. E. AUNE, Revelation 17–22, WBC 52C, Nashville 1998, 1206–1208.
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den münden.41 Der Gnadenwunsch beschließt die Visionswelt und greift auf die Umsetzung und Gestaltung der visionären Vermittlung aus: Die brieflichen Elemente am Anfang und Ende des Buches verbinden den apokalyptischen Symbolkosmos mit der kleinasiatischen Lebenswelt, auf deren religiöse Deutung, kognitive Durchdringung und lebenspraktische Modifizierung die vom Buch als Ganzem unternommene Enthüllung der Wirklichkeit zielt.42 2.4 Briefe im Medium des Buches Der Epilog greift auf den ergangenen Schreibbefehl in Apk 1,11 und Apk 1,19 zurück, die Offenbarung in einem Buch niederzuschreiben: Dieser Auftrag ist erfüllt. Die Visionen sind abgeschlossen und finden ihren literarischen Niederschlag in der nun vorliegenden Schrift, deren mediale Fassung Johannes reflexiv und demonstrativ mit der Wendung τοὺς λόγους τῆς προφητείας τοῦ βιβλίου τούτου (Apk 22,7.9.10.18) und durch die akzentuierende Voranstellung von βιβλίου in Apk 22,19 unterstreicht.43 In ihrer Endgestalt präsentiert sich die Apokalypse als „µονόβιβλον“,44 als vollständiges Werk, dessen „Unveränderlichkeit, ja heilige Gültigkeit“45 betont wird. Für die Wahrheit, Zuverlässigkeit und maßgebliche Autorität der Worte bürgen verschiedene Sprecher und Zeugen: Gott selbst (Apk 21,5), der Engel (Apk 22,6), Johannes (Apk 22,8) und Christus (Apk 22,16.18–19). Dem Selbstverständnis apokalyptischer Wirklichkeitswahrnehmung entspricht die Vorstellung des Buches als kohärente und vollkommene Größe: In theologischer wie ethisch-praktischer Hinsicht ist die ———————— 41 Vgl. M. E. BORING, Revelation, Interpretation. A Bible Commentary for Teaching and Preaching, Louisville 1989, 226. 42 D. E. AUNE, The Apocalypse of John and the Problem of Genre, in: A. Y. Collins (Hg.), Early Christian Apocalypticism. Genre and Social Setting, Semeia 36, Decatur 1986, 65–96 (90), sieht in der Zielsetzung, das Verstehen und Verhalten der Adressaten zu modifizieren, ein wesentliches Merkmal zur Bestimmung der Gattung Apokalypse: „The third aspect of our functional definition of the apocalyptic genre focuses on the purpose of apocalypses in terms of their role in encouraging cognitive and behavioral modifications based on the message communicated from the transcendent world. (…) Hans Dieter Betz has shown that one of the theoretically explicit functions of GrecoRoman apocalypses is to motivate changes in life-style through the shock-like experience of fear based on a journey to the afterlife or the nether world, an experience which can be shared by those who hear the story (…). Apocalyptic visions reports in Judaism and early Christianity function analogously.“ 43 Vgl. R. L. THOMAS, Revelation 8–22. An Exegetical Commentary, Chicago 1995, 518. 44 R. L. THOMAS, Revelation 1–7. An Exegetical Commentary, Chicago 1992, 93. 45 MÜLLER, Offenbarung (s. Anm. 28), 372; ebenso A UNE, Revelation 17–22 (s. Anm. 40), 1231: „John’s use of the integrity formula, however, does suggest that he regarded his book as the record of a divine revelation that was both complete (and so unalterable) and sacred.“
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Schrift vollständig und erschließt wie beinhaltet umfassend das gesamte christliche Heilsmysterium. Der von Gott authentifizierte Inhalt des Buches, dessen autoritativer Anspruch und seine autonome Selbständigkeit verbieten erweiternde oder reduzierende Eingriffe (Apk 22,18–19; vgl. dazu 1Hen 104,10–11; Arist 311). Im Umkehrschluss verdeutlichen die unmittelbar performativ beschriebenen negativen Folgen inhaltlicher Hinzufügungen oder Wegnahmen die ebenso unmittelbar transformierende Positivwirkung des Buches: Das Lesen, Hören und Halten der Worte gibt Anteil am Baum des Lebens und an der heiligen Stadt (Apk 22,19). „Das Buch handelt nicht nur vom geöffneten Himmel, es öffnet ihn selbst.“46 Motivisch ist der Symbolkosmos des Buches wesentlich von der alttestamentlichen und insbesondere apokalyptischen Literatur geprägt: Das Buch der Offenbarung ist „eine Collage von Bildzitaten aus den prophetischen Büchern“47. So finden sich etwa 580 Reflexionsanklänge – in der Häufigkeit ihrer Bezugnahme: – an das Buch Daniel, Jesaja, Ezechiel und der Psalmen.48 278 der 404 Verse der Johannes-Offenbarung sind von diesen Schriften beeinflusst. Trotzdem liest, wer die Apokalypse liest, ein Buch und keine einzelnen Texte. Im Medium des Buches gestaltet und formt der Seher aus dem alttestamentlichen Symbolkosmos ein eigenes, kohärentes symbolisches Universum. Nirgends werden die Quellen seiner Schrift direkt zitiert oder die Namen der Bücher benannt. Dennoch fließen ihre Autorität und die Traditionshintergründe in das Buch ein: Wie die pseudonym verfasste Daniel-Apokalypse zur Zeit der rigiden Religionspolitik und Unterdrückung des jüdischen Volkes unter Antiochus IV. Epiphanes spricht die Offenbarung in die Situation der marginalisierten kleinasiatischen Christen hinein und leitet zu einem neuen Exodus aus der Gesellschaft an. Die Apokalypse ist kein Brief. Die Wahl des Mediums Buch stützt den Anspruch und Inhalt der Botschaft: Als Buch erhält die Schrift ihre maßgebliche Autorität und theologische Authentizität und Dignität. Der Seher stellt sein Buch in eine Reihe mit den Büchern der alttestamentlich apokalyptischen Prophetie.49 Als prophetisches Buch beinhaltet die
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BACKHAUS, Apokalyptische Bilder (s. Anm. 17), 435. BACKHAUS, Apokalyptische Bilder (s. Anm. 17), 429. Vgl. dazu: G. K. BEALE, A Reconsideration of the Text of Daniel in the Apocalypse, Bib. 67 (1986), 539–543 (543), der den Gebrauch des Danielbuches in der Johannes-Offenbarung analysiert und zwischen „the clear, the probale, and the possible dependencies“ unterscheidet. 48 Vgl. F. G. UNTERGASSMAIR, Das Buch der Offenbarung (1). Einführung, Bibel und Liturgie 74 (2001), 61–64 (63); ebenso: THOMAS, Revelation 1–7 (s. Anm. 44), 40–41. 49 Vgl. Th. SÖDING, Die Schrift als Medium des Glaubens, in: K. Backhaus / F. G. Untergaßmair (Hg.), Schrift und Tradition (FS Josef Ernst), Paderborn 1996, 343–371 (353).
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Schrift, was sie ihrem Selbstverständnis nach ist: eine von Gott autorisierte Apokalypse, eine Offenbarung.50 Die Sendschreiben wurzeln – deutlich durch die Verbindung der Botenformel mit der Eingangsvision des Buches und durch die visionär entfaltete Grundlegung des Botenspruchs im apokalyptischen Hauptteil – in der Autoritätsstruktur des Buches. Die brieflichen Elemente am Beginn und am Ende verbinden das Buch als normative Größe mit der Lebenswelt der Kleinasiaten und stützen die kommunikative Relevanz der Schrift. Ihrem Selbstverständnis und ihrem Inhalt nach ist das Buch der Offenbarung mehr als ein Brief.51 Entgegen der Annahme einer brieflichen Rahmung des Buches erscheint vielmehr das Medium Buch als der Rahmen, in den verschiedene Formen und Gattungen in ihrer je eigenen motivischen Aussage und kommunikativen Funktion eingeordnet sind: Das Medium Buch erlaubt ein literary and communicative switching, den Wechsel zwischen Briefen und der narrativen Entfaltung, zwischen Visionsberichten (vgl. etwa Apk 4,1–5,8.11.13a.14; 7,9.11; 12,1–9.13–18; 15,1–2; 18,21–24) und der rückblickenden wie vorausdeutenden Verdichtung in Hymnenform (vgl. Apk 5,9–10.12.13b; 7,10.12; 11,15.17–18; 12,10–12; 15,3–4; 19,1– 8).52 Die Offenbarung wird ein Buch und ist als stringenter, kohärenter und universal verstandener Wirklichkeitsentwurf bewusst mit dem Medium ei———————— 50
Vgl. H. Y. GAMBLE, Books and Readers in the Early Church. A History of Early Christian Texts, New Haven u.a. 1995, 104. 51 Vgl. S. S. S MALLEY, The Revelation of John. A Commentary on the Greek Text of the Apocalypse, Downers Grove 2005, 6. 52 Erhellend sind in dieser Hinsicht die – literarisch fundierten und theologisch reflektierten – Ausführungen zur Modifikation gattungstypischer Konventionen im Johannes-Evangelium von H. W. ATTRIDGE, Genre Bending in the Fourth Gospel, JBL 121 (2002), 3–21 (20–21): „Why does the Fourth Gospel exhibit so much interest in playing with generic conventions, extending them, undercutting them, twisting traditional elements into new and curious shapes, making literary forms do things that did not come naturally to them? (…) In the imagination of the fourth evangelist, genres are bent because words themselves are bent. (…) His appropriation of a variety of words, of formal types of discourse, is not so much (…) a way of using a variety of forms to convey a message. Rather, the use of most of these forms suggests that none of them is adequate to speak of the Word incarnate. John’s genre bending is an effort to force its audience away from words to an encounter with the Word himself.“ Ähnlich gibt im Falle der JohannesOffenbarung das Medium Buch dem Seher die Möglichkeit, einerseits adressatenorientiert das kommunikative wie theologische Potential verschiedener Medien (vgl. den Wechsel in das Medium eines Briefes im Fall der Sendschreiben) zu nutzen und andererseits verschiedene und der Gattung Apokalypse eigene literarische Formen in den Rahmen eines Buches einzuordnen und so autoritativ wie kommunikativ zu verankern. Vgl. gerade dazu BERGER, Formen (s. Anm. 6), 353, der betont, „daß die ApkJoh eine Synthese (wenn nicht nach dem Baukasten-, so doch nach dem Inklusionsprinzip) aus verschiedenen Gattungen ist, deren Mehrzahl innerhalb der theologischen Richtung, die man als Apokalyptik bezeichnet, häufiger verwendet wurde“.
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ner Buchrolle verbunden: Als solche enthüllt sie „nicht Aus-Sicht auf Entlegenes, sondern Ein-Sicht in die ureigene Situation.“53 Das Buch umfasst die Wirklichkeit in ihrer Gesamtheit, um sie in der lesenden und hörenden Inszenierung zu transformieren. „Ein gutes Buch“, schreibt Horaz in seiner Ars poetica, „überquert auch das Meer“ (Hor.ep. 2,3,345): das Meer von Patmos in die Provinz Asia minor? Dieses Ziel scheint umso sicherer erreichbar, wenn das Medium Buch nicht seiner Rezeptionsorientierung beraubt wird. Das Medium des Briefes stellt den Kommunikationszusammenhang her und verankert die Welt des Buches in der Welt seiner Adressaten.
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BACKHAUS, Apokalyptische Bilder (s. Anm. 17), 425.
Jesus Christus – der Erste und der Letzte Zur Christologie der Johannesapokalypse KONRAD HUBER
1 „Offenbarung Jesu Christi …“ – eine Hinführung Wenn die Johannesapokalypse in ihren Einleitungsversen Apk 1,1–3 den nachfolgenden Inhalt der Schrift als „Offenbarung Jesu Christi“ (ἀποκάλυψις ᾿Ιησοῦ Χριστοῦ) betitelt, dann ist damit von Anfang an ein kaum zu überbietender Anspruch zum Ausdruck gebracht. Enthüllung von Verborgenem will sie sein, zuverlässige Tiefenschau und letztgültige Sinndeutung der Geschichtsereignisse bis hin zu deren Ziel, das unmittelbar und in drängender Gewissheit bevorsteht (Apk 1,1.3); Offenbarung aber, so macht es der Genitivus subjectivus bzw. auctoris in der Eingangswendung deutlich (vgl. Gal 1,12; 2Kor 12,1), deren eigentlicher Urheber niemand anderer ist als Jesus Christus und deren Ursprung, so zeigt es die in V. 1 im Weiteren beschriebene Vermittlungsstruktur, letztlich Gott selbst ist. Was Johannes bezeugt (µαρτυρέω), was er schaut und niederschreibt, versteht sich als Botschaft, die von Gott gegeben ist und die der erhöhte Christus den als „Knechte“ (δοῦλοι) bezeichneten Christen kundtut: es ist Wort Gottes, das zugleich identisch ist mit dem, wovon Christus selbst Zeugnis gibt (Apk 1,2; vgl. 1,9; 6,9; 20,4). Unter christologischer Rücksicht ist im programmatischen Vorwort bereits ein Mehrfaches angezeigt und aufgegeben. Zum einen ist mit der betonten Zuweisung der Rolle des Offenbarers schon zu Beginn eine der fundamentalsten Funktionen Jesu Christi in der gesamten Schrift akzentuiert (vgl. Apk 1,11.19; 2,1 usw.; 5,5.7.9; 6,1 usw.).1 Die Erwähnung der µαρτυρία ᾿Ιησοῦ Χριστοῦ unterstützt dieses Moment und verweist auf Christus
———————— 1 Hervorgehoben von A. S ATAKE, Die Offenbarung des Johannes, KEK 16, Göttingen 2008, 85.121.
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als den Zeugen (µάρτυς) schlechthin (Apk 1,5; 3,14).2 Zugleich wird zweitens mit dem erläuternden Zusatz, dass Christus das mitteilt, was er direkt von Gott empfangen hat (ἣν ἔδωκεν αὐτῷ ὁ θεός), das Zusammenspiel dieser beiden Größen im Sinne besonderer (Aktions-)Einheit angedeutet und damit die Frage nach der adäquaten Verhältnisbestimmung zwischen Gott und Christus, die in Apk 1,1–3 auch in der Parallelisierung von „Wort Gottes“ und „Zeugnis Jesu Christi“ oder der keineswegs eindeutigen Zuordenbarkeit des Pronomens αὐτός in τοῖς δούλοις αὐτοῦ3 anklingt, grundlegend in den Raum gestellt. Demgegenüber wird Jesus Christus hinsichtlich Funktion und Stellung deutlich unterschieden und abgehoben von der die Offenbarung an den Seher übermittelnden Engelgestalt. Der in V. 1 genannte Engel handelt im Auftrag Christi, ist ihm als Bote (ἄγγελος) gänzlich untergeordnet und darin mit Johannes und den übrigen Christen auf gleiche Stufe gestellt (vgl. Apk 19,10; 22,9: σύνδουλος). Und schließlich fällt die gleich zweifache Nennung des Doppelnamens „Jesus Christus“ auf (Apk 1,1.2), die sonst nur noch einmal in Apk 1,5 und somit insgesamt ausschließlich in den Anfangsversen des Buches begegnet.4 Die ursprüngliche, titulare Bedeutung von χριστός schwingt dabei durchaus mit, zumal im übrigen Textkorpus der Begriff stets mit bestimmtem Artikel zur Bezeichnung „des Gesalbten“ (Gottes), und zwar in Aussagen zu dessen endzeitlicher Herrschaftsausübung verwendet ist (Apk 11,15; 12,10; 20,4.6).5 Die generelle Zurückhaltung der Johannesapokalypse ge———————— 2 Siehe insgesamt zu diesem Motiv H. R OOSE, „Das Zeugnis Jesu“. Seine Bedeutung für die Christologie, Eschatologie und Prophetie in der Offenbarung des Johannes, TANZ 32, Tübingen 2000. 3 Anders in Apk 22,6, wo von Gottes Knechten die Rede ist. In Apk 1,1 könnte vielleicht analog zu Apk 22,3 an Knechte Gottes und Christi zugleich gedacht sein. Von Knechten Christi ist eindeutig nur in Apk 2,20 die Rede. – Klarer (sofern man als Subjekt von ἐσήµανεν nicht von vornherein Gott annimmt [so z.B. aber E. LOHMEYER, Die Offenbarung des Johannes, HNT 16, Tübingen 21953, 8]) scheint in Apk 1,1 demgegenüber „sein Engel“ (διὰ τοῦ ἀγγέλου αὐτοῦ) auf Christus bezogen zu sein (vgl. Apk 22,16). Mit Blick auf die parallele Aussage in Apk 22,6 gilt aber auch hier, dass dieser Engel zugleich der Engel Gottes ist. 4 In der Verwendung des Doppelnamens Jesus Christus in Apk 1,1.2.5 sieht H. GIESEN, Die Offenbarung des Johannes, RNT, Regensburg 1997, 56, die Identität des erhöhten Christus mit dem irdischen Jesus unterstrichen. 5 Vgl. G IESEN, Offenbarung (s. Anm. 4), 56; DERS., Zur Christologie der Johannesapokalypse, ThG 43 (2000), 185–197 (188). Insbesondere etwa in Apk 11,15 und Apk 20,6 kommt dabei erneut eine äußerst enge Verbundenheit des Gesalbten mit Gott zum Ausdruck (vgl. die Singularform im anschließenden βασιλεύσει bzw. µετ᾿ αὐτοῦ). Zum Christus-Titel in der Johannesapokalypse vgl. z.B. S. S ABUGAL, El títlo Χριστός en el Apocalipsis, Aug. 12 (1972), 319–340; M. DE JONGE, The Use of the Expression ὁ χριστός in the Apocalypse of John, in: J. Lambrecht (Hg.), L’Apocalypse johannique et l’apocalyptique dans le Nouveau Testament, BEThL 53, Leuven 1980, 267–281.
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genüber sonst im Neuen Testament bevorzugt gebrauchten Hoheitstiteln ist freilich auch für die Verwendung der Christusbezeichnung greifbar.6 Die christologischen Aussagen von Apk 1,1–3 weisen auf den weiteren Text voraus und geben entsprechend eine erste Richtung vor für das Verständnis des darin verschriftlichten Inhalts der Offenbarung; das umso mehr, als der erhöhte Christus nicht einfach nur, wie im Vorwort angezeigt, in der Rolle des Offenbarers fungiert, sondern vielmehr selbst entscheidend Gegenstand des Geoffenbarten ist. Bereits hier klingt zudem eine Reihe von zentralen Fragestellungen zur Christologie der Gesamtschrift an. In der bisherigen Forschung finden sich dazu freilich durchaus unterschiedliche und einander entgegenstehende Positionen.
2 Ein Blick in die Forschungsgeschichte7 Die Christologie der Offenbarung des Johannes erfährt in der Forschung erst in neuerer Zeit verstärktes Interesse. Die Gründe dafür sind vielfältig. Vorbehalte gegenüber einer bildhaft-metaphorischen und nahezu ausschließlich visionär vermittelten Präsentation Jesu Christi8 und die von R. Bultmann auf den Punkt gebrachte Einschätzung, dass man „das Christentum der Apk als ein schwach christianisiertes Judentum bezeichnen“9 muss, stehen diesbezüglich wohl an vorderster Stelle. Damit einher geht des Öfteren die Auffassung, es handle sich im Grunde oder zumindest in bestimmten Teilaspekten nicht eigentlich um eine voll entfaltete und der andernorts im Neuen Testament gebotenen Hochchristologie tatsächlich ebenbürtige Christusdarstellung. Gleichwohl überwiegen aber jene Stimmen bei weitem, die der Johannesapokalypse eine ausgesprochen hohe Christologie, wenn auch stark eigenen Charakters, attestieren, ganz abge———————— 6 S ATAKE, Offenbarung (s. Anm. 1), 82, begründet das damit, dass es der Verfasser „einfach nicht gewohnt“ war, den Christustitel anstelle der für ihn zentralen Bezeichnung „das Lamm“ zu verwenden. Lediglich am Textanfang sehe er sich genötigt, „seine Sprache der im christlichen Umfeld sonst üblichen anzupassen“. – Neben χριστός begegnen an sonst geläufigen christologischen Hoheitstiteln eigentlich nur ὁ υἱὸς τοῦ θεοῦ (Apk 2,18; vgl. 12,5) und κύριος (Apk 11,8; 14,13; 22,20.21; vgl. 17,14; 19,16). 7 Vgl. dazu auch den Forschungsbericht in K. H UBER, Einer gleich einem Menschensohn. Die Christusvisionen in Offb 1,9–20 und Offb 14,14–20 und die Christologie der Johannesoffenbarung, NTA 51, Münster 2007, 16–73. 8 Schon Martin Luther gelangt in seiner Vorrede zur Apokalypse zur Feststellung, dass „Christus drinnen weder gelehret noch erkannt wird“, zumal es für ihn gerade im Blick auf die Christologie notwendig ist, „klärlich und ohn Bild oder Gesicht von Christo und seinem Tun zu reden“ (zitiert nach H. BORNKAMM [Hg.], Luthers Vorreden zur Bibel, insel taschenbuch 677, Baden-Baden 1983, 218f.). 9 R. BULTMANN, Theologie des Neuen Testaments, UTB 630, Tübingen 8 1980, 525.
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sehen einmal von jenen Extrempositionen, die in ihr die unübertroffen höchste Stufe neutestamentlicher Christologie vertreten sehen.10 Am Beginn der Forschung im 20. Jahrhundert stehen im Wesentlichen drei monographische Werke, die die Christologie der Apokalypse insgesamt und in systematisierender Absicht in den Blick nehmen. Abgesehen von der 1907 veröffentlichten Dissertation von F. Büchsel zu Wesen, Stellung, Heilsbedeutung, Gerichtsfunktion und Fürsprecherrolle des erhöhten Christus in der Johannesoffenbarung11 kommt es jedoch erst eigentlich ab Beginn der 60-er Jahre mit den beiden Studien von T. Holtz (1962) und J. Comblin (1965) und in deren Gefolge zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit der Thematik.12 In Ansatz und Vorgehensweise zwar sehr verschieden, stimmen Holtz und Comblin in der grundlegenden Differenzierung zwischen Aussagen, die Gegenwart Christi betreffend, und solchen für die Zukunft verheißenen wie auch in zahlreichen Einzelergebnissen überein. Konstatiert Holtz für die Johannesoffenbarung eine ausgeprägte Erhöhungschristologie und stellt mit Blick auf die endzeitliche Vollendung der Herrschermacht Christi bei aller Zuordnung zu Gott eine klare Unterscheidung zwischen Gott und Christus fest, so geht es Comblin verstärkt um den Aufweis des inneren Zusammenhangs und gemeinsamen Zentrums der vielfältigen und verschiedenartigen Christusaussagen und -bezeichnungen, die er vor allem in der Figur des Lammes und einer durchgehend im Text präsenten und alles bestimmenden Relecture der prophetischen Vorstellung vom Gottesknecht gegeben sieht. Das Moment der Gleichsetzung Christi mit Gott, das er weit stärker als Holtz hervorhebt, findet nach Comblin in der Vater-Sohn-Beziehung die adäquate Bestimmung und Einschränkung. Das zunehmende Interesse an der Christologie der Apokalypse im Anschluss an Holtz und Comblin geht Hand in Hand mit einer starken Ausdifferenzierung in Themenstellung und Zugangsweise. Die in der Folge erschienenen Arbeiten, nahezu ausschließlich Aufsätze in Sammelwerken und Zeitschriften, beschäftigen sich entweder von vornherein nur mit je bestimmten Einzelaspekten, einzelnen christologischen Motiven, Titeln ———————— 10 So z.B. G. R. BEASLEY-MURRAY, The Contribution of the Book of Revelation to the Christian Belief in Immortality, SJTh 27 (1974), 76–93: „No book of the New Testament, including the Fourth Gospel and the Letter to the Hebrews, has a higher Christology than that in the Revelation“ (79). Auch D. GUTHRIE, The Christology of Revelation, in: J. B. Green / M. Turner (Hg.), Jesus of Nazareth: Lord and Christ. Essays on the Historical Jesus and New Testament Christology, Grand Rapids 1994, 397–409, spricht im Vergleich mit der Christologie der übrigen neutestamentlichen Schriften von „the capstone of NT christology“ (409). 11 F. BÜCHSEL, Die Christologie der Offenbarung Johannis, Halle a. S. 1907. 12 T. HOLTZ, Die Christologie der Apokalypse des Johannes, TU 85, Berlin 2 1971; J. COMBLIN, Le Christ dans l’Apocalypse, BT.B 6, Paris 1965.
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und Figurationen oder diesbezüglich relevanten Textabschnitten. Aber auch dort, wo das Gesamt der Christologie weiterhin in den Blick genommen ist, werden durchaus unterschiedliche Ausgangspunkte gewählt (z.B. Christustitel; visionäre Bilder …) und finden sich ganz bestimmte Perspektiven je in besonderer Weise gewichtet (z.B. narrativ; metaphorisch …).13 Vor allem für diese zweite Gruppe von Einzelstudien, aber nicht nur für sie, ist die bereits angesprochene Grundfrage der Positionierung zwischen Erhöhungschristologie auf der einen und Hochchristologie auf der anderen Seite besonders maßgeblich. Zumeist fällt – wie bereits angedeutet – die Entscheidung dabei deutlich zugunsten einer stark ausgeprägten Hochchristologie, die sich etwa in Stichworten wie Göttlichkeit Christi, Seinsund Funktionseinheit mit Gott oder Präexistenz und Transzendenz äußert und auch in einer betonten Hervorhebung der soteriologischen Funktion Jesu Christi niederschlägt.14 Entsprechend wird im Gegenüber von Theozentrik und Christologie subordinationistischen Vorstellungen eine Absage erteilt und in der Absicht, äußerste Nähe und Einheit bei gleichzeitig klarer Unterscheidung zum Ausdruck zu bringen, beispielsweise von „partizipatorischer Christologie“15 oder etwa mit M. Hengel von Ansätzen einer „binitarischen Gottesvorstellung“16 gesprochen. Unter jenen Studien, die sich mit christologisch relevanten Einzelaspekten, -motiven oder -texten beschäftigen, hat naturgemäß die für die Johannesoffenbarung zentrale Christusfigur des Lammes vorrangiges Interesse gefunden.17 Kontrovers diskutiert wird dabei neben der Bedeutung des Be———————— 13 Einen dezidiert narrativen Ansatz zur Christologie der Johannesapokalypse verfolgt etwa E. M. BORING, Narrative Christology in the Apocalypse, CBQ 54 (1992), 702– 723; vgl. auch DERS., The Voice of Jesus in the Apocalypse of John, NT 34 (1992), 334– 359. Zur metaphorischen Perspektive vgl. z.B. M. KARRER, Sprechende Bilder. Zur Christologie der Johannesapokalypse, in: J. Frey / J. Rohls / R. Zimmermann (Hg.), Metaphorik und Christologie, TBT 120, Berlin 2003, 111–129. 14 So besonders etwa bei: M. HENGEL, Die Throngemeinschaft des Lammes mit Gott in der Johannesapokalypse, ThBeitr 27 (1996), 159–175; O. H OFIUS, Das Zeugnis der Johannesoffenbarung von der Gottheit Jesu Christi, in: H. Lichtenberger (Hg.), Geschichte – Tradition – Reflexion. Band III: Frühes Christentum (FS Hengel), Tübingen 1996, 511–528; GIESEN, Christologie (s. Anm. 5), 185–197, bzw. DERS., Zur Christologie der Thronsaalvision (Offb 5), ThG 44 (2001), 25–35; T. S ÖDING, Gott und das Lamm. Theozentrik und Christologie in der Johannesapokalypse, in: K. Backhaus (Hg.), Theologie als Vision. Studien zur Johannes-Offenbarung, SBS 191, Stuttgart 2001, 77–120. 15 Vgl. D. S ÄNGER, „Amen, komm, Herr Jesus!“ (Apk 22,20). Anmerkungen zur Christologie der Johannes-Apokalypse, in: F. W. Horn / M. Wolter (Hg.), Studien zur Johannesoffenbarung und ihrer Auslegung (FS Böcher), Neukirchen-Vluyn 2005, 71–92 (83f.). Vgl. SÖDING, Gott (s. Anm. 14), 101–116, bes. 107–110. 16 Vgl. HENGEL, Throngemeinschaft (s. Anm. 14), 171. Vgl. dazu z.B. auch S ÄNGER, Amen (s. Anm. 15), 91. 17 Geradezu als Standardwerk dazu gilt N. H OHNJEC, ‚Das Lamm – τὸ ἀρνίον‘ in der Offenbarung des Johannes. Eine exegetisch-theologische Untersuchung, Roma 1980; als
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griffes selbst (Lamm bzw. Widder) vor allem die Frage nach den religions-, motiv- und traditionsgeschichtlichen Wurzeln, d.h. nach dem adäquaten Verständnisrahmen für diese Symbolfigur. Positionen, die den Hintergrund in der Vorstellung vom Paschalamm bzw. allgemein von Opferlämmern sehen, stehen jenen gegenüber, die als Vorlage dafür die Prophetie vom leidenden Gottesknecht erkennen (vgl. Jes 53,7) oder aber auf die Tradition vom kriegerischen Messias-Widder verweisen (vgl. Dan 8,3; 1Hen 89– 90). Darüber hinaus geht es insbesondere um die Erarbeitung der charakteristischen Züge im Bild des Lammes und die originäre Ausgestaltung der Lamm-Christologie innerhalb der Apokalypse selbst, wobei damit verbunden auch die Frage nach dem Verhältnis zur Lammmetaphorik im Johannesevangelium (vgl. Joh 1,29.36) und anderen neutestamentlichen Schriften (vgl. z.B. Lk 10,3 par. Mt 10,16; Apg 8,32; 1Kor 5,7; 1Petr 1,19) gestellt wird. Vergleichsweise selten begegnen demgegenüber Spezialuntersuchungen allein zur Figur des Menschensohngleichen in der Johannesoffenbarung. Im Mittelpunkt dieser Arbeiten steht dann zunächst auch nicht so sehr eine allgemeine Charakterisierung der so benannten Christusfigur,18 sondern primär das Problem der Entstehung der apokalyptischen Menschensohnvorstellung und der Aufweis der alttestamentlich-frühjüdischen Traditionslinien bis herauf zur typisch umschreibend-vergleichenden Verwendung innerhalb der Apokalypse.19 Auf diesem Hintergrund ist die weitere Dis———————— monographische Bearbeitung vgl. neuerdings auch L. L. J OHNS, The Lamb Christology of the Apocalypse of John. An Investigation into Its Origins and Rhetorical Force, WUNT II 167, Tübingen 2003. Unter den zahlreichen Aufsätzen vgl. z.B.: M. H ASITSCHKA , „Überwunden hat der Löwe aus dem Stamm Juda“ (Offb 5,5). Funktion und Herkunft des Bildes vom Lamm in der Offenbarung des Johannes, ZKTh 116 (1994), 487–493; R. INFANTE, L’Agnello nell’Apocalisse, VetChr 32 (1995), 321–338; P. STUHLMACHER, Das Lamm Gottes – eine Skizze, in: H. Lichtenberger (Hg.), Geschichte – Tradition – Reflexion. Band III: Frühes Christentum (FS Hengel), Tübingen 1996, 529– 542; O. HOFIUS, Ἀρνίον – Widder oder Lamm? Erwägungen zur Bedeutung des Wortes in der Johannesapokalypse, ZNW 89 (1998), 272–281; L. L. J OHNS, The Lamb in the Rhetorical Program of the Apocalypse of John, SBL.SP 37 (1998), 762–784; R. FABRIS, L’„agnello“ nel quarto vangelo e nell’apocalisse, StPat 50 (2003), 849–862; S. S CHREIBER, Die Lamm-Perspektive. Bemerkungen zu Offb 5, in: L. Hauser / F. R. Prostmeier / C. Georg-Zöller (Hg.), Jesus als Bote des Heils. Heilsverkündigung und Heilserfahrung in frühchristlicher Zeit (FS Dormeyer), SBB 60, Stuttgart 2008, 294–307; u.v.a. 18 So – äußerst knapp – z.B. E. LOHSE, Der Menschensohn in der Johannesapokalypse, in: R. Pesch / R. Schnackenburg (Hg.), Jesus und der Menschensohn (FS Vögtle), Freiburg i. Br. 1975, 415–420. 19 Vgl. U. B. MÜLLER, Messias und Menschensohn in jüdischen Apokalypsen und in der Offenbarung des Johannes, StNT 6, Gütersloh 1972; A. Y. C OLLINS, The „Son of Man“ Tradition and the Book of Revelation, in: J. H. Charlesworth (Hg.), The Messiah. Developments in Earliest Judaism and Christianity. The First Princeton Symposium on Judaism and Christian Origins, Minneapolis 1992, 536–568; T. B. SLATER, Homoion
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kussion zum einen durch eine mehr oder weniger strikte Differenzierung zwischen, ja Gegenüberstellung von Menschensohnchristologie und Lammchristologie bestimmt. Zum anderen kommt es gerade für die Menschensohnfigur in Apk 1,9–20 und Apk 14,14–20 und ausgehend von ihr auch für die Christusdarstellung der Johannesoffenbarung insgesamt verstärkt zur Frage nach einer möglichen Beeinflussung durch angelologische Begrifflichkeit und Vorstellungen bzw. einem Verständnis der dieserart charakterisierten Christusgestalt in (Funktions-)Analogie zu Engelwesen. In der Folge widmet eine Reihe von Einzeluntersuchungen und monographischen Studien vor allem der zuletzt skizzierten Fragestellung breite Aufmerksamkeit.20 Dabei wird in Unterscheidung von und Abhebung zu einer ausgesprochenen Engel-Christologie in der Regel von „angelomorpher Christologie“21 gesprochen als einer christologischen Ausdrucksform, die sich, beeinflusst von alttestamentlich-frühjüdischer Angelologie, durch Applizierung angelophaner Kategorien an die Charakterisierung von Person und Funktion Jesu Christi äußert. Die Positionen sind freilich auch in diesem Punkt vielfältig und die Nuancen fließend. Während die einen in der spezifischen Art der Präsentation Christi in bestimmten Teilen der Johannesapokalypse trotz ähnlicher Darstellungsform und vergleichbarer Kennzeichnung eine sorgfältig angelegte und bewusst vorgenommene Distanzierung von diversen Engelgestalten und himmlischen (Zwischen-)Wesen zum Ausdruck gebracht sehen,22 heben andere die angelomorphe Gestalt der Christusdarstellung zum Teil derart stark hervor, dass eine Unterscheidbarkeit zwischen Christus und Engelwesen nur mehr bedingt gegeben scheint23 oder Christus sogar mehr oder weniger ausdrücklich als ein, ———————— huion anthrōpou in Rev 1.13 and 14.14, BiTr 44 (1993), 349–350; DERS., One Like a Son of Man in First-Century CE Judaism, NTS 41 (1995), 183–198; D ERS., More on Revelation 1.13 and 14.14, BiTr 47 (1996), 146–149. 20 Zu Einzelstudien über diverse andere christologische Motive, Themen und Texte in der Johannesapokalypse vgl. z.B. den Querschnitt in HUBER, Menschensohn (s. Anm. 7), 64–67. 21 Die Bezeichnung stammt von J. DANIÉLOU, The Development of Christian Doctrine Before the Council of Nicaea. Volume One: The Theology of Jewish Christianity, London 1964 (146: „angelomorphic Christology“). 22 So bei R. BAUCKHAM, The Worship of Jesus in Apocalyptic Christianity, NTS 27 (1981), 322–341, und L. T. STUCKENBRUCK, An Angelic Refusal of Worship: The Tradition and Its Function in the Apocalypse of John, SBL.SP 33 (1994), 679–696; DERS., Angel Veneration and Christology. A Study in Early Judaism and in the Christology of the Apocalypse of John, WUNT II 70, Tübingen 1995. 23 Hauptsächlich traditionsgeschichtlich argumentieren dabei C. R OWLAND, The Vision of the Risen Christ in Rev. i.13 ff.: The Debt of an Early Christology to an Aspect of Jewish Angelology, JThS 31 (1980), 1–11 (vgl. DERS., The Open Heaven. A Study of Apocalyptic in Judaism and Early Christianity, London 1982, bes. 94–113; D ERS., A Man Clothed in Linen: Daniel 10.5–9 and Jewish Angelology, JSNT 24 [1985], 99–110) und
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wenn auch mit Gott besonders eng verbundenes Engelwesen verstanden ist.24 Die in der Johannesoffenbarung weitgehend an der Gestalt des Menschensohngleichen festgemachte angelomorphe Christologie steht dabei deutlich neben der von derartigen Zügen nicht bzw. kaum beeinflussten Lammchristologie. Die offene Frage nach dem Verhältnis und einer eventuellen Verbindung dieser beiden Konzepte unterzieht erst unlängst M. R. Hoffmann einer eingehenden Analyse und versucht, die vordergründige Polarität als Resultat einer doppelten, auf die jeweilige Position der Adressaten Bezug nehmenden Perspektivität zu erklären, die er in der insgesamt in der Schrift breit rezipierten Exodustradition (bes. Ex 12) verwurzelt sieht.25 Bei allen aufweisbaren angelomorphen Zügen und angelologischen Elementen in der Porträtierung Christi sei das Schwergewicht der Aussage jedenfalls auf eine deutliche Abhebung gegenüber Engeln und eine Gleichstellung Christi mit Gott angelegt, die Christologie der Johannesoffenbarung nicht anders als eine komplexe und besonders hoch entwickelte Christologie zu charakterisieren.26 Vermehrt erst in jüngerer Zeit begegnen wieder monographische Studien zur Christologie der Johannesapokalypse. Zumeist sind diese Arbeiten zwar nicht von vornherein darauf angelegt, eine umfassende Abhandlung der Thematik zu bieten, sondern richten ihr Augenmerk auf ganz bestimmte inhaltliche Brennpunkte, vor allem auf die im Text visionär vermittelten Christusfigurationen.27 Dennoch lässt sich in Themenstellung und Durchführung dabei verstärkt auch die Absicht einer breiteren Verortung in den ———————— P. R. CARRELL, Jesus and the Angels. Angelology and the Christology of the Apocalypse of John, MSSNTS 95, Cambridge 1997. Vgl. dazu auch H. ULFGARD, In Quest of the Elevated Jesus: Reflections on the Angelomorphic Christology of the Book of Revelation within Its Jewish Setting, in: M. Müller / H. Tronier (Hg.), The New Testament as Reception, JSNT.S 230, Sheffield 2002, 120–130. Eine in der Johannesapokalypse durchgehend aufweisbare angelomorphe Christologie vertritt dann vor allem R. H. G UNDRY, Angelomorphic Christology in the Book of Revelation, SBL.SP 33 (1994), 662–678. 24 Vgl. COLLINS, Son of Man (s. Anm. 19), 536–568; C. A. GIESCHEN, Angelomorphic Christology. Antecedents and Early Evidence, AGJU 42, Leiden 1998, bes. 245–269. 25 M. R. HOFFMANN, The Destroyer and the Lamb. The Relationship between Angelomorphic and Lamb Christology in the Book of Revelation, WUNT II 203, Tübingen 2005. 26 Vgl. HOFFMANN, Destroyer (s. Anm. 25), 252f. 27 Neben den bereits genannten Arbeiten von L. T. Stuckenbruck (1995), P. R. Carrell (1997), L. L. Johns (2003) und M. R. Hoffmann (2005) sind zu nennen T. B. S LATER, Christ and Community. A Socio-Historical Study of the Christology of Revelation, JSNT.S 178, Sheffield 1999, M.-E. HERGHELEGIU, Siehe, er kommt mit den Wolken! Studien zur Christologie der Johannesoffenbarung, EHS.T 785, Frankfurt a. M. 2004, und HUBER, Menschensohn (s. Anm. 7). – Als eine Art Gesamtentwurf zu verstehen ist demgegenüber D. LIOY, The Book of Revelation in Christological Focus, Studies in Biblical Literature 58, New York 2003, während D. S. FORTNER, Discovering Christ in Revelation, Darlington 2002, lediglich eine auf die Christologie fokussierte Kommentierung des Gesamttextes bietet.
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christologischen Gesamtrahmen dieser neutestamentlichen Schrift feststellen, etwa durch den Aufweis von Entsprechungen, Übereinstimmungen und gemeinsamen, ineinander eng verwobenen Aussagelinien der jeweiligen Vorstellungskonzepte. Formal wird damit die zentrale Bedeutung der Christologie für das Verständnis des Gesamtwerkes deutlich unterstrichen, inhaltlich die Christologie der Johannesapokalypse auch in diesen Arbeiten einmal mehr als eine eigenständige und ausgesprochen hohe Christologie ausgewiesen.28 Auf dem Hintergrund der knapp skizzierten Forschungsgeschichte soll im Folgenden versucht werden, die wesentlichen Merkmale der Christologie der Johannesapokalypse in einem differenzierenden Textdurchgang anzusprechen und zu erhellen. Neben den christologischen Aussagen in den rahmenden Textstücken erhält dabei vor allem das spezifische Porträt der Christusvisionen breitere Aufmerksamkeit, bevor schließlich Aspekte der Christusbotschaft, die in anderen visionären Kontexten begegnen, angesprochen werden.
3 Christologische Aussagen im (brieflichen) Rahmen Apk 1,4–8 und Apk 22,6–21 Im Anschluss an das programmatische Vorwort (Apk 1,1–3) bietet die Johannesapokalypse in Apk 1,4–8 eine um Doxologie, Prophetenspruch und Selbstvorstellungsformel ausgeweitete briefliche Einleitung. Zusammen mit dem Buchschluss in Apk 22,6–21, der spätestens mit dem Segenswunsch in V. 21 an das Schlusswort neutestamentlicher Briefe erinnert und insgesamt eine Reihe von inhaltlichen Entsprechungen mit dem Beginn aufweist, bildet sie eine Art literarischen Rahmen um das eigentliche Erzähl- bzw. Briefkorpus des Gesamtwerkes, der neben dem brieflichen Charakter ausdrücklich auch das prophetische Selbstverständnis der Schrift unterstreicht (vgl. Apk 1,3; 22,7.10.18.19). Thematisch konzentriert sich der Briefeingang abgesehen von den beiden Gottesprädikationen (Apk 1,4.8) in der Hauptsache auf die Christologie, während es im Schlussabschnitt über theologische und christologische Aussagen hinaus auch darum geht, die Glaubwürdigkeit des Buches zu untermauern.
———————— 28
Nach HERGHELEGIU, Siehe (s. Anm. 27), 236f., vertritt die Johannesapokalypse beispielsweise „eine ontologische Christologie“, die „perspektivisch im Hinblick auf das nizänische Glaubensbekenntnis verstanden werden“ könne.
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3.1 Segenswunsch (Apk 1,4–5a; 22,21) Die typisch paulinische Grußformel im Präskript Apk 1,4–5a (χάρις ὑµῖν καὶ εἰρήνη) nennt Jesus Christus neben Gott und den sieben Geistern, die sinnbildhaft für die Fülle des Geistes Gottes stehen (vgl. Apk 3,1; 4,5; 5,6),29 an dritter Stelle als Ursprung für den den Adressaten zugesprochenen Segen. Demgegenüber konzentriert der das Buch abschließende Gnadenwunsch in Apk 22,21 – auch hier vergleichbar mit Paulus – die Herkunftsbenennung ganz auf Jesus. Ist Jesus in Apk 22,21 als ὁ κύριος betitelt (auch Apk 22,20; vgl. 17,14; 19,16), so erweitert Apk 1,5 analog zur dreifachen Charakterisierung Gottes in V. 4 und wie dort ohne grammatikalische Angleichung der Nominativform30 um drei erläuternde Prädikationen, die deutlich an Ps 89,38.28 in der Septuagintaversion anklingen, wo sie auf den davidischen Messias bezogen sind. Als „der treue Zeuge“ (ὁ µάρτυς ὁ πιστός [vgl. Apk 3,1431]) vermittelt und bezeugt Jesus Christus absolut zuverlässig, glaubwürdig und unverbrüchlich das Wort Gottes und Offenbarung darüber, wer Gott wirklich ist. Ob Jesu Zeugenfunktion dabei auf sein irdisches Wirken einzugrenzen oder aber allein auf sein Tun als erhöhter Herr zu beziehen ist, lässt sich allerdings kaum eindeutig klären und greift in dieser Ausschließlichkeit vielleicht auch zu kurz.32 Als „der Erstgeborene der Toten“ (ὁ πρωτότοκος τῶν νεκρῶν [vgl. Kol 1,18; Röm 8,29]) ist er nicht nur der Auferstandene, der von Gott Auferweckte, sondern begründet und verbürgt zugleich auch die Auferstehung von den Toten für all jene, die ihm nachfolgen (vgl. Apk
———————— 29 Anders z.B. G IESEN, Offenbarung (s. Anm. 4), 75f.126, der die sieben Geister als Engelwesen deutet. So z.B. auch: HOLTZ, Christologie (s. Anm. 12), 138–140 („Thronengel Gottes“); J. ROLOFF, Die Offenbarung des Johannes, ZBK.NT 18, Zürich 32001; 32.59; HOFIUS, Zeugnis (s. Anm. 14), 511; HOFFMANN, Destroyer (s. Anm. 25), 150–152. 30 Nach GIESEN, Offenbarung (s. Anm. 4), 77, deutet das bereits Jesu Gottgleichheit an; vgl. DERS., Christologie (s. Anm. 5), 190. LOHMEYER, Offenbarung (s. Anm. 3), 10, und andere sehen damit seine Unveränderlichkeit unterstrichen. Dagegen S ATAKE, Offenbarung (s. Anm. 1), 130. 31 In der Botenformel Apk 3,14 wird Christus ὁ µάρτυς ὁ πιστὸς καὶ ἀληθινός genannt. Namentlich als πιστὸς καὶ ἀληθινός wird Christus dann in Apk 19,11 vorgestellt. Neben Treue ist auch Wahrhaftigkeit eine Wesensbestimmung, die im Vollsinn im Grunde allein Gott eignet. 32 Nach ROLOFF, Offenbarung (s. Anm. 29), 33, ist auf das irdische Wirken Jesu verwiesen, das er „mit dem Tod besiegelt“ hat; vgl. HOFIUS, Zeugnis (s. Anm. 14), 512; SÖDING, Gott (s. Anm. 14), 93f. G IESEN, Offenbarung (s. Anm. 4), 77, SATAKE, Offenbarung (s. Anm. 1), 130f., und andere sprechen von seinem Wirken als Erhöhter in der Gegenwart. Ausschlaggebend dafür sind u.a. die unterschiedliche Einbeziehung der sonstigen Vorkommen von µάρτυς / µαρτυρία und die Beurteilung der inneren Struktur der drei Aussagen von Apk 1,5a (lineare Abfolge der Aussagen; Inklusion).
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1,18).33 Und als „der Herrscher über die Könige der Erde“ (ὁ ἄρχων34 τῶν βασιλέων τῆς γῆς) schließlich kommt ihm bereits jetzt in uneingeschränkter Autorität Vollmacht über die gesamte Menschheit und alle irdischen Mächte zu (vgl. Apk 17,14; 19,16). In knapper Weise rufen die drei christologischen Charakterisierungen der Salutatio den Adressaten so für sie und ihre Situation bedeutsame Aspekte, Jesu Funktion und Stellung betreffend, in Erinnerung. Zumindest was die beiden ersten Elemente anlangt, ist darin implizit auch dessen Verwiesenheit auf Gott mit eingeschrieben. 3.2 Christologisches Bekenntnis (Apk 1,5b–6) Die anschließende Doxologie, die vielleicht auf ein urchristliches Taufbekenntnis zurückgeht,35 enthält drei weitere Aussagen über Jesus.36 Dabei steht jetzt vor allem die Heilsbedeutung Jesu Christi für die Gemeinde im Mittelpunkt, seine Gesinnung und sein erlösendes Tun den Glaubenden gegenüber. Betont an den Beginn gestellt ist die Aussage von Jesus als „dem uns Liebenden“ (τῷ ἀγαπῶντι ἡµᾶς [vgl. Apk 3,9; 20,9]), wobei durch die Formulierung im präsentischen Partizip diese seine Liebe als eine dauerhafte, bleibende Haltung gekennzeichnet ist. Demgegenüber verweisen die beiden folgenden Aussagen im Aorist auf ein besonderes Tun in der Vergangenheit, ein Ereignis, in dem die Christen diese Liebe grundlegend erfahren haben. Zum einen ist davon die Rede, dass Jesus „durch sein Blut“ (ἐν τῷ αἵµατι αὐτοῦ [vgl. Apk 5,9; 7,14; 12,11]), d.h. durch seine Lebenshingabe am Kreuz, für sie Erlösung von ihren Sünden erwirkt hat. Zum anderen ist – als Folge dieses Erlösungshandelns – davon die Rede, dass Jesus sie für Gott „zu einem Königreich, zu Priestern“ gemacht hat (ἐποίησεν ἡµᾶς βασιλείαν ἱερεῖς),37 d.h. ihnen Zugehörigkeit zu Gottes Herrschaftsbereich und gemeinschaftliche Teilhabe an einer außerordentlichen Würdestellung und einzigartigen, unmittelbaren Gottesbeziehung eröffnet hat (vgl. Apk 5,10; 20,6). Unmissverständlich wird also vor Au———————— 33 Diesbezüglich zurückhaltend allerdings SATAKE, Offenbarung (s. Anm. 1), 131, der darauf hinweist, dass πρωτότοκος nicht im Sinne von zeitlicher Priorität zu verstehen sei. 34 Der Begriff ist im gesamten Neuen Testament nur hier auf Christus bezogen. 35 Vgl. dazu z.B. P. v. d. OSTEN-SACKEN, „Christologie, Taufe, Homologie“ – Ein Beitrag zu Apc Joh 1 5f., ZNW 58 (1967), 255–266; GIESEN, Offenbarung (s. Anm. 4), 73. 36 S ATAKE, Offenbarung (s. Anm. 1), 132, verweist auf Entsprechungen zwischen den Aussagen in V. 5a und V. 5b–6. A. LÄPPLE, Das Geheimnis des Lammes. Das Christusbild der Offenbarung des Johannes, BiKi 39 (1984), 53–58, bezeichnet die Doxologie als „Christusprogramm“ (55), HERGHELEGIU, Siehe (s. Anm. 27), 29, betitelt Apk 1,5–6a insgesamt als „Präludium der Christologie der Johannesoffenbarung“. 37 Im Hintergrund dieser Aussage steht die alttestamentliche Verheißung Ex 19,4–6, in Apk 1,6 als bereits erfolgtes Geschehen ausgesagt. Vgl. auch 1Petr 2,5.9.
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gen geführt, wem und wodurch die Christen ihre bereits in der Gegenwart als heilvoll erfahrbare Existenz verdanken. Für dieses sein Heilshandeln gebührt Jesus Christus der Lobpreis, werden ihm Herrlichkeit (δόξα) und Macht (κράτος) auf ewig zugesprochen. Dass sich der Lobpreis dabei direkt an Christus richtet, ist an sich schon bemerkenswert. Hymnischer Lobpreis wird Christus dann aber auch an zahlreichen anderen Stellen in der Johannesapokalypse von irdischen ebenso wie von himmlischen Größen entgegengebracht, zum Teil parallel zum Lobpreis Gottes, zum Teil aber auch als Lobpreis für Christus und Gott gemeinsam, wobei die gebrauchten Würdeprädikate durchaus wechseln und offensichtlich austauschbar sind. Ein derartiger Lobpreis Christi steht für den Verfasser der Apokalypse jedenfalls nicht im Widerspruch zu dem im Schlussteil in Apk 22,9 ausgedrückten Grundsatz, allein Gott die Ehre zu geben, Gott allein anzubeten und zu huldigen (τῷ θεῷ προσκύνησον [vgl. Apk 19,10; 15,4]). Während das Ansinnen des Johannes, vor dem Engel, der ihm die Offenbarung vermittelt, huldigend niederzufallen, klar zurückgewiesen und auf Gott verwiesen wird (Apk 22,8f.; vgl. 19,10), findet sich umgekehrt für Jesus Christus nirgends eine derartige Zurückweisung ihm entgegengebrachter Ehrerbietung. Die Relation zu Gott bleibt in der Eingangsdoxologie vor allem aber dadurch gewahrt, dass in Apk 1,6 Gott erstmals im Text als „Vater“ Jesu bezeichnet wird (πατὴρ αὐτοῦ [vgl. Apk 2,28; 3,5.21; 14,1]). 3.3 Prophetenspruch (Apk 1,7) Die prophetische Verheißung in Apk 1,7 kündigt das endzeitliche Kommen des gekreuzigten Christus zur Parusie an. Der Text spielt in einer wahrscheinlich schon traditionell vorgegebenen Kombination38 auf Dan 7,13 und Sach 12,10ff. an. Der Hinweis auf sein „Kommen mit den Wolken“ zu Beginn (ἰδοὺ ἔρχεται µετὰ τῶν νεφελῶν) setzt Christus dabei erstmals in der Johannesapokalypse mit der Figur des Menschensohngleichen aus Dan 7 in Beziehung, ohne dass freilich ausdrücklich vom Menschensohngleichen die Rede wäre (vgl. dann aber Apk 1,13; 14,14).39 Geht es in Dan ———————— 38 Das legt Mt 24,30 nahe (vgl. auch Iust.dial. 14,8; Iust.1apol. 52,11f.). Vgl. dazu z.B. M. KARRER, Die Johannesoffenbarung als Brief. Studien zu ihrem literarischen, historischen und theologischen Ort, FRLANT 140, Göttingen 1986, 121–125; C OLLINS, Son of Man (s. Anm. 19), 536–547; HERGHELEGIU, Siehe (s. Anm. 27), 87–107; M. J AUHIAINEN , The Use of Zechariah in Revelation, WUNT II 199, Tübingen 2005, 102– 107.142–145.147. 39 Mit GIESEN, Christologie (s. Anm. 5), 193, lässt sich vermuten, dass in Apk 1,7 die Nennung des Menschensohngleichen aus Dan 7,13 bewusst nicht mitübernommen wird, um die intendierte Identifizierung mit dem zuvor in Apk 1,5 genannten Jesus Christus nicht zu gefährden.
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7,13f. um ein Kommen hin zu Gott, in die Nähe und den Herrschaftsbereich Gottes, und um Übertragung immerwährender Herrschaft und universaler Machtfülle, so ist in Apk 1,7 ein Kommen auf die Erde angekündigt. Die Reaktion der Menschen auf dieses Kommen (ὄψεται αὐτόν … καὶ κόψονται ἐπ᾿ αὐτόν) wird in der Folge mit Hilfe von Sach 12,10ff. beschrieben und kann wie schon dort als Äußerung und Zeichen der Reue und Umkehr verstanden werden (vgl. Joh 19,37; Mt 24,30).40 Der Verweis auf den Durchbohrten (οἵτινες αὐτὸν ἐξεκέντησαν)41 macht dabei einen unmissverständlichen Bezug zum Kreuzestod Christi möglich. Insgesamt steht in Apk 1,7 jedenfalls die Gerichtsthematik deutlich im Raum. Das endzeitliche Kommen des gekreuzigten und erhöhten Jesus Christus zum Gericht wird unmittelbar in Aussicht gestellt. Der Prophetenspruch fungiert aber nicht einfachhin als definitive Gerichtsansage, sondern ist als eine zumindest prinzipielle Heilsankündigung zu verstehen, die in universalisierender Weise die Möglichkeit der Bekehrung aller Völker der Erde (πᾶς ὀφθαλµός bzw. πᾶσαι αἱ φυλαὶ τῆς γῆς) andeutet. Die Thematik des bevorstehenden Kommens Christi bestimmt nicht nur den Beginn der Johannesapokalypse und von dort aus dann den weiteren Verlauf der Textlektüre, die hoffnungsvolle Erwartung dieses Kommens bzw. die Ankündigung seiner definitiven Nähe ist schließlich auch wieder im Schlussteil des Buches betont hervorgehoben. Geradezu in der Form eines responsorischen Wechselgesangs ist dort mehrfach von Jesus selbst den Christen sein baldiges Kommen angekündigt (Apk 22,7.12.20: ἔρχοµαι ταχύ) bzw. umgekehrt die sehnsuchtsvolle Bitte der Gemeinde insgesamt sowie jedes und jeder Einzelnen um dieses sein Kommen zum Ausdruck gebracht (Apk 22,17: ἔρχου; Apk 22,20: ἀµήν ἔρχου κύριε ᾿Ιησοῦ [vgl. 1Kor 16,22; Did 10,6]). Der literarische Rahmen stellt die gesamte Schrift verheißungsvoll unter diese Perspektive und kann so den Adressaten entsprechend Zuversicht in ihrer gegenwärtigen Situation vermitteln. 3.4 Theo-logische Einbettung (Apk 1,4.8) Die christologischen Aussagen in der brieflichen Einleitung sind eingerahmt durch Aussagen über Gott und erhalten von dorther ihren eigentlichen Referenzpunkt. Die Inklusion deutet an, dass das Verständnis Jesu Christi eng verknüpft ist mit einem entsprechenden Gottesverständnis, dass das in den Versen dazwischen genannte Wirken Christi geradezu als „die ———————— 40 So z.B. auch J AUHIAINEN , Use (s. Anm. 38), 106. Anders demgegenüber G IESEN, Offenbarung (s. Anm. 4), 80.82; HERGHELEGIU, Siehe (s. Anm. 27), 105f.; u.v.a. 41 In Sach 12 bleibt die Identität des Durchbohrten merkwürdig im Dunkeln: JHWH selbst könnte gemeint sein oder eine JHWH repräsentierende Gestalt. Ist tatsächlich JHWH gemeint, so bringt Apk 1,7 durch die Identifizierung mit Christus eine dementsprechend hohe Christologie zum Ausdruck (so J AUHIAINEN, Use [s. Anm. 38], 147).
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Entfaltung des Gottseins Gottes“42 verstanden ist. Auf vielfache Weise ist diese enge Verbundenheit zwischen Christologie und Theologie in den angesprochenen Textabschnitten greifbar. Die charakteristische dreigliedrige Gottesbezeichnung von Apk 1,4, die in Apk 1,8 im Rahmen der Selbstvorstellung Gottes (ἐγώ εἰµι) wieder aufgegriffen wird (ὁ ὢν καὶ ὁ ἦν καὶ ὁ ἐρχόµενος [vgl. Apk 4,8; 11,17; 16,5]), umspannt als Entfaltung des Gottesnamens aus Ex 3,14 die drei Dimensionen der Zeit. In Korrespondenz dazu lassen sich auch für die Christusaussagen dazwischen die drei Zeitdimensionen festmachen, sofern V. 5a vorwiegend auf die Gegenwart abhebt, V. 5b–6 sich vorrangig auf die Vergangenheit bezieht und V. 7 die Zukunft thematisiert. Wenn das dritte Glied der Gottesprädikation zudem anders als in allen vergleichbaren Parallelen Gott als „den Kommenden“ (ὁ ἐρχόµενος) bezeichnet und so den Gedanken der Hinwendung Gottes zu den Menschen akzentuiert, dann ist damit die als grundlegend aufgewiesene Verheißung des Kommens Christi (Apk 1,7; 22,7.12.17.20) zugleich eingeschrieben in die Erwartung des Kommens Gottes selbst, das Kommen Christi letztlich als Verwirklichung des Kommens Gottes verstanden. In Apk 1,8 ist die Gottesprädikation gegenüber V. 4 um zwei weitere Elemente ergänzt. Während die Bezeichnung ὁ παντοκράτωρ an den insgesamt neun Vorkommen in der Johannesapokalypse ausschließlich Gott vorbehalten ist,43 findet sich die Bezeichnung τὸ ἄλφα καὶ τὸ ὦ, die noch einmal in Apk 21,6 erweitert um das gleichbedeutende ἡ ἀρχὴ καὶ τὸ τέλος als Selbstaussage Gottes begegnet, in eben dieser erweiterten und um ein drittes erläuterndes Begriffspaar verstärkten Form in Apk 22,13 in einer Ich-bin-Aussage auch auf Christus übertragen (τὸ ἄλφα καὶ τὸ ὦ, ὁ πρῶτος καὶ ὁ ἔσχατος, ἡ ἀρχὴ καὶ τὸ τέλος [vgl. Apk 1,17; 2,8]). Dass die an sich schon hoheitsvolle Selbstvorstellungsformel mit ἐγώ εἰµι mehrfach im Munde Jesu Christi begegnet, unterstreicht den angezeigten Anspruch göttlicher Hoheit und Würde zusätzlich.44 Neben der theologisch aufgeladenen Selbstprädikation Christi in Apk 22,13 (vgl. Apk 1,17) findet sich im Buchschluss in Apk 22,16 noch eine zweite, die ihrer———————— 42 43
SATAKE, Offenbarung (s. Anm. 1), 135. An sieben Stellen begegnet der Ausdruck neben der Bezeichnung Gottes als κύριος ὁ θεός (Apk 1,8; 4,8; 11,17; 15,3; 16,7; 19,6; 21,22), an zwei Stellen neben ὁ θεός (Apk 16,14; 19,15). 44 Neben den beiden Gottesreden Apk 1,8; 21,6 findet sich das ἐγώ εἰµι 3-mal als Ausspruch Jesu (Apk 1,17; 22,13.16; vgl. außerdem 2,23). In Apk 21,6 ist das εἰµι textkritisch umstritten, in Apk 22,13 fehlt es ganz. Eine weitere Ich-bin-Aussage Christi fügen die Handschriften von ÛA am Beginn der direkten Rede in Apk 1,11 ein. – Häufig im Kontext von Epiphanieschilderungen gebraucht, erinnert die Selbstvorstellungsformel mit ἐγώ εἰµι vor allem an Selbstprädikationen Gottes im Alten Testament (z.B. Ex 3,14; Jes 43,10–13.25; 45,18–25; usw.).
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seits mit ihren auffallend abweichenden und weitgehend singulären Titulaturen ἡ ῥίζα καὶ τὸ γένος ∆αυίδ45 und ὁ ἀστὴρ ὁ λαµπρὸς ὁ πρωϊνός46 demgegenüber allerdings einen ausgesprochen davidisch-messianischen Hintergrund erkennen lässt und den Aspekt außerordentlicher messianischer Herrschermacht akzentuiert.47 Besondere Nähe zwischen Jesus Christus und Gott ist schließlich auch dadurch zum Ausdruck gebracht, dass in Apk 22,16 Jesus selbst von sich sagen kann, dass er seinen Engel gesandt hat, um all das den Christen zu bezeugen (ἔπεµψα τὸν ἄγγελόν µου µαρτυρῆσαι ὑµῖν …), während noch in Apk 22,6 Gott selbst die Sendung seines Engels zu diesem Zweck zugeschrieben ist (ἀπέστειλεν τὸν ἄγγελον αὐτοῦ δεῖξαι τοῖς δούλοις αὐτοῦ … [vgl. Apk 1,1]). Die damit angezeigte Aktionseinheit, was den Offenbarungsvorgang angeht, unterstreicht, dass Jesus auch diesbezüglich auf die Seite Gottes gehört.48
4 Christusbild in den expliziten Christusvisionen Im Brief- bzw. Erzählkorpus selbst vermittelt Johannes seine Botschaft ganz im Rahmen von Visionsschilderungen und perspektivisch angelegten Visionssequenzen sowie mit Hilfe vielgestaltiger, ineinander eng verwobener Motive, Bildelemente und Symbole.49 Die spezifische Christusdarstellung der Apokalypse ist davon in besonderer Weise bestimmt und von dorther erst angemessen zu begreifen. Gerade in der Christologie dieser ———————— 45 Als ἡ ῥίζα ∆αυίδ ist Christus ähnlich auch in Apk 5,5 tituliert (vgl. Jes 11,1.10; TestJud 24,5). 46 Andeutungsweise titular ist ὁ ἀστὴρ ὁ πρωϊνός noch in Apk 2,28 gebraucht. Hintergrund könnte die alttestamentlich-frühjüdische Messiaserwartung im Gefolge von Num 24,17 sein. Vgl. insgesamt dazu C. BÖTTRICH, „O Christe Morgensterne …“. Apk 22,16 vor dem Hintergrund alttestamentlicher Königstheologie, in: W. Kraus / K.-W. Niebuhr (Hg.), Frühjudentum und Neues Testament im Horizont Biblischer Theologie. Mit einem Anhang zum Corpus Judaeo-Hellenisticum Novi Testamenti, WUNT 162, Tübingen 2003, 211–250, der für das Verständnis des Titels „Morgenstern“ vor allem auf königstheologische Traditionen verweist und von dorther insbesondere den Aspekt der Auferstehung Jesu bzw. der Teilhabe des Auferstandenen an der Herrschaft Gottes angespielt sieht; insgesamt seien darin „die Grundlinien der Christologie der Apk“ (249) gebündelt. 47 Während die erste Titulatur den Blick zugleich auf Jesu Herkunft lenkt, verweist die zweite Titulatur auf die Zukunft. 48 Vgl. G IESEN, Offenbarung (s. Anm. 4), 490. 49 Die Theologie der Johannesapokalypse kann von daher zu Recht als visionäre bzw. „eidetische“ Theologie bezeichnet werden. Vgl. K. BACKHAUS, Die Vision vom ganz Anderen. Geschichtlicher Ort und theologische Mitte der Johannes-Offenbarung, in: ders. (Hg.), Theologie als Vision. Studien zur Johannes-Offenbarung, SBS 191, Stuttgart 2001, 10–53, bes. 37–43.
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Schrift dominiert weitestgehend „die bildliche, sich lediglich annähernde Rede“50 mit all ihren Konsequenzen, ihrem überschießenden Sinnpotenzial ebenso wie ihren Grenzen. Auf genuin bildhaft-symbolische Weise transportiert der Verfasser zentrale christologische Aussagegehalte und entwickelt gerade auch durch die dabei zahlreich vorgenommenen Motivanknüpfungen und intertextuellen Bezugnahmen insbesondere auf den alttestamentlich-frühjüdischen Traditionsraum eine durchaus eigenständige christologische Konzeption. Die Gestalt Jesu Christi wird dabei in expliziten Christusvisionen51 eingeführt und in außergewöhnlichen Figurationen facettenreich ausgemalt und eindrücklich ins Bild gesetzt und Christus so in seinem Wesen, seiner Funktion und seinem Handeln den Adressaten in geradezu überwältigender Weise vor Augen gestellt. In insgesamt drei unterschiedlichen Gestalten begegnet Christus in diesen Visionen: als „einer gleich einem Menschensohn“ in Apk 1,9–20 und Apk 14,14–20, als „Lamm“ in Apk 5,6–14 und als Reiter auf einem weißen Pferd in Apk 19,11–21. Die vier großen Christusvisionen, kompositionsstrategisch an besonders wichtigen Stellen im Textverlauf positioniert, erweisen sich geradezu als „Schlüssel- und Leitbilder“ für das Verständnis von Aussageintention und Pragmatik des gesamten Werkes, nicht nur seiner Christologie. Durch zahlreiche Entsprechungen und Bezugsmomente struktureller und thematisch-inhaltlicher Art untereinander eng verbunden,52 erhalten sie zusätzliches Gewicht und lassen die ihnen gemeinsamen Aspekte umso deutlicher als charakteristische christologische Brennpunkte der Gesamtschrift begreifen. Die Figur des Lammes kann zweifellos als die zentrale und wichtigste Christusfigur der Johannesapokalypse gelten. Mit ihren insgesamt 28 Vorkommen ist sie nicht nur die weitaus am häufigsten genannte, sondern zugleich auch die einzige der drei Christusfigurationen, die auch außerhalb der sie einführenden Christusvision (Apk 5) in einer Reihe von weiteren visionären Kontexten begegnet. Als erste und unmittelbar am Beginn des eigentlichen Erzählkorpus begegnet freilich die Figur des Menschensohngleichen. Sie ist zugleich auch die einzige der drei christologischen Figura———————— 50 KARRER, Bilder (s. Anm. 13), 120. LÄPPLE, Geheimnis (s. Anm. 36), 54, plädiert deshalb für die Verwendung des Ausdrucks „Christusbild“ im Unterschied zu „Christologie“. 51 Als eigentliche Christusvisionen im engeren Sinn haben jene Visionsschilderungen zu gelten, in denen Jesus Christus als zentrale Figur der Darstellung begegnet, Hauptgegenstand der Schau ist und entsprechend im Fokus des Erzählinteresses steht. Anders als die vier im Folgenden genannten Visionen sind Apk 12 und Apk 14,1–5 in diesem Sinn nicht als explizite Christusvisionen zu werten. In Apk 6,1–2 bzw. Apk 10,1– 7 ist eine Identifizierung der jeweils geschauten Gestalt (Reiter bzw. Engel) mit Christus entgegen anderslautenden Positionen m.E. vom Text her nicht angezeigt. Vgl. dazu H UBER, Menschensohn (s. Anm. 7), bes. 4–12. 52 Vgl. dazu HUBER, Menschensohn (s. Anm. 7), 270–308.
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tionen, die noch ein zweites Mal im Kontext einer expliziten Christusvision genannt ist, und zwar am Ende jener größeren Texteinheit Apk 12–14, die als „die dramatische Mitte des apk Hauptteils“53 der Johannesoffenbarung bezeichnet werden kann. 4.1 Einer gleich einem Menschensohn (Apk 1,9–20; 14,14–20)54 4.1.1 Der Menschensohngleiche inmitten der Gemeinde (Apk 1,9–20) Die Eingangsvision Apk 1,9–20, die für Johannes zugleich Beauftragungsvision zur Niederschrift des ihm auf der Insel Patmos am Herrentag im Geist Geoffenbarten darstellt, präsentiert den erhöhten Christus in Apk 1,12f. als „einen gleich einem Menschensohn“ (ὅµοιον υἱὸν ἀνθρώπου) inmitten (ἐν µέσῳ) von sieben goldenen Leuchtern, die sinnbildhaft für die sieben Adressatengemeinden stehen. Die Verortung verweist von Anfang an auf die für diese Christusschau entscheidende Relation, die im Verlauf der Schilderung weiter intensiviert wird (vgl. Apk 1,16): auf die Beziehung Christi zu den Seinen und seine machtvolle Gegenwart mitten unter ihnen (vgl. Apk 2,1). Mit der eigentümlich umschreibenden Bezeichnung als Menschensohngleicher, die augenscheinlich die Verwendung des vor allem in den synoptischen Evangelien gebräuchlichen Menschensohntitels zu vermeiden sucht,55 nimmt der Text unmittelbar auf Dan 7,13 Bezug und spielt von dorther und mit Blick auf die an Dan 7 einschlägig anknüpfenden frühjüdischen Traditionen (v.a. 1Hen 37–71; 4Esr 13)56 einen ganz bestimmten Verständnishorizont in den Text ein. Der Aspekt besonderer Zugehörigkeit auf die Seite Gottes, das Motiv uneingeschränkter Macht- und Herrschaftsübertragung im Gegenüber zu bedrohlichen, widergöttlichen Mächten wie auch die der Fortschreibung in der frühjüdischen Apokalyptik verdankte Stilisierung als messianische Herrscher-, Richter- und Retterfigur, ausgestattet mit göttlichen Attributen und in Funktionseinheit mit Gott und gleichzeitig enger Bezogenheit auf die Gemeinde, sind so zu jenen Vorstellungen und Erwartungen zu zählen, die allein schon durch die spezifische Benennung der geschauten Gestalt in Apk 1,13 evoziert werden. Die aus———————— 53 54
GIESEN, Offenbarung (s. Anm. 4), 52 bzw. 269. Ausführlich dazu HUBER, Menschensohn (s. Anm. 7), bes. 73–269. Vgl. z.B. auch SLATER, Christ (s. Anm. 27), 65–160; HERGHELEGIU, Siehe (s. Anm. 27), 111–174; HOFFMANN, Destroyer (s. Anm. 25), 30–104.212–246. 55 Auf die Kenntnis des spezifischen, in der Jesusüberlieferung fest verankerten Menschensohntitels durch den Verfasser lassen z.B. Apk 1,7 bzw. Apk 3,3.5; 16,15 schließen, wobei der Titel selbst an diesen Stellen nicht genannt ist. Vgl. dazu LOHSE, Menschensohn (s. Anm. 18), 86f. 56 Zum traditionsgeschichtlichen Hintergrund des Syntagmas ὅµοιον υἱὸν ἀνθρώπου vgl. HUBER, Menschensohn (s. Anm. 7), 126–145.
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führliche Beschreibung des Menschensohngleichen im Anschluss (Apk 1,13–16) und dessen Selbstvorstellung in direkter Rede (Apk 1,17f.; 2,1ff.) bestätigen bzw. verstärken auf ihre Art weitgehend diese Momente und verdeutlichen mit ihrer dichten Bildsymbolik und mit gezielter Aneinanderreihung von Eigenaussagen, was das Wesen und die Funktion der von Johannes geschauten Gestalt in spezifischer Weise kennzeichnet. Wenn in Apk 1,13–16 das Aussehen und bestimmte Einzelzüge an der Gestalt des Menschensohngleichen näher beschrieben werden, erfolgt das in hohem Ausmaß unter Aufnahme und z.T. eigenwilliger Kombination von alttestamentlichem Motivrepertoire. Neben Anspielungen auf die Schau Gottes als des „Alten an Tagen“ in Dan 7,9 begegnen vor allem Anklänge an die Beschreibung des Engelsfürsten aus Dan 10,5–6.57 Struktur und Abfolge der Christusvision insgesamt scheinen zudem stark von Dan 10 her beeinflusst zu sein. Abgesehen von diesen alttestamentlichen Bezügen spielt außerdem auch die Erzählung von der Verklärung Jesu zumindest für V. 16 eine entsprechende Rolle (vgl. Mt 17,2). Die fußlange Kleidung und der goldene Brustgürtel (Apk 1,13) bringen den besonderen Status des Menschensohngleichen, seine Nähe zum göttlichen Bereich und sein himmlisches Wesen zum Ausdruck. Die Beschreibung des Hauptes in Anlehnung an Dan 7,9 (Apk 1,14) spricht ihm nichts weniger als göttliche Attribute zu und deutet zudem den Aspekt von Theophanie an.58 Stärke, Unerschütterlichkeit und uneingeschränkte Verfügungsgewalt sind ihm durch die golderzenen Füße (Apk 1,15) und den Umstand, dass er sieben Sterne in seiner Rechten hält (Apk 1,16), zugeschrieben. Die gewaltige Stimme (Apk 1,15), vor allem aber das bizarre Bild vom zweischneidigen, scharfen Schwert, das aus seinem Mund herausragt (Apk 1,16), heben als besondere Charakteristika seiner Person die Wirkmächtigkeit seines Wortes und die damit aufs Engste verbundene richterlich-herrscherliche Funktion hervor. Sein gesamtes Aussehen erstrahlt in unermesslicher Herrlichkeit, in der letztlich das Leuchten der Gottheit selbst transparent wird (Apk 1,16). Alles an der Gestalt des Menschensohngleichen – so lässt sich das beschriebene Bild zusammenfassen – ist Würde, Majestät, Stärke, strahlende Herrlichkeit und überwältigende Macht. Eine Reihe von Einzelelementen könnte dabei zwar durchaus das Verständnis in Richtung angelomorpher Erscheinungsform nahelegen, der Menschensohngleiche ist hier aber dennoch nicht einfachhin als eine Engelgestalt vorgestellt oder primär bzw.
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Vgl. außerdem z.B.: Ez 9,2 in V. 13; Ez 1,24; 43,2 in V. 15; Jes 11,4; 49,2 bzw. Ri 5,31 in V. 16. 58 Theophaniemetaphorik liegt zudem bereits in Apk 1,10 vor (vgl. Ex 19,16).
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ausschließlich mit engelhaften Zügen ausgestattet zu verstehen.59 Die spezifisch akzentuierten Einzelzüge mit deutlich theophanem Charakter und jene Bildelemente, die dessen Zuordnung zum göttlichen Bereich anzeigen, erweisen ihn vielmehr als singuläre, besonders hoheitsvolle und geradezu gottgleiche Gestalt.60 Für den Seher Johannes wird im Menschensohngleichen etwas von der Nähe des lebendigen Gottes erfahrbar. Im Rahmen der in Apk 1,17–18 anschließenden Selbstvorstellung in Form eines dreifach gestuften61 Ich-bin-Worts findet dieses Moment wesenhafter Zugehörigkeit des Menschensohngleichen zu Gott seine Bestätigung, wenn dort zusammen mit dem hoheitsvollen ἐγώ εἰµι gleich zu Beginn etwa Prädikationen gebraucht sind, die schon im Alten Testament Gott selbst zukommen bzw. diesem vorbehalten sind („der Erste und der Letzte“ [vgl. Jes 41,4; 44,6; 48,12]; „der Lebendige“ [vgl. Dtn 5,26; 32,40; Jos 3,10; 1Sam 17,26.36 usw.]).62 Geht es inhaltlich dabei zunächst um ———————— 59 Vertreter einer angelomorphen Christologie verweisen für Apk 1,13–16 z.B. auf die durchgängige Analogie mit der Vision des Engelsfürsten in Dan 10,5f., die Parallelen mit Apk 15,6 bzw. Apk 10,1 oder den Kontext der nochmaligen Nennung des Menschensohngleichen in Apk 14 u.ä. – Von angelomorpher Christologie sprechen z.B.: G UNDRY, Christology (s. Anm. 23), 377–398; STUCKENBRUCK, Refusal (s. Anm. 22), 679–696; DERS., Veneration (s. Anm. 22), 209–240; COLLINS, Son of Man (s. Anm. 19), 548–558; CARRELL, Jesus (s. Anm. 23), 129–174; GIESCHEN, Christology (s. Anm. 24), 245–252. 60 Vgl. z.B. HOLTZ, Christologie (s. Anm. 12), 116–128, nach dem der „Schritt zur vollen Vergottung“ (126) aber noch nicht getan ist; H OFIUS, Zeugnis (s. Anm. 14), 514– 517; KARRER, Bilder (s. Anm. 13), 122 („Gottesvergegenwärtigung“); H ERGHELEGIU, Siehe (s. Anm. 27), 135.229; S ÄNGER, Amen (s. Anm. 15), 90. BACKHAUS, Vision (s. Anm. 49), 45, spricht von „Seinsverschmelzung“. – Die Feststellung allerdings, dass die Gottgleichheit des Menschensohngleichen auch dadurch zum Ausdruck gebracht werde, dass dann in Apk 1,17f. anders als in Apk 19,10; 22,9 keine Zurückweisung von fußfälliger Huldigung erfolge (so z.B. L. T. Stuckenbruck; P. R. Carrell; M. R. Hoffmann), geht an der eigentlichen Aussageintention der Schilderung der Reaktion des Sehers vorbei. Wenn auch nicht als Huldigungsbezeigung bestätigt die Reaktion des Sehers gleichwohl den theophanen Charakter des visionären Geschehens. 61 Vgl. dazu HUBER, Menschensohn (s. Anm. 7), 177–184. H OLTZ, Christologie (s. Anm. 12), 82, spricht von zwei Reihen von je drei Gliedern. F. SIEG, ῞Οµοιος υἱὸς ἀνθρώπου (Offb 1,13). Schlussfolgerungen aus der Untersuchung (Offb 1,13–16.17c.18; 2,1.8.12.18; 3,1.7.14), Filologia Neotestamentaria 7 (1994), 3–15 (3f.), konstatiert etwas willkürlich zwei Strophen mit insgesamt sieben Elementen im Verhältnis 3:4 und unterscheidet inhaltlich transzendentale Attribute und solche, die die zeitliche Existenz betreffen. 62 Beides trifft analog innerhalb der Johannesapokalypse zu: zu ὁ πρῶτος καὶ ὁ ἔσχατος (Apk 1,17; 2,8; 22,13) vgl. sachlich die Gottesprädikate in Apk 1,8; 21,6; als [ὁ] ζῶν (Apk 1,18; 2,8) wird sonst nur Gott selbst bezeichnet (Apk 4,9.10; 5,14 v.l.; 7,2; 10,6; 15,7). – Nach J. FREY, Erwägungen zum Verhältnis der Johannesapokalypse zu den übrigen Schriften des Corpus Johanneum, in: M. Hengel, Die johanneische Frage. Ein Lösungsversuch, WUNT 67, Tübingen 1993, 326–429 (399–402), der darauf hinweist, dass „im 4. Evangelium und in der Apokalypse – und nur hier im NT – das ἐγώ εἰµι Jesu als Ausdruck seiner göttlichen Vollmacht und seiner Einheit mit dem Vater gezielt und
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dessen zeit- und geschichtsumspannendes, immerwährendes Sein, das notwendig auch die Vorstellung von der Präexistenz Christi voraussetzt,63 erhält insgesamt dann vor allem die Charakterisierung des Menschensohngleichen als Lebender besonderen Nachdruck (ὁ ζῶν … καὶ ἰδοὺ ζῶν εἰµι εἰς τοὺς αἰῶνας τῶν αἰώνων), dem als solchem auch die Macht zukommt, den Bereich des Todes aufzuschließen und Zugang zu neuem Leben zu eröffnen (ἔχω τὰς κλεῖς τοῦ θανάτου καὶ τοῦ ᾅδου).64 Dabei ermöglicht der Hinweis auf sein endgültig überwundenes Todesgeschick (ἐγενόµην νεκρός …) erstmals innerhalb der Visionsschilderung auch, die geschaute Gestalt ausdrücklich mit Jesus Christus zu identifizieren,65 zumal damit eine deutliche Aussage über Jesu Kreuzestod und über seine Auferweckung durch Gott gegeben ist (vgl. Apk 1,5). Der auferstandene und erhöhte und der mit göttlicher Vollmacht ausgestattete Christus, als der sich der Menschensohngleiche dem Johannes in seiner Selbstvorstellung zu erkennen gibt, ist niemand anderer als der am Kreuz gestorbene irdische Jesus. Wie die spezifische Verortung in Apk 1,12f. bereits eingangs deutlich macht, stellt die Christusvision Apk 1,9–20 in der Gestalt des Menschensohngleichen Größe, Reichtum und Würdestellung der Person Jesu Christi insbesondere in ihrer Beziehung zu den christlichen Gemeinden vor Augen. Inmitten seiner Gemeinden ist Christus wirkmächtig gegenwärtig und erfahrbar als ihr Herr. In den anschließenden Sendschreiben (Apk 2–3), die als unmittelbare Fortsetzung der Rede des Menschensohngleichen inhaltlich zur Gänze aus der Christusvision herauswachsen und auf sie rückbe———————— als strukturbildendes Element eingesetzt ist“, lassen sich die konkrete Form und Diktion der Johannesoffenbarung allerdings „kaum mit der metaphorischen Subtilität der Bildworte im Evangelium vergleichen“, sondern scheinen „dem hieratischen Stil der alttestamentlichen Offenbarungsformel wesentlich näherzustehen“ und hinterlassen „einen viel unmittelbarer alttestamentlichen, im Ganzen archaischeren Eindruck“ (400f.), insbesondere was die programmatische Übertragung alttestamentlicher Gottesprädikate auf Christus anlangt. 63 Vgl. R OLOFF, Offenbarung (s. Anm. 29), 44; BORING, Christology (s. Anm. 13), 714; HOFIUS, Zeugnis (s. Anm. 14), 514–517; GIESEN, Offenbarung (s. Anm. 4), 89; DERS., Christologie (s. Anm. 5), 196. Von damit angedeuteter Schöpfungsmittlerschaft kann hier – wenn überhaupt – nur ganz indirekt gesprochen werden. Präexistenzchristologie „in statu nascendi“ konstatiert HENGEL, Throngemeinschaft (s. Anm. 14), 174f., neben Apk 1,17f. (vgl. 2,8; 22,13) auch für die Selbstbezeichnung ἡ ἀρχὴ τῆς κτίσεως τοῦ θεοῦ in Apk 3,14. 64 Die Aussage von der Schlüsselgewalt über den Bereich der Toten ist vergleichbar mit der Botenformel in Apk 3,7, wo von Christus in letztlich analogem Verständnis davon die Rede ist, dass er „den Schlüssel Davids“ (ὁ κλεὶς ∆αυίδ) hat (vgl. Jes 22,22). 65 Alles Übrige – selbst die Bezeichnung als Menschensohngleicher – bietet demgegenüber nur indirekte Hinweise auf die Identität des Geschauten und legt diese lediglich durch die spezifische Kombination der Motive nahe. Das ändert sich dann freilich in den Sendschreiben (vgl. Apk 2,8.18.28; 3,3.5.7.12.14.21; auch 2,3.13; 3,8).
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zogen sind, kommt diese Beziehung Christi zu seinen Gemeinden breit zum Tragen. Dabei werden in der jeweiligen Botenformel einzelne Bildelemente und Aussagegehalte aus der vorausgehenden Christusvision noch einmal aufgenommen und betont in Erinnerung gerufen, daneben auch Elemente des Briefpräskripts (Apk 1,4–5) sowie neue, zum Teil auf folgende Texte vorausweisende Prädikate zur vertiefenden und ergänzenden Charakterisierung Christi genannt.66 Das erste und einzige Mal innerhalb der Johannesoffenbarung begegnet darin der christologische Titel ὁ υἱὸς τοῦ θεοῦ (Apk 2,18), der die enge, persönliche Beziehungsgemeinschaft Christi mit Gott zum Ausdruck bringt.67 Neu ist auch die direkte Zuschreibung der Fülle des Geistes Gottes (Apk 3,1; vgl. 1,4; 4,5; 5,6) und die Titulierung mit den Gottesprädikaten ὁ ἅγιος (Apk 3,7; vgl. 4,8; 6,10; 16,5), ὁ ἀληθινός (Apk 3,7; vgl. 3,14; 19,11 bzw. 6,10) und ὁ ἀµήν (Apk 3,14; vgl. Jes 65,16), die seine göttliche Würdestellung weiter betonen. In Apk 3,14 wird Christus zudem noch als „der Anfang der Schöpfung Gottes“ (ἡ ἀρχὴ τῆς κτίσεως τοῦ θεοῦ) tituliert und damit wohl eine Aussage über die Schöpfungsmittlerschaft des Präexistenten getroffen (vgl. Joh 1,1– 3.10; Kol 1,15–16), vielleicht aber auch auf das Osterereignis als Beginn einer neuen Schöpfung angespielt (vgl. Apk 1,5; Kol 1,18). Als eine wichtige Funktion in den Sendschreiben insgesamt wird mehrfach auch seine richterliche Funktion bildhaft angezeigt (Apk 2,12.18.23.28; 3,7). Über die markanten Christusprädikationen in den Botenformeln hinaus tritt Christus in den Sendschreiben dann vor allem als derjenige in Erscheinung, der um die Situation und den Zustand der Gemeinden weiß, der sich um sie sorgt und ihnen je spezifisch Zuspruch, Ermunterung, Ermahnung und Tadel zukommen lässt und der in souveräner Vollmacht jenen, die „überwinden“ (νικάω) und das Glaubenszeugnis bewahren, Anteil an der eschatologischen Lebens- und Heilsvollendung in engster Christusund Gottesgemeinschaft verheißt und zu geben im Stande ist. Seine Präsenz in den Gemeinden erweist sich vor allem durch dieses sein Wort, das durch den göttlichen Geist bewirkt an sie ergeht. ———————— 66 Elemente aus der Christusvision in: Apk 2,1 (vgl. 1,12f.16); Apk 2,8 (vgl. 1,17f.); Apk 2,12 (vgl. 1,16); Apk 2,18 (vgl. 1,14.15); Apk 3,1 (vgl. 1,16); Apk 3,7 (vgl. 1,18); allein in Apk 3,14 sind keine Elemente aus der Christusvision aufgenommen. Elemente des Briefpräskripts in: Apk 3,1 (vgl. 1,4; auch 5,6); Apk 3,14 (vgl. 1,5). Weitere Elemente z.B. in Apk 2,18; 3,7.14. – SIEG, Schlussfolgerungen (s. Anm. 61), 3–15, unterscheidet in den Botenformeln etwas künstlich 7 Titel, 7 Attribute und 7 Befugnisse, mit denen Christus umfassend präsentiert werden soll. 67 Vgl. auch Apk 1,6; 2,28; 3,5.21; 14,1, wo Gott als Vater Christi bezeichnet wird. Vgl. HOFIUS, Zeugnis (s. Anm. 14), 513: „Die Vater-Sohn-Relation bringt die einzigartige Zugehörigkeit Jesu zu Gott und eben damit seine unvergleichliche Würde und Hoheit, ja sein analogieloses Wesen zum Ausdruck.“
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4.1.2 Menschensohngleicher und göttliches Gericht (Apk 14,14–20) Steht in Apk 1,9–20 die Gegenwart des Auferstandenen inmitten seiner Gemeinden im Vordergrund, so zeigt die zweite Vision des Menschensohngleichen Christus ganz im Kontext eines Ausblicks auf das eschatologische Gericht. Unmittelbar im Anschluss an eine dreifache Gerichtsankündigung (Apk 14,6–13) zeichnet die Perikope Apk 14,14–20 auf dem Hintergrund von Jo 4,13 bzw. Dan 7,13, Jes 63,2f. und Jer 25(32),30f. in einer Art Doppelvision symbolhaft andeutend die Durchführung des Endgerichts in zwei Bildern, dem Bild von der Getreideernte einerseits und dem Bild von der Weinlese samt anschließendem Keltertreten andererseits. Rolle und Funktion des Menschensohngleichen sind dabei begrenzt auf das Geschehen rund um die Getreideernte (Apk 14,14–16), das insgesamt bewusst ambivalent angelegt ist, d.h. als Vorgang des Einbringens des Fruchtertrags, ohne dass von vornherein positiv oder negativ die Qualität desselben oder etwa dessen weitere Bestimmung im Blick sind, und das so im Sinne einer alle Menschen betreffenden Gerichtsaussage mit zumindest prinzipiell offenem Ausgang konzipiert ist.68 Die erzählerisch hervorgehobene Präsentation der Figur des Menschensohngleichen und ihre spezifische Charakterisierung in Form von lokaler Verortung (sitzend auf einer weißen Wolke) und zwei näher beschreibenden Epitheta (goldener Kranz auf dem Haupt; scharfe Sichel in der Hand) in V. 14 erweist diese ausdrücklich in sieghafter, souveräner, königlichmachtvoller Würdestellung, ausgestattet mit göttlicher Herrlichkeit und in der Funktion eines wirkmächtigen Richters. Die daran anschließende Schilderung des Visionsgeschehens in V. 15–16 (Auswerfen der Sichel auf Geheiß eines Engels; Abgeerntet-Werden der Erde) macht zugleich aber die Rückbezogenheit der geschauten Gestalt auf Gott deutlich und bindet ihr endzeitliches Tun ein in ein Handeln, das letztlich Gott selbst zuzuschreiben ist (vgl. Apk 14,20).69 Dieses Moment des engen Miteinanders, ja der Handlungseinheit zwischen Menschensohngleichem und Gott kommt nicht zuletzt auch in der parallelen Darstellung der beiden Visionsszenen zum Ausdruck. Sofern dabei das Attribut der scharfen Sichel und die Rede vom Auswerfen derselben (vergleichbar mit dem Schwert in Apk 1,16 [vgl. 19,15]) in ihrem Aussagegehalt als symbolhafte Vergegenständ———————— 68 Vgl. dazu HUBER, Menschensohn (s. Anm. 7), 218–269, bes. 248–252. Zur Argumentation vgl. auch DERS., Die Ernte des Menschensohngleichen. Zur Ambivalenz eines Gerichtsbildes in der Johannesoffenbarung, in: M. Labahn / O. Lehtipuu (Hg.), Imagery in the Book of Revelation, CBET 60, Leuven 2011, 79–106. 69 Während für Apk 14,15 ein gewisser subordinationistischer Zug mitzuschwingen scheint, ist sowohl für das ἐθερίσθη in Apk 14,16 als auch für das ἐπατήθη in Apk 14,20 zu Recht an ein Passivum divinum zu denken, so dass der Menschensohngleiche und Gott selbst im Grunde in Handlungseinheit treten (vgl. auch Apk 19,15).
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lichung bzw. Inszenierung des wirkmächtigen Wortes verstanden werden kann, ist der Akzent vor allem darauf gelegt, dass das geschilderte Gerichtsgeschehen allein kraft eben dieses Wortes, kraft der Botschaft des Menschensohngleichen (Apk 14,14–16) bzw. der Botschaft Gottes (Apk 14,17–19), zur Ausführung gelangt.70 Die Vorstellung vom Menschensohngleichen als himmlische Herrscherund Richtergestalt in Funktionseinheit mit Gott hat ihren traditionsgeschichtlichen Anknüpfungspunkt insbesondere in der frühjüdischen Fortschreibung des in Apk 14,14 unmittelbar eingespielten Motivs aus Dan 7,13. Mit der Einführung der geschauten Gestalt als Menschensohngleicher auf einer weißen Wolke71 steht der Text zudem in deutlicher Korrespondenz zur Eingangsvision in Apk 1,9–20 sowie zum Prophetenspruch in Apk 1,7. Von dort aus ist dann auch die Gestalt des Menschensohngleichen in Apk 14,14–20 klar mit dem auferstandenen und erhöhten Christus zu identifizieren, obwohl dies in der konkreten Visionsschilderung selbst an keiner Stelle ausdrücklich gemacht wird. Trotz einer Reihe von Textphänomenen und Einzelzügen, die ein derartiges Verständnis für sich genommen durchaus nahelegen könnten,72 ist der Menschensohngleiche allerdings auch hier weder als eine Engelgestalt zu verstehen noch eine entsprechend angelomorphe (Menschensohn-)Christologie für die Perikope zu veranschlagen. Die Vision ist nichts anderes als eine Vision Jesu Christi, die Christus erneut in außerordentlicher Identität und letztlich gottgleicher Stellung und Funktion präsentiert. 4.2 Das Lamm (Apk 5,6–14) Die Vision des Lammes in Apk 5 gehört untrennbar in den Erzählzusammenhang der großen Himmelsvision Apk 4–5, die mit der Schau des Thrones Gottes und der himmlischen Wesen rund um diesen Thron sowie deren huldigendem Lobpreis einsetzt (Apk 4), in der Folge den Fokus auf das Buch mit den sieben Siegeln in der Rechten Gottes richtet (Apk 5,1–5) und von Apk 5,6 an schließlich vollends zur Christusvision wird. Der Szene, ———————— 70 Sinngemäß vergleichbar wäre damit vielleicht die Aussage in Jes 55,11, wonach das Wort aus Gottes Mund nicht leer zu ihm zurückkehren wird, sondern bewirken wird, was ihm gefällt, und ausführen wird, wozu er es gesandt hat. 71 Die lokale Verortung und die damit ausgedrückte Charakterisierung scheint insgesamt für die Perikope von besonderem Interesse zu sein, zumal der Menschensohngleiche in der Folge stets ausdrücklich und ausschließlich nur mehr in dieser Relation als ὁ καθήµενος ἐπὶ τῆς νεφέλης bezeichnet wird (Apk 14,15.16). 72 Z.B. die Bezeichnung des Engels in Apk 14,15 als ἄλλος ἄγγελος, die vordergründige Parallelisierung mit den Engelgestalten in Apk 14,15.17.18 bzw. Apk 14,6.8.9 sowie die Tatsache, dass der Menschensohngleiche in Apk 14,15 einen Befehl von einem Engel erhält und nichts anderes tut, als diesem in Apk 14,16 Folge zu leisten, sich damit diesem Engel also offensichtlich unterordnet.
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die geradezu als „die theologische Mitte“73 der Johannesoffenbarung bezeichnet werden kann, kommt insgesamt eine Schlüsselposition zu. Alles weitere Geschehen ist von dorther bestimmt und erhält von dorther auch seinen ursächlichen Ausgang. Die kontextuelle Verortung verweist bereits auf die spezifische Relation, auf die es der Vision des Lammes in Apk 5,6–14 primär ankommt. Steht für die Gestalt des Menschensohngleichen – wenn auch je unterschiedlich – die Beziehung zu den Menschen im Vordergrund, so geht es für die Präsentation Christi in der Figur des Lammes zunächst ganz um dessen Beziehung zu Gott. Eine Reihe inhaltlicher Aussagen bestätigt dieses Moment und bringt betont die singuläre Nähe des Lammes zu Gott zur Sprache. Bevor das Lamm in Apk 5,6 tatsächlich in Erscheinung tritt, wird dessen Auftreten in Apk 5,1–5 erzählerisch vorbereitet und in Form von direkter Rede verschlüsselt angekündigt. Dabei wird zum einen mit der anfänglichen und den Seher zutiefst erschütternden Feststellung, dass niemand die notwendige Würde und den erforderlichen Zugang zu Gott hat, um das siebenfach versiegelte Buch in der Rechten Gottes zu öffnen und dessen Inhalt bekannt zu machen, indirekt von vornherein angedeutet, dass und wie sehr sich Christus von der gesamten Schöpfung einschließlich der himmlischen Wesen unterscheidet. Zum zweiten wird Christus durch die Aussage eines der Ältesten mit ihrem klar messianisch zu verstehenden Doppelbild vom Löwen aus dem Stamm Juda (vgl. Gen 49,9f.) und vom Wurzelspross Davids (vgl. Jes 11,1.10; vgl. TestJud 24,5; auch Apk 22,16) mit der alttestamentlichen Erwartung eines davidischen Heilskönigs in Verbindung gebracht und so in messianisch-herrscherlicher Würdestellung ausgewiesen. Aufgrund seines Sieges (νικάω), d.h. durch das Ereignis von Tod und Auferweckung (vgl. Apk 3,21), ist er würdig, von Gott das Buch entgegenzunehmen und es zu öffnen (vgl. Apk 5,9f.12). Ist dem Seher ein siegreicher Löwe, der an sich schon bildhaft für Macht und Stärke steht, angekündigt, so bekommt er in Apk 5,6 tatsächlich aber ein Lamm (ἀρνίον) zu sehen, das noch dazu „wie geschlachtet“ (ὡς ἐσφαγµένον) ist.74 Die vorher angezeigte messianische Dimension erfährt ———————— 73 ROLOFF, Offenbarung (s. Anm. 29), 66. Vgl. S LATER, Christ (s. Anm. 27), 173; GIESEN, Thronsaalvision (s. Anm. 14), 25. 74 Als geschlachtetes (σφάζω) ist das Lamm dann auch in Apk 5,9.12; 13,8 bezeichnet. In Apk 6,9; 18,24 wird das Wort σφάζω für die bis zum gewaltsamen Tod treu am Zeugnis Jesu festhaltenden Christen gebraucht. In Apk 13,3 wird für das erste Tier, das aus dem Meer heraufsteigt, in ironischer Parallelisierung dieselbe Formulierung wie in Apk 5,6 für das Lamm verwendet, um die Todeswunde eines seiner Häupter zu beschreiben (ὡς ἐσφαγµένην εἰς θάνατον). – Zur Frage nach dem Verhältnis der beiden Bilder „Löwe“ (λέων) und „Lamm“ (ἀρνίον) vgl. R. SKAGGS / T. DOYLE, Lion/Lamb in Revelation, Currents in Biblical Research 7 (2009), 362–375.
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durch diesen abrupten, geradezu paradoxen Bildwechsel hin auf ein Symbol für Macht- und Wehrlosigkeit eine korrigierende Umdeutung bzw. inhaltliche Präzisierung. Die Todeswunde tragend, ist das Lamm zugleich aber – und merkwürdig kontrastierend dazu – „stehend“ (ἑστηκός) geschaut, in aufrechter Haltung, d.h. lebend (vgl. Apk 14,1). Am Lamm selbst sind so der Tod und die Auferweckung Jesu unverkennbar ins Bild gesetzt. Auf seine Lebenshingabe, seinen gewaltsamen Kreuzestod, verweist außerdem auch die Rede vom Blut (αἷµα) des Lammes in Apk 5,9 (vgl. 7,14; 12,11). Erst eigentlich auf diesem Hintergrund ist adäquat zu verstehen, dass das Lamm auch sieben Hörner hat, d.h. mit Macht in Fülle ausgestattet ist,75 und dass ihm im Bild der sieben Augen die Fülle des Geistes Gottes und damit verbunden eine umfassend erkennende Sicht auf die Welt zugeschrieben ist.76 Von Gott her empfängt das Lamm denn auch das Buch (Apk 5,7) und wird so in eine entsprechende Herrschaftsstellung eingesetzt.77 Die besondere Nähe zu Gott als ein spezifisches Charakteristikum der geschauten Christusfigur kommt vor allem dadurch zum Ausdruck, dass das Lamm inmitten (ἐν µέσῳ) des Thrones und der vier Lebewesen und inmitten (ἐν µέσῳ) des durch die Ältesten um den Thron herum gebildeten Kreises (Apk 5,6; vgl. 7,17) steht. Auch diesbezüglich unterscheidet sich das Lamm von allen anderen himmlischen und irdischen Wesen. Diese einzigartige Beziehung, ja singuläre Einheit des Lammes mit Gott findet in der Folge dadurch ihre vollste Bestätigung, dass dem Lamm in gleicher Weise wie Gott und zusammen mit ihm anbetende Huldigung und entsprechender universaler Lobpreis entgegengebracht werden (Apk 5,8–10.11– 12.13.14; vgl. 7,9–10; 15,3–4; 19,6–8; 22,3). ———————— 75 Die Hörner sind Symbol für königliche Würde (vgl. Ps 111,9 LXX; Sach 2,1; Dan 7,7.20; 8,3 u.ö.) und Machtfülle (Num 23,22; Dtn 33,17 u.ö.); vgl. S LATER, Christ (s. Anm. 27), 169; G IESEN, Offenbarung (s. Anm. 4), 168; DERS., Thronsaalvision (s. Anm. 14), 29; HOFFMANN, Destroyer (s. Anm. 25), 149f. Unter anderem deshalb sprechen viele Ausleger nicht von einem „Lamm“, sondern von einem „Widder“ (so z.B. STUHLMACHER, Lamm Gottes [s. Anm. 17], 529–542). 76 ROLOFF, Offenbarung (s. Anm. 29), 76, sieht in der Identifizierung der Augen mit den sieben Geistern Gottes (die er freilich als „Gottes Angesichtsengel“ versteht) einen Hinweis „auf die Gott gleiche Herrschaftsstellung des Lammes“. G IESEN, Thronsaalvision (s. Anm. 14), 29, spricht von Allwissenheit und Allgegenwärtigkeit und sieht damit Eigenschaften Gottes auf Christus übertragen. 77 Nach ROLOFF, Offenbarung (s. Anm. 29), 73.76, symbolisiert der Empfang des Buches die rechtmäßige Übertragung der Weltherrschaft, das Öffnen der Siegel die aktive Ausübung der Herrschaftsfunktion. Vgl. G IESEN, Thronsaalvision (s. Anm. 14), 25– 27, wonach Jesus Christus damit auch als „der einzige, unverwechselbare Offenbarungsmittler“ (26) bestätigt wird (vgl. Apk 1,1). H ENGEL, Throngemeinschaft (s. Anm. 14), 166, sieht im Empfang des Buches eine Entsprechung zum Akt der Erhöhung „zur Rechten Gottes“ nach Ps 110,1 in der frühesten Erhöhungschristologie.
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Dabei wird das Lamm als „würdig“ (ἄξιος) besungen, würdig nicht nur, von Gott das Buch entgegenzunehmen und es zu öffnen (Apk 5,9), sondern würdig auch, Vollmacht, Reichtum, Weisheit, Kraft, Ehre, Herrlichkeit und Lob zu empfangen (Apk 5,12; vgl. 5,13). Der huldigende Lobgesang der vier Lebewesen und der vierundzwanzig Ältesten in Apk 5,9–10 nennt dafür ausdrücklich eine dreifache Begründung (ὅτι), die die soteriologische Funktion insbesondere der Lebenshingabe des Lammes thematisiert. Würdig ist das Lamm einerseits, weil es „geschlachtet“, d.h. gewaltsam zu Tode gebracht wurde (ἐσφάγης), andererseits, weil es in seinem Blut (ἐν τῷ αἵµατί σου), d.h. durch diese seine Lebenshingabe in einem universalen Sinn Menschen aus allen Völkern für Gott „gekauft“ (ἠγόρασας), erworben hat (vgl. Apk 1,5; 14,4; auch 7,9.14; 12,11), und schließlich, weil es diese Menschen zu einem Königreich und zu Priestern gemacht hat (ἐποίησας αὐτοὺς τῷ θεῷ ἡµῶν βασιλείαν καὶ ἱερεῖς), die zum Herrschen bestimmt sind (vgl. Apk 1,6.9; 20,6; 22,5).78 Die Erlösungstat Christi hat ein für allemal bewirkt, dass Menschen Gottes Eigentum werden, besondere Zugehörigkeit zu ihm erlangen, eine neue, unmittelbare Gottesbeziehung geschenkt erhalten und dass sie zur Teilhabe an Jesu und Gottes Herrschaft befähigt sind. Das Bild vom Lamm in Apk 5,6–14 bezeichnet den gekreuzigten und auferweckten Jesus Christus, der als Erhöhter in singulärer Gemeinschaft mit Gott lebt, der zugleich aber den Christen heilswirksam nahe ist und ihnen durch die Öffnung des versiegelten Buches Gottes zuverlässiges Wort zugänglich macht.79 Die für die Johannesapokalypse insgesamt so zentrale Benennung Christi mit τὸ ἀρνίον kann angemessen zum Ausdruck bringen, dass Christus gerade in seiner Macht- und Wehrlosigkeit den „Sieg“ errungen hat und sich als machtvoll und stark erweist. Als Hintergrund dieser spezifischen Verwendung des Lammmotivs lässt sich die alttestamentliche Prophetie vom leidenden Gottesknecht vermuten, der in Jes 53,7 mit einem Lamm (ὡς πρόβατον bzw. ὡς ἀµνός) verglichen wird, das zur Schlachtung (σφαγή) geführt wird (vgl. Ps 44,23; Jer 11,19).80 Aber ———————— 78 Vgl. dazu z.B. T. KNÖPPLER, Das Blut des Lammes. Zur soteriologischen Relevanz des Todes Jesu nach der Johannesapokalypse, in: J. Frey / J. Schröter (Hg.), Deutungen des Todes Jesu im Neuen Testament, WUNT 181, Tübingen 2005, 477–511, bes. 504–511. 79 Vgl. HASITSCHKA, Überwunden (s. Anm. 17), 490. 80 Zumeist wird freilich auf das Paschalamm als motivgeschichtlichen Hintergrund verwiesen; vgl. z.B. R OLOFF, Offenbarung (s. Anm. 29), 75f.; G IESEN, Offenbarung (s. Anm. 4), 165; SÖDING, Gott (s. Anm. 14), 89f. – Ein indirekter Hinweis auf die Gottesknechtvorstellung könnte nicht zuletzt auch die Tatsache sein, dass das Lamm (anders als der Menschensohngleiche) nirgends in der Johannesoffenbarung direkt zu Wort kommt bzw. etwas spricht, zumal auch in Jes 53,7 das Lamm angesichts derer, die ihm Gewalt antun, seinen Mund nicht auftut (οὐκ ἀνοίγει τὸ στόµα αὐτοῦ). Andererseits bleibt damit
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auch neutestamentlich finden sich durchaus damit vergleichbare Vorstellung, so etwa in den Aussagen über das Lamm Gottes (ὁ ἀµνὸς τοῦ θεοῦ) im Johannesevangelium (Joh 1,29.36) oder im Bild von den wehrlosen Lämmern bzw. Schafen mitten unter den Wölfen in Lk 10,3 par. Mt 10,16 (ἀρήν bzw. πρόβατον).81 Im Anschluss an die eigentliche Christusvision öffnet das Lamm Schritt für Schritt die einzelnen Siegel des Buches und setzt damit die gesamten weiteren Geschehnisse in Gang (Apk 6,1ff.). Im weiteren Textverlauf bleibt die Christusfigur des Lammes stets präsent und spielt nicht nur in der Gegenwart der Adressaten, sondern auch in der künftigen Heilsvollendung eine wichtige Rolle. Bereits in Apk 5 als zentral aufgewiesene Merkmale an der Figur des Lammes ziehen sich dabei durch: seine einzigartige Nähe zu Gott und die Einheit, die es mit ihm bildet; seine Teilhabe an Gottes Hoheit und die göttliche Verehrung, die ihm entgegengebracht wird; sein bleibendes Tätigsein für die Glaubenden und die besondere Beziehung zu ihnen; die Heilsrelevanz seiner Lebenshingabe wie auch der Zugehörigkeit zu ihm. 4.3 Reiter auf weißem Pferd (Apk 19,11–21)82 Am Beginn einer letzten großen Visionenreihe, in der zunächst das endgültige Gericht über die gottlose Welt und die Vernichtung der dahinter stehenden, gottwidrigen Mächte thematisiert wird und die schließlich im Ausblick auf die Vollendung des Heils im neuen Jerusalem gipfelt,83 begegnet in Apk 19,11–21 eine letzte explizite Christusvision, die als eine Parusie- und Gerichtsszene Christus in Gestalt eines Reiters auf einem weißen Pferd präsentiert, der dem finalen Aufgebot der gottfeindlichen Mächte siegreich entgegentritt. Das schon vorher mehrfach angekündigte endzeitliche Kommen Christi, seine Parusie als Richter der Welt, wird nun ausdrücklich in Szene gesetzt. Nicht nur mit der auf Apk 19,11–21 vorausverweisenden Vision des Menschensohngleichen in Apk 14,14–20 gibt es dabei eine Reihe von Parallelen, zahlreiche Entsprechungen und Gemeinsamkeiten bestehen auch mit den beiden vorausgehenden Christusvisionen Apk 1,9–20 und Apk 5,6–14 sowie mit anderen christologischen Aussagen ———————— die Überzeugung gewahrt, dass die wirkmächtige Botschaft des Lammes letztlich Botschaft von Gott her ist (vgl. Apk 1,1). 81 Vgl. insgesamt dazu HASITSCHKA, Überwunden (s. Anm. 17), 490–493. 82 Ausführlicher dazu K. HUBER, Reiter auf weißem Pferd. Ein schillerndes Christusbild in der Offenbarung des Johannes, in: K. Huber / B. Repschinski (Hg.), Im Geist und in der Wahrheit. Studien zum Johannesevangelium und zur Offenbarung des Johannes sowie andere Beiträge (FS Hasitschka), NTA 52, Münster 2008, 385–409. 83 GIESEN, Offenbarung (s. Anm. 4), 418, spricht diesbezüglich vom „großen Finale des Buches“.
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(vgl. Apk 7,14–19; 14,1–5; 12,5; 17,14). Erst eigentlich dieses dichte Netz von Textbezügen macht unmissverständlich klar, dass der geschaute Reiter niemand anderer als der erhöhte Christus ist.84 In der frühchristlichen Tradition steht dieses Christusbild freilich ohne wirkliche Parallele da.85 Die insgesamt dreiteilige Visionssequenz widmet sich vor allem im ersten Teil (Apk 19,11–16) ganz der Präsentation, Beschreibung und Charakterisierung dieser eigentümlichen Reitergestalt und zeichnet in vielen verschiedenen und durchaus ambivalenten Einzelzügen86 ein äußerst facettenreiches und bunt schillerndes Gesamtporträt. Die mehrfach eingespielten alttestamentlich-frühjüdischen Motivbezüge (z.B. aus Dan 10,5f.; Jes 11,4; 49,2; 63,1–6; Ps 2,9; Weish 18) tragen dabei wesentlich zur Vielschichtigkeit der Bildelemente bei. Von Beginn an wird die geschaute Gestalt in königlicher, hoheitsvoller Position und dem Bereich Gottes zugehörig vorgestellt und zusammen mit den weiß gekleideten „Heeren im Himmel“, d.h. den vollendeten Christen in ihrem Gefolge (Apk 19,14; vgl. 7,9.14; 14,4; 17,14; 19,7–8)87 in strahlender Siegerpose präsentiert.88 Eine ganze Reihe von unterschiedlichen Textelementen thematisiert in weiterer Folge zwei wesentliche Aspekte des Auftretens dieses Reiters: seine Richterfunktion und seine Herrscherfunktion.89 Mit dem Treten der Kelter des Zornes Gottes (Apk 19,16) weist ———————— 84
Der gesamte Abschnitt hat nach ROLOFF, Offenbarung (s. Anm. 29), 184, „rekapitulierenden und zusammenfassenden Charakter durch eine Fülle von Anspielungen und Rückverweisen auf Vorhergegangenes“. S LATER, Christ (s. Anm. 27), 230, sieht in Apk 19,11–21 den „christological high point of the book“ erreicht. 85 Vgl. U. B. MÜLLER, „Das Wort Gottes“. Der Name des Reiters auf weißem Pferd (Apk 19,13), in: ders., Christologie und Apokalyptik. Ausgewählte Aufsätze, Arbeiten zur Bibel und ihrer Geschichte 12, Leipzig 2003, 312–325 (312). 86 Die Abfolge der einzelnen beschreibenden Elemente wirkt insgesamt spontan und wechselt merkwürdig sprunghaft zwischen der Nennung von Namensbezeichnungen, der Schilderung des Aussehens und den Zuweisungen von Funktionen bzw. Tätigkeitsbereichen. Eine bestimmte kompositorische Anordnung lässt sich nur in Ansätzen ausmachen. HERGHELEGIU, Siehe (s. Anm. 27), 204f., spricht demgegenüber beispielsweise von einer chiastischen Struktur von insgesamt vier Komplexen, „die in ihrem Zentrum die verschiedenen Namen des Reiters haben“. 87 Vgl. z.B. G IESEN, Offenbarung (s. Anm. 4), 423f. Die geschaute Gestalt tritt auch hier nicht als isolierte Größe auf, ihre Beziehung zur christlichen Heilsgemeinde ist vielmehr eine für sie grundlegend bestimmende Relation. – Auf Engel deuten das Heer demgegenüber z.B.: HOLTZ, Christologie (s. Anm. 12), 172f.; ROLOFF, Offenbarung (s. Anm. 29), 186; D. E. AUNE, Revelation 17–22, WBC 52C, Nashville 1998, 1059; HERGHELEGIU, Siehe (s. Anm. 27), 218; etc. 88 Der in Aussicht gestellte Kampf ist allem Anschein nach von vornherein entschieden. Darauf verweist auch die den tatsächlichen Ausgang vorwegnehmende Einladung an die Vögel am Himmel zum „großen Mahl Gottes“ in Apk 19,17f. (vgl. Ez 39,17–20). 89 Auf die Richterfunktion des Reiters verweisen: das Richten in Gerechtigkeit (V. 11), die Augen wie eine Feuerflamme (V. 12), das scharfe Schwert aus dem Mund
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der Text dem Reiter dabei eine ursprünglich göttliche Funktion zu (vgl. Jes 63,3; vgl. Apk 14,20). Auch der verborgene Name, „den niemand kennt außer er selbst“ (Apk 19,12; vgl. 2,17; 3,12) und der vielleicht auf den Gottesnamen selbst oder den Kyrios-Titel anspielt, ebenso wie die doppelte Titulatur als „König der Könige und Herr der Herren“ (Apk 19,16; vgl. 17,14), die im Alten Testament und im Frühjudentum mehrfach für Gott gebraucht ist,90 könnten als ein Hinweis auf dessen gottgleiche Stellung verstanden sein. Die eingangs gebrachte Bezeichnung als πιστὸς καὶ ἀληθινός (Apk 19,11; vgl. 3,14; auch 1,5; 3,7) bedeutet im Grunde ebenfalls nichts anderes als die Übertragung eines Gottesprädikats auf die Gestalt des Reiters. Dezidiert messianische Färbung erhält die geschaute Gestalt mit den Aussagen in Apk 19,15 (ἵνα … πατάξῃ τὰ ἔθνη καὶ αὐτὸς ποιµανεῖ αὐτοὺς ἐν ῥάβδῳ σιδηρᾷ), wo unter Bezugnahme auf Jes 11,4 bzw. Ps 2,9 vorrangig deren zukünftige Bestimmung thematisiert wird. Entscheidend ergänzt wird das Bild des siegreich-überlegenen Herrschers und souveränen göttlichen Richters in Apk 19,13 durch das drastische Motiv des blutgetränkten Mantels (ἱµάτιον βεβαµµένον αἵµατι) einerseits und durch die auffallende, in der Johannesapokalypse singuläre namentliche Bezeichnung des Reiters als „das Wort Gottes“ (ὁ λόγος τοῦ θεοῦ) andererseits.91 Mit dem blutgetränkten Mantel des Reiters, der als bildhafter Verweis auf den Kreuzestod Christi zu verstehen ist,92 ist in selt———————— (V. 15), das Treten der Zorneskelter Gottes (V. 15). Seine Herrscherfunktion zeigen an: das Kämpfen (V. 11), die vielen Diademe auf seinem Haupt (V. 12), der verborgene Name (V. 12), das Weiden der Völker mit eisernem Stab (V. 15), der Titel „König der Könige und Herr der Herren“ (V. 16). 90 Vgl. Dtn 10,17; Ps 136,2f.; 2Makk 13,4; Dan 4,37 LXX; 3Makk 5,35; 1Hen 9,4. – Vgl. dazu G. K. BEALE, The Origin of the Title ‚King of Kings and Lord of Lords‘ in Revelation 17.14, NTS 31 (1985), 618–620 (er ortet die Herkunft dieses christologischen Titels in der Gottestitulatur von Dan 4,37 LXX als Ausdruck von „absolute deity and kingship“ [619]); T. B. SLATER, ‚King of Kings and Lord of Lords‘ Revisited, NTS 39 (1993), 159–160. 91 Mit F. J EHLE, Der göttliche Krieger in Apokalypse 19, in: I. Riedel-Spangenberger / E. Zenger (Hg.), „Gott bin ich, kein Mann“. Beiträge zur Hermeneutik der biblischen Gottesrede (FS Schüngel-Straumann), Paderborn 2006, 328–334 (332–334), und anderen kann diesbezüglich von symbolischer Transformation gesprochen werden. Wenn überhaupt und insofern mythische Vorstellungen und alttestamentlich-frühjüdische Traditionen eines „göttlichen“ bzw. „messianischen Kriegers“ im Hintergrund stehen und angespielt sind, werden diese damit quasi „von Innen heraus“ gewandelt und in entscheidender Weise uminterpretiert. 92 Vgl. dazu HUBER, Menschensohn (s. Anm. 7), 297–299; D ERS., Reiter (s. Anm. 82), 401f. An das Blut der vom Reiter getöteten Feinde (in Anspielung auf Jes 63,3) denken demgegenüber z.B.: HOLTZ, Christologie (s. Anm. 12), 172; ROLOFF, Offenbarung (s. Anm. 29), 185; U. B. MÜLLER, Die Offenbarung des Johannes, ÖTBK 19, Gütersloh 2 1995, 327; AUNE, Revelation (s. Anm. 87), 1057 (insbesondere mit Verweis auf das
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sam anmutender Paradoxie zur ansonsten so strahlenden Präsentation auch in dieser Christusvision das ohnmächtige Todesgeschick Jesu unauslöschbar in das Bild eingetragen und bleibend in Erinnerung gehalten (vgl. Apk 1,18; 5,6). Infolge seiner ohnmächtigen, gewaltlosen Lebenshingabe am Kreuz ist Christus eigentlich schon jetzt jener unüberwindbare Sieger über die gottfeindlichen Mächte, als der er am Ende der Zeiten vollends in Erscheinung treten wird. In der Gerichtsvision selbst vollzieht der Reiter die Vernichtung der Antagonisten schließlich allein durch das Schwert, das aus seinem Mund hervorgeht (Apk 19,21). Allein mit seinem Wort – so der Sinngehalt dieses Bildes –, allein mit der ebenso wirkungsvollen wie unbezwingbaren Macht seiner Botschaft erringt Christus den endgültigen Sieg (vgl. 2Thess 2,8; vgl. auch Hos 6,5).93 Wenn in Apk 19,13 Christus aber unter den an sich schon auffallend häufigen Namensbenennungen94 ausdrücklich gerade auch als „das Wort Gottes“ identifiziert wird, dann wird damit letztlich er selbst in seiner Person als wesenhafte Verkörperung95 dieses wirkmächtigen Wortes, als Person gewordene Offenbarung Gottes ausgewiesen96 und zusammen mit seiner Botschaft zum entscheidenden Kriterium der Auseinandersetzung zwischen Leben und Tod ge———————— Targum zu Jes 63); G. K. BEALE, The Book of Revelation. A Commentary on the Greek Text, NIGTC, Grand Rapids 1999, 957–960; S LATER, Christ (s. Anm. 27), 223–225. 93 Vgl. MÜLLER, Wort (s. Anm. 85), 312. 94 Während in Apk 19,11–21 gleich vier Namen genannt sind – die gesamte Charakterisierung des Reiters ist geradezu gerahmt durch die Nennung von Namen (V. 11.12. 13.16) –, begegnen in den übrigen expliziten Christusvisionen keinerlei Namensbezeichnungen. 95 MÜLLER, Wort (s. Anm. 85), 325, sieht demgegenüber in ὁ λόγος τοῦ θεοῦ lediglich eine funktionale Bezeichnung Christi, nicht eine wesensmäßige Aussage. Nach Müller ist Christus in dieser Namensbezeichnung, die sich ganz der Konzeption des Sehers verdanke, als „personhafte Macht des göttlichen Richterwortes“ (316) bestimmt und die Perikope insgesamt als „visionäre Schau der eschatologischen Wirkmächtigkeit des Gerichtswortes Christi“ (322) gestaltet. 96 Entgegen der häufig vertretenen traditionsgeschichtlichen Verbindung mit Weish 18,14–16 liegt für die personifizierende Applikation des Logosbegriffs in Apk 19,13 m.E. ein Bezug hin zur absolut gebrauchten Logos-Bezeichnung in Joh 1,1.14 nahe (vgl. auch die personal zu verstehende Verwendung von ὁ λόγος in 1Joh 1,1.10; 2,14). H OFIUS, Zeugnis (s. Anm. 14), 522, weist demgegenüber jedweden Bezug traditionsgeschichtlicher oder theologischer Art zum Logos-Begriff in Joh 1,1.14 entschieden zurück. Als „zweifelhaft“ bewerten einen derartigen Bezug z.B. auch S ÖDING, Gott (s. Anm. 14), 98, und HOFFMANN, Destroyer (s. Anm. 25), 178.183–185. Vgl. auch FREY, Erwägungen (s. Anm. 62), 403–409, der u.a. auf die Differenz zwischen siegreichem Parusiechristus (Johannesapokalypse) und präexistentem und inkarniertem Schöpfungswort (Johannesevangelium) hinweist (404). MÜLLER, Wort (s. Anm. 85), 314–316, weist sowohl eine innerjohanneische Ableitung als auch einen Bezug zu Weish 18 zurück und betont demgegenüber eine engere Beziehung zum Doppelausdruck „das Wort Gottes und das Zeugnis Jesu“ (Apk 1,2.9; 6,9; 20,4); ähnlich auch R OOSE, Zeugnis (s. Anm. 2), 208–217.
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macht. Bemerkenswert bleibt in der Visionsschilderung dabei freilich, dass das vernichtende Gerichtshandeln zunächst nicht eigentlich durch den Reiter, sondern – angezeigt durch die beiden Passivformen ἐπιάσθη bzw. ἐβλήθησαν in Apk 19,20, die als Passivum divinum zu verstehen sind97 – letztlich von Gott her geschieht und so Christus, wie vielfach in der Johannesapokalypse zu beobachten, in Aktionseinheit mit Gott handelt.
5 Christusbotschaft im Kontext anderer Visionen Die Christusbotschaft bleibt im Briefkorpus der Johannesapokalypse auch außerhalb der expliziten Christusvisionen eines der bestimmenden Themen und wird in unterschiedlichen visionären Kontexten mit variierenden bildhaften und erzählerischen Ausdrucksmitteln immer wieder zur Sprache gebracht. Zumeist, aber nicht ausschließlich geht es dabei um Aussagen rund um die zentrale christologische Figur des Lammes. 5.1 Rettung und Heil von Gott und dem Lamm (Apk 7,9–17) Die Vision des eschatologischen Gottesvolkes in Apk 7 richtet in ihrem zweiten Teil (Apk 7,9–19) den Blick auf eine unzählbare große Schar von Menschen, die in weißen Gewändern und mit Palmzweigen vor dem Thron, d.h. vor Gott, und dem Lamm stehen und in einem Siegesruf die durch Gott und das Lamm vermittelte Rettung proklamieren (Apk 7,9f.), und bietet darin einen Ausblick auf die himmlische Vollendung der Schar der Geretteten, der vor allem in den abschließenden Verheißungen (Apk 7,15–19) geradezu als eine Vorwegnahme der Vision des neuen Jerusalem (Apk 21,1–22,5) verstanden werden kann. Schon zu Beginn der Szene wird das Lamm ganz an der Seite Gottes und eng mit diesem verbunden gezeichnet. Zusammen mit Gott wird ihm von der vor dem Thron versammelten Volksmenge Lobpreis zuteil und proklamatorisch die Errettung aus der großen Bedrängnis zugeschrieben (Apk 7,9f.). In der anschließenden Deutung durch einen der Ältesten setzt sich dieses Moment fort und wird zugleich durch den Aspekt der Aktionsund Gesinnungseinheit erweitert, wenn in antizipatorischer Weise zum einen der Heilszustand des verherrlichten Gottesvolkes im Sinne einer unmittelbaren, nicht mehr zu überbietenden und bleibenden Gemeinschaft mit Gott und dem Lamm beschrieben wird (Apk 7,15)98 und zum anderen ———————— 97 Anders z.B. AUNE, Revelation (s. Anm. 87), 1065, der hier an den Reiter als Subjekt der Handlung denkt. 98 Das Sein vor dem Thron Gottes, das kultische Dienen in seinem himmlischen Tempel (vgl. Apk 22,3) wie auch das Zelten Gottes über ihnen (vgl. Apk 21,3) bringen
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diese vollendete Gottes- und Christusgemeinschaft aufgrund der umsichtigen Hirtensorge des Lammes (vgl. Jes 49,10) sowie der tröstenden Zuwendung Gottes zu jedem Einzelnen (vgl. Jes 25,6–8) verheißungsvoll als das Ende von allen Mangel- und Leiderfahrungen angekündigt werden kann (Apk 7,16f.; vgl. 22,1.17 bzw. 21,4).99 Zugehörigkeit zum vollendeten Gottesvolk und Teilhabe am endzeitlichen Heil – darauf wird ausdrücklich in Apk 7,14 mit der paradoxen Vorstellung vom Reinigen der Gewänder im Blut des Lammes verwiesen – haben ihre Voraussetzung aber in der heilsvermittelnden Lebenshingabe Christi. 5.2 Geburt und Entrückung des Sohnes (Apk 12,5)100 Im Kontext der Vision der zwei Zeichen am Himmel und der Schilderung der damit verbundenen dramatischen Ereignisse (Apk 12,1–17) spricht Apk 12,5 von der Geburt und der Entrückung eines Kindes, das schon vorher in Apk 12,2.4 im Blick ist und dessen besondere Bedeutung durch die akzentuierte Betonung der Geburtswehen der zuerst geschauten Frauengestalt (Apk 12,2) bzw. durch die bedrohliche Inszenierung der Absicht des Drachen, es unmittelbar nach der Geburt zu verschlingen (Apk 12,4), vorbereitend angedeutet ist. Die Charakterisierung dieses Kindes durch den pleonastisch wirkenden Doppelausdruck υἱὸς ἄρσεν („ein Sohn, ein Männliches“) am Beginn von Apk 12,5 unterstreicht diese seine Bedeutsamkeit, zumal damit zusammen mit der Rede von dessen Geburt eine Anspielung an die messianischen Verheißungen von Jes 7,14 und Jes 66,7 (vgl. auch Apk 12,2) gegeben ist. Dezidiert messianische Konnotation ist dann vor allem auch mit der bildhaften Umschreibung der zukünftigen Bestimmung des Kindes zur souveränen Herrschaft über alle Völker im anschließenden Relativsatz gegeben (ὃς µέλλει ποιµαίνειν πάντα τὰ ἔθνη ἐν ῥάβδῳ σιδηρᾷ), die ihrerseits unverkennbar an den messianischen Ps 2 anspielt und mehr oder weniger direkt aus V. 9 des Psalmtextes zitiert.101 ———————— das zum Ausdruck. Das Bild vom Zelten lässt zudem das Moment des Schutzes und der Geborgenheit mit anklingen. 99 Vgl. K. HUBER, Volk Gottes als Tempel in der Offenbarung des Johannes, in: A. Vonach / R. Meßner (Hg.), Volk Gottes als Tempel, Synagoge und Kirchen 1, Münster 2008, 195–231 (218–220). 100 Vgl. dazu auch K. HUBER, Psalm 2 in der Offenbarung des Johannes, in: A. Vonach / G. Fischer (Hg.), Horizonte biblischer Texte (FS Oesch), OBO 196, Fribourg 2003, 247–273 (265–267). 101 Darüber hinaus nimmt die Bezeichnung mit υἱός – neben Jes 7,14; 66,7 – wohl auch auf die Sohnestitulatur des königlichen Gesalbten in Ps 2,7 Bezug. Der Vorgang der Geburt findet so ein Pendant in der in Ps 2,7 zugesagten Zeugung durch Gott, die von Gott gewirkte Entrückung des Kindes zu Gott und zu seinem Thron steht ihrerseits in Analogie zur Inthronisation des Zionskönigs durch JHWH in Ps 2,6.
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Die Figur des Sohnes steht sinnbildhaft für Jesus Christus,102 der aus dem Gottesvolk – in seiner Gesamtheit symbolisiert in der Gestalt der Frau103 – hervorgeht. In knapper Form skizziert Apk 12,5 das Christusereignis und weist ihm im geschilderten Geschehensablauf eine spezifische, die Situation letztlich entscheidende Funktion zu. Die Geburt und die von Gott gewirkte104 Entrückung beschreiben die Eckdaten seines irdischen Daseins.105 Bereits mit seiner Geburt ist Jesus als der Sohn zur messianischen Herrschermacht über die Völkerwelt bestimmt; als der Auferstandene und zu Gott Entrückte hat er diese unüberwindliche Königsherrschaft im Grunde schon angetreten, wie dann der zentrale Hymnus in Apk 12,10– 12 nahelegt, wo durch eine Stimme im Himmel in prophetischer Vorwegnahme zugleich Gottes Rettung, Macht und Herrschaft und die Vollmacht seines Gesalbten (ὁ χριστός αὐτοῦ) besungen werden (vgl. Apk 11,15; auch 2,28; 7,10). Endzeitlich zugespitzt und unter Zuhilfenahme mythologischer Elemente apokalyptisch inszeniert, versteht Apk 12 das Christusereignis als den entscheidenden Wendepunkt der Geschichte und den Beginn des endzeitlichen Kampfes mit dem Bösen. Die Entrückung des Kindes zu Gott hat innerhalb der Vision denn auch unmittelbar den Kampf im Himmel und die Entmachtung und den Sturz des Satans und seiner Anhänger zur Folge (Apk 12,7–9). Die bedrohliche Situation der Glaubenden in der Gegenwart ist als Teil dieser endzeitlichen Ereignisse zu verstehen (vgl. Apk 12,17; 13,7). Der Blick darauf, dass die Macht des Bösen durch das Christusereignis bereits definitiv gebrochen ist und durch Gott selbst die universale Königsherrschaft Christi garantiert ist, soll ihnen darin Zuversicht und vertrauensvolle Gewissheit vermitteln.106 Durch ihr kompromissloses Zeugnis für Christus, allem voran aber durch das Blut des Lammes (διὰ τὸ αἷµα τοῦ ———————— 102 Abgesehen von der Verwendung im Syntagma ὅµοιον υἱὸν ἀνθρώπου (Apk 1,13; 14,14) begegnet υἱός für Christus neben Apk 12,5 nur noch einmal in Apk 2,18 im Hoheitstitel ὁ υἱὸς τοῦ θεοῦ. 103 Auf die unterschiedlichen Deutungen der Frauengestalt und die rege Diskussion dazu kann hier nicht weiter eingegangen werden. Vgl. dazu die Kommentare und Spezialuntersuchungen. 104 Die Passivform ἡρπάσθη kann als Passivum divinum verstanden werden; vgl. ROLOFF, Offenbarung (s. Anm. 29), 128. 105 Manche denken allerdings nicht an die tatsächliche Geburt Jesu, sondern in Anlehnung an Apg 13,33 (Ps 2,7 wird dort auf die Auferstehung bezogen) bzw. Kol 1,18 und Apk 1,5 („Erstgeborener von den Toten“) an das Ereignis der Auferweckung. Mit der Verwendung von ἁρπάζω für die Entrückung (vgl. Apg 8,39; 2Kor 12,2.4; 1Thess 4,17) werden wahrscheinlich Himmelfahrt und Erhöhung Jesu angedeutet. 106 Vgl. MÜLLER, Offenbarung (s. Anm. 92), 235: „Für ihn [= Johannes] bedeutet die gegenwärtige Existenz Jesu Christi im Himmel die tröstliche Gewißheit, daß der eschatologische Sieger schon bereitsteht. … schon während der endzeitlichen Notzeit auf Erden sich bei Gott bereithält“.
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ἀρνίου [vgl. Apk 1,5; 5,9; 7,14]), durch Jesu Lebenshingabe, haben die Christen ihrerseits ebenfalls Anteil an diesem Sieg über den Satan (Apk 12,11). 5.3 Gegenwart des gottgleichen Lammes (Apk 14,1–5) Zwar richtet sich der Fokus der Aufmerksamkeit in der Vision Apk 14,1–5 nicht so sehr auf Christus, als vielmehr auf das mit der symbolischen Zahl 144000 benannte Gottesvolk (vgl. Apk 7,1–8). Christus – hier neuerlich in Gestalt des Lammes geschaut – wird eingangs jedoch ausdrücklich an erster Stelle genannt (Apk 14,1). Exklusive Zugehörigkeit zu Christus und enge Gemeinschaft mit ihm sind dann auch jene charakteristischen Merkmale des Gottesvolkes, auf die die Visionsschilderung besonderes Augenmerk legt. Mit dem Lamm zusammen und auf dessen Seite stehen die 144000 auf dem Berg Zion107 und sind durch die Namen auf ihrer Stirn nicht nur als Eigentum Gottes, sondern auch als Eigentum Christi gekennzeichnet (vgl. Apk 3,21; 22,3f.). In ungeteilter Hingabe und Treue folgen sie dem Lamm nach, wohin immer es geht (Apk 14,4), und stehen als untadelige und makellose „Erstlingsgabe“ (ἀπαρχή) für Gott und das Lamm ganz unter ihrem Anspruch und ihrer Verfügungsgewalt (Apk 14,4–5). Christologisch gewendet ist damit zum einen vor allem die schützende und leitende108 Gegenwart Christi mitten unter den Seinen angezeigt. Allein in seinem Gefolge ist ihnen möglich, am gewaltigen himmlischen Lobgesang vor dem Thron Gottes teilzunehmen und in ihn einzustimmen (Apk 14,2–3; vgl. 5,9; 15,3f.), allein in seinem Gefolge werden die treuen Christen auch am endgültigen Sieg Christi über die widergöttlichen Mächte Anteil erhalten (vgl. Apk 17,14; 19,14). Zum anderen setzt der Text deutlich ein Verständnis von außerordentlicher Einheit zwischen Gott und Christus voraus und nennt beide gemeinsam auf derselben Ebene: Gottes und Christi Namen stehen auf der Stirn der Glaubenden (Apk 14,1),109 Gott und Christus werden sie als Erstlingsgabe zugeschrieben (Apk 14,4).110 Ist in Apk 5,9 noch davon die Rede, dass das Lamm für Gott Menschen aus allen Völkern erworben hat, so werden in Apk 14,4 diesbezüglich Gott und das Lamm ebenfalls zusammen gesehen. Gleichwohl hält der zweifach ———————— 107 108
Zur Lokalisierung auf dem Berg Zion vgl. HUBER, Volk (s. Anm. 99), 225–227. Das Bild vom Lamm, dem die Seinen nachfolgen, ist vergleichbar mit der in Apk 7,17 enthaltenen Vorstellung vom Lamm, das wie ein Hirt die Seinen „weidet“ (ποιµαίνω) und „führt“ (ὁδηγέω). 109 In Apk 14,1 wird diese Einheit zwischen Christus und Gott dadurch in Relation gesetzt, dass Gott ausdrücklich als ὁ πατὴρ αὐτοῦ bezeichnet wird. 110 Zu beachten ist dabei auch, dass der Ausdruck ἀπαρχή Kultterminus ist: zusammen mit Gott steht offensichtlich auch dem Lamm zu, dass ihm ein derartiges Opfer dargebracht wird (vgl. Lev 23,9–14).
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angesprochene Kaufgedanke (οἱ ἠγορασµένοι ἀπὸ τῆς γῆς [V. 3] bzw. ἠγοράσθησαν ἀπὸ τῶν ἀνθρώπων [V. 4]) zugleich die heilsvermittelnde Erlösungstat Christi „in seinem Blut“ (vgl. Apk 5,9) als grundlegend ermöglichende Voraussetzung für den beschriebenen Status der Heilsgemeinde präsent. 5.4 Throngemeinschaft mit Gott (Apk 21,22–23; 22,1–5) Das Moment der Gottgleichheit Christi, seiner äußersten Nähe und intensiven Gemeinschaft, ja wesenhaften Einheit mit Gott, seiner Partizipation an Gottes Macht und Herrlichkeit und der Gott entgegengebrachten Ehrerbietung ist in der die Visionenreihen abschließenden Schau der neuen Schöpfung und der neuen, vom Himmel herabkommenden Stadt Jerusalem (Apk 21,1–22,5) noch einmal auf besondere Weise gesteigert.111 Das neue Jerusalem, das letztlich bildhaft für das Volk Gottes in der Heilsvollendung steht, ist in Apk 21,22–23 ausdrücklich als eine Stadt beschrieben, die keinen eigenen Tempel hat und weder Sonne noch Mond als Lichtquellen benötigt. Gott selbst und das Lamm sind vielmehr der Tempel und in dieser ihrer Einheit Ort göttlicher Gegenwart und anbetender Verehrung für diese Stadt, und Gottes Herrlichkeit und die Leuchtkraft des Lammes durchfluten sie (vgl. Apk 21,11; 22,5). Gemeinsam mit Gott befindet sich das Lamm auf dem Thron Gottes, der in der Stadt steht, übt also in einzigartiger Einheit mit ihm uneingeschränkt göttliche Herrschaft aus (Apk 22,1).112 Wenn von diesem Thron aus ein Fluss von „Wasser des Lebens“ (ὕδωρ ζωῆς) seinen Ausgang nimmt, an dessen Ufern überaus fruchtbares „Holz des Lebens“ (ξύλον ζωῆς) steht (Apk 22,1–2; vgl. 21,6), sind Gott und das Lamm gemeinsam auch als Ursprung überströmender Lebensfülle und umfassender Heilung für alle Menschen ausgewiesen (vgl. Apk 7,16f.). Folgerichtig ist dann auch die Rede davon, dass die Christen ihnen kultische Verehrung (λατρεύω) zuteil werden lassen und ihnen als ihr Eigentumsvolk, bezeichnet mit ihrer beider Namen, in unmittelbarer Weise von Angesicht zu Angesicht begegnen können (Apk 22,3f.).113 ———————— 111 In der Vision des neuen Jerusalem (Apk 21,9–22,5) ist allein 7-mal vom Lamm die Rede: Apk 21,9.14.22.23.27; 22,1.3. – Zum Folgenden vgl. auch H OFIUS, Zeugnis (s. Anm. 14), 521–523. 112 Die Wendung „der Sitzende auf dem Thron“ (ὁ καθήµενος ἐπὶ τῷ θρόνῳ / τοῦ θρόνου) ist mit ihren 13 Vorkommen nach θεός (95-mal) die wichtigste Gottesbezeichnung in der Johannesapokalypse (Apk 4,2.3.9.10; 5,1.7.13; 6,16; 7,10.15; 19,4; 20,11; 21,5). Vgl. HENGEL, Throngemeinschaft (s. Anm. 14), 160f. 113 Trotz Singularform der Pronomina (οἱ δοῦλοι αὐτοῦ … αὐτῷ … τὸ πρόσωπον αὐτοῦ … τὸ ὄνοµα αὐτοῦ) ist die Aussage auf Gott und das Lamm bezogen, die hier als eine Einheit verstanden sind. – Das enge personale Beziehungsverhältnis der Christen zum Lamm kommt auch in der Bezeichnung der Stadt als „Frau“ (γυνή) bzw. „Braut“ (νύµφη) des Lammes und in der Rede von der „Hochzeit des Lammes“ (ὁ γάµος τοῦ
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Nichts weniger als vollkommene Teilhabe Jesu Christi am Gottsein Gottes ist insgesamt damit zum Ausdruck gebracht. Das Motiv der Throngemeinschaft Christi mit Gott begegnet ein erstes Mal in der Johannesapokalypse bereits in Apk 3,21, im abschließenden Überwinderspruch der Sendschreiben, wo der erhöhte Herr von sich sagt, dass er sich zusammen mit Gott auf seinen Thron gesetzt hat (ἐκάθισα µετὰ τοῦ πατρός µου ἐν τῷ θρόνῳ αὐτοῦ), und dementsprechend den treuen Christen verheißt, dass auch sie gemeinsam mit ihm auf seinem Thron Platz nehmen werden (vgl. Apk 20,4.6; 22,5), ihnen also die Hereinnahme in Christi eigene Existenz bestimmende Beziehungsgemeinschaft mit Gott zusagt.114 Weitestgehend greifbar ist dieses Motiv auch in Apk 5,6 bzw. Apk 7,17, wenn dort das Lamm jeweils dadurch charakterisiert wird, dass es sich inmitten des Thrones befindet (ἐν µέσῳ bzw. ἀνὰ µέσον).115 In dieselbe Richtung weisen im Grunde auch jene für die Johannesapokalypse insgesamt typischen sprachlichen Ausdrucksformen, die christologisch bedeutsam Christus und Gott auf gemeinsame Ebene und in engste Verbindung zueinander setzen, so etwa die immer wieder zu beobachtende Verwendung der Singularform für Prädikate und Pronomina, die auf Gott und Christus zugleich bezogen sind,116 oder die zahlreichen programmatisch eingesetzten Parataxen, die Gott und Christus – und zwar nicht nur dann, wenn vom Thron die Rede ist (z.B. Apk 5,13; 7,9.10) – miteinander verbinden.117 Trotz des deutlich akzentuierten Moments der Gottgleichheit Jesu Christi bleibt im Gesamt der Johannesapokalypse ebenso deutlich stets ———————— ἀρνίου) zum Ausdruck (Apk 19,7–9; 21,2.9; 22,17; vgl. auch Apk 12). Diese Beziehung zu Christus ist heilsentscheidend, wie der Hinweis auf das Eingeschrieben-Sein im „Lebensbuch des Lammes“ (τὸ βιβλίον τῆς ζωῆς τοῦ ἀρνίου) zeigt (Apk 21,27; vgl. 13,8; auch 3,5; 17,8; 20,12.15). 114 Vgl. HENGEL, Throngemeinschaft (s. Anm. 14), 172–174, der Apk 3,21 zu den „eindrucksvollsten vestigia trinitatis im Neuen Testament“ (174) rechnet. 115 HENGEL, Throngemeinschaft (s. Anm. 14), 169, spricht diesbezüglich von einer „nicht mehr räumlich differenzierbaren Einheit“ und sieht diese in der Nähe von Joh 1,18 (ὁ ὢν εἰς τὸν κόλπον τοῦ πατρός). 116 Vgl. Apk 11,15; 20,6; 21,22; 22,3.4; außerdem 6,17 v.l.; evtl. auch Apk 1,1; vgl. dazu auch Apk 3,12; 5,13; 6,16; 7,9.10; 12,10; 14,1.4; 21,23; 22,1. S ÄNGER, Amen (s. Anm. 15), 89, spricht diesbezüglich davon, dass hier und an vergleichbaren Stellen „die Grammatik theologisch geadelt“ wird und die sprachliche Form fungiert als „Interpretament der Christologie: Sie ist Widerschein theonomer Einheit“. 117 Vgl. dazu vor allem S ÖDING, Gott (s. Anm. 14), 110–116, der programmatische Parataxen der eschatologischen Heilsvermittlung (z.B. in Apk 3,12) und der soteriologisch wirksamen Geschichtsmacht (z.B. in Apk 11,15; 12,10; 21,22.23) und Parataxen der Offenbarung (z.B. Apk 1,2) und der Verehrung (z.B. Apk 5,13; 20,6) unterscheidet. Die καί-Wendung deute dabei weder „ein additives oder kooperatives Verhältnis“ zwischen Gott und Christus an, „sondern ein inklusives“ (111).
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auch die Differenzierung zwischen Christus und Gott gewahrt. Primat und Vorrang Gottes gegenüber Christus, die Rückgebundenheit Christi an Gott und damit die Theozentrik der vermittelten Botschaft sind für die Christologie der Schrift grundlegend bestimmende Merkmale.118 Bei aller noch so engen Verwiesenheit und Beziehungsgemeinschaft mit Gott bleibt Christus denn auch „der Sohn Gottes“ (Apk 2,18), spricht von Gott als von „seinem Vater“ (Apk 2,28; 3,5.21; vgl. 1,6; 14,1) und benennt ihn ausdrücklich auch als „seinen Gott“ (Apk 3,2.12; vgl. 2,7; 3,1.14). Die Christologie der Johannesapokalypse ist entscheidend orientiert an der Theozentrik Jesu Christi, die „Theologie bildet den Rahmen der Christologie“119.
6 „Ich bin der Erste und der Letzte …“ – eine abschließende Zusammenschau Zusammen mit der Theologie, in diese eingebettet und zugleich mit ihr aufs Engste verwoben bestimmt und prägt die Christologie wesentlich die Darstellungsabsicht und Gesamtaussage der Johannesapokalypse. Von Beginn an und durchgehend bis in die letzten Zeilen des Buches ist der Person Jesu Christi eine zentrale Rolle zugewiesen. Stets ist die Christusbotschaft – sei es in Form von entsprechenden Einzelaussagen, Titulaturen und Christusbekenntnissen, sei es in Form von Christusvisionen oder im Zusammenhang von visionär vermittelter Tiefenschau auf das Geschehen in Gegenwart und Endzeit – als eine maßgebliche Größe präsent. Wie Gott selbst ist Christus tragende Gestalt der geschilderten Ereignisse und erweist sich so nicht zuletzt auch auf der Ebene der Textdarbietung in einem umfassenden Sinn als „das Alpha und das Omega, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende“, als der er sich in Apk 22,13 ausdrücklich proklamiert (vgl. Apk 1,17; 2,8). Äußerst bunt, facettenreich und vielschichtig ist das Christusporträt, das die Johannesapokalypse zeichnet. Auf weite Strecken bedient sie sich dabei durchaus eigenständiger Ausdrucksmittel und spezifischer Prädikationen und entwirft insbesondere etwa in Form von erzählender und beschreibender Imaginisierung und unter breit gefächerter Zuhilfenahme und Kombination alttestamentlich-frühjüdischer Symbole, Motive, Traditionen und Texte auf kreative, zum Teil stark verdichtete Weise eine ganze Reihe neuartiger christologischer Leitbilder. Sind die einzelnen Christusfigurationen auch divergierend, die dargebotene Charakterisierung Christi, die für ihn genannten Beziehungen, Aufgaben und Funktionen jeweils unter———————— 118 119
Vgl. dazu insgesamt SÖDING, Gott (s. Anm. 14), 101–110. SÖDING, Gott (s. Anm. 14), 102.
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schiedlich akzentuiert und die konkreten Christusaussagen und Teilaspekte nicht immer leicht auf einen Nenner zu bringen, so geht es doch stets um ein und denselben Jesus Christus: den gekreuzigten, auferstandenen, erhöhten und in Wesensgleichheit, Funktions- und Seinseinheit mit Gott für die Seinen schon jetzt wirkmächtig agierenden Herrn, der als Präexistenter und als zur endzeitlichen Parusie Kommender Urbeginn und letztes Ziel umspannt und als solcher Gottesprädikationen ebenso wie göttliche Verehrung und Anbetung zugeschrieben erhält. Die Johannesapokalypse vertritt – wie der Durchgang durch die entscheidenden Textpassagen gezeigt hat – insgesamt eine ausgesprochen hohe und zugleich besonders ausdrucksstarke Christologie, die inhaltlich breit angelegt und differenziert entfaltet ist.120 Im Konzert der vielfältigen christologischen Ansätze innerhalb des Neuen Testaments kommt der letzten Schrift des neutestamentlichen Kanons so eine auf den ersten Blick vielleicht eigentümliche, jedenfalls aber eine ebenbürtige und in keiner Weise minder wichtige Stimme zu.
———————— 120
Vgl. SÖDING, Gott (s. Anm. 14), 87f.; vgl. insgesamt z.B. auch HOFIUS, Zeugnis (s. Anm. 14), 511–527. GIESEN, Christologie (s. Anm. 5), 186: die Christologie der Johannesapokalypse „ist kaum zu überbieten“; vgl. DERS., Thronsaalvision (s. Anm. 14), 33.35.
Was erwartet die Johannesapokalypse? Zur Eschatologie des letzten Buchs der Bibel* JÖRG FREY
1 Die Wirkung der Apokalypse und ihre Zurückdrängung: Das Problem der Eschatologie Das letzte Buch der Bibel hat auf die christliche Frömmigkeit, Dichtung, Musik, Architektur und insbesondere die bildende Kunst einen immensen Einfluss ausgeübt.1 Die z.B. in der abendländischen Dichtung seit dem frühen Mittelalter2, in reformatorischen und pietistischen Kirchenliedern, in der sakralen Architektur3 und in zahllosen bildlichen Darstellungen und
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Der Beitrag geht auf Referate zurück, die vor Jahren in Löwenstein vor Pfarrern der Evangelischen Landeskirche in Württemberg auf Einladung von OKR Prof. Dr. Ulrich Heckel vorgetragen wurden. Für zahlreiche Anregungen, Diskussionen und Hilfen bei den Korrekturen danke ich meinem Assistenten Dr. Benjamin Schließer (Zürich) und Dr. Franz Tóth (Jena) sehr herzlich. 1 Materialien zur Wirkungsgeschichte können hier nicht umfassend geboten werden. Unverzichtbar ist nach wie vor die Materialsammlung bei C. BRÜTSCH, Die Offenbarung Jesu Christi. Johannesapokalypse, ZBK III, 21970, 196–218.266–302. S. weiter den Überblick in der wirkungsgeschichtlichen Kommentierung von J. KOVACS / C. ROWLAND, Revelation, Blackwell Bible Commentaries, Malden, Ma. etc. 2004 sowie die Website „Art, Images, Music, and Materials related to the Book of Revelation“ von F. J UST (http://catholic-resources.org/Art/Revelation-Art.htm). 2 S. dazu die Hinweise bei BRÜTSCH, Offenbarung III (s. Anm. 1), 214; für das Neue Jerusalem auch R. MÜLLER-FIEBERG, Das ‚neue Jerusalem‘ – Vision für alle Herzen und alle Zeiten? Eine Auslegung von Offb 21,1–22,5 im Kontext von alttestamentlichfrühjüdischer Tradition und literarischer Rezeption, BBB 144, Berlin/Wien 2003, 283–366. 3 S. dazu O. BÖCHER, Die Bildwelt der Apokalypse des Johannes, JBTh 13 (1998), 77–105 (91–95); DERS., Kirchenbau als Bibelexegese, in: D. Meyer (Hg.), Kirchliche Kunst im Rheinland, Düsseldorf 1991, 1–31; DERS., Von der apokalyptischen Vision zur christlichen Sakralarchitektur, in: T. Schmeller (Hg.), Neutestamentliche Exegese im 21. Jahrhundert. Grenzüberschreitungen, FS J. Gnilka, Freiburg i. Br. etc. 2008, 170–190; L. KITSCHELT , Die frühchristliche Basilika als Darstellung des himmlischen Jerusalem, München 1938; H. SEDLMAYR, Die Entstehung der Kathedrale, Zürich 1950; O. V. SIM-
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Bilderzyklen4 vermittelten Vorstellungen von der himmlischen Welt, dem Thron Gottes und dem Lamm sowie dem Himmlischen Jerusalem, aber auch vom Antichristen und vom Jüngsten Gericht lassen sich ohne die Johannesapokalypse nicht verstehen und haben in diesem Buch ihre wichtigste Quelle. Das letzte Buch der Bibel bildet die kanonische Basis all dieser Vorstellungen, die zwar durch andere biblische, apokryphe oder auch pagan-antike Motive ergänzt, aber nie völlig verdrängt wird. Die Darstellungen vom thronenden Christus in der Mandorla, von Maria als Sonnenfrau im Sternenkranz,5 von den ‚apokalyptischen Reitern‘ (v.a. aufgrund des berühmten Holzschnitts Albrecht Dürers) oder eben von der himmlischen Gottesstadt haben sich zutiefst ins kulturelle Gedächtnis eingeprägt. Die Kraft der apokalyptischen Bilder zeigt sich gerade darin, dass sie auch in einem längst säkular gewordenen Umfeld nach wie vor ansprechen und – losgelöst von ihrem einstigen Kontext6 – in der bildenden Kunst, aber auch in der populären Musik- und Filmkultur wiederkehren und ansprechen.7 Die Johannesapokalypse kann damit wohl als das kulturgeschichtlich wirkungsvollste Buch der Bibel gelten. SON,
Die gotische Kathedrale. Beiträge zu ihrer Entstehung und Bedeutung, Darmstadt 1982. 4 Zur Bedeutung der Apokalypse für die christliche Ikonographie und zu ihrer Wirkung in der bildenden Kunst s. W. NEUSS, Art. Apokalypse, RDK 1, 1937, 751–781; H. AURENHAMMER, Art. Apokalypse, LCI 1, 1968, 176–207; R. C HADRABA, Art. Apokalypse des Johannes, LCI 1, 1968, 124–142, F. VAN DER MEER, Apokalypse. Die Visionen des Johannes in der europäischen Kunst, Freiburg etc. 1978; N. GRUBB, Revelations: Art of the Apocalypse, New York etc. 1997; BÖCHER, Bildwelt (s. Anm. 3), sowie besonders umfassend G. SCHILLER, Ikonographie der christlichen Kunst V/1–2: Die Apokalypse des Johannes, Gütersloh 1990–91. Zur neueren Kunst s. G. MARCONI, Contributo a un catalogo sull᾽iconografia dell᾽Apocalisse nella seconda metà del sec. XX., in: E. Bosetti / A. Colacrai (Hg.), Apokalypsis. Percorsi nell'Apocalisse in onore di Ugo Vanni, Assisi 2005, 797–820. 5 Dazu auch J. FREY, Die Himmelskönigin, die Sonnenfrau und die Johannesapokalypse. Zum mythologischen Hintergrund und zur textpragmatischen Funktion eines wirkmächtigen Bildmotivs, Wiener Jahrbuch für Theologie 5 (2004), Münster 2005, 95–112. 6 „Die Apk schrieb sich in die Gedächtnisgeschichte der Menschheit ein. Ihre Motive und Bilder wandelten sich in der menschlichen Imagination und lösten sich allmählich vom Text, bis er nicht mehr bewusst sein muss“ (M. KARRER, Ein optisches Instrument in der Hand der Leser. Wirkungsgeschichte und Auslegung der Johannesoffenbarung, in: F. W. Horn / M. Wolter [Hg.], Studien zur Johannesoffenbarung und ihrer Auslegung, FS O. Böcher, Neukirchen-Vluyn 2005, 402–432 [413f.]). 7 S. dazu B. D. LEICHT , Apokalyptische Bilder – bis heute. Moderne Darstellungen von Offenbarungs-Motiven, Welt und Umwelt der Bibel 52 (2009) 58–59. Zum Film s. C. TAGLIABUE, Apocalisse e cinema: per una storia senza fine, in: E. Bosetti / A. Colacrai (Hg.), Apokalypsis. Percorsi nell'Apocalisse in onore di Ugo Vanni, Assisi 2005, 821–840, und zuletzt D. PEZZOLI-OLGIATI, Vom Ende der Welt zur hoffnungsvollen Vision. Apokalypse im Film, in: C. Bohrmann / W. Veith / St. Zöller (Hg.), Handbuch Theologie und populärer Film, Bd. 2, 2009, 255–275. 4
Was erwartet die Johannesapokalypse?
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Im Gegensatz dazu lässt sich in der Kirchen- und Theologiegeschichte von der griechischen Spätantike über das Mittelalter und die Reformation bis in die Neuzeit hinein eine Spur der Zurückhaltung gegenüber diesem Werk oder gar seiner Zurückdrängung beobachten8. Die Gründe für die Skepsis waren in den einzelnen Epochen und kirchlichen Regionen unterschiedlich: In der griechischen Kirche überwog seit Origenes (Princ. II 11,2–7) eine philosophisch-theologisch begründete Kritik an den als allzu irdisch empfundenen Heilsvorstellungen dieses Buches bzw. an deren wörtlicher, chiliastischer Deutung. Hintergrund war wohl die Überzeugung, dass sich das Heil nicht in irdisch-leiblicher, sondern nur in spiritueller Gestalt vollenden könne.9 Martin Luther, der selbst stark in ‚apokalyptischen‘ Dimensionen dachte,10 schätzte das klare Wort und blieb gegenüber den Visionsbildern des letzten Buches der Bibel skeptisch. In seiner ersten Vorrede zur Apokalypse von 1521 erklärt er, die wahren Apostel und Propheten hätten in klaren, ‚dürren‘ Worten geredet und nicht in so uneindeutigen Bildern wie die Apokalypse, so dass diese daher nicht wirklich apostolisch genannt werden könne.11 Daher hat Luther in seinem Sep8 S. zur Auslegungsgeschichte G. KRETSCHMAR, Die Offenbarung des Johannes. Die Geschichte ihrer Auslegung im 1. Jahrtausend, Stuttgart 1984; G. MAIER, Die Johannesoffenbarung und die Kirche, WUNT 25, Tübingen 1981. Zur Diskussion um den Chiliasmus s. bes. W. NIGG, Das ewige Reich. Geschichte einer Hoffnung, Zürich 21954; N. COHN, Das Ringen um das tausendjährige Reich. Revolutionärer Messianismus im Mittelalter und sein Fortleben in den modernen totalitären Bewegungen, Bern 1961; G. BLUM / R. KONRAD / R. BAUCKHAM, Art. Chiliasmus II–IV, TRE 7, 1981, 729–745. 9 Im Anschluss an die Argumentation des Origenes gegen die von den Chiliasten praktizierte buchstäbliche Auslegung der Verheißungen setzt sich auch sein Schüler Dionysios von Alexandrien mit einem Bischof Nepos von Arsinoë auseinander, der – wie wohl die Mehrheit der einfachen Christen, besonders in den ländlichen Regionen Ägyptens – die Verheißungen der Apokalypse „mehr nach jüdischer Art“ (Euseb, h.e. VII 24,1) auslegte und ein tausendjähriges Reich Christi auf Erden in sinnlicher Freude erwartete. Euseb referiert zustimmend die Kritik des Dionysios (h.e. VII 25,22–26) und auch seine philologische Kritik an der Apokalypse, insbesondere hinsichtlich der sprachlichen Differenzen zum Johannesevangelium. Sein Werk hat dazu beigetragen, dass die Apokalypse im kirchlichen Osten noch lange umstritten war (dazu KRETSCHMAR, Offenbarung [s. Anm. 8], 78f.) und dass sie dann, wenn sie ausgelegt wurde, einer dezidiert antichiliastischen Interpretation unterzogen wurde (ibid., 86ff.). 10 Zum ‚apokalyptischen‘ Denken bei Luther s. H. A. O BERMAN, Luther. Mensch zwischen Gott und Teufel, Berlin 21987; V. LEPPIN, Luthers Antichristvorstellung vor dem Hintergrund der mittelalterlichen Konzeptionen, KuD 45 (1999), 48–63; D ERS., Apokalyptische Strömungen in der Reformationszeit, in: B. U. Schipper / G. Plasger (Hg.), Apokalyptik und kein Ende, Biblisch-theologische Schwerpunkte, Göttingen 2007, 75–92 (75–83). Zu Luthers Umgang mit der Apokalypse s. H.-U. HOFMANN, Luther und die Johannes-Apokalypse, BGBE 24, Tübingen 1982. 11 „Myr mangellt an disem buch nit eynerley, das ichs wider Apostolisch noch prophetisch hallte. Auffs erst vnnd aller meyst, das die Apostell nicht mit gesichten vmbgehen, sondern mit klaren vnd durren wortten weyssagen…“ (WADB VII 404,5ff.) „End-
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tembertestament von 1522 die Apokalypse (wie den Hebräerbrief, den Jakobusbrief und den Judasbrief) nur unnummeriert am Ende geboten und so neben der Umstellung des Hebräer- und des Jakobusbriefes ein weiteres kanonkritisches Signal gesetzt. Andererseits wurde in den Lutherbibeln seit 1522 zunächst nur dieses Buch mit Illustrationen versehen,12 die seine Wirkung (und antirömische Deutung) zugleich ikonographisch verstärkten. Seit den Anfängen der Aufklärung, mit der Infragestellung des traditionellen Offenbarungsanspruchs dieses letzten Buchs der Bibel13 und der allmählichen Durchsetzung der zeitgeschichtlichen Deutung seiner Bilder14 konnten diese nur mehr als bloße Vorstellungen der jeweiligen Zeit, nicht mehr als offenbarte Weissagung zukünftiger Wirklichkeit verstanden werden. Letztendlich dominierte die theologische Skepsis gegenüber der eschatologischen Zukunftserwartung, verbunden mit dem Eindruck, dass die apokalyptischen Texte allzu sehr in eigenmächtigen Bildern und Vorstellungen schwelgten und auch aus diesem Grund weniger auf göttlicher Offenbarung als auf menschlich-allzumenschliche Wunschvorstellungen zurückzuführen seien. Dementsprechend hat sich auch seit der Einführung des fachsprachlichen Terminus ‚Apokalyptik‘ in die theologische Diskussion durch Friedrich Lücke15 die neutestamentliche Exegese sich oft belich, hallt dauon yderman, was yhm seyn geyst gibt, meyn geyst kann sich ynn das buch nicht schicken. Vnd ist myr die vrsach gnug, das ich seyn nicht noch achte, das Christus, drynnen widder geleret noch erkandt wirt, wilchs doch zu thun fur allen dingen eyn Apostel schuldig ist…“ (WADB VII 404,25ff.). Zu Luthers Vorreden zur Apokalypse s. J. ARMBRUSTER, Luthers Bibelvorreden. Studien zu ihrer Theologie, AGWB 5, Stuttgart 2005, 257–269. 12 Dazu ibid., 259–261; P. M ARTIN, Martin Luther und die Bilder zur Apokalypse. Die Ikonographie der Illustrationen zur Offenbarung des Johannes in der Lutherbibel 1522–1546, Vestigia Bibliae 5, Hamburg 1983; P H. SCHMIDT , Die Illustration der Lutherbibel 1522–1700, Basel 1977. 13 Dies erfolgte prominent bei J. S. S EMLER, Abhandlung von freier Untersuchung des Canon; nebst antwort auf die tübingische Vertheidigung der Apocalypsis, 4 Bde., Halle 1771–1775; dazu s. MAIER, Johannesoffenbarung (s. Anm. 8), 449–459. W. BOUSSET , Die Offenbarung Johannis, KEK 6, Göttingen 1906, 104, bemerkt: „Er hat aber die Apk mehr bekämpft, als zur Deutung derselben im einzelnen beigetragen.“ 14 Erste Ansätze zu dieser finden sich bereits bei dem niederländischen Ausleger Hugo Grotius, der angesichts der in der Konfessionspolemik verbreiteten Deutung des ‚Antichristen‘ (Apk 13) auf die jeweilige Gegenseite (d.h. bei protestantischen Auslegern auf den Papst, bei römisch-katholischen auf die protestantischen Ketzer) dafür plädierte, zuerst zu prüfen, was die entsprechenden Aussagen in ihrer Zeit bedeuteten. 15 S. zuerst F. LÜCKE, Apokalyptische Studien und Kritiken, ThStKr 2 (1829), 285– 320; dann grundlegend DERS., Commentar über die Schriften des Evangelisten Johannes. Vierter Theil, erster Band: Versuch einer vollständigen Einleitung in die Offenbarung Johannis und in die gesammte apokalyptische Litteratur, Bonn 1832, 22–155. Nach eigenen Angaben (ibid., 23) greift Lücke auf eine Schrift von KARL IMMANUEL NITZSCH, Bericht an die Mitglieder des Rehkopfschen Prediger-Vereins über die Verhandlungen v.
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müht, Jesus und die Apostel von dieser jüdischen Strömung und ihrer Geisteshaltung möglichst abzurücken16, eben weil man in den apokalyptischen Bildern und noch mehr in den eschatologischen Berechnungen kaum religiös Gültiges erkennen konnte. In diesen Formen der skeptischen Zurückdrängung oder theologischen ‚Domestizierung‘ der Johannesapokalypse zeigt sich besonders das Ringen mit einem Element, dessen ‚Gefährlichkeit‘ stets wahrgenommen wurde: der eschatologischen Erwartung, die sich hier im Unterschied zu den anderen neutestamentlichen Büchern in einer sehr konkreten, irdischen Gestalt und zugleich in faszinierenden und wirkungsvollen Bildern ausspricht. Der Chiliasmus, die Erwartung eines tausendjährigen irdischen Christusreichs, in dem die Heiligen oder auferstandenen Märtyrer mit Christus herrschen sollen, hat die Rezeption der Apokalypse ebenso wie ihre Ablehnung in hohem Maße beherrscht. In der Erwartung eines solchen Reiches ließ sich eine kritische Distanz zu den weltlichen und geistlichen Autoritäten besonders deutlich explizieren, und die Aussagen des letzten Buchs der Bibel konnten als besonders kräftige Stütze einer solchen Kirchen- oder Herrschaftskritik fungieren – identitätsstärkend für religiös oder politisch marginalisierte Gruppen, aber allemal unbehaglich für eine Kirche, die sich zumal – seit Konstantin – mit der weltlichen Herrschaft arrangiert oder an ihr Anteil bekommen hatte. So wurde die Apokalypse zum Schlüssel der Weltsicht radikal-kirchenkritischer Gruppen im Mittelalter von den franziskanischen Spiritualen bis zu den böhmischen Taboriten, wie auch einiJ. 1820, Wittenberg 1822, zurück, die jedoch mittlerweile verschollen ist. S. auch J. M. SCHMIDT, Die jüdische Apokalyptik. Die Geschichte ihrer Erforschung von den Anfängen bis zu den Textfunden von Qumran, Neukirchen-Vluyn 1969, 98–100; A. CHRISTOPHERSEN, Friedrich Lücke (1791–1855) I–II, TBT 94, Berlin/New York 1999 (I, 368–373). 16 Treffend ist das Diktum von Klaus Koch (in D ERS., Ratlos vor der Apokalyptik. Eine Streitschrift über ein vernachlässigtes Gebiet der Bibelwissenschaft und die schädlichen Auswirkungen auf Theologie und Philosophie, Gütersloh 1970, 55) über das in der neutestamentlichen Wissenschaft (der Zeit vor 1970) zu erkennende „angestrengte Bemühen, Jesus vor der Apokalyptik zu retten.“ S. dazu auch J. FREY, Die Apokalyptik als Herausforderung der neutestamentlichen Wissenschaft. Zum Problem: Jesus und die Apokalyptik, in: M. Becker / M. Öhler (Hg.), Apokalyptik als Herausforderung neutestamentlicher Theologie, WUNT II/214, Tübingen 2006, 23–94. Ähnliches ließe sich im Blick auf Paulus und das Johannesevangelium auch belegen, im Gegenzug erfuhr die Apokalypse eine sehr kritische Behandlung, wenn sie nicht ganz aus dem Blickfeld verdrängt wurde. Interessanterweise hat der Begründer der kritischen Tübinger Schule, Ferdinand Christian Baur, die Apokalypse (anders als das Johannesevangelium) dem Apostel Johannes zugeschrieben, sie aber dann sachlich „als Ausdruck eines zu überwindenden ‚Judaismus‘“ beurteilt, während er im Johannesevangelium die Vollendung der Idee des Christlichen sah; s. dazu A. C HRISTOPHERSEN, Die ‚Freiheit der Kritik‘. Zum theologischen Rang der Johannesoffenbarung im Werk Ferdinand Christian Baurs, in: Becker / Öhler (Hg.), Apokalyptik, 363–381 (379).
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ger der ‚radikalen‘ Zweige der Reformation von Hans Hut bis zu Melchior Hoffmann und zum theokratischen Schreckensregiment der Täufer von Münster. Sie war Ausgangspunkt der spekulativen Endzeitberechnungen des schwäbischen Kirchenvaters Johann Albrecht Bengel ebenso wie vieler anderer Ausleger, nicht selten religiöser Sonderlinge, die „Gestalten und Ereignisse ihrer Zeit mit Motiven der Visionen des Sehers von Patmos gleichsetzten“17 und so aus diesem Buch chronologische Fixierungen des Weltendes oder Identifikationen des ‚Antichristen‘ zu gewinnen versuchten. Schließlich konnte sie auch im 20. Jahrhundert noch zum expressionistischen Ausdrucksmittel jener werden, die in der Erfahrung von Leid und Krieg oder politischer Marginalisierung ihren Schrei nach Gerechtigkeit in der biblischen Tradition vorgezeichnet sehen wollten. Ein Teil der theologischen Zurückdrängung und der exegetischen Geringschätzung der Apokalypse lässt sich aus diesen Erfahrungen ihrer politischen und religiösen ‚Gefährlichkeit‘ erklären. Die Eschatologie, und hier vor allem die futurische Komponente der eschatologischen Erwartung, hat dieses Buch auf der einen Seite zur Quelle der Erlösungshoffnung und Jenseitssehnsucht werden lassen, auf der anderen Seite konnte es dadurch auch für die Wahrnehmung vieler als eine Ankündigung von zu erwartenden Katastrophen bzw. des kommenden Weltuntergangs erscheinen – mit der Folge, dass der Begriff ‚apokalyptisch‘ im allgemeinen Sprachgebrauch inzwischen ausschließlich mit dieser negativen Konnotation gebraucht wird.18 Die Eschatologie der Johannesapokalypse konnte, v.a. in ihren konkret irdischen, chiliastischen Zügen, dieses Buch zugleich zum Instrument einer radikalen Kritik an irdischen Herrschern (oder auch der gegenwärtigen Kirche) werden lassen, während es andererseits für eine etablierte und mit den politisch Mächtigen verbundene ‚Mehrheitskirche‘ als ein gefährliches, Missdeutungen und Missbräuchen offen stehendes und daher mit Vorsicht zu behandelndes Buch erscheinen musste. Bis heute ist die Eschatologie der Apokalypse ein höchst strittiges Feld, auch in der wissenschaftlichen Exegese und in Kommentaren, vor allem aber in jenen Kreisen (insbesondere des evangelikalen Protestantismus), 17 18
BÖCHER, Bildwelt (s. Anm. 3), 78. Interessante Beobachtungen zur Umprägung des Apokalypsebegriffs in der Neuzeit finden sich bei M. BACHMANN, Die apokalyptischen Reiter und der Apokalypsebegriff. Dürer, Luther und die Folgen, in: W. Vögele / R. Schenk (Hg.), Apokalypse. Vortragsreihe zum Ende des Jahrtausends, Loccumer Protokolle 31/99, Loccum 2000, 209– 225. Vgl. auch DERS., Die apokalyptischen Reiter. Dürers Holzschnitt und die Auslegungsgeschichte von Apk 6,1–8, ZThK 86 (1989), 33–58. Bachmann weist plausibel darauf hin, dass die wirkungsvolle Darstellung der vier Reiter bei Dürer die Wahrnehmung der Visionen der Apokalypse im Bezug auf (kommende) Katastrophen entscheidend verstärkt und ihre Lektüre als Trostbuch zurückgedrängt hat.
Was erwartet die Johannesapokalypse?
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die sich – man mag sagen: in einer noch ‚voraufklärerischen‘ Sichtweise – aus diesem Buch tatsächlich verbindliche Aussagen über den zukünftigen Gang der Welt und über die Endereignisse erwarten. Bemerkenswerterweise finden sich v.a. in amerikanischen Kommentaren oft schon in der Einleitung Hinweise auf den in der Auslegung verfolgten hermeneutischen Ansatz, mit dem sich die Zielrichtung auf eine bestimmte Adressatenschaft verbindet.19 Die folgenden Überlegungen können dieses komplexe Diskussionsfeld nicht völlig klären, sie sollen allerdings einige Schneisen in ein selten mit hinreichender Klarheit bearbeitetes Gebiet schlagen. Die Literatur hierzu ist, abgesehen von Arbeiten zu Einzeltexten wie Apk 20,1–6 und Apk 21, überraschend spärlich.20 Auf eine Sichtung der Grundprobleme hin (2) sollen Probleme der Komposition und das Spezialproblem von Gegenwartsund Zukunftsbezug (3.) sowie einzelne Aspekte des eschatologischen Szenarios (4) erörtert werden, bevor eine knappe Schlussreflexion (5) die Titelfrage zu beantworten versucht: Was erwartet die Apokalypse? Die hermeneutische Frage, was dann aus dieser Erwartung des Autors folgt und wie die Erwartung der Apokalypse theologisch verarbeitet werden kann, lässt sich dann nur noch andeuten.
19 Vgl. etwa G. K. BEALE , The Book of Revelation, NIGNTC, Grand Rapids 1999, 48: „The View of This Commentary: Eclecticism, or a Redemptive-Historical Form of Modified Idealism“, ähnlich G. R. O SBORNE, Revelation, Baker Exegetical Commentary on the New Testament, Grand Rapids 2002, 22. Einen dezidiert ‚dispensationalistischen‘ Ansatz vertritt die populäre Auslegung von J. MACARTHUR, Jr., Revelation 1–11, MacArthur New Testament Commentary Series, Chicago 1999, wo (11) formuliert wird: „Anything other than the futurist approach leaves the meaning of the book to human ingenuity and opinion. The futurist approach takes the book’s meaning as God gave it.“ 20 S. neben den Kommentaren nach wie vor grundlegend H. W. G ÜNTHER, Der Nahund Enderwartungshorizont in der Apokalypse des heiligen Johannes, FzB 41, Würzburg 1980; K. ERLEMANN, Naherwartung und Parusieverzögerung im Neuen Testament, TANZ 17, Tübingen/Basel 1995, 231–239, weiter E. S CHÜSSLER-FIORENZA, The Eschatology and Composition of the Apocalypse, CBQ 30 (1968), 537–569; A. LÄPPLE, „Das neue Jerusalem“. Die Eschatologie der Offenbarung des Johannes, BiKi 39 (1984), 75– 81; J.-W. TAEGER, Johannesapokalypse und johanneischer Kreis, BZNW, Berlin/New York 1989, 135–205; O. BÖCHER, Naherwartung und Geschichtsbild in der Apokalypse des Johannes, in: H. Wißmann (Hg.), Zur Erschließung von Zukunft in den Religionen. Zukunftserwartung und Gegenwartsbewältigung in der Religionsgeschichte, Würzburg 1991, 103–112; R. BAUCKHAM, The Theology of the Book of Revelation, Cambridge 1993, 146–159; G. DAUTZENBERG, Die siebte Posaune. Beobachtungen zur Eschatologie und Christologie der Offenbarung des Johannes in ihrem Verhältnis zur paulinischen Theologie und zur frühjüdischen Eschatologie, in: M. Ebner / B. Heininger (Hg.), Paradigmen auf dem Prüfstand. Exegese wider den Strich. FS Karlheinz Müller, NTA 47, Münster 2004, 1–15.
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2 Grundprobleme der Eschatologie der Apokalypse Die Eschatologie der Johannesapokalypse weist zahlreiche offene Fragen auf. Dabei geht es nicht allein um die präzisere Bestimmung der auch hier erkennbaren ‚Grundspannung‘ zwischen Präsens und Futur, zwischen der Gewissheit des bereits angebrochenen Heils und der Hoffnung auf dessen Vollendung,21 sondern v.a. um die Näherbestimmung dessen, was die Apokalypse eigentlich zu erwarten bzw. zu hoffen gibt: Was ist es, das „ist“, und was, das „nach diesem (µετὰ ταῦτα) geschehen soll“ (nach Apk 1,19; 4,1)? Und was meint die Aussage, dass dies „in Kürze (ἐν τάχει) geschehen soll“ (Apk 1,1; 22,6)? Anders gefragt: Vertritt die Apokalypse tatsächlich eine „Naherwartung“ (des Endes bzw. der Endereignisse) oder ist ihre Erwartung eher eine „Fernerwartung“ bzw. die Erwartung des Endes in einem gewissen Abstand? Wie ist ihr Zeithorizont zu bestimmen? Was ist es, das tatsächlich als mehr oder weniger ‚bald‘ bevorstehend erwartet wird? Sind hier alle von einem spezifischen Punkt an (visionär) berichteten ‚Ereignisse‘ eingeschlossen – oder nur ein Teil derselben? Und wenn letzteres zutrifft, wie lässt sich begründet unterscheiden zwischen Ereignissen, die als noch ausstehend erwartet werden und anderen, die evtl. auf die Gegenwart der Lesergemeinde zu beziehen sind? Aber – noch grundsätzlicher gefragt – ist eine solche temporale Interpretation der Visionsbilder der Apokalypse überhaupt angemessen oder sollte man die hier vorgeführten Bilder und Symbole nicht eher atemporal verstehen, ‚jederzeitig‘ und allgemein? Die Grundfrage ist also: Wie ist überhaupt das Verhältnis zwischen Vision(sbericht) und ‚Realität‘ oder ‚Geschichte‘ zu bestimmen? Spätestens hier verbinden sich philologisch-exegetische Fragen 21 Diese ‚doppelte‘ Eschatologie findet sich mit unterschiedlichen Akzentuierungen im gesamten Neuen Testament. Sie gründet im Urchristentum darin, dass die einstmals für das Ende erwarteten Heilshoffnungen im Kommen Christi bzw. seinem Kreuz und seiner Auferweckung partiell als erfüllt angesehen werden können, wobei aber die Erfüllung anderer Hoffnungen, und damit die Heilsvollendung noch aussteht. So sehr dieses Grundmodell alle neutestamentlichen Autoren verbindet, ist es doch in unterschiedlicher Gewichtung ausgeprägt. S. dazu J. FREY, Eschatology in the New Testament. An Introduction, in: J. G. van der Watt (Hg.), Eschatology in the New Testament, WUNT II, Tübingen 2011, 3–32 (im Druck), sowie grundlegend O. CULLMANN, Heil als Geschichte, Tübingen 1965, 147–267, wo die Spannung zwischen ‚Schon-jetzt‘ und ‚Noch-nicht‘ als die grundlegende Konstante neutestamentlicher Eschatologie herausgearbeitet wird. Eine derartige ‚doppelte‘ Eschatologie ist allerdings kein urchristliches ‚Proprium‘, eine frappierende Analogie findet sich in den Texten der Qumrangemeinde; freilich ist der Grund des eschatologischen Gegenwartsbewusstseins dort ein anderer als in der Jesusbewegung (dazu bereits H.-W. KUHN, Enderwartung und gegenwärtiges Heil, StUNT 4, Göttingen 1966, sowie J. FREY, Die Bedeutung der Qumran-Funde für das Verständnis der Apokalyptik im Frühjudentum und im Urchristentum, in: J. Frey / M. Becker [Hg.], Apokalyptik und Qumran, Paderborn 2007, 11–62 [45–48]).
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(der Semantik und der Kompositionsstruktur des Werks) mit hermeneutischen Fragen der Interpretation, besonders der Interpretation von Sprachbildern, und diese Grundfragen knüpfen wieder an die Geschichte der Auslegung und an den religiösen und kirchlichen Gebrauch des letzten Buches der Bibel an. 2.1 Der Chiliasmus als ‚Schibboleth‘ ‚Testfall‘ ist hier wieder die Frage des Chiliasmus, d.h. die Interpretation des Abschnitts Apk 20,1–6 und temporale Einordnung des dort erwähnten ‚tausendjährigen Reichs‘ Christi.22 Ist diese temporäre Herrschaft Christi mit den Seinen – wer auch immer damit gemeint ist –23 ein tatsächlich in irdischer Zukunft vorgestelltes ‚Messiasreich‘24, oder ist es bloß symbolisch und damit nicht ‚real‘ vorzustellen,25 und in welchem Verhältnis steht es zum ewigen Gottesreich, zur Gemeinschaft in der himmlischen Stadt, dem neuen Jerusalem von gigantischen Ausmaßen, das nach Apk 21,16 nicht nur quadratische, sondern bemerkenswerterweise kubische Gestalt hat? Hier lässt sich das Hin und Her in der Auslegungsgeschichte 26 besonders gut studieren. Während das frühe Christentum des 2. Jahrhunderts – von Papias über Justin, die Monta22 Zur Interpretation dieser Passage s. auch meinen Aufsatz J. FREY, Das apokalyptische Millennium, in: o.A., Millennium. Deutungen zum christlichen Mythos der Jahrtausendwende, mit Beiträgen von Ch. Bochinger etc., München 1999, 10–72. 23 S. dazu ibid., 22–24 sowie u. Abschnitt IV.5.1. 24 So in der deutschen Forschung z.B. U. B. M ÜLLER, Die Offenbarung des Johannes, ÖTbK 19, Gütersloh/Würzburg 1984, 341: „Es soll ein irdisches Reich sein, das im Gegensatz steht zur überwundenen Herrschaft des römischen Imperiums.“ 25 Tendenziell in dieser Richtung U. S CHNELLE, Theologie des Neuen Testaments, Göttingen 2007, 730: „Mit der … Vorstellung eines messianischen Zwischenreichs vertritt Johannes nicht einen spekulativen Chiliasmus …, sondern betont, dass vor dem endgültigen Ende auch die gegenwärtige Welt von Christus durchdrungen wird.“ Deutlicher noch H. G IESEN, Die Offenbarung des Johannes, RNT, Regensburg 1997, 442: „Das ‚tausendjährige Reich‘ ist im Verständnis des Johannes also kein Zwischenreich, sondern bedeutet bereits die immerwährende Gemeinschaft der Christen mit Christus und durch ihn auch mit Gott.“ Differenzierter J. R OLOFF, Die Offenbarung des Johannes, ZBK.NT 18, Zürich 21987, 192: „Die Aussage der Apk. über ein Zwischenreich ist ein Bild, das als Ganzes nicht unmittelbar in kirchliche Lehre umsetzbar ist und dessen bizarre mythologische Einzelzüge Anlaß zu theologischer Sachkritik geben. Theologisch legitim verstanden ist es ein Hinweis auf einen wichtigen Aspekt neutestamentlicher Eschatologie…“ Zum Spektrum der neueren Auslegungen von Apk 20,1–6 s. T. J. BAUER, Das tausendjährige Messiasreich der Johannesoffenbarung. Eine literarkritische Studie zu Offb 19,11–21,8, BZNW 148, Berlin/New York 2007, 23–32. 26 S. zur Geschichte des Chiliasmus meine ausführlichere Darstellung in F REY, Millennium (s. Anm. 22), 50–67, sowie grundlegend B LUM / KONRAD / BAUCKHAM, Art. Chiliasmus (s. Anm. 8), F. FITSCHEN / V. LEPPIN / P. S. BOYER / U. KÖRTNER, Art. Chiliasmus III–V, RGG4 2, Tübingen 1999, 137–143; sowie zuletzt BAUER, Messiasreich (s. Anm. 25), 1–14; weiter NIGG, Reich (s. Anm. 8), sowie COHN, Ringen (s. Anm. 8).
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nisten und Irenäus bis Tertullian und im Westen weiter bis Laktanz 27 – chiliastischen Hoffnungen zugeneigt war, wurde diese Erwartung in der Interpretation Augustins (Civ. Dei XX 6–9) überwunden, der in Aufnahme der Auslegung des Tyconius das Reich Christi mit dem Jahr der Geburt Christi beginnen ließ und so das in Apk 20 geschilderte Geschehen nicht in einer noch zu erwartenden Zukunft, sondern bereits in der Gegenwart ansetzte. Da die östliche Christenheit seit Origenes eine spirituellere Form der Heilsvorstellung bevorzugte, geriet das Werk wegen seiner irdischen Bilder vom Heil v.a. im kirchlichen Osten in die Kritik28 und war dort noch lange umstritten.29 Nachdem durch Augustins Deutung der Chiliasmus bis weit ins hohe Mittelalter gebannt war (und auch um das Jahr 1000 entgegen gelegentlicher Vermutungen 30 keine besondere Weltuntergangsstimmung aufkam 31), bildete sich erst durch die Auslegung des kalabrischen Zisterzienserabtes Joachim von Fiore wieder ein ‚futurisiertes‘ Verständnis des Christusreichs heraus.32 Der Chiliasmus seiner Nachfolger, der ‚FranziskanerSpiritualen‘ wurde zur Quelle einer radikalen Kirchenkritik und einer Hoffnung auf tiefgreifende Erneuerung, während die offizielle Kirche und Theologie (z.B. des Thomas von Aquin) diese Hoffnungen abwehrten. Im späten Mittelalter verstärkten sich die chiliastischen Hoffnungen 33 und verbanden sich mit sozialrevolutionären Bestrebungen und
27 Lact. inst. VII 19–26; s. dazu V. FÀBREGA, Die chiliastische Lehre des Laktanz. Methodische und theologische Voraussetzungen und religionsgeschichtlicher Hintergrund, JbAC 17 (1974), 126–146, sowie den Beitrag von V. Fàbrega in diesem Band. 28 Vgl. besonders Dionysios bei Euseb, h.e. VII 24–25. Zu beachten ist freilich, dass es auch schon im 2. Jahrhundert und auch im Westen Christen gab, die eine solche Erwartung nicht teilten (s. dazu Justin, Dial. 80,2–5; Irenäus, haer. V 31,1; 32,1); greifbar wird dies zuerst in der Kritik des römischen Presbyters Gaius an dem aus Kleinasien stammenden Montanisten Proklos, der offenbar eine irdische (ἐπίγειον) Herrschaft Christi lehrte (so Euseb, h.e. III 28,2.4 und VII,25). Gaius sah demgegenüber die Apokalypse als Werk des Ketzers Kerinth an. S. dazu BAUER, Messiasreich (s. Anm. 25), 3; MAIER, Johannesoffenbarung (s. Anm. 8), 76f. 29 S.o. Anm. 11. 30 S. dazu J. FRIED, Endzeiterwartung um die Jahrtausendwende, Deutsches Archiv 45 (1989), 381–473; R. LANDES, Rodolfus Glaber and the Dawn of the New Millenium: Eschatology, Historiography and the Year 1000, Revue Mabillon n. s. 7 (1996), 57–77. 31 S. dazu B. M CGINN, Apocalypticism and Church Reform 1100–1500, in: ders. (Hg.), The Encyclopedia of Apocalypticism, Bd. 2: Apocalypticism in Western History and Culture, New York 1998, 74–109 (74–75); s. auch KONRAD, Art. Chiliasmus (s. Anm. 8), 734. 32 Freilich begann für Joachim das tausendjährige Reich noch ganz im Sinne Augustins mit der Geburt Christi. „Joachim war also kein Chiliast im strengen Sinne“ (M AIER, Johannesoffenbarung [s. Anm. 8], 177). Wirkungsvoll im Blick auf die Wiedereinführung der Teleologie in das eschatologische Denken war vielmehr seine Lehre von einer Abfolge der Reiche des Vaters, Christi und (des ‚dritten Reichs‘) des Geistes, das er als nahe bevorstehend ansah. Vgl. R. E. LERNER, Millenialism, in: B. McGinn (Hg.), Encyclopedia (s. Anm. 31), 326–360 (346–351), B. M CGINN, The Calabrian Abbot. Joachim of Fiore in the History of Western Thought, New York 1985; M. R EEVES, The Influence of Prophecy in the Later Middle Ages. A Study in Joachimism, Oxford 21969. 33 Einer der wichtigsten Vertreter ist der wohl letzte in der Linie der franziskanischen Joachimiten, Jean de Roquetaillade (ca. 1310–ca. 1366), der weite Teile seines Lebens in Avignon inhaftiert war. Er rechnete mit einer Erhöhung der Juden und einer
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neuen Berechnungen des Endtermins, so z.B. bei dem Geißler Konrad Schmid in Thüringen, der das Millennium für 1369 erwartete 34, bei den böhmischen Taboriten, die das Reich Christi für 1420 erhofften und bei denen erstmals eine Hoffnung auf eine irdische Verbesserung der Zustände begegnet 35, bei dem Täufer Hans Hut (mit einer Berechnung auf das Jahr 1528)36 oder dem Mathematiker, Theologen und Luther-Anhänger Michael Stiefel, der mittels gematrischer Spekulationen aus Joh 19,37 den 19. Oktober 1533 als Endtermin errechnete. 37 Hingegen hat Martin Luther zwar intensiv auf den „lieben jüngsten Tag“ gehofft, aber aufgrund seiner Überzeugung, dass im Papsttum der Antichrist (Apk 13) auf den Plan getreten sei, 38 die Vorstellung eines zukünftigen, irdischen Reiches Christi entschieden zurückgewiesen. Christus herrscht geistlich, und sein Reich steht im Gegensatz zu allen weltlichen Reichen (Joh 18,36). 39 Eine irdische Herrschaft Christi würde hingegen nach Luthers Überzeugung das Evangelium gerade wieder verdunkeln und ein neues Gesetz aufrichten. So wurde die Erwartung eines irdischen Reiches Christi in den reformatori-
Ausdehnung des Sabbats auf ganze tausend Jahre. S. dazu LERNER, Millenialism (s. Anm. 32), 351–354; DERS., The Medieval Return to a Thousand-Year Sabbath, in: R. K. Emmerson / B. McGinn (Hg.), The Apocalypse in the Middle Ages, Ithaca, NY 1992, 51–71 (66–69); B. MCGINN (Hg.), Visions of the End. Apocalyptic Traditions in the Middle Ages, New York, 21998, 230–233. S. die Edition von R. E. LERNER / C. MOREROD-FATTEBERT , Johannes de Rupescissa. Liber Secretorum Eventuum. Edition critique, traduction et introduction historique, Freiburg, Schweiz 1994. 34 Dazu P. S EGL, Art. Geißler, TRE 12, 1984, 162–169 (167f.). 35 Dazu s. LERNER, Millenialism (s. Anm. 32), 355–356; M CGINN, Visions (s. Anm. 33), 259–269. 36 Zu ihm s. G. S EEBASS, Müntzers Erbe. Werk, Leben und Theologie des Hans Hut, Gütersloh 2002; DERS., Hans Hut. Der leidende Rächer, in: Hans-Jürgen Goertz (Hg.), Radikale Reformatoren. 21 biographische Skizzen von Thomas Müntzer bis Paracelsus, München 1978, 44–50; J. M. STAYER, Swiss-South German Anabaptism, 1526–1540, in: J. D. Roth / J. M. Stayer (Hg.), A Companion to Anabaptism and Spiritualism, 1521– 1700, Leiden 2007, 83–117. 37 So in seiner Schrift ‚Vom End der Welt‘ (Wittenberg 1532). Vgl. zu Stiefel W. J ENTSCH, Michael Stifel. Mathematiker und Mitstreiter Martin Luthers, Jahrbuch für Geschichte der Oberdeutschen Reichsstädte. Esslinger Studien 28 (1989), 25–50; J. E. HOFMANN, Michael Stifel 1487?–1567: Leben, Wirken und Bedeutung für die Mathematik seiner Zeit, Wiesbaden 1968. 38 S. dazu LEPPIN, Antichristvorstellung (s. Anm. 10); K. HAMMANN, Ecclesia spiritualis, FKDG 44, Göttingen 1989, 125ff. 162ff. 224ff. Zu Luthers Eschatologie s. auch MAIER, Johannesoffenbarung (s. Anm. 8), 269–300; weiter HOFMANN, Luther (s. Anm. 10). 39 Dies ist gerade der Kern der von Luther in seelsorgerlicher Absicht entwickelten Lehre von den zwei „Reichen“ (bzw. „Regimenten“), die nicht auf eine Trennung, aber doch auf eine fundamentale Unterscheidung zwischen den unterschiedlichen Weisen des Handelns Gottes – einerseits geistlich mit dem Wort allein, andererseits durch die ‚Obrigkeit‘ und mit dem Schwert – dringt. So grundlegend Luthers aus der Bergpredigtauslegung entwickelte Schrift „Von weltlicher Obrigkeit, wieweit man ihr Gehorsam schuldig sei“ von 1523 (WA 11, 245–281). Zum Überblick s. H. BORNKAMM, Luthers Lehre von den zwei Reichen im Zusammenhang seiner Theologie, in: H.-H. Schrey (Hg.), Reich Gottes und Welt. Die Lehre Luthers von den zwei Reichen, WdF 107, Darmstadt, 1969, 165–195, sowie den ganzen Sammelband.
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schen Bekenntnissen als jüdische Meinung verworfen, 40 auch in Anbetracht der Erfahrungen mit dem radikalen Flügel der Reformation, mit Thomas Müntzer, den Bauernkriegen und den radikalen Täufern. Der Chiliasmus war damit zunächst auch im Protestantismus überwunden oder verdrängt. Zu einer erneuten ‚Futurisierung‘ des Millenniums kam es erst wieder im 17. Jahrhundert, begünstigt durch einen gewachsenen „Optimismus hinsichtlich der Durchsetzung des Evangeliums innerhalb der Geschichte“, 41 v.a. in England (nach dem Sieg über die spanische Armada 1588), sowie durch die exegetische Einsicht, dass Apk 20 „auf keine tausendjährige Periode der Vergangenheit wirklich paßte und daß der Aufbau des Buches die Ansetzung des Millenniums am Ende der Kirchengeschichte erforderte“ 42. Vorreiter dieser Deutung waren in England der Puritaner Thomas Brightman (1562– 1607)43 und der Cambridger Exeget Joseph Mede (1568–1638), 44 und im kontinentalen Raum der Calvinist Johann Heinrich Alsted (1588–1638), der den Beginn des Millenniums und die Auferweckung der Märtyrer auf 1694 ansetzte. 45 Während diese (in einer heute ‚postmilleniaristisch‘ zu nennenden Lehrform) mit der Parusie Christi erst nach dem Millennium rechneten, entwickelte sich im Puritanismus in der Aufbruchsstimmung der Revolution der 40er und 50er Jahre des 17. Jahrhunderts eine Strömung chiliastischer Hoffnung, die ‚prämilleniaristisch‘ die Wiederkunft Christi zur Errichtung seines irdischen Reiches erwartete 46. In Deutschland kam es durch den ‚Vater‘ des lutherischen Pietismus, Philipp Jakob Spener (1635–1705), zu einer Wiederbelebung chiliastischen Denkens, das fortan beson-
40 Confessio Augustana Art. 17,5: „Damnant et alios, qui nunc spargunt iudaicas opiniones, quod ante resurrectionem mortuorum pii regnum mundi occupaturi sint, ubique oppressis impiis.“ Deutsche Fassung: „Item werden hie verworfen auch etlich judisch Lehren, die sich auch itzund eräugen, daß vor der Auferstehung der Toten eitel Heilige, Fromme ein weltlich Reich haben und alle Gottlosen vertilgen werden.“ (s. Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche, Göttingen 1930, 72) Confessio Helvetica Posterior XI: „Damnamus praeterea Iudaica somnia, quod ante iudicii diem aureum in terris sit futurum seculum, et pii regna mundi occupatori, oppressis suis hostibus impiis.“ („Wir verwerfen außerdem die jüdischen Träume, dass dem Gerichtstag ein goldenes Zeitalter auf Erden vorausgehe, wobei die Frommen nach Niederwerfung ihrer gottlosen Feinde die Reiche der Welt erlangen werden.“), s. E. CAMPI, Confessiio Helvetica posterior, 1566, in: Reformierte Bekenntnisschriften II/2, Neukirchen-Vluyn 2009, 243–346 (295). Mit diesen Verwerfungen war insbesondere ein ‚Chiliasmus crassus‘, der als eine bloße Hoffnung auf ein künftiges ‚goldenes Zeitalter‘ oder gar ‚Schlaraffenland‘ hätte erscheinen können, unmöglich geworden. 41 BAUCKHAM, Art. Chiliasmus (s. Anm. 8), 739. 42 Ibid., 740. 43 Zu ihm s. I. ESCRIBANO-ALBERCA, Eschatologie. Von der Aufklärung bis zur Gegenwart, HDG IV/7d, Freiburg 1987, 17f.; B. W. BALL, A Great Expectation. Eschatological Thought in English Protestantism to 1660, Leiden 1975, 116f. 44 Zu ihm s. M. MURRIN, Revelation in Two Seventeenth Century Commentators, in: C. A. Patrides / J. Wittreich (Hg.), The Apocalypse in English Renaissance Thought and Literature, Ithaca, NY 1984, 125–146. 45 Dazu BAUCKHAM, Art. Chiliasmus (s. Anm. 8), 740; M AIER, Johannesoffenbarung (s. Anm. 8), 317–319. 46 Vgl. BAUCKHAM, Art. Chiliasmus (s. Anm. 8), 740; E SCRIBANO-A LBERCA, Eschatologie (s. Anm. 43), 19–34.
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ders im Pietismus beheimatet sein sollte.47 In seiner Schrift ‚Behauptung der Hoffnung besserer Zeiten‘ (1693) erwartet er nach dem Fall des antichristlichen Rom die Bekehrung der Juden und einen besseren Zustand der Kirche, wobei er nun auch – anders als in seinen früheren ‚Pia Desideria‘ – auf Apk 20 verweist. Das Millennium ist damit – gegen die augustinisch-lutherische Tradition – wieder in die Zukunft verlegt. 48 Dieser Linie folgten zahlreiche andere pietistische Autoren wie August Hermann Francke, Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf oder auch die Separatisten Johann Wilhelm und Johanna Eleonore Petersen. 49 Die im deutschen Sprachraum50 intensivste Auseinandersetzung mit der Apokalypse erfolgte jedoch bei dem württembergischen Prälaten Johann Albrecht Bengel (1687–1752), der die Chronologie zum Schlüssel der Auslegung der Apokalypse erhob. 51 In seinem Werk ‚Erklärte Offenbarung Johannis‘ (1740) hat Bengel eine Zeittafel aufgestellt, die den Inhalt der Apokalypse mit Welt- und Kirchengeschichte synchronisiert, und den Beginn des tausendjährigen Reiches (nach anderen früheren Berechnungen) auf das Jahr 1836 angesetzt.52 Bengel erwartete jedoch nach Apk 20,2f. und 20,4f. zwei aufeinander folgende Perioden von je tausend Jahren (Dischiliasmus), deren erste mit der Bindung des Satans eine wachsende Wohlfahrt der Kirche bringen sollte, die zweite dann die Regierung der Heiligen, bevor schließlich – im Jahre 3836 n.Chr. – das Weltende und das Jüngste Gericht folgen sollten.53 Nach dem Verstreichen des Jahres
47 Treffend BOUSSET , Offenbarung (s. Anm. 13), 100: „Im Pietismus trat der Chiliasmus aus der Reihe der Häresien, in welche er seit anderthalb Jahrtausend verbannt gewesen.“ Er fügt jedoch – durchaus zu Recht – hinzu (ebd.): „Freilich zum besseren Verständnis des Buches führte auch dieser Fortschritt kaum, die Auslegung wurde nur noch phantastischer und wilder.“ 48 Allerdings will er in Apk 19,11ff. noch keine sichtbare Wiederkunft Christi erkennen, sondern setzt diese erst in 20,11ff. an. So ist auch Speners Denken ‚postmilleniaristisch‘. Vgl. MAIER, Johannesoffenbarung (s. Anm. 8), 353–366, sowie ausführlich H. KRAUTER-DIEROLF, Die Eschatologie Philipp Jakob Speners, BHTh 131, Tübingen 2005. 49 S. dazu MAIER, Johannesoffenbarung (s. Anm. 8), 367–378. 50 Im angelsächsischen Raum ist Joshua Spalding (1760–1825) als einer der wichtigsten Vorbereiter des amerikanischen Chiliasmus zu erwähnen, s. dazu LE ROY E. FROOM, The Prophetic Faith of our Fathers. The Historical Development of Prophetic Interpretation, Washington 1946, Bd. 3, 230–235.250 (Hinweis von F. Tóth). 51 Zu Bengel s. M AIER, Johannesoffenbarung (s. Anm. 8), 393–439. 52 S. dazu ibid., 431. Bengels Auslegung hatte breite Wirkungen auf Theologen und Laien: Sein Schüler Friedrich Christoph Oetinger (1702–1782) erwartete eine „Güldne Zeit“, in der es nur noch die hebräische Sprache geben und das bekehrte Israel die Völker missionieren werde (s. ibid., 441), und eine andere Schrift „Entwurf der besten Regierung“, die Jes 60 folgte und das Aufhören von Kriegen, eine Liebesregierung, Gütergemeinschaft mit gleichem Besitz aller und üppige Fruchtbarkeit des Landes beschrieb (s. dazu M. BRECHT , Der württembergische Pietismus, in: ders. [Hg.], Geschichte des Pietismus, Bd. 2, Göttingen 1995, 223–295 [273]). Zu Beginn des 19. Jahrhunderts zogen Tausende aus Württemberg aufgrund ihrer lebhaften Endzeithoffnung und beeinflusst durch die Apokalypse-Auslegung von Heinrich Jung-Stilling in Richtung des Heiligen Landes, und vor allem in den Kaukasus, um dort den endzeitlichen Bergungsort am Ararat zu finden (s. ibid., 287). 53 S. dazu MAIER, Johannesoffenbarung (s. Anm. 8), 441.
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1836 wurde im innerkirchlichen Pietismus zwar die chiliastische Hoffnung beibehalten, Terminberechnungen nahmen aber fast nur noch Sondergruppen vor. 54 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Wiedereinführung des Chiliasmus im Protestantismus über ein ‚postmilleniaristisches Modell‘ erfolgte, im Zuge einer verstärkten Hoffnung auf ‚bessere Zeiten‘ und eine letztliche Durchsetzung des Evangeliums in der Welt. Dieses Modell konnte – gerade weil es von dem abwich, was in der Confessio Augustana als „iudaicae opiniones“ verworfen war – den Verketzerungen der reformatorischen Bekenntnisschriften ‚entgehen‘. 55 Postmilleniaristische Vorstellungen dominierten dann auch zunächst in der nordamerikanischen Theologie, etwa bei Jonathan Edwards (1703–1758), der die Erweckungsbewegung, die später ‚Great Awakening‘ genannt wurde, als „Vorbote des tausendjährigen Reiches“ verstand, 56 umgekehrt konnte die postmilleniaristische Vision die Bemühungen um eine Intensivierung der Mission bestärken, weil dieser somit eine wesentliche Rolle in der Herbeiführung des endzeitlichen Heils zugeschrieben wurde. Nicht zuletzt hat das postmilleniaristische Denken (z.T. in säkularisierter Form) die Vorstellungen von der besonderen Sendung Amerikas als ‚Erlösernation‘, aber auch die Hoffnungen auf einen stetigen moralischen und kulturellen Fortschritt der Menschheit geprägt. 57 Wo man die Heraufführung des Millenniums weniger ‚evolutiv‘ verstand und (aufgrund einer negativeren Sicht der Gegenwart) einen stärkeren ‚Bruch‘ zwischen der jetzigen Welt und dem tausendjährigen Christusreich ansetzte, konnte sich eine andere Spielart des Milleniarismus herausbilden, der sogenannte Prämilleniarismus, an dessen Aufstieg und Verbreitung der Brite John Nelson Darby (1800–1882) wesentlichen Anteil hatte58 und der z.B. in den Erläuterungen der Scofield Bibel verbreitet wurde. Für ihn spiegeln die Briefe Apk 2–3 Epochen der Kirchengeschichte, aber ab Kapitel 4 bezieht sich die ganze Apokalypse auf endgeschichtliche Ereignisse, so dass eine Verortung der eigenen Gegenwart im Gang der Ereignisse, wie sie auf der Basis der welt- und kirchengeschichtlichen Deutung erfolgte, nicht mehr möglich ist. 59
54 William Miller, der am Beginn der adventistischen Bewegung steht, erwartete den zweiten Advent Christi und das 1000-jährige Reich im Jahr 1843. Der Termin wurde dann später mehrfach hinausgeschoben (s. R. KYLE, The Last Days Are Here Again. A History of the End Times, Grand Rapids 1998, 86ff.); Charles Russell, der Gründer der ‚Zeugen Jehovas‘, rechnete mit einem – später ebenfalls mehrfach korrigierten – Termin für den Anbruch des Königreichs im Jahr 1874 (s. ibid., 93ff.). 55 Zu den diesbezüglichen Auseinandersetzungen etwa Speners mit seinen Zeitgenossen s. KRAUTER-DIEROLF, Eschatologie (s. Anm. 48). 56 BAUCKHAM, Art. Chiliasmus (s. Anm. 8), 74l. 57 Dazu ibid., 741f. 58 Dazu ibid., 742f. Darby war erst anglikanischer Priester und wurde dann zur Gründerfigur der Brüderbewegung. 59 Darby systematisierte zudem die im Neuen Testament in unterschiedlichen Büchern beschriebenen Endereignisse so, dass die „Entrückung“ der Glaubenden (1 Thess 4,16) vor den in der Apokalypse beschriebenen Plagen, dem Reich des Antichristen und der Schlacht von Harmageddon (Apk 16,16) erfolgen solle, mit der Konsequenz, dass die wahren Glaubenden diesen Plagen entnommen sein werden. Solche Vorstellungen sind heute (vermutlich mehr denn je) in weiten Teilen des amerikanischen Protestantismus oder auch der Pfingstbewegung verbreitet, während sie anders geprägten Christen eher bizarr und fremdartig erscheint.
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Der Chiliasmus bzw. Millenniarismus ist also nach wie vor das ‚Schibboleth‘ der Apokalypse-Auslegung, nicht nur in Kreisen einer wissenschaftsfernen Bibelfrömmigkeit, sondern auch in einer Reihe von exegetischen Kommentaren, soweit sie auf derartige Applikationen Bezug nehmen. Solange man sich auf die traditions- und religionsgeschichtliche Erklärung und die philologisch-exegetische Erhebung des vom Autor intendierten Sinns beschränkt, mag die Diskussion ‚akademisch‘ bleiben, sobald aber – wie in den meisten exegetischen Kommentaren – auch die Frage nach einer gegenwärtigen Relevanz oder der ‚Botschaft‘ der Apokalypse für heutige Leserinnen und Leser mit bedacht wird, ist die Wahl des Ansatzes der Auslegung und damit die Hermeneutik von hoher, z.T. präjudizierender Bedeutung. Daher sind die wichtigsten hermeneutischen Ansätze im Folgenden vor dem Hintergrund der Auslegungsgeschichte knapp zu skizzieren. 2.2 Das Panorama der hermeneutischen Ansätze Systematisch lassen sich aufgrund der Auslegungsgeschichte vier Ansätze differenzieren:60 1. Als erster wichtiger Ansatz ist die überzeitliche (= „idealist“) Auslegung zu nennen, die sich häufig aus dem Bemühen um ‚Entschärfung‘ bzw. Abwehr eines allzu konkreten oder als gefährlich empfundenen Chiliasmus speist. Als Urheber dieser Deutung kann im Westen der Donatist Ticonius gelten, der in seiner Auslegung die beiden Zeugen aus Apk 11,3 auf die Kirche deutet und im ganzen Werk „die Leiden und Hoffnungen seiner Kirche“, d.h. den Kampf der wahren Christen gegen die weltliche Macht und die verweltlichte Kirche geweissagt sieht. 61 Damit wurde die konkrete, realistische Zukunftserwartung neutralisiert, und auch alle chiliastischen Tendenzen konnten hinfällig werden, 62 obwohl Ticonius selbst eine gespannte Naherwartung hegte. 63 In Augustins Rezeption ist seine spiritualisierende Umdeutung des tausendjährigen Reiches wirksam der Nachwelt vermittelt worden.
Auch in der Neuzeit finden sich, z.T. in Aufnahme der gleichen Beobachtungen und in Abwehr konkreter zeitlicher Fixierungen immer wieder Interpretationen, die in der Apk eine grundsätzliche Darstellung des Kampfes zwischen Gott und dem Bösen, bzw. des Sieges Christi über die antichrist60 S. die knappen Überblicke bei BEALE, Revelation (s. Anm. 19), 44–48; O SBORNE, Revelation (s. Anm. 19), 18–22, sowie die älteren Forschungsberichte von O. B ÖCHER, Die Johannesapokalypse, EdF 41, Darmstadt 41998 und besonders materialreich BOUSSET , Offenbarung (s. Anm. 13), 49–119. 61 Ibid., 58 62 Insofern er in immer wieder neuer Form das gleiche geweissagt sieht, ist Ticonius auch der Urheber dessen, was man später ‚Rekapitulationstheorie‘ nennt. S. dazu BOUSSET , Offenbarung (s. Anm. 13), 59f. 63 Dies betont mit Recht M AIER, Johannesoffenbarung (s. Anm. 8), 117f.
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lichen Mächte finden wollten.64 Dazu wurden gelegentlich andere hermeneutische Mittel wie die Allegorese, die Tiefenpsychologie, die religionsgeschichtliche und literaturwissenschaftliche Mythendeutung65 oder auch die Kulturanthropologie herangezogen.66 Freilich gelingt es auch mit allen ‚enttemporalisierenden‘ hermeneutischen Mitteln kaum, die teleologische Ausrichtung der Apokalypse auf die Parusie Christi und das Ziel der ewigen Gemeinschaft mit Gott und Christus (im Bild des ‚neuen Jerusalem‘) zu unterdrücken. Eine atemporale, rein symbolistische Deutung erscheint daher am Text kaum begründbar 2. Ein zweites Modell ist die welt- bzw. kirchengeschichtliche Auslegung (= „historicist“), in der die Bilder ab Apk 4 bzw. 6 (oder auch bereits die Gemeindebriefe in Apk 2–367) als Weissagung auf die inzwischen bereits verlaufene Welt- oder Kirchengeschichte bezogen werden, so dass dann evtl. der ‚Standort‘ der Leser im Rahmen des Welt- und Endgeschehens bestimmt werden kann. Diese Auslegung entspringt dem Bestreben, der Apokalypse zu einer Zeit, als diese bereits ‚kanonisch‘ geworden war, einen ‚Sinn‘ für die eigene Gegenwart abzugewinnen, und zwar auf der Basis eines Verständnisses des Buches als ‚Prophetie‘ künftiger Ereignisse. So hatte Joachim von Fiore aufgrund einer Vision die 1260 Tage der Apokalypse auf 1260 Jahre seit der Zeit der Apostel gedeutet und damit die Apk „wieder als ein Buch
64 Zu beachten ist der eigenwillige Kommentar von E. LOHMEYER, Die Offenbarung des Johannes, HNT IV/4, Tübingen 1926, der auf zeitgeschichtliche Bezüge fast völlig verzichtet und die Apk daher auf religions- und traditionsgeschichtlicher Grundlage als ein poetisches Werk ‚überzeitlich‘ interpretiert. S. dazu A. KÖHN, Der Neutestamentler Ernst Lohmeyer, Studien zu Biographie und Theologie, WUNT II/180, Tübingen 2004, 191–223. 65 S. dazu den Überblick bei M. KOCH, Drachenkampf und Sonnenfrau. Zur Funktion des Mythischen in der Johannesapokalypse am Beispiel von Apk 12, WUNT II/184, Tübingen 2004, 62–92, der besonders auf die tiefenpsychologische Auslegung Eugen Drewermanns und die existentialtheologische Mythendeutung Rudolf Bultmanns eingeht sowie dann (auch in seiner eigenen Arbeit) Impulse der Rezeptionsästhetik aufnimmt. 66 So besonders B. J. M ALINA, On the Genre and Message of Revelation. Star Visions and Sky Journeys, Peabody 1995; deutsch: Die Offenbarung des Johannes. Sternvisionen und Himmelsreisen, Stuttgart etc. 2002; B. J. MALINA / J. J. PILCH, Social Science Commentary on the Book of Revelation, Minneapolis 2000. Hier wird, religionsgeschichtlich ausgehend von der antiken Astralmythologie (so bereits F. BOLL, Aus der Offenbarung Johannis, Leipzig/Berlin 1914) eine atemporale und uneschatologische Deutung der Apokalypse entwickelt, in offensichtlicher Antithese zum nordamerikanischen Milleniarismus. Die Begründung für die atemporale Deutung erfolgt allerdings durch eine allgemeine Behauptung über das Zeitverständnis ‚des‘ antiken mediterranen Menschen: „It seems quite certain that ancient Mediterraneans were not future-oriented at all. In other words, there is nothing in the book of Revelation that refers to the future. Even the new Jerusalem is descending right now“ (M ALINA, Genre, 266). 67 So in Teilen des reformierten Dispensationalismus, s. dazu R. L. THOMAS, Revelation 1–7, Chicago 1992, 505–515; OSBORNE, Revelation (s. Anm. 19), 18 Anm. 5.
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betrachtet, das wesentlich für seine Gegenwart geschrieben ist“ 68, die nun als ‚Endzeit‘ erscheinen konnte. In seiner komplexen Deutung findet sich dann auch schon eine Identifikation des ‚Tiers‘ von Apk 13 (mit dem Islam) und des ‚Pseudopropheten‘ (mit der Ketzerei). 69 Viele Ausleger, zunächst Nikolaus von Lyra 70 mit seiner ausgeführten weltgeschichtlichen Deutung, aber dann v.a. auch Martin Luther in seiner zweiten Vorrede zur Apokalypse von 1530 und im Anschluss an ihn fast alle Reformatoren 71 sind diesem Grundansatz gefolgt.
Dieses Deutungsmodell geht grundsätzlich von der Voraussetzung aus, dass es sich im Visionenzyklus der Apokalypse um die Abbildung einer geschichtlichen Ereignisfolge handelt – freilich ist der Blick der Ausleger dann zumeist auf die eigene politische Geschichte bzw. Kirchengeschichte (z.B. ausschließlich auf die Geschichte des kirchlichen Westens) eingeschränkt, was die Plausibilität des Ansatzes entscheidend schwächt. Zudem hätte das letzte Buch der Bibel, wenn es primär als Prophetie auf kommende Epochen der Geschichte gemünzt wäre, seinen ‚eigentlichen‘ Sinn für seine ersten Leser noch gar nicht entfaltet. Am wirkungsvollsten diskreditiert wurde der Ansatz freilich durch die vielfältigen, sich widersprechenden und immer wieder wandelnden Versuche, den Inhalt einzelner Visionen mit geschichtlichen Epochen, Häresien, Kriegen oder Herrschergestalten zu verbinden bzw. diese in den Visionsbildern der Apk ‚wiederzuerkennen‘, nicht zuletzt die stets wechselnden ‚Identifikationen‘ des ‚Antichristen‘. Insbesondere der im Streit der Konfessionen vorgenommene polemische Bezug des Tiers von Apk 13 als ‚Antichristen‘ auf die jeweilige Gegenseite hat die Hinwendung zu zeitgeschichtlichen Auslegungen befördert, so bei dem Jesuiten Luis de Alcasar, der die Verfolgung von Apk 12 auf die neronische Verfolgung und das erste Tier von Apk 13 auf das Römische Reich bezieht72, und dann in der protestantischen Auslegung besonders bei dem Niederländer Hugo Grotius (1583–1645), der angesichts der entgegengesetzten Deutungen auf den Wert der Frage nach der Bedeutung für den Autor und seine Leser und damit auf den zeitgeschichtlichen Horizont hinwies – nicht zuletzt auch um in religionspolitischer Hinsicht vermittelnd wirken zu können.73
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So BOUSSET , Offenbarung (s. Anm. 13), 75 (vgl. ibid., 73–76) Ibid. 70 Dazu ibid., 83. 71 Dazu ibid., 84–89, der noch auf die andersartige weltgeschichtliche Deutung bei Theodor Bibliander hinweist. Zu Luther s. weiter bei M AIER, Johannesoffenbarung (s. Anm. 8), 292–300, sowie HOFMANN, Luther (s. Anm. 10). 72 S. dazu BOUSSET , Offenbarung (s. Anm. 13), 93f. 73 Vgl. dazu F. M ÜHLEGGER, Hugo Grotius, ein Humanist in religionspolitischer Verantwortung, AKG 103, Berlin/New York, 2007, 25 u.ö.; Apk 13,5 konnte so z.B. konkret auf Domitian bezogen werden.
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3. Die andere Möglichkeit, den Problemen der kirchengeschichtlichen Deutung, d.h. den widersprüchlichen und selten wirklich passenden Identifikationen zu entgehen, bestand darin, dass man postulierte, dass diese ‚Ereignisse‘ noch gar nicht eingetreten, sondern erst noch zu erwarten seien. Diese endgeschichtliche („futurist“) Deutung bezieht also die Visionsbilder der Apokalypse ab einem bestimmten Punkt (meist ab Apk 4 bzw. 6) als Weissagung auf die noch ausstehenden Endereignisse und entgeht somit geschickt der Infragestellung durch den andersartigen faktischen Verlauf der Welt- oder Kirchengeschichte. Auch diese Auslegung setzt voraus, dass es sich in der erzählten Visionenfolge der Apokalypse um eine Abbildung eines mehr oder weniger geschlossenen Handlungsverlaufs handelt, nur dass dieser noch in der Zukunft liegt. Mit dem Wegfall der welt- oder kirchengeschichtlichen Referenzen ist dabei der spekulativen Phantasie bzw. der schriftgelehrten Kombinatorik der Ausleger keine Grenze mehr gesetzt – was die Attraktivität dieser Auslegung in einflussreichen religiösen Kreisen noch stärkt. Im Rahmen dieser endgeschichtlichen Auslegung lassen sich unterschiedliche Varianten der Zuordnung von Parusie Christi, Millennium etc. fassen – ‚postmilleniaristische‘ wie ‚prämilleniaristische‘. Der heute einflussreichste Entwurf, der zugleich den Anspruch erhebt, die Bibel am „wörtlichsten“ auszulegen (freilich in großer Unbekümmertheit unterschiedliche Stellen kombiniert), ist der durch John Nelson Darby vertretene Typ des dispensationalistischen Prämilleniarismus. Dieser rechnet mit unterschiedlichen Epochen bzw. ‚Verfügungen‘ der Heils- und Endgeschichte („dispensations“) 74, entnimmt seine Zielperspektive aus Röm 11,25–32 und verbindet die Annahme Israels bzw. die endgültige Erfüllung der Verheißungen Gottes an Israel mit der von Jerusalem ausgehenden tausendjährigen Herrschaft Christi (Apk 20,1–6). Die Phase der Kirche ist mithin eine Zwischenperiode, an deren Ende die Gläubigen (nach 1 Thess 4,16) entrückt werden (‚rapture‘), bevor dann die Herrschaft des Antichristen und die ‚Große Trübsal‘ (‚Great Tribulation‘) eintreten. Dann folgen die Parusie Christi, das Millennium mit der Erfüllung der Gottesverheißungen an das Bundesvolk Israel, das letzte Gericht und die Aufrichtung der ewigen Herrlichkeit. Diese kühne Kombination eschatologischer Aussagen aus unterschiedlichen biblischen Zusammenhängen, die natürlich nur unter Voraussetzung einer inspirierten Harmonie aller biblischen Schriften möglich ist, erklärt verschiedene Aspekte der populären Wirkung der Apokalypse in der Gegenwart: Zu nennen ist hier nicht nur die Inanspruchnahme der Apokalypse in Gruppen eines ‚christlichen Zionismus‘75, sondern auch die
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Hier zeigt sich das Erbe der reformierten ‚Foederaltheologie‘. Die darbyistische Auffassung, dass das Millennium die Erfüllung der göttlichen Verheißungen an Israel bringe, macht diese Auslegung zugleich anfällig für einen christlichen Zionismus, der die politischen Ereignisse im Nahen Osten seit der Staatsgründung Israels 1948 als Vorboten des Endes interpretiert und den Landbesitz Israels bzw. den Staat Israel als konkrete Erfüllung der biblischen Zusagen interpretiert, was dann zu einer ‚eschatologisch‘ aufgeladenen, von ethischen Reflexionen nicht mehr begleiteten einseitigen politischen Parteinahme, oder gar zur Bejahung von Hoffnungen bestimmter jüdi-
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verbreitete Furcht vor den vermeintlich vorherbestimmten Plagen (und v.a. der Schlacht von ‚Harmageddon‘), die dann als 3. Weltkrieg oder Atomkatastrophe erwartet wurden und das Image der Apk als Darstellung des Weltuntergangs gefestigt haben, sowie schließlich die Hoffnung auf eine Verschonung der ‚wahren Frommen‘ vor der kommenden ‚Trübsal‘ durch eine vorherige Entrückung (‚rapture‘), während die anderen den apokalyptischen Plagen ausgeliefert werden sollen. Diese Auslegung, wie sie durch die in Nordamerika in vielfacher Millionenauflage verbreitete Roman-Serie ‚Left Behind‘ popularisiert wurde, 76 bestimmt einflussreiche Teile des nordamerikanischen Evangelikalismus und Pentekostalismus und erreicht mit ihrer antirationalen und simplifizierenden Propaganda zunehmend auch konservativ-christliche Kreise in Europa. Die Apokalypse, verstanden als göttliche Voraussagung eines festliegenden Planes über die Zukunft der Menschheit, wird in diesem System nicht selten zugleich zur Erzeugung von religiöser Angst, zu Einschüchterung und Bekehrungsdruck missbraucht, sie dient zur Vermittlung einer schlichten dualistischen Weltsicht, in der schwarz und weiß, gut und böse und v.a. der ‚Antichrist‘ mit der Bibel als ‚Kompass‘ identifiziert werden – mit z.T. fatalen Folgen, die bis in die politische Rhetorik und politische Entscheidungen – insbesondere in den USA – hineinreichen.
Die beschriebenen Formen der endgeschichtlichen Lektüre sind nur unter der dogmatischen Voraussetzung praktikabel, dass es sich beim letzten Buch der Bibel tatsächlich um die definitive Enthüllung eines verborgenen göttlichen Plans für die (somit determinierte) Endgeschichte handelt (und die Schrift im Ganzen organisch-stimmig den göttlichen Heilsplan vermittelt). Natürlich lässt sich auch eine futurische Deutung der Apk denken, wenn man annimmt, dass der Autor zwar futurische Erwartungen formulieren wollte, dass darin aber eben nicht mehr als seine eigenen Vorstellungen gesehen werden können, die dann – wie alle menschlichen Zukunftsprognosen – unsicher und fehlbar bleiben.77 Freilich müsste dann mit einem weitgehenden Fehlschlagen der visionären ‚Prophetie‘ des Apokalyptikers gerechnet werden. Der Anspruch des Werks, Wahrheit zu vermitteln, ja seine kanonische Dignität, müsste, wenn seine Intention wirklich in der Voraussage künftiger Geschichtsabläufe zu sehen wäre, als ausgesprochen fragwürdig erscheinen. 4. Die vierte, in der neuzeitlichen wissenschaftlichen Exegese dominant gewordene Deutung ist die zeitgeschichtliche (= preterist), welche die Aussagen der apokalyptischen Visionen primär auf Sachverhalte im Horizont der Zeit des Autors bezieht und dessen Erwartung dann z.B. auf den scher Gruppen auf die Errichtung eines dritten Tempels führt. Aspekte der Nahost-Politik z.B. der USA sind im Rahmen derartiger Vorstellungen zu verstehen. 76 Dazu C. R. KOESTER, Revelation and the ‚Left Behind‘ Novels, Word and World 25,3 (2005), 274–282. 77 So z.B. in der neuesten Untersuchung, die – in interessantem Einklang mit dispensationalistischen Ansätzen – die Apk ab Kapitel 4 als (intendierte) Prophetie auf einen künftigen, endgeschichtlichen Ablauf hin versteht: J. DOCHHORN, Schriftgelehrte Prophetie. Der eschatologische Teufelsfall in Apc Joh 12 und seine Bedeutung für das Verständnis der Johannesoffenbarung, WUNT 268, Tübingen 2010, 52–64.
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Fall Roms hin gerichtet sieht.78 Diese Deutung, an der Schwelle der Neuzeit z.B. durch Hugo Grotius gefordert, nimmt als einzige den menschlichen Charakter des apokalyptischen Buches wahr, den konkreten historischen Ort seiner Entstehung und seiner Adressatenschaft, die rekonstruierbaren Prozesse der Aufnahme von Traditionen und der bewussten Komposition und – natürlich auch – die Intentionen des Autors in den Auseinandersetzungen seiner Zeit. Dies schließt nicht aus, dass auch der Autor konkrete Zukunfts-Vorstellungen hegte, und diese Perspektive ist exegetisch zu rekonstruieren. Doch wenn man diese zunächst auf den Horizont des Autors und seiner ersten Leser bezieht, verbieten sich direkte welt- und kirchengeschichtliche Bezüge, und es ist präziser zu unterscheiden, was aus dem Visionenzyklus auf eine ‚innerweltlich‘ bevorstehende Zukunft hin vorgestellt ist, wo im Rahmen der Parusiehoffnung Bilder über das innerweltliche Geschehen hinaus auf ein Einbrechen des Göttlichen hin ausgerichtet sind, und was ggf. in einer über die geschichtlichen Perspektiven hinausgehenden Weise grundsätzlich und symbolisch zu verstehen ist. Kernstücke der zeitgeschichtlichen Deutung waren von Anfang an der Bezug von Apk 13 auf das Römische Reich, insbesondere auf Nero (aufgrund der entsprechenden Auflösung von Apk 13,18) oder auf Domitian (aufgrund der Tradition über die Abfassung der Apk unter Domitian), sowie der ‚Hure Babylon‘ auf das römische Reich. Das Problem des zeitgeschichtlichen Ansatzes ist es, dass sich nicht alle Visionsbilder des Buches so leicht auf zeitgeschichtliche Referenzgrößen, Sachverhalte oder Ereignisse beziehen lassen, sondern – aus der Tiefe des biblischen Hintergrundes oder des kulturellen Wissens der Adressaten – symbolisch ‚aufgeladen‘ sind, und dadurch auch in anderen Situationen ansprechen und in neuer Weise ‚Sinn‘ vermitteln können. Der zeitgeschichtliche Bezug in Apk 13 oder Apk 17f. kann trotz gewisser Unsicherheiten im Detail kaum zweifelhaft sein – andererseits sind Bilder wie die Sonnenfrau in Kapitel 12 trotz ihrer zeit- und kulturgeschichtlichen Bezüge79 von großer symbolischer Kraft und reichen weit über einen unmittelbaren zeitgeschichtlichen Bezug hinaus. Viele Ausleger80 bevorzugen daher faktisch eine Kombination der zeitgeschichtlichen Auslegung mit endgeschichtlichen und symbolischen Aspekten. Aber auch in dieser methodischen Anlage gibt es zahlreiche unge78 Zur forschungsgeschichtlichen Einordnung s. BÖCHER, Johannesapokalypse (s. Anm. 60), 1–3 und 7f. 79 Erhellend ist hier die Interpretation von H. O MERZU, Die Himmelsfrau in Apk 12. Ein polemischer Reflex des römischen Kaiserkults, in: Becker / Öhler (Hg.), Apokalyptik (s. Anm. 16), 167–194; weiter J. W. VAN HENTEN, Dragon Myth and Imperial Ideology in Revelation 12–13, in: D. L. Barr (Hg.), The Reality of Apocalypse. Rhetoric and Politics in the Book of Revelation, SBL.SS 39, Atlanta 2006, 181–203. 80 So explizit BEALE, Revelation (s. Anm. 19), 48f.; OSBORNE, Revelation (s. Anm. 19), 21f.
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löste Fragen: Die eschatologischen Anschauungen des Buches, das die eschatologischen Anschauungen der Christenheit am stärksten geprägt hat, sind nach wie vor strittig und in manchem wohl auch bleibend uneindeutig. 2.3 Ungeklärte Grundfragen Strittig und ungeklärt sind in den neueren Beiträgen eine Reihe von Grundfragen zur Eschatologie der Apokalypse. 2.3.1 Futurische und präsentische Eschatologie Das eigentliche Problem liegt nicht im Neben- oder Ineinander von futurischer und präsentischer Eschatologie, sondern in der ungeklärten Bestimmung ihres gegenseitigen Verhältnisses. Beide Dimensionen eschatologischer Rede liegen auch in der Apk – wie fast überall in der neutestamentlichen Eschatologie81 – nebeneinander vor: Die präsentisch-eschatologische Aussage, dass die an Jesus Glaubenden (von denen der Autor erwartet, dass sie treu am Bekenntnis festhalten) schon jetzt zu Teilhabern an der βασιλεία gemacht sind (vgl. 1,5f.9) und dass Christus als der erhöhte Gekreuzigte, das ‚geschächtete Lamm‘ schon jetzt auf dem Gottesthron an Gottes Herrschaft teilhat (5,6), dass somit im Himmel die Königsherrschaft Gottes und Christi schon begonnen hat (12,10), kann kaum zweifelhaft sein.82 Damit steht die Apokalypse zugleich in einem breiten Konsens neutestamentlicher Eschatologie, demzufolge die Heilsteilhabe der Glaubenden im Christusgeschehen, in Kreuz und Auferstehung bzw. der Inthronisation Christi zur Rechten Gottes gründet. Offen ist jedoch die Frage, ob und inwiefern diese Aussagen mit den intensiven futurisch-eschatologischen Hinweisen auf eine zukünftige Vollendung zu korrelieren sind. Wie verhält sich das Heil der Glaubenden in der Gegenwart zu dem erhofften Stand der Heilsvollendung, und wie beeinflusst die gegenwärtige himmlische Wirklichkeit das irdische Geschehen, seine zeitlichen Abläufe und die erhoffte und erwartete Herbeiführung des endgültigen Gottesreichs auch in der irdischen Wirklichkeit? Die Antwort, dass „die zukünftigen Ereignisse bereits die Gegenwart“ bestimmen,83 ist nur eine theologische Formel aus der älteren eschatologischen Diskussion,84 die hier nicht weiterführt, weil
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S. dazu FREY, Eschatology (s. Anm. 21). Auch die durch Christus ‚erlöste‘ Gemeinde (Apk 1,5 u.ö.) hat bereits Anteil am Heil, doch unterliegt ihr definitiver Stand noch der Bewährung (so in Apk 2–3) und evtl. endgerichtlichen Beurteilung. 83 So S CHNELLE, Theologie (s. Anm. 25), 731. 84 Diese Formulierung diente in der theologischen Diskussion (nicht zuletzt im Rahmen der Bultmann-Schule) dazu, die Bedeutung der futurischen Erwartung zu minimieren und den Fokus auf die Gegenwartsrelevanz der eschatologischen Aussagen zu legen
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sie im Unklaren lässt, wie denn eigentlich die hier als zukünftig dargestellten Ereignisse zu verstehen sind. Dass die Apokalypse eine konkrete, durchaus auch spekulative ‚innergeschichtliche‘ Zukunftserwartung vertritt, z.B. im Blick auf das Gericht über Rom, kann kaum zweifelhaft sein. Die Frage bleibt dann jedoch: Was erwartet die Apokalypse eigentlich? Welche der in der Visionenfolge dargestellten ‚Ereignisse‘ sind Gegenstand dieser Erwartung? Und in welchem zeitlichen Horizont steht das erwartete Geschehen? 2.3.2 Naherwartung – ‚wiederbelebt‘ oder ‚gedämpft‘ – und Enderwartung Von vielen Autoren wird – mit einem gewissen Recht – festgehalten, dass die Apk eine massive Naherwartung vertrete. In nächster Zukunft wird das Ende der Dinge erwartet, diese „Erwartung des nahenden Endes durchzittert alle Worte“ dieses Buches.85 Dies legt sich angesichts der Ankündigung im Prolog (1,1: „was bald [ἐν τάχει] geschehen muss“; vgl. 1,3: „die Zeit86 ist nahe“) und der Ankündigung des baldigen Kommens Christi und der liturgischen Bitte um dieses Kommen am Schluss (22,20) nahe.87 Im Rahmen der lange beherrschenden These von einem durch die Parusieverzögerung erfolgten Zurücktreten der Naherwartung gegen Ende des 1. Jahrhunderts wurde gelegentlich vermutet, diese sei in der Apk bewusst und gegen den Trend der Zeit, etwa anlässlich einer akuten Verfolgung, wiederbelebt worden. Demnach wolle der Autor „für die apokalyptischen Anschauungen werben, die er in seiner Schrift kodifiziert und … systematisiert hat“.88 und die neutestamentlichen Schriften vom Vorwurf einer spekulativen Zukunftserwartung freizusprechen. 85 So E. LOHSE, Die Offenbarung des Johannes, NTD 11, Göttingen 8 1993, 88; auch PH. VIELHAUER, Geschichte der urchristlichen Literatur, Berlin 1975, 504. 86 Die Wiedergabe bei T. HOLTZ, Die Offenbarung des Johannes, NTD 11, Göttingen 2008, 15: „die Entscheidung ist nahe“ (vgl. Mk 1,15) ist kaum angemessen. Es geht zwar um eine ‚entscheidende‘ Zeit, aber eben doch um eine Zeit. Vgl. zur Sache auch G IESEN, Offenbarung (s. Anm. 25), 63. 87 S. die eingehende Erörterung der Aspekte des ‚Naherwartungshorizonts‘ der Apk bei GÜNTHER, Nah- und Enderwartungshorizont (s. Anm. 20), 60–160. Die Versuche, etwa bei Bruce Malina, diese futurische Dimension vollkommen zu eliminieren, haben am Text keine Stütze und verdanken sich eher der Prämisse eines von Malina in grober Verallgemeinerung für den gesamten Bereich der ‚ancient mediterranean culture‘ vorausgesetzten atemporalen Zeitbegriffs (s. MALINA, Offenbarung [s. Anm. 66], 9; grundlegend DERS., Christ and Time. Swiss or Mediterranean, CBQ 51 [1989], 1–31). Dass dies nicht zutrifft, zeigen schon die frühen Lektüren der Apokalypse im 2. Jahrhundert, die ja durchaus noch im Rahmen der antiken mediterranen Kultur stehen, aber deutlich die futurische (und chiliastische) Erwartung aufnahmen. 88 So VIELHAUER, Geschichte (s. Anm. 85), 504.
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Diese Konstruktion ist jedoch in mehrfacher Hinsicht problematisch. Zum einen scheint sie dem Aspekt der ‚Kodifizierung‘ oder gar ‚Dogmatisierung‘ eschatologischer Lehre zu großes Gewicht zu verleihen, und zugleich den paränetischen Impetus der Apokalypse zu unterschätzen: Es geht diesem Buch stärker um die Motivation der Adressaten zu einer eindeutigen Positionierung gegenüber den Versuchungen ihrer eigenen Zeit als um eine Werbung für eine apokalyptische Doktrin. 89 Zum anderen hat die These der Parusieverzögerung als ‚Gradmesser‘ der urchristlichen Theologieentwicklung stark an Plausibilität eingebüßt, und neuere Untersuchungen zeigen, dass das Schwinden der Naherwartung und ihr gelegentliches Aufflammen auch im 2. und 3. Jahrhundert keiner spezifischen ‚Gesetzmäßigkeit‘ unterlag, sondern dass das Aufflammen solcher Hoffnungen orts- und gruppenspezifisch von je neuen Erfahrungen und Wahrnehmungen der eigenen Situation bestimmt war.90 Schließlich ist auch die ‚klassische‘ Annahme der Abfassung der Apk in der Zeit einer akuten Verfolgung (die man i.d.R. unter Domitian annahm), in letzter Zeit fraglich geworden. 91 So sehr die Motive der Verfolgung im Visionenteil der Apokalypse eine bedeutende Rolle spielen, ist doch eher unwahrscheinlich, dass das Werk in einer solchen akuten Krise entstanden ist; eher wird man hier von einer spezifischen Krisenwahrnehmung des Autors sprechen müssen, die seine Darstellung bestimmt.92
Der These der ‚Wiederbelebung‘ der Naherwartung steht die Gegenthese einer eigentümlichen ‚Dämpfung‘ oder ‚Reduktion‘ der Naherwartung entgegen. Auch sie kann sich auf eine Reihe textlicher Indizien berufen. Denn neben den Aussagen über die Nähe des Endes oder des Kommens Christi stehen andere Aussagen, die diese Ereignisse noch von bestimmten Vo-
89 Hinter der These Vielhauers steht insgesamt eine (der klassischen ApokalyptikDiskussion entstammende) Verabsolutierung der temporalen Dimension der frühchristlichen Apokalyptik, wie sie auch seine Charakterisierung der Apokalyptik insgesamt kennzeichnet, s. ibid., 485–494; DERS., Apokalyptik des Urchristentums, in: E. Hennecke / W. Schneemelcher (Hg.), Neutestamentliche Apokryphen in deutscher Übersetzung, Tübingen 41971, 428–454. Die neuere Forschung ist hier v.a. aufgrund der Einsicht in die Bedeutung der Henoch-Tradition für das Verständnis der Apokalyptik zu einer stärkeren Bewertung der spatialen Dimensionen und zu einem vertiefteren Verständnis der ‚symbolischen Welt‘ apokalyptischer Texte gelangt, die über eine bloße ‚Zukunftsdogmatik‘ weit hinausreichen; s. dazu FREY, Bedeutung (s. Anm. 21), 11–62 (50–58). 90 Dazu grundlegend ERLEMANN, Naherwartung (s. Anm. 20), passim und die Zusammenfassung 398–420. Ibid., 232 Anm. 508: „Naherwartung und Motiv der Plötzlichkeit stellen keine ‚Entwicklungsstufen‘ dar.“ 91 S. dazu grundlegend L. L. T HOMPSON, The Book of Revelation. Apocalypse and Empire, Oxford/New York 1990. Diese Arbeit hat die Diskussion der Einleitungsfragen zur Apk entscheidend in eine neue Richtung gelenkt. S. zum Problem der Datierung die Beiträge von St. Witetschek und C. Witulski in diesem Band, außerdem J. FREY, Erwägungen zum Verhältnis der Johannesapokalypse zu den übrigen Schriften im Corpus Johanneum, in: M. Hengel, Die johanneische Frage. Ein Lösungsversuch, mit einem Beitrag zur Apokalypse von Jörg Frey, WUNT 63, Tübingen 1994, 326–429 (427f.). 92 Zur Rede von einer nur ‚wahrgenommenen‘ Krise („perceived crisis“) s. A. YARBRO COLLINS, Crisis and Catharsis. The Power of the Apocalypse, Philadelphia 1984, 84–110; dazu kritisch, wenngleich nicht wirklich überzeugend P. G. DE VILLIERS, Persecution in the Book of Revelation, Acta Theologica 22/2 (2002), 47–70.
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raussetzungen abhängig machen oder in eine gewisse Distanz rücken.93 Strukturell sind hier zunächst die drei Plagenreihen zu nennen, die – zumindest, wenn man sie als Ereignisfolge liest – das Endgeschehen noch in eine gewisse Distanz zu rücken scheinen, doch bedarf deren gegenseitige Zuordnung und innere Dramatik noch einer genaueren Analyse. Wesentlicher ist die Aussage in Apk 6,11, dass die Märtyrer noch „eine kleine Zeit“ abwarten sollten, was auf die Erwartung einer noch größeren Verfolgung vor der Parusie zielt und mit dem Motiv der ‚Vollzahl‘ der Märtyrer auch die ‚Kürze‘ der Zeit jeder Berechenbarkeit entzieht. Ebenso ist in der Königsliste in Apk 17,10 zwischen dem jetzt regierenden sechsten König und dem erwarteten gottfeindlichen achten noch ein siebter, der „eine kurze Zeit bleiben muss“. Auch hier fällt ein zeitlich unbestimmtes, wenngleich meist als „kurz“ bezeichnetes Zwischenelement auf, durch das der Eindruck des unmittelbaren Bevorstehens der Endereignisse abgeschwächt erscheint.94 Auch die Chiffre der dreieinhalb Zeiten (Apk 12,14) bzw. variiert 42 Monate (Apk 11,2; 13,5) oder 1260 Tage (Apk 11,3; 12,6), die ihrerseits wohl aus Dan 7,25 bzw. 12,7 entlehnt ist, bietet ein nur scheinbar exaktes, faktisch aber jeder Berechnung entzogenes Interim,95 ein retardierendes Element, das gleichwohl nicht verhindert, dass der Autor immer wieder die ‚Nähe‘ des Endes und der mit ihm verbundenen Ereignisse betont. Strittig ist jedoch die Bewertung der Aussageintention des Autors in der Verbindung einer klaren Naherwartung mit den genannten retardierenden Elementen. Will der Autor angesichts der Phänomene der Erschlaffung in den Gemeinden (z.B. Apk 2,4f.; 3,3) und aufgrund der Dehnung der Zeit die Naherwartung neu wecken?96 Will er andererseits, wie Akira Satake vermutet, als ein Christ, der selbst unter dem Eindruck der Parusieverzögerung steht, „einen gewissen Spielraum [lassen], innerhalb dessen eine allzu brennende Naherwartung gedämpft wird“ – so sehr er diese noch „offiziell behauptet“ und durch die Textsicherungsformel am Ende (Apk 22,18) auch sanktioniert?97 Handelt es sich also um einen „inneren Streit des Verfassers
93 Dazu s. ausführlich G ÜNTHER, Nah- und Enderwartungshorizont (s. Anm. 20), 161–262; vgl. zuletzt auch A. S ATAKE, Die Offenbarung des Johannes, KEK 16, Göttingen 2008, 115f., der von einer Abschwächung und Retardierung der Naherwartung spricht. 94 So ibid., 116. 95 Dazu s. GÜNTHER, Nah- und Enderwartungshorizont (s. Anm. 20), 239–242. 96 So VIELHAUER, Geschichte (s. Anm. 85), 504. 97 So S ATAKE, Offenbarung (s. Anm. 93), 118, der im Blick auf die ‚Kanonformel‘ 22,18 die Aussage wagt: „Die ‚Formel‘ richtet sich gegen diejenigen, die die Naherwartung bestreiten“ (ibid., 117), aber letztlich den Apokalyptiker selbst als einen verunsicherten, nur ‚offiziell‘ an der Naherwartung festhaltenden und diese dann ‚absichernden‘ Propheten sieht.
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selbst“98 und damit um eine eher zwiespältig festgehaltene ‚Apologie‘ der eschatologischen Naherwartung? Die Tatsache, dass der Autor die ‚Parusieverzögerung‘ nirgendwo explizit thematisiert, lässt sich freilich auch dahingehend interpretieren, dass er bei aller Unberechenbarkeit das Eintreten der Endereignisse doch ‚bald‘ erwartet und sich selbst und seine Leser nicht einfach nur in der mit Christus inaugurierten Endzeit,99 sondern wirklich „kurz vor dem Ende des göttlichen Zeitplans“100 lokalisiert. Dafür spricht nicht nur die Königsliste in Apk 17,10, sondern auch am Ende die Aufforderung, die Apokalypse nicht zu ‚versiegeln‘, sondern zu veröffentlichen, „denn die Zeit ist nahe“ (Apk 22,10). Auch die Aussage, dass der Satan nur „noch kurze Zeit“ hat, um die Gemeinde zu bedrängen, zielt darauf, die Nähe der aus aller Bedrängnis rettenden Parusie Christi zu bekräftigen. Die Aussagen über die Nähe des Endes lassen sich insofern schwerlich nur als ‚theologische‘, qualitativ die Jetztzeit als Endzeit charakterisierende Aussagen verstehen, sondern spiegeln in der Vorstellung des Autors eine kaum zu eliminierende temporale Dimension. 2.3.3 Die horizontale und die vertikale Dimension Eine andere Interpretationsfigur zielt ebenfalls darauf, die zeitlichchronologische Dimension der Erwartung zu relativieren. So betont Martin Karrer in einem neueren Beitrag, dass „die vertikale Eschatologie (der Einbruch des Himmels) … über eine horizontale Geschichtsskizze“ dominiere,101 wodurch sich die Apk gerade als eine sehr eigenständige Stimme im Horizont frühjüdisch-urchristlichen apokalyptischen Zeitdenkens erweise.102 Damit weist Karrer – ohne dies in diesem Beitrag näher auszuführen – auf die strukturell entscheidende Folge von Himmelsvisionen hin, die den Visionenzyklus der Apk durchziehen und die lineare Abfolge der Plagenzyklen immer wieder durchbrechen.103 Nimmt man diese „dramati-
98 Ibid., 117. Vgl. auch F. HAHN, Theologie des Neuen Testaments, Bd. 1: Die Vielfalt des Neuen Testaments, Tübingen 22005, 470: Die Naherwartung sei „in einem nicht unerheblichen Maße modifiziert“, sie diene „der Ermahnung zur steten Bereitschaft“. 99 So die letztlich entschärfende Interpretation bei G ÜNTHER, Nah- und Enderwartungshorizont (s. Anm. 20), 280. 100 ERLEMANN, Naherwartung (s. Anm. 20), 237. 101 M. KARRER, Himmel, Millennium und neuer Himmel in der Apokalypse, JBTh 20 (2005), Neukirchen-Vluyn 2006, 225–260 (241). 102 Ibid., 241f. 103 Zur strukturellen Bedeutung dieser Bilder vom himmlischen Kult s. insbesondere F. TÓTH, Der himmlische Kult. Wirklichkeitskonstruktion und Sinnbildung in der Johannesoffenbarung, ABG 22, Leipzig 2006, 157–176 u.ö.
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sche Konstituierung einer himmlischen Kontrastbühne“104 in ihrem theologischen und strukturellen Gewicht wahr, dann ist in der Tat die Frage des ‚Zeitverständnisses‘ relativiert und die temporale ‚Nähe‘ des erwarteten Endes zweitrangig geworden. In gegenläufigem Interesse hat allerdings zuletzt Jan Dochhorn in einer gelehrten Untersuchung zu Apk 12 die – dem oben skizzierten ‚endgeschichtlich‘-futurischen Auslegungsmodell entsprechende – These aufgestellt, dass die Visionenfolge der Apk ab Kapitel 4 insgesamt zukunftsbezogen sei und dass mithin in Apk 4–19 das erwartete Endzeitgeschehen als ein strukturierter, linear vorgestellter Prozess dargestellt sei. 105 Dochhorn verweist einerseits auf die strukturierenden narrativen Kommentare in Apk 1,19 und 4,1, die „die Erwartung wecken, dass es nun [sc. ab Kapitel 4] um die Zukunft gehen wird“106, weiter auf die Siebener-Reihen von Plagen, die in ihrer dramatischen Struktur mit retardierenden Elementen auf eine Ereignisfolge weisen. 107 Schließlich argumentiert er mit der Unklarheit der z.B. für Apk 13 angenommenen zeitgeschichtlichen Bezüge, insofern zwar ein dichter Bezug auf die Nerosage wahrnehmbar ist, die durch das Tier veranlasste Verfolgung aber noch erwartet wird.108 Die „lineare Zeitökonomie“ ist freilich, wie Dochhorn dann eingestehen muss, durch eine Reihe von Szenen (Apk 7,9–17; 14,6–20; 12,1–18) oder auch Einzelbemerkungen (Apk 11,2; 11,7) durchbrochen, die er allerdings als „Ausnahmen von der Regel“ werten will. 109 Gelegentlich scheine „die Zeit des Visionärs und die Zeit, auf welche die Visionen referieren, ineinanderzugleiten“ 110 (so in Apk 10,11111). Mit diesem Eingeständnis ist allerdings die eingangs aufgestellte These doch mehr in Frage gestellt, als dem Autor lieb sein kann: Nicht nur einzelne Szenen, quasi als retardierende Elemente im linearen Zeitablauf, sondern auch ganz unvermittelt andere Bemerkungen durchbrechen den angenommenen linear chronologischen Bezug auf Zukünftiges. Die Zeit des Geschauten und die Zeit der Schauung verschmelzen, 112 und die Frage stellt sich, warum dies nicht auch für die Zeit des Geschauten und die Gegenwart der Adressaten gelten soll. Wenn der Visionsdialog Apk 10,8–11 nicht in die erwartete Zukunft gehört, sondern in die Zeit der visionären Schau, dann ist dies für Elemente aus Apk 13 und 17, aber auch für Aspekte der Siebener-Reihen oder von Apk 12,1–18 ebenso denkbar. 113 Die Frage, wie explizit der Autor einen Bezug auf die Lebenswelt seiner 104
So K. BACKHAUS, Die Vision vom ganz Anderen. Geschichtlicher Ort und theologische Mitte der Johannesoffanbarung, in: ders.. (Hg.), Theologie als Vision. Studien zur Johannes-Offenbarung, SBS 191, Stuttgart 2001, 10–53 (12). 105 DOCHHORN , Prophetie (s. Anm. 77), 52–60. 106 Ibid., 52. 107 Ibid., 55. 108 Ibid., 52; mit Rückverweis auf 4f. 109 Ibid., 58. 110 Ibid., 60. 111 Ibid., 60 ist irrtümlich 10,21 genannt. 112 Dies wird ibid., 60, zugestanden, mit Verweis auf die Parallele AscJes 10,28. 113 Auch dort ist Dochhorn bemüht, einen Bezug von Apk 12,10–12 auf die Gegenwart des Erzählers und Lesers abzubiegen, doch gelingt dies nur um den Preis der problematischen Deutung, dass der Sturz des ‚Verklägers‘ aus dem Himmel erst in Zukunft, zur Zeit der siebten Posaune angesetzt wird (ibid., 241). Selbst die Nähe von 12,11 zu den Siegersprüchen der Sendschreiben irritiert den Autor nicht, und die am Anfang ge-
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Adressaten ausweisen musste, so dass diese ihn – trotz aller biblisch-mythischen Amplifikation und ‚Verfremdung‘ erfassen und so die eigene Lebenswelt neu im Lichte der offenbarten Wirklichkeit verstehen konnten, wäre dann noch einmal gesondert zu diskutieren. In der apokalyptischen Bildersprache wäre eine ‚platte‘ Identifikation, etwa im Sinne eines Erzählerkommentars oder einer durch einen Engel vermittelten Deutung des Typs: „und das erste Tier ist der Kaiser in Rom, und das zweite Tier ist der ‚Landtag‘ der Provinz Asia“ (vgl. Apk 1,20) für die Apk sehr untypisch; vielmehr scheint die durchweg offene Bildersprache ihren Leserinnen und Lesern durchaus eine beträchtliche eigene Deutungskompetenz zuzumuten und auch zuzutrauen.
Die Tatsache, dass innerhalb der Folge von Visionen irdischer Ereignisse in regelmäßigen Abständen Blicke in die ‚himmlische Welt‘ und auf den himmlischen Kult erfolgen,114 der nach Apk 4–5 schon in der Zeit nach der Erhöhung Christi gegenwärtige Realität ist, zeigt schon, dass für die Visionen in Apk 4–22 eine lineare Zeit- und Ereignisfolge nicht vorausgesetzt werden kann. Die Ebene der temporal sequenziellen Horizontalen ist durch die kontemporär-‚transzendente‘ Vertikale immer wieder durchbrochen. Die Verknüpfung von irdischem Geschehen und himmlischer Wirklichkeit geht zugleich über die Visionsbilder der himmlischen Welt und des himmlischen Kultes hinaus, wenn z.B. alle ‚Plagen‘ der drei Siebenerzyklen von einem himmlischen Geschehen, dem Öffnen eines Siegels, dem Stoß in eine Posaune oder dem Ausgießen einer Zornschale, initiiert werden. Angesichts dieser komplexen Zeitstruktur, die auch den Lesern des Werks eine hohe Deutungsleistung abverlangt, ist damit zu rechnen, dass diese auch bei anderen Visionsbildern, die keinen direkten Bezug auf die himmlische Wirklichkeit bieten, einzelne Aspekte der Beschreibung auf Zustände oder Vorgänge ihrer eigenen Gegenwart, ihrer Lebenswelt beziehen und diese Lebenswelt dann im Licht der ‚offenbarten‘ himmlischen Wirklichkeit verstehen konnten. Es spricht vieles dafür, dass gerade dies die vom Autor intendierte, für die Adressaten grundlegende ‚Erschließung‘ ist, die dann auch zu einem adäquaten Verhalten gegenüber den Herausforderungen der eigenen Gegenwart führt. Natürlich sind die Bezüge auf die Gegenwart der Adressaten in den Visionsbildern mit unterschiedlicher Deutlichkeit gegeben, und für heutige Interpreten nur bruchstückhaft rekonstruierbar. Es kann jedoch nicht angehen, diese völlig in Abrede zu stellen, wenn man nicht die Relevanz des Werkes für die in Apk 2–3 und darüber hinaus angesprochenen Adressaten negieren will. Aber warum sollten die Leser die Verfolgung der Nachkommenschaft der Frau durch den Drachen (12,17) nicht auf ihre eigene Situation beziehen und diese somit als eine gottwidrige Bedrängnis verstehen, deren Ende durch Gottes eigene Zeitsetzung gewiss bestimmt ist? Und warum sollten sie nicht in der Lage sein, troffene Entscheidung über die Zeitstruktur bestimmt dann die Interpretation; s. ibid., 237: „12,10–12 mag Reminiszenzen an die Gegenwart des Erzählers und Lesers enthalten, aber es bezieht sich nun einmal auf ein Ereignis aus der Zeit der siebten Posaune.“ 114 Zur grundsätzlichen und strukturellen Bedeutung dieser Szenen s. die materialreiche Studie von TÓTH, Kult (s. Anm. 103).
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die Gestalt des – traditionsgeschichtlich als ‚Weltreich‘ gekennzeichneten – ‚Tieres‘ (13,1ff.) oder die Beschreibung der ‚Hure Babylon‘ auf die Gegenwart Roms und seiner politischen und ökonomischen Herrschaft zu beziehen, auch wenn diese Identifikation aus verständlichen Gründen nicht explizit vorgenommen, wohl aber durch den Weckruf in Apk 13,9, den Appell an die Weisheit und die zur Deutung angebotene ‚Zahl des Tiers‘ in Apk 13,18 ‚provoziert‘ wird? Und es wäre höchst verwunderlich, würden die Leser nach Apk 17,9.18 die ‚Hure‘ nicht mit der Stadt Rom identifizieren. Zwar werden diese Bezüge, anders als z.B. die Interpretation der sieben Sterne auf die sieben Gemeinden in 1,20, nicht explizit erläutert. Aber die Kargheit der Ausdeutungen der Bilder – und die relative Seltenheit von Interpretationen durch einen ‚angelus interpres‘ gehört gerade zu den Charakteristika der Apk, im Unterschied zu anderen zeitgenössischen Werken wie etwa dem vierten Esrabuch. Sie ist kein hinreichender Grund, entsprechende Bezüge für die ersten Leser für unmöglich zu halten. Schwieriger ist das Problem – und hier ist das ceterum censeo von Dochhorn zu bedenken – hinsichtlich der Inhalte der Visionen der sieben Siegel, Schalen und Posaunen, deren zeitgeschichtliche Bezüge nur selten eindeutig auszumachen sind, weil die Bildinhalte selbst stark von traditionsgeschichtlichen Vorgaben geprägt sind. Insofern ist besonders nach dem intendierten Wirklichkeitsbezug dieser Visionsbilder zu fragen: Wollen diese Reihen einfach ein linearzeitlich zukünftiges Geschehen darstellen, oder bringen sie in einer gewissen Wiederholung und Variation immer wieder dasselbe oder ähnliches zur Sprache, wie die alte ‚Rekapitulationstheorie‘ postuliert? Oder sind sie im Detail überhaupt nicht auf ein konkretes geschichtliches Geschehen gemünzt, sondern zielen eher rhetorisch auf eine nachdrückliche ‚Einschärfung‘ der göttlichen Gerichtswirklichkeit?
2.3.4 Zwischen Zukunfts-Erwartung und Gegenwarts-Erhellung? An der Antwort auf diese Fragen entscheidet sich, welche Visions-Inhalte des apokalyptischen Bilderzyklus im Rahmen dieser Erwartung tatsächlich als ‚kommend‘ einzuordnen sind, und in welchem temporalen Horizont diese Erwartung steht. Erwartet die Apokalypse eine überdimensionale Heuschreckenplage, einen vom Himmel fallenden, die Quellen bitter machenden Stern oder die ominöse ‚Schlacht von Harmageddon‘ als zukünftige Ereignisse im Rahmen eines prädeterminierten Endgeschehens? Oder sind Teile dieser Visionenfolge aus unterschiedlichen Gründen – als Reflex biblischer Traditionen, als symbolisch vertiefende Bezüge auf gegenwärtige Phänomene oder eben als Blicke in die himmlische Wirklichkeit – anders zu verstehen? Was bleibt sodann, das der Seher in naher Zukunft erwartet, und wie hängt dieses innergeschichtlich imminente Geschehen mit dem ‚bald‘ erwarteten Geschehen der Parusie und der endgültigen Aufrichtung der Gottesherrschaft zusammen, von denen ja ohnehin nur in uneigentlichen Bildern gesprochen werden kann? Wie also verbinden sich Zukunftserwartung und Gegenwartsklärung in diesem Buch? Die schwierige Aufgabe besteht darin, zwischen beidem plausibel zu unterscheiden. Dies kann im Folgenden nur in groben Linien vorgeführt werden, ohne dabei auf die Fülle der exegetischen Details einzugehen. Dabei sind zunächst einige Aspekte der Komposition, insbesondere der drei
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Siebenerzyklen, zu sichten, bevor die Bestandteile des innergeschichtlichen oder auch über Zeit und Geschichte hinaus reichenden Endgeschehens betrachtet werden können.
3 Probleme der Komposition Sowohl die kirchen- und weltgeschichtliche Deutung als auch die „futurisch“-endgeschichtlichen Deutungen basieren auf der Voraussetzung, dass der literarische Text der Apk das Transkript eines visionär geschauten, aber realistisch vorzustellenden Geschehenszusammenhangs sei. Nur auf dieser Basis konnten Ausleger seit Joachim von Fiore versuchen, ihren eigenen geschichtlichen Standort in diesem „Ablauf“ zu lokalisieren und damit ihre eigene Zeit und Situation im Verhältnis zum erwarteten Endgeschehen nachzugehen, und nur auf dieser Basis können andere fromme Leser bis heute versuchen, aus der Apk einen ‚Fahrplan‘ der Endereignisse herauszulesen. Aber ist das in diesem Buch visionär geschilderte Geschehen überhaupt als konsistenter Ereigniszusammenhang vorstellbar? Wie steht es mit der zeitlichen Abfolge und der inhaltlichen Konsistenz des vorgestellten Geschehens? 3.1 Der ‚Bricolage‘-Charakter der Visionsbilder Ein erstes Argument lässt sich dem literarischen Charakter der Apokalypse entnehmen, deren Bilder sich bei näherer Analyse als hochgradig schriftgeprägte und zugleich reflektierte Kompositionen erweisen, oft geradezu als ein Mosaik von Bildern, eine kunstvolle Bricolage, deren wichtigste Quelle das Alte Testament ist.115 Obwohl die Schrift in der Apokalypse nirgendwo ausdrücklich (d.h. mit Zitat-Einleitung) zitiert wird, finden sich in diesem Buch hunderte von Anklängen an Ezechiel, Daniel, Jesaja und andere alttestamentliche Bücher, mehr als in jeder anderen Schrift des Neuen Testaments, wobei diese Bilder nicht einfach kopiert, sondern in vielfältiger Weise kombiniert, modifiziert und zu neuen Bildkompositionen zusammengesetzt werden.116 115 Den Nachweis dazu habe ich geführt in: J. F REY, Die Bildersprache der Johannesapokalypse, ZThK 98 (2001), 161–185, woraus im Folgenden einzelne Aspekte nur knapp aufgenommen werden können. 116 S. zum Überblick die Arbeiten von G. K. BEALE, The Use of the Old Testament in Revelation, in: D. A. Carson / H. G. M. Williamson (Hg.), It Is Written. Scripture Citing Scripture, Cambridge 1988, 318–336; D ERS., John’s Use of the Old Testament in Revelation, JSNT.S,166, Sheffield 1998; S. M OYISE, The Old Testament in the Book of Revelation, JSNT.S 115, Sheffield 1995; zu einzelnen Schriften s. J. FEKKES, Isaiah and Prophetic Traditions in the Book of Revelation. Visionary Antecedents and Their Devel-
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Dies zeigt sich schon in der Eingangsvision, 117 der Erscheinung des erhöhten Christus in Apk 1,12–20, die (wie v.a. die Darstellungen der bildenden Kunst zeigen) in fast surrealer Weise das Vorstellungsvermögen der Rezipienten sprengt, insbesondere durch das Element des aus dem Mund des Menschensohns herausragenden zweischneidigen Schwertes. Der Grund für diese surreale, zumindest überladene Wirkung liegt darin, dass es aus Elementen unterschiedlicher biblischer Texte zusammengesetzt ist: Die Wendung „gleich einem Menschensohn“ lehnt sich an Daniel 7,13 an 118 und macht zugleich für christliche Leser deutlich, dass die Gestalt natürlich der erhöhte Christus sein soll. Doch im weiteren Verlauf orientiert sich die Beschreibung am Bild der Erscheinung eines Engels aus Daniel 10,5f. 119 Abweichungen bestehen im Detail: Die Beschreibung der Augen „wie eine Feuerflamme“ erinnert an die Beschreibung des Gottesthrons in Dan 7,9, und auch die Beschreibung von Haupt und Haaren „wie weiße Wolle, wie Schnee“ 120 ist in Dan 7,9 auf den Thronenden selbst bezogen. Der Erhöhte wird so dezidiert mit göttlichen Attributen versehen. Der goldene Gürtel um die Brust könnte an den hochpriesterlichen Ornat erinnern, die Sterne in der rechten Hand gehen auf Dan 12,3 zurück, die Stimme „wie das Rauschen vieler Wasser“ hat ein Vorbild bei Ezechiel (Ez 1,24; 43,2)121, und das Bild vom Schwert aus dem Munde transformiert eine alttestamentliche Metapher in ein Bildelement: In Jes 49,2 sagt der Gottesknecht: „Du hast meinen Mund wie ein scharfes Schwert gemacht“ – d.h. Gott hat seine Worte kräftig und durchdringend
opment, JSNT.S 93, Sheffield 1994; J.-P. RUIZ, Ezekiel in the Apocalypse. The Transformation of Apocalyptic Language in Revelation 16,17–19,10, EHS.T 376, Frankfurt a. M. etc. 1989; B. KOWALSKI, Die Rezeption des Propheten Ezechiel in der Offenbarung des Johannes, SBS 52, Stuttgart 2001; T. HIEKE, Der Seher Johannes als neuer Ezechiel, in: D. Sänger (Hg.), Das Ezechielbuch in der Johannesoffenbarung, BThS 76, Neukirchen-Vluyn 2004, 1–30; M. J AUHIAINEN, The Use of Zechariah in Revelation, WUNT II/199, Tübingen 2005; G. K. BEALE, The Use of Daniel in Jewish Apocalyptic Literature and in the Revelation of St. John, Lanham 1984; S. M OYISE, The Psalms in the Book of Revelation, in: S. Moyise / M. J. J. Menken (Hg.), The Psalms in the New Testament, London/New York 2004, 231–246. 117 S. zur Eingangsvision ausführlicher FREY, Bildersprache (s. Anm. 115), 170– 174; weiter M.-E. HERGHELEGIU, Siehe, er kommt mit den Wolken! Studien zur Christologie der Johannesoffenbarung, EHS.T 785, Frankfurt a. M. 2004, 122–157; K. H UBER, Einer gleich einem Menschensohn. Die Christusvision in Offb 1,9–20 und Offb 14,14–20 und die Christologie der Johannesoffenbarung, NTA 51, Münster 2007. 118 Die Formulierung (nur Apk 1,13; 14,14; indeterminiertes υἱὸς ἀνθρώπου begegnet sonst im NT nur noch in Joh 5,27) entspricht dem Aramäischen im MT, die LXX liest ὡς υἱὸς ἀνθρώπου; s. dazu D. E. AUNE, Revelation 1–5, WBC 52A, Waco, TX 1997, 90–93. 119 S. zu Gemeinsamkeiten und Differenzen L. T. STUCKENBRUCK, Angel Veneration and Christology. A Study in Early Judaism and the Apocalypse of John, WUNT II/70, Tübingen 1995, 211–213, sowie AUNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 118), 72. 120 In Dan 10,5f. fehlt eine Beschreibung von Haupt und Haaren. Die Formulierung entspricht dagegen weitgehend Dan 7,9, wo es im aramäischen Text heißt: „sein Gewand war weiß wie Schnee und das Haar seines Hauptes wie Lammwolle.“ Die in Ms. 967 belegte LXX-Version zieht das Attribut ‚weiß‘ zu den Haaren und liest: „und sein Gewand war wie Schnee, und das Haar seines Hauptes wie weiße, reine Wolle“. Weißes Haar, verglichen mit Wolle, ist ein Attribut Gottes auch in 1 Hen 46,1 und 71,10. 121 AUNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 118), 96, sieht eine Kombination von Dan 10,6 mit Ez 43,2 vorliegen.
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werden lassen. Diese Metapher wird nun erzählerisch visualisiert und so zu einem – ausgesprochen schwer vorstellbaren – Zug in der Beschreibung des ‚Visionsbildes‘.
Die Analyse verdeutlicht, dass hier nicht einfach die Niederschrift eines Visions- oder Traumbildes vorliegt, sondern ein sehr bewusst und aus biblischen Materialien gestaltetes Bild. Die hier erkennbare BricolageTechnik lässt sich für fast alle Teil-Bilder des apokalyptischen Visionenzyklus voraussetzen. Sie alle lehnen sich in unterschiedlicher Weise an prophetische und andere Texte der Schriften Israels an, teilweise unter Aufnahme weiterer frühjüdischer Auslegungstraditionen, wobei in der Kombination und Neukonfiguration oft ganz neue Bildmotive entstehen. Für einzelne Texte und Themen der Apk erscheinen bestimmte SchriftKontexte besonders formgebend, so etwa Ezechiels Thronwagenvision (und ihre Weiterdeutung) in Apk 4,122 Ez 26–27 für die Beschreibung des Falles Babylons in Apk 18,123 Ez 37–48 für die ‚Endereignisse‘ in Apk 19– 22,124 Dan 7 für die Gestalt des ‚Tieres‘ in Apk 13, Sach 6,1–8 für die ‚apokalyptischen Reiter‘ in Apk 6,1–8125 oder die Exodusplagen für Einzelaspekte der apokalyptischen Plagenzyklen.126 Aber selbst ein Text wie Apk 12, der sich in Bildgehalt und Handlungsstruktur nicht auf alttestamentliche Vorbilder berufen kann, sondern eher paganen Mythen nahezukommen scheint, ist in seiner sprachlichen Gestalt durch eine große Dichte alttestamentlich geprägter Wendungen charakterisiert,127 so dass man die Kunst bewundern muss, mit der der Autor aus biblischen Bruchstücken ein ‚nicht-biblisches‘ Mosaik zusammengesetzt hat. Diese Beobachtungen zum Schrift- und Traditionsbezug der Apk und v.a. zur kunstvollen Kombination der einzelnen Schriftbezüge zeigen, dass die Apokalypse in erster Linie als ein literarisch konstruiertes Werk aufzufassen ist. Dies steht zwar der Annahme nicht entgegen, dass in ihrem Hintergrund auch visionäre Erfahrungen stehen, doch wird man in ihr keinesfalls ein bloßes Transkript einer 122 S. zu Apk 4 weiter grundlegend G. S CHIMANOWSKI, Die himmlische Liturgie in der Apokalypse des Johannes, WUNT II/154, Tübingen 2002, 62–179, der insbesondere auf die weiteren Parallelen zur Henochliteratur und zur frühjüdischen Auslegung von Ezechiel verweist; dazu s. auch B. EGO, Reduktion, Amplifikation, Interpretation, Neukontextualisierung. Intertextuelle Aspekte der Rezeption der ezechielischen Thronwagenvision im antiken Judentum, in: Sänger (Hg.), Ezechielbuch, 31–60. 123 Dazu insbesondere R UIZ, Ezekiel (s. Anm. 116), 379–481. 124 S. dazu neben den in Anm. 116 genannten Untersuchungen zu Ezechiel noch S. BØE, Gog and Magog. Ezekiel 38–39 as Pre-text for Revelation 19,17–21 and 20,7–10, WUNT II/135, Tübingen 2001. 125 Dazu s. J AUHIAINEN, Use (s. Anm. 116). 126 Dazu s. besonders H-P. MÜLLER, Die Plagen der Apokalypse, ZNW 11 (1960), 268–278 und GÜNTHER, Nah- und Enderwartungshorizont (s. Anm. 20), 164–172. 127 Dies arbeitet KOCH, Drachenkampf und Sonnenfrau (s. Anm. 65), 129–138 heraus, s. auch die Tabelle der biblisch vorgeprägten Wendungen, ibid., 348.
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visionären Schau sehen dürfen. Der literarische Charakter des Werks (und die dahinter zu vermutenden Kompositionsprozesse) veranlassen zugleich zur Frage, ob die Bilderfolge der Apokalypse überhaupt einen kohärenten, durchgehenden Zusammenhang der visionär ‚geschilderten‘ Bilder und Geschehnisse bieten will und bieten kann. Dies ist nun zu erhärten angesichts weiterer Aspekte der Komposition des Werks. 3.2 „Was ist und was danach geschehen soll“ – Gegenwartsbezug und Zukunftserwartung Gibt es textliche Hinweise darauf, welche Visionsbilder nach der Intention des Autors auf die Gegenwart der Adressaten bezogen sein sollen und welche auf eine erwartete Zukunft? Ein mögliches Kriterium, das sich bei anderen Apokalypsen anwenden lässt, fällt hier aus. Während in den frühjüdischen ‚historischen‘ Apokalypsen 128 seit dem Danielbuch immer wieder Geschichtsüberblicke begegnen, die explizit als ‚Prophetie‘ einer Figur der Vorzeit gestaltet, faktisch aber als vaticinium ex eventu formuliert sind und aus denen sich der ‚Standort‘ des Autors relativ klar erkennen lässt, 129 unterscheidet sich die Apk von diesen Texten in mehrfacher Hinsicht: Sie bietet nicht die Weissagung einer Gestalt der Vorzeit, sondern die eines christlichen Propheten der Gegenwart 130, und ihre Sequenz sehr unterschiedlicher Bilder bietet keinen in sich geschlossenen ‚Geschichtsüberblick‘ wie die vergleichbaren frühjüdischen Texte. Schließlich präsentiert sich die Apk im expliziten Unterschied zu Dan und anderen frühjüdischen Apokalypsen (Dan 12,4; vgl. 12,9; 4 Esra 14,6.45f.) gerade nicht als ein Buch, das bis auf die Endzeit ‚versiegelt‘ sein sollte, sondern umgekehrt als eine Enthüllung für die Gegenwart, da die Zeit der Erfüllung „nahe“ ist (Apk 20,10). Der Autor sieht sich selbst also bereits in der Endzeit, in der dieser Text für seine Leser relevant ist. Diese Bemerkung schließt zumindest alle Deutungen aus, die die in diesem Buch geschilderten Visionen erst nach einer längeren Kirchen- oder Weltgeschichte ansetzen wollen.
Dass die Apk zumindest in Teilen auch ein künftiges Geschehen thematisieren will, ist aus der formelhaften Wendung in Apk 1,1 ἁ δεῖ γενέσθαι ἐν τάχει „was in Kürze geschehen soll“ (Apk 1,3 ergänzt: „die Zeit ist nahe“) 128 Neben Texten aus dem Danielbuch (Dan 2; Dan 7; Dan 10–12) sind hier die ‚Zehnwochenapokalypse‘ (1 Hen 93,1–10 und 91,12–17) und die Tiersymbolapokalypse (1 Hen 83–84) aus der Henochüberlieferung zu nennen. Ob die Apk ebenfalls diesem Typ zuzuordnen ist, ist m.E. sehr fraglich und eben abhängig von der Entscheidung über die Bedeutung der linearzeitlichen Dimension. 129 Nämlich dort, wo die die Geschichte (aufgrund anderer Quellen) faktisch anders weiterlief, als sie in der vorliegenden ‚Prophetie‘ angekündigt wird, d.h. wo das vaticinium ex eventu in ein wirkliches vaticinium, eine Weissagung oder Prognose übergeht und dann entweder recht allgemein-endzeitlich oder faktisch unrichtig wird, 130 Dies gilt ungeachtet der Frage, ob ‚Johannes‘ der reale Autor oder ein Pseudonym ist. Auch wenn die Apk pseudonym auf einen anderen Johannes (den Autor des Evangeliums, den Zebedaiden) zurückbezogen wäre, wäre dies eine Gestalt der jüngsten Vergangenheit, nicht der Vorzeit.
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klar zu entnehmen. Diese Wendung wird mehrfach aufgenommen und variiert und scheint so als ‚Inhaltsangabe‘ des Buches zu fungieren: Der Schreibbefehl Apk 1,19 formuliert im Anschluss an die Eingangsvision: „Schreibe, was du gesehen hast, und was ist, und was nach diesem geschehen soll!“ Apk 4,1 nimmt dies nach den sieben Gemeindebriefen und vor der Thronvision erneut auf: „ich will dir zeigen, was nach diesem geschehen soll“, und schließlich formuliert 22,6 am Ende der Visionenfolge erneut, „was in Kürze geschehen soll“, womit der Bezug zu 1,1.3 wieder hergestellt ist. Apk 1,19 ist besonders signifikant, weil hier eine Referenz auf drei Zeitdimensionen vorliegt, die sich scheinbar leicht auf den Inhalt des Werks beziehen lässt: Die Vergangenheit („was du gesehen hast“ wäre dann die zu diesem Zeitpunkt schon geschaute Christusvision Apk 1,12–16), die Gegenwart („was ist“) würde in den Gemeindebriefen Apk 2–3 thematisiert, und die Zukunft („was nach diesem geschehen soll“) käme ab 4,1 zur Sprache, wo dieselbe Wendung noch einmal aufgenommen wird. 131 Damit wäre eine schematische Gliederung der Darstellung der Apokalypse in drei aufeinander folgende Epochen gegeben. Doch auch hier bleiben eine Reihe von Problemen: 132 Diese dreiteilige Formel ist in anderen frühjüdischen Texten belegt und zielt dort darauf, „die Geschichte in ihrer Totalität [zu] umschreiben“, 133 ähnlich wie die Gottesprädikation in Apk 1,4.8 Gottes Geschichtsmächtigkeit in den drei Zeitdimensionen entfaltet. V.a. aber liegt in Apk 1,1.19; 4,1 und 22,6 eine Rezeption von Dan 2,28f.45 vor, wo es in der Version Theodotions heißt ἃ δεῖ γενέσθαι ἐπ᾿ ἐσχάτων τῶν ἡµερῶν…, in 2,45 heißt es noch einmal: ἁ δεῖ γενέσθαι µετὰ ταῦτα… 134 Wesentlich ist dabei, dass die beiden Wendungen in Dan 2 die Deutung des Traumes rahmen und somit synonym zum Ausdruck bringen, dass in dem Traum Nebukadnezars ein eschatologisches Geschehen zur Darstellung kam, etwas, das sich „am Ende der Tage“, also in der Endzeit, ereignet. Wenn man diese Entsprechung auch für die Apk voraussetzen darf, dann bezeichnet µετὰ ταῦτα hier dasselbe wie ἐπ᾿ ἐσχάτων τῶν ἡµερῶν und ist also nicht geeignet, eine chronologische Reihenfolge im Text der Apk zu begründen. 135 Dass die Apk mit den Formeln in 1,19 und 4,1 den Rückbezug auf Dan 2 intendiert, kann m.E. kaum zweifelhaft sein. Damit soll die gesamte Visionenfolge in Analogie zu den Träumen bei Daniel als Darstellung eines ‚endzeitli-
131 So schon BOUSSET , Offenbarung (s. Anm. 13), 198; auch LOHSE, Offenbarung (s. Anm. 85), 40; MÜLLER, Offenbarung (s. Anm, 24), 86f., und zahlreiche andere. 132 S. die ausführliche Diskussion, auch im Blick auf die Auswertung im Sinne der ‚futurischen‘ Deutungen bzw. des Dispensationalismus, bei BEALE, Revelation (s. Anm. 19), 152–170. 133 So MÜLLER, Offenbarung (s. Anm. 24), 86, mit Verweis auf 2 Hen 39,1 Rezension A; 2 Bar 83,9 sowie frühchristlich auf Barn 1,7; 5,3; 17,2. S. bereits W. C. VAN UNNIK, A Formula Describing Prophecy, NTS 9 (1962–63), 86–94. 134 Die LXX, die im Danielbuch wohl etwas jünger ist als Theodotion, weicht leicht ab. Dan 2,29 LXX lautet: ὃσα δεῖ γενέσθαι ἐπ᾿ ἐσχάτων τῶν ἡµέρῶν, während Dan 2,45 LXX anders formuliert: τὰ ἐσόµενα ἐπ᾿ ἐσχάτων τῶν ἡµέρῶν. S. die Zusammenstellung bei BEALE, Revelation (s. Anm. 19), 155. 135 So mit Recht BEALE, Revelation (s. Anm. 19), 155 mit Anm. 13. Ebenso auch H. GIESEN, Kirche in der Endzeit. Ekklesiologie und Eschatologie in der Johannesapokalypse, in: ders., Studien zur Johannesapokalypse, SBAB 29, Stuttgart 2000, 68–99 (77–81).
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chen‘ Geschehens charakterisiert werden, das nach Apk 1,3 und 22,6 „in Kürze“ bevorsteht – aber doch nicht so, dass man die unterschiedlichen Formulierungen in 1,19 und 4,1 zur chronologischen Schematisierung verwenden könnte.
Somit sind die Wendungen „was ist“ und „was in Kürze geschehen soll“ in 1,19 nicht auf eine chronologische Abfolge zwischen Apk 2–3 und Apk 4– 22 hin zu deuten, sondern auf das imminente Endgeschehen, das in den Gemeindebriefen in den Verheißungs- und Drohworten des Erhöhten ebenso im Blick ist,136 und zugleich auf die Enthüllung des wahren Charakters der gegenwärtigen Weltwirklichkeit, die auch in Kapitel 4–22 erfolgt. Die Apk will also nicht nur ein zukünftiges Geschehen voraussagen, sondern zugleich und vielleicht sogar prioritär auf die Gegenwart ihrer Adressaten wirken, die Tiefendimension der von ihnen erfahrenen und erlittenen Geschichte enthüllen. Man kann diese Enthüllung der Gegenwart nicht nur auf die Gemeindebriefe beziehen, um dann die folgenden Kapitel insgesamt rein futurisch zu deuten. Auch im visionären Hauptteil ist immer wieder die Gegenwart thematisiert. Dabei ist allerdings die Grenze zwischen der faktischen Situation der Adressaten und einer in naher Zukunft erwarteten oder befürchteten Verschlimmerung der Bedrängnis der Gemeinde schwer zu bestimmen. Gewiss bleiben viele dieser Bezüge uneindeutig. So wird z.B. textlich nicht verdeutlicht, ob die ‚Folgen‘ des Auftretens der vier apokalyptischen Reiter in Apk 6,1–8, insbesondere Krieg, Teuerung und Tod, der Gegenwart der Adressaten zuzuordnen sind oder als künftige ‚Plagen‘ erwartet werden. Weder der Hinweis auf die Parther als Reiter und Bogenschützen (zu Apk 6,2) noch der Hinweis auf ein Edikt Domitians zur Reduktion der Weinanbaufläche (Sueton, Dom 7; zu Apk 6,6)137 kann den Gegenwartsbezug sichern; andererseits sind Kriege, Hunger und Tod als ständige Bedrohung Teil der Lebenswelt der Adressaten und nicht erst eine zu erwartende Plage.138 ‚Zeitgeschichtlich‘ sind die Visionsbilder der Siegel-, Posaunen- und Schalengerichte besonders schwer zu verorten, weil ihr Bildmaterial stark von traditionellen Vorgaben bestimmt ist. Zeitgeschichtliche Anspielungen in den Schalenvisionen liegen dort vor, wo auf den ‚Babylon-Rom-Zyklus‘ verwiesen wird, in der Erwähnung des ‚Zeichens des Tieres‘ 16,2, des ‚Throns‘ des Tieres 16,10 und der Trias von Drachen, Tier und Pseudoprophet 16,13, weiter in der Nennung des Euphrat 16,12 (vgl. 9,14), der als Grenze zum Partherreich von Bedeutung war. 139 Freilich ist das letztgenannte
136 S. etwa Apk 2,10; 2,22; 3,10 etc. für Gerichtsankündigungen. Schon in den Gemeindebriefen treten Gegenwartsbesprechung und Zukunftsansage nebeneinander auf. 137 Dazu s. auch GÜNTHER, Nah- und Enderwartungshorizont (s. Anm. 20), 182, der den Zusammenhang als „sehr gekünstelt“ bezeichnet. 138 So auch ibid., 171: „Die für Kleinasien wiederholt bezeugten Hungersnöte dieser Zeit z.B., die von dem ntl. Apokalyptiker schon als zeichen der Endzeit aufgefaßt worden sein dürften, müssen auch die Christen betroffen haben.“ Vgl. auch H. U LLAND, Die Vision als Radikalisierung der Wirklichkeit in der Apokalypse des Johannes, TANZ 21, Tübingen/Basel 1997, 16. 139 S. dazu GÜNTHER, Nah- und Enderwartungshorizont (s. Anm. 20), 182.184
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Element und damit auch der Gedanke an die Parther als gefährlichste Gegner Roms140 stark von mythischen Elementen überformt.
Andere Elemente sind schon aus sprachlichen Gründen eindeutiger: In der Thronvision in Apk 4–5 ist von dem schon errungenen Sieg des ‚Lammes‘ die Rede, das nun zum Gottesthron erhöht ist. Christus hat Menschen aus allen Stämmen und Völkern erkauft (Apk 5,9), und das himmlische Lob gilt Gott und dem Lamm schon gegenwärtig und nicht erst in Zukunft. Ein deutlicherer Vergangenheits- und Gegenwartsbezug liegt dann wieder in dem stark mythisch geprägten Kapitel 12 vor: zunächst noch etwas diffus in der sehr knappen Reminiszenz an die Geburt und ‚Entrückung‘ des messianischen Kindes (Apk 12,5), die man schwerlich ohne einen zumindest lockeren Bezug auf die Geburt Christi lesen kann; dann aber sicherer in der Rede vom Satanssturz bzw. der himmlischen Inthronisation Christi (Apk 12,9f.), dem Anbruch der himmlischen Königsherrschaft Gottes, und dem Kampf des Drachen gegen die „übrigen ihres Samens“, die Nachfolger Jesu (Apk 12,17). Zumindest in der letztgenannten Wendung ist unzweideutig die Situation der Gemeinde angesprochen, die sich – nicht erst in einer irgendwann beginnenden Zukunft, sondern schon jetzt – vom Teufel bedrängt weiß und dann zum Trost erfährt, dass dieser nur „wenig Zeit hat“ (12,12). Die deutlichsten Hinweise auf die Gegenwart der Gemeinde finden sich kaum zufällig dort, wo die Macht des römischen Imperiums thematisiert wird, in Apk 13 und 17f.:141 In Aufnahme des Bildes der vier Tiere aus Dan 7 und quasi als ‚Summe‘ dieser vier Tiere kann das ‚Tier‘ in Apk 13,1ff. kaum anders als auf das Weltreich gedeutet werden, das die Gegenwart der Adressaten bestimmt. Natürlich ist auch dieses Bild durch Traditionsbezüge und zugleich durch die auffällige Antithese zum Bild des erhöhten Lammes ‚angereichert‘. Doch ist mit der Erwähnung der universalen Anbetung des Tieres (Apk 13,4.12), seiner überlegenen militärischen Macht (Apk 13,4) und seines gotteslästerlichen Wesens (Apk 13,5f.) das 140 Zu den Partherheeren s. M. F RENSCHKOWSKI, Parthica apocalyptica. Mythologie und Militärwesen iranischer Völker in ihrer Rezeption durch die Offenbarung des Johannes, JbAC 47 (2004), 16–57. 141 S. dazu ausführlich H. GIESEN, Das Römische Reich im Spiegel der JohannesApokalypse, in: ders., Studien (s. Anm. 135), 100–213; U. R IEMER, Das Tier auf dem Kaiserthron, Beiträge zur Altertumskunde 114, Stuttgart/Leipzig 1998; s. weiter G ÜNTHER, Nah- und Enderwartungshorizont (s. Anm. 20), 110–128; U LLAND, Vision (s. Anm. 138), 233–323; J. N. KRAYBILL, Imperial Cult and Commerce in John’s Apocalypse, JSNT.S 132, Sheffield 1996; speziell zur Nerosage s. R. BAUCKHAM, Nero and the Beast, in: ders., The Climax of Prophecy. Studies in the Book of Revelation, Edinburgh 1993, 384–452; H.-J. KLAUCK, Do They Never Come Back? Nero Redivivus and the Apocalypse of John, in: ders., Religion und Gesellschaft im frühen Christentum. Neutestamentliche Studien, WUNT 152, Tübingen 2003, 268–289.
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Imperium aus der radikal kritischen Sicht des Apokalyptikers unzweideutig bezeichnet, auch wenn die Rede von der begrenzten Zeit der 42 Monate (Apk 13,5), die Vorahnung einer noch verschärften Verfolgung (Apk 13,10) und die in Apk 13,16f. erwähnten Handelsbeschränkungen zu dem gehören dürften, was der Autor für eine nahe Zukunft erst noch befürchtete und wofür er „Standhaftigkeit und Treue“ seiner Adressaten fordert (Apk 13,10). Dass das Tier (τὸ θήριον) in Apk 13,8 und 13,14 mit grammatisch maskulinen Formen bezeichnet wird (13:8: αὐτόν, 13,14: ὃς) und dass seine Zahl am Ende als „Zahl eines Menschen“ erläutert wird, ist ein überdeutliches Indiz dafür, dass dieses Bild nicht nur eine Institution, sondern ein maskulines Individuum bezeichnen soll, den Kaiser, der letztlich durch seine Zahl ‚identifiziert‘ wird – am wahrscheinlichsten mit der Figur des Nero und unter Voraussetzung der ‚Sage‘ vom wiederkommenden bzw. wiederbelebten Nero.142 Dass das Bild insgesamt die Situation der Adressaten anspricht, auch wenn dieser Nero redivivus noch ausstehen dürfte, verdeutlicht auch die – mit den Gemeindebriefen Apk 2–3 gemeinsame – HörFormel in Apk 13,9 und die eigens herausgestellte Zahl des Tieres, die die Leser dechiffrieren und somit ihre Situation verstehen sollen (Apk 13,18). Noch einmal wird die Gegenwart der Gemeinde angesprochen, wenn der Autor die ‚Hure Babylon‘ im Bild der Dea Roma, d.h. Roms in seiner ökonomischen und kulturellen Macht, vorführt. Spätestens wenn gesagt wird, dass die Frau auf sieben Bergen sitzt (Apk 17,9), ist der Bezug an die Stadt ‚auf den sieben Hügeln‘ eindeutig. Bekräftigt wird dies am Ende in Apk 17,18: Die Frau „ist die große Stadt, die die Herrschaft hat über die Könige auf Erden“. Das kann – zur Zeit der Abfassung der Apk – keine andere Stadt als Rom sein – so sehr das Visionsbild in Apk 17 in vielen Zügen die faktische Wirklichkeit Roms polemisch überzeichnet. Es ist zugleich die Macht, die sich im Blick auf die Christen feindselig verhält (Apk 17,5: „betrunken vom Blut der Heiligen und vom Blut der Zeugen Jesu“), die Christenverfolgerin – was seit den Tagen Neros nur auf Rom gedeutet werden konnte. Zugleich ist eben dieses Rom mit seiner ökonomischen und kulturellen Macht, als ‚Versuchung‘ für die anderen Völker, mit dem klassischen Namen der gottfeindlichen Macht, „Babylon“, bezeichnet, und das Geheimnis dieses Namens (Apk 17,5), d.h. die gottfeindliche Qualität Roms, sollen die Adressaten verstehen. Der knappe Durchgang zeigt, dass sich auch in dem visionären Hauptteil in Apk 4–22 an wesentlichen Stellen eindeutige Anspielungen auf die Gegenwart der Adressaten, auf das römische Reich und seine Herrschaft, auf die Bedrängnis der Gemeinde und auf die bereits jetzt im Himmel bestehende Herrschaft Christi vorliegen. Auch hier sind Gegenwartsbespre142 S. dazu neben den Kommentaren BAUCKHAM, Nero (s. Anm. 141); K LAUCK, Do They Never Come Back? (s. Anm. 141); ULLAND, Vision (s. Anm. 138), 233–272.
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chung und visionär formulierte Zukunftserwartung miteinander verschränkt, und es gibt keinerlei Grund, die genannten Referenzen gänzlich auf die vom Autor erwartete Zukunft zu beschränken. 3.3 Die Inkonsistenzen der Ereignisfolge Die These, dass die Visionenfolge der Apk keine Ereignisfolge zur Darstellung bringt, lässt sich an einer weiteren Reihe von Beobachtungen belegen. Es zeigt sich nämlich, dass die in einzelnen Visionsbildern geschilderte bzw. durch das berichtete Geschehen geschaffene Situation in späteren Visionsbildern nicht wieder vorausgesetzt ist. Dies hat Harald Ulland hinsichtlich der Darstellung der Himmelskörper gezeigt:143 Die sechste Siegelvision in Apk 6,12–17 berichtet von einer schweren Beeinträchtigung der Welt der Himmelskörper: Die Sonne verfinstert sich, der Mond wird wie Blut, die Sterne des Himmels (!) fallen – offenbar komplett – auf die Erde, und der Himmel weicht wie eine Schriftrolle, die zusammengerollt wird (Apk 6,14). Allerdings ist von dieser katastrophalen Beeinträchtigung in den folgenden Visionsbildern bzw. in der nächsten Plagenreihe nichts mehr zu erkennen: In den Posaunenvisionen ist der Himmel offenbar wieder (oder noch) intakt. In Apk 8,10 fällt dann ein großer Stern vom Himmel, in Apk 8,12f. wird erneut von der größeren kosmischen Beeinträchtigung erzählt, die diesmal ein Drittel der Himmelskörper, Sonne, Mond und Sterne, betrifft und diese verfinstert. Doch auch diese Beeinträchtigung scheint in der weiteren Folge wieder vergessen zu sein. Jedenfalls kommen in dem Visionsbild in Apk 12,1ff. „die Gestirne in unbeeinträchtigter Vollständigkeit vor“, bevor dann „in 12,4 … ein Drittel der Sterne vom Drachen auf die Erde geworfen“ wird.144 Schließlich fliehen in Apk 20,11 Erde und Himmel vor dem Thron, so dass kein Ort mehr für sie zu finden ist, d.h. die Schöpfung an ihr Ende kommt. Die visionäre Sequenz der Apokalypse bietet in dieser Hinsicht jedenfalls keine kohärente Geschehensabfolge; eher legt sich der Eindruck nahe, als würden immer wieder mit anderen Mitteln und in neuen Bildern analoge Stationen des eschatologischen Dramas zur Darstellung gebracht. Einen zusammenhängenden Geschichtsverlauf kann die Apk daher kaum bieten wollen – so sehr das Werk bestimmte Ereignisse in Bälde erwartet. Eine analoge Beobachtung ergibt sich im Blick auf die ‚Endereignisse‘ in Apk 19–21: Auch sie weisen gravierende Inkonsistenzen auf, die eine Lektüre des Textes im Sinne einer geschlossenen Ereignisfolge oder gar eines ‚Endzeitfahrplans‘ verunmöglichen.145 Nach Apk 19,19 ziehen „das 143 144 145
Ibid., 17 Anm. 88. Ibid. S. dazu ausführlich FREY, Millennium (s. Anm. 22), 31f.
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Tier und die Könige der Erde und ihre Heere“ gegen den Parusiechristus in den Kampf, dabei werden das Tier und der Falschprophet (d.h. die Gestalten aus Apk 13) ergriffen und in den Feuerpfuhl geworfen, und „die anderen“ (19,21) werden mit dem Schwert aus dem Munde Christi (s. Apk 1,16; 2,12) erschlagen und von den Vögeln gefressen. Mit den „anderen“ können nach Apk 19,19 nur noch die „Könige auf Erden und ihre Heere“ gemeint sein, die somit nach Apk 19,21 vom Erdboden verschwunden sein sollten. Wenn dann in Apk 20,2–3 der Satan gebunden werden soll, damit er die Völker nicht mehr verführe, ist das unter Voraussetzung der in Apk 19,19–21 beschriebenen Vernichtung von Tier und Prophet mitsamt den Königen und ihren Heeren nur noch schwer nachzuvollziehen.146 Doch tauchen in Apk 20,8 wieder Völker „an den vier Enden der Erde“ auf, die (erneut?) verführt werden, um noch einmal gegen Christus und die Seinen zu Kampfe zu ziehen und dann durch Feuer vom Himmel verzehrt und ebenfalls in den Feuerpfuhl geworfen zu werden (Apk 20,9f.). Alle Versuche, diese Notizen über die Völker in Apk 19,19–21 und 20,8–10 miteinander zu verknüpfen, tragen problematische Konjekturen in den Text ein.147 Verzichtet man darauf, bleibt nur die Konsequenz, dass Apk 19,11– 21 und Apk 20,1–10 nicht als logisch-chronologische Handlungsfolge, sondern als Zusammenfügung unterschiedlicher, teilweise paralleler Traditionen zu lesen sind. Eine Reihe weiterer Inkonsistenzen ergeben sich in der Aufeinanderfolge von Apk 19–20 und Apk 21: Liest man die Visionen als Geschehensabfolge, dann müssten bereits vor der Herabkunft der himmlischen Gottesstadt alle Verworfenen im Feuerpfuhl sein (Apk 20,10.14f.), ebenso die Könige der Erde mit ihren Heeren (Apk 19,19–21), so dass nur noch Erlöste, d.h. Bürger der Gottesstadt, an dem in Apk 21,1–22,5 geschilderten Bild beteiligt sein könnten. Dies trifft aber keineswegs zu: Während sich nach Apk 21,8 die Ungläubigen und Götzendiener im Feuerpfuhl befinden sollen, spricht Apk 21,24.26 wieder ganz unvermittelt von den Völkern, die im Licht der Gottesstadt wandeln, und von den Königen, die ihre Herrlichkeit in sie hineintragen sollen. Die Rezeption des Motivs der Völkerwallfahrt (vgl. Jes 60,3.11) lässt hier unberücksichtigt, dass nach der Visionenfolge der Apk bereits ab Apk 19,21 und spätestens ab Apk 20,8f. nicht mehr von fremden Völkern und Königen die Rede sein kann. Diese Beobachtung zeigt letztlich, dass auch die Visionen vom ‚Zwischenreich‘ Apk 20,4–6 und vom ‚Neuen Jerusalem‘ Apk 21,1–22,5 nicht als Ereignisfolge gelesen werden können. Offenbar sind auch hier unterschiedliche Traditio146 So mit Recht BEALE, Revelation (s. Anm. 19), 980f., vgl. dessen ausführliche Auflistung von „arguments for a nonsequential temporal relationship between 20:1–6 and 19:11–21“ (ibid., 974ff.). 147 Vgl. zum Ganzen ibid., 981f .
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nen nach einer anderen Gesetzmäßigkeit als der eines ‚sauberen‘ Handlungsablaufs zusammengefügt worden. Insofern muss jeder Versuch, dieser Abfolge von Visionsbildern einen irgendwie gearteten ‚Endzeitfahrplan‘ zu entnehmen, zu textfremden Konjekturen und Harmonisierungen greifen. Das gegenseitige Verhältnis der Aussagen in den Plagenzyklen und das Prinzip der Komposition der abschließenden Visionen des Buchs sind daher nun kurz zu beleuchten. 3.4 ‚Rekapitulation‘ und dynamische Ausrichtung auf das Ende Die Beobachtungen zu den Himmelskörpern haben bereits das literarische und sachliche Verhältnis der drei Siebener-Reihen der Siegel-, Posaunenund Schalengerichte und mithin vielleicht die Kernfrage der Komposition der Apokalypse berührt.148 Diese Siebener-Reihen legen je für sich mit der Nummerierung der Visionsbilder den Eindruck nahe, dass es sich um eine sukzessive Folge von ‚Ereignissen‘ handele, die je durch ein himmlisches Geschehen, das Öffnen der Siegel, das Blasen einer Posaune oder das Ausleeren einer ‚Zorn‘Schale, ausgelöst werden und klimaktisch auf ein Ende zu laufen.149 Und trotz der ‚Zwischenstücke‘ (Apk 7; 10,1–11,13; 12–14) legt z.B. Apk 8,1– 2 den Eindruck nahe, dass sich die sieben Posaunenvisionen direkt aus der Reihe der Siegelvisionen bzw. der siebten Siegelvision heraus ‚entfalten‘. Zwischen den Posaunen- und den Schalenvisionen besteht hingegen keine so enge literarisch-‚szenische‘ Verknüpfung, und das ‚Zwischenstück‘ (Apk 12–14) nach der siebten Posaune (Apk 11,13–19) nimmt deutlich mehr Raum ein.150 Doch sind die Schalenvisionen in Apk 15,1–16,21 eingeführt als „die letzten sieben Plagen“, mit denen der Zorn Gottes „vollendet“ ist (Apk 15,1), so dass sie doch als eine letzte Steigerung und Intensivierung der zuvor dargestellten Gerichte erscheinen. So erweckt die Folge der Siebener-Reihen strukturell doch den Eindruck, ein mehrfach retardierend unterbrochenes, aber doch zielgerichtet auf ein Ende zulaufendes Gerichtsgeschehen zu beschreiben151 – wenn nicht die vorher beobachteten 148 S. dazu die ausführlichste Diskussion ibid., 116–151; auch A UNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 118), XC–XCV; SATAKE, Offenbarung (s. Anm. 93), 64–67. 149 Dies wird durch die ‚retardierenden‘ Elemente vor der siebten Siegelvision (Apk 7,1–8) und vor der siebten Posaunenvision (Apk 10,1–11,13) noch betont. 150 Eine gewisse Verknüpfung lässt sich auch hier erkennen: Parallel zur ‚himmlischen Stille‘ der siebten Siegelvision bietet auch die siebte Posaunenvision (Apk 11,15) kein eigentliches Gerichtsgeschehen, sondern eine himmlische Liturgie. Das dritte Wehe, das nach 9,12 und 11,14 eigentlich zu erwarten wäre, bleibt aus, es kommen weitere unterbrechende Kapitel (12–14), bevor in der nächsten Himmelsszene die sieben Schalenengel erwähnt werden. Die Verbindung ist insofern schon gegeben, aber lockerer. 151 Das Sonderproblem, ob dieses erst mit 8,1–2 beginnt, da erst jetzt der Inhalt der versiegelten Buchrolle ganz lesbar ist (so schon G. BORNKAMM, Die Komposition der
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Inkonsistenzen der Bildgehalte dem entgegenständen. Vor der letzten Schalenvision begegnet kein retardierendes Zwischenbild mehr, und die klimaktische Stellung der siebten Zornschale wird durch eine Himmelsstimme hervorgehoben, die das erreichte Ziel markiert: γέγονεν („es ist geschehen“).152 Was nun folgt, ist das in langen Anläufen eigentlich avisierte Ziel der Gerichte: Babylon, die „große Stadt“ soll fallen (Apk 16,19; weiter expliziert in 17,1–18,24), dann (erst) kann die Gottesherrschaft auf Erden anbrechen (Apk 19,1–6). Im Gericht über das götzendienerische Babylon und in ihrem ‚Fall‘, der den Durchbruch der Gottesherrschaft bedeutet und den Weg für die Parusie Christi und das ‚Hochzeitsmahl des Lammes‘ (Apk 19,9) freimacht, scheint die ‚innergeschichtliche‘ Zielperspektive der Sequenz von Gerichtsvisionen, ja die geschichtliche ‚Enderwartung‘ der Apk zu liegen. Mit dieser strukturellen Wahrnehmung zu verbinden ist die andere, eher gegenläufige Beobachtung, dass die drei Siebenerzyklen eine gewisse Wiederholung bestimmter Strukturen bieten und inhaltlich enge Entsprechungen aufweisen – vor allem zwischen den Posaunen- und Schalenvisionen. Diese Beobachtung hat bereits den scharfsichtigen Ausleger Viktorin von Pettau Ende des 3. Jahrhunderts zur Überzeugung gebracht, dass sich ab dem siebten Siegel, d.h. in den Posaunen- und Schalenvisionen, in doppelter bzw. sich ergänzender Weise je die endzeitliche Bestrafung der Gottlosen ausdrückt.153 Spätere Ausleger haben dann alle drei Visionszyklen als Ausdruck ein und desselben Geschehens gelesen,154 und in der neueren Auslegung ist diese Auslegungslinie v.a. durch Günther Bornkamms bedeutenden Aufsatz vorsichtig erneuert worden.155 Die textgenetische Frage, ob hier zunächst selbständige Versatzstücke miteinander verknüpft wurden, kann hier auf sich beruhen; im vorliegenden Text fallen zunächst die Parallelen zwischen der zweiten und der dritten Siebener-Reihe auf: Dabei sind es nicht nur Stichwort-Anklänge, sondern auch immer wieder
apokalyptischen Visionen in der Offenbarung Johannis, in: ders., Studien zu Antike und Urchristentum, BEvTh 28, München 1963, 204–222 [205]), ob also nur die Posaunenund Schalenreihe dieses eschatologische Gerichtsgeschehen abbilden, oder ob auch die Siegelreihe bereits hinzugehört, kann hier unberücksichtigt bleiben. S. zum Problem auch F. Tóth, Von der Vision zur Redaktion (in diesem Band). 152 Das hier verwendete Perfekt hebt diese Aussage von den vorherigen aoristischen Aussagen ab und markiert somit auch sprachlich das klimaktische Ende der Plagen, s. dazu D. E. AUNE, Revelation 6–16, WBC 52B, Nashville 1998, 899. 153 Dazu s. BOUSSET , Offenbarung (s. Anm. 13), 54f. 154 S. dazu ibid., 95–97 . 155 BORNKAMM, Komposition (s. Anm. 151).
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die gleichen Bereiche, die von dem Gerichtsgeschehen betroffen sind.156 Die Parallelen basieren teilweise auf dem gemeinsamen Rückbezug auf die Exodus-Plagen, deren Bilder jedoch vielfältig variiert und neu konfiguriert werden; die Gemeinsamkeiten mit der Reihe der Siegelvisionen sind geringer, da hier – z.B. bei den vier Reitern Apk 6,1–8 – andere biblische Basistexte zugrunde liegen. Letztlich sind die drei Siebener-Reihen doch nicht identisch: die erste enthält zu Beginn eine Viererstruktur; die zweite zählt in der fünften und sechsten Posaunenvision zwei ‚Wehe‘ – eine ‚zyklische‘ oder rein rekapitulative Auffassung dieser Visionen ist daher nicht angemessen, dennoch bestätigen die beobachteten Entsprechungen, dass es hier bei dem gesamten Gefüge um eine literarische und zugleich bildsprachliche Komposition handelt, nicht um die Abbildung einer in der ‚realen‘ Welt zusammenhängenden Geschehensfolge. Die beobachtete Wiederholung und Variation ist zugleich in ihrer rhetorischen Wirkung zu interpretieren: Durch die Redundanz wird eine dramatische Intensivierung bewirkt, die ihrerseits auf das Ziel der SiebenerReihen, das siebte Schalengericht in Apk 16,17–21 hinführt, in dem – bildlich durch ein Erdbeben – die Städte der Heiden einstürzen und insbesondere Babylon der Zorneskelch gegeben wird (was dann Apk 17–18 in einer eigenen Vision konkretisiert). Das Ziel der Plagenzyklen, das Ziel der dynamischen Bewegung der Siebener-Reihen ist insofern die Vision des im Himmel schon zuvor beschlossenen (vgl. Apk 14,8) Falls der großen Stadt Babylon, d.h. des götzendienerischen Imperiums, das mit seinem kultischen und kulturellen Treiben die Völker verführt und die Nachfolger Jesu bekämpft (und in Bälde noch gefährlicher bekämpfen wird, wie Apk 13,10.15–17 in Aussicht stellt), und dem nun Zorn und Vergeltung gilt. Das interpretatorische Kernproblem,157 ob die Folgen der Öffnung der Siegel, des Stoßes in die Posaunen und des Ausleerens der Zornschalen die lediglich variierte Beschreibung von ein und demselben eschatologischen Gerichtsgeschehen darstellen (wie die ‚Rekapitulations-Theorie‘ annimmt) oder ob es sich hier um die lineare Entfaltung eines zielgerichteten eschatologischen Geschehens handelt, lässt sich daher nur in einer vermittelnden Antwort lösen: Es liegt weder eine reine Rekapitulation noch eine lineare Ereignisfolge vor, vielmehr ein Nebeneinander sich wiederholender Strukturen mit vorwärtsdrängender Dynamik, ja mit einem klaren Ziel, das in der siebten Schale benannt ist: das Gericht über ‚Babylon‘ und sein Fall, die als Vorbedingung und zugleich Anzeichen der Parusie Christi und der Aufrichtung des Gottesreiches gelten können. 156 S. dazu grundlegend ibid., 206: I: Erde, II: Meer wird zu Blut, III: Flüsse und Quellen; IV: Sonne; V: Verfinsterung; VI: Euphrat; VII: Tempel, Blitze, Stimmen, Donner, Erdbeben, Hagelschlag. 157 So mit Recht AUNE, Revelation 1–5 (s. Anm. 118), XCV.
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Fragt man also, was denn der Apokalyptiker konkret erwartet, was ihm – durchaus zeitlich nahe vor Augen steht, dann ist es der Fall Babylons, der Sturz des römischen Imperiums, dessen höchster Repräsentant abgöttische Verehrung empfängt und das den Glaubenden feindselig, ja blutrünstig gegenübertritt. Dieser Fall ist im Himmel schon beschlossen und auf Erden in nicht ferner Zukunft zu erwarten. Die Beseitigung dieser gottfeindlichen Instanz, über die Kaufleute und Seefahrer klagen (Apk 18), löst im Himmel Jubel aus (Apk 19,1–6) und ist ihrerseits das Signal, dass die Parusie Christi, die „Hochzeit des Lammes“ erfolgt (19,8) und dass sich damit Gottes Herrschaft durchsetzt – nicht nur im Himmel, sondern auch auf Erden (19,7f.). Die der abschließenden Schalenvision vorausgehenden Gerichtsbilder sind insofern nicht als Etappen einer Geschehensabfolge (oder gar als Stationen eines endzeitlichen ‚Fahrplans‘) zu lesen, sondern als eine in biblischen und mythischen Bilder amplifizierte, sukzessive gesteigerte Darstellung des göttlichen Gerichtszorns, der die gottlose Menschheit treffen soll, aber der treu ausharrenden Gemeinde als Trost und Anreiz zur Hoffnung auf die baldige Erlösung dienen soll. Was die Apokalypse ‚erwartet‘, sind nicht herabfallende Sterne, bittere Quellen oder gar die ‚Schlacht von Harmageddon‘, sondern der Fall des abgöttischen und antichristlichen römischen Weltreichs, das den Weg frei machen wird für die Ausbreitung der Gottesherrschaft, für die Parusie Christi. 3.5 Die Endereignisse und die Anlehnung an das ezechielische Schema Eine literarische Komposition mit auffälligen Inkonsistenzen in der Abfolge der Bilder bzw. der geschilderten Ereignisse ist auch der Schlussteil, der in Apk 19,11 – nach dem himmlischen Jubel über Babylons Fall – mit dem Erscheinen des Parusiechristus auf dem weißen Pferd beginnt. Die auffälligste Doppelung in diesem Zusammenhang ist das Nebeneinander eines mehr oder weniger ‚irdischen‘ Messiasreichs in Apk 20,1–6 und der in den Bildern des neuen Himmels und der neuen Erde sowie des neuen Jerusalems (Apk 21,1–22,5) geschilderten ewigen Gottesherrschaft, der Heilsvollendung. Diese ‚Doppelung‘ der Heilsbilder geht einher mit einer ‚Doppelung‘ von zwei Endkämpfen (Apk 19,19–21 und 20,7–10), zwei Gerichtsakten (Apk 20,4 und 20,11–15) und zwei Auferstehungen (Apk 20,4–6 und 20,13), so dass zu vermuten ist, dass hier zwei verschiedene Darstellungen des Endgeschehens – je mit Kampf, Gericht, Auferstehung und Heilszustand – miteinander verbunden sind.
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a) Für die Kombination der Tradition eines temporären Messiasreichs und der ewigen Gottesherrschaft,158 kann es sachlogisch nur die Möglichkeit geben, das erstere als zeitlich begrenztes dem unbegrenzten Gottesreich bzw. definitiven Heilszustand vorzuordnen.159 Die Kombination dieser beiden, alttestamentlich verwurzelten Traditionen begegnet im Frühjudentum häufiger: Schon in der henochischen ‚Zehnwochenapokalypse‘ (1 Hen 93,1– 10 und 91,11–17), die die Gegenwart ihrer Leser wohl gegen Ende der siebten von zehn Weltwochen lokalisiert (1 Hen 93,10), wird in der in Bälde erwarteten achten ‚Woche‘ mit dem Gericht über die Sünder und mit einer Herrschaft der Gerechten über ihre Bedrücker gerechnet (1 Hen 91,12f.). Dann folgt in der neunten ‚Woche‘ ein allgemeines Weltgericht, und mit dem Bösen soll die ganze Erde vernichtet werden, bevor schließlich in der zehnten ‚Woche‘ ein Gericht an den Engeln erfolgt, der erste Himmel verschwindet und ein „neuer Himmel“ (1 Hen 91,16) erscheint und danach Gerechtigkeit ewig bestehen wird.160 Noch klarer ist die Abfolge eines temporären irdischen Reiches und der ewigen Gottesherrschaft im vierten Esrabuch und – etwas komplexer – im syrischen Baruchbuch: 4 Esra 7,26–30 verheißt ein Reich des Messias, an dem die zur Zeit seiner Offenbarung Lebenden Anteil haben sollen: „Dann wird die unsichtbare Stadt erscheinen und das jetzt verborgene Land sich zeigen. ... Denn mein Sohn, der Messias, wird sich mit denen offenbaren, die bei ihm sind, und wird die Übriggebliebenen glücklich machen, 400 Jahre lang.“161 Danach stirbt der Messias, die Welt fällt in ein siebentägiges Schweigen zurück, und dann folgt der neue Äon mit der Auferweckung der Toten zum Weltgericht sowie einer ewigen Heilszeit. Viele der Elemente der Darstellung der Apokalypse haben eine Parallele in der kurzen Passage in 4 Esra 7. 162 Apk
4 Esra
6ff.: Plagen, Bedrängnisse; 13; 17: ‚Tier‘, Hure Babylon (= Rom) 19,11ff.: Parusie Christi, Sieg gegen die Könige und ihre Heere 20,4–6: ‚Zwischenreich‘ 1000 Jahre Herrschaft des Messias mit den Seinen 20,7–10: ‚Endschlacht‘ Vernichtung der Feinde durch den Parusiechristus, Rettung der Frommen 20,11f.: Fliehen von Himmel und Erde (= Ende der Schöpfung bzw. dieses Äons)
7,26: Zeichen der Zeit; Bedrängnisse 7,28: Offenbarung des Messias mit den Seinen (vgl. 12,32f.) 7,28: ‚Zwischenreich‘ 400 Jahre Herrschaft des Messias mit den Seinen (vgl. 12,34) 7,29: Tod des Messias und aller Menschen
7,30: Rückkehr der Welt ins Schweigen (= Ende der Schöpfung bzw. dieses Äons)
158 S. dazu den ausführlichen Vergleich bei D. E. A UNE, Revelation 17–22, WBC 52C, Nashville 1998, 1104–1108. 159 Vgl. auch 1 Kor 15,23–28, wo am Ende ebenfalls Gott „alles in allem“ sein soll. 160 Zu den Details s. L. T. S TUCKENBRUCK, 1 Enoch, 91–108, CEJL, Berlin/New York 2007, 118–152. 161 Üs. nach J. S CHREINER, Das 4. Buch Esra, JSHRZ V/4, Gütersloh 1981, 344f. 162 Die folgende Tabelle ist – wie Teile der Argumentation dieses Abschnitts – aus FREY, Millennium (s. Anm. 22), 42f., übernommen. Dort ist auch 2 Baruch ausführlicher besprochen.
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20,13–15: allgemeine Auferweckung und Weltgericht 21,1ff: neuer Himmel, neue Erde; erste Erde ist vergangen
7,31–44: allgemeine Auferweckung und Weltgericht (vgl. 12,34) 7,31: die neue Welt erwacht (vgl. 7,50: zwei Äonen)
Bei allen Differenzen – insbesondere der Tatsache, dass in 4 Esra 7 der Messias stirbt, während er in Apk 19 und 20 seine Feinde vernichtet, sind die Parallelen doch beträchtlich: Wie in 4 Esra 7, so kommt auch in Apk 20 der gegenwärtige Äon nach dem Messiasreich an sein Ende: Himmel und Erde fliehen vor Gottes Thron (Apk 20,11). Im Anschluss an das Weltgericht, das auch hier ausschließlich von Gott selbst durchgeführt wird, beschreibt der Autor in Apk 21,1 den Beginn eines neuen Äons als einer neuen Schöpfung. 163 Dabei wird das Motiv der Gottesstadt, das in 4 Esra 7,26 dem Messiasreich zugeordnet ist, nun als zentrales Symbol der neuen Welt Gottes verwendet. Im Unterschied zu allen jüdischen Parallelen erscheint in der christlichen Apokalypse der erhöhte Christus als Throngenosse Gottes und als Teilhaber an der eschatologischen Gottesherrschaft 164. Der Übergang vom temporären Christusreich auf Erden zum endgültigen Heilszustand, zu der Herrschaft Gottes und Christi im Neuen Jerusalem der neuen Schöpfung, kann nach der Konzeption der Apokalypse weder durch den Tod des Messias (4 Esra 7,29) noch durch die Übergabe der Herrschaft an Gott selbst (1 Kor 15,28) erfolgen.
b) Die zweite Doppelung liegt in der Rede von zwei Auferstehungen vor, der „ersten Auferstehung“ (Apk 20,5), die nur die Märtyrer betrifft, 165 und der Auferweckung aller Toten zum allgemeinen Weltgericht (20,13). Auch hier sind unterschiedliche eschatologische Traditionen kombiniert: Nach der einen werden nur einzelne Fromme und Gerechte zum Leben wiederhergestellt,166 während die andere eine „doppelte Auferstehung“ bzw. ein allgemeine Auferweckung der Toten zu einem universalen Gericht beinhaltet.167 Auch in frühjüdischen Parallelen werden beide Traditionen gelegentlich kombiniert, so z.B. in der syrischen Baruchapokalypse, wo in Kapitel 30,1f. von einer Auferstehung der 163 Die komplexe Frage, ob hier tatsächlich eine totale Diskontinuität ausgesagt sein soll oder ob doch eine gewisse Form von Kontinuität zwischen dieser Welt und dem ‚Neuen Himmel und der ‚Neuen Erde‘ impliziert ist, kann hier nicht ausführlich erörtert werden. M.E. ist der Bruch, den Apk 21,1 markiert, sehr ernst zu nehmen. S. u. Abschnitt IV.5.2. 164 Darin liegt der zweite wesentliche Differenzpunkt zu 4 Esra 7, wobei immerhin auffällt, dass die Thronszene in Apk 21,3–8 ganz theozentrisch gestaltet ist. Das ‚Lamm‘ erscheint erst in Apk 21,22f. und 22,1.3 neben Gott auf dem Thron. 165 Dazu s. u. Abschnitt 4.5.2. 166 So z.B. 1 Hen 91,10 (vgl. 92,3); vgl. auch TJud 25,3–5 und PsSal 3,12. In besonderem Maße konzentriert sich die Rede von der Auferstehung auf die Gerechten natürlich in den Aussagen über das Schicksal der Märtyrer wie z.B. 2 Makk 7. Ihre Auferstehung wird in 2 Makk 7,14 ausdrücklich „Auferstehung zum Leben“ genannt. 167 Vgl. 1 Hen 51,1: „Und in jenen Tagen wird die Erde zurückgeben, was ihr anvertraut ist, und die Unterwelt wird das zurückgeben, was sie empfangen hat, und die Hölle wird zurückgeben, wozu sie verpflichtet ist. Und er wird die Gerechten und Heiligen von ihnen auswählen…“ Übersetzung nach S. UHLIG, Das äthiopische Henochbuch, JSHRZ V/6, Gütersloh 1984, 594f.
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Gerechten die Rede ist, während nach Kapitel 50f. die Auferstehung aller Toten zum Gericht und die anschließende Verwandlung der Gerechten und der Gottlosen erwartet wird. Für 2 Bar gilt freilich die zweite Konzeption als die umgreifende, innerhalb derer auch 2 Bar 30 zu verstehen ist.168 An eine Abfolge zweier Akte der Auferweckung ist hier nicht gedacht. Dass Apk 20 von zwei aufeinanderfolgenden Auferstehungen spricht, und in Apk 20,4 eine „erste Auferstehung“ von der in 20,12f. erwähnten allgemeinen Totenauferstehung unterscheidet, mag darin begründet sein, dass es in Apk 20,1–6 überhaupt nur um eine spezifische Zielgruppe geht, die Märtyrer, deren Rehabilitation und Ins-Recht-Setzung hier gesichert werden soll. 169 Den unrechtmäßig wegen ihres Christuszeugnisses Getöteten soll Recht zuteilwerden, und damit sie am irdischen Christusreich in leiblicher Gestalt teilbekommen können, müssen sie auch physisch wiederhergestellt werden. Um dieses spezifische Anliegen zur Geltung zu bringen, rezipiert der Autor die beiden in der jüdischen und urchristlichen Tradition vorgegebenen Aussagekreise von der Auferstehung der Gerechten zur Teilhabe an der Heilszeit und von der allgemeinen Auferstehung der Toten zum Gericht und schafft eine – in dieser Form neue – Ereignisfolge zweier durch das irdische Christusreich und den letzten Ansturm der Gottesfeinde zeitlich getrennter Auferstehungen.
c) Schließlich finden sich zwei aufeinander folgende Endschlachten (19,19–21 und 20,7–10), so dass auch die Vernichtung der bösen Mächte in mehreren Etappen erfolgt und erst das Tier und der falsche Prophet (19,20), dann der Teufel (20,10) und schließlich der Tod (20,14) in den Feuerpfuhl wandern. Eine solche Mehrstufigkeit des Gerichts hat Parallelen in jüdischen Apokalypsen, etwa in der schon erwähnten ‚Zehnwochenapokalypse‘ des Henochbuchs, wo drei Phasen des Gerichts (= ‚Wochen‘) zur Erlangung des endgültigen Heilszustandes vorgesehen sind (1 Hen 91,11–17). Kompositionell lehnt sich die Apokalypse in ihrem Schlussteil deutlich an das Ezechielbuch an, das offenbar für den Autor im Blick auf die Endereignisse besonders maßgeblich war. Über die expliziten Anklänge hinaus lassen sich einige der Doppelungen in Apk 19–22 nur aus der strukturellen Anlehnung an Ezechiel erklären.170
168 In 2 Bar 30,4 wird von den Gottlosen nur gesagt, dass sie den Tod in gewisser Weise überdauern. Sie sollen das Heil der Gerechten schauen und angesichts dessen „um so mehr vergehen“ (30,4). Wenn 2 Bar 51,5 dann über die auferweckten, in ihrer Körperlichkeit wiederhergestellten und im Endgericht beurteilten Menschen sagt, dass die Gerechten „zum Glanz der Engel“ verherrlicht werden, während die anderen „zu bestürzenden Erscheinungen und grässlichen Gestalten“ werden und die Gottlosen angesichts dieser Verwandlung „noch schlimmer ... vergehen“ werden, dann liegt hier dieselbe Konzeption nur in größerer Ausführlichkeit vor. Vgl. A. F. J. KLIJN, Die syrische Baruchapokalypse, JSHRZ V/2, Gütersloh 1976, 103–191 (116f.), Übersetzung ibid., 142.155f. 169 Zur Begründung dieser Interpretation von Apk 20 s. Frey, Millennium (s. Anm. 22). 170 Die folgende Tabelle entstammt der ausführlicheren Darstellung in F REY, Millennium (s. Anm. 22), 33. Vgl. zur Sache auch KOWALSKI, Rezeption (s. Anm. 116); HIEKE, Seher (s. Anm. 116).
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Ezechiel
Apokalypse
Ez 37,1–14: ‚Auferweckung‘ Israels im Bild der Wiederbelebung der Totengebeine Ez 37,15–28: Das ‚auferweckte‘ Israel lebt ungestört im Land unter der Herrschaft des Hirten David Ez 38–39: Der Ansturm der Heere des Gog von Magog findet vor Jerusalem ein Ende Ez 40–48: Vision des neuen Tempels und der den Tempel umgebenden Gottesstadt
Apk 20,4: Auferweckung der Märtyrer Apk 20,5f.: Die auferweckten Märtyrer herrschen ungestört mit Christus 1000 Jahre Apk 20,7–10: Die Heere von Gog und Magog werden vor der „geliebten Stadt“ (Jerusalem) vernichtet Apk 21,1–22,5: Das neue Jerusalem (ohne Tempel) steigt vom Himmel herab
Für die Darstellung der Gottesstadt, des ‚neuen Jerusalem‘ ist die Anlehnung an den quadratischen Tempelentwurf Ezechiels ganz offenkundig.171 Schon die Einleitung in Apk 21,9, nach der dem Seher von einem hohen Berg aus die Gottesstadt gezeigt wird, erinnert an Ez 40,2–4. Der quadratische Grundriss (Apk 21,16) entspricht Ez 48,16, wobei die Apokalypse diesen dann zu einem geradezu surrealistischen kubischen Format steigert. Die zwölf Tore (Apk 21,12f.) lehnen sich an Ez 48,30–35 an, und der vom Gottesthron ausgehende Wasserstrom (Apk 22,1ff.) nimmt das Motiv der Tempelquelle von Ez 47,1ff. auf. Dass Ez 40–48 für das Bild der Gottesstadt die grundlegende Quelle ist, leidet keinen Zweifel, auch wenn das Bild durch weitere Elemente aus anderen biblischen Büchern, v.a. aus Jesaja,172 ergänzt ist. Explizit werden die gegnerischen Mächte „Gog“ und „Magog“ aus Ez 38f in Apk 20,7–10 aufgenommen,173 wobei die Apokalypse – anders als Ezechiel – Gog nicht mehr als Namen einer Person, des Fürsten im Lande Magog, ansieht (Ez 38,2; 39,1 u.ö.), sondern beide Namen wohl wegen ihres Gleichklangs parallel als Namen feindlicher Völkerheere versteht. Wie bei Ezechiel verbindet sich mit den beiden Namen der letzte feindliche Ansturm der Nationen gegen das Gottesvolk, der durch Gottes Wirken abgewehrt wird. Dieser Ansturm soll sich auch nach Ezechiel nach dem ‚messianischen‘ Reich, der Herrschaft des Hirten David über das wiederer-
171 Die Wirkung des ezechielischen Tempelentwurfs zeigt sich in einer breiten Geschichte der Rezeption, so z.B. in der Tempelrolle oder dem aramäischen ‚New Jerusalem‘-Text aus Qumran; s. dazu J. FREY, The New Jerusalem Text in Its Historical and Traditio-Historical Context, in: L. H. Schiffman / E. Tov / J. C. VanderKam (Hg.), The Dead Sea Scrolls – 50 Years After Their Discovery 1947–1997. Proceedings of the Jerusalem Congress, July 20–25, 1997, Jerusalem 2000, 800–816. 172 Vgl. besonders Jes 65,17 und 66,22 für den Terminus ‚neuer Himmel / neue Erde‘. 173 S. dazu BØE, Gog (s. Anm. 124); auch K. G. KUHN, Γώγ καὶ Μαγώγ, ThWNT 1, Stuttgart 1933, 790–792. Vgl. zur Namensform auch OrSib 3,319.512; weiter Bill. III, 832.
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standene Israel, ereignen. Dieses Schema scheint der Abfolge von Apk 20,4–6 und 20,7–10 zugrunde zu liegen. In Ez 37 ist – wie in Apk 20,4–6 – von einer ‚Auferweckung‘ die Rede, auf die dann die Verheißung der ungestörten Existenz Israels unter dem Hirten David folgt. Auch wenn die ezechielische Vision von der Auferweckung der Totengebeine ursprünglich nicht auf eine individuelle Auferweckung einzelner Toter bezogen war, wurde sie doch später als Zeugnis der Auferweckung der Toten gelesen, wie der Pseudo-Ezechiel-Text aus Qumran belegt.174 So hat auch der Autor der Apokalypse diese Vision auf die physische Auferweckung und Wiederherstellung der Märtyrer bezogen. Die Abfolge von Auferweckung und davidisch-‚messianischem‘ Reich ist gleichfalls bei Ezechiel (37,1–14 und 37,15–28) vorgegeben. Die Apk hat also den bei Ez 37–48 gegebenen Rahmen des endzeitlichen Geschehens ihrem Entwurf maßgeblich zugrunde gelegt. Dies ist kaum verwunderlich, wenn man bedenkt, dass der Autor auch sonst intensiv auf Ezechiel rekurriert, so v.a. in der Beschreibung des Gottesthrons und der ihn umgebenden Thronwesen (Apk 4; vgl. Ez 1–3 und 10) sowie in der Klage über den Untergang Babylons (Apk 18), der sein biblisches Vorbild in der Klage über Tyros Ez 27 hat. Für die Darstellung der eschatologischen Heilszeit musste Ezechiel als besonders ergiebige Quelle erscheinen: Während das Danielbuch, auf das sich die Apokalypse sonst ähnlich häufig bezieht, vor allem die Vernichtung des letzten, gottfeindlichen Weltreichs schildert (Dan 2 und 7), aber die Aufrichtung des Gottesreichs nur sehr knapp andeutet (vgl. Dan 7,13f.26f.; 12,1–3), finden sich die breitesten Schilderungen der Heilszeit, des eschatologisch erneuerten Tempels und der ihn umgebenden Gottesstadt bei Ezechiel.175 Zwei Elemente gehen insbesondere über Ez 37–48 hinaus.176 Das erste, die Darstellung eines letzten Gerichts nach dem messianischen Reich und vor der Schaffung der neuen Welt (Apk 20,11–14), besitzt eine auffällige Analogie in 4 Esra 7,26–44, ohne dass man hier eine Abhängigkeit annehmen dürfte. Das zweite, die Vernichtung Satans nach der Vernichtung des Tieres und des Pseudopropheten (Apk 20,10) und schließlich auch noch des personifizierten Todes und Hades (Apk 20,14) zeigt eine Mehrstufigkeit der Gerichte und der Vernichtung der bösen Mächte, wie sie schon in
174 S. dazu A. L. A. HOGETERP , Expectations of the End. A Comparative TraditioHistorical Study of Eschatological, Apocalyptic, and Messianic Ideas in the Dead Sea Scrolls and the New Testament, StTDJ 83, Leiden/Boston 2009, 269–274; D ERS., Resurrection and Biblical Tradition. Pseudo-Ezekiel Reconsidered, Bib. 89 (2008), 59–69. 175 S. in diesem Sinne bereits A. W IKENHAUSER, Das Problem des tausendjährigen Reiches in der Johannes-Apokalypse, RQ 40 (1932) 13–25 (13f.). 176 S. dazu S ATAKE, Offenbarung (s. Anm. 93), 385.
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der ‚Zehnwochenapokalypse‘ vorliegt (1 Hen 91,11–17) und letztlich das apokalyptische Wissen um die Tiefe des Bösen in der Welt spiegelt. Die Einsicht in die Tatsache, dass die Apokalypse auch in ihrer Beschreibung der eschatologischen Durchsetzung des Heils biblische Bilder aufnimmt und nach spezifischen Schemata kombiniert, macht es auch unmöglich, die Abfolge der Endereignisse in Apk 19–22 als eine zusammenhängende Ereignisfolge zu interpretieren. Vielmehr handelt es sich hier um bildhafte Darstellungen dessen, was wohl ohne Bilder überhaupt nicht dargestellt werden kann, und der apokalyptische Autor ist sich des bildhaften und alles menschliche Vorstellungsvermögen übersteigenden Charakters seiner Darstellungen sicher bewusst.177 Die beiden miteinander kombinierten Heilsbilder bringen je unterschiedliche Aspekte dessen zur Sprache, was mit der Parusie Christi und am Ende der Zeit erhofft werden kann. Zugleich ist insbesondere das Bild der Gottesstadt ein Hoffnungsbild, das auf die Gegenwart der Adressaten paränetisch und tröstlich zurückwirken soll, damit diese in ihren Herausforderungen ‚durchhalten‘, sich von der Befleckung durch das götzendienerische Imperium bzw. die ‚Hure Babylon‘ fernhalten und so am Ende ‚Bürger der Gottesstadt‘ werden.
4 Der Fall Roms, die Parusie Christi und die endgültige Gottesgemeinschaft: Die Zukunftserwartung der Apokalypse Diese eschatologischen Bilder können hier nicht ausführlich interpretiert werden. Es kann im vorliegenden Zusammenhang nur noch darum gehen, knapp zu skizzieren, was die Apokalypse in ihrer Situation für ihre nahe Zukunft erwartet und wie sie daran – zeitlich nicht berechenbar, aber dennoch bedrängend ‚nahe‘ – ihre eschatologische Hoffnung anknüpfen lässt und ausgestaltet. Was erwartet die Apokalypse konkret? Nachdem sie schon die Gegenwart der Adressaten durch eine gravierende Krise hinsichtlich der Stellung zur städtischen und provinzialen Umwelt bestimmt sieht (4.1), erwartet sie eine baldige Verschärfung der Situation (4.2), eine Versuchung, die krisenhaft die Gemeinde betreffen wird und in der es dann auch mehr Blutzeugen geben wird, danach aber – desto gewisser – den Fall Babylons, den Zusammenbruch des abgöttischen Imperiums (4.3) und dann (4.4) die ersehnte Parusie Christi, den Anbruch seines Reiches. Mit diesem Gesche177
Dies zeigt bereits der Sprachgebrauch, der immer wieder die Vergleichspartikel ὡς (71x) oder ὅµοιος (21x) benutzt, um die visionären Inhalte zu beschreiben. Ganz unvorstellbar ist, dass der Autor sich nicht der überdimensionalen Größe und der in seiner kubischen Form letztlich alles Vorstellbare sprengenden Gestalt des himmlischen Jerusalem bewusst gewesen wäre.
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hen der Vollendung wird dann auch den zu Unrecht Verfolgten wieder Recht zuteilwerden und den Getreuen Anteil an der unmittelbaren und endgültigen Gemeinschaft mit Gott und Christus gewährt werden. Die Folgen bzw. Implikationen der Parusie werden in zwei Hoffnungsbildern, dem des tausendjährigen Christusreichs (4.5.1) und dem des neuen Jerusalem auf der neuen Erde (4.5.2) dargestellt, die der Autor auf der Grundlage ezechielischer Vorgaben in zeitlicher Folge präsentiert, wobei m.E. anzunehmen ist, dass er beide Bilder nicht einfach ‚naiv‘ als geschichtliche Ereignisfolge verstand, sondern sich der alles Vorstellbare sprengenden Dimension der endzeitlichen Durchsetzung der Gottesherrschaft bewusst war. Dass beide Bilder relativ stark von irdischen Komponenten geprägt sind, sollte nicht verdecken, dass der Autor – wie er in Apk 21,1 deutlich macht – einen radikalen Bruch und eine neue Schöpfung erwartet, die die alte, ‚diesen Äon‘, ablöst. Abgesehen von dem Schlussbild vom neuen Jerusalem, das, eingeleitet mit der einzigen unmittelbaren Gottesrede des Buches in Apk 21,3b–4, die Klimax der ganzen Apokalypse bildet, kommt kompositionell der Ankündigung und Darstellung des Falles der ‚Hure Babylon‘, d.h. des Zusammenbruchs des römischen Reiches, besonderes Gewicht zu: Auf dieses läuft die letzte Plagenreihe und mit ihr das gesamte Gefüge der Siegel-, Posaunen- und Schalenvisionen zu, bis dann in der siebten Schalenvision Babylon „vor Gott gedacht“ wird, „um ihr den Becher mit dem Wein des grimmigen Zorns zu geben“ (Apk 16,19). Dieses Geschehen wird dann – eigens durch eine Engelrede (Apk 17,1) eingeleitet – in zwei Kapiteln quasi im ‚Großformat‘ präsentiert, wobei die vielstimmige Klage über ihren Untergang rhetorisch eindrücklich hörbar gemacht wird, bevor dann der himmlische Jubel über dieses Geschehen erklingt (Apk 19,1–10), in den auch die auf Erden lebenden Glaubenden einstimmen sollen (Apk 19,5). Der Fall Babylons, der Sturz des abgöttischen Weltherrschers, gilt nämlich als Vorbote oder gar als Vorbedingung der endgültigen Durchsetzung der Gottesherrschaft. Der Fall Roms und seiner Herrschaft ist es, worauf sich die ‚innergeschichtliche‘ Erwartung des Autors fokussiert. 4.1 „Zieht aus aus Babylon!“ – Die gegenwärtige Herausforderung der Gemeinden und die paränetische Zielrichtung der Apk In den Situationsbesprechungen der sieben Gemeindebriefe kommt das römische Imperium nicht explizit zur Sprache, es verbirgt sich allenfalls vielleicht in dem Hinweis, dass in Pergamon „der Thron des Satans“ (Apk 2,13) sei, was sich vielleicht auf die Vorreiterrolle dieser Stadt im provin-
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zialen Kaiserkult bezieht,178 aber sicher auch Feindseligkeit gegen die Christen impliziert. Diese manifestierte sich bereits in dem einen, hier erwähnten Martyrium eines gewissen Antipas, das wohl schon eine gewisse Zeit zurückliegt und für den Autor die Möglichkeit des Martyriums als Konsequenz der Glaubenstreue dokumentiert. Die Gegner, von denen in den Gemeindebriefen explizit die Rede ist, sind einerseits innergemeindlich: die Gruppe der Nikolaiten (Apk 2,6.15) bzw. – damit wohl zusammenhängend – eine ‚Prophetin‘ mit dem Decknamen „Isebel“ (2,20ff.) und Anhänger der „Lehre Bileams“ (Apk 2,14). Diese werden übereinstimmend als Verführer zu „Unzucht“, d.h. Götzendienst, und konkret zum Verzehr von Götzenopferfleisch bezeichnet. Dahinter steht nach einem breiten Konsens der Sachverhalt, dass diese aus der Sicht des Autors allzu ‚liberalen‘ Christen es an der Distanz zur paganen Stadtgesellschaft und ihrem von religiösen Aspekten und besonders vom „sozialen Zeichensystem“179 des Kaiserkults geprägten Leben fehlen ließen.180 Eine zweite polemische Invektive erfolgt gegenüber lokalen jüdischen Gruppen (Apk 2,9; 3,9), deren im Kontrast zu den christlichen Gemeinden rechtlich und sozial relativ gesicherte Stellung in den kleinasiatischen Städten dem judenchristlich geprägten Autor vermutlich selbst als allzu weitgehender Kompromiss mit der paganen Gesellschaft erschien.181 Im übrigen könnte das Interesse der kleinasiatischen Synagogen, sich von der ‚neuen‘ und daher suspekten Gruppe der Jesus-Nachfolger zu distanzieren,
178 Hier wurde der erste Kult für Augustus und die Dea Roma in der Provinz Asia eingerichtet, bereits im Jahr 29 v. Chr. S. dazu S. J. FRIESEN, Twice Neokoros. Ephesus, Asia and the Cult of the Flavian Imperial Family, RGRW 116, Leiden etc. 1993, 7–15. Die Stadt hatte bereits eine ältere Tradition des Herrscherkultes für die Attaliden, s. W. RADT , Pergamon. Geschichte und Bauten einer antiken Metropole, Darmstadt 1999, 245– 249. Zum Pergamon-Schreiben und zur Strukturierung des öffentlichen Raums durch den Kaiserkult s. H.-J. KLAUCK, Pergamon und der Kaiserkult, in: ders., Alte Welt und neuer Glaube. Beiträge zur Religionsgeschichte, Forschungsgeschichte und Theologie des Neuen Testaments, NTOA 29, Freiburg Schweiz/Göttingen 1994, 115–143 (besonders 119– 122). Klauck will auch den ‚Thron des Satans‘ mit dem nicht mehr genau lokalisierbaren Tempel des Augustus und der Dea Roma identifizieren (ibid., 123). 179 Der Terminus begegnet in ibid., 121; s. grundlegend S. R. F. P RICE, Rituals and Power. The Roman Imperial Cult in Asia Minor, Cambridge 1984. 180 Zur Diskussion s. neuerdings auch G. G UTTENBERGER, Johannes von Thyateira. Zur Perspektive des Sehers, in: Horn / Wolter (Hg.), Studien (s. Anm. 6), 160–188, die aufgrund der Besonderheiten des Sendschreibens an die Gemeinde von Thyatira und der ausführlichen Gerichtsankündigung an ‚Isebel‘ die interessante Vermutung aufstellt, dass die Apk besonders aus der Perspektive dieser eher unbedeutenden Stadt, sowie aus der spezifischen Gegenüberstellung zu dieser ‚Konkurrenzprophetin‘ verfasst sein könnte. 181 Die auffällige Bestreitung des Ehrennamens ‚Juden‘ und die polemische Assoziation der Synagoge mit dem Satan legen dies nahe.
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mit dazu beigetragen haben, diese einer verschärften Rechtsunsicherheit und Verfolgung von Seiten der römischen Institutionen auszusetzen.182 Die nur wenige Jahre später von Plinius d. J. (ep. X 96f.) für Bithynien berichtete und dort wohl schon eine gewisse Zeit etablierte Rechtspraxis könnte ein mögliches Szenario auch für die Asia bieten und so die Dynamik von Denunziation, staatlicher Untersuchung der Vorwürfe, Nötigung zum Kaiseropfer und der Alternative von Glaubensabfall oder Todesstrafe veranschaulichen. Doch selbst wenn dieser ‚harte Kaiserkult‘ – die Nötigung zum Opfer vor dem Kaiserbild – und die damit verbundene große Zahl von Märtyrern den Adressatengemeinden bislang nicht als eine alltägliche Gefahr begegnete, wenn also keine akute Verfolgung den Hintergrund der Abfassung der Apokalypse bildet (wie die Erwähnung von nur einem einzigen Märtyrer in den Gemeindebriefen nahelegt), ist der ‚weiche Kaiserkult‘, der die Mitwelt der Gemeinden wohl eher bestimmte, für den Autor in seiner judenchristlich geprägten, kompromisslosen Haltung mindestens ebenso gefährlich.183 Dieser ‚weiche Kaiserkult‘ war z.B. dann gegeben, „wenn jemand in einer Festmenge … mitlief oder an einem geselligen Vereinsmahl mit religiösen Obertönen teilnahm, weil er sich dem aus beruflichen Rücksichten nicht gut verschließen zu können glaubte und die Bekenntnisfrage davon überhaupt nicht tangiert sah.“ 184 Von den ‚liberalen‘ Gemeindegliedern, die wohl die völlige Nichtigkeit der paganen Kulte ‚erkannt‘ zu haben glaubten, wurde eine solche Beteiligung an der ‚civil religion‘ offenbar als unproblematisch angesehen (und gelehrt), während der Apokalyptiker in seiner Kompromisslosigkeit und aufgrund seiner Vorstellung der ‚reinen‘ Gemeinde diese Erkenntnis als Erkenntnis der „Tiefen des Satans“ (Apk 2,24) apostrophiert.185 Rekonstruiert man die Verhältnisse so, dann ist die Botschaft der Apokalypse nicht primär der Trost in Zeiten akuter Verfolgung, sondern – wie in den Gemeindebriefen dominant – die scharfe Warnung vor der Teilnahme an den vermeintlich harmlosen, aber idolatrischen Praktiken der paganen Stadtgesellschaft, an ihrem Handel und Wandel, als dessen ‚Gipfel‘ ihm der in den Städten der Asia intensiv geförderte, das ganze öffentliche 182 Zu den möglichen Szenarien s. P. H IRSCHBERG, Das eschatologische Israel, WMANT 84, Neukirchen-Vluyn 1999, 106–127; zur präziseren Erläuterung der Situation nach Einführung des fiscus iudaicus s. M. HEEMSTRA, The Fiscus Judaicus and the Parting of the Ways, WUNT II/277, Tübingen 2010, 105–133. 183 Zur hilfreichen Unterscheidung von ‚hartem‘ und ‚weichem‘ Kaiserkult s. KLAUCK, Pergamon (s. Anm. 178), 141f. 184 So ibid., 142. 185 Mit Recht vermutet K LAUCK, ibid., 130, dass die Nikolaiten selbst wohl wie Paulus in 1 Kor 2,10 von einer Erkenntnis der Tiefen Gottes gesprochen hatten. Ähnlich wie bei der polemischen Bezeichnung „Synagoge des Satans“ (Apk 2,9; 3,9) ist „Satan“ hier wohl zur polemischen Apostrophierung vom apokalyptischen Autor eingesetzt.
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Leben durchdringende Kaiserkult galt. Die Apk ist somit nicht primär ein Trostbuch, sondern eine dringende Mahnung und Warnung zum Standhalten in der Versuchung, „zur Glaubenstreue in schwerer Zeit“186. Die geforderte Eindeutigkeit des monotheistischen Bekenntnisses muss in der gegebenen Situation zu einer Distanznahme von Handel und Wandel der städtischen und provinzialen Gesellschaft, ja zu einem regelrechten ‚Auszug aus Babylon‘ führen: In den Gemeindebriefen ist dies in den Umkehrrufen zur Sprache gebracht, und in Apk 18,4 wird dann schließlich explizit als Aufforderung an alle Christen formuliert: „Zieht aus, mein Volk, aus ihr, damit ihr an ihren Sünden nicht teilhabt…!“ Hier liegt das paränetische „Hauptanliegen des Verf.[assers]“187. Es geht dem Autor im strikten Gegensatz zur Position seiner ‚liberalen‘ Mitchristen um eine Distanznahme, die um Gottes und um der eigenen ‚Reinheit‘ willen, auch um den Preis sozialer und ökonomischer Konsequenzen, ja ggf. des Martyriums (vgl. Apk 13,10), zu praktizieren ist und der dann – aber eben nur dann – die Bürgerschaft in der Gottesstadt (Apk 3,12; vgl. 21,7), Teilhabe am Hochzeitsmahl des Lammes (Apk 3,20; vgl. 19,9) und an der Herrschaft Gottes und Christi (Apk 3,21) verheißen ist. 4.2 „…bis die Zahl ihrer Brüder voll geworden ist“ – die erwartete Verschärfung der Situation und das Kommen des antichristlichen Herrschers Im Unterschied zu dem einen Märtyrer Antipas von Pergamon weiß der apokalyptische Hauptteil188 von einer größeren Zahl von Blutzeugen: Das Blut der um des Zeugnisses willen Getöteten schreit zum Himmel (Apk 6,9–11), alle die das Tier nicht anbeten, werden getötet werden (13,15), und die „Hure Babylon“ ist „betrunken vom Blut der Heiligen“ (Apk 17,6). Aus dem Kontrast zu Apk 2–3 und der Annahme, dass sich in den Gemeindebriefen am ehesten die aktuelle Situation der adressierten Gemeinden spiegelt, ist zu vermuten, dass die größere Zahl von Märtyrern, die im visionären Hauptteil begegnen, nicht der aktuellen Situation der Gemeinden entspricht. Das Motiv der vielen Blutzeugen ist daher entweder vom Autor aus seinen Traditionen übernommen – so evtl. in Erinnerung an die
186 So der Titel eines Aufsatzes von H. G IESEN, Ermahnung zur Glaubenstreue in schwerer Zeit, in: ders., Studien (s. Anm. 135), 214–227. 187 KLAUCK, Pergamon (s. Anm. 178), 139. 188 Zum Problem der Verhältnisbestimmung zwischen Apk 2–3 und Apk 4–21 s. auch meine Diskussion mit dem Entwurf von David Aune in J. FREY, The Relevance of the Roman Imperial Cult for the Book of Revelation. Exegetical and Hermeneutical Reflections on the Relation Between the Seven Letters and the Visionary Main Part of the Book, in: J. Fotopoulos (Hg.), The New Testament and Early Christian Literature in Greco-Roman Context. Studies in Honor of David E. Aune, NT.S 122, Leiden 2006, 231–255.
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neronische Verfolgung189 – oder als erwartete Folge einer noch zukünftigen Verfolgungssituation zu verstehen. Eine solche scheint der Autor zu erwarten, als unausweichliche Folge der von ihm geforderten GlaubensStandhaftigkeit und der Verweigerung gegenüber der paganen Gesellschaft und ihrer ‚totalitären‘ Idolatrie: Diejenigen, die sich der universalen Anbetung des Tiers nicht anschließen, werden Opfer von Gefangennahme und Tod (Apk 13,10.15). Das abgöttisch verehrte Tier bzw. seine Propagandisten sind aktiv am Vergießen des Blutes der Zeugen Jesu beteiligt, ja die ‚Hure Babylon‘ ist – wie rhetorisch übersteigert formuliert wird – ‚betrunken‘ vom Blut der Märtyrer (Apk 17,6). Diesen ‚wahren‘ Charakter der von Rom dominierten Gesellschaft will die Apokalypse ihren Lesern ‚enthüllen‘ – und zugleich den bei Gott bereits beschlossenen Untergang dieser Macht und den endzeitlich feststehenden Sieg des ‚Königs der Könige‘ und ‚Herrn der Herren‘ (Apk 19,16) über den Herrscher dieser Welt. Die Vielzahl der Märtyrer im Hauptteil bezieht sich insofern auf eine Situation, die in den adressierten Gemeinden noch nicht präsent ist, die der Autor aber in Bälde für alle Christen erwartet, die die von ihm propagierte Distanz von der paganen Gesellschaft wahren. Im Blick auf sie wird der ‚antichristliche‘ Charakter des von allen Bewohnern des Erdkreises (Apk 13,7f.12.14) abgöttisch verehrten ‚Tieres‘ offenbar werden, ökonomische Ausgrenzung (Apk 13,16f.) und tödliche Feindschaft (Apk 13,15) werden die Folgen sein. Die zeitliche Einordnung dieser Konstellation wird in Apk 17 präziser vorgenommen.190 Hier wird in Antithese zur dreiteiligen Gottesprädikation „der ist, und der war, und der kommt“ (Apk 1,4.8)191 auf das Tier aus Apk 13 zurückverwiesen als das, welches „war, nicht ist, aus dem Abgrund wieder aufsteigen und ins Verderben fahren wird“ (Apk 17,8). Das nach Apk 13,18 als ‚Nero‘ entlarvte Tier ist ‚jetzt nicht‘ und wird in (naher) Zukunft wieder kommen, und zwar „aus dem Abgrund“: Damit ist deutlich an die Traditionen vom Nero redux angespielt,192 derzufolge Nero aus dem
189 So könnte man die Märtyrer unter dem Altar (Apk 6,9) und die Rede vom „Blut der Heiligen, das in ihr [sc. Babylon] gefunden wurde“ (Apk 18,24) auf das Wissen um die Verfolgung der römischen Christen unter Nero zurückführen. 190 Zur ‚Fortschreibung‘ von Apk 13 in Apk 17 s. S ATAKE, Offenbarung (s. Anm. 93), 349; vgl. auch die Synopse zu allen Erwähnungen des ‚Tiers‘ bei A UNE, Revelation 17–22 (s. Anm. 158), 942f. 191 So KLAUCK, Do They Never Come Back? (s. Anm. 141), 282f. 192 Dazu s. MÜLLER, Offenbarung (s. Anm. 24), 297–300; A. Y ARBRO COLLINS, The Combat Myth in the Book of Revelation, HDS 9, Cambridge, MA. 1976, 176–183; KLAUCK, Do They Never Come Back? (s. Anm. 141). Die deutlichste Spur der Nerosage ist der Hinweis, dass der Wiederkommende mit seinen Verbündeten die große Hure vernichten wird, dass also der Nero redivivus selbst gegen Rom ziehen und dieses besiegen
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Osten, evtl. mit den Parthern, wiederkommen sollte, nun freilich in einer Wendung, die von einem Nero redivivus zu sprechen erlaubt:193 Nero kommt aus der Unterwelt, sein Tod ist – zumindest hier – vorausgesetzt. Dies nimmt die Aussagen aus Apk 13,3.12 über die tödliche Wunde des Tieres, die heil wurde, auf. – Freilich wird auch dieser Bezug noch durch die ergänzende Aussage modifiziert,194 dass dieses Tier anschließend „ins Verderben fahren“ soll, seine Macht also zum Untergang bestimmt ist. Während die ‚Erdenbewohner‘ über diese unverhoffte ‚Rückkehr‘ erstaunt sein sollen (Apk 17,9), sollen die Christen – wie der Appell an die Weisheit betont – sein wahres, dämonisches Wesen erkennen (Apk 17,9). Es bedarf hier keiner Entscheidung über die Deutung der Königsliste 195 in Apk 17,9ff., für die weder klar ist, mit welchem römischen Kaiser sie beginnen soll, noch dass sie tatsächlich alle Imperatoren in ihrer Gesamtheit umschließt. Da auch unklar ist, welcher Kaiser jener sechste ist, den V. 10 als gegenwärtig bezeichnet, und zudem die Frage zu diskutieren wäre, ob die Passage evtl. als Traditionsstück vor dem Abschluss oder der Herausgabe der Apokalypse entstanden ist, 196 bleiben alle ‚Lösungen‘ hier wenig tragfähig. 197 Jedenfalls spricht sowohl die Aussage über den sechsten König, der ist und als achter wiederkommen soll, wie auch der Hinweis in 17,12, dass die mit ihm verbündeten zehn Könige die Herrschaft noch nicht empfangen haben, 198 für die Deutung des achten Königs als eines noch zukünftigen, dessen Ankunft und Herrschaft erst erwartet wird. Nichts im Text deutet darauf hin, dass die Leser erkennen sollten, dass sie faktisch bereits unter dem achten Herrscher leben und der ihnen zugesandte Text unter dem sechsten geschrieben sei.
Zwei Aspekte sind jedoch wesentlich: Sieht man – wie die Textsignale nahelegen – die Gegenwart der Leser unter dem sechsten der Könige, so ist wird. Diese Tradition konkurriert letztlich auch mit der Darstellung des Falles der ‚großen Stadt‘ durch ein Erdbeben in Apk 16,19 193 S. die Diskussion bei KLAUCK, Do They Never Come Back? (s. Anm. 141), 283. 194 So S ATAKE, Offenbarung (s. Anm. 93), 349. 195 S. die Synopse der möglichen Bezüge bei A UNE, Revelation 17–22 (s. Anm. 158), 947. 196 Apk 17 war immer ein beliebtes Kapitel für literarkritische Hypothesen, s. schon BOUSSET , Offenbarung (s. Anm. 13), 287.414f., der eine zur Zeit Vespasians entstandene Quelle identifizieren wollte, der V. 1–7.9–11.15–18 angehörten; weiter R. B ERGMEIER, Die Erzhure und das Tier, in: ders., Das Gesetz im Römerbrief und weitere Studien zum Neuen Testament, WUNT 121, Tübingen 2000, 301–320. 197 Dies gilt auch für das Modell bei K LAUCK, Do They Never Come Back? (s. Anm. 141), 285, das mit einer faktischen Abfassung der Apk unter Domitian als dem achten Herrscher und einer suggerierten Abfassung unter Vespasian als dem sechsten annimmt, so dass die Adressaten Domitian als den wiedergekommenen Nero erkennen sollten. Dagegen steht, dass die Abfassung der Apk unter Domitian sehr umstritten ist, zweitens ist die Differenz zwischen suggerierter und tatsächlicher Jetztzeit in der Kaiserliste problematisch. Schließlich ist nach anderen Textdaten die Zeit der gottfeindlichen Verfolgung gerade noch nicht in der Gegenwart, unter dem jetzigen Herrscher anzusetzen. 198 Darauf weist mit Recht AUNE, Revelation 17–22 (s. Anm. 158), 950, hin.
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die Ankunft des Nero redivivus erst nach einem weiteren, dem siebten, der ‚kurze Zeit‘ regieren wird, zu erwarten. Damit wird die Erwartung der antichristlichen Bedrängnis trotz der Bestimmung der Nähe des Endes zeitlich unbestimmt belassen.199 Zweitens wird die Tradition vom Nero redux oder (wenn diese bereits vorchristlich existierte) Nero redivivus stark dämonisiert und damit zugleich mythisiert und über die bloß irdische ‚Ereignisgeschichte‘ hinaus gehoben. Die ‚Prognose‘ der Übernahme der Macht in Rom durch den aus dem Abgrund kommenden und zusammen mit verbündeten ‚Königen‘ Rom besiegenden, ja plündernden und brandschatzenden (Apk 17,16) Nero, dessen abgöttische Verehrung dann zu einer solchen Totalität gesteigert werden wird, dass damit für die Glaubenden die äußerste Verfolgung entsteht, übersteigt wohl auch für den Autor das ‚innergeschichtlich‘ Vorstellbare und folgt einer mythischen ‚Agenda‘. Betont wird zugleich stets die ‚kurze‘ Zeit dieser Bedrängnis: Das Tier und seine Verbündeten werden nach Apk 17,12 nur für „eine Stunde“ Macht haben; wobei bewusst formuliert wird, dass sie diese Macht „empfangen“ werden. Es handelt sich insofern um eine kurze, v.a. zeitlich bemessene Phase, analog zur kurzen Zeit, die nach Apk 12,12 der Drache auf Erden hat. Auch die Herrschaft des Tieres und seiner Vasallen ist letztlich der Geschichtsmacht Gottes nicht entnommen,200 selbst in dieser äußersten Bedrängniszeit erfüllt sich – wie Apk 17,17 ausführt – letztlich sein Plan und Weltregiment. Nur so ist es auch denkbar, dass die Erwartung dieser letzten Bedrängnis für den Autor im Horizont der Wende zum Heil steht; auch darin zeigt sich der Einfluss apokalyptischer Traditionen, die am ‚Vorabend‘ der Erlösung mit der äußersten Bedrängnis bzw. den letzten ‚Wehen‘ der Endzeit rechnen. 4.3 „Gefallen, gefallen, Babylon die Große!“ – Die Hoffnung auf den Fall Roms als Vorzeichen des Heils Wie schon mehrfach angedeutet, laufen strukturell alle Fäden der Darstellung in Apk 4–16 auf den Fall ‚Babylons‘, d.h. Roms zu. Die Dynamik der drei Siebener-Reihen zielt auf die letzte Vision, in der schließlich explizit vom Gericht über „Babylon die Große“ die Rede ist (Apk 16,19). Das ist es, was in Apk 17–18 in auffälliger Breite vor Augen und Ohren geführt 199 So SATAKE, Offenbarung (s. Anm. 93), 352. Eine andere Erklärung setzt voraus, dass nach der in OrSib 3,192.318.608f. vorliegenden Tradition an das siebte Königtum die messianische Zeit anschließt, und dass der Verfasser durch derartige Traditionsvorgaben genötigt war, seine Liste auf einen achten König auszudehnen (so BOUSSET, Offenbarung [s. Anm. 13], 407; aufgenommen bei BERGMEIER, Erzhure [s. Anm. 196], 316). 200 AUNE, Revelation 17–22 (s. Anm. 158), 951f.: „they receive authority to become kings ultimately from God, a view confirmed by v 17.“
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wird – mit deutlichen Hinweisen an die Adressaten, die verstehen sollen (17,9) und einer ungewöhnlich langen Erläuterung durch den Deuteengel (17,7–18), mit einer vielstimmigen Klage der Betroffenen (18,9–19) und dem expliziten Aufruf an die ‚Heiligen‘, sich über dieses Geschehen zu freuen (18,20). Textpragmatisch besonders auffällig ist eine, die LeserReaktion ‚vorstrukturierende‘ emotionale Reaktion des Sehers, der erst von der Gestalt Babylons erstaunt oder gar fasziniert ist und dann vom Engel über ihr „Geheimnis“ instruiert wird. Doch zeigt sich schon in der Reihe der Schalenvisionen eine vorbereitende Rezeption der Nerosage, wenn Apk 16,12 von der Austrocknung des Euphrats201 und von Königen vom Sonnenaufgang spricht. Während das erste aus Jer 51,36f. ableitbar ist, weisen die Könige deutlich auf das später rezipierte Motiv der Wiederkehr Neros von den Parthern voraus.202 Apk 17,16 entwickelt dieses Motiv in dem Sinne, dass die Hure (= Rom), von den mit dem Tier verbündeten Königen mit Krieg überzogen, verwüstet und verbrannt wird.203 Apk 17,16 ist die einzige Stelle in der Apk, an der die Eroberung und Zerstörung Roms durch fremde Heere vorgestellt ist.204 An allen anderen Stellen – und in offenkundiger Spannung zu dieser Tradition – erfolgt die Zerstörung Babylons sonst stets durch Gottes souveränes Gerichtshandeln, ohne eine Mitwirkung des ‚Tieres‘ und so, dass die ‚Könige der Erde‘ letztlich als Betroffene über ihren Fall klagen: So wird Babylons ‚Fall‘ schon proleptisch proklamiert in der himmlischen Stimme in Apk 14,8, die dann in 18,2 wiederholt wird: „Gefallen, gefallen, Babylon die Große!“ In der siebten Schalenvision erfolgt Babels Fall durch ein überdimensionales, theophan von Blitzen, Stimmen und Donnern begleitetes eschatologisches Erdbeben (Apk 16,18),205 wobei die Stadt in drei Teile zerfällt, d.h. vollkommen zerstört ist.206 Schließlich wird unmittelbar nach dieser Notiz noch gesagt, dass Babylon, der Großen, „vor Gott gedacht“ wurde,207 um ihr den Wein des Zorns einzuschenken (Apk 16,19; vgl. 201 202
Dieser war bereits in der sechsten Posaunenvision in Apk 9,14 erwähnt. In OrSib 4,120.139 ist der Euphrat der Fluss, über den der „große König“, d.h. Nero flieht und von wo er mit Heerscharen zurückkommt. 203 Weitere Details werden aus Ez 23,26–29 übernommen, wo Jerusalem mit einer Frau verglichen wird, die nackt ausgezogen wird. Im unmittelbaren Kontext spricht Ez 23,25 auch davon, dass die Überlebenden aus Jerusalem „mit Feuer verbrannt“ werden. 204 S. dazu AUNE, Revelation 17–22 (s. Anm. 158), 957 der auf Jer 51 und insbesondere die Targum-Version zu Jer 51,55 hinweist. 205 Dazu s. R. BAUCKHAM , The Eschatological Earthquake in the Apocalypse of John, in: ders., Climax (s. Anm. 141), 199–209. 206 Die „große Stadt“ ist auch hier (vgl. Apk 14,8; 17,18; 18,10.16.18f.21) auf Babylon = Rom zu beziehen, obwohl die Gegenüberstellung mit den „Städten der Völker“ (16,19) auf eine ursprünglich vielleicht mit Jerusalem verbundene Tradition hindeutet. 207 Zum Hintergrund in Gebeten s. AUNE, Revelation 6–16 (s. Anm. 152), 901.
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14,8). Diese Metapher wird dann in der erneuten Proklamation des Sturzes Babylons in Apk 18,1–3, die die Engelsstimme von 14,8 aufnimmt, variiert weitergeführt in dem Sinne, dass Babylon nun das zurückgegeben wird, womit sie die Völker zuvor verführte (vgl. Apk 18,6). Am Ende dieses Textstücks wird noch einmal ihr Sturz „an einem Tag“ durch Pest, Trauer, Hunger und Feuersbrunst proklamiert, abgeschlossen durch die Wendung: „denn der Herr, Gott, der sie richtet, ist stark“ (Apk 18,8). Schließlich bietet Apk 18,21 noch eine weitere (von Jer 51,63f. geprägte) Version, wenn ein Engel einen Mühlstein ins Meer wirft und proklamiert, dass Babylon „in einem Sturm“ (ὁρµήµατι) niedergeworfen und „nicht mehr gefunden werden“, d.h. definitiv beseitigt sein wird. Die wiederholte Proklamation, erweitert durch das Zitat der vielen um Babylon Klagenden (Apk 18,8ff.) und beantwortet durch den himmlischen Lobpreis der gerechten Gerichte Gottes, der „das Blut seiner Knechte gerächt hat“, zeigt die zentrale Bedeutung, die dieses Geschehen für die Apk hat. Den Abschluss bildet ein Satz, der in einer in der biblischen Tradition sonst unerreichten Weise nicht nur den Jubel, sondern auch die ‚Schadenfreude‘ der Erlösten über die Vernichtung der Gottlosen ausspricht: „Halleluja! Und ihr Rauch steigt auf in alle Ewigkeit“ (Apk 19,3).208 Auffällig ist jedoch, dass die Vernichtung Roms in mindestens zwei sehr unterschiedlichen Versionen vorgestellt wird, einerseits (mythisiert-) innergeschichtlich durch einen mit verbündeten Klientelkönigen aus dem Osten (oder aus dem Abgrund) wiederkommenden Nero, der die Stadt erobert, plündert und niederbrennt, und andererseits als ein ganz aus göttlicher Initiative und nach göttlichem Beschluss hereinbrechendes Geschehen des Gerichts und der Vergeltung für die von Rom ausgehende Verführung der Völker und Verfolgung der Christen, wobei die totale Vernichtung durch Erdbeben, Pest, Hunger und Feuer erfolgt. Die Doppelung der Traditionen zeigt, dass auch hier keine realistisch vorstellbare Ereignisfolge vorliegt, nach der etwa der Nero redivivus erst die Stadt erobern und seine Herrschaft dort aufrichten könnte, bis dann nach kurzer Drangsalszeit das göttliche Gericht einsetzte. Eine solche ‚Systematisierung‘, die freilich in Auslegungen verbreitet ist, wird den Texten nicht gerecht. Die Anhäufung von verschiedenartigen Aussagen über Babylons Fall, ungeachtet ihrer vorstellungsmäßigen Kohärenz dokumentiert aber vor allem, welches rhetorische und emotionale Gewicht auf dieser Ansage ruht, wie stark mithin die Apk als Ganze von einem zutiefst antirömischen Affekt, von der Sehnsucht nach der definitiven Beseitigung dieser Macht bestimmt ist, die die Christen als feindlich erfahren haben und von der sie nur das Schlimmste befürchten müssen.209 208 209
Vgl. Jes 34,10; im Kontext v.a. Apk 18,9.18. Treffend kommentiert bereits von BOUSSET , Offenbarung (s. Anm. 13), 137: „Selten wohl ist eine so entschlossene fulminante Streitschrift gegen ein herrschendes
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4.4 „Ja, ich komme bald!“ – Die Parusie Christi als Kern der eschatologischen Hoffnung Die Bedeutung des Sturzes des widergöttlichen bzw. widerchristlichen Weltherrschers hat nicht zuletzt deshalb so eminent zu sein, weil die Apk dieses Geschehen zugleich mit der Parusie Christi verbindet. Dass der Autor die Parusiehoffnung als eine zwar nicht terminierte, geschweige denn berechenbare, aber doch nach seinem Zeitempfinden ‚nahe‘ Erwartung teilt und vertritt, verbindet ihn zunächst mit vielen anderen frühchristlichen Autoren, wenngleich gegen Ende des ersten Jahrhunderts die Zahl der Entwürfe steigt, die diese Hoffnung problematisieren oder in ihrer Bedeutung zurücknehmen.210 Im deutlichen Kontrast dazu bestimmt die Parusiehoffnung diese Schrift von Anfang bis Ende, und gerade der liturgische Abschluss in Apk 22,20 (vgl. 22,17) mit dem Wechselgespräch zwischen der Gemeinde und Christus weist darauf hin, dass diese Hoffnung aus palästinischer (aramäischer) Tradition (1 Kor 16,22; vgl. Did 10,6) auch in der gottesdienstlichen Liturgie transportiert211 und so wohl sonntäglich ‚aktualisiert‘ wurde (vgl. auch Apk 3,20). Im Unterschied zu diesen knappen Formeln, in denen schlicht das Kommen Christi erbeten bzw. zugesagt wird, bietet Apk 19,11–16 eine breite Darstellung des Kommens des Parusiechristus, der als siegreicher Kämpfer auf einem weißen Pferd erscheint, begleitet von einem himmlischen Heer, martialisch seine Feinde vernichtet und seinen Mantel in (ihr) Blut taucht. Die Darstellung schöpft kaum aus den älteren frühchristlichen Parusietraditionen und ist eher als eine „symbolische Beschreibung“212 in feierlich verdichteter Sprache213 denn als ein realistisches Szenenbild zu lesen. Textliche Probleme bietet zudem die Nennung des Namens ὁ λόγος τοῦ θεοῦ in Apk 19,13b, die in Spannung zu 19,12 steht und auf eine eigene Entstehungsgeschichte dieser Darstellung hinweisen könnte.214 Die Verwendung dieses Hoheitstitels ist hier von Weish 18,15 bestimmt, wo
System geschrieben worden.“ Zur antirömischen Deutung s. auch schon E. STAUFFER, Christus und die Caesaren, Hamburg 1964, 160–209 und R. M. G RANT, The Sword and the Cross, New York 1955, 56–60, sowie zuletzt J.-W. T AEGER, Eine fulminante Streitschrift. Bemerkungen zur Apokalypse des Johannes, in: ders., Johanneische Perspektiven. Aufsätze zur Johannesapokalypse und zum johanneischen Kreis 1984–2003, hg. von D. C. Bienert und D.-A. Koch, FRLANT 215, Göttingen 2006, 105–120. 210 Zu nennen wären hier die deuteropaulinische Tradition (Kol, Eph, Pastoralbriefe), das lukanische Werk, das Johannesevangelium und – als die deutlichste Infragestellung im Neuen Testament – die hinter dem zweiten Petrusbrief zu erkennende Gegnerposition. 211 S. zur Diskussion AUNE, Revelation 17–22 (s. Anm. 158), 1234–1236. 212 So mit Recht ibid., 1046f. 213 So MÜLLER, Offenbarung (s. Anm. 24), 323. 214 S. die Diskussion in ibid., 323–325.
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das göttliche Wort als Krieger vom Gottesthron auf die Erde springt.215 Die Bezeichnung „treu und wahrhaftig“ (Apk 19,11) signalisiert seine unbestechliche Herrschaft; mit den einer Feuerflamme gleichen Augen (Apk 19,12) wird der Parusiechristus mit dem Menschensohngleichen von Apk 1,13 identifiziert; die Diademe betonen seine herrscherliche Position, und der Ehrentitel „König der Könige und Herr der Herren“ (vgl. Apk 17,14) unterstreicht noch ein letztes Mal die siegreiche Entgegensetzung zum römischen Kaiser und seiner usurpierten Göttlichkeit. Der ‚hohen‘ Christologie entspricht, dass Christus hier selbst die Initiative zum vernichtenden Gericht über die Feinde ergreift. „Bis jetzt war von einer direkten Beteiligung Christi an der Geschichte nicht die Rede. Aber jetzt kommt er vom Himmel herab, kämpft mit den gegengöttlichen Mächten und besiegt sie.“216 Dies verbindet die Parusieschilderung mit der Darstellung der tausendjährigen Herrschaft Christi (Apk 20,1–6), denn erst nach dieser, in Apk 20,11, wird Gott selbst bzw. sein Thron wieder zum Ausgangspunkt des Geschehens. Ein Bildfeld fehlt in dieser Parusieschilderung jedoch völlig, das der ‚Hochzeit des Lammes‘. Mit dieser Metaphorik, die viel stärkere Parallelen in der frühchristlichen Christologie und Ekklesiologie aufweist217 und in Mt 25 ausdrücklich auf die Parusie Christi bezogen ist, wird in Apk 19,7–9 die Parusie Christi eingeführt. Der himmlische Jubel ergeht nicht nur über das Gericht über die Hure (Apk 19,2–4), sondern auch, weil „die Hochzeit des Lammes gekommen“ ist und „seine Braut sich bereitgemacht“ hat (19,7). So steht das Bild der Hochzeit der Braut in schroffem Kontrast zum vorher beschriebenen Gericht über die Hure. Darüber hinaus ist das Bild der Hochzeit (das hier von Ps 44 LXX her geprägt ist)218 mit einem weiteren biblischen Bildfeld verknüpft, dem eschatologischen Freudenmahl, das nun zum „Hochzeitsmahl des Lamms“ wird (V. 9). Mit dem auffälligen Schreibbefehl und der anschließenden Seligpreisung der geladenen Gäste, die noch mit einer weiteren Wahrheitsformel bekräftigt wird, lenkt der Autor das Augenmerk stark auf die zur Feier geladenen Gäste, die Gerechten und Heiligen, zu denen die Adressaten des Werks gehören, sofern sie in der Versuchung den Glauben bewahren. So wird für sie auch die folgende Parusieschilderung, so martialisch sie ist, zur Durchsetzung der göttlichen
215 Dazu und zu möglichen Verbindungen mit Joh 1,1.14 und 1 Joh 1,1 s. F REY, Erwägungen (s. Anm. 91), 403–409. 216 S ATAKE, Offenbarung (s. Anm. 93), 378. 217 Vgl. Mk 2,19parr; Joh 3,29 für Christus als Bräutigam; 2 Kor 11,2f. für die Gemeinde als Braut; s. weiter Eph 5,21–33. Zum gesamten Bildfeld s. die ausführliche Diskussion bei R. ZIMMERMANN, Geschlechtermetaphorik und Gottesverhältnis, WUNT II/122, Tübingen 2001. 218 S. dazu ibid., 418–420.
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Gerechtigkeit gegenüber seinen Feinden, den „Siegern“ aber (vgl. Apk 21,7) zur Herbeiführung des endgültigen Heils. Entscheidend ist im vorliegenden Zusammenhang jedoch die Beobachtung, dass die Parusie Christi (bzw. die „Hochzeit des Lammes“) und die Aufrichtung der Königsherrschaft Gottes (Apk 21,6) engstens verknüpft ist mit dem Gericht über die Hure Babylon bzw. Rom, d.h. mit dem Sturz des widergöttlichen Weltherrschers. Diese drei ‚Ereignisse‘ sind zusammen Gegenstand der himmlischen Preisliturgie,219 und die Abfolge scheint nicht zufällig, sondern zeigt, „daß der Untergang der Hure Babylon gleichzeitig die konditionale Voraussetzung für das Kommen der Braut Jerusalem ist.“220 Es scheint, als müsse auf Erden die widerchristliche Herrschaft erst beseitigt werden, damit Gottes Königsherrschaft sich durchsetzen und die Vereinigung Christi mit den Seinen erfolgen kann.221 Und umgekehrt zeigt das Gericht über die Gottesfeinde, dass nun der universalen Manifestation der Herrschaft Gottes und Christi „kein Hindernis mehr im Weg“ ist.222 4.5 Zwei Bilder des Heils: Die ‚Herrschaft‘ der Auferweckten mit Christus und die Gottesgemeinschaft in der himmlischen Gottesstadt Am Ende der Apokalypse stehen, als ‚Folge‘ der Parusie Christi und im Rahmen einer von Ezechiel 37–48 und anderen frühjüdischen Traditionen bestimmten Szenenfolge, zwei Heilsbilder in einer narrativen Abfolge oder auch in einem sachlichen Nebeneinander, das Bild des – aufgrund der Bindung Satans ermöglichten – tausendjährigen Christusreichs (Apk 20,1–6) und das der Gottesstadt, des aus dem Himmel herabgekommenen Neuen Jerusalem (Apk 21,2 und 21,9–22,5) in der nach dem Schwinden der alten Welt erscheinenden neuen Welt (Apk 21,1). Im Blick auf beide Bilder – besonders aber das vom Christusreich – stellt sich die Frage, wie ‚irdisch‘ das Heil im Sinne der Apk vorzustellen ist. Beide Szenenbilder haben in unterschiedlicher Weise ‚irdische‘ Züge: das tausendjährige Christusreich, sofern man es als irdisches Christusreich versteht, und auch das ‚Neue Jerusalem‘, das wesentliche Züge den Bil219 S ATAKE, Offenbarung (s. Anm. 93), 374, vermutet, dass „diese Worte“ in der bekräftigenden Formel 19,9 sich auf die gesamten Ausführungen Apk 17f. beziehen, jedenfalls die Worte über den Sturz Babylons einschließen. 220 So mit Recht P. S ÖLLNER, Jerusalem, die hochgebaute Stadt. Eschatologisches und himmlisches Jerusalem im Frühjudentum und frühen Christentum, TANZ 25, Tübingen/Basel 1998, 253, der auf das streng exklusive Gegenüber der Hure Babylon und der Braut Jerusalem in den beiden komplementären Visionsbildern hinweist. 221 Eine mögliche Parallele könnte der rätselhafte ‚Aufhaltende‘ in 2 Thess 2,2 sein. In der Apk selbst ist immerhin das ‚apokalyptische‘ Maß der Vollzahl der Märtyrer (Apk 6,9f.) als ein Faktor genannt, der die Erlösung und das Gericht noch ‚bremst‘. 222 GIESEN, Offenbarung (s. Anm. 25), 411.
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dern des ‚alten‘, d.h. des irdischen Jerusalem entlehnt und fast vergessen lässt, dass nach Apk 21,1 die alte Welt gar nicht mehr existiert. Am ‚irdischen‘ Charakter der Heilserwartung haben sich die Interpreten in der langen Auslegungsgeschichte ‚abgearbeitet‘, und die Wertschätzung oder Zurückdrängung der Apk hat sich oft daran entschieden. Die zweite und für die Eschatologie mindestens ebenso entscheidende Frage ist, wie die beiden Visionsbilder miteinander sachlich zu verknüpfen sind, wenn die erzählte Visionenfolge sachliche Brüche aufweist und nicht einfach eine geschichtliche Abfolge darstellen kann, sondern sich in ihrem Arrangement als Resultat einer Anlehnung an ein von Ez 37–48 vorgegebenes Schema bzw. als Parallelbildung zu einer auch in 4 Esra und 2 Baruch (vgl. OrSib 3,652–660)223 erkennbaren Folge von Messiasreich und Gottesreich erkennen lässt.224 Was kommt in diesen beiden Bildern sachlich zur Sprache? Dass beide Hoffnungsbilder vom Autor in einer (eschatologischen) Zukunft verortet werden und nicht als schon gegenwärtige Wirklichkeiten zu lesen sind, geht aus der Tatsache hervor, dass ihnen die Zeit des wiederkommenden Nero, der Fall Roms und die Parusie nicht nur in der Erzählfolge, sondern auch sachlich vorausgesetzt sind.225 Insofern hält die neueste Arbeit zum ‚Millennium‘ von Thomas J. Bauer mit Recht fest, dass für diese Passage im Sinne des apokalyptischen Autors nur eine ‚endgeschichtliche‘ Deutung in Frage kommt. Die von ihm dann gebotene Alternative zwischen einer „realistisch-endgeschichtlichen“ und einer „symbolisch-endgeschichtlichen“ Deutung leidet freilich darunter, dass Bauer letztere im Sinne eines „Symbol[s] abstrakter Heilserwartung“ versteht und dann mit Recht für Apk 20 abweist.226 Seine Entscheidung für ein realis-
223 Zu 4 Esra und 2 Baruch s.o. Abschnitt IV.5. OrSib 3,652–660 bietet die Abfolge: Messianisches Reich – Angriff der Könige und ihre Vernichtung – friedliches Leben und Wohlstand der Söhne Gottes. Vgl. S ATAKE, Offenbarung (s. Anm. 93), 384 Anm. 750. 224 S.o. Abschnitt III.3 und AUNE, Revelation 17–22 (s. Anm. 158), 1104–1108. Es ist fraglich, ob das Fehlen einer inhaltlichen und handlungslogischen Stimmigkeit dem Unvermögen des Autors anzulasten ist, wie dies bei BAUER, Messiasreich (s. Anm. 25), 351, letztlich geschieht. 225 So ibid., 349; ebenso S ATAKE, Offenbarung (s. Anm. 93), 392. Anders z.B. BEALE, Revelation (s. Anm. 19), 984–1021, der die tausend Jahre der Fesselung des Drachen ebenso wie die himmlische Existenz der Seelen der Toten schon in der Gegenwart ansetzen will. Doch diese ‚amillenialistische‘ Deutung des Millennium auf die Zeit der Kirche erscheint – auch in ihrer Antithese gegen die in Nordamerika verbreiteten milleniaristischen Interpretationen – letztlich als eine gewaltsame Lesart, zumindest eine sekundäre hermeneutische Operation, die vom Text so nicht gedeckt ist. 226 BAUER, Messiasreich (s. Anm. 25), 349. Eine solche symbolische Deutung ist zuletzt wieder formuliert bei S. S. SMALLEY, The Revelation of John, 504: „the millennium of Rev. 20 should be interpreted broadly, as ultimately a symbol for the timeless reign of
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tisch-endgeschichtliches Verständnis, demzufolge der Autor tatsächlich „ein zukünftiges, zeitlich begrenztes, irdisches Messiasreich“227 verkünden wolle und die Spannungen und Brüche im Text letztlich seine Unfähigkeit zur kohärenten Darstellung dokumentieren,228 muss aber auch kritisch reflektiert werden. Immerhin nimmt Bauer die Unvollständigkeit der Angaben in Apk 20,4–6 sehr wohl wahr, und es ist zu vermuten, dass der Autor selbst sich dessen bewusst war, dass er seinen Text literarisch komponiert und strukturiert hat und dass einzelne Aspekte der Bilder auch über alles irdisch-geschichtlich Vorstellbare hinausgehen, so insbesondere die kubische Gestalt des Neuen Jerusalem. Insofern wird man hinter der vom Autor temporal und szenisch geschaffenen Bilderfolge doch eher einzelne sachliche Aspekte oder sich ergänzende Bilder jenes Heils sehen müssen, das als Folge der Parusie Christi und der in mehreren Anläufen und Etappen erfolgenden Vernichtung der finsteren Mächte heraufgeführt wird. Auch diese Heilsbilder fügen sich in die paränetische Gesamtintention des ganzen Werkes ein, doch reicht ihre ‚Strahlkraft‘ weit über diese hinaus229 – wie ja auch die Wirkungsgeschichte beweist.230 4.5.1 „…und herrschten mit Christus tausend Jahre“: Die physische Wiederherstellung und Rehabilitation der Märtyrer Die erste der beiden Szenen, Apk 20,4–6,231 ist narrativ gerahmt durch die Bindung Satans für eine bestimmte, 1000-jährige Frist (Apk 20,1–3). Nach dieser Zeit „muss“ er noch einmal für kurze Zeit freigelassen werden (Apk 20,3.7). Die Periode erscheint mithin als ein „Zwischenreich“ der Herrschaft Christi mit den Seinen, eine ‚Heilszeit‘ vor dem endgültigen Schwinden dieses Äons, und das δεῖ in 20,3 vermittelt auch hier den GeGod in Christ, in heaven and on earth. The figurative expression ‚a thousand years‘, does not refer to a period of time, even if the millennium includes a material dimension.“ 227 BAUER, Messiasreich (s. Anm. 25), 350. 228 Ibid., 351. 229 Die von BAUER vorgenommene rein paränetische Sinnbestimmung von Apk 20,4–6, gar noch in dem Sinn, dass der Verfasser seine Adressaten nicht trösten, sondern ihnen mit der Warnung vor dem ‚zweiten Tod‘ „Angst machen“ wollte (ibid., 276), bestimmt den Sinn des kryptischen Abschnitts dann doch zu einseitig. 230 Zur Wirkungsgeschichte des Chiliasmus s.o. Abschnitt II.1. 231 Dazu s. grundlegend F REY, Millennium (s. Anm. 22), 18–67; weiter A. W IKENHAUSER, Die Herkunft der Idee des tausendjährigen Reiches in der Johannes-Apokalypse, RQ 40 (1937), 1–24; H. BIETENHARD, Das tausendjährige Reich. Eine biblischtheologische Studie, Zürich 21955. P. PRIGENT , Le millénnium dans l’Apocalypse johannique, in: F. Raphaë (Hg.), L’Apocalyptique, Paris 1977, 139–156; E. S CHÜSSLERFIORENZA, Priester für Gott. Studien zum Herrschafts- und Priestermotiv in der Apokalypse, NTA 7, Münster 1972, 291–344; KARRER, Himmel (s. Anm. 101), sowie zuletzt ausführlich BAUER, Messiasreich (s. Anm. 25).
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danken eines apokalyptischen ‚Geschichtsplans‘ und v.a. der göttlichen Macht, die auch das Treiben der bösen Mächte nur zulässt und begrenzt.232 Bei näherem Hinsehen bleiben jedoch viele Details in der knappen Szene unklar, und als Bild der ‚messianischen Herrschaft‘ erscheint das knappe Intermezzo unvollständig und dürftig, gerade im Vergleich mit seinen frühjüdischen Parallelen.233 Dies ist für die Interpretation von Bedeutung und sollte v.a. vor textfremden Eintragungen oder Systematisierungen warnen, aber auch die Frage aufwerfen, wie groß das Gewicht dieser Szene letztlich im Ganzen des eschatologischen Hoffnungsgefüges ist. Wenn am Anfang eine ‚Gerichtsszene‘ mit Thronen erscheint („Und ich sah Throne, und sie setzten sich darauf…“), bleibt zunächst völlig offen, was für ‚Throne‘ gemeint sind, wo diese aufgestellt werden sollen, und wer denn in welcher Funktion darauf Platz nehmen soll. Ist hier ein himmlischer Thronrat vorgestellt, ein Gremium von Engeln oder Heiligen, oder sollen sich diejenigen darauf setzen, von denen erst danach gesagt wird, dass sie wieder zum Leben gelangen und mit Christus herrschen sollen? Handelt es sich mithin um Gerichtsthrone oder um Ehren- oder Herrscherthrone? Der Schluss von V. 4a ist in seiner Übersetzung besonders unklar: καὶ κρίµα ἐδόθη αὐτοῖς kann entweder heißen: „und ihnen wurde das Gericht (die Gerichtsvollmacht) übergeben“ oder „und ihnen wurde das (positive) Gerichtsurteil gegeben“, d.h. Recht verschafft. Klärung kann hier nur die Rückfrage nach den biblischen Hintergründen bringen. Zum Gerichtsthron aus Dan 7,9 liegt hier keine wirkliche Parallele vor, denn dort nimmt auf dem Richterthron nur einer Platz, Gott selbst, und ein anderes ‚Richterkollegium‘ begegnet sonst in der Apk nicht – auch die den Thron umgebenden Wesen in Apk 4 fungieren nicht als Richter.234 Aufschlussreich erscheint jedoch ein zusätzlicher Bezug auf Dan 7,22, wo zwar keine Throne erwähnt werden, aber gesagt wird, dass den „Heiligen des Höchsten“ – je nach Übersetzung – Gerichtsvollmacht (κρίµα) gegeben oder auch Recht verschafft wurde und sie dann auch die Königsherrschaft (βασιλεία) empfingen; und in Anlehnung an diese Stelle wird in Apk 20 nach der Erwähnung der ‚Throne‘ vom „Herrschen“ (βασιλεύειν) der Auferstandenen mit Christus gesprochen (Apk 20,6). Da eine Gerichtsfunktion der zu-
232 Die Deutung dieses Motivs als anti-enthusiastische Korrektur der Heilserwartung der Adressaten (so BAUER, Messiasreich [s. Anm. 25], 285f.) und damit einer Abwehr einer (deutero-)paulinisch geprägten Sicht, derzufolge die erste Auferstehung bereits jetzt, in der Taufe, stattgefunden habe, erscheint angesichts des theologiegeschichtlichen Kontextes der Apk zwar möglich, aber vom konkreten Text her doch zu wenig begründet. 233 S. dazu den Exkurs bei S ATAKE, Offenbarung (s. Anm. 93), 389–392. 234 Gegen J. W. MEALY, After the Thousand Years. Resurrection and Judgment in Revelation 20, JSNT.S 70, Sheffield 1992, 103–106, der die 24 Ältesten aus Apk 4 in das vorliegende Bild einträgt.
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nächst nicht näher bezeichneten Pluralität von Personen235 ganz unausgeführt bleibt und keine Präzisierung erfolgt, über wen hier eigentlich geurteilt werden soll, ist somit m.E. eher anzunehmen, dass das Gewicht auf dem Aspekt der ‚Inthronisation‘ selbst, d.h. der Einsetzung in eine besondere Würde oder eben in die Mitherrschaft mit Christus liegt. In den Thronen sind insofern in erster Linie Ehren- oder Herrscherthrone236 zu sehen. Damit hängt zusammen, wer auf den Thronen Platz nehmen soll: Ist zwischen denen, die sich darauf setzen sollen, und denen, die auferweckt werden und mit Christus herrschen sollen, zu unterscheiden,237 oder handelt es sich um dieselbe Gruppe? Eine eindeutige Entscheidung ist kaum möglich, aber „mit weniger Schwierigkeiten beladen“238 ist m.E. die zweite Lösung, die damit rechnen muss, dass der Autor die Thronenden nachklappend präzisiert, aber gerade so das Augenmerk auf diese Gruppe legt, die dann mit Christus herrschen soll.239 Deren ‚ethische‘ Qualität wird V. 4b besonders hervorgehoben: es sind diejenigen, „die enthauptet waren um des Zeugnisses von Jesus und des Wortes Gottes willen, und die nicht angebetet hatten das Tier...“ Die Mitherrschaft mit Christus ist also nach V. 4 präzise jenen Märtyrern und Bekennern zugesagt, die in der vom Autor noch erwarteten antichristlichen Versuchung standhaft bleiben werden und die Distanz v.a. von der Herrscherverehrung und den mit ihr gegebenen ‚Kompromissen‘ wahren, wie dies der Autor in seinem Werk fordert. Während in anderen Darstellungen des messianischen Reiches diejenigen, die zu jener Zeit leben, an diesem Reich Teil haben, ist hier von einer speziellen ‚ersten Auferstehung‘ die Rede. Die Teilhabe an diesem Reich ist daher offenbar nur den getöteten Bekennern und Märtyrern zugesagt, die zu dieser Herrschaft eigens auferweckt werden. Insofern liegt auf der Identifikation dieser Personengruppe das eigentliche Gewicht. Dabei nimmt die Rede von den „Seelen derer, die enthauptet waren“ Apk 6,9–11 auf, wo diese „Seelen“ unter dem Altar nach Gerechtigkeit verlangten und ihnen gesagt wurde, sie hätten sich noch zu gedulden, bis die Vollzahl ihrer Brüder ebenfalls den Märtyrertod erlitten habe. Nach Apk 13,15 sollen unter der Herrschaft des ‚Tieres‘, d.h. dem neuen Nero, alle getötet werden, die sein Bild nicht anbeten und sein Zeichen nicht annehmen. Sollte der Autor also voraussetzen, dass bei der Parusie und dem Anbruch des Christusreiches alle wahren Christen den Zeugentod gestorben sind? Explizit gesagt 235 Im Hintergrund steht hier wohl die Vorstellung, dass Gott in seinem Gericht von einem Hofstaat umgeben ist; vgl. auch 1 Hen 47,3. 236 So auch R OLOFF, Offenbarung (s. Anm. 25), 193; GIESEN, Offenbarung (s. Anm. 25), 431f. 237 So etwa MÜLLER, Offenbarung (s. Anm. 24), 336. 238 S ATAKE, Offenbarung (s. Anm. 93), 386. 239 So auch KRAFT , Offenbarung, 257: „Der Verfasser denkt an die, die er anschließend aufzählt.“
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wird dies freilich nicht, und im Grunde bleibt völlig offen, wer zu jener Zeit überhaupt noch am Leben sein soll. Das Interesse gilt hier nur denen, die an der ‚ersten Auferstehung‘ teilhaben sollen. Die Vision von der Mitherrschaft der Märtyrer im tausendjährigen Reich Christi schildert insofern in erster Linie die Erfüllung des von den Seelen der Märtyrer in Apk 6,9 geäußerten Verlangens.240 Nun werden jene, die dort nach Rache schrien, samt jenen, die noch hinzukommen sollten, wieder ins Recht gesetzt. Den Märtyrern, die „getreu bis in den Tod“ (2,10) der Verführung zur Idolatrie widerstanden haben, wird am Ende jene Würde zuerkannt, die ihnen zu Lebzeiten verwehrt war. Ihre Rehabilitation geschieht als Inthronisation zur Mitherrschaft mit Christus in seinem Reich. Dazu werden sie in einem Akt der eigens vorgezogenen ‚ersten‘ Auferstehung leiblich restituiert, so dass sie an der Herrschaft Christi teilnehmen können. Dass es vor allem um diesen einen Aspekt geht und eben keine kohärente Vorstellung von ‚Herrschaftsverhältnissen‘ oder gar einer bestimmten ‚Epoche‘ im Endzeitgeschehen vermittelt wird, ist angesichts der Lückenhaftigkeit des Szenenbildes deutlich. So bleibt völlig unklar, über wen die hier Auferweckten eigentlich herrschen sollen. Ein Objekt ihrer Herrschaft fehlt. Sollen sie über die Völker herrschen, gar – wie der Messias selbst (Apk 12,5) – sie „mit eisernem Stabe weiden“, wie das den Standhaften der Thyatira-Gemeinde zugesagt wird (Apk 2,26f.)? Allerdings fehlt in der vorliegenden Szene jeder Hinweis darauf, und der Status der Völker während dieser Zeit wird nicht präzisiert, außer der Notiz, dass sie vom Satan nicht mehr verführt werden. Doch ist schon diese Notiz in Apk 20,3 unklar, wenn zuvor von der Vernichtung der ‚Könige auf Erden‘ (Apk 19,19– 21) und der ‚übrigen‘, die mit ihnen gegen den Parusiechristus kämpften, die Rede war. Sollte es ‚danach‘ überhaupt noch Könige und Heere und Völker geben? Herrschen die auferweckten Märtyrer überhaupt über jemanden? Oder ist ihre ‚Herrschaft‘ gerade als eine ‚Herrschaft ohne Beherrschte‘ charakterisiert – und damit letztlich nur als ein Zustand der restituierten Ehre und Würde – freilich einer Restitution, die nicht in der geistigen oder forensischen Dimension bleibt, sondern sich in einer physischen Realität ‚verleiblicht‘ – dem leiblichen Leiden und Tod, den sie erdulden mussten, entsprechend? Die benannten offenen Fragen, die sich noch vermehren ließen, machen deutlich, dass es hier nicht um eine auch nur in Ansätzen hinreichende Be240
Die in Apk 20,4 genannten, augenscheinlich zu unterscheidenden Personengruppen der Enthaupteten und derer, die die Anbetung des Tieres und die Annahme seines Zeichens verweigert haben, sind aufgrund von Apk 13,15 doch wohl als ein und dieselbe Gruppe anzusehen. Wer das Tier nicht anbetet, wird in der ‚antichristlichen‘ Versuchung nach der Befürchtung des Apokalyptikers wohl getötet werden müssen.
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schreibung der Zustände in einer Periode der irdischen Herrschaft Christi geht. Es ist nicht einmal eindeutig, ob die Throne überhaupt auf der Erde aufgestellt werden sollen – die Herrscherthrone sind wie die dann Herrschenden merkwürdig ‚ortlos‘. Dies ist auffällig im Vergleich mit den biblischen und frühjüdischen Aussagen zur messianischen Zeit: Apk 20,4–6 weiß weder von einer besonderen Lebensdauer der in dieser Epoche lebenden Menschen noch von einer paradiesischen Fruchtbarkeit der Natur. Die Periode der Herrschaft Christi ist auch nicht eigens als Friedensreich gekennzeichnet, auch wenn dies – solange die Völker nicht verführt werden – impliziert sein mag. Erst die spätere Auslegung hat das Millennium mit alttestamentlichen Aussagen über die messianische Zeit in Verbindung gebracht und die Einzelzüge der tausendjährigen Herrschaft Christi ausgemalt,241 womit jedoch verkannt wurde, dass in jenen alttestamentlichen Texten „dieses messianische Reich als ein endgültiges und ewiges verheißen ist, während es in Apk 20 eine Vorstufe der Vollendung“242 bzw. der immerwährenden Gottesherrschaft im Neuen Jerusalem vorgeordnet ist. Es ist daher sachlich verwehrt, Aussagen wie Jes 2,2–9 und Jes 11,6–10 einfach mit der neutestamentlichen ‚Messiasherrsschaft‘ in Apk 20 zu verbinden oder gar in diesem Millennium vorwiegend die Erfüllung der Verheißungen an Israel zu sehen, wie dies in der dispensationalistischen Auslegung geschieht. Dies verkennt nicht nur die Komposition der Apk, sondern auch den andersartigen Kontext der alttestamentlichen und frühjüdischen Texte über ein ‚messianisches‘ Reich, der sich von der durch Christus veränderten Situation klar unterscheidet. Schließlich ist – gegen alle dispensationalistischen Zuordnungen – zu bemerken, dass z.B. der Tierfriede von Jes 11,6–10 in Jes 65,25 aufgenommen wird, d.h. im Kontext jener Aussagen von der neuen bzw. erneuerten Schöpfung (Jes 65,17ff.), auf die sich Apk 21 explizit zurückbezieht.243
Die Beschränktheit der Aussagen in Apk 20,4–6 ist von großem sachlichem Gewicht. Sie ernst zu nehmen, heißt, dass es nicht angehen kann die hier vorhandenen Lücken durch andere alttestamentliche oder frühjüdische Aussagen oder durch textfremde Eintragungen aufzufüllen. Nicht einmal Konjekturen aus anderen Texten der Apk können das Bild ‚auffüllen‘. Es ist daher „müßig zu fragen, wer außer den Auferweckten noch am Millennium teilnimmt.“244 Es wird hier nichts darüber gesagt, ob alle wahren Christen das Martyrium erleiden sollen oder ob einige die Parusie und den Herrschaftsantritt Christi erleben sollen. Ebensowenig wird geklärt, ob die hier auferweckten Teilhaber an Christi Herrschaft anschließend wieder sterben sollen (wie z.B. in 4 Esra 7) oder ob und wie sie über die anschließend berichteten Kämpfe und Gerichte (Apk 20,7–10) sowie über das Ver241
S. die Übersicht bei BIETENHARD, Reich (s. Anm. 231), 126–144 (v.a. die Tabelle S. 138f.). 242 So ibid., 135. 243 Darauf weist B IETENHARD, ibid., 135, hin. 244 So richtig BAUER, Messiasreich (s. Anm. 25), 351.
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gehen des ersten Himmels und der ersten Erde (Apk 21,1) hinweg an der Gottesstadt und der ewigen Gottesgemeinschaft teilhaben sollen. Letzteres ist v.a. durch Apk 21,1 im Grunde nicht denkbar. Alle diese offenen Fragen weisen darauf hin, dass dem Gedanken des ‚Zwischenreichs‘ in der Apk nur ein begrenztes Gewicht beigemessen wird245 und dass es letztlich im Interesse einer spezifischen Intention aufgenommen wird. Diese lässt sich am ehesten so bestimmen, dass es dem Autor darum geht, die (schon in Apk 6,9 geforderte) Rehabilitierung und physisch-leiblich konkrete Ehrung der Märtyrer in Aussicht zu stellen. Dies sollte natürlich auch in der Gegenwart die Adressaten motivieren, im Gegenüber zum Herrscherkult und anderen Bedrohungen eine eindeutige Position zu bewahren und diese in der erwarteten großen Versuchung durchzuhalten. Dies zeigt nicht zuletzt der betonte Makarismus in Apk 20,6: Die Adressaten sollen zu einem Verhalten motiviert werden, das sie – wohl um den Preis des Martyriums – zu Teilhabern an der „ersten Auferstehung“ werden lässt246 und so vor dem „zweiten Tod“ bewahrt. 4.5.2 „Siehe, die Wohnung Gottes unter den Menschen!“ Die ewige Gemeinschaft mit Gott und Christus in der neuen Gottesstadt Das zweite, wesentlich ausführlichere Heils-Bild, das klimaktisch die Apk abschließt, ist die Vision vom Neuen Jerusalem, der vom Himmel herabkommenden Gottesstadt.247 Die vielfältigen Probleme dieses extrem wirkungsvollen Textes können hier nur sehr abgekürzt erörtert werden.248 245 Dass der Autor „an dieser Erwartung kein besonderes Interesse hatte“ (ibid., 274), erscheint allerdings auch problematisch, denn er war zur Aufnahme einer solchen Vorstellung keineswegs genötigt, wenn er seine Adressaten nur zum Standhalten ermahnen wollte; selbst eine Drohung mit dem ‚zweiten‘ oder ewigen Tod hätte er ohne weiteres ohne die Rezeption einer solchen Vorstellung formulieren können. 246 ROLOFF, Offenbarung (s. Anm. 25), 193f.: „Die Größe der Verheißung lohnt den Einsatz, geht es dabei doch um nichts Geringeres als um die ganze, unzerstörbare Christusgemeinschaft.“ 247 Zu dieser Passage s. W. W. R EADER, Die Stadt Gottes in der Johannesapokalypse, Diss. theol. (masch.), Göttingen 1971; U. S IM, Das himmlische Jerusalem in Apk 21,1–22,5 im Kontext biblisch-jüdischer Tradition und antiken Städtebaus, BAC 25, Trier 1996; D. PEZZOLI-OLGIATI, Täuschung und Klarheit. Zur Wechselwirkung zwischen Vision und Geschichte in der Johannesoffenbarung, FRLANT 175, Göttingen 1997, 161–186; SÖLLNER, Jerusalem (s. Anm. 220), 188–261; P. LEE , The New Jerusalem in the Book of Revelation, WUNT II/129, Tübingen 2001, bes. 239–304, sowie C. DEUTSCH, The Transformation of Symbols. The New Jerusalem in Rv 21,3–22,5, ZNW 78 (1987), 106–126. 248 Diachrone Hypothesen zur Komposition, z.B. über eine Einfügung von 21,5–22,2 in einen älteren Zusammenhang 21,3f + 22,3–5 (so z.B. A UNE, Revelation 17–22 [s. Anm. 158], 1115; auch R. BERGMEIER, „Jerusalem, du hochgebaute Stadt“, in: ders., Gesetz [s. Anm. 196], 262–282, der mit einem jüdischen Traditionsstück 21,9–22,2 rech-
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Zunächst stellen sich strukturelle Fragen: Im vorliegenden Text erscheint Apk 21,1–8 als Schlussabschnitt der von 19,11 bis 21,8 reichenden Visionenfolge, die ihrerseits ‚angehängt‘ ist an 17,1–19,10 und damit an die letzte Einladung des Deuteengels zur Schau der Hure Bablyon, ihres Falls und seiner Konsequenzen (Apk 17,1). Dieser korrespondiert dann die neuerliche Einladung zur Schau der „Braut“, der „Frau des Lammes“ (Apk 21,9), so dass die beiden ‚Frauenbilder‘ am Ende der Apokalypse in wirkungsvoller Weise kontrastiert werden. 249 19,11–21,8 kann insofern als ein Teil verstanden werden, der den Übergang von ‚Babylon‘ zum ‚Neuen Jerusalem‘ markiert.250 Andererseits wird die Herabkunft des Neuen Jerusalem mit wesentlichen Implikationen bereits in Apk 21,2–7 vorgeführt, und 21,9–27 bietet dann einen detaillierteren Blick auf die Stadt. 251 Insofern gehören 21,1–8 und 21,9–22,5 sachlich-thematisch zusammen.252 Dabei ist zwischen 21,1 – der Schau einer neuen Schöpfung anstelle der alten – und 21,2–22,5 noch einmal zu unterscheiden. 253
Die Gegenüberstellung der ‚Braut Jerusalem‘ und der ‚Hure Babylon‘ lässt das Schlussbild der Apokalypse in die textpragmatisch wirkungsvolle Reihe der ‚Frauenbilder‘ rücken, die schon zuvor mit der ‚Sonnenfrau‘ in Apk 12 beginnt254 und von hier aus zugleich ekklesiologische Relevanz trägt, insofern in diesen Bildern eine Chiffre der Zugehörigkeit zu ‚Zion‘ bzw. ‚Jerusalem‘ oder ‚Babylon‘ begegnet und damit auch das ethische Verhalten eine Rolle spielt – ohne dass das Bild dadurch seinen eschatologischen Charakter verlieren könnte. Dass das Neue Jerusalem in einer eschatologischen Zukunft zu verorten ist, leidet keinen Zweifel, doch ist diese natürlich an das Verhalten in der Gegenwart gebunden (vgl. 21,8). Ebenso wenig wie das Millennium ist das Neue Jerusalem ein Bild der gegenwärtigen Gemeinde, es ist vielmehr eindeutig in einer zukünftigen, neuen Schöpfung lokalisiert und durch 21,1 ausdrücklich von der gegenwärtigen Schöpfung getrennt.
net), brauchen hier nicht erörtert zu werden, da der Sinn der Komposition aus dem überlieferten Text zu erheben ist. 249 S. dazu DEUTSCH, Transformation (s. Anm. 247), 122–124; S ÖLLNER, Jerusalem (s. Anm. 220), 251–253. 250 So LEE, Jerusalem (s. Anm. 247), 244, im Anschluss an R. BAUCKHAM, Structure and Composition, in: ders., Climax (s. Anm. 141), 1–37 (21f.). 251 Analog dazu hatte Apk 17f. den schon proklamierten und visionär geschauten Fall Babylons ebenfalls in einer ‚Großaufnahme‘ dargeboten. 252 Zu den Entsprechungen s. S ÖLLNER, Jerusalem (s. Anm. 220), 188f.; M ÜLLER, Offenbarung (s. Anm. 24), 356; ROLOFF, Offenbarung (s. Anm. 25), 197 253 So P EZZOLI-OLGIATI, Täuschung (s. Anm. 247), 163. 254 S. dazu FREY, Himmelskönigin (s. Anm. 5); zur Sequenz der Frauenbilder D ERS., Bildersprache (s. Anm. 115), 178–182; weiter A. YARBRO COLLINS, Feminine Symbolism in the Book of Revelation, Biblical Interpretation 1 (1993), 20–33; D. P EZZOLIOLGIATI, Zwischen Gericht und Heil. Frauengestalten in der Johannesoffenbarung, BZ 43 (1999), 72–91.
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Zugleich nimmt Apk 21 einige der ‚Siegerprüche‘ der Gemeindebriefe in Apk 2–3 auf255 – freilich sind andere dort geäußerte Zusagen an die ‚Sieger‘ wie etwa die Rede von der „Säule im Tempel Gottes“ (Apk 3,12) oder der „weiße Stein“ (Apk 2,11) gerade nicht in diesem Schlussbild enthalten oder stehen zu ihm sogar in Spannung, und weitere wie das „Thronen mit Christus“ (Apk 3,21) klingen eher in Apk 20,4–6 nach. Auch andere in Apk 1–20 wesentliche Motive256 wie z.B. der Thronsaal Gottes, der hymnische Lobpreis oder auch die Schar der 144000 Versiegelten, die man eigentlich als Teilhaber der Heilsvollendung erwarten sollte, werden in Apk 21f. bemerkenswerterweise nicht aufgenommen. Selbst die Auferstehung der Toten (Apk 20,4–6.12–14) spielt in Apk 21f. keine Rolle, und es bleibt völlig unklar, wie die ‚Bürger der Gottesstadt‘ in diese gelangen sollen.257 Insofern ist das Neue Jerusalem weder durch eine kohärente Ereignisfolge noch durch eine klare Kohärenz der relevanten Motive mit dem Vorausgehenden verbunden, so dass man diese Perikope nicht wirklich als das eine Ziel ansehen kann, auf das die ganze Apk narrativ und sachlich hinläuft. Es handelt sich vielmehr um ein recht eigenständiges, aus vielfältigen alttestamentlich-frühjüdischen Traditionen zusammengesetztes Schlussbild,258 das wohl vor allem aufgrund des Schemas von Ez 37–48 hier verwendet und breit ausgebaut wurde.259 D.h. aber, Apk 21f. ist neben Apk 20,4–6 als ein zweites, wesentlich gewichtiger und breiter ausgebautes Heilsbild zu verstehen, das in einer ganz anderen Weise Aspekte dessen zur Darstellung bringt, was nach der Parusie Christi und dem letzten Gericht als eschatologische Heilsvollendung für die wahren und treuen Glaubenden zu erhoffen ist. Der Siegerspruch in 21,7 – im Munde Gottes selbst präsentiert – und der anschließende Lasterkatalog in 21,8 (vgl. 21,27) formulieren als Bedingung der Teilhabe an der Gottesgemeinschaft bzw. der Bürgerschaft in der Gottesstadt sachlich dasselbe, was auch für die Teilnahme an der ‚ersten Auferstehung‘ und an der tausendjährigen Herrschaft Christi galt: dass sie in der Anfechtung ‚siegen‘ (vgl. Apk 2–3) und sich von Unreinheit und Götzendienst reinhalten. Für diejenigen, die sich davon ‚beflecken‘ lassen, gilt die eschatologische Unheilsaussage: Sie werden wie das Tier, der 255 Apk 2,7: Baum des Lebens (22,2); Apk 3,5: Lebensbuch (21,27); s. S ÖLLNER, Jerusalem (s. Anm. 220), 254f. 256 Dazu ibid., 253f. 257 Dazu schon o. Abschnitt IV.5.1. S. auch S ÖLLNER, Jerusalem (s. Anm. 220), 254: „Noch bemerkenswerter ist, daß von Apk 20 her kein Junktim zwischen den Auferstandenen und der Bewohnerschaft des eschatologischen Jerusalem angestellt wird.“ 258 Interessant ist der Hinweis von A UNE, dass Apk 21,1 die Perspektive des Sehers im Unklaren belässt und daher „suggests the literary rather than the visionary origin of the passage“ (Revelation 17–22 [s. Anm. 158], 1116). 259 So die Vermutung bei S ÖLLNER, Jerusalem (s. Anm. 220), 255.
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Pseudoprophet, der Drache und ihre Verbündeten dem Feuersee überantwortet bzw. dem ‚zweiten‘, d.h. ewigen Tod (Apk 21,8). Die Frage nach dem ‚irdischen‘ Charakter des hier abgebildeten Heils ist nach Apk 21,1 klar negativ zu beantworten.260 Die Rezeption der Rede von einem neuen Himmel und einer neuen Erde (Jes 65,17; 66,22)261 ist hier im Unterschied zur tritojesajanischen Vorstellung einer Restauration der Schöpfung und eher in Entsprechung zu der ‚Zehnwochenapokalypse‘ (1 Hen 91,16) und einigen anderen Texten262 so gestaltet, dass mit einem Verschwinden der alten Schöpfung gerechnet wird, das dem Erscheinen der neuen vorausgeht.263 Die irdische Kontinuität zwischen der alten und der neuen Welt ist somit radikal gebrochen, der alte Äon ist insgesamt vergangen, und das Verschwundensein der alten Schöpfung wird in Apk 21,1 nur noch festgestellt, nachdem bereits Apk 20,11 das Fliehen der alten Welt vor dem Gottesthron narrativ-visionär vorgeführt wurde.264 Wenn in 21,1 nachklappend noch hinzugefügt wird, dass auch „das Meer“ nicht mehr ist, dann wird darin wohl eine besondere Betonung des definitiven Endes der chaotischen Mächte zu sehen sein.265
260 Die Aussage, dass der erste Himmel und die erste Erde nicht mehr vorhanden sind, ist hinreichend eindeutig, auch wenn, wie S ATAKE, Offenbarung (s. Anm. 93), 399, betont, das ‚kosmologische‘ Interesse der Apk begrenzt ist und alles Augenmerk auf dem Ergehen der Menschen liegt. 261 Dazu s. J. VAN RUITEN, The Intertextual Relationship between Isaiah 65,17–20 and Revelation 21,1–5b, EstBib 51 (1993), 473–510. 262 Vgl. noch Ps.-Philo, LAB 3,10 und OrSib 3,83ff. Auch in 4 Esra 7,29ff ist von einer neuen Welt, einem neuen Äon, die Rede. Andere Texte wie Jub 1,29 sind in dieser Hinsicht nicht immer klar. Eine Reinigung bzw. Erneuerung ist z.B. in 1 Hen 45,4f. oder Jub 23,18, sowie sehr deutlich in 2 Bar 3,7–4,1 ausgesprochen. S. zum Überblick A UNE, Revelation 17–22 (s. Anm. 158), 1116f.; P RIGENT , Revelation (s. Anm. 231), 589f. 263 LEE, Jerusalem (s. Anm. 247), 267–269 bemüht sich, aus der Semantik von καινός und alttestamentlich-frühjüdischen Parallelen zur ‚Neuen Schöpfung‘ herauszuarbeiten, dass „not the nullification of the first creation but the radical renewal of the first creation“ gemeint sei. Die Rede von der Nicht-mehr-Existenz des ‚ersten Himmels‘ und der ‚ersten Erde‘ besagt jedoch genau das Gegenteil, und das Bestreben der Ausleger, hier die Kontinuität zu sichern, führt zu problematischen Argumentationen. 264 Dass dabei nach dem Fliehen von Himmel und Erde in Apk 20,13 noch erzählt wird, dass das Meer und das Totenreich die Toten herausgaben, also doch noch von Elementen der alten Schöpfung die Rede ist, gehört ebenfalls zu den handlungslogischen Inkonsequenzen der Apk. 265 So A. YARBRO COLLINS , The Apocalypse, Collegeville 1991, 145: „The sea, like the dragon and the beast, symbolizes chaos. So the elimination of the sea symbolizes the complete triumph of creation over chaos, just as the elimination of death implies the complete victory of life over death.“ Unsinnig erscheint hingegen die Vermutung bei SATAKE, Offenbarung (s. Anm. 93), 399, das Meer sei es, was den Seher auf Patmos am freien Verkehr mit seinen Gemeinden hindere.
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Dass die Beschreibung des Neuen Jerusalem dann in ihrer Aufnahme vielfältiger Traditionen doch wieder sehr konkret ‚materiell‘ erscheint und sogar wieder ‚die Könige der Erde‘ begegnen, die ihre Pracht und den Reichtum der Völker in dieses Jerusalem bringen sollen (Apk 21,24–26), gehört zu den Inkonsequenzen, die in der literarischen Vorgehensweise des Autors begründet sind und zugleich zeigen, dass das radikal Neue eben doch nur in den Bildern des Alten vorgestellt werden kann. Der Autor war sich wohl dessen bewusst, dass das von ihm beschriebene Bild alle irdischen Gegebenheiten übersteigt. Dies wird spätestens an der Form des Neuen Jerusalem deutlich, die in der Apk – das Modell aus Ezechiel und seine Weiterführungen z.B. in der Tempelrolle (11QTemp) oder der Vision vom Neuen Jerusalem aus Qumran (4QNJ, 5QNJ, 11QNJ) bei weitem übersteigernd – nicht nur quadratisch, sondern kubisch ist, mit gleicher Länge, Breite und Höhe (Apk 21,16) und zudem in ihren gigantischen Ausmaßen von 12000 Stadien (= ca. 2400 km) Seitenlänge fast den ganzen mediterranen Raum umgreifen würde.266 Die ‚surrealistische‘ Gestalt des Neuen Jerusalem wird noch deutlicher, wenn man sich das Arrangement der Tore vergegenwärtigt: Die Anordnung der zwölf Tore an den vier Seiten eines Quadrats ist seit Ezechiel vorgegeben, aber die Verteilung von zwölf Toren an einem dreidimensionalen Würfel sprengt die räumliche Vorstellbarkeit.267 Es ist undenkbar, dass der Autor sich dessen nicht bewusst gewesen wäre. Die von ihm angegebenen Maße des Neuen Jerusalem sind gerade nicht durch eine biblische Tradition vorgegeben, und auch die Steigerung des Quadrats zum Kubus hat in der Überlieferung keine Parallelen. Vielmehr ist gerade darin ein Hinweis zu sehen, dass hier Grö266 Die Stadt von Ez 48,30–35 ist ein Quadrat mit der Seitenlänge von 4500 Ellen und der äußere Hof des Tempels nach der Tempelrolle (11QT a 40ff.) ein Quadrat von 1600 Ellen – beides geht schon deutlich über die Maße des Tempels und der Stadt in der Perserzeit hinaus. In der apokalyptischen Tradition ‚wächst‘ die Größe der eschatologischen Stadt. 1 Hen 90,29.36 stellt sich das Neue Jerusalem ‚groß und breit‘ vor, ‚größer und geräumiger als das erste‘. Nach 4 Esra 10,55 soll Esra nicht fähig sein, die Größe und Herrlichkeit des himmlischen Jerusalem zu schauen. Der vorqumranische Text über das ‚Neue Jerusalem‘ bietet wohl keinen quadratischen, sondern einen rechteckigen Plan (s. FREY, New Jerusalem [s. Anm. 171]), aber ebenfalls eine deutlich größere Gestalt von (nach 4Q554 1 i 9–22) 100 x 140 Stadien (= 20 x 28 km). Nach OrSib 5,251f. sollen die Mauern Jerusalems bis nach Joppe, d.h. an das Mittelmeer gehen – Jerusalem wird der Größe des Landes Israel angepasst. Die Apk ist im Grunde der erste Text, der all diese Maße noch einmal weitaus sprengt. Vergleichbar ist dies der späten hebräischen EliaApokalypse (10,5), wonach Jerusalem 3000 Türme mit je 20 Stadien (= 4 km) Zwischenraum haben soll. 267 S. dazu FREY, Bildersprache (s. Anm. 115), 177. Das gleiche gilt für die genannten Baumaterialien oder auch für die Vorstellung, dass die Herrlichkeit Gottes und des Lammes die Stadt erleuchten, schließlich für die Verbindung von Stadt und Paradiesmotiven (22,1–5).
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ße, Form und Baumaterialien bewusst eingesetzt werden, um eine Qualität zur Sprache zu bringen. Die Maße zeigen, dass der Autor nicht von einem irdischen, sondern von einem unvorstellbar überirdischen Raum spricht. Das surrealistische, aber äußerst wirkungsvolle Bild vom Neuen Jerusalem kombiniert in letzter Steigerung vielfältige biblische Traditionen. Es handelt sich aber trotz aller Analogien zu irdischen Gegebenheiten um eine alles Irdische transzendierende, neue Schöpfung, um ein von den Gegebenheiten dieser Welt abgelöstes Heil, jenseits aller zeitlichen und räumlichen Begrenzungen, um das ewige Gottes- und Christusreich.268 Textlich entsteht durch die gewählte Darstellungsweise eine Ambiguität zwischen biblisch realistischen Traditionen und völlig unrealistischen Maßen und Formen, zwischen Irdisch-Diesseitigem und Jenseitig-Eschatologisch-Neuem, obwohl durch Apk 21,1 die Einordnung eigentlich klar vorgegeben ist269 und in der Konsequenz dessen nach dem ‚Herabkommen‘ des Neuen Jerusalem (Apk 21,2 und 21,10) auch keine Trennung von Himmel und Erde mehr beschrieben wird. Eine ‚himmlische‘ Welt ist nun nicht mehr von Belang, vielmehr wird die Einwohnung Gottes in der Gottesstadt und inmitten seines Volkes (Apk 21,3) bzw. die Präsenz Gottes und des Lammes beschrieben, so dass das Neue Jerusalem gerade ohne einen ‚abgegrenzten‘ heiligen Bezirk oder Tempel (Apk 21,22) auskommt und selbst der heilige Raum der Begegnung Gottes mit seinem Volk ist. Dabei ist freilich hermeneutisch zu bedenken, dass die gewählten Begriffe ‚realistisch‘ vs. ‚unrealistisch‘, oder auch ‚real‘ vs. ‚symbolisch‘, ‚irdisch-diesseitig‘ vs. ‚jenseitig‘ alle problematische Alternativen eröffnen. Das die gegenwärtige Welt übersteigende Heil ist in der Sicht des Glaubens eben nicht weniger ‚real‘ als das Irdisch-Vorfindliche, und von einem ‚Symbol‘ kann man nur insofern reden, wenn man dieses nicht als einen Gegenstand von vermindertem Wirklichkeitsgehalt und verminderter Wirkkraft ansieht. Die Wirkung dieses Schlussbildes in der Geschichte der christlichen Tradition übersteigt faktisch die jeder ‚realistischen‘ Beschreibung. Was hier herausgestellt werden soll, ist nur der Sachverhalt, dass wir hier nicht mit einer welthaften oder geschichtlichen Kontinuität rechnen, sondern letztlich nur unterschiedliche Aspekte des durch Christus und sein Kommen geschaffenen Heils entnehmen können.
Was ist es nun sachlich, das mit diesem Raum als eschatologische Hoffnung vor Augen gestellt ist und nun neben den in Apk 20,4–6 herausgestellten Aspekt der Rehabilitation der Märtyrer hinzutritt? Ich kann hier abschließend nur noch wenige Gesichtspunkte benennen, ohne diese weiter zu entfalten, wobei Apk 21,1–8 besonderes Gewicht zukommt:
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Freilich ist auch vom ‚Gottesreich‘ in Apk 21f. nicht explizit die Rede. Richtig PEZZOLI-OLGIATI, Täuschung (s. Anm. 247), 167: „Die Stadt ist neu. Jerusalem steht in Verbindung mit der historischen, gleichnamigen Stadt, so wie der erste Himmel und die erste Erde zur neuen Schöpfungsdimension steht. Sie gehört in diesen qualitativ erneuerten Raum.“
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Zuerst bietet der Hinweis auf die neue Schöpfung und das Herabkommen des Neuen Jerusalem eine wirkungsvolle Bekräftigung dessen, dass das eschatologische Heil von Gott ausgeht und von ihm selbst durch alle Zeiten der Versuchung und des Kampfes heraufgeführt werden wird. Das Zitat aus Jes 43,19 LXX mit dem auffälligen Zusatz πάντα betont die universale, alles überwindende Schöpfermacht. Sodann stellt das Bild der Stadt mit seiner weitreichenden Metaphorik die Aspekte der Heimat und der Zugehörigkeit vor Augen, wobei signifikant ist, dass diese Heimat von und bei Gott bereitgehalten ist und so den in der Welt ausgegrenzten treuen Christen als Ziel vor Augen geführt wird. Das traditionelle Doppelbild von Stadt und Frau betont dabei nicht nur die liebevolle Verbindung zwischen Christus und seiner Heilsgemeinde und die mit der Hochzeitsmetaphorik verbundene Festfreude, sondern auch den ethischen Aspekt des Geschmücktseins der Braut, d.h. die Voraussetzungen zur Anteilhabe an der Gottesstadt. Besonders herausgehoben ist freilich das Motiv, das in 21,3 als erstes Wort in dieser Szene, vom Thron her und mit dem Aufmerksamkeitsruf ἰδού eingeleitet erklingt und die Einwohnung, die ‚Schechina‘ Gottes bei den Menschen (ἡ σκήνη τοῦ θεοῦ µετὰ τῶν ἀνθρώπων) proklamiert. Diese ist nun universal ausgeweitet auf ‚die Menschen‘, deren enge und unverbrüchliche Gottesbeziehung nun mit der biblischen ‚Bundesformel‘ zur Sprache gebracht wird. Die unmittelbare Gemeinschaft mit Gott und Christus impliziert zugleich die definitive Abwesenheit allen Leides, allen Unrechts und insbesondere des Todes und damit die endgültige Durchsetzung des Lebens über alle widrigen Mächte. Die weitere Beschreibung des Neuen Jerusalem veranschaulicht die Herrlichkeit der Himmelsstadt durch ihre überragende Größe und edle Materialien, ihre Heiligkeit als Wohnort Gottes und des Lammes, ihre unangefochtene Sicherheit, im Bild der Tag und Nacht offenen Tore (Apk 21,25), sowie die Fülle des eschatologischen Lebens im Bild der üppigen Fruchtbarkeit (Apk 22,2), sowie – abschließend noch einmal – den Gedanken, dass die Knechte Gottes nun unangefochten ihm dienen und gerade darin für immer ‚herrschen‘ (βασιλεύειν) sollen (Apk 22,5). Mit diesem letzten Aspekt verbindet sich das Verheißungsbild noch einmal mit dem vorausgehenden vom Christusreich – mit dem Unterschied, dass den Überwindern nun ewige (Mit-)Herrschaft mit Gott und Christus zugesagt ist.270
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Bemerkenswerterweise ist auch hier von Beherrschten keine Rede.
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5 Zusammenfassung und hermeneutische Perspektiven 1. Die futurische Erwartung: Festzuhalten ist zunächst, dass die Apk trotz des Wissens um das perfectum des Heilsgeschehens das futurum der Heilsvollendung klar akzentuiert. Im Unterschied zu anderen, eher das eschatologische praesens betonenden Zeugnissen (so z.B. im Johannesevangelium) liegt für die Apk aus gegebenem Anlass wie aus theologischer Überzeugung das Gewicht auf der Hoffnung auf die Überwindung der in der Gegenwart der Adressaten wirksamen gottwidrigen Mächte. Dem entspricht ein soteriologisch-ethischer Akzent auf der Bewährung der Glaubenden in der kommenden Versuchung. 2. Innergeschichtliche und ‚transzendente‘ Naherwartung: Die eschatologische Erwartung wird dabei mehrfach als Naherwartung expliziert, wobei sich diese bedrängende und tröstliche Nähe konsequent jeder Berechnung entzieht. Sachlich beinhaltet sie Elemente einer innergeschichtlichen Erwartung und Elemente der Erwartung eines von Gott hereinbrechenden, die irdische Geschichte beendenden und zur ewigen Gottesherrschaft hinführenden eschatologischen Geschehens. 3. Enthüllung der gegenwärtigen Wirklichkeit: Über die Darstellung dieser Erwartung hinaus zielt die Apokalypse auch auf eine Enthüllung des wahren Charakters der in der Lebenswelt ihrer Adressaten wirksamen Mächte, besonders des Imperium Romanum und der alles durchdringenden idolatrischen Herrscherverehrung, und auf die Mahnung der Adressaten zur Distanznahme von der Idolatrie, die Handel und Wandel bestimmt, auch um den Preis der dann zu erwartenden Verfolgung und des Martyriums. 4. Die rettende und richtende Macht Gottes: In dieser Intention proklamiert sie die Macht Gottes und des erhöhten Christus über alle gottwidrigen Mächte. Diese impliziert sowohl seine bedrohliche Gerichtswirksamkeit als auch seine zum Heil seiner Getreuen wirksame Macht. Dabei nimmt sie partiell biblische Motive und ‚Ereignisfolgen‘ (etwa das Motiv der ‚kurzen‘ Zeit oder die Ereignisfolge in Ezechiel 37–48) auf, verknüpft diese aber eigenständig zu einer neuen Szenenfolge. 5. Keine geschlossene Ereignisfolge: Die Darstellung der Apk ist daher weder einfach in die ‚Epochen‘ von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu gliedern noch kann sie ab Apk 4 oder Apk 6 als schlichte Abfolge geschichtlicher Ereignisse gelesen werden. Eine solche Lektüre – im Rahmen der welt- und kirchengeschichtlichen wie auch der endgeschichtlichen Deutung – wird der Komplexität der Textstruktur und dem literarischen Charakter des Textes nicht gerecht. 6. Zeitgeschichtliche und symbolische bzw. endgeschichtliche Bezüge: Der Text der Apokalypse ist weder ein bloßes Transkript einer visionären
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Sequenz, noch lässt er sich in seiner Visionenfolge auf eine kohärente Ereignisfolge in der ‚außerliterarischen‘ Welt beziehen, wie die zahlreichen sachlichen Brüche und Inkonsequenzen zwischen den Visionsbildern zeigen. Vielmehr enthält der visionäre Hauptteil von Apk 6 bis Apk 17f. zahlreiche Elemente, die mit mehr oder weniger Deutlichkeit auf die Lebenswelt bzw. die nahe Zukunft der Adressaten bezogen sind, so dass sich eine Deutung letztlich nur von der zeitgeschichtlichen Ebene aus ergibt, wenngleich diese dann symbolisch wie auch endgeschichtlich überschritten werden muss. 7. Kein ‚Katastrophen-Fahrplan‘: Insbesondere bietet die Apk keinen ‚Fahrplan‘ zu erwartender geschichtlicher oder endgeschichtlicher Ereignisse. Eine solche Lektüre missversteht und missbraucht den Text nicht nur als ein Instrument zur ‚Wahrsagerei‘ oder zur eigenen Ortsbestimmung im vermeintlichen Geschichtsablauf, sondern verkennt auch die eigentliche Aussageintention und die symbolische Tiefe des Werks. Nicht zuletzt ist durch diese Lektüre ein vorwiegend negatives Verständnis der Apokalypse bzw. überhaupt des Terminus ‚apokalyptisch‘ im Sinne von Katastrophen und Weltuntergang fast unausrottbar ins öffentliche Bewusstsein getragen worden. 8. Die Erwartung einer letzten Krise und Verfolgung: Innergeschichtlich weiß die Apokalypse um die widergöttliche Ausrichtung und potentielle Gefährlichkeit des Imperium Romanum sowie um bereits eingetretene Verfolgungen, und sie erwartet ‚prognostisch‘ unter einem kommenden Kaiser eine letzte Verschlimmerung der Situation durch einen von der Mehrheit praktizierten, ja ‚totalitär‘ eingeforderten Herrscherkult, durch den diejenigen, die sich ihm widersetzen, in eine äußerste Verfolgung und ins Martyrium gebracht werden. Freilich sind die Bilder, die diese befürchtete bzw. nach apokalyptischen Schemata vor dem Ende erwartete Krise beschreiben, bereits mythisch ‚aufgeladen‘,271 so dass die geschilderten Szenarien über eine innergeschichtliche Beschreibung hinausgehen. 9. Die rhetorisch-steigernde Funktion der Siebener-Reihen und ihr Ziel: Hingegen kann man die ‚Plagen‘ und Katastrophen der drei SiebenerReihen von Siegeln, Posaunen und Schalen nicht als Gegenstand einer innergeschichtlichen oder endgeschichtlichen Erwartung ansehen, jedenfalls nicht im Sinne einer geschlossenen Ereignisfolge. Vielmehr zeigen diese Bilder, die inhaltlich an unterschiedliche biblische Traditionen angelehnt sind, strukturell eine Tendenz zur Wiederholung und Steigerung und laufen zielgerichtet auf das letzte Bild zu, den in der siebten Schalenvision proklamierten Fall ‚Babylons‘. Die einzelnen, an biblischen Traditionen orientierten Bilder der apokalyptischen Reiter, der herabstürzenden Sterne 271 So z.B. durch die Rezeption der Nerosage und die Erwartung eines Nero redivivus aus dem Abgrund.
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und blutgefärbten Flüsse lassen sich hingegen ebensowenig als ‚Zukunftserwartung‘ fassen wie die ominöse ‚Schlacht von Harmageddon‘ die in einer fehlgeleiteten Apokalypseauslegung in bestimmten Kreisen gern ins Zentrum des Interesses rückt. 10. Die Hoffnung auf den Fall Babylons, d.h. Roms: Innergeschichtlich und auf der Grundlage biblischer und apokalyptischer Traditionen vom endzeitlichen Eingreifen Gottes erwartet die Apk in Bälde den Fall Babylons, den Sturz des Imperium Romanum, der in der Perspektive des Autors zugleich Voraussetzung der irdischen Durchsetzung der Gottesherrschaft ist, die im Himmel bereits besteht und auf Erden noch zu erwarten ist. 11. Die unklare zeitliche ‚Nähe‘: Freilich sieht die Apokalypse auch dieses sehnlich erwartete Ereignis noch in einer gewissen Distanz. Von ihm trennt einerseits die zuvor erwartete, ‚kurz‘ bemessene Zeit der letzten Krise und Verfolgung und andererseits die Herrschaft eines ‚Königs‘ von unbestimmter Dauer vor der Zeit des ‚wiederkommenden Nero‘. Das Ende ist noch eine unbestimmte und eine ‚kurze‘ (und durch größte Trübsal gekennzeichnete) Zeit entfernt und doch bedrängend nahe. In der Abfolge von letzter Krise (‚Trübsal‘) und Erlösung folgt sie damit einer breiteren apokalyptischen Tradition. 12. Die Erwartung der Parusie in eigentümlichem Gepräge: Als Folge des Falles Roms bietet die Apk als zentrale Hoffnung die Erwartung der ‚baldigen‘ Parusie Christi, deren konkrete Beschreibung in Apk 19,11ff. durch die hier aufgenommenen Traditionen von anderen frühchristlichen Parusietraditionen deutlich unterschieden ist. 13. Die Problematik einer ‚theologiegeschichtlichen‘ Einordnung dieser Erwartung: Ob die hier gebotene Parusieerwartung als Revitalisierung einer solchen Erwartung zu verstehen ist oder ob sie in bestimmten Kreisen lebendig blieb, während andere Kreise sie zurückdrängten, ist schwer zu entscheiden. Sicher ist jedenfalls, dass die Entwicklung der frühchristlichen Parusieerwartung keinesfalls uniform und linear erfolgte und ihre Aktualisierung im Frühchristentum wie auch in späteren Epochen eher von der faktischen (oder wahrgenommenen) Situation der jeweiligen Autoren bzw. Adressaten abhing als von allgemeinen Entwicklungen und Gesetzmäßigkeiten. 14. Die der Parusie ‚folgenden‘ Ereignisse als Aneinanderreihung unterschiedlicher Traditionen: Die Folgen der endzeitlichen Parusie Christi werden in einer Szenenfolge präsentiert, die ihre Struktur wesentlich dem Modell der Schlusskapitel des Ezechielbuches verdankt. Diese will zwar als temporale Szenen- bzw. Ereignisfolge gelesen werden, ist aber aufgrund ihrer erkennbaren literarischen Komposition eher als eine ‚aspektive‘ Darstellung zu verstehen, die unterschiedliche sachliche Implikationen der Parusie Christi in einer nicht völlig kohärenten Visionensequenz prä-
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sentiert. Insbesondere ist auch die Abfolge eines temporären Christusreichs und des ewigen Gottesreichs aus jüdischen Überlieferungen erklärlich, so dass man diese Abfolge in Apk 20 und 21f. nicht als eine endzeitlich erwartete Geschehensfolge lesen darf. 15. Das enigmatische Bild vom Christusreich als Hinweis auf die Rehabilitation der Märtyrer: Insbesondere ist auch die für die Wirkung der Apk bestimmende Szene eines tausendjährigen Christusreichs kaum realistisch als eine Epoche irdischer Endgeschichte zu verstehen. Die extrem abbreviative und unvollständige Ausgestaltung des Szenenbildes weist vielmehr darauf hin, dass es dem Autor hier primär um die Herausstellung eines zentralen Aspekts geht, die physische Restitution und Rehabilitation derer, die auf Erden das Martyrium erlitten haben und die nun – ebenso leiblich, wie ihr Leiden und Martyrium war – wieder zum Leben gebracht, in ihr Recht eingesetzt und an der Herrschaft Christi beteiligt werden sollen. Das Gewicht dieses Hoffnungsbildes sollte freilich nicht überschätzt werden. Seine immense Wirkung hat es v.a. dadurch enfaltet, dass man es mit vielfältigen alttestamentlichen Bildern ‚auffüllte‘ zu einer umfassenden Darstellung des ‚messianischen Zeitalters‘ – die hier gerade nicht vorliegt. 16. Das übergreifende Bild der ewigen Gottesgemeinschaft: Neben dem Heilsbild der tausendjährigen Herrschaft der Märtyrer mit Christus, aber nicht wirklich mit diesem verbunden, steht das große Heilsbild der ewigen Gottesstadt, die letztlich die gleiche Schar der getreuen Nachfolger birgt, wie sie im Bild des Millenniums zur Herrschaft mit Christus gelangen sollten, diesen aber in einer viel breiter ausgeführten Szenerie die Zusage der endgültigen, nicht mehr angefochtenen noch zeitlich begrenzten Gottesgemeinschaft und die unmittelbare Einwohnung Gottes im Neuen Jerusalem sowie das Ende von Leid und Tod verspricht. 17. Das Nebeneinander der beiden Heilsbilder: Dabei ist dieses Heilsbild trotz aller traditionellen irdischen Bestandteile einer neuen Schöpfung zugeordnet, zu der von der gegenwärtigen Welt keine Kontinuität hinführt. Es handelt sich mithin auch um ein Heilsbild, das das Unvorstellbare nach Möglichkeit in verstehbare, traditionelle Kategorien fasst, diese aber an einzelnen Stellen sehr bewusst aufsprengt, um das Unweltliche dieser Hoffnung zu markieren. Die hier vorgestellten Hoffnungsgüter sind mit dem in Apk 20,4–6 formulierten Aspekt der Wiederherstellung der Märtyrer zu verbinden und bilden so im Zusammenklang der beiden, nebeneinander stehenden Heilsbilder die eschatologische Erwartung eines auf die Parusie Christi folgenden Heilszustandes. 18. Die ekklesiologische und ethische Relevanz des ‚Neuen Jerusalem‘: Dieses Heilsbild vom Neuen Jerusalem ist trotz seines Charakters als einer eschatologischen Zukunftshoffnung auch ekklesiologisch und ethisch von Bedeutung. So wenig es sich hier um eine Chiffre für die gegenwärtige
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Kirche handelt, so sehr ist das eschatologische Heilsbild ekklesiologisch modellhaft und ethisch als Motivation und Warnung wirksam. Mit dem strahlenden Leitbild vom himmlischen Jerusalem wird auch das rechte Verhalten im Gegenüber zum idolatrischen Herrscherkult motiviert, weil nur den ‚Siegern‘ die Bürgerschaft in der Gottesstadt zuteil wird, während den anderen – hier ist die Apokalypse von einem starken eschatologischen Dualismus geprägt – ein Ort mit dem Drachen und dem Tier, d.h. den widergöttlichen Mächten, im Feuersee angedroht wird. 19. Die ‚Unweltlichkeit‘ des eschatologischen Heils: Die Apokalypse ist zwar in ihrer Wirkungsgeschichte immer wieder als ein Buch mit besonders irdischen Heilserwartungen angesehen worden. Dies trifft jedoch nur partiell zu und ist wesentlich der starken Rezeption alttestamentlicher Heilsvorstellungen geschuldet. Faktisch rechnet die Apk mit einem radikalen Bruch zwischen diesem und dem kommenden Äon bzw. dieser und der neuen Schöpfung. Angesichts dieser in Apk 21,1 nicht zwingend aus Traditionen zu erklärenden Konstruktion ist auch das abschließende Bild vom Neuen Jerusalem als eine Darstellung des Unweltlichen in weltlichen Bildern zu verstehen, und es ist damit zu rechnen, dass auch der Autor sich dessen bewusst war. 20. Die symbolische Offenheit der apokalyptischen Bildersprache: Die Bildersprache der Apokalypse ist – auch und gerade in eschatologischen Kontexten – nicht einfach auf einen einzigen Sinn festzulegen. Sie ist jedoch zu verstehen als eine aus Schrift-Traditionen gespeiste symbolische Sprache, die gerade so das Potential enthält, über ihre Entstehungssituation hinaus zu wirken. Die Apk hat wohl gerade aufgrund ihrer Bildersprache eine weit über ihre Zeit hinaus reichende Wirkung entfaltet, sowohl in der Stärkung der Erlösungshoffnung als auch in der Entlarvung von irdischen Machtstrukturen und irdischer Idolatrie. Auch wenn sich direkte Übertragungen etwa der ‚Zahl des Tieres‘ (Apk 13,18) auf spätere Gestalten verbieten, hat die ‚typische‘ Zeichnung einzelner Bilder zu manchen Zeiten eine solche ‚enthüllende‘ Wirkung ermöglicht. Eine solche Deutung, die nach typischen Konstellationen fragt, ist freilich von dem Missbrauch der Apk durch spekulative Identifikationen und Übertragungen zu unterscheiden. 21. Das bleibende kritische Potential der Apokalypse: Im Unterschied zu anderen zeitgenössischen Entwürfen (vgl. Joh 18,36), die auf eine ‚Entflechtung‘ von Christusherrschaft und irdischer Herrschaft zulaufen, hat die Apk durch die Zeiten ein kritisches Potential bewahrt, sowohl gegenüber der weltlichen Herrschaft als auch gegenüber der christlichen Bereitschaft zu Kompromissen mit den jeweils Mächtigen und Wohlhabenden. Sie reklamiert diese Kritik im Namen der Einzigkeit des biblischen Gottes und der Eindeutigkeit des Lebens der Nachfolger Jesu. Die Apk erlaubt keine ‚Entflechtung‘ zwischen Christusreich und Weltreich, sondern ver-
Was erwartet die Johannesapokalypse?
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weist auf den Gegensatz zwischen Gott und Abgott zumindest im Modus der Verehrung und wirft damit die Frage nach einer konsequenten Lebensführung in der Zugehörigkeit zu Christus für ihre eigene Situation und zugleich herausfordernd für viele weitere Generationen und Situationen auf. 22. Die Apokalypse als Zeugnis für die eschatologische Vollendung der Gottesherrschaft: In dieser kritischen Distanz bietet sie eine ganz eigene Stimme im neutestamentlichen Kanon. Darin liegt ihr kanonisches Recht, sowenig sie andererseits ‚Siegel der Geschichte‘ sein kann und einen v.a. am geschichtlichen Ablauf orientierten ‚Fahrplan‘ zu bieten vermag. Letztlich besteht ihr Beitrag darin, für Gottes trotz allem geglaubtes Weltregiment zu zeugen und dieses auch in der Anfechtung oder der (als kurz bemessen charakterisierten) Verfolgung festzuhalten. Weil Gott Herr über die Geschichte ist, auch über deren dunkle Phasen, deshalb ist der eschatologische Sieg gewiss. 23. Die Enttäuschung der innergeschichtlichen Hoffnung: Diese Hoffnung besteht, auch wenn sich die Apk in ihrer konkreten innergeschichtlichen Erwartung – der Hoffnung auf den baldigen Fall ‚Babylons‘ als Voraussetzung für die Durchsetzung der Gottesherrschaft – offenkundig getäuscht hat. Rom ist zwar irgendwann gefallen – aber ganz anders, als der Apokalyptiker dies erhoffte, und die ‚konstantinische Wende‘ war nicht die universale Durchsetzung des Gottesreiches. Insofern hat sich die Apokalypse mit ihrer innergeschichtlichen Hoffnung genauso getäuscht wie andere urchristliche Zeugen einer unmittelbaren Parusieerwartung noch zu den eigenen Lebzeiten. Mit dieser konkreten ‚Enttäuschung‘ ist freilich die Botschaft der Apokalypse nicht ‚erledigt‘ und ihr Wert nicht geschmälert. 24. Der bleibende Wert der eschatologischen Vollendungshoffnung: Mit ihrer über jede konkrete und innergeschichtliche Erfüllung hinaus weisenden Hoffnung auf die Vollendung der Herrschaft Gottes und Christi und auf die unüberbietbare Gottesgemeinschaft (Apk 21,5) hat die Apk die christliche Eschatologie maßgeblich geprägt und bietet – als Schlussstein des Bibelkanons – dessen letzte und umfassendste Hoffnungsperspektive.
The Relevance of Revelation’s Date and the Imperial Cult for John’s Appraisal of the Value of Christians’ Suffering in Revelation 1–3 JAMES A. KELHOFFER
This essay examines John’s appraisal of the value of suffering in Rev 1–3. “Valuation” is an economic term that has to do with the assigning of importance, worth or value. Afterward the posited value can be exchanged for something else. In one of his prophetic oracles to the seven churches, John praises the value of the ‘martyr’ Antipas’s faithful witness and resistance unto death (Rev 2:13). John also extols the value and necessity of every Christian’s resisting the imperial cult, heretical leaders, and other dangerous influences. The future tribulation and possibility of reward that John promises to the faithful follows the analogy of Christ, who because he “conquered” received a seat on his Father’s “throne” (cf. Rev 3:21). This essay argues that John employs the value of continued resistance and suffering – and the penalty of damnation to be incurred if one does not properly resist – to serve as a basis of exhorting the faithful to the resistance emulated by Jesus, Antipas and John himself (cf. 1:5, 9; 2:13). Your author will also argue that in Rev a theology of future rather than present justification, to be attained by suffering plays a prominent role. It is such suffering in the context of withstanding persecution that will confer upon only some would-be followers of Jesus the right to sit with Jesus on a heavenly throne. A discussion of Revelation’s date, genre, and socio-historical context with an eye to the imperial cult in Roman Asia Minor will offer a context for the analysis of Rev 1–3.
1 The Date, Genre and Socio-Historical Context of Revelation Scholars continue to debate when the Revelation of John was written. Assuming the compositional unity of this writing,1 the main proposals concern the reigns of the emperors Nero (54–68 C.E.), Domitian (81–96 C.E.) 1 On the compositional unity of the prophetic oracles (Rev 2–3) and the visions (Rev 4–22), see the discussion below.
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and Trajan (98–117 C.E.) or the time shortly after Nero (sometimes the “year of the four emperors,” 68–69 C.E.) or Domitian (during Nerva’s brief reign [96–98 C.E.], or early in Trajan’s reign). Of these, the period late in Domitian’s reign, or shortly afterward (ca. 95–100 C.E.), has been favored by most scholars. For the purpose of this essay, I shall agree in principle with this position, arguing that Revelation was most probably written not earlier than Domitian’s reign and that an early date for Revelation in the 60s C.E. can be excluded. The arguments of this section will support a somewhat broader period of circa 90–110 C.E. (or possibly later) for Revelation. The imperial cult, which in Asia Minor continued to grow during the reigns of Domitian and Trajan, will therefore inform this essay’s analysis of John’s presentation of his suffering (Rev 1:9) and especially his exhortations to the seven congregations in Revelation 2–3 concerning their need to be ready to suffer.2 1.1 An Early Date for Revelation? Proponents of an early date for Revelation (ca. 64–69 C.E.) toward the end of, or shortly after, Nero’s reign typically posit that very soon after Nero died, concern about Nero’s “return” after his death in 68 C.E. (Nero redivivus) and about a renewed persecution of Christians like that under Nero in Rome (64 C.E.) provided an analogy to John for what would soon take place in Asia Minor. It is, of course, an unproved assumption that concern over Nero’s “return” after his death necessarily gave rise to this apocalypse very soon after 68 and not, as strikes me as equally possible, decades later. There is no reason to think that in a sectarian community like John’s such fears would have dissipated so quickly and not, on the contrary, have increased in the decades following Nero’s death.3 Indeed, Hans-Josef Klauck offers a significant counterargument to the notion of an early date for Revelation, maintaining that for the author of Revelation “Domitian … is Nero Redivivus.”4 2 For reasons that will become clear in the following discussion, I am not inclined to believe that in general the Christians’ experience of the imperial cult in Asia Minor would have been qualitatively different during the reigns of Domitian, Nerva (96–98 C.E.), or Trajan. On this and related points, see the discussion below. 3 The argument of A LBERT A. BELL, Jr., The Date of John’s Apocalypse: The Evidence of Some Roman Historians Reconsidered, NTS 25 (1978–79), 93–102 at 96–97 concerning the unlikelihood of a Domitianic persecution reaching Asia Minor (which Bell uses to support a Neronic date for Revelation) may be turned on its head inasmuch as it suffers from the same misconception concerning the scope of the Neronic persecution: “Even if, in the face of all the evidence, there were Domitianic persecution in Rome, it by no means follows that anything of the sort happened in the provinces.” 4 HANS-J OSEF KLAUCK, Do They Never Come Back? Nero Redivivus and the Apocalypse of John, in: idem, Religion und Gesellschaft im frühen Christentum: Neutestament-
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One important piece of evidence that oftentimes receives scant, if any, attention in this discussion concerns the devastating earthquake that flattened the city of Laodicea in the year 60/61 C.E. I shall argue that in the decade following this natural disaster, a letter addressed to a wealthy congregation in Laodicea (Rev 3:14–22) would be quite implausible.5 Concerning this earthquake our singular ancient witness is the following brief statement in the Annals of Tacitus (ca. 55–ca. 117 C.E.): Eodem anno ex inlustribus Asiae urbibus Laodicea tremore terrae prolapsa, nullo [a] nobis remedio, propriis opibus revaluit. In that year [60/61 C.E.] one of the famous cities of Asia, Laodicea, was overthrown by an earthquake, and, with no relief from us, recovered itself by its own resources. 6
Occurring in 60/61 C.E., the earthquake preceded by three or four years the fire in Rome and the Neronian persecution of 64 C.E. Scholars have interpreted Tacitus’s statement concerning the lack of help in rebuilding the city (nullo [a] nobis remedio) alternately in terms of highlighting the wealth that was already present at Laodicea or the unusual lack of imperial assistance to help with rebuilding. This difference of interpretation bears upon attempts to date Revelation in the 60s. To my knowledge, this difference in scholars’ interpretation of Tacitus, Ann. 14.27.1 has never been acknowledged, let alone discussed, in secondary literature on the date of Revelation (or on the date of Colossians).7 Albert A. Bell, Jr., who argues for such an early date for Revelation, takes the first of the two aforementioned options. Perhaps following William M. Ramsay, Bell surmises that in Laodicea “the citizens rebuilt the town with their own money, spurning help from the emperor.”8 Albeit not impossible, liche Studien, WUNT 152, Tübingen 2003, 268–289 at 285. One need not necessarily agree with Klauck that in Revelation the emperor Domitian in particular – rather than some later emperor – is Nero Redivivus to appreciate much in his fine analysis and its implications against an early date for Revelation. See further T HOMAS WITULSKI, Die Johannesoffenbarung und Kaiser Hadrian: Studien zur Datierung der neutestamentlichen Apokalypse, FRLANT 221, Göttingen 2007, 14–22 (against a date of 68/69 C.E.) and 22–36 (against a Domitianic date). 5 This will allow us to exclude a date in the 60s C.E. for Revelation 2–3 and, as is to be further argued, for Revelation as a whole. 6 Tacitus, Ann. 14.27.1. Lat.: MAURICE HUTTON, ed., Tacitus: In Five Volumes, LCL 322, London/Cambridge, MA 1969 (1937), 5:150 = ERICH HELLER, ed., P. Cornelius Tacitus, Annalen, München 1982, 660; ET: mine. 7 It is likewise of interest to the date of Colossians, on the assumption that Colossae (roughly 18 km southeast of Laodicea) was also destroyed by this earthquake, and to the possibly fictitious characterization of the addressees by the pseudonymous author of Colossians. 8 BELL, Date of John’s Apocalypse (see n. 3), 100; already W. M. RAMSAY, The Letters to the Seven Churches of Asia, and Their Place in the Plan of the Apocalypse, London 1907, 428, who notably only alludes to Tacitus as a supposed illustration of Revela-
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this interpretation is dubious because it imposes upon Tacitus a characterization of wealthy Laodiceans extracted from Rev 3:14–22. Tacitus states only that Laodicea was rebuilt – not how quickly it was rebuilt, which could offer an indication of the wealth already present in that city. More persuasively, and with reference to the context that Tacitus addresses, James S. Murray interprets nullo [a] nobis remedio as a criticism against Nero and not as an indication of Laodicean wealth: whereas the emperors Augustus and Tiberius had set precedents of “Imperial benefaction” when earthquakes had previously struck in Asia Minor, Nero fell short of this expectation when not offering assistance to Laodicea.9 Aside from the aforementioned dubious interpretation of Tacitus’s testimony, proponents of dating Revelation to ca. 64–69 C.E. cannot explain the characterization of the Laodicean Christians as wealthy in Rev 3:14–22 (esp. 3:17–18). Nor can they account for why in addressing this congregation John, who reflects detailed knowledge of the congregations he addresses and is eager to console them in their suffering and afflictions,10 makes no reference to their suffering through such a supposedly recent natural disaster in 3:14–22. At Rev 3:17 John accuses them of having the confidence to boast, “I am rich, I have prospered, and I need nothing.”11 He exhorts them in 3:18 to “buy from me [Jesus] gold refined by fire so that you may be rich.” Indeed, such trust in wealth is the singular complaint that John raises against the Laodicean Christians. It would indeed be peculiar for John to criticize Christians in Laodicea for trusting too much in wealth within a decade of such a devastating earthquake. It makes much more sense to infer that Rev 3:14–22 addresses the Laodicean community at a time when the city of Laodicea had long since recovered from the earthquake’s economic devastation. Recognizing correctly the watershed tion 3: “It is characteristic of a city devoted to commercial interests and the material side of life, that the Church of Laodicea is entirely self-satisfied. It says, as the city said in a.d. 60, when it recovered its prosperity after the great earthquake without any of that help which the Imperial government was generally ready to bestow, and which the greatest cities of Asia had always been ready to accept, ‘I have grown rich, and I have need of nothing’.” Cf. DAVID E. AUNE, Revelation (see n. 8), WBC 52a–c, Dallas/Nashville 1997–98, 1:lxiii. 9 J AMES S. MURRAY, The Urban Earthquake Imagery and Divine Judgement in John’s Apocalypse, NovT 47 (2005), 142–61 at 157; cf. 150–158. Concerning the OT background and Palestinian context for Armageddon, see, respectively, R ICHARD BAUCKHAM, Eschatological Earthquake in the Apocalypse of John, NovT 19 (1977), 224–233, and AMOS NUR / HAGAI RON, Earthquake! Inspiration for Armageddon, BAR 23 (July/ August, 1997), 48–55. 10 See Rev 2:2, 6, 9, 13–15, 19–20, 24; 3:1, 4, 8–9. 11 Unless otherwise stated, English translations of Scripture are from, or reflect only minor variations from, the NRSV. Your author will note and, where appropriate, discuss any exegetically significant differences from the NRSV.
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date posed by the Laodicean earthquake, Gonzalo Rojas-Flores unpersuasively attempts to date Revelation “after Nero’s ascension to power in the year 54 and before the earthquake of Laodicea in the year 60” – notably before the Neronian persecution of 64 C.E.12 Therefore, the witness of Tacitus to the earthquake of 60/61 C.E., properly understood, along with the depiction of wealthy Laodiceans without mention of a natural disaster in Rev 3:14–22 allows us to dispense with the conclusion of David E. Aune that the evidence for dating Rev 3:14–22 relative to the earthquake of 60 C.E. is ambiguous.13 The problem is not an ambiguity of evidence but rather the failure of many scholars, including Ramsay, Bell and Aune, to interpret Tacitus’s statement in its literary and historical context. Murray’s interpretation of Ann. 14.27.1 supports the inference that the rebuilding of Laodicea may have taken longer than would have otherwise been expected with help from Rome under previous (and presumably, in Tacitus’s time, subsequent) emperors. Such a delayed recovery for Laodicea could have implications for the terminus post quem for Revelation and merits further inquiry. As a consequence, we can dismiss an early date in the 60s C.E. for Rev 3:14–22 and thus for Revelation 2–3. It would follow, moreover, that by the time of Domitian or Trajan (some three to five decades after the earthquake) Rev 3:14–22 confirms Tacitus’s witness to a rebuilt Laodicea and, moreover, that at least some Christians there shared in the city’s renewed prosperity. 1.2 Compositional Unity and “Compositional Criticism” Several prominent scholars have challenged the thesis of Revelation’s compositional unity – that is, that the letters (Revelation 2–3) and visions (Revelation 4–22) stem from the same author and time. Suggesting a paucity of connections between Revelation’s letters and visions, it is sometimes argued that the seven letters predate the visions (so R. H. Charles) or that the visions predate the letters (so H. Kraft and D. E. Aune).14 The pre-
12 GONZALO ROJAS-F LORES, The Book of Revelation and the First Years of Nero’s Reign, Bib 85 (2004), 375–392 at 375; cf. 385–386, concerning the earthquake. This creative hypothesis is unpersuasive for the same reasons, to be discussed below, that a date shortly after Nero’s reign is untenable. 13 AUNE, Revelation (see n. 8), 1:lxiii: “However, both lines of argument are capable of a variety of interpretations, so that a firm date in the late first century a.d. cannot be based on these arguments.” Cf. IDEM, Revelation, 1:lxx: “The situation of the seven churches produces ambiguous evidence that could be dated from the early 70s to the late 90s a.d.” This essay’s occasional disagreements with Aune’s masterful and encyclopedic commentary do not dismiss the great value of this indispensable resource. 14 R. H. CHARLES, A Critical and Exegetical Commentary on the Revelation of St. John, Edinburgh 1920, 1:xciv; HEINRICH KRAFT , Die Offenbarung des Johannes, HNT
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sent inquiry cannot address each of these theories in detail but will note that Aune’s arguments on this point concerning Revelation 2–3 are at best inconclusive. Aune’s case for regarding Revelation 2–3 as a secondary interpolation of earlier letters hinges largely on two arguments. First, Aune states that Rev “2:1–3:22 reflects no persecution of the Roman state, nor is there any evidence for the imperial cult.”15 Although one can easily agree that Revelation 2–3 does not reflect an organized persecution by the Roman state, the discussion below of Antipas’s public execution (Rev 2:13) will suggest that this point must be nuanced. Moreover, as is also discussed below the alleged lack of relevance of the imperial cult for Revelation 2–3 is also open to criticism. The second, and for Aune apparently more important, observation is that in Revelation 2–3 fewer sentences begin with καί, and that these seven letters contain more frequent occurrences of δέ, ἀλλά and οὖν.16 From the standpoint of source criticism – or, as Aune puts it, “diachronic composition criticism”17 – these two arguments are far from compelling. They may be significantly mitigated, moreover, when one takes into account the difference in micro-genre between the seven prophetic oracles to the churches and John’s visions.18 In correspondence between parties who know each other, an author need not denote details, such as specifically imperial referents to persecution, to the extent that might otherwise be expected in visions of impending tribulation. In addition, there is no reason to assume, 16a, Tübingen 1974, 11–15 (also regarding Revelation 7, 11, and 21:9–22:5 as likely secondary additions to Revelation); AUNE, Revelation (see n. 8), 1:cv–cxxxiv. 15 AUNE, Revelation (see n. 8), 1:cxxxii. Against this, see, e.g., S TEVEN J. FRIESEN, Twice Neokoros: Ephesus, Asia and the Cult of the Flavian Imperial Family, Religions in the Graeco-Roman World 116, Leiden 1993, 7–15; J ÖRG FREY, The Relevance of the Roman Imperial Cult for the Book of Revelation: Exegetical and Hermeneutical Reflections on the Relation between the Seven Letters and the Visionary Main Part of the Book, in: John Fotopoulos, ed., The New Testament and Early Christian Literature in GrecoRoman Context: Studies in Honor of David E. Aune, NovT Sup 122, Leiden 2006, 231–255 at 233–236 and the discussion below of the death of Antipas in Pergamon (Rev 2:13). 16 E.g., AUNE, Revelation (see n. 8), 1:cxxxiii (cf. 1:cxxxii–cxxxiv): “While 245 (or 73.79 percent) of the 337 sentences in Revelation begin with καί … only 9 (20.5 percent) of the 44 sentences in Rev 2–3 begin with καί.” 17 Cf. AUNE, Revelation (see n. 8), 1:cxviii. 18 On the micro-genre of Revelation 2–3, see, e.g., E LISABETH S CHÜSSLER F IORENZA, Revelation: Vision of a Just World, Proclamation Commentaries, Minneapolis 2 1991, 46, 53 and the discussion below. This observation concerning the difference in micro-genre between John’s prophetic oracles and visions does not, however, detract from the above point inasmuch as a prophetic oracle likewise assumes a level of rapport with the addressees and thus need not denote every detail of a persecution (assuming such details were known).
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as Aune’s argument seems to require, that John’s opponents – whether Jews, other Christian leaders, or ‘pagan’ devotees to the imperial cult – acted completely independently of one another. Furthermore, since neither Domitian nor Trajan invented the imperial cult, which had been in existence since the first emperor Augustus, Aune’s using the lack of reference to persecution from the imperial cult as a basis for dating Revelation 2–3 prior to Domitian is arbitrary.19 Consequently, when one weighs such inconclusive arguments together with Aune’s cursory assessment of the Laodicean earthquake as a witness against Revelation’s early date,20 it follows that a compelling case for ascribing to the seven prophetic oracles and the visions different dates and Sitze im Leben has yet to be made. This essay therefore adopts as a working hypothesis the compositional unity of Revelation and abandons the thesis of an early Neronic date for Revelation.21 1.3 The Supposed Domitianic Persecution and the Difficulties of Dating of This Visionary Apocalypse Since the 1970s, objections to dating Revelation to the time of Domitian (81–96 C.E.) have tended to follow two lines. The first questions whether Domitian actually instigated a persecution of Christians and, in addition, whether such a persecution would have reached Asia Minor. The second objection builds upon our understanding of the genre apocalypse and, moreover, highlights the difficulty of verifying historically to what the symbolic visions refer. Both of these objections speak to the question of Revelation’s date. An apocalypse points to an idealized or other-worldly reality. For dating Revelation, it is therefore not necessary to demonstrate 19 Cf. AUNE, Revelation (see n. 8), 1:cxxxii. It simply cannot be assumed that any reference to persecution in an apocalypse written at, or later than, Domitian’s time would consistently reference the imperial cult or, for that matter, that an earlier writing would lack any such referent. 20 Aune’s brief discussion of the earthquake takes into account only two points (Revelation [see n. 8], 1:lxiii, discussed above). The latter of the two is the earthquake of 60/61 C.E. The other argument, which AUNE, Revelation, 1:lxiii rightly dismisses as vague and specious, is that the “deteriorated condition of the seven churches in Roman Asia suggests a date later rather than earlier in the first century (Beckwith, 207).” 21 With, e.g., ADELA YARBRO COLLINS, The Combat Myth in the Book of Revelation, HDR 9, Missoula, MT 1976, 9–11; EADEM, Dating the Apocalypse of John, BR 26 (1981), 33–45; ULRICH B. MÜLLER, Die Offenbarung des Johannes, ÖTK 19, Gütersloh/Würzburg 21995, 38–40; FERDINAND HAHN, Die Sendschreiben der Johannesapokalypse: Ein Beitrag zur Bestimmung prophetischer Redeformen, in: Tradition und Glaube: Das frühe Christentum in seiner Umwelt (FS K. G. Kuhn), ed. Gert Jeremias et al., Göttingen 1971, 357–394 at 362. This acknowledges, of course, John’s incorporating traditional materials into Revelation (e.g., at 11:1–13), as well as tensions within Revelation stemming from inconsistent redactional tendencies.
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that a particular emperor actually persecuted Christians in the way that John imagined or predicted. Such evidence for writings in this genre can be especially elusive or difficult to pinpoint to one particular context to the exclusion of other possibilities. This renders the question of Revelation’s date all the more complex, which is one reason why this essay includes the reigns of Domitian and Trajan as possible referents for this apocalypse. These two points concerning Domitian’s supposed persecution of the Christians and the genre of apocalypse receive attention in the following two paragraphs, respectively. Since the important 1973 essay by Roman historian Fergus Millar, scholars have increasingly questioned whether the imperial cult played any significant role in persecuting Christians.22 The question must, of course, be distinguished from John’s perception of the danger. Millar notes that prior to the Decian persecution (250–252 C.E.), “…all the evidence we have … concerns either popular accusations of refusing the Imperial cult, or action by local magistrates on the same issue.”23 Millar acknowledges that the imperial cult played “only a modest role in the persecutions” precisely because it was integrated into other Greek religious observances.24 The notion that the emperor Domitian in particular persecuted Christians is based on several misunderstandings concerning the identity of certain individuals whom Domitian had killed during the last years of his reign.25 Indeed, the earliest ancient testimony that John wrote at the time of Domitian is Irenaeus (Adv. haer. 5.30.3), who reflects the apologetic motive of defending Revelation’s apostolic authorship and yet does not depict
22 FERGUS M ILLAR, The Imperial Cult and the Persecutions, in: Willem den Boer, ed., Le Culte des souverains dans l’Empire romain. Sept exposés suivis de discussions, Entretiens sur l’antiquité classique 19, Vandœuvres-Geneva 1972, 145–165. 23 MILLAR, Imperial Cult (see n. 22), 150, emphasis original. 24 MILLAR, Imperial Cult (see n. 22), 164: “I would like to suggest that it is precisely this integration of the Imperial cult into the wider spectrum of pagan cults which is the first reason why it plays only a modest role in the persecutions. The second reason is that, both for the people and, in the end, for the Emperors themselves, there was a real fear of abandonment of the ancient gods, and of the loss of the protection which they extended to the cities, and the Empire as a whole.” 25 With RUDOLF FREUDENBERGER, Christenverfolgungen, 1. Römisches Reich, TRE 8 (1981), 23–29 at 25; A. Y. COLLINS, Crisis and Catharsis: The Power of the Apocalypse, Philadelphia 1984, 69–73; P ETER LAMPE, Die stadtrömischen Christen in den ersten beiden Jahrhunderten, WUNT 2.18, Tübingen 21989, 166–172; FREY, Imperial Cult (see n. 15), 233–236; FRANZ TÓTH, Der himmlische Kult: Wirklichkeitskonstruktion und Sinnbildung in der Johannesoffenbarung, Arbeiten zur Bibel und ihrer Geschichte 22, Leipzig 2006, 65–69; W ITULSKI, Johannesoffenbarung und Kaiser Hadrian (see n. 4), 22– 36. KRAFT , Offenbarung (see n. 14), 177 (on Rev 13:7) is emblematic of the older view that Domitian instigated a persecution of Christians.
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Domitian as a persecutor.26 Therefore, we conclude with Jörg Frey that “at least for the time of the final edition of Revelation to which the seven letters should be ascribed, no real persecution can be established.”27 These observations support the modest conclusion that the evidence neither compels nor excludes a date for Revelation at the time of Domitian. This conclusion acknowledges the possibility, discussed below, that the author of Revelation knew about persecution stemming from local devotion to the imperial cult in Asia Minor, albeit not persecution instigated by the emperor.28 We may now turn to the second of the two aforementioned points, namely the genre of Revelation. John J. Collins compellingly dismisses the notion that Revelation of John does not belong to the genre apocalypse. Collins argues that Revelation’s lacking three common features of apocalypses – lengthy ex eventu prophecies, pseudonymity, and calls for secrecy – do not constitute a credible basis for assigning this work to a different genre.29 Accordingly, as an apocalypse Revelation discloses “a transcend26 For Irenaeus, it was less problematic to maintain that the apostle John lived under Domitian (some 50–65 years after Jesus’ crucifixion) rather than under Trajan (roughly 70–80 years after the crucifixion). Concerning this testimony, R OBERT B. MOBERLY, When Was Revelation Conceived? Bib 73 (1992), 376–393 at 381, astutely observes, “We would not normally regard so distant, belated and second-hand opinion as, by itself, evidence.” So also HENK J. DE J ONGE, The Apocalypse of John and the Imperial Cult, in: H. F. J. Horstmanshoff et al., ed., Kykeon, Religions in the Graeco-Roman World 142, Leiden 2002, 127–141 at 128; C OLLINS, Combat Myth (see n. 21), 56. A thorough yet oft-overlooked study of Irenaeus on this point is BARCLAY NEWMAN, The Fallacy of the Domitian Hypothesis: Critique of the Irenaeus Source as a Witness for the Contemporary-historical Approach to the Interpretation of the Apocalypse, NTS 10 (1963–64), 133–39. Newman argues that the Domitianic date is nevertheless tenable, because Irenaeus does not connect Revelation with a persecution under Domitian but only to the time of Domitian. 27 FREY, Imperial Cult (see n. 15), 235; cf. BELL, Date of John’s Apocalypse (see n. 3), 96–97: “Even if, in the face of all the evidence, there were a Domitianic persecution in Rome, it by no means follows that anything of the sort happened in the provinces.” 28 With MÜLLER, Offenbarung (see n. 21), 260; S CHÜSSLER F IORENZA, Revelation (see n. 18), 126: “The insight that Domitian was neither better nor worse than other Roman emperors does not prove that Revelation’s world of vision is not developed in response to an actual sociotheological crisis. It only suggests that the author’s interpretation was not shared by everyone in the Christian community or in the wider Asian society.” 29 J. J. COLLINS, Pseudonymity, Historical Reviews, and the Genre of the Revelation of John, CBQ 39 (1977), 329–343. Noting that ex eventu prophecies also do not occur in the “Similitudes of Enoch” (1 Enoch 1–36) or the “Book of the Heavenly Luminaries” (2 Enoch) and that they “are only minimally represented in the Apocalypse of Abraham (chapter 25),” Collins argues that “the most basic function of ex eventu prophecies was rendered superfluous by the historical context of Revelation” (330–338 at 330). Moreover, Collins considers the commands to secrecy in Daniel and 4 Ezra as the byproduct of their pseudonymity and not emblematic of the entire genre of apocalypse (339). In your author’s opinion, the minor role of ex eventu prophecy in Revelation concerning the death
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ent reality,” which may be quite different from the “reality” reflected by other ancient witnesses.30 Other scholars have likewise called attention to the importance of John’s particular perspective or experience of “reality” as expressed in this apocalypse. Emphasizing the psychological aspect of John’s visions of “what ought to be,” Adela Yarbro Collins argues for the importance of the visions’ cathartic effect on an audience experiencing alienation and fear from the dominant culture.31 Likewise focusing on John’s visionary perspective, Elisabeth Schüssler Fiorenza highlights the “symbolic universe” that Revelation creates to address the rhetorical situation in which persecution as construed by John played the dominant role.32 Within this universe, rival Christian leaders, Jews, and even the mighty Roman Empire do not have a lasting existence but rather offer to the faithful only a temporary context for resistance. Furthermore, explaining the gap between the particular experiences of some persecution, as attested in Revelation 2–3, and the massive persecution, as foretold in the visions of chapters 12–13, Harald Ulland aptly uses the term “radicalization” to describe how John takes the experiences of some Christians in Asia Minor and universalizes them on a cosmic scale.33 The preceding paragraphs concerning the supposed Domitianic persecution of the Christians and the otherworldly reality to which this apocalypse points highlight many of the difficulties associated with dating Revelation. Despite these difficulties, there are good reasons for dating Revelation to
of the (purportedly) current emperor (Rev 17:10) merits comparison with this minor theme in the Apocalypse of Abraham 25 (cf. COLLINS, Pseudonymity [see above], 330). 30 Cf. the oft-cited definition for this genre, e.g., in J. J. COLLINS, The Apocalyptic Imagination: An Introduction to the Jewish Matrix of Christianity, New York 1984, 4: “Apocalypse is a genre of revelatory literature with a narrative framework, in which a revelation is mediated by an other-worldly being to a human recipient, disclosing a transcendent reality, which is both temporal, insofar as it envisages eschatological salvation, and spatial insofar as it involves another, supernatural world.” 31 A. Y. COLLINS, Crisis and Catharsis (see n. 25), 141–54, esp. 142–144. Collins (153) writes, “The powers that threaten them [believers] are symbolized by the beast from the abyss and the dragon. These vivid images are certainly designed more to evoke terror than to allay it. Nevertheless, the projection of the conflict onto a cosmic screen, as it were, is cathartic in the sense that it clarifies and objectifies the conflict.” 32 ELISABETH S CHÜSSLER FIORENZA, Visionary Rhetoric and Social-Political Situation, in: eadem, The Book of Revelation: Justice and Judgment, Minneapolis 21998, 181– 203 at 182, taking Rev 14:1–5 as an example of John’s “rhetorical language and symbolic universe.” 33 HARALD U LLAND, Die Vision als Radikalisierung der Wirklichkeit in der Apokalypse des Johannes: Das Verhältnis der sieben Sendschreiben zu Apokalypse 12–13, Texte und Arbeiten zum neutestamentlichen Zeitalter 21, Tübingen 1997.
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the time of Domitian or later.34 The following subsection gives attention to two of them. 1.4 Dating Revelation to the Time of Domitian or Trajan In favor of a Domitianic context, it is commonly suggested35 that Rev 4:11 (ἄξιος εἶ, ὁ κύριος καὶ ὁ θεὸς ἡµῶν) criticizes Domitian’s supposed insistence in 85 C.E. that he be called dominus et deus noster (Suetonius, Domitian 14.2). Yet, as Yarbro Collins argues, this point must be nuanced, because the characterization likely stems from a post-Domitianic context: A number of classical scholars have argued, however, that this negative portrayal does not reflect Domitian and his reign as they actually were. Rather, it is a product of the desire of [ancient] writers … to please Trajan and to praise his reign as a new era. The better to flatter Trajan, the more they had to denigrate Domitian. It now seems probable that Domitian did not demand that his subjects refer to him as “our lord and god.” 36
A Christian affirmation of God rather than the emperor as “our Lord and God” (Rev 4:11) coming in response to such a mischaracterization of Domitian is far more likely to have arisen under Trajan (or possibly even later, under Hadrian [117–138 C.E.]) than during Domitian’s reign. At any rate, Rev 4:11 commends a date for Revelation at the time of Domitian or later. A second point concerns the vaticinium ex eventu in Rev 17:9–10 that the fifth in a series of seven kings will be followed by a short-lived ruler, who had also died by the time John wrote.37 Scholars have tended to identify the fifth ruler as either Nero (succeeded by Galba, 68–69 C.E.)38 or Domitian (succeeded by Nerva, 96–98 C.E.). In the former case, the seventh and final king would be Otho, who reigned approximately three months during the “year of the four Emperors,” and suggest for Revelation a date of 69 C.E. In addition to the objections to an early date for Revelation addressed above, such an interpretation of Rev 17:9–10 cannot account for Revelation’s urgency concerning such a perceived threat to
34 See A. Y. COLLINS, “Dating the Revelation of John”, in: eadem, Crisis and Catharsis (see n. 25), 54–83. 35 E.g., S CHÜSSLER F IORENZA, Revelation (see n. 18), 54; EADEM, Justice and Judgment, 19. 36 COLLINS, Crisis and Catharsis (see n. 25), 71–72. 37 Rev 17:9–10: “This calls for a mind that has wisdom: the seven heads are seven mountains on which the woman is seated; also, they are seven kings, [10] of whom five have fallen, one is living, and the other has not yet come; and when he comes, he must remain only a little while (ὀλίγον).” 38 So MOBERLY, When Was Revelation Conceived? (see n. 26); BELL, Date of John’s Apocalypse (see n. 3); ROJAS-FLORES, Revelation and the First Years of Nero’s Reign (see n. 12), 388–391.
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Christians in Asia Minor at a time when the political situation in Italy was so tumultuous. In favor of the latter explanation of Domitian as the deceased fifth king to which Rev 17:9–10 points, Henk J. de Jonge writes: Rev 17:10 is especially compelling for a date during the time of Trajan. The author presents himself here as writing during the reign of an emperor whose successor will reign for only a short time. But how can he know that his successor will only reign for a short time unless that reign had already come to an end? 39
If, according to this more persuasive of the two interpretations, Domitian is the fifth emperor, the sixth emperor with a brief reign would be Nerva (96– 98 C.E.). This in turn would suggest Trajan (98–117 C.E.) as the seventh and final king when John wrote, although the possibility must also be acknowledged that John while writing under Nerva accurately predicted a short reign for this emperor. This interpretation of Rev 17:9–10 complements the explanation embraced in the previous paragraphs that in a period of Trajanic (or possibly Nervic or Hadrianic) propaganda Rev 4:11 responds to a later smear against Domitian as having pompously commanded the appellation dominus et deus noster. To summarize, this discussion has dismissed an early date in the 60s C.E. for Revelation. Although it has found no compelling reason to abandon a Domitianic date, there are also indications that Revelation reached its final form under Trajan. For this reason, I find it necessary to broaden the consensus date for Revelation (ca. 95–100 C.E.) to ca. 90–110 C.E. – and possibly even later. As will be discussed below, this date has relevance for interpreting this work and the persecution that some Christians in Asia Minor may have experienced in relation to the imperial cult at that time. If one finds these arguments persuasive, there is no reason to think that Revelation could not have been written after ca. 110 C.E., a position for which Thomas Witulski has argued at some length on different grounds than those to be outlined briefly in this and the following paragraph.40 Two arguments against an even later date for Revelation – namely, John’s imminent eschatology and undeveloped church structure – may be dismissed as equally indecisive as those in favor of the traditional Domitianic date. Concerning eschatology, although the “delay of the parousia” over time correlates with more and more Christians’ abandoning imminent eschatological expectations like Mark 13:23–31 and 1 Thess 4:13–18, the expectation of at least some ‘Montanists’ as late as the late-third or early-fourth 39 DE JONGE, Apocalypse (see n. 26), 128. 40 THOMAS W ITULSKI, Kaiserkult in Kleinasien:
Die Entwicklung der kultischreligiösen Kaiserverehrung in der römischen Provinz Asia von Augustus bis Antoninus Pius, Novum Testamentum et Orbis Antiquus/Studien zur Umwelt des Neuen Testaments 63, Göttingen/Fribourg 2007; IDEM, Johannesoffenbarung und Kaiser Hadrian (see n. 4).
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century of the imminent appearance of the New Jerusalem in Phrygian Pepouza (in modern Turkey approximately 400 km E/NE of Patmos) attests to the tenacity of imminent eschatological expectations like those in Revelation in at least certain Christian circles.41 A second dubious criterion for dating Revelation concerns the lack of this work’s reference to an emerging church leadership like those attested in the Pastoral Epistles and Ignatius’s letters, comprised of elders and bishops who are to defend correct doctrine against ‘heresy.’ In Revelation such an ecclesiology, whether undeveloped or, possibly, in defiance of (so Müller)42 the very structure that Ignatius implores, cannot arbitrarily consign the prophet John (or his Christian opponents) to an earlier period on the assumption of the inevitable ascendancy of the episcopal office in the second century. It is therefore on these grounds that your author argues for broadening the consensus date for Revelation to ca. 90–110 C.E. – and possibly even later.
41 W ILLIAM TABBERNEE, Revelation 21 and the Montanist ‘New Jerusalem,’ AusBR 37 (1989), 52–60, argues that this expectation did not stem from the original Montanist prophets in the second century but was rather a “vision … related by Quintilla (not Priscilla) and that Montanism, in its original form, knew nothing of the descent of the New Jerusalem at Pepouza” (55). According to Tabbernee (56), Quintilla was active in the late-third or early-fourth century; her vision thus reflects that “eschatological innovation regarding the identification of Pepouza with the New Jerusalem of Revelation crept into Montanism at a later stage of its history” (58). Moreover, P ETER LAMPE, The Phrygian Archaeological Surface Survey Project of the University of Heidelberg and the Discovery of Pepouza and Tymion, ZAC 6 (2001), 117–120 at 118 argues that the ancient city of Pepouza can now be identified south of modern Usak, Turkey, a distance of roughly 400 km E/NE of Patmos. See further: W ILLIAM TABBERNEE, Portals of the Montanist New Jerusalem: The Discovery of Pepouza and Tymion, JECS 11 (2003), 87–93; IDEM, Montanist Inscriptions and Testimonia: Epigraphic Sources Illustrating the History of Montanism, Patristic Monograph Series 16, Macon, GA 1997, 2, 346–347, 524–525; W. TABBERNEE / P. LAMPE, Pepouza and Tymion: The Discovery and Archeological Exploration of a Lost Ancient City and an Imperial Estate, Berlin 2008; W. TABBERNEE, Fake Prophecy and Polluted Sacraments: Ecclesiastical and Imperial Reactions to Montanism, VCSup 84, Leiden 2007, 388 (emphasis original): “There is little doubt … that the Montanist belief in the descent of the New Jerusalem at Pepouza was based upon an exaggerated, literalistic interpretation of apocalyptic literature. … But it must not be forgotten that, as far as we can tell, these novelties related to Phrygian Montanism and not necessarily to the totality of the Montanist movement.” 42 Cf. U. B. MÜLLER, Zur frühchristlichen Theologiegeschichte: Judenchristentum und Paulinismus in Kleinasien an der Wende vom ersten zum zweiten Jahrhundert nach Christus, Gütersloh 1976, 33–34.
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2 The Suffering of John and the Congregations He Addresses In what follows I shall argue that John’s presentation of his suffering is of great importance to his overall purpose in Revelation of exhorting the faithful to be prepared to suffer during the coming tribulation. By beginning with his own experience of “affliction” (θλῖψις, 1:9), John establishes rhetorically a basis for relating to the suffering of several of the seven congregations he addresses in chapters 2–3. This in turn will allow John to use resisting oppression during the coming great tribulation as a basis for establishing the status of the true believers who, like John, must refuse to compromise with Jews, false Christian prophets and Roman oppression, thereby enduring to the end and attaining salvation. As indicated at the beginning of this essay, this study will highlight John’s theology of authentication, or justification, by suffering. That is to say, one’s status as a true believer receives confirmation because one endures persecution in the way that John deems necessary. 2.1 The Importance of John’s Suffering to His Prophetic Status The author of Revelation presents himself as neither an apostle nor a prophet.43 The two references to ἀπόστολοι in Revelation in no way associate John with this group.44 Rather than calling upon apostolic authority, John commends to his presumed congregants the importance of embracing correct “teaching,” which includes resisting false Christian prophets.45 Although John does not explicitly claim to be a prophet, several details in Revelation support our construing this author as a prophet.46 For one thing, Revelation twice refers to itself as προφητεία (“prophecy,” 1:3; 22:18). Moreover, in Revelation the potential duplicity of the term “prophet” is evident in the qualifications John adds to it for his rivals, whether ἡ λέγουσα ἑαυτήν for ‘Jezebel’ (2:20) or ψευδο- for the false prophets.47 The need for such qualifications could explain why John does not use the des43 44
Cf. SCHÜSSLER FIORENZA, Revelation (see n. 18), 133. Both occurrences of ἀπόστολοι in Revelation are plural (18:20; 21:24; pace Irenaeus’s characterization of this John as Jesus’ disciple in Adv. haer. 5.30.3). 45 See Rev 2:14–15, 24 (διδαχή); 2:14, 20 (διδάσκω). A similar anti-heretical tendency can be noted in several (likewise post-apostolic) deutero-Pauline epistles (Col 1:23; 2:5–7; Eph 2:20; 3:1–2; 4:11–12; 1 Tim 1:19; 4:1–6; 6:21; 2 Tim 2:18; 3:8). 46 Against S CHÜSSLER FIORENZA, Revelation (see n. 18), 133, that John’s not using the title “prophet” for himself suggests that this was “probably because his prophetic title was controverted.” See further the discussion below. 47 In Revelation προφήτης can designate either prophets whom the Lord approves (10:7; 11:10, 18; 16:6; 18:20, 24; 22:6, 9) or, in the singular, the false prophet ‘Jezebel’ (ἡ λέγουσα ἑαυτὴν προφῆτιν, 2:20). John adds the dysphemistic prefix ψευδο- to acknowledge the eschatological false prophet (ψευδοπροφήτης, 16:13; 19:20; 20:10).
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ignation for himself, which in a context of disputed authority could be construed as tantamount to lowering himself to the level of his rival Christian opponents.48 The closest Revelation comes to presenting John as a prophet is toward the end in Rev 22:9, where an angel, speaking in the first person to John, refers to himself as the “fellow-servant of [John] and of [John’s] brethren the prophets” (σύνδουλός σού εἰµι καὶ τῶν ἀδελφῶν σου τῶν προφητῶν). With the legitimacy of John’s opponents having been thoroughly dismissed earlier in this work,49 22:9 connotes that John is primus inter pares among the Lord’s true prophets. Likewise, Rev 19:10 assumes that only the Lord’s true prophets convey the “testimony” (µαρτυρία) of Jesus.50 Therefore, John’s reluctance to refer explicitly to himself as προφήτης does not detract from the aptness of this term for him.51 On the contrary, it points to an author who assumes prophetic status and yet requires additional confirmation of his authority, in part because John’s Christian opponents would apparently not have recognized him as a legitimate prophet. One implication of the previous paragraph is that John offers his revelation while aware that other Christian prophets would not acknowledge his authority to make such sweeping judgments and predictions. In the face of this opposition, we may note, against Schüssler Fiorenza, that from the very beginning John is concerned with legitimizing his prophetic authority.52 Yet as Schüssler Fiorenza rightly observes, receiving a message from Christ’s designated angel and a commissioning from Christ himself to write to the seven churches is for John an indispensable source of his legitimization.53 These (otherwise unverifiable) claims of heavenly revelations 48 The opponents, of course, may have accorded to John a status even lower than that of their fellow prophet. 49 On this, see especially the discussion of idol meat and ‘immorality’ in Rev 2:14, 20 below. 50 Rev 19:10d: “For the testimony of Jesus is the spirit of prophecy” (ἡ γὰρ µαρτυρία Ἰησοῦ ἐστιν τὸ πνεῦµα τῆς προφητείας). 51 With DAVID E. AUNE, Prophecy in Early Christianity and in the Ancient Mediterranean World, Grand Rapids 1983, 274–288; cf. C OLLINS, Crisis and Catharsis (see n. 25), 134–138 at 137: “If John was an itinerant prophet, that fact would explain why he was familiar with each of the seven communities” addressed in Revelation 2–3 “but did not associate himself in any special way with any.” 52 Pace S CHÜSSLER FIORENZA, Justice and Judgment (see n. 32), 196: “John did not claim exceptional personal status and authority. He consistently calls himself doulos (slave) rather than prophētēs (prophet) and places himself emphatically on the same level with the audience (1:9).” 53 Rev 1:1–2, 12–20; 22:16. Likewise, the curses attached to adding to or taking away from “the words of the book of this prophecy” (προφητεία) assumes that John has Jesus’ full approval and therefore a special status as messenger of both hope and imminent judgment. Cf. SCHÜSSLER FIORENZA, Justice and Judgment (see n. 32), 196: “He
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are not the only experiences that John calls upon to differentiate himself from the rival prophets, however. I wish to argue that John also distinguishes himself from his prophetic rivals by highlighting toward the beginning of his work how he suffered exile on the island of Patmos: I, John, your brother and fellow participant in the affliction and kingdom and patient endurance that are in Jesus (συγκοινωνὸς ἐν τῇ θλίψει καὶ βασιλείᾳ καὶ ὑποµονῇ ἐν Ἰησοῦ), was on the island called Patmos as a result of the word of God and the testimony of Jesus (διὰ τὸν λόγον τοῦ θεοῦ καὶ τὴν µαρτυρίαν Ἰησοῦ). (Rev 1:9, translation mine)
It is sometimes questioned whether John does indeed claim54 here to have been exiled to Patmos because of his prophetic message or missionary activities elsewhere.55 In favor of the interpretation that Rev 1:9 presents John as a victim of persecution, two points, when taken together, are decisive. The first is John’s claim that as a follower of Jesus he experienced “oppression” (θλῖψις, “trouble that inflicts distress, oppression, affliction, tribulation”56) of some kind. The second point underscoring John’s claim of persecution concerns the twofold occurrence of “the preposition διὰ (cf. 1:9c: διὰ τὸν λόγον τοῦ θεοῦ καὶ τὴν µαρτυρίαν Ἰησοῦ), which in Revelation when used with the accusative case always means the reason, not the goal.”57 In the similar context of Rev 6:9b, for example, John sees “the souls of those who had [John] does rely on legitimization, but it derives not from human authority but from Christ himself.” 54 The present discussion sets aside the question of “what actually happened,” which apart from John’s self-interested rhetorical framing of his experience is perhaps unanswerable. 55 So, e.g., KRAFT , Offenbarung (see n. 14), 40–42; FREY, Imperial Cult (see n. 15), 235; IDEM, Erwägungen zum Verhältnis der Johannesapokalypse zu den übrigen Schriften im Corpus Johanneum, in: Martin Hengel, Die johanneische Frage: Ein Lösungsversuch mit einem Beitrag zur Apokalypse von Jörg Frey, WUNT 67, Tübingen 1993, 326– 429 at 417, 428. 56 BDAG, 457, s.v. θλῖψις. 57 UDO S CHNELLE, The History and Theology of the New Testament Writings, Minneapolis 1998 (1994), 523 n. 22, who follows JÜRGEN ROLOFF, The Revelation of John: A Continental Commentary, Minneapolis 1993 (21984), 32; MÜLLER, Offenbarung (see n. 21), 81 and others on this point. So also R. H. CHARLES, Revelation (see n. 21), 1:21– 22; EDUARD LOHSE, Die Offenbarung des Johannes, NTD 11, Göttingen 1988, 20; PIERRE PRIGENT , Commentary on the Apocalypse of St. John, Tübingen 2001 (1981), 127; BEN WITHERINGTON III, Revelation, New Cambridge Bible Commentary, Cambridge 2003, 78–79; ROBERT H. MOUNCE, The Book of Revelation, NICNT, Grand Rapids 1998, 54–55. Additionally, ERNST LOHMEYER, Die Offenbarung des Johannes, HNT 16, Tübingen 31970, 15, SCHÜSSLER FIORENZA , Revelation (see n. 18), 50 (“more likely”), and AUNE, Revelation (see n. 8), 1:81–82 favor this as the more probable interpretation of Rev 1:9.
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been slaughtered because of (διά + accusative) the word of God and because of (again, διά + accusative) the testimony they had given.”58 Concerning this second point, although Aune favors the interpretation that Rev 1:9 highlights John’s earlier experience of persecution and exile, he calls for caution, “since διά with the accusative can express both cause (‘because of,’ ‘on account of’) and purpose (‘for’; cf. BDF § 222), there is no grammatical basis for excluding any of the three explanations.”59 Such caution would indeed be appropriate, for example, for the authors of LukeActs and especially Hebrews, who arguably grasped such subtle nuances of Greek grammar. In the case of Revelation, however, we have a writing riddled with misspellings and grammatical incongruities. Accordingly, for the author of Revelation such advanced knowledge of Greek grammar cannot be presumed. For the interpretation of Rev 1:9, therefore, John’s consistent pattern of using διά with the accusative to indicate cause is the decisive consideration. For the present study the argument concerning John’s use of διά with the accusative is significant because John claims that his time in Patmos was the result – not the goal – of his ministry and that some form of resistance to John60 had culminated in his banishment to Patmos. We therefore conclude that from the beginning of his composition John is eager to elevate his status above that of other Christian prophets on the basis of not only having received a revelation from Jesus (1:1–2, 12–20) but also having suffered as Jesus’ follower (1:9).61 A further point from Rev 1:9 speaks to how John offers his faithful suffering as a standard of conduct that he expects from other Christians as well. As a συγκοινωνός (“fellow participant”) in persecution, John connects his experience and longsuffering (ὑποµονή, 1:9) to the adversity that all Jesus’ followers can expect and to how they too must endure. This presupposition may also be seen in the formulation τῇ θλίψει καὶ βασιλείᾳ καὶ 58
Rev 6:9b: τὰς ψυχὰς τῶν ἐσφαγµένων διὰ τὸν λόγον τοῦ θεοῦ καὶ διὰ τὴν µαρτυρίαν ἣν εἶχον. Likewise, at Rev 20:4 John sees “the souls of those who had been beheaded because of (διά) their testimony to Jesus and because of (διά) the word of God.” 59 AUNE, Revelation (see n. 8), 1:82. 60 John does not indicate the source of his claimed oppression, whether from rival Christian prophets, Jews, or polytheists. Since approval from a Roman provincial official would likely be necessary for the imposition of exile, it seems that at the very least John implicates Roman imperial hostility (possibly, but not necessarily, stemming from the imperial cult) to his ministry. 61 Cf. S CHÜSSLER F IORENZA, Revelation (see n. 18), 54: John’s “experience of and anticipation of persecution constitutes the rhetorical situation inscribed in the text.” In Rev 10:4 John will suggest an additional basis for his authority, namely that he as God’s designated prophet has access to additional information not even revealed in this writing (cf. 10:1–7; 19:21b).
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ὑποµονῇ ἐν Ἰησοῦ (“the affliction and kingdom and patient endurance that are in Jesus”), which assumes that for any true believer following Jesus involves affliction and endurance and, perhaps as a consequence, embracing John’s corresponding vision of the coming “kingdom” (cf. Rev 13:7– 10; 20:4–6). As is discussed below, in chapters 2–3 John will articulate his expectation that all true believers must faithfully resist oppression like John and not assimilate. Concerning Rev 1:9 as a confirmation of John’s prophetic status, it is precisely because John has already withstood affliction (θλῖψις, 1:9) that he can claim the status to console and exhort the suffering church in Smyrna, which has experienced θλῖψις and slander from a “synagogue of Satan.”62 In his messages to the seven churches (2:1–3:22), John will relate several such expectations for how the faithful must respond to adversity. In one of his visions, moreover, John will hold up as an example the multitude of saints, who are dressed in white (7:13) because they “have come out of the great tribulation” (θλῖψις; cf. 1:9; 2:9).63 As we shall see in the following subsections, in Revelation suffering and faithful resistance constitute a kind of double-edged sword: it likewise authenticates those who will endure and condemns those who will not respond to affliction in the way John requires.64 2.2 The Challenge of the Imperial Cult to Christian Self-Definition The previous subsection argued that John highlights not only his revelations from Christ but also his suffering for Christ as confirmation of his prophetic status. To the present author, it is an open question whether at the time John wrote his position of radical non-assimilation to the surrounding culture was a majority or a marginalized perspective among Christians in Roman Asia Minor.65 In the so-called letters – or, better, pro-
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Rev 2:9. Cf. SCHÜSSLER FIORENZA, Revelation (see n. 18), 50: “The first word, thlipsis, can mean: agony, distress, ordeal, eschatological tribulation, suffering, oppression. With it, John insists that he shares with Christians in Asia Minor the tribulations of the end time, which consist of possible exile, imprisonment, social ostracism, slander, poverty, economic exploitation, violence, and the constant threat of judicial action.” 63 Rev 7:14 (οἱ ἐρχόµενοι ἐκ τῆς θλίψεως τῆς µεγάλης); cf. above on Rev 1:9; 2:9. 64 These observations concerning John’s valuation of his own suffering should not be isolated from his estimation of Jesus’ suffering. For John, Christ is “the faithful one, the witness (ὁ µάρτυς, ὁ πιστός), the firstborn of the dead … who freed us from our sins by his blood” (1:5). Because Christ was “was dead” and is “alive forever and ever” (1:18), the faithful need not fear the suffering to which they are called (cf. 17:14!). 65 S CHÜSSLER F IORENZA, Revelation (see n. 18), 132 and DE J ONGE, Apocalypse (see n. 26), 139–140 regard John’s extreme position of resistance as a marginal rather than a majority perspective.
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phetic oracles66 – to the seven congregations (2:1–3:22), a number of details about John’s differences with the other Christian leaders emerge. These details have relevance for how John values the importance of resistance and suffering that in certain respects other Christian leaders apparently did not value. In particular, John and his opponents seem to have viewed differently the potential danger posed by the imperial cult. The following two paragraphs concern the imperial cult, which, it will be argued, offers a context for this dispute between John and Christian leaders he opposes. Since Simon R. F. Price’s groundbreaking 1984 monograph on the prevalence of the imperial cult in Asia Minor, a veritable mountain of secondary literature on its relevance for Revelation has arisen.67 The most pertinent points for interpreting Revelation in light of the imperial cult may be reviewed briefly in this and the following paragraph. First, the imperial cult, which began under the first Roman emperor Augustus, was originally, and remained primarily, a grassroots movement. It was not im66 With S CHÜSSLER F IORENZA, Revelation (see n. 18), 46 (cf. 53): “The so-called seven letters are not actual letters, but they are formalized in such a way that they function as prophetic proclamations to the churches.” 67 S IMON R. F. P RICE, Rituals and Power: The Roman Imperial Cult in Asia Minor, Cambridge 1984; but already with sophistication MILLAR, Imperial Cult and the Persecutions (see n. 22); DAVID E. AUNE, The Influence of Roman Imperial Court Ceremonial on the Revelation of John, BR 28 (1983), 5–26; C OLLINS, Crisis and Catharsis (see n. 25); STEVEN J. SCHERRER, Revelation 13 as an Historical Source for the Imperial Cult under Domitian, HTR 74 (1981), 406; IDEM, Signs and Wonders in the Imperial Cult, JBL 103 (1984), 599–610. Important subsequent literature includes FREY, Relevance of the Roman Imperial Cult (see n. 15); STEVEN J. FRIESEN, The Cult of the Roman Emperors in Ephesos: Temple Wardens, City Titles, and the Interpretation of the Revelation in John, in: Helmut Koester, ed., Ephesos, Metropolis of Asia: An Interdisciplinary Approach to Its Archaeology, Religion, and Culture, HTS 41, Valley Forge 1995, 229–250; IDEM, Imperial Cults and the Apocalypse of John: Reading Revelation in the Ruins, Oxford 2001; IDEM, Twice Neokoros (see n. 15); CHRISTOPHER A. FRILINGOS, Spectacles of Empire: Monsters, Martyrs, and the Book of Revelation, Philadelphia 2004; H EINZ GIESEN , Das Römische Reich im Spiegel der Johannes-Apokalypse, in: idem, Studien zur Johannesapokalypse, Stuttgarter biblische Aufsatzbände 29, Stuttgart 2000, 100–213; PHILIP A. HARLAND, Honouring the Emperor or Assailing the Beast: Participation in Civic Life among Associations (Jewish, Christian and Other) in Asia Minor and the Apocalypse of John, JSNT 77 (2000), 99–121; DE J ONGE, Apocalypse (see n. 26); HANSJ OSEF KLAUCK, Das Sendschreiben nach Pergamon und der Kaiserkult in der Johannesoffenbarung, Bib 73 (1992), 153–182; J. NELSON KRAYBILL, Imperial Cult and Commerce in John’s Apocalypse, JSNTSup 127, Sheffield 1996; HEIKE OMERZU, Die Himmelsfrau in Apk. 12: Ein polemischer Reflex des römischen Kaiserkults, in: Michael Becker / Markus Öhler, ed., Apokalyptik als Herausforderung neutestamentlicher Theologie, WUNT 2.214, Tübingen 2006, 167–194; LEONARD L. THOMPSON, The Book of Revelation: Apocalypse and Empire, New York 1990; ULLAND, Vision als Radikalisierung (see n. 33); WITULSKI, Kaiserkult in Kleinasien (see n. 40); IDEM, Johannesoffenbarung und Kaiser Hadrian (see n. 4).
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posed “from above” but over time gained recognition from Rome in response to widespread enthusiasm among local devotees.68 Therefore, and as discussed above concerning Domitian’s supposed persecution, the notion that Domitian (or any other emperor prior to Decius) instigated a widespread persecution centered in punishing Christian refusal to participate in the imperial cult is a complete misnomer. Although this may have been John’s perception, or trepidation, this supposition is not supported by any credible assessment of the actual threat to Christians at this time. Second, the imperial cult was by no means a monolithic movement. The historian must allow for the possibility of diverse experiences in different times and places. This is especially important for the Apocalypse, since John addresses Christians in seven different cities. We must also note with caution that our surviving evidence for persecution stemming from the imperial cult may itself be anecdotal rather than representative.69 Third, during the reigns of both Domitian and Trajan the imperial cult grew in popularity and prominence.70 Fourth, and most importantly for Revelation, the imperial cult was not a marginal aspect of Roman Asian society but enjoyed great popularity, playing a central role in both political and social life.71 Therefore, the question inevitably faced by John and his Christian prophetic opponents, as well as other Christians in Asia Minor, was not whether but how to define oneself as Christian within this environment. To such a diverse phenomenon as the imperial cult, a variety of responses in different Christian circles was likely, if not inevitable. Collins argues that John’s audience had probably already assimilated to a certain extent and did not see themselves as living in a crisis like the one that John envisioned.72 Concerning such assimilation, Schüssler Fiorenza plausibly 68 69
PRICE, Rituals and Power (see n. 67), esp. 53–77. See further the discussion below of Rev 2:13, according to which Antipas, a member of the church in Pergamon, had been killed and John’s magnification of this singular occurrence in the vision (6:9–11) of presumably numerous ‘martyrs’ awaiting the arrival of additional Christians who are about to be killed (οἱ ἀδελφοὶ αὐτῶν οἱ µέλλοντες ἀποκτέννεσθαι ὡς καὶ αὐτοί, Rev 6:11b; cf. 20:4). 70 P RICE, Rituals and Power (see n. 67), 59, offers one compelling illustration of the growing popularity of the imperial cult, as judged by the number of temples built in Asia Minor. Of the fifty-six temples to the imperial cult that can be dated (another twenty-one cannot be dated), fifteen date to 100–150 C.E., the period overlapping with Trajan’s reign. Fifteen is the highest number of any fifty-year period between 50 B.C.E. and 250 C.E. Seven such temples in Asia minor date to 50–100 C.E., the half-century overlapping with Domitian’s reign. Cf. DE JONGE, Apocalypse (see n. 26), 132. 71 FRIESEN, Imperial Cults (see n. 67), esp. 25–76; FREY, Imperial Cult (see n. 15), 248: “So there can be no doubt that during Domitian’s time and later the imperial cult was an element of the Asian society with a pervading impact on the inhabitant’s daily life.” 72 COLLINS, Crisis and Catharsis (see n. 25), 77; cf. M. EUGENE BORING, Revelation, Interpretation, Louisville 1989, 21–23.
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suggests the following theological rationale allowing some Christians to participate at some level in the imperial cult: For them, participation in Roman civil religion needed to be understood in political terms as part of one’s civic duty. If that is the case, they may have argued, why resist paying ceremonial respect to the image of the emperor? Why not work out a compromise with the imperial powers and cults of Asia Minor and Rome? 73
As will be discussed further below, for the author of Revelation the threat of assimilating to such pagan, polytheistic practices amounted to apostasy and could have been as alarming as the purported threat of Roman persecution.74 As noted above, however, some scholars question whether Revelation 2–3 implicates the imperial cult in particular rather than polytheistic practices in general.75 I would submit that that the question thus framed merits reconsideration. If one is persuaded by the arguments of Fergus Millar and others that the imperial cult was thoroughly integrated into the polytheistic practices of Roman Asia Minor,76 then the grounds for positing such a dichotomy – in terms of either polytheism or the imperial cult – ceases to be compelling. Stated differently, at the very least it makes more sense to interpret John’s proscriptions against compromise with polytheistic practices as including the imperial cult, if not primarily attacking them (as is clearly the case later in Revelation). If we may dispense with such an unnecessary dichotomy, then the door is open to consider the imperial cult as a prominent and integral component of the polytheistic practices that John warns the faithful to avoid in Revelation 2–3. 2.3 John’s Definition of the Problem: Idol Meat and ‘Immorality’ as Traditional Taboos Offering a Precedent against the Imperial Cult Given John’s aforementioned concern about the imperial cult, it is not surprising that he severely criticizes rival leaders, whom he acknowledges as having influence in at least three (Ephesus, Pergamon [Pergamum], and
73 S CHÜSSLER FIORENZA, Revelation (see n. 18), 133, whose point needs to be qualified only by the observation that in the first and second centuries at least, there was no such thing as “civil religion” but rather only traditional, embedded cultic practices characteristic of specific cities or ethnic groups. Cf. below on K LAUCK, Sendschreiben (see n. 67), 181. 74 So MÜLLER, Offenbarung (see n. 21), 113; KLAUCK, Sendschreiben (see n. 67), 181–182. 75 See above on AUNE, Revelation (see n. 8), 1:cxxxii. 76 See above on MILLAR, Imperial Cult (see n. 22), 164. See further T ÓTH, Der himmlische Kult (see. 25), 69–72; ULLAND, Vision als Radikalisierung (see n. 33), 77–90.
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Thyatira), if not four (if one includes Sardis),77 of the seven cities he addresses. John’s accusations suggest that at least some of these other Christian leaders tolerated, if not supported, some degree of compliance with the imperial cult. John refers to his adversaries as the Nicolaitans (2:6, 15) and with the ominously symbolic names of ‘Balaam’ (2:14) and ‘Jezebel’ (2:20–23). Several prominent scholars have argued that these different names represent the same group of male and female prophets.78 Whether or not this generalization is completely tenable,79 John’s polemical portrayals of his Christian opponents render the task of distinguishing between possible differences in belief or practice among the Nicolaitans, ‘Balaamites’ and followers of ‘Jezebel’ daunting, if not impossible. What specifically John opposes in rival prophetic circle(s) hinges in no small part on the interpretation of φαγεῖν εἰδωλόθυτα καὶ πορνεῦσαι as emblematic of “Balaam’s” influence in Pergamon (2:14d) and of “Jezebel’s” apparently identical teaching in Thyatira (πορνεῦσαι καὶ φαγεῖν εἰδωλόθυτα, 2:20d). In what follows I shall first analyze separately these two accusations concerning idol meat and ‘immorality’80 and argue that John employs these two traditional proscriptions as precedents for the contemporary problem of the imperial cult. The analysis to follow is therefore not only philological but also tradition-historical. The first of the accusations, eating meat sacrificed to idols (φαγεῖν εἰδωλόθυτα), is, as Aune notes, ambiguous in that it could refer to four possible situations: (1) participation in the sacral meal in a temple, (2) accepting sacrificial meat distributed during a public religious festival, (3) the practice of
77 And possibly four of the seven cities, if one takes Rev 3:4a (ἀλλὰ ἔχεις ὀλίγα ὀνόµατα ἐν Σάρδεσιν ἃ οὐκ ἐµόλυναν τὰ ἱµάτια αὐτῶν) to indicate the influence of these, or other, false prophets also in Sardis. 78 MÜLLER, Offenbarung (see n. 21), 112, 118; K LAUCK, Sendschreiben (see n. 67), 166; SCHÜSSLER FIORENZA, Revelation (see n. 18), 56: “All three terms – Nicolaitans, Balaam, and Jezebel – theologically label probably the same group of Christian prophets who allowed their followers to eat food that had been sacrificed to idols and to participate in pagan religious festivities.” 79 In the case of ‘Balaam’ and ‘Jezebel,’ the identical accusations leveled against these two figures (2:14, 20) commend this identification. Concerning the Nicolaitans, however, your author would call for caution, inasmuch as John refers sequentially first to “the teaching of Balaam” (2:14) and then to the Nicolaitans (2:15). In-between the mention of ‘Balaam’ and the Nicolaitans, οὕτως ἔχεις καί (“thus you also,” or “in addition,” 2:15a) would seem to suggest that John construes the teaching of ‘Balaam’ and the Nicolaitans as posing two different threats and that Christians in Pergamon risk succumbing to either or both of them. 80 For now I intentionally offer a vague translation (“immorality”) of πορνεῦσαι. See below my argument that rather than sexual sin John’s main concern in Rev 2:14, 20 is idolatry, which is also part of the semantic field of πορνεύω.
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eating meat purchased at the marketplace that had originally been part of a pagan sacrifice … or (4) the sacral meals shared by members of a club or association…. 81
At the time John wrote, idol meat was not a new issue for the early church, as already in First Corinthians (esp. 8:1, 4, 7, 10; 10:19) Paul had attempted to address the problem. Moreover, the Acts of the Apostles presents it as a matter easily and, at the time of its author, long since resolved in the early church (Acts 15:28–29; cf. 21:25). Historically speaking, however, one cannot assume that Paul’s directions to the Corinthians had resolved the matter in Corinth, let alone elsewhere in the Greek East, or that the sanitized picture of church unity in Acts offers any reliable confirmation that such a resolution had won such an undisputed acceptance. In the analysis to follow, I shall argue that the problem as defined by the author of Revelation cannot be limited to a simple proscription against idol meat. What is most useful to John in this dispute are the connotations of idolatry associated with both idol meat and, by extension, the idolatrous nature of any polytheistic association, including the imperial cult.82 John’s allegation of eating idol meat is complemented by the additional claim that ‘Balaam’ and ‘Jezebel’ support ‘immorality’ (πορνεῦσαι, 2:14d, 20d). The assumed connection of ‘immorality’ with idol meat is attested, moreover, in both Rev 2:14d, 20d and Acts 15. In the latter writing, rather than the verb πορνεύω, the cognate noun πορνεία occurs (τοῦ ἀπέχεσθαι τῶν ἀλισγηµάτων τῶν εἰδώλων καὶ τῆς πορνείας, Acts 15:20). In addition, both Revelation 2 and Acts 15 feign reluctance to offer any additional “burden” (βάρος) to their proscriptions: µηδὲν πλέον ἐπιτίθεσθαι ὑµῖν βάρος πλὴν τούτων τῶν ἐπάναγκες (Acts 15:28b). οὐ βάλλω ἐφ' ὑµᾶς ἄλλο βάρος (Rev 2:24d).
My purpose here is not to argue for a direct literary relationship between Revelation 2 and Acts 15. Rather, I wish to argue that, taken together, the similarities of Rev 2:14, 20 to these likely pre-Lukan material in Acts 15 support the inference that the author of Revelation frames his critique and instructions in such a way that they will appear to stand on the basis of
81 AUNE, Revelation (see n. 8), 1:186. Aune considers the second and third options as more likely than the first but does not exclude the fourth option (Revelation, 1:186; cf. 1:191–195). He further notes that people in antiquity “rarely ate meat, and when they did it was typically in connection with public or private religious celebrations in which the edible parts of sacrificial animals were eaten. Such meat was taboo for Jews…, a prohibition sometimes taken over by early Christians, particularly Jewish Christians (Acts 15:29). Paul, however, was equivocal on the subject…” (Revelation, 1:195). 82 Cf. BEALE, Revelation, 248 (on Rev 2:14): “[T]he focus here is on eating such food in the context of idolatrous worship.”
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earlier established Christian tradition.83 Accordingly, John’s associating polytheistic practices such as the imperial cult with these traditional taboos renders illegitimate practices that he claims are supported by other Christian prophets. I wish to argue further that John’s appeal to tradition attempts to bridge the gap between the traditional proscriptions against idol meat and ‘immorality,’ on the one hand, and the new(er) problem of the imperial cult, on the other hand. This argument becomes stronger when one considers the idolatrous connotations of πορνεῦσαι in Rev 2:14d, 20d. Although Aune correctly notes that “[a] close association is assumed by Judaism to exist between idolatry and sexual immorality,”84 in the case of Rev 2:14d, 20d one should not limit the semantic range of the verb πορνεῦω (cf. 1 Cor 10:8) and its cognate πορνεία (cf. Acts 15:20; 1 Cor 6:18) to misconduct that is specifically sexual.85 In addition to sexual offenses, the terms πορνεῦω and πορνεία can also denote other forms of moral corruption, including idolatry.86 This is precisely the meaning of πορνεία and πορνεῦω that Revelation consistently uses elsewhere: The rest of humankind … did not repent of their murders or their sorceries or their ‘immorality’ (πορνεία) or their thefts. (9:20–21) Come, I will show you the judgment of the great whore who is seated on many waters, [2] with whom the kings of the earth have committed fornication (πορνεῦω), and with the wine of whose ‘immorality’ (πορνεία) the inhabitants of the earth have become drunk. (17:1b–2)
83 See above on Acts 15:28 and Rev 2:24b–25 and U. B. MÜLLER, Zur frühchristlichen Theologiegeschichte (see n. 42), 17–21. Although in Acts 15 “eating idol meat” and “immorality” may refer to two separate cultic practices, this was not necessarily the case for the traditional material behind Revelation and Acts 15 or for John’s understanding of that traditional material. The present argument concerns John’s use of traditional material and does not presuppose his unaltered transmission of that material. 84 AUNE, Revelation (see n. 8), 1:188. Cf. the apostle Paul’s references to sexual immorality (1 Cor 10:8, cf. 6:18) in the context of his discussion of meat sacrificed to idols. 85 Cf. P RIGENT , Apocalypse (see n. 57), 183; A. Y. COLLINS, Insiders and Outsiders in the Book of Revelation and Its Social Context, in: J. Neusner / E. S. Frerichs, eds., “To See Ourselves as Others See Us”: Christians, Jews, “Others” in Late Antiquity, Chico, CA 1985, 187–218 at 213–214, who notes, “As in the case of porneia in the Apostolic Decree, it is difficult to determine what John had in mind when he condemned the followers of ‘Balaam’ and ‘Jezebel’ for practicing unchastity. There is little evidence, if any, elsewhere in the book that John was concerned about marriage to near relatives, homosexuality, or bestiality. … It is likely that the unchastity condemned in the messages to Pergamum and Thyatira is figurative rather than literal. Probably, it is equivalent to idolatry.” 86 BDAG, 854, s.v. πορνεία and πορνεῦω.
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For all the nations have drunk of the wine of the wrath of her ‘immorality’ (πορνεία), and the kings of the earth have committed fornication (πορνεῦω) with her, and the merchants of the earth have grown rich from the power of her luxury. (18:3) And the kings of the earth, who with her committed ‘immorality’ (πορνεῦω) and lived in luxury, will weep and wail over her when they see the smoke of her burning. (18:9)
In Roman Asia Minor, such prescriptions against idolatry would naturally include the imperial cult. Accordingly, although a sexual interpretation for πορνεῦσαι is possible at 2:14d and 2:20d, the notion that John is concerned here primarily – if at all – about sexual misconduct is a lot less secure if one acknowledges that the accusations of eating idol meat and practicing ‘immorality’ address the imperial cult circuitously.87 Moreover, when one considers the potentially idolatrous context of idol meat,88 the inference that with πορνεῦσαι (Rev 2:14d, 20d) John accuses his rival prophets of participating in idolatry and of commending other Christians to do the same is compelling. In short, concerning the accusations φαγεῖν εἰδωλόθυτα and πορνεῦσαι against ‘Balaam’ and ‘Jezebel,’ I wish to credit John with having crafted polemical double entendres. By appealing to traditional proscriptions (cf. Acts 15:20, 28b), John can summon to his assistance the taboos of idol meat and ‘immorality’ as embodied in the polytheistic idolatry, including the imperial cult. The hypothesis I bring to this problem is that, rather than the exact issue of partial assimilation to the imperial cult on which John differs with his Christian opponents, he assumes the rhetorical upper hand by way of a two-pronged analogy, according to which “tradition” should declare his position of radical non-assimilation the only acceptable option. Concerning such partial assimilation, the distinction of Hans-Josef Klauck between a “hard” or strict (“hart”) and a “soft” or limited (“weich”), participation in the imperial cult by some Christians is particularly instructive: Als viel gefährlicher betrachtet der Apokalyptiker den “weichen” Kaiserkult, wenn jemand z.B. in einer Festmenge lediglich mitlief oder an einem geselligen Vereinsmahl mit religiösen Obertönen teilnahm, weil er sich dem aus beruflichen Rücksichten nicht gut verschließen zu können glaubte und die Bekenntnisfrage davon überhaupt nicht tangiert
87 Cf. BDAG, 854, s.v. πορνεία and πορνεῦω. The second definition (of two total) that BDAG lists for πορνεῦω denotes “engagement in polytheistic cult, fornication … of polytheistic cult in the sense ‘practice image-worship/idolatry’” (emphasis original). BDAG appropriately prefers this definition for occurrences of πορνεῦω at Rev 17:2; 18:3, 9. Yet BDAG does not favor it for Rev 2:14, 20, offering instead the following (first) definition, “to engage in sexual immorality, engage in illicit sex, to fornicate, to whore” (emphasis original) – notably without connotations of idolatry. The validity of this distinction, which overlooks the implication of idolatry that likewise resonates in 2:14, 20, will be questioned in the following discussion. 88 Cf. above on AUNE, Revelation (see n. 8), 1:186, concerning the potential ambiguity of φαγεῖν εἰδωλόθυτα.
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sah. … Der Apokalyptiker bleibt in diesem Punkt hart. Jeder Kompromiß widerspricht seiner Zielvorstellung, die von der Durchsetzung der Herrschaft Gottes auch auf Erden und vom Ideal der Reinheit der endzeitlichen Heilsgemeinde bestimmt wird. 89
Of course, in an inner-Christian conflict of disputed authority and conflicting teachings, it is much easier to assert oneself by condemning one’s opponents for idolatry than by dissecting the particularities of relative cultural assimilation. According to the author of Revelation, when one becomes defiled by making an offering to the emperor, one cannot expect to receive the “hidden manna” that Christ will give to the one who conquers (Rev 2:17). Standing in counterpoint to such teaching, John warns the faithful that an avenging Jesus will bring severe judgment – possibly even death90 – “to each of you, according to your works.”91 To summarize, the Revelation of John attests to a controversy between one early Christian prophet, John, and one or more groups of early Christian leaders, including prophets, with whom John competed for influence in several of the seven churches he addresses in Revelation 2–3. The general question of assimilation to the surrounding polytheistic culture becomes concretely embodied in the challenge of the imperial cult. Utterly opposing any such involvement in this degenerate practice, John cites as precedent against this newer development the traditional Christian proscriptions against meat sacrificed to idols (εἰδωλόθυτα) and ‘immorality’ (πορνεῦω), both of which carry connotations of idolatry. What remains for this essay to consider are the particular ways that John refers to suffering and persecution to bolster the authority of his message against what may have been a majority of other viewpoints, as well as to exhort the faithful to embrace his viewpoint rather than that of his opponents. John’s anticipation of the coming tribulation and of judgment against Rome plays a significant role in what he seeks to accomplish in this regard. For John, assimilation makes absolutely no sense when God’s judgment will soon fall upon not only pagan Rome but also Christians who participate in her idolatrous ways. 2.4 Antipas’s Status as “Witness” and “Faithful One” as Paradigm of Uncompromising Resistance (Rev 2:13) The previous subsection noted John’s great consternation at the problem of certain Christian leaders’ allowing, or even encouraging, other believers’ partial, or “soft,” participation in the imperial cult. John criticizes any such 89
KLAUCK, Sendschreiben (see n. 67), 181; cf. above on S CHÜSSLER FIORENZA, Revelation (see n. 18), 133. 90 Cf. καὶ τὰ τέκνα αὐτῆς ἀποκτενῶ ἐν θανάτῳ, Rev 2:23a. 91 Rev 2:23b: δώσω ὑµῖν ἑκάστῳ κατὰ τὰ ἔργα ὑµῶν. Cf. 20:13c: καὶ ἐκρίθησαν … κατὰ τὰ ἔργα αὐτῶν.
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participation in a roundabout way, summoning traditional taboos against idol meat and ‘immorality’ with their connotations of idolatrous conduct as evidence that the faithful must abstain (Rev 2:14, 20). An additional challenge that John acknowledges is the killing in Pergamon of a Christian named Antipas (Rev 2:13). The following analysis of John’s message to the church in Pergamon (2:12–17) will bring into focus several things about John’s assigning value to Antipas’s suffering and death. In particular, on this basis John accords to Antipas status as Jesus’ “witness and faithful one.” It will be argued that at 2:13 µάρτυς is not to be understood as the status of an elite “martyr.” Rather, John construes Antipas as a cherished example of the steadfast resistance required of all Christians. For John there is no middle ground: on the one hand, he commends his and Antipas’s non-assimilation, and on the other hand he condemns the enticement of compromise that will be met by decisive judgment from Jesus, “who has the sharp two-edged sword” (2:12b; cf. 2:16). The analysis begins with Rev 2:13, which describes Antipas’s killing. The following subsection will contextualize this description within John’s prophetic oracle to the church in Pergamon (2:12–17) and its demand that all Christians be prepared to resist as Antipas did. One thing that immediately becomes apparent is that John’s conviction about impending persecution, as expressed elsewhere in Revelation (for example, 6:9–11; 7:9–15; 8:3–5; 13:7–10; 20:4–6), is not entirely contrived but stems at least in part from the death of this (one) Christian: I know where you are living, where Satan’s throne is (ὅπου ὁ θρόνος τοῦ Σατανᾶ). Yet you are holding fast to my name, and you did not deny your faith in me even in the days of Antipas my witness, my faithful one, who was killed before you (Ἀντιπᾶς ὁ µάρτυς µου ὁ πιστός µου, ὃς ἀπεκτάνθη παρ' ὑµῖν), where Satan lives (ὅπου ὁ Σατανᾶς κατοικεῖ). (Rev 2:13)
The references to “the throne of Satan” and to Pergamon as “where Satan lives” likely implicate oppression from the imperial cult as the cause for Antipas’s death.92 Moreover, Aune plausibly takes ἀπεκτάνθη παρ' ὑµῖν to
92 With W ITULSKI, Johannesoffenbarung und Kaiser Hadrian (see n. 4), 250–278; BORING, Revelation (see n. 72), 91; GEORGE E. LADD, A Commentary on the Revelation of John, Grand Rapids 1972, 46; and FREY, Imperial Cult (see n. 15), 243: “If the author/editor of Revelation only wanted to characterize Pergamon as a center of Roman administration or judicial decisions, it remains unclear why he focuses on Pergamon and not Ephesus which was the capital of the Roman province at his time. The most probable reason is … [that] Pergamon had the honor to be the first city of Asia where a provincial cult for Augustus and the goddess Rome had been installed in 29 B.C.E.” This conclusion stands in counterpoint to STEVEN J. FRIESEN, Satan’s throne, Imperial Cults and the Social Settings of Revelation, JSNT 27 (2005), 351–373 at 361–367; A UNE, Revelation (see n. 8), 1:cxxxii, 1:182–185 and J ÜRGEN ROLOFF, Die Offenbarung des Johannes,
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indicate that Antipas had been executed publicly.93 This requires construing the preposition παρά with the dative as indicating not Antipas’s relationship or special proximity to the congregation in Pergamon but, with the aorist passive ἀπεκτάνθη, as denoting his execution in their sight. Accordingly, the translation above departs from the NRSV (“among you”), rendering ἀπεκτάνθη παρ' ὑµῖν as “who was killed before you.” For the author of Revelation, Antipas’s resistance offers the paradigmatic antithesis to the false Christian prophets of ‘Balaam’ and the Nicolaitans (mentioned in the following verses, 2:14–15), as well as ‘Jezebel’ (2:20– 23). Whereas the ‘Balaamites’ engender corruption from idol meat, ‘immorality’ and idolatry (as noted above on 2:14; cf. 2:20), Antipas died because of his resistance and now enjoys status as Jesus’ “witness and faithful one” (ὁ µάρτυς µου ὁ πιστός µου). Such a laudatory appellation is remarkable, since John’s very first characterization of Jesus in Rev 1:5a is as “the witness, the faithful one.”94 What this communicates is the tremendously high value that John assigns to Antipas’s suffering. Concerning the designation of Antipas as µάρτυς, Allison A. Trites argues that in Revelation the term does not connote “martyrdom,” but that “[t]he idea of witness in the Apocalypse … is to be understood in terms of Christians actually bearing witness before Roman courts of law.”95 One need not assume, or demonstrate, that Christians were in fact brought before a Roman court to accept Trites’s points that Revelation hails Antipas as a “witness” who in John’s perspective died because of his testimony and that John does not use µάρτυς for him in the sense of “martyr.” Yet if, as is argued above, one is persuaded that Antipas died because of his resistance to the imperial cult, such a Roman judicial context for Antipas’s “witness” cannot be excluded, especially if a public execution had followed some sort of trial. What is important for the present study is that Antipas’s status as Jesus’ “witness” and “faithful” follower (ὁ µάρτυς µου ὁ πιστός µου, ZBNT 18, Zürich 32001, 54. KRAFT , Offenbarung (see n. 14), 64–65 connects Antipas’s death to the imperial cult, albeit not on the basis of the reference to “the throne of Satan.” 93 With AUNE, Revelation (see n. 8), 1:185, who translates ἀπεκτάνθη παρ' ὑµῖν as “who was publicly executed.” 94 Rev 1:5a: ὁ µάρτυς[,] ὁ πιστός, which can be interpreted as either “the faithful witness” (NRSV) or, as above, “the witness, the faithful one.” At Rev 2:13d (ὁ µάρτυς µου ὁ πιστός µου), the repetition of µου precludes the translation “my faithful witness” (concerning Antipas) and must indicate a substantive use of πιστός (thus, “my witness, my faithful one”). Against the NRSV translation at 1:5a, the parallelism between 1:5a and the unambiguous formulation at 2:13d favors rendering ὁ µάρτυς[,] ὁ πιστός (concerning Jesus) as “the witness, the faithful one” (1:5a). 95 ALLISON A. TRITES, µάρτυς and Martyrdom in the Apocalypse, NovT 15 (1973), 72–80 at 72; cf. 76, 78; LADD, Revelation (see n. 92), 46–47. Against LOHMEYER, Offenbarung (see n. 57), 25, who considers Rev 2:13 “der erste deutliche Beleg für µάρτυς = ‘Märtyrer’.”
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2:13d) stems from his resistance, his suffering and in this extraordinary instance his death. With regard to the singularity of this killing, some scholars have remarked that John recounts the death of only one Christian, noting correctly that Rev 2:13 does not attest to a widespread Roman persecution.96 I wish to suggest that this valid observation runs the risk of overlooking the profound effect that a single death can have on a marginalized community, especially if the community perceives itself to be under threat from the dominant culture. To illustrate this point, we may cite by way of analogy two relatively recent examples: one can readily imagine during the 1930s the plight of people of African origin in the American South and of Jews under the German Third Reich. Both German Jews and the descendants of enslaved peoples in the United States were marginalized and victims of systemic violence and discrimination. They therefore had good reason to fear additional hardship from officially sanctioned acts of terror. In such communities, the death of a single person could understandably have a profound effect on heightening fears of additional repression. In the case of a public execution (or a “lynching,” after which a corpse dangling from a tree would likely be noticed by others), their fear could be even more aggravated.97 Such a punishment would also have constituted an attempt by Roman provincial authorities to intimidate other like-minded resisters. For many Christians in Pergamon, there could thus have been a propensity toward greater anxiety and, perhaps for some, a greater inclination to consider compromise with the imperial cult. In the case of Antipas’s death, I wish to posit for the prophet John an inference similar to that offered in the previous paragraph for other marginalized communities. John construes this killing in the context of resistance to the imperial cult not as an isolated occurrence but as the prelude to widespread persecution. As an example of this inference, in Rev 6:9–11 John envisions numerous ‘martyrs’ who have already died and await the arrival of many additional Christians who are about to be killed (οἱ ἀδελφοὶ αὐτῶν οἱ µέλλοντες ἀποκτέννεσθαι ὡς καὶ αὐτοί, 6:11b). This is not to assert that John’s addressees were, in fact, marginalized or systematically oppressed in Pergamon (or elsewhere), however. It also leaves open the possibility that they, or at least Christians loyal to the prophet John, contributed in no small part to their experience of marginalization. As Adela Collins notes, in such a community the question of the perception of oppression rather than actual oppression may be more perti96 E.g., LOHSE, Offenbarung (see n. 57), 29; R OLOFF, Offenbarung (see n. 92), 54; KRAFT , Offenbarung (see n. 14), 64; cf. above on MILLAR, Imperial Cult (see n. 22), 164. 97 As noted above, following AUNE, Revelation (see n. 8), 1:185, John seems to depict a public execution with ἀπεκτάνθη παρ' ὑµῖν (Rev 2:13e).
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nent: “Relative, not absolute or objective, deprivation is a common precondition of millenarian movements. In other words, the crucial element is not so much whether one is actually oppressed as whether one feels oppressed.”98 It therefore stands to reason that John’s prior conception of marginalization informs the inference that Antipas’s death offers a foretaste of things to come for Christians in Asia Minor. Just as Jesus and Antipas resisted unto death and John himself has also exemplified a faithful response to suffering (Rev 1:9), Christians must persevere in faithfulness and be vigilant. Believers in Pergamon with a similar perception of marginalization would likely be more inclined to agree with John on related matters, including the need for resistance and the probability, if not inevitability, of additional persecution. 2.5 The Response John Demands: Non-assimilation and Resistance In the previous subsection your author suggested that the execution of Antipas for his resistance to the imperial cult could have nudged other Christians in Pergamon (and elsewhere) in at least two different directions – toward either greater assimilation and compromise or toward hardened resistance, taking Antipas’s “witness” unto death as a model. Clearly for the prophet John, only the latter option was acceptable. John’s vitriolic criticism of “the teaching of Balaam” (2:14) and “the teaching of the Nicolaitans” (2:15) indicate that in Pergamon other Christian responses99 were not only possible but also influential – quite possibly more influential than that advocated by John. One can thus all the more appreciate the urgency behind John’s insistence that Christians in Pergamon “repent” (µετανοέω, 2:16a). And if they do not repent, John warns that Jesus will come and “wage war” (πολεµέω, 2:16b) against the ‘Balaamites’ and Nicolaitans – that is, any and all addressees of this prophetic oracle who do not heed John’s message. In John’s theology of individual, rather than corporate, justification, this combined promise-and-warning is not that Jesus will wage war against pagan Rome on behalf of all Christians. Rather, the Jesus of the Apocalypse will assist only those attuned to the true witness of the Spirit,100 who 98 A. Y. C OLLINS, The Revelation of John: An Apocalyptic Response to a Social Crisis, CurTM 8 (1981), 4–12 at 4 (emphases original), cf. EADEM, Crisis and Catharsis (see n. 25), esp. 99–107. 99 I use the plural “responses” intentionally. As noted above, the so-called prophets of ‘Balaam’ and the Nicolaitans appear, at least in John’s understanding, to have constituted two different groups, although John’s polemical representation precludes our differrentiating between their beliefs. One cannot assume that all those with whom John disagreed embraced the same response to Roman oppression, including that from the imperial cult. 100 So Rev 2:17a: ὁ ἔχων οὖς ἀκουσάτω τί τὸ πνεῦµα λέγει ταῖς ἐκκλησίαις.
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will authenticate themselves by embracing John’s teaching of rejecting both the false prophets and any participation in polytheistic practices, including the imperial cult. Only by such resistance will they receive from Jesus “the hidden manna” that is to be accorded to some, but by no means all, Christians.101 The killing of one Christian, Antipas, does not abrogate the responsibility of the rest of the community to resist. Nor does it grant any special status to the congregation as a whole because they lost one of their members. If Antipas’s public execution had (understandably) increased some believers’ fear of Roman oppression, John warns that Jesus’ impending wrath will be incomparably worse than any punishment that adherents to the imperial cult or other hostile outsiders could muster. The only way to attain Antipas’s status is by emulating his resistance and, if necessary, his suffering. The previous paragraph brings into sharper focus the aforementioned observation of Klauck, that for the author of Revelation “[j]eder Kompromiß widerspricht seiner Zielvorstellung.”102 Klauck highlights John’s stringent demands of resistance by the faithful throughout the prophetic oracles of Revelation 2–3. Whether temptation or oppression comes from false apostles (2:2), Jews (2:9; 3:9), or, as discussed above, from Nicolaitans (2:6, 15), ‘Balaam’ (2:14) or ‘Jezebel’ (2:20–23), John demands resistance without compromise. John construes a failure to meet this standard as a lack of repentance (ἐὰν µὴ µετανοήσῃς, 2:5d) and warns that Jesus “will come to [them] and remove [their] lampstand from its place, unless [they] repent” (2:5c–d; cf. 1:20). Along with such warnings, John’s prophetic oracles offer several conditional promises to the individual who “conquers.” Notably, these are not guarantees to those who have already attained salvation and cannot lose it. One such warning is Rev 2:26–28: To the one who conquers and continues to do my works to the end (ὁ νικῶν καὶ ὁ τηρῶν ἄχρι τέλους τὰ ἔργα µου), I will give to him (δώσω αὐτῷ) authority over the nations; [27] to rule them with an iron rod, as when clay pots are shattered – [28] even as I also received authority from my Father. I will also give [to the one who conquers] (δώσω αὐτῷ) the morning star. 103
Presumably for reasons of gender inclusivity and style (since αὐτῷ is redundant), at 2:26b the NRSV does not translate αὐτῷ (“to him”).104 This along with the NRSV’s mistranslating the substantive participles ὁ νικῶν 101 102 103 104
Rev 2:17b: τῷ νικῶντι δώσω αὐτῷ τοῦ µάννα τοῦ κεκρυµµένου. KLAUCK, Sendschreiben (see n. 67), 181. See also 2:7, 11, 17; 3:21. Rev 2:26 (NRSV): “To everyone who conquers and continues to do my works to the end, I will give authority over the nations.” But see the NRSV at 2:28b (“To the one who conquers I will also give”) for δώσω αὐτῷ.
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καὶ ὁ τηρῶν as “to everyone [sic] who…” risks obfuscating the particularity and conditionality of this promise. At 2:26b (and 2:28b) the singular pronoun αὐτῷ emphasizes that only the person who “conquers” and is faithful “to the end” will receive the “authority” (ἐξουσία) that Jesus promises. Elsewhere in his prophetic oracles John uses different formulations to express this conditionality concerning future justification. A comparison of two other such conditional promises of a “crown” illustrates that John can depict this future reward as attainable (2:9–10) or, alternately, already having been attained and capable of being lost (3:11b):105 I know your affliction (θλῖψις) and your poverty, even though you are rich. I know the slander on the part of those who say that they are Jews and are not, but are a synagogue of Satan. [10] Do not fear what you are about to suffer (µηδὲν φοβοῦ ἃ µέλλεις πάσχειν). Beware, the devil is about to throw some of you into prison so that you may be tested, and for ten days you will have affliction. Be faithful until death, and I will give you the crown of life (τὸν στέφανον τῆς ζωῆς). (2:9–10) Hold fast to what you have, so that no one may take away your crown (κράτει ὃ ἔχεις, ἵνα µηδεὶς λάβῃ τὸν στέφανόν σου). (3:11b)
In these two oracles, John names a “crown” (2:10b; 3:11b) as the reward for resisting oppression from a “synagogue of Satan,” whether in Smyrna (2:9b; cf. 2:8) or Philadelphia (3:9a; cf. 3:7). Whereas in 2:10b the crown conditionally promised to the Smyrnans is the reward for having suffered (πάσχω, 2:10a) and is therefore future eschatological, in 3:11b John warns the Philadelphians to beware of losing the crown that they have already received. David Aune and several other scholars argue persuasively that in 2:10b the reward is posthumous and carries connotations of struggle and victory in athletic contests: by vying according to the “rules” of the competition, the believer who emerges victorious will receive this reward.106 Concerning the warning in 3:11b, Aune likewise notes that it “is a metaphor for being disqualified in a contest.”107 Lohse and Roloff, however, unpersuasively dispute this connection, maintaining that a heavenly crown is different from a crown received from an athletic competition.108 Their objection misses the point about a contest in which one battles oppression, temptation and ‘heretical’ teaching. In both oracles, future receipt of the “crown”
105 ROLOFF, Offenbarung (see n. 92), 62 and LADD, Revelation (see n. 92), 63 note a connection between Rev 2:10 and 3:11 but do not seem to grasp the different, and possibly contradictory, ways that John uses “crown” as a metaphor of future contingent status. 106 AUNE, Revelation (see n. 8), 1:167; so also LOHMEYER, Offenbarung (see n. 57), 25; LADD, Revelation (see n. 92), 44–45; W ILFRID J. HARRINGTON, Revelation, Sacra Pagina 16, Collegeville, MN 1993, 71. 107 AUNE, Revelation (see n. 8), 1:241. 108 LOHSE, Offenbarung (see n. 57), 28; R OLOFF, Offenbarung (see n. 92), 52–53.
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(2:10) or continued possession of the “crown” (3:11) is based upon the condition of faithful resistance.109 It is helpful, moreover, to compare the prophet John’s uncompromising requirement of resistance and endurance for future salvation with the Johannine tradition. In this regard Schüssler Fiorenza aptly notes a contrast between the soteriologies of Revelation and First John: Whereas Revelation expresses with ho nikōn (“the one who conquers”) a condition for future salvation of Christians and uses the past tense of the verb only for Christ (5:5; 3:21), 1 John speaks of Christian victory not as a condition still to be accomplished, but as an act which is already achieved. 110
According to 1 John 5:4–5, for example, one’s present status of justification is a matter of certitude: being “born of God” or believing in Jesus is tantamount to ‘conquering’ the world.111 This in particular illustrates that John’s prophetic oracles in Revelation 2–3 reside within a different soteriological universe than that of “justification by faith.” Instead of granting such assurance in the present, John mandates “justification by conquering,” or endurance. If the author of Revelation addresses some Christians who embraced a Johannine (or a similar) soteriology, the exhortations of Revelation 2–3 would have the effect of taking away a presumed status of justification and placing future requirements upon the attaining of that same status. Several of John’s visions in Revelation 4–21 (for example, 6:9–11; 7:9–15; 8:3–5; 11:1–13; 13:7–10; 15:2–4; 20:4–6) further develop and substantiate this argument, which at least some Christians in Asia Minor not loyal to the prophet John would in all likelihood have regarded as scandalous.
109 LADD, Revelation (see n. 92), 44 misses this point while arguing a point of dogma not germane to the context of Rev 2:10: “the crown of life is not a promise of special reward to the martyrs. All who belong to Christ will receive a crown of life.” 110 S CHÜSSLER F IORENZA, Revelation (see n. 18), 48; cf. Rev 12:11 (αὐτοὶ ἐνίκησαν αὐτὸν). 111 1 John 5:4–5: “…for whatever (πᾶν) is born of God conquers (νικάω) the world. And this is the victory that conquers (νικάω) the world, our faith (ἡ πίστις ἡµῶν). [5] Who is it that conquers (νικάω) the world but the one who believes (ὁ πιστεύων) that Jesus is the Son of God?”
The Concept of Martyrdom in Revelation JAN WILLEM VAN HENTEN
Christianity is still famous for its ancient martyrs who were willing to sacrifice their lives for their faith in the times of the Roman Empire. The martyrs were held in high regard because they had remained faithful to their beliefs and identity despite the brutal tortures by the Roman authorities.1 Many passages show that the early Christians admired and commemorated the martyrdom of these heroes. They regarded the martyrs as the fitting and impeccable stones of the edifice of the church (Hermas, Vis. 3.1.9–2.1; 3.2.6–7; 3.5.2) and considered them to be the pillars of their community (1 Clement 5.2; Martyrdom of Lyon and Vienne, Eusebius, Hist. eccl. 5.6.17; cf. Passion of Perpetua 21.11). The martyrs were the most persuasive witnesses of the truth of Christian faith that Christians could refer nonChristians to. The views and actions of the martyrs were believed to be fully consistent, because they were willing to accept every consequence of their loyalty to their Lord Jesus Christ, even unto death. Moreover, their attitude during their tortures and execution also matched Greco-Roman conventions concerning honor.2 Finally, the behavior of the martyrs functioned as a model for other, often more doubtful, Christians. Sometimes it was also said to led to the admiration or even conversion of opponents and onlookers (Passion of Perpetua 17.3).3 Does the foregoing sketch of the importance of martyrdom within early Christianity also apply to the book of Revelation? My brief description should be nuanced, of course. It is important to note that within early Christianity the concept of martyrdom was articulated, in various ways, during a gradual process, which started around the turn of the first century ———————— 1
Cf. Hermas, Sim. 8.1.18–2.3; 8.3.6. L. STEPHANIE COBB, Dying to Be Men: Gender and Language in Early Christian Martyr Texts; Gender, Theory and Religion, New York 2008. 3 Also Martyrdom of Polycarp 2.2; 3.1–2; 12.1; Passion of Perpetua 9.1. This motif is also prominent in ancient Jewish martyrdoms: 2 Macc 7:12; 4 Macc 6:11, 13; 8:4; 9:26; 12:2; 17:17, 23; Josephus, War 7.417–419; Babylonian Talmud Avodah Zarah 18a; Kalla 18c; Sifre Deut 32:4 § 307. 2
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C.E., if not earlier.4 The earliest passages that explicitly express notions of martyrdom, like 1 Clement 5–6, do not at all present a clear-cut concept of martyrdom. This finding is also true for the book of Revelation. Several scholars do use the phrase “martyrdom” in their discussions of Revelation.5 Nevertheless, if “concept” is understood as a coherent cluster of ideas conceived by the author of Revelation, we must accept that such a concept is absent, at least at the surface level of Revelation’s text. Technical vocabulary referring to the phenomenon of martyrdom most probably does not occur in early Christian contexts before the second half of the second century C.E., when the vocabulary of witness (µάρτυς and related phrases) is applied to signify the martyrdom of Bishop Polycarp of Smyrna (see below section 3). At the same time, the primary source about Polycarp’s violent death, the Martyrdom of Polycarp, a narrative text with many intertextual connections with the New Testament passion narratives, still does not offer an explicit discussion of the concept of martyrdom. Thus, for the earliest period we have to rely on modern scholarly definitions of martyrdom designed as heuristic attempts to describe and analyze ———————— 4 W ILLIAM H. C. FREND, Martyrdom and Persecution in the Early Church: A Study of a Conflict from the Maccabees to Donatus, Oxford 1965 (repr. Grand Rapids 1981); THEOFRIED BAUMEISTER, Die Anfänge der Theologie des Martyriums, Münsterische Beiträge zur Theologie 45, Münster 1980; ELIZABETH A. CASTELLI, Martyrdom and Memory: Early Christian Culture Making; Gender, Theory and Religion, New York etc. 2004. 5 See, among others, R. H. CHARLES, A Critical and Exegetical Commentary on the Revelation of St. John, 2 vols., ICC, Edinburgh 1920; E. LOHMEYER, Die Offenbarung des Johannes, HNT 4,4, Tübingen 1926. M. KIDDLE / M. K. ROSS, The Revelation of St. John, MNTC, London 1940; M. RIST , The Revelation of St. John the Divine: Introduction and Exegesis, New York 1957; G. B. CAIRD, A Commentary on the Revelation of St. John the Divine, BNTC, London 1966; I. H. M ARSHALL, Martyrdom and the Parousia in the Revelation of John, in: F. L. Cross (ed.), Studia Evangelica IV, Texte und Untersuchungen 102, Berlin 1968, 333–339; H. KRAFT , Die Offenbarung des Johannes, HNT 16a, Tübingen 1974, 23–4; A. FEUILLET , Les martyrs de l’humanité et l’Agneau égorgé: une interpretation nouvelle de la prière des égorgés en Ap 6,9–11, NRT 99 (1977), 189– 207; B. PRETE, Il testo di Apocalisse 13,9–10: una minaccia per i persecutori o un’esortazione al martirio?, LASBF 27 (1977), 102–118; M. G. REDDISH, Martyr Christology in the Apocalypse, JSNT 33 (1988), 85–95; H. U LFGARD, Feast and Future: Revelation 7:9–17 and the Feast of Tabernacles, CB.NT Series 22, Lund 1989, 52–6; M. V. LEE, A Call to Martyrdom: Function as Method and Message in Revelation, NovT 40 (1998), 164–94; A. M. SCHWEMER, Prophet, Zeuge und Märtyrer: Zur Entstehung des Märtyrerbegriffs im fruhesten Christentum, ZThK 96 (1999), 320–50; B. KOWALSKI, ‘...und sie werden Priester Gottes und des Messias sein; und sie werden Konig sein mit ihm–tausend Jahre lang’ (Offb 20,6): Martyrium und Auferstehung in der Offenbarung,” SNTU.A 26 (2001), 139–163; J. A. DU RAND, The ethical response of an alternative community in a critical situation: marturia and martyrdom in the Apocalypse of John, in: J. G. van der Watt (ed.), Identity, Ethics and Ethos in the New Testament, BZNW 141, Berlin 2006, 565–593. D. AUNE, Revelation, WBC 52A–C, Dallas, TX 1997–1998, 2.887; 2.938; 2.1010–11, argues for editorial additions focused on the martyrdom motif.
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certain textual phenomena for which ancient concepts and technical vocabulary are still lacking. Elsewhere I have discussed several possible ways of defining martyrdom. Here I propose to use the following definition as point of departure for the analysis of martyrdom as it is described in early Christian passages:6 A martyr is a person who in an extremely hostile situation prefers a violent death to compliance with a demand of the foreign authorities.7
Despite the lack of explicit references, a discussion of the theme of martyrdom in Revelation seems useful in the light of the definition just given, because one can observe several lines in this work that converge in a voluntary notion of martyrdom: 1) Revelation refers several times to suffering and violent death; some of these passages seem to imply an expected attitude from the victims that reminds one of voluntary martyrdom. 2) Revelation also alludes to the famous court tale of Daniel 3 as a depiction of the situation of the implied readers. Daniel 3 as well as Daniel 6 have frequently been re-interpreted as martyrdoms. John’s readers seem to be invoked to remain faithful to God like Hananiah, Azariah and Mishael did, in spite of Nebuchadnezzar’s brutal death penalty. 3) Although the witness (µάρτυς) vocabulary in Revelation probably does not refer to martyrdom, it is used in connection with suffering and violent death, which calls for a closer analysis of this vocabulary. 4) In several sections of Revelation motifs and vocabulary can be found that are prominent in early Jewish passages that match the definition of martyrdom given above. The remaining part of this contribution will be devoted to these four issues in the sequence mentioned here.
1 Suffering and Violent Death The book of Revelation contains several references to suffering and/or a violent death of faithful members of the Jesus movement. Within the time frame of Revelation these passages can be a flashback, a comment on the ———————— 6 See my article: Jesus as Martyr, in: J. H. Ellens (ed.), The Healing Power of Spirituality: How Faith Helps Humans Thrive, vol. 1: Personal Spirituality, Santa Barbara, Calif. 2010, 170–188. 7 This definition is, with slight differences, also given in J. W. VAN HENTEN / F. AVEMARIE, Martyrdom and Noble Death: Selected Texts from Graeco-Roman, Jewish and Christian Antiquity, London 2002, 3–4.
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present situation from John’s perspective, or even a proleptic statement that anticipates the severe consequences that being a follower of Jesus Christ could entail.8 The relevant passages are:9 Rev 1:9 – In the introductory remarks about himself John refers to his own suffering (θλίψις) and endurance (ὑποµονή) and offers a brief flashback about his stay at Patmos, where he received his revelation (1:10). The first part of this verse is programmatic: by indicating that he shared the oppression, kingdom and endurance “in Jesus” with his fellow believers, John presents the fate of being a follower of Jesus in the dual light of severe suffering as well as the comforting knowledge that Jesus Christ has triumphed over the forces of evil by his violent death and that his believers share in his victory.10 Building on statements by the Church Fathers, many commentators interpret Rev 1:9 as a reference to John being exiled to Patmos by the Roman authorities.11 2:2–3 – Jesus’ decree to the community of Ephesus refers twice to the endurance (ὑποµονή, 2:2, 3) of the faithful in Ephesus. See for similar references Rev 2:19; 3:10; 13:10; 14:12 as well as the following discussion in section 4.12 2:9–10 – The decree for Smyrna mentions oppression (θλίψις, 2:9 and 2:10, which specifies a period of ten days) as well as slander (βλασφηµία) by those who say they are Jews. Rev 2:10 also refers to imprisonment, inciting the community to be faithful until death (γίνου πιστὸς ἄχρι θανάτου; see section 4). Several scholars assume that the slander refers to the reporting of Christians to the Roman authorities according to the so-called cognitio procedure.13 However, apart from the references to Satan and the devil (2:9–10) the decree remains rather vague about who is responsible for the suffering of the faithful in Smyrna.14 ———————— 8 See also the passages about Jesus’ death in Rev 1:5, 18; 2:8; 5:9; 11:8; 12:11 and section 4 below. 9 Cf. the survey in AUNE, Revelation (see. n. 5), 1.lxiv–lxix. 10 ULFGARD, Feast and Future (see n. 5), 47–8. 11 E.g. Clement of Alexandria, Quis dives 42; Eusebius, Hist. eccl. 3.18; Jerome, De vir. illustr. 10. Detailed discussion in AUNE, Revelation (see n. 5), 1.75–82. L. L. THOMPSON, The Book of Revelation. Apocalypse and Empire, New York etc. 1990, 172– 3, rightly notes that there is no indication whatsoever that Patmos functioned as a prison settlement or a place for banishment and that the verse can also be read as a statement that John went to Patmos to because he intended to preach there. 12 Also AUNE, Revelation (see n. 5), 1.76. 13 C. J. HEMER, The Letters to the Seven Churches of Asia in Their Local Setting, JSNTSup 11, 1986, 7–9. See also, among others, AUNE, Revelation (see n. 5), 1.162. Cf. A. YARBRO COLLINS, Crisis and Catharsis: The Power of the Apocalypse, Philadelphia 1984, 85. 14 Scholars differ whether “those who say they are Jews but are not” refers to Jews or Christians, see, for example, J. W. MARSHALL, Parables of War: Reading John’s Jewish
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2:13 – The decree for Pergamum recalls that the community did not deny its faith in Jesus Christ (οὐκ ἠρνήσω τὴν πίστιν µου), 15 not even during a severe period indicated as “the days of Antipas my witness, my faithful one (᾿Αντιπᾶς ὁ µάρτυς ὁ πιστός µου),16 who was killed among you (ἀπεκτάνθη παρ’ ὑµῖν), where Satan lives.” The circumstances of Antipas’ death are not specified.17 3:10–12 – The decree for Philadelphia mentions that this community has kept “my [i.e. Jesus Christ’s] word of patient endurance” (τὸν λόγον τῆς ὑποµονῆς),18 indicating salvation as the reward for its faithfulness, using several metaphors for this reward (see section 4). 6:9–11 – John saw under the heavenly altar (cf. 14:17–18) “the souls of those who had been slaughtered (τὰς ψυχὰς τῶν ἐσφαγµένων) for the word of God and for the testimony they had given.”19 The posthumous existence ———————— Apocalypse, Studies in Christianity and Judaism, Waterloo, Ont. 2001, 19; J. W. VAN HENTEN, Anti-Judaism in Revelation? A Response to Peter Tomson, in: R. Bieringer et al. (eds.), Anti-Judaism and the Fourth Gospel, Jewish and Christian Heritage Series 1, Assen 2001, 111–25; D. FRANKFURTER, Jews or Not? Reconstructing the ‘Other’ in Revelation 2:9 and 3:9, HTR 94 (2001), 403–25; P. B. DUFF, ‘The Synagogue of Satan’: Crisis Mongering and the Apocalypse of John, in: D. L. Barr (ed.), The Reality of Apocalypse: Rhetoric and Politics in the Book of Revelation, Atlanta 2006, 147–68. It remains unclear whether the persons claiming that they are Jews or others have caused the imprisonment of the Jesus followers in Ephesus. H EMER, Letters (see n. 13), 7–9, argues for the first interpretation, but this reading is far from certain. 15 AUNE, Revelation (see n. 5), 1.177 n. 13c, notes that µου is probably an objective genitive, which implies that the passage emphasizes the community’s faithfulness to Jesus Christ (see about the πίστις vocabulary section 4). 16 Quotations from Scripture including the Apocryphal/Deuterocanonical Books and 4 Maccabees are according to the New Revised Standard Version unless stated otherwise. There is no further information about Antipas, although later sources, apparently dependent on Revelation, mention a martyr called Antipas, who was from Pergamum (e.g. Tertullian, Scorp. 12), W. BOUSSET , Die Offenbarung Johannis, MeyerK 16, Göttingen 1906, 212. On the witness vocabulary in Revelation, see the discussion to follow in section 3. 17 AUNE, Revelation (see n. 5), 1.178 n. 13k, argues, referring to LSJ 205 sv ἀποκτείνω, that ἀποκτείνω means “execute” here. This is possible (cf. Rev 13:10 and see n. 62), but not certain, because the verse remains very vague about the persons who are responsible for Antipas’ death. “Satan’s throne” could refer to the seat of the Roman proconsul, to Pergamum as a center of the imperial cult, to the Great Altar of Zeus in this city or to still another institution, see for further discussion H.-J. KLAUCK, Das Sendschreiben nach Pergamon und der Kaiserkult in der Johannesoffenbarung, Bib 73 (1992), 153–82; AUNE, Revelation (see n. 5), 1.182–5. 18 Λόγος means “command” here (see also Rev 3:8; 22:7, 9; A UNE, Revelation [see n. 5], 1.237–9), which implies that the verse highlights the faithfulness of the Philadelphian believers to Jesus Christ as well as their endurance. 19 KRAFT , Offenbarung (see n. 5), 119, and FEUILLET , Martyrs (see n. 5), argue that Rev 6:9 refers to pre-Christian martyrs because the verse does not refer to the testimony of Jesus as other passages in Revelation do (1:2, 9; 12:17; 19:10; 20:4). This argument is
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of these persons near God implies that they were vindicated after their violent death (see also 7:9–17),20 but also that divine retribution of their death still remains to be dispensed (6:10).21 They have to wait for the completion of their number, which implies further violent deaths (ἀποκτέννεσθαι, 6:11) for fellow-believers.22 7:9–17 – Following upon the reference to the great day of wrath in Rev 6:17 the vision in chapter 7 describes the fate of the believers in two scenes. The second one, Rev 7:9–17, is proleptic and depicts a great multitude formed from every nation, tribe, people and language-group standing before the throne of God and the Lamb.23 They are in heaven, near God, and wear white robes (οἱ περιβεβληµένοι τὰς στολὰς τὰς λευκά), like the souls of the slaughtered (6:9–11).24 Their suffering is indicated in veiled terms: “they have come out of the great ordeal (οἱ ἐρχόµενοι ἐκ τῆς θλίψεως τῆς µεγάλης; 7:13–14).”25 The setting in heaven and the parallel———————— not compelling, because Rev 12:11 also refers to testimony in a more general sense and connects with Jesus’ death (below). See also AUNE, Revelation (see n. 5), 2.406, and section 3. 20 Cf. 2 Cor 5:1, 8; Phil 1:23 and for a distinction between a “martyrological” and the eschatological resurrection J. HOLLEMAN, Resurrection and Parousia: A TraditioHistorical Study of Paul’s Eschatology in 1 Corinthians 15, NovTSup 84, Leiden 1996. 21 In regard to God’s call for vengeance, see Gen 4:10; 2 Macc 7:36; 8:2–4; AssMos 9:6–7. 22 This verse implies that the predetermined number of violent deaths of believers must be complete before they will be avenged, BOUSSET , Offenbarung Johannis (see n. 16), 272; AUNE, Revelation (see n. 5), 2.412 who both refer to martyrs in this connection. Aune (loc.cit.) also mentions Polycarp’s prayer, in which the old bishop expresses his gratefulness that he will have “a share among the number of witnesses in the cup of your Christ, for the resurrection unto eternal life of both the soul and the body in the immortality of the Holy Spirit.” (Mart. Pol. 14.2, trans. Musurillo; cf. Mart. Lugd. 13). The Martyrdom of Polycarp is much more explicit than Revelation about the notion of a separate category of martyrs, who are vindicated posthumously. U LFGARD, Feast and Future (see n. 5), 55–7, argues that the σύνδουλοι and the ἀδελφοί in 6:11 refer to different categories of fellow-believers, which would imply that not all of them died a violent death. Differently: AUNE, Revelation (see n. 5), 2.411 with references to other scholars. 23 The differences between the 144,000 sealed from Israel (7:1–8) and the great multitude from every nation, tribe, people and language-group (7:9–17) imply that it concerns different groups: the 144,000 are from Israel and presented as living on earth, and the multitude exists of persons from all nations and is depicted in heaven. 24 The white robe (στολὴ λευκή; 7:9, 13–14; also 6:11; cf. 3:4–5, 18) is a polyvalent symbol, which can point, among other things, to salvation or the heavenly existence of the believers. Contrary to what BOUSSET , Offenbarung Johannis (see n. 16), 271, and LOHMEYER, Offenbarung Johannis (see n. 5), 64, claim, the white robe is not exclusive to martyrs, ULFGARD, Feast and Future (see n. 5), 81–5; AUNE, Revelation (see n. 5), 2.410. 25 Contrary to most scholars, ULFGARD, Feast and Future (see n. 5), 80, interprets the great ordeal not as the climax of woes that precedes the eschaton (cf. Dan 12:1), but as a reference to the present reality in John’s time. He also rejects the interpretation that the
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ism with the slaughtered ones from 6:9–11 renders it plausible that the multitude is supposed to die a violent death during the great ordeal, but this is not certain.26 11:3–13 – During the period of distress of 1,260 days (11:2–3; cf. Dan 7:25; Rev 12:6, 14; 13:5) before the eschaton,27 during which the nations will trample over the holy city, two witnesses will prophesy, who will be murdered after the completion of their testimony by the beast that ascends from the abyss (ἀποκτενεῖ αὐτούς; 11:7; cf. 13:7). The miraculous deeds of the two witnesses remind one of the performance of Moses and Elijah described in Exod 7–10; 1 Kgs 17:1; 2 Kgs 1:9–16. The fate of these two figures symbolizes not only the bitter confrontation between God’s witnesses and the forces of evil but also the posthumous vindication of the faithful (11:11–13).28 12:10–11 – The brief intermezzo in the vision about the dragon and the woman with the child indicates the consequences of the appearance of the dragon for the believers. It states that they have triumphed over the dragon by the blood of the Lamb and the word of their testimony (διὰ τὸν λόγον τῆς µαρτυρίας). It also finds that they “did not cling to life even in the face of death (οὐκ ἠγάπησαν τὴν ψυχὴν αὐτῶν ἄχρι θανάτου; 12:11).”29 13:9–10 – The brief intermezzo in the vision about the two beasts indicates the attitude expected from the Jesus followers during their grim circumstances. It refers to captivity (αἰχµαλωσία) as well as death (εἴ τις ἐν µαχαίρῃ ἀποκτενεῖ) and incites the Jesus followers (“the saints”) to endure and be faithful.30 ———————— great multitude exists exclusively of martyrs (see for further references A UNE, Revelation (see n. 5), 2.446. 26 BOUSSET , Offenbarung Johannis (see n. 16), 288; LOHMEYER, Offenbarung Johannis (see n. 5), 70; CAIRD, Revelation (see n. 5), 94–8; 178–81, and R. J. BAUCKHAM, The Climax of Prophecy: Studies on the Book of Revelation, Edinburgh 1993, 227–8, consider all members of the multitude to be Christian martyrs. AUNE, Revelation (see n. 5), 2.439; 443–7; 474, is ambiguous (cf. p. 439: “Christian martyrs”; p. 447: “all Christians who have died, whether naturally or by martyrdom”). 27 This period may be identical with the great tribulation mentioned in Rev 7:14. 28 B. J. LIETAERT P EERBOLTE, The Antecedents of Antichrist: A Traditio-Historical Study of the Earliest Christian Views on Eschatological Opponents, JSJSup, Leiden 1996, 122–9. 29 Cf. 2 Macc 6:19 about the Maccabean martyr Eleazar, who prefers a glorious death to life with pollution. See further section 4. 30 The final part of Rev 13:10 reads: ῟Ωδέ ἐστιν ἡ ὑποµονὴ καὶ ἡ πίστις τῶν ἁγίων. See about the saints p. 594 with n. 35. E. SCHÜSSLER FIORENZA, The Eschatology and Composition of the Apocalypse, CBQ 30 (1968), 537–69, argues that John closely connects eschatology and martyrdom in Rev 13:10: the length of the “short while” depends on the community’s decision for martyrdom. See further section 4.
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13:14–17 – This section of the vision of the two beasts depicts the veneration of the first beast, the beast that rose from the sea, by a second beast. It builds upon an analogy with the story of Daniel 3 about the veneration of the statue erected by Nebuchadnezzar in the Plain of Dura. In both cases the death penalty is the sanction for refusing to venerate the image or statue (Rev 13:15: ἀποκτανθῶσιν). 14:12–13 – In between the judgment scenes of Rev 14:8–11 and 14:14– 20, Rev 14:12–13 presents a call to the saints to endure (῟Ωδέ ἡ ὑποµονὴ τῶν ἁγίων ἐστιν, 14:12; cf. 13:10). This group is qualified in the second part of this verse as those who keep the commandments of God and maintain their faithfulness to Jesus (τὴν πίστιν ᾿Ιησοῦ). Rev 14:13 connects the call of 14:12 with a beatitude “Blessed are the dead who from now on die in the Lord … (µακάριοι οἱ νεκροὶ οἱ ἐν κυρίῳ ἀποθνῄσκοντες ἀπ’ ἄρτι),” which is frequently interpreted as an anticipation of the reward of the martyrs for their faithfulness.31 However, “dying in the Lord” does not necessarily refer to martyrdom and can have a much broader meaning indicating dying as a faithful follower of Jesus Christ.32 16:6 – Part of the judgment by the pouring out of the seven bowls of God’s wrath in Rev 16 concerns the punishment of those responsible for the violent death of saints and prophets.33 The announcement of the retribution associates the crime with the punishment of the perpetrators by the repetitive reference to blood: “because they shed the blood of saints and prophets (ὅτι αἷµα ἁγίων καὶ προφητῶν ἐξέχεαν), you [God] have given them blood to drink (αἷµα αὐτοῖς πεῖν; my emphasis).”34 Neither the saints and prophets nor those responsible for their death are specified.35 ———————— 31 32
See, for example, AUNE, Revelation (see n. 5), 2.838–9. With W. BIEDER, Die sieben Seeligpreisungen in der Offenbarung des Johannes, TZ 10 (1954), 13–30 (21–2); ULFGARD, Feast and Future (see n. 5), 57; 102 n. 438. See also H. GIESEN, Heilszusage angesichts der Bedrängnis. Zu den Makarismen in der Offenbarung des Johannes, SNTSU 6–7 (1982), 191–223. 33 The “blood” refers to a violent death here, see 2 Macc 8:3; 4 Macc 7:8; cf. Rom 3:25 and see also Rev 17:6; 18:24; 19:2; G. FRIEDRICH, Die Verkündigung des Todes Jesu im Neuen Testament, BThSt 6, Neukirchen-Vluyn 1982, 78–9; VAN HENTEN, Tradition-Historical Background (see n. 119), 116–24. AUNE, Revelation (see n. 5), 2.886–7, connects this motif to the tradition of the murder of the prophets (e.g. 1 Kgs 19:10, 14; Neh 9:26), but in Rev 16:6 the prophets are not murdered by their own people or its leaders, as is typical for this tradition. 34 See for a similar Tun-Ergehen-Zusammenhang SibOr. 3.311–12, AUNE, Revelation (see n. 5), 2.887. About blood symbolizing destruction VAN HENTEN, Perversions of Food: Revelation and Existenz, in: D. Shepherd (ed.), Images of the Word: Hollywood’s Bible and Beyond, SemeiaSt, Atlanta 2008, 61–81 (70–72). 35 The “saints and prophets” may concern figures from the past from John’s perspective as well as Jesus followers who prophesied and had to suffer. D. HILL, Prophecy and Prophets in the Revelation of St. John, NTS 18 (1978/1979), 401–18 (409), identifies the
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17:6 – The vision of the great whore Babylon presents her as being “drunk with the blood of the saints (µεθύουσαν ἐκ τοῦ αἵµατος τῶν ἁγίων) and the blood of the witnesses to Jesus.”36 This passage links up in several ways with Rev 16:6 (see, e.g., the blood imagery; also 18:24; 19:2), but it mentions the witnesses to Jesus instead of prophets as victims of this woman. This suggests that the witnesses and prophets mentioned in 16:6; 17:6 overlap, which is supported by Rev 18:24, which mentions the blood of prophets and saints in connection with another reference to the whore Babylon.37 18:24 – The depiction of the judgment of the whore Babylon in chapter 18 concludes with another statement about her responsibility for the death of saints and prophets: “in her [NRSV: “you”] was found the blood (αἷµα) of prophets and of saints” (see under 16:6 and 17:6). Here John adds that she is responsible as well for all who have been slaughtered on earth, which refers to non-Jesus followers and is probably based on a reinterpretation of Jer 51:49.38 19:2 – A flashback of the judgment of the whore once again points to her victims by using the symbol of blood, this time referring to God’s servants (τὸ αἷµα τῶν δούλων αὐτοῦ).39 Here, God’s servants are probably those followers of Jesus who died a violent death.40 20:4–6 – This brief passage about Christ’s millennial kingdom indicates the vindication of the faithful, those “beheaded (τὰς ψυχὰς τῶν πεπελεκισ———————— saints as “church members”. Their murderers may be associated with those who have the mark of the beast in 16:2. See also Rev 17:6 and 18:24. 36 The metaphor of being drunk by the blood of one’s enemies occurs already in Ezek 38–39 about the judgment on Gog: the birds and the wild animals shall eat the flesh of the enemy and drink his blood until they are drunk (Ezek 39:17–19), J.–P. RUIZ, Ezekiel in the Apocalypse: The Transformation of Prophetic Language in Revelation 16,17– 19,10, European University Studies, Series 23; Theology 376, Frankfurt etc. 1989, 366. See also Isa 49:26; Jer 26:10 (LXX); Jdt 6:4; Pliny, Hist. nat. 14.148 concerning Mark Antony, G. STRECKER et al., Neuer Wettstein: Texte zum Neuen Testament aus Griechentum und Hellenismus; Texte zur Briefliteratur und zur Johannesapokalypse, 2 vols., Berlin 1996, 2.1592–3. 37 With HILL, Prophecy (see n. 35), 409; AUNE, Revelation (see n. 5), 3.937. 38 Jer 51:49 distinguishes Israelites and Gentiles while stating that Babylon is responsible for the death of the Israelites: “Babylon must fall for the slain of Israel, as the slain of all the earth have fallen because of Babylon.” The Septuagint version is different by stating that many victims of the entire earth will fall “in Babylon” (ἐν Βαβυλῶνι; cf. ἐν αὐτῇ Rev 18:24). BOUSSET , Offenbarung Johannis (see n. 16), 424; AUNE, Revelation (see n. 5), 3.1011. 39 Rev 19:2 shares the notion of God avenging the blood of the faithful with Rev 6:10, see above. 40 In Rev 1:1 the phrase indicates the implied readers and hearers of Revelation. See also 2:20; 7:3; 19:5; 22:3, 6.
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µένων)41 for their testimony of Jesus [NRSV: “to Jesus”] and for the word of God.” Their coming to life again is called “the first resurrection” (ἡ ἀνάστασις ἡ πρώτη, 20:5–6; cf. Heb 11:35), and they rule thousand years together with Christ. Many scholars interpret this as a resurrection exclusively for the faithful who died a violent death,42 but some point out that the phrase that follows upon the reference to the beheaded (those who “had not worshipped the beast or its image,” see Rev 13:16) points to an additional group that was at least partly still alive in John’s time. This means that a violent death is no condition for participating in this first resurrection.43 What information do the passages listed above offer us about the suffering and death of Jesus followers?44 The references to suffering are mostly formulated in veiled and symbolic language, sometimes echoing older passages from Scripture. It is obvious that they are very different from the Acts and Passions that describe martyrdoms of Christians in a specific setting, with trial and torture scenes, executions and corresponding motifs and vocabulary. Apart from the reference to Antipas in Rev 2:13, victims are mentioned collectively and anonymously in Revelation, with a range of phrases that seems to be more or less interchangeable: “witnesses” (µάρτυς, 2:13; 11:3; 17:6), “prophets” (προφήτης, 11:10; 16:6; 18:24), “saints” (ἅγιος, 13:10; 14:12; 16:6; 17:6; 18:24), “servants” (δοῦλος, 13:6; 19:2) and “those who keep the commandments of God and the faith of Jesus” (οἱ τηροῦντες τὰς ἐντολὰς τοῦ θεοῦ καὶ τὴν πίστιν ᾿Ιησοῦ, 14:12). Fixed technical terminology that refers exclusively to martyrdom is still absent in these brief passages. Moreover, part of the passages point to the danger of suffering and the need to endure, but not to violent death as such. Rev 2:10 and 12:11 highlight the willingness to remain faithful until death, but do not presuppose that the persons referred to actually die or ———————— 41 Πελεκίζω can mean execution by beheading with an axe, which was practiced by Romans more particularly in the Republican period (e.g. Josephus, Ant. 14.39; 15.8–9), P. PRIGENT , L’Apocalypse de Saint Jean, CNT 2nd series 14, Lausanne 1981, 310; AUNE, Revelation (see n. 5), 3.1086–8. 42 CHARLES, Commentary (see n. 5), argued that all believers who died as martyrs will have perished from the face of the earth during the great tribulation and that only they will be resurrected at the parousia of Jesus Christ. See also A. SATAKE, Christologie in der Johannesapokalypse im Zusammenhang mit dem Problem des Leidens der Christen, in: C. Breytenbach / H. Paulsen (eds.), Anfänge der Christologie (FS Ferdinand Hahn), Göttingen 1991, 307–322 (307) and, for a detailed refutation of Charles’ argument, MARSHALL, Martyrdom and the Parousia (see n. 5). Further discussion in KOWALSKI, Priester Gottes (see n. 5). 43 So, among others, BOUSSET , Offenbarung Johannis (see n. 16), 437–8, although he considers both groups martyrs; BIEDER, Seligpreisungen (see n. 32), 24–5; U LFGARD, Feast and Future (see n. 5), 57–65. 44 The above analysis must remain brief and focus on the main issues; there is no space here for a thorough treatment of all the details.
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have died a violent death.45 Rev 20:4–6 may imply that not all the Jesus followers indicated need to have died an unnatural and violent death in order to participate in the “first resurrection” (above). John’s message, therefore, does not highlight martyrdom per se, and most of the passages discussed do not match the definition of martyrdom given above. A specific command of the authorities is absent in the passages listed, with Rev 13:14–17 as exception. However, this passage clearly builds on an analogy with Daniel 3. On the one hand, John’s call to the Jesus followers in their situation of oppression does remind one of the attitude characteristic for the martyrs: they need to remain faithful and endure even under extreme circumstances, even if this costs them their life. On the other hand, a violent death is neither the presupposed fate for all the faithful nor a necessary requirement for being vindicated posthumously.46 It is not only Revelation’s vocabulary designating the victims of suffering that is unspecific: the phrases indicating the persons responsible for the suffering of the Jesus followers are also often symbolical and unspecific.47 John does not report about arrests or trials of believers whose suffering or death he mentions. The lack of specific information about the circumstances and location of the sufferings creates an aporia for the interpreters of Revelation. Earlier scholarship often simply assumed that a rigorous persecution of Christians by the Roman authorities, especially the emperors Nero or Domitian, formed the background of Revelation’s passages about suffering. Recently, however, scholars have convincingly argued that there were no organized persecutions of Christians by Roman emperors in the period in which Revelation originated.48 The famous correspondence between Pliny and the Emperor Trajan implies that Christians who had been reported and were not willing to reconsider their refusal to show their loyalty to the emperor had to be prosecuted, but the basic policy was that Christians were not to be searched out.49 ———————— 45 Cf. Rev 16:6 and 18:24 with Rev 17:6: in the first two passages mentioned, ἁγίων and προφητῶν lack the article, which implies that not all of them were killed. 46 Scholars frequently uses phrases like “martyrdom” and “martyrs” in discussions of the passages listed above (e.g. DAVID E. AUNE’s notes to Revelation in: W. E. Meeks et al. [eds.], The Harper Collins Study Bible. New Revised Standard Version with the Apocryphal/Deuterocanonical Books, New York 1993, 2317–8; 2329; 2334; see also the references in n. 5). My argument implies that we should be careful with the application of this vocabulary to passages in Revelation. 47 See, for example, the use of θλίψις in 1:9; 2:9–10; 7:13–14, and αἷµα in 16:6; 17:6; 18:24; 19:2. 48 See especially THOMPSON, Book of Revelation (see n. 11), 95–115; 172–4. See also AUNE, Revelation (see n. 5), 1.lxvi–ix, and for relevant passages P. GUYOT / R. KLEIN, Das frühe Christentum bis zum Ende der Verfolgungen: eine Dokumentation, Texte zur Forschung 60, Darmstadt 1993–1994, 1.24–37. 49 Pliny, Letters 10.97.
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The lack of systematic persecutions of Christians until the rule of Decius, who ordered in 249 CE that all inhabitants had to sacrifice to the gods of the Empire, does not necessarily imply that Revelation’s references to suffering are untrustworthy.50 Christians were tortured and executed locally, as the Martyrdom of Lyons and Vienne, for example, suggests.51 It is absolutely possible that some passages in Revelation hint at a forced participation of Jesus followers in local activities of the ruler cult, but such a connection is far from certain.52 Moreover, several scholars have emphasized that it is important to distinguish a real crisis from a perceived crisis.53 Thus, even when it can be argued that there was no systematic political or economic oppression of Christians in Roman Asia Minor ca. 100 C.E., the author of Revelation and his intended audience may still have perceived their situation as a crisis.54 John’s radical dualistic framework may have strongly contributed to this perception, which led to a depiction of past and present as a fight against brutal enemies and their utterly corrupted way of life to the bitter end. The worldview presented by John certainly does suggest a context of hostile authorities and oppression. The book of Revelation highlights a deep antagonism between the life of the faithful followers of Christ and the hostile world of their enemies represented by the dragon/Satan and the two beasts of chapters 12–13 as well as the whore of Babylon (chapters 17– 18). This ideological clash corresponds to the conflict between the foreign authorities and the realm of God that is prominent in stories of deliverance in Daniel 3 and 6 as well as accounts of martyrdom in which the martyrs and the Greek king or Roman official act as antagonists.55 As a matter of ———————— 50 Eusebius, Hist. eccl. 6.41; FREND, Martyrdom (see n. 4), 406–10; O. HEKSTER, Rome and Its Empire, AD 193–284, Edinburgh 2008, 69–81. 51 VAN HENTEN / AVEMARIE, Martyrdom (see n. 7), 98–100; 120–5, with references. 52 Several scholars presuppose a connection with the ruler cult, see, for example, KLAUCK, Sendschreiben (see n. 17); SCHWEMER, Prophet, Zeuge und Märtyrer (see n. 5), 336; 338 n. 92; 342. Also p. 600. 53 YARBRO COLLINS, Crisis and Catharsis (see n. 13), 32; T HOMPSON, Book of Revelation (see n. 11), 27–28; P. B. DUFF, Who Rides the Beast? Prophetic Rivalry and the Rhetoric of Crisis in the Churches of the Apocalypse, Oxford 2001. Cf. E. SCHÜSSLER FIORENZA, The Book of Revelation. Justice and Judgment, Philadelphia 1985, 207; REDDISH, Martyr Christology (see n. 5), 86. 54 See about economic aspects K LAUCK, Sendschreiben (see n. 17); R. M. ROYALTY, The Streets of Heaven: the Ideology of Wealth in the Apocalypse of John, Macon, Georgia 1998; B. ROSSING, The Choice between Two Cities: Whore, Bride, and Empire in the Apocalypse, Harrisburg, PA 1999. 55 Daniel 3 has been re-interpreted as a martyrdom story in early Christianity, R. BODENMANN, Naissance d’une exégèse: Daniel dans l’Église ancienne des trois premiers siècles, Beiträge zur Geschichte der biblischen Exegese 28, Tübingen 1986; J. W. VAN
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fact, the vision about the two beasts in chapter 13 evidently builds on the deliverance story of Daniel’s three companions in Daniel 3: it depicts a situation for Jesus’ followers which is analogous to that of Daniel’s companions in Daniel 3, as we will see in the next section.
2 The Reception of Daniel 3 in Revelation 13 John’s vision concerning the two beasts in Revelation 1356 builds on the story of deliverance of Daniel’s three companions in Daniel 3.57 Both passages depict how believers – Judeans in exile in Daniel 3 and followers of Jesus Christ in Revelation – were forced to venerate an image. Revelation 13:14–15 depicts the introduction of the veneration of the beast that rose from the sea by a second beast: … and by the signs that it [i.e. the second beast] is allowed to perform on behalf of the beast [i.e. the first beast], it deceives the inhabitants of the earth, telling them to make an image for the beast that had been wounded by the sword and yet lived; and it was allowed to give breath to the image of the beast so that the image of the beast could even speak and cause those who would not worship the image of the beast to be killed. (Rev 13:14–15)
John’s visionary language is not explicit enough to make probable claims about what the symbols of the first and second beast may signify. The first beast could easily have been associated with a specific emperor, but also with the imperial rule more generally, perhaps as it manifested itself in a local setting. The second beast is often interpreted as a reference to the ———————— HENTEN, Daniel 3 and 6 in Early Christian Literature, in: J. J. Collins / P. W. Flint (eds.), The Book of Daniel: Composition and Reception, 2 vols., Leiden 2001, 1.149–69. 56 The bibliography on Revelation 13 is vast. See for a survey of interpretations of Rev 13 that connect the chapter with contemporaneous events O TTO BÖCHER, Die Johannesapokalypse, EdF 41, Darmstadt 31988, 76–83. Also BO REICKE, Die jüdische Apokalyptik und die johanneische Tiervision, RSR 60 (1972), 173–192; S. J. SCHERRER, Signs and Wonders in the Imperial Cult. A New Look at a Roman Religious Institution in the Light of Rev 13:13–15, JBL 103 (1984), 599–610; A. J. BEAGLEY, The “Sitz im Leben” of the Apocalypse with Particular Reference to the Role of the Church’s Enemies, BZNW 50, Berlin etc. 1987, 72–80; F. G. DOWNING, Pliny’s Prosecutions of Christians: Revelation and 1 Peter, JSNT 34 (1988), 105–123; R. J. BAUCKHAM, Climax of Prophecy (see n. 26), 384–452; S. J. FRIESEN, Imperial Cults and the Apocalypse of John: Reading Revolution in the Ruins, Oxford 2001; J. W. VAN HENTEN, Dragon Myth and Imperial Ideology in Revelation 12–13, in: D. L. Barr (ed.), The Reality of Apocalypse: Rhetoric and Politics in the Book of Revelation, Atlanta 2006, 181–203. 57 P RIGENT , L’Apocalypse (see n. 41), 210; G. K. BEALE, The Use of Daniel in Jewish Apocalyptic Literature and in the Revelation of St. John, Lanham etc. 1984, 229–49; G. K. BEALE / D. A. CARSON (eds.), Commentary on the New Testament Use of the Old Testament, Grand Rapids 2007, 1127–31.
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imperial cult or the priesthood that organized such cults in cities and provinces.58 With his highly critical view of the believers’ interaction with Greco-Roman cultural practices, John must have abhorred any interference with the imperial cult, but it is important to note once again that he does not refer to any specific situation of oppression (see above, section 1). Instead, in this passage he alludes with various phrases to the forced veneration of the statue that Nebuchadnezzar had erected in the plain of Dura as described in Daniel 3.59 Close correspondences between the description of the first beast in Rev 13:1–2 and the four beasts that rise from the sea in Daniel 7 also suggest that Revelation’s first beast is based on a reinterpretation of the four beasts in Daniel 7, which implies that both traditions from Daniel were combined in the new vision of Revelation.60 The blasphemous statements and acts of the first beast in Revelation remind one especially of the sayings and acts of the eleventh horn of the fourth beast in Daniel 7 (Rev 13:5–7; Dan 7:8, 11, 20, 25; cf. Dan 8:10–12). The correspondences between Revelation and Daniel 3 concern especially the end of the passage of Rev 13:14–15, which focuses upon the very serious threat that the new image of the first beast forms for John’s implied readers: not venerating the image would result in the death penalty, which implies that this passage, like Daniel 3, presupposes a choice for the believers: giving in to the forced veneration of the beast and being doomed (cf. Rev 14:9–11) or remaining faithful to Jesus’ message and running the risk of being executed. This reminds one of the dilemma for Daniel and his companions as well as the Maccabean martyrs, which resulted in their decision to accept voluntary martyrdom. The choice between life and death is similar, but contrary to Daniel 3 and 6 as well as 2 Maccabees the description of the persecution remains unspecific and veiled in Revelation 13, no matter whether it was real or just perceived. Nevertheless, the vision of Revelation 13 invokes for the reader a situation that is analogous with the ———————— 58
See for discussions of the interconnections between Revelation and the imperial cult FRIESEN, Imperial Cults (see n. 56); VAN HENTEN, Dragon Myth (see n. 56). About the imperial cult itself: S. R. F. PRICE, Rituals and Power. The Roman Imperial Cult in Asia Minor, Cambridge 1984; D. FISHWICK, The Imperial Cult in the Latin West. Studies in the Ruler Cult of the Western Provinces of the Roman Empire, 3 vols., EPRO 108, Leiden 1987–2005. 59 See for further allusions to the book of Daniel in Revelation B EALE, Use of Daniel (see n. 57), who argues that the composition of Revelation 13 is based upon a pattern deriving from Daniel 7: (1) the stepping forward of an agent; (2) the giving over of power to the agent, and (3) the effect of this giving over of power (244–247). Cf. the criticism of RUIZ, Ezekiel (see n. 36), 97–128. 60 A. YARBRO COLLINS, The History of Interpretation: B. The Christian Interpretation, in: J. J. Collins, Daniel. A. Commentary on the Book of Daniel, Minneapolis 1993, 90–117 (107–8); BEALE / CARSON, Commentary (see n. 57), 1127.
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setting of Daniel 3 by the allusions to this story through clusters of similar vocabulary: 1) Rev 13:15 combines the verb προσκυνέω with εἰκών as indirect object in its reference to the veneration of the image of the beast:61 “(…so that the image of the beast could even speak) and cause those who would not worship the image of the beast to be killed (... ἵνα ὅσοι ἐὰν µὴ προσκυνήσωσιν τῇ εἰκόνι τοῦ θηρίου ἀποκτανθῶσιν).”62 These phrases also occur in Daniel’s description of the veneration of Nebuchadnezzar’s image commanded to the peoples, nations and languages in the king’s realm: When you hear the sound of the trumpet, pipe, lyre, trigon, harp, drum,63 and entire musical ensemble, you are to fall down and worship the golden statue (πεσόντες προσκυνήσατε τῇ εἰκόνι τῇ χρυσῇ) that King Nebuchadnezzar has set up. And everyone who does not fall down and worship (καὶ πᾶς, ὃς ἄν µὴ πεσὼν προσκυνήσῃ) will be thrown into the furnace of blazing fire (Dan 3:5–6, LXX).64 2) In Revelation 13 as well as Daniel 3, the death penalty is the sanction for disobeying the command to venerate the image (Rev 13:15; Dan 3:5–6, 11, 15, LXX/Th), but a reference to the furnace is absent in Revelation 13.65 3) Another correspondence between the vocabulary in Revelation 13 and that in Daniel 3 concerns the power that the first beast executes over several ethnic groups and the groups that are forced to venerate Nebuchadnezzar’s statue in Daniel 3. The first beast of Revelation 13 is engaged in a combat against the holy ones (cf. Dan 7:8, LXX; Dan 7:21) and is given authority over every tribe, people, language group and nation (καὶ ἐδόθη αὐτῷ ἐξουσία ἐπὶ πᾶσαν φυλὴν καὶ λαὸν καὶ γλῶσσαν καὶ ἔθνος). This combination of phrases for various ethnic groups is very similar to the groups that are forced to obey Nebuchadnezzar’s command: ἔθνη, φυλαὶ
———————— 61
The same combination occurs in Dan 3:7, 10, 12, 18, LXX; Dan 3:7, 11–2, 15, 18, Th; cf. Rev 13:4, 8, 12. See also Bel and the Dragon 4, 24, LXX/Th. 62 The verb ἀποκτείνω indicates a violent death for believers, see 13:10 referring to a death by the sword. Also Rev 2:13; 6:11; 11:7. 63 LSJ 1689, s.v. συµφωνία refers to a kind of drum as meaning for συµφωνία, but J. LUST et al., A Greek – English Lexicon of the Septuagint, 2 vols., Stuttgart 1992–1996, 2.452, suggest “bagpipe.” The abbreviation “s.v.” should be followed by the Greek word in LSJ. 64 Cf. Dan 3:11, 15, LXX/Th. The text given here derives from the Septuagint version, which was later superseded by the version ascribed to Theodotion. The latter version differs slightly from the LXX version, but that does not affect the content. According to the Masoretic Text the image is a statue of a god, but in the LXX version it is interpreted as a statue of Nebuchadnezzar himself (Dan 3:12, 18 LXX). 65 Cf. by way of contrast Matt 13:42, 50.
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καὶ γλῶσσαι according to Dan 3:2, 7, LXX; λαοί, φυλαί, γλῶσσαι according to Dan. 3:4, 7, Th.66 In short, the correspondences between Rev 13:7, 14–15 and Daniel 3 not only imply that Revelation alludes to the court tale of Daniel 3 but also suggest that the situation presented for John’s implied readers was analogous to the enforcement of all inhabitants by Nebuchadnezzar to venerate his statue in the plain of Dura. The refusal to bestow divine honors upon the image of the first beast, no matter whether it was directly associated with the imperial cult in Asia Minor or more indirectly connected with idolatry and ideologies of divine rulers, could result in the death penalty in the perception of John (Rev 13:15; cf. Dan 3:5–6, 11, 15). This implied a loyalty conflict between two mutually exclusive ideologies and two very different rulers, the Roman authorities and the God of Israel and his Messiah. Those who chose the second option accepted a violent death as the consequence of this choice, which is similar to the choice to accept martyrdom voluntarily. Rev 13, however, does not describe the consequences of this choice.
3 Witness or Martyr? The survey of passages given above shows already that “witness” (µάρτυς) is one of the phrases for Jesus followers in a situation of suffering (2:13; 11:3; 17:6, above). Does this phrase and related words have a connotation of martyrdom? Scholars discussing ancient martyrdom often mention the act of witnessing or confessing as central characteristic of the martyr’s performance. Part of their argument is the semantic development of the Greek noun µάρτυς (“witness”) and the related verb µαρτυρέω (“witness,” “testify”) into the early Christian title “martyr” and “die a martyr’s death.”67 Raymond Brown, for example, states that witnessing is crucial to the martyr’s actions and for this reason he considers Jesus also a martyr: “The martyr is first of all one who by accepting death bears witness to God’s supremacy, ———————— 66 Cf. Dan 3:96, LXX/Th. BEALE, Use of Daniel (see n. 57), 244, suggests that Rev 13:16a with its reference to other categories of inhabitants is a “paraphrased echo” of Dan 3:2–7. 67 This is, for example, the case in W. BOUSSET / H. GRESSMANN, Die Religion des Judentums im Späthellenistischen Zeitalter, HNT 21, Tübingen 1926. See for references J. W. VAN HENTEN, Martyrion and Martyrdom: Some Remarks about Noble Death in Josephus, in: J. Kalms / F. Siegert (eds.), Internationales Josephus-Kolloquium Brüssel 1998, Münsteraner Judaistische Beiträge 4, Münster 1999, 124–41.
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and that would fit a Jesus who proclaimed God’s rule or kingdom.”68 Brown’s view links up with attempts by New Testament scholars and church historians to derive the “martyrological meaning” of the witness vocabulary from the use of µάρτυς and related phrases in the Septuagint and the New Testament itself.69 In 1914 Karl Holl connected his interpretation of the martyr as µάρτυς τοῦ θεοῦ, based on a (rather speculative) reading of 1 Cor 15:15, with passages from Deutero-Isaiah and Jewish martyrdoms.70 The martyr is a witness of God in his view, being inspired by the Holy Spirit, and further characterized by the insensitivity to pain. In the New Testament the martyr becomes a witness to the resurrection of Jesus Christ, as Stephen and the two witnesses in Revelation 11 would exemplify (Acts 6:15; 7:55–6; 22:15, 20; Rev 11:3). Other scholars criticized Holl’s interpretation of 1 Cor 15:15 and his view of the martyr as a visionary figure, but they, too, focused on the witness vocabulary by emphasizing that witnessing was an important aspect of the appearance of prophets. Adolf Schlatter argued that it was prophets who refused to recognize the reign of foreign rulers and who were killed died as witnesses for God.71 Ernst Lohmeyer claimed that the author of Deutero-Isaiah created the concept of martyrdom, because the central notions of martyrdom could be found already in Isa 43:9–13; 44:8: God calls upon Israel to testify to the nations.72 The individualization of this call in later times implies that prophecy and martyrdom go hand in hand in individual cases, such as Isaiah’s martyr-
———————— 68 R. E. BROWN, The Death of the Messiah. From Gethsemane to the Grave: A Commentary on the Passion Narratives in the Four Gospels, 2 vols., The Anchor Bible Reference Library, London 1994, 32 with footnote 40. See also pp. 31; 157; 183–8; 212; 584; 612; 977–8. 69 K. HOLL, Die Vorstellung vom Märtyrer und die Märtyrerakte in ihrer geschichtlichen Entwicklung, NJahrb 33 (1914), 521–56; reprinted in: IDEM, Gesammelte Aufsätze zur Kirchengeschichte, 3 vols., Tübingen 1921–1928, 2.68–102. Recently: S CHWEMER, Prophet, Zeuge und Märtyrer (see n. 5). Further references in B. A. G. M. DEHANDSCHUTTER / J. W. VAN HENTEN, Einleitung, in: J. W. van Henten et al. (eds.), Die Entstehung der jüdischen Martyrologie, StPB 38, Leiden 1989, 1–19 (esp. 5–8). 70 4 Macc 6:5–6; 7:13–4; 9:21–2; Martyrdom of Isaiah, H OLL, Vorstellung (see n. 69), 79–81. See also G. W. H. LAMPE, Martyrdom and Inspiration, in: W. Horbury / B. McNeil (eds.), Suffering and Martyrdom in the New Testament: Studies presented to G. M. Styler by the Cambridge New Testament Seminar, Cambridge 1981, 118–35. 71 A. S CHLATTER, Der Märtyrer in den Anfängen der Kirche, BFChTh 19.3, Gütersloh 1915, 239–46. 72 E. LOHMEYER, Die Idee des Martyriums im Judentum und Urchristentum, ZST 5 (1928), 232–49, building on F. DORNSEIFF, Der Märtyrer. Name und Bewertung, AR 22 (1923/1924), 133–53. See also G. FITZER, Der Begriff des µάρτυς im Judentum und Urchristentum, Diss. Breslau 1928.
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dom, at least according to later sources.73 Otto Michel associated the notion of testimony in Isaiah 43–44 with the tradition of the suffering servant as articulated in Isa 52:13–53:12, arguing that both the martyr’s acting as a witness for God in word and deed and the beneficiary effect of the martyr’s death for others derive from Deutero-Isaiah.74 Recently Anna-Maria Schwemer took up again this line of argument. She connects the notion of witnessing in Isa 43–44 with passages about the murder of the prophets (e.g. Neh 9:26, LXX; 2 Chr 24:19).75 New Testament passages would show a Christian re-interpretation of the martyrprophet figure, because the martyrs become witnesses of the risen Jesus Christ. Schwemer argues that Luke is the earliest New Testament author who elaborates this conception of the martyr (Luke 24:48–9; Acts 1:8; 7:56; 20:24; 22:20). She claims that a similar view can be found in the book of Revelation, where prophecy and witnessing overlap and the martyrs bear witness with their words and deeds to the crucified and resurrected Lord Jesus Christ (Rev 1:9; 6:9; 11:3–13; 12:17; 14:12; 20:4).76 Several objections can be raised against Anna-Maria Schwemer’s argument about the Christian prophet-witness-martyr figure that she connects with Revelation. First, from a tradition-historical perspective it is important not to mix up different strands of tradition as long as they are not explicitly combined in the relevant passages. Martyrdom traditions should be distinguished from the traditions of the suffering righteous and the murdered prophet.77 For the murdered prophet, for example, it is typical that he is killed because of his prophecy against his own people or its leaders. The Septuagint version of Neh 9:26 clearly shows this, because the prophets killed by the people’s leaders testify against (διαµαρτυρέοµαι ἐν) these leaders.78 Second, the witness vocabulary is of marginal significance in early Jewish martyrdoms.79 2 Macc 7:6, for example, one of the references mentioned by Schwemer, concerns an allusion to Moses’ song in Deuter———————— 73 LOHMEYER, Idee (see n. 72), 241. See also H. A. FISCHEL, Martyr and Prophet (A Study in Jewish Literature), JQR 37 (1947), 265–280; 363–386; LAMPE, Martyrdom and Inspiration (see n. 70). 74 O. MICHEL, Prophet und Märtyrer, BFChTh 37.2, Gütersloh 1932. Also K. F. EULER, Die Verkündigung vom leidenden Gottesknecht aus Jes. 53 in der griechischen Bibel, BWANT 66, Stuttgart / Berlin 1934, 114–21; 128–9. 75 S CHWEMER, Prophet, Zeuge und Märtyrer (see n. 5), 323–9, also mentions 2 Macc 7:6 and 4 Macc 16:16 in this connection. 76 S CHWEMER, Prophet, Zeuge und Märtyrer (see n. 5), 329–42, who states: “Das ‘Zeugnis Jesu’ der Märtyrer ist das für den Gekreuzigten und Auferstandenen abgelegte Zeugnis in Wort und Tat bis hin zum Bekenntnis das zum Martyrium führt” (p. 342). See further on this point below. 77 With H. STRATHMANN, Art. µάρτυς κτλ., TDNT 4.474–514 (484–5). 78 See also Neh 9:34, LXX. 79 See 2 Macc 7:6; 4 Macc 6:32; 12:16 (codex A); 16:16.
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onomy 32 and not the performance of the martyrs and their vindication, which is highlighted by the quotation of Deut 32:36 in this verse.80 The few other occurrences of witness vocabulary in early Jewish martyrdoms do presuppose a context of persecution, but the vocabulary does not imply martyrdom itself. In one of these passages, 4 Macc 16:16, the mother incites her seven sons to accept a violent death with the following words: “My sons, noble is the contest to which you are called to bear witness for the nation (κληθέντες ὑπὲρ τῆς διαµαρτυρίας τοῦ ἔθνους). Fight zealously for our ancestral law.” As a matter of fact, the witness vocabulary in the Jewish martyrdoms as well as in Revelation does not presuppose martyrdom by itself: it is crucial to note that not all witnesses are actually being murdered in Revelation.81 Third, the issue of the origins of the concept of martyrdom and the first occurrence of the title “martyr” should be taken as two separate problems.82 The concept probably existed before the witness vocabulary developed into a technical reference to “martyrdom.”83 Currently, there is considerable consensus that µάρτυς became the technical phrase meaning “martyr” in Christian literature only ca. 150 CE. 84 The honorary meaning “martyr” referring to a person who was executed because he or she remained faithful to the Christian faith and identity even confronted with the death penalty by the Roman authorities seems to occur ———————— 80
The martyrs say in 2 Macc 7:6: “God our Lord is watching and truly will have mercy with us, like Moses made clear in the song that functioned in public as a witness against the people (διὰ τῆς κατὰ πρόσωπον ἀντιµαρτυρούσης ᾠδῆς), saying ‘And he will have mercy with his servants.’” Moses’ song implies bearing witness against the people of Israel Deut 31:19, 21, 26 and 32:46) because of Israel’s unfaithfulness to the law. In the context of 2 Macc 7 the reference emphasizes that those who remain faithful to God’s law will rejoice in God’s compassion. Cf. J. BEUTLER, Art. µαρτυρία, EWNT 2.964–7 (967). 81 S CHWEMER, Prophet, Zeuge und Märtyrer (see n. 5), 342, acknowledges this. Cf. YARBRO COLLINS, Crisis (see n. 13), 128; MARSHALL, Martyrdom (see n. 5), 328; ULFGARD, Feast and Future (see n. 5), 52–3. 82 See already K. S TENDAHL, Martyr. Ordet och Saken. En Forskingsöversikt, STK 27 (1951), 28–44. 83 A. A. TRITES, Μάρτυς and Martyrdom in the Apocalypse. A Semantic Study, NovT 15 (1973), 72–80, distinguishes five stages in the semantic development of the µάρτυς vocabulary, leading from “witness” ultimately to “witness through death” (= martyrdom). She argues that this last phase is not yet present in Revelation (76–9). 84 N. BROX, Zeuge und Märtyrer. Untersuchungen zur frühchristlichen ZeugnisTerminologie, SANT 5, München 1961, 222; 232; 235; BAUMEISTER, Anfänge (see n. 4), 257–70; B. A. G. M. DEHANDSCHUTTER, Some Notes on 1 Clement 5, 4–7, in: A. A. R. Bastiaensen et al. (eds.), Fructus Centesimus. Mélanges offerts à Gerard J. M. Bartelink à l’occasion de son soixante-cinquième anniversaire, Instrumenta Patristica 19, Dordrecht 1989, 83–89; B. A. G. M. DEHANDSCHUTTER, The Martyrium Polycarpi: A Century of Research, ANRW 2.27.1 485–522 (508–14); G. BUSCHMANN, Das Martyrium des Polykarp übersetzt und erklärt, Kommentar zu den Apostolischen Vätern 6, Göttingen 1998, 98–107.
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for the first time in the Martyrdom of Polycarp. This report about the arrest and execution of Bishop Polycarp of Smyrna probably dates from the fifties of the second century CE.85 The introduction of this martyrdom shows the semantic shift of the µάρτυς vocabulary and begins as follows: “We write you, brothers, an account of those who died a martyr’s death (τοὺς µαρτυρήσαντας), and especially about the blessed Polycarp...” (1.1; cf. 2.1; 14.2). About two decades later, martyr, the Latin equivalent of µάρτυς occurs for the first time as a self-designation and a reference to the martyrs’ vindication in the North-African Acts of the Scillitan martyrs. After the governor’s proclamation of the verdict, Nartzalus, one of the condemned Christians, says: “today we are martyrs (martyres) in heaven: thanks to God” (ActScil. 15). At which stage of the semantic development of the µάρτυς vocabulary does the witness vocabulary in Revelation fit in? 86 Several but not all of Revelation’s occurrences concern suffering or death. Rev 1:1–3, for example, refers to the contents of the revelation that John had seen and written up: “... John, who testified to the word of God (ὅς µαρτύρησεν τὸν λόγον τοῦ θεοῦ) and to the testimony of Jesus Christ (τὴν µαρτυρίαν ᾿Ιησοῦ Χριστου) ...”87 Rev 1:9 implies a context of suffering for John’s own ———————— 85
DEHANDSCHUTTER, The Martyrium Polycarpi (see n. 84). For surveys of the semantic development of µάρτυς and related phrases as well as references, see STRATHMANN, µάρτυς (see n. 77); BROX, Zeuge und Märtyrer (see n. 84); TRITES, Μάρτυς (see n. 83); IDEM, The New Testament Concept of Witness, SNTSMS 31, Cambridge 1977; BAUMEISTER, Anfänge (see n. 4), 239–70; B. DEHANDSCHUTTER, The Meaning of Witness in the Apocalypse, in: J. Lambrecht (ed.), L’Apocalypse johannique et l’Apocalyptique dans le Nouveau Testament, BETL 53, Leuven 1980, 283–8; J. BEUTLER, µαρτυρία, EWNT 2.964–7; J. P. M. SWEET , Maintaining the Testimony of Jesus: The Suffering of Christians in the Revelation of John, in: W. Horbury / B. McNeil (eds.), Suffering and Martyrdom in the New Testament: Studies presented to G. M. Styler by the Cambridge New Testament Seminar, Cambridge 1981, 101–17; P. VASSILIADES, The Translation of Martyria Iesou in Revelation, BT 36 (1985), 129–34; G. BUSCHMANN, Martyrium Polycarpi – Eine formkritische Studie: Ein Beitrag zur Frage nach der Entstehung der Gattung Märtyrerakte, BZNW 70, Berlin/New York 1994, 136–41; Buschmann, Martyrium (see n. 84), 98–107. 87 Cf. 19:10; 22:18; STRATHMANN , µάρτυς (see n. 77), 500–1; DEHANDSCHUTTER, The Meaning of Witness (see n. 86), 285; AUNE, Revelation (see n. 5), 1.19. The genitive in the phrases ἡ µαρτυρία ᾿Ιησοῦ or ἡ µαρτυρία ᾿Ιησοῦ Χριστοῦ (Rev 1:2, 9; 12:17; 19:10 twice; 20:4; cf. 6:9; 11:7; 12:11) is probably a subjective genitive (cf. the parallel phrases in 12:17: τῶν τηρούντων τὰς ἐντολὰς τοῦ θεοῦ καὶ ἐχόντων τὴν µαρτυρίαν ᾿Ιησοῦ); STRATHMAN, µάρτυς (see n. 77), 500; Trites, Μάρτυς (see n. 83), 74–6; EADEM, New Testament Concept of Witness (see n. 86), 156–8; HILL, Prophecy (see n. 35), 411– 2; BROX, Zeuge und Märtyrer (see n. 84), 94–5; J. BEUTLER, Martyria, Frankfurter theologische Studien 10, Frankfurt a.M. 1972, 188–9; IDEM, µαρτυρία (see n. 80), 966–7; SWEET , Maintaining the Testimony (see n. 86), 103–6; A. S ATAKE, Die Gemeindeordnung in der Johannesapokalypse, Neukirchen-Vluyn 1966, 98–9, 106. Differ86
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preaching. He states that he was on Patmos “because of the word of God and the testimony of Jesus (διὰ τὸν λόγον τοῦ θεοῦ καὶ τὴν µαρτυρίαν ᾿Ιησοῦ).”88 John’s proclamation is evidently a reason to be on the island of Patmos, but whether there is a close connection between his suffering or punishment and his preaching on Patmos remains unclear in Rev 1:9 (see above, section 1). Such a connection is, however, obvious in Rev 6:9 concerning the slaughtered ones under the altar.89 The context of the reference to Antipas’ death in Rev 2:13 suggests that he died because he remained faithful to Jesus Christ.90 Antipas’ designation as ὁ µάρτυς µου, ὁ πιστός µου (“my witness, my faithful one”) can be interpreted in several ways. It is possible that it refers to Antipas as one of Christ’s martyrs, 91 but this is not probable in the light of the other passages, where such a meaning is clearly absent. Antipas’ designation links up with the two references to Jesus as “faithful witness” in Rev 1:5 (᾿Ιησοῦ Χριστοῦ, ὁ µάρτυς ὁ πιστός) and 3:14 (ὁ ἀµήν, ὁ µάρτυς ὁ πιστός), which would imply, by way of analogy, that µάρτυς highlights the truthfulness of Antipas’ testimony.92 It is possible that Antipas bore witness while he died, by being lynched or executed by the authorities, but such a connection is not explicit in the text.93 As a matter of fact, Revelation 11 also associates being a witness with suffering (above, section 1), but this passage explicitly disconnects testimony and death: the two witnesses are being killed only after they had completed
———————— ently: VASSILIADES, Translation (see n. 86). The tent of witness (ἡ σκηνή τοῦ µαρτυρίου) in Rev 15:5 refers to the heavenly tabernacle. 88 Similar formulae in Rev 6:9; cf. 12:11; 20:4. S CHWEMER, Prophet, Zeuge und Märtyrer (see n. 5), 336–7 connects them with Rev 19:10, where the testimony of Jesus is associated with the spirit of prophecy. She argues that “the word of God” and “the testimony of/for Jesus” are identical. Also S TRATHMANN, µάρτυς (see n. 77), 500. 89 Rev 6:9: “… those who had been slaughtered for the word of God and for the testimony they had given (τῶν ἐσφαγµένων διὰ τὸν λόγον τοῦ θεοῦ καὶ τὴν µαρτυρίαν).” Similarly Rev 17:6; 20:4. 90 The preceding passage notes that Antipas’ community did not deny its faith in Jesus (οὐκ ἠρνήσω τὴν πίστιν µου; above, section 1). 91 S CHWEMER, Prophet, Zeuge und Märtyrer (see n. 5), 336–42. S TRATHMANN , µάρτυς (see n. 77), 496, and AUNE, Revelation (see n. 5), 1.lxv, call Antipas a martyr. Cf. ULFGARD, Feast and Future (see n. 5), 53, who is ambiguous about the meaning of µάρτυς and connects Rev 2:13 with 1:5; 3:14, calling Christ “the faithful ‘martyr’.” He also argues that the µάρτυς vocabulary lacks the specific martyrological nuance and that Antipas’ fidelity made him a martyr. 92 Cf. Rev. 22:20. BEUTLER, µάρτυς (see n. 80), 971. Differently: S TRATHMANN , µάρτυς (see n. 77), 496; REDDISH, Martyr Christology (see n. 5), 86–9. AUNE, Revelation (see n. 5), 3.1232, points out that the formula ὁ µάρτυς ὁ πιστός functions as guarantee of the revelation. 93 With AUNE, Revelation (see n. 5), 1.194. See also section 1.
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their testimony (11:7).94 Thus, from the observations above it is apparent that the witness vocabulary does not yet have a fixed, technical meaning referring to dying or having died a martyr’s death.95 Bearing witness is, however, an important aspect of the performance of the faithful, which should be carried on during hostile circumstances. It can bring along suffering and death, but a faithful testimony does not require a context of violent death.96
4 Martyrdom Vocabulary and Motifs Several passages in Revelation refer to a violent death of Jesus believers in the past or anticipate such a death in the future, as we have seen already in section 1. These passages include vocabulary and motifs, which are prominent in writings usually associated with martyrdom. Revelation shares in particular martyrdom vocabulary with the Jewish writing 4 Maccabees (ca. 100 CE or perhaps even later).97 The author of 4 Maccabees expanded the Maccabean martyrdoms in 2 Macc 6:18–7:42 with sections of praise for the martyrs and also elaborated the description of the martyrdoms by highlighting the attitude of the martyrs before and during their sufferings. Two prominent motifs in these passages concern the perseverance (ὑποµονή) of the martyrs until the moment of their death (4 Macc 1:11; 6:10; 7:4, 21; 8:2; 9:6; 15:30–16:1; 16:17, 19, 21–22; 17:3, 7, 17) and their victory (νική) over their opponents, the tyrant Antiochus IV and his representatives (4 Macc 1:11; 6:10; 7:4; 8:2; 9:6, 30; 16:14; 17:15).98 Phrases belonging to both semantic fields can already be found in the introductory ———————— 94 Rev 11:7: Καὶ ὅταν τελέσωσιν τὴν µαρτυρίαν αὐτῶν, τὸ θηρίον …, καὶ ἀποκτενεῖ αὐτούς. TRITES, Μάρτυς (see n. 83), 76. 95 BROX, Zeuge und Märtyrer (see n. 84), 105; B EUTLER, µαρτυρία (see n. 80), 966– 7; SWEET , Maintaining the Testimony (see n. 86), 106; TRITES, Μάρτυς (see n. 83); ULFGARD, Feast and Future (see n. 5), 53. Cf. STRATHMANN, µάρτυς (see n. 77), 495, 501–2. 96 See also above, p. 11. 97 J. W. VAN HENTEN, Datierung und Herkunft des Vierten Makkabäerbuches, in: J. W. van Henten et al. (eds.), Tradition and Re-interpretation in Jewish and Early Christian Literature. Essays in Honour of Jürgen C. H. Lebram, SPB 36, Leiden 1986, 136–49; J. W. VAN HENTEN, The Maccabean Martyrs As Saviours of the Jewish People. A Study of 2 and 4 Maccabees, Supplements to the Journal for the Study of Judaism 57, Leiden 1997, 73–8. D. A. DESILVA, 4 Maccabees: Introduction and Commentary, Septuagint Commentary Series, Leiden 2006, xiv–xvii. 98 Further discussion in VAN HENTEN, Maccabean Martyrs (see n. 97), 119–23; 235– 8; 262–5. Also VAN HENTEN, Martyrdom, Jesus Passion and Barbarism, BibInt 17 (2009), 239–64.
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passage in 4 Macc 1:11, which anticipates the martyrdoms of Eleazar and his fellow Jews. All people, even their torturers, marveled at their courage and endurance (θαυµασθέντες … ἐπὶ τῇ ἀνδρείᾳ καὶ ὑποµονῇ), and they became the cause of the downfall of tyranny over their nation. By their endurance they conquered the tyrant (νικήσαντες τὸν τύραννον τῇ ὑποµονῇ), and thus their native land was purified through them.99 This passage presupposes the endurance of the martyrs, which is qualified elsewhere in 4 Maccabees as faithfulness until death (below). Besides, the martyrs’ victory is highlighted, which has two aspects: (1) the martyrs triumph over Antiochus in a moral and spiritual way, not by an actual combat, in spite of the prominence of athletic vocabulary; (2) the victory results in the vindication of the martyrs, life after death, which is articulated in several ways in 4 Maccabees.100 The athletic allegory in 4 Macc 17:11–17, which elaborates the conflict between the martyrs and Antiochus with vocabulary connected with the arena as setting, also points to the martyrs’ victory and to immortality (ἀφθαρσία) as their reward. 4 Macc 17:12 reads: “… for on that day virtue gave the awards and tested them for their endurance. The prize was immortality (τὸ νῖκος ἀφθαρσία) in endless life.”101 The verb νικάω “triumph,” “conquer” occurs a few lines further on: “Reverence for God was victor (θεοσέβεια δὲ ἐνίκα) and gave the crown to its own athletes (τοὺς ἑαυτῆς ἀθλητὰς στεφανοῦσα; 4 Macc 17:15).102 The message of this allegory is clear: it suggests for the audience, the entire human race (17:14), that the martyrs had defeated the tyrant Antiochus IV and that their reward, indicated in athletic terms, was life after death. These athletic metaphors in 4 Maccabees, which are also found in Christian martyrdoms, imply a re-interpretation of eternal glory as the traditional reward of victorious athletes.103 ———————— 99
See also 4 Macc 9:6, 30. See 4 Macc 5:37; 7:18–19; 9:7–9; 10:15; 13:17; 14:5; 16:13, 25; 17:12, 18–19; 18:6–19, 23, which point to afterlife with the suffering righteous and patriarchs near God, astral immortality as well as a bodily resurrection, alluding to Ezekiel 37 (4 Macc 18:17), VAN HENTEN , Maccabean Martyrs (see n. 97), 182–4; D ES ILVA, 4 Maccabees (see n. 97), 140, 173–4, 209–10, 232, 245, 256–67. 101 4 Macc 17:12: ἠθλοθέτει γὰρ τὸτε ἀρετὴ δι’ ὑποµονῆς δοκιµάζουσα. τὸ νῖκος ἀφθαρσία ἐν ζωῇ πολυρονίῳ. See also 4 Macc 9:22 and cf. ἀθανασία in 4 Macc 14:5; 16:13. 102 See also 4 Macc 7:3; 9:8, 22–23. 103 The wreath or crown as the martyrs’ reward is a re-interpretation of the golden crown or the olive wreath, or other crowns of honor for victorious athletes, see also Mart. Lugd. 36; 42; Mart. Pol. 17.1; 19.2; Mart. Pion. 22.2; Mart. Fruct. 4.1; Mart. Max. 3.2; Mart. Agap. 2.1, 4, and H. W. PLEKET , Games, Prizes, Athletes and Ideology: Some Aspects of the History of Sport in the Greco-Roman World, Stadion 1 (1975), 49–89; A. J. BREKELMANS, Märtyrerkranz. Eine symbolgeschichtliche Untersuchung im frühchristli100
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Together with perseverance (ὑποµονή) as a key phrase for the attitude of the martyrs during suffering (above), εὐσέβεια is a significant phrase that characterizes the performance of the martyrs in 4 Maccabees.104 Εὐσέβεια, which is usually translated “piety,” is an important virtue in Greek philosophical writings. It is mostly associated with the religious duties of citizens, but sometimes it is also connected with the four cardinal virtues.105 The author of 4 Maccabees re-interprets this virtue in a Jewish context in order to suggest that the martyrs exemplify a Jewish philosophy.106 In 4 Macc 5:23–24 εὐσέβεια is listed as one of the four cardinal virtues, instead of the much more usual cardinal virtue φρόνησις (“prudence”).107 At the same time, εὐσέβεια echoes notions of its Roman equivalent pietas, which focuses on the notion of appropriate behavior towards the gods as well as to one’s family.108 This notion is re-interpreted in 4 Maccabees as faithfulness towards the God of Israel and God᾽s laws, the ancestral laws of the Jews.109 This explains why a more traditional phrase for faithfulness in the context of noble death (πίστις) is sometimes found as a synonym for εὐσέβεια in 4 Maccabees. The deliverance stories of Daniel 3 and 6, as well as retellings of those tales, characterize the attitude of Daniel and his companions with the help of πίστις vocabulary and thereby highlight the faithfulness of the heroes to their God and their ancestral practices.110 ———————— chen Schrifttum, Analecta Gregoriana 150, Rome 1965; Z. STEWART , Greek Crowns and Christian Martyrs, in: E. Lucchesi / H. D. Saffrey (eds.), Antiquité païenne et chrétienne. Mémorial André-Jean Festugière, Genève 1984, 119–24. 104 References in VAN HENTEN, Maccabean Martyrs (see n. 97), 131–2; 281–4. 105 For example: Xenophon, Mem. 4.6; Ps.-Plato, Epinomis 989b. Further discussion: D. LOENEN, Eusebeia en de cardinale deugden. Een studie over de functie van eusebeia in het leven der Grieken en haar verhouding tot de ethiek, Mededelingen der Koninklijke Nederlandse Akademie van Wetenschappen, Afdeling Letterkunde New Series 23 (1960), 71–164; J. FERGUSON, Moral Values in the Ancient World, 2nd ed., New York 1979, 24–52. 106 Further discussion in VAN HENTEN , Maccabean Martyrs (see n. 97), 278–94. 107 Cf. 4 Macc 1:18; DES ILVA, 4 Maccabees (see n. 97), 135–6. 108 J. HELLEGOUARC’H, Le vocabulaire latin des relations et des parties politiques sous la république, Paris 1963, 276–9; KURT LATTE, Römische Religionsgeschichte, München 1967, 39–40; MARY ROSE D’ANGELO, Eusebeia: Roman Imperial Family Values and the Sexual Politics of 4 Maccabees and the Pastorals, BibInt 11 (2003), 139–65. 109 4 Macc 5:24; 11:5, 8; 12:14; 16:14. The purpose of εὐσέβεια is defined in 5:24 as “worshipping the only living God with proper reverence.” VAN HENTEN, Maccabean Martyrs (see n. 97), 282–4. 110 The πίστις vocabulary in these passages seems to express the “trust” of these heroes in their God as well as their “faithfulness,” which is presupposed by their trust. Dan 6:24 in the Theodotion version, for example, reports that Daniel came out of the lions’ den alive and without any injury “because he trusted his God” (ὅτι ἐπίστευσεν ἐν τῷ θεῷ αὐτοῦ). 1 Macc 2:59 characterizes the faithfulness of Daniel’s companions in a similar way:
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Several passages in 4 Maccabees emphasize the faithfulness of the Maccabean martyrs to God, which is closely related to the virtue of εὐσέβεια “piety,” “faithfulness” (4 Macc 7:21; 15:24; 16:22 and 17:2). 4 Macc 7:16–21 reflects on the martyrdom of Eleazar and connects this with the philosophical thesis of the book introduced in 1:1. A rhetorical question highlights that Eleazar endured Antiochus’ horrible tortures: “What person who lives as a philosopher by the whole rule of philosophy and is faithful to God111 (πεπιστευκὼς θεῷ) … would not be able to overcome the emotions through godliness (7:21–22)?” One of the passages of praise for the mother states that she “nullified the violence of the tyrant, frustrated his evil designs, and demonstrated the nobility of her faithfulness (δείξασα τὴν τῆς πίστεως γενναιότητα, 17:2).112 In 4 Macc 16:21–23, the mother incites her sons not to give in to the tyrant and refers in this connection to the exemplary behavior of the patriarchs Abraham and Isaac (Genesis 22), Daniel 6, and Daniel’s three companions (Daniel 3). She emphasizes how Daniel and his companions behaved during their execution: “(Daniel … and Hananiah, Azariah, and Mishael) … endured it for the sake of God (καὶ ὑπέµειναν διὰ τὸν θεόν)” (16:21).113 Building on these models, the mother calls upon her sons and urges them not to be grieved and have the same faithfulness to God (τὴν αὐτὴν πίστιν πρὸς τὸν θεὸν ἔχοντες).114 In another passage the seven sons incite each other to accept and endure their sufferings as Isaac and Daniel’s companions had done before (4 Macc 13:9–12). Isaac’s exemplary behavior highlights εὐσέβεια once more (διὰ τὴν εὐσέβειαν ὑπέµεινεν Ισαακ, 13:12). The similarities between 4 Macc 13:9–12 and 16:19–23 suggest that πίστις and εὐσέβεια are almost synonyms in 4 Maccabees. This short survey implies that there is a semantic field in 4 Maccabees around three key phrases (ὑποµονή, νικάω and πίστις or εὐσέβεια) that characterizes the attitude of the martyrs during suffering and also anticipates their vindication. A similar vocabulary can be found in the book of ———————— “Hananiah, Azariah, and Mishael remained faithful (πιστεύσαντες [NRSV: “believed”]) and were saved from the flame.” Dan 6:5 Theodotion characterizes Daniel as πιστός “faithful” (LUST et al., Greek-English Lexicon 2.377; cf. MT Dan 6:5: “ הוא די־מהימן כל־קבלbecause he was faithful”). Cf. Rom 3:25 and Heb 11:32–34. 111 NRSV: “trusts in God.” 112 NRSV: “showed the courage of your faith;” DESILVA, 4 Maccabees (see n. 97), 55, also translates πίστις with “faithfulness.” Cf. 4 Macc 13:10: ἡ τῆς εὐσεβείας ἐπίδειξις). 113 Cf. 4 Macc 16:19 (ὑποµένειν διὰ τὸν θεόν) and 4 Macc 16:17 (ὑποµένειν τὰς διὰ τὴν εὐσέβειαν ἀλγηδόνας). 114 It is striking that the continuation of the mother’s admonishment in 4 Macc 16:23 has the phrase εὐσέβεια again: “It is unreasonable for people who display the proper religious attitude (εὐσέβεια; NRSV: “who have religious knowledge”) …,” which suggests that πίστις and εὐσέβεια are interchangeable in 4 Macc 16:16–23.
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Revelation in connection with John’s message to the faithful followers of Jesus Christ,115 which not only suggests that his proclamation partly resembles the tenor of martyrdom passages, but also that John, as a consequence, may have been familiar with traditions about martyrdom. The fact that both the author of 4 Maccabees and John draw heavily on analogous between the performance of Daniel’s three companions as described in Daniel 3 and its retellings and the faithful believers addressed in their own work further underpins the correspondences in content and vocabulary between 4 Maccabees and Revelation.116 The relevant passages in Revelation concern John’s introduction of himself in Rev 1:9 (discussed above), several of the decrees of Jesus Christ to his communities in various cities of the province of Asia (Revelation 2– 3; above) as well as two brief sections that function as an intermezzo in the visions about the dragon and the two beasts in Rev 12:10–12 and 13:9– 10.117 The two visions in Revelation 12–13 present the situation of the Jesus followers on earth, the remaining children of the woman clothed with the sun (Rev 12:17), in a very grim light because of the threat of the dragon and the two beasts associated with him. Both of the intermezzos in these visions (12:10–12; 13:9–10) emphasize that this threat could easily have deadly consequences for the followers of Jesus who remain faithful to their Lord (12:11; 13:10; below). The precise circumstances of this threat are not revealed (cf. Rev 13:11–15).118 In fact, the passages can be associated with various historical contexts, like a trial of the Roman authorities or the obligatory participation in religious festivities that include a sacrifice or a demonstration of loyalty to the emperor and or Rome (see sections 1 and 2 ———————— 115 116
Likewise SCHWEMER, Prophet, Zeuge und Märtyrer (see n. 5), 337–40. Cf. 4 Macc 13:9, which is most explicit about the three companions as models: “Let us [the seven sons] imitate the three youths in Assyria (µιµησώµεθα τοὺς τρεὶς τοὺς ἐπὶ τῇ ᾿Ασσυρίας νεανίσκους) who despised the same ordeal of the furnace.” 117 See, concerning the literary function of these passages, J. LAMBRECHT , A Structuration of Revelation 4,1–22,5, in: J. Lambrecht (ed.), L’Apocalypse johannique et l’Apocalyptique dans le Nouveau Testament, BETL 53, Leuven 1980, 77–104; K. P. J ÖRNS, Das hymnische Evangelium. Untersuchungen zu Aufbau, Funktion und Herkunft der hymnischen Stücke in der Johannesoffenbarung, Studien zum Neuen Testament 5, Gütersloh 1971, 109–20; M. DE J ONGE, The Use of the Expression ὁ χριστός in the Apocalypse of John, in: J. Lambrecht (ed.), L’Apocalypse johannique (see above), 267– 281 (esp. 271–274); reprinted in: M. DE JONGE, Jewish Eschatology, Early Christian Christology and the Testaments of the Twelve Patriarchs, Collected Essays, NovTSup 63, Leiden 87–101 (91–94). Cf. Rev 2:7, 11, 17, 29; 3:6, 13, 22; 14:12. 118 Several scholars suggest that John’s exhortations to persevere may refer to the serious possibility that his readers had to undergo imprisonment or martyrdom, see, for example, LOHMEYER, Offenbarung (see n. 5); P RETE, Il testo di Apocalisse 13,9–10 (see n. 5); PRIGENT , L’Apocalypse (see n. 41); AUNE, Revelation (see n. 5), 2.750; LEE, Call to Martyrdom (see n. 5), 184, 190–2.
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above). However, the seriousness of the setting of the intermezzos is clear enough. John’s message for his audience in the light of these serious threats is consistent: he incites his listeners and readers (cf. Rev 1:3) to persevere and remain faithful to God and Jesus Christ in these most hostile circumstances (13:10). The attitude expected by John from his readers and listeners in these passages can easily be associated with voluntary martyrdom as expressed in early Jewish and Christian martyrdoms even when the specific situation of martyrdom with scenes of trial and torture is absent. Significant phrases that support the association with martyrdom passages concern the vocabulary of πίστις “faithfulness,” πιστός “faithful” and related phrases, ὑποµονή “perseverance” and ὑποµένω “persevere” as well as µαρτυρία “testimony” and µαρτυρέω (“bear witness”; see concerning these last phrases section 3).119 In Rev 1:9 John describes his stay at Patmos and uses several of these phrases to indicate that he shares a situation of suffering with his addressees: I, John, your brother, who shares with you in Jesus the persecution (συγκοινωνὸς ἐν τῇ θλίψει) and the kingdom and the patient endurance (ὑποµονῇ ἐν ᾿Ιησοῦ), was on the island called Patmos because of the word of God and the testimony of Jesus (διὰ τὸν λόγον τοῦ θεοῦ καὶ τὴν µαρτυρίαν ᾿Ιησοῦ).
John does not specify his suffering, but the phrase θλίψις (“persecution,” “oppression”) implies in Rev 7:14 that it could lead to a violent death.120 Rev 2:2, 19 (cf. 3:10) point to Jesus Christ’s acknowledgement that the communities of Ephesus and Thyatira persevere in their situations, once in combination with a reference to the community’s faithfulness: “I know your works, your toil and your patient endurance (τὴν ὑποµονήν σου)” (2:2); “I know your works, your love, faithfulness (τὴν πίστιν),121 service and patient endurance (τὴν ὑποµονήν σου, 2:19).” From the intermezzos in Rev 12:10–12 and 13:9–10 (cf. Rev 2:10), it is apparent that these phrases sometimes occur in a context of violent death as the ultimate consequence of the believers’ testimony and endurance. Rev 12:10–12 focuses on the defeat of the dragon associated with Satan in relation to the situation of Jesus’ followers. Rev 12:11 reads: “But they [i.e. “our brothers” of 12:10] have conquered him [i.e. Satan as accuser] by the blood of the Lamb and by the word of their testimony. For they did not ———————— 119 See for the vocabulary of πίστις “faithfulness” in connection with martyrdom J. W. VAN HENTEN, The Tradition Historical Background of Rom. 3.25. A Search for Pagan and Jewish Parallels, in: M. C. de Boer (ed.), From Jesus to John: Essays on Jesus and New Testament Christology in Honour of Marinus de Jonge, JSNTSup 84, Sheffield 1993, 100–28. 120 Cf. Rev 2:9–10 and 4 Macc 14:9 referring to the martyrdom of the seven Maccabean brothers. See also n. 47. 121 NRSV: “faith.”
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cling to life even in the face of death (οὐκ ἠγάπησαν τὴν ψυχὴν αὐτῶν ἄχρι θανάτου).”122 Rev 12:10 implies that Satan is defeated in a double way, first by the beneficiary death of Jesus Christ and second by the faithful testimony of his followers.123 In Rev 13:10 John highlights the endurance and faithfulness of the saints (῟Ωδέ ἐστιν ἡ ὑποµονὴ καὶ ἡ πίστις τῶν ἁγίων).124 This solemn affirmation by John himself concludes two parallel clauses that emphasize, by their repetitive vocabulary, that the addressees should accept captivity or even a violent death, if necessary: If you are to be taken captive, Into captivity you go. If you are killed by the sword, By the sword you be killed.125
John may allude in Rev 13:10 to the statement of God in Jer 15:2, which indicates with brief repetitive clauses that all members of God’s people should accept their hard fate, whether pestilence, death by the sword, famine or captivity.126 The combined repetitions of µάχαιρα and αἰχµαλωσία in Jer 15:2 (LXX) render an allusion to the Septuagint version of Jer 15:2 probable in Rev 13:10.127 A similar emphasis on the acceptance of death by a repetitive formula is found in Esther 4:16 (MT), where Queen Esther decides to undertake an attempt to save her people by addressing King ———————— 122
4 Maccabees emphasizes that the martyrs endured their tortures until the moment of their death (µέχρι θανάτου, 5:37; 6:21, 30; 7:8, 16; 13:1, 27; 15:10; 16:1; 17:7, 10). 123 TRITES, “Μάρτυς,” 76. Cf. J ÖRNS, Hymnische Evangelium (see n. 117), 115. See concerning the witness vocabulary section 3 and concerning the motif of the victory over the dragon/Satan this section below. 124 Cf. 14:12: ῟Ωδέ ἡ ὑποµονὴ τῶν ἁγίων ἐστι. U LFGARD, Feast (see n. 5), 55 with n. 231 differentiates between a modal and a temporal nuance of this phrase, the first would imply that the persons involved remained faithful even if it would cost their life. 125 The NRSV translates differently on the basis of a different reading of the Greek text: “if you kill with the sword, with the sword you must be killed.” The text attested by the Codex Alexandrinus, followed by Nestle-Aland26 and GNT3, which is characterized by a double parallelism of clauses with repetitive vocabulary, is probably the more original reading, see, for example, E. LOHSE, Die Offenbarung des Johannes, NTD 11, 9th ed., Göttingen 1966, 78; B. M. METZGER, A Textual Commentary on the Greek New Testament, London/New York 1975, 747–8; J. P. M. SWEET , Revelation, Westminster Pelican Commentaries, Philadelphia 1979, 212–3; P RIGENT , L’Apocalypse (see n. 41), 207; AUNE, Revelation (see n. 5), 2.718–9. 126 METZGER, Textual Commentary (see n. 127), 748; A UNE, Revelation (see n. 5), 2.718; 730–1; 749–50; Beale / Carson, Commentary on the NT Use (see n. 57), 1129. 127 Rev 13:10 according to Codex A: εἴ τις εἰς αἰχµαλωσίαν, / εἰς αἰχµαλωσίαν ὑπάγει·/ εἴ τις ἐν µαχαίρῇ ἀποκτανθῆναι / αὐτὸν τις ἐν µαχαίρῇ ἀποκτανθῆναι. Cf. Jer 15:2 (LXX): … ῞Οσοι εἰς θάνατον, / εἰς θάνατον·/ καὶ ὅσοι εἰς µάχαιραν, / εἰς µάχαιραν·/ … καὶ ὅσοι εἰς αἰχµαλωσίαν, / εἰς αἰχµαλωσίαν· ….
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Ahasverus uninvited, which goes against the law. This implies she is willing to sacrifice her life for acting as intercessor for her fellow-Judeans. She points out to Mordecai that a fast of three days has to be arranged, after which she will see the king (Esth 4:16). The final part of this verse indicates that Esther was prepared to undertake this even if it would cost her her life: ‘… After that [i.e. the collective fast] I will go to the king, though it is against the law; and if I perish, I perish ()אבדתי אבדתי וכאשר.’128
The two intermezzos in Rev 12:10–12 and 13:9–10 function as encouragement of the faithful followers of Jesus Christ, who are called “the saints” in 13:10 (cf. 14:12). The passage in Rev 12:11, quoted above, indicates already that the primary opponent of the faithful, the dragon/Satan, has, in fact, already been defeated by two acts: (1) the violent death of Christ, which has a redemptive significance (cf. Rev 1:5; 5:9),129 and (2) the testimony of the faithful themselves (above). This passage points to yet another semantic field that is also prominent in certain martyrdoms, the vocabulary of victory. As some of the passages referred to above indicate, martyrs are victorious in a paradoxical way: they defeat their opponent at the moment of death because exactly at that moment it becomes apparent that they have succeeded in not giving in to the commands of their opponent. The idea of victory by death is also found in Revelation, but the notion of a death that results in victory has a Christological foundation in Revelation, as Rev 12:11 shows.130 It is Jesus’ violent death that enables his followers to be victorious, as Rev 12:11 says: “… they have conquered him [Satan] by the blood of the Lamb (καὶ αὐτοὶ ἐνίκησαν αὐτὸν διὰ τὸ αἷµα τοῦ ἀρνίου) and by the word of their testimony.” Elsewhere John indicates that those followers who are victorious will participate in Christ’s vindication after his victory: “To the one who conquers (ὁ νικῶν) I will give a place with me on my throne, just as I myself conquered (ὡς κἀγὼ ἐνίκησα) and sat down with my Father on his throne” (Rev 3:21). Rev 2:10–11 renders explicit what Rev 12:11 and 13:10 already suggest (above): together, the willingness to sacrifice one’s life (12:11; 13:10), faithfulness and perseverance (13:10) bring victory for the Jesus followers. In Rev 2:10 Jesus Christ incites the community at Smyrna to be faithful until death, which would result in vindication by him: “… Be faithful until death (γίνου πιστὸς ἄχρι θανάτου), and I will give you the ———————— 128 129
This parallel is also noted by AUNE, Revelation (see n. 5), 2.750. T. HOLTZ, Die Christologie der Apokalypse des Johannes, TU 85, Berlin 1962; E. SCHÜSSLER FIORENZA, Redemption as Liberation: Rev 1:5–6 and 5:9–10, CBQ 36 (1974), 220–232; reprinted in: EADEM, The Book of Revelation. Justice and Judgment (see n. 53), 68–81; DE J ONGE, The Use of the Expression ὁ χριστός (see n. 117). 130 Cf. Rev 5:5; 6:2; 17:14.
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crown of life (καὶ δώσω σοι τὸν στέφανον τῆς ζωῆς).” As in 4 Maccabees, afterlife as reward for faithfulness to God is highlighted with athletic vocabulary,131 which refers metaphorically to the victory of the faithful (νικάω etc.) as well as their reward (στέφανος). Rev 3:10–12, part of the decree to the community of Philadelphia, also alludes to the crown of life and incites the faithful there to endure with the announcement that Jesus Christ will return soon:132 “… I am coming soon; hold fast to what you have, so that no one may seize your crown (ἵνα µηδεὶς λάβῃ τὸν στέφανον σου; 3:11).” Other passages with this victory vocabulary build on still other motifs, alluding, for example, to Paradise to indicate a posthumous vindication of the faithful (Rev 2:7; 2:17; 2:26–28; 3:5, 8, 10–12; 15:2; 21:6–7).133 In Rev 2:11 Christ adds to the promise of 2:10: “Whoever conquers (ὁ νικῶν; cf. 3:21), will not be harmed by the second death.” This reference to “the second death” points to the flipside of the vindication of the faithful: they will evade the second death, i.e. the fate that is destined for the godless at the end of times.134 The passage about the multitude from the nations (Rev 7:9–17) seems to point to a posthumous afterlife only for those who died a violent death (7:14–15). Here the vindicated faithful are presented as being near God and Christ, standing before the throne of God and before the Lamb (7:9, 15). Their violent death is explicitly connected with their vindication, as the elder explains to John in Rev 7:14–15: These are they who have come out of the great ordeal; they have washed their robes and made them white in the blood of the Lamb. For this reason they are before the throne of God (διὰ τοῦτό εἰσιν ἐνώπιον τοῦ θρόνου τοῦ θεοῦ).
The nexus of violent death and posthumous vindication is also emphasized by 4 Macc 17:17–18, which states about the Maccabean martyrs that they are standing before God’s throne: The tyrant himself and all his council marveled at their endurance (τὴν ὑποµονήν), because of which they now stand before the divine thrown (δι’ ἢν καὶ τῷ θείῳ νῦν
———————— 131 Cf. Rev 14:12, which passage also incites the Jesus followers to endure and refers in this connection to the observance of God’s commandments as well as to faithfulness to Jesus (with AUNE, Revelation [see n. 5], 2.783; 787–8): ῟Ωδε ἡ ὑποµονὴ τῶν ἁγίων ἐστίν, οἱ τηροῦντες τὰς ἐντολὰς τοῦ θεοῦ καὶ τὴν πίστιν ᾿Ιησοῦ. 132 See also Rev 1:3; 16:15; 22:12, 20. 133 See for the victory motif in Revelation J.-W. TAEGER, ‘Gesiegt! O himmlische Musik des Wortes!’ Zur Entfaltung des Siegesmotivs in den johanneischen Schriften, ZNW 85 (1994), 23–46. 134 Rev 20:14–15; 21:8; cf. 3:10; A. HOUTMAN / M. MISSET -VAN DE WEG, The Fate of the Wicked: Second Death in Early Jewish and Christian Texts, in: A. HOUTMAN et al. (eds.), Empsychoi Logoi – Religious Innovations in Late Antiquity, Studies in Honour of Pieter Willem van der Horst, Ancient Judaism and Early Christianity 73, Leiden 2008, 405–24. See for Rev 20:5–6 section 1.
The Concept of Martyrdom in Revelation
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παρεστήκασιν θρόνῳ) and live the life of eternal blessedness (καὶ τὸν µακάριον βιοῦσαν αἰῶνα). 135
In short, the vocabulary of victory in Revelation implies that believers who remain faithful to the very end (Rev 2:10) and who are prepared to accept a violent death will be victorious in two ways: they triumph over their opponents (Rev 12:11) and will be rewarded with afterlife (see also Rev 3:10– 12). These notions correspond closely to traditions of martyrdom, but it is important to note that a violent death is not a necessary requirement for being victorious, the crucial point is in Revelation the attitude of the believers, the willingness to undergo suffering and death if necessary, not a violent death per se.136
5 Conclusion A clear-cut concept of martyrdom as well as technical vocabulary referring to martyrdom are still absent in the book of Revelation. However, if one defines a martyr as a person who in an extremely hostile situation prefers a violent death to compliance with a demand of the foreign authorities, one could argue that several lines of John’s proclamation converge in a voluntary notion of martyrdom. 1) Revelation often refers to suffering or violent death, but the circumstances are never specified. There was no organized persecution of Jesusfollowers in the period when Revelation originated, and there is not enough evidence for claiming a connection between the references to suffering and the ruler cult in Asia Minor. Some of the passages listed in section 1 expect an attitude from the victims of suffering that reminds one of voluntary martyrdom. 2) Revelation 13 invokes a situation analogous to the setting of Daniel 3 by the allusions to this story through clusters of similar vocabulary. John’s readers are incited to remain faithful to God like Daniel’s companions did, in spite of Nebuchadnezzar’s death penalty. 3) Bearing witness is an important aspect of the performance of the faithful in Revelation, which is to be carried on under hostile circumstances. It can bring along suffering and death, but a faithful testimony does not require a context of violent death: not all witnesses are being killed in ———————— 135 H.-J. KLAUCK, 4. Makkabäerbuch, JSHRZ 3.6.645–763 (752); D ES ILVA, 4 Maccabees (see n. 97), 248. 136 This is rightly emphasized by Sweet, Revelation (see n. 125), 82–3: “A man is constituted conqueror (present participle, of continuous action) by his continuing attitude and behaviour, rather than by the circumstances of his physical death – though the coming crisis will indeed demand faithfulness unto death (2.10).”
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Revelation. A fixed technical meaning of the witness (µάρτυς) vocabulary referring exclusively to martyrdom is absent in Revelation. 4) Revelation contains motifs and vocabulary (ὑποµονή, νικάω, and πίστις and related phrases) that are prominent in early Jewish martyrdom passages, highlighting the martyrs’ faithfulness to God and God’s laws, the martyrs’ perseverance as well as their victory (i.e. their triumph over their opponents), and the afterlife as their reward. There is also an important difference between 4 Maccabees and Revelation: for John, a violent death is not a precondition for being victorious; rather, the attitude of the believers is the crucial point, namely their willingness to undergo, if necessary, suffering and death.
Zeugnis und Martyrium ROLAND BERGMEIER
1 Kaiserkult und Christenverfolgung Iren.haer. 5,30,3 datiert die Entstehungszeit der Apokalypse Johannes „gegen Ende der Herrschaft Domitians“. Das bedeutet „im Ausgang des 1. Jahrhunderts etwa um 95 n. Chr.“1 N. Brox argumentiert missverständlich, Irenäus datiere die Johannesapokalypse auf „das Ende der Regierungszeit des Kaisers DOMITIAN (ermordet am 18. September 96 n.Chr.).“2 Πρὸς τῷ τέλει (nach Eus.h.e. 3,18,3 und 5,8,6) 3 legt wie das lateinische ad finem die Entstehung in die Zeit „gegen Ende“. Wenn Brox weiterhin ausführt, „die Angabe zur Datierung in die Zeit seiner eigenen Generation“ lasse sich nicht mit der erstgenannten Angabe vereinbaren, „denn IRENÄUS schrieb ca. 90 Jahre nach DOMITIAN“,4 muss man feststellen, dass σχεδὸν ἐπὶ τῆς ἡµετέρας γενεᾶς im Zusammenhang bedeutet, die Apokalypse sei nicht vor langer Zeit entstanden, sondern – aus der Sicht des Zurückschauenden – „schon fast in unserem Zeitalter“. 1Clem 5,1 formuliert ähnlich, aber ohne σχεδόν, im Blick auf die Märtyrerbeispiele der neronischen Verfolgung: τῆς γενεᾶς ἡµῶν τὰ γενναῖα ὑποδείγµατα. Philologisch korrekt argumentiert T. Witulski, dass die irenäische Formulierung ἑωράθη bzw. visum est, berücksichtigt man den Argumentationsduktus der gesamten Passage, auf die Schau des Namens des Antichrists Bezug nimmt: Wenn dessen Name entschlüsselt hätte gegenwärtig verbreitet werden sollen, hätte der ihn mitteilen müssen, von dem dieser Name „schon fast in unserem Zeitalter“ geschaut worden ist. Fälschlich folgert Witulski, dass mit dieser Deutung die irenäische Notiz als Beleg für die Entstehung der Apk in domitianischer Zeit ausfalle. Der Text bindet ausdrücklich ἑωράθη bzw. visum est mit der Formulierung zusammen: „der ja
1 So T. BAUMEISTER, Der Brief der Gemeinden von Vienne und Lyon und die Offenbarung des Johannes, in: F. W. Horn / M. Wolter (Hg.), Studien zur Johannesoffenbarung und ihrer Auslegung (FS Böcher), Neukirchen-Vluyn 2005, 339–355 (339) mit Hinweis in Anm. 1 auf O. BÖCHER, Die Johannesapokalypse, EdF 41, Darmstadt 41998, 36–41, 162. 2 Irenäus von Lyon, Adversus haereses / Gegen die Häresien V, übers. u. eingel. von N. BROX, FChr 8,5, Freiburg u.a. 2001, 228, Anm. 106. 3 D. E. AUNE, Revelation, 3 Bde., WBC 52A–C, Dallas-Nashville 1997–98, Bd. 1, lviii und lxix notiert fälschlich 5,30,3, worin ihm T. W ITULSKI, Die Johannesoffenbarung und Kaiser Hadrian. Studien zur Datierung der neutestamentlichen Apokalypse, FRLANT 221, Göttingen 2007, 41, Anm. 207 unbesehen folgt. 4 Irenäus (s. Anm. 2), 228, Anm. 106 auf S. 229.
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auch die Apokalypse geschaut hatte“. Jede Einzelheit dieses Buchs ist für Irenäus Mitteilung bzw. Vision des Johannes, vgl. 4,20,1; 5,26,1; 28,3; 35,2; 36,3. Die Irenäusstelle behält also ihren heuristischen Wert. Verjüngende Datierungsvorschläge kommen z.B. von J. Frey, der im Anschluss an M. Hengels Sicht der „johanneischen Frage“ für die Zeit Trajans plädiert,5 oder von Witulski, der die Apokalypse in die Zeit Hadrians datiert.6 Da der Apokalyptiker jedoch für die Zeit des achten, also des aus dem Abgrund wiederkehrenden fünften θηρίον zusammen mit der weltweiten Verführung zu dessen Anbetung die große Verfolgung der christlichen Zeugen erwartet (vgl. zu 17,8 die Stellen 13,3.8.12.14f.), geht Witulskis zeitgeschichtliche Deutung als solche ins Leere. Der Prinzipat Hadrians wurde im 2. Jh. ohnehin anders beurteilt. Melito von Sardes führt in seiner 172 geschriebenen Apologie nach Eus.h.e. 4,26,9f. den Kaiser Hadrian im Kontrast zu Nero und Domitian als leuchtendes Vorbild für Marc Aurel ins Feld. Als Kandidat für das „Tier aus dem Abgrund,” unter dessen Herrschaft die Martyrien vollendet werden (Apk 6,11; 13,14f.; 17,8; 20,4), steht er schwerlich zur Verfügung. 7
In der Johannesoffenbarung kommen nun erstmals zusammen: die Rede von µάρτυρες, „die infolge ihrer Zeugenschaft den Tod erlitten haben (2,13; 11,3.7; 17,6)“, und deshalb „eine Bezeichnung tragen, die auch dem Erhöhten zukommt: Sie sind (treue) Zeugen“,8 ferner, der Sache nach, die Themen Verfolgung (1,9; 2,10.13; 6,9–11; 7,14; 12,11; 13,15; 16,6; 17,6; 18,24; 20,4)9 und Kaiserkult (13,4.8.12.15; 14,9.11; 15,2; 16,2; 19,20; 5 J. FREY, Erwägungen zum Verhältnis der Johannesapokalypse zu den übrigen Schriften des Corpus Johanneum, in: M. Hengel, Die johanneische Frage. Ein Lösungsversuch. Mit einem Beitrag zur Apokalypse von J. Frey, WUNT 67, Tübingen 1993, 326–429 (425.427); DERS., The Relevance of the Roman Imperial Cult for the Book of Revelation: Exegetical and Hermeneutical Reflections on the Relation between the Seven Letters and the Visionary Main Part of the Book, in: J. Fotopoulos (Hg.), The New Testament and Early Christian Literature in Greco-Roman Contex (FS D. E. Aune), Leiden u.a. 2006, 231–255 (232, Anm. 5). 6 T. W ITULSKI, Kaiserkult in Kleinasien. Die Entwicklung der kultisch-religiösen Kaiserverehrung in der römischen Provinz Asia von Augustus bis Antoninus Pius, NTOA 63, Göttingen, Fribourg 2007, 7f.174; DERS., Johannesoffenbarung (s. Anm. 3), 138. 219–237.278.290–298.321f.347–350. 7 Vgl. M. HENGEL, Hadrians Politik gegenüber Juden und Christen, in: ders., Judaica et Hellenistica. Kleine Schriften I, WUNT 90, Tübingen 1996, 358–391 (367f.377); P. KUHLMANN, Religion und Erinnerung. Die Religionspolitik Kaiser Hadrians und ihre Rezeption in der antiken Literatur, Formen der Erinnerung 12, Göttingen 2002, 178.193. 8 H. R OOSE, „Das Zeugnis Jesu“. Seine Bedeutung für die Christologie, Eschatologie und Prophetie in der Offenbarung des Johannes, TANZ 32, Tübingen u.a. 2000, 10. Die zitierte Beobachtung war fundamental für H. VON CAMPENHAUSEN, Die Idee des Martyriums in der alten Kirche, Göttingen 21964, 44. Zur unmittelbaren Kritik an von Campenhausen s. ROOSE, 14–16. 9 Vgl. auch AUNE, Revelation 1 (s. Anm. 3), lxxxv; ausführlich P. G. R. DE VILLIERS, Persecution in the Book of Revelation, Acta Theologica 22 (2002: 2), 47–70 (59–61) („Persecution as a leading motif in the text“). Der Texthermeneutik de Villiers’ soll mit diesem Hinweis jedoch nicht unbesehen zugestimmt werden. Wer den Text der Apk aus der Gefangenschaft historisch-zeitgeschichtlicher Rekonstruktion befreien und ihm überzeitlich paradigmatischen Charakter für alle Zeit, die noch kommen mag, attestieren
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20,4).10 M. Dibelius argumentierte wohl zu Recht, aus dem bekannten Brief 96 des Plinius an Trajan sei auch auf Maßnahmen der Christenverfolgung in domitianischer Zeit zu schließen: „Die von Plinius vernommenen Zeugen betonen, sie seien Christen gewesen, wären aber vom Christentum abgefallen – und das sei bei einigen ante triennium, bei anderen ante plures annos, bei noch anderen ante viginti geschehen. Wir dürfen also mit Verfolgungen zwanzig Jahre vor dem Pliniusbrief rechnen.“11 Von einer domitianischen Verfolgung hat schon Hegesipp (2. Hälfte des 2. Jh.) geschrieben (Eus.h.e. 3,20,5).12 Und Melito von Sardes nennt Nero und Domitian als diejenigen römischen Kaiser, in deren Regierungszeit die möchte (vgl. 47.52.59.62–67), sollte nicht blind werden für die Konkretheit der Naherwartung (1,1.3; 3,11; 22,6.7.10.12.20) und der genuin endzeitlichen Bedrängnis (3,10; 13,14f.). Zum Naherwartungshorizont vgl. auch D. S ÄNGER, „Amen, komm, Herr Jesus!“ (Apk 22,20). Anmerkungen zur Christologie der Johannes-Apokalypse in kanonischer Perspektive, in: ders., Von der Bestimmtheit des Anfangs. Studien zu Jesus, Paulus und zum frühchristlichen Schriftverständnis, Neukirchen-Vluyn 2007, 349–370 (349 mit Anm. 2, 369). 10 Die zu Verfolgung und Kaiserkult genannten Stellen zeigen, dass es um erlittenem oder zu erwartendem Martyrium um des Zeugnisses willen oder wegen der Weigerung, das Tier bzw. dessen Bild anzubeten, geht, nicht in erster Linie um die religiöse Versuchung, den eigenen Gottesglauben in das synkretistische Religionswesen der Städte zu integrieren, gegen U. RIEMER, Das Tier auf dem Kaiserthron? Eine Untersuchung zur Offenbarung des Johannes als historischer Quelle, BzA 114, Stuttgart u.a. 1998, 131.170; H. GIESEN, Die Offenbarung des Johannes, RNT, Regensburg 1997, 29.309. Die Vorstellung, es handle sich in Apk 12,18–13,18 und 17f. nur um „deutliche Bilder“, mit denen Johannes „seine Schäfchen ... auf die Bedeutung ihrer Entscheidung für oder gegen Christus“ verweisen wolle, ist angesichts der Rede von Blut und Tod textfern, gegen RIEMER, a.a.O. 171. 11 M. DIBELIUS, Rom und die Christen im ersten Jahrhundert, SHAW.PH 2/1941–2 = Botschaft und Geschichte Bd. 2, Tübingen 1956, 177–228 (212). R IEMER, Tier (s. Anm. 10), 54 hält Forschern, „die die zwanzig Jahre auf Domitian zurückführen,“ die Frage vor, „wer denn drei Jahre zuvor (Trajan?) oder mehrere Jahre vorher Christen verfolgte.“ Die Frage resultiert aus ungenauer Textwahrnehmung. Plinius war erst durch die Liste anonymer Anzeigen verunsichert, nicht generell „durch die Lage, die sich ihm in Kleinasien zeigt.“ Der vorausliegende Normalfall, soweit es Provinziale betraf, von der konkreten Anzeige bis zum Todesurteil über geständige Christen, wovon Plinius zunächst berichtet (ep. 10,96,3 confitentes iterum ac tertio interrogavi supplicium minatus; perseverantes duci iussi), hatte noch nicht zu den aktuellen Fällen geführt, dass manche von ihrer früher erfolgten Absage berichteten, vgl. dazu K. BRINGMANN, Christentum und römischer Staat im ersten und zweiten Jahrhundert n. Chr., GWU 29 (1978), 1–18 (6 mit Anm. 51). 12 Vgl. dazu K. BEYSCHLAG, Clemens Romanus und der Frühkatholizismus. Untersuchungen zu I Clemens 1–7, BHTh 35, Tübingen 1966, 158f. Zu 1Clem 1,1 im Zusammenhang mit domitianischer Verfolgung vgl. R. KLEIN in: Das frühe Christentum bis zum Ende der Verfolgungen. Eine Dokumentation. Zwei Bde. in einem Bd./ Übers. der Texte von P. GUYOT . Ausw. u. Kommentar von R. KLEIN, Darmstadt 1997, 311, Anm. 7; J. A. FISCHER, Die Apostolischen Väter, SUC 1. Teil, Darmstadt 51966, 15.19f.
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üblichen verleumderischen Anschuldigungen gegenüber den Christen eine besondere Rolle spielten (Eus.h.e. 4,26,9). Zur Bedeutung dieser Anschuldigungen ist mit K. Bringmann zu bedenken: „In der Zeit zwischen der neronischen Verfolgung und dem Reskript Trajans (64–110 n. Chr.) waren“ – dem verbreiteten Vorurteil entsprechend, „mit der christlichen Religion seien eo ipso scheußliche Ritualverbrechen verbunden“ – „gegen die Christen Vorwürfe erhoben worden, die längst als kapitale Straftatbestände qualifiziert waren. ... Solange man in den Christen religiös motivierte Straftäter sah und sie deswegen verfolgte, bedurfte es keiner grundsätzlich neuen, speziell auf die Christen bezüglichen Regelung. Denn auf sie waren ja dann die längst vorhandenen Strafbestimmungen anzuwenden.“13 Erst mit der Untersuchung des Plinius ist die Unhaltbarkeit dieser Vorwürfe einmal offiziell festgestellt und erörtert worden. Wer ihnen zuvor zum Opfer gefallen war und sein Christsein bekannt hatte, war in der Regel hingerichtet worden. Dazu hatte es keines Verfolgungsedikts bedurft. Mit der Anerkennung der zuvor genannten Nachrichten und dieses Befundes wird „die angebliche domitianische Verfolgung ihren Nimbus“14 nicht zurückerhalten, aber der Zusammenhang von Kaiserkult und Christenverfolgung, der aus Apk 12,18–13,18 und 17f. zu erheben ist,15 wird bestätigt: Rom ist dem Seher zwar schon 13 14
BRINGMANN, Christentum (s. Anm. 11), 5. Die zitierte Formulierung findet sich bei D. A. AUNE, Johannes-Apokalypse / Johannesoffenbarung, RGG4 4 (2001), 540–548 (541). Die Anerkennung, dass es Verfolgung gegeben hat, heißt nicht, „einer großangelegten Christenverfolgung Domitians“ das Wort zu reden, auch nicht einer „systematischen“. Da muss man schon differenzieren. Jedenfalls darf nicht das Ergebnis, „von einer domitianischen Christenverfolgung sollte endgültig Abschied genommen werden“, zum Ausgangspunkt der Untersuchungen darüber gemacht und Christenverfolgung einseitig an kaiserlichen Maßnahmen, ausgewiesen durch Gesetze oder Erlasse, zur Verhinderung weiterer Ausbreitung des Christentums festgemacht werden, gegen R IEMER, Tier (s. Anm. 10), vii.4.8.15–17.168–172. 15 R. BERGMEIER, Die Erzhure und das Tier: Apk 12,18–13,18 und 17f. Eine quellenund redaktionskritische Analyse, in: ders., Das Gesetz im Römerbrief und andere Studien zum Neuen Testament, WUNT 121, Tübingen 2000, 301–320, vgl. auch ebd. 21f. Drei Beobachtungen seien hier nachgetragen: 1. W. HUSS, Die Gemeinde der Apokalypse des Johannes, Diss. München 1967, 104 vermerkt zu Recht, dass die Deutung des Tieres, die der Apokalyptiker selbst gibt, eine doppelte sei, „nach der das Tier einmal ein Kollektivum, ein anderes Mal eine einzelne Person bezeichnet.“ Kollektivum und Individuum müssen daher in engster Beziehung stehen. 2. Dem entspricht die unterschiedliche Pronominalisierung von τὸ θηρίον, einerseits neutrisch wie in 13,1, andererseits maskulin nach der constructio ad sensum: 13,8.14; 17,8.11, s. dazu G. BIGUZZI, Ephesus, its Artemision, its Temple to the Flavian Emperors, and Idolatry in Revelation, NT 40 (1998), 276–290 (278); vgl. auch FREY, Relevance (s. Anm. 5), 238. 3. AUNE, Revelation 2 (s. Anm. 3), 771 notiert zu Apk 13,18b: „On the association of Nero with the beast of Revelation, it is important to take account of the evidence from ancient writers that designate Nero as a θηρίον, ‘beast’ (Philostratus Vit. Apoll. 4.38; Sib.Or. 5.343; 8.157).“
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aus der Vergangenheit, also von der neronischen Verfolgung her, „die Stadt der christlichen Märtyrer“.16 Aber auf dem Hintergrund gegenwärtiger Erfahrungen17 weissagt er neues, endzeitliches Verfolgungsleiden (3,10; 12,17; 13,10; 14,12f.), das in der christlichen Verweigerung des Kaiserkults begründet ist (13,15; 20,4).18 Die Johannesoffenbarung stellt sich als diejenige Schrift des Neuen Testaments dar, die die christliche Märtyrer-Geschichte eng mit dem römischen Kaiserkult verknüpft sieht. Doch über diese Einschätzung besteht, wie schon angedeutet, Streit. Reserviert argumentiert Aune: „The significance of the imperial cult in the persecution of Christians, however, has frequently been overemphasized.“ 19 Obwohl ich Aunes Reserve gegenüber einem Zusammenhang von Kaiserkult, Domitian und Martyrium 20 nicht teile, ist ihm darin zuzustimmen, dass es in der Forschung gelegentlich Überbewertungen gegeben hat und noch gibt. Dieses Urteil gilt m.E. auch im Blick auf H. Omerzus Versuch, Apk 12 als ironischen bzw. polemischen Reflex des Kaiserkults wahrzunehmen. 21 Die jüngere Forschung habe die früher verbreitete Annahme einer umfassenden, systematischen Christenverfolgung zur Zeit der Abfassung der Apk zu Recht in Frage gestellt, nun gelte es umso mehr, das Verhältnis zwischen römischem Herrschaftsanspruch und christlicher Identität bzw. die Stellung des Sehers dazu zu bestimmen. Apk 12 lasse sich in dieser Hinsicht umfassender als bisher geschehen auswerten. 22 Die Doppelung der mythologischen Vorstellungen, die Verfolgung von Leto durch Python sowie von Isis durch SethTyphon, sei sowohl im römischen Kaiserkult als auch von christlicher Seite adaptiert worden. Demzufolge sei Apk 12 auch und vor allem als Reaktion auf den umfassenden Herrschaftsanspruch Roms zu verstehen.23 Aber Omerzu plädiert unter Hinweis auf Hdt. 2,156 und Plut., de Iside et Osiride 357F; 366A einerseits selbst dafür, dass unabhängig vom Kaiserkult „die Mythen um die Bedrohung von Isis und Leto in neutestamentlicher
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DIBELIUS, Rom (s. Anm. 11), 219; vgl. auch AUNE, Revelation 1 (s. Anm. 3), lxv. An Erfahrungen der unmittelbaren Vergangenheit und allernächsten Zukunft nennt er Bedrängnis 1,9; 2,9, Standhaftigkeit in Verfolgungsleiden 2,3, Gefängnis 2,10 und einen Fall von Tötung 2,13. Daraus ist auf „eine in der gesamten römischen Provinz Asia Platz greifende aktuelle Intensivierung der kultisch-religiösen Kaiserverehrung“ zur Zeit Hadrians nicht zu schließen, gegen W ITULSKI, Kaiserkult (s. Anm. 6), 7.174. So unmittelbar, wie Witulski will, lässt sich die Apk nicht auf eine eindeutige zeitgeschichtliche Situation beziehen. Zu 13,8 bemerkt W. BOUSSET , Die Offenbarung Johannis, KEK 16, Göttingen 1966 (Neudr. der neubearb. Aufl. 1906), 364 zu Recht: „Während nun die Gläubigen im Kampfe ausharren, huldigt die ganze weite Welt dem Zäsarenkultus. Mit dem Tempus des Futur verläßt der Apok. hier zum Schluß den Visionsstil und zeigt deutlich, daß ihm die geschilderten Ereignisse tatsächlich noch in der Zukunft liegen.“ 18 BERGMEIER, Erzhure (s. Anm. 15), 308f.320; vgl. auch FREY, Relevance (s. Anm. 5), 238f. 19 AUNE, Revelation 1 (s. Anm. 3), lxiv. 20 Vgl. AUNE, Revelation 1 (s. Anm. 3), lxx. 21 H. OMERZU, Die Himmelsfrau in Apk 12. Ein polemischer Reflex des römischen Kaiserkults, in: M. Becker / M. Öhler (Hg.), Apokalyptik als Herausforderung neutestamentlicher Theologie, WUNT II, 214, Tübingen 2006, 167–194 (183.193). 22 OMERZU, Himmelsfrau (s. Anm. 21), 171. 23 OMERZU, Himmelsfrau (s. Anm. 21), 170.
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Zeit offensichtlich miteinander verschmolzen sind.“24 Und dass andrerseits für Apk 12 eine solche Doppelung anzunehmen überhaupt erforderlich sei, 25 wird nicht begründet,26 so dass auch die daraus abgeleitete Sache der Reaktion auf den Herrschaftsanspruch Roms bzw. der Polemik gegen den Kaiserkult 27 vage bleibt. Wie soll man sich „die Reflexion“ der Elemente der paganen Mythen, die auch im römischen Kaiserkult rezipiert worden waren, in Apk 1228 überhaupt vorstellen? Zwei Antworten werden sichtbar. 1. Die Aufnahme der mythologischen Vorstellungen in Apk 12 erfolge mit einer Umkehrung der Rollen: Der Kaiser sei nicht mehr als Apollo oder siegreicher Horus dargestellt, sondern werde mit der Drachen-Schlangen-Gestalt gleichgesetzt. 29 Doch muss man nicht nur eine Umkehrung der Rollen annehmen, vielmehr fehlen dem Drachen alle Züge, die überhaupt jemanden an Apoll oder den siegreichen Horus erinnern könnten, so dass ein Zusammenhang gar nicht herstellbar ist. Im Übrigen steht der Umkehrung der Rollen der Text entgegen: „Ensuite on remarquera que à la différence de la bête qui symbolise évidemment le pouvoir impérial, le dragon est une image du diable lui-même.“ 30 Nach Apk 13,4 ist „das Tier“, die römische Kaisermacht, Mandatar des Drachen, des Teufels (Apk 12,13), und nicht der Teufel selbst,31 wenn auch der Thron des Imperiums als Teufelsthron ausgewiesen wird (13,2). „Daß der Drache in Form eines polemischen Parallelismus den römischen Kaiser symbolisiert,“ 32 darf also füglich bezweifelt werden. 2. Durch den polemischen Reflex der Motive, die im Zusammenhang der consecratio des verstorbenen Sohnes der Domitia und des Domitian wirksam seien, „betont der Seher, daß der einzige Sohn Gottes der ist, der durch die wahre Himmelsfrau geboren wird: Christus.“ 33 Man muss sich nur wundern, dass Apk 2,18 den einzigen Sohn-Gottes-Beleg des ganzen Buchs darstellt und zu Kap. 12 keine Verbindung aufweist. Und wer steht als Mutter des besagten Gottessohns zur Verfügung, wenn, wie Omerzu zu Recht festhält, die förmliche Identifikation der Himmelsfrau mit Maria ausscheidet? 34 Exegetische Plausibilität kann
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OMERZU, Himmelsfrau (s. Anm. 21), 182 mit Anm. 86. Die astralmythologische Sicht der Dinge bedarf dieser Doppelung jedenfalls nicht, vgl. R. BERGMEIER, Altes und Neues zur „Sonnenfrau am Himmel (Apk 12)“, in: ders., Gesetz (s. Anm. 15), 249–261, vgl. auch ebd. 20–21.24–27. O MERZU , Himmelsfrau (s. Anm. 21), 191 lässt die sieben Diademe Apk 12,3 auf den Strahlenkranz der römischen Kaiser anspielen, „der oft aus genau sieben Elementen bestand.“ Aber im Text ist ja von sieben Köpfen und von sieben Diademen darauf die Rede, nicht von einem siebengestaltigen Diadem. Zur astralmythologischen Erklärung s. Bergmeier, Sonnenfrau, a.a.O. 253. 26 Grundlage ist für Omerzu der Befund, dass in der Forschung die beiden Mythen um die Bedrohung von Isis und Leto zur Erklärung von Apk 12 herangezogen wurden, wobei trotz zahlreicher Gemeinsamkeiten keine der beiden Legenden vollständig der Erzählung in Apk 12 entspreche, s. OMERZU, Himmelsfrau (s. Anm. 21), 179–184. 27 OMERZU, Himmelsfrau (s. Anm. 21), 170.191. 28 OMERZU, Himmelsfrau (s. Anm. 21), 173. 29 OMERZU, Himmelsfrau (s. Anm. 21), 187.193. 30 P. P RIGENT , L’Apocalypse de Saint Jean, CNT(N) 14, Lausanne u.a. 1981, 195. 31 Zur redaktionellen Verbindung von Apk 12 und 13 s. B ERGMEIER, Erzhure (s. Anm. 15), 308. 32 OMERZU, Himmelsfrau (s. Anm. 21), 191. 33 OMERZU, Himmelsfrau (s. Anm. 21), 193. S. S CHREIBER, Die Sternenfrau und ihre Kinder (Offb 12): Zur Wiederentdeckung eines Mythos, NTS 53 (2007), 436–457 (455) handelt entsprechend von einem „politischen Gegenmodell“. 34 OMERZU, Himmelsfrau (s. Anm. 21), 176.
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also Omerzus Aufstellungen insgesamt nicht zugebilligt werden, so interessant Idee und Material sein mögen. Gleichwohl heißt Überbewertung zurückzuweisen nicht Unterbewertung zu befürworten. Auch M. Koch erscheint es fraglich, „ob eine reale Verfolgungssituation der kleinasiatischen Christengemeinden“ mit den historischen Erkenntnissen über die Entstehungszeit der Apk vereinbar ist.35 Aber wovon sonst als „von den angesprochenen Adressaten“36 sollte Apk 12,17 handeln? Koch argumentiert so: „Die gleichzeitige genealogische Verbindung zwischen der Frau und dem entrückten messianischen Kind sowie der Frau und den bedrängten Adressaten bleibt aufgrund ihrer Unvereinbarkeit innerhalb jeglicher um Eindeutigkeit bemühten Explikation der einzelnen Bildbestandteile untereinander mitsamt ihrer unbestimmbaren räumlichen und zeitlichen Struktur allenfalls in der Erzählung selbst realisierbar. Aus diesem Grund ist auch die Gleichsetzung zwischen ‚den übrigen ihres Samens‘ auf der Textebene und den vom Verfasser der Johannesapokalypse angeredeten Adressaten ebenso unzulässig wie eine Gleichsetzung von Verfasser und Ich-Erzähler.“37 Wer nun wie Koch die „Fülle von Deutungs- und Interpretationsmöglichkeiten, die sogar zu Widersprüchen führen können,“ zu beabsichtigten Widersprüchen erklärt, „die im Text selbst aspektiv zusammengefügt sind und durch die mythische Sprachbehandlung zusammengehalten werden,“38 scheint dergleichen Sprachspiele mit ihren beabsichtigten Widersprüchen auch auf der Ebene der Auslegung wiederholen zu sollen: Einerseits sei, wie gerade gezeigt, die Gleichsetzung unzulässig, andererseits öffne sich der mythische Text in seiner appellativen Bezogenheit unmissverständlich gegenüber den Adressaten dieser Erzählung als „den Übrigen ihres Samens“, so dass Apk 12,17 die Gemeinde des Apokalyptikers aktuell betrifft.39 In der Tat verweist die offenkundige Textverschränkung zwischen Apk 12,17; 13,(7.8)10 und 14,(11c.d)12 auf drohende Verfolgung im Zusammenhang mit dem Kaiserkult.40 Und solche Ermahnungen an seine Adressaten können geradezu als „the link to the historical context“41 angesprochen werden.
35 M. KOCH, Drachenkampf und Sonnenfrau. Zur Funktion des Mythischen in der Johannesapokalypse am Beispiel von Apk 12, WUNT II, 184, Tübingen 2004, 179. 36 So KOCH, Drachenkampf (s. Anm. 35), 129 selbst. 37 KOCH, Drachenkampf (s. Anm. 35), 179. Zur „Gleichsetzung von Verfasser und Ich-Erzähler“ s. jedoch Apk 1,1–3; 22,8. S CHREIBER, Sternenfrau (s. Anm. 33), der den „wiederentdeckten Mythos“ eben in Apk 12 selbst findet (452), ermittelt „in den übrigen aus dem Geschlecht der Frau“ (V. 17) „die Geschwister des Sohnes, die somit zur Familie Gottes gehören“ (453). Warum aber macht der Seher Johannes von dieser „Identität konstruierenden“ (452) Seite des Mythos in seiner eigenen Rede von den „Brüdern“ (1,9; 6,11; 12,10; 19,10; 22,9) keinen erkennbaren Gebrauch? 38 KOCH, Drachenkampf (s. Anm. 35), 213. 39 KOCH, Drachenkampf (s. Anm. 35), 98.177. 40 Vgl. auch H. G IESEN, Lasterkataloge und Kaiserkult in der Offenbarung des Johannes, in: F. W. Horn / M. Wolter (Hg.), Studien zur Johannesoffenbarung und ihrer Auslegung (FS O. Böcher), Neukirchen-Vluyn 2005, 210–231 (214.223). 41 D. P EZZOLI-O LGIATI, Between Fascination and Destruction. Considerations on the Power of the Beast in Rev 13:1–10, in: M. Labahn / J. Zangenberg (Hg.), Zwischen den Reichen: Neues Testament und Römische Herrschaft, TANZ 36, Tübingen u.a. 2002, 229–237 (233, vgl. auch 234f.).
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Vom Beispiel der neronischen Verfolgung42 her muss man konstatieren, dass das Wie des Zusammenhangs von Kaiserkult und Christenverfolgung in den Apokalypse-Texten rezeptionsgeschichtlich am Danielbuch,43 nicht historisch an der Zeitgeschichte orientiert ist. Aber die frühe MärtyrerLiteratur wird, wie wir noch sehen werden, den tödlichen Zusammenhang von Kaiserkult und Christen-Bekenntnis bestätigen.44 Unangemessen ist daher die Alternative, die Aune ins Feld führt: „Christians appear to have experienced sporadic persecution, not because they refused to participate in emperor worship, but simply because they were Christians.“45 Auch der schon genannte Pliniusbrief erkennt analog der Apokalypse (13,8; 15,2; 20,4) „wahre Christen“ daran, dass sie die supplicatio ture ac vino46 für die kaiserliche Büste47 verweigern (96,5).48 Darüber hinaus ist wohl mit zu bedenken: In einer Umwelt, in der die Altäre und Statuen der Gott-Kaiser von einer Herrschaft zur anderen durch die jeweiligen Konsekrationsprogramme zunahmen49 und entsprechend die kaiserlichen Feste und Dankopfer,50 speziell Domitian sich als lebenden Gott verehren ließ51 und seine 42 Vgl. dazu BRINGMANN, Christentum (s. Anm. 11), 4–5: Im Christenkapitel des Tacitus seien persönliches Vorurteil und sachliche Berichterstattung eine enge Verbindung eingegangen. Der historische Bericht beziehe sich nur darauf, dass die Christen als Brandstifter hingerichtet worden seien. 43 B. J. L. P EERBOLTE, To Worship the Beast. The Revelation of John and the Imperial Cult in Asia Minor, in: Labahn / Zangenberg, Zwischen den Reichen (s. Anm. 41), 239–259 (251). 44 Vgl. auch FREY, Relevance (s. Anm. 5), 245. Zur Bedeutung des Bekenntnisses s. O. HAGEMEYER, Ich bin Christ. Frühchristliche Martyrerakten, Düsseldorf 1961, 13 mit Anm. 7; B. DEHANDSCHUTTER, A Community of Martyrs: Religious Identity and the Case of the Martyrs of Lyons and Vienne, in: ders., Polycarpiana: Studies on Martyrdom and Persecution in Early Christianity. Collected Essays, hg. v. J. Leemans, BEThL 2005, Leuven 2007, 237–255 (253f.). 45 D. E. AUNE, The Influence of Roman Imperial Court Ceremonial on the Apocalypse of John, in: ders., Apocalyptism, Prophecy and Magic in Early Christianity, WUNT 199, Tübingen 2006, 99–119 (99). Vgl. demgegenüber DERS., Revelation 2 (s. Anm. 3), 778. 46 Zum regulären Dankopfer für den Kaiser in der Standardformulierung zur Beschreibung eines Dankopfers für die Götter s. M. C LAUSS, Kaiser und Gott. Herrscherkult im römischen Reich, München u.a. 2001, 43, Anm. 18; 222.303.321–323.332f. 47 Zur kaiserlichen Büste als Kultobjekt s. C LAUSS, Kaiser (s. Anm. 46), 295–304. 48 Aus der generellen Bestätigung actum, quem debuisti … secutus es (Plinius, ep. 10, 97) ergibt sich, dass man aus Trajans späterer Formulierung supplicando dis nostris nicht folgern darf, er schließe die Statue seiner Person aus der Reihe der zu beopfernden Gottheiten „ausdrücklich aus“, gegen W ITULSKI, Kaiserkult (s. Anm. 6), 82. Andererseits ist die danielische Formulierung προσκυνεῖν τῇ εἰκόνι Apk 13,15, vgl. Dan 3,5.7.15, ungeeignet, ein zeitgeschichtliches Spezifikum zu erheben, gegen W ITULSKI, Kaiserkult (s. Anm. 6), 83. 49 CLAUSS, Kaiser (s. Anm. 46), 356–386 („Divinisierung und Konsekration“). 50 CLAUSS, Kaiser (s. Anm. 46), 316–341 („Opfer und Kultfeier vor den Kaiserbildern“). 51 CLAUSS, Kaiser (s. Anm. 46), 119–132 u.ö.
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„Büsten und Statuen aus Silber und Gold fast den ganzen Erdkreis unter seiner Herrschaft“ erfüllten,52 wird der Konflikt für Menschen, die „das Tier“ bzw. dessen „Bild nicht anbeteten“, unvermeidlich geworden sein, zumal in der Asia, wo der provinziale Kaiserkult nach dem Tempel für Augustus in Pergamon, in Smyrna für Tiberius, nun einen DomitianTempel in Ephesus erhielt: „In ihm stand die Kultstatue des Kaisers in vierfacher Lebensgröße. Die drei Städte bezeichneten sich als ‚Tempelhüter‘ (Neokoroi), wetteiferten um die prachtvollste Ausgestaltung der Tempel wie der Kultfeiern und zugleich um Besucher und Einnahmequellen.“53 Wie leicht man auch wegen Majestätsbeleidigung vor Gericht kommen konnte, ist aus literarischen Beispielen zu ersehen.54 In einem dieser Beispiele lässt Philostrat einen Gefangenen erzählen, er sei angeklagt, weil er als Magistrat in Tarent beim Opfer an das öffentliche Gebet nicht angefügt habe, ὅτι ∆οµετιανὸς Ἀθηνᾶς εἴη παῖς.55 M. Clauss in seinem großen Buch zum Herrscherkult im römischen Reich spricht sich somit zu Recht dafür aus, dass der Kaiserkult das zentrale Problem für die Christen war, „weil die Omnipräsenz des Herrschers mit einer Omnipräsenz des Herrscherkultes Hand in Hand ging.“56 Ich möchte daher den Kaiserkult einem Spiegel, Verfolgung und Martyrium der Rückseite des Spiegels vergleichen. Die Seite des Spiegels hat Clauss glänzend beschrieben und aus reicher Kenntnis historisch und systematisch wegweisend erschlossen: „Der römische Kaiser war Gottheit. Er war dies von Anfang an, seit Caesar und Augustus, er war es zu Lebzeiten, er war es auch im Westen des römischen Reiches, in Italien, in Rom.“57 Clauss’ Blick auf die Rückseite des Spiegels lässt diese aber dürftiger erscheinen, als sie war, weil allzu einseitig am 3. und 4. Jh. Maß genommen wird, ein Vorwurf, den er selbst gegenüber anderen erhebt: Nach Lactanz und Euseb sei es offensichtlich schwierig gewesen, Informationen über die ersten drei Jahrhunderte zu erhalten. „Die Geschichte dieser Frühzeit des Christentums geriet immer mehr zum Heldenepos und ist in einer mitunter skurrilen Weise bis heute vom Charme des Naiven umgeben.“58 So scheint diese Geschichte nun umgeschrieben 52
Cassius Dio 67,8,1. CLAUSS, Kaiser (s. Anm. 46), 130. Clauss, a.a.O., Anm. 95 empfand völlig zu Recht, dass an dieser Stelle ein Wort zur Johannes-Apokalypse fällig war, wenn es auch mit dem Hinweis, die immer wieder behauptete Anspielung in der Johannes-Apokalypse auf Domitian und dessen Kult in Kleinasien dürfe mit der Arbeit von R IEMER, Tier (s. Anm. 10) als überholt gelten, unzureichend ausfiel. 54 CLAUSS, Kaiser (s. Anm. 46), 131f. 55 Philostr.vit.ap. 7,24. 56 CLAUSS, Kaiser (s. Anm. 46), 430f. Zum Kaiserkult als „crucial problem“ s. auch FREY, Relevance (s. Anm. 5), 255. 57 CLAUSS, Kaiser (s. Anm. 46), 17. 58 CLAUSS, Kaiser (s. Anm. 46), 432. 53
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werden zu sollen. „Es ist meines Erachtens an der Zeit, einmal darüber nachzudenken, ob nicht jemand beides gleichzeitig sein konnte: Heide und Christ.“59 Ob es nicht möglich war, „Christentum und Kaiserkult miteinander zu verbinden“, und zwar so, dass man – Texten wie Röm 13,1–7 und Mt 22,21 exegetisch und auslegungsgeschichtlich gegen den Strich60 – dem Kaiser gab, „was des Kaisers ist, einen aus christlicher Sicht formalisierten Kult, und dennoch guten Gewissens der christlichen Gottheit, was einer Gottheit zukam, eine Verehrung aus Überzeugung?“61 Ob nicht wie nach G. J. Baudy am Anfang der Verfolgungsgeschichte nach dem Brand Roms (64 n.Chr.)62 auch zu Beginn der Verfolgung unter Diokletian (303 n.Chr.) Opfer als Täter aufzufassen sind: „Die Bereitschaft der Christen zum Zündeln sollte nicht beständig heruntergespielt werden.“63 So gerät im Gegenzug zu „seiner ganzen theatralischen Sicht“ der Begriff der Christenverfolgungen zu bloß „sogenannten“.64 Die decische entfällt überhaupt.65 Allzu grob urteilt Clauss aus einseitig nachkonstantinischer Sicht, die Märtyrerakten hätten „auf der einen Seite christliche Haßgefühle gegen Heiden wachhalten“ wollen, bewahrten aber „auf der anderen Seite beispielsweise wertvolle Hinweise darauf, daß die Beamten des heidnischen Staates weitaus weniger blutrünstig waren als ihre späteren christlichen Kollegen.“66 Selbst Folter hätte ja dazu dienen können, Menschenleben zu retten.67 Und gerne fragt sich Clauss mit Bringmann angesichts der rechtlichen Bestimmungen des Trajan-Reskripts, „wie es unter diesen Umständen überhaupt zu Christenprozessen kommen konnte,“ und verweist „zu der geringen 59 60
Clauss, Kaiser (s. Anm. 46), 424. Vgl. A. VON HARNACK, Die Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten, Leipzig 41924, 307–309. 61 CLAUSS, Kaiser (s. Anm. 46), 448. Zu Röm 13,1–7 vgl. 426.447 („in jeder Hinsicht“). 62 G. J. BAUDY, Die Brände Roms. Ein apokalyptisches Motiv in der antiken Historiographie, Spudasmata 50, Hildesheim usw. 1991, 42. 63 CLAUSS, Kaiser (s. Anm. 46), 432, Anm. 50. 64 CLAUSS, Kaiser (s. Anm. 46), 420. 65 Man vergleiche die gegenläufigen Stellungnahmen: B RINGMANN, Christentum (s. Anm. 11), 1: „Als Kaiser Decius im Jahre 249/250 befahl, daß alle Bewohner des Römischen Reiches den Göttern opfern sollten, leitete er eine Phase großangelegter, von der kaiserlichen Gewalt angeordneter Christenverfolgungen ein. Die Rechtsgrundlagen dieser Verfolgungen, ihre allgemeinen geschichtlichen Voraussetzungen und der Zweck der gegen die Christen gerichteten Aktionen sind im großen und ganzen geklärt.“ Demgegenüber argumentiert – im Anschluss an R. Selinger – C LAUSS, Kaiser (s. Anm. 46), 184: Die Verfolgung durch Decius lasse sich nicht nachweisen. Dass das reichsweite Dankopfer des Jahres 250 „keine antichristliche Maßnahme war, ist evident.“ 66 CLAUSS, Kaiser (s. Anm. 46), 428. – Zur Wandlung des Urteils über die Verfolger vgl. VON CAMPENHAUSEN, Idee (s. Anm. 8), 157ff. 67 CLAUSS, Kaiser (s. Anm. 46), 437.
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Zahl von Christenprozessen“ wie jener auf A. von Harnack.68 Bringmann hatte aber auch ausgeführt: „Die Märtyrerakten des zweiten und frühen dritten Jahrhunderts zielen nicht darauf mitzuteilen, unter welchen Umständen Christen vor Gericht kamen.“ Zu entnehmen sei jedoch, dass die Christen in der Regel in ihren Heimatgemeinden von den Magistraten der civitas oder Polis verhaftet und dem römischen Statthalter vorgeführt wurden. „Vorgenommen wurden die Verhaftungen auf Druck der den Christen feindlichen Menge, auf jeden Fall auf private Initiative hin.“69 Und was die Zahl angeht, hatte er den Ausführungen von Harnacks entsprechend von relativ wenigen Christenprozessen gesprochen.70 Die Frage der Zahl ist ja auch die Frage, wie groß der Anteil der Christen an der Gesamtbevölkerung überhaupt war. Von Harnack argumentiert im Blick auf den Brief der Christengemeinden in Vienne und Lyon „an die asiatischen und phrygischen über die Verfolgung des J. 177 (Euseb. V, 1 f.)“: „Die Gemeinde kann nicht groß gewesen sein; denn obgleich die Verfolgung ... sehr heftig war und die ganze Kirche daselbst betraf, belief sich die Zahl der Opfer auf höchstens 49.“71 So auffällig aber war in den ersten zweieinhalb Jahrhunderten die Zahl der Opfer immerhin gewesen, dass nicht-christliche Gebildete von Christen den Eindruck gewinnen konnten, sie zeichneten sich, positiv oder negativ geurteilt72, durch Todesverachtung bzw. Todesmut aus.73 Tacitus schrieb von einer multitudo ingens,74 Plinius war – abgesehen von der Zahl der Hartnäckigen, die er schon zum Tod verurteilt oder, weil römische Bürger, zur Überstellung nach Rom vorgemerkt hatte75 – durch die große Zahl der anonym Angezeigten beunruhigt,76 Kelsos führt die Christen vor: „Wenn aber einer von euch noch heimlich herumirrt, so wird er ausgesucht und zum Tod verurteilt.“77 Wenn nun Origenes apologetisch von einer kleinen Schar, die leicht zu zählen sei, spricht, kann man daraus keine statistischen Schlüsse ziehen. Größenangaben müssen in Be68
CLAUSS, Kaiser (s. Anm. 46), 421 mit Anm. 3 (Hinweis auf VON HARNACK, Mission [s. Anm. 60], 500–512). 69 BRINGMANN, Christentum (s. Anm. 11), 9. 70 BRINGMANN, Christentum (s. Anm. 11), 10 (mit Hinweis der Anm. 81 auf VON HARNACK, Mission [s. Anm. 60], 502ff.). 71 VON HARNACK, Mission (s. Anm. 60), 873 u. 874. 72 Kelsos urteilt über die Christen, die ihren Körper der Folter oder dem Martertod darbieten, sie liebten das Leben nicht, zitiert bei Or.Cels. 8,54. 73 VON HARNACK, Mission (s. Anm. 60), 232f. 74 Tacitus, Annales 15,44,4. Vgl. dazu 1Clem 6,1 πολὺ πλῆθος. 75 Plinius, ep. 10,96,5f.: perseverantes duci iussi ... fuerunt alii similis amentiae, quos, quia cives Romani erant, adnotavi in urbem remittendos. 76 Plinius, ep. 10,96,9 : visa est enim mihi res digna consultatione, maxime propter periclitantium numerum. Tert.apol. 2,6 interpretiert: ipsa tamen multitudine perturbatus. 77 Die ,wahre Lehre‘ des Kelsos, übers. u. erkl. v. H. E. Lona, KfA Erg.Bd. 1, Freiburg u.a. 2005, 469 (zitiert bei Or.Cels. 8,69b).
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zug auf die Verhältnisse oder auf die Intention des Schreibenden betrachtet werden. Origenes betont gegenüber dem heidnischen Gesprächspartner die nur kleine Schar, Irenäus gegenüber den gnostischen Häretikern: ecclesia omni in loco … multitudinem martyrum in omni tempore praemittit ad patrem (haer. 4,33,9). Und schließlich war das Phänomen des Leidens und Sterbens um des Glaubens willen von solcher Wucht gewesen, dass darüber die Wörter µαρτυρέω, µάρτυς, µαρτυρία bzw. µαρτύριον nach der Mitte des 2. Jh. eine Bedeutungserweiterung erfahren haben, die wir heute noch elementar mit ihnen verbinden.
2 Christenverfolgung und Martyrium Gemeindebrief und Protokoll von Prozessakten sind literarische Formen der frühen Märtyrer-Literatur,78 die in erster Linie theologisch, nicht historisch gedeutet sein wollen. Denn es kommt das Anliegen darin zum Tragen, die Gnade der Hypomonê79 in der „Glaubenstreue bis in den Tod“80 kulminieren zu lassen. Am Märtyrer-Gedenktag sollte auch die eigene Bereitschaft der Gemeinde zu solcher Standhaftigkeit grundgelegt werden: Das „Gedächtnis derer, die den Kampf schon bestanden haben“, dient nach MartPol 18,3 der „Einübung und Vorbereitung zukünftiger Martyrien.“81 Die historischen Elemente dieser Literatur sind schon aus der Anfrage des Statthalters Plinius an Kaiser Trajan ablesbar, Elemente, die das kaiserliche Reskript ausdrücklich mit den Worten würdigt: Actum, quem debuisti, mi Secunde, in excutiendis causis eorum, qui Christiani ad te delati fuerunt, secutus es.82 Die als Christen angezeigt werden, sollen demnach förmlich gefragt werden, ob sie Christen seien. Wer in dieser Situation leugnet, Christ zu sein, braucht dies nur durch ein Opfer83 unter Beweis zu stellen. Als Maxime gilt, dass der Reue Gnade zu gewähren ist. Dem Ziel, 78 79
W. WISCHMEYER, Märtyrerakten, RGG4 5 (2002), 873–875 (874). Zu ὑποµονή im Zusammenhang von Verfolgung, Bedrängnis und Martyrium s. Lk 21,19; Apk 1,9; 13,10; 14,12; 1Clem 5,5.7; MartPol 2,3 (τοῖς ὑποµείνασιν); 3,1; 19,2; Eus.h.e. 5,1,6.27.39.45; 2,4; 6,1 u.ö. 80 Apk 2,10, vgl. dazu T. BAUMEISTER, Die Anfänge der Theologie des Martyriums, MBTh 45, Münster 1980, 213: „Die Ermahnung, treu bis zum Tod zu sein, zeigt, daß an die Möglichkeit des Märtyrertodes gedacht ist.“ 81 G. BUSCHMANN, Das Martyrium des Polykarp, KAV 6, Göttingen 1998, 340 zu MartPol 18,3. 82 Plinius, ep. 10,97,1. 83 Trajan nimmt mit supplicando dis nostris ep. 10,97,2 die Ausführungen des Plinius, ep. 10,96,5.6 auf. CLAUSS, Kaiser (s. Anm. 46), 421 kommentiert: „ ... am Opfer schieden sich die Geister. Welcher Gottheit geopfert wurde, war letzten Endes gleichgültig; möglicherweise waren Büsten der Kaiser als Gottheiten leichter zur Hand“.
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Beschuldigten durch Beweise der Reue die Rückkehr zur Konformität zu ermöglichen,84 dienen die mehrfach wiederholte Befragung, die Folter, die Androhung der Todesstrafe und der Appell an den Selbsterhaltungstrieb. Christlich ist genau dies die Stunde der Hypomonê und der Homologie, römisch-heidnisch aber erscheint solche Hypomonê als Ausdruck von Verbohrtheit, die in jedem Fall bestraft werden muss: pertinaciam certe et inflexibilem obstinationem debere puniri (ep. 10,96,3). Reue möglich zu machen, dient natürlich, im Ergebnis, auch dem Zweck, Leben zu retten, aber Leben zu retten ist nicht das erklärte Ziel des Vorgehens. Wenn die Märtyrer-Literatur selbst anscheinend verzweifelte Überredungsversuche der Richter und deren Anbieten von Schlupflöchern hervorkehrt,85 steht dies ja immer auch im Dienst der Märtyrertheologie, die ebendie Hypomonê des Zeugen hervortreten oder die Macht der Versuchung im Kampf mit dem Teufel selbst86 deutlich werden lassen will. Schon das älteste Beispiel der Literatur, das Polykarp-Martyrium, weist diese Merkmale auf. Einerseits ist davon die Rede, dass die verschiedenen Folterqualen den Zweck verfolgt hätten, dass der Tyrann, der Teufel, die Gefolterten nach Möglichkeit εἰς ἄρνησιν verleitete. Andererseits versucht der Prokonsul den Phrygier Quintus durch inständiges Zureden zu Schwur und Opfer zu überreden (4). Und schließlich versuchen der Irenarch Herodes und dessen Vater Niketes den Bischof Polykarp mit den Worten zu überreden, was denn Schlimmes daran sei, die Petitesse zu vollziehen und so seine Haut zu retten (διασώζεσθαι 8,2).87 Und weiter werden die Überredungskünste des Prokonsuls auseinandergesetzt, in deren Zusammenhang auch das charakteristische Element der „Reue“ auftaucht (µετανοεῖν, µετάνοια 11,2). Höhe- und Wendepunkt ist die Homologie: „Ich bin Christ“, bei der Polykarp standhaft geblieben ist und so durch seine Hypomonê τὸν ἄδικον ἄρχοντα niedergerungen (19,2), in der Schar der Märtyrer an dem Leidenskelch des Christus Gottes teilgenommen (14,2) und der Verfolgung (1,1) dadurch ein Ende bereitet hat, dass er durch sein Martyrium gleichsam den Schlusspunkt setzte. Es stellt sich nun die Frage, warum, was Polykarp erleidet, Martyrium genannt wird. 84 Vgl. zu Acta martyrum Scilitanorum 14 BRINGMANN, Christentum (s. Anm. 11), 11: Die Christen „sollten sich wieder einordnen in die zivilisierte, d.h. die heidnische, im römischen Reich geeinte und friedlich zusammmenlebende Menschheit – oder in den Worten des Prokonsuls Vigellius Saturninus: sie sollten zum mos Romanorum zurückkehren.“ 85 CLAUSS, Kaiser (s. Anm. 46), 437 zur Rolle der staatlichen Richter. 86 Vgl. dazu VON CAMPENHAUSEN , Idee (s. Anm. 8), 156f. mit Anm. 6; M. LEUTZSCH, Hirt des Hermas, in: Papiasfragmente. Hirt des Hermas. Eingeleitet, hg. und erläutert von U. H. J. Körtner und M. Leutzsch, SUC 3. Teil, Darmstadt 1998, 482, Anm. 220 zu Herm sim 8,3,6. 87 Vgl. dazu 4Makk 6,15.
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3 Vom Zeugnis zum Martyrium: das tödliche Bekenntnis Es ist schon oft festgestellt worden, dass das Polykarp-Martyrium das älteste christliche Dokument darstellt, in dem die Vokabeln µαρτυρέω, µάρτυς, µαρτυρία bzw. µαρτύριον unzweideutig martyrologische Bedeutung im kirchlichen Sinn haben. Schön wird der Neologismus an der Eingangswendung, die sich auf Polykarp bezieht, deutlich: ὅστις ὥσπερ ἐπισφραγίσας διὰ τῆς µαρτυρίας αὐτοῦ κατέπαυσε τὸν διωγµόν. Das sprachliche Bild begegnet auch 4Makk 7,15 im Blick auf den βίος νόµιµος: ὃν πιστὴ θανάτου σφραγὶς ἐτελείωσεν. Hiernach gibt der Tod als Märtyrertod dem gesetzestreuen Leben die letzte Weihe. Das Wort Martyrium aber steht nicht zur Verfügung. Im Falle Polykarps ist „sein Martyrium“ krönender Abschluss seiner Verfolgung, nicht einer Verfolgungszeit der Kirche, denn es werden ja weitere Opfer erwartet (18,3). Gleichsam im Entstehen beobachten wir die technische Verwendung in Eus.h.e. 5,2,3 im Blick auf die Märtyrer von Lyon: Christus habe ihrer Martyria durch den Tod gleichsam das Siegel aufgedrückt – ἐπισφραγισάµενος αὐτῶν διὰ τῆς ἐξόδου τὴν µαρτυρίαν. Ähnlich besteht nach 5,2,4 die δύναµις τῆς µαρτυρίας darin, dass sie sich in vollem Freimut an die Heiden wandten und durch ihre Standhaftigkeit, Furchtlosigkeit und Unerschrockenheit als Helden bewiesen. Im Falle Polykarps aber hat διὰ τῆς µαρτυρίας αὐτοῦ ganz die Bedeutung Martyrium im Sinn von Leiden und Tod angenommen, weshalb ja auch die Grundlegung des Märtyrer-Gedenktags lautet: Μαρτυρεῖ δὲ ὁ µακάριος Πολύκαρπος κτλ. (21). Wie ist es zu dieser technischen Bedeutung gekommen? Im Märtyrerbrief der Gemeinden von Lyon und Vienne ist davon die Rede, dass die schlussendlich doch Getöteten zuvor in der Situation gewesen waren, dass sie zu wiederholten Malen Zeugnis abgelegt hatten (πολλάκις µαρτυρήσαντες Eus.h.e. 5,2,2), aber sich selbst noch nicht als Märtyrer bezeichnen lassen wollten, solange sie noch am Leben waren. Märtyrer seien nur, nach Apk 3,14, Christus selbst und jene, die Christus gewürdigt habe ἐν τῇ ὁµολογίᾳ ἀναληφθῆναι (5,2,3). Am Bekenntnis festzuhalten bis in den gewaltsamen Tod, das ist dann Bestätigung (5,2,3 s.o.) und Weihe der µαρτυρία (Acta Iustini 6,1). Offensichtlich haben wir hier noch ein lebendiges Stück der Wortgeschichte vor uns, nicht ein am Schreibtisch konstruiertes. Die zentrale Situation der Homologie ist das standhafte Glaubenszeugnis vor dem Richter, später macht erst die Todesweihe die µαρτυρία zum Martyrium. So bezeichnet ja auch Irenäus diejenigen als Märtyrer qui propter Domini confessionem occiduntur (haer. 3,18,5). Wie sehr die Homologie das Ausschlaggebende ist, bezeugt auch Hegesipp. Er kennt schon den Terminus technicus, wie Eus.h.e. 2,23,18 καὶ οὕτως ἐµαρτύρησεν zeigt. Gleichwohl berichtet er von den Verwand-
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ten Jesu z.Z. Domitians, sie seien in den Kirchen in führende Stellungen gekommen ὡς ἂν δὴ µάρτυρας ὁµοῦ καὶ ἀπὸ γένους ὄντας τοῦ κυρίου (Eus.h.e. 3,20,6).88 Dieses ὡς ἂν δὴ µάρτυρας entspricht dem zuvor zitierten πολλάκις µαρτυρήσαντες. Eus.h.e. 3,32,5 referiert auch aus Hegesipp, was der Sinn von µαρτυρέω an diesen Stellen ist: µετὰ τὴν … αὐτῶν ὑπὲρ τῆς εἰς τὸν Χριστὸν πίστεως ἐπὶ ∆οµετιανοῦ µαρτυρίαν. Es ist offenkundig, dass an den genannten Stellen vom Bezeugen des christlichen Glaubens vor Gericht die Rede ist, das den Märtyrertod zur Folge haben kann, nicht vom Martyrium im späteren kirchlichen Sinn. Man kann hier also auch erkennen, wie Martyrium mit „µαρτυρία-Zeugnis“ zusammenhängt bzw. daraus hervorgegangen ist. Wir haben es mit einer syntaktisch festen Formulierung zu tun, die auch anderwärts anzutreffen ist. Ihr ältester Beleg dürfte in 1Tim 6,13 zu finden sein:89 Χριστοῦ Ἰησοῦ τοῦ µαρτυρήσαντος ἐπὶ Ποντίου Πιλάτου τὴν καλὴν ὁµολογίαν. Dem ist das obige Zitat aus Eus.h.e. 3,32,5 direkt zur Seite zu stellen. Ein weiteres Beispiel bietet das Preislied auf die Hypomonê des Paulus 1Clem 5,7: µαρτυρήσας ἐπὶ τῶν ἡγουµένων. Beyschlag weist wohl zu Recht darauf hin, dass der Hintergrund dieser Redeweise in der lukanischen Weiterentwicklung der synoptischen Aussendungsrede in Mt 10,17ff. = Mk 13,9ff. = Lk 21,12ff. zu suchen ist, wodurch das „Zeugnis“ aus dem Apokalyptischen ins Apologetische übersetzt worden sei.90 Im Mittelpunkt des Zeugnisses vor den Machthabern steht die Homologie, an seinem Ende häufig, dann in der Regel der Tod. So können sich die ursprünglich zusammengehörenden Wörter spezifizieren: Zentral bleibt die Homologie, Martyria wird Ausdruck für das ganze Geschehen, an dessen Ende der Zeugentod steht, und schließlich auch Terminus für den Zeugentod als solchen. Ähnliche Voraussetzungen haben auch bei Epiktet zu einem im Ansatz vergleichbaren, wenn auch nicht identischen Wortgebrauch geführt. Der Philosoph sah sich angesichts der Zeiterscheinung, dass Philosophen in die Verbannung geschickt, getötet oder aus Italien ausgewiesen wurden, in einer Situation, die jenem gleicht, den der Gerichtsherr auf die Rednerbühne ruft, um für die philosophische Wahrheit, die gute und vernünftige Weltordnung, als Zeuge einzustehen,91 und formulierte demgemäß: Πῶς
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Vgl. auch Eus.h.e. 3,32,6: ὡς µάρτυρες καὶ ἀπὸ γένους τοῦ κυρίου. Zu Recht beobachtet D EHANDSCHUTTER, Community (s. Anm. 44), 251 zu 1Tim 6,13: „a verse of which a martyrological interpretation is not uncommon.“ 90 BEYSCHLAG, Clemens (s. Anm. 12), (268–)276, s. auch A. M. S CHWEMER, Prophet, Zeuge und Märtyrer. Zur Entstehung des Märtyrerbegriffs im frühesten Christentum, ZThK 96 (1999), 320–350 (336): „Die Verfolgung führt zum Bekenntnis vor Gericht. Dieses Bekenntnis wird als verkündigendes ,Zeugnisablegen‘ definiert.“ 91 Interpretation nach A. BONHÖFFER, Epiktet und das Neue Testament, RVV 10, Gießen 1911, 38. Nahe bei der Sprache Epiktets steht die Formulierung in 4Makk 16,16:
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οὖν ἀναβαίνεις νῦν; ὡς µάρτυς ὑπὸ τοῦ θεοῦ κεκληµένος. ἔρχου σὺ καὶ µαρτύρησόν µοι· σὺ γὰρ ἄξιος εἶ προαχθῆναι µάρτυς ὑπ᾿ἐµοῦ (Dissertationes 1,29,46). Seit E. Günthers Untersuchung „ΜΑΡΤΥΣ. Die Geschichte eines Wortes“ leidet die deutschsprachige Forschung unter einer folgenreichen Grundentscheidung: F. Kattenbusch habe zuerst (d.h. als erster) die Problematik des Titels µάρτυς in aller Schärfe erkannt.92 Dazu gehören wesentlich die Fragen: „Was wissen denn die Märtyrer vor anderen Christen? Wem sind sie Zeugen? Dem Richter? Aber ich wüßte nicht, daß sie irgendwo diesem etwas kundtun ..., was die ‚confessores‘ nicht ‚bezeugten‘.“93 Günther bündelt sodann das „wortgeschichtliche Problem“: „Es ist die Frage, warum µάρτυς und die stammverwandten Ausdrücke seit dem Polykarpmartyrium ausschließlich auf den Märtyrer und seinen Tod beschränkt und nicht auf den ‚Bekenner‘ und sein Leiden angewandt werden.“94 N. Brox folgt der gleichen Spur: „Warum derjenige, der den Händen der Glaubensfeinde erliegt, nicht gescheitert, sondern mehr als alle anderen Christen und erst im Vollsinn Zeuge ist, – warum er dem Bekenner, der zwar leidet, aber der Bedrängnis entrinnt und nicht getötet wird, in seiner Zeugenschaft soviel voraus hat, daß nur er und nicht schon jener Zeuge heißt, ist die Fragestellung dieser wie vieler vorausgehender Abhandlungen zum christlichen Märtyrerbegriff.“95 G. Buschmann wiederum argumentiert, indem er E. H. Pagels96 zitiert: „Die frühen Christen »verehrten diejenigen, die frei sprachen als ,Bekenner‘ und betrachteten nur die, die tatsächlich bis zum Tod ausgehalten hatten, als ,Zeugen‘ (martyres)«.“97 Die Folgen dieser Grundentscheidung sind: Die martyrologische Zeugnisterminologie wird 1. einseitig vom Tod des Zeugen her interpretiert,98 2. durch die Alternative von Wort- oder Tatzeugnis problematisiert, 3. von der neutestamentlichen Zeugnisterminologie sowohl als auch 4. vom Zeugnisakt des standhaften
ὁ ἀγών, ἐφ᾿ ὃν κληθέντες ὑπὲρ τῆς διαµαρτυρίας τοῦ ἔθνους ἐναγωνίσασθε προθύµως ὑπὲρ τοῦ πατρῴου νόµου. 92 E. GÜNTHER, ΜΑΡΤΥΣ. Geschichte eines Wortes, Hamburg 1941, 2. Vgl. auch N. BROX, Zeuge und Märtyrer. Untersuchungen zur frühchristlichen Zeugnis-Terminologie, StANT 5, München 1961, 13.114f. 93 GÜNTHER, ΜΑΡΤΥΣ (s. Anm. 92), 1. 94 GÜNTHER, ΜΑΡΤΥΣ (s. Anm. 92), 15. 95 BROX, Zeuge (s. Anm. 92), 13. 96 E. H. P AGELS, Versuchung durch Erkenntnis. Die gnostischen Evangelien, Frankfurt 1987, 132. 97 BUSCHMANN, Polykarp (s. Anm. 81), 104. 98 W. W ISCHMEYER, Märtyrer, II. Alte Kirche, RGG 4 5 (2002), 862–865 (862): „Der Titel M[ärtyrer] und der Terminus Martyrium in der eindeutigen Bedeutung des Todes durch die feindliche staatl. Macht finden sich zum ersten Mal im MartPol (3.Viertel des 2. Jh.).“
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Bekenners abgeschnitten und 5. als aus antidoketischem Kampf geboren erklärt. Kommt man von der Sekundärliteratur zu den Quellen selbst zurück, erweist sich die von Günther ins Auge gefasste „Problematik des Titels µάρτυς“ als den frühen Textbefunden nicht angemessen. Zu ἀνελήφθη καὶ αιτὸς εἰς τὸν κλῆρον τῶν µαρτύρων Eus.h.e. 5,1,10 erklärt R. Klein sachgemäß: „Der Ausdruck ‚Märtyrer‘ (µάρτυς) ist hier bereits ein fester Titel im christlichen Vokabular, der jedem zukam, der seinen Glauben in Verfolgungszeiten mit dem Leben zu bezahlen bereit war. Der Ausdruck ‚Bekenner‘ (ὁµολογητής) kommt erst später auf.“99 Diese spätere terminologische Unterscheidung beschreibt T. Baumeister im Anschluss an die traditio apostolica des Hippolyt mit den Worten: „Demnach galt jemand als Bekenner im eigentlichen Sinn, wenn er ein öffentliches Bekenntnis vor Gericht abgelegt hatte und wenn er im Gefängnis gewesen oder zu einer anderen Strafe verurteilt worden war. Für den Märtyrer kam hinzu, daß sein Bekenntnis durch den Tod besiegelt worden war.“100 Man darf diese sekundäre Differenzierung der Terminologie dann aber nicht zurückprojizieren und, wie das seit Günther bzw. Kattenbusch üblich ist, so tun, als sei sie zur Zeit des MartPol schon vorgegeben gewesen.101 Der Sprachgebrauch Hegesipps und des Briefs der Gemeinden von Lyon und Vienne zeigt zur Genüge: Märtyrer war ursprünglich schon, wer sich beim Verhör standhaft zum christlichen Glauben bekannt hatte. Auch dem Hermashirten gelten als Märtyrer nicht nur Christen, die um des Glaubens willen zu Tode gekommen sind, sondern alle, die überhaupt jemals „um des Namens willen“ zu leiden hatten, z.B. die vor die Behörde geführt und verhört worden waren, ohne ihren Glauben zu verleugnen (Herm sim 9,28,3.4), die Gefängnis oder große Bedrängnis erlitten hatten (Herm vis 3,2,1). Zu 1. Günther formuliert, forschungsgeschichtlich resümierend: „Die richtige Definition dieses technischen Ausdrucks gibt Reitzenstein: ‚… Wer um des Namens Christi willen gestorben ist, heißt µάρτυς … Der Tod ist die µαρτυρία … Gestorben sein heißt µαρτυρῆσαι …‘ (vgl. …102).“103 Entsprechendes findet sich bei Brox,104 dessen Formulierung ihrerseits
99 KLEIN, Christentum (s. Anm. 12), 341, Anm. 118. 100 T. BAUMEISTER, Genese und Entfaltung der altkirchlichen
Theologie des Martyriums, TC 8, Bern u.a. 1991, XXII. 101 S.o. die Anm. 92–96. 102 Abgekürzter Hinweis auf R. R EITZENSTEIN, Bemerkungen zur Martyrienliteratur. I. Die Bezeichnung Märtyrer, NGWG.PH 1916, 417–467 (421). 103 GÜNTHER, ΜΑΡΤΥΣ (s. Anm. 92), 21f. 104 BROX, Zeuge (s. Anm. 92), 227.
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gerne wörtlich oder abgewandelt übernommen wird.105 Aber die Quellentexte selbst verwenden die Zeugnisterminologie flexibel und nicht im Sinne des Zitats festgelegt, daher gelegentlich auch mehrdeutig. Zum Martyrium gehört jedenfalls nicht nur der Tod, sondern ebenso das Verhör, die Folter, die Untersuchungshaft, die Martern und Leiden der Zeugen, eben ὅσα ὑπέµειναν οἱ µακάριοι µάρτυρες Eus.h.e. 5,1,4. Der Tod ist dann Siegel und Vollendung des Martyriums, wenn die Zeugen bis zum Tod am Bekenntnis festhalten (Acta Iustini 6,1; vgl. Eus.h.e. 5,2,3; Mart.Perp. 21,7). Iren.haer. 3,3,4 bezeichnet daher als Polykarps Martyrium, was dieser durchlitt, bis „er aus diesem Leben schied“, mit den Worten: gloriosissime et nobilissime martyrium faciens.106 Und das ist der gleiche Wortgebrauch wie in MartPol 1,1: σχεδὸν γὰρ πάντα τὰ προάγοντα ἐγένετο, ἵνα ἡµῖν ὁ κύριος ἄνωθεν ἐπιδείξῃ τὸ κατὰ τὸ εὐαγγέλιον µαρτύριον. Der Ausdruck τὰ προάγοντα („alles, was vorging“), bezogen auf τὰ κατὰ τὸν Πολύκαρπον und, wie Buschmann beobachtet, wieder aufgenommen durch τὰ γενόµενα (20,1),107 hat im Blick auf κατὰ τὸ εὐαγγέλιον nur Sinn, wenn er sich auf das bezieht, was Polykarp von seiner Verhaftung an zu erdulden hatte.108 Es wird da nicht unterschieden zwischen διὰ τῆς µαρτυρίας αὐτοῦ speziell als Märtyrertod, der die lokale Christenverfolgung zum Stehen gebracht habe, und „was vorher geschah“ als Dauer der Verfolgung. Denn auf eine solche Aussage kann sich ἵνα ἡµῖν ὁ κύριος ἄνωθεν ἐπιδείξῃ τὸ κατὰ τὸ εὐαγγέλιον µαρτύριον schwerlich beziehen.109 So heißt auch, was
105 BAUMEISTER, Anfänge (s. Anm. 80), 258; DERS., Genese (s. Anm. 100), xx; DERS., Märtyrer und Martyriumsverständnis im frühen Christentum: Ursprünge eines geschichtsmächtigen Leitbildes, WiWei 67 (2004), 179–190 (181). 106 Polykarp „schied erst in hohem Alter nach einem höchst ruhm- und glanzvollen Martyrium aus dem Leben.“ Gloriosissime et nobilissime martyrium faciens (µαρτυρήσας) ist genauso zu übersetzen wie 3,3,3 qui etiam gloriosissime martyrium fecit (ἐµαρτύρησεν). Brox übersetzt so, dass die klare Satzfügung verloren geht und die intendierte Gleichung µαρτυρεῖν = „den Märtyrertod erleiden“ erhalten bleibt: „und schied erst in hohem Alter als strahlender Märtyrer ruhmvoll aus dem Leben“, s. Irenäus von Lyon, Adversus haereses. Gegen die Häresien III, übers. u. eingel. v. N. BROX, FChr 8,3, Freiburg u.a. 1995, 35. Aber „Martyrium“ lehnt sich stärker an „Passion“ als an „Tod“ an, wie folgende Beispiele belegen: Nach Barn 5,13 war es notwendig, dass der Sohn Gottes „auf dem Holz litt“. Entsprechend formuliert Iren.haer. 4,2,7 in ligno martyrii exaltatus a terra. Von den Märtyrern schreibt Iren.haer. 3,18,5, dass sie entsprechend den synoptisch angekündigten Verfolgungsleiden versuchen vestigia adsequi passionis domini. Die Formulierung lehnt sich an 1Petr 2,21 an, wo sich ἵνα ἐπακολουθήσητε τοῖς ἴχνεσιν αὐτοῦ auf das Vorbild Χριστὸς ἔπαθεν ὑπὲρ ἡµῶν bezieht. In der Anwendung der gleichen Stelle auf Stephanus kann Irenäus auch sagen: sectatus est vestigia martyrii domini 3,12,10. 107 BUSCHMANN, Polykarp (s. Anm. 81), 82. 108 VON CAMPENHAUSEN , Idee (s. Anm. 8), 82 mit Anm. 2. 109 Gegen GÜNTHER, ΜΑΡΤΥΣ (s. Anm. 92), 158 mit Anm. 2.
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Perpetua über ihren Leidensweg – selbstredend nicht über ihren Tod – schriftlich hinterlassen habe: ordinem totum martyrii sui (Mart.Perp. 2,3). Die Formulierung καὶ οὕτως ἐµαρτύρησεν (Eus.h.e. 2,23,18) bringt wohl Leiden und Tod zusammenfassend zum Ausdruck: „Und so erlitt er das Martyrium.“ Hegesipp hätte, wenn wir Euseb trauen dürfen, die Formulierung als erster in diesem martyrologischen Sinn verwendet, bezeichnend aber, dass im unmittelbaren Kontext von Jakobus als dem Glaubenszeugen die Rede ist, dessen Zeugnis der Anlass zu seiner Tötung wurde (Eus.h.e. 2,23,14). Andererseits gelten die Herrenverwandten, die aufgrund einer Anzeige vor den Kaiser zitiert worden waren,110 schon deshalb als Märtyrer (Eus.h.e. 3,20,6). Den gleichen Sprachgebrauch verrät mit πολλάκις µαρτυρήσαντες noch Eus.h.e. 5,2,2. Auch Irenäus konnte offenbar noch Martyria und Homologie variierend verwenden: Von Stephanus heißt es haer. 3,12,10 propter Christi confessionem primus interfectus, in haer. 4,15,1 primus occisus est propter Christi martyrium. Von der Substanz des sterblichen Fleisches sei zu sagen: et mortificatur propter eam quae est ad Deum confessionem (haer. 5,13,4). Von Ignatius heißt es haer. 5,8,4: propter martyrium in Deum adiudicatus ad bestias.111 In diesem Zusammenhang sei die Aufmerksamkeit noch auf eine andere Redeweise gelenkt: ἐν ἀριθµῷ τῶν µαρτύρων MartPol 14,2. Hier ist vorausgesetzt, dass Gott unter seinen Knechten eine Auswahl trifft (MartPol 20,1), wie auch 1Clem 6,1 von πολὺ πλῆθος ἐκλεκτῶν handelt, die wegen der Tod bringenden Eifersucht (3,4) zum schönsten Exempel stadtrömischer Märtyrer geworden sind. Günther hat entgegen anders lautender Urteile doch auch gesehen, dass die Herkunft der martyrologischen Zeugnisterminologie durch die Formeln ἀριθµὸς τῶν µαρτύρων und κλῆρος τῶν µαρτύρων angedeutet werde, „womit sowohl die von Gott im voraus gesetzte Zahl als auch der himmlische Stand der Märtyrer bezeichnet werden soll. … Die Vorstellung von der von Gott im voraus festgesetzten Zahl der Märtyrer hat ihre Wurzel in Apc 6,9–11, wenn auch dort noch der Märtyrertitel fehlt.“112 So wurde denn nach Eus.h.e. 5,1,10 Vettius Epagathus, nachdem er sich als Christ bekannt hatte, „auch aufgenommen“ εἰς τὸν κλῆρον τῶν µαρτύρων. Ähnlich formulieren die Stellen 5,1,26 und 48. So wird auch 5,2,2f. verständlich: Die schon mehrfach ihr Christsein bezeugt (οὐχ ἅπαξ οὐδὲ δὶς ἀλλὰ πολλάκις µαρτυρήσαντες), Gefängnis und viele Folterqualen durchgehalten hatten, sahen sich noch nicht am Ziel: Ihnen 110 Zu κατηγορῆσαι und kaiserlicher Vorladung Eus.h.e. 3,19–20,6 vgl. auch Epiktet, Dissertationes 2,17f. 111 Vgl. z.B. auch Eus.h.e. 7,15,1 Μαρῖνος … διὰ τὴν Χριστοῦ µαρτυρίαν τὴν κεφαλὴν ἀποτέµνεται, 15,3 ὁµολογοῦντα Χριστιανὸν ἐπιµόνως. 112 E. GÜNTHER, Zeuge und Märtyrer, ZNW 47 (1956), 145–161 (151); vgl. D ERS., ΜΑΡΤΥΣ (s. Anm. 92), 27.
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fehlte noch die ἔξοδος, das ἀναληφθῆναι. Damit stehen wir aber ganz in der Nähe der viel diskutierten Stelle 1Clem 5,1–5. Die „Glaubenshelden der jüngsten Zeit“, „die größten und gerechtesten Säulen“, Petrus und Paulus, „wurden verfolgt und kämpften bis zum Tod“ (5,1f.). Man hätte nicht bestreiten sollen, dass hier vom Märtyrertod der beiden Apostel die Rede ist. In der Wendung µέχρι θανάτου διωχθῆναι 1Clem 4,9 bedeutet µέχρι θανάτου tatsächlich nicht, dass die Verfolgung mit dem Erleiden des Todes endete, bei ἐδιώχθησαν καὶ ἕως θανάτου ἦθλησαν aber besagt ὠς θανάτου wie im Falle Christi (Polyk 2,1,2) wirklich „bis in den Tod“. Es ist ja auch so, dass beide, Petrus- und Paulustext, mit einer Aussage zum Tod der Glaubenskämpfer enden. Dass Petrus und Paulus, wie alle Menschen, einmal sterben mussten, wäre sicher, wie man an den „alten Beispielen“ 4,8– 13 ablesen kann, nicht eigens zum Ausdruck gebracht worden.113 Ganz umstritten ist das Verständnis der Einzelausführungen.114 Ähnlich Eus.h.e. 5,2,2 heißt es 1Clem 5,4 von Petrus: οὐχ ἕνα οὐδὲ δύο, ἀλλὰ πλείονας ὑπήνεγκεν πόνους115 καὶ οὕτω µαρτυρήσας ἐπορεύθη εἰς τὸν ὀφειλόµενον τόπον τῆς δόξης.116 Natürlich bedeutet µαρτυρήσας nicht „nachdem er den Märtyrertod erlitten hatte“, sonst bräuchte ἐπορεύθη κτλ. nicht zu folgen. Nein, µαρτυρήσας muss sich wie das 5,7 bei Paulus folgende µαρτυρήσας ἐπὶ τῶν ἡγουµένων auf das forensische Glaubenszeugnis beziehen,117 dem in der Regel der gewaltsame Tod folgte: οὕτως ἀπηλλάγη τοῦ κόσµου καὶ εἰς τὸν ἅγιον τόπον ἐπορεύθη (5,4 καὶ οὕτω … ἐπορεύθη κτλ.).118 Hier haben wir, wie mir scheint, eine Schwelle von der neutestamentlichen zur 113 Nach K. HEUSSI, Die römische Petrustradition in kritischer Sicht, Tübingen 1955, 14, kämpften die beiden Apostel „aufs äußerste“, „auf Leben und Tod“, nach BROX, Zeuge (s. Anm. 92), 201 ist dem Text der Tod selbst nicht von solcher Wichtigkeit. Aber die Wendungen ἐπορεύθη εἰς τὸν … τόπον τῆς δόξης 5,4 und εἰς τὸν ἅγιον τόπον ἐπορεύθη 5,7 sind theologische Aussagen, nicht „euphemistische Umschreibung“. 114 B. DEHANDSCHUTTER, Some Notes on 1 Clement 5,4–7, in: ders., Polycarpiana (s. Anm. 44), 189–194. 115 Πόνος bedeutet nicht nur Mühsal oder Mühe, wie H EUSSI, Petrustradition (s. Anm. 113), 14f.19, Anm. 3; 26.30; BROX, Zeuge (s. Anm. 92), 198.200f. interpretieren, sondern, wie gerade das Nebeneinander von ἐν πόνῳ καὶ ἐν πληγῇ καὶ ἐν κακώσει 1Clem 16,4 (Jes 53,4) zeigt, auch Leiden, Martern der Verfolgten, vgl. schon 2Makk 7,36; 4Makk 1,9; 7,22; 11,12.20; 13,1; 15,16; 16,19; 18,3. Epiktet, Dissertationes 2,18 zählt an Möglichkeiten, die man bei einer kaiserlichen Vorladung zu erwarten hat, auf: θάνατος, δεσµωτήριον, πόνος τοῦ σώµατος, φυγή, ἀδοξία. Zum martyrologischen ὑποφέρειν vgl. 2Tim 3,11; Herm vis 3,1,9 u.ö. 116 Zur πορεία εἰς τὸν ὀφειλόµενον τόπον τῆς δόξης und εἰς τὸν ἅγιον τόπον vgl. die Rangvorstellung Herm vis 3,2,1: τὰ δεξιὰ µέρη τοῦ ἁγιάσµατος und ἔχουσιν δόξαν τινά. 117 Vgl. auch BAUMEISTER, Anfänge (s. Anm. 80), 259 („ihr Wort in der Prozeßsituation“); U. B. MÜLLER, Der Brief des Paulus an die Philipper, ThHK 11/1, Leipzig 2 2002, 69 („das in einer forensischen Situation abgelegte bekennende Wortzeugnis“). 118 Vgl. BEYSCHLAG, Clemens (s. Anm. 12), 230ff.319.
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martyrologischen Zeugnisterminologie. Zunächst bezog sich µαρτυρέω auf das forensische Glaubenszeugnis, das in der Regel tödlich war. Der Tod selbst bzw. die Aufnahme in die Zahl der Märtyrer musste in einer zweiten Aussage förmlich zum Ausdruck gebracht werden. Ein sprechendes Beispiel liefert Eus.h.e. 5,2,3: Bei der Vollendung in den Märtyrerstand besiegelt Christus ihre Martyria διὰ τῆς ἐξόδου.119 Und das ist gleichbedeutend mit οὓς ἐν τῇ ὁµολογίᾳ Χριστὸς ἠξίωσεν ἀναληφθῆναι.120 Schließlich konnte µαρτυρέω unmittelbar „das Martyrium erleiden“ oder speziell „den Zeugentod sterben“ bedeuten. Zu 2. Wie Günther urteilt auch Brox, der Märtyrertitel müsse aus einem Begriff des Tatzeugnisses eher und besser zu erklären sein als auf dem Umweg über das Wortzeugnis, da die Bedeutungsänderung dadurch psychologisch verständlicher und logisch eher möglich werde.121 Und gleichermaßen sieht Buschmann „vom MartPol her das Ergebnis der Untersuchung von Brox” bestätigt, „nach welcher der Märtyrertitel eine nachneutestamentliche Bildung ist und im Martyrium nicht ein Zeugnis des Wortes, sondern des Mitvollzugs der passio Christi zu sehen ist.“122 Aber die gelehrte Unterscheidung von Wort- und Tatzeugnis ist nicht Sache der „ursprünglichen Anschauung des Martyriums“.123 Von den πολλάκις µαρτυρήσαντες erzählt Eus.h.e. 5,2,4: Καὶ τὴν µὲν δύναµιν τῆς µαρτυρίας ἔργῳ ἐπεδείκνυντο, πολλὴν παρρησίαν ἄγγοντες κτλ. Baumeister kommentiert: „Hier nun expressis verbis der Wort-Tat-Zusammenhang.“124 Aber dieses µαρτυρεῖν und diese µαρτυρία sind, wie Baumeister auch sieht, „das Wortzeugnis vor Gericht und das während der Leiden wiederholte Bekenntnis im Zusammenhang mit den Qualen in ihrer Hinordnung auf den Märtyrertod“.125 In diesem Sinn kann der Märtyrerbrief der Gemeinden von Lyon und Vienne die Wendung Χριστοῦ Ἰησοῦ τοῦ µαρτυρήσαντος ἐπὶ Ποντίου Πιλάτου τὴν καλὴν ὁµολογίαν aus 1Tim 6,13 denn auch abwandeln in ἀπεδίδου τὴν καλὴν µαρτυρίαν (Eus.h.e. 5,1,30). Für den Glauben Zeugnis ablegen, sei es mit Worten, die sich zu diesem Glauben bekennen, sei es mit Werken, die diesen Glauben unter Beweis stellen, dabei Vermischung, wie man sieht, von µαρτυρεῖν und ὁµολογεῖν, das hat 119 Die Stelle ist in Anlehnung an VON CAMPENHAUSEN , Idee (s. Anm. 8), 50 zu übersetzen: „Die (sc. schon Hinübergegangenen) sind schon Märtyrer, die Christus würdig befand, im Bekenntnis aufgenommen zu werden, indem er ihrem Zeugnis durch den Ausgang (‚d.h. durch den Tod‘) das Weihesiegel gab.“ 120 Vgl. auch Hippolyt, Dan 2,35,9 εἰ δὲ πάντες ἐµαρτύρουν ἀποθνήσκοντες, 37,1 µαρτυρήσαντα ἐν δόξῃ ἐξελθεῖν ἐκ τοῦ κόσµου τούτου, 37,4 µαρτυρήσας ἐξελθεῖν. 121 BROX, Zeuge (s. Anm. 92), 189. 122 BUSCHMANN, Polykarp (s. Anm.81), 103. 123 VON CAMPENHAUSEN , Idee (s. Anm. 8), 49. 124 BAUMEISTER, Genese (s. Anm. 100), 91, Anm. 4. 125 BAUMEISTER, Genese (s. Anm. 100), 91, Anm. 2.
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seine Wurzel nicht erst in dem synkretistischen Sprachgebrauch der Gnosis, wie Günthers Darstellung glauben machen möchte.126 Des Weiteren gilt im Blick auf die Theorie, die das Entstehen der martyrologischen Zeugnisterminologie aus Gedanken der Ignatiusbriefe zum gewaltsamen Tod aus Gründen des Christseins herleitet, der Forderung nämlich der Übereinstimmung von Wort und Tat, was Baumeister dazu selbst anführt: Der Wort-Tat-Wort-Zusammenhang wird bei Ignatius nicht in Zeugnisterminologie ausgesagt.127 Zu 3: Eine Entwicklung, so Günther, im Sinn einer Bedeutungsverschiebung vom urchristlichen Zeugen- zum Märtyrertitel sei völlig ausgeschlossen. Der Märtyrertitel müsse mit dem genuinen Sinn von „Zeuge“ nichts mehr gemein gehabt haben. Wir hätten es mit zwei ganz verschiedenen Bedeutungen zu tun.128 Ist das wahrscheinlich, wenn Eus.h.e. 5,2,2 argumentiert wird: Obwohl die erwähnten Märtyrer „in so hohem Ansehen standen und nicht nur ein- oder zweimal, sondern wiederholt (vor dem richterlichen Forum) Zeugnis abgelegt hatten, von den Tieren wieder weggeholt worden waren und überall Brandmale, Striemen und Wunden aufzuweisen hatten, nannten sie sich weder selbst Märtyrer noch erlaubten sie uns, sie so zu bezeichnen.“ Wenn die urchristliche mit der martyrologischen Zeugnisterminologie nichts mehr gemein gehabt hätte, wäre der zitierte Satz nicht formulierbar gewesen.129 Aber Günther hat, wie schon erwähnt,130 an späterer Stelle durchaus richtig gesehen, dass in den Formeln ἀριθµὸς τῶν µαρτύρων und κλῆρος τῶν µαρτύρων ein Zusammenhang der martyrologischen Zeugnisterminologie mit Apk 6,9–11 erkennbar
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GÜNTHER, ΜΑΡΤΥΣ (s. Anm. 92), 44–47. BAUMEISTER, Märtyrer (s. Anm. 105), 182 mit Hinweis auf DERS., Anfänge (s. Anm. 80), 257–270. Nicht vergessen sei, was BAUMEISTER, Anfänge, 270 sinngemäß so zusammenfasst: „Auslösendes Moment für das Zusammenwachsen“ der aus der neutestamentlichen Tradition stammenden Zeugnisterminologie mit dem in der Stoa verwurzelten Gedanken der Übereinstimmung von Wort und Tat und des Wortcharakters der Tat „war die Tatsache des Martyriums selbst.“ 128 GÜNTHER, ΜΑΡΤΥΣ (s. Anm. 92), 32.116f. 129 Vgl. auch Hippolyt, Dan 2,35,9: Εἰ γὰρ πάντας ἐρρύετο, τίς ἤµελλεν µαρτυρεῖν; εἰ δὲ πάντες ἐµαρτύρουν ἀποθνήσκοντες, ἐλέγετο ἂν κτλ. B. DEHANDSCHUTTER, Martyr – Martyrium: Quelques observations à propos d’un christianisme sémantique, in: ders., Polycarpiana (s. Anm. 44), 105–111 (109): „… du fait que les auteurs chrétiens se réalisent très bien la première signification du mot martyr, sans que la notion ecclésiastique soit abandonnée.“ Ähnlich S. 108. Die Behauptung: „Die Texte kennen eine innere begriffliche Verbindung von Martyrium und Verkündigungszeugen nicht, …“, so BROX, Zeuge (s. Anm. 92), 232, ist nicht zu erhärten. 130 S.o. Anm. 112.
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wird.131 Wenn nun auch in der Johannesapokalypse der martyrologische Sprachgebrauch noch nicht erweisbar ist, so gilt doch mit Roose: „In 6,9 ist der Bezug von den ἐσφαγµένοι zur Zeugnisthematik explizit hergestellt, wenn es von ihnen heißt, sie seien hingeschlachtet worden ‚um des Wortes Gottes willen und um des Zeugnisses willen, das sie festhielten.‘ Denselben Zusammenhang wird man in 18,24 voraussetzen dürfen. Das heißt: Ebenso wie nur verstorbene Christen als µάρτυρες bezeichnet werden (2,13; 11,3.7; 17,6), handelt es sich dort, wo ἐσφαγµένοι Christen meint, de facto um Märtyrer.“132 Auch Aune spricht im Blick auf 18,24 vom „motif of matyrdom“ und führt dazu aus: „The same motif is clearly redactional in 16:6 and 17:6, suggesting a dramatic change in the historical situation in which persecution had been intensified to the point of actual executions (i.e., either the Neronian persecution, A.D. 64–68, or a perceived crisis during the reign of Domitian at the end of the first century A.D.).“133 Insoweit jedenfalls hatte von Campenhausen mit Recht geurteilt, dass die gründliche Untersuchung von Brox seinen Beweisgang in der Ableitung des Märtyrertitels zwar erschüttert habe, eine bessere Erklärung als die in Kapitel 2 „Die Entstehung des martyrologischen Zeugenbegriffs“ vorgetragene er aber immer noch nicht wisse.134 Das Nebeneinander von µάρτυς und ἀποκτεῖναι Apk 2,13 oder von µάρτυς / µάρτυρες und αἷµα Apg 22,20; Apk 17,6, dazu die spezielle Apostrophierung τὸ αἷµα Στεφάνου τοῦ µάρτυρός σου Apg 22,20 und Ἀντιπᾶς ὁ µάρτυς µου Apk 2,13 machen insgesamt deutlich, wie es zum martyrologischen Gebrauch gekommen sein mag.135 Natürlich gilt, was ständig wiederholt wird: „Nicht weil sie getötet sind, heißen sie µάρτυρες, sondern weil sie µάρτυρες Ἰησοῦ gewesen sind, sind sie getötet worden.“136 Aber in Zeiten massiver martyrologischer Erfahrung konnten die neutestamentlichen Paradigmen neu zu sprechen beginnen. Exegetisch wird es wohl so sein, dass Jesus Christus als „der treue (und wahre) Zeuge“ (Apk 1,5; 3,14) der erhöhte
131 Zum Topos der vorherbestimmten Zahl s. R. BERGMEIER, Glaube als Gabe, BWANT 112, Stuttgart usw. 1980, 60f. mit Anm. 193. Vgl. auch AUNE, Revelation 2 (s. Anm. 3), 390f.412f. 132 ROOSE, Zeugnis (s. Anm. 8), 17. 133 AUNE, Revelation 3 (s. Anm. 3), 1011. (Die Zeitangabe 64–68 ist enigmatisch). 134 VON CAMPENHAUSEN , Idee (s. Anm. 8), Vorwort zur neuen Auflage. 135 Vgl. auch R. H. C HARLES, A Critical and Exegetical Commentary on the Revelation of St. John, 2 Bde., ICC, Edinburgh 1979, Bd. 1, 52. 136 REITZENSTEIN, Bemerkungen (s. Anm. 102), 436; vgl. BROX, Zeuge (s. Anm. 92), 101; abgewandelt auf Stephanus oder Antipas: H. STRATHMANN, µάρτυς κτλ., ThWNT 4 (1942), 477–520 (499); HEUSSI, Petrustradition (s. Anm. 113), 24f.; BROX, Zeuge (s. Anm. 92), 103; ROOSE, Zeugnis (s. Anm 8), 16.
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Offenbarer ist.137 Aber für die Märtyrer des Briefs der Gemeinden von Lyon und Vienne ist es so, dass sie den Märtyrertitel in erster Linie „Christus, dem treuen und wahren Märtyrer“ zukommen lassen möchten, dann auch denen, die schon vollendet sind, und ganz gewiss Stephanus, der ὁ τέλειος µάρτυς ist (Eus.h.e. 5,2,3.5). An den neutestamentlichen Vorbildern nehmen sie Maß und differenzieren sodann Homologie und Zeugnisterminologie: Aus den πολλάκις µαρτυρήσαντες werden ὁµόλογοι µέτριοι καὶ ταπεινοί, Märtyrer hingegen sind nur die durch den Tod Vollendeten, deren µαρτυρία Christus durch den Tod das Weihesiegel gab.138 Zu 4. In der Rückbindung der martyrologischen Zeugnisterminologie an den neutestamentlichen Zeugenbegriff sieht Brox ein Vorurteil am Werk: „Zu bedenken ist die Bemerkung E. Eskings, es sei ,für die protestantische Exegese charakteristisch, daß sie den Märtyrer am liebsten als den aktiven Bekenner betrachtet‘.“139 Was, so muss man von den Texten her, die wir hier zur Kenntnis zu nehmen haben, fragen, wird denn in größerer Konstanz zum Ausdruck gebracht als der Zusammenhang von Richterfrage und Zeugen-Bekenntnis?140 Geht es doch in der Sache um nichts anderes als um das große Entweder-oder, Ableugnen oder Bekennen (Herm sim 9,28,4.7; MartPol 9,2), darum, das Martyrium, also das, was mit einem Zeugen des christlichen Glaubens von der Verhaftung bis zum Tod geschieht, ἐν τῇ τοῦ σωτῆρος ἡµῶν ὁµολογίᾳ zu vollenden (Acta Iustini 6,1).141 Bereit-Sein zum Martyrium heißt darum in der Frühzeit: σπεύδοµεν ἐπὶ τὸ ὁµολογεῖν, denn standhaftes Bekennen ist nach römischem Recht in 137 U. B. MÜLLER, Die Offenbarung des Johannes, ÖTBK 19, Gütersloh u.a. 1984, 73: „Christus ,bezeugt‘ die Richtigkeit und Gewißheit der eschatologischen Offenbarung, wie sie in der Botschaft des Sehers Johannes, d.h. in seinem Buch begegnet. Deshalb kann diese auch ,Zeugnis Jesu Christi‘ heißen (1,2.9; 12,17; 19,10).“ Nicht das Wirken des irdischen Jesus, sondern des erhöhten stehe im Blick. Mir scheint das so nicht ganz zutreffend zu sein, denn parallel zur Rede vom ἀρνίον, das ja genuin auch mit dem Buch der Weissagung verbunden ist (s. dazu R. BERGMEIER, Die Buchrolle und das Lamm [Apk 5 und 10], in: ders. Gesetz [s. Anm. 15], 283–300), tritt wie in Apk 5,9 (ἐν τῷ αἵµατί σου) so auch in 1,5 (ἐν τῷ αἵµατι αὐτοῦ) die Bedeutung des Bluts hervor. 138 Vgl. dazu auch W. H. C. FREND, Martyrdom and Persecution in the Early Church: A Study of a Conflict from the Maccabees to Donatus, Oxford 1965, 14–15; BAUMEISTER, Brief (s. Anm. 1), 351–353. 139 BROX, Zeuge (s. Anm. 92), 236. 140 Vgl. z.B. MartPol 10,1; 12,1, Acta Iustini 3,4; 4,1.2.3.6.9, Eus.h.e. 5,1,8.10.19. 20.22.26.35.39.46.48.50, Acta martyrum Scilitanorum 9; 10; 13. Vgl. auch R. S TAATS, Bekenntnis III.1, RGG4 1 (1998), 1249–1251 (1249); DEHANDSCHUTTER, Community (s. Anm. 44), 254: „The Christian community as such is a ‘community of martyrs’, faced with the necessity of confession.“ 141 Vgl. auch VON CAMPENHAUSEN , Idee (s. Anm. 8), 49: Es gehe um eine einzige Entscheidung: „ob der Märtyrer sein Bekenntnis zu Jesus preisgeben wird, oder ob er es festhält bis zu der abschließenden Versicherung durch den Tod.“
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der Regel tödliches Bekenntnis, das aber nach Justin diejenigen, die in freier Entscheidung beim Verhör auf das ἀρνεῖσθαι verzichten, gerne ablegen, da sie ja deshalb Christen sind, weil sie das ewige Leben bei Gott suchen (Iust. 1 apol. 8,1f.; vgl. auch dial. 96,2). Auch im Blick auf Apk 2,13 kann die Bedeutung des „Nicht-Ableugnens“ angesichts des dort notierten Zeugentods kaum überbewertet werden. Keiner anderen Sache wegen also werden Märtyrer getötet als propter Domini confessionem (Iren.haer. 3,18,5). Statt von Homologie kann da, wie schon gezeigt, auch von Martyria gesprochen werden, so auch im Zusammenhang der Verbannung von Flavia Domitilla τῆς εἰς Χριστὸν µαρτυρίας ἕνεκεν Eus.h.e. 3,18,4.142 Zu 5. Wie, so fragt Günther, ist der Übergang vom „apokalyptischen“ Zeugen- zum Märtyrertitel erfolgt?143 Im Kampf gegen die Häretiker hatte Polykarp die Wendung τὸ µαρτύριον τοῦ σταυροῦ gebraucht, und zwar „als gegen die doketische Lehre eines scheinbaren Todes Jesu gerichtet“.144 War nun „in Smyrna für Christi Tod speziell das Wort ‚µαρτύριον‘ gebräuchlich geworden,“145 – „gebräuchlich“ bedeutet aber „zum ersten und zum einzigen Mal“146 in Polyk 7,1 – so lag es von dem Gedanken der „Imitatio Christi“ her doch sehr nahe, nun auch das Sterben der Glaubenshelden in Abwandlung des „Tatzeugnisses“ der Allgemeinsprache als ein µαρτυρῆσαι zu bezeichnen.147 Das Problem ist nur, dass τὸ µαρτύριον in der Wendung τὸ µαρτύριον τοῦ σταυροῦ nicht zu einer Bezeichnung für „Christi Tod“ geworden ist.148 Im Anschluss an J. Beutlers Diagnose von der Schwierigkeit „in der Deutung des Genetivs“ ist zu fragen: Handelt es sich um „das Wortzeugnis vom Kreuz“, also wie z.B. im Fall von τὸ µαρτύριον τῆς ἀναστήσεως τοῦ κυρίου Ἰησοῦ (Apg 4,33) um einen Terminus technicus der Verkündigungssprache, „oder um das Zeugnis, das durch das Kreuz Christi selber abgelegt wird?“149 In dem alternativen Sinn verdeutlicht Brox die Position Günthers mit den Worten, µαρτύριον τοῦ σταυροῦ meine das Zeugnis, „das mit der Tatsache des Kreuzes gegen die Häresie des Doketismus gegeben ist.“ 150 Man sollte aber, um die Frage zu entscheiden, auf den Textzusammenhang des Ausdrucks achten, denn er steht in einer charakteristischen Reihe früher kirchlicher Bekenntnisformeln, die auch IgnMagn
142
Vgl. die Variante διὰ τὴν εἰς Χριστὸν µαρτυρίαν Eus.h.e. 8,6,6. GÜNTHER, ΜΑΡΤΥΣ (s. Anm. 92), 154. GÜNTHER, ΜΑΡΤΥΣ (s. Anm. 92), 157. GÜNTHER, ΜΑΡΤΥΣ (s. Anm. 92), 158. 146 GÜNTHER, ΜΑΡΤΥΣ (s. Anm. 92), 156. 147 GÜNTHER, ΜΑΡΤΥΣ (s. Anm. 92), 158f. 148 GÜNTHER, ΜΑΡΤΥΣ (s. Anm. 92), 156: Im Zuge der Auseinandersetzung mit der doketischen Häresie werde „Christi Tod speziell“ als ein „Zeugnis“ bezeichnet (τὸ µαρτύριον τοῦ σταυροῦ). Vgl. auch oben Anm. 144! 149 J. BEUTLER, Martyria. Traditionsgeschichtliche Untersuchungen zum Zeugnisthema bei Johannes, FTS 10, Frankfurt 1972, 201. 150 BROX, Zeuge (s. Anm. 92), 123. 143 144 145
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11, Sm 1, Trall 9,1–2 begegnet. 151 So hat Ignatius in Phld 9,2 den Inhalt des „Evangeliums“ bestimmt als: a) „die Ankunft des Retters, unsres Herrn Jesus Christus“, b) „sein Leiden und“ c) „die Auferstehung“. Entsprechend geht es Polykarp um „das Wort, das uns seit Anbeginn überliefert ist“ (Polyk 7,2). Daraus leitet er seine Verurteilungen ab, die wie IgnPhld 9,2 den überlieferten Daten des kirchlichen Christuszeugnisses entlanggehen: a) „Wer nicht bekennt, dass Jesus Christus im Fleisch gekommen ist, …;“ b) „und wer das Zeugnis vom Kreuz nicht bekennt, …;“ c) „und wer … weder Auferstehung noch Gericht bezeugt, …“ (Polyk 7,1). Man wird also mit gutem Grund sagen dürfen, dass τὸ µαρτύριον τοῦ σταυροῦ das kirchliche Zeugnis vom Kreuzestod Jesu Christi ist.
Aus Günthers schiefer Argumentation ging bei Brox die Idee vom Martyrium als antidoketischem Beweis152 hervor. Hinter den Worten von IgnTrall 10; IgnSm 4,2 und vor allem IgnSm 5,1 steht, so Brox, „unmißverständlich die Überzeugung, daß das Martyrium, wie W. Bauer zu Smyr 5,1 sagt, ein „Beweisstück der Kirche“ für die Realität des Herrenleidens ist.“153 Für die Frage, wie man die Anwendbarkeit des Wortes µάρτυς auf das Gemeinte begründen und verständlich machen könne, gilt: „Ein einziger Anhaltspunkt dafür fiel bei Ignatius Smyr 5,1 auf: das Martyrium ist bezeugender Beweis im Sinne eines antidoketischen Argumentes.“154 Aber nicht nur die Singularität ist auffällig, sondern auch der Befund, dass die Rede vom „Beweisstück“ nicht im Text selbst, sondern nur als im Text gemeinte Sache im Kommentar Bauers zu finden ist. Und dabei argumentiert Brox, um gegenüber von Campenhausen die Bedeutung der Textstelle zu verteidigen: „In der wortgeschichtlichen Untersuchung wird man einen Text, der so enge Assoziationen zur Benennung des christlichen Märtyrers als Zeuge birgt, doch keinesfalls leichtfertig übergehen.“155 Kann, was verbatim gar nicht im Text steht, für die wortgeschichtliche Untersuchung von so großer Bedeutung sein, dass man annehmen kann: „Wir besitzen hier einen Hinweis, wie man sich die Bildung des Märtyrertitels vorzustellen hat, und unter Umständen sogar mehr als einen Hinweis, nämlich den Ursprung dieses Prozesses selbst.“156 Es sei sehr beachtlich, dass die Idee des Martyriums als eines antidoketischen Zeugnisses später, da der Märtyrertitel schon längere Zeit fixiert (gewesen) sei, noch lebendig sei. Die Rede ist von Iren.haer. 3,18,5. Brox stellt den betreffenden Abschnitt unter die Überschrift: „Zeuge des leidensfähigen Christus“.157 Der erhaltene Text spricht aber von martyres, also Märtyrern, nicht von testes, denn diese Märtyrer bezeugen hier nicht etwas, sondern nehmen das synoptisch vor151 152 153 154 155 156 157
Vgl. dazu FISCHER, Väter (s. Anm. 12), 179, Anm. 37. BROX, Zeuge (s. Anm. 92), 211–215.222–224. BROX, Zeuge (s. Anm. 92), 214. BROX, Zeuge (s. Anm. 92), 234. BROX, Zeuge (s. Anm. 92), 214. BROX, Zeuge (s. Anm. 92), 234. BROX, Zeuge (s. Anm. 92), 222–225.
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hergesagte Leiden auf sich und folgen so gemäß 1Petr 2,21 den Spuren des Leidens des Herrn, das dieser selbst zuerst auf sich nehmen musste, nachdem er durch seine Menschwerdung die Leidensfähigkeit angenommen hatte.158 Nicht vom Martyrium der Christen her wird die Leidensfähigkeit Christi bestätigt,159 sondern von der Passion des Herrn her werden die Märtyrer in Schutz genommen gegenüber denen, die sie verachten und tadeln. Die tatsächlichen Aussagen des Textes sind eindeutig: Christus spricht im Evangelium de passione quam oportebat illum pati et ipsi discipuli eius futurum erat ut paterentur quam passurus esset ipse prior post deinde discipuli eius. Darum gilt für die getadelten Märtyrer: conantur adsequi vestigia passionis Domini passibilis martyres facti.
Das Martyrium als antidoketisches Zeugnis ist ein textfremdes Konstrukt. Wäre es nicht der antidoketische Impetus, der bei theologischen Auslegern immer beeindruckt, hätte die Theorie wohl kaum so viel Papier erobert. In der Tradition der kleinasiatischen Kirche soll die Idee vom Martyrium als antidoketischem Beweis ihren sprachlichen Ausdruck gefunden haben: „Den doketischen Irrlehrern wurde – vielleicht zum ersten Male von Ignatius – das Martyrium der Christen als Beweis für die Leidensfähigkeit Christi und die Tatsächlichkeit seines Leidens vorgehalten. Es ist leicht vorstellbar, daß es daraufhin als µαρτυρία und µαρτύριον, der Märtyrer als µάρτυς bezeichnet wurde, obwohl wir für den terminologischen Niederschlag dieser schon bei Ignatius anzutreffenden Anschauung vor Irenäus keinen Beleg besitzen. Eine starke Stütze ist der Ausdruck vom ,Zeugnis des Kreuzes‘ in Phil 7,1 des Polykarp, …“160 Doch weder die „starke Stütze“ bei Polykarp noch der Beleg „für den terminologischen Niederschlag“ bei Irenäus sind bei kritischer Prüfung gegeben. Und der antidoketische Einschlag im „Ursprung des Prozesses selbst“ ist dort, wo die martyrologische Zeugnisterminologie erstmals sicher begegnet, nicht vorhanden. Nach Buschmann kämpft MartPol im Gefolge ignatianischer Theologie an einer anderen Front als Ignatius: nicht Doketismus, sondern falsch verstandene (ignatianische) Martyriumssucht des beginnenden Montanismus.161 Antidoketisch bedarf es also der interpretatorischen Verschiebung ins Antischwärmerische: „Im MartPol werden schwärmerische Tendenzen in Form 158 159
Vgl. IgnPol 3,2; Iren.haer. 3,16,6; 18,1; 4,20,8. Nach BROX, Zeuge (s. Anm. 92), 234 lebt für Irenäus im Märtyrertitel noch die Zeugenfunktion in genau diesem Sinne eines antidoketischen Zeugnisses auf. Vgl. auch BAUMEISTER, Genese (s. Anm. 100), 38, Anm. 6. 160 BROX, Zeuge (s. Anm. 92), 234. 161 G. BUSCHMANN, Martyrium Polycarpi – eine formkritische Studie. Ein Beitrag zur Frage nach der Entstehung der Gattung Märtyrerakte, BZNW 70, Berlin/New York 1994, 159.
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des montanistischen Drängens zum Martyrium sichtbar … Aus dem Wortzeugen (µάρτυς) muß der Tat- und Blutzeuge (µάρτυς im martyrologischen Sinne) werden, weil schwärmerische Kreise nicht zu einer Übereinstimmung von Reden und Tun gelangen (MartPol 4), …“162 Der einzige Formulierungsbeleg, der so angelegt ist, wie Brox ihn voraussetzt, hat schlechthin nichts Antidoketisches an sich: τὸ δὲ σωµάτιον µαρτὺς ἦν τῶν συµβεβηκότων Eus.h.e. 5,1,23: Was man dem Märtyrer Sanctus an Qualen zufügte, war „nur“ an seinem elenden Körper („Beweisstück dessen, was Sanctus widerfuhr“) ablesbar;163 innerlich litt Christus selbst in ihm und rang den Widersacher nieder.
4 Zusammenfassung Die Fragen, ob und wie Martyrium, Kaiserkult und Christenverfolgung vor dem 3. Jh. miteinander zusammenhängen, werden in der Forschung kontrovers diskutiert. In einem ersten Schritt dieses Beitrags wurde daher zu zeigen versucht, dass die drei angesprochenen Themen seit den Tagen Domitians zusammengehören. Dabei war zu beachten, dass sporadische Christenverfolgungen keines kaiserlichen Erlasses bedurften und die standhafte Weigerung angeklagter Christen, vor der kaiserlichen Büste zu opfern, in der Regel zum Tod führte. In der deutschsprachigen Forschung ist die Herleitung der martyrologischen Bedeutung der Zeugnisterminologie besonders umstritten. Aber es scheinen doch gewichtige Gründe dafür zu sprechen, dass als Anfang der wortgeschichtlichen Veränderung das standhafte Bekenntnis vor dem Richter geltend gemacht werden kann, dem in einem zweiten Schritt die Todesweihe zur Seite tritt. Dafür sprechen Beispiele der Austauschbarkeit von µαρτυρεῖν und ὁµολογεῖν und der Befund, dass der Tod als Ausgang aus dieser in die himmlische Welt eigens an die zeugnisterminologische Aussage angefügt wurde. Umgekehrt hielten die Ableitungsvorschläge von Günther, Brox, Baumeister und Buschmann kritischer Prüfung nicht stand. Die Durchsicht der Quellenbefunde und der deutschsprachigen Forschungsbeiträge zu Zeugnis und Martyrium sollten aber nicht abgeschlossen werden, ohne die Beobachtung von Campenhausens zu „der Bezeichnung von Martyrium und Passion als ‚leiden‘ im prägnanten Sinne einer ‚Passion‘“ wenigstens noch in Erinnerung zu rufen: „Sie entspricht der 162
BUSCHMANN, Polykarp (s. Anm.81), 102. In MartPol 4 wird ausdrücklich die Maßgabe des Evangeliums genannt, nicht die Übereinstimmung von Reden und Tun. Dass im Konzept von Wort-Tat-Wort die Wurzel der martyrologischen Zeugnisterminologie liege, ist die Vermutung von BAUMEISTER, vgl. Genese (s. Anm. 100), 49, Anm. 5. 163 Vgl. MartPol 2,2c und VON CAMPENHAUSEN , Idee (s. Anm. 8), 89–93.
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Entwicklung des Zeugenbegriffes auch insofern, als es sich auch hier um das allmähliche Technisch-werden eines ursprünglich weiteren Begriffes handelt, das sich unter unseren Augen vollzieht.“164 Gerade darin also, im „Technisch-werden eines ursprünglich weiteren Begriffes“, steht die Zeugnisterminologie nicht allein da. Und beide, „Passion“ und „Martyrium“, knüpfen jeweils an neutestamentliche Vorgeschichte an, die sie aber, gewalttätig wie ihr Inhalt, verändern und fortschreiben.165 Von größter Bedeutung für den Zusammenhang von Kaiserkult, Christenverfolgung und Martyria erwies sich das Buch der Apokalypse Johannes. Einem seiner großen Ausleger, W. Bousset, sei hier abschließend das Wort gegeben. Als das Hauptcharakteristikum der Apk sieht er die durch das ganze Buch sich hindurchziehende hochgradige Spannung zwischen der christlichen Gemeinde und dem römischen Staat, deren Ursache die Aufrichtung und Pflege des Cäsarenkultus gewesen sei.166 „Dieser Kampf mit dem Tiere füllt für den Apokalyptiker Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die Vergangenheit: der Apok. schaut bereits eine Schar vollendeter Märtyrer (6 9) unter Gottes Thron. … Die Gegenwart: Auch der Apok. lebt in einer Verfolgungszeit. … Wenn jedes der Sendschreiben mit dem Lobpreis des ‚Siegers‘ schließt, so denkt der Verfasser in erster Linie an den äußeren Kampf, den die christlichen Gemeinden zu bestehen haben. Vor allem aber soll der Kampf in der nächsten Zukunft des Apok. entbrennen. Das ist der Punkt, auf den seine ganze Weissagung eingestellt ist. Schon in dem Sendschreiben an Philadelphia 3 10 redet er von einer großen Versuchung (πειρασµός), die über die ganze Welt kommen und von der Philadelphia bewahrt werden soll. Die Weissagung des fünften Siegels 6 9–11 geht auf diese letzte Zeit der großen Not, in ihr soll sich die ‚Zahl‘ der Märtyrer, die Gott in seinem unerforschlichen Ratschluß festgesetzt hat, vollenden, und dann soll das Ende kommen. Wieder und wieder weist er auf die Blutzeugen in diesem Kampfe hin.“ 167
164 VON CAMPENHAUSEN , Idee (s. Anm. 8), 62. 165 Zu „Passion“ vgl. VON CAMPENHAUSEN , Idee
(s. Anm. 8), 62–66; BROX, Zeuge (s. Anm. 92), 204–226; BAUMEISTER, Anfänge (s. Anm. 80), 110–112.252–258.277–281. 166 BOUSSET , Offenbarung (s. Anm. 17), 130–132. 167 BOUSSET , Offenbarung (s. Anm. 17), 130. Er zieht a.a.O., 130f. die Stellen 7,9ff.; 15,2ff.; 12,11 und 20,4 heran. Vgl. zu Apk 6,9–11 auch a.a.O., 272–274.
Rezeption
The Appearance of the New Jerusalem in the Montanist Interpretation of the Revelation of John WILLIAM TABBERNEE
1 An Intriguing Oracle Epiphanius of Salamis (Bishop 367–403) encountered an interesting problem while writing his Panarion omnium haeresium (Medicine Chest Against All Heresies). He wanted to quote a particular oracle about the appearance of the New Jerusalem but he was unable to specify the prophetess who had uttered it. His informants had confusingly attributed the utterance either to Priscilla, one of the founders of the New Prophecy movement (later known as Montanism1), or to Quintilla, a later Montanist prophetess. Epiphanius complained: For these Quintillians and Priscillians, in turn, declare that in Pepouza, either Quintilla or Priscilla for I am not able to tell precisely, but one of them, in Pepouza as I mentioned already, to have been asleep and Christ to have come to her and to have slept by her in his way, as that self-deluded woman alleged. (Pan. 49.1.2)2
Although Epiphanius was not able to determine the identity of the prophetess whom he designated as a “self-deluded woman,” this prophetess was, most likely, Quintilla rather than Priscilla. Second-generation (and later) Montanist prophetesses existed and uttered oracles which should be deemed genuine Montanist logia (“sayings”).3 Given the double tradition, it makes better sense of the data to assume that greater authority was bestowed on a later logion by attributing it to the earlier prophetess than to ———————— 1 On Montanism, see C HRISTINE TREVETT , Montanism: Gender, Authority and the New Prophecy, Cambridge 1996; W ILLIAM TABBERNEE, Fake Prophecy and Polluted Sacraments: Ecclesiastical and Imperial Reactions to Montanism, Leiden 2007. 2 Unless indicated otherwise, all translations from ancient sources, other than biblical texts, are my own. Biblical texts are taken from the New Revised Standard Version [NRSV]. 3 W ILLIAM TABBERNEE, To Pardon or Not to Pardon?: North African Montanism and the Forgiveness of Sins, StPatr 36 (2001), 377–386; IDEM, Recognizing the Spirit: Second-generation Montanist Oracles, StPatr 40 (2006), 521–526.
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assume that an authentic logion of one of the founders of the movement could have been attributed to Quintilla.4 In either case, however, the content of the oracle, rather than the identity of the prophetess is of paramount importance for understanding what Montanists believed about the appearance of the New Jerusalem. The oracle itself, as related by Epiphanius’ “self-deluded woman,” reads: In the form of a woman dressed in a radiant robe, Christ came to me and put wisdom in me and revealed to me that this place is holy and that the “Jerusalem-out-of-heaven” is to descend here. (Quintilla, Log., ap. Epiphanius, Pan. 49.1–3)
No sexual connotations need be read into Quintilla’s narration of the context of the revelation given to her by the female Christ.5 In fact, the detail that she was asleep and that Christ slept beside her is, despite what Epiphanius’ sources claimed (Pan. 49.1.2b), not part of what Quintilla herself relates.6 Montanist logia/oracles were produced by means of “charismatic exegesis,” drawing freely and creatively on biblical texts and images.7 Reading only what the prophetess herself reports (as quoted by Epiphanius), one can as easily imagine a “transfiguration-like” or “post-resurrection-like” appearance of the female Christ (loosely based on Matt 17:2; Acts 22:6– 11, or more likely on Rev 1:10–16) as the sleep/dream context suggested by Epiphanius’ sources. The “female Christ,” linked with Quintilla’s infusion of wisdom (σοφία), is undoubtedly derived, at least in part, from the Wisdom literature of the Hebrew Bible, especially Sirach 24:1–12, where the personification of Wisdom in female form finds her abode in Jerusalem.8 ———————— 4 DOUGLAS P OWELL, Tertullianists and Cataphrygians, VC (1975), 44; D ENNIS E. GROH, Utterance and Exegesis: Biblical Interpretation in the Montanist Crisis, in: The Living text: Essays in Honor of Ernest W. Sanders (ed. Dennis E. Groh / Robert Jewett), Lanham 1985, 80–81. For the view that the prophetess was indeed Priscilla, see A NNE J ENSEN, God’s Self-Confident Daughters: Early Christianity and the Liberation of Women (trans. O. C. Dean, Jr.), Louisville 1996, 163–167; cf. J OHN C. POIRIER, Montanist Pepuza-Jerusalem and the Dwelling Place of Wisdom, JECS 7 (1999), 495 n. 13; and VERA-ELISABETH HIRSCHMANN, Horrenda Secta: Untersuchungen zum frühchristlichen Montanismus und seinen Verbindungen zur paganen Religion Phrygiens, Stuttgart 2005, 40, 101. 5 J ENSEN, God’s Self-Confident Daughters (see n. 4), 163; although see also P OIRIER, Montanist Pepuza-Jerusalem (see n. 4), 498 n. 19. 6 It is possible, of course, that Epiphanius did not quote all of what his sources told him about what was allegedly communicated by the prophetess about her experience and the revelation she received about Pepouza. 7 GROH, Utterance and Exegesis (see n. 4), 73–83; C HRISTINE E. THOMAS, The Scriptures and the New Prophecy: Montanism as Exegetical Crisis, in: Early Christian Voices in Texts, Traditions, and Symbols: Essays in Honor of François Bovon (ed. David H. Warren et al.), Leiden 2003, 155–165. 8 P OIRIER, Montanist Pepuza-Jerusalem (see n. 4), 491–507.
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Nicola Denzey has also made the astute observation that there is at least a striking parallel between the female Christ in Quintilla’s logion and a passage from the Trimorphic Protennoia.9 In that text (NHC XIII, 1), one of the second-century heterodox Jewish/Christian books discovered at Nag Hammadi in Egypt, Protennoia, the divine voice of Wisdom, appears “in the form of a woman” to teach “her children” about the end of the current age (aeon) and the beginning of the one to come (42.18–23). The remainder of the account of the appearance of Christ to the Montanist prophetess and the communication she received from Christ appears to have been influenced primarily by the book of Revelation. This is apparent from the specific way in which Jerusalem is cited. While, as in Rev 21:10, the word “new” (καινή) does not precede the word “Jerusalem” in the logion, it is clear that it is the “New Jerusalem” (Rev 3:12; 21:2) which is the focus of what is communicated to Quintilla – not the Jerusalem located in (Syria) Palaestina.10 The Jerusalem which is the subject of the oracle is the Jerusalem which is to descend “out of heaven” (ἐκ τοῦ οὐρανοῦ).11 Ek tou ouranou (᾿Εκ τοῦ οὐρανοῦ) is the exact same descriptive phrase used repeatedly by the “risen Christ” in the book of Revelation. According to the author, Christ appeared to him, standing in the midst of seven golden lampstands, and dressed in a long robe (1:12–13a). Like the robe of the female Christ who appeared to Quintilla, it was clearly radiant as it had a breast-sash made of gold (1:13b), no doubt reflecting brilliantly in the light of the seven lampstands. Among the letters “dictated” by the risen Christ to John recorded in the book of Revelation and addressed to the “seven churches that are in Asia” (1:1–11), is one to the Christian community in Philadelphia (3:7–13; Fig. 2). In that letter, Christ promises that any who remain faithful and victorious will have inscribed on them the name of God; the name of the city of ———————— 9
NICOLA DENZEY, What Did the Montanists Read?, HTR 94 (2001), 427–448, esp. 439–444. 10 Following the Second Jewish Revolt (132–135 C.E.), the Roman province of Judaea was expanded and renamed Syria Palaestina. Diocletian (r. 284–305) again reorganized the whole region, creating the provinces of Palaestina Prima, Secunda, and Tertia. Depending upon exactly when Quintilla was operative in the third or early-fourth centuries, the historical Jerusalem, now named Aelia Capitolina (see below) belonged to Syria Palaestina or Palaestina Prima – commonly referred to simply as Palaestina. 11 I am not persuaded by the view of some commentators (e.g., J OSEPHINE M. FORD, Revelation: Introduction, Translation, and Commentary, Garden City 1975) that the absence of the word “new” in Rev 21:10 indicates that the book of Revelation portrays two separate future cities designated “Jerusalem”: a millennial Jerusalem (20:9; 21:7–22:1–2) where Christ and the saints rule for a thousand years (see below) and the eternal New Jerusalem (21:1–4; 22:3–5).
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God – the New Jerusalem, the one coming down “out of heaven” (ἐκ τοῦ οὐρανοῦ) from God – and Christ’s own name (3:12). Almost identical wording is used in a later section of the book of Revelation (21:1–22:5), where the holy city, the New Jerusalem, coming down ἐκ τοῦ οῦρανοῦ from God (21:2; cf. 21:10) is described in precise detail. In that section, it is also explained that the name of God and of the Lamb (Christ) will be on the foreheads of their servants who reside with them in the holy city (22:3–4; cf. 21:4 and 14:1). Interestingly, Montanists at Pepouza may have incorporated into their baptismal liturgy the ritual tattooing of some kind of Christian mark on the bodies of the newly baptized.12
2 Pepouza Epiphanius completed his section on the Montanists and its subsects in 376 or early 377.13 By that time, Epiphanius claims, Montanists were venerating a desolate place; the city which had once borne the name Pepouza having been leveled to the ground (Pan. 48.14.1a). Epiphanius’ statement may be highly polemical, as he wants to minimize the importance of Pepouza as the center of an alternate form of Christianity. He admits, however, that Montanists (still) believe that “the Jerusalem-from-above” will descend there (48.14.1b) and that, because of this, Montanist pilgrims continue to go to Pepouza to sanctify themselves and to engage in certain sacred rites (µυστήρια) (48.14.2; 49.1.4). One of these rites may have been the baptismal tattooing referred to above.14 If there is some historical accuracy to Epiphanius’ report about the destruction of Pepouza during the fourth century, perhaps from earthquakes (which are attested for the area during the 350s and 360s),15 this may provide the Sitz im Leben of Quintilla’s oracle. In the face of growing doubts about whether the New Jerusalem was still expected at or near the (partially?) destroyed Pepouza, Quintilla’s oracle served as confirmation that the Montanist expectation of the descent of the New Jerusalem in the vicinity of Pepouza remained viable. What better reassurance could be given than a statement from Christ personally, appearing to a contemporary Montanist ———————— 12 13 14
TABBERNEE, Fake Prophecy (see n. 1), 351–358. TABBERNEE, Fake Prophecy (see n. 1), 265. See also WILLIAM TABBERNEE, Revelation 21 and the Montanist ‘New Jerusalem’, ABR 37 (1989), 58–59; CHRISTINE TREVETT , Fingers up Noses and Pricking with Needles: Possible Reminiscences of Revelation in Later Montanism, VC 49 (1995), 260–262; SUSANNA ELM, ‘Pierced by Bronze Needles’: Anti-Montanist Charges of Ritual Stigmatization in their Fourth-Century Context, JECS 4 (1996), 409–439. 15 CHRISTOPH MARKSCHIES, Nochmals: Wo lag Pepuza? Wo lag Tymion?: Nebst einigen Bemerkungen zur Frühgeschichte des Montanismus, JAC 37 (1994), 10 and n. 25.
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prophetess (as he had to the author of the book of Revelation), confirming Pepouza as the specific location of the “Jerusalem-out-of-heaven” referred to in Rev 3:12; 21:1–22:5? As seems clear from Epiphanius’ contradictory data, some people ended up attributing the oracle to Priscilla rather than to Quintilla in order to give the message it conveyed foundational status. The disagreement eventually led to a division within Montanism. According to the so-called Praedestinatus, admittedly not an always-reliable fifth-century source,16 there were at Pepouza two Montanist churches: one “of Quintilla,” the other “of Priscilla” (Haer. 1.27).17 If accurate, and if the statement refers to buildings as well as “congregations,” these churches must have been among those destroyed or confiscated by John of Amida, later known as John of Ephesus (ca. 507–after-558), when he dealt Montanism its death-blow at Pepouza in 550 (IMont 1–2).18 That Montanism survived in Pepouza until the middle of the sixth century and that there were Montanist churches for John of Amida to purify and turn over to the Orthodox indicates that even if Pepouza had suffered some sort of devastation a couple of centuries earlier, the city had at least been partially rebuilt in the intervening period.19 Pepouza continued to function not only as a pilgrimage site, where pilgrims could visit the shrine containing the bones of Montanus, Maximilla, Priscilla, and one other Montanist leader (IMont 1–2)20 and await the New Jerusalem (see below), but also as the Montanist movement’s administrative and missionary center. As late as the late fifth or early sixth century, Montanist apostles were still being sent out from Pepouza as attested by the text of the following inscription, identified at Ankara (ancient Ancyra) in 2004:
———————— 16
TABBERNEE, Fake Prophecy (see n. 1), 272–73. TABBERNEE, Fake Prophecy (see n. 1), 329–31. See TABBERNEE, Montanist Inscriptions and Testimonia: Epigraphic Sources Illustrating the History of Montanism, Macon 1997 [the abbreviation IMont is used when citing the inscriptions by number]), 27–47; IDEM, Fake Prophecy (see n. 1), 399–400. 19 W ILLIAM TABBERNEE / P ETER LAMPE, Pepouza and Tymion: The Discovery and Archaeological Exploration of a Lost Ancient City and an Imperial Estate, Berlin 2008, 17–19. 20 The suggestion that the fourth person buried in the Montanist shrine at Pepouza was Quintilla (JOSEPHUS [GIUSEPPE] S. ASSEMANI, Bibliotheca orientalis Clementinovaticana [3 vols; Rome: Typis Sacrae Congregationis de Propaganda Fide, 1719–1728; repr. Hildesheim: Olms, 1975], 2:88 n. 1), while attractive, is not conclusive; see T ABBERNEE, Montanist Inscriptions (see n. 18), 33–34, 42–44. For the important role this shrine played in Montanist propaganda, see W ILLIAM TABBERNEE, ‘Our Trophies are Better than your Trophies’: The Appeal to Tombs and Reliquaries in Montanist-Orthodox Relations, StPatr 23 (1997), 206–217. 17 18
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Trophimos, apostle from Pepouza, having given out the call to holiness went to sleep in the third indiction, on the twentieth day of the month of February, on the Day of Sabath.21
An alpha and an omega, carved on either side of a Byzantine-style Greek cross feature prominently at the bottom of the gravestone, following the inscription. Although also common on other Christian gravestones of the period (e.g., IMont 83) and earlier (e.g., IMont 71), the presence of a large alpha/cross=Christ/omega symbol on this indisputably Montanist tombstone is not insignificant to the general theme of this article. It proves that at least some Montanists, including those in Ancyra burying a Montanist apostle from Pepouza, found comfort in the one whom the book of Revelation portrays as “the Alpha (ἄλφα) and the Omega (ὦ)” (1:8; 21:6a); “the first (πρῶτος) and the last (ἔσχατος)” (1:17); “the beginning (ἀρχή) and the end (τέλος)” (21:6b) – the one who was dead” but is “alive for ever and ever” and who has the “keys of Death and Hades” (1:17). Even more importantly, it proves that, assuming they understood the full significance of the alpha/cross=Christ/omega symbol, Montanists, such as those who buried Trophimos, the apostle from Pepouza, believed that the “Alpha and the Omega” would “make all things new” (21:5), creating a “new heaven and a new earth” (21:1) and a “New Jerusalem” (21:2), where “[d]eath will be no more” (21:4).
3 Tymion The main key to the discovery of the long-lost holy sites of Montanism was another hitherto-unknown inscription, which had been acquired by the Uşak Archaeological Museum in 1998 and its significance identified by us in 2000. It is the only inscription discovered thus far referring to Tymion, just as the inscription from Ankara, referred to above, is the only epigraphic attestation thus far of Pepouza. Montanus was the founding prophet22 whose name later became inextricably linked to the name of the movement (Cyril of Jerusalem, Catech. ———————— 21 STEPHEN MITCHELL, An Apostle to Ankara from the New Jerusalem: Montanists and Jews in Late Roman Asia, SCI 25 (2005), 212, altered. Four years (465, 510, 555, and 600) meet all the criteria of the chronological data provided by the epitaph. Of these, 510 is the most likely; see M ITCHELL, An Apostle to Ankara (see above), 213–214; TABBERNEE, Fake Prophecy (see n. 1), 347. 22 For the view that Maximilla and Priscilla, rather than Montanus, were the true founders of the New Prophecy, see ANNE J ENSEN, “Prisca – Maximilla – Montanus: Who was the Founder of ‘Montanism’?” StPatr 26 (1993): 146–50; God’s Self-Confident Daughters, 135–36, 167; but contrast TREVETT , Montanism (see n. 1), 159–62.
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16.8) which had originally been called the “New Prophecy” by its adherents and the “sect named after the Phrygians” (or simply “Phrygians”) by its detractors (e.g., Eusebius, Hist. eccl. 5.16.1; cf. 4.27).23 It was Montanus himself who, in ca. 165,24 first established a link between Pepouza and the New Jerusalem. According to Apollonius (ca. 205), Montanus named Pepouza and Tymion “Jerusalem,” wanting people from everywhere to gather there (Fr., ap. Eusebius, Hist. eccl. 5.18.2). Until recently, the precise locations of Pepouza and Tymion were unknown – despite active searches for these ancient sites since the nineteenth century. In July 2000, I led an international team of scholars which discovered the site of Pepouza and the general vicinity of Tymion – the result of years of research and exploration in Turkey.25 Unlike the “Trophimos inscription,” the “Tymion inscription” is not an epitaph, nor was it produced by Montanists per se. It is the text of the official response of the emperor Septimius Severus (r. 193–211), and his sons, to a petition by the inhabitants of Tymion and of a neighboring settlement called Simoe. It is inscribed on a white marble slab, part of which is now broken away (Fig. 1). The text, including partial restoration, of the rescript reads: Issued on the ... of the month …, when our Lords Antoninus Pius, Augustus, and Geta, Caesar, were consuls. Emperor Caesar Lucius Septimius Severus Pius Pertinex Augustus ... and Emperor Marcus Aurelius Antoninus Pius Augustus to the tenant farmers among the Tymians and Simoens: “Our procurator will set himself against unlawful exactions and against those who continue to ask in a very demanding way for dues. If, however, the matter requires a higher authority, he [i.e., the procurator], in the manner of his office, will not hesitate to defend these persons [i.e., the tenant farmers] before the governor of the province of Asia against those who in an unlawful way ask for dues.” 26
The inscription, issued most likely between July 17 and August 13 (inclusively), 205, indicates that Tymion was located on an imperial estate which also included Simoe. The marble plaque recording the imperial rescript was set up at the junction of crossroads between Simoe and Tymion (Fig. 3) to warn the perpetrators who had been exacting dues unlawfully from the tenant farmers on the estate to cease doing so or to face the consequences.27
———————— 23 24
See TABBERNEE, Fake Prophecy (see n. 1), p. xxx, 4. On the date of the origin of “Montanism,” see TREVETT , Montanism (see n. 1), 26–45. 25 W ILLIAM TABBERNEE, Portals of the New Jerusalem: The Discovery of Pepouza and Tymion, JECS 11 (2003), 87–94; TABBERNEE / LAMPE, Pepouza and Tymion (see n. 18), 49–74, 84–107. 26 TABBERNEE / LAMPE, Pepouza and Tymion (see n. 18), 58, altered. 27 TABBERNEE / LAMPE, Pepouza and Tymion (see n. 18), 50–74, 245–247.
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4 Pepouza and Tymion Following four seasons of archaeological field work and surface surveys, our team, under the leadership of Professor Peter Lampe, also identified the site of Tymion (Fig. 3).28 The discovery of the location of both Pepouza (Fig. 4) and Tymion (Fig. 5) has answered the long unresolved question concerning why Montanus would have called two settlements in Phrygia by the single name “Jerusalem.” The answer is simply that Montanus believed that the “Jerusalem-out-of-heaven” would descend not at Pepouza itself, but on the huge, fertile, level agricultural plain between Pepouza and Tymion which was part of the imperial estate. According to Rev 21:9–10, the author of the book of Revelation was taken by an angel “in the spirit” to “a great, high mountain.” There he was shown prophetically “the holy city Jerusalem coming down out of heaven from God.” This city was shaped like a huge bejeweled cube, with its length, width, and height all of equal size (21:16). Having read this prophecy29 and having begun his own prophesying somewhere in Phrygia, perhaps even at or near Pepouza itself (see below), Montanus obviously decided that he knew exactly from which mountain one would be able to see the “Jerusalem-out-of heaven” descend and where it would come to rest. Today that mountain is called Ömerçalı (Figs. 3, 6) and from its summit one can see the site of ancient Pepouza in the Ulubey Canyon below. Beyond the canyon a vast, level plain (the Plain of Banaz) stretches out to the northern horizon. Within that plain, approximately 10 km to the north of Karayakuplu, the closest modern settlement to Pepouza, lies the ancient site of Tymion, near the Turkish village of Şükranıye. In Montanus’ mind, Tymion marked the northern limit of the New Jerusalem while Pepouza marked its southern portal (Fig. 7).30 ———————— 28 29
TABBERNEE / LAMPE, Pepouza and Tymion (see n. 18), 245–248. RONALD E. HEINE argues that the Paraclete passages in the Fourth Gospel were not used by the earliest Montanists in Asia Minor in support of the legitimacy of the New Prophecy; see his The Gospel of John in the Montanist Controversy, SecCent 6 (1987), 1–19; and The Role of the Gospel of John and the Montanist Debate in Rome, StPatr 21 (1989), 95–100. This should not be taken to mean that the founders of Montanism in Phrygia were unfamiliar with Johannine literature, including the book of Revelation, or that they did not utilize this literature for other aspects of their theology or practices. For critiques of Heine’s position, see TREVETT , Montanism Montanism (see n. 1), 63–68; ALISTAIR STEWART -SYKES, The Asian Context of the New Prophecy and of Epistula Apostolorum, VC 51 (1997), 428–430; and THOMAS, The Scriptures and the New Prophecy (see n. 7), 160–161. 30 TABBERNEE, Portals of the New Jerusalem (see n. 25), 87–93; T ABBERNEE / LAMPE, Pepouza and Tymion (see n. 18), 107.
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5 The “Plain of Ardab”? The existence of a vast, vacant plain between Pepouza and Tymion may have been as critical to Montanus’ choice of this particular site for the location of the descent of the “Jerusalem-out-of-heaven” as the existence of the nearby mountain. Erwin Preuschen, long ago, suggested that “Ardabau,” the name of a Phrygian village where Montanus allegedly commenced his prophesying (Anonymous, Fr., ap. Eusebius, Hist. eccl. 5.16.7), may, in fact, be an erroneous inference derived from the Montanist application of the name Ardab (4 Ezra 9:26)31 to Pepouza, the place where the New Jerusalem was expected. 4 Ezra (= 2 Esdras 3–14) is a Jewish apocalypse written in Hebrew ca. 100 C.E., and translated into Greek during the early second century with expanded (and frequently Christianized) versions in Latin, Arabic, Armenian, Ethiopic, Georgian, and Syriac. As Trevett points out, there are numerous parallels in 4 Ezra with topics also treated in the Christian canonical book of Revelation, and, like Revelation, 4 Ezra’s historical setting appears also to be the Roman province of Asia.32 Indeed, it is probable that the author and/or, at least, the Christian translators and “Christianizers” of 4 Ezra were familiar with the Revelation of John.33 For our purposes, the most crucial section is 4 Ezra 9–13, although that section needs to be read in the context of 4 Ezra 7 where the subject of a “city on a plain” is first introduced. In 7:6–9a, Ezra is asked to imagine a city situated on a plain. The narrow entrance to the city is only reachable by means of a perilous pathway, wide enough for merely one person at a time, with fire on the right and deep water on the left. Overcoming the dangers confronting them is the only way for persons to claim their inheritance of the city (7:9b–10). None but the just (7:10–25) can endure the narrow way to reach the wide open plain on which the city will appear (7:26–27). Although the city is not yet visible, Ezra is assured that a new paradise awaits the righteous, like himself; that the age to come has been prepared; that the city has already been built; and that the day of judgment is close at hand (cf. 10:52, 60–61). Following his, not unreasonable, request to know when all that has been promised will eventuate (4 Ezra 8:63), Ezra is told by Uriel, the angel who ———————— 31 ERWIN P REUSCHEN, Ardaf IV. Esra 9,26 und der Montanismus, ZNW 1 (1900), 265–266. The extant manuscripts of 4 Ezra contain numerous variants (e.g., Ardaf; Ardat). Ardab has survived only in the Armenian version. For the sake of convenience, however, Ardab being the closest to Ardabau, is used exclusively in this study. 32 TREVETT , Montanism (see n. 1), 24–25. 33 CHARLES E. H ILL, Regnum Caelorum: Patterns of Millennial Thought in Early Christianity, Grand Rapids 22001, 149 n. 26.
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has been instructing him, to go to a vacant, flower-filled field where no house stands. Ezra is to wait there for seven days, not fasting per se but eating only what grows in the field – therefore, eating no meat and drinking no wine (9:24–25).34 Ezra obeys and the field to which he goes is called Ardab (9:26). There, at the end of the seven days, a woman appears, mourning her son who, tragically, had died on his wedding night (9:38– 10:4). In an attempt to comfort her, Ezra reminds her of the nation’s grief over the fate of Jerusalem (10:5–24). While he is still speaking, the woman’s face shines brilliant and she disappears in the midst of a lightning flash and a fear-provoking, earth-shaking cry (10:25–27a). When the terrified, soon-to-be-prophet Ezra looks up, he sees, on the once-empty field of Ardab, a fully constructed city built on immense foundations (10:27b). Paradoxically, the woman whom he had reminded of the fate of the old Jerusalem was herself the new Jerusalem (10:41–45, 50–51), the promised city of the Most High (10:52–54; cf. 7:26). It is a city built without human hands (13:35), revealed on a field purposely vacant of any human structures (10:52–54). Preuschen’s theory that behind the word Ardabau lies a reference to Pepouza was dismissed as implausible by the doyen of early twentiethcentury Montanist scholars, Pierre de Labriolle.35 More recent authors have not been quite as skeptical. August Strobel, for example, while arguing for Ardabau as an actual settlement (which he tentatively identified as being ancient Atychorion, the Turkish village of Ortaköy; Fig. 2),36 nevertheless pointed out that, to the extent that a connection between 4 Ezra 9:26 and the Montanists can be established, the “Plain of Ardab” must refer to a place of prophetic and eschatological anticipation near (rather than being the same as) Pepouza.37 A number of scholars are now strongly supportive of Preuschen’s suggestion.38 ———————— 34
Interestingly, a late, but genuine, Montanist logion preserved by Origen (ca. 185– ca. 253) declares: “You should not come near to me since I am clean; for I have not taken a wife, nor is my gullet an open tomb, but I am a Nazarene of God; just like them, I do not imbibe wine (ap. Origen, Fr. Tit., ap. Pamphilus, Prol. apol. Orig. 1). 35 P IERRE DE LABRIOLLE, La crise montaniste, Paris 1913. 36 AUGUST STROBEL, Das heilige Land der Montanisten: Eine religionsgeographische Untersuchung, Berlin 1980, 46–49; cf. J ENSEN, God’s Self-Confident Daughters (see n. 4), 242 n. 93. The area around Ortaköy (approximately 30 km southwest of the site of ancient Pepouza) is regrettably now permanently flooded by a large reservoir (see T ABBERNEE, Fake Prophecy [see n. 1], 5 n. 5), precluding any archaeological work which might confirm or disprove the location of Ardaubau in the region. 37 STROBEL, Das heilige Land (see n. 36), 46 n. 137. 38 For example, HEINRICH KRAFT , Die altkirchliche Prophetie und die Entstehung des Montanismus, TZ 11 (1955), 260; IDEM, Die Entstehung von Gemeindeverbänden, in: Wolfgang Schrage (ed.), Studien zum Text und zur Ethik des Neuen Testaments, Berlin 1986, 236; ROBERT M. GRANT , Augustus to Constantine: The Thrust of the Christian
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Since my colleagues and I discovered the long-lost ancient sites of Pepouza and Tymion and since, through archaeological field work at both sites, we have become very familiar with the geography of the area, I no longer think, as I once did, that Preuschen’s suggestion is too fanciful to be taken seriously.39 While I am not yet convinced that Ardabau was not an as-yet-unlocated village in the general vicinity of Pepouza and Tymion, I now believe that it is at least also possible that “Ardab” may have been Montanus’ (and the Montanists’) name for the field or plain on which the expected New Jerusalem was to descend. If Montanus could metaphorically call Pepouza and Tymion “Jerusalem” on the basis of Rev 21:10, there is no reason, theoretically speaking, why he could not also have metaphorically called the southern part of what is now known as the “Plain of Banaz” (Turkish: Banazovası) “Ardab” on the basis of 4 Ezra 9:26. If “Ardabau” was indeed a Phrygian village, Montanus may have chosen to commence his prophesying there specifically because of its similarity to the name of the field where Ezra received the revelation which launched his “career” as a prophet (12:38–45). If “Ardab” is the name given metaphorically by Montanus to the field (or plain) where Montanus expected the New Jerusalem to descend, then he may have chosen the southern part of the Banazovası precisely because its geographic and topographic features reminded him of 4 Ezra’s description of the field of Ardab. In Montanus’ time, the Banazovası was, as mentioned, part of a huge imperial estate consisting of flat, fertile land – vacant apart from some small settlements. In the south, the Sindros (now Banaz) River (Turkish: Banaz Çayı) flowed through a 70-km-long canyon (today called the Ulubey Canyon; Fig. 8). Pepouza was nestled on the banks of the Sindros in a part of the canyon where it widens sufficiently to provide enough land above flood level for buildings to be safe and also protected by the north wall of the canyon. Reaching the agricultural plateau above and beyond the canyon walls, especially if approaching Pepouza from the east, involved walking on a hazardous path, at points wide enough for only one person at a time with the waters of the Sindros to one’s left (Fig. 9).40 Occasionally fires raged through the canyon, such as one which sometime after 862 C.E. destroyed a monastery built into the canyon wall 1.2 km west of Pepouza (Fig. 10).41 None of this, of course, is definitive. There are numerous plac———————— Movement into the Roman World, London 1971, 159; TREVETT , Montanism (see n. 1), 24–26; STEWART -SYKES, The Asian Context of the New Prophecy (see n. 29), 431; P OIRIER, Montanist Pepuza-Jerusalem (see n. 4), 505. 39 Contrast TABBERNEE, Montanist Inscriptions (see n. 18), 18. 40 See TABBERNEE / LAMPE, Pepouza and Tymion (see n. 18), 68, 74, 101–7, 163–65. 41 This monastery was one of the major factors in identifying the site of Pepouza (TABBERNEE, Portals of the New Jerusalem [see n. 25], 89–93); cf. TABBERNEE / LAMPE, Pepouza and Tymion (see n. 18), 93–100, 106–7. On the archaeological remains of the
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es in that part of Turkey consistent with 4 Ezra’s topographical descriptions relating to the city from the Most High built on a plain.42 It is at least hypothetically possible, however, that the determining factor for Montanus in choosing the Pepouza/Tymion location for the expected descent of the New Jerusalem was that all the topographical features contained in the relevant sections of both the book of Revelation and 4 Ezra existed in the vicinity: a high mountain; a vacant, verdant plain; and difficult access to that plain. The location was also only about 55 Roman miles (81.4 km) due east of Philadelphia (Fig. 2), the city whose faithful Christian inhabitants were the first to be informed about their future participation in the city of God, the New “Jerusalem out-of-heaven” (Rev 3:11). It may, at first, seem strange that Montanus decided that the New Jerusalem would descend in Phrygia rather than in what, in his day, was the Roman province of Syria Palaestina. It is important to remember, however, that thirty years before Montanus began his prophetic ministry, the historic Jerusalem had virtually been razed to the ground, following the BarKochba revolt of 132–135 C.E. and replaced by the Roman city of Aelia Capitolina named in honor of the emperor Publius Aelius Hadrianus, i.e., Hadrian (117–138), and the Capitoline god Jupiter. Jews, and, therefore, also Jewish-Christians, were no longer permitted to reside there (Eusebius, Hist. eccl. 4.6.1–4) – making old Jerusalem and its vicinity an unlikely place (at least presumably in Montanus’ view) for the New Jerusalem.
6 Montanus’ Eschatology 6.1 Apollonius’ Charges The exact wording of Montanus’ teaching on the New Jerusalem and its future location between Pepouza and Tymion on what is now the Plain of Banaz is not transmitted by Apollonius. As with his synopses of Montanus’ prophetic teaching on issues such as marriage and fasting, Apollonius merely summarizes the main contents in order to show that, in his view, Montanus was a pseudo-prophet, the illegitimacy of whose teaching was self-evident (Fr., ap. Eusebius, Hist. eccl. 5.18.1–2). Apollonius, however, may have had access to one of the collections of the oracles of the founders of the New Prophecy movement which were in circulation at the time ———————— monastery and the devastating effects of the fire on the monastery’s wooden superstructure and installations, see TABBERNEE / LAMPE, Pepouza and Tymion (see n. 18), 206–30, 251–53. 42 See also TREVETT , Montanism (see n. 1), 25–26.
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(cf. Anonymous, Fr., ap. Eusebius, Hist. eccl. 5.16.17; 5.17.1)43 rather than merely oral sources. If so, this collection would have provided Apollonius with the specific wording of Montanus’ teaching on the appearance of the New Jerusalem at Pepouza/Tymion. As in the case of other opponents of the New Prophecy movement, Apollonius, however, merely wanted to belittle Montanus’ teaching on this and other topics and, therefore, only recorded in summarized form what he considered to be particularly ridiculous: namely that (the New) Jerusalem could be equated with what he described as “small (i.e., “insignificant”) cities in Phrygia”; that Montanus wanted people from everywhere to gather there; and that Montanus initiated some kind of administrative structure, which included collecting funds for the salaries of the New Prophecy’s emissaries (Fr., ap. Eusebius, Hist. eccl. 18.2). All we can do is speculate about the precise reasons why Montanus established an administrative structure at Pepouza and why he wanted people to gather there. Perhaps, as argued by C. Weizsäcker, Montanus’ Phrygian Jerusalem was based on the model of the Jerusalem in Acts 1:8 as the organizational center of the missionary activities of the New Prophecy.44 I am no longer persuaded, however, of the plausibility of Weizsäcker’s theory that Montanus named Pepouza (and Tymion) “Jerusalem” on the basis of the book of Acts rather than the book of Revelation.45 Given the wide range of texts utilized by Montanus (and other Montanist prophets and prophetesses) in their “charismatic exegesis,” Acts 1:8 may well have figured in Montanus’ thinking, but it cannot have been used instead of, or in isolation from, the texts about the New Jerusalem in the book of Revelation discussed above. Regarding Montanus’ desire that people from everywhere should assemble in Pepouza, it is possible that Montanus, on the basis of 4 Ezra 13:12–13a, believed that the Messiah would come down there from the nearby mountain (Ömercalı) to address those from among the nations who will be saved (cf. 4 Ezra 13:36–37, 47–49). Even if so, however, this should not be taken as evidence supporting popular modern characterizations of Montanism as a movement which summoned all Christians to Pe———————— 43
See TABBERNEE, Fake Prophecy (see n. 1), 12–15. For the oracles themselves, see LABRIOLLE, La crise montaniste (see n. 35), 34–105; KURT ALAND, Bemerkungen zum Montanismus und zur frühchristlichen Eschatologie, in: idem, Kirchengeschichtliche Entwürfe: Alte Kirche, Reformation und Luthertum, Pietismus und Erweckungsbewegung, Gütersloh 1960, 143–48; R ONALD E. HEINE, The Montanist Oracles and Testimonia, Macon 1989, 2–9; TABBERNEE, Recognizing the Spirit (see n. 3), 521–526. 44 C. W EIZSÄCKER, Review of NATHANAEL G. BONWETSCH, Die Geschichte des Montanismus, Erlangen 1881, TLZ (1882), col. 76. 45 Contrast TABBERNEE, Revelation 21 and the Montanist ‘New Jerusalem’ (see n. 14), 57. DE
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pouza to await the Second Coming of Christ in a specific year.46 Perhaps all that Montanus wanted was for those who shared his belief that the New Jerusalem would appear on the Plain of Banaz between Pepouza and Tymion to make a pilgrimage to the site, regardless of when the promised descent would occur. Following his death, and the deaths of Maximilla and Priscilla, Montanist pilgrims had a double reason to go to Pepouza: to visit the shrine of the founding prophet and prophetesses of the New Prophecy movement as well as to see and, as noted already, participate in certain rites at the site of the still-expected New Jerusalem – perhaps hoping that they might be the fortunate ones still alive at the time of the New Jerusalem’s appearance (Epiphanius, Pan. 49.1.4). Whether or not a troublesome third-century, possibly Montanist, prophetess at Caesarea in Cappadocia was intending to make such a pilgrimage is debatable. She spoke of going “to Jerusalem” (Firmilian, Ep. ap. Cyprian, Ep. 75.10.3),47 but whether she meant by this Pepouza in Phrygia or Aelia Capitolina in Syria Palaestina is unclear. 6.2 Tertullian’s Defense of Montanus Tertullian (ca. 160/70–ca. 220), a leading member and lay theologian of the Christian community in Carthage in Africa Proconsularis certainly had access to a collection of Montanist oracles. This collection included logia about the New Jerusalem and the other teachings which Apollonius attributes to Montanus. In fact, when a copy of Apollonius’ polemic against the New Prophecy, written ca. 205/6, came to Tertullian’s attention a few years later, Tertullian responded immediately by refuting Apollonius’ depiction of what Montanus (and his followers) actually believed and practiced. “We differ in this alone [from other Christians],” Tertullian wrote, “that we do not permit second marriages nor reject Montanus’ prophecy concerning the impending judgment” (Fr. Ecst., ap. Praedestinatus, Haer. 1.26). Tertullian, in this response, shows that he believes Apollonius’ charge that Montanus taught his followers to dissolve marriages (Apollonius, Fr., ap. Eusebius, Hist. eccl. 5.18.2a) to have been a distortion of what Montanus had really taught about marriage. In Tertullian’s understanding, the New Prophecy movement, following the teachings of Montanus, was ———————— 46 For example, 177 C.E., as suggested by G ERALD L. BRAY, Holiness and the Will of God: Perspectives on the Theology of Tertullian, Atlanta 1979, 55; cf. N ORMAN COHN, The Pursuit of the Millennium: Revolutionary Millennarians and Mystical Anarchists of the Middle Ages, Oxford 1970, 25. Against such misleading interpretation of Montanism, see TREVETT , Montanism (see n. 1), 103–5; cf. EADEM, Eschatological Timetabling and the Montanist Prophet Maximilla, StPatr 31 (1997), 218–220. 47 See also n. 61 below.
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against re-marriage, not against the institution of marriage itself.48 Similarly, Tertullian’s response also indicates that he accepted eschatological dimensions of Montanus’ prophecy such as Montanus’ teaching concerning the impending judgment – which was just one part of Montanus’ total eschatology. 6.3 “The Impending Judgment” Montanus’ “prophecy concerning the impending judgment” was undoubtedly based on Rev 20:11–14, the passage which immediately precedes the detailed description of the New Jerusalem (21:1–22:5). In Rev 20:11–14, God (cf. 14:7) is portrayed as sitting on a great white throne, judging “the dead” – who had been brought back to life for that purpose (cf. 20:5). There were opened books in front of the throne, including the “book of life.” The (temporarily no-longer) dead were judged according to their deeds as recorded in these books. Anyone “whose name was not found written in the book of life was thrown in the lake of fire” (20:15; cf. 19:12; 20:10), described as “the second death” (20:14). This “impending judgment” occurs, according to the book of Revelation, at the end of a period of one thousand years (“the millennium”) during which Christ and his faithful martyrs (raised from the dead in the “first resurrection” ahead of all the other dead) reign (20:4–6). When the millennium is over, Satan is briefly released from the bottomless pit where he has been imprisoned for the whole thousand years (20:1–3, 7) He temporarily deceives the nations and assembles them for battle. They march over the whole earth but, before they can hurt the saints, they are consumed by fire (20:8–9). Significantly, the fire is described as coming down ἐκ τοῦ οὐρανοῦ (“out of heaven”) – utilizing the same phrase which describes the New Jerusalem. Nor surprisingly, given its proximity in the book of Revelation to both the account of the “impending judgment” and “the New Jerusalem,” Montanus must have been well aware of the prediction about the fire “out-ofheaven.” According to a late source, Montanus, at the time of his approaching death, told his gravediggers to bury him fifty cubits deep: “Because fire will come and consume all the face of the earth” (Montanus, Log., ap. Michael the Syrian, Chron. 9.3; IMont 2). The alleged death-bed Sitz im Leben may not be historically accurate, but the oracle itself is undoubtedly the kind of statement Montanus could have made as part of his teaching on eschatology.49 ———————— 48 49
TABBERNEE, Fake Prophecy (see n. 1), 151–53. STEPHEN GERO, Montanus and Montanism According to a Medieval Syriac Source, JTS.NS 28 (1977), 523; TABBERNEE, Montanist Inscriptions (see n. 18), 41–42.
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6.4 Millennialism and the “Age of the Paraclete” Whether his familiarity with Rev 20:1–15 means that Montanus personally also espoused some form of traditional millennialism is debatable, as is the view that Montanism was essentially a millennialist movement.50 What is not debatable, is that Montanism taught a kind of dispensationalism; that is, the view that human history passed through a number of different periods or “ages.” Tertullian, who became an avid supporter and defender of the New Prophecy movement around 208 C.E. or slightly later, for example, explains to his non-Montanist-influenced fellow Christians in Carthage that there has been a gradual advance in spiritual and ethical maturity. After an initial rudimentary “natural-law” state, there was a progression of “infancy” through the “Law and the Prophets” (i.e., the Hebrew scriptures). “Infancy” was followed by “youthful adolescence” as a result of the Gospels, leading ultimately to “adult maturity” through the revelations of the Paraclete (via Montanus and the other Montanist prophets and prophetesses). The Paraclete’s contemporary revelations were not new doctrines but, rather, the full ethical implications of what had already been taught by Christ and handed on by the apostles about the content of the faith (Tertullian, Virg. 1.4–7; Res. 63.7.9; Prax. 30.5; Mon. 3.1). In this new era, the Holy Spirit/Paraclete was revealing to the church what Christians had not been ready to hear, or act on, previously (cf. John 16:26). Charles Hill suggests that [the] new age of the Paraclete functions in some ways as the millennium does for Irenaeus, as a new advanced phase of salvation history that fills up what was lacking in God’s promises.51
Any apparent inconsistency between the ethical revelations of the Paraclete via the New Prophecy and what had been communicated about ethical behavior to earlier generations of the faithful is attributed by Tertullian to divine, but temporary, benevolence bestowed during the two earlier eras. The Holy Spirit, knowing that the previous people of God of both old and new covenants had not been capable of living out the full ethical dimensions of the faith, had graciously permitted greater laxity – a laxity which the Paraclete had, in the new age, legitimately decided to amend in ———————— 50 Contrast, for example, DANIEL H. W ILLIAMS, The Origins of the Montanist Movement: A Sociological Analysis, Religion 19 (1989), 331–351 with C HARLES E. HILL, The Marriage of Montanism and Millennarianism, StPatr 26 (1993), 140–146; cf. IDEM, Regnum Caelorum (see n. 33), 143–159. See also T REVETT, Montanism (see n. 1), 95–105 and EADEM, Eschatological Timetabling, 218–224. 51 HILL, Regnum Caelorum (see n. 33), 152; cf. 152 n. 34: “Structurally, this age of the Spirit sounds like the millennium.” On Irenaeus’ view of the millennium, see Hill, Regnum Caelorum (see n. 33), 11–20.
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accordance with what, really, had always been God’s highest standards. For instance, while Tertullian acknowledged that, in the two previous eras, the Spirit of God had permitted various types of multiple marriage (e.g., polygamy among the Hebrew patriarchs and remarriage after the death of one’s spouse among early generations of Christians), he argues that currently in the changed context of a Christianity “come of age,” it is the prerogative of the same Holy Spirit to reveal a more strict marital ethic for mature Christianity: Now, if at this present time, a limit of marrying is being imposed, as, for example, among us a spiritual reckoning decreed by the Paraclete is defended, prescribing a single matrimony in the faith, it will be his to tighten the limit who formerly had loosened it. (Marc. I.29.4)
The reference to the Paraclete here is undoubtedly simultaneously a reference to Montanus, the Paraclete’s human mouthpiece for this particular oracle on the new age of spiritual reckoning in respect of matters such as marriage. Montanus, it appears, often prophesied utilizing first-person speech, introduced by formulae such as “I, the Lord God Omnipotent ... ”; “I, the Lord God, the Father” (Log., ap. Anti-Phrygian, Fr., ap. Epiphanius, Pan. 48.11.1, 9);52 or “I am the Word, the Bridegroom, the Paraclete, the Almighty, I am All Things” (Log., ap. Theodore of Heraclea, Fr. Matt. 24.24).53 As already noted, Montanus’ teaching on marriage, based on the logion referred to by Tertullian in Marc. 1.29.4, was attacked by Apollonius and later defended by Tertullian in his reply to Apollonius. Marc. 1.29.4 is the earliest unambiguous passage in Tertullian’s treatises showing a direct influence of the New Prophecy. It, like Marc. 3.24.4 (see below), was originally composed sometime after April 208, but both passages were possibly revised when Tertullian later added books 4 and 5 of this multi-volume work against the teachings of Marcion (d. ca. 160) and his followers.54 6.5 Montanus’ Logion on the New Jerusalem Marc. 3.24.4 contains a section on the New Jerusalem which reads: ———————— 52 On the anonymous anti-Montanist author, helpfully designated the Anti-Phrygian by LAURA S. NASRALLAH, “An Ecstacy of Folly”: Prophecy and Authority in Early Christianity, Cambridge, Mass. 2003, 4, 155–196, see T ABBERNEE, Fake Prophecy (see n. 1), 50–53. 53 On this logion, which has not been included in any published collection of Montanist logia/oracles, see ANNA MARIA BERRUTO MARTONE, Dialogo tra un Montanista e un Ortodosso, Bologna 1999, 98–100; and TABBERNEE, Fake Prophecy (see n. 1), 281, 381. 54 See TIMOTHY D. BARNES, Tertullian Revisited: A Postscript, in: idem, Tertullian: A Historical and Literary Study, Oxford 1985, 326–328.
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This (is the city) with which Ezekiel was acquainted, the apostle John had seen, and for which the saying of the New Prophecy, which belongs to our faith, provides evidence – having even predicted the appearance of an image of the city, as a portent, before it will actually be made visible.
As in Marc. 1.24.4, Tertullian does not quote the ipsissima verba of the “saying of the New Prophecy” but merely summarizes its contents. Tertullian’s summary, however, proves the existence of a specific Montanist logion about the New Jerusalem. Although Tertullian does not name the Montanist prophet (or prophetess) who uttered the logion, given Apollonius’ testimony that it was Montanus himself who uttered statements on the subject (as in the case of the Montanist teaching about marriage and remarriage), there is no reason to assume that Tertullian had any other prophet or prophetess in mind. Whether the no-longer extant logion referred to here by Tertullian is part of the logion referred to by Apollonius is not clear. Regardless, Tertullian’s summary of the logion (or of part of a longer logion) adds the important detail that, whatever else it may have said about the city known to Ezekiel (48:30–35) and seen by John (Rev 21:9–22:5), the logion predicted the appearance of an image (effigiem) of the city as a sign before its actual manifestation. This aspect of the logion may have been based on 4 Ezra 9:26, but, if so, Tertullian was either ignorant of that or did not bother to mention the connection. In fact, Tertullian mentions neither the field of Ardab nor Pepouza or Tymion in connection with the New Jerusalem or its “preview.” According to Tertullian, the symbolic precursor of the New Jerusalem had recently appeared in Judaea/Syria Palaestina, attested by unspecified pagan witnesses who claimed that an image of a city, suspended in the sky, had been seen briefly in the mornings for forty consecutive days (Marc. 3.24.4). 6.6 Brighter Than a Hundred Suns Another logion uttered by Montanus relevant to determining Montanus’ eschatology is the only one preserved in true oracular form. It commences with a question, presumably put to the Paraclete by Montanus, and is followed by the Paraclete’s reply – communicated by Montanus himself as the Paraclete’s mouthpiece: [Montanus]: Why do you call the one who has been saved more than a human being? [The Paraclete/Montanus]: Because the righteous one shall shine a hundred times more than the sun and the little ones among you who have been saved shall shine a hundred times more than the moon. (Log., ap. Anti-Phrygian, Fr., ap. Epiphanius, Pan. 48. 10.3)
This logion/oracle provides another good example of the kind of “charismatic exegesis” which produced Montanist prophetic utterances. It is based
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primarily on Matt 13:43: “Then the righteous shall shine like the sun in the kingdom of their Father.” This statement is attributed by the author of the Gospel to Jesus as part of a prediction about “the end (συντέλεια) of the age” and what will happen to the righteous (13:36–43). Montanus’ own logion appears to have also been influenced by Dan 12:1–3, Rev 1:16, 10:1, 21:22–22:5 and, probably, 4 Ezra 9:25 – the description of the shining face of the woman who turns out to be the new Jerusalem (see above). Dan 12:1–3, like Matt 13:36–43, relates to the “time of the end” (cf. Dan 11:40) and predicts what will happen to the “good” and “evil” people at that time. As in the final judgment scene in Rev 20:11–14, everyone “who is found written in the book” shall be delivered (Dan 12:1b). “Many of those who sleep in the dust of the earth shall awake, some to everlasting life, and some to shame and everlasting contempt” (12:2). Daniel is told: “Those who are wise shall shine like the brightness of the sky [i.e., the firmament] and those who lead many to righteousness, like the stars forever and ever” (12:3). The brightness of the night sky (illuminated by the moon) presumably provided Montanus with the perfect parallel to the brightness of the day sky (illuminated by the sun) for the second part of his oracular prophecy. The reference to the “little ones” undoubtedly came from texts such as Isa 11:6, Matt 18:1–5, and Luke 18:16–17. In the book of Revelation, the face of the Christ who appears to John “was like the sun shining with full force” (1:16; cf. Matt 17:2). Similarly, the face of one of the angels whom John sees in his various visions is also described as being “like the sun” (10:1). Significantly, this angel, the seventh of those with a trumpet (8:6), is described (like the fire which consumes Christ’s enemies and the New Jerusalem itself) as coming out of heaven (ἐκ τοῦ οὐρανοῦ, 10:1). It is concerning this angel that John is told: “There will be no more delay, but in the days when the seventh angel is to blow his trumpet, the mystery of God will be fulfilled ... .” (10:7). Interestingly, when John is finally shown the “holy city Jerusalem coming down out of heaven from God” (21:10), he notices that “the city has no need of sun or moon to shine on it, for the glory of God is its light, and its lamp is the Lamb” (21:23). Montanus, like all readers of the book of Revelation, would have recalled immediately the Lamb’s (i.e., Christ’s) face shining like the sun (1:16), standing among the seven golden lampstands (1:12–13), symbolizing the “seven churches which are in Asia” (1:4, 20) – and which themselves are representative of the whole Christian community: “the bride, the wife of the Lamb” (21:9), the New Jerusalem (21:2, 9– 10). The conquering faithful (2:1–3:22), who co-inhabit this New Jerusalem whose light is God and whose lamp is the Lamb, “will see his face and his name will be on their foreheads. And there will be no more night; they need no light of [ordinary] lamp or sun, for the Lord God will be their
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light, and they will reign forever and ever” (22:4–5). In Montanus’ “charismatic exegesis” of the relevant texts, the righteous, who have been saved, having seen the face of Christ will, in the New Jerusalem, reflect his light and shine a hundred times more brightly than the sun – in the city that needs no sun – and a hundred times more brightly than the moon – in the city that has no night.
7 Maximilla Montanus was not the only one of the founders of the New Prophecy to make eschatological statements. The anonymous late second-century Phrygian bishop who was Eusebius of Caesarea’s main source for the New Prophecy movement apparently had quoted a number of Maximilla’s oracles on the topic. Frustratingly, Eusebius does not incorporate those quotations into his own work. He does, however, encapsulate the contents of some of them by reporting that in respect of Maximilla, the Anonymous “mentions publicly uttered oracles of hers through which she predicted that there would be wars and a state of anarchy” (Hist. eccl. 5.16.18). That Maximilla indeed predicted wars and a state of anarchy prior to “the end” seems assured from a further, undoubtedly genuine, oracle attributed to Maximilla by Epiphanius’ anonymous source – the “AntiPhrygian.” Like Eusebius’ Anonymous (cf. Fr., ap. Eusebius, Hist. eccl. 5.16.18–19), the Anti-Phrygian makes the case that the non-fulfillment of Maximilla’s prophetic oracles about the future prove her to be a false prophetess. He argues that her very own words comprise the strongest argument against her (Fr., ap. Epiphanius, Pan. 48.2.4a). These words include the following logion: “After me, a prophet (or prophetess) shall no longer exist – but (the) sunteleia (συντέλεια)!” (Maximilla, Log., ap. AntiPhrygian, Fr., ap. Epiphanius, Pan. 48.2.4b). The word συντέλεια is often translated as “(the) end,” especially in phrases such as συντελείας τοῦ αἰῶνος (“the end of the age”; e.g., Matt 24:3 [NRSV]). Maximilla’s eschatological prediction, therefore, could mean that she believed that after her death there would be no further prophets or prophetesses because the end of the-then-current world order would have arrived. If so, she must have believed in the immanent appearance of the New Jerusalem. However, given the Anonymous’ testimony that Maximilla predicted through (a number of separate?) oracles that “there would be wars and a state of anarchy,” a more nuanced translation of συντέλεια and interpretation of what Maximilla really predicted is required. Maximilla’s reference to wars and anarchy are undoubtedly based on Mark 13 (this Gospel’s eschatological discourse) and, in particularly, its
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expanded version in Matthew 24. In the Matthean version, the disciples ask Jesus, “[W]hat will be the sign of your coming and of the sunteleia (συντέλεια; NRSV: “end”) of the age?” (24:3). Jesus replies, “And you will hear of wars and rumors of wars; see that you are not alarmed; for this must take place, but the telos (τέλος; NRSV: “end”) is not yet (24:6, emphasis added). Jesus then explains that although “nation will rise against nation and kingdom against kingdom” this is “but the beginning” of the trials and tribulations which will befall Christians during this penultimate period before the end itself. False prophets will arise. Many Christians will “fall away” and the love of others “will grow cold.” Those who endure “to the end” (τέλος), however, “will be saved. And this good news of the kingdom will be proclaimed throughout the world, as a testimony to the nations; and then the end (τέλος) will come (12:7–14, emphasis added). It is obvious that, regardless of whether the statement can be traced back to the actual words of Jesus, Matthew 24 makes a clear distinction between the sunteleia (literally, the coming together of “end things”) and the telos (the ultimate end). The “wars and rumors of wars” are signs of the sunteleia – not of the telos itself. The fulfillment of the events to occur during the period of the sunteleia (persecution; false prophecy; apostasy; endurance; proclamation of the gospel throughout the world) will, in turn, signal the coming of the telos. That, like the Jesus of the Gospels, Maximilla distinguished between the συντέλεια and the τέλος, on the basis of texts such as Matthew 24, is clear from the Anti-Phrygian’s attack on her utterance. Immediately after quoting the oracle under discussion here, he accuses Maximilla of being a false prophetess because her prediction has not been fulfilled. While she said that “after her would be the sunteleia, this has not yet come to pass even though a great number of kings have come and a great deal of time has elapsed” (Fr., ap. Epiphanius, Pan. 48.2.6). Similarly, the Anonymous claims Maximilla’s prophecy to be invalid because at the time he was writing (ca. 192/3),55 more than thirteen years had passed since Maximilla’s death – without a single local or Empire-wide war and, on the contrary, peace, even for Christians (Fr., ap. Eusebius, Hist. eccl. 5.16.19). The references to the kings, wars, and lack of persecution all confirm that even her opponents understood that Maximilla’s oracle referred to the penultimate stage of human history (the συντέλεια), not to the end itself (the τέλος). The sunteleia, of course, was a very important step on the way to the final telos, when the New Jerusalem would appear, but if Maximilla ever said anything specifically about the appearance of the New Jerusalem in any of her no-longer-extant oracles, she undoubtedly would have predicted its appearance after the completion of the sunteleia. ———————— 55
TABBERNEE, Fake Prophecy (see n. 1), 3–7.
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8 Montanist “Eschatological Timetabling” Montanist “eschatological timetabling” (to borrow Trevett’s term”)56 appears to have involved three phases: (1) the “age of the Paraclete”; (2) the “sunteleia”; and (3) the “telos.” The oracles and other logia of the Montanist prophets and prophetesses helped Montanists to understand how they were to live out their Christian lives in the “age of the Paraclete” in ways which conformed to the rigorous discipline prescribed by the Paraclete. This discipline would also prepare them for the trials and tribulations of the period of the sunteleia and help them to look beyond the sunteleia to the telos itself. The second phase, the period of the sunteleia, was the time when final matters in human history were being “wrapped up” – everything being played out in accordance with God’s plan for the world and the world to come. It is during this time when Christians would be severely tested and it is perhaps this period, rather than the “age of the Paraclete” itself,57 which most closely resembled the “millennium” as defined in other early Christian theologies. And it is this period, the sunteleia, which Montanus may have had in mind specifically when he was prophesying about “the judgment to come” and establishing his organizational structure for spreading the “good news” as understood and interpreted by the New Prophecy movement. The third phase in the Montanist eschatological timetable was the telos, the true end of human history as currently experienced. It is the period when, after the “first heaven and the first earth” have “passed away” and “a new heaven and a new earth” have been created (Rev 21:1), that New Jerusalem (21:2; 21:9–22:5) would be established on the plain between Pepouza and Tymion.
9 The Bridegroom, the Bride, and the Lamp-bearing Virgins The Montanist understanding of the “age of the Paraclete” as a time of expectation and preparation for the imminent sunteleia (as predicted by Maximilla) and for the ultimate telos, including the New Jerusalem descending near Pepouza (prophesied about first by Montanus and later by Quintilla), was also influenced by biblical images of Christ as the “bridegroom” and the Church as the “bride.” According to the Gospel attributed to John, John the Baptist, in clarifying for his disciples that he was not the Messiah, re———————— 56 57
See n. 46 above. As argued by Charles Hill, quoted above (see n. 51).
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ferred to Jesus as the bridegroom and to himself as “the best man” (3:28– 30), declaring that “[t]he one who comes from heaven (ἐκ τοῦ οὐρανοῦ) is above all [things] (πάντων)” (3:31). The logion by Montanus preserved by Theodore of Heraclea, quoted above, seems to have drawn from this and other Johannine passages: “I am the Word (ὁ λόγος: John 1:1), the Bridegroom (ὁ νυµφίος: John 3:29), the Paraclete (ὁ παράκλητος: John 14:26 et al.), the Almighty (ὁ παντοκράτωρ: Rev 1:8 et al.), I am All Things (τὰ πάντα; cf. John 3:31)” (Montanus, Log., ap. Theodore of Heraclea, Fr. Matt. 24.24). Unfortunately, as is the case in so many of the Montanist logia preserved by anti-Montanist authors, only the introductory “authenticating” prophetic formula is cited by Theodore. Consequently, we do not know the content of what Montanus went on to say once he had made the declaration that he was the mouthpiece of the Word/Bridegroom/Paraclete/the Almighty/All Things. However, given the inclusion of “Bridegroom” and “the Almighty” in this group of Johannine-derived titles for Christ/God, it is more than likely that the oracle (or oracles58) dealt with the New Jerusalem and the end of time. In Rev 21:2, the author of the book of Revelation declares: “And I saw the holy city, the [N]ew Jerusalem, coming down out of heaven from God, prepared as a bride adorned for her husband (ἀνδρί).” While the actual word employed is “husband,” not “bridegroom” (νυµφίος), the context indicates that the term husband here means new husband, i.e., the husband (= bridegroom) for whom the bride is adorned on her wedding day. The author of the book of Revelation has already prepared the reader (or hearer) by saying earlier: Then I heard ... [a] voice ... crying out, “Hallelujah! For the Lord our God reigns. Let us rejoice and exult and give him the glory, for the marriage of the Lamb has come, and his bride has made herself ready ... . Blessed are those who are invited to the marriage supper of the Lamb.” (Rev 19:6–7, 9)
In introducing his more detailed description of the New Jerusalem, John states: Then one of the angels ... said to me, “Come, I will show you the bride, the wife of the Lamb.” And in the spirit he carried me away to a great, high mountain and showed me the holy city Jerusalem coming down out of heaven from God. (Rev 22:9–10, emphasis added)
That the New Jerusalem, whatever its future physical reality might be, was, for the author of the book of Revelation, simultaneously a metaphorical image of the relationship between Christ/the Lamb and the church (cf. Eph ———————— 58 It is possible that the logion in its preserved form is based on more than one authenticating introductory formula, see TABBERNEE, Fake Prophecy (see n. 1), 281, 381.
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5:23–32) would not have been lost on Montanus. Documentary evidence of exactly how he utilized this insight while prophesying in the name of the Bridegroom, has, however, not survived the deliberate burning of Montanist books from the time of Constantine onwards (e.g., Eusebius, Vit. Const. 3.65; Cod. theod. 16.5.31.4).
10 Lamp-bearing Virgins Matthew’s Gospel contains a well-known story, attributed to Jesus, about ten bridesmaids waiting for an unspecified time to meet an expected bridegroom in order to be ready to accompany him to the wedding banquet whenever he should appear (Matt 25:1–13). At least in later times, but perhaps also earlier, this story influenced Montanist eschatological thinking and introduced a novel liturgical practice. From Epiphanius’ description of the Quintillians, we learn that during their worship services … lamp-bearing virgins enter, ... robed in white, in order to prophesy to the people. They exhibit a kind of enthusiasm to the people present, working a deception to make everyone weep; they pour forth tears as though, in compassion they are evoking repentance and by their demeanor are lamenting human existence. (Pan. 49.2.3–4).
A related fifth- or early sixth-century epitaph from Ancyra (IMont 87) reads: Here sleeps one of the five lamp-bearing virgins, the most divine-beloved one of Christ, Stephania, the hēgoumenē.59
Given the epigraphic evidence of the existence of a Montanist community in Ancyra at that time provided by Trophimus’ epitaph (discussed above), there is no doubt that Stephania was the leader (hēgoumenē) of a Montanist group of women who, like their predecessors and contemporaries in Pepouza, re-enacted the role of the wise (rather than the foolish) virgins of Matthew 25. Through their dramatic liturgical activity, these white-robed virgins prepared the congregation, by calling them to repentance, to be ready for the coming of the “bridegroom” (Christ) and for the New Jerusalem (the bride). The excessive weeping by the lamp-bearing virgins and the congregation may have been intentionally provoked to demonstrate liturgically that when the New Jerusalem is established, God will personally dwell with the people of God and “wipe every tear from their eyes” (Rev 21:4). Likewise, as the book of Revelation promises that those who dwell with God in the New Jerusalem will need no “light of lamp” because “the Lord God will be their light” (22:5; cf. 21:24), the lamp-bearing vir———————— 59
TABBERNEE, Montanist Inscriptions (see n. 18), 519.
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gin’s lamps (like those of the wise virgins in Matthew 25) appear to point to the time when their light is no longer needed.
11 Sacred Space Immediately following his summary of Quintilla’s logion recording the oracle of the female Christ about the descent of the “Jerusalem-out-ofheaven” at Pepouza, Epiphanius declares: Because of this, they say, certain women and men are initiated there in the place up to the present day – these very women or men having waited (ἐπιµεινάσας) in order to behold Christ. (Pan. 49.1.4)60
As we do not know exactly when Quintilla lived, it is impossible to tell how many years or decades had passed since the oracle was uttered and when Epiphanius wrote this section of the Panarion in 376 or 377.61 Epiphanius’ main point, however, is clear. Regardless of how long a time had passed since Quintilla’s reinforcement of the New Prophecy’s foundational belief in the appearance of the New Jerusalem at Pepouza based on the Montanist interpretation of the Revelation of John, Montanist pilgrims continued to consider the place to be holy and to have eschatological expectations associated with that sacred space.
———————— 60 The latter part of this statement may also be translated “may live long enough to see Christ”; see FRANK WILLIAMS, trans., The Panarion of Epiphanius of Salamis, 2 vols., Leiden 1987 [2nd ed. 2009], 1987 [2nd impression 1997]), 2:22 n. 4. 61 TABBERNEE, Fake Prophecy (see n. 1), 265.
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Fig. 1: Tymion Inscription (see p. 657).
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Fig. 2: Roman Province of Asia (Map by R. C. Engle, September 30, 2009) (see pp. 653, 660, 662).
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Fig. 3: Location of Pepouza and Tymion (Map by R. C. Engle, September 30, 2009) (see pp. 657, 659).
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Fig. 4: Site of Ancient Pepouza (see p. 8).
Fig. 5: Site of Ancient Tymion (see p. 658).
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Fig. 6: Ömerçalı (“Montanus’ Mountain”) (see p. 658).
Fig. 7: Site of Montanist “New Jerusalem” between Pepouza (in Ulubey Canyon) and Tymion (in distance on Plain of Banaz), as seen from Ömerçalı looking North (see p. 659).
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Fig. 8: Roman Aqueduct Spanning the Banaz Çayı (Ancient Sindros) in the Ulubey Canyon at Cılandıras (see p. 661).
Fig. 9: Ancient Narrow Path in Ulubey Canyon East of Pepouza with Banaz Çayı below to the Left (see p. 662).
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Fig. 10: Remains of Ancient Monastery Near Pepouza (see p. 662).
Die apokryphe Thomasapokalypse und ihre Rezeption der Offenbarung des Johannes TOBIAS NICKLAS
Die allgemeine Frage nach dem literarischen Verhältnis zwischen der Offenbarung des Johannes und anderen frühchristlichen Apokalypsen ist schwer zu beantworten – und in gewissem Sinne doch leicht. Bereits bei der Durchsicht durch verschiedene apokalyptische Texte des antiken Christentums zeigt sich in erster Linie deren Vielfalt und Verschiedenheit. Mit Recht wird bis heute diskutiert, ob und inwiefern man tatsächlich von einem einheitlichen Genre „Apokalypsen“ sprechen sollte und – wenn ja – unter welchem gemeinsamen Nenner dann die unterschiedlichen Texte zusammengefasst werden können.1 Ich möchte mich nun aber nicht auf das gefährliche Terrain des Problems formaler Zusammenhänge zwischen verschiedenen „christlichen“ Apokalypsen und der Offenbarung des Johannes begeben, sondern die mindestens ebenso interessante Frage nach literarischen Rezeptionen der neutestamentlichen Offenbarung in anderen apokalyptischen Texten stellen. ———————— 1 Zur Forschungsgeschichte vgl. z.B. A. BEDENBENDER, Der Gott der Welt tritt auf den Sinai: Entstehung, Entwicklung und Funktionsweise der frühjüdischen Apokalyptik, ANTZ 8, Berlin 2000, 32–53. Die weiterhin einflussreichste Definition eines Genres „Apokalypsen“ geht sicherlich auf J. J. COLLINS, Introduction: Towards the Morphology of a Genre, Semeia 14 (1979), 1–20 (9), zurück. Vgl. aber auch die Vorschläge von J. CARMIGNAC, Qu’est-ce que l’apocalyptique? Son emploi à Qumran, RdQ 10 (1979), 3– 33 (20), sowie DERS., Description de phénomène de l’apocalyptique dans l’Ancien Testament, in: D. Hellholm (Hg.), Apocalypticism in the Mediterranean World and the Near East. Proceedings of the International Colloquium on Apocalypticism, Uppsala, August 12–17, 1979, Tübingen ²1989, 163–170 (164f.); D. E. AUNE, The Apocalypse of John and the Problem of Genre, Semeia 36 (1985), 65–96 (86f.); C. KAPPLER, Introduction générale, in: ders. et al., Apocalypses et voyages dans l’au-delà, Paris 1987, 15–45 (17); H. STEGEMANN, Die Bedeutung der Qumranfunde für die Erforschung der Apokalyptik, in: D. Hellholm, Apocalypticism in the Mediterranean World, 495–530 (526–528), sowie R. BAUCKHAM, Apokalypses, in: D. A. Carson (Hg.), Justification and Variegated Nomism I: The Complexities of Second Temple Judaism, WUNT II 140, Tübingen u.a. 2001, 135–187 (135) (in starker Anlehnung an C OLLINS).
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Auch hier ist das Ergebnis zumindest bei einigen der bekannteren Texte weitgehend negativ: Die kurze „Apokalypse“ im Schlusskapitel der Didache (Did. 16) zeigt im Grunde nur an einer Stelle Anklänge an die Offenbarung des Johannes; literarische Abhängigkeit kann daraus aber nicht gefolgert werden.2 Der Hirt des Hermas lässt sich zwar dann formal als Apokalypse bestimmen, wenn man die Dimension des Hereinbrechens transzendenter Offenbarungen in die immanente Welt für dieses Genre entscheidend hält. Die für die neutestamentliche Offenbarung so wichtigen Enthüllungen über Ereignisse der Endzeit aber spielen hier praktisch keine Rolle. Vor allem jedoch zeigt der Text auch bei näherer Untersuchung insgesamt nur ganz wenige, vage Anspielungen auf neutestamentlich gewordene Texte und soweit ich sehe, keine deutlichen Parallelen zur Offenbarung des Johannes.3 Bei der Ascensio Isaiae wiederum, die gleichzeitig oder eine Generation später als die neutestamentliche Offenbarung entstanden sein dürfte,4 zeigen sich genauso wenig Spuren literarischer Ab———————— 2 Auch hier ist zunächst natürlich einmal darüber nachzudenken, ob wir es mit einer „Apokalypse“ im engeren Sinne zu tun haben. Zumindest wo streng die Definition von COLLINS, Morphology (s. Anm. 1), 9, angewendet wird, kann man diesen Text im Grunde nicht mehr als Apokalypse bezeichnen. – Die genannte Stelle ist Did. 16,4, wo man darüber nachdenken könnte, ob die hier zum Ausdruck gebrachte Idee vom Verführer der Welt, der wie der Sohn Gottes Zeichen und Wunder tut, an Offb 13,2 und 13,13 anklingt. Daneben gibt es aber eine Reihe anderer Parallelen (vgl. Mt 12,24; 2Thes 2,9; Offenbarung des Petrus 2,12; Sib 2,165–170; 3,63–67). Zum Text vgl. A. LINDEMANN / H. PAULSEN , Die Apostolischen Väter, Tübingen 1992, 20. Dort sind auch einige der genannten Parallelen angeführt. Weiterführend zum (inzwischen wieder umstrittenen) literarischen Verhältnis der Didache zu neutestamentlichen Texten vgl. den Beitrag C. M. T UCKETT , The Didache and the Writings that later formed the New Testament, in: ders. / A. Gregory (Hg.), The Reception of the New Testament in the Apostolic Fathers, Oxford et al. 2005, 83–127. 3 Zum literarischen Verhältnis zwischen dem Hirten des Hermas und neutestamentlichen Schriften vgl. v.a. J. VERHEYDEN, The Shepherd of Hermas and the Writings that Later Formed the New Testament, in: A. Gregory / C. M. Tuckett, Reception (s. Anm. 2), 293–331. 4 Die Datierung der Ascensio Isaiae wird weiterhin kontrovers diskutiert. Es scheint sich aber eine Einordnung zwischen dem Ende des 1. Jahrhunderts und der Mitte des 2. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung mehr und mehr nahezulegen. Für eine Frühdatierung bereits in der Zeit um 70–80 n.Chr. plädiert R. BAUCKHAM, The Ascension of Isaiah: Genre, Unity and Date, in: ders., The Fate of the Dead: Studies on Jewish and Christian Apocalypses, NovT.S 93, Leiden u.a. 1998, 363–390 (389), während E. N ORELLI, Ascensio Isaiae: Commentarius, CChr.SA 8, Turnhout 1995, 65–66, die Kapitel 6–11 ans Ende des 1. Jahrhunderts und die Kapitel 1–5 an den Beginn des 2. Jahrhunderts einordnet, und J. KNIGHT , Disciples of the Beloved One: The Christology, Social Setting and Theological Context of the Ascension of Isaiah, JSP.S 18, Sheffield 1996, den Text im Umfeld der Probleme, die auch im Briefwechsel zwischen Plinius d.J. und Trajan (112 n.Chr.) deutlich werden, einordnet. Etwas allgemeinere Datierungen in die erste Hälfte des 2. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung bieten z.B A. ACERBI, L’Ascensione di Isaia: Cristo-
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hängigkeit wie in der griechischen (bzw. äthiopischen) Offenbarung des Petrus aus der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts, in der zudem die Offenbarung jenseitiger Welten einen deutlich größeren Schwerpunkt als in der Johannesapokalypse bildet. Nur wenige Parallelen, die auf literarische Kenntnis schließen lassen, bietet schließlich auch die deutlich später einzuordnende Paulusapokalypse.5 Fündig wird man erst bei einigen späteren, weniger bekannten Texten, von denen einer im Folgenden vorgestellt sei: Von der apokryphen Thomasapokalypse sind heute zwei lateinische Fassungen – eine Kurz- und eine Langrezension – erhalten.6 Die meist als jünger angesehene längere Fassung findet sich in Cod. Clm. 4585 fol. 66v– 67v (M), einem auf das 9. Jahrhundert zurückgehenden Codex aus Benediktbeuern, der heute in der Bayerischen Staatsbibliothek zu München liegt, einer Handschrift aus der Kapitelbibliothek zu Verona (V), die auf das 8. Jahrhundert unserer Zeitrechnung zurückgehen dürfte, sowie in Codex Vaticanus Palatinus Nr. 220 (P, 9. Jahrhundert). Meist als älter gilt die Kurzfassung, von der ein fragmentarischer Text in dem Palimpsest Codex Vindobonensis Palatinus 16 (früher Bobbiensis: B) fol. 60r–60v vorliegt, dessen im 8. Jahrhundert überschriebener Text auf das 5. Jahrhundert zurückgehen dürfte und damit zumindest die Entstehung der Kurzfassung in der Spätantike sichert. Hauptzeuge der Kurzfassung ist demnach Codex Clm. 4563 fol. 40r–40v (11./12. Jahrhundert) aus Benediktbeuern, der heute ebenfalls in der Bayerischen Staatsbibliothek liegt. Dieser Text soll – mit einer Reihe begründeter Abweichungen und Hinweisen auf einige interessante Varianten – die Grundlage der folgenden Untersuchung bilden. Der früheste Hinweis auf die Thomasapokalypse begegnet im Decretum Gelasianum (in seiner heutigen Form 6. Jh.), wo sie zusammen etwa mit der Offenbarung des Petrus als apokryph verworfen wird.7 Auf einen Beleg in der Hieronymuschronik des Berliner Codex Philippsianus hat bereits ———————— logia e profetismo in Siria nei primi decenni del II secolo, SPMed 17, Mailand 1989, 282, oder P. C. BORI, L’estasi del profeta: ‘Ascensio Isaiae’ 6 e l’antico profetismo cristiano, CrSt 1 (1980), 367–389 (385–387). 5 Wenige Parallelstellen sind angegeben in H. D UENSING / A. DE S ANTOS OTERO, Apokalypse des Paulus, in: W. Schneemelcher (Hg.), NTApo II: Apostolisches, Apokalypsen und Verwandtes, Tübingen 61999, 644–675. 6 Zur Textüberlieferung vgl. z.B. die Angaben bei A. D E S ANTOS OTERO, Thomasapokalypse, in: Schneemelcher, NTApo II (s. Anm. 5), 675–679 (675), und (ausführlicher als SANTOS OTERO) R. FAERBER, Apocalypse des Thomas, in: P. Geoltrain / J.-D. Kaestli (Hg.), Écrits apocryphes chrétiens II, Bibliothèque de la Pleíade, Paris 2005, 1019–1043 (1022–25.27f.). Zusätzlich zu erwähnen ist, dass sich eine überarbeitete Version des Textes in dem späten Dialog zwischen Hadrian und Epiktet – ebenfalls in einer Münchener Handschrift (Cod. Clm. 8439 aus dem 15. Jahrhundert) – findet. 7 Zur Rezeption des Textes vgl. die knappe Darstellung bei F AERBER, Apocalypse (s. Anm. 6), 1022–1023.
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im Jahr 1908 C. Frick verwiesen.8 Nachwirkungen lassen sich zudem vor allem in Überarbeitungen des Textes in der mittelalterlichen irischen Kirche und im altenglischen Raum feststellen.9 Wie wenig Aufmerksamkeit diesem Text in den vergangenen Jahrzehnten zuteil wurde, zeigt der beinahe vollkommene Mangel an neuerer Sekundärliteratur: Bis heute liegt weder eine gute zugängliche Gesamtedition des Textes vor,10 noch existieren neuere Studien selbst zu den wichtigsten Einleitungsfragen. So ist bis heute nicht eindeutig geklärt, ob es sich um einen ursprünglich griechischen oder lateinischen Text handelt, oder aber auch, welche der beiden Textfassungen die ältere darstellt.11 Offen ist damit natürlich auch die Frage nach der konkreten Datierung und historischen Einordnung des Textes: Bis heute wird die bereits von Bihlmeyer im Jahr 1911 nur sehr vorsichtig formulierte Hypothese wiederholt, der Text zeige Bezüge zu manichäischen (oder anderen gnostischen) Kreisen (oder sei wenigstens von ihnen verwendet worden)12; auch Aussagen über seine Verwendung in priszillianistischen Milieus sollten zumindest noch einmal ———————— 8
C. FRICK, Die Thomasapokalypse, ZNW 9 (1908), 172–173. Zu einer ersten Einführung in die Rezeption des Textes in Irland vgl. M. MCNAMARA, The Apocrypha in the Irish Church, Dublin 1984, 119–121. – Weiterführend für irischen und altenglischen Raum vgl. J. D. S EYMOUR, The Signs of Doomsday in the Saltair na Rann, Proceedings of the Royal Irish Academy C 36 (1921–24), 154–163; M. FÖRSTER, A New Version of the Apocalypse of Thomas in Old English, Anglia 73 (1955), 6–36; R. FAERBER, L’Apocalypse de Thomas en vieil anglais, Apocrypha 4 (1993), 125–139; sowie C. D. W RIGHT , The Apocalypse of Thomas: Some New Latin Texts and their Significance for the Old English Versions, in: K. Powell / D. Scragg (Hg.), Apocryhal Texts and Traditions in Anglo-Saxon Ireland, Cambridge 2003, 27–64. 10 M. R. J AMES, The Apocryphal New Testament, Oxford 1924 (repr. 1972), 555– 556, berichtet von Plänen E. VON DOBSCHÜTZS, eine Edition des Textes vorzulegen, zu deren Publikation es aus ungeklärten Gründen aber nicht mehr kam. Eine Edition des Textes im Auftrag der A.E.L.A.C. bereitet m.W. derzeit Charles W RIGHT vor. – So liegen bis heute nur z.T. kaum mehr die Standards moderner Editionstechnik erfüllende Ausgaben von einzelnen Textzeugen vor, die zudem sehr verstreut publiziert sind: Vgl. F. W ILHELM, Deutsche Legenden und Legendare, Leipzig 1907, 40–42 (Codex M); J. B ICK, Ein apokryphes Sendschreiben der Apostel, in: SAWW.PH 159.7 (1908), 90–99 (Codex B); E. HAULER, Zu den neuen lateinischen Bruchstücken der Thomasapokalypse und eines apostolischen Sendschreibens im Codex Vind. Nr. 16, WSt 30 (1908), 308–340 (327f.: Codex B); M. R. J AMES, Notes on Apocrypha I. Revelatio Thomae, JThSt 11 (1910), 288–290 (Codex V); D. P. BIHLMEYER, Un Texte non interpolé de l’Apocalypse de Thomas, RevBen 28 (1911), 270–282 (Codex N mit Varianten anderer Zeugen). 11 Während die meisten Autoren davon ausgehen, dass der Kurztext die ältere Fassung darstelle, hält M. DANDO, L’Apocalypse de Thomas, Revue d’études Cathares 28 (1977), 3–58, die längere Fassung für ursprünglich, die er aufgrund möglicher Parallelen u.a. mit der Epistula Apostolorum für einen ursprünglich judenchristlichen Text des 3. Jahrhunderts hält. 12 Vgl. hierzu B IHLMEYER , Texte (s. Anm. 10), 281f. – Wohltuend vorsichtig ist hier FAERBER, Apocalypse (s. Anm. 6), 1026. 9
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kritisch überprüft werden.13 Während die Kurzfassung keinerlei identifizierbare historische Ereignisse spiegelt, bietet die Langfassung zumindest an einer Stelle eine recht klare Anspielung auf Arcadius und Honorius, die Söhne des Theodosius, sowie den Tod des ersteren im Jahr 408; weniger klar ist eine mögliche Anspielung auf die Eroberung Roms durch den Vandalen Geiserich im Jahr 455.14 Ich kann diesen Fragen im Folgenden nicht im Detail nachgehen, will ich nicht das eigentliche Thema aus den Augen verlieren. Zumindest ein oberflächlicher Blick in den Kurztext der Thomasapokalypse erweckt das Gefühl einer Vielzahl literarischer Beziehungen, Aurelio de Santos Otero spricht in Bezug auf die Struktur des Textes gar von „starker Anlehnung an die kanonische Apokalypse des Johannes“.15 Um eine meiner Thesen bereits vorweg zu nehmen: Der genauere Blick in den Text lässt an diesem ersten Eindruck zweifeln. Auch ich gehe zwar davon aus, dass die Thomasapokalypse die kanonische Offenbarung des Johannes rezipiert; viele der in den heutigen Textausgaben und Übersetzungen angegebenen Parallelen aber gehen keineswegs so weit, dass sie so eindeutig auf literarische Abhängigkeit schließen lassen, wie dies vermutet wurde. Dies sei im Folgenden anhand des Kurztextes der Thomasapokalypse im Detail gezeigt. Ich nehme dabei, wie bereits angedeutet, Bezug auf den erstmals im Jahr 1911 von D. P. Bihlmeyer edierten Kurztext des Codex N der Bayerischen Staatsbibliothek.16 Einbezogen werden dabei wichtige Varianten anderer Textzeugen; der Münchener Text wurde inzwischen an Fotos des Originals überprüft.17 Zur besseren Zitierbarkeit teile ich lateinischen Text wie deutsche Übersetzung nach dem auch von R. Faerber in der französischen Ausgabe der Bibliothèque de la Pléiade verwendeten System ein:18 1 AUDI THOMAS QUIA EGO sum Filius dei patris, et ego sum pater omnium spirituum.19 Audi a me signa quae futura sunt in fine huius saeculi, quando implebitur20 finis saeculi, et antequam exeant electi de saeculo.
———————— 13 D. H. DE BRUYNE, Fragments retrouvés d’apocryphes priscillianistes, RevBen 24 (1907), 318–335. 14 So C. MORESCHINI / E. NORELLI, Early Greek and Latin Literature: A Literary History II: From the Council of Nicea to the Beginning of the Medieval Period, Peabody, MA 2005, 231. 15 DE S ANTOS OTERO, Thomasapokalypse (s. Anm. 6), 676. 16 BIHLMEYER, Texte (s. Anm. 10). 17 Die Textvarianten waren zunächst aus der bereits genannten Ausgabe von B IHLMEYER, Texte (s. Anm. 10), 274f., übernommen. Überprüfungen waren bisher nur an Fotos der Zeugen M und N möglich. 18 FAERBER, Apocalypse (s. Anm. 6).
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2 Dicam tibi quae in palam nunc 21 fiunt hominibus, et cum ista futura fuerint, principes, angeli non sciunt, quoniam absconsa sunt nunc ante illos.22 3 Tunc erunt participationes in saeculo inter regem et regem, et erit in uniuersa terra famis magna, pestilentiae magne, et necessitates multae, et filii hominum captiuibuntur 23 per uniuersas gentes, et cadent in mutrones 24 et erit tumultus magnus in saeculo.25 4 Tunc postea hora finis adpropinquante26, erunt per VII dies signa magnae in celo, et uirtutes caelorum mouebuntur. 5 Tunc erit prima die inicium horae terciae diei, uox magna, et fortis in firmamento celi, et nubes sanguinea ascendit de aquilone, et tonitrua magna, et fulgura fortia adsecuntur illam, et operiet illa totum caelum27, et erit pluuia sanguinis28 super terram totam. Ista sunt signa primae diei. 6 Secunda autem die, erit uox magna in firmamento celi, et mouebitur terra de loco suo, et portae celi aperientur in firmamento celi ab oriente, et fumus ignis magni eruptus erit29 per portas celi, et cooperiet totum celum usque in sero.[col. b] In illa die erunt timores et pauores magni in saeculo. Ista sunt signa secundae diei. 7 Tercia uero die, circa horam terciam 30 erit uox magna in celo, et abyssi terrae de IVor mundi angulis mugebunt31, pinne firmamenti caeli aperientur32, et totus aer implebitur columnarum33 fumi, pudor sulphoris male pudens erit usque in horam decimam et dicent homines, putamus34 finis adpropinquabit ut pereamus, haec sunt signa terciae diei. 8 Quarto autem die hora prima, a terra orientis liquabitur35 abyssus et mugebit, tunc
———————— 19 Das Incipit des Textes unterscheidet sich in den verschiedenen Textzeugen sehr deutlich voneinander. So spricht etwa M von einem „Brief des Herrn an Thomas“; P bietet Iesus dixit Thomas dii iudicii. 20 B bietet statt quando implebitur die Worte ut transeat. 21 Hinzufügung von non durch eine spätere Hand. 22 Der gesamte Abschnitt lautet in der Fassung von Codex B: in palam non fient facta omni homini ubi ista futura sint principes angelorum potestatem saeculi non scierunt quod absconsa sunt abante illos in quem diem impleuerit in se finis et potestatem piorum. 23 Korrektur durch zweite Hand: captivabuntur. B bietet im Anschluss daran das Plus: in praelio. 24 Korrektur durch zweite Hand: mucrones. B und P bieten zudem das Plus gladii. 25 Der Satz erit ... saeculo fehlt in B. 26 Die Worte hora finis adpropinquante fehlen in BPM. 27 Die Worte operiet ... caelum fehlen in B. 28 Anstelle der Worte pluuia sanguinis bieten B erit ignis und P plubi sanguine et ignes. 29 Anstelle von fumus ... erit bieten P potestas ignis magna eruptauit und M potestas magna eructuabitur. 30 Korrektur von zweiter Hand: secundam. 31 Anstelle von mugebunt bietet P dabunt mugitum und M dabunt uocem. 32 BIHLMEYER vermutet hier eine Verschreibung für operientur. Dies würde sicherlich besseren Sinn machen. 33 Der Text totus ... columnarum fehlt in P, das dafür im Anschluss die Worte fumi pudoris et sulphoris dure et mala pudentis bietet. 34 M P bieten puto anstelle von putamus. 35 BIHLMEYER vermutet hier eine Verschreibung für loquebitur; FAERBER für loquetur; P bietet terra orientis loquitur et abyssi mugebunt.
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commobitur uniuersa terra a uirtute terrae moti. In illa die cadebunt adornamenta 36 gencium, et omniae aedificiae terrae a uirtute terrae moti. Ista sunt signa IV ae diei. 9 Quinto uero die hora VIta subito erunt37 tonitrua magna in celo, et uirtutes de lumine, et rota solis aperietur38, et erunt tenebrae magnae in saeculo usque in sero, et erit aer tristis sine sole et luna, et stellae cessabunt39 in ministerio suo, in illa die omnes gentes ita uidebunt, uelot in sacculo, et contempnent 40 uitam saeculi huius. Ista sunt signa Vediei. 10 Sexto autem diei hora IVa 41erit uox magna in celo, et scindebitur firmamentum celi ab oriente usque ad occidentem, et erunt angeli celorum prospicientes in terram per aperturas celorum, et omnes homines qui sunt in terra42 uidebunt exercitum angelorum prospicientes de celo. Tunc omnes homines fugebunt in monumentis 43 [fol. 40v], et abscondent se a conspectu iustorum angelorum44, et dicent, utinam terra aperiret se et deglutiret nos45. Fiunt enim talia qualia numquam facta sunt ex quo saeculum istud creatum est.46 [1347 Tunc me uidebunt desuper uenientem in lumine patris mei 48 cum uirtute et honore sanctorum angelorum. Tunc in aduentum meum soluetur 49 clausura ignis paradysi, quoniam ex igne paradysus cinctus est. Haec est autem ignis perpetuus, qui consumit, orbem terrarum et uniuersa mundi elementa. Tunc spiritus et animae sanctorum exeunt de paradyso et uenient50 in omnem terram et unusquisque ad suum corpus uadit51 ubi depositum est, et dicet unusquisque illorum, hic positum est corpus meum. Et cum audita fuerit uox illorum spirituum magna, tunc erit terrae motus super uniuersum orbem terrarum, et uirtute terrae motus illius52 super montes, et petre scindentur53 ab
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M bietet idolas statt adornamenta; P ab monumenta. P bietet subierunt statt subito erunt. 38 BIHLMEYER vermutet hier erneut eine Verschreibung für operietur; P bietet rapetur, M rapietur. 39 P bietet hier uetabuntur, M uertebuntur. 40 Anstelle von omnes gentes ... contempnent bietet P omnes gentes odientes seculum contempnant und M hudibunt seculum et continebunt. 41 P bietet hora quinta. 42 Anstelle von qui sunt in terra bieten P M uidebunt desuper terram. 43 P bietet anstelle von monumentis die Worte speluncas moncium. M endet hier. 44 P bietet anstelle von a conspectu iustorum angelorum die Worte ante conspectu uirtutis angelorum. 45 P bietet hier per terram nubes aperiat et deglutiat. 46 P bietet hier quo mundus creatus est. 47 Der gesamte als Nr. 13 markierte Abschnitt findet sich in P als Abschluss des achten Tages. Da er auch nur dort sinnvoll verstehbar ist, muss m.E. davon ausgegangen werden, dass er auch in der ursprünglichen Fassung an diese Stelle zu platzieren ist. Über die genauen Gründe kann vor einer genaueren Untersuchung der Textzeugen nur spekuliert werden. 48 P bietet stattdessen uenientem super nubem liminis sanctu patris mei. 49 Offensichtlich stand hier ursprünglich soluebitur, was dann ausradiert wurde. 50 P bietet statt uenient die Worte implebunt orbem terrarum. 51 P bietet statt corpus uadit das Prädikat corpus uas aprarebunt. 52 P bietet hier magna erit uirtus terre moti. 53 Hier wurde offensichtlich ursprüngliches scindebuntur ausradiert und durch scindentur ersetzt.
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imo54. Tunc reuertentur spiritus unusquisque ad suum uas, et resurgent corpora sanctorum qui dormierunt55. Tunc mutabuntur corpora illorum in inmaginem 56 et similitudinem, et honorem sanctorum angelorum, et in uirtutem imaginis sancti patris mei57, tunc uinduentur ueastae uitae aeternae de nube luminis58 quae in hoc saeculo numquam uisa est, etenim nubes descendit de superiore celorum regno a uirtute patris mei 59, et circumdabit60 illa [col. b] nubes decore suo 61 omnes spiritus qui in me crediderunt. Tunc uestientur et portabuntur per manus sanctorum angelorum, sicut antea praedixi uobis. Tunc et in aera 62, tollentur in nube luminis, et ibunt mecum gaudentes in celis, et tunc permanebunt in lumine et honore patris mei. Tunc erit illis magnum gaudium coram patre meo, et coram angelis sanctis.] Hec sunt signa VIe diei. 11 Septimo autem die, hora octaa, erunt voces in IVor angulis celi, et mouetur totus aer et implebitur angelis sanctis63, et faciunt inter se bellum 64 tota die, et in illa die inquirentur electi ab angelis sanctis de perdictione saeculi 65. Tunc uidebunt omnes homines66, quia hora perdictionis illorum adpropinquabit67. Ista sunt signa VIIme diei. 12 Transactis autem septem diebus. octaua die68, hora sexta, erat69 uox tenera et suauis in caelo ab oriente. Tunc propalabitur70 angelus ille qui habet potestatem super angelus [sic] sanctos, et exibunt cum illo omnes angeli sedentes super currus de nubibus sancti patris mei71, gaudentes, et currentes, super aera sub celo ut liberent electos qui in me crediderunt, et gaudent72 perdictionem saeculi uenisse. FINIUNT UERBA SALUATORIS AD THOMAM, DE FINE ISTIUS MUNDI.
Übersetzung: 1 Höre, Thomas, denn ich bin der Sohn Gottes, des Vaters, und ich bin der Vater aller Geister. Höre von mir die Zeichen, die geschehen werden am Ende dieser Welt, (d.h.) wenn das Ende der Welt erfüllt werden wird und bevor die Erwählten die Welt verlassen.
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P bietet hier et monumenta aperientur ab imo. P bietet hier dormitionem acciperunt. 56 P bietet hier ein Plus celestem nach inmaginem. 57 P bietet anstelle der Wortfolge et in uirtutem ... mei die Worte et in uirtute magna potentis sancti patres mei. 58 P bietet uestientur nube candida. 59 P bietet a uirtutes maiores potestates. 60 P bietet protegit. 61 P bietet corpori suo. 62 P bietet in palam. 63 P bietet stattdessen multitudinem angelorum. 64 P bietet pugna. 65 P bietet statt inquirentur ... perdictione die Wortfolge querent electi de toto animo ut liberentur de perditione. 66 P bietet hier gentes. 67 P bietet hier aduenit. 68 P bietet statt transactis ...die die Wortfolge post istos uero dies in die octauo. 69 Korrektur von zweiter Hand: erit. 70 P bietet proclamavit statt propalabitur. 71 P bietet hier sedentes super currus in nubibus luminis per era super celum. 72 P bietet gaudentes.
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2 Ich werde dir sagen, was nun den Menschen offenbar wird (?); wann (aber) diese zukünftigen Dinge geschehen werden, wissen Fürsten und Engel nicht, weil sie [i.e., die zukünftigen Dinge; TN] nun (noch) vor jenen [d.h. den Fürsten und Engeln] verborgen sind. 3 Dann werden auf der Welt Spaltungen zwischen König und König sein, und auf der ganzen Erde wird großer Hunger herrschen, große Seuchen und viele Nöte, und die Söhne der Menschen werden durch sämtliche Völker hindurch gefangen genommen werden; sie werden fallen/sterben in mutrones, und großer Aufruhr wird auf der Welt sein. 4 Dann später, wenn die Stunde des Endes nahe bevorsteht, werden sieben Tage lang große Zeichen am Himmel erscheinen und die Kräfte der Himmel bewegt werden. 5 Dann, am ersten Tag, zum Beginn der dritten Stunde des Tages, wird eine laute und kräftige Stimme am Firmament des Himmels ertönen, und eine blutige Wolke wird vom Norden her aufsteigen, laute Donnerschläge und starke Blitze jener folgen und jene den ganzen Himmel verhüllen, und über die ganze Erde wird Blut regnen. Dies sind die Zeichen des ersten Tages. 6 Am zweiten Tag aber wird eine laute Stimme am Himmelsgewölbe ertönen, die Erde wird bewegt werden (= beben?), die Pforten des Himmels werden sich am Himmelsgewölbe vom Osten öffnen und der Rauch eines großen Feuerbrandes wird durch die Tore des Himmels ausgespieen werden und den ganzen Himmel bis zum Westen bedecken. An jenem Tag werden große Ängste und großes Zittern (pl.) auf der Welt herrschen. Dies sind die Zeichen des zweiten Tages. 7 Am dritten Tag aber, um die dritte Stunde, wird eine laute Stimme im Himmel ertönen und die Abgründe der Erde werden von den vier Ecken der Welt erdröhnen. Die Zinnen des Himmelsgewölbes werden sich öffnen und die ganze Luft wird erfüllt sein vom Rauch der Pfeiler, der Geruch von Schwefel wird übel riechen bis zur zehnten Stunde und die Menschen werden sagen: Wir glauben, das Ende steht nahe bevor, damit wir vergehen. Dies sind die Zeichen des dritten Tages. 8 Am vierten Tag aber, zur ersten Stunde, wird von der Erde im Osten ein Abgrund fließen und erdröhnen, dann wird die ganze Erde von der Kraft der Erschütterung beben. An jenem Tag werden die adornamenta der Völker und alle Gebäude der Welt von der Kraft der Erschütterung fallen. Dies sind die Zeichen des vierten Tages. 9 Am fünften Tag aber, zur sechsten Stunde, werden plötzlich laute Donnerschläge am Himmel ertönen, die Kräfte vom Licht und das Rad der Sonne wird sich öffnen und eine große Finsternis bis zum Westen wird auf der Erde herrschen, die Luft wird trist sein ohne Sonne und Mond und die Sterne werden aufhören in ihrem Dienst, an jenem Tag werden alle Völker (sie) so sehen wie in einem Sack und sie werden das Leben auf dieser Welt verachten. Dies sind die Zeichen des fünften Tages. 10 Am sechsten Tag aber wird zur vierten Stunde eine laute Stimme im Himmel ertönen und das Himmelsgewölbe wird vom Osten bis zum Westen zerrissen werden und die Engel der Himmel durch die Öffnungen der Himmel Ausschau auf die Erde halten, während alle Menschen, die auf der Erde sind, das Heer der Engel sehen werden, die vom Himmel her Ausschau halten. Dann werden alle Menschen in Grabmälern [sic] flüchten und sich verbergen vor dem Anblick der gerechten Engel und sagen, dass die Erde sich doch öffne und uns verschlinge. Denn es werden Dinge geschehen, wie sie niemals geschehen sind seit der Zeit, in der diese Welt erschaffen wurde. [...] Dies sind die Zeichen des sechsten Tages. 11 Am siebten Tag aber, zur achten Stunde, werden an den vier Enden des Himmels Stimmen ertönen, und die ganze Luft wird bewegt und erfüllt werden von heiligen Engeln und sie werden den ganzen Tag (lang) Krieg unter sich führen. An jenem Tag werden die Erwählten von den heiligen Engeln vom Untergang der Welt gesammelt werden.
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Dann werden alle Menschen sehen, dass die Stunde ihres Untergangs nahe kommen wird. Dies sind die Zeichen des siebten Tages. 12 Wenn aber die sieben Tage vorübergegangen sind, am achten Tag, zur sechsten Stunde, ertönte eine zarte und liebliche Stimme vom Osten her am Himmel. Dann wird jener Engel öffentlich erscheinen, der die Macht hat über die heiligen Engel, und es kommen mit jenem alle Engel heraus. Sie sitzen auf dem Wolkenwagen meines heiligen Vaters; frohlockend fahren sie über der Luft unter dem Himmel, um die Erwählten zu retten, die an mich geglaubt haben und sie freuen sich, dass der Untergang der Welt gekommen ist. 13 [Dann werden sie mich von oben her kommen sehen im Licht meines Vaters mit der Kraft und Ehre der heiligen Engel. Dann, bei meiner Ankunft, wird das feurige Schloss des Paradieses gelöst werden, denn das Paradies ist von Feuer umgeben. Dies aber ist das ewige Feuer, das die Erdscheibe und sämtliche Elemente der Welt verzehrt. Dann werden die Geister und Seelen der Heiligen das Paradies verlassen und auf die ganze Erde kommen. Jeder einzelne geht (dann) zu seinem Körper, (d.h. dem Ort), wo er begraben ist, und jeder einzelne von ihnen sagt: Hier liegt mein Körper. Und wenn die laute Stimme jener Geister zu hören sein wird, dann wird sich ein Erdbeben über den ganzen Erdkreis ereignen und durch die Kraft von jener über die Berge werden sich selbst die Felsen von unten her spalten. Dann werden die Geister eines jeden einzelnen zu ihrem Gefäß zurückkehren und die Körper der Heiligen, die entschlafen sind, wiedererwachen. Dann werden ihre Leiber in Bild, Gleichnis und Ehre der heiligen Engel verwandelt werden und in die Kraft des Bildes meines heiligen Vaters. Dann werden die Kleider ewigen Lebens aus einer Wolke von Licht angelegt, die niemals in dieser Welt gesehen wurde, denn die Wolke steigt vom oberen Reich der Himmel herab durch die Kraft meines Vaters und jene Wolke wird alle Geister, die an mich geglaubt haben, mit ihrem Glanz umgeben. Dann werden sie gekleidet werden und getragen werden durch die Hände der heiligen Engel, so wie ich es euch früher schon vorhergesagt habe. Dann aber in der Luft werden sie in der Lichtwolke emporgehoben, mit mir gehen, jubelnd in den Himmeln. Dann bleiben sie dauerhaft im Licht und der Ehre meines Vaters. Dann wird ihnen große Freude in der Gegenwart meines Vaters und in der Gegenwart der heiligen Engel zuteil werden.] So enden die Worte des Heilands an Thomas über das Ende der Welt.
1 Strukturelle Gemeinsamkeiten zwischen Thomasapokalypse und Offenbarung des Johannes? Bereits in der Edition des oben angeführten Kurztextes der Thomasapokalypse durch D. P. Bihlmeyer im Jahr 1911 findet sich der Gedanke, dass für die Thomasapokalypse wie auch die Offenbarung des Johannes Siebenerschemata eine wichtige Rolle spielen, woraus Bihlmeyer (und im Anschluss an ihn De Santos Otero) folgert, dass das Siebenerschema der Thomasapokalypse „ohne Zweifel“ sein Vorbild in den Siebenerfolgen der Offenbarung des Johannes (sieben Gemeinden, sieben Siegel, sieben Po-
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saunen und schließlich sieben Zornesschalen) haben müsse.73 Ein solcher Bezug ist durchaus möglich, er lässt sich m.E. aber erst dann erhärten, wenn auch auf anderen Ebenen literarische Abhängigkeit zwischen der Thomasapokalypse und der Offenbarung des Johannes nachgewiesen ist. Immerhin spielt die Zahl sieben ja häufig in apokalyptischen Texten eine Rolle (z.B. die Sieben-Wochenapokalypsen in 1Hen 93 und 2Bar 28; sieben Visionen in 4Esra, sieben „Ewigkeitstage“ zur Umkehr laut Sib 2,311 und Sib 8,357). Genauso könnte das Siebenerschema der Thomasapokalypse aber auch (wenn auch frei) von der Schöpfungswoche her bestimmt sein, ohne dass der Text dabei explizit Details aus Gen 1 aufnehmen oder gar eine Art rückläufiger Schöpfung, eine „De-Kreation“ (oder postmodern gesagt: De-Konstruktion des Kosmos), schildern müsste. Der Woche der Schöpfung entspräche dann eine Woche „Jüngster Tage“, nach denen dann ein Tag der Freude über das Vergehen dieses Äons geschildert wird. Zudem unterscheiden sich die Gliederungen beider Texte bei näherem Betrachten doch sehr deutlich voneinander: Während die Offenbarung des Johannes ja bekanntlich (mindestens) drei ineinander verschachtelte Siebenerreihen bietet – die sieben Posaunen fallen ja eigentlich noch unter das siebte Siegel und ebenso die sieben Schalen unter die Vision der letzten Posaune –, findet sich in der Thomasapokalypse nur eine Reihe von sieben Tagen, die wiederum in sich recht stereotyp aufgebaut sind:74 − Einleitung durch Angabe des jeweiligen Tages. Diese ist – außer am zweiten Tag (Abschnitt 6) durch die Angabe einer konkreten „Stunde“ noch näher bestimmt (Abschnitt 5, 7, 8, 9, 10, 11, 12). − Schilderung der entsprechenden Zeichen bzw. Himmelskräfte (siehe hierzu Abschnitt 4!). Einige davon wie Himmelsstimmen (Abschnitt 5, 6, 7, 10, 11), Erdbeben (Abschnitt 6 [?], 8) oder Donnerschläge (Abschnitt 5, 9) tauchen mehrfach, wenn auch in leichten Variationen, auf; einige sind für den jeweiligen Tag spezifisch. − In vielen Fällen werden im Anschluss daran Reaktionen der betroffenen Menschen geschildert (Abschnitt 6, 7, 9, 10, 11); z.T. wird dabei Angst und Schrecken (z.B. Abschnitt 6, 10), z.T. die Erkenntnis des nahenden Untergangs (Abschnitt 7, 11) zum Ausdruck gebracht. − Die einzelnen Tage enden mit der stereotypen Formel haec sunt signa ... diei. ———————— 73 BIHLMEYER, Texte (s. Anm. 10), 276 ; ähnlich D E S ANTOS OTERO, Thomasapokalypse (s. Anm. 6), 676, der von „starker Anlehnung“ spricht, oder FAERBER, Apocalypse (s. Anm. 6), 1024. 74 Vgl. ähnliche Beobachtungen auch bei FAERBER, Apocalypse (s. Anm. 6), 1024, der folgert: „Le rythme prosodique du texte, lorsqu’on le lit à voix haute en latin, donne l’impression qu’il s’agit d’une composition poétique, d’un hymne liturgique.“
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Vor allem jedoch spricht die Thomasapokalypse zwar von sieben Tagen vor dem Ende, ist aber, wenn wir die Textfolge von P auch für den Kurztext als ursprünglich ansehen wollen, am achten Tag bzw. den Ereignissen nach dieser Siebenerfolge, die m.E. geradezu eine Art von Achtergewicht bilden, interessiert. Da der Text zudem in dem mit den Tagen verbundenen Motiv der Angabe konkreter Stunden des Erscheinens himmlischer Zeichen keine mir irgend ersichtliche Konsistenz aufweist,75 vermute ich, dass es ihm weniger auf ein nachvollziehbares System konkreter Zahlenangaben ankommt, als vielmehr auf den dadurch erreichten Effekt eines Zueinanders von Konkretion und Rätselhaftigkeit: Konkretion, da die Angaben zu den einzelnen Stunden zumindest in Relation zueinander unglaublich genau wirken, Rätselhaftigkeit, weil gerade das geheimnisvolle Zueinander von Angaben beim Leser nur den Schluss zulässt, es sei alleine auf den unergründlichen göttlichen Ratschluss zurückzuführen und nicht anders denn durch Offenbarung zugänglich. So dürfte es im Hinblick auf die hier gestellte Frage vor allem sinnvoll sein, auf (mögliche) Detailbezüge der Thomasapokalypse auf die Offenbarung des Johannes einzugehen.
2 Einzelbeobachtungen am Text 2.1 Abschnitt 1 ist in den verschiedenen Zeugen der Thomasapokalypse in sehr unterschiedlicher Weise überliefert – so bietet der Text sich laut Codex M und V etwa als Brief des Herrn an Thomas dar. In der Münchener Kurzfassung gibt sich der Text als Audition an einen weiter nicht näher bestimmten Thomas76 durch denjenigen, der sich als „Sohn Gottes, des Vaters“ und als „Vater aller Geister“ vorstellt. Zumindest vage erinnert dies an die Berufungsszene in der Offenbarung des Johannes: Auch diese beginnt als Audition (Apk 1,10) einer Stimme; dieser aber folgt der für die Apk wichtige Schreibbefehl (1,11.19; 2,1.8.12.18; 3,1.7.14), und als Johannes sich umdreht, mündet sie in eine Vision. Anders als in der Thomasapokalypse spielt in der Offenbarung des Johannes das „Schauen“ ———————— 75 Dies zeigt noch deutlicher der Blick in die Textgeschichte, wo gleich an mehreren Stellen P andere Angaben von „Stunden“ bietet als etwa M und N. 76 Da ich gegenüber der These manichäischen Einflusses auf die Thomasapokalypse sehr skeptisch bin, halte ich die bereits auf BIHLMEYER, Texte (s. Anm. 10), 282, zurückgehende und DE SANTOS OTERO, Thomasapokalypse (s. Anm. 6), 676, wiederholte Hypothese, es handele sich hierbei um einen der drei wichtigsten Schüler Manis, für eher unwahrscheinlich. Zu weit geht m.E. aber auch DANDO, Apocalypse (s. Anm. 11), 19–21, der den Text wegen seiner Erwähnung des Namens Thomas gleich in die Nähe anderer apokrypher Thomasliteratur wie etwa des Thomasevangeliums einordnet und Verbindungen mit Edessa vermutet.
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gerade in Schlüsselszenen eine entscheidende Rolle: Johannes bezeugt „alles, was er geschaut hat“ (1,2), er soll aufschreiben, „was er sieht“ (1,11.19), der Text leitet neue Szenen immer wieder mit den Worten „ich sah“ (Apk 4,1; 5,1; 6,1; 7,1; 10,1 etc.) ein. Daneben finden sich aber auch Parallelen: So spielt auch in der Offenbarung des Johannes die Vorstellung von Christus als dem „Sohn Gottes“ (z.B. 2,18) eine Rolle, Gott kann als „Vater“ bezeichnet werden (1,6; 2,28; 3,5.21; 14,1) und Christus zumindest als der, „der die sieben Geister Gottes“ (3,1; vgl. auch 1,4; 4,5; 5,6b) hat. Auch die Offenbarung des Johannes spricht immer wieder von „Zeichen“ (vgl. z.B. 12,1.3; vgl. aber auch die viel deutlichere Parallele in Mt 24,3 und Offenbarung des Petrus 1,2) wie auch von dem, was „geschehen soll“ (Apk 1,19). Jedes dieser Motive aber ist für sich betrachtet zu allgemein, um bereits als Hinweis auf literarische Abhängigkeit interpretiert werden zu können. Auffallend ist vor allem auch ein Unterschied: Der Thomasapokalypse geht es nicht nur um das Ende der Welt; sie zielt m.E. vor allem auf den Zeitpunkt hin, an dem „die Erwählten die Welt verlassen“ (Abschnitt 1). Demgegenüber spricht die Offenbarung des Johannes zwar auch von der Rettung der Erwählten vor dem Untergang (Apk 7,3), verbindet dies aber mit der Vorstellung eines „neuen Himmels und einer neuen Erde“ (Apk 21,1) und der „heiligen Stadt Jerusalem“ (Apk 21,10): Diese aber ist nicht in den Himmel entrückt, sondern kommt von Gott her aus dem Himmel auf die Erde herab (Apk 21,2.10): Die Bewegung geht also genau in die umgekehrte Richtung. 2.2 Das im zweiten Abschnitt begegnende Motiv, dass der genaue Zeitpunkt, wann die nun offenbarten zukünftigen Ereignisse geschehen werden, unbekannt ist, begegnet regelmäßig in apokalyptischen Texten (vgl. z.B. Mk 13,32 par.; 1Thess 5,2; 2Petr 3,10; Apk 3,3; 16,15) und ist sicherlich für ihren Erfolg, der ja auch mit ihrer Unwiderlegbarkeit zusammenhängt, mitverantwortlich. Demgegenüber ist in der Offenbarung des Johannes sicherlich die Betonung des „baldigen“ Kommens Christi (Apk 3,11; 22,7.12.20) auffallend. Etwas irritierend am Text der Münchener Kurzfassung der Thomasapokalypse ist sicherlich die Wortfolge principes angeli, also die Parallelstellung von Fürsten und Engeln. Ich halte es zumindest für fraglich, ob hier tatsächlich der ursprüngliche Text erhalten ist: Wahrscheinlich erscheint mir eine Verschreibung für principes angelorum, wie durch Codex B bezeugt. Andererseits spricht auch die Offenbarung des Johannes von den „Königen der Erde“ (Apk 1,5) bzw. von Christus als dem „König der Könige“ (Apk 19,16). Ein Bezug zur Thomasapokalypse lässt sich hier aber nicht ausmachen. 2.3 Das nun in der Thomasapokalypse (nicht Codex B!) begegnende Motiv der participationes zwischen den Königen der Welt findet sich so nicht in der Offenbarung des Johannes, für die im Grunde nur ein weltli-
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ches Reich, chiffriert durch Babylon und sicherlich, wenn auch nicht vollständig mit dem Römischen Reich ineins zu setzen, so doch mit ihm in Verbindung zu bringen, eine entscheidende Rolle spielt (vgl. aber Mk 13,8 par. in Anklang an Jes 19,2, sowie Sib 2,8–9).77 Auch das Motiv der Gefangennahme aller „Söhne der Menschen“, was auch immer konkret damit gemeint sein mag, wie auch ihr Tod durch das Schwert (ursprünglich wahrscheinlich mutrones [gladii ?]) begegnet so in der Offenbarung des Johannes nicht. Vielleicht allerdings kann man hier an die Szene von der Öffnung des zweiten Siegels in Apk 6,4 denken, wo der Reiter des feuerroten Pferdes ermächtigt wird, „der Erde den Frieden zu nehmen, damit die Menschen sich gegenseitig abschlachteten“. Oder geht der Bezug noch weiter und sind hier weitergehende antike jüdische wie christliche Vorstellungen eines endzeitlichen Kriegs, die natürlich auch in der Offenbarung des Johannes begegnen (z.B. Apk 19,11–21; vgl. aber auch Sib 3,663ff.; 2Bar 70,7–9; 4Esra 13,5–7; PsSal. 17,24; 1QM 1,10–12; 11,16–18; 15,2–3; 19,1 u.a.), gespiegelt? Dann ordnen sie sich in der Thomasapokalypse aber alleine den (erneut in vielen apokalyptischen Texten begegnenden) Vorstellungen endzeitlicher Not unter. Damit aber sagen auch die motivischen Parallelen zwischen Abschnitt 3 und der Offenbarung des Johannes (Jammern: Apk 1,7b; Hungersnot: Apk 6,6; Schwert, Hunger und Tod: Apk 6,8; Plagen: Apk 11,6; Krankheiten: Apk 16,2; Tod, Trauer und Hunger: Apk 18,7) zumindest hier nichts über mögliche literarische Abhängigkeit aus. 2.4 Kaum im Hinblick auf literarische Abhängigkeit aussagekräftig ist auch die Tatsache, dass die Thomasapokalypse in Abschnitt 4 erneut von „Zeichen“ (am oder im Himmel) spricht: Von solchen ist zwar auch in der Offenbarung des Johannes die Rede; in der Thomasapokalypse aber begegnen diese anders als in der kanonischen Offenbarung aber geradezu in der Rolle eines Leitmotivs. Etwas unklar ist, was damit gemeint ist, dass die „Kräfte“ der Himmel bewegt werden. Sind damit irgendwelche Himmelskörper gemeint (oder eventuell „Mächte“, die in den Himmeln zu lokalisieren sind)? Ich denke, dass man eher an Ersteres denken muss und die „Bewegung“ dann für eine Art von „Beben“ steht. 2.5 Erst bei den Zeichen des ersten Tages (Thomasapokalypse 5) sind etwas weiter gehende Aussagen möglich. Ähnlich wie für konkrete Angaben von Stunden, in denen die Ereignisse stattfinden sollen, scheint sich der Text, wie sich nun immer wieder zeigt, für Himmelsrichtungen zu interessieren (vgl. Abschnitte 5, 6, 7, 8, 10, 11, 12). Auch hier sollte man m.E. nicht von einem dem Text zugrunde liegenden System ausgehen: Vielmehr ———————— 77
BIHLMEYER, Texte (s. Anm. 10), 275, verweist hier auf eine bei Hilarius von Poitiers (in Matth. PL 9,1053) erhaltene Textform von Mt 24,7: gentes aduersus se mutuo et regna concurrent.
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dürfte die Konkretion der Angaben eine ähnliche Funktion haben wie im Falle des „Stunden“-Motivs. Literarische Bezüge zu Angaben der Offenbarung des Johannes, in denen Himmelsrichtungen begegnen (Apk 7,2; 16,12; 21,13), legen sich m.E. nicht nahe: In Texten, in denen kosmische Ereignisse geschildert werden, müssen ja geradezu zwangsläufig immer wieder Angaben wie „Osten, Westen, Norden oder Süden“ begegnen (vgl. z.B. Mt 24,27 par. Lk 17,20; Offenbarung des Petrus 1,6; 4,2; 5,7; Sib 3,26 u.v.a.). „Laute Stimmen,“ von denen nun immer wieder die Rede sein wird, ertönen auch in der Offenbarung des Johannes, so schon bei der Berufung des Johannes (Apk 1,10.15b); zumindest die Stimme des Engels aus Apk 7,2 kommt auch vom Himmel; Apk 12,10 spricht sogar explizit von einer „lauten Stimme im Himmel“ (ἐν τῷ οὐρανῷ), Apk 10,4 und 14,2 je von einer „Stimme vom Himmel her“ (ἐκ τοῦ οὐρανοῦ); doch eine derartige Motivparallele hat kaum etwas mit literarischer Abhängigkeit, sondern damit zu tun, dass beide Texte andeuten wollen, dass es überirdische Mächte sind, die hier rufen, und dass ihr Ruf (zumindest in den letztgenannten Fällen) über die ganze Erde hin vernommen werden kann. Auch „Donner und Blitze“ gehören natürlich mehr oder weniger zum „apokalyptischen Inventar“ – auch in der Offenbarung des Johannes ist mehrfach von ihnen die Rede (Apk 8,5; 10,3–4; 14,2; 16,18). Das erste etwas konkretere Indiz dafür, dass beide Texte etwas mehr als nur vage Anklänge aneinander bieten, zeigt sich womöglich im Motiv der blutigen Wolke und des damit verbundenen Blutregens. Dabei taugt m.E. kaum die von Bihlmeyer, De Santos Otero und Faerber angegebene Parallele Apk 6,12 (vgl. ähnlich 11,6),78 wo es heißt, dass der Mond „wie Blut“ wurde, sondern eher die Passage Apk 8,7, die davon spricht, dass Hagel und Feuer vermischt mit Blut (χάλαζα καὶ πῦρ µεµιγµένα ἐν αἵµατι) auf die Erde fielen. Auch dies geht für sich betrachtet noch nicht allzu weit, da das Motiv vom Blutregen ja auch in anderen Texten begegnet (vgl. Sib 2,20; 3,804 u.a.). Die Tatsache jedoch, dass im unmittelbaren Kontext von Apk 8,7 Motivkonstellationen begegnen, die ähnlich auch in Abschnitt 5 zu finden sind, hilft womöglich weiter: So spricht Apk 8,5 von Blitzen und Donnern, 8,7 von einem Blut- und Feuerregen und 8,8 vom Meer, dessen eines Drittel zu Blut wird. Über einzelne mit Passagen der kanonischen Offenbarung ähnliche Motive hinaus zeigt die Thomasapokalypse, wie sich im Folgenden noch mehrfach (und an noch überzeugenderen Beispielen) zeigen wird, Motivcluster, die sich in ähnlicher Anordnung (wenn auch in ihrem Detail unterschiedlicher Ausgestaltung und z.T. auch Funktion) in der Offenbarung des Johannes finden. Auch das hier beobachtete Beispiel ist für sich ———————— 78
BIHLMEYER, Texte (s. Anm. 10), 275, und im Gefolge DE SANTOS OTERO, Thomasapokalypse (s. Anm. 6), 677 Anm. 12., sowie FAERBER, Apocalypse (s. Anm. 6), 1032 Anm. 5, die zudem auch auf Joel 3,3–4 (= Joel 2,30–31 Vg). verweisen.
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allein betrachtet sicherlich noch wenig überzeugend; an anderen Stellen aber werden sich noch weiter gehende Beispiele ergeben. 2.6 Etwas anders liegt die Situation sicherlich bei der Schilderung des zweiten Tages: Erneut begegnet das Motiv der lauten Stimme, diesmal am Firmament. Die Bewegung der Erde von ihrem Ort könnte zunächst einmal einfach nur ein Erdbeben meinen, das ja regelmäßig in Ereignisse der Endzeit schildernden Texten begegnet: In der Apk ist an die bereits genannte Passage 8,5, aber auch 11,13 zu denken. Man könnte mit Bihlmeyer Abschnitt 6 der Thomasapokalypse aber auch dahingehend verstehen, dass es tatsächlich darum gehe, dass die Erde bzw. Teile von ihr von ihrem angestammten Ort wegbewegt würden.79 Dann bestünde eine Parallele zu Apk 6,14: Thomasapokalypse 6: Apk 6,14:
mouebitur terra de loco suo πᾶν ὄρος καὶ νῆσος ἐκ τῶν τόπων αὐτῶν ἐκινήθησαν.
Literarische Abhängigkeit ist hier durchaus denkbar, wenn auch nicht mit letzter Sicherheit nachweisbar. Wenn sie aber besteht (was sich aufgrund des entstehenden Gesamtmosaiks der Bezüge ja durchaus nahe legt), dann zeigt sich auch, wie die Thomasapokalypse hier arbeitet. Sie interessiert sich zumindest hier nicht für den Kontext des Motivs in der Offenbarung des Johannes, sondern scheint diese wohl als eine Art von literarischem „Steinbruch“ zu benutzen, aus dessen Motivmaterialien sie ihren eigenen Text kreiert. Ähnliches legt sich m.E. auch im zweiten Teil des Abschnitts nahe: Auch in der kanonischen Apokalypse ist vom Rauch die Rede – eine Parallele legt sich am ehesten in Apk 9,2 (vgl. auch Apk 9,17; 18,18) nahe;80 gemeinsam ist hier nicht nur das Motiv des „Rauchs“, dies geht in beiden Texten auch gleichzeitig mit der Vorstellung einher, dass etwas geöffnet werden muss. In der kanonischen Offenbarung aber ist dies ein „Schacht des Abgrunds“ (φρέαρ τῆς ἀβύσσου), in der Thomasapokalypse sind es die „Pforten des Himmels“ (portae caeli). Erneut geht dies kaum so weit, dass literarische Bezüge nachzuweisen sind: Die Thomasapokalypse beschreibt ihr eigenes apokalyptisches Szenario: In dieser Beschreibung aber arbeitet sie im Rahmen vorgegebener Konventionen, für deren bleibende Bedeutung im antiken Christentum auch die Offenbarung des Johannes eine Rolle spielt.81 2.7 Interessant ist nun, dass Abschnitt 6 vom Rauch sprach, der aus den Pforten des Himmels kommt, während er in der Offenbarung aus dem Schacht eines Abgrunds (9,2) kommt: Das dabei verwendete Wort ἀβύσσος – abyssus aber begegnet nun auch in der Thomasapokalypse, ———————— 79 80
BIHLMEYER, Texte (s. Anm. 10), 275, der auch auf Jes 13,13 verweist. Auf Offb 9,2 verweist bereits BIHLMEYER, Texte (s. Anm. 10), 275; auf Offb 9,17 zudem FAERBER, Apocalypse (s. Anm. 6), 1032 Anm. 7. 81 Dies gilt im Grunde auch für das in Apokalypsen weit verbreitete Motiv von „Angst und Zittern“, das Parallelen in Offb 11,13; 16,10 findet.
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wenn auch in einem etwas anderen Kontext. Kann man hier erneut von einem Motivcluster sprechen, das in beiden Texten begegnet, in der Thomasapokalypse aber etwas anders zusammengefügt ist als in der kanonischen Offenbarung? Die Beschreibung des dritten Tages enthält noch weitere Motive, die sich zumindest ähnlich auch in der Offenbarung des Johannes finden: So gehen beide Texte davon aus, dass die Welt vier „Enden“ (oder besser: Ecken) hat (Apk 7,1; vgl. aber auch Ez 7,2),82 erneut ist vom „Rauch“ die Rede, und auch das Motiv des Schwefelgestanks gehört in beiden Texten zur Schilderung endzeitlicher Szenarien. Gleichzeitig aber unterscheidet sich der Kontext von Apk 9,17–18 („Feuer, Rauch und Schwefel“ aus den Mäulern der Pferde des endzeitlichen Heeres) so deutlich von Abschnitt 7 der Thomasapokalypse, dass auch hier zunächst einmal nur von einem gemeinsamen Motivvorrat ausgegangen werden sollte. 2.8 Auch in der Passage über den vierten Tag ist von einem abyssus die Rede. Nicht ganz klar wird m.E., was damit gemeint ist, dass er „fließt“ (liquabitur) und dass er „erdröhnen wird“. Ob sich das erste Problem aufgrund einer Verschreibung für loquebitur (oder loquetur) – vielleicht dann als er wird sprechen bzw. er spricht zu übersetzen – erklären lässt, ist m.E. fraglich.83 Denkbar wäre auch eine Parallele zur Vorstellung vom Schmelzen von Bergen und Hügeln, wie sie in 1Hen 1,6 zum Ausdruck kommt.84 Immerhin könnte man in diesem Zusammenhang an das Motiv der „aufbrüllenden Urflut“ (Hab 3,10b; vielleicht auch Lk 21,25 und Sib 8,346) denken.85 Vielleicht ist dies aber im Zusammenhang mit dem erneuten hier genannten Erdbeben (siehe oben; vgl. Apk 6,12; 11,13; 16,18) zu verstehen. Dass bei der Erzählung über ein Erdbeben auch von seinen Auswirkungen die Rede ist, kann mehr oder minder als erzählerisches Allgemeingut betrachtet werden; auch die Offenbarung des Johannes bietet hier Vergleichbares: Thomasapokalypse 8: In illa die cadebunt … omniae aedificiae terrae a uirtute terrae moti. Apk 11,13: Καὶ ἐν ἐκείνη τῆ ὥρα ἐγένετο σεισµὸς µέγας καὶ το δέκατον τῆς πόλεως ἔπεσεν ...
Weiter noch geht der Bezug auf Apk 16,19: Thomasapokalypse 8 In illa die cadebunt adornamenta gencium, et omniae aedificiae terrae a uirtute terrae moti. Apk 16,19 (vgl. auch die Schilderung der Größe des Bebens in 16,18) ... καὶ αἱ πόλεις τῶν ἐθνῶν ἔπεσαν.
———————— 82 83
Darauf verweist bereits BIHLMEYER, Texte (s. Anm. 10), 275. Der Vorschlag geht auf BIHLMEYER, Texte (s. Anm. 10), 274, zurück und findet womöglich Anhalt an P (loquitur). 84 Dies schlägt auch FAERBER, Apocalypse (s. Anm. 6), 1033 Anm. 8, vor. 85 Vgl. auch B IHLMEYER, Texte (s. Anm. 10), 276.
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Doch auch hier muss noch nicht auf eine literarische Abhängigkeit zur Apk geschlossen werden; andere Texte bieten durchaus Vergleichbares.86 Die Frage nach der Deutung der adornamenta gencium ist nicht ganz leicht. Immerhin bieten die verschiedenen erhaltenen Textzeugen der Thomasapokalypse hier Unterschiedliches, spricht z.B. M von idolas („Götzenbilder“) und P von monumenta („Denkmäler“), was zumindest in der Antike durchaus auch religiöse Konnotationen in sich bergen kann. So erscheint es zumindest nicht unwahrscheinlich, dass mit dem Erdbeben also die Zeichen der Anbetung fremder Gottheiten in den Völkern beseitigt werden. Vergleichbares wird natürlich auch in der Offenbarung des Johannes mit ihrer harschen Kritik am römischen Kaiserkult zu einem wichtigen Thema. Literarische Bezüge lassen sich von hier aus aber nicht erkennen. 2.9 Während wir bisher immer nur mit recht vagen Parallelen zu arbeiten hatten, von denen ein großer Teil in erster Linie darauf zurückgehen mag, dass beide Texte einfach aus einem gemeinsamen Motivinventar schöpfen, das sicherlich in christlichen Kreisen durchaus durch die Offenbarung des Johannes geprägt ist und war, sind wir in den beiden nun folgenden Passagen mit einer etwas anderen Situation konfrontiert. Erneut gehören die „Donnerschläge“ natürlich zum Motivinventar endzeitlicher Szenarien (in der Apk vgl. 8,5; 10,3–4; 14,2). Auch die Vorstellung, dass am Ende der Zeiten Sonne, Mond und Sterne ihren Dienst aufgeben werden, bzw. dass (wenigstens zeitweise) eine tiefe Finsternis eintreten wird, begegnet in einer Vielzahl von Texten mit eschatologischer Ausrichtung (vgl. bereits Jes 13,10; Joel 2,10.31; 3,15; Mt 24,29). Doch darüber hinaus ergibt sich hier erneut eine Art Muster, das darauf schließen lässt, dass die Beziehungen hier weiter gehen als in manch anderen Passagen: Hierzu aber müssen zunächst zwei textliche Probleme geklärt werden: Kaum zu verstehen ist etwa der Satz rota solis aperietur – wie (und warum) das Rad der Sonne „geöffnet“ werden soll, ist unklar. Ich würde deswegen hier (mit Bihlmeyer) einen Schreiberfehler vermuten und davon ausgehen, dass der ursprüngliche Text rota solis operietur lautete:87 Das Rad der Sonne wurde „verdeckt“ bzw. „verhüllt“. Dies passt nicht nur sehr gut in den Kontext, sondern bietet auch eine Lösung für das zweite Problem an: Soweit ich sehe, scheiterten alle bisherigen Ausleger der Thomasapokalypse in dem Versuch, die Wendung velut in sacculo zu deuten. Während etwa De Santos Otero von einer „dunklen Stelle“ spricht88, sucht M. R. James das Heil in der Konjektur in speculo („in einem Spiegel“)89. Ich meine, dass der ———————— 86
BIHLMEYER, Texte (s. Anm. 10), 276, verweist in diesem Zusammenhang auf eine Passage aus Ps-Hieronymus, De XV signis (PL 94, 555). 87 Vgl. bereits B IHLMEYER , Texte (s. Anm. 10), 275. 88 DE S ANTOS OTERO, Thomasapokalypse (s. Anm. 6), 677 Anm. 21. 89 Vgl. J AMES, Apocryphal NT (s. Anm. 10), 560.
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Blick in Apk 6,12 erklärt, was gemeint ist: ... καὶ ὁ ἥλιος ἐγένετο µέλας ὡς σάκκος τρίχινος ... und die Sonne wurde schwarz wie ein härenes Sackgewand – gemeint ist natürlich ein „Trauergewand“. Dass ὡς σάκκος und velut in sacculo wohl das Gleiche meinen, zeigt auch die Vulgataübersetzung von Apk 6,12, die an dieser Stelle tamquam saccus bietet. Der Satz der Thomasapokalypse wird dann m.E. klar, wenn man (je nachdem, was man als Bezug sieht, die Sonne allein, Sonne und Mond, oder alle genannten Himmelskörper) ein Objekt (z.B. eam) ergänzt und den Text analog zu Apk 6,12 versteht: An jenem Tag werden alle Völker sie (d.h. die Sonne) so sehen, als trüge sie ein Trauergewand. Vor diesem Hintergrund fällt natürlich auf, dass sich auch im Kontext von Apk 6,12 Motive finden, die auch in dieser Passage der Thomasapokalypse begegnen:90 So könnte auch die Idee, dass die „Luft“ – ist hier die Zwischenregion zwischen Himmel(n) und Erde gemeint? – „traurig“ (tristis) sein wird, an das in Apk 6,12 zum Tragen kommende Motiv von der Trauer der Sonne anschließen.91 Zudem bietet Apk 6,13 ja auch die Idee vom Ende der Sterne, wenn auch in deutlich anderer Weise als die Thomasapokalypse. Näher an der Formulierung des apokryphen Textes ist hier vielleicht sogar Apk 8,12, wo es heißt, dass „ein Drittel der Sonne, ein Drittel des Mondes und ein Drittel der Sterne getroffen werden, so dass sie ein Drittel ihrer Leuchtkraft verlieren“ und sich dadurch Tag und Nacht um ein Drittel verdunkeln. Vielleicht sollte zudem auch an Apk 9,2 erinnert werden, wo immerhin „Sonne“ (ἥλιος), „Luft“ (ἀήρ) und „Finsternis“ (ἐσκοτώθη) in unmittelbarem Kontext zueinander begegnen; nur wenig später heißt es zudem, dass die Menschen, die das Siegel Gottes nicht tragen, wegen der ihnen durch die Heuschrecken zugefügten Schmerzen „den Tod suchen, aber nicht finden; sie werden sterben wollen, aber der Tod wird vor ihnen fliehen“ (Apk 9,6; vgl. das contempnent uitam saeculi huius zumindest in der Fassung N des apokryphen Textes): Liegt hier eventuell zumindest im Ansatz auch ein Motivcluster vor, das die Entstehung des Textes der Thomasapokalypse verständlicher macht? Dies ist hier zumindest denkbar, sicherlich aber weniger überzeugend als im Bezug auf Apk 6,12–17, der auch für den folgenden Abschnitt bedeutsam wird. 2.10 Wirklich interessant erscheint mir nun die Konstellation in Abschnitt 10, der Schilderung des sechsten Tages. Wenig aussagekräftig ist erneut die Erwähnung der „lauten Stimme“; wichtiger aber die Reihe der folgenden Bezüge, von denen einige – wie auch die Motive aus Kapitel 9 – in der Vision der sieben Siegel und hier wiederum im Zusammenhang mit ———————— 90 Das Motiv der Verfinsterung der Himmelskörper ist natürlich nicht auf Offb 6,12 beschränkt. Vgl. innerbiblisch z.B. Jes 13,10; Joel 2,10; Mk 13,24–25 par., unter apokryphen Texten z.B. Sib 5,346–348. 91 Auf diese Stelle verweist bereits B IHLMEYER, Texte (s. Anm. 10), 276.
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der Öffnung des sechsten Siegels (Apk 6,12–17) begegnen: Bereits Bihlmeyer verweist im Zusammenhang mit dem Satz scindebitur firmamentum celi auf Apk 6,14,92 wenn auch die zum Ausdruck gebrachten Vorstellungen hier sicherlich nicht vollkommen miteinander übereinstimmen. Hinzu kommt eine ganze Reihe von Bezügen auf Apk 6,15–16; ich möchte sogar so weit gehen, den gesamten Abschnitt der Thomasapokalypse als eine Art von Fortschreibung dieses Textes anzusehen: Ganz deutlich ist die Parallele zwischen der Vorstellung der Flucht aller Menschen (in der Apk „die Könige der Erde, die Großen und die Heerführer, die Reichen und Mächtigen, alle Sklaven und alle Freien“) in Höhlen und Felsen (Apk 6,15) bzw. Grabmähler (Thomasapokalypse N). Interessanterweise ist der Text der Thomasapokalypse hier erneut nicht sicher überliefert. Codex P bietet hier ja anstelle des in monumentis (N) die Worte in speluncas moncium; letzteres natürlich deutlich näher an Apk 6,15 als die Fassung N (vgl. aber auch Jes 2,21). Liegt hier erneut eine Verschreibung oder eine bewusste Änderung des Textes – und wenn ja, in welcher Richtung – vor? Sicherlich ist das in monumentis auch wegen des Ablativs nach in die schwerer zu verstehende Lesart. Sie muss deswegen aber nicht schon als lectio difficilior verstanden werden, da sich Änderungen in beide Richtungen verständlich machen ließen und auch der Kontext keinen Aufschluss ergibt. Auch die in Apk 6,16 erzählte Bitte der Fliehenden findet ihr Pendant in der Thomasapokalypse, wenn auch in einer leichten Variation, die sich dem unterschiedlichen Kontext verdankt. Vor allem aber lässt sich so auch die Entstehung des in der Johannesoffenbarung so nicht zu findenden Motivs von den Engeln, die durch die Öffnungen des Himmels herabsehen, deuten: Ich meine, dass dies am ehesten als eine Art narrativer Umdeutung von Apk 6,16b darstellen könnte, wo es heißt: „und verbergt uns vor dem Blick dessen, der auf dem Thron sitzt und vor dem Zorn des Lammes“. Anders als die kanonische Offenbarung bietet die Thomasapokalypse ja kein Bild des göttlichen Thronsaals und ist nicht interessiert an einer „Opferlamm“-Christologie93 wie die kanonische Apokalypse. So erzählt auch sie von „Blicken“, die die Menschheit zur Flucht zwingen; diese aber wer———————— 92 Vgl. B IHLMEYER, Texte (s. Anm. 10), 276. Deutlich näher aber liegt der Bezug zur apokryphen Offenbarung des Johannes des Theologen 17,5, wo sich folgender Text findet: καὶ τότε σχισθήσονται οἱ οὐρανοὶ ἀπὸ ἀνατολῶν ἡλίου µέχρι δυσµῶν) Im direkten Kontext ist zudem davon die Rede, dass deswegen eine ungezählte Menge von Engeln auf die Erde kommt. Text nach: K. v. TISCHENDORF, Apocalypses Apocryphae, Leipzig 1866 (Nachdruck Hildesheim 1966), 85. 93 Zur Deutung der Vision vom himmlischen Thronsaal (Offb 4–5) und der darin zum Tragen kommenden Christologie vgl. F. T ÓTH, Der himmlische Kult: Wirklichkeitskonstruktion und Sinnbildung in der Johannesoffenbarung, Arbeiten zur Bibel und ihrer Geschichte 22, Leipzig 2006, 196–318.
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den enger verknüpft mit dem Schicksal des zerreißenden Himmels, aus dessen „Löchern“ nun die Engel „herabblicken“ können. Das letzte in Abschnitt 10 begegnende Motiv erinnert schließlich auch an Apk 16,18, wo von einem gewaltigen Erdbeben die Rede ist, „wie noch keines gewesen war, seitdem es Menschen auf der Erde gibt“. Der Schluss des Abschnitts im apokryphen Text könnte durchaus als Verallgemeinerung dieses Gedankens gesehen werden, muss aber – in der Allgemeinheit seiner Formulierung – keineswegs auf den konkreten Text der Apk zurückgehen; Aussagen über die Unvergleichlichkeit der endzeitlichen Ereignisse mit bisher erfahrenen finden sich immer wieder in apokalyptischen Texten (vgl. z.B. Dan 12,1; Mk 13,19 par.). 2.11 Im Hinblick auf unsere Frage deutlich weniger aussagekräftig ist Abschnitt 11 der Thomasapokalypse. Sicherlich begegnen hier wieder die Vorstellungen von den vier „Ecken“ oder „Enden“ (diesmal) des Himmels (vgl. zu den vier Enden der Erde Apk 20,5), erneut heißt es, dass Stimmen ertönen. Einzig bemerkenswert scheint mir die Erwähnung eines Krieges der Engel in der Luft. Die Funktion dieses Motiv im apokryphen Text ist rätselhaft, vor allem weil hier von angelis sanctis, d.h. heiligen Engeln, die Rede ist (vgl. aber die offenere Lesart P multitudinem angelorum). Immerhin möglich erscheint, dass es dem Text einfach um „Engel“ geht und ein vor dem Untergang der Welt noch auszutragender Kampf zwischen den Engelheeren Gottes und den gefallenen Engeln Satans angespielt ist. In diesem Falle wäre sicherlich z.B. an Apk 12,7–8 als möglicher Hintergrund zu denken. Ich zögere aber mit dieser Deutung, weil dann zumindest im Ansatz von einem Sieg der himmlischen Heere die Rede sein müsste. Stattdessen geht es dem Text darum, die Suche der Engel nach den Erwählten (wohl um sie vor dem Untergang zu retten) zu schildern.94 Dieser Gedanke mag entfernt an Apk 7,3 erinnern, bietet jedoch nur eine äußerst vage Parallele. Will der Text vielleicht das Wetteifern der Engel um die Rettung der Erwählten schildern? Er bleibt rätselhaft. 2.12 Wie bereits angedeutet, scheint es dem Text der Thomasapokalypse nicht nur oder vielleicht nicht einmal in erster Linie um die sieben Tage vor dem Untergang der Welt zu gehen. Stellt man ihn wie hier (entsprechend auch P) um, zeigt sich ein deutliches Achtergewicht auf der Schilderung der Ereignisse nach dem Untergang: Im Hinblick auf die Frage einer möglichen Rezeption der kanonischen Apokalypse scheint mir Abschnitt 12 allerdings kaum Bemerkenswertes zu bieten: Dass nun anstelle der vielen „lauten Stimmen“ eine „zarte und liebliche Stimme“ am Himmel ertönt, mag vielleicht an ein ähnliches Zueinander in Apk 14,2 erinnern, wo von einer Stimme die Rede ist, von der es zunächst heißt, dass sie dem ———————— 94 Vgl. hier aber erneut die Lesart von P, der es um die Sehnsucht der Erwählten nach Rettung geht.
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„Rollen eines gewaltigen Donners“ gleicht, die dann aber mit dem Klang einer Harfe verglichen wird. Weitergehende Folgerungen lassen sich daraus aber sicherlich nicht ziehen; vielleicht spielt auch nur die etwa in 1Kön 19,12 begegnende Idee eine Rolle, dass Gott sich nicht (nur) in Sturm, Erdbeben und Feuer zeigen kann, sondern eben auch im „sanften, leisen Säuseln“; eventuell aber geht es dem Text aber auch nur um eine die Dramatik des Geschehens spiegelnde Opposition zwischen den „lauten Stimmen“, die sich in den Tagen vor dem Untergang vernehmen lassen, und dem nun eintretenden Frieden. Erneut ist von Engeln die Rede; wer genau mit „dem Engel, der die Macht über die heiligen Engel hat“ – ein ansonsten auch bekannter Erzengel? – wird nicht klar: Dem Text scheint es v.a. auf die Freude der Engel über den Untergang der Welt und ihre Errettung der Erwählten anzukommen.95 2.13 Die in der Handschrift unter der Schilderung des sechsten Tages befindliche Passage, die hier als Abschnitt 13 wiedergegeben ist, lässt sich sinnvoll an Abschnitt 12 anschließen, während sie bei einer Einordnung in den sechsten Tag kaum lösbare logische Probleme bereitet. Da auch P die hier gebotene Textfolge bezeugt, während das fragmentarische B und M vorher abbrechen, kann die Umstellung, die sich auch aufgrund der Logik des Textes wie auch der damit wiederhergestellten recht starren Struktur der sieben Tage mit gutem Gewissen durchgeführt werden. Im Vergleich zur Offenbarung des Johannes fallen hier in erster Linie Unterschiede auf. Sicherlich begegnet das Motiv der endzeitlichen Ankunft Christi vom Himmel her auch in der Offb; Apk 1,7 spricht gar von einer „Ankunft mit den Wolken“, so dass alle ihn sehen können; Apk 14,14 von der Ankunft des Menschensohns auf einer weißen Wolke. Die Vorstellung gehört aber so sehr zum antik-christlichen Allgemeingut (vgl. auch Mt 24,20 par.), dass hier nicht in erster Linie an die kanonische Apokalypse als Hintergrund zu denken ist. Auch vom „feurigen Schloss des Paradieses“ ist in der Offenbarung des Johannes nicht die Rede. Ob man hier mit Bihlmeyer an die sieben Fackeln vor dem Thron Gottes (Apk 4,5) denken soll, halte ich für zumindest fraglich.96 Wenn überhaupt, dann mag die Vorstellung von der clausura paradysi eventuell an den Gedanken anklingen, dass ———————— 95 Auch ein Wolkenwagen wird natürlich in der kanonischen Apokalypse nicht erwähnt. Man denkt eventuell an den feurigen Wagen, mit dem Elija laut 2Kön 2,11 entrückt wird. Himmlische Wagen begegnen auch in Sib 2,187 (Rückkehr Elijas auf feurigem Wagen); 1Hen 72,5 (Sonnenwagen); 73,2 (Mondwagen); 2Hen [slav.; Rez. A] 11 (Sonnenwagen) oder 3Bar [gr.] 6,1 (Sonnenwagen) 9,1.3 (Mondwagen); überzeugende Verbindungen zur Thomasapokalypse lassen sich m.E. aber nicht herstellen. 96 Vgl. B IHLMEYER, Texte (s. Anm. 10), 276, der aber auch an andere Texte erinnert, die vom Feuer um den Thron Gottes sprechen (Dan 7,9–10; Jes 6,4ff.; Ez 1,4; 13). Hier liegt sicherlich eine der stärksten Parallelen zu den von DE BRUYNE, Fragments (s. Anm. 13), 323, erwähnten priszillianistischen Texten vor.
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Christus laut Apokalypse die Schlüssel zu Tod und Unterwelt hat (Apk 1,18b), doch halte ich es für wahrscheinlicher, dass hier Gen 3,24 mit seiner Idee vom „lodernden Flammenschwert“, das das Paradies bewacht, bzw. Auslegungstraditionen dieses Textes die entscheidende Rolle spielen.97 Fehlend in der Offenbarung des Johannes ist zudem die hier und in einer Reihe anderer Texten begegnende Vorstellung vom Weltenbrand (vgl. 2Petr 3,7.10; 1Hen 1,6; 52,6; 91,9; Offenbarung des Petrus 5 (ausführliche Schilderung); Sib 2,196–205; 3,84–92; 4,173–180; 7,119–126; VitAd 49; ApkEl 5,22–24); mir aus anderen Zeugnissen nicht bekannt aber ist die Idee, dass der Weltenbrand von einem Feuerring um das Paradies ausgeht. Genauso wenig finden wir in der kanonischen Apokalypse die Idee, dass die Geister und Seelen der Verstorbenen zu ihren Körpern zurückkehren, wodurch diese dann wiederauferweckt und verwandelt werden (vgl. dagegen die in Apk 20,11–15 oder in Offenbarung des Petrus 4,7–9 zum Tragen kommenden Vorstellungen). Die Tatsache, dass hier von „Geist und Seele“ die Rede ist, scheint mir zu unspezifisch, um hier gnostische, eventuell valentinianische Menschenbilder voraussetzen zu müssen (vgl. auch Sib 2,221; Offenbarung des Petrus 4,9).98 Gerade die Tatsache, dass auch der Leib in der Endzeit offensichtlich eine Rolle spielt, spricht m.E. ganz klar gegen gnostische oder manichäische Einflüsse auf den Text,99 dessen Vorstellungen von der Verwandlung der Auferstandenen, des Anlegens der Kleider ewigen Lebens oder des Herabsteigens der Lichtwolke, die die Erwählten in die Gemeinschaft Gottes und der Engel führt, sich m.E. in entscheidenden Zügen auch von paulinischer Eschatologie (vgl. 1Thess 4,13–19; 1Kor 15,35–50; 2Kor 5,1–10) ableiten lassen.
3 Fazit Die Indizien, dass die apokryphe Thomasapokalypse zumindest in ihrer oben vorgestellten Kurzform literarisch von der kanonisch gewordenen Offenbarung des Johannes abhängig ist, sind weniger deutlich, als dies in den wenigen Studien, die sich mit diesem Text beschäftigen, angenommen wurde. Vor allem sind sie m.E. erst auf einer anderen Ebene als üblich ———————— 97 Vgl. aber auch die in Sib 2,227–228 und Offenbarung des Petrus 4,3 begegnende Idee, dass Gott der Hölle gebieten wird, ihre Riegel zu öffnen und die Toten zurückzugeben. 98 Allgemein zur valentinianischen Gnosis vgl. die umfangreiche und aufschlussreiche Studie von E. THOMASSEN, The Spiritual Seed. The Church of the ‚Valentinians‘, NHMS 60, Leiden u.a. 2006. 99 Dass allerdings auch gnostische Texte von einer Art endzeitlich verwandelter Leiblichkeit sprechen können, zeigt sich etwa im „Brief an Rheginus“ (NHC I,4). Hierzu vgl. z.B. H. E. LONA, Über die Auferstehung des Fleisches. Studien zur frühchristlichen Eschatologie, BZNW 66, Berlin u.a. 1993, 227.
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nachzuweisen. So ist bereits auf den ersten Blick erkennbar, dass der Text keinerlei explizit als solche ausgewiesene Zitate bietet – und demnach auch nicht die Offenbarung des Johannes zitiert. Auch klassische Methoden der Feststellung literarischer Abhängigkeit wie die Suche nach beiden Texten gemeinsame auffallende Wortfolgen lassen sich kaum anwenden; die Beurteilung der wenigen Stellen, die in diesem Zusammenhang in Frage kommen, ist zudem durch die Tatsache erschwert, dass der erhaltene Text der Thomasapokalypse nur in lateinischer Sprache vorliegt. Jedenfalls gehen die Bezüge nirgends so weit, dass sie etwa gar als Zeugnisse für die Textgeschichte der Offenbarung des Johannes ausgewertet werden könnten. Ich würde zudem auch an keiner einzigen Stelle von „Anspielungen“ auf die neutestamentliche Apokalypse sprechen, denn dies würde ja bedeuten, dass der apokryphe Text Leser voraussetzt, die die neutestamentliche Offenbarung nicht nur kennen, sondern diese – zu seinem angemessenen Verständnis – einspielen müssen. So etwas aber ließ sich an keiner Stelle der Thomasapokalypse beobachten. Vor diesem Hintergrund geht auch die strukturelle Parallele, dass beide Texte sich für Siebenerschemata interessieren, nicht weit genug, um literarische Abhängigkeit postulieren zu können. In den allermeisten Fällen schöpft die Thomasapokalypse dagegen aus einem allgemeinen in ihrem kulturellen Horizont vorliegenden „Reservoir“ an Motiven, deren Vorkommen allgemein in antik christlichen Kontexten vorausgesetzt wird, wenn Endzeitszenarien beschrieben werden.100 Beim genaueren Vergleich fällt zudem auf, dass dieses „Reservoir“ nicht nur mit Motiven aus der Johannesoffenbarung angefüllt ist, sondern sich eine Vielzahl von Parallelen auch zu anderen Texten finden: Genannt seien nicht nur bekannte Texte wie die synoptische Endzeitrede Jesu, sondern eben auch Motive apokrypher Texte wie der Offenbarung des Petrus, der Sibyllinischen Orakel oder anderer. Gerade in dieser Richtung ließe sich sicherlich noch manches mehr finden, als in den üblichen Textausgaben der Thomasapokalypse angegeben. Und trotzdem würde ich an der These festhalten, dass der vorliegende Kurztext der Thomasapokalypse literarisch abhängig von der kanonischen Offenbarung des Johannes ist. Das entscheidende Argument hierfür sind die an einigen Stellen zu beobachtenden gemeinsamen Motivcluster zwischen Thomasapokalypse und Offenbarung des Johannes. Im allgemeinen begegnen in der Thomasapokalypse ja aus anderen apokalyptischen Texten bekannte Motive in einer Abfolge und Zusammensetzung, die von der Aussageintention der Thomasapokalypse bestimmt ist und die keine bis wenig Abhängigkeiten von anderen bekannten ———————— 100 Zur Frage nach „kulturellen Horizonten“ vgl. allgemein J. A SSMANN, Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, München 1992, sowie DERS., Religion und kulturelles Gedächtnis: Zehn Studien, München 2000.
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Texten nachweisen lässt. An mehreren Stellen aber zeigte sich eine Häufung von Motiven im unmittelbaren Nebeneinander, die auch bei ihrem Vorkommen in der Offenbarung des Johannes ein ähnliches bzw. gleiches Muster bilden, das sich m.E. nicht mehr durch bloßen Zufall erklären, sondern auf literarische Abhängigkeit schließen lässt. Die stärksten Bezüge ergeben sich dabei auf die Vision der Öffnung der sieben Siegel – und hier wiederum auf das sechste Siegel. Erschwerend für die Beantwortung unserer Frage ist sicherlich auch die nur in Ausschnitten greifbare, recht freie Textüberlieferung der Thomasapokalypse:101 zumindest an einer Stelle (Abschnitt 10: in monumentis [N]; in speluncas moncium [P]) zeigen die verschiedenen erhaltenen Textformen der Thomasapokalypse zudem unterschiedliche Nähe zur kanonischen Offenbarung. Welche Tendenzen dabei wirksam waren, lässt sich m.E. erst bei Vorliegen einer ausführlichen kritischen Textedition entscheiden. Vor diesem Hintergrund – wie auch vor dem Hintergrund der eingangs zusammengestellten Beobachtungen – stellt sich eine weitergehende Frage: Bereits der fragmentarische Überblick über einige der bekanntesten Apokalypsen des frühen Christentums zeigt, dass die Offenbarung des Johannes zumindest in der Antike kaum in anderen Apokalypsen rezipiert wird. Warum ist dies der Fall? Dies mag natürlich damit zusammenhängen, dass die Kanonzugehörigkeit der Offenbarung des Johannes vor allem im Osten sehr lange umstritten war;102 andererseits aber ist ein Text wie die ja noch deutlich weniger anerkannte Offenbarung des Petrus durchaus auch in anderen apokalyptischen Texten des antiken Christentums rezipiert worden: Ich denke etwa an die Relecture des ursprünglichen Textes in der Fassung des griechischen Akhmim-Codex (eventuell als Teil des apokryphen Petrusevangeliums)103 sowie die vielen Parallelen zur späteren Paulusapokalypse. Ich würde deswegen die Antwort noch an anderer Stelle suchen: Die ———————— 101
Allgemeiner zum methodischen Problem der Feststellung literarischer Abhängigkeiten zwischen meist textkritisch problematischen Apokryphen und neutestamentlich gewordenen Texten vgl. meinen Beitrag T. NICKLAS, Fragmente christlicher Apokryphen und die Textgeschichte des Neuen Testaments, ZNW 96 (2005), 129–142. 102 Zur Stellung des Buches der Offenbarung in der Geschichte der Kanonisierung des Neuen Testaments vgl. z.B. A. J AKAB, Réception et canonisation des textes chrétiens: Le cas de l’Apocalypse de Jean, in: E. Norelli (Hg.), Recueils normatifs et canons dans l’Antiquité: Perspectives nouvelles sur la formation des canons juif et chrétien dans leur contexte culturel, PIRSB 3, Prahins/CH 2004, 133–145. 103 Zur Edition dieses Textes vgl. T. J. K RAUS / T. NICKLAS, Das Petrusevangelium und die Petrusapokalypse. Die griechischen Fragmente mit deutscher und englischer Übersetzung, GCS.NF 11, Neutestamentliche Apokryphen I, Berlin u.a. 2004, 101–120. Zur Überlegung, ob das zweite petrinische Apokryphon des Akhmim-Codex, in jedem Falle eine Spätform der griechischen Offenbarung des Petrus, als Textzeuge des Petrusevangeliums zu betrachten sei, vgl. T. NICKLAS, Zwei petrinische Apokryphen im AkhmimCodex oder eines? Kritische Anmerkungen und Gedanken, Apocrypha 16 (2005), 75–96.
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Tobias Nicklas
Offenbarung des Johannes stellt bereits in ihren allerersten Versen (Apk 1,1–3) wie auch in der abschließenden Textsicherungsformel (Apk 22,18– 19) so deutlich den Anspruch unüberbietbare Offenbarung, d.h. direktes Wort Gottes zu sein, an dem nichts hinzuzufügen, aber auch nichts wegzunehmen ist, dass anderen Apokalypsen, denen es um die Offenbarung endzeitlicher Ereignisse und Abläufe geht, im Grunde kein Raum mehr gelassen wird.104 Diese können, wollen sie selbst den Anspruch vertreten, aus jenseitigen Sphären offenbarte Wahrheiten über Endzeitereignisse zu erzählen, nur versuchen, die Offenbarung des Johannes zu verdrängen oder zu ignorieren. Wo die Offenbarung des Johannes sich als kanonisch anerkannter Text (mit seinem Anspruch, unmittelbarer als alle anderen Texte des Neuen Testaments „Wort Gottes“ zu sein) durchsetzt, wird dies immer schwieriger: Andere Texte können dann nur noch mehr oder weniger „Ähnliches“ erzählen und dabei auf einen Motivvorrat zurückgreifen, der mehr und mehr auch durch die Johannesoffenbarung geprägt ist, sie können Lücken ausfüllen, Fragen beantworten, die nichts mit den in der Offenbarung des Johannes gestellten zu tun haben oder versuchen, die Johannesoffenbarung zu verdrängen. Letzteres aber wird zumindest in den Kreisen, die den Text als kanonisch anerkennen, kaum möglich sein.
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Zu diesen Gedanken vgl. weiterführend mein Beitrag T. N ICKLAS, The Words of the Prophecy of This Book: Playing with Scriptural Authority in the Book of Revelation, in: M. Popovic (Hg.), The Authoritativeness of Scriptures in Ancient Judaism: The Contribution of the Dead Sea Scrolls and Related Literature, JSJ.S 141, Leiden u.a. 2010, 309–326.
Laktanz und die Apokalypse VALENTIN FÀBREGA
1 Die Eschatologie in den Diuinae Institutiones (Inst) und ihre biblische Grundlage „Das allerhöchste Gut ist die Unsterblichkeit, die zu erlangen sind wir vom Ursprung her angelegt, und dazu sind wir geboren.“ So schreibt Laktanz im siebten Buch seiner Inst1 mit dem Titel „De uita beata“, um hervorzuheben, dass erst die Unsterblichkeit als endgültige Vollendung der individuellen und unwiederholbaren Existenz des Menschen auf Erden dem Leben seinen Sinn gibt. Dieses letzte Buch der Inst ist einer systematischen Darlegung der endgültigen Vollendung, d.h. der Eschatologie, gewidmet. Es bildet den Abschluss einer umfangreichen Apologie des Christentums, in der Laktanz sich an ein breites, intellektuell interessiertes Publikum von Christen und Heiden wendet (Inst 5,1,8f.). Und wie er im 2. Buch die Lehre vom Anfang der Welt entfaltet hat, erörtert er im letzten das Weltende.2 In der 1. Hälfte dieses letzten Buches wiederum beschäftigt er sich mit der Unsterblichkeit der Seele, und im Anschluss daran – so erläutert er in 14,1 – sei es nur konsequent zu erklären, „wie und wann sie dem Menschen gewährt wird.“3 Inhalt des 2. Teils der Inst 7 sei dann eine Sammlung alles dessen, „was die Propheten und Wahrsager über die endzeitlichen Ereignisse sagen.“4 ———————— 1 „Vnum est […] summum bonum immortalitas, ad quam capiendam et formati a principio et nati sumus.“ (8,1); lateinischer Text nach S. FREUND, Laktanz, Buch 7, De vita beata. Einleitung, Text, Übersetzung und Kommentar, Berlin u.a. 2009. Für die zahlreichen Zitate aus Inst 7 werden im Folgenden lediglich Kapitel und Verse angegeben. Wo für die Argumentation erforderlich, werden die entsprechenden Stellen der Epitome (Epit) herangezogen. 2 „De quo [sc. de fine mundi] nunc in fine operis disseremus, quoniam de principio in secundo libro explicauimus.“ (14,5). 3 „Quoniam de immortalitate animae diximus, sequitur ut doceamus quatenus homini et quando tribuatur, […]“ (14,1; vgl. Epit 65,7). 4 „Quae uero a prophetis et uatibus futura esse dicantur […] collecta ex omnibus et coaceruata subnectam.“ (14, 17).
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Im Gebrauch der Heiligen Schrift, deren Sprache sich erheblich vom klassischen Latein unterscheidet, zeigt sich Laktanz sehr zurückhaltend, um seine gebildeten heidnischen Leser mit ihren Ansprüchen an die Rhetorik nicht zu verstimmen.5 Dies gilt bes. von den drei ersten Büchern der Inst, wohingegen er gerade für das letzte Buch mit seiner eschatologischen Thematik ausdrücklich seine Absicht hervorhebt, sich neben der Argumentation mit „Wahrscheinlichkeitsgründen“ in gleichem Maße auf die Zeugnisse der Hl. Schrift zu beziehen: „satis et huic parti faciamus cum testimoniies diuinarum litterarum tum etiam probabilibus argumentis, […]“ (1,5). In ihrem Wissen um Anfang und Ende der Welt seien Christen nämlich auf die Belehrung durch die Hl. Schrift als Quelle der Wahrheit bes. angewiesen.6 In Fragen der Eschatologie, „wie die künftige Vollendung geschehen wird und welches Ende der Menschheit bevorsteht“, gelte es darum, die Hl. Schrift zu erforschen.7 Einen besonderen Stellenwert misst er dabei der Lehre der biblischen Propheten zu, so dass er gegen Ende seines Werkes bekennt: „haec est doctrina sanctorum prophetarum, quam Christiani sequimur, haec nostra sapientia, […]“.8 Jedenfalls hat die Gottheit selbst die Wahrheit den Christen offenbart, und wer die Wahrheit sucht, ist unbedingt auf diese Offenbarung angewiesen: „quibus [sc. den Christen im Gegensatz zu den Heiden] ueritatem diuinitas ipsa patefecit.“ (8,10). Dass Laktanz sich in seinen eschatologischen Überlegungen bes. auf die Apk bezieht, ist naheliegend, insofern dieses Buch wie kein anderes im NT die Offenbarung Gottes über die bevorstehende Zukunft unmittelbar zum Thema macht (1,1; vgl. 4,1). Auf jeden Fall zeigt eine Gegenüberstellung zwischen Inst 7 und Apk bei bemerkenswerten Unterschieden in vieler Hinsicht inhaltliche Gemeinsamkeiten. Vor allem in ihrer chiliastischen Eigenart zeigen beide Bücher eine auffällige Übereinstimmung, so dass der entschiedene Chiliasmus des Laktanz unzweifelhaft auf die Apk zurückzuführen ist.9 Dennoch lässt sich die Frage nach der tatsächlichen literarischen Abhängigkeit der Inst 7 von der Apk nicht leicht beantworten, wie ebenso die Frage nicht einfach zu präzisieren ist, in welchem Umfang und in welcher Vermittlung und Gestalt Laktanz die Apk rezipiert hat.10 Beide Bücher ———————— 5 6
V. FÀBREGA, Lactantius, RAC 22 (2008), 811. „Nos autem, quos diuinae litterae ad scientiam ueritatis erudiunt, principium mundi finemque cognouimus“ (14,5; vgl. 7,9). 7 „Quomodo autem consummatio futura sit et qualis exitus humanis rebus impendeat, si quis diuinas litteras fuerit scrutatus, inueniet.“ (14,15; vgl. Epit 65,7–8). 8 (26,8); über Laktanz’ Einschätzung der biblischen Propheten s. F REUND, Laktanz (s.o. Anm. 1), 210. 9 V. FÀBREGA, Die chiliastische Lehre des Laktanz, JAC 17 (1974), 126–146. 10 Insofern überrascht es nicht, dass Laktanz in den rezeptionsbezogenen Untersuchungen von G. KRETSCHMAR, Die Offenbarung des Johannes. Die Geschichte ihrer Aus-
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sind in die Tradition der jüdischen und christlichen Apokalyptik eingebettet, die sie in der Vielfalt ihrer Eschatologien zugleich verbindet und trennt. Hinzu kommt die Schwierigkeit, dass der Kirchenvater mit seinen Bekundungen von der Relevanz der göttlichen Offenbarung für die tologie nicht konsequent ist. Sie stehen sogar in offenem Widerspruch zu seiner Äußerung am Anfang des drittletzten Kapitels von Inst 7: „Dies ist, was die Propheten über die Zukunft sagen: ich habe gedacht, es sei nicht nötig, ihre Zeugnisse ausdrücklich heranzuziehen, da dies ja unendlich wäre und eine so riesige Menge den Rahmen eines Buches sprengen de, zumal doch so viele aus ein und demselben Geist heraus Ähnliches sagten, und zugleich, damit es bei den Lesern nicht zum Überdruss führen würde, wenn ich das aus allen Gesammelte und Abgeschriebene zusammenstellen würde.“11 Anscheinend ist er hier von dem Topos der „praeteritio“ geleitet, insofern er unter Berufung auf die inhaltliche Übereinstimmung der großen Zahl der Prophetenzeugnisse um der „breuitas“ willen deren „uarietas“ vernachlässigt.12 Und zumal er bei der Bezugnahme auf heidnische Quellen keineswegs so zurückhaltend ist, erscheint die Vermutung nicht abwegig, dass seine Beteuerung, er verfüge über eine unendliche Menge an prophetischen Zeugnissen, nichts anderes ist als eine rhetorische Hyperbel. Dabei bleibt die Frage, was er überhaupt von der Apk gekannt, was er wissentlich ausgelassen oder umgestaltet hat, weitgehend im Dunkel. Vor allem aber zeigt sich der Abstand gegenüber der Apk auch in seiner relativ häufigen Verwendung der heidnischen „divina testimonia“, bes. der Sibyllinischen Orakel.13 Jedenfalls ist die Zurückhaltung des Laktanz bei der Heranziehung nicht nur von wörtlichen prophetischen, sondern von biblischen Zeugnissen überhaupt offenkundig.14 Gewissermaßen als orientierender thematischer Leitfaden des Vergleichs zwischen Inst und Apk dient im Folgenden die beiden gemeinsam zugrunde liegende allgemeine Struktur jüdisch-christlicher Eschatologie, wie sie sich – chronologisch mehr oder weniger festgelegt – in folgenden Motiven entfaltet: die letzte böse Zeit mit ihren Plagen; Erscheinen des Antichrist und der Propheten (bzw. des Propheten); messianische Schlacht ———————— legung im 1. Jahrtausend, CThM.ST 9, Stuttgart 1985, und von G. MAIER, Die Johannesoffenbarung und die Kirche, WUNT 25, Tübingen 1981, gar nicht in den Blick kommt. 11 „Haec sunt quae a prophetis futura dicuntur: quorum testimonia et uerba ponere opus esse non duxi, quoniam esset infinitum nec tantam rerum multitudinem mensura libri caperet tam multis uno spiritu similia dicentibus simulque ne fastidium legentibus fieret, si ex omnibus collecta et translata congererem, […]“ (25,1; vgl. Epit 65,8). 12 Vgl. FREUND, Laktanz (s.o. Anm. 1), 566. 13 Vgl. u.a. 14,16–17; 18,1; 23,5; Epit 16,1; FÀBREGA, Lactantius (s.o. Anm. 5), 810– 811. 14 Das einzige wörtliche Bibelzitat in Inst 7 ist in 14,9 zu lesen; s. F REUND, Laktanz (s.o. Anm. 1), 398.
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und messianisches Reich; letzte Rebellion und Sieg über die Gottesfeinde; allgemeine Totenauferstehung und Weltgericht sowie dessen Folgen von Lohn und Strafe. Charakteristisch für Laktanzʼ Umgang mit der eschatologischen Thematik – und darin unterscheidet er sich wesentlich von der Apk – ist seine Neigung, a) unter Umgehung ihrer metaphorischen Ausdruckweise die Symbolik der Apk in die Sprache der Rhetorik zu „übertragen“ und auf diese Weise zu rationalisieren, b) dabei die Abfolge der endzeitlichen Ereignisse in einer Art Berichterstattung über die Zukunft chronologisch zu ordnen in der Absicht, sie durch solche Historisierung leichter nachvollziehbar zu machen, schließlich c) häufig in einer Art Exkurs, den theologischen Gehalt der Eschatologie spekulativ zu durchdringen. Damit sind die wesentlichen Kriterien umrissen, die abschnittsweise (in II, III, IV) im Vergleich beider Texte durchgespielt und konkretisiert werden sollen, um dadurch ein schärferes Bild von den Eigentümlichkeiten zu gewinnen, die beide Autoren miteinander verbinden, vor allem aber, die ihre z.T. unterschiedliche, oft sogar entgegengesetzte Position bestimmen. Vergleichstexte – bes. von Irenäus und Ambrosius – werden dabei gelegentlich zu besserer Konturierung herangezogen. Schließlich ist es Ziel dieser Untersuchung zu zeigen, auf welche Weise und mit welchen Mitteln Laktanz als christlicher Rhetor die Spannung zwischen der jüdisch-christlichen Tradition seiner Quellen und seinem eigenen Bildungskontext inhaltlich und sprachlich, nicht immer erfolgreich, zu glätten versucht. Es soll hier verdeutlicht werden, wie er vor diesem Hintergrund „den Gehalt des Christentums in eine Form zu gießen [sucht], die nicht nur eine bloße Übersetzung, sondern eine Anpassung an die eigene Auffassungs- und Ausdrucksüberlieferung war.“15 Gerade wegen seiner reich entwickelten und eigenthümlich gestalteten Eschatologie nimmt Lactantius in der christlichen Dogmengeschichte überhaupt eine bedeutende Stelle ein. Für uns ist er um so wichtiger, als seine Lehre den Abschluss der Entwicklung bildet, welche die christliche Eschatologie durch die vornicäischen Väter und Theologen erfahren hat, und als nach ihm keiner der Väter und (ältern) Kirchenschriftsteller mehr mit derselben Entschiedenheit wie unser Autor den Chiliasmus vertrat. 16
Mit diesen Worten fasst Atzberger Laktanzʼ Bedeutung für die Geschichte der Theologie zusammen. Im Blick auf den Vergleich zwischen Inst 7 und Apk ist freilich kritisch hinzuzufügen, dass die Art und Weise, wie der Kirchenvater die eschatologische Thematik bearbeitet, der Vielschichtigkeit der Apk in ihrem Bilderreichtum nicht gerecht wird und doch zugleich für die weitere Entwicklung der dogmatischen Eschatologie maßgebend wurde. ———————— 15 Vgl. E. AUERBACH, Mimesis. Dargestellte Wirklichkeit in der abendländischen Literatur, Bern u.a. 31964, 76. 16 L. ATZBERGER, Geschichte der christlichen Eschatologie, Freiburg i.B. 1896 (Nachdr. Graz 1970), 583.
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2 Rhetorisierung der apokalyptischen Bildsprache Schon auf den ersten Blick tritt ein bedeutender Gegensatz zwischen den Eschatologien von Apk und Inst in den Vordergrund. Der Leser der Apk sieht sich einer kaum zu bewältigenden Fülle vieldeutiger visionärer Bilder gegenüber, oft bildhaft-bizarr erzählter Handlungs-Einheiten, die – meist als Teilelemente großangelegter Reihen identifizierbar – doch weitgehend unter Verzicht auf kausale oder chronologische Zusammenhänge oder Gesetzmäßigkeiten einer Zentralperspektive komponiert, von Seligpreisungen und Hymnen unterbrochen, eine eschatologische Wirklichkeit abbilden, die nicht ohne Weiteres als endzeitliches Drama in geschichtlicher Abfolge auszulegen ist.17 In der Fülle ihrer Bilder und der dichten Folge von Visionen nimmt die Apk sogar innerhalb der apokalyptischen Gattung eine Sonderstellung ein. Diese Bilder sind nur selten vom Verfasser gedeutet und sprengen häufig alle Vorstellungskraft des Lesers, so z.B. das entfesselte Reiterheer (9,16– 19) oder das Aussehen des ersten Tieres (13,1–2). Kaum vorstellbar ist auch, wie ein auf die Erde gefallener Stern den Schlüssel zum Schlund des Abgrundes empfangen kann (9,1). Erfahrungsfern sind Bilder wie das Blut, das weiß macht (7,14), oder die vier Lebewesen mit Augen ringsum innen und außen (4,8). Von großer theologischer Relevanz sind Personifizierungen wie das Lamm, die Sonnenfrau, der Drache und die beiden Tiere, Babylon als Hure und kontrastierend dazu das himmlische Jerusalem als Braut. Auch zahlreiche Engel spielen als Vermittler von Visionen und Botschaften eine wichtige Rolle. Bestimmte Motive wiederholen sich in den verschiedenen Reihen und schaffen auf diese Weise assoziative Verknüpfungen. Häufig betont die Ausdrucksweise die Entfernung und Unwirklichkeit der Welt der Visionen, die in ihrer Fremdheit alle Erfahrung übersteigend, für den Menschen unerreichbar ist: der Seher hört nicht den gewaltigen Laut eines Posaunenschalls, sondern einen Laut, gewaltig „wie Posaunenschall“ (1,10; 4,1); die Brustharnische der entsetzlichen Heuschrecken sind nicht eiserne Panzer, sondern „wie eiserne Panzer“ (9,9) usw. Die Bilder und Vergleiche zielen nicht auf die Abbildung der diesseitigen Wirklichkeit, sondern auf eine ganz andere Welt hinter und jenseits der vorfindlichen Welt unserer Erfahrung. Symbolhaft drücken sie mehr aus, als sie jeweils abbilden, und sind insofern bes. geeignet als Träger transzendenter Inhalte.18 ———————— 17 J. FREY, Die Bildersprache der Johannesapokalypse, ZThK 98 (2001), 161–185; P. TRUMMER, Offenbarung in Bildern. Zur Bildersprache der Apokalypse. Eine Skizze, in: ders., Aufsätze zum Neuen Testament, Graz 1987, 175–205. 18 G. GLONNER, Zur Bildsprache des Johannes von Patmos, Münster 1999.
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Demgegenüber ist Laktanz in seiner schriftstellerischen Tätigkeit vor allem geprägt durch seine rhetorische Ausbildung. Gemeint ist in diesem Zusammenhang nicht die Rhetorik als Überzeugungskraft eines Diskurses, der an einen konkreten Leserkreis adressiert ist,19 sondern die Aneignung stilistischer Mittel im Bereich der lateinischen Sprache gemäß der Schulung in der Tradition eines Herennius, Cicero und Quintilian. Als lateinischem Rhetor ist ihm vor allem an der Klarheit („perspicuitas“) der Sprache gelegen, wie er sogar angesichts seiner in dieser Hinsicht eher sperrigen Thematik bedenkenlos hervorhebt. Als Cicero Christianus bemüht er sich in seiner Eschatologie um eine entsprechend schlichte („nuda“) Darstellungsweise,20 die aber nichtsdestotrotz mit ihrem rhetorischen Schmuck häufig aufgebauscht-übertrieben und allzu abstrakt erscheint. Besonders in seiner Epitome divinarum institutionum (Epit) sucht er die gesamte Eschatologie kurz auf den Punkt zu bringen: „quod quatenus euenturum sit, paucis explicabo.“ (65,9). Seine Hochschätzung der „perspicuitas“ veranlasst ihn, eine größtmögliche Durchsichtigkeit und Verständlichkeit der Mitteilung anzustreben, die metaphorische Sinnverschiebung und ihre Erweiterung, die Allegorie, zu meiden und stattdessen, am „sensus litteralis“ festhaltend, das univoke Verhältnis zwischen Gesagtem und Gemeintem vorzuziehen. Auf diese Weise treibt er eine Art apokalyptischen Realismus, indem er nämlich die Begriffe seiner apokalyptischen Vorgaben soweit wie möglich in die Nähe unseres Erfahrungsbereichs bringt und sich auf diese Weise von den Ausdrucksmöglichkeiten bzw. Inhalten der apokalyptischen Bilder entfernt. Entsprechend sind nach seiner schriftstellerischen Auffassung nicht die „imagines“, sondern der „ornatus“ maßgebend für die Gestaltung des Stils, d.h. die über die bloße Klarheit und Verständlichkeit der „res“ hinausgehende „Ausschmückung“ durch Tropen, die ihre Wirkung in Wort-, Satz- oder Gedankenfiguren entfalten. Vorherrschend sind im Rahmen der Wortverbindungen die „amplificatio“ (Erweiterung), wie die „congeries“ oder „accumulatio“, deren Glieder oft nicht als klar geordnete Reihe erscheinen, sondern z.B. auch in chaotischer Ballung wie eine einzige Hyperbel wirken. Klarheit und Eleganz der Rede sind dabei aber die erklärten Ziele des lateinischen Apologeten in seinem Bemühen, die „Wahrheit“ ans Licht zu bringen und zu erörtern: „[…] claritate ac nitore sermonis inlus———————— 19 So z.B., auf die Apk bezogen, die begriffliche Akzentuierung bei E. S CHÜSSLER FIORENZA, Das Buch der Offenbarung. Vision einer gerechten Welt, Stuttgart u.a. 1994, 39–58. 20 „Sed cum sint innumerabilia, quae de fine saeculi et conclusione temporum dicta sunt, ea ipsa quae dicuntur nuda ponenda sunt, […]“ (Epit 65,8); Text nach E. HECK / A. WLOSOCK, Bibliotheca Tevbneriana, Stuttgart u.a. 1994.
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tranda [ueritas] et quodammodo disserenda est, […]“ (Inst 1,1,10).21 Während der Seher von Patmos mit seinem farbig-vielschichtigen Bilderreichtum dem Leser eine ganz andere Welt jenseits der Erfahrung vor Augen zu stellen versucht, verliert Laktanz mit seinem auf „perspicuitas“ ausgerichteten apokalyptischen Realismus durch rationalisierenden Verzicht auf Formen des uneigentlichen Sprechens das reiche Potential möglicher transzendenter Sinnbezüge, das gerade durch die symbolhafte Bildsprache in der Apk spürbar ist. Insofern gibt es kaum gegensätzlichere Einstellungen zur Behandlung der eschatologischen Thematik. Bei der Anwendung der Typologie sind ebenfalls gewisse Divergenzen festzustellen. Wenn Johannes z.B. auf einfache Weise das „himmlische Jerusalem“ dem „irdischen“ (21,1) unmittelbar gegenüberstellt oder in vagen Andeutungen eine Beziehung herstellt zwischen den Plagen Ägyptens (Ex 7–12) und seiner Darstellung der endzeitlichen Plagen,22 die ihrerseits wiederum die Siebener-Reihe von Posaunen und Schalen koordinieren, so sucht er in solchen typologischen Beziehungen den Inhalt der Heiligen Schrift in einem großen Deutungsrahmen zu erfassen, der jenseits aller Ort-, Zeit- und Kausalbeziehungen allein in Gottes Vorsehung begründet ist. Ohne als christlicher Bibelausleger diese Perspektive zu verlassen, verfährt Laktanz doch anders: Bewusst rationalisierend wendet er die ExodusPlagen an als Einleitung in seine Schilderung der endzeitlichen Plagen. Seiner Ansicht nach war die berühmte und erstaunliche Vernichtung des ganzen ägyptischen Heeres nicht nur ein Machterweis Gottes in der Geschichte, sondern ganz besonders „[…] Vorausdeutung und Abbild einer größeren Tat, die derselbe Gott am Ende der Zeiten vollbringen wird: er wird nämlich sein Volk von der schweren Knechtschaft der Welt befreien.“23 Damals wohnte das Gottesvolk in nur einem einzigen Land, nämlich Ägypten, weshalb auch nur dieses eine Land geschlagen wurde. Nun aber spricht das Gottesvolk in allen Sprachen und wohnt bei allen Völkern, die es aber unterdrücken, weshalb es für seine Befreiung notwendig ist, dass „alle Nationen, d.h. der ganze Erdkreis, von himmlischen Plagen geschlagen werden.“24 Sogar „alle Grundstoffe der Welt“ („omnia elementa mundi“) sollen von diesen ungeheuerlichen Wundertaten betroffen werden (V. 6). Wie die im Zusammenhang der „Historisierung“ noch näher besprechenden Typologien der Schöpfungswoche (14,7–11) oder Adams ———————— 21 22 23
Text nach E. HECK / A. WLOSOCK, Inst I/II, München u.a. 2005. D. E. AUNE, Revelation 6–16, WBC 52B, Nashville 1998, 499–506. „[…] praesignificatio et figura maioris rei fuit, quam deus idem in extrema temporum consumatione facturus est: liberabit enim plebem suam de graui seruitute mundi.“ (15,4). 24 „[…] necesse est uniuersas nationes id est orbem totum caelestibus plagis uerberari, […]“ (V. 5).
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(14,14) dient auch diese Plagen-Typologie Laktanz zu einer möglichst lückenlosen Argumentation. Dass sich die Weltlage mit der Annährung des Weltendes zwangsläufig verschlimmern wird, ist ein geläufiges Motiv der jüdischen Apokalyptik,25 das auch in die christliche übergegangen ist (Mk 13,19, Mt 24,21; vgl. Apk 7,14 „die große Trübsal“; 3,10) und von Laktanz unbedenklich übernommen wird. Die äußerst schlimmen Zeiten, die er erleben muss, werden im Vergleich zu jenem kommenden „unheilbaren Übel“ als „glückliche und beinahe goldene Zeiten“ eingeschätzt.26 Es kommt eine völlig zu verabscheuende Zeit („detestabile atque abominandum tempus“), die keinem Menschen ein angenehmes Leben bringen wird (16,5). „Es wird Drangsal und Zerstörung geben, wie es sie seit Beginn der Welt niemals gegeben hat.“27 Wie bereits angedeutet, wird in der entsprechenden Darstellung der Apk die auffällig bunte Häufung grausamer Erscheinungen und Ereignisse – Plagen der Endzeit – fern einer durchgehenden chronologischen Einordnung kunstvoll durch Bilderreihen koordiniert: eine Viererreihe der Reiter und drei Siebenerreihen von Siegeln, Posaunen und Schalen. Bei Laktanz hingegen finden sich solche symbolhaft-dynamischen Bilder keineswegs, stattdessen werden die endzeitlichen Plagen in einer Aneinanderreihung von Versatzstücken apokalyptischer Schreckensbilder hyperbolisch-akkumulativ, z.T. durch Antithesen kontrastierend beschworen. Symptomatisch für sein von der Rhetorik gelenktes Interesse ist, wie er in seinem sonst fortlaufenden Bericht über die Endzeit an drei Stellen gewissermaßen verweilt, um unter Einsatz all seiner rhetorischen Künste die katastrophale Weltlage zu schildern. Zudem bietet diese Thematik einen gewissen Anknüpfungspunkt für seine heidnischen Leser, die sonst mit der Hl. Schrift kaum etwas anzufangen wissen. Denn der „Prodigia“-Glaube der heidnischen Mantik, der sich auf die verhängnisvollen Zornausbrüche der Götter und deren Vorzeichen bezieht, zeigt nicht wenige Parallelen und Anklänge an die jüdisch-christliche Apokalyptik.28 Als Beispiele hervorzuheben sind drei Einschübe dieser Art: 1) unmittelbar nach seiner Voraussage über die Verschlechterung der Zeiten durch die Weltplagen (15,8–11), dann 2) im Zusammenhang des verhängnisvollen politischen Umsturzes durch das ———————— 25 P. VOLZ, Die Eschatologie der jüdischen Gemeinde, Tübingen 1934, (Nachdr. Hildesheim 1966), 147–163. 26 „Propinquante igitur huius saeculi termino humanarum rerum statum commutari necesse est et in deterius nequitia inualescente prolabi, ut iam nostra haec tempora, quibus iniquitas et malitia usque ad summum gradum creuit, in illius tamen insanabilis mali comparatione felicia et prope aurea possint iudicari.“ (15,7). 27 „[…] et erit pressura et contritio qualis numquam fuit a principio mundi.“ (17,6). 28 K. BERGER, Hellenistisch-heidnische Prodigien und die Vorzeichen in der jüdischen und christlichen Apokalyptik, ANRW II 23,2, Berlin u.a. 1980, 1428–1469, bes. 1441–1447 und 1455–1459.
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Auftreten des übermächtigen Feindes aus dem Norden (16,3–14) und anschließend 3) in der Schilderung der Greueltaten des Antichrist (17,9). ad 1) Zentrale Themen des ersten Einschubs sind a) der endzeitliche Verfall der Gesellschaft (15, 8–9) und b) die chaotisch kriegerischen Auseinandersetzungen der Endzeit (V. 10–11). Vorherrschend sind hier die „accumulationes“. a) Ursache der gesellschaftlichen Unordnung ist der Sittenverfall, der sich in der akkumulativ hervorgehobenen Zunahme von „Gottlosigkeit, Habgier, Begehrlichkeit und Zügellosigkeit“ äußert und in anaphorisch eingeleiteter Satz-Antithese dem Verlust der „Gerechtigkeit“ kontrastiv gegenübergestellt wird.29 Die konkreten Folgen, wie sie sich in den antithetisch dargestellten Schicksalen von Guten und Bösen zeigen, sind Ausbeutung und gewaltsame Unterdrückung der guten Menschen, die „falls es sie dann zufällig noch geben sollte, den Verbrechern zur Beute fallen und von den Ungerechten von allen Seiten misshandelt werden; und auch dass nur die Bösen wohlhabend sind, man die Guten aber in all ihrer Schmach und Not fallen lässt.“30 Der Zerfall des Rechtssystems ist chiastisch zum Ausdruck gebracht: „confundetur omne ius et leges interibunt.“ 31 „Dreistigkeit und Gewalt (‚audacia et uis‘) werden alles im Besitz haben“ – diesen akkumulativ gepaarten Synekdochen folgt eine Kette von Ausdrücken, die das Elend in asyndetischer Aneinanderreihung verneinender Anaphern schildert: „non fides in hominibus, non pax, non humanitas, non pudor, non ueritas erit atque ita neque securitas neque regimen neque requies a malis ulla.“32 b) Im Anschluss an diese Schilderung kriegerischer Zustände unterstreicht der Rhetor hyperbolisch die Weltweite der Ereignisse („omnis terra“, „ubique“, „omnes gentes“, „ciuitates finitimae“): „denn die ganze Erde wird in Aufruhr versetzt, überall wird Kriegsgebrüll zu hören sein, alle Völker werden unter Waffen stehen und sich gegeneinander bekämpfen[…],“33 und übernimmt darin das in der jüdischen Apokalyptik geläufige Motiv kriegerischer Zustände,34 das auch im NT auftaucht (u.a. Mk ———————— 29 „Ita enim iustitia rarescet, ita impietas et auaritia et cupiditas et libido crebrescet […]“ (V. 8). 30 „[…] ut si qui forte tum fuerint boni, praedae sint sceleratis ac diuexentur undique ab iniustis, soli autem mali opulenti sint, boni uero in omnibus contumeliis atque in egestate iactentur.“ (Ebd.). 31 „Jedes Recht wird durcheinander gebracht und die Gesetze werden untergehen.“ (Ebd.). 32 „Es wird keine Zuverlässigkeit unter den Menschen, keinen Frieden, keine Menschlichkeit, keinen Anstand, keine Wahrhaftigkeit geben, und so weder Sicherheit noch Leitung noch irgendeine Ruhe von den Bösen.“ (V. 9). 33 „Omnis enim terra tumultuabitur, frement ubique bella, omnes gentes in armis erunt et se inuicem obpugnabunt [...]“ (V. 10). 34 VOLZ, Eschatologie (s.o. Anm. 25), 156–157.
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13,7–8). Das Bild von der Sichel (Apk 14,14–15) wird in rationalisierender Anpassung an den kriegerischen Kontext in das Bild vom Schwert umgewandelt (Ez 14,17 und Sib 3,316): „Dann wird das Schwert durch den Erdkreis gehen, indem es alles erntet und, als ob es Erntezeit wäre, alles niedermacht.“35 Damit ist die Stimmigkeit der metaphorischen Aussage gestört. ad 2) Der zweite Einschub knüpft zwar im ersten Halbsatz an den Kontext der Ereignisse des chaotischen politischen Umsturzes an, insofern – in den geläufigen Synekdochen „ferro atque igni“ – das Thema des grauenhaften Untergangs („interibunt“) der Städte aufgenommen wird (16,5b); unmittelbar darauf wird aber ein Arsenal von apokalyptischen Motiven aus ganz anderen Bereichen aufgeboten: Es folgt a) eine Aneinanderreihung aller Arten von Naturkatastrophen auf der Erde, die Mensch und Tier die Lebensgrundlage entziehen (V. 5c–8a). b) Abgelöst wird diese Schilderung durch eine Reihe bisher nicht gekannter, bedrohlich verwirrender Himmels-Erscheinungen (V. 8b–10), und abschließend folgt in schnell wechselnder Blickrichtung c) die Nennung ganz unterschiedlicher Endzeit-Phänomene: katastrophale Umgestaltung der Erdoberfläche, eine klagende Posaune vom Himmel, Zorn und Strafgericht Gottes und, eingebettet in zwei sibyllinische Beglaubigungs-Zitate, eine wortreich variierte Reihe psychischer Reaktionen der verzweifelten Menschen angesichts des verödeten Erdkreises, bevor am Ende überraschend und unmotiviert das Überleben eines Zehntels der Menschheit und eines Drittels der Gottesverehrer angekündigt wird (V. 11–14). a) Eine erste „accumulatio“ nennt in asyndetischer und hyperbolischer Aneinanderreihung unheilvolle Ereignisse auf Erden, die einen Zusammenhang von Ursache und Wirkung nahelegen: häufige Erdbeben, Überschwemmungen, Seuchen und Hunger (16,5c). Anschließend folgt eine zweite, ziemlich chaotische „accumulatio“: Luftverpestung, klimatische Störungen (unzeitgemäße und unberechenbare Regen- und Dürre-, Kälteund Hitzeperioden) und ihre verheerenden Folgen in Gestalt von Unfruchtbarkeit,36 Knappheit an Trinkwasser, allgemeiner Verwandlung des Wassers in Blut oder in eine widerliche Flüssigkeit, die zum Aussterben sämtlicher Tiere (Vierfüßler, Vögel und sogar Fische) führen wird (V. 6–8a). b) Die erschreckenden „prodigia mirabilia“ verursachen darüber hinaus die Auflösung auch der himmlischen Ordnung (16,8b–10).37 Nachdem zunächst Erscheinungen von Sonnenfinsternis, Farbe des Mondes und Sturz ———————— 35 „Tum peragrabit gladius orbem metens omnia et tamquam messem cuncta prosternens.“ (15,11). 36 S. dazu die anaphorische Aneinanderreihung: „non seges quicquam, non arbor, non uitis feret [fructum]“. 37 Bezüglich der Auflösung aller Ordnung in der Welt der Gestirne, in der Natur und im Menschenleben im Allgemeinen s. VOLZ, Eschatologie (s.o. Anm. 25), 155–157.
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der Sterne als solche „prodigia“ aufgezählt sind, wird die Verwirrung durch das plötzliche Auftauchen bisher unsichtbarer und unbekannter Gestirne noch gesteigert. Dann – das Szenario des Grauens weiter belebend – fährt der Rhetor fort: Die Verfinsterung der Sonne wird den deutlichen Unterschied zwischen Tag und Nacht aufheben; der mit Blut bedeckte Mond wird mit seinem unregelmäßigen Kurs den Menschen die Berechnung des Sternenlaufs oder der Zeiten erschweren. Hinzu kommt ein klimatisches Wirrwarr: Winter wird Sommer und Sommer wird Winter (V. 8– 9). Wenn Laktanz diese Aufzählung unheilvoller Ereignisse mit dem Hinweis auf die Verkürzung der Zeit – Jahre, Monate und Tage – (V. 10; vgl. 4Esr 4,26; 2Bar 20,1) ergänzt, so zeigt sich hier der unreflektierte Gebrauch eines Motivs, das seiner Herkunft nach in einen ganz anderen Zusammenhang von Vorstellungen gehört, wonach das messianische Reich – ohne jegliche Totenauferstehung – nur denen offensteht, die den endzeitlichen Plagen entkommen (vgl. 4Esr 7,27–28 und 2Bar 40,2–3). Vor solchem Hintergrund gilt die Verkürzung bzw. die Beschleunigung der (Leidens-) Zeit als hilfsreiches Eingreifen der göttlichen Vorsehung um der Überlebenden willen, d.h. gerade nicht als Unheil. Ein Hinweis auf den sehr häufigen Sturz der Sterne und auf die völlige Verfinsterung des Himmels beschließt die Aufzählung der „prodigia mirabilia“ (ebd.). c) Die Perspektive wechselt, und im Fokus steht – wie ein Nachklapp zu den eingangs geschilderten Naturkatastrophen auf der Erde – dreigliedrig hyperbolisch formuliert die Ankündigung, dass sehr hohe Berge stürzen, die Ebenen verflachen und das Meer aus ungeklärter Ursache nicht zu befahren sein wird (V. 11a). Diese unheilvollen Ereignisse sollen (nach V. 11b) – als Steigerung aller „Übel für Menschen und Erde“ – im Ertönen einer klagenden Himmelsposaune noch übertroffen werden. Dabei handelt es sich nicht um eine von den sieben Posaunen der Apk, vielmehr zitiert Laktanz hier ausdrücklich Sib 8,239, und erst aus dem Kontexts dieses Zitats (Sib 8,233–236) erschließt sich der sonst schwer erkennbare assoziative Zusammenhang mit den genannten apokalyptischen Bildern (V. 11a): In diesem Orakel werden der Posaunenstoß und die Umgestaltung der Schluchten, der Höhen und des Meeres mit der Parusie Jesu Christi als Weltenrichter in Zusammenhang gebracht (V. 217–238). Und es ist – in einem weiteren Zitat (V. 13b) – wiederum die Sibylle, die die künftige entsetzliche Verwüstung des Erdkreises bezeugt: „Nicht mehr Welt ist die Welt, wenn die Menschen gehen zugrunde“ (7,123).38 Eingeschlossen in diese beiden Zitate ist ein Passus, in dem das Thema „super omnia metus semper impendens“ (V. 12) vielfältig variiert und Leid, Angst und Klage der Menschen angesichts ihrer aussichtslosen Lage eindringlich geschildert ———————— 38 Texte von Sib nach A. KURFESS / J. D. GAUGER, Sibyllinische Weissagungen, Düsseldorf u.a. 1998.
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werden. Als Folge des göttlichen Zornes über die Menschen, die die Gerechtigkeit nicht erkennen wollen, werden in asyndetischer Zusammenfassung vier Plagen genannt: „ferrum ignis fames morbus“ (ebd.). Die Verzweiflung der Menschen äußert sich in Todeswünschen, unerhörtem Gebet, Angst und Schlaflosigkeit, Weinen, Stöhnen und Zähneknirschen (ebd.). Unvermittelt schließt der Passus dann mit der überraschenden Angabe, das Ergebnis der katastrophalen Zustände sei die kräftige Reduzierung der Menschheit: Kaum der zehnte Teil der Menschen werde am Leben bleiben und von den Gottesverehrern nur ein Drittel (V. 14). Dabei handelt es sich – mit unterschiedlichen Mengen-Angaben – um ein gängiges apokalyptisches Motiv.39 ad 3) Eine dritte Einheit von Schilderungen unterbricht den Erzählfluss im Zusammenhang der Greueltaten des Antichrist. Hier weitet der christliche Rhetor die endzeitlichen Wahrsagungen wiederum mit abstrakten „accumulationes“ aus, die sich oft kaum sinnvoll aufeinander beziehen lassen: So folgt unmittelbar auf die Antithesen über die Zeit, in der „die Gerechtigkeit ausgestoßen und die Unbescholtenheit verhasst sein wird, in der die bösen Menschen die guten feindselig ausbeuten werden“,40 eine ausführliche Reihe dreifach anaphorisch gegliederter Verneinungen: „non lex aut ordo aut militiae disciplina seruauitur, non canos quisquam reuerebitur, non sexus aut infantiae miserebitur“,41 die schließlich übergeht in die Klage über eine universale Verwirrung und ein Durcheinander, das gegen das göttliche ebenso wie gegen das Naturrecht verstoße und – wiederum hyperbolisch – die Verwüstung beinahe der ganzen Erde durch einen gemeinschaftlichen Raubzug zur Folge habe.42 Die ausgewählten Textbeispiele zeigen, was auch sonst für die Bewertung von Laktanzʼ Rezeption der Apk gilt: Einzelne inhaltliche Angaben, Formulierungen und Motive der Inst lassen sich nicht nur in der allgemeinen eschatologischen Tradition der jüdisch-christlichen Apokalyptik, sondern auch zugleich in der Apk finden, so wie u. a. Seuchen und Hunger (Apk 6,8), Erdbeben (Apk 6,12; 8,5; 11,13.19; 16,18), Sturz der Sterne (Apk 6,13), Verfinsterung der Sonne, des Mondes und der Gestirne (Apk 8,12; vgl. u.a. Mk 13, 24–25), Verwandlung des Mondes in Blut (Apk 6,12; vgl. Jo 3,4), Tötung eines Teiles der Menschen (Apk 9,15.18). Dabei sind aber, nicht zuletzt auf Grund der rhetorisierenden Darstellungsweise ———————— 39 40
Vgl. Sib 3,544; 5,103; VOLZ, Eschatologie (s.o. Anm. 25), 157. „Id erit tempus quo iustitia proicietur et innocentia odio erit, quo mali bonos hostiliter praedabuntur.“ (17,9). 41 „Kein Gesetz, keine Ordnung, keine militärische Disziplin wird eingehalten, keiner wird den weißen Haaren Ehre, noch Geschlecht oder Kindheit Mitleid erweisen“ (Ebd.). 42 „Confundentur omnia et miscebuntur contra fas, contra iura naturae. ita quasi uno communique latrocinio terra uniuersa uastabitur.“ (Ebd.).
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eschatologischer Sachverhalte bei Laktanz, die Unterschiede gegenüber der Apk in Bezug auf Inhalte erheblich, und die vereinzelten Übereinstimmungen in beiden Texten können die divergierende Auffassung beider Verfasser nicht verschleiern.
3 Historisierung der Eschatologie Augenfällig ist das Interesse des Verfassers der Inst, sämtliche eschatologischen Ereignisse in klarer chronologischer Reihenfolge aufeinander zu beziehen und in einen möglichst lückenlosen Erzählzusammenhang zu bringen. Bereits im Ansatz abweichend von der Apk, bemüht sich Laktanz, seine Eschatologie in der Weltgeschichte zu verankern. Diese Geschichte umfasst sechstausend Jahre, was mit der jüdisch-christlichen chiliastischen Typologie der Schöpfungswoche begründet wird:43 Nach der Hl. Schrift“ (Gen 1) hat Gott die Welt in sechs Tagen vollendet und den siebten Tag, am dem er ruhte, geheiligt (14,7). Gemäß der Verkündigung des „Propheten“ entspricht ein großer Tag Gottes tausend Jahren: „Vor deinen Augen, Herr, sind tausend Jahre wie ein Tag“ (V. 9; Ps 89[90], 4). Und wie Gott sich sechs Tage lang mit der Weltschöpfung abmühte, ist es also notwendig, dass die wahre Religion sechstausend Jahre unter der Herrschaft des Bösen leidet (V. 10–11), bis – wiederum in typologischer Entsprechung zwischen dem Ruhetag des Schöpfers und der tausendjährigen Herrschaft der Gerechtigkeit – es ebenso nötig ist, „dass alle Bosheit von der Erde getilgt wird und tausend Jahre lang die Gerechtigkeit herrscht […].“44 Zur Begründung dieser tausend Jahre des Zwischenreichs, auf das in Abschnitt V näher einzugehen sein wird, zieht Laktanz eine weitere Typologie heran. Dabei entspricht Adam als geschaffener irdischer Mensch dem durch Lehre und Weisungen Gottes gebildeten himmlischen Volk. Nach jüdisch-christlicher Spekulation durfte Adam nach seiner Vertreibung aus dem Paradies beinahe tausend Jahre leben (vgl. Gen 5,5; Jub 4,30; Irenäus, haer. 5,23,2); entsprechend argumentiert der Kirchenvater: „Und so wie er damals sterblich und unvollkommen aus Erde gebildet wurde, um tausend Jahre in dieser Welt zu leben, so wird der vollkommene Mensch nun aus diesem irdischen Zeitalter gebildet, um, von Gott lebendig gemacht, in
———————— 43 Zu dieser Typologie und ihrer Anwendung durch Laktanz s. F REUND, Laktanz (s.o. Anm. 1), 390–394. 44 „[…] necesse est ut in fine sexti millesimi anni malitia omnis aboleatur e terra et regnet per annos mille iustitia [...]“ (14,11).
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eben dieser selben Welt tausend Jahre lang zu herrschen.“45 Mit derartigen Spekulationen seinen Chiliasmus zu rechtfertigen, liegt dem Seher von Patmos demgegenüber völlig fern. In seiner Skizze der Weltgeschichte, die er seiner eschatologischen Darlegung zugrunde legt, bezieht sich Laktanz in einer knappen Anmerkung auf Ägypten und mit gewisser Ausführlichkeit auf Rom. Im Rahmen einer verallgemeinernden Ankündigung des künftigen Unheils erwähnt er das nordafrikanische Land: Es wird wegen seines törichten Aberglaubens zur Strafe mit Blut überschwemmt.46 In ähnlicher Weise wird Ägypten nach den Sibyllinischen Orakeln wegen seiner Götzenverehrung verklagt (5,77– 85), mit einer riesigen Überschwemmung (5,54–59) und mit dem Unheil des Krieges bedroht: „Kommen wird auch über deine Behausungen jetzt ein gewaltig schwerer Schlag, Ägypten, wie du ihn nie hast erwartet. Denn dich wird ein Schwert in der Mitte des Landes durchschneiden. Dann wird Zerstreuung und Tod und Hunger über dich kommen […]“ (3,314–317). Wie auch an anderen Stellen, stehen die Sibyllinischen Orakel dem lateinischen Rhetor hier offenkundig näher als die Apk. Was aber den Verfasser der Inst in direktem Zusammenhang mit dem Weltende vor allem beschäftigt, ist die römische Geschichte. Das feste Motiv des gefürchteten Untergangs Roms in Zusammenhang mit der Wiedereroberung der Herrschaft vom Osten führt in den Inst zu einer Skizze der römischen Geschichte, die mit dem gänzlichen Verfall des römischen Imperiums endet (15,11–19). Auffallend gegensätzlich sind dabei die Ansichten der Verfasser von Apk und Inst über das römische Reich. Nach dem ersteren ist Rom die „Mutter der Huren und aller Abscheulichkeiten der Erde“ (17,5). Prächtig gekleidet und ausgeschmückt sitzt sie auf einem scharlachroten Tier mit sieben Köpfen, die die sieben Berge sind (V. 3–4.9). Gravierend sind die Anschuldigungen: „mit ihr haben die Könige der Erde Unzucht getrieben, und vom Wein ihrer Hurerei wurden die Bewohner der Erde betrunken“ (V. 2); sie selbst „war betrunken vom Blut der Heiligen“ (V. 6). Darum trifft sie das Urteil des Gottesgerichts: Zur Strafe wird sie zugrunde gehen. Diese Strafe wird in zwei unterschiedlichen Vorhersagen verkündet. Nach der ersten werden zehn verfeindete Könige sie einsam und nackt machen, ihr Fleisch verzehren und sie selbst im Feuer verbrennen (V. 16). Nach der zweiten „sollen an einem Tag ihre Plagen über sie kommen, Pest, Trauer und Hunger, und sie wird im Feuer verbrennen“ (18,8). Entsetzt werden ———————— 45
„Et sicut tunc mortalis atque imperfectus e terra fictus est, ut mille annis in hoc mundo uiueret, ita nunc ex hoc terrestri saeculo perfectus homo fingitur, ut uiuificatus a deo in hoc eodem mundo per annos mille dominetur.“ (14,14). 46 „[...] et prima omnium Aegyptus stultarum superstitionum luet poenas et sanguine uelut flumine operietur.“ (15,10).
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die Könige der Erde sein, die mit ihr Unzucht getrieben haben, „wenn sie den Rauch von ihrem Brande sehen“ (V. 9). Nach ihrem Fall wird sie „zur Behausung von Teufeln, zur Unterkunft aller unreinen Geister und zu Unterkunft aller unreinen und verabscheuten Vögel“ (18,2). Nach dem lateinischen Rhetor hingegen ist Rom nicht Babylon und keineswegs die verhängnisvolle Hure auf dem Tier, sondern: „Das, das ist die Stadt, die noch immer alles aufrecht erhält“,47 und das römische Reich ist „[…] ein mit soviel Anstrengung gegründetes und so lange und von so vielen und so bedeutenden Männern erweitertes und schließlich mit so großem Reichtum gefestigtes Reich […]“.48 Dennoch schließt sich Laktanz der weit verbreiteten Meinung an, dass das römische Reich alt geworden sei und der Untergang Roms das Ende der Welt bedeute: „Was bleibt noch übrig außer, dass der Tod dem Greisenalter folgt?“49 Gestützt auf das Zeugnis der Sibyllinischen Orakel50 und des Hystaspes, befürchtet er die völlige Vernichtung des ganzen Reiches: „das römische Kaiserreich und sein Name werden aus dem Erdkreis ausgerottet.“51 Doch auch wenn Laktanz die Prognose wagt, die Zeit bis zum Weltende sei nicht länger als zweihundert Jahre (25,5), betrachtet er es als möglich und wünschenswert, durch Gebet die Ankunft des Antichrist zu verschieben und insofern den Fortbestand Roms zu verlängern. Denn solange die Stadt besteht, wird „der verabscheuenswerte Tyrann“ ausbleiben und die Welt nicht ins Chaos versinken (V. 8). Anders als Johannes mit seiner Aufforderung an das Volk Gottes, die Stadt zu verlassen (18,4), und ähnlich wie Tertullian (apol. 32,1) wünscht er sich die fortdauernde Stabilität des römischen Reiches. Im Anschluss an seinen skizzenhaften Abriss der Weltgeschichte leitet Laktanz mit dem Erscheinen von zehn machtgierigen Königen mitten im politischen Verfall des römischen Reiches einen historischen Bericht über die Endzeit ein, der von konkreten menschlichen Gestalten handelt und bis zum messianischen Reich führt. Ziel der Herrschaft dieser Könige ist nicht die Regierung des Erdkreises, sondern dessen Zerstörung (16,1). In sich steigernder „accumulatio“ fasst Laktanz ihr verhängnisvolles Handeln zusammen: „Sie [die zehn Könige] werden, was der Anfang der unheilvollen Umwälzung ist, alles zugrunderichten, zerschlagen und verschlingen.“52 ———————— 47 48
„Illa illa est ciuitas quae adhuc sustentat omnia, […]“ (25,8). „[...] regnum tanta mole fundatum ac tamdiu per tot et tales uiros auctum, tantis denique opibus confirmatum [...]“ (15,12). 49 „[…] quid restat nisi ut sequatur interitus senectutem?“ (15,17). 50 Bes. 8,93–106; vgl. das Wortspiel Roma – ῥύµη aus den Sibyllinischen Orakeln (3, 364): Rom wird eine Ruine (25,7), s. FREUND, Laktanz (s.o. Anm. 1), 576f. 51 „Sublatuiri ex orbe imperium nomenque Romanum […]“ (15,19; vgl. V. 11); vgl. H. WINDISCH, Die Orakel des Hystaspes, Amsterdam 1929, 45–70. 52 „[…] quod est principium euersionis et cladis, disperdent omnia et comminuent et uorabunt.“ (16,2).
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Einzelne Züge in der Schilderung des Niedergangs und der Unterdrückung, wie die maßlose Förderung der Streitkräfte auf Kosten der Agrarwirtschaft oder die Zersplitterung des Reiches oder die grausame Christenverfolgung, lassen sich wohl mit den politischen Umständen unter der diokletianischen Tetrarchie in Zusammenhang bringen. Anders als bei den sieben Köpfen (Apk 17,10) und den zehn Hörnern des Tieres (Apk 17,12)53 ist es aber nicht möglich, diese zehn Könige mit römischen Kaisern oder ihren Vasallenkönigen in Beziehung zu setzen. Aus Laktanzʼ Perspektive handelt es sich um rein zukünftige Gestalten. Orientiert an Dan 7 bzw. der entsprechenden Rezeption in der Apk, sind seine Voraussagen im Blick auf die Zukunft eine Art Berichterstattung über das letzte Kapitel der Weltgeschichte: „Wie es geschehen soll [der bevorstehende Untergang aller Völker54], werde ich zeigen, damit keiner es für unglaubwürdig hält.“55 Literarisch hat der Text in seiner Stilisierung als eine Art Geschichtsbericht streckenweise eine gewisse Ähnlichkeit mit dem späteren Werk „De mortibus persecutorum“, freilich voller aufgeblähter Rhetorik und ohne die Farbe und die Liebe zum Detail, die Laktanz als Geschichtsschreiber und Kenner der zeitgenössischen Geschichte auszeichnen. Mit dem plötzlichen Auftreten eines übermächtigen Feindes, des „hostis potentissimus“ aus der äußersten Region des Nordens (vgl. „der Feind des Nordens“, u.a. Jer 1,13–15; 4,6) nimmt die Geschichte der Endzeit eine Wende: Er vernichtet drei von den zehn Königen (vgl. Dan 7,8), die sich des damaligen Asiens bemächtigt haben, und errichtet eine Alleinherrschaft, indem er sich mit den anderen sieben verbündet (16,3). Willkür und Eigennutz in der Religionspolitik, den Regierungsabsichten und der Gesetzgebung werden in allgemeinen Formulierungen hervorgehoben. Es herrscht eine erdrückende chaotische Tyrannei: „Er wird Göttliches mit Menschlichem durcheinander bringen, Unaussprechliches und Verfluchenswertes ins Werk setzen.“56 Eine asyndetisch sich steigernde „accumulatio“ bringt den Gipfel eines neuerlichen politischen Übels zum Ausdruck: „er [der siegreiche Feind des Nordens] wird entweihen, entreißen, plündern, töten.“57 Allgemeine hyperbolisch übersteigerte Klagen wie über die Unterdrückung des Erdkreises oder die Verwirrung und Beunruhigung des Menschengeschlechtes werden unvermittelt verbunden mit kaum zu
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D. E. AUNE, Revelation 17–22, WBC 52C, Nashville 1998, 946–948 und 950–951. „Imminens exitus uniuersis gentibus“ (15,6). „Quomodo autem id futurum sit, ne quis incredibile arbitretur, ostendam.“ (16,1). „[…] diuina et humana miscebit, infanda dictu et exsecrabilia molietur […]“ (V. 4). „[…] contaminabit diripiet spoliabit occidet“ (ebd.).
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entschlüsselnden konkreteren Angaben wie der Namensänderung und Verlegung des Regierungssitzes im Kaiserreich (ebd.).58 Laktanzʼ Bericht wird mit zwei bedeutenden apokalyptischen Ereignissen fortgesetzt: dem Auftreten des eschatologischen Propheten und dem Erscheinen des Antichrist, der Gottes Hauptgegenspieler ist. Das erste Ereignis zeigt eine gewisse Verwandtschaft zwischen Inst 7,17,1–3 und Apk 11,3–13, wenn auch eine Diskrepanz bezüglich der Anzahl der Propheten festzustellen ist. Einzelne Übereinstimmungen sind nicht zu übersehen: Die Propheten (bzw. nach Inst der Prophet) sind von Gott gesandt, sie bedrängen die Adressaten mit gewaltigen Strafplagen, und zur Selbstverteidigung speien sie Feuer. Gottes Hauptgegenspieler („der König aus Syrien“ bzw. „das Tier aus dem Abgrund“) bekämpft und tötet sie. Ihre Leichen liegen drei Tage ohne Bestattung. Danach werden sie als Auferstandene in den Himmel entrückt; Verwunderung bzw. Furcht der Menschen begleiten diese Ereignisse. Laktanz bietet dabei die knappere Version, die – anders als bei der Apk – in den weiten Kontext seiner eschatologischen Geschichte eingebunden ist. Es ist nicht auszuschließen, dass der Kirchenvater mit seinem eschatologischen Propheten, direkter als Johannes, unter dem Namen Hystaspes zoroastrische Prophetie nach einer jüdischen pseudepigraphischen Version vermittelt.59 Jedenfalls zitiert er ihn als „sehr alten König der Meder“ in Zusammenhang mit den Voraussagen über Roms Untergang (15,19) und bewertet dessen Orakel neben den Sibyllinischen als Beispiel für eine Übereinstimmung mit den prophetischen Wahrsagungen der Hl. Schrift (Epit 68,1). Die Unterschiede zwischen beiden Versionen sind jedoch möglicherweise eher auf den freien Umgang des christlichen Apologeten mit der Bibel zurückzuführen, bes. wenn er Vorstellungen meidet, die wegen ihres spezifisch jüdisch-christlichen Hintergrundes den heidnischen Lesern ohnehin nicht begreiflich sind. Diese Neigung würde die vereinfachte Version der Inst hinreichend erklären.60 Nach den Inst ist der Gegner und Mörder des Propheten ein König, der, von einem bösen Geist gezeugt, in Syrien geboren und Sieger über den Alleinherrscher aus dem Norden ist; er ist ein für die ganze Menschheit verhängnisvoller Rebell, ein „euersor ac perditor generis humani“ (17,2), ein schrecklicher Lügenprophet, der obendrein sich selbst zum Gott machen und als Gottessohn anbeten lassen will.61 Um Menschen zu verführen, ———————— 58 Diese letzte Angabe reicht m.E. bei Weitem nicht aus, den hostis potentissimus mit Diokletian zu identifizieren, wie ATZBERGER, Geschichte (s.o. Anm. 16), 603, Anm. 1, vorschlägt. 59 Zur ausführlichen Begründung s. D. F LUSSER, Hystaspes and John of Patmos, in: ders., Judaism and the Origins of Christianity, Jerusalem 1988, 390–453. 60 Vgl. FREUND, Laktanz (s.o. Anm. 1), 467–468. 61 „[…] et se ipsum constituet ac uocabit deum, se coli iubebit ut dei filium“ (V. 4).
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wird er die Macht haben, Wunder zu wirken, wie Feuer vom Himmel herabfallen zu lassen, die Sonne in ihrem Lauf anzuhalten und sein eigenes Bild zum Reden zu bringen. Er wird versuchen, „den Tempel Gottes“ von Grund auf zu zerstören, wobei mit „templum dei“ die „catholica ecclesia“ gemeint ist (Inst 4,30,11), die als „templum nouum“ den Jerusalemer Tempel ersetzt (4,25,2). Auch wird er „das gerechte Volk“, die Christen (17,6; vgl. Inst 5,2,4), verfolgen, so dass er eine Drangsal wie nie zuvor seit der Weltschöpfung verursacht. Denjenigen, der an ihn glaubt, wird er – wie beim Vieh – mit einem Kennzeichen versehen. Wer sich weigert, muss in die Berge fliehen und, falls der Flüchtling in Gefangenschaft gerät, wird er unter ausgesuchten Folterungen getötet, so wie die „gerechten Menschen“, die, von Rollen der Prophetenbücher („libri prophetarum“; vgl. Epit 40,3) umwickelt, in Brand gesteckt worden sind. Der Gottlose soll 42 Monate lang die ganze Erde verwüsten (17,4–8). „Er ist eigentlich der, der Antichrist genannt wird, sich selbst wird er aber als Christus ausgeben und gegen den echten kämpfen.“62 Oder wie Epit ihn darstellt: „er selbst wird behaupten, Christus zu sein, dessen Gegner er sein wird.“63 In dem Bericht hat Laktanz offenbar verschiedene Traditionen zu verbinden versucht: Die verfolgten Gerechten fliehen in die Berge (17,7) oder in die Einöden (V.10) oder versammeln sich auf dem Berg (Zion), wo sie belagert werden (ebd.). Nach der Epit kann nur ein Drittel der Verfolgten in die einsamen Einöden fliehen, denn zwei Drittel sind der Verfolgung schon zum Opfer gefallen (66,9). Ähnlich wie der Antichrist des Laktanz treten in den Visionen der Apk als Gottes Widersacher das Tier aus dem Meer (13,1) und „das andere Tier, das aus der Erde herauskommt“ (V. 11) auf. Das erste,64 das nach Dan 7,7.23–24 konzipiert ist und dessen Weltherrschaft auf 42 Monate befristet wird (13,5.7), bekämpft und tötet die beiden gottgesandten Propheten (11,7). Das zweite Tier wird Pseudoprophet genannt (16,13; 19,20; 20,10), hat wiederum ähnlich wie in Inst die Macht, große Wunder zu wirken, wie vom Himmel Feuer herabfallen zu lassen, es fördert den Kult um das erste Tier und verführt die Erdbewohner, dessen Bildnis herzustellen; es verleiht dem Bild Leben, so dass es reden kann und alle getötet werden, die das Bild nicht anbeten (13,12–15). Auch hier werden alle seine Anhänger mit einem Kennzeichen versehen (V. 16). Bei all diesen Übereinstimmungen zwischen den beiden Tieren der Apk und dem König aus Syrien der Inst ist freilich ein grundsätzlicher Unter———————— 62
„Hic est autem qui appellatur Antichristus, sed se ipse Christum mentietur et contra uerum dimicabit[…]“ (19,6). 63 „Se enim dicet esse Christum, cuius erit aduersarius.“ (66,8). 64 „Aus dem Abgrund“ (11,7), der sich an dieser Stelle mit dem Meer identifizieren lässt (s. AUNE, Revelation [s.o. Anm. 22], 732).
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schied zu beobachten. Nach Laktanz hat der Antichrist eindeutige Konturen der menschlichen Gestalt eines realistisch gezeichneten bösen Herrschers, der irgendwann im Laufe der Geschichte der Zukunft auftauchen wird. Demgegenüber sind die Tiere der Apk als Bilder der apokalyptischen Phantasie zwar reine Symbole, als Verkörperung der bösen Macht des römischen Imperiums mit seinem Kaiserkult, seiner Götzenverehrung, Luxusgier, Gewinnsucht, propagandistischen Manipulation, militärischen Gewalt und Christenverfolgung65 zielen sie jedoch auf die unmittelbare Lebenswirklichkeit der Leser. Die Botschaft bezieht sich als ernste Warnung an die Gläubigen gerade nicht auf die Zukunft, sondern auf ihre konkrete Gegenwart. Die Verfolgung des Volkes Gottes durch den Antichrist führt nach Laktanzʼ Endzeit-Bericht zu einer neuen Episode: dem siegreichen Kampf des Messias gegen seine Feinde, der am Ende der Zeiten zur Befreiung der Auserwählten führt. Es handelt sich dabei um ein bedeutsames Motiv des AT (u.a. Jes 11,4; Ps 18,38–46) wie auch der Apokalyptik.66 In der Apk tauchen vergleichbare Aussagen bereits in 17,14 auf: „Diese [die feindlichen Könige] werden mit dem Lamm kämpfen, aber das Lamm wird sie besiegen […]“. Dies wird anschließend in den Visionen 19,11–21 entfaltet. Im Mittelpunkt der ersten steht ein weißes Ross mit einem Reiter. Dass es sich dabei um Jesus in seiner Parusie handelt, geht aus dem Kontext hervor (V. 16). Ausdrücklich wird Ps 2,9 auf ihn bezogen: „er wird sie [die Völker] mit eisernem Stabe weiden“ und ein vernichtendes Gottesgericht vollziehen: „er ist es, der die Kelter des Zornweins des allmächtigen Gottes tritt.“ (19,15; vgl. Jes 63,2–3). Ihm folgen die himmlischen Heere, Reiter in weißen Leinengewändern auf weißen Pferden (V. 14). Der Ausgang des Kampfes wird in einer zweiten Vision durch die Aufforderung eines Engels angedeutet: Die Vögel, die hoch oben am Himmel fliegen, sollen das Fleisch der Könige und ihres ganzen Heeres fressen (V. 17–18; vgl. Ez 39,17–20). Zu dem feindlichen Heer gehören auch die zwei antichristlichen Tiere; sie werden ergriffen und in den Feuersee geworfen. Alle übrigen werden mit dem Schwerte, das aus dem Munde des Messias hervorgeht, getötet (vgl. Jes 11,4) und ihre Leichen, wie angekündigt, gefressen (V. 20–21). Die Version des Laktanz zeigt demgegenüber deutliche Diskrepanzen. Zunächst wird das Kriegsereignis – im Unterschied zu dem unvermittelten Auftauchen der beiden Tiere in der Apk – in den gesamten Verlauf der ———————— 65
S. J. FRIESEN, Imperial Cults and the Apocalypse of John: Reading Revelation in the Ruins, Oxford 2001, 133–217; J. FREY, The Relevance of the Roman Imperial Cult for the Book of Revelation, in: J. Fotopoulos (Hg.), The New Testament and Early Christian Literature in Greco-Roman Context (FS D. E. Aune), Leiden u.a. 2006, 231–255. 66 VOLZ, Eschatologie (s.o. Anm. 25), 208–211.
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eschatologischen Vorgänge eingereiht: Der zuvor bereits erwähnte Antichrist wird mit einem riesigen Heer den Berg (Zion) belagern, auf dem die Gerechten Zuflucht gesucht haben. Diese werden in ihrer Verzweiflung bei Gott ihre Rettung erflehen. „Darauf wird Gott sie erhören und vom Himmel einen großen König schicken, der sie entreißen und befreien und alle Frevler mit Feuer und Schwert zugrunde richten soll.“67 Auf eine Reihe von Zitaten der „testimonia diuina“, bes. aus den Sibyllinischen Orakeln (18,1–8), folgt eine Schilderung der katastrophalen Weltlage mit neuen Einzelheiten: Aus dem Tyrannen ist ein Weltherrscher geworden, und dieser verfügt über große Söldnerheere (19,1). Retter wird Christus als rächender Richter sein: „hic et enim liberator et iudex et ultor et rex et deus, quem nos Christum uocamus“ (V. 4). Das oben genannte Zitat aus Ps 2 als Anspielung der Apk auf den Messias ist im Text der Inst hingegen nicht zu finden. Nach Laktanz soll die Parusie in einer Osternacht stattfinden, „weil er in dieser [Nacht] sowohl damals, als er litt, das Leben zurückerhielt als auch später das Reich des Erdkreises zurückerhalten wird.“68 Einen Beleg für die nächtliche Stunde der Parusie findet Laktanz wiederum in den Sibyllinischen Orakeln: „Wenn er kommt, dann wird im Dunkel der schwarzen Nacht ein Feuer sich zeigen“ (Frag. 6,2). Vorzeichen der Parusie wird ein Schwert sein, das hier aber nicht aus dem Mund des Messias hervorgeht, sondern vom Himmel herabfällt (vgl. Sib 3,672). Wie in den Theophanien des AT ist das Erscheinen des Weltrichters von unauslöschlichem Feuer und einer mächtigen Engelschar begleitet. Die Streitmacht der Engel wird die Belagerer den Gerechten in die Hände liefern, und sie werden von der dritten Stunde an bis zum Abend niedergemetzelt, und das Blut wird fließen wie ein Wildbach.69 Die heftige Schlacht hat ein etwas verwirrendes Nachspiel: Obwohl seine Truppen restlos aufgerieben werden („deletisque omnibus copiis“), kann der Antichrist doch entkommen. Trotz Schwächung wird er den Kampf erneut versuchen. Endlich beim vierten Mal wird er völlig besiegt. Erst anschließend erfährt der Leser, dass seine frevelhaften Truppen ein zweites Mal niedergemacht worden sind, und dass andere Fürsten und Tyrannen, die die Welt mit Füßen getreten haben, ihn begleiten. Sie alle werden verhaftet, vor den Richter geführt, angeklagt, verurteilt und den verdienten Qualen preisgegeben (V. 5–7). Die ganze Schilderung des eschatologischen Vorgangs ———————— 67 „[…] et exaudiet eos deus et mittet regem magnum de caelo, qui eos eripiat ac liberet omnesque impios ferro ignique disperdat.“ (17,11). 68 „[…] quod in ea et uitam tum recepit, cum passus est, et postea regnum orbis terrae recepturus est.“ (V. 3); vgl. auch „peruigilio“ (in der Ostervigil), FREUND, Laktanz (s.o. Anm. 1), 493. 69 „[…] et concidetur ab hora tertia usque in uesperum et fluet sanguis more torrentis: […]“ (19,5).
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zeigt im Unterschied zu der über sich hinausweisenden Bildlichkeit der Apk weitgehend die Merkmale eines einfachen Geschichtsberichts. Es geht lediglich um die für den Leser möglichst nachvollziehbare Fortsetzung der Geschichte der Endzeit. Nur das vom Himmel herabfallende Schwert und das wunderhafte Eingreifen des Messias und der Engelschar sprengen diesen Rahmen. Der Ausgang des eschatologischen Dramas zeigt große Ähnlichkeit mit dem Bericht der 2Bar: „Der letzte Herrscher, der alsdann lebendig übriggeblieben wird, wenn seine ganze Schar vernichtet ist, wird nun gebunden werden. Auf den Berg Zion wird man ihn wegführen, und mein Gesalbter wird ihn aller seiner Freveltaten zeihen. Er wird versammeln und ihm vorlegen alle Taten seiner Scharen. Danach wird er ihn töten, den Rest meines Volkes indessen schützen […]“ (40,1–2; vgl. 72; 4Esr 13,32–38).70 Nicht im AT, sondern – wie auch sonst häufig – in den Sibyllinischen Orakeln sucht Laktanz – im Unterschied zu dem Verfasser der Apk – die ausdrückliche Bestätigung seiner Vorstellung vom messianischen Sieg. Bes. zu unterstreichen sind in diesem Zusammenhang die wörtlich zitierten Verse (18,5–7): „[…] kommt er [der Tyrann vom Osten] und will auch die Stadt der Seligen völlig zerstören. Doch wird gesendet von Gott gegen ihn ein mächtiger König, der alle mächtigen Herrscher und trefflichen Männer vernichtet.“ (5,107–109). Und: „Dann wird Gott vom Aufgang der Sonne entsenden den König, welcher die ganze Erde befreit vom Übel des Krieges“ (3,652–653).
4 Theologische Spekulation: Verknüpfung von Parusie-Gericht-Auferstehung Mit der ersten Auferstehung und der Einsetzung des messianischen Reiches fängt in Laktanzʼ Darstellung ein neuer Teil des eschatologischen Dramas an, der als Beginn einer im spezifischen Sinne auf das Jenseits gerichteten Eschatologie zu betrachten ist. Auch angesichts des unberechenbar Neuen dieses endgültigen zweiten Äons folgt Laktanz – weiterhin am Grundschema der apokalyptischen Eschatologie orientiert – seiner Neigung, alle Ereignisse in möglichst lückenloser Chronologie historisierend aufeinander zu beziehen. Dabei hat der moderne Betrachter den Eindruck, dass der Verfasser der Inst sich zunehmend in irrational anmutende Spekulationen verliert, je genauer er gerade diese in ihrer Transzendenz schwer fassbaren Ereignisse in vernunftgemäß-schlüssige Zusammenhänge zu ———————— 70 Texte aus 2Bar nach A. F. J. KLIJN, Die syrische Baruch-Apokalypse, JSHRZ 5: Apokalypsen, Gütersloh 1976, 105–191 (146f.).
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bringen versucht, um sie seinem Publikum nachvollziehbar und plausibel zu machen. Dies gilt ganz besonders für die Vorstellungen von Totenauferstehung und Weltgericht. Wie bereits mehrfach aufgezeigt, ist solch spekulatives Verfahren der Apk durchaus fremd, und ebenso fremd ist ihr auch inhaltlich die Vorstellung eines Weltgerichts, das eng mit der Parusie verknüpft ist, eine Vorstellung, die Laktanz eher mit den Synoptikern teilt. Der möglichen Erhellung einiger recht unklarer Stellen in der theologischen Spekulation des Laktanz soll am Ende dieses Abschnitts ein kurzer Vergleich mit ähnlichen Ausführungen bei Ambrosius von Mailand dienen. Das in Apk 19,11–20,15 zu Grunde liegende Schema der Endereignisse gehört zur Tradition jüdischer Apokalyptik und ist in seiner Aufeinanderfolge von messianischer Schlacht, messianischem Reich, Äonenwechsel, allgemeiner Totenauferstehung und Weltgericht besonders deutlich in 4Esr und 2Bar. Abweichend von diesem Schema, zeigt die Apk aber zwei wichtige Änderungen: Bereits am Anfang des messianischen Reiches soll eine erste Totenauferstehung und nach seiner Ablösung durch die Entfesselung Satans ein Ansturm der feindlichen Völker gegen die Gerechten stattfinden, der wiederum durch ein zweites Vernichtungsgericht niedergeschlagen wird (20,4–5.7–10). Dieses einzigartige Schema, das sich weder sonst im NT noch im zeitgenössischen Judentum finden lässt, ist an Ez 37–39 orientiert.71 Der Prophet Ezechiel verkündet mit dem Bild einer Wiederbelebung von Totengebeinen, die erst später als individuelle Totenauferstehung interpretiert wurde, die durchaus irdisch verstandene Wiederherstellung eines vereinigten Israel (37,14) und des darauffolgenden davidischen Reiches (37,15–28). Dieses wiederum wird von den Horden Gogs aus dem Lande Magog bestürmt (38,1–9), denen Gott durch ein Vernichtungsgericht ein Ende setzt (38,17–39,20). Nicht nur bei 4Esr, sondern nach jüdischer Eschatologie insgesamt ist das messianische Reich ein rein diesseitiges Reich von sterblichen Menschen,72 insofern gibt es dabei eigentlich keinerlei Raum für eine Totenauferstehung. Nach 2Bar gilt der messianische Schutz dem Rest des in Palästina verbleibenden Gottesvolks. „Ewig wird seine Herrschaft dauern, bis dass die Welt dieser Vergänglichkeit ein Ende finden wird und die vorhergesagten Zeiten sich vollenden.“ (40,3). So auch 4Esr: „Mein übriggebliebenes Volk aber, diejenigen, die in meinem Land gerettet wurden, wird er [der Messias] gnädig befreien. Er wird ihnen Freude bereiten, bis das En———————— 71 Zu den folgenden Ausführungen über das Tausendjährige Reich und seine exegetische Begründung s. J. FREY, Das apokalyptische Millennium. Zu Herkunft, Sinn und Wirkung der Millenniumsvorstellung in Offenbarung 20,4–6, in: C. Bochinger u.a. (Hg.), Millennium. Deutungen zum christlichen Mythos der Jahrtausendwende, München 1999, 10–72. 72 W. BOUSSET , Die Religion des Judentums, Tübingen 4 1966, 222–242; VOLZ, Eschatologie (s.o. Anm. 25), 173–186.
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de, der Tag des Gerichtes kommt […]“ (12,34).73 Die deutliche Trennung der zwei Äonen der atl. Prophetie wird noch mit der Feststellung unterstrichen: „Denn mein Sohn, der Messias, wird sich mit denen offenbaren, die bei ihm sind, und wird die Übriggebliebenen glücklich machen, 400 Jahre lang. Nach diesen Jahren wird mein Sohn, der Messias sterben und alle, die Menschenodem haben. Die Welt wird in das einstige Schweigen sieben Tage lang zurückkehren, wie es im Uranfang war, so dass niemand übrigbleibt. Nach sieben Tage aber wird die Welt, die noch nicht wach ist, erweckt werden, und das Vergängliche wird sterben.“ (7,28–31). Auch 2Bar verspricht keine Unsterblichkeit im neuen Reich, sondern lediglich – wie z.B. Jes 65,20 und Sach 8,4 – die Befreiung von einem vorzeitigen Tod (73,3). Dagegen erlangen nach der Apk die Teilnehmer der ersten Auferstehung die Unsterblichkeit und werden als Priester Gottes und als Könige mit Christus auf der Erde herrschen (20,6; vgl. 5,10). Die knappe und nüchterne Version lässt dabei die Frage nach den Untertanen dieses Reiches völlig im Dunkel. Man kann nur vermuten, dass es sich um die Völker aus den vier Ecken der Erde handelt, zahlreich wie Sand am Meer, die der entfesselte Satan rebellisch macht (20,8), auch wenn – nach Apk (19,21) – die Gottesfeinde in der vorausgegangenen messianischen Schlacht völlig aufgerieben sind. Jedenfalls entzieht sich die visionäre Darstellung weitgehend einer chronologischen Einordnung. Im Gegensatz bes. zu 2Bar gibt es in der Apk zudem auch keine Schilderung von paradiesischen Zuständen. Als Auftakt zur Einsetzung des tausendjährigen messianischen Reiches gibt der Verfasser der Apk einen unscharfen Hinweis auf seine Vision von Thronen, ohne zu klären, wo sie sind, wer darauf sitzt und in welcher Beziehung sie zu dem in 20,4 angedeuteten Rechtsspruch stehen. Aus dem Kontext wird ersichtlich, dass es keine Richterthrone sind, sondern symbolhafte Hinweise auf die Beteiligung der auferstandenen Märtyrer an der tausendjährigen Herrschaft Christi (V. 4 und 6).74 Von einem forensischen Gericht bei der Parusie ist nicht die Rede. Laktanz aber vermittelt demgegenüber ein anderes Gesamtbild, indem er im Rahmen der Vorstellungen von Totenauferstehung und Weltgericht eine spekulative Durchdringung einzelner Sachverhalte versucht, die freilich nicht systematisch durchgeführt ist und deutliche Brüche aufweist. Der Übersicht halber sei hier zunächst ein kurzer fünffach gegliederter Überblick über den gesamten Passus 20,1–26,6 in seinem Verlauf gegeben, bevor in entsprechenden fünf Teilabschnitten die manchmal recht subtilen ———————— 73
Texte von 4Esr nach J. SCHREINER, Das 4. Buch Esra, JSHRZ 5: Apokalypsen, Gütersloh 1981, 289–412. 74 S. FREY, Das apokalyptische Millennium (s.o. Anm. 71), 20–25.
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spekulativen Erörterungen des Kirchenvaters, soweit entschlüsselbar, im Einzelnen dargelegt werden. 1) Zunächst legt er die Ansicht dar, dass Parusie, Totenauferstehung und Weltgericht, allerdings ohne Beteiligung der „impii“, zusammenfallen (20,1–5). In einer Art Waagengericht werden die nicht völlig gottlosen Sünder gerichtet (20,6; gemeint sind hier nicht die als „impii“ Bezeichneten). 2) Im Anschluss an diverse Exkurse über die Leidensfähigkeit der unsterblichen Seele und die Wirkung des „göttliches Feuers“ (20,7–21,5) kommt daneben ein prüfendes Feuergericht, wohl eine Art Feuerprobe sowohl für Gerechte wie für Sünder zur Sprache (21,6–7a), und anschließend 3) wird die Frage nach einem individuellen Gericht unmittelbar nach dem Tod verneint (21,7b–8). In zwei weiteren Exkursen setzt Laktanz sich dann mit verschiedenen heidnischen Auffassungen auseinander: Während er den Gerichtsvorstellungen der heidnischen Dichter (Kap. 22) und den Vorstellungen von der Auferstehung bei den Pythagoreern kritisch gegenübersteht, wertet er die bedeutenden Übereinstimmungen mit dem Stoiker Chrysipp und bes. dem Sibyllinischen Orakel 475 (Kap. 23) als Belege für seine eigene Auffassung. 4) Schließlich ergänzt er seine Darstellung von Gericht und Auferstehung wiederum in einem neuen Ansatz: Der Gottessohn wird über Lebende und Tote richten, alle Gerechten werden zum Tausendjährigen Reich auferweckt, das auch den Überlebenden unter ihnen zugänglich sein wird, während ein Rest überlebender Heiden ihnen in Knechtschaft dienen muss (24,1–4). Der Bericht über den Verlauf der endzeitlichen Ereignisse wird mit einer Schilderung des herrlichen Zwischenreiches (Kap. 24,5–15) und einer knappen Erörterung der Quellen für die Eschatologie und Datierung des Endes (Kap. 25) unterbrochen und schließlich zu Ende geführt, indem er die eschatologischen Ereignisse in folgender Anordnung aufzählt: 5) letzte Rebellion der Gottesfeinde und ihre Vernichtung, Welterneuerung, Verwandlung der geretteten Gerechten, Totenauferstehung der „turba impiorum“ (bzw. der „impii“) und ihre ewige Bestrafung (26,1–6). Verwirrende, z.T. unklare, sogar widersprüchliche Einzelheiten in diesen unterschiedlichen eschatologischen Erörterungen des Laktanz erschweren das Verständnis im Sinne der von ihm selbst angestrebten zusammenhängenden Gesamtkonzeption. ad 1) Die siegreiche Parusie des Messias wird zur Folge haben, dass Götzenverehrung und alles Böse aus der Welt verschwinden (19,8–9) und eine Totenauferstehung wie auch ein gewaltiges Gericht durch den mit höchster Vollmacht beauftragten Gottessohn stattfinden: „Post haec aperientur inferi et surgent mortui, de quibus iudicium magnum idem ipse rex ac deus faciet, cui summus pater et iudicandi et regnandi dabit maximam ———————— 75 V. 40–43.187.189 (= 46). Zu den Textabweichungen der Inst s. F REUND, Laktanz (s.o. Anm. 1), 541f.
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potestatem“ (20,1). Die Aussage ist zunächst sehr allgemein: Der „König und Gott“ vollzieht ein „großes Gericht“ an den „Toten“, denen die geöffnete Unterwelt ein Erscheinen zum Gericht ermöglicht. Die in V. 2–4 herangezogenen Zitate aus den Sibyllinischen Orakeln scheinen den Eindruck der Universalität dieser Ereignisse zu bestärken. Dies gilt bes. für die Verse: „laufen werden die Könige alle zum Richterstuhl Gottes“ (8,242) und „[ich] werde den Himmel erschüttern, die Schlünde der Erde eröffnen, und dann will ich die Toten erwecken, lösend das Schicksal und den Stachel des Todes, und schließlich komme ich zum Gericht, um zu richten das Leben der frommen und gottlosen Menschen“ (8,413–416). Im weiteren Verlauf seiner Argumentation wird aber klar, dass die Aussage keineswegs so universal für alle Menschen gilt, wie es zunächst den Anschein hat: Weder die Totenauferstehung noch dieses Gericht werden die gesamte Menschheit treffen, insofern – nach Ps 1,5 – die Gruppe der Gottlosen [der „impii“, die Gott nicht erkannt haben] „nicht zum Gericht auferstehen werden“, da ihre Verurteilung schon fest steht,76 weil die „Erkenntnis des wahren Gottes“, die ihnen ja fehlt, das einzige Mittel sei, der „mors aeterna“ zu entgehen (Inst 4,27,16). Nicht so eindeutig ist andererseits, welche Gruppe von Menschen unter der Bezeichnung „qui sunt in dei religione uersati“ zu verstehen sind, die im Unterschied zu den „impii“ bei der Parusie gerichtet werden sollen (20,5). Als „die sich [irgendwie] in der Religion Gottes befunden haben“, sind hier wahrscheinlich die Christen im Allgemeinen gemeint, denn die „religio dei“ ist für Laktanz selbstverständlich das Christentum,77 wenn auch diese Selbstverständlichkeit nicht ausschließt, dass er grundsätzlich mit der Existenz frommer Menschen auch schon in vorchristlicher Zeit rechnet.78 Unklar ist darüber hinaus, ob und inwiefern sich die „in dei religione uersati“, also wohl die Allgemeinheit der Christen, identifizieren lassen mit den Sündern, die „Gott gekannt haben“ und deren böse Taten gegen ihre guten Werke abzuwägen sind. Auf jeden Fall müssen alle (mit Ausnahme der „impii“ und der „iusti“) sich einem Waagengericht79 unterziehen: Wenn dann die guten und gerechten Werke in der Mehrzahl und gewichtiger sind als die bösen, werden die Gerichteten „zum glückseligen ———————— 76 „Nec tamen uniuersi tunc a deo iudicabuntur […]. nam qui deum non agnouerunt, quoniam sententia de his in absolutionem ferri non potest, iam iudicati damnatique sunt, sanctis litteris contestantibus non resurrecturos esse impios in iudicium.“ (20,5). 77 Vgl. Inst 6,9,18; F REUND, Laktanz (s.o. Anm. 1), 505. 78 Vgl. Inst 2,12,19; seine Behauptung über die katholische Kirche „sola igitur catholica ecclesia est, quae uerum cultum retinet“ (Inst 4,30,11) steht dem nur scheinbar entgegen, insofern sie, wie aus dem Kontext ersichtlich ist, als paränetische Aussage auf die Gegenwart zielt und insofern keinerlei heilsgeschichtliche Spekulation intendiert. 79 Eine beliebte Vorstellung in der jüdischen Apokalyptik, vgl. V OLZ, Eschatologie (s.o. Anm. 25), 95 und 293.
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Leben“ bestimmt, wenn aber ihre schlechten überwogen haben, werden sie „zur Strafe verdammt“.80 Eine Anwendung von „Gerichtsbüchern“ als Symbol für das individuelle Gericht (Apk 20,12; vgl. Dan 7,10) wird nirgends angedeutet, und Laktanz verzichtet an dieser Stelle auch auf nähere Erläuterungen hinsichtlich der zweifachen Folgen dieses Gerichts. Stattdessen unterbricht er den Gedankengang mit einem Exkurs über die Leidensfähigkeit der unsterblichen Seele (20,7ff.), so dass sich nicht erschließen lässt, ob er sich unter „glückseligem Leben“ möglicherweise die Beteiligung am Tausendjährigen Reich und unter „Strafe“ eine nur vorübergehende oder eine endgültig ewige Strafe vorgestellt hatl. ad 2) Das Bild wird noch verwirrender, wenn im Zuge des genannten Exkurses bzw. im Anschluss an eine Erörterung über das unauslöschliche Feuer der Verdammten („ignis diuinus“, 21,5) ein weiteres Gerichtsbild erscheint, nach dem Zahl und Gewicht der Werke ebenfalls eine Rolle spielen: „Aber auch dann, wenn Gott die Gerechten richtet, wird er diese ebenfalls mit Feuer prüfen“: „sed et iustos cum iudicauerit deus, etiam igni eos examinabit.“ (21,6). Als „deus“ ist hier wohl Christus („rex ac deus“, 20,1) gemeint. Angewendet wird jedoch nicht eine Waage, sondern ein prüfendes Feuer, das ausdrücklich auch für die Gerechten gilt. Das Ziel dieses Gerichts ist nicht ganz eindeutig. Wie in der Didache (16,5) wird das Feuer die Menschen, nicht jedoch ihr „Werk“ (wie in 1Kor 3,13) prüfen. Jedenfalls werden die Gerechten, „durch vollkommene Gerechtigkeit und reifere Tugend veredelt, jenes Feuer nicht empfinden: denn sie tragen in sich etwas Göttliches, das der Gewalt der Flamme gänzlich widersteht.“81 Die aber, deren Sünden an Gewicht oder Zahl überwiegen, werden durch das Feuer nur „leicht gestreift und versengt“ (ebd.).82 Dieses vorübergehende Prüfungsfeuer ist wahrscheinlich nicht mit dem ewigen Straffeuer (21,3–5 und 26,7) identisch, und seine Prüfungsfunktion zeigt eine gewisse Analogie zu der bereits dargestellten Wägung (20,6). Vielleicht handelt es sich lediglich um ein neues Bild, das zugleich ein Hinweis auf eine begrenzte und befristete Strafe der Sünder sein könnte. Jedenfalls wird die Wirksamkeit dieses Feuers in so allgemeinen Zügen zum Ausdruck gebracht, dass sie sich nicht eindeutig in eine von Laktanz wohl intendierte systematische Eschatologie einordnen lässt: Es soll die Gottlosen ———————— 80 „Iudicabuntur ergo qui deum scierunt et facinora eorum id est mala opera cum bonis collata ponderabuntur, ut si plura et grauia fuerint bona iustaque, dentur ad uitam beatam, si autem mala superauerint, condemnentur ad poenam.“ (20, 6). 81 „[...] quos autem plena iustitia et maturitas uirtutis incoxerit, ignem illum non sentient: habent enim aliquid in se dei, quod uim flammae repellat ac respuat.“ (21,6). 82 „tum quorum peccata uel pondere uel numero praeualuerint, praestringentur igni atque amburentur, […]“; „amburere“ ist wohl von „cremare“, als Ausdruck im Zusammenhang mit der Märtyrerverbrennung (17,8) und des ewigen Straffeuers (21,5; 26,7), zu unterscheiden.
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verbrennen und die Gerechten schonen: „[…] ut impios urat, iustis temperet“ (21,7a). ad 3) Die Erörterung über das Prüfungsfeuer führt Laktanz – wohl eher assoziativ – auf die Frage nach dem Zeitpunkt des Gerichtes, die er hier aber nur kurz abhandelt. Er stellt fest, dass es unmittelbar nach dem Tod des einzelnen Menschen nicht stattfinden wird: „nec tamen quisquam putet animas post mortem protinus iudicari“ (21,7b), vielmehr werden alle Seelen zunächst solange in gemeinsamem Gewahrsam gehalten, bis der höchste Richter zur Prüfung ihrer Verdienste erscheint: „omnes in una communique custodia detinentur, donec tempus adueniat quo maximus iudex meritorum faciat examen.“ (Ebd.). Aufschlussreich ist der entsprechende Passus in mehrfacher Hinsicht: a) Laktanz nimmt hier offenbar Stellung zu der innerchristlichen Kontroverse hinsichtlich des Aufenthaltsortes für die Seelen der Verstorbenen.83 Seiner Meinung nach ist der Ort „einzig und [allen] gemeinsam“. b) Auffällig im Blick auf die Kriterien der richterlichen Prüfung ist besonders vor dem Hintergrund der vorangehenden z.T. ja recht spitzfindigen Erörterungen die Schwarzweißmalerei der Aussage, die nunmehr keinerlei Abwägung von Gutem und Bösem erkennen lässt: Ausdrücklich genannt werden lediglich diejenigen, deren Gerechtigkeit erwiesen ist („quorum fuerit probata iustitia“) gegenüber den anderen, deren Sünden und Verbrechen aufgedeckt sind („quorum autem peccata et scelera detecta“); die Ersteren werden das „praemium immortalitatis“ empfangen, wohingegen die Verurteilten nicht auferstehen werden, sondern „zu gewissen/festgesetzten Qualen bestimmt“, zusammen mit den Gottlosen in derselben Finsternis aufbewahrt werden: „non resurgent, sed cum impiis in easdem tenebras recondentur ad certa supplicia destinati.“ (21,8). Den harten Kontrast relativierend, ließe sich allenfalls aus dem Kontext erschließen, dass die guten Taten der einen bzw. die Sünden der anderen in Relation zu dem Maß ihres jeweils gegenteiligen Handelns gewichtet werden. Ausdrücklich wird dies aber nicht gesagt. c) Solche „Sünder“ werden ohne vorherige Auferstehung den „impii“ zugesellt, die jedoch als bereits Verdammte zu ewiger Strafe noch nicht bei der Parusie (20,5), aber in der Endzeit auferstehen werden (26,6). Insofern sind beide voneinander zu unterscheiden; unklar bleibt dabei, ob diese Sünder auch an der endzeitlichen Auferstehung der „impii“ teilnehmen werden. d) „Lohn der Unsterblichkeit“ bedeutet wahrscheinlich Zugang zum Zwischenreich für auferweckte Gerechte oder für überlebende Gerechte der Endzeit. e) Wenn es von den in diesem Passus gemeinten Sündern heißt, sie seien „ad certa supplicia destinati“, während die verdammten Gottlosen „ad cruciatus sempiternos [zu ewigen Qualen]“ auferstehen müssen (26,6–7), ebenso wie die Juden, die nach Laktanzʼ Ansicht ———————— 83 FREUND, Laktanz (s.o. Anm. 1), 525.
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als Inbegriff der Gottlosigkeit gelten und in gleichem Wortsinn ebenfalls zu ewigen Qualen, „ad aeterna supplicia destinati [sunt]“ (1,25), so könnte das darauf schließen lassen, dass hier mit der parallelen Formulierung „ad certa supplicia destinati“ – in Abgrenzung vom endgültigen Schicksal der „impii“ – eine zeitlich begrenzte Bestrafung dieser Sünder angedeutet wird. f) Schließlich führt die Verschiebung der Auferstehung der bereits gerichteten Sünder zu der Auffassung eines Gerichts nur über die „Seelen“ aller noch nicht auferstandenen Verstorbenen, die keine „impii“ sind. Dieses Gericht über die Seelen und eine Totenauferstehung, die nur auf Gerechte beschränkt ist, hat Laktanz im Blick, wenn er (Inst 4) schreibt: Christus kommt „in claritate ac potestate“, um „alle Seelen zu richten und die Gerechten ins Leben zurückzubringen; dann wird er wirklich die Herrschaft über die ganze Erde übernehmen, dann wird das goldene Zeitalter, wie die Dichter es nennen, d.h. eine gerechte und friedliche Zeit, entstehen, nachdem alles Böse aus den menschlichen Angelegenheiten getilgt ist.“84 Dabei ist wohl eine Unterscheidung zwischen surgere und resurgere anzunehmen:85 surgere im Sinne von Aufstehen der Seelen aus dem Grab bzw. „der Toten aus der Unterwelt“ („aperientur inferi et surgent mortui“, 20,1; vgl. 4Esr 7,32) zum Zweck des Gerichts, was keine leibliche Auferstehung voraussetzt, gegenüber resurgere (21,8) als Auferstehung – d.h. Wiedervereinigung der aus der Unterwelt erstandenen Seelen mit einem erneuerten Körper (22,8; 23,1) – zum ewigen Leben. ad 4) Deutlicher als in Kap. 20 stellt Laktanz in c. 24 den Auftakt des messianischen Reiches dar. Unter Berufung auf die Sibyllinischen Orakel (8,81–83) verkündet er ein Gericht des Gottessohnes „über Lebende und Tote“ (vgl. Epit 67,3: „rex ille iustus et uictor iudicium magnum de uiuis et mortuis faciet super terram […]“; Apg 10,42; 2Tim 4,1 und 1Pe 4,5) im Rahmen der Parusie: „ueniet igitur summi et maximi dei filius, ut uiuos ac mortuos iudicet, […]“. Im Anschluss an das sibyllinische Zitat entfaltet er den Gedanken weiter: „aber nachdem jener die Ungerechtigkeit abgeschafft, das höchste Gericht gehalten und die Gerechten, die von Anfang an da waren, zum Leben erneuert hat, wird er tausend Jahre unter den Menschen verweilen und sie mit höchster Gerechtigkeit regieren.“86 Mit der Abschaffung der Ungerechtigkeit ist vermutlich die vorangegangene Vernichtungsschlacht des Messias gemeint (19,5). Eindeutig ist sie in ihrer ———————— 84 „[...] ut omnem animam iudicet et iustos restituat ad uitam, tunc uere totius terrae regimen obtinebit, tunc sublato de rebus humanis omni malo aureum saeculum ut poetae uocant, id est iustum ac pacificum tempus orietur“ (12,21); Text nach E. HECK / A. WLOSOCK, Inst III/IV, Berlin u.a. 2007. 85 Vgl. FREUND, Laktanz (s.o. Anm. 1), 503. 86 „Uerum ille cum deleuerit iniustitiam iudiciumque maximum fecerit ac iustos qui a principio fuerunt ad uitam restaurauerit, mille annos inter homines uersabitur eosque iustissimo imperio reget.“ (V. 1–2).
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Wirkung: „nach der Aufhebung der Bosheit und Unterdrückung der Gottlosigkeit wird der Erdkreis so zur Ruhe kommen“: „sic extincta malitia et impietate compressa requiescet orbis,[…]“ (19,8). Eine solche Schlacht wird auch im AT als kollektives Vernichtungsgericht aufgefasst (z.B. Zeph 1,13–18). Diese militärische Handlung ist aber zu unterscheiden vom „iudicium maximum“ der Parusie. Dass Laktanz – anders als der Verfasser der Apk – an ein forensisches Gericht schon in Zusammenhang mit der Parusie denkt, lässt sich mehrfach weiter belegen: Wenn das Ende der Zeiten sich nähert, wird auf Erden das höchste Gericht Gottes abgehalten.87 Genauer noch: Das Gericht Gottes wird stattfinden, „wenn unser Herr auf die Erde zurückkehren wird, um jedem Einzelnen nach seinem Verdienst entweder Lohn oder Strafe zuzumessen.“88 Die Reihenfolge der Ereignisse wird festgelegt: Anschließend an die Parusie werden die Gerechten aus der ganzen Erde zusammengeschart, dann wird Gericht abgehalten und zuletzt die heilige Stadt in der Mitte der Erde errichtet.89 Schwer zu entwirren ist bereits in der Apk die Verquickung verschiedener endzeitlicher Gerichtsvorstellungen: Zweierlei kollektive Vernichtungsgerichte nach atl. Muster (19,21 und 20,9) sind dem im eigentlichen Sinne apokalyptischen Gericht des Einzelnen nach den Werken vorangestellt, das im Anschluss an die allgemeine Auferstehung stattfindet (20,12).90 Das Problem verschärft sich in den Inst, die anders als die Apk jeweils unterschiedliche Gerichtsvorstellungen mit der Parusie, der ersten Auferstehung und der Einsetzung des Zwischenreiches in Zusammenhang bringen. ad 5) Die zweite Auferstehung, die gleichzeitig mit der Verwandlung der Erlösten geschehen soll, ist eigentlich nur die Auferstehung der „iniusti“ zu ewigen Qualen: „eodem tempore fiet secunda illa et publica omnium resurrectio, in qua excitabuntur iniusti ad cruciatus sempiternos“ (26,6)91. Diese „Ungerechten“ gehören zur Schar der Götzendiener und ———————— 87
„[...] iudicium dei maximum, quod in terra propinquante saeculorum fine celebrabitur.“ (9,1). 88 „[...] cum dominus noster redierit in terram, ut uni cuique pro merito aut praemium persoluat aut poenam. “ (1,23). 89 „Post cuius [summi et maximi dei filii, vgl. 24,1] congregabuntur iusti ex omni terra peractoque iudicio ciuitas sancta constituetur in medio terrae, [...]“ (24,6). 90 FREY, Das apokalyptische Millennium (s.o. Anm. 71), 31: „Die Sequenz der Visionen von ‚Endereignissen‘ weist nun Inkonsistenzen auf, die eine Lektüre des Textes im Sinne einer kohärenten Ereignisfolge als problematisch erscheinen lassen.“ 91 Nach ATZBERGER ist das göttliche Gericht bei der Parusie nicht „das letzte und definitiv entscheidende Weltgericht“ (Geschichte [s.o. Anm. 16], 609f.). Jedoch ist ein Weltgericht nach der Auferstehung der Gottlosen in den Inst nicht zu belegen, es gibt nur den Vollzug der ewigen Strafe, also keine zweite und allgemeine Auferstehung aller Menschen, wie er behauptet (Geschichte [s.o. Anm. 16], 608, § 628).
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derjenigen, die Gott nicht gekannt oder verleugnet haben (ebd.; vgl. 20,5). Zusammen mit ihnen wird auch ihr Herr [der Satan] mit seinen Dienern ergriffen und zur ewigen Feuerstrafe verdammt.92 Sämtliche Verdammten werden also nach Inst wegen ihrer bösen Taten „vor den Augen der Engel und Gerechten in immerwährendem Feuer auf ewig verbrannt“.93 So ist grundsätzlich auch in Epit zu lesen: „dann werden auch die Frevler auferstehen, nicht zum Leben, sondern zur Strafe. Auch diese wird Gott mit einer zweiten Auferstehung erwecken, damit sie zu immerwährenden Qualen verurteilt und dem ewigen Feuer ausgeliefert, die für ihre bösen Taten verdiente Strafe erleiden.“94 Und wie es eine „zweite Auferstehung“ gibt, gibt es ebenso einen „zweiten Tod“ (vgl. Apk 20,14) in immerwährender Finsternis, „dessen Wirksamkeit nicht darin besteht, die ungerechten Seelen gänzlich zu vernichten, sondern für immer zu bestrafen. Diese Strafe nennen wir zweiten Tod, der ist selbst immerwährend, ebenso wie die Unsterblichkeit.“95 So unterscheidet Laktanz zwischen „temporalis mors“ und „mors perpetua“. Der zeitliche Tod entspricht dem zeitlichen Leben und hat ein Ende, der „ewige“ entspricht dem ewigen Leben, indem der Verdammte ewige Strafen und unendliche Qualen für seine Sünden erleidet: „perennes poenas et infinita tormenta pro peccatis suis pendit.“ (11,1–2). Eine ähnliche Auffassung vom zweiten Tod zeigt die knappe Definition des Victorinus von Pettau: „mors autem secunda castigatio est in infernum“ (Apokalypsekommentar, 20,2; CSEL 49, Vindobonae/Lipsiae 1916, 144,11f). In einem der spekulativen Exkurse, mit denen Laktanz seinen Überblick über den Verlauf der eschatologischen Ereignisse immer wieder unterbricht, erläutert er, dass die ewige Feuerqual der auferstandenen Verdammten möglich sei, weil ja deren Fleisch als für immer unverweslich durchaus imstande sei, eine solche Strafe zu überstehen.96 Schon die Fragestellung ———————— 92
Diese Vorstellung bedeutet eine geringe Abweichung gegenüber der Apk, wonach der Teufel schon nach der Rebellion am Ende des Tausendjährigen Reiches in den See von brennendem Schwefel geworfen wird (20,10). 93 „Sed et dominus illorum cum ministris suis comprehendetur ad poenamque damnabitur, cum quo pariter omnis turba impiorum pro suis facinoribus in conspectu angelorum atque iustorum perpetuo igni cremabitur in aeternum.“ (V. 7; vgl. Apk 14,10; 1Hen 48,9; 62,12). 94 „Tunc etiam impii resurgent, non ad uitam, sed ad poenam. eos quoque secunda resurrectione facta deus excitabit, ut ad perpetua tormenta damnati et aeternis ignibus traditi merita pro sceleribus suis supplicia persoluant.“ (67,8). 95 „Cuius [sc. mortis] non ea uis est, ut inustas animas extinguat omnino, sed ut puniat in aeternum. eam poenam mortem secundam nominamus, quae est et ipsa perpetua sicut et immortalitas.“ (Inst 2,12,8). 96 „Caro illa [...] insolubilis ac permanens in aeternum, ut sufficere possit cruciatibus et igni sempiterno, […]“ (21,3); eine Frage, die auch Augustin in seiner Civitas Dei erörtert (21,2).
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zeigt in aller Deutlichkeit den Abstand des lateinischen Rhetors von Sprache und Denken der Apk. Für deren Verfasser ist der „Feuersee“ der Unterwelt – fern von jeglicher Spekulation – ein über sich hinausweisendes Bild, mit dem der Seher versucht, das von Gott auferlegte endgültige Schicksal der Verdammten, d.h. eine ganz andere, transzendente Wirklichkeit zu erfassen und zu deuten. Laktanz hingegen bleibt, auch wenn er zugesteht, dass das Fleisch dieser auferstandenen Verdammten nicht „huic terrenae similis“ sei und dass das ewige Feuer keinen Brennstoff brauche, um nicht zu erlöschen, in der Betrachtung beider Gegenstände an den irdischen Erfahrungsbereich gebunden. So kann er auf die gestellte Frage eine sichere Antwort geben: Das „göttliche“ Feuer wird die Kraft haben, in einem qualvollen Zyklus die schon verbrannten Gottlosen von neuem zu schaffen, und soviel es den Körpern entzieht, soviel ersetzt es auch wieder und wird sich selbst auf diese Weise ewig mit Brennstoff versorgen. Ein abschließender Hinweis auf die Dichter und den von ihnen überlieferten Mythos von den ewigen Qualen des Tityos im Tartaros, dem der Geier unaufhörlich die Leber ausfrisst, mag dabei als eine Art veranschaulichender Beleg an die Adresse der heidnischen Leser gemeint sein97. Insgesamt erweist sich die Erschließung des angeblich so wörtlichen Schriftsinns wiederum als ein apokalyptischer Realismus, der sich von der Intention des Apokalyptikers grundsätzlich unterscheidet. Überblickt man das hier vorgestellte Mosaik aus divergierenden eschatologischen Aussagen, so lässt sich, wie bereits angedeutet, in zwei Punkten möglicherweise etwas mehr Klarheit über Laktanzʼ Vorstellungen vom Zeitpunkt der Auferstehung wie über die Unterscheidung der vom Gericht Betroffenen gewinnen, wenn man zum Vergleich mit Laktanzʼ Auslegung von Ps 1,5 die des Ambrosius von Mailand heranzieht: „[…] impii non resurgunt in iudicio, […] nec peccatores surgunt in consilio iustorum“ (47, Z. 3–5).98 Wie Laktanz unterscheidet Ambrosius grundsätzlich zwischen Gerechten („iusti“) und Sündern („peccatores“). Die Ersteren werden ohne Gericht die Gnade der ersten Auferstehung erlangen: „sine iudicio ueniunt ad gratiam“ (46, Z. 5–6). Denn sie haben recht geglaubt und ihren Glauben auch mit guten Werken befolgt, deshalb werden sie nicht gerichtet, sondern werden sich als Auferstandene unmittelbar im Rat der Gerechten fin———————— 97 „Idem igitur diuinus ignis una eademque ui ac potentia et cremabit impios et recreabit et quantum e corporibus absumet, tantum reponet ac sibi ipse aeternum pabulum subministrabit: quod poetae in uulturem Tityi transtulerunt.“ (21,5). Zu den zahlreichen Stellen über die ewige Bestrafung der Verdammten in Inst, s. ATZBERGER, Geschichte (s.o. Anm. 16), 599–600. 98 Text nach Explanatio Psalmorum XII, M. P ETSCHENIG / M. ZELZER , CSEL 64, Wien 21999.
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den (d.h. zusammen mit dem Messias richterliche Funktionen wahrnehmen).99 Demgegenüber müssen die Sünder („peccatores“), „die nicht inmitten der Gerechten auferstehen können“, doch vor Gericht erscheinen.100 Es sind also zwei Stände („habes duos ordines“, ebd.) von Menschen zu unterscheiden: Die „peccatores“ und die „iusti“. Einen dritten Stand bilden daneben die „impii“, welche, da sie nicht geglaubt haben, schon gerichtet sind und gar nicht erst vor Gericht, sondern nur zu endgültiger Strafe auferstehen, die „vielleicht eine Strafe der Finsternis“ ist, denn sie haben ja die Finsternis mehr geliebt als das Licht.101 Darüber hinaus sucht nun Ambrosius als Exeget – etwas genauer als Laktanz – nach Anhaltspunkten, die im Blick auf das Gericht eine nähere Abgrenzung der „impii“ von den „peccatores“ erlauben: Scheinbar auf beide könnte das genannte Herrenwort Joh 3,19 anwendbar sein, dass sie nämlich die Finsternis mehr als das Licht geliebt hätten. Unter Berufung auf den vorangegangenen Vers Joh 3,18 aber („wer nicht glaubt, ist schon gerichtet“)102 zeigt er in etwas spitzfindiger Argumentation, dass Joh 3,19 ausschließlich auf die „impii“ anwendbar sei: „Zwar könnte man denken, dass die, die Böses getan haben“ – so räumt er zunächst ein –, „dennoch im Glauben an Christus eine richtige Lebensführung anstrebend, aber den Verlockungen der Sünden erlegen, die Finsternis mehr geliebt hätten als das Licht, d.h. beides liebten, aber die Finsternis noch mehr.“103 Hier sei aber – seiner persönlichen Meinung nach – im Sinne des Kontextes eindeutig nur von Ungläubigen („impii“, Z. 11) die Rede.104 Der in Joh 3,18 gemeinte Ungläubige, der schon gerichtet ist, sei nämlich nur zu verstehen als solcher, der die Finsternis liebte und nicht das Licht. Er hätte ja Christus, also dem Licht, nicht geglaubt. Deswegen sei es absurd, (sc. unter Berufung auf Joh 3,19) anzunehmen, die „impii“ hätten das Licht lieben können, von dem sie doch nichts wissen wollten. Die abschließende Begrün———————— 99
„Unde uidentur qui bene crediderunt et fidem suam etiam operibus exsecuti sunt, ipsi non iudicari, sed surgere in consilio iustorum [Ps 1,5b];“ (47, Z. 8–9). 100 „[…] peccatores autem [im Gegensatz zu den „iusti“], qui non possunt inter iustos surgere, surgent in iudicio“ (47, Z. 10–11). 101 „Tertius superest impiorum, qui quoniam non crediderunt iam iudicati sunt et ideo non surgunt in iudicio, sed ad poenam; dilexerunt enim magis tenebras quam lucem [Joh 3,19] et ideo iudicium eorum poena est et forte poena tenebrarum.“ (47, Z. 11–15). 102 Schon Cyprian bringt Joh 3,18f. in Zusammenhang mit Ps 1,5 (Testimonia adversus Iudaeos 3,31). 103 „Et poterat quidem intellegi, quod hi, qui mala opera habent, credentes tamen in Christum, uolentes quidem recte uiuere, sed uicti inlecebris peccatorum, dilexerunt plus tenebras quam lucem, id est: utrumque dilexerunt, sed magis tenebras.“ (47, Z. 15–18). 104 „Sed quia de illis [sc. impiis] praemisit qui non crediderunt [Joh 3,18], sic accipiendum puto, quod dilexerunt tenebras, et non lucem;“ (47, Z. 19–20).
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dung findet er im Psalmwort: „Denn sie wollten nicht wissen und waren nicht einsichtig und wandern in der Finsternis.“105 Ambrosius unterscheidet in aller Deutlichkeit zwischen der ersten und der zweiten Auferstehung: „[…] saluator [Jesus] duo genera resurrectionis posuit […]“ (46, Z. 3). Die erste ist den Gerechten vorbehalten, die „sine iudicio ueniunt ad gratiam“ (46, Z.5–6). Die „peccatores“, die gläubigen Sünder also, dürfen an der ersten Auferstehung nicht teilnehmen, sondern werden für die zweite aufbewahrt;106 und sie werden brennen, bis die Zeiten zwischen der ersten und der zweiten Auferstehung erfüllt werden; wenn sie aber ihre Buße nicht erfüllt haben, werden sie noch länger in ihrer Qual bleiben.107 Hier deutet sich eine freilich noch unscharfe Vorstellung an von einer zeitweiligen Strafe für solche Sünder, die keine Ungläubigen sind; eine solche Strafe könnte über das Endgericht hinaus verlängert werden.108 Eine ähnliche Auffassung könnte auch Laktanz vertreten haben. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass nach Laktanzʼ Auffassung die Parusie von einer Auferstehung der Gerechten und einem Endgericht über Tote und übriggebliebene Lebende begleitet wird. Die schlimmsten Gottlosen gelten als schon verurteilt und werden erst nach der Welterneuerung zu ewigen Qualen auferstehen. Sünder, deren gute Werke die bösen überwiegen, erhalten den Lohn der Unsterblichkeit. Die Frage, inwiefern das Schicksal der anderen Sünder, bei denen das Böse überwiegt, mit dem endgültigen Los der Gottlosen identisch ist, sowie der Zeitpunkt ihrer leiblichen Auferstehung bleiben unerklärt und sind auch unter Heranziehung der Parallelen bei Ambrosius nur sehr vorsichtig zu erschließen. Alle diese Erörterungen zeigen allerdings, welche Aporien auftauchen, wenn christliche Spekulation sich auf solche Weise eschatologischer Inhalte bemächtigt. Jedenfalls ist Laktanz viel daran gelegen, und hier wird – jenseits aller Spekulation – auch sein paränetisches Interesse deutlich, die richterliche Gewalt Gottes in Bezug auf Gedanken und Werke des einzelnen Menschen hervorzuheben. Am Schluss der Inst ermahnt er den Leser, sich, solange es erlaubt und möglich sei, von ganzer Seele zu Gott zu bekehren, „damit er ———————— 105 „Lux enim Christus. qui ergo non crediderunt luci, absurdum est ut lucem uel dilexisse credantur, quam nescierunt; nescierunt enim, neque intellexerunt, in tenebris ambulant sicut scriptum est [Ps 81,5].“ (47, Z. 20–23). 106 Insofern ist ihr „surgere in iudicio“ (47, Z. 10–11) nicht eigentlich als auferstehen auszulegen, sondern wie in Inst lediglich ein Aufstehen der Seelen zum Gericht, das keine leibliche Auferstehung voraussetzt (vgl. 4,12,21; 7, 21,7–8). 107 „[...] qui autem non ueniunt ad primam resurrectionem, sed ad secundam reseruantur, isti urentur, donec impleant tempora inter primam et secundam resurrectionem, aut, si non impleuerint [sc. poenitentiam], diutius in supplicio permanebunt“ (46, Z. 6–9). 108 H. DE LAVALETTE, L’interprétation du Psaume 1,5 chez les Pères „miséricordieux“ latins, RSR 48 (1960), 544–563, bes. 552–554.
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unbesorgt jenen Tag erwarten darf, an dem Gott, der Lenker und Herrscher der Welt, über die Taten und Gedanken der Einzelnen richten wird.“109
5 Laktanz als Chiliast Wie die Weltgeschichte insgesamt – nach Laktanz – chiliastisch strukturiert ist, so hat insbesondere das Millennium, die tausendjährige Herrschaft Christi auf Erden, in seiner Eschatologie einen entsprechend hohen Stellenwert. Dabei ist in der Rezeption des Abschnitts Apk 20,1–10 die Eigenart des Kirchenvaters im Umgang mit der Apk bes. greifbar. Dies aufzuzeigen erscheint – als eine Art kontrastive Folie – die Apk-Auslegung des Irenäus bes. geeignet: Vor und neben Laktanz ist Irenäus von Lyon der Kirchenvater, der seine chiliastischen Vorstellungen am deutlichsten entfaltet. Ein Vergleich mit ihm ist daher naheliegend und soll – anhand einiger kurzer Beispiele – gegen Ende des folgenden Abschnitts die Besonderheit von Laktanzʼ Eschatologie im Kontext seines geistigen Umfeldes noch deutlicher konturieren. Die Vertreter des Chiliasmus haben gerne die irdische Diesseitigkeit des göttlichen Heils unterstrichen. Schon Justin verkündet im Namen des Johannes, „eines Apostels des Christus“, einen tausendjährigen Aufenthalt der gläubigen Christen in Jerusalem vor der allgemeinen Auferstehung und dem Weltgericht (dial. 81,4). Tertullian leitet mit ähnlicher Intention wie Laktanz die Notwendigkeit eines irdischen Zwischenreiches aus einem Vergeltungsprinzip ab: „Es ist gerecht und Gott angemessen, dass seine Diener gerade dort jubeln, wo sie in eben seinem Namen übel zugerichtet worden sind.“110 Und wie Tertullian hält auch Irenäus von Lyon, der die chiliastische Lehre im 5. Buch seines Werkes „Gegen die Häresien“ darstellt,111 am Grundsatz des gerechten Ausgleichs fest: In dem Zustand, in dem die Gerechten drangsaliert waren, sollen sie die Früchte des Leids empfangen; in dem Zustand, in dem sie wegen ihrer Liebe zu Gott getötet wurden, sollen sie wiederbelebt werden; und in dem Zustand, in dem sie Knechtschaft ertragen haben, sollen sie herrschen.112 ———————— 109 „[...] dum licet, dum facultas adest, seque ad deum tota mente conuertat, ut illum diem securus expectet, quo praeses dominusque mundi deus de singulorum factis et cogitationibus iudicabit.“ (27,9). 110 „[...] siquidem et iustum et deo dignum illic quoque exultare famulos eius, ubi sunt et adflicti in nomine ipsius.“ (Marc. 3,24,5). 111 Die Frage, ob der Chiliasmus in „Gegen die Häresien“, 5,32–36 ein „Fremdkörper im ‚Leib der Wahrheit‘ des heiligen Irenäus“ ist (so E. SCHARL, Recapitulatio mundi, Freiburg i.B. 1941, 93), mag hier dahingestellt bleiben. 112 „In qua conditione enim lavoraverunt sive afflicti sunt […], iustum est in ipsa recipere eos fructus sufferentiae; et ‹in› qua conditione interfecti sunt propter Dei
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Bürger des messianischen Reiches werden nach Inst vor allem die auferstandenen Gerechten, die von Anfang an da waren: „iust[os] qui a principio fuerunt“ (24,2). Wenn auch das Wort „principium“ vermutlich den weiten Rahmen des Weltbeginns umschreibt und Laktanz auch grundsätzlich mit der Existenz von gerechten Gottesverehrern („iustos uiros cultores suos [sc. dei]“) seit Adams Vertreibung aus dem Paradies rechnet (Inst 2,12,19), so sind im vorliegenden Zusammenhang diese Gerechten vorchristlicher Zeiten, wie z.B. die atl. Patriarchen, doch allenfalls unreflektiert in die Gruppe der „iusti“ einbezogen; ähnlich wie bei den oben genannten „in dei religione versati“ (20,5) gezeigt, stehen sie jedoch keineswegs im Vordergrund des Bewusstseins, wenn in 24,2 von der Teilhabe der Gerechten am Tausendjährigen Reich die Rede ist. Es ist aber bezüglich der Teilnehmer der ersten Auferstehung ein Unterschied gegenüber Apk festzustellen: Nach Apk 20,4–5 ist diese Auferstehung sehr wahrscheinlich nur auf die Märtyrer beschränkt,113 nach Inst hingegen werden alle bei der Parusie Auferstandenen unterschiedslos Gerechte genannt. Laktanzʼ Zurückhaltung bezüglich einer Hervorhebung der Märtyrer ist dabei vielleicht auf seine persönliche Biographie zurückzuführen, insofern er selbst sich der Christenverfolgung entzogen hat.114 Neben den verstorbenen Gerechten wird die Unsterblichkeit auch allen noch lebenden Gerechten gewährt: „tum qui erunt in corporibus uiui, non morientur“, diese aber sollen sich der richterlichen Gewalt der auferstandenen Gerechten unterwerfen: „qui autem ab inferis suscitabuntur, hi praeerunt uiuentibus uelut iudices.“ (24,3). Wenn Laktanz – über Apk, 20,4–6 hinausgehend – anschließend auch auf die Heiden als Untertanen des Tausendjährigen Reiches eingeht, so sucht er damit eine Leerstelle in Apk 20,4–6 zu füllen, wo diese ja gar nicht vorkommen. Auf diese Weise entsteht im Gegenüber von Oben und Unten – mit dem Akzent des gerechten Ausgleichs – ein anschauliches Bild der gesellschaftlichen Struktur des erwarteten Reiches: Die Heiden werden nicht völlig ausgerottet, sondern teilweise übriggelassen zum Sieg Gottes, damit die Gerechten – in Umkehrung der zeitgenössischen Verhältnisse – ihren Triumph über sie feiern können und sie einer ununterbrochenen Knechtschaft unterworfen werden.115 In Auseinandersetzung mit der Wiedergeburtsvorstellung der Pythagoreer präzisiert Laktanz an anderer Stelle: „die Verstorbenen werden ———————— dilectionem, in ipsa vivificari; et in qua conditione servitutem sustinuerunt, in ipsa regnare eos.“ (32,1). Lateinischer Text nach N. BOX, Adversus haereses 5, FChr 8, Freiburg i.B. u.a. 2001. 113 FREY, Das apokalyptische Millennium (s.o. Anm. 71), 23–24. 114 Vgl. FÀBREGA, Laktantius (s.o. Anm. 5), 796. 115 „Gentes uero non extinguentur omnino, sed quaedam relinquentur in uictoriam dei, ut triumphentur a iustis ac subiugentur perpetuae seruituti.“ (V. 4).
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nicht etwa tausend Jahre nach ihrem Tod auferstehen, sondern nach der Wiederherstellung ihres Lebens tausend Jahre mit Gott regieren. Denn Gott wird kommen, um die wiederbelebten Seelen mit ihren erneuerten Leibern nach der Beseitigung jeglichen Schandflecks von diesem Erdkreis zu immerwährender Glückseligkeit zu erwecken.“116 D.h., Auferstehung ist hier als Wiederherstellung zu ungetrübtem Leben in der diesseitigen Welt aufgefasst; dabei erfahren die Seelen ein Wiederaufleben in erneuerten Körpern. Gegen die pythagoreische Lehre des Vergessens117 behauptet der Kirchenvater, dass die Seelen im neuen Leben keineswegs in Selbstvergessenheit existieren, ihre Rückkehr geschieht vielmehr „in demselben Bewusstsein und derselben Gestalt“ wie zu Lebzeiten.118 Wegen ihres göttlichen Ursprungs können sie keineswegs zugrunde gehen,119 da sie wesensmäßig unsterblich sind,120 und ihre Auferstehung bedeutet, dass „sie von Gott mit Körpern bekleidet werden, sich an ihr früheres Leben und alle ihre Taten erinnern, in himmlische Güter eingesetzt werden“ und in Gegenwart Gottes dankbar „die Annehmlichkeit unermesslichen Reichtums genießen werden“.121 Gott hat die Seelen „zunächst mit gebrechlichen und schwachen Körpern verbunden“.122 Dieses erste „Bekleiden der Seelen mit Körpern“ bei der Schöpfung oder die korrespondierende Aussage, dass am Ende „Gott den Menschen wieder mit Fleisch bekleidet“,123 verraten eine dichotomische Anthropologie. Solche anthropologische Spekulation liegt der Apk wiederum fern. Der Seher schaut klagende Seelen der Märtyrer unter dem Altar, aber er macht keinerlei Versuch, das Wesen dieser Seelen zu erklären (6,9). Als Hinweis auf die allgemeine Totenauferstehung begnügt er sich mit der Aussage: „Und das Meer gab die Toten zurück, die es barg, und der Tod und die ———————— 116 „[…] resurgent defuncti non post mille annos mortis suae, sed ut restituti rursus in uitam mille annis cum deo regnent. deus enim ueniet, ut orbe hoc ab omni labe purgato rediuiuas iustorum animas corporibus innouatis ad sempiternam beatitudinem suscitet.“ (22,8). 117 S. die lethäische „aqua obliuionis“ (22,9) oder der „obliuionis amnis“ (22,16). 118 „[…] sed in eodem sensu ac figura esse redituras […]“ (22,10). 119 „Nam interire prorsus anima non potest, quoniam ex dei spiritu qui aeternus est originem cepit.“ (12,16). 120 „[…] apparet animam non interire neque dissolui, sed manere in sempiternum,[…]“ (9,12). 121 „Non igitur renascentur, quod fieri non potest, sed resurgent et a deo corporibus induentur et prioris uitae factorumque omnium memores erunt et in bonis caelestibus collocati ac fruentes iucunditate innumerabilium copiarum praesenti deo gratias agent, […]“ (23,1). 122 „[…] quas [sc. animas] primo fragilibus et imbecillis corporibus illigatas […]“ (5,9). 123 „[...] caro illa [das Fleisch der Auferstehung], quam deus homini superiecerit [...]“ (21,3).
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Unterwelt gaben die Toten heraus, die sich in ihnen befanden“ (20,13). Im Hintergrund ist eine uralte Auffassung von Auferstehung zu spüren: Meer und Erde haben die Verstorbenen nicht als Eigentum empfangen, sondern nur zur Aufbewahrung, deshalb sind sie verpflichtet, sie zurückzugeben. Vgl. z.B. 1Hen 51,1: „Und in jenen Tagen wird die Erde zurückgeben, was ihr anvertraut ist, und die Unterwelt wird das zurückgeben, was sie empfangen hat, und die Hölle (oder: Vernichtung) wird zurückgeben, wozu sie verpflichtet ist.“ (vgl. u.a. 4Esr 7,32; 2Bar 21,23; 42,7).124 Mit Prägnanz fasst Laktanz in Epit seine Vorstellung vom großen Gericht des siegreichen Messias und dessen Folgen „super terram“ zusammen: „gewiss wird er den lebenden Gerechten alle Völker als Knechte ausliefern, die Verstorbenen jedoch wird er zum ewigen Leben erwecken, und gemeinsam mit ihnen wird er selbst auf der Erde herrschen und die heilige Stadt gründen, und dieses Reich der Gerechten wird tausend Jahre dauern.“125 Das Reich gehört ausdrücklich den auferstandenen und unsterblich gewordenen Gerechten; deren Reich ist das „regnum iustorum“. Entsprechend stellt er mit Nachdruck fest, dass das Tausendjährige Reich mit dem Bösen unvereinbar ist. Erst wenn das Böse abgeschafft und der Tod „entsiegelt“ (unwirksam gemacht) ist, ist eine erste Auferstehung möglich zu einem glücklichen Leben, ohne Gewalt und Tod fürchten zu müssen.126 Eine weitere Abweichung der Inst von der Apk ist im Zusammenhang des Bildes vom chiliastischen Reich bemerkenswert: Nicht ein Rest von heidnischen Überlebenden, sondern „die Könige der Heidenvölker werden mit Gaben und Geschenken von den Enden der Erde kommen (vgl. Ps 72,10), um den großen [messianischen] König anzubeten und zu ehren.“127 Eine vergleichbare Andeutung ist in Apk 21,24 zu lesen: „Die Völker werden in ihrem Lichte wandeln, und die Könige der Erde werden ihre Pracht in die Stadt [das neue Jerusalem] bringen.“ (vgl. V. 26 und Jes 60,3). Aber hier soll die Völkerfahrt nach Jerusalem nicht etwa zur Zeit des Tausendjährigen Reiches, sondern unter dem neuen Himmel und auf der neuen Er———————— 124 Text nach S. UHLIG, Das Äthiopische Henochbuch, JSHRZ 5: Apokalypsen, Gütersloh 1984, 593f. Zu dieser Vorstellung von Auferstehung s. R. BAUCKHAM, Resurrection as Giving Back the Dead, in: ders., The Fate of the Dead. Studies on the Jewish and Christian Apocalypses, Leiden 1998, 269–289. 125 „[...] et uiuentibus quidem iustis tradet in seruitium gentes uniuersas, mortuos autem ad aeternam uitam suscitabit et in terra cum iis ipse regnabit et condet sanctam ciuitatem et erit hoc regnum iustorum mille annis.“ (67,3). 126 „Ergo semel fieri resurrectionem necesse est, cum malum fuerit ablatum, quoniam eos qui resurrexerint nec mori iam ulterius nec violari ullo modo fas est, ut beatam possint agere uitam quorum mors resignata est.“ (22,15; vgl. 22,11: „at enim resurrectio fieri non potest dominante adhuc iniustitia.“ 127 „[…] reges gentium uenient a finibus terrae cum donis ac muneribus, ut adorent et honorificent regem magnum, […]“ (24,15).
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de geschehen. Doch unabhängig von dieser Abweichung, widerspricht die Ankündigung sowohl in der Apk wie in den Inst der jeweiligen eigenen Voraussetzung, dass die Heidenvölker schon zweimal vernichtet worden sind (vgl. Apk 19,17–21 und 20,7–9 bzw. Inst 7,19,5 und 26,2).128 Ebenfalls abweichend von der Apk ist Laktanzʼ Vorstellung, dass das himmlische Jerusalem zum Zwischenreich und nicht zum Äon des neuen Himmels und der neuen Erde gehört: Es wird nach der Parusie und dem Vollzug des Gerichtes in der Mitte der Erde aufgerichtet (24,6; Epit 67,3). In Bezug auf das Ende des Zwischenreiches hingegen ist eine grundsätzliche Übereinstimmung zwischen Apk und Inst zu verzeichnen. Wie nach Apk 20,7–10 bricht auch nach Inst gegen Ende des Tausendjährigen Reiches eine letzte Rebellion der gottesfeindlichen Völker aus, die von dem entfesselten Satan angeführt werden. Er bietet die Heiden auf, die unter der Herrschaft der Gerechten standen, und hat die Eroberung der Hl. Stadt zum Ziel (26,1). Aber Gott schlägt den Aufstand restlos nieder. Laktanz ergänzt die Angaben der Apk bes. mit Ez 38–39 (letzter Ansturm und endgültige Vernichtung des Gog aus dem Lande Magog). So bleibt er auch im Zusammenhang der letzten Zukunft bei seiner historisierenden Berichterstattung, und der lateinische Rhetor überbietet sich hier selbst mit einem Mosaik von hyperbolischen „accumulationes“, dessen Steinchen sich aber nicht immer passend zusammenfügen lassen: Der für sein Volk rettende Zorn Gottes entlädt sich gegen die feindseligen und frevelhaften Völker in allerhand Naturkatastrophen: Heftige Erdbeben, die die Berge Syriens spalten, Täler tief versenken, Stadtmauern zertrümmern (vgl. Ez 38,20); eine Sonne, die drei Tage lang nicht untergeht, Überhitzung und Brände verursacht, obendrein Feuer- und Schwefelregen vom Himmel, der die Lebensgeister vor Hitze vergehen lässt, und Hagel, der die Körper zerreibt (vgl. Ez 38,22). Zur Vervollständigung des düsteren Bildes wird das alte Motiv des Hl. Krieges von der verhängnisvollen Verwirrung der feindlichen Schlachtreihen herangezogen: „et ipsi se inuicem gladio ferient“ (26, 2; vgl. Ez 38,21; Sach 14,13). Berge und Felder werden von Leichen und Gebeinen bedeckt. Es ist der dreitägige Vollzug eines „extremum iudicium“ durch den erzürnten Gott, während sein Volk in Höhlen Schutz findet (V. 3). Unmittelbar danach, vor Ablauf der tausend Jahre, wird sieben Jahre lang auf der Welt Friede herrschen und die Natur geschont (V.4). Auf das Zwischenreich folgt die Äonenwende, die Laktanz wie Apk 21,1 als grundlegende Erneuerung von Himmel und Erde auffasst: „renouabitur mundus a deo et caelum complicabitur et terra mutabitur“ (26,5). Dass der Himmel zusammengerollt wird, ist ursprünglich Teil einer Schre-
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S. AUNE, Revelation (s.o. Anm. 53), 1171f.
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ckensvision,129 in Zusammenhang mit dem neuen Äon erscheint das Bild als eher unpassende Ergänzung. Im Vergleich mit Apk 20,13 ist die zweite Auferstehung für Laktanz kein so einschneidendes endzeitliches Ereignis, insofern die Gerechten alle bereits bei der Parusie auferstanden oder als Bürger des Tausendjährigen Reiches unsterblich gemacht sind. Deshalb geht der Kirchenvater auf deren Schicksal nur in wenigen Zügen ein. Die leiblich geretteten Menschen werden eine tiefere Verwandlung erfahren als jenes „Anziehen eines Körpers“, das mit dem Zugang zum irdischen Tausendjährigen Reich verbunden war (23,1): „schneeweiß“ und gleichzeitig „engelhaft“ verwandelt (vgl. Lk 20,36), werden sie Teilnehmer des immerwährenden himmlischen Gottesdienstes im Angesicht des Allmächtigen.130 Epit fasst zusammen: „et hoc erit regnum dei, quod finem non habebit“ (67,8). Noch klarere Konturen gewinnt das Bild von Laktanzʼ chiliastischer Konzeption im Blick auf die Apk, wenn man, wie bereits angedeutet, zum Vergleich die entsprechenden Ausführungen des Irenäus mit ihrer freilich nach exegetischen Maßstäben oft etwas eigenwilligen Rezeption biblischer Texte heranzieht. Im Gegensatz zu dem lateinischen Rhetor, der nur einmal und beinahe am Rande Johannes als Verfasser der Apk zitiert,131 bemüht sich der Bischof von Lyon in seiner Auseinandersetzung mit den Gnostikern, seine chiliastische Lehre nicht nur auf Johannes, den „Jünger des Herrn“ (35,2) zurückzuführen und damit zu beglaubigen, sondern ebenso auf die „Presbyter, Jünger der Apostel“ (36,2), die Johannes, den Jünger des Herrn, gesehen haben (33,3), und auch auf Papias, einen „Zuhörer“ des Johannes (33,4). In Zusammenhang mit den Ermahnungen zur Wachsamkeit angesichts der Parusie-Erwartung (Lk 12,37–38) schreibt er: „Hoc autem idem et Johannes in Apocalypsi ait: ‚Beatus et sanctus qui habet partem in resurrectione prima‘ [Apk 20,6]“ (34,2). Anders als Laktanz sucht Irenäus seine chiliastische Auffassung von „mysterium iustorum resurrectionis et regni“ (32,1)132 unmittelbar sowohl auf das AT wie auf das NT zu beziehen. Einig sind beide in der Überzeugung, dass die erste Auferstehung eine „Auferstehung der Gerechten“, nicht bloß der Märtyrer, und das Reich schlechthin das „regnum iustorum“ ist (33,3). Gemeinsam ist beiden auch die Auffassung, dass den auferstandenen Gerechten sich die Gläubigen zugesellen werden, die bei der Parusie ———————— 129 Vgl. „der Himmel verschwand wie eine Buchrolle, die man zusammenrollt“ (Apk 6,14; vgl. Jes 34,4; Sib 3,82). 130 „Et transformabit deus homines in similitudinem angelorum et erunt candidi sicut nix et uersabuntur semper in conspectu omnipotentis et domino suo sacrificabunt et seruient in aeternum. “ (26,5). 131 „Huius ‘nomen [des Gottessohnes] nulli est notum nisi ipsi’ [Apc 19,12] et patri, sicut docet Iohannes in Reuelatione.“ (Epit 37,8). 132 Vgl.: In den Zeiten des Reiches „regnabunt iusti surgentes a mortuis“ (33,3).
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der Macht des Bösen entkommen und noch am Leben sind und treu auf den Herrn warten.133 Darüber hinaus will Irenäus seine Überzeugungen hermeneutisch untermauern. Bezüglich der Totenauferstehung sei jegliche allegorische Interpretation unzulässig: „Und nichts davon ist allegorisch zu deuten, sondern alles ist unerschütterlich wahr und von Bestand, den gerechten Menschen zum Genuss von Gott so geschaffen. So wie wirklich Gott es ist, der den Menschen erweckt, so wird auch der Mensch wirklich und nicht bloß allegorisch von den Toten auferstehen.“134 Solche Texte könnten insgesamt nicht von einer überhimmlischen Welt her verstanden werden: „Haec autem talia universa non in supercaelestibus possunt intellegi“ (35,2). Einen deutlichen Hinweis auf das Tausendjährige Reich sieht Irenäus in der Verheißung Gottes, Abraham, dem ständig Wandernden, das Land als Erbschaft zu gewähren: „Obwohl Gott ihm die Erbschaft des Landes versprochen hat, hat er sie doch während seines ganzen Nicht-sesshaft-Seins nicht bekommen, deshalb muss er sie bei der Auferstehung der Gerechten zusammen mit seinen Nachfahren erhalten, d.h., zusammen mit den Menschen, die Gott fürchten und an ihn glauben.“135 Ebenso hat Jacob die versprochenen Segnungen seines Vaters nicht zu Lebzeiten empfangen. Irenäus’ Rückschluss ist eindeutig: „Deshalb beziehen sich die vorausgesagten Segnungen offenkundig auf die Zeiten des Reiches, wenn die Gerechten von den Toten auferstehen und herrschen werden […].“136 Reichlichen Stoff zur Ausgestaltung seiner chiliastischen Vorstellungen bietet dem Kirchenvater darüber hinaus vor allem die Heilsprophetie der großen Propheten (z.B. Jes 30,26; 54,11–14; 65,18–23; Jer 31,10–15) mit ihren Bildern einer verwandelten Welt des Friedens und Wohlstands im Anschluss an das Gottesgericht (34,1–35,1). In Anlehnung an jüdische apokalyptische Traditionen entwirft er ein Bild des Tausendjährigen Reiches, das sich in seiner Farbigkeit ganz wesentlich von der äußerst zurückhaltenden Darstellung der Apk abhebt. Eine ungeheure Fruchtbarkeit des Landes wird sich am Beispiel des Weinberges zeigen: An jedem einzelnen werden zehntausend Weinstöcke wachsen, an jedem Weinstock zehntausend Reben, an jeder Rebe zehntausend Seitenäs———————— 133 „Illi quos Dominus in carne inveniet exspectantes eum de caelis et perpessos tribulationem, qui et effugerunt iniqui manus [...]“ (35,1). 134 „Et nihil allegorizari potest, sed omnia firma et vera et substantiam habentia, ad fruitionem hominum iustorum a Deo facta. Quomodo enim vere Deus est qui resuscitat hominem, sic et vere resurget homo a mortuis et non allegorice, […]“ (35,2; vgl. 31,1). 135 „Si ergo huic promisit Deus haereditatem terrae, non accepit autem in omni suo incolatu, oportet eum accipere cum semine suo, hoc est qui timent Deum et credunt in eum, in resurrectione iustorum.“ (32,2). 136 „Praedicta itaque benedictio ad tempora regni sine contradictione pertinet, quando regnabunt iusti surgentes a mortuis, […]“ (33,3).
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te, an jedem Seitenast zehntausend Ranken, an jeder Ranke zehntausend Trauben, an jeder Traube zehntausend Beeren… (33,3).137 Auf der Grundlage von Jes 11,6–9 und 65,25 verkündet er die friedliche Weltharmonie unter Menschen und Tieren und nach Jes 6,12 („und die, die übrigbleiben, werden sich auf der Erde vermehren“)138 die Vermehrung der Gerechten im Reiche (34,2 und 35,1). Die Eschatologie des Tritojesaja liefert dem Kirchenvater schöne Bilder zur Idealisierung dieses Reiches, wie die Vorstellung von friedlichen und stabilen Lebensverhältnissen seiner Bürger: „Und sie werden Häuser bauen und sie bewohnen und Weinberge umgraben und von ihnen essen“ (35,1; vgl. Jes 65,21). Wörtlich übernimmt er die Verheißung der Langlebigkeit (34,4; vgl. Jes 65,20), anscheinend ohne zu merken, dass sie eine Sterblichkeit voraussetzt, die seiner Überzeugung, die Gerechten hätten die Unsterblichkeit schon erreicht,139 widerspricht. Solch anschauliche Schilderung des endzeitlichen Reiches wird von Laktanz teilweise noch übertroffen, der dabei ebenso wie Irenäus das Priestertum des Gottesvolkes (Apk 20,6) außer Acht lässt, aber anders als dieser kaum die Unterstützung der biblischen Prophetenzeugnisse sucht (24,7–8)140 und sich stattdessen – wie auch sonst – auf heidnische Quellen bezieht. In der Ankündigung einer breit ausgemalten paradiesischen Fruchtbarkeit der Natur und universaler Friedfertigkeit erkennt er zwar wiederum eine überzeugende Übereinstimmung zwischen den Propheten einerseits und den Sibyllinischen Orakeln und heidnischen Dichtern (Vergil) andererseits, aber ausführlich und wörtlich zitiert werden nur die Letzteren (24,6.11–14). Der einzige Irrtum dieser Dichter lasse sich aus einer falschen Zeitperspektive ableiten: Sie haben geglaubt, dass die „goldenen Zeiten“, die eigentlich der Endzeit vorbehalten sind, zum Reich Saturns in der Urzeit gehören (24,9–10). Aussagen wie „die Bergfelsen werden von Honig triefen, durch die Bäche wird Wein hinabströmen, und die Flüsse werden von Milch überfließen“141 (vgl. „[terra] quae fluit lacte et melle“ Ex 3,8.17; 13,5; Sib 3,621– ———————— 137
Vgl. 2Bar 29,5; P. BOGAERT , L’Apocalypse Syriaque de Baruch, Paris 1969, II
64. 138 „Et qui remanserint multiplicabuntur in terra“, nach der von der MT abweichenden LXX-Version: „καὶ οἳ καταλειφθέντες πληθυνθήσονται ἐπὶ τῆς γῆς“. 139 Zu Zeiten des Reiches darf der Gerechte auf der Erde den Tod schon vergessen: „In temporibus enim regni iustus homo super terram exsistens obliviscetur mori iam.“ (36,2). Er kann nicht mehr alt werden: „[…] et renovato homine et vigente ad incorruptelam ut non possit iam veterescere, […]“ (36,1). 140 Im Grunde werden lediglich die jesuanischen Heilsprophetien über die Beseitigung von Finsternis (30,26) und die Weltharmonie zwischen Mensch und Tieren (11,6–8 und 65,25) andeutungsweise berücksichtigt. 141 „[...] rupes montium melle sudabunt, per riuos uina decurrent et fulmina lacte inundabunt“ (24,7).
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622; bes. 5,281–283), gehören ihrer Herkunft nach wohl nicht in den Bereich apokalyptischer Symbolik, sondern sind lediglich rhetorische Hyperbeln aus bukolischem Kontext, „audaciores ornatus“, die keine andere Funktion haben, als ein stark idealisiertes Bild unserer Welt auszumalen. Bes. auffällig ist die Angabe, dass die bei der Parusie übrigbleibenden Gerechten nicht nur die Unsterblichkeit erlangen werden, sondern auch eine Fruchtbarkeit, die sie fähig macht, im Laufe der tausend Jahre „infinitam multitudinem“ Kinder zu zeugen (24,3; vgl. 1Hen 10,17).142 Weder er noch Irenäus erklären den Sinn solcher Gabe, die im Rahmen einer Vorstellung von fortdauernder Beständigkeit eines Volkes vor Gott in aufeinanderfolgenden Generationen wohl begreiflich wäre (z.B. Jes 66,22), nicht ohne Weiteres jedoch vor dem Hintergrund einer strikt transzendenten Eschatologie, wonach die ganze Gemeinde der Geretteten mit der Auferstehung gleichzeitig vor Gott versammelt werden soll. Die Verwechslung der eschatologischen Ebenen ist hier bes. spürbar. Zur Unterstützung seiner Auffassung zieht Irenäus neben dem AT und der Apk, die er ausführlich und wörtlich zitiert (35,2), darüber hinaus noch weitere Belege aus dem NT heran. So die Beteuerung des Herrn beim Abendmahl, nicht mehr von der Frucht des Weinstocks zu trinken bis zu dem Tag, an dem er mit seinen Jüngern im Reich des Vaters davon trinken wird (Mt 26,29): Mit dieser Verheißung, zusammen mit den Jüngern von der Frucht des Weinstocks zu trinken, habe er zweierlei offenbart: „sowohl das Erbe der Erde, auf der man von der neuen Frucht des Weinstocks trinkt, als auch die fleischliche Auferstehung seiner Jünger.“143 In ähnlicher Weise geben die Aufforderungen des Herrn, Arme zu den Gastmählern einzuladen (Lk 14,12–13) und für seine Nachfolge alles zu verlassen (Mt 19,29 / Lk 18,29–30), Anlass zu der Frage: „Was sind in dieser Welt das Hundertfache und die an die Armen ausgegebenen Mahlzeiten und die Gastmähler, die vergolten werden sollen?“ Die Antwort ist ihm eindeutig: Christus gibt hier einen unverkennbaren Hinweis auf die Zeiten des Reiches, den siebten Tag der Weltwoche, den echten Sabbat der Gerechten, an dem sie keinerlei irdisches Werk zu verrichten brauchen, sondern einen von Gott gedeckten Tisch mit allerhand Speisen vor sich stehen haben werden.144 ———————— 142 143
Bezeichnenderweise erscheint diese Angabe nicht in der Epit. „Promisit bibere de generatione vitis cum suis discipulis, utrumque ostendens, et hereditatem terrae in qua bibitur nova generatio vitis, et carnalem resurrectionem discipulorum eius.“ (33,1). 144 „Quae enim sunt in hoc saeculo centupla et prandia exhibita pauperibus et cenae quae redduntur? Haec sunt in regni temporibus, hoc est in septima die […], quae est verum iustorum sabbatum in qua non facient omne terrenum opus, sed adiacentem habebunt paratam mensam a Deo, pascentem eos epulis omnibus.“ (33,2).
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Nicht uneinig sind die beiden Kirchenväter trotz leicht unterschiedlicher Akzentuierung in der Frage nach dem Ziel des Zwischenreiches. Beide heben das Reich als Zwischenstufe in einem Prozess hervor, der seine Vollendung in ewiger Gemeinschaft mit Gott findet. Nach Auffassung des Irenäus dienen die „Zeiten des Reiches“ der Vorbereitung auf das ewige Heil im Himmel: „Und so wie der Gerechte wahrhaftig aufersteht, so wird er sich auch wirklich im Voraus auf die Unverweslichkeit einstellen und wachsen und lebenskräftig sein in den Zeiten des Reiches, um fähig zu werden, die Herrlichkeit des Vaters zu empfangen.“145 Mit anderen Worten: „Das Geheimnis der Auferstehung der Gerechten und des Reiches, das ist der Anfang der Unverweslichkeit, und durch dieses Reich sollen diejenigen, die dessen würdig sind, sich gewöhnen, Gott nach und nach zu erfahren.“146 Auch in der Weltanschauung des Laktanz steht die Unsterblichkeit als Vollendung der individuellen Existenz im Mittelpunkt, und auch er betrachtet das Zwischenreich als wichtige Stufe zur Erlangung dieses höchsten Gutes: Die ihrem Wesen nach unsterbliche Seele (9,12) muss den Tod als Trennung („diuortium a corpore“) vom Leib erfahren (20,11; vgl. „discretio“ 12,4), bevor sie diesen Leib in einer ersten Auferstehung erneuert zurückbekommen wird (22,8). So vor einem sich wiederholenden Sterben geschützt, ist dieser auferstandene Mensch glücklicher Bürger des Tausendjährigen Reiches (23,1). Schließlich wird der Mensch nach der Welterneuerung eine noch tiefere Verwandlung erfahren, indem er einen endgültigen engelhaften Zustand erreicht, der ihm in unmittelbarer Anschauung Gottes den himmlischen Gottesdienst zugänglich macht (26,5). Auch wenn Laktanz behauptet, dass „wir [Christen] die Wahrheit nicht aus zweifelhafter Vermutung erschließen, sondern sie aus der göttlichen Tradition kennen“,147 gibt er dem Bezug auf die Bibel in seiner ganzen Eschatologie im Unterschied zu Irenäus nur sehr wenig Raum. In dem Maße, wie er dem Bibeltext gegenüber eher distanziert bleibt, räumt er stattdessen den „uates et poetae“ in den Zitaten der Inst 7 einen Platz ein, den er den eigentlichen biblischen „prophetae“ keineswegs gewährt, und dies entgegen seiner vollmundigen Behauptung, er verfüge über eine Fülle solcher Zeugnisse. ———————— 145 „Et sicut vere resurget, sic et vere praemeditabitur incorruptelam et augebitur et vigebit in regni temporibus, ut fiat capax gloriae Patris“ (35,2). 146 „[…] et mysterium iustorum resurrectionis et regni, quod est principium incorruptelae, per quod regnum qui digni fuerint paulatim assuescunt capere Deum, […]“ (32,1). 147 „[…] qui [nos] eam [ueritatem] non ancipiti suspicione colligimus, sed diuina traditione cognouimus.“ (8,3).
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6 Ergebnisse 1. Die eschatologische Grundstruktur der Apk, die ihrerseits zur Tradition der allgemeinen jüdisch-christlichen Apokalyptik gehört, ist auch in den Inst des Laktanz deutlich erkennbar. Wichtige Bausteine sind: Die letzte böse Zeit mit ihren Plagen; Propheten und Gottes Widersacher; messianische Schlacht; Zwischenreich; letzte niedergeschlagene Rebellion; Totenauferstehung und Weltgericht mit der Folge ewigen Lebens und endgültiger Strafe. Innerhalb des Stroms apokalyptischer Tradition ist die Übereinstimmung zwischen Inst und Apk 20 augenfällig und legt eine gewisse literarische Abhängigkeit nahe. Beiden Texten gemeinsam ist neben der Bedeutung der Zahl 1000 die Abfolge der endzeitlichen Ereignisse: Auf die messianische Schlacht in Verknüpfung mit der Parusie sowie eine erste Auferstehung folgen die Fesselung Satans und das Tausendjährige Reich und schließlich nach der Entfesselung Satans ein letzter Ansturm der Gottesfeinde, Gottes Vernichtungsgericht und eine zweite Auferstehung. 2. Daneben sind jedoch wichtige Abweichungen in der chiliastischen Auffassung des Laktanz gegenüber der Apk zu verzeichnen: Die erste Auferstehung trifft grundsätzlich die Gerechten der Weltgeschichte, nicht nur die Märtyrer, entsprechend ist die zweite keine allgemeine Auferstehung der guten und bösen Menschen, sondern ausschließlich der Gottlosen, und zwar zu endgültiger und ewiger Strafe. Dabei lässt er außer Acht einerseits das Priestertum, das den Bürgern des Reiches verliehen wird, und andererseits betont er – wie Irenäus – die irdischen Züge dieses Reiches im Ausmalen üppiger Fruchtbarkeit für Natur und Menschheit. Er begründet diese Erweiterung nicht so sehr mit der atl. Heilsprophetie, die er kaum beachtet, als vielmehr mit Vergil und den Sibyllinischen Orakeln. Der gesellschaftlichen Struktur des Reiches, die in der Apk keine deutlichen Züge zeigt, widmet er eine gewisse Aufmerksamkeit, indem er im Sinne einer gerechten Vergeltung die veränderten Machtverhältnisse hervorhebt: Den bei der Parusie übrigbleibenden Gerechten dienen Heidenvölker als Sklaven, und die auferstandenen Gerechten haben mit Christus gemeinsam richterliche Gewalt über alle Lebenden. Sofern eine literarische Abhängigkeit von Apk 20 besteht, werfen all diese Abweichungen doch die Frage nach Art und Umfang der Vorlage auf oder sind als Hinweis auf Laktanzʼ freien Umgang mit seiner Quelle zu werten. 3. Einen deutlich erkennbaren Bezug auf die Heilige Schrift, wie er sich z.B. bei Irenäus und seiner Verteidigung des Chiliasmus gegenüber der Gnosis findet, hat Laktanz wohl bewusst aus apologetischen Gründen und vielleicht auch wegen begrenzter Kenntnis der Bibel weitgehend vermieden. Mit Rücksicht auf seine heidnisch-intellektuelle Leserschaft bezieht er sich stattdessen mit Vorliebe auf die heidnischen „divina testimonia“, bes.
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der Sibyllinischen Orakel. Vor diesem Hintergrund wird seine Beteuerung, er verfüge für seine Eschatologie über eine unendliche Menge biblischer Zeugnisse, wohl als rhetorische Übertreibung zu werten sein, die eine gewisse Distanz des Kirchenvaters auch zum Text der Apk vermuten lässt. 4. In Bezug auf das römische Reich sind die Ansichten der Verfasser von Inst und Apk völlig entgegengesetzt. Rom ist nach Laktanzʼ fester Meinung keineswegs das verruchte Babylon, die Hure auf dem Tier, die dem vernichtenden Strafgericht Gottes verfallen soll. Das römische Reich betrachtet er vielmehr als eine menschliche Errungenschaft, die für den ganzen Erdkreis von Bedeutung ist als eine Art Bollwerk gegen die chaotischen Zustände, die in der Endzeit zu befürchten sind und deren Fortdauer trotz des Greisenalters der Stadt unbedingt wünschenswert erscheint. 5. Die auch in der Apk zu beobachtende Spannung zwischen unterschiedlichen eschatologischen Vorstellungen vom Gericht Gottes, d.h. das unvermittelte Nebeneinander von Motiven eines kollektiven Vernichtungsgerichts atl. Herkunft und solchen eines individuellen Gerichts nach den Werken ist auch in der Spekulation des Laktanz nicht aufgelöst. Statt eines Universalgerichtes nach den in Büchern aufgezeichneten Werken des Einzelnen, das nach der Apk der zweiten allgemeinen Auferstehung folgen soll, nimmt Laktanz ein apokalyptisches „Waagengericht“ bei der Parusie an. Ein zusätzlich eingeschobenes „Feuergericht“ lässt sich im Rahmen seiner gesamten Eschatologie nicht eindeutig zuordnen. Abweichend von der Apk, scheint Laktanz – ähnlich wie Ambrosius – an eine zeitlich begrenzte jenseitige Strafe für bestimmte Sünder zu glauben. Völlig unklar bleibt der Zeitpunkt der Auferstehung dieser Sünder. 6. Unverkennbar ist der durchgehende Verzicht des Laktanz auf die reichhaltige Bildersprache der Apk. Als lateinischer Rhetor gestaltet er seinen Text im Wechsel von historischem Bericht, Spekulation und Paränese bewusst nach den Kriterien der lateinischen „perspicuitas“ und unter ausführlicher Anwendung rhetorischer Sprachfiguren. Zugunsten eines angeblichen „sensus litteralis“ meidet er dabei Metapher und Allegorie und verschärft darüberhinaus eine abstrakt-theologische Spekulation, die der Apk völlig fremd ist. Er beschäftigt sich – manchmal aus Anlass einer Auseinandersetzung mit konkurrierenden Vorstellungen – mit der spekulativen Vertiefung von Themen wie z.B. der natürlichen Unsterblichkeit der Seele, dem Zeitpunkt eines individuellen Gerichts über die Verstorbenen oder dem Wesen des ewig sich erneuernden Straffeuers, die in der Apk mit der Symbolik ihrer Sprachbilder allenfalls angedeutet werden. Gerade in solchen exkursartigen Abschnitten fällt auf, wie er seine Texte manchmal assoziativ-sprunghaft nach Stichwortzusammenhängen komponiert, die stellenweise zu lückenhafter Darstellung und sogar zu gewissen Ungereimtheiten und Widersprüchen Anlass gegeben haben mögen, die wiede-
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rum die von ihm selbst suggerierten Erwartungen an eine geschlossene Eschatologie relativieren. 7. In historisierender Absicht strebt Laktanz eine Anordnung der Endereignisse in linearer chronologischer Reihenfolge an. So verlieren z.B. die apokalyptischen Plagen ihren typologisch-bildhaften Charakter und werden als verhängnisvolle Fortsetzung der Weltgeschichte aufgefasst. In ähnlicher Weise wird der Antichrist im Sinne eines apokalyptischen Realismus zu einer bedrohlichen bloßen Menschengestalt der Zukunft, wohingegen ja die Tiere der Apk als symbolhafte Warnung vor der Gefährdung des Glaubens gerade in der Gegenwart auszulegen sind. Ebenso werden die tausend Jahre des Reiches in die Weltgeschichte einbezogen und Prognosen über ihr Ende gemacht. Wo die Apk in immer neuen Bildern Transzendentes zu erfassen sucht, ist die Darstellung des Kirchenvaters eher geprägt von den Gattungsmerkmalen eines obendrein rhetorisch aufgebauschten Geschichtsberichts. 8. Die Eschatologie der Apk ist ein Mosaik mit unverkennbaren Bruchstellen, die aber im Rahmen der theologischen Ausrichtung der Apk durch die Bildsprache und den Verzicht des Sehers auf Systematisierung des Stoffes wie auch sein Desinteresse an einer strengen chronologischen Einordnung kaum ins Bewusstsein treten. Abweichend von der jüdischen Apokalyptik, die sorgfältig an der Trennung der Äonen – des gegenwärtigen mit messianischem Sieg und Reich und des künftigen endgültigen mit allgemeiner Totenauferstehung und Weltgericht – festhält, ist in Apk 20 als endzeitliches Ereignis zwischen kollektiven Strafgerichten ein Tausendjähriges Reich mit einer ersten Totenauferstehung vorausgesetzt, das in dieses dualistische Schema nicht einfach einzuordnen ist. Erst die so sehr um „perspicuitas“ und Systematik bemühten Spekulationen des Laktanz über ein allgemeines individuelles Gericht bei der Parusie heben diese Bruchstellen umso deutlicher als Ungereimtheiten ins Bewusstsein. 9. Als entschiedener Vertreter des Chiliasmus hat Laktanz nur eine schwache kirchliche Rezeption erfahren. Demgegenüber ist seine Eschatologie insgesamt in doppelter Hinsicht von nicht zu unterschätzender Bedeutung: Einerseits markiert er den Abschluss der christlichen Eschatologie, wie sie sich durch die vornicänischen Väter entwickelt hatl. Andererseits hat er in seiner spekulativen, abstrahierenden und historisierenden Art und Weise des Umgangs mit eschatologischen Inhalten die Geschichte der dogmatischen Eschatologie maßgeblich geprägt. In einigen Bereichen, die in den Inst andeutungsweise schon auftauchen, wie z.B. der Lehre des Fegefeuers oder der Frage nach dem Gottesgericht über die einzelnen Seelen unmittelbar nach dem Tode, hat sich diese Spekulation im Laufe der Jahrhunderte bis heute fortgesetzt. Die Bildersprache der Apk, die im Werk des Laktanz systematisch vermieden ist, blieb eher den Künstlern überlassen.
Andrew of Caesarea and His Reading of Revelation: Catechesis and Paranesis JUAN HERNÁNDEZ, JR.
1 Introduction Andrew of Caesarea’s seventh-century commentary on the Apocalypse offers an unparalleled opportunity for the exploration of early Byzantine interpretive practices. Historians of early Christianity, textual critics and biblical exegetes can gain considerable knowledge and insight about their own discipline from an examination of Andrew’s commentary, as his work traverses a variety of scholarly terrains.1 In an effort to underscore An———————— 1 A considerable advance in this area has been made by E UGENIA CONSTANTINOU’s recent dissertation on Andrew of Caesarea (Andrew of Caesarea and the Apocalypse in the Ancient Church of the East [Ph.D. diss., Université Laval, 2008], http://archimede. bibl.ulaval.ca/archimede/fichiers/25095/25095.pdf). Without a doubt, her work will lay a foundation for future analyses of Andrew’s commentary by making it accessible to English readers, as well as by shedding light on the work’s place in the Eastern tradition. With the exception of J OSEF SCHMID’s critical edition and textual analyses (Studien zur Geschichte des griechischen Apokalypse-Textes, I Der Apokalypse-Kommentar des Andreas von Kaisareia. 1 Text [1955], 2 Einleitung [1956], MThS I 1–2, München 1955–56) and Die griechischen Apokalypsenkommentare, BZ 19 [1931], 228–254), treatments of Andrews of Caesarea’s commentary have typically been brief. These include: O TTO BARDENHEWER, Die letzte Periode der altkirchlichen Literatur mit Einschluss des ältesten armenischen Schrifttums, in: idem, Geschichte der altkirchlichen Literatur, vol. 5, Freiburg 1930–32, 102–105; HANS-GEORG BECK, Kirche und Theologische Literatur im byzantinischen Reich, HAW vol. 12, München 1959, 418–419; G ERHARD PODSKALSKY, Byzantinische Reichseschatologie: Die Periodisierung der Weltgeschichte in den vier Großreichen (Daniel 2 und 7) und dem tausendjärigen Friedensreiche (Apok. 20). Eine motivgeschichtliche Untersuchung, München 1972, 86–88; B RIAN E. DALEY, S.J., The Hope of the Early Church: A Handbook of Patristic Eschatology, Peabody, Mass. 2003, 198–200; and CLAUDIO MORESCHINI / ENRICO NORELLI, From the Council of Nicea to the Beginning of the Medieval Period, in: idem, Early Christian Greek and Latin Literature: A Literary History, vol. 2, Peabody, Mass. 2005, 198–200. On the other hand, the short study of ADELE MONACI CASTAGNO is quite substantial: I Commenti de Ecumenio e di Andrea di Cesarea: Due letture divergenti dell’Apocalisse, Memorie della Accadem-
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drew’s relevance for contemporary scholarship, this essay will examine Andrew’s reading of the book of Revelation, paying particular attention to the texts Andrew has at his disposal, as well as to the reading strategies deployed in his appropriation of those texts.2 At bottom, Andrew’s reading of Revelation performs catechetic and paranetic functions for his seventhcentury readers, offering a Chalcedonian alternative to Oecumenius’ sixthcentury commentary and encouragement to the faithful. Andrew’s reading also challenges contemporary assumptions about what the Apocalypse may or may not mean.
2 Andrew’s Texts One of the most intriguing aspects of Andrew’s commentary pertains to the question of what “texts” Andrew is reading. At first blush, one is tempted to respond, “the text of the Apocalypse of course!” Such an answer, however, is both rash and far removed from the truth. Numerous texts play a role in Andrew’s interpretation. The Greek Scriptures, non-canonical writings, the patristic tradition, various sources now lost, and most importantly, Oecumenius’ sixth-century commentary on the Apocalypse all affect the work. Among these the book of Revelation is primus inter pares. 2.1 The Text(s) of Revelation Despite Andrew’s clear focus on the book of Revelation, identifying what text of Revelation was at his disposal is a complex one. Andrew did not have access to our current critical editions of the Greek text of the Apocalypse. To assume no significant differences exist between Andrew’s seventh-century text and current critical editions leads to not only error but also lost opportunity. 3 The differences are many and considerable,4 and ———————— ia delle scienze di Torino II, Classe de scienze, morali, stroiche e filologiche V. Fascicolo IV (1981), 303–424. 2 A full English translation of Andrew of Caesarea’s seventh-century commentary by Eugenia Constantinou is to be published in the Fathers of the Church Series (Catholic University Press of America). Substantial translated portions of Andrew’s commentary can also be found in WILLIAM C. WEINRICH, Revelation, ACCS 12, Downers Grove, Ill. 2005. Another work which produces a number of quotations of Andrew of Caesarea is AVERKY TAUSHEV, The Apocalypse in the Teachings of Ancient Christianity, Platina, Calif. 1995. 3 The two most prominent critical editions today include: The Greek New Testament, UBS, 4th ed. and the Novum Testamentum Graece, Nestle-Aland, 27th ed. A third, the most recent critical edition of the Byzantine tradition, appeared a few years ago: The New Testament in the Original Greek According to the Byzantine/Majority Textform, revised by MAURICE A. ROBINSON / WILLIAM G. PIERPONT , Southborough, Mass. 2005.
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Andrew often comments on a text that is no longer part of our critical editions.5 Observing Andrew’s handling of such passages in the face of contemporary concerns over “the original” text of the NT offers a valuable opportunity for critical reflection on the distance between current exegetical practices and those of the early Byzantine period. 2.1.1 The Andreas “Recension” In his magnum opus on the textual history of the Greek text of Revelation, Josef Schmid identified four text-types for John’s Apocalypse.6 Among these was the so-called Andreas “recension,” which is the text of Revelation accompanying Andrew’s commentary in a number of manuscripts. These copies of Revelation exhibit a range of readings that differ sufficiently from other text-types to be labeled a “recension” or a revised text.7 The label is not without its difficulties, and the origins of Andrew’s “recension” remain shrouded in mystery.8 Its distinct characteristics, however, are beyond dispute. On the basis of his extensive text-critical analyses, Schmid also concluded that the “recension” accompanying the Andreas commentary is older than the commentary itself. Thus, the text’s distinctive features were inherited rather than introduced by Andrew.9 Andrew’s text of Revelation also shows affinities with corrections made by the sev———————— 4
The exceedingly high number of variants of Andrew’s text of Revelation frustrated Hoskier, whose magnum opus produced the most accurate collations of the Apocalypse’s manuscripts. See HERMAN C. HOSKIER, Concerning the Text of the Apocalypse, Ann Arbor 1928, 1.xxv. 5 An interesting example of this is found in Andrew’s text of Rev 8:13, where it reads that an “angel” (ἀγγέλου) is flying in mid-heaven instead of an “eagle” (ἀετοῦ). Andrew demonstrates no awareness that his text preserves a variant reading, despite his heavy reliance on Oecumenius, whose text reads “eagle.” See S CHMID, Apokalypse-Kommentar (see n. 1), 95, ll. 3–13; cf. MARC DE GROOTE, Oecumenii commentarius in Apocalypsin, TEG 8, Leuven 1999, 144, l, 222. Andrew simply comments on the text as he received it. 6 These include: a) AC Oecumenius 2057.2062.2344; b) אc Andreas; c) the Koine; and d) P47 *א. See J OSEF SCHMID, Studien zur Geschichte des Griechischen ApokalypseTextes, Die alten Stämme II, MThS II, München 1955, 146–47. 7 S CHMID, Die alten Stämme (see n. 6), 44–53. 8 The problem with the label was identified by Colwell who, six decades ago, called for clarification as to what Schmid means by “revised form” of early text-types when speaking of the Andreas “recension.” See E. C. COLWELL, Method in Establishing the Nature of Text-Types of New Testament Manuscripts, in: Studies in Methodology in Textual Criticism of the New Testament, NTTS 9, Leiden 1969, 45–55. 9 “Und ihre große Zahl zeigt, daß Aν eine Rezension im eigentlichen Sinne, das Werk eines Mannes ist, der den Text durch alle Kapitel durchkorrigiert hat, mag auch ein (kleiner) Teil der Korrekturen von ihm schon vorgefunden worden sein” (S CHMID, Die alten Stämme [see n. 6], 53).
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enth-century corrector of Codex Sinaiticus.10 On occasion Andrew’s text will preserve the original but in general is not considered a faithful representative of the Urtext. Andrew himself exhibits a laissez-faire attitude towards the Apocalypse’s textual variants. 2.1.2 Andrew’s Text-Critical Practices Andrew’s text-critical practices offer every indication that he did not operate with the same assumptions or concerns of today’s textual critics. In at least two places in the commentary, Andrew identifies a variant, discusses it briefly, and accepts both as valid readings, rather than choosing one over the other. The move is remarkable against the backdrop of his blistering criticism of those who putatively alter the scriptures by making Attic changes.11 2.1.2.1 “Key of David” or “Key of Hades”? The first variant is found in Rev 3:7, where Jesus tells the church of Philadelphia that he carries the “key of David.”12 Andrew correctly notes – as do current critical editions – that some manuscripts read “key of Hades.”13 Not only is Andrew aware of the reading “key of David,” but he also comments on its theological significance: [Christ’s] kingdom has been called “the key of David” for this is a symbol of authority. Moreover, the Holy Spirit is also the key of the book of Psalms and of every prophecy, through whom the treasures of knowledge are opened. [Christ] receives the first key according to his humanity, and the second, according to his deity, which is without beginning. But in some copies instead of “of David,” “of Hades” is written, through which Christ is attributed the authority of life and death. 14
Of interest here is the fact that when Andrew encounters the variant “key of Hades,” he bypasses any discussion of scribal activity, textual corruption, or the priority of readings. Rather, he proceeds to offer his theological commentary on both readings. 2.1.2.2 “Linen” or “Stone”? The second variant surfaces in Andrew’s remarks on Rev 15:6. Here John notes that the seven angels carrying the seven plagues are clothed with ———————— 10 11 12
SCHMID, Die alten Stämme (see n. 6), 127. SCHMID, Apokalypse-Kommentar (see n. 1), 262, ll. 3–10. There are actually two variants here: one with the article and one without. Both, however, are in the genitive case and do not alter the meaning of the text. The first is ∆αυίδ A C 1611.1854.2053.2329 pc; the second is τοῦ ∆αυίδ אM Or. 13 τοῦ ᾅδου 2050 pc. 14 S CHMID, Apokalypse-Kommentar (see n. 1), 38, ll. 10–17; my transl. and italics.
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“pure bright linen.” Some manuscripts, however, read λίθον instead of λίνον.15 Andrew observes: “Out of his temple the angels…go out clothed in either ‘linen’ or ‘stone,’ just as some of the copies contain.”16 Andrew then accounts for the angels’ varying attire by incorporating both textual variants into his commentary. He explains that the angels are so clothed because of “the absolute purity of their nature (reflecting καθαρόν); their nearness to Christ the cornerstone (reflecting the variant λίθον); and the brightness of their virtue (reflecting λαµπρόν).”17 Disinclined to restore the text, Andrew exploits the availability of multiple textual data. 2.1.2.3 Atticizing Scribes? Andrew’s treatment of variants is deeply ironic compared to his own rhetoric and text-critical practices elsewhere. Toward the end of his work Andrew takes aim at scribes who find the words of scripture less elegant than the locutions of classical literature. He condemns their attempt to make grammatical and stylistic improvements in the direction of Attic Greek, applying the curse of Rev 22:18–19 to them: Dreadful is the curse upon those who counterfeit the divine words, capable of depriving the arrogant of the blessings of the coming age, for their recklessness is bold indeed. Therefore, to keep us from suffering, [John] warns us who hear, lest we add or subtract anything. Instead, we should regard the characteristic of scripture as more trustworthy and venerable than Attic compositions (Ἀττικῶν συντάξεων) and dialectical arguments (τῶν διαλεκτικῶν συλλογισµῶν). For even among these, should anyone find anything that is contrary to the rules, he is referred to the trustworthiness of their poets and authors. 18
Whether Andrew’s charge of atticizing is legitimate,19 it is noteworthy that he expresses far less alarm over the aforementioned, genuine textual vari———————— 15
λίθον A C 2053.2062 pc vg sy. SCHMID, Apokalypse-Kommentar (see n. 1), 162, ll. 1–3; my translation and italics. SCHMID, Apokalypse-Kommentar (see n. 1), 162, ll. 4–5; my translation. SCHMID, Apokalypse-Kommentar (see n. 1), 262, ll. 3–10; my translation. There is good reason to believe that Andrew’s charge is more rhetoric than substance. Although there appears to be some atticizing in the Greek manuscripts of the NT, the practice does not appear to be as systematic or comprehensive as was once claimed. (See E. C. COLWELL, Hort Redivivus: A Plea and a Program, in: Studies [see n. 8], 154– 55; C. M. MARTINI, Eclecticism and Atticism in the Textual Criticism of the Greek New Testament, in: M. Black / W. A. Smalley [ed.], On Language, Culture, and Religion: In Honor of Eugene A. Nida, The Hague 1974, 151–55; G. D. FEE, Rigorous or Reasoned Eclecticism – Which?, in: J. K. Elliott [ed.], Studies in New Testament Language and Text: Essays in Honour of George D. Kilpatrick on the Occasion of His Sixty-Fifth Birthday, SNT 44, Leiden 1976, 184–91). The earliest manuscripts of the Apocalypse in particular fail to reflect a pervasive scribal tendency to atticize. See J UAN HERNÁNDEZ J R., Scribal Habits and Theological Influences in the Apocalypse: The Singular Readings 16 17 18 19
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ants (which have the potential of changing the meaning of the text), than over the putative practice of atticizing (which presumably makes little semantic difference to the content of scripture).20 The irony is only heightened by the commentary’s postscript, where an anonymous editor expresses anxiety over the multiple versions of Andrew’s work in circulation. Having lost some drafts of the commentary in his possession, Andrew had to restore the original wording out from memory. The final compiler now frets over the inevitable discrepancies that have resulted and assures readers of the commentary that the “meaning remains the same” (τῆς διανοίας τῆς αὐτῆς).21 Well-aware of the vicissitudes an author’s text undergoes in the course of transmission, a fact of life in antiquity,22 the editor sheds light on Andrew’s own text-critical practices in order to reassure readers that his work has been faithfully preserved. But Andrew himself stopped short of restoring the text of the Apocalypse when he had the chance. His disposition toward the text mirrors the textcritical practices of Origen, who occasionally opted for two readings rather than choose one over another.23 Both Andrew’s texts and text-critical practices represent significant departures from contemporary scholarship’s fo———————— of Sinaiticus, Alexandrinus and Ephraemi, WUNT 2/218, Tübingen 2006, 82–86, 120–123, 131, 150–151; JAMES R. ROYSE, Scribal Habits in the Early Greek New Testament Papyri, NTTSD 36, Leiden 2008, 197, 357–58, 397–98, 544, 614, 704. 20 Perhaps typical of the literary conventions of the Early Byzantine Period, Andrew’s commentary exhibits its fair share of Attic style and diction. However, as Andrew’s quotation indicates, he draws a sharp distinction between his use of Attic Greek in the commentary and the inappropriate atticizing of the Greek text of the Apocalypse by scribes. Such a distinction appears to have had its roots in the complex linguistic heritage left to the Byzantine world by the Fathers of Late Antiquity. Robert Browning’s assessment to that effect is applicable here: “The Hochsprache was firmly established as the proper medium for all important or dignified communication. But at the same time an undercurrent of rejection of the literary tongue was associated with a certain powerful manifestation of popular piety.” It appears that Andrew’s condemnation of atticizing scribes is a perfect example of the former, even if largely rhetorical. See R OBERT BROWNING, The Language of Byzantine Literature, in: idem (ed.), History Language and Literacy in the Byzantine World, Northampton 1989; cf. F RANCISCO RODRÍGUEZ ADRADOS, A History of the Greek Language: From Its Origins to the Present, Leiden 2005, 226ff; V. ROTOLO, The Fortunes of Ancient Greek in the Middle Ages, in: A.-F. Christidis (ed.), A History of Ancient Greek: From the Beginnings to Late Antiquity, Cambridge 2007, 1225–1240. 21 S CHMID, Apokalypse-Kommentar (see n. 1), 267, l. 15. 22 See HARRY Y. GAMBLE, Books and Readers in the Early Church: A History of Early Christian Texts, New Haven 1995, and M ARKUS MÜLKE, Der Autor und Sein Text: Die Verfälschung des Originals im Urteil antiker Autoren, UALG 93, Berlin 2008. 23 Cf. BRUCE M. METZGER, Explicit References in the Works of Origen to Variant Readings in the New Testament Manuscripts, in: idem (ed.), Historical and Literary Studies: Pagan, Jewish, and Christian, Grand Rapids, Mich. 1968, 88–103.
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cus on the “restoration of the original” as the first order of business in the process of interpretation. 2.2 The Greek Scriptures In addition to the texts of Revelation, Andrew makes a rich and varied use of the rest of the Greek Bible. Almost every book of the NT is quoted or alluded to, as well as much of the Septuagint, including works commonly categorized as deutero-canonical.24 There is no indication that the Greek OT was anything less than God’s Word for Andrew, and he clearly does not subscribe to the dictum, biblia hebraica veritas. Unlike Jerome, Andrew did not attach “the literal historical meaning to the Hebrew text, and the spiritual meaning(s) to the traditional LXX.”25 Often the LXX text that forms the basis for Andrew’s remarks differs in significant ways from the Hebrew. Like many of his ecclesiastic predecessors and contemporaries, Andrew assumes the unity of the scriptures and uses them without reservation. Significantly, Andrew’s selection of scripture is more often than not determined by his interaction with Oecumenius’ commentary, as well as his engagement of various patristic writers. Everywhere Andrew’s use of the scriptures is mediated by tradition. 2.3 Non-Canonical Writings: New Testament Apocrypha, Jewish and Pagan Sources Andrew’s literacy is not limited to scriptural or canonical works. Andrew makes modest use of various non-canonical writings in his exposition of John’s Apocalypse. These include what scholars call the New Testament Apocrypha, as well as a handful of Jewish and pagan sources. At least one apocryphal story surfaces twice in his commentary: the story of the competition between Peter and Simon Magus in the Acts of Peter 25.26 Andrew uses the story to illustrate the kind of deceptive, miracle-working power the anti-Christ will wield.27 The apocryphal story’s veracity is taken for granted, and its use is in keeping with the story’s widespread popularity in the early church.28 Andrew’s discussion of the antichrist also draws on Philostratus’ Life of Apollonius, asserting that he (Andrew) has learned from ———————— 24 25
SCHMID, Apokalypse-Kommentar (see n. 1), 269–274. J ENNIFER M. DINES, The Septuagint, Understanding the Bible and its World, London 2004, 146. 26 S CHMID, Apokalypse-Kommentar (see n. 1), 137, ll. 11–16; 144, ll. 1–4; cf. J. K. ELLIOTT , The Apocryphal New Testament: A Collection of Apocryphal Christian Literature in an English Translation, Oxford 1993, 416ff. 27 Conversely, it may refer to the restoration of the Roman Empire. 28 ALBERTO FERREIRO, Simon Magus in Patristic, Medieval and Early Modern Traditions, Leiden 2005.
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“Apollonius and others” that statues have been known to speak through the agency of the demonic.29 Elsewhere Andrew appeals to Josephus to corroborate historical accounts.30 Parallels to a range of ideas from a variety of non-canonical works pepper the commentary. 2.4 Patristic Writings If we rely primarily on Andrew’s rhetoric, the greatest source of his learning is the patristic tradition. Its representative figures inform Andrew’s work, and many of his conclusions can be traced to them even when they are unidentified. That Andrew intends to make abundant use of the tradition is clear from the prologue, where he identifies early Church Fathers consulted in the work. These include: Gregory the Theologian, Cyril of Alexandria, Papias, Irenaeus, Methodius and Hippolytus of Rome.31 Others – unmentioned in the prologue but found throughout the commentary – include Athanasius, Basil the Great, Epiphanius of Salamis, Eusebius of Caesarea, Justin Martyr, and Pseudo-Dionysius. Andrew also cites traditions that have not survived, such as the Martyrdom of Antipas,32 a saying of Papias,33 a lost writing from Epiphanius,34 and an unknown section from Athanasius’ Life of Anthony.35 A preliminary comparison of Andrew’s list of patristic sources with Oecumenius’ suggests that Andrew has borrowed heavily – if not uncritically – from Oecumenius.36 As Andrew’s commentary unfolds, however, it is clear that his appeals to the patristic tradition often offer alternatives to particular interpretations belonging to Oecumenius.37 2.5 Oecumenius’ Commentary on Revelation The patristic tradition plays a pivotal role in shaping Andrew’s commentary. What is seldom appreciated is the degree to which the material and ———————— 29
Andrew clearly treats these works as historical sources (ἱστόρηται). See S CHMID, Apokalypse-Kommentar (see n. 1), 143, l. 12. 30 S CHMID, Apokalypse-Kommentar (see n. 1), 72, ll. 1–4; cf. J.W. 5.6. Andrew’s identification of Gog and Magog as Scythians in Rev 20:8 is also identical to Josephus’. See SCHMID, Apokalypse-Kommentar (see n. 1), 223, ll. 8–9; cf. Ant. I 6, 1 §123. 31 S CHMID, Apokalypse-Kommentar (see n. 1), 10, ll. 10–12. 32 S CHMID, Apokalypse-Kommentar (see n. 1), 29, ll. 16–17. 33 S CHMID, Apokalypse-Kommentar (see n. 1), 134, ll. 14. 34 S CHMID, Apokalypse-Kommentar (see n. 1), 15, l. 16; 16, ll. 1–3. 35 S CHMID, Apokalypse-Kommentar (see n. 1), 134, ll. 13–15. 36 Cf. DE GROOTE, Oecumenii commentarius in Apocalypsin (see n. 5), 65, ll. 33–39. 37 As explored below, Andrew appeals to Methodius’ interpretation of the seals over against Oecumenius’. Elsewhere he implies that Oecumenius is contradicting the patristic voices. See SCHMID, Apokalypse-Kommentar (see n. 1), 60, ll. 9–13; 16, ll. 2–3.
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formal features of Andrew’s commentary are determined by a work that is not even cited by name and which Andrew would be loathe to place alongside the patristic tradition: Oecumenius’ sixth-century commentary on the Apocalypse.38 The relevance of Oecumenius’s work for understanding Andrew’s own contribution far outweighs the cumulative weight and influence of all of the aforementioned texts combined and casts into bold relief Andrew’s seemingly arbitrary hermeneutical moves. To fully appreciate Andrew’s unacknowledged but demonstrable literary debt to Oecumenius, we will first examine Andrew’s claims about the structure and hermeneutic of his own commentary.
3 Andrew’s Reading 3.1 Structure and Stated Hermeneutic of the Commentary Andrew divides his commentary into twenty-four discourses (λόγοι), which are subdivided into three headings (κεφαλαί), resulting in a total of seventy-two sections to the work. The number twenty-four is derived from the number of elders before God’s throne and the decision to break up each discourse into three parts echoes Origen’s anthropological model for interpreting scripture.39 According to Andrew: [J]ust as there are three parts to man, [so] every God-breathed Scripture has been given three parts by Divine Grace. The literal (γράµµα) and historical (ἱστορία) senses are a kind of body. The figurative (τροπολογία) sense, which guides the reader to what the mind can perceive, is akin to a soul. The anagogical (ἀναγωγή) and contemplative (θεωρία) senses, which are about the future and most venerable things, appear as the spirit.40
———————— 38 On Oecumenius preceding Andrew see FRIEDRICH DIEKAMP , Mittheilungen über den Kommentar des Oekumenius zur Apokalypse, Sitzungberichte der Königlichen Preussischen Akademie der Wissenschaften 43 (1901), 1046–1056. 39 Although Origen is not mentioned by name, Andrew is clearly indebted to him. In his discussion of the correct method of approaching the Scriptures, Origen writes: “[O]ne should inscribe on one’s soul the intentions of the holy literature in a threefold manner; the simpler person might be edified by the flesh of Scripture, as it were (flesh is our designation for obvious understanding), the somewhat more advanced by its soul, as it were; but the person who is perfect and approaches the apostle’s description: ‘Among the perfect we impart wisdom although it is not a wisdom of this age or of the rulers of this age who are doomed to pass away; but we impart a secret and hidden wisdom of God which God decreed before the ages for our glorification’ (1 Cor 2:6–7), by the spiritual law which contains ‘a shadow of the good things to come’ (Heb 10:1). For just as the human being consists of body, soul, and spirit, so does Scripture which God has arranged to be given for the salvation of humankind.” Origen, Princ. 4.2.4 (KARLFRIED FROEHLICH, Biblical Interpretation in the Early Church, Sources of Early Christian Thought, Philadelphia 1984). 40 S CHMID, Apokalypse-Kommentar (see n. 1), 8, ll. 16–22; my translation.
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For Andrew, the literal sense suits those who are “instructed by the law” and applies to the historical events recorded in the Bible. These events may in turn serve as “types” (τύποις) that foreshadow “truth” (τῆς ἀληθείας).41 The figurative sense applies to proverbial advice and other pedagogical usages, while the third level, consisting of the anagogical and contemplative senses, corresponds to the future and higher things respectively. Andrew then proceeds to inform the reader of the likely loci of the various senses of scripture. The historical and figurative senses are in evidence largely in the prophets, while the spiritual is particularly abundant in the book of Revelation. It should also be observed that Andrew assiduously avoids the use of the word “allegory” or its cognates to describe his reading strategies. Andrew’s approach to the text would appear to gravitate toward the so-called “Antiochene School.”42 This does not preclude Andrew from reaching (or endorsing) interpretive conclusions that are themselves the product of allegorizing. 3.2 Andrew’s Hermeneutic in Practice 3.2.1 Application of the Various Senses of Scripture Despite the clear statement, Andrew’s hermeneutical ideal is not applied with any rigor or consistency throughout the work. Andrew’s interpretive practice appears haphazard when measured against his programmatic declaration, as he appeals to various modes of reading to suit his purpose. We do not find a comprehensive exploration of the literal-historical, tropological, anagogical, and contemplative dimensions of scripture in his commentary. The terms themselves seldom show up in the text, although this in itself does not indicate that they are not operative. One can clearly find readings that would qualify as literal-historical, tropological, anagogical, and contemplative.43 Yet Andrew’s own use of the terms is not always ———————— 41 42
SCHMID, Apokalypse-Kommentar (see n. 1), 9, l. 15. The phrase is used with caution in full recognition of its shortcomings. Here it refers only to the retention of the narrative coherence of a passage in the act of interpretation versus its eradication. See FRANCES M. YOUNG, Biblical Exegesis and the Formation of Christian Culture, Peabody, Mass. 1997, 162. 43 Andrew’s exposition of the letter to the church of Pergamum in Rev 2:12–17 showcases the interplay of the various senses of scripture. Andrew’s regard for the “literal” sense is manifest in his attention to the narrative structure of the letter. Although he does not use the word γράµµα or ἱστορία Andrew refrains from allegorizing that would upend the material and formal features of the text. He also comments on the passage’s historical dimensions: Pergamum is treated as an actual city full of idols, as “throne of Satan” implies; Antipas was a real martyr, whose “Martyrdom” Andrew had even read. Turning to the other senses, Andrew interprets the manna “figuratively” (τροπικῶς) as a reference to “the future good things” (τὰ µέλλοντα ἀγαθά). By Andrew’s definition, “the future good things” would qualify as an “anagogical” interpretation since they refer to
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clear or consistent.44 To this we may add that Andrew’s partitioning of the book of Revelation into seventy-two sections tends to obfuscate (if not violate) the natural divisions of the work. Nonetheless, it is perhaps unfair to call Andrew’s interpretive practices completely arbitrary. If we were to expect him to cover the four senses of Scripture in every text he encounters, it would follow these are not evenly applied and, even when they are applied, the criteria for their application are not clearly stated or explicit. Nevertheless, one consistent motive appears to drive the production of Andrew’s work and the direction of his interpretations: his desire to supplant Oecumenius’ commentary. 3.2.2 A Response to Oecumenius’ Commentary Far more determinative for the form and content of Andrew’s commentary than either the multiple senses of scripture or the patristic tradition is Andrew’s engagement of Oecumenius’ work. The deployment of multiple reading strategies and the sporadic appeals to the Fathers often serve as “correctives” to Oecumenius’ interpretations. It might be better to think of the various modes of reading as hermeneutical keys that Andrew uses as necessary. Andrew’s rhetorical strategy of omitting any mention of Oecumenius veils the tremendous literary and theological debt he owes him. Although the textual tradition of the ensuing centuries would preserve Andrew’s work with greater fidelity than Oecumenius’, a greater degree of originality lies with Oecumenius. Among other things, Andrew can be credited with offering a Chalcedonian nuance to Oecumenius’ work. Marc de Groote identifies at least 235 literary parallels between Andrew and Oecumenius’ commentary.45 Most of these consist of explicit similarities in wording, ideas or the sequence of items covered in the commentaries. Closer examination may uncover an even greater literary dependency since Andrew’s comments assume a knowledge of Oecumenius even where no traces of Oecumenius’ wording or ideas are to be found. This ———————— things pertaining to the afterlife. See S CHMID, Apokalypse-Kommentar (see n. 1), 29, ll. 1–20; 30, ll. 1–17; 31, ll. 1–11; cf. 8, ll. 16–22. 44 Perhaps the clearest example of an inconsistent use of terms is found in his remarks on Rev 8:8–9. Andrew rejects Oecumenius’ literal interpretation of the burning of the “third of the sea,” but he accepts his claim that sea refers to the “present life.” Andrew accepts this reading based on the “anagogical sense” (ἀναγωγήν), stating that the sea is often used “figuratively” (τροπικῶς) in that way. However, Andrew’s use of “anagogical sense” here does not accord with his own definition, which applies ἀναγωγήν to “future things.” In his defense, we can point out that he is merely following Oecumenius here, who also uses ἀναγωγήν, which further underscores the problem. S CHMID, Apokalypse-Kommentar (see n. 1), 91, ll. 14–16; cf. DE GROOTE, Oecumenii commentarius (see n. 5), 143, ll. 196–199. 45 DE GROOTE, Oecumenii commentarius (see n. 5), 337–342.
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makes Andrew’s departures all the more significant. It is important to remember, however, that even where there are departures, Oecumenius has nonetheless framed the discussion. A firsthand examination of the parallels uncovers the extent of Andrew’s literary dependence on Oecumenius. 3.2.2.1 Andrew’s Dependence on Oecumenius Throughout the commentary Andrew clearly takes his cues from Oecumenius, often exhibiting very similar content (even word for word) in an almost identical sequence.46 At times the wording of Andrew’s commentary differs from Oecumenius’ but the ideas will remain unchanged.47 Even Andrew’s claim to the patristic tradition is little more than a reproduction of nearly identical remarks made by Oecumenius in his first book.48 More ———————— 46
Andrew’s opening remarks on the divinely inspired nature of scripture (πᾶσα θεόπνευστος γραφή; SCHMID, Apokalypse-Kommentar [see n. 1], 8, l. 17) are an echo of Oecumenius’ nearly identical remarks (Πᾶσα γραφὴ θεόπνευστος; DE GROOTE, Oecumenii commentarius [see n. 5], 64, l. 1). Elsewhere Oecumenius’ interpretation of the emerald-like rainbow around God’s throne as the “ranks and differences of divine angels” (τῶν θείων ἀγγγέλων τάξεις; DE GROOTE, Oecumenii commentarius [see n. 5], 106, ll. 159–165) is repeated by Andrew (τῶν ἀγγελικῶν τάξεων; S CHMID, Apokalypse-Kommentar [see n. 1], 48 ll. 5–6). Oecumenius’ identification of the “birds” of Rev 19:17 as “angels” is also followed by Andrew. The only difference is that Andrew does not call it a “figurative” (τροπικῶς) reading as Oecumenius does. Both assert that the angels are called “birds” because they “fly high.” See DE GROOTE, Oecumenii commentarius (see n. 5), 246, ll. 365–379; SCHMID, Apokalypse-Kommentar (see n. 1), 211, ll. 3–6. 47 This is the case in a number of passages. Both commentaries begin their remarks on Rev 1:1 by mentioning that elsewhere John’s writings use words suited to Christ’s divinity (τοῖς θεοπρεπέσι λόγοις; DE GROOTE, Oecumenii commentarius [see n. 5], 246, ll. 365–379; cf. τοῖς ὑψηλοῖς καὶ τοῖς θεοπρεπέσιν; S CHMID, Apokalypse-Kommentar [see n. 1], 11, ll. 11–14), while in the Apocalypse they are suited to his humanity (ἀνθρωποπρεπέσιν; DE GROOTE, Oecumenii commentarius [see n. 5], 246, ll. 365–379; cf. ἀνθρωπινώτερον; SCHMID, Apokalypse-Kommentar [see n. 1], 11, ll. 11–14). Commenting on Jesus’ claim to be the “First and the Last,” Oecumenius remarks that Jesus is “First” because of his “divinity” (θεότητος) and “Last” because of his “incarnation” (ἐνανθρωπήσει; DE GROOTE, Oecumenii commentarius [see n. 5], 87, ll. 104–105). This is matched by Andrew’s explanation of the same title as due to Jesus being “God” (θεός) and having become “man” (γεγονὼς ἄνθρωπος; SCHMID, Apokalypse-Kommentar [see n. 1], 27, ll. 8–10). Regarding Pergamum, Oecumenius asserts that all of Asia was idolatrous, but especially Pergamum (κατείδωλος µὲν γὰρ πᾶσα ἡ Ἀσία µάλιστα δὲ ἡ Πέργαµος; DE GROOTE, Oecumenii commentarius [see n. 5], 89, ll. 152–153). Andrew similarly claims that Pergamum was idolatrous without mentioning all of Asia (Κατείδωλος ἦν αὐτὴ ἡ πόλις). See S CHMID, Apokalypse-Kommentar (see n. 1), 29, l. 7. 48 Oecumenius mentions not only their names but also the titles of their works: Athanasius’ Exposition of the Canonical Books of the Old and New Testaments; Basil’s Concerning the Son; Gregory the Theologian’s, The Coming of Bishops; Methodius’ On the Resurrection; Cyril the Great’s sixth book of The Treatise in Spirit and Truth; and Hippolytus’ Interpretation of Daniel (Oecumenius, Commentary on the Apocalypse,
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often than not, Andrew’s comments on specific passages are summaries of Oecumenius’ interpretations – yet rich and original discussions in their own right.49 Perhaps Andrew found Oecumenius’ explanations loaded with too much information. On occasion Andrew himself will offer a lengthier account.50 At times Andrew will add a passage of scripture absent in Oecumenius51 or weave biblical language into his commentary that surfaces as a quote in Oecumenius.52 Andrew will even reverse the order of Oecumenius’ content53 or transform Oecumenius’ rhetorical questions into simple declarative statements.54 Perhaps Andrew was attempting to produce a work that would be easier to read, although – admittedly – the modern interpreter is not in a position to affirm or deny its success with any confidence. We can only point to the subsequent faithful preservation of Andrew’s commentary relative to Oecumenius’. One hundred and eleven ———————— trans. J OHN N. SUGGIT , Catholic University of America, 2006, 20). Andrew’s list varies a little and he omits the titles: the Blessed Gregory the Theologian, Cyril, Papias, Irenaeus, Methodius and Hippolytus. See S CHMID, Apokalypse-Kommentar (see n. 1), 10, ll. 10– 12. 49 A particularly striking example of Oecumenius’ rich detail is his explanation of the “tent of testimony” in Rev 15:5–16:1. He goes into great detail about who constructed it, what it was for, what items were placed in it, how God commanded Moses to make it, and how John now uses it as a metaphor for the heavenly temple. Andrew reduces Oecumenius’ account to one sentence about how the heavenly tabernacle was similar to the one God commanded Moses to make. See S CHMID, Apokalypse-Kommentar (see n. 1), 161, ll. 18–19; cf. DE GROOTE, Oecumenii commentarius (see n. 5), 206, ll. 397–406. 50 In his remarks on Rev 5:13–14, Oecumenius briefly points out that all creation sings a hymn of praise to God, which includes the Father and the incarnate, human Word (τῷ ἐνανθρωπήσαντι καὶ σαρκωθέντι Λόγῳ; DE GROOTE, Oecumenii commentarius [see n. 5], 119, ll. 55–58). Andrew, commenting only on 5:13, elaborates, speaking of God as the “originator of all things” and the Son as “only-begotten” (µονογενής) and “consubstantial” (ὁµοούσιος υἱός; SCHMID, Apokalypse-Kommentar [see n. 1], 58, ll. 4–9). He offers additional remarks on 5:14 separately. See S CHMID, Apokalypse-Kommentar (see n. 1), 58, ll. 12–15; 59, ll. 1–5. 51 This is the case in Andrew’s remarks on Rev 5:6, where, in his interpretation of the lamb’s seven horns and seven eyes, he adds Zech 4:10. Oecumenius only cites Isa 11:1–5, which Andrew has also adopted. See S CHMID, Apokalypse-Kommentar (see n. 1), 53, ll.4–5; cf. DE GROOTE, Oecumenii commentarius (see n. 5), 116, ll. 404–408. 52 Andrew does this repeatedly. In his remarks on Rev 3:21, Oecumenius quotes Paul’s words in Rom 8:17 verbatim. He even identifies the source. Andrew also alludes to the same passage but mentions neither Paul nor attempts to quote him. Rather, he is content to weave Paul’s language into his comments. See S CHMID, ApokalypseKommentar (see n. 1), 45, ll. 2–3; cf. DE GROOTE, Oecumenii commentarius (see n. 5), 104, ll. 98–101. 53 S CHMID, Apokalypse-Kommentar (see n. 1), 56, ll. 5–7; cf. DE GROOTE, Oecumenii commentarius (see n. 5), 115, ll. 389–399. 54 S CHMID, Apokalypse-Kommentar (see n. 1), 177, ll. 4–5.; cf. DE GROOTE, Oecumenii commentarius (see n. 5), 216, ll. 100–101.
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manuscripts contain Andrew’s commentary.55 Nine contain Oecumenius’ (with twenty-nine partial witnesses).56 To equate preservation with better readability, however, overlooks any number of factors that might have played a role in the work’s transmission. 3.2.2.2 Andrew’s Departures from Oecumenius Although Andrew’s diction is without a doubt influenced by Oecumenius’, Andrew will often give Oecumenius’ nearly identical wording a new application. Andrew’s characterization of the act of interpretation as “training for the mind” (ὡς γυµνασίαν τῷ νῷ),57 echoes Oecumenius’ “practice” (γυµνασίαν) of sparring with critics of the Apocalypse’s authenticity.58 For Andrew, interpreting the Apocalypse offers an opportunity for spiritual and intellectual growth, whereas for Oecumenius, it was a chance to engage in apologetics. Andrew’s lexical debt to Oecumenius is thereby reduced by a different contextual focus. The difference is reinforced by Andrew’s stated desire to avoid lengthy discussions about the Apocalypse’s authenticity.59 Most revealing of Andrew’s motives are those places where Andrew depends on Oecumenius for a particular interpretation but then charts a separate path in his commentary. In a number of places Andrew offers Oecumenius’ views alongside other, equally viable options. Andrew’s understanding of the clouds that accompany Jesus in Rev 1:7 is illustrative. According to Andrew, the clouds may refer either to “bodiless powers” (i.e. angels) or to the “clouds that covered Jesus on Mt. Tabor.”60 The first option clearly belongs to Oecumenius, who, citing several passages, argues that the scriptures often speak “figuratively” (τροπικῶς) about the “holy angels as clouds” (τοὺς ἁγίους ἀγγέλους νεφέλας).61 Andrew accepts Oecumenius’ interpretation as one of two possibilities without a clear preference for one. Andrew’s disposition here is similar to the one displayed in his handling the textual variants. Multiple options are acceptable.62 ———————— 55
Eighty-three are in the commentary’s original form; thirteen are an abbreviated version of the commentary; and fifteen contain scholia. See D. C. PARKER, An Introduction to the New Testament and their Manuscripts, Cambridge 2008, 239. 56 P ARKER, NT Introduction (see n. 55), 238. 57 S CHMID, Apokalypse-Kommentar (see n. 1), 9, l. 16. 58 DE GROOTE, Oecumenii commentarius (see n. 5), 65, l. 26. 59 S CHMID, Apokalypse-Kommentar (see n. 1), 10, ll. 9–10. 60 S CHMID, Apokalypse-Kommentar (see n. 1), 17, ll. 5–7. 61 DE GROOTE, Oecumenii commentarius (see n. 5), 73, ll. 215–216. 62 Other examples include Andrew’s remarks on the “hour of trial” in Rev 3:10, which Oecumenius identified with persecution during the reign of Domitian. Andrew asserts that it refers either to the persecution of Christians by the Roman authorities or to a future deliverance during the age of the antichrist (S CHMID, Apokalypse-Kommentar [see n. 1], 40, ll. 1–5; cf. DE GROOTE, Oecumenii commentarius [see n. 5], 98, ll. 381–
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Elsewhere Andrew begins by identifying a reading traceable to Oecumenius, but then proceeds to offer his own, preferred understanding of the text. Even in these cases, however, Oecumenius’ interpretation is not completely disallowed. For example, Andrew argues that the reference to the “one who is, was and is coming” in the doxology of Rev 1:4 applies to the Father.63 Oecumenius, on the other hand, applies it to each member of the Trinity – Father, Son and Holy Spirit.64 Andrew’s lengthy digression on the merits of his own reading – in light of context, tradition and, possibly, Chalcedon – is an indicator of the degree to which he believes this is the better reading. Even after this, however, Andrew does not entirely reject Oecumenius’ Trinitarian interpretation. It still accords with orthodoxy. On occasion, Andrew will adopt only part of Oecumenius’ interpretation and discard the rest. Oecumenius’ assertion that the destruction of the third of the sea in Rev 8:8–9 points to the literal and physical destruction of the sea preceding the creation of the new heaven and earth is flatly rejected by Andrew. For Andrew, the text’s mention of “a third” is “out of sync” (ἀνάρµοστος) with that idea. Presumably, a “third” precludes the “whole.”65 The grounds for Andrew’s rejection are based on a literal reading of scripture, manifest in his high regard for the details of the biblical narrative. Even after distancing himself from Oecumenius, Andrew accepts Oecumenius’ allegorical reading of the sea as a reference to “the present life,” underscoring his commitment to the multiple levels of meaning in scripture.66 The problem for Andrew here (and elsewhere) is not so much the idiosyncratic nature of Oecumenius’ particular interpretation, but its occasional failure to cohere with the larger narrative structure of the Apocalypse. Oecumenius’ inattention to small but crucial details is a recurring problem in his commentary and prompts a response from Andrew as necessary. There are also instances where Andrew will simply offer interpretations that differ from Oecumenius’ without attempting to salvage his readings by appeals to the various modes of reading. Andrew’s understanding of the four angels in Rev 9:13–16, who are charged with destroying a third of humanity, presents a striking example. Oecumenius identifies them as Mi———————— 383). Also, commenting on the many diadems of Christ in Rev 19:11–12a, Andrew offers Oecumenius’ opinion first – that it implies his rule over all those in heaven and on earth and then provides an alternative: victory through perseverance. See S CHMID, Apokalypse-Kommentar (see n. 1), 208, ll. 7–12; cf. DE GROOTE, Oecumenii commentarius (see n. 5), 242, ll. 282–283. 63 S CHMID, Apokalypse-Kommentar (see n. 1), 14, ll.13–19; 15, ll. 1–16; 16, ll. 1–3. 64 DE GROOTE, Oecumenii commentarius (see n. 5), 69, ll. 129–138. 65 S CHMID, Apokalypse-Kommentar (see n. 1), 91, ll. 13–14; cf. DE GROOTE, Oecumenii commentarius (see n. 5), 143, ll. 196–199. 66 S CHMID, Apokalypse-Kommentar (see n. 1), 91, ll. 14–16.
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chael, Gabriel, Uriel and Raphael.67 Andrew, however, claims they are the “most evil demons” (πονηροτάτους δαίµονας).68 Andrew’s interpretation is in keeping with his highly positive view of God’s angelic host, who by nature are sympathetic and philanthropic (τὸ συµπαθές καὶ φιλάνθρωπον).69 Andrew’s perspective shares some remarkable affinities with the reading of Rev 9:15 in the codices Sinaiticus and Alexandrinus, where scribal changes eradicate or mitigate the angelic slaughter.70 Alternatively, Andrew may draw from the patristic tradition and offer counter-interpretations to Oecumenius’ expositions. Two readings in particular are repudiated. The first is Oecumenius’ interpretation of the seals in Rev 6, taken to refer to events in the life of Jesus; the second is his claim that the woman clothed with the sun in Rev 12 is Mary the “Godbearer” (θεοτόκος). Citing Methodius, Andrew maintains that the seals refer to things in the present and future (not Jesus’ earthly existence in the past)71 and that the celestial woman is the church.72 Perhaps Andrew is holding Oecumenius to his own standard here; after all, Oecumenius himself identified Methodius as one of his sources at the beginning of his work, yet Methodius appears nowhere in the body of his commentary. 3.2.2.3 A Chalcedonian Alternative to Oecumenius73 Perhaps the most significant problem for Andrew is any interpretation that runs counter to Chalcedonian orthodoxy. On the one hand, Andrew’s demonstrable and heavy dependence on Oecumenius uncovers the depth and intricacy of their literary entanglements. Conversely, their differences cast into bold relief Andrew’s distinct theological agenda. While Andrew has been content to repeat, summarize, or reword much of Oecumenius’ material, he also distances himself from Oecumenius whenever the latter’s interpretive options fail to cohere with the Apocalypse’s broader literary context or disregard the patristic tradition altogether. Even in these cases Oecumenius’ views are often partly salvaged by Andrew’s appeals to the ———————— 67 DE GROOTE, Oecumenii commentarius (see n. 5), 152, ll. 442–444; 153, l. 68 S CHMID, Apokalypse-Kommentar (see n. 1), 101, l. 8. 69 S CHMID, Apokalypse-Kommentar (see n. 1), 95, l. 7. 70 See J UAN HERNÁNDEZ J R., The Apocalypse in Codex Alexandrinus: Its
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Singular Readings and Scribal Habits, in: Patrick Gray / Gail R. O’Day (ed.), Scripture and Traditions: Essays on Early Judaism and Christianity. In Honor of Carl R. Holladay, SNT 129, Leiden 2008, 349–352. 71 S CHMID, Apokalypse-Kommentar (see n. 1), 60, ll. 9–13; cf. DE G ROOTE, Oecumenii commentarius (see n. 5), 120, ll. 74–77. 72 S CHMID, Apokalypse-Kommentar (see n. 1), 121, ll. 10–13; cf. DE GROOTE, Oecumenii commentarius (see n. 5), 170, ll. 379–384. 73 The title is drawn from C ONSTANTINOU’s section by that name (Andrew of Caesarea [see n. 1], 1.25).
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various senses of scripture. Readings that can be understood as contradicting Chalcedon, however, are not accorded the same consideration. The commentary does not exhibit many of these; but where deep theological divides border on previously sanctioned phrases, only a few examples are needed to underscore their importance. 3.2.2.3.1 “In Two Natures” vs. “From Two Natures” At several places in the commentary, Oecumenius employs wording that has customarily been branded “Monophysite.”74 The pejorative and anachronistic dimensions of the label render it problematic; it is perhaps more accurate to speak of Chalcedonians and anti-Chalcedonians (or nonChalcedonians).75 In a couple of spots, Oecumenius’ language about the Son puts him in the latter camp. Like almost every other Christological debate, the issue revolves around the proper language to describe the nature of the Son. Historically, the conflict dates back to Cyril of Alexandria’s description of the Son as being “out of two natures” with the focus placed upon the union that results.76 (Cyril’s actual phrase was “one nature of the incarnate Logos.”77) The Council of Chalcedon, however, affirmed that the Son was one person “in two natures.”78 Theological divides are seldom neat and clean. Chalcedonians would have included a number of traditions, including “moderate Cyrillians,” while anti-Chalcedonians consisted of “ardent Cyrillians” unwilling to surrender their claim that Christ was one person “out of two natures.”79 This then becomes the most telling detail about Oecumenius’ theological perspective: his use of anti-Chalcedonian rhetoric to speak about the nature of the Son. Only a few lines into his commentary, he writes: In this way he who is Emmanuel is understood to have been made from two natures (ἐκ δύο φύσεων), divinity and humanity, each being complete according to the indwelling Word and according to the different specific characteristics of each nature, without being confused or altered by their combination into a unity, and without being kept separate after the inexpressible and authentic union.80
———————— 74 Oecumenius, Commentary on the Apocalypse (see n. 48), 6; C ONSTANTINOU, Andrew of Caesarea (see n. 1), 1.25–27. 75 P ATRICK T. R. GRAY, The Legacy of Chalcedon: Christological Problems and their Significance, in: Michael Maas (ed.), The Cambridge Companion to the Age of Justinian, Cambridge 2005, 215–238. 76 GRAY, Legacy of Chalcedon (see n. 75), 219. 77 GRAY, Legacy of Chalcedon (see n. 75), 221. 78 GRAY, Legacy of Chalcedon (see n. 75), 222. 79 GRAY, Legacy of Chalcedon (see n. 75), 221–222. 80 Oecumenius, Commentary on the Apocalypse (see n. 48), 21; italics mine; cf. DE GROOTE, Oecumenii commentarius (see n. 5), 67, ll. 71–72.
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Oecumenius’ use of “Emmanuel” here is revealing insofar as it was a favorite anti-Chalcedonian title for Christ.81 He uses it freely throughout his commentary.82 Andrew never employs it; neither does the phrase ἐκ δύο φύσεων surface anywhere in his work. Elsewhere, Oecumenius begins his description of the Son in Chalcedonian terms but then moves in the opposite direction. The description of the Son’s natures as being “without confusion,” “without change,” “immutable,” and “unimaginable” are lifted from the Chalcedonian definition. The emphasis on the union that results from the two natures, however, is anti-Chalcedonian. Oecumenius’ citation of Cyril of Alexandria, whose language is at the center of the Christological storm, only heightens suspicions: So therefore he is “Emmanuel” in his divinity and in his humanity, each of the two natures being complete according to their respective qualities, without confusion, without change, immutable, unimaginable. We believe that after the inexpressible union there is one person, one hypostasis, and one activity, “even if the differences of the natures, from which we say that the ineffable union has been effected, may not be overlooked,” as well as the peculiar quality of each nature, according to the words of our blessed father Cyril. 83
The mixture of Chalcedonian and anti-Chalcedonian terms complicates the theological picture. Perhaps Oecumenius was simply inconsistent or unclear in his use of terms. Perhaps Oecumenius considered his views on the nature of the Son “Chalcedonian.” If so, they then were “in line with the Chalcedonian Definition of A.D. 451 as understood by Cyril.”84 Andrew, however, reflects no ambiguity on the points at issue; neither is Cyril Andrew’s sieve for Chalcedon. 3.2.2.3.2 The Trisagion Hymn: To the Trinity or To the Son? Oecumenius’ application of the Trisagion to the Son furthers suspicions of anti-Chalcedonian ties.85 The Trisagion (i.e. “Thrice Holy”), a hymn derived from the words of the seraphim in Isa 6:3, became a focal point in debates over the nature of the Son. The issue was whether the hymn refers primarily to the Trinity or to the Son. By late in the fifth-century, antiChalcedonians had inserted a phrase regarding the Son that they believed no Chalcedonian could accept: “crucified for us,” which meant the God———————— 81 J AROSLAV P ELIKAN, The Emergence of the Catholic Tradition (100–600), Chicago 1971, 58–59; CONSTANTINOU, Andrew of Caesarea (see n. 1), 1.26. 82 DE GROOTE, Oecumenii commentarius (see n. 5), 77. ll. 309–310; 96, l. 338; 97, l. 340; 245, ll. 344–350; 287, ll.343–344. 83 Oecumenius, Commentary on the Apocalypse (see n. 48), 200; C ONSTANTINOU, Andrew of Caesarea (see n. 1), 1.27. 84 Oecumenius, Commentary on the Apocalypse (see n. 48), 6. 85 CONSTANTINOU, Andrew of Caesarea (see n. 1), 1.27; 2.14–20.
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head participated in Christ’s sufferings.86 Oecumenius makes no mention of this detail, and he does not use the term Trisagion in the commentary. His claim that the hymn of the seraphim was sung to Christ, however, may point to an anti-Chalcedonian emphasis. Commenting on Christ’s title ὁ ἅγιος in Rev 3:7, Oecumenius writes: “The holy one is the Son of God. So also he receives witness from the seraphim, who combine the three acclamations of ‘holy’ in the one lordship.”87 Although Oecumenius does not call it the Trisagion, this is exactly what “the witness from the seraphim” is, and it is applied to the Son. Andrew for his part avoids any discussion of the Trisagion or its application to the Son in this section (presumably because it was not the appropriate place for it). Andrew does mention the hymn, however, in his discussion of the Divine title “the one who is, was, and is to come” (Rev 1:4). Andrew’s Trinitarian interpretation of the Trisagion is unmistakable: (I)n the Gospel [the] thrice-holy hymn (τρισάγιον) of the Seraphim is said about the Son; in the speech of Paul in Acts (it is said) about the Holy Spirit; and, then in the offering of the awesome mysteries (it is said) about the Father. 88
The equal space (and honor) accorded to each member of the Godhead is characteristically Chalcedonian and stands in stark contrast to Oecumenius’ statement. According to Andrew, the Trisagion applies fully to each person in the Trinity. Moreover a number of key terms and formulas that Andrew avoids reinforce the impression of anti-Chalcedonianism in Oecumenius. These include descriptions of the Son being “animated by a mind” (ἐµψυχωµένης νοερῶς) or “animated by the soul” (νοερῶς ἐµψυχωµένης σώµατος).89 Andrew’s calculated departures from his predecessor on precisely these crucial points, both by avoiding non-Chalcedonian prescriptions, and by rewriting key sections of the commentary in light of Chalcedon, recasts Oecumenius’ work in Chalcedonian hues. Andrew’s commitment to multiple meanings in Scripture is curtailed only by his commitment to Chalcedon. It is a boundary he will not cross.
4 Conclusion: An Exemplar of Early Byzantine Perspective and Practices Andrew offers a Chalcedonian alternative to Oecumenius’ sixth-century commentary on the Apocalypse that is grounded in the patristic tradition and ———————— 86 87 88 89
GRAY, The Legacy of Chalcedon (see n. 75), 224. Oecumenius, Commentary on the Apocalypse (see n. 48), 46; cf. 158. Trans. CONSTANTINOU, Andrew of Caesarea (see n. 1), 2.19. CONSTANTINOU, Andrew of Caesarea (see n. 1), 1.26.
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elucidated by sanctioned reading strategies.90 More broadly, Andrew’s commentary is an exemplar of early Byzantine interpretive perspectives and practices. This is evident in its language, embrace of tradition, theological commitments, identifiable realia, and historical allusions. The Greek language of the commentary, for example, is a clear byproduct of the ecclesiastical culture of the early Byzantine period. The sharp dichotomy Andrew draws between scribes who atticize the scriptures and his own use of Attic forms reflects an early Byzantine disposition and predilection. Andrew’s reliance upon various patristic interpreters is another hallmark of the ecclesial tradition he embodies; it also anticipates the medieval catena and scholia.91 By addressing church Fathers as “the Great,” “the Blessed,” or “the Divine,” Andrew displays more than a high reverence for these figures; it is early Byzantine protocol. Andrew’s reliance on tradition mitigates any concerns over the precise wording or meaning of the biblical text. Other phenomena, such as monasticism, pilgrimage sites, and the use of relics, surface in the commentary and illumine both the text and the author’s socio-historical location. For example, although monasticism did not exist when the Apocalypse was written, by Andrew’s time monastic communities had sprung up throughout the empire.92 Andrew assumes their relevance for understanding the Apocalypse. For Andrew, the flight of Christians to the desert in Revelation 12 portrays the monks who make the wilderness their home. Andrew also draws from Athanasius’ Life of Anthony (a popular story about a desert monk), to illumine the book of Revelation. Elsewhere Andrew references Mt. Tabor, a well-known pilgrimage site identified as the scene of the Transfiguration. None of the gospels mentions this mountain by name, but Andrew assumes its location and connection to the Transfiguration. It would have been common knowledge for his readers. Finally, although Andrew generally resists offering precise details about the historical circumstances in his See, we catch glimpses of a seventh-century society in upheaval when he alludes to “daily murders at the hands of barbarians” and Persian invasions. Numerous exhortations to persevere surface as a result.93 Andrew’s commentary thereby performs paranetic and catechetic functions for his readers. Much more remains to be explored, however, as Andrew’s commentary contains an oversupply of rich and unexamined material from the Byzantine world. ———————— 90 91
CONSTANTINOU, Andrew of Caesarea (see n. 1), 1.25–27, 197; 2.64 n. 277. Cf. MICHAEL MAAS, Roman Questions, Byzantine Answers: Contours of the Age of Justinian in: idem (ed.), The Cambridge Companion to the Age of Justinian, Cambridge 2005, 20; L. D. REYNOLDS / N. G. WILSON, Scribes and Scholars: A Guide to the Transmission of Greek and Latin Literature, Oxford 31991, 53. 92 Cf. Cyril of Scythopolis, Lives of the Monks of Palestine, trans. R. M. P RICE and J OHN BINNS, Kalamazoo, Mich. 1991). 93 CONSTANTINOU, Andrew of Caesarea (see n. 1), 2.102; 113 n. 540; 175 n. 857; 176 n. 858.
Die Apokalypse des Johannes und die orthodoxe Liturgie Anknüpfungspunkte zwischen Apokalypse und orthodoxem Kultus KONSTANTIN NIKOLAKOPOULOS
1 Einführende Gedanken Es ist inzwischen durchaus bekannt, welche substantielle Rolle der Kultus im Rahmen des orthodoxen Verständnisses, Selbstbewusstseins und liturgischen Lebens spielt. Mit den Worten von Georg Florovsky kann man sagen: „Das Christentum ist eine liturgische Religion. Die Kirche ist vor allem eine betende Gemeinde. An erster Stelle kommt der Kultus und dann folgen die dogmatische Lehre und die kirchliche Ordnung.“1 Einer der wesentlichen Bestandteile der Kirche, als eines gottmenschlichen Organismus, ist ihr Kultus, der als die Äußerung des liturgischen Lebens gilt. Nach orthodoxem Verständnis findet die Kirche ihre wahre und echte Verwirklichung in der Liturgie. Die orthodoxe Liturgie schließt alle grundlegenden Elemente des Wesens des Christentums (Spiritualität, prophetische Züge, Inspiration, transzendentaler Charakter, ethische Elemente, dogmatische Formulierung, katechetische Form etc.) mit ein2 und lässt sie bei ihrem Vollzug lebendig hervortreten. Allerdings sollte dabei der theologisch wesentliche doppelte Charakter der Kirche und somit auch ihrer Liturgie hervorgehoben werden: die geschichtliche Wirklichkeit einerseits und die eschatologische und himmlische Dimension andererseits. Von diesem doppelten Charakter, der im Grunde genommen das Wesen der orthodoxen Ekklesiologie und zugleich die Substanz unserer Liturgie ausmacht, wurde manchmal im Verlauf der ———————— 1
G. FLOROVSKY, Ὀρθόδοξος Λατρεία. Θέµατα Ὀρθοδόξου Θεολογίας, Athen 1973,
159. 2
Vgl. die interessanten Ausführungen von D. I. KONSTANTELOS, The Holy Scriptures in Greek Orthodox Worship, GOTR 12.1 (1966), 8: „The Worship and the liturgical books of the Church abound in Scriptural Elements. This is clear from the evidence found in the hymnology and the prayers, the ethical, the doctrinal, and liturgical life of the Church.“
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christlichen Geschichte einseitig der eine oder andere Aspekt intensiver hervorgehoben. Im ostkirchlichen Bereich besteht oft die Tendenz zur einseitigen Betonung der eschatologisch-geistlichen Seite der Geschehnisse, was gelegentlich zum Missverständnis der breiten liturgischen Dimension des Kultus führt. „Der liturgische Kultus verlor seine liturgische Dimension; er beschränkte sich nur auf kultische Kategorien“, wie Alexander Schmemann, ein herausragender orthodoxer Theologe des 20. Jahrhunderts, geschrieben hat.3 Eine solche Abweichung des christlichen Kultus – vielerorts auch in orthodoxen Kreisen – von seiner ursprünglichen Bestimmung und seine Verwandlung in formelle kultische und rituelle Standards sind in der modernen orthodoxen Theologie sehr früh erkannt und kritisiert worden. Der im Februar 2009 verstorbene Neutestamentler Savvas Agouridis schrieb diesbezüglich: Die Liturgie stellt keinen Seelentrost dar, sondern ist die richtige Auslegung dessen, was in unserem Leben wirklich passiert. Sie ist Kraft, Wegweisung und Erleuchtung dafür, wie der Kampf des Lebens zu führen ist. Wenn die Liturgie nicht genau das ist, dann ist sie keine christliche Liturgie. Sie wäre dann ein unter platonischem Einfluss vollzogenes götzendienstliches Ritual, sie wäre alles andere, aber nicht die Liturgie, so wie wir sie in der Johannesapokalypse und im Neuen Testament haben. 4
Zu erinnern ist an die Tatsache, dass die biblische Offenbarung5 eines der wesentlichsten Elemente und den lebenswichtigen Hintergrund des liturgischen Kultus im Rahmen seines doppelten Charakters bildet. Diese Offenbarung stellt für viele ostkirchliche Väter und Autoren die „Enthüllung der verborgenen Geheimnisse Gottes“6 dar, die ihrerseits dennoch die Himmlischen und die Irdischen verbinden. Deshalb sollte die Liturgie stets in ihrer doppelten Natur gesehen werden. Die gelegentlich festgestellte Minderschätzung ihrer geschichtlichen Realität (und somit auch des altchristlichen prophetischen Elements)7 und die überzogene Betonung der himmli———————— 3
So A. SCHMEMANN, Θεολογία καί Λειτουργία. Ἡ ἀποστολή τῆς Ὀρθοδοξίας στό σύγχρονο κόσµο, Athen 1983, 169. 4 S. AGOURIDIS, Ἡ Ἀποκάλυψη. Ἱστορική καί συγχρονιστική ἑρµηνευτική προσπάθεια, Athen 1980, 88. 5 Vgl. dazu die ausführlichen Gedanken bei K. N IKOLAKOPOULOS, Die „unbekannten“ Hymnen des Neuen Testaments. Die orthodoxe Hermeneutik und die historischkritische Exegese, Aachen 2000, 127f. 6 Siehe im Bezug auf die Apokalypse des Johannes die Studie vom Archimandriten ANTIPAS (Abt des Johannes-Klosters auf Patmos), Τό βιβλίο τῆς Ἀποκαλύψεως, Athen 2007, 47. 7 Vgl. die weiterführenden diesbezüglichen Gedanken von P. V ASSILIADIS, Λειτουργία καί Ἀποκάλυψη, in: Die Johannesapokalypse. Philologische, historische, hermeneutische, theologische Fragen. Akten des 6. Kongresses der orthodoxen Bibelwissenschaftler, Nikosia 1993, 254f.
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schen Dimension der Liturgie könnten zu einer Verfälschung des kultischen Wesens der Kirche führen. Da jedoch in der biblischen Literatur die „Apokalypse des Johannes“ in besonderer Weise die in einem prophetischen „Gewand“ ausgedrückte konkrete geschichtliche Wirklichkeit mit der himmlisch-eschatologischen Dimension8 verbindet, sollte in diesem Zusammenhang auf unsere Thematik ein besonderes Augenmerk gerichtet werden. Die zahlreichen kultischen Elemente der Apokalypse können trotz ihrer erzählerischen Einbettung in die poetisch gestaltete Visionsatmosphäre nicht verkennen lassen, dass sie unmittelbare Widerspiegelung alttestamentlich-jüdischer Motive9 und geschichtlich-sozialer Gegebenheiten des 1. nachchristlichen Jahrhunderts sind.10 Zweifellos „ist die himmlische Liturgie als Fortsetzung und Krönung des irdischen Gottesdienstes zu betrachten,“ während umgekehrt „die irdische Kirche gegenwärtig am himmlischen Gottesdienst teilnimmt“.11 Auf die besondere prophetische Gattung und den speziellen Charakter der Johannesapokalypse ist die abenteuerliche Geschichte der Kanonisierung dieses neutestamentlichen Buches zwischen dem 2. und 10. Jahrhundert zurückzuführen. In dieser Zeit waren die deutlichsten Vorbehalte gegen eine eventuelle Kanonisierung dieses Buches im Bereich der Ostkirche anzutreffen. Charakteristisches Beispiel für die uneindeutige Situation im Osten ist der von Amphilochios von Ikonion († 395) an Seleukon gerichtete iambische Text mit dem Titel „Welche Bücher aus dem Alten und Neuen Testament dürfen gelesen werden“. Der entsprechende Abschnitt des Textes, der einen zusammenfassenden Überblick über die damalige Situation gibt, lautet folgendermaßen: „Die Apokalypse des Johannes wiederum: Manche billigen sie zwar, aber die meisten bezeichnen sie als unecht.“12 Dem Prozess ihrer Kanonisierung, der im Osten besonders turbulent verlaufen ist, gab der berühmte Alexandriner Theologe Athanasios der Große († 373) mit seinem 39. Osterfestbrief aus dem Jahre 367 ein relatives, aber doch autoritatives Ende. Athanasios bemüht sich hier, seinen ———————— 8 Alle diese Elemente verbindend, spricht G. P. P ATRONOS, Ἡ Ἀποκάλυψη τοῦ Ἰωάννη. Μιά ἐκσυγχρονιστική ἑρµηνευτική προσέγγιση, Athen 2009, 27, von „functional – liturgical eschatology καθαρά σωτηριολογικοῦ χαρακτήρα“. 9 Siehe dazu bei K. S. VLACHOS, Σχολιασµός παλαιοδιαθηκικῶν τινων µαρτυριῶν στό κείµενο τῆς Ἀποκαλύψεως τοῦ Ἰωάννου, in: Die Johannesapokalypse. Philologische, historische, hermeneutische, theologische Fragen. Akten des 6. Kongresses der orthodoxen Bibelwissenschaftler, Nikosia 1993, 135f. 10 Für eine weiterführende Betrachtung dieser Thematik vgl. das interessante kommentarähnliche Werk von S. S. DESPOTIS, Η επουράνιος λατρεία στα κεφάλαια 4–5 της Αποκαλύψεως του Ιωάννη, Wiesbaden 2000. 11 So die Formulierungen bei DESPOTIS, Η επουράνιος λατρεία (s. Anm. 10), 241. 12 So der Text in: H. ALIVIZATOS, Οἱ ἱεροὶ Κανόνες, Athen 3 1997, 549: „Τὴν δ’ Ἀποκάλυψιν τοῦ Ἰωάννου πάλιν, τινὲς µὲν ἐγκρίνουσιν. Οἱ πλείους δέ γε νόθον λέγουσιν.“
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Gemeinden Klarheit über die bedenkenlos in den Gottesdiensten zu verlesenden Schriften der Hl. Schrift zu schaffen. Nach ihm gehört die Johannesapokalypse doch zu den kanonischen Büchern, die er als „Quellen des Heils“ (= Ταῦτα πηγαὶ τοῦ σωτηρίου) bezeichnet13. Allerdings handelt es sich bei dem Bücherkatalog des Athanasios auch nur um einen zwar ziemlich breit anerkannten, aber noch lange nicht endgültigen Kanonabschluss, wenn man bedenkt, dass der Streit um die Apokalypse in der Ostkirche auch noch in den folgenden Jahrhunderten bis zum 10. Jh. andauerte. Im Laufe der ostkirchlichen Liturgiegeschichte haben sich mehrere Missverständnisse bzw. einseitige oder engstirnige Verständnisse und unbegründete Befürchtungen gegenüber der Johannesapokalypse ergeben, sodass dieses neutestamentliche Buch von der liturgischen Praxis der Ostkirche ausgeschlossen wurde. Allerdings stellt dieser Ausschluss keine verbindliche Entscheidung irgendeines Ökumenischen oder eines anderen Lokalkonzils, sondern eine pastorale Vorbeugungsmaßnahme der Kirche dar. Laut dieser bis heute geltenden Tradition findet sich unter den für alle Tage des orthodoxen Kirchenjahres im „Apostel-Buch“ vorgesehenen Perikopen kein einziger Abschnitt aus der Apokalypse, der im Gotteshaus öffentlich zum Vorlesen bestimmt wäre. Damit dennoch hinreichend deutlich wird, dass der prophetisch-eschatologische Charakter der Apokalypse mit dem geschichtlich-himmlischen Verständnis der orthodoxen Liturgie völlig kompatibel ist, befasse ich mich im Folgenden mit dem liturgischen Charakter der Apokalypse. In einem ersten Teil wende ich mich ausschließlich der Apokalypse und ihrem liturgischen Profil zu, indem ich mich mit dem Wesen und Charakter des in ihr enthaltenen Kultus befasse. In einem zweiten Teil behandele ich die gemeinsamen kultisch-liturgischen Elemente, indem die „Liturgie“ der Apokalypse14 der orthodoxen Liturgie gegenübergestellt wird. Die Ausführungen werden schließlich mit einigen abschließenden Gedanken abgerundet.
2 Wesen und Charakter des Kultus in der Apokalypse Wenn wir den kultisch-liturgischen Zusammenhang der Apokalypse betrachten und nach ihren wesentlichen Merkmalen fragen, müssen wir uns grundsätzlich auf die Spiritualität beziehen, die diese reflektieren. Diese Spiritualität ist einerseits als eucharistische, doxologische und liebevolle ———————— 13
Athanasios der Grosse, Ex tricesima nona epistola festali: PG 26, 1177C: ἐν τούτοις µόνοις τὸ τῆς εὐσεβείας διδασκαλεῖον εὐαγγελίζεται. 14 An dieser Stelle möchte ich auf eine empfehlenswerte Studie dieser Thematik vorweg hinweisen: J. SKIADARESIS, Λειτουργικὲς σκηνὲς καὶ ὕµνοι στὴν Ἀποκάλυψη τοῦ Ἰωάννη, Thessaloniki 1999.
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Haltung des Menschen gegenüber Gott verstanden; andererseits beinhaltet sie die in Christus begründete brüderliche Bezogenheit auf die Mitmenschen und bringt so zugleich ein großes Interesse an der gesamten Schöpfung zum Ausdruck. Zum weiteren Zusammenhang der so verstandenen Spiritualität gehört ein erstes, bemerkenswertes Element, nämlich der universelle Charakter des Kultus in der Apokalypse. Alles Geschaffene, entweder in Gruppen oder im Kollektiv, bringt dem auf dem Thron sitzenden Gottvater und dem auf demselben Thron sitzenden Lamm abwechselnd Lob und Ehre dar. Der Chor der Presbyter, der Chor der Geretteten und der (universelle) Chor aller Geschöpfe folgen den pausenlos singenden Chören der Engel nach, bzw. singen mit ihnen zusammen. Alle diese Gruppen bilden eine Einheit miteinander und in ihrem gemeinsamen Bezug zu Gott. Die von ihnen gesungenen Hymnen bringen das kollektive und nicht das individuelle Element, das universell-katholische Bewusstsein und nicht die isolierte persönliche Meinung zum Ausdruck. Hier kommt kein Selbstlob seitens der Lobpreisenden, sondern Lobpreis und Danksagung an den dreieinigen Gott zur Sprache. Dieses Verhalten der Gerechten steht im starken Kontrast zu der Verfehlung, die darin bestehen konnte, dass die noch im Ort des Reichs des Tieres Verbleibenden Gott den ihm gebührenden Lobpreis verweigern. Ein weiteres grundsätzliches Element des kultischen Zusammenhangs der Apokalypse ist die periodische Vereinigung der himmlischen mit der irdischen Ebene, wie wir sie im Laufe des Textes feststellen können. In dieser Weise entspricht dem himmlischen Kultus der irdische, nämlich der Kultus der Gemeinden der Gläubigen. Dabei wird in den Begegnungen des Himmlischen mit dem Irdischen deutlich, dass der entsprechende irdische Kultus – den die Gemeinde im Zusammenhang mit dem Himmel feiert – intensiver, leidvoller und länger wird. Hier besteht tatsächlich ein sehr interessantes Verhältnis zwischen dem himmlischen und dem irdischen Element, wie sich beispielsweise in Kapitel 7 und 14 erkennen lässt.15 Dem aufmerksamen Studium des letzten neutestamentlichen Buches entspringt eine weitere beachtenswerte Feststellung, die sich auf das Verhältnis zwischen Kultus und Spiritualität bezieht. Der Kultus ist in der Apokalypse nicht das Ergebnis bzw. die Krönung der Spiritualität der Menschen, sondern ihre Grundlage und zugleich der Ort ihrer Verwirklichung und Erscheinung. Hier geht es nicht um eine Handlung, die nach einem spirituellen Weg als unvermeidliche Folge desselben vollzogen würde oder die nur in den Pausen des kosmischen Geschehens stattfände. ———————— 15 Siehe weitere interessante Elemente bezüglich der kultischen Abwechslung zwischen Himmel und Erde im Kommentar von S. S. DESPOTIS, Η Αποκάλυψη του Ιωάννη: Το βιβλίο της προφητείας. Λειτουργική και Συγχρονιστική Ερµηνευτική Προσέγγιση, Bd. 2, Athen 2007, 178–189.
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Der Kultus erscheint im Buch der Apokalypse vielmehr als unablässiges, dauerhaftes und universales Geschehen. Durch ihn wird ein Doppeltes verwirklicht und zum Ausdruck gebracht: die ständig in der ganzen Welt wirksame Herrschaft Gottes und die permanente Beziehung der Geschöpfe zu Gott und untereinander. In diesem Sinne könnten wir also von einer sich entwickelnden Spiritualität sprechen. Ihre zentralen Merkmale sind die lebenspendende kontinuierliche Abhängigkeit der Geschöpfe von Gott und die eucharistische Bezugnahme auf ihn in Liebe und in Einheit. Charakteristisch und aufschlussreich für das Verständnis dieser zwei Merkmale ist das sorgfältige Studium von Apk 4,8b „Sie ruhen nicht, bei Tag und Nacht“16. Ein weiteres Element, das dieses Verständnis stützt, ist die gegenseitige Entsprechung zwischen den Hymnen, wie sie von den verschiedenen Chören gesungen werden. Daraus geht deutlich hervor, dass der Kultus der Apokalypse kein mechanisches Ritual ist, sondern eine Beziehung und Haltung der Geschöpfe Gott gegenüber und untereinander. Als Kultus können wir also die Verwirklichung der lebendigen Gemeinschaft der Menschen und der Geschöpfe mit Gott bezeichnen. Ein solches ontologisches und existenzielles Verständnis führt uns zu einer zusätzlichen Feststellung: dieser Kultus ist kein momentanes Handeln Gottes, sondern eine ständige Offenbarung seiner Herrschaft und eine permanente Liebesbewegung des Schöpfers auf seine Geschöpfe zu. Auf diese göttliche Bewegung soll der Mensch mit Lobpreis antworten. Parallel dazu soll man – als selbstverständliche Folge – wahres Interesse für den Bruder und die ganze Schöpfung zeigen und stetig an diesen beiden orientiert sein. Der Kultus der Offenbarung erscheint insofern als eine vielfältige Verbindung lebenswichtiger Elemente. Wenn wir jetzt eine theologisch realistischere Sprache gebrauchen wollen, können wir den Kultus als eine Tat bezeichnen, bei der natürlich Gott anwesend ist, aber zugleich der Mensch mit seiner Körperlichkeit und mit all seinen irdischen Lebenssituationen ebenso einbezogen ist wie auch die anderen Geschöpfe in ihrer Materialität. Da dieser als Beziehung und Haltung verstandene Kultus die Spiritualität als menschliche Antwort einbezieht, ist diese Spiritualität ebenfalls nicht als eine theoretische, sondern eher als eine praxisbezogene Haltung17 anzusehen. Dies wird auch von den in der Apokalypse gesungenen Hymnen unterstrichen. Diese zeigen ein klares Verhältnis zur Geschichte und zu den Es———————— 16 17
Vgl. E. LOHSE, Die Offenbarung des Johannes, NTD 11, Göttingen 1966, 38. Vgl. die Bemerkung von J. SICKENBERGER, Erklärung der Johannesapokalypse, Bonn 21942, 170, bezüglich Apk 19,1–18: „Beide (sc. Durch Tat und Wort verwirklichte Allelujagesänge) werden eingeleitet durch den in den Psalmen oft vorkommenden Jubelruf hallělû-jāh = Preiset Gott, der damals wahrscheinlich auch schon in der christlichen Liturgie üblich war…“.
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chata. Sie werden erstens als Orte verstanden, an denen das Wirken Gottes innerhalb der Geschichte und in der Ewigkeit zugunsten seines Volkes geschieht und vergegenwärtigt wird, sowie zweitens als Orte, wo dieses Volk die Eschata gegenwärtig erlebt und gleichzeitig auf ihre Vollendung wartet. In diese Richtung deutet z.B. der Inhalt des wunderschönen Prosaliedes in Apk 7,14–17, das die Liebe und die Zuversicht für den Bruder zu seinem Gegenstand gemacht hat. In gleicher Weise aufschlussreich ist auch der Siegeshymnus nach der Vertreibung des Drachen aus dem Himmel und seinem Fall auf die Erde, der praktisch seinen Kampf gegen die Brüder und zugleich blutige Siege über sie mit sich bringt (Apk 12,10–12). So wird der realistische Charakter der Offenbarung auch in ihren geistlicheren Szenen deutlich. Übrigens haben solche Hinweise auf das Interesse der Apokalypse an der Brüderlichkeit und der eschatologischen Gerechtigkeit dazu beigetragen, dass dieses Werk der „Best Seller“ unter den Trostbüchern und die bevorzugte Lektüre der einfachen Leute während der Türkenherrschaft18 und in anderen schwierigen Zeiten war. Zwei weitere zentrale Elemente der Apokalypse sind noch zu betonen, die, höchst christologisch aufgeladen und geprägt, die ganze Struktur und Ausrichtung des Werks bestimmen. Das geschlachtete Lamm bildet im Kultus der Apokalypse das Zentrum. Es weist sowohl auf Christus als Osterlamm, als auch auf ihn als neuen Mose, der sein Volk versammelt und aus der Sklaverei führt. Trotz des anfänglichen Widerstandes ist er der Lenker der Geschichte und ihr letzter Sieger, der, am Ende unbestritten, den Sieg mit den Seinen teilt. Hier haben wir einen der wichtigsten Anknüpfungspunkte zwischen der theologischen Botschaft der Apokalypse und der christozentrischen Struktur der orthodoxen Liturgie. Von der Mitte des geschlachteten Christus-Lammes ausgehend, bildet der Kultus in der Johannesapokalypse die andere Seite der Christologie und der aus ihr entwickelten Soteriologie. Das Buch der Offenbarung vergewissert seine Leser, dass die Person Christi aufgrund seiner Verdienste alle Voraussetzungen erfüllt, Empfänger einer dem Gottvater gleichwertigen Anbetung seitens der Geschöpfe zu sein. Daraus erklärt sich, warum die Apokalypse an Christus die erwähnten und noch viele weitere Lobpreisungen und Lieder richtet sowie für ihn Prädikate gebraucht, die im Alten Testament ausschließlich dem Gottvater zukommen. So wird auch im Allgemeinen sichtbar, wie Theologie und Spiritualität miteinander ungebro———————— 18 Für Interessierte sei auf folgende Arbeiten verwiesen: S. A RGYRIOU, Les Exégèses grecques de l´Apocalypse à l´époque turque (1453–1821), Thessaloniki 1982; D ERS., Ἡ χρήση τῆς ἱστορικῆς µεθόδου ὡς κατεξοχήν µεθόδου ἑρµηνείας τῆς Ἀποκάλυψης κατά τούς χρόνους τῆς τουρκοκρατίας, in: Die Johannesapokalypse. Philologische, historische, hermeneutische, theologische Fragen. Akten des 6. Kongresses der orthodoxen Bibelwissenschaftler, Nikosia 1993, 65–77.
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chen verbunden sind, und wie die eine die andere voraussetzt. In gleicher Weise haben wir auch im theologischen Verständnis der orthodoxen Liturgie eine starke christologische Komponente, natürlich immer im Rahmen der Trinitätslehre, wie sie schon in den ersten christlichen Jahrhunderten entwickelt wurde.
3 Die „Liturgie“ der Apokalypse in Gegenüberstellung zur orthodoxen Liturgie Die Spiritualität und die kultischen Elemente der Johannesapokalypse sind unauflöslich mit dem Kultus der Orthodoxen Kirche verbunden und insbesondere mit der Eucharistie, in der die Lobpreisung der Heiligen Dreifaltigkeit eine herausragende Rolle einnimmt. Die Apokalypse ist das neutestamentliche Buch, in dem die Anbetung (λατρεία) und das Lobsingen (δοξολογία) Gottes mit besonderen Farben beschrieben werden. Darin äußert sich das tiefe Verwandtschaftsverhältnis zwischen beiden. Dieses Verhältnis lässt sich vielfältig aufzeigen: Ein erstes Indiz sind die zahlreichen liturgischen Szenen, die an strategischen Stellen des Buches eingefügt sind und verschiedenartige Hymnen beinhalten. Außerdem ist auf die allgemein kultische Atmosphäre der apokalyptischen Texte hinzuweisen. Diese bringen viele interessante Elemente zutage, wie z.B. die in mehreren Szenen begegnenden Anspielungen auf kultische Veranstaltungen bzw. Feste Israels im Salomonischen Tempel, die häufige Erwähnung von liturgischen Objekten und Bewegungen, wie z. B. die Prozessionen und Litaneien der Engel und der glaubenden Menschen mit Kleidung, Kränzen, Palmenzweigen, Schalen u.v.a.19 Ein aufmerksames Studium der johanneischen apokalyptischen Texte könnte noch viele andere Elemente enthüllen, die in der Präsentation des apokalyptischen Dramas samt seinen liturgischen Szenen begegnen und die auf den zeitgenössischen Kultus verweisen, wie er traditionell in orthodoxen Kirchen stattfindet. Dramatische Elemente solcher Art sind z.B. der eindeutige Gebrauch der Instrumentalmusik parallel zur Vokalmusik, die ständige, manchmal tanzähnliche Bewegung der Handelnden, die verschiedenen Chöre, die rund um den Thron Gottes und des Lammes singen, anbeten oder eine rituelle Handlung ausführen, sowie die antiphonische Gesangsweise der aufeinander folgenden Lobgesänge und Oden und zuletzt die Abwechslung zwischen Wort (prosaischem oder dichterischem) und Handlung. ———————— 19 Für weitere diesbezügliche Elemente siehe die beispielhafte Kommentierung der Apokalypse durch DESPOTIS, Η Αποκάλυψη του Ιωάννη (s. Anm. 15), 21f.
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An dieser Stelle muss noch etwas für den Kultus der Apokalypse Grundlegendes betont werden: Neben den Elementen, deren kultischer Bezug und Gebrauch überall bekannt sind, bezeugt die Apokalypse noch etwas Wesentlicheres in Bezug auf den Kultus: ein tiefgehendes Verhältnis zum Zentrum des liturgischen Lebens, nämlich der Heiligen Eucharistie. Hier müssen wir besonders von der Mitteilung ihres Verfassers (Apk 1,10) Kenntnis nehmen, dass ihr Inhalt „im Geiste“ am Tag des Herrn (ἐν τῇ κυριακῇ ἡµέρᾳ)20 zustande gebracht wurde. Die konkrete Benennung dieses Tages, die ein „hapax legomenon“ im ganzen Neuen Testament und ein erstes wichtiges Zeugnis für diesen Terminus in der altchristlichen Zeit darstellt21, gibt offensichtlich weder den zeitlichen Anfangspunkt noch bloß den Kultusrahmen an, sondern vielmehr das eucharistische Signum des ganzen Buches. Es ist außerdem grundlegend, dass die Empfänger des Buches durch Johannes als „versammelte Gemeinde“ (ἐκκλησία22) verstanden werden. Wollten wir auf die Johannesapokalypse eine sakramentale Terminologie anwenden, sollten wir nicht verkennen, dass im Hintergrund des ganzen Buches zwei Grundsakramente vorausgesetzt werden: das Sakrament der Taufe und das Sakrament der Eucharistie. Nur unter dieser Voraussetzung können grundsätzliche theologische Elemente des Buches verstanden werden: einerseits das Versprechen Christi, dass er seinen Auserwählten einen neuen Namen und weiße Gewänder gewähren wird, die rein bleiben sollen;23 andererseits die Berichte des Buches vom Blut Christi, durch welches die Glaubenden aus dem Reich des Todes und der Sünde freigekauft wurden und darüber hinaus die Ehre hatten, Teilhaber seiner Kirche zu werden. In dieselbe Richtung bewegen sich noch die häufigen Versprechen Christi über die Teilhabe der Gläubigen an einer Speise, die er Ihnen selber geben wird, bzw. über ein gemeinsames Essen und Abendmahl mit ihm. Trotz ihrer eschatologischen Färbung hören alle diese Elemente nicht auf, mehr oder weniger offensichtlich baptismatische und eucharistische Widerspiegelungen des kultischen Lebens der ersten Kirche bzw. noch konkreter der Gemeinden des westlichen Kleinasiens zu sein. Auf der an———————— 20 21
Vgl. DESPOTIS, Η Αποκάλυψη του Ιωάννη (s. Anm. 15), 109. Die nächstgelegene Verwendung des Terminus findet sich im Buch Didache 14,1: „κατὰ κυριακὴν δὲ κυρίου συναχθέντες.“ Siehe dazu W. FOERSTER, Art. κυριακός, ThWNT 3 (1938), 1095f. 22 Vgl. Apk 1,20. 23 So ähnlich klingt auch die Formulierung bezüglich der Gewänder der Heiligen (Apk 7,14), die durch das Blut des Lammes gereinigt wurden und weiß geworden sind. Über die Verwendung solch paradoxer rhetorischer Figuren vgl. K. N IKOLAKOPOULOS, Ἀξιόλογα ρητορικά σχήµατα στήν ἁπλῆ γλώσσα τῆς Ἀποκαλύψεως, in: Die Johannesapokalypse. Philologische, historische, hermeneutische, theologische Fragen. Akten des 6. Kongresses der orthodoxen Bibelwissenschaftler, Nikosia 1993, 233.
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deren Seite muss man betonen, dass die Ekklesiologie als jene Realität dargestellt wird, die innerhalb der verehrenden Kirche erlebt und zugleich erwartet wird, als eine Wirklichkeit, die sich nur in der Eucharistie manifestiert. Bemerkenswert sind schließlich einige Hauptthemen der Apokalypse, die sich, wie z.B. die Exodusthematik, auf den israelitischen Kultus beziehen. Diese oben erwähnten festen Elemente der Johannesapokalypse, als eines Konstrukts mit einer leicht sichtbaren und im Grunde nachvollziehbaren Struktur, führen zur Schlussfolgerung, dass dieser Text nichts anderes als eine Sammlung prophetischer Visionen ist, die sich in einem bereits gegebenen liturgischen Rahmen der Urkirche konstituiert. Zugespitzt könnten wir behaupten, dass alle schon erwähnten Elemente der Apokalypse eine frühchristliche Liturgie darstellen sowie kommentieren – und zwar eine österliche. Der ganze Rahmen dieses prophetischen Buches des Neuen Testaments ist zweifellos vom Kultus und konkreter von der Eucharistie geprägt. Eine wichtige Rolle für diese kultische Deutung der Apokalypse spielt auch die Tatsache, dass die himmlische Ebene, auf der der beschriebene Kultus stattfindet, von Johannes „himmlischer Tempel, das Zelt des Zeugnisses im Himmel“ (15,5) oder bloß „Tempel“ (11,19; 14,17; 15,8) genannt wird. Die Struktur dieses apokalyptischen Tempels und seine gesamte Ausstattung (Altare, Thron, Räucherwerke, Schalen, Posaunen, Sechsflügel, Bundeslade, usw.) lassen sich zwar vom Salomonischen Tempel oder vom Zelt des Zeugnisses inspirieren, bilden aber zugleich untrennbare Elemente des christlichen Gotteshauses und des in ihm stattfindenden Kultus.24 Sowohl der Ort des christlichen Kultus, wie wir ihn gemeinsam im Osten und Westen kennen, mit seinen bildlichen Darstellungen, mit den gemalten Szenen aus dem biblischen Leben und mit seiner reichen Ausschmückung, als auch alles, was in ihm stattfindet, scheinen in tiefer Abhängigkeit von dem zu stehen, was die Apokalypse als Kultusort, aber auch als Kultgeschehen selbst darstellt. In diesem Zusammenhang lohnt es sich zu betonen, dass die Apokalypse das einzige Buch des Neuen Testaments und das chronologisch erste innerhalb der gesamten christlichen Literatur ist, das den von ihm dargestellten Kultus in der Praxis mit den oben genannten Formelementen verbindet. Diese Elemente wurden dem Kultus der antiken Christenheit und der Ostkirche vor allem durch das Buch der Apokalypse vererbt, und seitdem sind sie mehr oder weniger bis heute in Geltung. Ein unverkennbares Beispiel dieses Erbes stammt u.a. aus der sprachlich-lyrischen Ebene mit konkreten hymnischen Texten der Johannesapokalypse, die entweder ———————— 24 In diesem Zusammenhang siehe auch DESPOTIS, Η Αποκάλυψη του Ιωάννη (s. Anm. 15), 226.
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wortwörtlich oder umgeschrieben in die orthodoxe Hymnographie aufgenommen wurden. Auch in diesem Fall lässt sich deutlich erkennen, dass die inhaltsreichen ostkirchlichen Hymnen sehr stark biblisch geprägt sind. Wer sich in der liturgischen Hymnographie der Orthodoxie auskennt, spürt den unmittelbaren Einfluss der neutestamentlichen Schriften im täglichen kirchlichen Leben der Orthodoxie.25 Die wörtliche Übernahme bzw. die Metaphorik der Johannesapokalypse ist in konkreten orthodoxen Hymnen unverkennbar. Einer der zentralen hymnischen Texte der Apokalypse, der die ostkirchliche Hymnographie vielerlei geprägt hat, ist der himmlische Lobgesang der vier Lebewesen: „ἅγιος ἅγιος ἅγιος κύριος ὁ θεὸς ὁ παντοκράτωρ, ὁ ἦν καὶ ὁ ὢν καὶ ὁ ἐρχόµενος“ (Apk 4,8b). Diesem Trishagion, in dem die Heiligkeit, die Allmacht und die Ewigkeit Gottes des Herrn gepriesen werden, entspringt das bekannte, seit dem 4. Jh. n.Chr. belegte und trinitarisch ausgelegte „Trishagion“ der Ostkirche „Ἅγιος ὁ θεός, ἅγιος ἰσχυρός, ἅγιος ἀθάνατος, ἐλέησον ἡµᾶς.“26 Eine etwas direktere Aufnahme des Lobgesangs der vier Lebewesen mit eindeutigen apokalyptischen Zügen stellen wir ferner im „Siegesgesang“ der Engeln während des Anaphora-Teils der orthodoxen Göttlichen Liturgie fest: „Ἅγιος, ἅγιος, ἅγιος, Κύριος σαβαώθ, πλήρης ὁ οὐρανὸς καὶ ἡ γῆ τῆς δόξης σου...“27 Die Wirkung des apokalyptischen Trishagion hört aber nicht hier auf. Es taucht darüber hinaus im letzten Akklamationsvers eines besonders mystagogischen Hymnus der Orthodoxen Kirche wieder auf, der das Bild Christi als eines Bräutigams beschreibt (Mt 25,1–13) und während der Karwoche in allen Gotteshäusern klingt: „Ἰδοὺ ὁ νυµφίος ἔρχεται ἐν τῷ µέσῳ τῆς νυκτός... ψυχή µου... ἀνάνηψον κράζουσα· Ἅγιος, Ἅγιος, Ἅγιος εἶ ὁ Θεὸς ἡµῶν...“28 Schließlich sei hier erwähnt, dass das himmlische Bild Gottes als des Allmächtigen (παντοκράτωρ) im Lobgesang der vier Lebewesen das feste ikonographische Programm jedes orthodoxen Gotteshauses beeinflusst hat. Danach wird im Zentrum jeder orthodoxen Kuppel, die das himmlische Reich Gottes versinnbildlicht und Himmel und Erde eint,29 Jesus Christus als Παντοκράτωρ abgebildet. ———————— 25 Vgl. K. NIKOLAKOPOULOS, Das Neue Testament als hymnologische Quelle in der Orthodoxen Kirche, Theologia 61 (1990), 168f. 26 A. KALLIS (Hg.), Die Göttlichen Liturgien unserer Väter unter den Heiligen Basileios des Grossen und Johannes Chrysostomos, Griechisch-Deutsch, Doxologie VIII, Münster 2003, 20. 27 KALLIS, Die Göttlichen Liturgien (s. Anm. 26), 66–69. 28 Apostolike Diakonia tes Ekklesias tes Hellados (Hg.), Τριῴδιον Κατανυκτικόν, Athen 1994, 828. 29 Vgl. auch G. GALITIS u.a., Glauben aus dem Herzen. Eine Einführung in die Orthodoxie, München 31994, 124: „Die gewissermaßen schwebend erscheinende Kuppel
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Nicht nur direkte, sondern auch umschriebene Texte der Johannesapokalypse haben der orthodoxen Hymnographie in ihrer Metaphorik ihren Stempel gegeben. Ein repräsentatives Beispiel kommt aus der Gruppe der sogenannten eschatologischen Hymnen, das sich auf die Abrechnung Christi mit seinen Feinden in der Endzeit bezieht und einen eindrucksvollen Doxastikon-Hymnus vom Gründonnerstag bildet: „Ἐξέδυσάν µε τὰ ἱµάτιά µου καὶ ἐνέδυσάν µε χλαµύδα κοκκίνην... ἵνα συντρίψω αὐτοὺς ὡς σκεύη κεραµέως“.30 Inhaltlicher Urheber dieses Hymnus ist der bekannte alttestamentliche Psalmvers, der in Apk 2,27 seinen eschatologischen Niederschlag gefunden hat. Die eindrucksvolle Tatsache, dass der Verfasser der Apokalypse das ganze Universum für einen gigantischen Tempel mit lobpreisenden Geschöpfen hält, faszinierte insbesondere die Alte Kirche und veranlasste sie, dieses prophetische Buch als Kultusvorbild zu adoptieren. Der Verfasser der Apokalypse ist auch der erste, der diesen Tempel systematisiert und als Mikrographie des Universums organisiert. Folglich ist er der erste, der durch seine dichterische Prosa den Tempel und die darin Tätigen in Zonen beschreibt. In seinen erstaunlichen Bildern bezieht er sich offensichtlich auf die Analogie der konzentrischen Chorkreise, die den auf dem Thron sitzenden Gott und das geschlachtete Lamm anbeten und lobpreisen. Von besonderer Bedeutung für das liturgische Verhältnis der Apokalypse zum orthodoxen Kultus ist hier die Beschreibung der kosmisch-universellen Liturgie in der geschlossenen Einheit der Kap. 4 und 5, wo die sich ständig erweiternden Kreise im Lobgesang und in der Anbetung des Gottvaters und des Lammes, d.h. Christi, abwechseln. Viele Formelemente, die im ostkirchlichen Kultus seit der Abfassung der Apokalypse und zum größten Teil bis heute begegnen, wurden sicherlich nicht von ihrem Verfasser erfunden; die Mehrheit von ihnen existierte wenigstens schon im Alten Testament31. Einige andere sind auch parallel in anderen kulturellen Äußerungen der antiken Welt zu treffen, wie z. B. in der antiken Theaterwelt. Da wir über keine anderen Zeugen verfügen, wird ganz deutlich, dass die Apokalypse des Johannes in vielen Fällen als Brücke für den Transfer dieser Elemente aus anderen, mehr oder weniger alten Orten und Zeiten in den christlichen Rahmen diente. Dies entwertet sicherlich die Bedeutung nicht, die sie in anderen kulturellen Zusammenhängen besaßen.
———————— symbolisiert den Himmel und den Einbruch des göttlichen Lichts. Die Kuppeln der byzantinischen Kirchen tragen als inneren Schmuck das Bild des Pantokrators.“ 30 Τριῴδιον Κατανυκτικόν (s. Anm. 27), 916. 31 Vgl. dazu U. VANNI, Il simbolismo nell’ Apocalisse, Greg 61 (1980), 461–506. Siehe darüber hinaus D ESPOTIS, Η Αποκάλυψη του Ιωάννη (s. Anm. 15), 12.
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4 Apokalypse und orthodoxer Kultus – abschließende Gedanken Das Buch der Apokalypse des Johannes war in der Geschichte der Orthodoxen Kirche nie Bestandteil des liturgischen Lektionars, d.h. des Buches mit den für das Kirchenjahr bestimmten Lesungen aus dem Alten und Neuen Testament. Trotz der manchmal starken Vorbehalte großer Persönlichkeiten des Ostens gegen die Kanonizität des Buches, die bis zum 10. Jahrhundert bestanden, geriet die Apokalypse zu keinem einzigen Moment aus dem geistig durstigen Blick der Intellektuellen, Autoren und Väter des Ostens.32 Aber auch nach ihrer offiziellen Aufnahme in den neutestamentlichen Kanon wurde keine Perikope aus diesem prophetischen Buch als ständiger Teil eines der vielen orthodoxen Gottesdienste vorgesehen. Der Grund dafür lag in der Bezeichnung „prophetisch“, da für diesen konkreten Text die Gefahr bestand und weiterhin besteht, dass er theologisch in vielerlei Hinsicht falsch interpretiert wird. Obwohl die Apokalypse des Johannes nicht in den orthodoxen Gottesdiensten zu hören ist, ist sie trotzdem in unsichtbarer Weise, nämlich theologisch-strukturell, in der orthodoxen Liturgie anwesend. Abgesehen von grundsätzlichen theologischen Prinzipien der Apokalypse, die in den orthodoxen Kultus übergegangen sind (z.B. Kultus als ewige Bewegung und Begegnung zwischen Gott und den Gläubigen, usw.), kann die Erinnerung an einige Merkmale dieses Kultus auch im praktischen Bereich helfen, denn sie kann uns von Missverständnissen unseres zeitgenössischen Kultus abbringen. Ein grundlegendes Beispiel dafür ist das angeblich individualistische bzw. mystizistische Erleben des orthodoxen Kultus. Insbesondere die mystizistische Interpretation unternimmt eine maßlose Suche nach Symbolismen, die oft zu trüben Mystizismen und zu einer falschen geistigen Beruhigung führen, die dem Realismus der orthodoxen Liturgie nicht entsprechen. Die aufmerksame Annäherung an die Besonderheiten der Johannesapokalypse bewahrt sowohl vor intellektualistischen als auch vor magischen Verständnissen des zeitgenössischen Kultus. Solche falschen Auffassungen transformieren unseren Kultus in ein Instrument zur Abwendung des Bösen oder Verursachung des Guten, oder sie stufen schließlich das kultische Geschehen zu einem bloßen Ritus herab. Sicherlich sieht es oft in der Geschichte unserer Kirchen so aus, als ob ein Kultus, der sich auf der Ebene des Intellektualismus oder des Mystizismus oder auf der Ebene eines rein theatralischen Rituals bewegt, mehr erreichen könne. Wir Menschen finden es oft schwierig, die Eucharistie als Handlung der Kirche in ihrer globalen ———————— 32
Vgl. auch ANTIPAS, Τό βιβλίο τῆς Ἀποκαλύψεως (s. Anm. 6), 26.
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Totalität und als Ausdruck ihres geistigen Kampfes in der Mitte des Leids und des Martyriums zu erleben. Die hier zusammengetragenen Beobachtungen wollen auf keinen Fall die Vernunft oder das Mysterium oder gar den Ritus unterschätzen; zweifelsohne sind dies wertvolle und respektable Dimensionen des Ganzen. Sie bringen aber die Sorge um eine innerlichere und gleichzeitig realistischere Wahrnehmung der Rede vom Kultus zum Ausdruck. Es handelt sich nämlich um die Beziehung und das Handeln aller Geschöpfe auf Gott hin und untereinander. Dazu trägt der vorgestellte kultische Rahmen der Johannesapokalypse bei; dies ist die Botschaft dieses prophetischen Buches: Kultus bedeutet die allgemeine, in Liebe und Eucharistie vollzogene Bezugnahme auf Gott und die leidvolle Adaption und Adoption seiner Liebe und seiner Handlungen, in denen er Interesse für die geschaffene Welt bewies und weiterhin beweist. Kurz und knapp zusammengefasst lässt sich das orthodoxe Verständnis der Johannesapokalypse so beschreiben: Diese besondere neutestamentliche Schrift zeichnet sich durch zwei grundlegende Merkmale aus: die prophetische Inspiration einerseits und den geschichtlichen Realismus andererseits. „Die Apokalypse ist Geschichte in prophetischer Form, sie enthält dennoch auch rein prophetische Teile.“33 Johannes bietet reichhaltiges „prophetisches“ Material, das zugleich eine ekklesiale und pastorale Funktion hat, insofern den realen Sackgassen eine neue konstruktive Perspektive gegenübergestellt wird. Prophetische Inspiration und geschichtliche Realität stellen in diesem Buch keine widersprüchlichen Größen dar. Derselben geschichtlichen Wirklichkeit, so wie sie im vierten Evangelium34 oder den drei Johannesbriefen vorausgesetzt wird, wird nun in der Apokalypse durch eine mehr dichterische, allegorische und symbolische Sprache begegnet. „Wir würden sogar zu sagen wagen, dass die Apokalypse des Johannes trotz ihrer poetischen und symbolischen Form letzten Endes das realistischste pastorale Werk des Neuen Testaments sei.“35 In unserer Zeit, in der eine gewisse „mystische“ Atmosphäre Mode geworden ist, kann man nicht verkennen, dass auch im orthodoxen Raum das Interesse an der Apokalypse des Johannes allmählich steigt. Dieses „unwegsame“ und rätselhafte Buch hat mehrere Bereiche der griechischen Kunst inspiriert. Große Gelehrte und Nobelpreisträger, wie Georgios Seferis, Odysseas Elytis, Petros Spentzis, Alexandros Papaderos oder der frühere Metropolit von Patras Nikodimos (1971–2005), haben sich in der ———————— 33 34
AGOURIDIS, Ἡ Ἀποκάλυψη (s. Anm. 4), 27. Zum Verhältnis der Apokalypse zum Johannesevangelium siehe V. S TROGANOV, The Revelation and the Fourth Gospel, in: Die Johannesapokalypse. Philologische, historische, hermeneutische, theologische Fragen. Akten des 6. Kongresses der orthodoxen Bibelwissenschaftler, Nikosia 1993, 111–118. 35 P ATRONOS, Ἡ Ἀποκάλυψη τοῦ Ἰωάννη (s. Anm. 8), 58.
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Form einer Übersetzung, einer poetischen freien Wiedergabe oder einer musikalischen Vertonung mit den Texten der Apokalypse auseinandergesetzt. Außer in mehreren theologisch-wissenschaftlichen Publikationen36 wurde der Text der Apokalypse im Rahmen seines 1995 auf der Insel Patmos stattgefundenen 1900jährigen Abfassungsjubiläums37 in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gebracht. Erwähnenswert sind schließlich Publikationen,38 die sich auf den Einfluss der Johannesapokalypse auf die orthodoxe Ikonenmalerei39 beziehen. Abschließen möchte ich diesen Beitrag mit den charakteristisch fragenden Worten des Thessalonicher Neutestamentlers Protopresbyters Ioannis G. Skiadaresis: „Stellen alle zuletzt erwähnten Sachverhalte unter anderem vielleicht auch hoffnungsvolle Vorzeichen für eine wahrscheinliche Wiedereinreihung der Apokalypse in die zu lesenden Bücher beim orthodoxen Gottesdienst dar? Und bilden diese alle vielleicht auch Anzeichen einer allgemeinen Wende der Einstellung der Gläubigen gegenüber diesem Buch zum Positiveren?“40
———————— 36
Außer der in diesem Aufsatz bereits angeführten Arbeiten siehe auch: K. BELEἩ „Ἑρµηνεία“ τοῦ Οἰκουµενίου τοῦ Σχολαστικοῦ στὴν Ἀποκάλυψη τοῦ Ἰωάννη, Athen 1990. Z. GERGANOS, Ἐξήγησις εἰς τὴν τοῦ Ἰωάννου τοῦ Ὑψηλοτάτου Θεολόγου Ἀποκάλυψιν, Athen 1991. P. I. BRATSIOTIS, Ἡ Ἀποκάλυψις τοῦ Ἰωάννου, Athen 21992. P. BOUMIS, Ὁ ἐπίλογος µιᾶς πορείας. Ἐκκλησιαστικὴ ἑρµηνεία τῶν ἑπτὰ ἐπιστολῶν τῆς Ἀποκάλυψης, Athen 1993. S. AGOURIDIS, Ἡ Ἀποκάλυψη τοῦ Ἰωάννη, Thessaloniki 1994. D. KYRTATAS, Ἡ Ἀποκάλυψη τοῦ Ἰωάννη καὶ οἱ ἑπτὰ Ἐκκλησίες τῆς Ἀσίας, Athen 1994. I. G. S KIADARESIS, Ἡ Ἀποκάλυψη τοῦ Ἰωάννη. Ἑρµηνευτικὰ καὶ Θεολογικὰ Μελετήµατα Α΄, Thessaloniki 2005. 37 Die Festschrift trug den Titel: „1900ετηρὶς τῆς Ἀποκαλύψεως τοῦ Ἰωάννου“. Πρακτικὰ διεθνοῦς διεπιστηµονικοῦ συµποσίου Ἀθῆναι-Πάτµος, 17–26 Σεπτεµβρίου 1995, Athen 1999. 38 M. ENEF, Ἡ Ἀποκάλυψη τοῦ Ἰωάννη. Τοιχογραφίες σὲ Μοναστήρια τῆς Ὀρθοδοξίας, Thessaloniki 1992. 39 An dieser Stelle sollte folgendes Paradox betont werden: Obwohl sich die Apokalypse durch ihre zahlreichen Bilder und Symbole auszeichnet, hat es einige Jahrhunderte gedauert, bis ihre Themen und Szenen in orthodoxen Gotteshäusern abgebildet wurden. Die ersten orthodoxen Ikonen mit Themen der Apokalypse (siehe auch den Anhang) tauchen erst Ende des 15. Jh.s auf. Die berühmtesten orthodoxen Apokalypse-Ikonen und -Wandmalereien finden sich in mehreren Athos-Klöstern sowie in Russland, Serbien, Rumänien und Bulgarien. 40 S KIADARESIS, Ἡ Ἀποκάλυψη τοῦ Ἰωάννη (s. Anm. 36), 200. ZOS,
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Bild 1: Szene aus der Apokalypse (um 1547). Fresko außerhalb des Refektoriums des athonitischen Dionysiou-Klosters.
Bild 2: Szenenreihe aus der Apokalypse (um 1547). Fresko im Narthex des athonitischen Dionysiou-Klosters.
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Bild 3: Apokalypse (Moskau, 1. Hälfte des 16. Jh.s.). Russische Ikone (1,096×1,327).
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‘Mr. Blake, apo- or rather ana-calyptic Poet, and Painter’: apocalyptic hermeneutics in action CHRISTOPHER ROWLAND
1 Abstract Writing a commentary on the reception history of the Apocalypse led to an attempt to discern taxonomy of the various interpretative approaches.1 This turned out to be less complex than might appear at first sight, given the extraordinary various situations in which this text has been interpreted and the interpretative solutions offered. We found basically three forms of interpretations. The first is what we describe in the commentary as ‘decoding’ which involves presenting the meaning of the text in another, less allusive, form, showing what the text really means, usually relating to historical events or persons. There is some basis for this method in the Apocalypse itself though it only occasionally prompts the reader to ‘decode’ the meaning of the apocalyptic mysteries (Rev 17:9; cf. 1:20 and 4.5). In this respect at least it is different from its Old Testament counterpart, the book of Daniel, which is replete with detailed elucidation of its visions (as Luther recognized in his later Preface to the Book of Revelation of 1530). In this form of interpretation an image is seen to have one particular meaning, relating to a particular (usually) historical event or personage. In the second form of interpretation, the interpreter uses the images metaphorically, so that the image is applied to another situation or person, not by way of translating the more allusive image into something less obscure, but, by means of juxtaposition shedding light on a situation to which the image has been applied. In the application of this method there is no suggestion that the application of the imagery is exhausted by that particular application. So, when the imagery of the Apocalypse may be juxtaposed with the interpreter’s own circumstances, whether personal or social, so as to allow the images to inform understanding of contemporary persons and events and to serve as a guide for action, there is the possibility of re1 J. KOVACS / C. ROWLAND, Revelation: the Apocalypse of Jesus Christ, Oxford 2004, 7–14.
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application. The meaning of the apocalyptic images is not reduced to one single meaning. Such a method of interpretation has deep roots in the Christian tradition, going back at least to Tyconius.2 It is essentially a dialectical method. In contrast with ‘decoding’, it preserves the integrity of the textual pole and does not allow the image or passage from the Apocalypse to be identified solely with one particular historical personage or circumstance. As a result the text may be actualized in different ways over and over again. This point is crucial. The Apocalypse becomes a resource not just for the generation of the last days but a resource for living in every generation. There is a third category of interpretation in which a later interpreter ‘acts out’ the revelation. This may happen in two ways. Firstly, there is the appropriation of the Apocalypse by later visionaries where the words of the Apocalypse either offer the opportunity to ‘see again’ things in their own visionary experience similar to what had appeared to John or prompt new visions related to it. Secondly, there is another, dramatic, form of interpreting the Apocalypse in which individuals ‘act out’ details of the text. For example, Joanna Southcott (whom we will consider later) believed herself to be fulfilling in her own life the vision of the woman clothed with the son pregnant with the messiah (Rev 12). English-language interpretation of the Apocalypse is littered by ‘decoding’ commentaries and interpretations and in this respect it differs from this dominant mode of interpretation throughout history. This tradition of interpretation was given a new lease of life by Joseph Mede in the seventeenth century (1586–1639) whose work was taken up and applauded by no less a figure than Isaac Newton (1642–1727)3. Very different, and typical of the second form of interpretation is the subject of this essay, William Blake. His work in many ways is the classic example of a writer who allowed the apocalyptic imagery to provide his mental furniture in words and pictures and to inspire his own creativity. Even in his own peculiar mythological world, in which the major theological, psychological and his political struggles are portrayed in works which he termed prophecy, the inspiration of the Apocalypse is never far from the surface. The one element of the three major modes of interpretation that Blake’s work does not evince is examples of prognostication. His view of prophecy was the ability to speak common sense about a subject and to have one’s imagination so attuned that the restrictions imposed by the senses and culture could be transcended and inner realities laid bare. His interpretation 2 W. S. BABCOCK, trans., Tyconius, The Book of Rules, in: W. S. Babcock, Texts and Translations 39, Atlanta 1989; M. A. TILLEY, The Bible in Christian North Africa: The Donatist World, Minneapolis 1997. 3 BURDON, Apocalypse (see n. 5), 37–67.
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spans political comment explicitly (using Rev 13 and 17), the psychological application of apocalyptic images, re-interpreting unpalatable elements by reinterpretation, in his prophetic books producing what are in effect his own apocalypses. In a remarkably insightful, yet gnomic, utterance, Samuel Taylor Coleridge wrote of Blake that he was a man of Genius – and I apprehend, a Swedenborgian – certainly, a mystic emphatically. You perhaps smile at my calling another Poet, a Mystic, but verily I am in the very mire of commonplace common-sense compared with Mr. Blake, apo- or rather ana-calyptic Poet, and Painter! 4
Alluding here to 2 Cor 3:14 and 18, Coleridge suggests either that Blake himself was ‘anacalyptic’, in the sense that he was able to discern things that other poets or painters could not see, or that his poetry and paintings were ‘anacalyptic’ in that those who engaged with them might be freed of an epistemological veil and thus able to discern the divine mysteries. Coleridge no stranger to the world of dreams and the fantastic as his ‘Kubla Khan’ makes clear,5 recognized a kindred spirit in the writings of his contemporary William Blake. It is a reminder that England has an important place in the study of apocalypticism. From the medieval period through to the modern there have been noteworthy interpreters who have contributed significantly to the interpretation of the Apocalypse whether as collectors of earlier ideas (as Bede) or pioneering interpreters like Joseph Mede and the subject of this essay, William Blake (1757–1827).6 That is not to suggest that the distinctive ideas were always home-grown. The inheritance of the actualizing interpretation of Hendrik Niclaes in English Familism or the reception of the personal apocalyptic metaphysics of Jacob Boehme in the late seventeenth century, suggest it. The seventeenth century was a crucial century for the interpretation of the Apocalypse. Not only did the Cambridge exegete Joseph Mede explore the hermeneutics and meaning of the text but the particularities of the circumstances of civil war and revolution breathed life into convictions that apocalyptic fulfilment was immediate. The antecedents of Blake’s engagement with the Book of Revelation are extensive and complex and remain to be more carefully mapped. The significant place that the book played in England’s revolution in the seventeenth century makes it an obvious choice, and in this respect the apocalyptic interpretation of Gerrard Winstanley (1609–1676) offers a favoura4
M. FERBER, Coleridge’s “Anacalyptic” Blake: An Exegesis, Modern Philology 76 (1978), 189–193. 5 E. S HAFFER, ‘Kubla Khan’ and the Fall of Jerusalem, Cambridge 1972. 6 C. BURDON, The Apocalypse in England: Revelation Unravelling 1700–1834, London 1997.
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ble stating place. It is unlikely that Blake knew Winstanley’s work directly but the likelihood is that it was part of the underground of radical dissent which permeated aspects of dissenting religion in the eighteenth century.7 Blake was part of an age which looked to the Book of Revelation to interpret their age of revolution and reaction, and this was the case with Winstanley also.
2 Blake among the prophets: Gerrard Winstanley (1609–1678); Joanna Southcott (1750–1814); Richard Brothers (1757–1824) ‘The Beast & the Whore rule without controls’ (E6118), wrote Blake in the margins of his copy of Richard Watson’s ‘An Apology for the Bible’ (1797). Blake’s appropriation of apocalyptic images in this marginal note is the way in which the apocalyptic images form a theological language by which existence, whether personal or political, is comprehended. Blake wrote these words at the height of the conservative reaction to the revolutionary spirit stimulated by events in France in 1789, when radicals like Blake feared for their lives. In similar vein in his depictions of Pitt and Nelson, Blake understood these human figures as angels of destruction ready to unleash the Leviathan of war on a hapless world.9 Such a hermeneutic is typical of Gerrard Winstanley’s (1609–1678) appropriation of the Book of Revelation.10 In this hermeneutic contemporary life is illuminated by the apocalyptic imagery as text and life become intertwined and mutually illuminating. For Winstanley the action of digging the common land is the framework and inspiration through which understanding of Scripture and the divine will take place. Winstanley believed that with the fall of monarchy in 1649 a Kairos had arrived when the idyll of having all things in common might become a matter of action not belief only. His claim to the common land instituted the life of Paradise once more when humanity had all things in common, though he recognised that his was a time of struggle on the cusp of greater eschatological realities. The illumination of the meaning of Scripture and contemporary affairs comes when the Bible is allowed to function as a lens through which the
7 E. P. THOMPSON, Witness Against the Beast, Cambridge 1993, and C. R OWLAND, Blake and the Bible, London 2010, 157–80. 8 W. BLAKE, The Complete Poetry and Prose of William Blake ed. by D AVID V. ERDMAN, Berkeley 2008 (=E). 9 Blake’s ‘Descriptive Catalogue’, E530. 10 On Winstanley’s approach to apocalyptic images: KOVACS/ROWLAND, Revelation (see n. 1), 22.27.125–6.154.179.186.231.
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world can be perceived afresh in the context of a prophetic witness carried out in the midst of history. Winstanley utilizes the full range of the dualistic language of apocalypticism as he sees ‘Heaven within oneself’ as the site of apocalyptic struggle: These two powers are Michael and the Dragon, and this battle is fought in heaven [cf. Rev 12:7] (that is in mankind, in the garden of Eden), where God principally resolves to set up his throne of righteous government, it is not fought in the spirit of Beasts; but in Heaven in the spirit of Mankind, who is the Lord [cf. 2 Cor 3:16]. And this battle in our age of the world, grows hotter and sharper than formerly; for we are under the dividing of times, which is the last period of the Beasts reign; And he will strive hardest now. 11
Winstanley expresses the conviction that the New Jerusalem might be built ‘in this green and pleasant land’. He believed firmly in the coming of a this-worldly kingdom, a belief that is only strengthened by his conviction in 1649–50 that he was living in the Last Days. Winstanley works with a three-stage salvation history which is reminiscent of Joachite view of history.12 In ‘The Breaking of Day of God’ (Chapter VI), for example, Winstanley positions his age as between the second and third woes of Revelation 11 and ‘under the sound of the sixth Angel’ that pronounces the death of the Beast, echoing the Joachite preoccupation with the sixth, penultimate, period.13 Christ destroyed the powers of the Beast and thereby offered a model for all who respond in a similar way to the spirit within to do the same. In the ‘prison of Jesus Christ the lamb’, the divine Father fought against the Beast and killed him, for the dragon was cast out of that heaven or Creation, in whom the Father dwelt bodily; for that flesh was wholly made subject to the spirit.14 That paradigmatic overcoming of the Beast in the flesh of Christ is what is about to happen everywhere with the overcoming of ‘covetous unrighteous flesh in every son and daughter’ and the ‘bruising of that Serpent’s head’. The Apocalypse was a book of particular relevance to the revolutionary age at the end of the eighteenth century. S.T. Coleridge understood that too as his ‘Religious Musing’ makes clear,15 but what is of even more interest 11 Fire in the Bush, in: G. H. Sabine, ed., The Works of Gerrard Winstanley, Ithaca 1941, 457. 12 New Law, in: G. H. Sabine, ed., The Works of Gerrard Winstanley, Ithaca 1941, 163.183.194.205 (new edition: T. N. CORNS / A. HUGHES / D. LOEWENSTEIN, eds., The Complete Works of Gerrard Winstanley, Oxford 2009, i.486, i.506, i.516, i.527); cf. True Levellers’ Standard, in: G. H. Sabine, ed., The Works of Gerrard Winstanley, Ithaca 1941, 261. 13 Morton 1958; McGinn 1985. 14 G. H. S ABINE, ed., The Works of Gerrard Winstanley, Ithaca 1941, 229 (new edition i.552–3). 15 BURDON, Apocalypse in England (see n. 5).
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is that there were other figures in the period who, like Blake, saw themselves as prophets.16 Most famous was Joanna Southcott (1750–1814), visionary and prophetess, who believed she was called to fulfil the role of the woman whose seed was ‘to bruise the serpent’s head’. A decisive experience for Southcott took place in the course of reading Revelation 21 in 1794: I was reading one Sunday, in the Bible, 21st chapter of Revelation, Come hither, and I will show thee the Bride, the Lamb’s Wife. And he carried me away in the spirit unto a great high mountain, where I saw the New Jerusalem descending out of heaven. Hearing this words, [sic] I blushed, though alone by myself …. I went up and was earnest in prayer, and was answered, ‘Thou wast in the spirit, when thou sawest the New Jerusalem descending, with all the host of heaven; and thou wast on a high mountain, where John saw the Spirit. The Spirit is the Spirit of God, that hath visited thee. 17
This autobiographical comment by Southcott shows the way in which engagement with the biblical text and visionary experience merge, as Southcott believed herself to be called to identify with John’s experience of ascent to heaven to see the New Jerusalem. She made an enormous impact on early nineteenth-century England. Those who joined with her in wishing for Satan’s destruction could assist in hastening Christ’s return, if they signed her petition which meant that they be sealed (in fulfilment of Rev 7:4). This sealing would provide their protection from the plagues and disasters that would come on the earth, the birth pangs of Christ’s earthly kingdom. Then at the age of 64 she claimed to be fulfilling the visionary prophecy of the Woman clothed with the Sun of Rev 12, the one to bear the man-child, whom she called Shiloh.18 Her death came shortly after what appeared to be the terminus of her pregnancy. While Joanna Southcott believed herself called to be the woman who would give birth to the male child of Rev 12, Richard Brothers (1757– 1824) believed himself to be that messianic child.19 At the start of his prophetic vocation, he had visions, as well as conversations with God. He believed that rational reflection on his mystical experiences was a necessity, however. Thereby he could come to an understanding of the way in which his revelations contributed to theological understanding – something like the way in which Peter ponders the significance of the heavenly vision (Acts 10:17). Like Southcott, Brothers placed himself at the centre of his 16 J. K. HOPKINS, A Woman to Deliver Her People: Joanna Southcott and English Millenarianism in an Era of Revolution, Austin 1982; J. MEE, Dangerous Enthusiasm: William Blake and the Culture of Radicalism in the 1790s, Oxford 1992; I. MCCALMAN, Radical Underworld: Prophets, Revolutionaries and Pornographers in London 1795– 1840, Cambridge 1988. 17 Strange Effect of Faith, part 1, 1801, 47–8. 18 HOPKINS, Woman (see n. 15), 20.33. 19 See MEE, Dangerous Enthusiasm (see n. 15). D. M ADDEN , The Paddington Prophet: Richard Brothers's Journey to Jerusalem, Manchester 2010.
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own apocalyptic drama: the king at the centre of the New Jerusalem, one who had a significant role in the action of the eschatological drama. Southcott distinguished between scripture and her own prophetic or inspired, interpretative role. While she affirmed that all truth was contained in Scripture, all had not been made clear until the right time. In this she based herself on biblical precedents like Dan 12:9: ‘for the words are closed up and sealed till the time of the end’. She believed that Christ came as the Paraclete in her, whereby God used prophets to clarify what is in Scripture which had not yet been fully explained. Like Brothers, Southcott was in some ways an inspired interpreter of Scripture, who offered the definitive meaning of the biblical text long shrouded in obscurity. Brothers, on the other hand, applied the exercise of his reason to the understanding and explication of his prophetic experience. Blake’s relationship to the Bible was less interpretative and altogether more wide ranging. The apocalyptic images and themes form the inspiration of his prophecy, but he never devoted himself to the detailed interpretation of the biblical text. It was a prophetic springboard, not an object of study and explication. Southcott and Brothers in different ways actualize the text, whereas, though being a prophet in his own way, Blake’s prophetic works are more offsprings of the biblical visions and go their own way in reconfiguring the biblical text. Biblical images are launching pads for new versions of the biblical narrative of salvation. The exact contours of the biblical text are left behind, even if their spirit is largely maintained. Although Blake’s deeply held prophetic convictions are evident in his own illuminated prophetic books, his was, in the end, largely a private testimony, even if in 1809 he made an attempt to make a public impact by mounting a one man exhibition in London which was a spectacular failure. As a result Blake made less of an impact on the public in his own day than either Brothers or Southcott did. There is none of the utopian spirit of Brothers’ work. What there is, however, is a grasp of human psychology which suggests that he understood the complexity of the nature of redemption as well as the interweaving of the individual and the political in bringing that about. Apart from his mini-drama ‘The Ghost of Abel’ which he describes as ‘A Revelation In the Visions of Jehovah’20 he does not present any of his works as a revelation or an apocalypse, though he refers to the New Testament Apocalypse as ‘Revelations’.21 That Blake regarded apocalypse as central to his work in both the sense of ‘vision or revelation and as ‘unmasking’ is evident from the claims he makes to inspiration, most clearly
20 21
E270. E.g. ‘Vision of the Last Judgment’, E558 and 561 and Jerusalem 48:11; E196.
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at the beginning of his final, and longest, work, ‘Jerusalem’ an illuminated book that is frequently compared with the Book of Revelation: Reader! [lover] of books! [lover] of heaven, And of that God from whom [all books are given,] / Who in mysterious Sinais awful cave / To Man the wond’rous art of writing gave, Again he speaks in thunder and in fire! / Thunder of Thought, & flames of fierce desire: / Even from the depths of Hell his voice I hear, Within the unfathomd caverns of my Ear. 22
Blake thought of himself as standing in a tradition of prophets, most especially with John of Patmos.23 In the following crucial, passage he explicitly traces a continuity between his own mythical world and the vision seen by John: Los hears & weeps / And Los & Enitharmon took the Body of the Lamb / Down from the Cross & placd it in a Sepulcher which Los had hewn / For himself in the Rock of Eternity trembling & in despair / Jerusalem wept over the Sepulcher two thousand Years / Rahab triumphs over all she took Jerusalem / Captive A Willing Captive by delusive arts impelld / To worship Urizens Dragon form to offer her own Children / Upon the bloody Altar. John Saw these things Reveald in Heaven / On Patmos Isle & heard the Souls cry out to be deliverd / He saw the Harlot of the Kings of Earth & saw her Cup / Of fornication food of Orc & Satan pressed from the fruit of Mystery. 24
Blake recognized the prophets of the Bible as kindred spirits, and his own prophecies also mimic their style. It is probable that some at least of Blake’s prophetic texts emerged in the actual process of writing, often without considered forethought, and as the result of what Blake considered divine inspiration.25 In Blake’s case, however, such a process involved a considerable technological feat, as he had to invent a way of enabling prophetic inspiration to be translated immediately into the engraving. Prophecy is not a role reserved for a privileged elite, for, as Blake’s Isaiah puts it in The Marriage of Heaven and Hell, ‘the voice of honest indignation is the voice of God’.26 That being said, he also had a strong sense of his own peculiar role to open the doors of perception and understanding.27 Blake’s drawings and illuminated books are saturated with apocalyptic images. John’s apocalyptic vision especially is a central component of many aspects of Blake’s visionary world, even when he departs from some of its more violent and vengeful themes.
22 23 24 25 26 27
Jerusalem 3:2–9; E145. Four Zoas 8:597ff. Four Zoas Night 8:115, E385. J. VISCOMI, Blake and the Idea of the Book, Princeton 1993, 42-3. The Marriage of Heaven and Hell, 12; E38. The Marriage of Heaven and Hell, 14; E39.
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3 The Book of Revelation and the prophetic struggle The Apocalypse contributes greatly to Blake’s ‘Jerusalem’. The harlot daughter (Jerusalem) is the divine bride (Rev 21); his virgin (Vala) is the whore (Rev 17). Apollyon (Rev 9:11) wields a bow (cf. Rev 6:2) of ‘Demonstrative Science’; the great dragon (Rev 12–13) is animated by the infernal trinity of rationalism and empiricism.28 These are interspersed with contemporary persons and events as the geography and life of England are swept up into a creative fusion, with little apparent structure or direction. This interpretative approach typifies Blake’s way of viewing his own circumstances in terms of biblical imagery. In all of this, the bare essentials of biblical context carry over as the biblical images are woven into a new constellation of scriptural images. The fires of judgement turn out to be the cathartic water of life, and eternal judgment of the great white throne (Rev 20) is forgiveness. Blake’s apocalypse, however, unlike John’s apocalypse, ends in the restoration of all things and universal forgiveness from which no one is excluded. The ending of ‘Jerusalem’ is as climactic as that in Revelation, where the New Jerusalem comes down from heaven to earth. Blake’s version of God being ‘all in all’ takes place when the trinity of Newton, Bacon and Locke take their places in the chariots of the Almighty.29 The universality of ‘Jerusalem’s’ address ‘To Jews, Deists, Christians and the Public’ demonstrates that Blake includes in his audience a group much wider than the church, for his vision concerns universal salvation and identification of the various obstacles in its way. Blake will have none of the dualism of apocalypticism as a manifestation of the permanent state of things, however. Contraries may be present, but opposition in eternity, never. The Book of Revelation, for all of its hope for the ultimate overcoming of the separation between heaven and earth, still presupposes that there will be an eternal separation of that which is opposed to God from the world of the divine. Those outside the eternal city, or condemned to the lake of fire, are offered no respite. Revelation lacks any sign of Blake’s ‘contraries’ in which the opposites generate the energy of understanding and change. Separation and ultimate alienation from God are not part of Blake’s understanding of judgement, which is not about condemnation but, rather, catharsis and the preparation for the ultimate restoration of both individual and cosmos as a whole. The frequent allusions to biblical images, such as Ezekiel’s wheels, the image of the mysterious cherubim chariot on Jerusalem (46), the Lamb of God, Jerusalem, Rahab and the like, are given meaning by their new con28
‘Bacon & Newton & Locke’, e.g. Jerusalem 54:17, and 98:9, E203 and 257; further ROWLAND, Blake and the Bible (see n. 7), 145–50. 29 Jerusalem 98:9, E257.
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text. In this respect, the way in which biblical images and themes are used in ‘Jerusalem’ parallels Revelation, in which in John’s vision prophetic images and themes are woven into a new linguistic tapestry, which is largely consistent with what we find in the biblical books. Thus, the Lamb, Jesus, and Jerusalem have characteristics which put them on the side of the struggle for good, whereas Caiaphas, Rahab (surprisingly) and Babylon echo their more sinister biblical hues. Blake links Rahab and Babylon, probably because they are mentioned together in Psalm 87:4 (‘I will make mention of Rahab and Babylon to them that know me’) and, as a result, Rahab is associated with the dragon of Rev 12–13 and 17. The harlot’s collusion (‘fornication’) with the kings of the earth (Rev 17:2) merges with the way in which Blake uses Rahab as the agent of Jesus’ execution. Collusion of leading Judeans with the Roman colonial power leading to Jesus’ execution (John 11:48–50; 18–19) accurately reflects both history and the gospel narrative. Rahab signifies collusion with the religion of empire, the idolising of moral virtue and self-sacrifice, and what Blake terms ‘religion hid in war’.30 By this he probably understood the way in which religion blesses the state’s military activities and offers it an ideological justification. Thus, Blake seems to have grasped the complexity of a dehumanising politics and religion and to have encapsulated it in his description of it as ‘Rahab Babylon’.31
4 Text and image: a new apocalyptic perspective Like that of his artistic ancestors who illuminated the Apocalypse Blake’s art is characterised by the central role that is played by the juxtaposition of two media in text and image as a key mode to stimulate hermeneutical engagement.32 The most accessible of Blake’s illuminated book are his ‘Songs of Innocence and Experience’ which he describes as ‘Shewing the Two Contrary States of the Human Soul’.33 They exemplify the ways in which text, image and contrasting situations can be mutually informative, and in which images are in no sense subordinate to the text in the generation of hermeneutical insight. Two words only link with the Apocalypse 30 The Illuminated Books of William Blake, Volume 5: Milton, A Poem, eds. Robert N. Essick and Joseph Viscomi, Princeton1993, 37:43; cf. Jerusalem 75:20. 31 G. A. R OSSO, The Religion of Empire: Blake’s Rahab in its Biblical Contexts, in: Prophetic Character: Essays on William Blake in Honor of John E. Grant, ed. A. S. Gourlay, Locust Hill Literary Studies 33, West Cornwall, CT 2002, 287–326.. 32 W. J. T. MITCHELL, Blake’s Composite Art: A Study of the Illuminated Poetry, Princeton 1978. 33 E7.
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and Ezekiel in Blake’s poem ‘London’ as the poet wanders through the streets of London: I wander thro’ each charter’d street, Near where the charter’d Thames does flow, And mark in every face I meet Marks of weakness, marks of woe. In every cry of every Man, In every Infants cry of fear, In every voice: in every ban, The mind-forg’d manacles I hear: How the Chimney-sweepers cry Every blackening Church appals, And the hapless Soldiers sigh Runs in blood down Palace walls. But most thro’ midnight streets I hear How the youthful Harlots curse Blasts the new-born Infants tear And blights with plagues the Marriage hearse. 34
In Ezekiel 9 the prophet sees a man ‘clothed with linen, which had the writer’s inkhorn by his side’ (Ezek 9:3) setting ‘a mark upon the foreheads of the men that sigh and that cry for all the abominations that be done in the midst’ of Jerusalem. These words inspire Blake, the poet-prophet’s, observation of what he sees and hears (what he ‘marks’) in the streets of his Jerusalem, London. But the marks here are not the marks for salvation, for, like the marks of the beast in Revelation 13:16–17 (cf. 14:9,11; 15:2; 16:2; 19:20; 20:4), these marks consign the inhabitants to woes brought on by a society which outwardly may be upright. But scratch the surface, one finds a sorry tale of suffering and pain, and it is the vocation of the poetprophet to ‘mark’ the ‘marks’ of the beast and of the eschatological woes in his midst.35 The first stanza of this poem shows us Blake actualizing biblical texts. Words and images, especially from Ezekiel and Revelation, are an inspiration to Blake the poet-prophet convinced as he is that he acts in continuity in his own time and place, with the spirit of prophecy which fired Ezekiel and John. In the two ‘Holy Thursday’ poems from Songs of Innocence and Experience, we have contrasting perspectives on the situation in England. Here the prophetic insight is used to interpret an apparently festive event and to see its deeper meaning. An early commentator on Blake’s work, Benjamin 34 35
‘London’ from ‘Songs of Experience’ E26–7. E. P. THOMPSON, Witness (see n. 6), 179–94, R OWLAND, Blake and the Bible (see n. 7), 152–6.
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Heath Malkin (1806), wrote of the debt to Revelation in the ‘Innocence’ version of ‘Holy Thursday’: ‘The book of Revelation, which may well be supposed to engross much of Mr. Blake’s study, seems to have directed him...’.36 Holy Thursday, Innocence
Holy Thursday, Experience
Twas on a Holy Thursday their innocent faces clean / The children walking two & two, in red & blue & green, / Grey headed beadles walkd before with wands as white as snow, / Till into the high dome of Pauls they like Thames waters flow
Is this a holy thing to see. In a rich and fruitful land, Babes reducd to misery. Fed with cold and usurous hand?
O what a multitude they seemd, these flowers of London town / Seated in companies they sit with radiance all their own / The hum of multitudes was there but multitudes of lambs / Thousands of little boys & girls raising their innocent hands Now like a mighty wind they raise to heaven the voice of song / Or like harmonious thunderings the seats of heaven among / Beneath them sit the aged men wise guardians of the poor / Then cherish pity, lest you drive an angel from your door
Is that trembling cry a song? Can it be a song of joy? And so many children poor? It is a land of poverty! And their sun does never shine. And their fields are bleak & bare. And their ways are fill’ d with thorns. It is eternal winter there. For where-e’er the sun does shine. And where-e’ er the rain does fall : Babe can never hunger there, Nor poverty the mind appall.37
In these deceptively simple poems38 there are to be seen contrasts which are a feature of biblical apocalyptic literature: light and darkness, heaven and earth, the dominant and the subordinate, all of which Blake uses as a gateway to further understanding. Such ‘contraries’ (to use Blake’s word) jolt readers from complacency into seeing the reality of death, as well as the glimmer of hope that is to be found in the midst of death and despair. The wider apocalyptic background is more evident in the ‘Innocence’ version, in which the children are seen as angels joining with the heavenly host (When the whole multitude of innocents their voices raise Like Angels on the throne of heav’n, raising the voice of praise Let Cherubim and 36 G. E. BENTLEY, Blake records: documents (1714–1841) concerning the life of William Blake (1757–1827) and his family, 2nd ed., New Haven 2004, 567. 37 Songs of Innocence and Experience Plates 19 and 33, E13 and 19. 38 H. GLEN, Vision and Disenchantment, Cambridge 1983, 120–9.170–175.
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Seraphim now raise their voices high’).39 The poet-prophet meditates upon a particular social event in eighteenth century England. There is the focus on a moment, what Blake calls a ‘minute particular’, when the poet may pierce behind the appearances to bring out its inner reality, in apocalyptic fashion, and the contrasting emotions and attitudes which it engenders. The juxtaposition of the two similarly titled poems parallels the stark contrast in Revelation 6–7. In Revelation 6 death and pestilence stalk the earth, while in Revelation 7 the followers of the Lamb exult in their salvation. The children who raise their voice in praise are a small sample of that great multitude of victims, who have ‘washed their robes and made them white in the blood of the Lamb’. The grey headed beadels (Revelation’s elders, Rev 7:13) are given a subordinate position to the children (‘beneath them sit the aged men’). The children of the ‘Holy Thursday’ poem are not merely passive recipients of the charity of the wealthy. The poet indicates their peculiar quality in the words ‘with radiance all their own’ and in the ‘mighty wind of their song’, echoing Revelation 19:6. Their praise is a moment of assertiveness, when, in Blake's perspective on the event, the children come to dominate the proceedings. At the end of the evocation of thanksgiving and charity in the ‘Songs of Innocence’ version, there is a darker dimension to the light of the image and the heart-warming scene in the words 'Then cherish pity, lest you drive an angel from your door’. Apocalypse lurks, like the Son of Man, outside, knocking at the door of the Laodicean church in Revelation 3:20, disturbing the wisdom, order and life of comfortable London. In the ‘Songs of Experience’ version, forbidding and gloomy as its colouring is, there emerges a contrast with the innocent multitude in ‘Paul’s’ cathedral. The marginal designs in the ‘Experience’ version show a woman contemplating a dead child and the comfort offered to children by a fearful woman. There is a connection with the apocalyptic doom set forth in Blake’s Prophecy ‘Europe’, as the dead child and the woman are seen in both the marginal illuminations and ‘Europe’ Plate 8(9).40 Lower down on the right of the poem in ‘Songs of Experience’, there is the image of a child cuddling up to the woman, reminiscent of the scene of desolation in the frontispiece of ‘America’, where a gigantic demon overshadows a woman and a child, naked and overawed, in a desert, dominated by a single cannon. This beast haunts the woman and the child just like the Dragon in Rev 12:4–6 and 13–17, though his chains reflect the temporary respite mentioned in Rev 20:1–2. In the last stanza of the ‘Experience poem, the
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GLEN, Vision (see n. 38), 126–7. M. J. TOLLEY, Europe ‘To those Ychain’d in Sleep’, in: D. Erdman / J. Grant, Blake’s Visionary Forms Dramatic, Princeton 1970, 114–145.
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words ‘Babe can never hunger there’ echo the more hopeful Rev 7:16 (‘they will hunger no more’).41
5 A sampling of Blake’s apocalyptic images Explicit images connected with the Book of Revelation are especially prominent among the watercolours Blake painted for Thomas Butt 1800– 1805.42 His ‘The Four and Twenty Elders’43 reflects Blake’s fascination with Ezekiel’s merkabah and its ongoing interpretation within the Bible.44 Ezekiel 1 underlies Blake’s depiction of John’s vision in these chapters.45 This picture combines chapters 4 and 5 of Revelation, with the rainbow, eyes and the sealed scroll. Here is the enthroned divinity with a scroll in his hand, surrounded by obeisant figures and the swirl of eyes and the evocation of wheels. The rainbow reflects both Ezek 1: 28 and Rev 4:3. The flames of fire at the bottom evoke Rev 4:5 which John himself interprets as the ‘seven spirits of God’ (Rev 4:5). The Spirit of prophecy is crucial for Blake, for he identifies it with the ‘Poetic genius’.46 The lamb in this picture is curiously passive and anonymous. Here a weak creature with no mark of triumph but the marks of its own slaughter turns out to be the agent of God’s purposes. In Revelation 5, the apparent moment of defeat, when a would-be messiah died in apparent failure, turned out to be the decisive moment in history (Rev 5:5–6). It is no surprise, therefore, that this figure was to become such an important component of Blake’s theological thought, especially in ‘Jerusalem’. Blake’s ‘Death on a Pale Horse’47 evinces an energy fitting for a depiction of two of the Four Horsemen of the Apocalypse, inexorably moving forward the tide of history which is being unfurled in the scroll unfolding above their heads (Revelation 6). The horsemen which loom so large in 41 42 43
GLEN, Vision (see n. 38), 173. D. BINDMAN, Blake as an Artist, Oxford 1977, 164–5, B515–24. Rev 4:4, Tate Gallery, London, B515, watercolour c. 1803–5, and R OWLAND, Blake and the Bible (see n. 7), 224–30. 44 ‘Ezekiel’s Wheels’, Museum of Fine Art, Boston, 1803–5, B468; H. BLOOM, Blake’s Jerusalem: The Bard of Sensibility and the Form of Prophecy, in: The Ringer in the Tower: Studies in Romantic Tradition, ed. H. Bloom, Chicago 1971, 65–79; C. ROWLAND, Ezekiel’s Merkavah in the Work of William Blake and Christian Art, in: The Reception History of Ezekiel, ed. H. de Jonge, London 2007, 182–197. 45 BLOOM, Blake’s Jerusalem (see n. 44), 65–79; C. ROWLAND, Ezekiel’s Merkavah in the Work of William Blake and Christian Art, in: The Reception History of Ezekiel, ed. H. de Jonge, London 2007, 182–197. 46 ‘All Religions are One’ pl. 8, E1. 47 Fitzwilliam Museum, Cambridge, c. 1800, B517.
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this picture also appear in Blake’s depiction of the angel of Rev 10:1, 5.48 Here we see seven horsemen which might hark back to Revelation 6 but could, instead indicate either the peoples and language to whom John is called to prophesy or about the seven thunders (Rev 10:4). This is unusual among the watercolours of the Apocalypse because we see John as a spectator of the enormous apparition before him, faithfully describing what he sees in the scroll laid out on the writing desk in front of him. The enormous size of the angel parallels the enormity of the dragon which persecutes the Woman Clothed with the Sun in Blake’s depiction. Blake painted two different watercolours of the Woman Clothed with the Sun.49 Both pictures are dominated by the terrible winged monster with ram’s horns (similar to the depiction of the Great Dragon from the Sea).50 In one, the beast towers over a supine woman in one of which the moon is literally under her feet and her golden colour indicates the fact that she is ‘clothed with the sun’. In the other, the many-headed monster flies down, as below the woman looks up startled and fearful.51 Blake painted ‘The Whore of Babylon’ twice: once in a picture exclusively devoted to the subject52 and once in the context of his illustration of Edward Young’s ‘Night Thoughts’.53 In the first, Babylon points with her finger to the stream pouring forth from the cup in her right hand, in which one perceives acts of violence as well as angelic beings with bowls (Revelation 16) and trumpets (Revelation 8–11).54 The angels hold both bowls and trumpets. Thus, the pouring and the trumpet blasts take place simultaneously as war rages, suggesting synchronicity. There are close links between the iniquity of Babylon and the death and destruction described in the previous chapters of Revelation, especially the trumpet (8–11) and bowl (16) sequences. The sequence of disasters, described by John earlier in the vision, is linked with the political violence caused by the culture of Babylon and outlined in chapters 17–19.
48 ‘And the Angel which I Saw Lifted up His Hand’, Metropolitan Museum of Fine Art, New York, c. 1803, B518. 49 Rev 12:1 Brooklyn Museum, New York 1803–5, B519 and The National Gallery of Art, Washington, c 1805, B520. 50 The National Gallery of Art, Washington, c 1805 1803–5, B521 cf. the related image in the Rosenbach Museum Philadelphia, B583. 51 As in Blake’s sketch, 1 Enoch 7:1–15 depicts the seduction of the women by the ‘sons of god’, B827 3. 52 British Museum, 1809, B523. 53 ‘Edward Young’s Night Thoughts’, 1795–7 British Museum, B Plate 344 B330 345; BINDMAN, Blake as an artist (see n. 42), 109–13. 54 G. E. BENTLEY, The Stranger from Paradise: A Biography of William Blake, New Haven 2001, plate 75.
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Round about 1795 Richard Edwards commissioned Blake to illustrate an edition of Edward Young’s poem, Night Thoughts, published in 1742– 45. This was an enormous undertaking for Blake involving over five hundred watercolours. Blake filled margins with pictures. This picture of Babylon is the title-page to ‘Night the Eighth, Virtue’s Apology: or the Man of the World Answer’d, in which are considered, the Love of this Life, the ambition and Pleasure, with the wit and Wisdom of the World’. Young’s words prompt Blake to understand this socially and politically, not just in terms of personal morals. At the time he painted this picture, Blake was acutely aware of the culture of repression in war-torn England. It was a situation in which, to quote his own words written at the time, ‘The Beast and the Whore rule without controls’.55 As in Revelation 13, where Daniel’s vision is the lens through which John of Patmos views Roman oppression, so in Blake’s image the biblical vision is interpreted of contemporary political realities rather than of a sequence of world-empires as in Daniel 7. It is a sevenfold, contemporary, imperial and cultural oppression. Blake very pointedly depicts the heads of the beast as contemporary military, royal, legal and ecclesiastical powers. He took the opportunity of this commission to insert his protest against the political repression in the England of the 1790s.56 A similar depiction may be found in Blake’s illustration of Dante’s ‘Purgatorio’ xxxii.85–7, 142–53.57 There is nothing in Dante’s work about what is worn on the heads of the monsters, but Blake gives them crowns, warriors’ helmets and a papal tiara.58 There is a long tradition of political interpretation of apocalyptic images, rooted in Daniel and the Book of Revelation, going back to the radicalism of mid seventeenthcentury England. Gerrard Winstanley used the imagery of Daniel and the Book of Revelation to interpret the oppressive behaviour of the wielders of political and economic power of his day. 59 The depiction of the binding of Satan (Rev 20:1–2)60 suggests a struggle between the angel who descends from heaven with the key to the Abysss and Satan. Binding here involves being bound in manacles. This would reverse the process which Blake sees at work in a society which stifles imagination and oppresses the poor and encourages people to think that
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‘Annotations to Watson’s Apology’, E611. BENTLEY, The Stranger from Paradise (see n. 54), 100–201. B812 89. M. D. PALEY, The Traveller in the Evening: the Last Works of William Blake, Oxford 2003, 162–3. 59 ‘Fire in the Bush’, in: G. H. Sabine, ed., The Works of Gerrard Winstanley, Ithaca 1941, 463–71 (new edition ii.188–97). 60 Fogg Art Museum, Harvard, B585, 1800.
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this is the divine will.61 The circular shape of the beast resembles the depiction of the heavenly host elsewhere and may be dependent of his depiction of Ezekiel’s merkabah (Ezek 1:15, B468). Blake’s depiction of the New Jerusalem, with its spacious streets and pure water must have contrasted with the dark and cramped scenes which must have confronted Blake day by day as he traversed its streets. Like Ezekiel’s visionary city (Ezek 47:1), this city is watered with the river of life ‘flowing from the throne of God and of the Lamb’ (Rev 22:1). In it women and children bathe in a spacious environment, in which the idyll of Paradise merges with the needs of ordinary urban people to suggest hope and cleanliness rather than squalor. Overhanging the river are the tree of life (Rev 22:2) and a child pointing towards the river. There is converse between people in peace, as the centrally placed sun shows ‘there will be no more night … for the Lord God will be their light, and they will reign forever and ever (22:5). Around the sun dance the angelic host reminding the reader of how Blake saw that physical object as a signifier of divine realities: When the Sun rises do you not see a round Disk of fire somewhat like a Guinea O no no I see an Innumerable company of the Heavenly host crying Holy Holy Holy is the Lord God Almighty. 62
Strictly speaking, Blake’s various depictions of the Last Judgment are not dependent solely on the Apocalypse but bring together images and characters in a kind of biblical synthesis. Unusually, Blake wrote at length about ‘The Last Judgment’, and a commentary is extant on the Petworth picture.63 Blake painted other versions of the Last Judgment which occupied his attention as both a painter and a writer. The longest of these depictions is no longer extant.64 In the Petworth House picture, which is the focus of this discussion,65 there is movement clockwise indicated by the direction of the bodies and the change in the colours from dark to light. Christ is the point around which the whole picture seems to revolve. He sits impassively, in contrast with the more active (and threatening) Christ in judgment of Michelangelo’s Sistine Chapel depiction, which may indeed have been an inspiration for Blake’s own work.66 Here the moment of judgement and the awesome consequences are set out, even if the ultimate fate of those judged is much more optimistic than in most traditional Christian depictions. In Blake’s work the fire of judgment is to be purgative, e.g. J96:37 61 He writes of the grasp of ideology in which the ideas of those in power enslave people using the graphic phrase ‘mind-forg’d manacles, ‘London’, ‘Songs of Experience’ E27. 62 ‘Vision of the Last Judgement’, E566. 63 E552–6, Petworth House, 1808, B662. 64 BINDMAN, Blake (see n. 42), 165–7. 65 B662 1808. 66 BINDMAN, Blake (see n. 42), 165.
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(E256), where the lake of fire becomes the living waters. Thus, at the end of ‘Ninth Night’ of ‘The Four Zoas’ there is talk about passing through fire and not being consumed.67 The contrast in colour between the two sides of the picture underlines the fact that in the right there is a descent into Hades and on the left an ascent back up to the throne of God. Elsewhere, Blake writes of the way he hopes viewers of the picture will identify with its details: If the Spectator could Enter into these Images in his Imagination, approaching them on the Fiery Chariot of his Contemplative Thought, if he could enter into Noahs Rainbow or into his Bosom, or could make a Friend or Companion of one of these Images of wonder, which always intreats him to leave mortal things as he must know, then would he arise from his Grave, then would he meet the Lord in the Air & then he would be happy (E560).
It is this process which is depicted in this picture. Judgment is always happening with eternity always ready and available. This is in line with Johannine eschatology: ‘He that heareth my word and believeth in him that sent me hath everlasting life and shall not come into condemnation but passeth from death to life’ (John 5:24). The Last Judgment for Blake does not mark an event when the good are rewarded and the evil punished but the purgation of evil in the world.68 ‘Whenever any Individual Rejects Error & Embraces Truth a Last Judgment passes upon that Individual’.69 The variety of the interpretation of the Apocalypse down the centuries indicates that it has not been an ideal text for closing down debate. Luther rightly recognised that the form of Revelation set it apart from Daniel. In the Book of Daniel, the obscure dreams have been rendered more transparent by angelic interpretations. For example, Daniel’s vision of the four beasts rising from the sea and the heavenly scene with the Ancient of Days and the Human Figure who receives divine authority, is made a little less opaque by relating it to the events of history (Dan 7:1–14). There is little of that kind of explanatory gloss in Revelation. Revelation is a prophetic text and its polyvalent imagery, almost always without explanation, means that it is a text, which more than any other biblical text, manifests openendedness and lack of closure. Interpreters of the Book of Revelation have tried to deal with its open-endedness by using a form of allegorical exegesis to suggest that the imagery is an elaborate code for this or that historical event, thereby tying the text down to a particular time and place. William Blake’s engagement with the Book of Revelation is typical of one major way of interpreting its apocalyptic images. The more familiar way is the ‘decoding’ method70 which involves presenting the meaning of apoca67 68 69 70
E407; further see D. FULLER, Blake’s heroic argument, New York 1988, 150–7. BINDMAN, Blake (see n. 42),, 167. ‘Vision of the Last Judgment’, E562. KOVACS/ROWLAND, Revelation (see n. 1).
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lyptic images in another, less allusive, form, showing what the text really means. In all his engagement with the Bible, Blake is performing not only ‘Sachexegese’ but also ‘Sachkritik’. He is always pursuing the essential subject matter of the text and is ready to use that as a way of playing down elements in the literal sense which a literal reading would suggest are distasteful to someone of Blake’s theological sensibilities. His reading is shorn of its punitive and dualistic elements. The fire is therapeutic and a means of purgation into which Albion, the uncomprehending hero of ‘Jerusalem’, throws himself.71 The dualistic contrasts throughout his work serve a hermeneutic rather than ontological function. So, Blake contrasts the ‘contrary’ with the ‘negation’,72 the former being a basis for creativity as the dialectical process leads to fresh understanding. Subtly but firmly, therefore, and without any apology Blake renders the fearsome apocalyptic images as a means of catharsis rather than an instrument of terror. Judgement is a process not a discrete event. In so doing Blake takes many of the concerns of modern readers about the Apocalypse and reads the book as a sign of hope rather than a message of destruction. Alongside this, the long history of the political role of apocalypticism as a potent tool of political criticism stretching back to Daniel, to which the Apocalypse is itself indebted, is vividly presented in Blake’s treatment of word and image. The Apocalypse is a vision, or, better, a series of visions. Blake understood the importance of visualisation as a key component of human engagement. Like many other readers of the Book of Job he reads the whole book through the lens of the words ‘I have heard thee [sic] with the hearing of the Ear but now my Eye seeth thee’ (Blake’s version of Job 42:5). These words might stand as the motto for Blake’s hermeneutics. Seeing with the eye of the imagination trumps the words of memory heard and received from others. The Apocalypse as a visionary text engages and by its startling verbal imagery is aimed at transforming perception and action of its readers or hearers. The same may be said of Blake’s texts and images. They are ‘anacalyptic’. Readers do not require explanation so much as the will to explore the words and images and act upon them. Herein the character of the work of the apocalyptic William Blake.
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J96:35, E26. M40:32; E142.
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren ROLAND BERGMEIER, Dr. theol., ist Gymnasiallehrer für ev. Religionslehre im Ruhestand in Weingarten. JAN DOCHHORN, Dr. theol., ist Lektor / Associate Professor für Neues Testament am Department for Culture and Society an der Universität Århus (Dänemark). VALENTIN FÀBREGA, Dr. theol., ist Oberstudienrat im Ruhestand in Köln. JÖRG FREY, Dr. theol. habil., ist Professor für Neutestamentliche Theologie mit Schwerpunkten Antikes Judentum und Hermeneutik an der Theologischen Fakultät der Universität Zürich (Schweiz). HANS-GEORG GRADL, Dr. theol., ist Habilitand im Fach Neues Testament an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität München und Verwalter des Lehrstuhls für Exegese des Neuen Testaments an der Theologischen Fakultät der Universität Trier. JUAN HERNÁNDEZ, JR., PhD, ist Assistant Professor of Biblical Studies an der Bethel University in St. Paul, MN (USA). KONRAD HUBER, Dr. theol. habil., ist Professor für Neues Testament an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. JAMES A. KELHOFFER, PhD, ist Professor of New Testament Exegesis an der University of Uppsala (Schweden). MARTIN KARRER, Dr. theol. habil., ist Professor für Neues Testament an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal/Bethel in Wuppertal. MICHAEL LABAHN, Dr. theol. habil., ist Pfarrer und Privatdozent für Neues Testament an der Theologischen Fakultät der Universität Halle-Wittenberg. MARK D. MATHEWS, PhD, ist Teaching Elder/Pastor der Bethany Presbyterian Church, Philadelphia, PA (USA).
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Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
TOBIAS NICKLAS, Dr. theol. habil., ist Professor für Neutestamentliche Theologie an der Theologischen Fakultät der Universität Regensburg. KONSTANTIN NIKOLAKOPOULOS, Dr. theol. habil, ist Professor für Biblische Theologie an der Ausbildungseinrichtung für Orthodoxe Theologie an der Universität München. ENNO EDZARD POPKES, Dr. theol. habil., ist Professor für Neues Testament mit Schwerpunkt Geschichte und Archäologie des frühen Christentums und seiner Umwelt an der Theologischen Fakultät der Universität Kiel. CLARE K. ROTHSCHILD, PhD, ist Associate Professor am Department of Theology an der Lewis University, Romeovile, IL (USA). CHRISTOPHER ROWLAND, PhD, ist Dean Ireland᾽s Professor of Exegesis of Holy Scripture an der University of Oxford (UK). LOREN T. STUCKENBRUCK, PhD, ist Richard J. Dearborn Professor of New Testament Studies am Princeton Theological Seminary, Princeton, NJ (USA). WILLIAM TABBERNEE, PhD, DD, DLitt, ist Professor of the History of Christianity an der Phoenix University, Tulsa, Oklahoma (USA). FRANZ TÓTH, Dr. theol., ist Assistent am Lehrstuhl für Neues Testament an der Theologischen Fakultät der Universität Jena, Dozent an der Theologischen Hochschule Friedensau und Habilitand an der Theologischen Fakultät der Universität Zürich (Schweiz). JAN WILLEM VAN HENTEN, PhD, ist Full Professor of New Testament, Early Jewish and Early Christian Literature an der University of Amsterdam (Niederlande). STEPHAN WITETSCHEK, Dr. theol., ist Leiter eines DFG-Projekts und Habilitand an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität München. THOMAS WITULSKI, Dr. theol. habil., ist außerplanmäßiger Professor für Biblische Theologie und ihre Didaktik an der Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie der Universität Bielefeld.
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Stellenregister
Stellenregister 1 Bibel 1.1 Altes Testament (einschließlich Apokryphen) Die Anordnung der biblischen Bücher folgt der Septuaginta. Genesis 1 2,7 3,22 3,24 4,10 5,5 19,12f. 19,24 19,28 22 49,9f. Exodus 3,8.14 3,14 7,17 7–10 7–12 12 13,5 19,4–6 19,18 20,2f. 21,24f. 25,8 25,20 29,42–46 32,32 33,7–12 34,29–35 37,15–19 40,17.34–38
721 198 198 198 206, 592 721 100 160 161 611 458
749 175, 448 306 593 715 442 749 445 161f. 297, 305 223 246, 248 252 246, 248 227 250 250 248 246
Leviticus 18,25.28 20,22 24,19f. 26,11 26,12
278 278 223 208 239
Numeri 16,28–35 25,1
279 308
Deuteronomium 5,7 5,23 5,26 7,13.15f.20f. 8,12f. 9,26 10,17 10,18 11,6 19,21 23,12 28,28f.48 28,65 31,19.21.26 32,36 32,40 32,46
297, 305 210f. 453 201 201 201 177, 221 201 201 223 218 202 217 605 605 453 605
Josua 3,10
453
816
Stellenregister
1. Samuel 2,8 17,26.36
203 453
1. Könige 1,10 6 6,11–13 8,12 17,1 19,1f. 19,12 22,11.24 22,19
308 247 247 246f. 306, 593 308f. 704 307 162
2. Könige 1,9–16 2,11 8,27 18,18 19,15
593 704 239 276 162
1. Chronik 21,26 23,3 24,19
160 205 604
2. Chronik 7,1 15,5f. 18,18
160 215 162
Esra 7,12
221
Nehemia 9,26
604
Esther 4,16
614f.
Judith 6,4
595
Tobit 12,15
196
1. Makkabäer 2,59 6,22
610 184
2. Makkabäer 6,18–7,42 6,19 7,6 7,12 7,14 7,36 8,2–4 15,15f.
608 593 604f. 587 516 592 206, 592 223
3. Makkabäer 2,11
184
4. Makkabäer 1,11 5,23f. 6,5f. 6,10 6,11 6,14 7,4 7,13f. 7,15 7,16–21 8,2 9,6 9,21f. 13 13,9–12 8,4 9,26 9,30 11,5.8 12,2 12,14 14,9 15,24 15,30–16,1 16,14 16,16 16,17.19.21f. 17,2 17,3.7 17,11–17 17,17f. 23
608f. 610 603 608 587 631 608 603 632 608, 611 608 608 603 587 611 587 587 608 610 587 610 613 611 608 608, 610 605 608, 611 611 608 587, 608f. 616 587
Psalmen 1,5 2 2,8f.
733, 739 466, 728 180, 183, 275
817
Stellenregister 2,9 18,38–46 44 44,23 55,20 65,12 68,17 68,29 69,28 72,10 80,2 81,5 83,14 85,9 87,4 89,4 89,38 95,7 110,1 113,21 140 146,8
161, 181f., 462f., 727 727 531 460 162 173 205 227 227 745 162 741 210f. 160 802 721 444 239 230 183 175 289
Proverbien 8,22 13,20 14,5.25 15,18 16,4 19,19 22,24
249 223 277 263 263 263 263
Hiob 1,6 28 36,7
160 249 203
24 24,1–12 24,4–31 29,9 37,11f. 51,23f.
245 652 249 201 223 254
Psalmen Salomos 3,12 8,2 17,24
516 184 696
Hosea 2,1 2,16 6,5 9,15.17 10,6 12,8 12,9
174 174 464 174 208 170, 172–175, 188f. 200
Joel 2,10 2,31 3,3f. 3,15 4,17.21
161, 700 180, 700 179, 180, 697, 720 700 249
Amos 1,1 5,18 6,1
418 224 224
Micha 1,4
210f.
Habakuk 3,10
699
Weisheit Salomos 7,9 18 18,15
200 462 530
Zephania 1,13–18 4,1 6,11
199, 737 205 197
Jesus Sirach 1,8 4,1.4 6,30f. 7,32 11,18–19 12,14 13,24 14,3
162 201 200 201 201 223 201 201
Sacharja 1,12f. 1,7–6,15 2,5–17 2,6 2,14 4,10 6,1–8
210 248 248 208 239, 249 348, 767 503
818
Stellenregister
6,5 8,4 10,10.12 12,10 12,12 14,11 14,13
208 731 184 185, 197, 446f. 188 230 746
Jesaja 1,1.10 2,1 2,2–9 2,3 2,19–21 3,11 6,1 6,2f. 6,1–8,15 6,4 6,12 7,3 7,14 8,16f. 8,18 8,20 10,1 11,1.10 11,4 11,6–10 12,3 13–14 13,1 13,8 13,10 13,13 13,21 14,4–21 14,12–21 19,2 19,14 21,2 22,22 23,12 24,6.17 25,6f. 25,8 26,9.18.21 29,11–18 29,18 30,26 31,1 34,4
364 364 538 364 208, 702 224 162, 387 204, 772 363 704 749 295 466 363 246 363 224 449, 458 161, 462f., 727 538, 749 254 295, 312 364 208 179, 700 698 184 312 212, 312f., 315 215, 696 279 364 185, 276 217f. 199 466 239f., 256, 466 199 364 289 748 238 175, 747
34,9 34,10 35,5 35,10 36,3 37,16 40,2 41,4 42,7.16.18–20 43f. 43,9–13 43,18 43,19 44,6 44,8 45,5 45,6 48,12 49,2 49,10 49,26 50,3 50,4–9 51,11 51,13 52,1 52,13–53,12 53 53,7 54,11–14 55,1 60,3.11 61,10 63,1–6 63,3 64,4f. 65,6–8 65,16 65,17 65,18–23 65,20f. 65,25 66,7 66,22
Jeremia 1,1–3 1,14 1,13–15 2,13
175 176 289 239 276 162 223 453 289 604 603 239f. 240, 544 453 603 297, 305, 312, 314 305, 312, 314 453 161, 462, 502 466 595 179 364 239 263 238 604 295 440, 460 748 254 510, 745 238 462, 727 219 294 240 455 229, 239f., 243– 245, 256, 538, 542 748 731, 749 538, 749 466 229, 238f., 256, 518, 542, 750
418 199 724 209
Stellenregister 4,6 7,1–15 11,19 15,2 16,18 22,13 25,29f. 26,10 27,29 30,26 31,1 31,10–15 31,16 38,11 48,1 49,10 49,31 49,36 51,36f. 51,48f. 51,63f.
724 247 460 613 223 224 199 595 223 173 239 748 239 199 224 209 173 208 528 224f., 595 529
Baruch 3,3 4,35
162 184
Klagelieder 1,15 4,12
219 199
Ezechiel 1 1–3 1,1–3 1,4 1,5–25 1,15 1,24 1,28 3,27 7,2 7,7 9,1–11 9,3 10 10,12 13 13,3 14,17 18,23 23,25 26f.
157, 387 519 418 704 204 809 502 806 74 699 199 196 803 519 348 704 224 717 225 263 503
26,7 27 28,2 33,11 34,2 37 37–39 37–48 37,1–14 37,9 37,10 37,15–28 37,27 38 38,1–9 38,14–18 38,17–39,20 38,22 38–39 39 39,17–19 40–48 40,49 41,1 42,6 43,2 43,7–9 47,1–12 48,30–35 Daniel 1–2 2,23 2,28f. 2,32f. 2,37 2,45 2,47 3 3,2 3,5f. 3,7 3,11 3,15 3,29 4,32 4,35 4,37 5,4.23 6
819 221 519 201 225 224 157, 503 730 519, 532f., 541, 546 518f., 730 208 157 518f., 730 208f., 239, 248, 251, 256 157, 503, 518 730 226 730 229, 746 21, 156, 746 157, 518 595, 727 518 200 156 200 502 246f. 254, 809 543, 668
140 211 505 213 221 505 177 134, 589, 597–602, 610f. 221, 602 601f., 626 602, 626 601f. 601f., 626 216 178 199 177–179, 189, 221 213 589, 598, 610f.
820 6,10 7 7,1–14 7,2 7,3–8 7,7 7,8 7,9 7,9–14 7,10 7,11 7,13
7,17–27 7,21 7,22 7,23f. 7,25 8,3 8,8
Stellenregister 160 203, 227, 387, 446, 451, 503, 507, 808 810 208 122 726 70, 216, 227 , 299, 600f., 724 452, 502, 535 219, 226f., 276, 348, 704 205f., 226, 276, 734 600 160, 184, 185, 187, 197, 446f., 451, 457, 502 122 160, 216, 222, 601 535 726 216, 302, 496, 593, 600 440 208
8,10–12 8,26 9,24 9,27 10,1–11,2 10,5 10,6 10,14 10,21 11,2 11,4 11,40 12 12,1 12,2f. 12,4 12,4–13 12,7 12,9 12,10 12,12 12,17
600 429 364 26, 302 360 197, 452f., 462, 502 452 260 360 360 208 669 503 227, 592, 669, 703 228, 502, 669 360, 364, 429, 504 360f. 496 360f., 364, 429, 504, 799 74, 75 298, 302 499
1.2 Neues Testament Matthäus 1,1 1,10 5,18 7,6 9,4 10,16 10,17 10,32 10,39 10,42 12,24 13,42 13,36–43 16,25 17,2 18,20 19,6 19,7 19,29 22,21 23,34f. 24,3 24,6
415 294 238 278 275 440, 461 633 137 215 262 684 601 668 215 452, 652 250 175 415 750 628 206 670f., 695 214
24,7 24,20 24,21 24,27 24,29 24,30 24,35 25,1–13 25,31 26,29 28
696 704 716 697 700 187f., 197, 447 238 674, 785 230, 275 750 35
Markus 2,19 8,35 9,43 9,5 10,4 12,26 13 13,7f. 13,9 13,19 13,22
531 215 229 250 415 415 179, 670 214, 696, 717 633 703, 716 303f.
821
Stellenregister 13,23–31 13,24f. 13,26 13,27 13,31f. 14,9
564 304, 720 187 208 238, 695 277
Lukas 3,4 4,17.20 9,24 10,3 10,17–24 10,18 11,51 12,8 12,35–38 14,12f. 16,17 17,20f. 17,33 18,17 18,28 18,29f. 20,36 20,42 21,9 21,12 21,24 21,25 21,33 22,28–30 24,48f.
415 415 215 440, 461 33 211f. 206 137 138, 201–203, 747 750 238 250, 697 215 277 214 750 747 415 214 633 134 699 238 203 604
Johannes 1,1 1,1–3 1,14 1,29.36 2,25 3,11 3,18f. 3,28–31 3,29 4,14 4,29.39 5,24 7,37 7,38 7,39 8,28 9,39
278, 455, 531, 673 276f. 245, 254, 531 257, 440, 461 275 277 740 673 531 209 275 810 254 209 254 275 289
11,48–50 12,25 14,2 14,3 14,23 14,26 16,26 16,30 18–19 18,4 18,36 19,37 20,30 21,17 21,25
802 215 255 257 246, 255 673 666 275 802 275 483 186, 446, 483 415 275 415
Apostelgeschichte 1,8 1,20 4,33 5,28f. 6,15 7,42 7,55f. 8,32 9,2 10,17 10,42 12,25 15 15,20 15,30 15,39 18,19–28 18,25 19,19 20,18–35 20,24 21,25 22,5 22,6–11 22,15 22,20 23,25 28,3
604, 663 415 643 136 603 415 603f. 440 415 798 736 216 137, 575 575–577 415 175 136, 262 415 131, 136, 604 575 415 653 603 603f. 415 279
Römerbrief 3,25 8,9 8,21f. 8,29 11,25–32
611 250 238f. 444 490
822
Stellenregister
12,11 13,1–7 16,22 16,25–27
260, 262 628 415 421
1. Korintherbrief 2,6f. 3,13 3,16 4,8 5,7 5,9 6,15 6,18 6,19 8,1 10,8 10,19 15,15 15,28 15,35–50 15,54 16,3 16,22 18,36
763 734 250 171 440 415 300 575f. 250 575 576 575 603 516 705 239 415 414, 447, 530 550
2. Korintherbrief 3,1–3 3,14.18 3,16 5,1.8 5,1–10 5,17 6,14–71 6,15 6,16 7,8 10,9–11 11,2 11,14 12,1 12,4
415 795 797 592 705 238 251, 300, 305 296, 300, 305 239, 246, 251 415 415 531 211f. 435 33
Galaterbrief 1,3–4 1,12 3,10 4,26 5,25
414 435 415 238 427
Epheserbrief 2,19–22
246, 251
5,21–33
531, 673f.
Philipperbrief 1,23 4,3 4,20
592 226 421
Kolosserbrief 1,15f. 1,18 2,4 4,16
274, 276, 455 276f., 444, 455 311 277, 415
1. Thessalonicherbrief 4,13–18 564, 705 4,16 486, 490 4,2 695 5,27 415 2. Thessalonicherbrief 2,1–11 305, 308, 311 2,2 415, 532 2,3 299f., 310 2,4 308 2,8f. 306–308, 464, 684 2,15 415 3,14.17 415 1. Timotheusbrief 1,17 3,14f. 6,13
421 251 633, 639
2. Timotheusbrief 4,1 4,13
736 415
Titusbrief 3,1
274
Hebräerbrief 1,3 8,1–5 9,1–3.8f. 9,19 10,7 11,16 11,32–34 11,35 11,38 12,24 13,10
278 252 252 415 415 238 611 596 306 206 252
Stellenregister 13,21
421
1. Petrusbrief 1,19 2,4–8 2,5.9 2,21 4,5 5,13
440 251 445 636, 645 736 313
2. Petrusbrief 3,1 3,3 3,7 3,10 3,13 3,16 3,18 5,13
415 229 705 695, 705 238, 244 415 421 124
1. Johannesbrief 1,1 2,18–27 5,4f.
531 103 585
Judasbrief 13 14f. 24f.
212 221 421
1,4f. 1,4–3,21 1,4–8 1,4–20 1,5
1,6
1,7
1,7–12 1,8
1,9
Johannesapokalypse 1–4 553–585 1,1 50, 196, 231, 352, 356f., 361, 364f., 367, 398, 420f., 423, 449, 480, 494, 504f., 569, 710 1,1–4 86, 8f., 337, 353– 359, 362, 367, 369, 388, 393, 395f., 405f., 418–420, 435–437, 606, 708 1,1–11 653 1,1–20 352 1,2 418, 422, 435f, 695 1,3 19, 106, 236, 329, 352, 357, 363, 372, 382, 387, 420f., 423, 443, 494, 504– 506, 556, 613 1,4 104, 196, 231, 413f., 418f., 421,
1,9–20
1,10 1,10–20 1,11 1,12 1,12–18 1,12–20 1,12–3,22 1,13 1,13–16 1,13–20 1,14 1,15
823 423, 425, 429, 443, 447f., 455, 505, 525, 669, 695, 769, 773 444, 455 323, 354, 395, 402 86, 87, 89, 420f., 429, 443 356 62, 65, 74, 369, 414, 419–421, 436, 446, 454, 460, 463, 468, 493, 554, 580, 590, 607, 615, 641 385, 414, 419–421, 445f., 460, 471, 493, 695 160, 175, 184, 185, 186, 187, 188, 197, 231, 420f., 446– 448, 704, 768 89, 336, 656 238, 420f., 423, 443, 447f., 505, 525, 673 362f., 367–369, 380, 393, 421, 425, 435, 460, 493, 554, 566–570, 582, 590, 604, 606f., 612f., 620 29, 236, 275, 340, 368, 413, 441, 450f., 454, 457, 461 421, 422, 590, 694, 713, 783 235–238, 333, 344, 356f., 367, 652 122, 368, 413, 419, 422, 430, 435, 694f. 451, 454, 653 422, 505 351, 356, 502 89, 337, 346, 422– 424 72, 346, 446, 451f., 531, 653 452, 453, 505 58, 67 55, 160, 231, 239, 348, 452 68, 69, 697
824 1,16 1,17 1,18 1,19
1,20 1,20–3,22 2
2,1 2,1–7 2,1–3,14 2,1–3,22 2,1–15,7 2,2 2,3 2,4 2,5 2,6
2,7 2,8 2,8–11 2,9
2,10
2,11 2,12
2,12–13 2,12–17
Stellenregister 285, 451f., 455, 510, 669 448, 453, 471, 656 303, 356, 444f., 453, 464, 590, 705 55, 355f., 422, 430, 480, 498, 505f., 694f. 122, 499f., 583, 669, 783, 793 422 86, 88, 93, 98, 101, 105, 106, 122, 454, 486, 488, 493, 499, 506, 524, 541 63, 69, 422, 435, 451, 694 105, 119 18, 47, 63 416, 419, 558, 570f., 669 58 106, 429, 583, 590, 613 99, 367, 590 105, 390, 496 583 105, 106, 391, 393, 423, 427, 429, 522, 574 103, 198, 232, 394, 423, 616 93, 275, 303, 422, 448, 471, 590, 694 100, 105, 106 88, 99, 103, 106, 171, 223, 380, 390f., 393, 421, 423, 429, 522, 570, 483, 584, 590 88, 92f., 101, 309, 311, 392f., 421, 423, 429, 506, 584f., 590, 615, 617, 620 423, 541, 615f. 63, 106, 275, 285, 422, 455, 510, 579, 694 60 80, 111, 112, 115, 579, 764
2,13
2,14
2,15
2,16 2,17 2,18 2,18–27 2,19 2,20
2,21 2,22 2,23 2,24 2,25 2, 26
2,27 2,28
2,29 3
3,1 3,1–3 3,1–6 3,2 3,3
17, 82, 88, 93, 99, 106, 113, 125, 140, 309, 367, 369, 370, 372, 393, 423f., 427, 429, 521, 553f., 558f., 578f., 591, 596, 602, 607, 620, 641, 643 106, 137, 308f., 392, 394, 400, 423f, 427, 429, 522, 567, 574f., 577–580, 582f. 391, 393, 423f., 427, 522, 574, 580, 582 275, 285, 579, 582 423, 463, 578, 616 63, 275, 422, 455, 471, 624, 694f. 100 180, 590, 613 106, 137, 308f., 371, 391–394, 400, 423f., 429, 522, 566, 574, 577f., 580, 583, 595 394, 574, 580, 583 137, 371, 391, 393, 506, 574, 580, 583 275, 371, 391, 393, 455, 574, 580, 583 101, 102, 136, 391, 393, 429, 523, 575 136, 371f., 393 93, 106, 180, 182f., 275, 371f., 537, 583f., 616 181f., 583, 616, 786 181, 182, 446, 455, 467, 471, 583f., 616, 695 423 122, 454, 486, 488, 493, 499, 506, 524, 541 275, 422, 444, 455, 471, 694f. 370 100 471 235, 371f., 390,
Stellenregister
3,4 3,5
3,6 3,7
3,7–13 3,8 3,9f.
3,10
3,11 3,12
3,13 3,14
3,14–22 3,15 3,16 3,17
3,18 3,19–4,3 3,19 3,20 3,21
3,22 4
4–5
393, 496, 695 429 137, 138, 198, 199, 226f., 232, 445, 471, 616, 695 423 62, 185, 276, 422, 455, 463, 694, 758, 773 105, 653 99, 372, 393, 616 88, 138, 199, 217, 390f., 393, 423, 429, 445, 522 372, 393, 423, 506, 591, 613, 616f., 623, 716, 768 371, 372, 584f., 591, 616f., 662, 695 199, 200, 231, 251, 463, 471, 524, 541, 591, 616f., 653–655 423 50, 74, 260f., 275f., 369, 422, 435, 444, 455, 463, 471, 607, 632, 641, 694 100, 105, 120, 172, 259–291, 555–557 429 171, 260f., 268, 279, 429 170, 171, 172, 174, 175, 188, 189, 200, 223, 283, 390, 424, 427, 429, 555 174, 198, 280, 283, 424, 427, 429, 555 58 174 138, 202, 232, 524, 530, 805 106, 200, 203, 231, 343, 446, 458, 468, 470f., 524, 541, 554, 585, 615f., 695, 767 423 157, 457, 486, 488f., 499, 503, 506, 535, 806 147, 235f., 328,
4–16 4–22
4,1
4,1–22,5
4,2 4,3 4,4 4,5 4,6 4,8
4,11 5 5,1–7 5,1–5 5,2 5,4 5,5 5,5–8 5,6
5,6–14 5,7 5,8 5,9 5,10
5,11 5,12 5,13 5,14 6
825 457, 499, 546 527, 786 101, 144, 340, 351f., 382, 392, 498, 506, 508, 557, 585 103, 231, 275, 345, 356f., 424, 480, 498, 505, 695, 710, 713 17, 25, 30, 89, 235, 336f., 339, 352, 355, 367, 369f., 387f., 395f., 402, 405f., 422 161f., 333, 339, 345 12, 50f., 55, 73, 78, 332, 806 50, 198 331, 349, 444, 455, 695, 704, 793, 806 138, 204, 231, 331 24, 204, 328f., 348, 384, 448, 455, 713, 784 329, 367, 384, 563f. 275, 326, 358, 450, 461, 506, 806 398, 695 457f. 361 51 449, 585, 806 58, 435 222, 348, 444, 455, 457–459, 464, 470, 493, 695, 767, 806 450, 457f., 460f. 435, 459 138, 175, 330, 459 435, 458–460, 468f., 507, 590, 615 12, 69, 73, 78, 384f., 445, 458– 460, 731 231, 459 458f. 459f., 470, 767 275, 459 488f., 515, 546, 805f.
826 6,1 6,1–8 6,1–17 6,1–21,9 6,1–22,5 6,2 6,3f. 6,5–8 6,6 6,8 6,9
6,9–11
6,10 6,11 6,12 6,12–17 6,13 6,14 6,15–16 6,17 7
7,1–17 7,1–8 7,3 7,4 7,8 7,9 7,9–17 7,10 7,11 7,12 7,13 7,14
Stellenregister 103, 361, 435, 461, 695 503, 506, 513 325 327, 339, 348f., 352, 354 359–361, 366, 386 359, 506, 801 133 58 120, 506, 696 50, 53, 696, 720 92, 362, 365, 367, 373, 381, 386, 435, 525, 532, 537, 539, 568, 604, 744 93, 207, 231, 363, 373, 402, 524, 535, 579, 582, 585, 591– 593, 620, 637, 640f. 199, 455, 592 496 179, 180, 697, 699, 701, 720 509, 701f. 176, 701, 720 175, 415, 509, 697, 702 197, 203, 207, 231, 702 592 12, 33, 235, 384, 465, 511, 697, 779, 805 33, 89, 208, 231, 336, 695, 699 335–337, 468, 592 595, 695, 703 798 70 198, 460, 462, 465, 470 30, 424, 465, 498, 579, 585, 592, 616 384, 465, 467, 470 138 384 198, 199, 232, 570, 592, 805 75, 198, 421, 445, 459f., 462, 468, 592, 613, 616, 620,
7,15 7,15–19 7,16 7,17
8,1f. 8,1–6 8,1–9,21 8–11 8,1–22,5 8,2–5 8,3f. 8,5 8,6 8,7 8,8 8,9 8,10 8,12f. 8,13 8,17 9 9,1 9,2 9,3–5 9,6 9,10 9,10–17,2 9,11 9,12–15 9,14 9,13–16 9,15f. 9,16–19 9,17 9,18 9,19–10,1 9,20 10,1 10,1–5 10,1–11 10,1–11,13 10,2 10,3f.
713, 716, 781 204, 208f., 231, 462, 616, 781 465 466, 469, 781, 806 182, 183, 209, 231, 459, 462, 466, 469f., 781 27, 359, 511 325f., 328, 330, 339, 343, 388 325 807 165 196, 343 231, 330, 579, 585 349, 585, 697f., 700, 720 669 278, 697 210, 232, 697, 765, 769 765, 769 197, 509 509, 701 199, 224 767 554 197, 211, 231, 713 161, 698, 701 66 35, 701 50 58 801 58, 224 506 769 212f., 720, 770 713 698f. 720 59 12, 275, 337, 359 54, 55, 197, 231, 453, 669, 695, 807 24 89, 336 33, 235, 329, 384, 511, 585 415 697, 700
Stellenregister 10,4 10,5–9 10,7 10,8–11 11 11,1 11,1f. 11,1–13 11,2 11,3–13
11,4 11,6 11,7
11,8 11,10 11,11–14 11,15–19
11,15–12,1ff. 11,16 11,17 11,18 11,19 12
12–20 12,1–5 12,1–17 12,1–15,4 12,2f. 12,4 12,5 12,6 12,7 12,7–9 12,8 12,9
33, 697 59, 807 67, 214, 231, 669 498 12, 90f., 276, 369, 607 124, 336f. 123, 125, 134 333, 336 30, 336, 496, 498, 593 308, 336, 369, 487, 496, 593, 596, 602– 604, 620, 641, 725 69, 308 308, 696f. 30, 70, 160, 308f., 369, 498, 593, 608, 620, 641, 726 590 199, 369, 596 24, 89, 224, 593, 698f., 720 325f., 328, 338, 339, 349, 384, 388. 436, 467, 511, 720 27, 214 138, 328, 385, 448 183, 214, 231, 331 124, 331, 343, 346f., 349, 784 12, 30, 34, 102, 114, 141, 467, 489, 492, 498, 507, 540, 623, 770, 774, 794, 798, 801f. 569 103, 347, 509, 695 33, 89, 336, 466, 498 27 310, 346, 466 466, 805 182, 462, 466f., 507, 537, 805 302, 496, 593, 805 145, 212, 103, 197, 457, 703 215, 232 113, 140, 211f., 215, 393, 507
12,10 12,11
12,12 12,13 12,14 12,17
12,18–13,18 12–14 13
13–17 13,1
13,1–10 13,1–18 13,2 13,3
13,3–13 13,4 13,5f.
13,7
13,8
13,8–18 13,9
827 427, 436. 467, 612– 615, 697, 781 92, 93, 215f., 231, 367, 386, 395, 445, 459f., 467f., 590, 596, 607, 612–617, 620, 781 467, 507, 527, 612– 615, 781 624 301f., 496, 593 70, 92, 103, 104, 362f., 365, 372, 386, 428, 467, 507, 604, 612, 623, 625 622 102, 451, 511 12, 17, 80, 111, 112, 115, 127, 130, 132, 133, 141, 144, 402f., 483, 489, 492, 498, 507, 510, 599–602, 617, 795, 801f., 808 805 113, 122, 293, 299, 310, 500, 507, 600, 713, 726 424 336 141, 310, 600, 624, 684, 713 81, 122, 127, 131, 134, 136, 302f., 310, 526 308 113, 303, 310, 507, 620, 624 216, 231, 301, 306, 489, 496, 507f., 593, 596, 600 12, 70f., 78, 125, 304, 467, 525, 570, 579, 585, 593, 600, 625 94, 104, 199, 226, 306, 508, 570, 579, 585, 620, 625f. 308 35, 373, 381, 500, 508, 570, 579, 585, 612, 615
828 13,10
13,11 13,11–17 13,12
13,13 13,14
13,15
13,16 13,17 13,18
14,1 14,1–5 14,1–13 14,1–20 14,2f. 14,4 14,6–13 14,6–20 14,7–11 14,8 14,9 14,10 14,11
Stellenregister 12, 69–71, 78, 93, 125, 365, 507f., 513, 524f., 570, 579, 585, 590, 594, 596, 612–615, 623, 625 113, 133, 309, 612 134, 141 81, 94, 104, 113, 141, 142, 199, 306, 507, 525f., 612, 620, 726 308, 612, 684, 726 104, 120, 131, 199, 217, 232, 301f., 367, 394, 508, 525, 594, 597, 599f., 612, 726 69, 93, 94, 301, 306, 381, 513, 524f., 535, 537, 594, 597, 599–602, 612, 620, 623, 726 125, 381, 508, 513, 525, 594, 596f., 803 24, 125, 307, 381, 513, 594, 597, 803 12, 35, 43, 61, 73, 83f., 87, 97, 120, 126, 131, 144, 313, 492, 500, 508, 525, 550 446, 459, 468, 471, 654, 695, 779 462, 468f., 561 235 89, 336, 338 468, 697, 700, 703 73, 74, 460, 462, 468 237, 343 30, 498, 665 715, 721 52, 124, 313, 394, 513, 528f., 594 104, 126, 217, 233, 594, 620, 803 126, 217, 229, 233, 278, 594, 738 175, 176, 217, 229, 232, 594, 620, 625, 803
14,12
14,13 14,14 14,14–15,8 14,14–16 14,14–20 14,17–19 14,19f. 15 15,1 15,1–16,21 15,2
15,3 15,4 15,5 15,6 15,7 15,8 15,9 15,8–11 15,8–16,2 16 16,1–21 16,2 16,3–14 16,5 16,6 16,8–10 16,10 16,12–16 16,13 16,15 16,16 16,17–21 16,17–19,10 16,18
35, 362f., 365, 372, 386, 590, 594, 596, 604, 615, 623, 625 217, 233, 329, 594 197, 218, 232, 236, 446, 704, 716 236, 328, 331, 339, 343, 347, 388 457 29, 347, 441, 449, 451, 455, 457, 461 457, 491, 784 219, 232, 344, 463 196 196, 331, 343–346 511 104, 106, 278, 331, 337, 343, 394, 585, 616, 620, 626, 803 328, 337, 343, 384, 459, 468, 585 138, 160, 337, 343, 384. 446, 459, 585 331, 333, 784 62, 196, 231, 326, 333, 346f., 453, 758 196, 331, 333, 344 196, 333, 717, 784 717 716 60 807 235 506, 620, 696, 803 7, 17 220, 232, 384, 448, 455, 716, 718 92, 369, 384, 594, 596, 629, 641 718 141, 506 220, 232, 506, 528, 697 307, 726 233, 325, 327, 329, 338f., 695 484 59, 326, 328, 339, 344, 348f., 513 34 528, 697, 699, 703, 720
Stellenregister 16,19 17
17,1–3
17–18 17,1–19,10 17,2 17,3 17,3–6 17,4 17,5 17,6
17,7–18 17,8 17,9–11
17,10 17,11 17,12–14 17,14
17,16f. 17,18 18 18,1 18,1–24 18,2 18,3 18,4 18,6 18,7
124, 224, 313, 331, 512, 521, 527f., 699 10, 12, 127, 130, 132, 302, 392, 498, 507f., 513, 795, 801f. 327, 339, 348f., 352, 354, 357, 361, 384, 424, 521, 576 89, 336, 512, 527 237, 337, 347f., 384, 540, 807 199, 348, 394, 576, 802 122, 333, 339f. 133 394, 424 83, 124, 313, 424, 722 92f., 369, 424, 524f., 595f., 602, 607, 620, 641, 726 528 127, 199, 226, 302f., 525 86, 88, 91, 121– 124, 144, 311, 500, 508, 526, 528, 563f., 717, 793 88, 496f., 723 302f. 122, 177, 301, 526f., 723 177, 179, 189, 221f., 231, 233, 444f., 462f., 531, 727 126, 301f., 362, 526–528 500, 508 133, 513f., 519 529 89, 336 124, 184, 313, 329, 528f, 722 52f., 171, 329 348, 394, 529, 577 100, 223, 232, 327, 423, 427, 524, 722 229, 231, 278, 529 223, 224, 229, 231f., 696
18,8 18,9 18,10 18,13 18,15 18,18 18,19 18,20 18,21 18,23 18,24 19–22 19,1–6 19,1–10
19,1–21,8 19,2 19,3 19,4 19,5 19,6 19,7 19,8 19,9
19,10
19,11
19,11–16 19,11–21 19,11–27 19,11–21,8 19,11–20,15 19,11–22,6 19,12 19,13 19,14 19,15
829 126, 176, 327, 529, 722 577 124, 224, 231, 313, 367 330 171, 365 698 171 224f., 231, 327, 528 124, 313, 529 394 92, 525, 595f., 620, 641 503, 509, 517, 519 512, 514 326, 328, 332, 339, 344, 349, 384, 388, 521 27, 224 394, 531, 595 176, 529, 531 531 521, 595 328, 384, 459, 805 462, 514, 531 35, 384, 459, 462, 514, 531 202, 327, 329, 339, 348f., 352f., 357, 362, 384, 386, 512, 524, 531 35, 138, 229, 339, 348, 362, 365, 381, 384, 386, 436, 446, 453 51, 74, 455, 485, 514, 531, 540, 548, 769 89, 336, 462, 515, 530 138, 306, 461, 696, 727 237, 450 347, 540 237, 339, 730 335, 530f., 665, 769 362, 463f., 530 462 161, 182f., 285, 455, 463
830 19,16 19,17–21 19,17–21,3 19,18 19,19–21 19,20
19,21 20 20,1 20,1–6 20,1–10
20,2 20,3 20,4
20,4–6
20,6
20,7–10
20,8 20,9 20,10 20,11
20,12
20,13
Stellenregister 221, 444f., 462f., 525, 695 21, 157, 746, 766 156 50, 208 220, 301, 306, 509f., 514, 517, 537 104, 126, 229, 344, 394, 463f., 620, 726, 803 285, 510, 731, 737 484, 533, 535, 538, 549, 752, 801 314, 534, 805, 808 479, 481, 490, 514, 517, 531f., 89, 211, 237, 242, 336f., 510, 665f., 742 485, 510, 534, 805, 808 394, 510, 534, 537 92, 104, 157, 203, 225, 229, 231, 362f., 367, 386, 435, 470, 485, 514, 517, 537, 604, 607, 620f., 623, 626, 731, 803 29, 35, 144, 338, 514–519, 534, 538, 541, 544, 549, 570, 579, 585, 595–597, 665, 703, 730, 743 327, 329, 385, 445, 460, 470, 535, 539, 596, 731, 749 21, 225, 231, 514f., 517–519, 534, 538, 730, 746 157, 394, 510, 731 51, 159f., 227, 445, 510, 737 157, 229, 394, 504, 510, 517, 726 50, 230, 344, 485, 509, 516, 531, 542, 669 226f., 230, 231, 415, 517, 541, 669, 734, 737 227, 231, 514, 516,
20,11–15
20,14 20,15 21 21,1
21,1–4 21,1–5 21,1–8
21,1–22,5
21,2 21,2–7 21,3 21,4 21,5–8 21,6 21,7
21,8 21,9
21,9–27 21,9–22,5
21,10–27
21,11.18–20 21,12f.
541, 669, 745–747 89, 237, 242, 276, 336f., 514f., 519, 665f. 176, 229, 344, 517, 519, 541, 669, 738 226, 228f., 233, 665 105, 479, 538, 540f., 549, 798, 801 233, 237, 240, 260, 327, 344, 516, 521, 532f., 539f., 542, 550, 672, 695, 715, 746 238, 240, 243, 337, 516, 544 235–257, 238, 243, 257 157, 229f., 326, 328, 332, 339, 344, 388, 540, 544, 656 103, 236, 332, 339, 465, 469, 510, 514, 518, 540, 654f. 532, 653, 672f., 695 540 157, 237, 245, 255f., 521, 544 466, 521, 654, 674 238, 332, 386, 430, 551 209, 237, 275, 369, 532, 616, 104, 105, 106, 237, 395, 524, 532, 541, 616 93, 176, 229, 237, 344, 510, 540–542 327, 339, 348f., 352, 354, 357, 361, 384, 446, 518, 658, 669 540 23, 24, 86, 89, 237, 336f., 344, 347f., 384, 532, 540, 668, 672 200, 333, 339f., 544, 653, 658, 661, 695 332, 369 50, 518, 697
831
Stellenregister 21,14 21,16 21,22
21,22–22,5 21,23 21,24–26 21,25 21,27 22,1 22,1–5 22,2 22,3 22,4 22,5 22,6 22,6–9
22,6–21
22,7
22,8
83 481, 518, 543, 658 124, 156, 199, 230f., 237f., 469, 544 669 469, 669 510, 543, 674, 745 544 226, 541 203, 209, 357, 466, 518, 809 469 233, 544, 809 203, 230, 232, 459, 468, 469, 595, 654 669 359f., 470, 544, 669, 674, 809 449, 480, 505f., 595 33, 327, 339, 343, 347–349, 352–359, 361–363, 365, 387 11, 19, 35f., 86, 89, 337, 352, 413, 425, 443 329, 357, 361, 372, 386, 413, 419, 425, 428, 430, 443, 447f., 695 138, 357, 384, 386,
22,9
22,10
22,11 22,11–20 22,12 22,13 22,14 22,15 22,16–21 22,17 22,18
22,19 22,20
22,21
425, 430, 446 363, 365, 372, 380f., 386, 413, 436, 446, 567, 673 106, 352, 357, 359, 361, 361f., 386, 413f., 419, 428f., 430, 443, 497, 673 35, 73, 74, 75 340, 354, 356, 395 447f., 695 275, 448, 471 329 282 45, 369, 380, 430, 448f. 447f., 466, 530 54, 357, 369, 372, 407, 413, 419, 428, 430, 443, 496, 566, 708, 759 413, 419, 428, 430f., 443, 708, 759 29, 369, 414, 421, 444, 447f., 494, 530, 641, 695 48, 86, 87, 88, 232, 340, 414, 421, 425, 444
2 Frühjüdische Literatur 2.1 Philo von Alexandrien De opificio mundi 273 52
Legatio ad Gaium 369 215
2.2 Flavius Josephus Antiquitates Judaicae 6,344 215 7,14,7 205 14,39 596 15,8f. 596 17,271–277 303 17,278–285 303 18,32 121
20,122
129
De Bello Judaico 2,52.59.63.74.236 2,433–440 4,503ff. 6,300 7,417–419
129 304 304 208 587
832
Stellenregister
2.3 Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit 2 Baruch 10,1–3 11,1 12,3 20,1 21,23 24,3 25,1 25,3 28 30 32,6 40,1–3 42,7 48,32 50 67,7 70 72 73,3 83,9
124 124 201 719 228, 745 206f. 199 214 693 516f. 238 719, 729f. 745 199 517 124 214, 696 729 731 505
3 Baruch 1–2 6,1 9,1.3 9,7 11,3–9
418 704 704 211 210
4 Esra (=2 Esdras) 2,40 3–14 3,1–2.28–31 3,12.34–35 4,26 4,33–37 4,41–43 5,1 5,5f. 6,18–29 7 7,1–9,22 7,6–10 7,10–25 7,26–30 7,28–31 7,30 7,31–38 7,32
198 659 124 199 718 206f., 228 199 214 228 515f., 538, 659 243 659 659 515ff., 519, 659, 719 731 244 228 228, 736, 745
7,36 7,49–51 7,99f. 7,113 8,52 8,63 9–13 9,3 9,24f. 9,26 9,38–10,4 10,5–24 10,24–27 10,41–45 10,52 10,55 10,60–62 11–12 12,34 12,37f. 13 13,5 13,5–7 13,12f. 13,30f. 13,32–38 13,36f.47f. 14,5f. 14,45f. 15,16–18 15,35f. 16,44
217 238, 244 239 244 198, 244 659 659 214 660, 669 659–661 660 660 660 660 659f. 543, 660 659 121, 122, 730f. 429, 661 451 208 696 663 214 729 663 429, 504 429, 504 214 219 124
1 Henoch 1–36 1,1f. 1,6 5,4 6,6 6–16 7,1–15 8,4–9,2 9,4 9,9f. 10,6 10,17 12,4 14,5 14,8.15 14,22
561 418, 429 699, 705 216 212 211 807 206f., 210 178, 221 206f., 210 229 750 212 215 204, 231 206
Stellenregister 14,23 15,2 15,3 15,6–8 16,1 18,1–5 18,13 18,15 19,1 21,3 22,3 22,5–7 22,12 24,4–25,6 25,6 27,2f. 32,3 37–71 37,5 38,5 39,12 40,1–10 40,2 40,6–7 45,3f. 46,1f. 46,3f. 47,1–4 47,3 48,1 48,5 48,9 48,10 51,1 51,3 52,4 52,6 53,3 54,6.9 55,1 55,4 56,1 56,5 57,1 60,11–22 61,8 62,2 62,3.5 62,7.9.14 62,11 62,12
204f. 209 212 215 214 208 210 212 212 211f. 210 206 206f. 198 230, 232 216f. 198 6, 219, 451 199 223f. 203, 231 213 204, 231 199, 209 203, 208f., 230 218, 233, 502 203, 226 207, 209, 276 415, 535 209 199 217, 233, 738 203 203, 228, 230, 745 230, 233 203 210, 705 213 199, 212, 217 199 203, 230 213 220, 232 214 220 203, 230, 233 203, 230, 233 197, 207f., 230f., 233 203 213 738
62,14 63,1 63,5 63,11 66,1 67,7 69,6 69,22 69,26–29 71,10 72,5 73,2 75,3 76,1–14 81,1–4 81,4 83f. 85,3 85,8 86,1 86,1–3 87,2 88,1 89–90 89,9 89,10 89,11 89,12 89,58 89,76 90 90,6 90,8 90,9.12f. 90,19 90,20f. 90,26f. 90,28–32 90,29.36 90,32–35 90,37–39 90,92 91,1 91,9 91,10 91,11–17 91,12 91,14 91,15 91,16
833 202 213 197 203 212f., 220 199, 217 211f., 232 207, 220 203, 226, 230 502 704 704 220 208 415 218, 233 504 198 198 197, 231 211f. 198 197, 231 440 198 198 198 198 224f. 210 196 198, 222 222 222, 233 223 196, 198, 211, 226f., 276, 415 217, 228, 232 198, 198, 199, 231 543 231 222 199 196 705 516 242, 504, 515, 517, 519 223, 225, 229, 515 242 229f. 229, 233, 238, 242,
834
Stellenregister
104,10f. 106,2 108,3 108,4 108,8 108,8–15 108,10 108,12
515, 542 516 693 515 242, 504 223 224f. 223f. 223f. 218 201 210 202, 207, 223 200, 201 223f. 207, 210 214 213, 232 201 217f., 232 219, 232 210 216 227 201 201, 207, 210, 223, 227, 232, 415 431 197 226f., 415 210f., 223 232 215f. 203
2 Henoch 1,5 2–5 8–9 10,3 11 18,3f. 19,1–4 39,1 65,9
197 220 198 213 704 212 220 505 238
92,3 93 93,1–10 93,9f. 94,2–4 94,10 95,3 96,1 96,3 96,4 97,2.5 97,4 97,8–10 98,12 99,3.16 99,4 99,7 99,10 99,13f. 100,3 100,10 101,3 103,2 103,9–15 104,1–6
Apokalypse Abrahams 25 561 29,17–20 223
Apokalypse Elias 1,8 3,98 5,6 5,22–24 10,5
20 238 198 705 543
Apokalypse Moses 17,1 211 28,4 198 Apokalypse Zephanjas 4,1 205 6,11 197 8,1 205 Aristeasbrief 311
431
Ascensio Isaiae 1–5 1,8 1,9 2,1 2,4 2,9–11 2,12 2,16 3,6–10 3,13–4,22 4,1–13 4,1–22 4,2f. 4,4 4,5–9 4,6 4,11f. 4,13 4,14 4,16 5,9 6–11
131 307 306 306 300 306 307 307 307 131, 295 129, 130, 220 294–315 300f. 301 303, 307 305 301f. 306 301f., 306 301, 306 307 294
Assumptio Mosis 1,17f. 9,6f. 10,5 10,6
429 592 179, 180 238
Joseph und Aseneth 15,4 227 15,9 197
835
Stellenregister 22,7
197
Jubiläenbuch 1,29 2,2 4,15 4,30 19,9 22,16 23,23 23,30 30,22 36,10
238 220 212 721 415 223 214 223 415 227, 415
Liber Antiquitatum Biblicarum (=Pseudo-Philo) 3,3,9 199 3,10 228 2,12 199 4,16 199 33,3 228 Sibyllinische Orakel 1,156 214 2,8f. 696 2,20 697 2,64–73 310 2,165–170 684 2,167 310 2,195–205 229, 705 2,221–237 228, 705 2,311 693 3 132 3,8,4 697 3,26 697 3,63–67 684 3,63–74 129, 130, 220 3,82 747 3,83–87 238 3,84–92 705 3,300–309 125 3,307–313 206f. 3,311f. 594 3,314–317 722 3,316 718 3,621f. 749f. 3,350–364 125 3,364 723 3,544 720 3,635–637 214 3,652–660 533 3,663f. 696
3,672 728 4 132 4,115–127 310 4,119–124.130–139 127 4,130–134 211 4,137–139 302 4,120,139 220 4,121 300 4,173–180 705 4,176–181 238 4,179–191 228 5 132 5,10–51 121, 122, 128, 306 5,29f. 300 5,33f. 128, 129, 130, 302, 305, 310 5,54–59 722 5,77–85 722 5,137–154 310 5,141f. 304 5,142.145f. 300 5,143.159 124, 302 5,143–151 127, 302 5,158–161 238, 313 5,214–227 310 5,228–246 310 5,251f. 543 5,343 622 5,281–283 749f. 5,361–370 129, 130, 302 5,361–374 310 5,512f. 212 7,119–126 705, 719 8,68–72 128, 129, 130, 310 8,88–92 310 8,139–150 302, 310 8,146 302 8,157 622 8,233–239 719 8,242 733 8,346 699 8,357 693 8,413–416 733 Testament Abrahams 3,12 199 Testament Dans 6,2
210
836
Stellenregister
Testament Josephs 19,8f. 222 Testament Judas 24,5 25,3–5 Testament Levis 2,6 3,3 3,5 8,2 13,9 18,11 18,59f.
449, 458 516
204 212f. 210 196 203 198 227
Testament Moses 3,1 7 9,6f.
220 216 207
Vitae Adae et Evae 9,3 11–17 16,3 38,3 49
210 212, 313 211 208 705
2.4 Qumran 1QH 1QS 1QM 1Q19 1Q20 1Q32
220 205, 229 212f., 300, 696 197 197 200
4QNJ 4Q201 4Q202 4Q203 4Q204 4Q212 4Q213 4Q225 4Q242 4Q246 4Q381
543 216 221 192 192 242 204, 210 224 213 214 227
4Q403 4Q521 4Q530 4Q554
200 203 205, 226f. 200, 543
5QNJ 5Q15
543 200
11QNJ 11QMelch 11QTemp 11Q18
543 212 249, 543 200
CD A ii 5 CD A ii 17–19 CD A x 9
229 212 199
2.5 Rabbinisches Schrifttum 3 Henoch 23,18 Talmud Babli Shabbat 114
Genesis Rabba 86
198
198
268
837
Stellenregister
3 Nichtliterarische Texte 3.1 Papyri P 98
Oxyrhynchos-Papyri 12 4499
P 115 Neutestamentliche Papyri P 18 58, 67, 76 P 24 58, 67, 76 P 25 55 P 43 60, 67 P 47 58, 65, 66, 76, 77 P 85 57, 59, 67, 76
57, 58, 61, 67, 68, 75, 76 57, 58, 66, 67, 75, 76, 77
Septuaginta-Papyri P 967 156, 157
3.2 Inschriften Ephesos 232; 232A; 233; 234; 235;237; 238; 239; 240; 241; 242; 1498 428 428; 449; 618; 742; 814; 921
IMont 1–2 71; 83 87
655, 665 656 674
135 109
Rheneia
206f.
143
Smyrna 594
109
IG IV 2,384
110
4 Griechische und römische Literatur Anonymous Latinus De Physiognomonia 89 286 Antonius Polemon De Physiognomonia 148 112f., 285 Aristoteles De Generatione et Corruptione 6,333A16 273 Meteorologica 4,1,387b10–13
272
Physica 3,3
272
808b
284
Artemidorus Oneirocritica 1,66
265
Cassius Dio 41,14,4 47,18,4f. 55,11,1f. 57,18,4 62,18,3f. 66,23,1 67,4,7 67,13,4 69,12
378 378 733 378 378 211 427 427 95
838
Stellenregister
Commodian Instructionum Liber 1,41,1f.13f. 308, 312
Pausanias 1,18,6 9,39,3–14
110 279
Dion von Prusa Orationes 21,10
Philostratus Vita Apollonii 4,38 6,42
622 120
128
Diogenes Laertius 7,134,137 273 7,137 271 Euripides Hekabe 348
215
Dioskurides De Materia Medica I 33 268 Galen De Compositione Medicamentorum 167–169 280–283 De Naturalibus Facultatibus 1,3,8 273 1,6,12 271 3,7 284 3,8,168–172 284 De Placitis Hippocratis et Platonis 5,3,8 271 De Temperamentis 510.519 272 Quod Animi Mores 32,1f. 285
Vitae Sophistarum 1,21 120 1,25 142 532 285 Plinius der Ältere Historia Naturalis 14,148 595 Plinius der Jüngere Epistulae 6,16,11,20 211 10,58,9.10 136 10,96f. 87, 91, 92, 126, 523, 626, 629, 631 Plutarch De Iside et Osiride 57F; 366A 623 Moralia 73D
290
Pseudo-Aristoteles 813b 23–7 286, 289 813b28–35 286 Pseudo-Platon Epinomis 989b
610
Herodot 2,156 4,181–183
623 266, 269
Scribonius Largus Compositiones 6 290
Historia Augusta Vita Hadriani 3,6
109
Sextus Empiricus Pyrrhoneiae Hypotyposeis 1,101 268
Horaz Ars Poetica 2,3,345
433
Strabo Vita Aesopi 2–3
265
839
Stellenregister Sueton Augustus 94,12
Tiberius 14,4
377
377 377 555–557 379 126, 379, 629
133 377 128, 302 377 379
377
Caligula 19,3 57,2
377 377
Claudius 27
377
Tacitus Annales 6,20 6,22 14,27 15,41 15,44
Domitian 7 7,2 13,2 14,2 15
506 120 427 563 377
Historiae 1,2 1,22 2,8 2,78 4,54
Nero 16,2 31,1f. 39,2 47,2 57
126 301 300 127, 127, 128
Otho 4,1 6,1
Ulpian De Officio Proconsulis Coll. 15,2,1 374 Coll. 15,2,3 375 Coll. 15,2,5f. 375f. Xenophon Memorabilia 3,13,3 4,6
377 377
266 610
5 Antikes Christentum 1 Clemens 4,9 5,1 5,1–5 5,2 5,7 5–6 6,1 34,6 65,2
638 619 638 587 633, 638 588 629, 637 205 421
Acta Iustini 6,1
632, 636, 642
Acta Martyrum Scilitanorum 15 606
Andreas von Caesarea Kommentar allgemein 755–774 Apokalypse des Petrus 1,2 695 1,6 697 2,12 684 4,2 697 4,3 705 4,7–9 705 4,10–12 228 5 705 5,7 697 Apokalypse des Thomas Kurztext 687–692 6 698
840 8
Stellenregister 699
Apollonius Fragment (= Euseb, h.e. 5,18,2a) 664 Augustinus von Hippo De Civitate Dei 20,6–9 482 Barnabasbrief 1,7 4,5 5,3 5,13 17,2
505 299 505 636 505
Beda Venerabilis Explanatio Apocalypsis 3,14 282 Codex Theodosianus 16,5,31,4 674 Cyprian Epistolae 59,3
312
Cyrill von Jerusalem Procatechesis 16,8 657 Didache 10,6 14,1 16 16,5 16,8
447, 530 783 684 734 197
Epiphanius von Salamis Panarion 1,1,1 418 48,1,4 654, 664 48,2,4.6 670f. 48,10,3 668 48,11,1.9 667 49,1 651f., 654, 674 49,2,3f. 674 Eusebius Historia Ecclesiastica 2,23,18 632
3,18 3,20,5 3,20,8f. 3,23,14.18 3,20,6 3,28,2.4 3,32,5 4,6,1–4 4,18,6 4,26,9 4,27 5,1 5,1,4 5,1,32 5,1,30 5,2,2–4 5,2,3,5 5,8,6 5,6,17 5,16 5,17,1 5,18,2 6,41 7,24f. 7,25,22–26 8,6,6 18,2 33,18,1–3
118, 320, 590, 619, 643 621 379 637 633, 637 482 633 662 146, 620, 622 657 629, 635, 637 636 646 639 632, 636–639, 640 642 402 587, 663 657–659, 670f. 663 657, 662, 664 598 475, 482 475 643 663 402
Vita Constantini 3,65
674
Firmilian von Caesarea Epistula (= Cyprian, ep.) 75,10,3 664 Hirt des Hermas Similitudes 8,1,18–2,3; 8,3,6 9,28,3.4 9,28,4.7
587 635 642
Visiones 3,1,9–2,1 3,2,6–7; 3,5,2
635 587
Hieronmyus De Viris Illustribus 10 590
841
Stellenregister Hippolyt De Christo et Antichristo 6 303
35,2 36,3 50,30,3
In Danielem 2,35,9
640
Ignatius Ep. ad Magnesios 11
644
Justin Dialogus cum Tryphone Judaeo 1,3 146 9,3 146 14,8 187, 197 80,2–5 482 81,4 145, 146, 742 96,2 643 110,2 306
Ep. ad Philadelphios 9,2 644 Ep. ad Polykarpum 3,2 645 4 646 Ep. ad Smyrnaeos 1 644 5,1 644 12,1 268 Ep. ad Trallianos 6,2 9,1f. 10 Irenäus Adversus Haereses 1,27 3,3,4 3,12,10 3,16,6 3,18,5 4,15,1 4,20,1 4,20,8 4,20,11 4,33,9 5,8,4 5,13,4 5,25–30 5,23,2 5,30,1–4 5,31,1 5,32,1 5,26,1 5,30,3 18,1 28,3
278 644 644
655 636 637 645 632, 643f. 637 620 645 119 630 637 637 299, 320, 620 721 84 482 482 119 118, 131, 313, 402, 560 645 620
1 Apologia 8,1 26,3 44,12f.
620 620 619
643 146 378
Laktanz De Mortibus Persecutorum 2,8 302 Divinae Institutiones 1,1,10 715 1,5 710 2,12,8 738 2,12,19 743 3,652f. 729 4 736 4,25,2 726 4,27,16 733 4,30,11 726 5,1,8f. 709 5,107–109 729 5,2,4 726 7 710–712, 751 7,17,1–3 725 7,19,5 746 8,10 710 14,1 709 15,11–19 722, 725 16,1 723 17,2 725 17,4–8 726 18,5–7 729 19,8f. 732 20,1–26,6 731–743 23,1 747 24,2f. 743 24,6 746 25,5 722
842 26,2.5 26,6 66,9
Stellenregister 746 737 726
Michael der Syrer Chronik 9,3 665
Epitome Divinarum Institutionum 7,19–26 482 Martyrium der Agape 2,1. 4 609 Martyrium des Fructuosus 4,1 609 Martyrium von Lyon und Vienne allgemein 587, 598, 632 13 592 36; 42 609 Martyrium des Maximilian 3,2 609
Origenes De Principiis 1,5,5 2,11,2–7 4,2,4 3,4,3
313 475 763 269
Petrusakten 25
761
Tertullian Adversus Marcionem 1,24,4 668 1,29,4 667 3,24,4 667f. Adversus Praxean 30,5 666
Martyrium Perpetuas 2,3 637 9,1 587 17,3 587 21,7 636 21,11 587
De Resurrectione Mortuorum 63,7,9 666 De Virginibus Velandis 1,4–7 666
Martyrium des Pionius 22,2 609
De Ecstasi (= Praedestinatus) 1,26 664
Martyrium des Polykarp 1,1 606, 631, 636 2,1 606, 638 2,2; 3,1f.; 12,1 587f. 4; 8,2; 11,2 631 7,1 643f. 9,2 642 14,2 592, 606, 631, 637 17,1; 19,2 609 18,3 630, 632 19,2 631 21 632
Victorinus von Pettau Commentarius in Apocalypsin 3,3 282
4 Nag Hammadi Corpus I4 II 94,21–22 II 94,25f.
705 314 314
II 95,10–13 II 86,30f. XIII 1
314 314 653
Autorenregister Abasciano, B. J. 153, 155 Acerbi, A. 294, 684 Achtemeier, P. J. 23, 34 Adamietz, J. 382 Adrados, F. R. 760 Agouridis, S. 776, 788f Aichele, G. 32 Aland, B. 46f, 58–60 Aland, K. 46f, 58–60, 403, 663 Alcasar, L. a. 360 Alexander, P. S. 213 Alivizatos, H. 777 Allison, D. C. 200 Allo, E.-B. 117, 121, 123, 132, 179, 186, 342 Alter, R. 28 Antipas, Archim., Abt auf Patmos 776, 787 Argyriou, S. 781 Armbruster, J. 476 Ascough, R. S. 14 Ashmole, B, 109 Assemani, J. [G.] S. 655 Assmann, J. 706 Atkinson, K. 24 Attridge, H. W. 432 Atzberger, L. 712, 725, 737, 739 Auerbach, E. 712 Aune, D. E. 1, 5–7, 9–12, 16f, 19f, 24, 27, 29, 33, 35, 50, 56, 58f, 76, 79, 81, 83, 89–91, 97, 121, 123f, 127, 162, 178f, 184, 192, 195f, 198f, 203–209, 211f, 215f, 219–221, 223, 226, 237f, 256, 259–261, 263f, 268f, 275–277, 279, 322f, 325–327, 333, 336–339, 345–349, 351f, 354–356, 358, 360, 366, 368, 372f, 380, 382, 387f, 391, 395–397, 401, 403–405, 407, 417f, 421, 426, 429f, 462f, 465, 502, 511–513, 515, 525–528, 530,
533, 539, 541f, 556–559, 567–569, 571, 573, 575–577, 579–581, 584, 588, 590–597, 606f, 612, 614–616, 619f, 622f, 626, 641, 683, 715, 724, 726, 746 Aurenhammer, H. 474 Avemarie, F. 589, 598 Babcock, W. S. 794 Bachmann, M. 4, 8, 319f, 388, 478 Backhaus, K. 4f, 14, 19f, 113f, 327, 383, 386, 417–419, 426, 431, 433, 449, 453, 498 Backus, I. 31, 45 Bailey, K. E. 23 Balás, D. 31 Ball, B. W. 484 Baltzer, D. 248 Balz, H. 273 Barattolo, A, 109 Barclay, J. M. G. 13 Bardenhewer, O. 755 Barnes, T. D. 667 Barnett, P. W. 24, 104, 304 Barolsky, P. 31 Barr, D. L. 27, 29f, 34, 324, 429 Barth, G. 341 Barth, H. 337 Barthel, J. 364 Bauckham, R. J. 5, 10–12, 24, 26, 130–133, 138, 151, 195, 207, 219, 228, 343, 344, 346, 349, 352, 359, 441, 475, 479, 481, 484, 486, 507f, 528, 540, 556, 593, 599, 683f Baudy, G. J. 379, 628 Bauer, T. J. 4, 6, 11f, 15, 30, 322, 327, 335, 338, 344, 348, 387, 481f, 534f, 538 Bauer, W. 175, 311, 413
844
Autorenregister
Baumeister, T. 60f, 74f, 588, 605f, 619, 630, 635, 638–640, 642, 645–647 Beacham, I. R. 59 Beagley, A. J. 599 Beale, G. K. 2, 3, 6, 8, 21–23, 26, 44, 56–59, 65, 88, 105, 113, 118, 121, 123f, 132, 135, 138, 149, 151, 153, 155f, 161, 165–167, 169f, 172, 177f, 182–184, 187, 193, 201, 216, 222, 261, 320, 326, 328, 342–344, 346, 349, 355, 357, 359f, 373, 391, 403, 431, 463, 479, 487, 492, 501f, 505, 510, 533, 575, 599f, 602 Beasley-Murray, G. R. 170, 222, 438 Beck, H.-G. 755 Becker, J. 320 Becker, U. 341, 364, 413 Beckwith, I. T. 193, 195, 420 Bedenbender, A. 683 Beentjes, P. 345 Behm, J. 26 Behr, C. A. 109 Beile, R. 11 Belezos, K. 789 Bell, A. A. Jr. 81, 83, 88f, 119, 122, 130, 133, 554f, 561, 563 Ben-Daniel, G. 20 Ben-Daniel, J. 20 Bengel, J. A. 47 Benjamin, A. S. 110 Bentley, G. E. 804, 807f Berger, K. 79f, 82, 124, 126f, 130, 136, 320, 337, 413, 428, 432, 716 Berger, P. R. 288 Bergmeier, R. 335–357, 405, 527, 539, 622–624, 641f Bernett, P. 104 Beutler, J. 362, 365, 605–608, 643 Beyschlag, K. 621, 633, 638 Bick, J. 686 Bieder, W. 594, 596 Bietenhard, H. 534, 538 Biguzzi, G. 16, 19, 123f, 135, 622 Bihlmeyer, D. P. 686–689, 693f, 696–702, 704 Billerbeck, P. 227, 359, 391 Bindman, D. 806f, 809f Bingham, D. J. 31 Binns, J. 774 Birdsall, J. N. 43, 63, 66
Black, M. 195, 221 Blake, W. 796 Bleicken, J. 400 Blenkinsopp, J. 364 Blevins, J. L. 25 Blomberg, C. 345 Bloom, H. 806 Bloomquist, L. G. 33 Blount, B. R. 2, 4 Blum, G. 475, 481 Boatwright, M. T. 95 Boccaccini, G. 386 Böcher, O. 1, 31, 118, 235, 388, 473f, 478f, 487, 492, 599, 619 Bodenmann, R. 598 Bøe, S. 21f, 156, 518 Boeckh, A. 109 Boesak, A. 38 Bogaert, P.-M. 118, 749 Boismard, M. É. 337 Boll, F. 488 Bonhöffer, A. 633 Bonwetsch, N. G. 663 Borgen, P. 14 Bori, P. C. 685 Boring, M. E. 27f, 430, 439, 454, 572, 579 Bornkamm, G. 341, 358f, 511f Bornkamm, H. 437, 483 Böttrich, C. 449, 251 Boumis, P. 789 Bousset, W. 44, 48, 56, 93, 98, 101, 113, 117, 123, 127, 135, 185, 192, 293, 322, 327, 335f, 338, 346f, 349–351, 354, 356, 358, 360, 367, 406, 476, 485, 487, 489, 505, 512, 526f, 529, 591–593, 595f, 602, 623, 647, 730 Bowie, E. 142 Bowman, A. K. 405 Bowman, J. W. 25 Box, N. 743 Boxall, I. 2, 4, 119, 123, 130, 380 Boyer, P. S. 481 Boys-Stone, G. 280, 285f Bracher, K. D. 378 Brandenburger, E. 180 Bratsiotis, P. I. 789 Bray, G. L. 664 Brekelmans, A. J. 609
Autorenregister Brent, A. 16, 120 Breytenbach, C. 175 Briggs, R. A. 321, Bringmann, K. 621f, 626, 629, 631 Brock, A. J. 271 Brouwer, W. 345 Brown, R. E. 118, 603 Browning, R. 760 Brox, N. 362, 605f, 608, 619, 634f, 638f, 641–645, 647 Bruns, P. 145 Brütsch, C. 473, Büchsel, F. 438 Bühner, J.-A. 245 Bull, M. 31 Bullard, R. A. 314 Bultmann, R. 30, 437 Burdon, C. 31, 794f, 797 Burr, D. 31 Burrell, B. 135 Buschmann, G. 605f, 630, 634, 636, 639, 645–646 Bynum, C. W. 31 Byron, J. 206 Cadwallader, A. 267 Caird, G. B. 365, 588, 593 Callahan, A. D. 34 Campenhausen, H. v. 620, 628, 631, 636, 639, 641, 646f Campi, E. 484 Cancik, H. 274 Carey, G. 32 Carmignac, J. 683 Carrell, P. R. 28, 442, 453, Carson, D. A. 599f Case, S. J. 274 Castagno, A. M. 755 Castelli, E. A. 588 Catchpole, D. R. 334 Ceresko, A. R. 344 Cerrato, A. 31 Chadraba, R. 474 Chapa, J. 66 Charles, R. H. 50, 56, 117, 127, 131, 135, 162f, 170, 185, 191f, 195f, 198–214, 216–222, 224–226, 228–230, 260, 277, 288f, 325, 335, 338, 346f, 358, 396, 557, 568, 588, 596, 641
845
Charlesworth, J. H. 195, 199, 202, 204–207, 217–219, 226 Charlesworth, M. P. 85 Chatman, S. 28 Christ, K. 13 Christian, E. 27 Christophersen, A. 477 Cimosa, M. 162, 177 Clauss, M. 626–631 Cobb, L. S. 587 Cohn, N. 475, 481, 664 Collins, J. J. 31, 128–130, 228, 360, 378, 417, 561f, 683f Collins, T. 340 Colson, F. H. 274 Colwell, E. C. 757, 759 Comblin, J. 362, 438, Constantinou, E. 61, 65, 68, 282f, 755, 770–774 Conybeare, F. C. 59 Conzelmann, H. 117, 341 Cook, J. G. 9, 398f Cornford, F. 273 Corns, T. N. 797 Coughenour, R. A. 224 Coutsoumpos, P. 15 Cramer, F. H. 374f, 377 Cukrowski, K. 14, 320 Cullmann, O. 480 Cuvillier, É. 118 D’Angelo, M. R. 610 Daley, B. E. 31, 755 Dando, M. 686, 694 Daniélou, J. 441 Dautzenberg, G. 15, 29, 479 De Bruyne, D. H. 687, 704 De Groote, M. 48, 56, 60, 66–69, 73, 757, 762, 765–772 De Jonge, H. J. 8f, 45f, 119, 132, 321, 369, 404, 561, 564, 570–572, 612, 615 De Jonge, M. 436 De Labriolle, P. 660, 663 De Lagarde, P. 303, 312 De Lavalette, H. 741 De Souza Nogueira, P. A. 21 De Villiers, P. G. R. 495, 620 De Vries, S. J. 340 Decker, W. J. 265
846
Autorenregister
Decock, P. B. 21, 23f, 151 Dehandschutter, B. A. G. M. 362, 603, 605f, 626, 633, 638, 640, 642 Deichgräber, R. 385 Deininger, J. 404 Delling, G. 273, 275, 384 Delobel, J. 44, 65 Denzey, N. 653 DeSilva, D. A. 13f, 18f, 21, 23, 33, 78, 104, 202, 371, 380, 390f, 393, 402f, 608–611, 617 Despotis, S. S. 777, 779, 782–784, 786 Dettwiler, A. 341 Deutsch, C. 388, 539f Dexinger, F. 242 Di Lella, A. 361 Di Marco, A. 344 Dibelius, M. 621, 623 Diekamp, F. 763 Dillmann, A. 297f Dines, J. M. 761 Dobschützs, E. v. 686 Dochhorn, J. 4, 12, 27, 30, 61, 70, 127, 293f, 300f, 307, 313, 491, 498 Dörner, F. K. 91 Dornseiff, F. 603 Douglas, M. 278 Downing, F. G. 14, 599 Doyle, T. 458, Dräger, M. 108, 135f, 143, 404 Drawnel, H. 204 Drewermann, E. 36 Drobner, H. R. 145f Dronsch, K. 366 Du Rand, J. A. 17, 588 Du Toit, D. 250 Duensing, H. 685 Duff, P. B. 15, 99f, 275, 322, 391, 394, 591, 598 Dulk, M, d. 123 Dunn, J. D. 428 Ebertz, M. N. 32 Ebner, M. 334, 338, 341 Ecco, U. 366 Eck, W. 13 Egger, W. 334, 337, 366 Ego, B. 168, 503 Elder, L. B. 29 Ellingworth, P. 362
Elliott, J. K. 12, 44, 46, 56, 68, 761 Ellul, J. 342 Elm, S. 654 Elwell, W. A. 4 Emerton, J. A. 345 Emmerson R. K. 31 Enef, M. 789 Erdman, D. V. 796 Erlemann, K. 479, 495, 497 Ernst, H. 250 Escribano-Alberca, I. 484 Euler, K. F. 604 Fàbrega, V. 482, 710–711, 743 Fabris, R. 440 Faerber, R. 685–688, 693, 697–699 Farrer, A. M. 25, 193, 325 Farstad, A. L. 71 Fascher, E. 406 Fayer, C. 106f Fee, G. D. 759 Fekkes, J. 5, 21, 24, 151, 158, 163, 166, 193, 373, 501 Ferber, M. 795 Ferguson, J. 610 Ferreiro, A. 761 Feuillet, A. 588, 591 Filho, J. 34 Finnern, S. 35 Finsterbusch, K. 364 Fischel, H. A. 604 Fischer, J. A. 621, 644 Fishbane, M. 340 Fishwick, D. 600 Fitschen, F. 481 Fitzer, G. 358 Fitzmyer, J. 7 Fleddermann, H. T. 137 Flint, P. W. 24 Florovsky, G. 775 Fludernik, M. 35 Flusser, D. 397, 725 Foerster, W. 783 Fögen, M. T. 374–376, 378 Fohrer, G. 334 Ford, J. M. 259, 276, 653 Forster, S. 286 Förster, M. 686 Fortner, D. S. 442 Frank, K. S. 145f
Autorenregister Frankemölle, H. 366 Frankfurter, D. 591 Freedmann, P. 31 Frend, W. H. C. 588, 598, 642 Frenschkowski, M. 24, 369, 406, 507 Freudenberger, R. 91, 398, 560 Freund, S. 709–711, 721, 723, 725, 728, 733, 735f Frevel, C. 248 Frey, J. 3–5, 8, 15f, 29, 34, 159, 169, 257, 320f, 336, 351, 366, 397, 453, 464, 474, 477, 480f, 493, 495, 501f, 509, 515, 517f, 524, 531, 534, 540, 543, 558, 560, 571, 579, 620, 622f, 626f, 713, 727, 730f, 737, 743 Frick, C. 686 Fried, J. 482, Friedrich, G. 356, 594 Friedrich, N. P. 19 Friesen, S. J. 9f, 16, 19, 83, 85, 106–108, 118f, 123f, 127, 135, 148, 522, 558, 571f, 579, 599f, 727 Frilingos, C. A. 17, 571 Fritzer, G. 603 Froehlich, K. 763 Froom, E. 485 Fuchs, H. 378 Fuller, D. 810 Gäbel, G. 388 Gale, A. M. 1 Galitis, G. 785 Gamble, H. Y. 432, 760 García-Martínez, F. 386 Garnsey, P. 380, 405 Garrow, A. J. P. 27, 334 Gathercole, S. J. 139 Gauger, J.-D. 127, 129, 378, 719 Geffcken, J. 300 Gentry, K. L. 8, 118, 124, 126–127, 133, 321 Gentry, P. J. 168 Gerganos, Z. 789 Gero, S. 665 Gertz, J. C. 340 Gese, H. 254 Giblin, C. H. 29, 327, 344 Gieschen, C. A. 442, 453, Giesen, H. 2, 4f, 6, 8, 14–16, 28, 93, 101, 105, 118, 122f, 127, 153, 171,
847
178f, 351, 355–361, 365, 367–368, 372, 393, 400f, 436, 439, 444–447, 449, 451, 454, 458, 459, 460–462, 472, 505, 507, 524, 532, 536, 571, 594, 620, 625 Gleason, M. W. 113, 284–286, 288f Glen, H. 804–806 Glonner G. 122, 135, 713 Goldberg, A. M. 245, 250 Goldingay, J. E. 361 Goodspeed, E. J. 306 Goody, J. 23 Goranson, S. 24 Görg, M. 245f Goulder, M. D. 25 Goussen, H. 59 Grant, R. M. 265, 280, 530, 660 Grässer, E. 252 Gray, P. T. R. 771, 773 Grébaut, S. 304 Green, E. M. B. 261, 263f, 267–269, 284 Gregory, C. R. 48 Gressmann, H. 602 Griffin, M. 405 Groh, D. E. 652 Grubb, N. 31, 474 Grundmann, W. 107 Gryson, R. 44, 50, 55, 57, 63, 68, 70, 72, 76 Gundry, R. H. 29, 453 Günther, E. 634–637, 640, 643 Günther, H. W. 479, 494, 496–497, 503, 506f Günther, M. 8, 92, 321, 326 Guthrie, D. 438 Guthrie, G. H. 343 Guttenberger, G. 5, 7, 377, 404, 522 Guyot, P. 399, 597, 621 Gwynn, J. 59, 63 Haacker, K. 334 Haar Romeny, R. B. t. 168 Habel, N. 341 Habermehl, P. 75 Habicht, C. 109 Haeuser, P. 187 Hagedorn, D. 58, 68 Hagemeyer, O. 626 Hahn, F. 28, 241, 243, 424, 497, 559
848
Autorenregister
Hall, M. S. 27 Hamm, U. 84 Hamman, A. G. 146 Hammann, K. 483 Hankinson, R. J. 271f Hannah, D. 242 Hanslik, R. 91, 97 Harland, P. A. 13–15, 391, 571 Harnack, A. v. 107, 628f Harrington, W. J. 123f, 127, 201, 367, 584 Hartmann, L. 362 Hartmann, L. F. 361 Hasitschka, M. 257, 440, 460f Hasluck, F. W. 109 Hauler, E. 686 Hays, R. 155 Head, P. M. 58 Hearon, H. 34 Heck, E. 714f, 736 Heckel, U. 4, 8, 15f, 319f Heemstra, M. 10, 403, 405, 523 Heid, S. 146 Heiligenhalt, R. 334 Heine, R. E. 658, 663 Heininger, B. 334, 338, 341 Heinze, A. 4f, 8, 17, 123, 321, 401f Helbig, J. 159 Held, H. J. 341 Hellegouarc’h, J. 610 Heller, E. 555 Hellholm, D. 26, 362 Hemer, C. J. 118, 148, 171, 202, 260f, 264, 268f, 276, 279, 320, 590f Hengel, M. 28, 254, 257, 380, 439, 454, 459, 469f, 620 Henten, J. W. v. 492, 589, 591, 594, 598–600, 602f, 608–610, 613 Herghelegiu, M.-E. 28, 442f, 445–447, 451, 453, 462, 502 Herman, D. 35 Hermening, D. 376 Herms, R. 27, 334 Hernández Jr., J. 12f, 44, 55, 65, 70, 759, 770 Herrmann, P. 107 Herzer, J. 28 Heussi, K. 638, 641 Hieke, T. 36, 154, 256, 373, 387, 502, 517
Hill, C. 31 Hill, C. E. 61, 659, 666 Hill, D. 193, 373, 594f, 606 Hirschberg, P. 5, 13, 29, 34, 325, 391, 523 Hirschmann, V.-E. 652 Hodges, Z. C. 71 Hoffmann, M. R. 29f, 138, 442, 444, 451, 459, 464 Hofius, O. 28, 30, 253, 439, 444, 453–455, 472 Hofmann, H.-U. 47, 60, 475, 483, 489 Hogeterp, A. L. A. 519 Hohnjec, N. 439 Holl, K. 603 Holladay, C. R. 320, 323 Hollander, J. 155 Holleman, J. 592 Holtz, T. 1, 2, 11, 187, 236, 238, 327, 351, 359, 361, 367, 438, 453, 462f, 494, 615 Hongisto, L. 11, 35 Honko, L. 23 Honoré, T. 374 Hopkins, J. K. 798 Horn, F.-W. 5, 31, 251, 356, 369f Horner, G. 59 Horsley, G. H. R. 6–7 Hort, F. J. A. 48, 64 Hoskier, H. C. 43, 52, 56, 757 Houtman, A. 616 Howe, C. 72 Hoyland, R. 285, 287, 289 Huber, K. 29f, 351, 365, 367f, 389, 437, 441f, 450f, 453, 456, 461, 463, 466, 468, 502 Hübner, H. 21, 159 Hughes, A. 797 Hulst, A. R. 245 Humphrey, E. M. 33 Hunt, S. 31 Hunzinger, C.-H. 124f Hupfloher, A. 110f Huss, W. 622 Hutton, M. 555 Iersel, B. v. 340 Ihm, M. 300 Infante, R. 440 Iser, W. 366
Autorenregister Jack, A. 37 Jack, A. M. 38 Jakab, A. 707 James, M. R. 686, 700 Janowski, B. 237, 245, 247, 249, 253 Janssen, L. F. 377 Jauhiainen, M. 22, 29, 446f, 502f Jehle, F. 463 Jellicoe, S. 186 Jenkins, F. 151 Jensen, A. 364, 652, 656, 660 Jentsch, W. 483 Jobes, K. H. 168 Johns, L. L. 24, 28, 30, 33, 198, 205f, 222, 440 Johnson, S. E 266 Jones, B. W. 13 Jongkind, D. 55 Jörns, K.-P. 326, 329f, 332, 384f, 612, 614 Jülicher, A. 406 Kalimi, I. 345 Kallis, A. 785 Kalms, J. U. 4, 34 Kaltner, J. 361 Kammler, H.-C. 5 Kampling, R. 29 Kappler, C. 683 Karrer, M. 1, 15, 19, 23f, 28f, 31, 37, 39, 44, 47, 49, 51, 54, 61f, 64, 69, 118f, 150, 152f, 156f, 162, 166, 177, 181f, 185f, 202, 259, 320, 324, 329f, 347, 350f, 356, 362, 367, 382, 393, 395, 401, 413, 415, 418f, 427, 439, 446, 450, 453, 474, 497, 534 Kelhoffer, J. A. 9, 17f, 120 Keller, C. 37 Kenyon, F. G. 54 Kerner, J. 372 Kerr, A. R. 255 Kiddle, M. 193, 588 Kienast, , D. 117, 121 Kilpatrick, G. D. 43 Kinney, D. 31 Kippenberg, H. G. 107 Kirk, G. S. 273 Kitschelt, L. 473 Klauck, H.-J. 15, 28, 82, 102, 114, 126f, 129, 131f, 140, 260, 322, 413,
849
427, 507f, 522–526, 554, 571, 573f, 578, 583, 591, 598, 617 Klein, R. 399, 597, 621, 635 Klijn, A. F. J. 517, 729 Klose, D. O. A. 404 Klotz, R. 49, 54 Knibb, M. A. 131, 207 Knight, J. 15, 684 Knöppler, T. 20, 29, 460 Koch, K. 241, 243 Koch, M. 34, 488, 503, 625 Koester, C. 261, 264–266, 268, 274 Koester, C. R. 31, 491 Koetschau, P. 313, Köhn, A. 488 Konkel, M. 248 Konrad, R. 475, 481f Konradt, M. 250 Konstantelos, D. I. 775 Kooten, G. H. v. 8, 79f, 120, 122, 124–126, 130, 133, 301, 321 Köppe, T. 3 Körtner, U. H. J. 145, 481 Kovacs, J. 32, 473, 793, 796, 810 Kowalski, B. 7, 11, 17, 19, 22, 151, 154, 161f, 167, 357, 373, 424, 502, 517, 588, 596 Kraft, H. 79, 86f, 171, 179, 193, 321, 336, 345f, 355f, 359, 366f, 370f, 395, 536, 557, 560, 568, 580f, 588, 591, 660 Kraft, R. A. 386 Kratz, R. G. 340 Kraus, H.-J. 182 Kraus, T. J. 707 Krauter-Dierolf, H. 485f Kraybill, J. N. 16, 507, 571 Kreitzer, L. 9, 94–96, 129, 321 Kretschmar, G. 62, 366, 475, 710 Kreuzer, S. 54 Krodel, G. A. 267, 396 Krüger, T. 340 Kuhlmann, P. 377, 620 Kuhn, H.-W. 480 Kuhn, K. G. 518 Kuhn, P. 250 Kulik, A. 210 Kümmel, W. G. 117 Kurfess, A. 719 Kuschel, K.-J. 32
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Autorenregister
Kyle, R. 486 Kyrtatas, D. 789 Labahn, M. 22f, 151, 153, 159, 179 Lachmann, K. 54 Ladd, G. E. 579f, 584f Lake, K. 278 Lambrecht, J. 25, 29, 324, 612 Lamouille, A. 337 Lampe, P. 362, 560, 565, 603f, 655, 657f, 661f Lancellotti, A. 6 Landes, R. 482 Lange, A. 247 Läpple, A. 328, 396, 445, 450, 479 Latte, K. 610 Lebram, J.-C. 360 Lee, D. 27 Lee, M. V. 17, 588, 612 Lee, P. 239, 256, 327, 539f, 542 Lehtipuu, O. 159 Leicht, B. D. 474 Leipoldt, J. 107 Lemair, A. 413 Leppin, V. 475, 481, 483 Lerner, R. E. 482f Leuenberger, M. 249, 254 Leupold, H. C. 361 Leutzsch, M. 631 Levick, B. 85 Levin, C. 340 Levine, A. J. 37 Levinskaya, I. 13 Levinson, B. M. 345f Lidzbarski, M. 311, Liebs, D. 374, 377 Liess, K. 237, 240 Lietaert Peerbolte, B. J. 16, 103, 123, 127f, 130f, 139, 403, 427, 593, 626 Lightfoot, J. B. 268 Lilje, H. 26 Lindemann, A. 117, 684 Linton, G. L. 10f Lioy, D. 28 LoBue, F. 269 Loenen, D. 610 Loewenstein, D. 797 Lohmeyer, E. 6, 25, 101, 152, 165, 171, 179, 185, 201, 263, 325, 342, 355,
360, 371, 395, 436, 444, 488, 568, 580, 588, 592f, 603f, 612 Lohse, E. 6, 117, 123, 165, 278, 358, 440, 451, 494, 505, 568, 580, 584, 614, 780 Loisy, A. 117, 122f, 127, 131, 138 Lona, H. E. 17, 135, 369, 705 Long, A. A. 271, 273 Longenecker, B. W. 27, 33, 343f, 352, 354 Lopez, J. 131, 144 Loveday, T. 286 Lücke, F. 476 Lund, N. W. 329 Lupieri, E. F. 118, 123f, 132, 174, 201 Lust, J. 157, 601 Lux, R. 249 Luz, U. 187 Lyon, R. W. 53 Maas, M. 774 MacArthur, J. Jr. 479 MacMullen, R. 375, 377 Madden, D. 798 Magass, W. 366 Magie, D. 109 Maier, G. 2–4, 39, 62, 267, 276, 366, 475, 476, 482–485, 487, 489, 711 Malbon, E. S. 29 Malina, B. J. 29f, 374, 380, 488, 494 Marböck, J. 249 Marconcini, B. 162, 164, 185 Marconi, G. 474 Marcos, N. F. 168 Marcovich, M. 146 Mareschini, C. 687, 755 Markschies, C. 654 Marquardt, J. 109 Marshall, I. H. 588 Marshall, J. W. 8, 590, 596, 605 Martin, P. 476 Martin, T. 291 Martinez, M. 28 Martini, C. M. 759 Martone, A. M. B. 667 Marxsen, W. 340 Massyngberde Ford, J. 200 Mathews, M. D. 195, 202, 205, 215, 223f, 229 Mathewson, D. 21f, 151, 155
Autorenregister Mathewson, D. L. 8 Mathison, K. A. 29 Mattern, S. P. 265, 283, 286 Mazzaferi, F. D. 25, 193, 219, 324, 333, 357, 362, 373 McCalman, I. 798 McComiskey, T. E. 21 McDonough, S. M. 149, 165f, 169, 177, 182f McGinn, B. 31, 482f, 798 McGinn, S. E. 1 McKelvey, R. J. 29 McLean, J. A. 26, 324 McLuhan, M. 417 McNamara, M. 686 Mealy, J. W. 29, 535 Mede, J. 360 Mee, J. 798 Meinardus, O. F. A. 269 Mell, U. 243 Menzies, A. 278 Metzger, B. M. 45, 51f, 62f, 193, 247, 614, 760 Metzner, R. 8 Michaelis, W. 245 Michaels, J. R. 10 Michel, O. 604 Mierse, W. E. 112 Milik, J. T. 242 Millar, F. 560, 571, 573, 581 Mink, G. 72 Misset-van de Weg, M. 616 Mitchell, S. 656 Mitchell, W. J. T. 802 Mittwoch, E. 296 Moberly, R. B. 8f, 12, 14, 119, 124, 126, 133, 321, 369, 396, 561, 563 Molitor, J. 59 Molthagen J. 14, 118, 122, 398 Momigliano, A. 378 Mommsen, T. 107 Montgomery, J. A. 361 Morerod-Fattebert, C. 483 Moretti, L. 404 Morris, L. 267 Morton, R. 24, 26 Motschmann, C. 375–377, 379 Mounce, R. H. 2, 4, 172, 178, 222, 261, 267, 270, 357, 568 Mournet, T. C. 23, 34
851
Moyise, S. 11, 21f, 34, 151, 158f, 166, 190, 322, 501f Mühlegger, F. 489 Mülke, M. 407, 760 Müller, C. D. G. 129, 131, 304 Müller, E. 27, 325, 327, 330, 335, 347 Müller, H.-P. 103, 503, 505, 525, 530, 536, 540 Müller, M. 184, 201 Müller, P. 33, 366, 359, 413, 419, 422, 426 Müller, U. B. 19, 81, 92f, 101–103, 105f, 113, 117, 135, 171, 178, 192, 253, 276, 320, 326, 335, 343f, 359, 368, 371, 392, 401f, 426, 430, 440, 462–464, 467, 481, 559, 561, 565, 568, 573f, 576, 638, 642 Müller, W. 100 Müller-Fieberg, R. 6, 15, 31, 235f, 473 Muraoka, T. 173, 182 Murphy, C. A. 223 Murphy, F. A. 25 Murray, J. S. 556 Murrin, M. 484 Mussies, G. 6, 50, 169 Mutschler, B. 61 Najman, H. 194 Nasrallah, L. S. 667 Nasser, M. 265 Naylor, M. 16 Nestingen, J. A. 31 Nestle, E. 49 Neudorfer, H.-W. 321 Neuss, W. 474 Newman, B. 207, 561 Newport, K. G. C. 31, 366 Nickelsburg, G. W. E. 195f, 199, 205–207, 215, 224, 228 Nicklas, T. 36, 334, 387, 707f Niese, B. 304 Niewöhner, F. 245 Nigg, W. 475, 481 Nikolakopoulos, K. 33, 776, 783, 785 Nitzsch, K. I. 476 Norelli, E. 294–297 Norelli, E. 131, 684, 687, 755 Norris, R. A. 146 Nünning, A. 3, 35 Nünning, V. 3, 35
852
Autorenregister
Nur, A. 556 Nutton, V. 270 Nützel, J. M. 29 O’Hear, N. 32 Oberman, H. A. 475 Oegema G. S. 36 Oeming, M. 28 Oepke, A. 268 Ohnesorge, S. 248 Olson, D. 229 Omerzu, H. 492, 571, 623f Ong, W. 23 Osborne, G. R. 2, 425, 429, 487f, 492 Osten-Sacken, P. v. d. 445 Otto, E. 340 Owczarek, S. 248 Pagels, E. H. 634 Paley, M. D. 808 Parker, D. C. 12, 43f, 50, 53, 56–58, 65–68, 76, 768 Paschke, B. A. 24 Patronos, G. P. 777, 788 Pattemore, S. 29 Paul, I. 1 Paulien, J. 21, 25, 32, 155, 326 Paulsen, H. 684 Pelikan, J. 772 Pellegrini, S. 366 Penley, P. T. 22–24 Perrin, N. 341 Perrone, L. 295f Perry, P. S. 16, 33, 325, 327, 329, 384 Peschek, J. 25 Peter, K. 1 Peters, O. K. 19 Petschenig, M. 739 Petuchowski, J. J. 245 Petzl, G. 109 Pezzoli-Olgiati, D. 8, 32, 34, 235, 357, 367, 474, 539f, 544, 625 Pick, B. 108 Pierpont, W. G. 756 Pietersma, A. 303, 310, Pilch, J. J. 488 Pilhofer, P. 399 Piper, O. 25 Pippin, T. 37 Plankl, W. 399
Plasger, G. 31 Pleket, H. W. 609 Plöger, O. 360 Podskalsky, G. 755 Poirier, J. C. 652, 661 Pokorný, P. 4, 8, 14, 16, 250, 319, 320 Pola, T. 248 Popkes, W. 350 Porter, S. E. 6, 266, 345 Powell, D. 652 Pregla, A.-R. 28 Premerstein, A. v. 112 Prete, B. 588, 612 Preuschen, E. 659 Price, R. M. 774 Price, S. R. F. 111f, 522, 571f, 600 Prigent, P. 1, 4f, 9, 12, 17, 19, 24, 101, 192, 203, 236, 257, 262, 319f, 323, 346, 351f, 354, 367, 393, 397, 402, 534, 542, 568, 576, 596, 599, 612, 614, 624 Proust, M. 39 Puech, É. 228 Radday, Y. T. 345 Radt, W. 522 Raguse, H. 36f Rahner, J. 255 Rajak, T. 13 Ramsay, W. M. 142, 148, 202, 264, 266, 288f, 320, 555 Rascher, A. 252 Rathbone, D. 405 Raven, J. E. 273 Reader, W. W. 539 Reddish, M. G. 588, 598, 607 Reed, A. Y. 211f Reed, J. T. 345 Reeve, A. 46 Reeves, M. 482 Reichelt, H. 28, 356f Reichert, A. 8, 91f, 321, 398f Reicke, B. 599 Reinach, T. 109 Reiser, M. 166, 358, 413 Reitzenstein, R. 635, 641 Repath, I. 286f Resseguie, J. L. 27f, 334 Reuter, E. 247 Reynolds, L. D. 774
Autorenregister Rhoads, D. 34, 38 Ribera, F. d. 360 Richard, P. 14, 38 Richter, W. 338 Riemer, U. 2, 13, 16, 120, 401–403, 507, 621f, 627 Rilinger, R. 380 Rissi, M. 325, 358, 396 Rist, M. 588 Robbins, M. M. 37 Robbins, V. K. 37 Robert, L. 110f Robinson, J. A. T. 83, 119, 122, 124, 126, 133 Robinson, J. M. 137 Robinson, M. A. 756 Rohde, J. 341 Rojas-Flores, G. 8, 120, 124f, 127, 557, 563 Roloff, J. 6, 24, 29, 101f, 150, 169, 179, 188, 193, 330, 334, 338, 347, 356, 358, 368, 373, 394, 403, 421, 426, 429, 444, 454, 458–460, 462f, 467, 481, 536, 539f, 568, 579, 581, 584 Romeo, I. 112 Ron, H. 556 Roose, H. 19, 362f, 365, 367, 369f, 394f, 436, 620, 641 Rordorf, W. 378 Ross, M. K. 588 Rossing, B. R. 33, 384, 598 Rosso, G. A. 802 Rotolo, V. 760 Rowland, C. 31f, 275, 321, 441, 473, 793, 796, 801, 803, 806, 810 Rowley, H. H. 193 Royalty Jr., R. M. 15, 22, 32f, 200, 598 Royse, J. R. 760 Rucker, R. 385 Rudolph, W. 173, 175, 187 Rudwick, M. J. S. 261, 263f, 267–269, 284 Ruge-Jones, R. 34 Rugnik, T. A. 248 Ruiten, J. v. 21, 161, 243, 542 Ruiz, J.-P. 20, 33f, 151, 177, 429, 502f, 595, 600 Ruszkowski, L. 239
853
Sabine, G. H. 797 Salvesen, A. 168 Salzmann, J. C. 19 Sánchez-Moreno Ellart, C. 375 Sand, A. 145 Sänger, D. 22, 29, 439, 453, 470, 620 Santos Otero, A. d. 685, 687, 693f, 697, 700 Satake, A. 2, 5f, 9, 11f, 14, 17, 44, 66, 70, 118, 123, 171, 177, 193, 267, 276, 319f, 322f, 333, 337f, 344, 346, 349, 351, 355f, 364f, 368, 371f, 380, 392, 435, 437, 444f, 447, 496, 511, 519, 525–527, 531–533, 535f, 542, 596, 606 Saunders, S. P. 34 Saviano, B. 38 Schäfer, P. 241, 250 Schäfke, W. 379, 391 Scharl, E. 742 Scheffel, M. 28 Scherrer, S. J. 571, 599 Schick, E. 270 Schiller, G. 31, 474, Schimanowski, G. 19, 359, 503 Schipper, B. U. 31 Schlatter, A. 164, 193, 603 Schmemann, A. 776 Schmid, J. 43, 45f, 48–52, 57, 59f, 62, 64–70, 72, 74, 76, 126, 131, 133, 755, 757–759, 760–770 Schmid, S. 46, 52, 73 Schmid, U. 72, 160, 181 Schmidt, D. D. 6 Schmidt, J. M. 477 Schmidt, K. M. 125 Schmidt, P. 476 Schnabel, E. J. 321 Schnackenburg, R. 187 Schneider, T. M. 334, Schnelle, U. 4f, 8, 14, 16, 20, 30, 118, 150, 165f, 168, 319f, 337, 373, 481, 493, 568 Scholem, G. 241 Scholtissek, K. 171, 253 Schöttler, H.-G. 249 Schramm, T. 341 Schreiber, S. 4, 15f, 319f, 367, 405, 440, 624f Schreiner, J. 243, 515, 731
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Autorenregister
Schrenk, G. 413 Schubart, W. 415 Schulz, A. 109f Schüssler, K. 59 Schüssler-Fiorenza, E. 6, 21, 25, 33f, 98, 260, 324, 329, 342f, 354f, 368, 373, 380, 385, 390f, 479, 534, 558, 561–563, 566–571, 573f, 578, 585, 593, 598, 615, 714 Schwartz, J. 59 Schweikle, I. 158 Schweizer, H. 334, 338 Schwemer, A. M. 17, 588, 598, 603–605, 607, 612, 633 Schwier, H. 336, 378f Scobie, C. H. H. 259, 262, 266, 268 Scott, K. 85 Scott, R. B. Y. 6 Scrivener, F. H. A. 47, 53, 77 Seal, D. 24 Seal, T. A. 32 Sedley, D. N. 271, 273 Sedlmayr, H. 473 Seebass, H. 483 Segl, P. 483 Seidel, M. 345 Sellin, G. 251 Semler, J. S. 476 Seymour, J. D. 686 Shaffer, E. 795 Shea, W. H. 25, 27, 326 Shepherd Jr., M. H. 25 Sherk, R. K. 107 Sherwinwhite, A. N. 398 Sickenberger, J. 117, 123, 780 Sieg, F. 453, 455 Siegert, F. 97, 168 Sievers, J. 250 Siew, A. K. W. 361 Sigismund, M. 54, 181 Silberman, L. H. 277 Silva, M. 7, 168 Sim, U. 539 Singer, P. N. 272 Skaggs, R. 458 Skarsaune, O. 146 Skiadaresis, J. 778, 789 Slater, T. B. 8, 14, 28, 79f, 83, 119, 122, 124f, 177, 320, 442, 451, 458f, 462f
Sloterdijk, P. 38 Smalley, S. S. 4, 25, 29, 120, 123, 133, 341, 432, 533 Smith, I. 18, 33 Smith, P-A. 239 Snyder, B. W. 25f, 324 Soden, H. v. 165 Söding, T. 28, 104, 431, 439, 444, 460, 464, 470–472 Söllner, P. 532, 539–541 Sordi, M. 377 Spatafora, A. 19 Spawforth, A. J. S. 110 Spitta, F. 354 Staats, R. 642 Stanton, V. H. 117 Stauffer, E. 530 StayerJ. M. 483 Steck, O. H. 337, 340f Stefanović, R. 27, 342, 360 Stegemann, E. W. 37 Stegemann, H. 683 Stein, H. J. 19, 401 Stein, S. J. 31 Stendahl, K. 605 Stenger, B. W. 334, 340 Stephan, E. 400 Stevenson, G. 24, 326 Stewart, Z. 610 Stewart-Sykes, A. 658, 661 Stieren, A. 313 Stokes, R. 206 Stone, M. E. 243f Stonehouse, N. B. 61 Strack, H. 227 Strand, K. A. 25, 325, 327, 329 Strathmann, H. 388, 604, 606f, 641 Strecker, G. 4, 320, 336, 341, 595 Strobel, A. 660 Stroganov, V. 788 Stuckenbruck, L. T. 28, 193, 195–197, 201, 203, 206f, 210, 213–217, 219, 224, 226f, 229, 242, 372, 441, 453, 502, 515 Stuckrad, K. v. 374 Stuhlmacher, P. 440, 459 Suggit, J. N. 60, 75, 767 Sutter Rehmann, L. 37, 237 Swain, S. 285 Sweet, J. P. M. 606, 608, 614
Autorenregister Swete, H. B. 153, 158, 164, 187, 193, 201, 261 Tabbernee, W. 565, 651, 654–658, 660–663, 665, 667, 671, 673–675 Taeger, J.-W. 1, 5, 8, 15, 18–19, 88, 92–93, 98, 101–102, 106, 114, 171, 321, 351, 363, 394–395, 397, 479, 530, 616 Tagliabue, C. 32, 474 Talmon, S. 345 Tångberg, K. A. 364 Tasker, R. V. G. 65 Taushev, A. 756 Tavo, F. 27, 30, 34, 343f, 350, 382f Taylor, D. F. 24 Theobald, M. 253 Theunissen, H. 19 Thoma, C. 245 Thomas, C. E. 652, 658 Thomas, R. L. 2, 270, 430f, 488 Thomassen, E. 705 Thompson, E. M. 54 Thompson, E. P. 796, 803 Thompson, L. L. 13, 16, 18–20, 187, 195, 322, 367, 373, 385, 387, 389, 394, 495, 571, 590, 597f Thompson, S. 6, 165 Thraede, K. 398f Thyen, H. 253 Tiller, P. A. 195, 199, 222f Tilley, M. A. 794 Tilly, M. 22f, 159, 166, 168, 407 Timmer, D. C. 252 Tischendorf, K. v. 53, 55f, 702 Tolley, M. J. 805 Tonstand, S. K. 363, 365 Torrey, C. C. 6 Tóth, F. 20, 24, 150, 242, 326, 329, 338, 347, 349f, 357, 363, 366, 383, 385, 397, 404f, 497, 499, 560, 573, 702 Tov, E. 168 Trainor, M. 267 Trebilco, P. R. 13, 118, 373, 391, 394 Tregelles, S. P. 47 Trench, C. 267, 276 Trevett, C. 651, 654, 656–659, 661f, 664, 666
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Trites, A. A. 362, 365, 580, 605f, 608, 614 Trudinger, L. P. 164, 277 Trummer, P. 713 Tuckett, C. M. 684 Uhlig, S. 516, 745 Ulfgard, H. 209, 442, 588, 590, 592, 594, 596, 607f, 614 Ulland, H. 15, 17, 34, 123, 130, 132, 171, 352, 356, 371f, 392, 395, 506–508, 562, 571, 573 Ulrichsen, J. H. 118, 121f Unnik, W. C. v. 505 Untergassmair, F. G. 431 Urner, C. 13, 85 Van der Horst, P. W. 207 Van der Meer, F. 474 VanderKam, J. C. 196, 205f Vanhoye, A. 164 Vanni, U. 19, 25, 138, 144, 324, 342, 786 Varbrough, R. W. 4 Vassiliades, P. 362, 606f, 776 Verheyden, J. 61, 341, 684 Vetten, C. P. 146 Vielhauer, P. 117, 494, 496 Viscomi, J. 800 Vlachos, K. S. 777 Voelter, D. 97f Vogelgesang, J. M. 151, 163 Vögtle, A. 245, 429 Vollenweider, S. 37, 339 Volz, P. 716–718, 720, 727, 733 Von Simson, O. 473 Vööbus, A. 59 Vos, L. A. 138, 161, 203 Wachtel, K. 72 Waechter, S. L. 27 Wagner, T. 364 Wainwright, A. W. 31 Waldner, K. 381 Walker, S. 110 Walsh, R. 32 Wassermann, T. 72 Watson, W. G. E. 344 Weber, E. 31 Weber, G. 374, 377
856
Autorenregister
Wegenast, K. 82 Weimar, P. 340, Weinrich, W. C. 31, 362, 756 Weiss, J. 192, 354, 359 Weizsäcker, C. H. v. 335, 663 Welch, W. 25, 344 Wellesley, K. 302 Wengst, K. 7, 14, 254, 368, 380 Wenham, D. 334 Wenzel, P. 28 Westcott, B. F. 48, 64 Westermann, C. 224 Wewers, G. A. 107 Whedbee, J. W. 224 Whitaker, G. H. 274 Wikenhauser, A. 359, 519, 534 Wilamowitz-Moellendorff, U. v. 107 Wilcken, U. 398 Wilcox, M. 23 Wilhelm, F. 686 Willers, D. 110 Willi, T. 340, Williams, D. H. 666 Williams, F. 675 Williams, O. J. 66 Williamson, H. G. M. 364 Willis, G. C. 269 Willis, T. J. 344 Wilson, J. C. 8, 81, 83, 119, 122, 124, 126, 133 Wilson, M. 8, 14, 119, 124f, 130 Wilson, N. G. 774 Windisch, H. 723 Winko, S. 3 Winter, E. 109–110 Wischmeyer, W. 630, 634 Witetschek, S. 111, 119f, 122, 134–136, 143, 181 Witherington III., B. 2, 4f, 124, 135, 163, 177, 187, 320, 424, 568
Witschel, C. 13 Witulski, T. 4, 9f, 16, 24, 60, 79, 82f, 88, 90–92, 94f, 107, 118f, 123, 127, 131f, 134, 137, 139–143, 145, 320f, 351, 381, 391f, 396, 400f, 403f, 555, 560, 564, 571, 579, 619f, 623, 626 Wlosock, A. 714f, 736 Wolfe, R. E. 340 Wolff, H. W. 174f Wolfson, A. 274 Wolter, M. 31, 171 Wonneberger, R. 341, 345 Wood, P. 261, 266 Wörrle, M. 109 Worth Jr., R. H. 266f Woschitz, K. M. 358 Wright, C. D. 686 Ximinez, S. 267 Yabro Collins, A. 1, 11, 16, 18, 25, 84, 99f, 102, 114, 117f, 121, 124, 127, 129, 132, 135, 138, 274, 322, 324f, 327, 342f, 397, 404, 418, 420, 440–442, 446, 453, 495, 525, 540, 542, 559f, 563, 567, 571f, 576, 581, 590, 598, 600, 605 Young, F. M. 145, 764 Zager, W. 29 Zahn, T. 88, 102 Zelzer, M. 739 Zerweck, B. 35 Zimmerli, W. 340 Zimmermann, H. 320, 334, 341, Zimmermann, R. 154, 531 Zumstein, J. 28, 154, 341 Zwick, R. 32
Sach- und Personenregister Aelia Capitolina 95, 653, 662, 664 Agon 10, 134, 404 Aktualisierung(spotential) 78, 95, 366f, 390, 395, 426, 530, 794, 803 Allegorie/allegorisch 148, 488, 609, 714, 748, 753, 764, 769, 788, 810 Alpha und Omega 471, 656 Altar 210, 389, 591, 607, 744, 784, 800 – Hausaltar 110, 112, 139 Altes Testament/altttestamentlich 22, 149, 163, 193, 348, 387, 415, 431, 452f, 458, 501, 550, 777, 786, 793 Ambrosius 712, 730, 740f Andreas von Caesarea (Andreaskommentar) 45, 56, 60f., 145, 282, 755– 774 Anthropologie/anthropologisch 237, 744, 763 Antichrist 80, 118, 131, 299, 303, 305, 474, 478, 483, 489 antidoketisch 635, 644f Antiochus IV. Epiphanes 222, 608f Antipas 369, 424, 522, 553, 558, 578, 580–582, 591, 596, 607 Apokalyptik 191, 504, 711, 795, 799 – frühchristliche 128, 683, 707 – jüdische 96, 128, 336f, 241, 451, 515, 517 – apokalyptische Motive 697, 706, 718 Apokryphen 183, 474, 706, 761 Aquila 168, 174, 187 Ardab, Ebene von 659f, 668 Asia, römische Provinz 80, 82f, 88, 93f, 98, 109, 111–113, 128, 401, 659 Astrologe/Astrologie 285, 373–379, 381, 391 Athanasius 774, 777f Auferstehung 228, 360, 444, 517, 536, 596, 729, 752 – doppelte 516
– erste 596f, 737, 741 – leibliche 736 Augustin 482, 487, 738 Augustus 107, 556, 559, 571 Aufstand, jüdischer 86, 146, 249 Auslegungsmodell 487, 793f – dramatisches 794 – endgeschichtliches/futurist 490, 533 – geschichtliches/ kirchengeschichtliches/historicist 488, 793 – überzeitliches/idealist 487, 794 – zeitgeschichtliches/preterist 491 Babylon 223–225, 312f, 390, 394, 514, 527–529, 802, 808 – Chiffre für Rom 124f, 132f, 508, 696 – als Hure 121, 126, 339, 424, 500, 521, 525, 595, 807 Bar Kochba 146, 662 Baruch 184, 234, 515, 533, 730f Baum des Lebens 198, 244, 431 Beauftragung(sszene)/~svision 326, 368, 694 Beda/Bede 282, 795 Bedrängnis 17, 99, 105, 192, 380, 506, 527, 566, 568 Beliar 129, 131, 293–315 Bengel, Johann Albrecht 478, 485 Bilder(sprache) (s. Sprachbilder) 34, 147–149, 238, 500, 550, 713–715, 753, 799, 801, 806, 809 Bileam (Balaam) 308, 391f, 394, 427, 522, 574, 580 Bithynia, römische Provinz 81, 91, 93, 398, 400f Blut 219, 285f, 445, 459, 594f, 641, 783 ~regen 697 ~zeuge 524, 646f Boehme, Jakob 795
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Sach- und Personenregister
Böse, das 214, 230, 310, 467 Botenformel 93, 423, 455 Bräutigam 531, 674f, 785 Braut 540, 545, 674 Bricolage(-Technik) 501, 503 Buch/Bücher 226f, 361 – mit sieben Siegel 356-361, 394 Bundesformel 256, 545 Byzanz/byzantinisch 65, 755, 774 Caligula 121 Chalkedonense/chalkedonisch 765, 770–773 Chiliasmus/chiliastisch 475, 477, 481f, 486f, 710, 742, 752 – Dischiliasmus 485 Christen/Christentum –Assimilation der/Assimilierung 100f, 427, 570, 572, 578 –Christenverfolgung (s. Verfolgung) 13, 71, 120, 125, 301, 381, 400, 619, 623, 630, 646 – Rechtslage der/des 92–94, 523, 642 Christologie/christologisch 28, 39, 219, 253, 397, 429, 435–472, 531, 771f, 781 Christusmimese 303-305 Chronologie 478, 485, 497f, 505f, 510, 711f, 716, 721, 731, 754 Claudius 88, 290, 374 Cyprian 282, 312 Dämonen/dämonisch 140, 213f, 310, 526f Daniel(buch) 164, 197, 205f, 219, 221, 234, 309, 360f, 364, 502, 599, 601, 617, 793, 808, 811 ~rezeption 178, 184, 190 Dea Roma 10, 106, 108, 405, 508, 522 Decius 572, 598, 628 Demiurg(mythos) 313–315 Didache 197, 684, 734 Diokletian 628, 724f Doketismus/doketisch 635, 643–646 Domitian 13, 79, 83f, 117, 119, 135, 147, 320, 402, 492, 553f, 557, 559, 563, 619, 626, 641 Doxologie/doxologisch 414, 445, 778 Drache 140f, 211, 301, 310f, 349, 466, 499, 506, 509, 527, 542, 550, 593,
598, 612f, 615, 624, 713, 781, 797, 801f, 805, 807 Dualismus/dualistisch 17, 75, 78, 241, 397, 491, 550, 598, 754, 797, 801, 811 Ekklesiologie/ekklesiologisch 28, 250, 254, 366, 531, 540, 549f, 565, 775, 784 Elia 160, 307–309, 593 Endzeit/endzeitlich 131, 295, 299–303, 307–310, 392, 394, 402, 436, 446f, 456, 461, 466f, 471, 489, 494f, 504, 669, 671, 673, 700, 799 ~berechnung 302, 478 ~fahrplan 509, 672 ~geschehen/~ereignisse 242, 509, 511, 514, 527, 537, 578, 623, 670f, 684, 695, 699f, 705–708, 713, 752f, 786 Engel 196f, 208, 210–213, 218–220, 295, 300, 424, 436, 449, 695, 702– 704, 769f, 779, 782, 785, 796, 807 ~schristologie 441 – Angelologie 441 – angelus interpres (Deuteenengel) 356f, 360, 500 Enthüllung (der Gegenwart/der Wirklichkeit) 424, 430, 435, 504, 506, 546, 776, 799 Entrückung (rapture) 490f Ephesus 110, 119, 134–136, 143, 146 Epiphanius von Salamis 418, 651f, 654f, 670, 674f Erasmus 45–47 Erdbeben 555–557, 654, 699f, 703 Eschatologie/eschatologisch 28, 39, 69, 78, 102, 192, 203, 229, 236, 255f, 267, 270, 388, 455, 465, 473–551, 584, 662, 668, 670, 672, 705, 709, 721, 775f – doppelte 480 – futurische 493 – johanneische 810 – präsentische 493 – vertikale 497 Esra (4Esrabuch) 243f, 515f., 661 Ethik/ethisch 427, 536, 540, 546, 549f, 666f, 775 Eucharistie/eucharistisch 203, 778, 782–784, 787f
Sach- und Personenregister Exodus(tradition) 240, 431, 442, 513, 784 Ezechiel 156f, 205, 234, 502, 514, 517f, 543, 668, 803, 806, 809 Feuer 126, 217, 228f, 270, 510, 665, 732, 735, 739, 810 – Fegefeuer 754 ~pfuhl 510, 517 ~see 229, 542 fiscus Judaicus 403, 523 Flavia Domitilla 643 Fragmentenhypothese/Fragmententheorie 322, 335, 337 Frau 467, 545, 625, 652f, 653, 660, 669, 674, 770, 794, 798, 805, 807 Galba 83, 121f, 563 Galen (Galenos) von Pergamon 271– 273, 279f, 285, 290 Gemeinde 371f, 389, 393, 419, 451, 779, 783 ~leiter 565, 574, 578, 674 Gericht 197, 203, 214, 224, 227f, 242, 278, 447, 456, 461, 465, 474, 511f, 516, 532, 578, 593, 659, 665, 729, 801, 809 – Waagengericht 732 Gesundheit/gesund 265, 268, 272, 283, 288, 290 Gnosis/gnostisch 313–315, 630, 640, 686, 705, 747 Götze(nbilder) 213, 700 ~ndienst (s. Idolatrie) 214, 522, 541 ~nopferfleisch 137, 309, 399–401, 522, 573–576 Gottesdienst/gottesdienstlich 19f, 205, 384f, 387, 530, 777, 787, 789 Gottesgegenwart (s. Schechina) Gottesknecht(lied), leidender 438, 440, 460, 604 Gottesprädikation 221, 311f, 448, 453, 455, 463, 472, 505, 673 Hades 228, 276, 519, 656, 758, 810 Hadrian 8–10, 79–115, 128, 132, 139– 144, 147, 285, 306, 321, 377, 380, 563f, 620, 623, 662 Häretiker/Häresie/häretisch 145, 489, 565, 584, 630, 643
859
Hegesipp 60, 621, 632f, 635, 637 Heil 93, 202, 255, 279, 327, 378, 385, 388, 392f, 407, 421, 427f, 431, 445f, 455, 461, 465f, 469, 475, 480, 482, 486, 491, 493, 514f, 520, 527, 532, 539, 544–546, 549f, 566, 583, 585, 591, 742, 751, 778, 799, 803 – universales 248, 801 ~szeit 242, 515, 517, 519, 534 Hermeneutik/hermeneutisch 3, 190, 479, 481, 487, 544, 546, 763–765, 793, 795f, 802, 811 Herrlichkeit 173, 185, 332f, 385, 446, 452, 456, 460, 469, 545, Hierapolis 60, 260, 264 Himmel 78, 103, 229, 235, 672 – siebter 298 ~sfrau 624 ~skörper 696, 701 ~ssturz des Teufels 139 ~szeichen 696 Hippokrates 270, 283 Hippolyt 305, 312, 635 Homologie 631–633, 637, 642f Hymnographie 785f Hymnus/hymnisch 331, 384f, 446, 467, 779, 785 Hystaspesorakel 378, 397, 723 Identität 250, 427, 570, 605, 623 ~smerkmal 363, 366 Idolatrie (s. Götzendienst) 523, 525, 537, 546, 550, 575, 577 Ignatius 640, 644 Inspiration 775, 788, 794, 799 Intention 19, 39, 86, 98, 102, 106, 319, 323, 382–390, 396, 450, 504, 547 Intertextualität/intertextuell 21, 23, 149, 153, 345, 706 – Anspielung 149, 152f, 155, 172, 182, 184 – Echo 149, 153, 155 – Einschmelzung 150, 188 – Prätext 22, 150–153, 170, 179, 188f, 345, 348, 360 – Zitat 149, 153, 155, 158–160, 185, 431 Intratextualität/intratextuell 330, 341, 347f, 353
860
Sach- und Personenregister
Irenäus 61, 84, 91, 98, 118f, 131, 305, 560, 630, 632, 645, 712, 742, 747f, 751 Irrlehrer 101f, 351, 645 Isebel 181, 308f, 391, 394, 566, 574, 580 Israel 149, 181, 188, 192, 203, 247– 249, 256, 305f, 309, 311, 337, 390, 490, 503, 518f, 522, 538, 603, 610, 730, 782 Iudaea, römische Provinz 95, 668 Jaldabaoth 294 Jerusalem 124, 226, 230, 652, 801, 803, 806 – Himmlisches 257, 347, 474 – Neues 124, 199f, 326f, 332, 461, 518, 521, 542f, 651–675, 797–799, 809 Jesaja 205, 234, 307, 311, 749, 800 ~apokalypse 240, 256 Johannes (Verf.) 4–7, 119, 195, 253, 367–381, 406f, 567, 496, 800 – bilingual 6–7, 167 – Gegner des 15, 101, 391f, 568, 574 – der Apostel 146 – der Täufer 672 Johannesevangelium 209, 246, 251f, 257, 415, 461 Johannesapokalypse – Adressaten 98, 102, 106, 419, 422, 433, 442, 451, 479, 499, 506, 528, 539 –Entstehung(ssituation) 396–405, 553– 557, 563–565 –Datierung 8–10, 39, 79f, 117–148, 192, 319, 405, 553–585, 619 – Frühdatierung 9, 120f, 126, 130, 133, 147, 320, 554 – Spätdatierung 9, 139, 145, 147, 321 – Gattung 10f, 193, 414-417, 432, 561f, 683, 713 – Struktur 324–329, 382f. 505f, 692f – Redaktion/Endredaktion/Endredaktor 89f, 322, 336, 354, 368, 398, 340– 350, 561 –Überlieferung 58f – brieflicher Rahmen 185, 413, 443 – Präskript 354, 420–422, 455 – Epilog 362, 413, 419, 425, 443 – Maßstab für Epistolographie 61
– Gegenwartsbezug 106–115, 390–396, 504–509 –Rezeption in England 795, 801, 803f Justin 60, 94, 145f, 197, 643, 742 Kaiserkult 14–16, 92, 94, 104, 107, 109, 119f, 135, 139, 141, 143, 389, 392, 427, 522, 553–585, 600, 619, 622, 626f, 646, 700 – harter 523, 577f – weicher 577f – provinzialer 83, 108f, 112, 106-122, 134f – Sebastoi-Kult 134, 143 Kaiserliste (Königsliste) 88, 91, 121, 496, 526 Kaiserverehrung 82, 106, 108, 111, 114f Kalender(reform) 107, 193 ~inschrift 104, 107 Kanon/kanonisch 36, 193, 476, 491, 551, 761, 777 Kanonizität 194, 787 Katechese/katechetisch 755, 775 Kirche 36, 490, 674, 770, 775, 777, 784 ~ngeschichte 475, 486, 489 ~nkritik 477f, 482, 808 ~nväter 57, 590, 762, 765, 774 – orthodoxe 775–791 Kleinasien/kleinasiatisch 5, 126, 194, 260, 391, 394, 402, 407, 421, 424, 429f, 553, 561f, 571f, 598, 617, 645, 783 Kolossae 260, 264, 266, 277 Kommunikation/kommunikativ 416f, 420, 422, 425, 433 Komposition/kompositorisch 319, 324, 333, 341, 345, 411, 450, 479, 501, 504, 511, 514, 538, 557, 559 Konstantin 50, 477, 551 Kontrastgesellschaft 423, 427 Kosmos/kosmisch 147, 192, 330, 338, 240, 697, 786 Krankheit/krank 268, 270, 282 Kranz 331, 456, 474, 624, 782 Kreuzestod 447, 454, 463, 644 Krieg 670f, 796, 802, 808 – der Engel 703 – endzeitlicher 696
Sach- und Personenregister – jüdischer 90, 95 – Sitzkrieg 124 Krise(nsituation) 18, 99, 495, 547, 598 Krone 276, 584f, 609, 616 Kult/kultisch 20, 326, 329f, 384, 389f, 401, 469, 499, 600 – himmlischer 384, 388 – orthodoxer 775–791 ~szenen 328, 339f, 343, 350, 383f, 386f Kunst 31, 473, 788 Kyrosorakel 312, 315 Kyrill von Alexandria 771f Lamm 202, 222, 230, 257, 330, 347, 439f, 450, 457, 459–461, 468, 781, 786, 802 Laktanz 302, 627, 709–754 Laodikeia/Laodizea 120, 171, 200, 202, 259, 261, 264, 266, 268, 276, 279, 285, 555–557 – lauwarm 260–263, 267, 283, 287, 291 Lebensführung 172, 551, 740 Lebenshingabe 93, 459, 460f, 464, 466, 468 Lebenswelt 380, 387, 389, 391, 394, 397, 423–425, 428, 430, 432, 498f, 506, 546 Leid(en) 235, 367, 553–585, 589, 606, 636, 773, 788, 803 Lektionar 787 Leser 492, 598 – antiker 32 – impliziter 365f, 371, 602 – Modellleser 36, 366, 395 Lesestrategie 774 Liebe 216, 445, 780, 788 Litanei 782 Literarkritik/literarkritisch 9, 11, 322, 334 Liturgie/liturgisch 19, 25, 350, 385, 389f, 429, 530, 654, 674 – orthodoxe 775–791 – himmlische 511, 777 Lobpreis 21, 389, 446, 457, 459, 465, 529, 647, 779f Lohn 105, 183, 591, 609, 616, 712, 735, 737 Lokalkolorit 261f Luft 270, 273
861
Luther, Martin 47, 64, 475, 483, 810 Luziferlegende 294, 313 Macht 259–291, 452, 508 ~los (s. Ohnmacht) 460 Magier 374f, 391 Mahl 202, 344, Makarismus 329, 419, 539 Makkabäer 600, 608, 611 Manasse 307 manichäisch 705 Maria 624, 770 Markion 61 Märtyrer 125, 496, 516f, 519, 525, 536, 539, 549, 579, 581, 587, 602, 623, 626, 635, 743 ~akten 629 ~titel 635, 642–644 ~tod 632f, 636, 638f, 642 Märtyrologische Zeugnisterminologie (s. Zeugnisterminologie) Martyrium 17, 74, 306, 369f, 381, 387, 522, 547, 580, 587–618, 619–647, 788 Matthäus(evangelium) 138, 197 Maximilla, Prophetin 655, 664, 670f Mede, Joseph 794 Medizin, antike 261, 281, 283 Meer 237, 331, 542, 697, 745 Mehrheitstext 45, 47, 65, 68 Melito von Sardes 60, 620 Menschensohn 197, 203, 208, 218f, 440f, 446, 450, 452f, 456 Messias/messianisch 80, 304, 449, 458 Metapher 150, 262f, 284, 291, 344, 400, 424, 437, 502f, 529, 584, 591, 609, 616, 753 Metaphorik/metaphorisch 141, 182, 250f, 257, 531, 545, 661, 673, 712, 785f, 793 Methode/methodisch/methodologisch 12, 72, 142, 147, 153f, 161f, 166, 170, 184 – kohärenzbasierte genealogische 71,73f, 76, 78 Milleniarismus 490, 582 – dispensationalistischer 490, 666 – Postmilleniarismus 484, 490 – Prämilleniarismus 484, 490 Millenium 29, 483f, 533, 538, 665, 672
862
Sach- und Personenregister
Monotheismus/monotheistisch 124, 305f, 315, 524 Montanismus 564, 645f, 651–675 Montanus 655–659, 661–670, 672–674 Mose 252, 308–310, 364, 386, 415, 593, 781 Münze 301 – Münzemission 10, – Reiseerinnerungsmünzen 95 Naherwartung 480, 487, 494–497, 546, 621 Narratologie/narrativ/narratologisch 25, 27f, 32f, 334, 360, 384 – kognitive 11, 35 Nebukadnezar 505, 594, 601f Neokorie 10, 143 Nero 79, 120, 126f, 131, 220, 300–303, 305, 310, 492, 525, 529, 553, 619f, 622, 641 – rediturus 302, 306 – redivivus 80f, 96, 126f, 129, 299, 302, 526, 554 – redux 82, 130, 525 Nerva 79, 86f, 554 Nikolaiten 102, 391f, 394, 427, 522, 574, 580 Oecumenius 56f, 60f, 75, 756 ~kommentar 756, 762f, 765–774 Offenbarung/offenbart 196, 357, 365, 369, 386, 397f, 420, 428, 432, 435, 437, 449, 464, 708, 776, 780, 799 ~sliteratur 418 Orakel 122, 128f, 377f, 405, 417, 422, 397, 571, 719, 725 Oralität 23, 34 Origenes 73, 168, 274, 277, 475, 482, 629f, 760, 763f Panhellenion 110, 112, 141–143 Papias 60, 145 Paradies 153, 244, 543, 692, 704f, 721 Paränese/paränetisch 423, 427f, 495, 520f, 524, 534, 755 Paraklet 666f, 672, 799 Parther 127f, 302, 506f, 526, 528 Parusie 94, 138, 299, 446, 461, 472, 484, 512, 520f, 532, 548, 704, 729, 798
~verzögerung 494f, 496f, Passah 222, 440 Passion 588, 608, 636, 645–647 Patmos 236, 337, 367f, 379, 407, 451, 568, 607, 789 Paulus/paulinisch 250f, 300, 638, 705 ~apokalypse 685, 707 Pepuza 654f, 660–664, 668, 675, 679 Pergamon 106, 110, 141, 579 Perpetua 637 Petrus 638, 761, 798 ~apokalypse 685, 705, 707 Philadelphia 584, 653, 662 Philoxeniana 59, 62f Phrygien 74, 652, 657f, 662f Physiognomie 262, 284f, 287, 291 Pietismus 31, 485f Plinius (Secundus) 85, 91, 398f, 402, 523, 597, 630 ~brief 621, 626 Pneumatologie/pneumatologisch 250f, 254, 397 Polemon, Marcus Antonius von Laodikea 112f, 141f, 284f, 288 Politik/politisch 21, 133, 192, 274, 302, 323, 370, 373, 375, 377f, 389f, 400, 424, 429, 477, 489, 500, 564, 572f, 598, 724, 794f, 802, 807f, 811 ~kritik 811 Polykarp von Smyrna 588, 606, 645 – Martyrium des 606, 631, 634 Presbyter 4, 747, 779 Priester/priesterlich 111, 205, 426, 445, 460 Priscilla, die Prophetin 651, 653f, 664 Prophet 333, 371, 373f, 376, 391, 403, 407, 446, 567, 577, 596, 604, 655, 796–798 Prophetie/prophetisch 295, 367, 379, 381, 417, 431, 460, 488, 603, 776, 787, 794, 801 – Pseudoprophetie 306–308, 371, 394, 566, 670f Prophetin 651, 655, 670, 797f Provinzen, römische – Achaia, Provinz 110,128 Pseudonym/Pseudonymität 4, 320, 406, 561
Sach- und Personenregister Quellenkritik/quellenkritisch 11, 322, 334, 558 Quintilla, die Prophetin 651–654, 675 Rechtfertigung 554, 566, 582, 584f Reich Gottes 104, 250f, 481, 483, 493, 513, 533, 549, 551, 785 Reichtum/reich 201, 208, 223, 288f, 556f, 577, 805 Reinigung 259–291, 809–811 Reinheit/rein 523, 578 Rekapitulation(stheorie) 500, 511, 513 Relecture 438, 707 relegatio (in insulam) 379, 401 religio licita 423 Religionsgeschichte/religionsgeschichtlich 236, 238, 242, 311, 488 Religionspolitik/religionspolitisch 489, 378, 386, 389, 393, 489, 724 Rezeption 3, 24, 30, 36, 39, 150, 170, 181, 190, 386, 418f, 422, 433, 477, 683, 707 – Schriftrezeption 166 ~sgeschichte 30–32, 44, 60, 194, 395, 626, 793 Rezipienten(orientierung) 11, 37, 329, 360, 382, 383, 386f Rhetorik/rhetorisch 30, 78, 382f, 389, 513, 712, 762, 765 – antike 32f, 343 – Verfolgungsrhetorik 125 Ritual 776, 787 Rom 124f, 311, 131, 390, 485, 492, 507, 520, 527–529, 612, 622, 722f, 753 – Imperium Romanum 81, 88, 91f, 106, 132, 376, 395, 402, 405, 546, 647 – antirömisch 370, 378, 380, 407 ~Brand 379, 628 Ruhe 173, 218, 244, 298, 376 Sakrament/sakramental 371, 783 Samael 300, 307, 314 Sanktion 374, 390, 392 Sardes 110, 112, 270 Satan/satanisch 101–104, 114, 140f, 211f, 215, 226, 310f, 467, 485, 497, 507, 510, 579, 584, 613, 615, 808 Satanologie 294, 309
863
Schechina (Einwohnung/Wohnung) 209, 236, 245–247, 253–255, 539, 544f, 549 ~theologie 245 Schöpfer(macht) 239f, 545, 780 Schöpfung 276–278, 455, 458, 509, 540, 544, 693, 779 – neue 106, 242, 255 schriftgelehrt 348, 350, 406 Schule, johanneische 5, 253, 336 Sendschreiben 78, 86f, 304, 326, 350f, 368f, 390, 398, 423, 426, 557 Sekte/sektiererisch 15, 418 Semitismen 6, 64 Septuaginta 23, 149–190, 241, 761 Siebenerreihen/Siebenerzyklen 324f, 501, 512, 547, 692–694, 706 Siegel 326, 358f, 457, 461, 707 ~buch 356–361, 394 Sinn(ebenen) 760, 764, 769 Sitz im Leben 13, 19, 319, 323, 559 Smyrna 110, 171, 285, 584 Sophia 249, 652 Soteriologie/soteriologisch 111, 429, 439, 546, 585, 781 Southcott, Joanna 794, 796, 798f Spener, Philipp Jakob 484 Spiritualität 775, 779 Sprache 6, 97, 156, 180, 569, 599, 625, 712, 788 ~bilder 481 – Mehrsprachigkeit 189 Staat (s. Rom) Stoa/stoisch 272f Strafe (s. Sanktion) 70, 182, 217, 279, 311, 375, 378, 392, 523, 631, 635, 712, 722, 734f, 738, 740f, 752f ~recht/strafrechtlich 376 superstitio/Aberglaube 373, 376–379, 399f Sybillinische Orakel 96, 125, 132, 207, 300, 304, 396f, 711, 722 Symmachus 168, 187 Synagoge(ngemeinde) 391, 401, 522 – des Satans 390f, 393, 523 Synchronie/synchron 17, 28, 35, 238, 323f, 334, 363 Tacitus 555–557, 629 Taufe 654, 783
864
Sach- und Personenregister
Tausend Jahre/tausendjähriges Reich 225, 237, 481, 521, 595f, 748 Tempel 114, 123, 134, 199f, 305, 327, 388, 469, 518, 544, 627, 786 – himmlischer 230, 331, 784 – Jerusalemer 124f, 243, 246, 254, 726 ~metaphorik 251, 254, 257 – Salomonischer 246f – Zeus-Olympios 110, 141, 143 – Zeus Philios 140 – Zweiter Tempel 196 Tertullian 664, 666–668, 742 Teufel 139f, 310f, 313f, 315, 390, 507, 517, 624, 631, 738 ~sfall 294, 301, 313 Text(form) 43–78, 156, 162f, 165f, 172, 189 ~gruppen 76, 78 ~kritik 12, 43–78, 194, 242, 295, 756– 760, 770 ~varianten 49, 51, 53f, 67, 70, 73, 758– 760 – Codex Alexandrinus 47, 54, 64, 66, 69, 78, 770 –Codex Sinaiticus 50, 55, 64, 67, 758, 770, – Codex Ephrami rescriptus 53 – Vetus Latina 44, 62f, 70, 72f, 77 ~pragmatik 147, 528 ~sicherungsformel 407 Theodotion 164, 168, 174, 178f, 187 Theologie(geschichte) 448, 471, 475, 584 Theophanie 162, 330f, 346, 349, 452f, 528, 728 Thomasapokalypse 683–708 Thron/Thronsessel 114, 140f, 203–205, 209, 457, 459, 469f, 519, 535f, 538, 615f, 782, 784 – Thron(saal)vision 330, 388 – Thronwagenvision 503 Thyatira 5, 101, 110, 181, 537 Tiberius 107, 556 Tier 126f, 135, 306, 489, 498, 507, 599, 647, 727, 779, 807f – aus dem Meer 113, 293, 301, 310, 594 – siebenköpfiges 121 – vom Land 113, 141f
Tod/tot (s. Märtyrertod) 240, 243, 270, 454, 606f, 636, 642, 804 – freiwilliger 618 – gewaltsamer 589, 613 – Jesu (s. Kreuzestod) 222, 614, 643, 802 – zweiter 738 Todesweihe 632, 642, 646 Tradition(sstoff) 12, 23, 26, 194, 471, 503, 576f – alttestamentlich 238, 245, 450, 462, 541 – apokalyptisch 231 – (früh)christlich 462 – (früh)jüdisch 238, 245, 300, 450f, 462, 541 – hellenistisch-römisch 24 – patristisch 773 Traditionsgeschichte/traditionsgeschichtlich 193, 207, 235f, 239, 246, 252–257, 293, 309, 500, 574, 604 Trajan 79, 86f, 321, 398, 554, 557, 563, 597, 620–622 Trinität 769, 772f, 782 Trishagion 773f, 785 Tyconius 269, 487, 794 Tymion 656–662, 664, 668, 679 – Tymion Inschrift 657, 676 Überwindung/Überwinderspruch 470, 585 Ulpian 374, 376f Unreinheit 287, 541 Unzucht 137, 400, 522, 573–577 Uriel, Erzengel 243, 659 Urkundenhypothese 340 vaticinium ex eventu 122, 504, 561, 563 Verbannung 93, 367, 370, 373, 379, 381, 401, 407, 633, 643 Verfolgung(shintergrund)/~situation 70, 75, 78, 84f, 87f, 98f, 321, 373, 387, 402, 495, 508, 523, 558–560, 562, 566, 572, 581, 597f, 605, 613, 617, 622, 625, 636, 641, 671 Vespasian 124, 136 Vier-Kaiser-Jahr 79f, 121
Sach- und Personenregister Vision 319, 327f, 332f, 339, 369, 406, 430,443, 449, 494, 557, 694 Völker(wallfahrt) 240, 249, 510, 745 Wahrheit 360f, 430, 491, 531, 633, 708, 710, 799 Wahrsager 375, 377 Wasser 220, 254, 261, 265, 270, 273, 308, 469, 502, 518 – des Lebens 209, 469 ~vorrat 264 Wehe-Orakel 224 Weihe(siegel) 632, 639, 642, 646 Weisheit 193, 200, 209, 245, 253, 263, 384, 652f Weltende 295, 491, 716 Werke 259, 269, 282f, 284, 287 Wettkampf 609, 616 Widerstand 390, 562, 570, 578, 582f Wirklichkeit 352, 367, 387, 395, 423f, 428, 433, 480, 493, 499, 544, 546, 562, 713, 777, 788, 796, 805 ~sbezug 19, 117, 144, 192, 500, 811 ~ssicht 598 ~wahrnehmung 430 Wirkungsgeschichte 30, 32, 395, 534 Wort (Gottes) 362, 367, 436, 464, 569, 591 Wüste(nwanderung) 175, 248 Wunder 303, 307 Zahl – 4 274 – 7 196, 122, 210, 311, 348
865
– 616 59, 61, 66, 73, 98 – 666 83f, 87, 97f, 126f, 132, 313 – 1260 593 – 1335 302 – 144000 468 Zauberliteratur 415 Zehnwochenapokalypse 242f Zeit 302, 487, 498f ~dimension 448, 505 ~horizont 480 Zeitgeschichte/zeitgeschichtlich 106, 115, 147, 476, 489, 491, 626 Zeichen 303, 307 Zelt/Zelten (Gottes) 237, 246 Zeuge (s. Blutzeuge) 369, 436, 580, 588, 596, 602, 634, 797 ~ntod 536, 633, 639 Zeugnis 363, 436, 567, 569, 603–608, 614, 617, 619–647 – Jesu 362, 364f, 367, 436f – Tat- und Wortzeugnis 639, 646 Zeugnisterminologie 605, 636, 647 – martyrologische 618, 634, 637, 640– 642, 645f Zeus 114, 140f, Zion 240, 246, 301, 468, 728 Zionismus 490 Zorn 331, 344, 462, 499, 511, 514, 528, 592, 693, 702, 716 Zukunft/Zukunftsbezug 17f, 192, 473– 551 Zwischenreich 481, 510, 515, 534, 539, 721, 735, 737, 746, 752
Register griechischer Begriffe ἀβύσσος αἷµα ἀνάπαυσις ἀναψυχή ἀρχή/ἀρχαί
698 459, 641 218 173 271, 273, 276–278, 283, 455
νικάω
105, 609, 611, 618
ὁµολογητής οὐρανός – ἐκ τοῦ οὐρανοῦ
635
βάρος βιβλίον
136 413, 430
δοξολογία
782
ἐγώ εἰµι εἰκών ἐκκλησία ἐµέω ἔργα εὐσέβεια
453 601 783 281 259, 268 610f
παθητικά 272 παντοκράτωρ 785 πίπτειν 52 πίστις 610f, 618 πιστός 580, 607 ποιητικά 272, 278 προσκυνέω 601 προσοχθίζω 279 πρωτότοκος – ὁ πρωτότοκος τῶν νεκρῶν 444
ζεστός
259–263, 279
θεοτόκος θλῖψις θρίξ
770 428, 566, 568, 613 55
κτίσις κτίστης
455 104, 110
λατρεία
782
µαρτυρία µάρτυς
567 436, 580, 588f, 602f, 605–607, 618, 635, 641 – ὁ µάρτυς ὁ πιστός 444, 580, 607, 630, 641 νεωκόρος
134f
σκηνάω/σκηνόω σοφία στοιχεῖα συντέλεια σωτήρ
653–654, 659, 665, 673, 675, 697
245 249, 652 271 670–672 104, 110
τάχος – ἐν τάχει 480, 504 τέλος 671f τηρέω 363 – οἱ τηροῦντες τὰς ἐντολὰς τοῦ θεοῦ 596 ὑποµονή
608, 611, 618
χλιαρός
260–262, 279
ψυχρός
259–263, 280