Die italienische Kaiserpolitik des deutschen Mittelalters mit besonderem Hinblick auf die Politik Friedrich Barbarossas 9783486759174, 9783486759167


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German Pages 159 [168] Year 1927

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Inhaltsverzeichnis
Ziel der vorliegenden Arbeit
I. Allgemeine Würdigung der mittelalterlichen Kaiserpolitik
II.
III.
Schlussbetrachtung
Anmerkungen
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Die italienische Kaiserpolitik des deutschen Mittelalters mit besonderem Hinblick auf die Politik Friedrich Barbarossas
 9783486759174, 9783486759167

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DIE ITALIENISCHE KAISERPOLITIK DES DEUTSCHEN MITTELALTERS MIT BESONDEREM HINBLICK AUF DIE POLITIK FRIEDRICH BARBAROSSAS EIN BEITRAG ZUR PRÄGE DER HISTORISCHEN URTEILSBILDUNG VON

GEORG v. BELOW

M Ü N C H E N U N D BERLIN 1927 D R U C K U N D V E R L A G VON R . O L D E N B O U R G

B E I H E F T 10 D E R H I S T O R I S C H E N

Alle Redite, einidiliefllidi der Übenetzung vorbehalten

ZEITSCHRIFT

MAX IN ALTER

LENZ

VEREHRUNG

TREUNDSCHATT

UND

Inhaltsverzeichnis. Seite

Ziel der vorliegenden Arbeit

I. Allgemeine Würdigung der mittelalterlichen Kaiserpolitik Literargeschichtlicher Rückblick aber die Kontroverse. S. i. Neuere Arbeiten seit meiner „Deutschen Reichspolitik einst und jetzt". S. 3. Bedeutung der Kontroverse. S. 5. Einfluß der Tradition des alten Kaisertums. Er wird von den Verteidigern der italienischen Kaiserpolitik nicht konsequent geltend gemacht. S. 6. Inwiefern der Geschichtschreiber ein Urteil über die Richtigkeit der Politik der Männer der Vergangenheit abzugeben hat. S. 9. Unfruchtbarkeit der mittelalterlichen Kaiserzeit. S. 12. Fälschung des Kampfes zwischen Staat und Kirche durch die italienische Kaiserpolitik. S. 13. Schwierigkeiten der Verteidiger der Kaiserpolitik, die die Vergangenheit nur aus sich verstehen wollen und nun erst recht ins Schelten der Vergangenheit geraten. S. 13. Leitende Idee bei der Beurteilung der Vergangenheit. S. 14. Verzicht auf eine solche im Positivismus. S. 18. Übergang von der Romantik zum Positivismus in Giesebrechts Kaiserzeit. S. 18. Der empiristische Positivismus. S. 19. Argumente, mit denen die Zweckmäßigkeit der Kaiserpolitik dargetan wird. S. 20. 1. Angebliche Notwendigkeit der Beherrschung des Papsttums um der deutschen Bischöfe willen. S. 20. 2. Erst durch das Kaisertum soll die Einigung der deutschen Stämme vollendet worden sein. S. 21. 3. Angebliche Notwendigkeit der Fernhaltung einer fremden Herrschaft von Italien. S. 22. Zugang zum Mittelmeer erstrebt? S. 24. Günstige Kultureinflüsse von Italien her ? S. 244. Angeblicher naturgemäßer Ausdehnungsdrang der Deutschen. S. 25. Inwiefern von einem Überschießen Deutscher Kräfte nach Italien gesprochen werden darf. S. 27. Ganz anderes Verhältnis im Osten und Norden. S. 28. Die deutsche Markenpolitik. S. 30. Die deutsche Hegemoniestellung nicht erst durch die Unterwerfung Italiens geschaffen, sondern unabhängig von ihr vorhanden. S. 31. Die Verfügung über das Papsttum kein Beweis for besondere Macht der Kaiser. S. 33. Woher stammt die Schwäche der deutschen Zentralgewalt ? S. 34. Dietr. Schäfers Antwort. S. 34. Übertreibung des Zufalls-

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Das Ziel der vorliegenden Arbeit war ursprünglich lediglich die Schilderung der Politik Friedrich Barbarossas. Natürlich konnte diese nur im Zusammenhang der Politik der mittelalterlichen Kaiser gewürdigt werden. Wenn aber die Berücksichtigung eines solchen Zusammenhangs bei der Darlegung jeder Politik unvermeidlich ist, so gewinnt sie im vorliegenden Fall erhöhte Bedeutung. Denn es handelt sich um die grundlegende Frage, wie die gesamte mittelalterliche Kaiserpolitik, als zeitliches und sachliches Ganzes, beurteilt werden soll. Wurde ich auf diese Weise schon genötigt, über mein engeres Thema mehr, als es sonst üblich ist. hinauszugreifen, so trat noch hinzu, daß sich an die Kontroverse über die mittelalterliche Kaiserpolitik grundsätzliche Fragen der historischen Urteilsbildung knüpfen, die auch wieder für sich eingehende Beachtung fordern. Weiter schien es mir angebracht, neben die allgemeine Erörterung einen knappen Überblick über die Politik der ältem deutschen Könige zu stellen, um so, indem die Vergleichung der Politik Barbarossas mit der seiner Vorgänger erleichtert wird, das Wesen jener noch deutlicher zum Ausdruck zu bringen. So hat sich der Charakter meiner Arbeit über die ursprüngliche Anlage hinaus wesentlich erweitert. Den gegebenen Andeutungen entsprechend biete ich zunächst eine allgemeine Erörterung der mittelalterlichen Kaiserpolitik, lasse dann jenen Überblick über die Politik der einzelnen deutschen Könige bis zu Konrad III. folgen und schließe mit der Schilderung der Politik Barbarossas. I. Vor jetzt bald siebzig Jahren beginnt die große Auseinandersetzung über die Würdigimg der mittelalterlichen Politik, indem H. v. S y b e l a l s ihr Kritiker auftrat, Ficker sie verteidigte. Die wissenschaftlichen Heerlager, die der Streit hervorrief, fielen zum großen oder größeren Teil zusammen mit politischen: dem der Kleindeutschen und dem der Großdeutschen. Nur wenige Jahre nach der heftigsten Erregung des wissenschaftlichen Kampfes siegBeih. d. H. Z. 10. 1

ten in der Politik die Kleindeutschen. In der wissenschaftlichen Literatur gewannen jedoch allmählich diejenigen das Ubergewicht, welche sich zu dem Urteil bekannten, das Ficker über die mittelalterliche Kaiserpolitik gefällt hatte. Sie teilten freilich nicht oder nur seltener die Antriebe, von denen aus er zu seiner Auffassimg gelangt war, und eigneten sich auch nicht durchweg die Argumente an, mit denen er sie gestützt hatte. Ihre Ubereinstimmung mit Ficker bestand im allgemeinen nur darin, daß sie die mittelalterliche Kaiserpolitik überhaupt billigten. Die Grundlagen dieser Billigung waren von zweierlei Art (wir werden noch ausführlicher davon sprechen): einmal wollte man nicht auf den Stolz auf die große deutsche Vergangenheit verzichten, die man in den Taten der alten Kaiser in Italien verwirklicht sah; sodann glaubte der damals herrschende Positivismus Zweifel an der unbedingten Notwendigkeit einer abgelaufenen historischen Entwicklung verbieten zu müssen. Im Jahre 1895, in einem Nachruf auf H. v. Sybel, fällte Erich Mareks das Urteil: 2 ) »Sybels Buch war eine Waffe. In der Geschichte der historischen Erkenntnis war es eine Verirrung; aber der Geschichte unseres werdenden Staates gehört es bleibend und glänzend an.« Wenn Mareks, der hier Sybels These für eine wissenschaftliche Verirrung erklärte, nicht selbst im Kreis der mittelalterlichen Studien steht, so verdient literargeschichtlich sein Satz darum nicht geringere Beachtung: er glaubte mit ihm das allgemeine Urteil seiner Zeit auszusprechen. Und für diese Zeit und die folgenden Jahre blieb in der Tat die Meinung über Sybel, wie sie Mareks formulierte, die vorherrschende. Ich habe freilich von meiner ersten Dozentenzeit an dauernd Sybels Auffassung im Gegensatz zu der Fickerschen vertreten. Nachdem ich ganz kurz in den Jahren 1901 und 1908 mich zu jener öffentlich bekannt hatte 8 ), war es denn auch ein Schüler von mir, der zuerst in umfassender Erörterung wieder Sybels These erneuerte: F. Kern in einer weit über die Art einer Rezension hinausgehenden Abhandlung, die er Dietrich Schäfers »Deutscher Geschichte« in der »Deutschen Literaturzeitung« 1912, S. 1869 ff- widmete. Indem ich erwähne, daß Kern als mein Schüler sich zu Sybels Auffassung bekannte, will ich zwar keineswegs behaupten, daß er nur Gedanken von mir vorgetragen hat. Ich habe vielmehr, als ich kurz darauf (1914) in meinem »Deutschen Staat des Mittelalters«, Bandl, S. 353 ff., die Streitfrage in ausführlicher Behandlung zu klären mich bemühte, Kerns Argumente als Stütze von eigenem Wert mit verwertet.

Die erwähnte Darstellung von D. Schäfer war die erste gewesen, die seit längerer Zeit wieder eine eingehende Verteidigung der italienischen Politik der mittelalterlichen Kaiser zu liefern unternahm. Schäfer gehört jedoch zu denen, die sich die Argumentation Fickers, wie bemerkt, nicht einfach aneignen. *") Er macht überdies Sybels Auffassung Zugeständnisse. Meinerseits habe ich diese gleichfalls nicht ohne weiteres wiederholt, sondern die ganze These auf eine breitere Grundlage gestellt, auch insbesondere betont, daß die Italienpolitik nicht allein die deutsche Verfassungsentwicklung ungünstig beeinflußt hat, sondern neben ihr namentlich die Kurzlebigkeit der deutschen Dynastien. Immerhin konnte ich an dem Tadel, den Sybel ausgesprochen hatte, entschiedener festhalten als Schäfer und die andern, die mit und nach ihm die Kaiserpolitik verteidigten, an deren Rechtfertigung durch Ficker. *) In einem neuen Rahmen habe ich das Thema in meiner Schrift „Deutsche Reichspolitik einst und jetzt" (1922) behandelt, indem ich, abgesehen von der Auseinandersetzimg mit der inzwischen erschienen Literatur, namentlich eine Erörterung über die Natur des historischen Urteils und einen Vergleich der mittelalterlichen Reichspolitik mit der des 19. und 20. Jahrhunderts hinzufügte. Im Jahre 1923 veröffentlichte Joh. Haller seine „Epochen der deutschen Geschichte", in denen er die Miene annimmt, die Kritik der ottonischen Kaiserpolitik als leichte Ware ablehnen zu können. In einer Anzeige seines Buches (H. Z. 130, S. 538 ff.) wies ich demgegenüber darauf hin, daß Haller im Widerspruch zu der Annahme jener Miene es tatsächlich für notwendig hält, recht viel zur Widerlegung unserer Kritik aufzubieten und zur Verteidigung der ottonischen Kaiserpolitik neue und eigenartige Wege einzuschlagen. Die Greifswalder akademische Rede von Adolf Hofmeister „Die nationale Bedeutung der mittelalterlichen Kaiserpolitik", ebenfalls 1923 erschienen, bietet eine gründliche, sachliche, lehrreiche Behandlung der Streitfrage.44) Sie verteidigt die ottonische Politik in ungefährer Übereinstimmung mit der Auffassung Schäfers, gesteht aber der Gegenseite so viel zu, daß hier fast schon eine Einigung nahe gerückt scheint. Ähnliches gilt von dem Habilitationsvortrag M. Braubachs „Zur Beurteilung der mittelalterlichen Kaiserpolitik", veröffentlicht in „Vergangenheit und Gegenwart", Bd. 15, S. 321 ff. Wir begehen wohl keine Indiskretion, wenn wir erwähnen, daß der Verfasser 1



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sich zu einem bewußten Katholizismus bekennt, in diesem aber kein Hindernis sieht, einen Standpunkt einzunehmen, der sich von dem einst von Ficker vertretenen beträchtlich entfernt.4b) Neuerdings ist nochmals J . Haller zur Verteidigung der mittelalterlichen Kaiserpolitik, auf den Plan getreten, mit einem besondern Buch „Das altdeutsche Kaisertum" (1926), dem er ausdrücklich den Zweck setzt, das Kaisertum der Ottonen, Salier und Staufer im vollen Umfang zu rechtfertigen. Wenn man bei seiner Darstellung zunächst daran Anstoß nimmt, daß sie sich auf die politischen Dinge im engsten Sinn beschränkt, so darf man ihr doch daraus keinen Vorwurf machen: sie soll eben ganz eigentlich die Politik der Kaiser im engern Sinn rechtfertigen. Wir werden in der Veröffentlichung dieses Buchs eine Anerkennung der Tatsache sehen dürfen, daß die Kritik der ottonischen Politik keineswegs eine so leichte Ware ist, wie Haller in seinem ersten Buch glauben machen wollte. Ich habe zuletzt von Arbeiten gesprochen, welche ex professo unserer Streitfrage gewidmet sind. Nicht weniger sind natürlich die allgemeinen Darstellungen der deutschen Geschichte im hohen Mittelalter in Betracht zu ziehen, und in ihnen lebt das Bekenntnis zu Fickers These noch stärker fort. Im Vordergrund stehen hier K. Hampes Arbeiten. Wie seine „Salier und Staufen" unter der Voraussetzung der Richtigkeit der Fickerschen These geschrieben sind, so hat er in seinen in den letzten Jahren veröffentlichten biographischen Artikeln über Karl den Gr., Otto den Gr., Friedrich den I. und seine staufischen Nachfolger5) die italienische Kaiserpolitik mit bemerkenswerter Energie verteidigt; er lehnt hier die an dieser geübte Kritik schroffer ab als dort, weil er sich hier in bewußten Gegensatz zu ihr stellt. Die Herbheit, mit der namentlich Hampe, aber auch andere Forscher an ihrer Ansicht festhalten, und ihre Abneigung, auf die ihnen entgegengehaltenen Argumente näher einzugehen, die förmliche Verhärtung, die wir in ihrer Haltung beobachten, machen es notwendig, unsere Beweisführung zu steigern. Wenn aber der Eindruck entstehen sollte, daß wir ausführlicher geworden sind, als es die Sache verlangt, dem Gegner zuviel Aufmerksamkeit erwiesen haben, so würde die Verantwortung dafür eben ihm zuzuweisen sein. ®°) Findet demnach die Kritik der mittelalterlichen Kaiserpolitik noch starke Widerstände, so kommt doch die Anerkennung, die sie fortschreitend gewinnt, weiter zu charakteristischem Ausdruck in dem Satz Braubachs, daß »es wohl keine wissenschaftliche



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Kontroverse gibt, die dieser verglichen werden kann«, zumal wenn man ihn mit dem oben angeführten Satz von E. Mareks vergleicht, wonach Sybels These wissenschaftlich einfach als »Verirrung« zu betrachten wäre. Die Bedeutung der Kontroverse liegt zunächst darin, daß an sie sich die Deutung der gesamten deutschen Verfassungsentwicklung knüpft. Die Beantwortung der Frage, warum in Deutschland im Lauf der Jahrhunderte die lokalen Gewalten das Übergewicht über die Zentralgewalten erhalten haben, ob diese Verfassungsentwicklung mehr Folge einer verfehlten Politik oder äußerer Schicksale und Unglücksfälle ist, warum sich ein provinzialer Geist bei uns ausgebildet, ob und in welchem Maß das Sonderrecht des Teiles, die lokale oder landschaftliche Autonomie, der Förderalismus im germanischen Wesen uranfänglich begründet oder historisch sichtbar entstanden8), ob er ein Vorzug oder ein Nachteil ist, inwieweit er die deutsche Kultur gefördert hat, kann nur im Zusammenhang mit einer Beurteilung der Mittelalterlichen Kaiserpolitik gegeben werden. Mit diesen Bemerkungen gehen wir aber schon über den engern Kreis der Verfassungsentwicklung hinaus. Mit den berührten Dingen hängt ferner zusammen die Beantwortung der heute so viel behandelten und mit den entgegengesetztesten Folgerungen verbundenen Frage, ob die Deutschen ein politisch fähiges Volk seien und ob ihre politische oder unpolitische Beanlagung ursprünglich oder historisch bedingt sei.7) Weiter gedenken wir der Wirkung der deutschen Verfassungsentwicklung auf die Kirchenreformation des 16. Jahrhunderts und die konfessionelle Spaltung Deutschlands. Deren Beurteilung hängt immer an der Antwort auf die Frage, warum Deutschland politisch gespalten in das 16. Jahrhundert eingetreten war. Nicht gering schätzen wir sodann den wesentlich durch Sybel in die historische Diskussion eingeführten Gedanken, daß die Politik eines Staates in seinen Lebensnotwendigkeiten eine Schranke zu sehen habe, daß sie diesen nachgehen müsse, nicht jedoch über sie hinausgehen dürfe. Der hiermit umschriebene Gedanke fällt nicht mit dem Nationalstaatsgedanken zusammen, in dessen Form er von Sybel und zu seiner Zeit vertreten wurde; er hat einen allgemeinern Charakter. Mit seiner Verbindung von gesunder Aktivität und Selbstbeschränkung hat er zugleich besonderen Wert als Grundsatz der politischen Moral, als Grundsatz, der dem eigenen wie dem fremden Gemeinwesen Gerechtigkeit widerfahren läßt.8) Damit ist weiter seine Bedeutung für die Bildung des historischen Urteils, für die Gewinnung eines uni-



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versalen und deshalb objektiven Standpunktes der historischen Betrachtung festgestellt. Beachten wir ferner den besonderen Gegensatz Sybels gegen Giesebrecht, gegen den er sich ja zunächst wandte (während Ficker sich nur sachlich mitgetroffen fühlte). Giesebrecht schrieb als Bewunderer der mittelalterlichen Kaiser und auch ihrer italienischen Politik, weil er sich und sein Volk an ihrer ruhmreichen Vergangenheit aufrichten wollte. Aber ihm fehlte juristische und politische Schulung. Er war zu sehr Chronist, wenngleich wertvoll kritischer Chronist. Er schrieb die Geschichte der mittelalterlichen Kaiser, ohne uns zu sagen, was denn ihre Politik sachlich bedeutete. Sybel fragte ernst nach dieser Bedeutung. Das ist sein großes Verdienst. Nach der politischen Bedeutung der Geschehnisse zu fragen war er nicht bloß von seiner Beschäftigimg mit der französischen Revolution gewohnt; er hat solche Fragen auch schon in seiner Geschichte des ersten Kreuzzugs gestellt. Als Schüler Savignys hatte er Sinn für Verfassungsfragen, und als Historiker, der zugleich im praktischen politischen Leben stand, sah er sich zur Frage nach der Bedeutung der historischen Ereignisse gedrängt. Wenn er so Giesebrecht, indem er nach dem Ziel der Kaiserpolitik und seiner innern Berechtigimg fragte und den Stoff stärker innerlich zu erfassen sich bemühte, als der realistische Historiker dem Stoffhuber und Rhetor gegenübertrat9), so dürfte damit, alles dieses zusammengenommen, wohl jenes Urteil über die entscheidende Wichtigkeit der durch Sybel herbeigeführten Kontroverse gerechtfertigt erscheinen.*®) Die hohe Bedeutung der Sybelschen These nachdrücklich in helles Licht zu stellen ist um so notwendiger, als ihr Wesen noch keineswegs überall richtig gewürdigt wird. Namentlich hört man noch immer wieder den Einwand, wir trügen fremde Vorstellungen in die Vergangenheit hinein, indem wir von den Politikern des Mittelalters Erwägungen erwarteten, die ihnen tatsächlich fremd gewesen seien. Mit diesem Einwand wollen wir uns zunächst auseinandersetzen. Die neueren Forschungen haben festgestellt, daß die deutschen Könige, wie es scheint, schon seit Heinrich I. 10 ), nicht erst seit Otto I., unter der maßgebenden Einwirkung der Tradition 11 ) des Erwerbs der Kaiserkrone gestanden haben. Gleichgültig bleibt es in diesem Zusammenhang, ob die sächsischen Herrscher mehr durch das Bild Karls d. Gr. oder das der späteren Inhaber des Kaisertums gelockt wurden.1*) Auch Karl beginnt überdies nicht die Reihe: das altrömische Kaisertum übte seine Wirkimg



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und ragte in Karls Zeit in der Gestalt des byzantinischen Kaisertums hinein. Mit dem Einfluß der Tradition verbanden sich momentane Verhältnisse, die den Blick gleichfalls nach Italien lenkten. So haben denn die deutschen Herrscher jener Zeit unter dem Eindruck gestanden, der Erwerb der Kaiserkrone und Italiens sei etwas im höchsten Maße Begehrenswertes; es machte sich ein Trieb geltend, der sie fortriß. Es wäre jedoch noch die Frage aufzuwerfen, ob dieser Trieb ganz zwingend gewirkt, den Herrschern jede Erwägung gefehlt hat, daß auch eine andere Politik möglich sei. Dieselben Forscher, die Otto I. unter dem uneingeschränkten Einfluß der Tradition handeln lassen, schildern andere Herrscher nicht im gleichen Grad als unter jenem Zwang stehend, erkennen ihnen einen Spielraum freiem Ermessens zu. So verteidigt Hampe Karl d. Gr. (Karl d. Gr., S. 402) gegen den modernen Vorwurf, daß er im Süden Italiens haltgemacht habe, mit der Frage, „ob die Eingliederung einer völlig ungermanischen, gutchristlichen Bevölkerung, wie sie der Süden bot, eigentlich auf der Linie seiner sonst eingehaltenen Politik lag und ob er, anderweit stark in Anspruch genommen, wie er war, nicht am Ende die Aussicht eines Kampfes mit der kaiserlichen Seemacht, zu dem einstweilen keine Notwendigkeit vorlag, doch richtiger beurteilt habe als seine modernen Kritiker". Von Heinrich I. urteilt er (Otto d. Gr., S. 446): „es kennzeichnet ihn die nüchterne Beschränkung auf das jeweils Nötige und Mögliche, um das deutsche Land mit langsamem, aber unbedingt sicherem Schritte erst einmal aus dem Elend herauszuführen." Von Otto I. lesen wir (ebenda S. 481): er „folgte dem Vorbilde Karls, der mit der Mission klug berechnend nicht über Sachsen hinausgegangen war, darin, daß er zunächst wohl nur an die Christianisierung der dem Reiche unterworfenen Slawenlande bis zur Oder hin gedacht, zum mindesten die kirchliche Organisation nicht darüber hinaus erstreckt hat". In Übereinstimmung mit Ficker tadelt Hampe (Salier und Staufer, S. 177) scharf die unio regni ad imperium. Wie wir bei dem Werk Ottos I. fragt er bei der von Friedrich I. angebahnten Vereinigung von Sizilien mit dem Reich: „was bedeutete sie für die deutsche Geschichte?" Der Versuch, so ganz verschieden geartete Länder „wie Norddeutschland and Sizilien dauernd in einer Hand zusammenzufassen, mußte sich früher oder später als unnatürlich und undurchführbar erweisen". Demgegenüber wird in neueren Forschungen betont, es sei ganz folgerichtig, Sizilien zu erwerben, wenn man Italien haben wolle; Italien ohne Sizilien sei etwas



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Halbes, auf die Dauer Unmögliches. Von unserem Standpunkt aus machen wir geltend, daß, wenn es erlaubt ist, die Unvereinbarkeit von Norddeutschland und Sizilien zu behaupten, es nicht abwegig sein wird, auch schon Norddeutschland und Italien überhaupt als „ganz verschieden geartete Länder" zu bezeichnen und damit eine Schlußfolgerung betreffs der italienischen Politik zu.ziehen. Wir fragen ferner, ob nicht auch die Könige des Deutschen Reichs — wie in verwandter Lage Karl d. Gr. — „anderweit stark in Anspruch genommen, wie sie waren (nämlich durch die unmittelbaren Lebensnotwendigkeiten des Deutschen Reichs), die Aussichten des Kampfes, zu dem einstweilen keine Notwendigkeit vorlag", hätten vermeiden sollen, zumal die Bevölkerung Italiens ,.ungermanisch (der vorhandene germanische Einschlag in Ober- und Mittelitalien fiel hierbei nicht ins Gewicht), gut christlich" war; ob nicht auch für die Nachfolger Heinrichs I. die staatsmännische Verpflichtung der „Beschränkung auf das jeweils Nötige und Mögliche" bestand; ob sie etwa die Tugend des „klugen Berechnens" nicht zu kennen brauchten. In Anerkennung der vorhin angeführten Sätze Hampes halten wir uns für verpflichtet, Otto I. und die andern deutschen Herrscher, die nach Italien übergegriffen haben, für verbunden zu erklären, bei diesem Ubergreifen sich die Frage des politisch Notwendigen, Zweckmäßigen, Möglichen vorgelegt zu haben. Kein Staatsmann besitzt das Privileg der Blindheit. Die Bedeutung eines Staatsmanns ist zu allen Zeiten unter anderm von dem Maß abhängig, in dem er Schwierigkeiten und Folgen einer Handlung erkennt. Wir gestehen jedoch gerne zu, daß die Lockung, die die meisten Könige jener Zeit nach Italien führte (wir glauben die Lockung Versuchung nennen zu dürfen), außerordentlich stark war, daß insbesondere die Tradition der bisherigen Italienpolitik immer weiter eine gewaltige Wirkimg ausübte. Die Untersuchungen, die neuerdings diese Dinge in helleres Licht gestellt haben18*), begrüßen wir als Erfolg der wissenschaftlichen Erkenntnis. Für die Stärke der Wirkung der Tradition läßt sich ja auch anführen, daß die Könige die Italienpolitik erst aufgegeben haben, als sie zu schwach waren, um sie noch fortsetzen zu können, als eben wesentlich infolge der traditionellen Italienpolitik das Königtum ganz schwach geworden war. Bittere Not ließ schließlich darauf verzichten, nicht freie Einsicht. Und um unsere Diskussion zu vereinfachen, wollen wir denn auch weiterhin die Frage der persönlichen Verantwortung ausschalten und den



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Zwang, den die Tradition ausübte, als schlechthin wirksam annehmen. Wir setzen also voraus, daß die Könige von der Überzeugung erfüllt waren, der Erwerb der Kaiserkrone sei nicht bloß etwas Begehrenswertes, sondern auch Pflicht. In einen grundsätzlichen Konflikt würden sie deshalb wegen der Romfahrt nicht geraten sein. Wenigstens für die eigentliche Romfahrt gilt dies, für die sämtlichen Romfahrten nicht ohne weiteres; als rechtsgültig konnten ihnen diese freilich auch erscheinen, insofern Italien nun einmal von der deutschen Krone erworben worden war. In einem praktischen Konflikt haben die Könige natürlich wiederholt gestanden: sie mußten sich in ihrer politischen Praxis darüber klar werden, ob sie im Augenblick die militärischen und finanziellen Mittel für die Romfahrt zur Verfügung hatten. Eine andere Frage ist es, ob die Zeitgenossen sämtlich und in allen jenen Jahrhunderten die Überzeugimg von der Notwendigkeit und Richtigkeit der Romfahrt teilten. Wenn die Fürsten sich vielfach weigerten, dem König nach Italien Zuzug zu leisten, so würde daraus noch nicht eine grundsätzliche Bestreitung der Unentbehrlichkeit der Fahrt zu folgern sein. Die Tatsache der formellen Verpflichtung der Reichsangehörigen, dem König bei seiner Romfahrt zum Erwerb der Kaiserkrone zu folgen, ist quellenmäßig ausreichend belegt. Indessen wird man aus dieser Tatsache und dem Umstand der regelmäßig erstrebten Kaiserkrönung noch nicht auf das völlige Fehlen einer Kritik schließen dürfen. 111 ) Erinnern wir uns, daß selbst eine so mächtige Bewegung wie die der Kreuzzüge mitten auf ihrer Höhe doch von merkwürdig kritischen Stimmen begleitet worden ist (insbesondere nach dem zweiten Kreuzzug). Aber wir stellen solche Erwägungen zurück und setzen der Einfachheit wegen die entscheidende Wirkung der Tradition voraus. Man knüpft an die Tatsache, daß die deutschen Könige und vielleicht jene Zeit überhaupt unter dem zwingenden Einfluß der von Karl d. Gr. begründeten Tradition der italienischen Politik gestanden haben, die Folgerung, der Historiker müsse sich mit diesem Umstand abfinden; seine Aufgabe sei nur festzustellen, was eine Zeit gewollt habe; nicht sei es seine Aufgabe, ein Urteil über die Richtigkeit der Politik der Männer der Vergangenheit zu fällen. So sagt Simonsfeld (Jahrbücher Friedrichs I., Bd. i, S. VIII): die italienische Politik „war damals, weil historisch gegeben und geworden, auch unumstößlich nötig"; es sei „unhistorisch", zu sagen, der Kaiser hätte eine andere Politik treiben



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sollen. Und Haller (Das altdeutsche Kaisertum, S. 34): „Eine jede Zeit darf nur mit ihrem eigenen Maßstab gemessen werden. In den Augen ihrer Zeitgenossen hat Otto keinen Fehler gemacht, hat er nur getan, was sich von selbst verstand, als er die gebotene Gelegenheit ergriff, der Erbe und Nachfolger Karls zu werden. Aus Deutschland hören wir von keinem Widerspruch, und aus Italien, sogar aus Rom wurde er gerufen." 1Sb ) In Wahrheit wird keine lebendige Geschichtsbetrachtung sich auf die Feststellung dessen beschränken, was die Männer der Vergangenheit getan oder gewollt haben. Man darf sich nicht auf die Romantik berufen. Wenn diese allerdings das Programm aufstellt, sich in die Vergangenheit zu vertiefen und die Menschen aus ihrer Zeit zu verstehen, so beschränkt sie sich doch nicht auf eine solche Arbeit. Es ist ganz irrig zu meinen, daß die Romantik gegenüber der Vergangenheit keinen Tadel ausspreche.1*) Sie macht vielmehr starke Unterschiede bei der Beurteilung der vergangenen Zeiten. Sie geht durchaus über die Feststellung der Strebungen der Vergangenheit hinaus. Wenn sie dem Mittelalter gegenüber mit Tadel zurückhält, so geschieht es nicht, weil sie überhaupt nicht die Vergangenheit kritisieren will, sondern weil sie gewisse Ideale, die sie vertritt, im Mittelalter annähernd verwirklicht findet, während sie namentlich für das 18. Jahrhundert, das Zeitalter der Aufklärung, mit herbem Tadel nicht kargt. Die romantische Geschichtschreibung folgt bei der Beurteilung der Vergangenheit durchaus einer leitenden Idee: insbesondere verwertet sie als Maßstab die Frage, ob in den historischen Verhältnissen der betreffende Volksgeist seine Ausprägung findet. Man kann unmöglich das immer als richtig ansehen, was eine Zeit erstrebt hat 1Si ), und es gut heißen, wenn sich in ihr kein Widerspruch erhoben hat. Der Wille eines Staates oder Volks ist ja nicht in dem Sinn vernünftig, daß er stets nur dasjenige erstrebt oder tut, was der Idee des Staats entspricht. Sollen und können wir uns jedes Werturteils enthalten, wenn wir sehen, daß Völker und Staaten ins Verderben rennen ? Sollen wir lediglich eine Tatsache verzeichnen angesichts der Neger in Mittelafrika und der Indianer in Mittelamerika, die für Schnaps und blinkendes Geschirr die Produkte des Landes und ihre Arbeitskraft verkaufen und aus deren Kreis kein grundsätzlicher Widerspruch gegen das Verfahren erhoben wird? Sollen wir lediglich feststellen: dies war der Zug der Zeit? Dem heutigen Tadel der auswärtigen Politik des Deutschen Reichs vor dem Weltkrieg wird oft entgegengehalten, daß damals



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diese Politik von niemand beanstandet worden sei. Gewiß, die leitenden Personen werden damit bis zu einem erheblichen Grad entlastet. Aber unser Interesse geht weiter: wir wollen wissen, wie jene Politik das Schicksal Deutschlands beeinflußt hat. Die Zeit lediglich nach ihrem eigenen Maß zu messen, das kommt auch hier dem Verzicht auf die Ermittlung des Sinns und der Bedeutung der Ereignisse gleich. Erinnern wir uns auch, daß der handelnde Mensch keineswegs immer die Folgen seiner Handlung voraussieht, daß wir zwar von dem Staatsmann ein vorausschauendes Urteil über die Folgen seiner Handlungen erwarten, aber wohl wissen, daß er sie nie vollständig überschauen wird, während wir uns doch gerade auch die Bedeutimg der Folgen seiner staatsmännischen Handlungen vollständig vergegenwärtigen wollen. „Über nichts" — bemerkt Hauck lsb ) — „besitzt der Mensch so wenig Gewalt wie über die Folgen seiner Handlungen." Hauck weist damit auf die Wirkungen hin, die die unvergleichliche Steigerung der päpstlichen Gewalt gehabt hat: „sie erschütterten die finanzielle Grundlage der Macht, ja des Bestandes des Papsttums." So hat auch der Erwerb Italiens und des Einflusses auf den Papst von Seiten der deutschen Könige die nicht erwartete Wirkung der Zerstörung des Königtums gehabt. Nach der Meinung der Verteidiger der italienischen Kaiserpolitik aber müßte der Historiker sich damit begnügen, nur von dem Wollen jenes Erwerbs zu sprechen, von dessen Folgen dagegen schweigen! Der Zweck der Geschichtschreibung kann sich nicht darin erschöpfen, den Gedanken der Vorzeit einfach zu reproduzieren. Er geht vor allem auch dahin, den Sinn der historischen Erscheinungen zu ermitteln, herauszufinden, was sie bedeuten, welche Bedeutimg sie für den Fortgang der Dinge gehabt haben. Spranger14) spricht von den „Fragen, die jeder Historiker sich vorlegt und von deren vielleicht stillschweigender Beantwortung die ganze Färbung seiner Darstellung abhängt. Wir versetzen uns nicht nur nachfühlend in fremde Zusammenhänge, sondern auch immanent richtend und kritisierend". Und Kroner16) macht die vollkommen zutreffende, die Verteidiger der italienischen Kaiserpolitik freilich wohl ärgernde Bemerkung: „Die Aufgabe des Historikers ist es, die Zeiten .besser' zu verstehen, als sie sich selbst verstanden haben." Solche Ermittelungen aber lassen sich nicht machen, ohne daß man die einzelnen historischen Erscheinungen mit einem Werturteil begleitet. Indem wir die italienische Kaiserpolitik einer Kritik unterziehen, streichen wir nicht etwa einige Jahrhunderte aus der



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deutschen Vergangenheit. Es bleibt noch genug an echter, erhebender deutscher Geschichte übrig. Erhebung gewährt uns der Blick auf die mittelalterlichen Städte, die Hanse mit ihren weit ausgreifenden Beziehungen, die gewaltige deutsche Kolonisation im Osten, mit der nur die alte griechische Kolonisation an Kulturbedeutung sich messen kann, auf die emsige Arbeit des Landbaus auch in Altdeutschland, auf die unerschöpfliche Kraft, die die Deutschen trotz aller störenden und schädigenden innern Kämpfe unvergleichliche Kulturschöpfungen hervorbringen ließ1*), auf die Erneuerung des politischen Lebens in den Territorien, auf das, was die deutschen Könige auf deutschem Boden als Könige vollbracht haben16") — es ist, trotz der Ablenkung durch die italienische Politik, nicht etwas Geringes —, schließlich auch auf die großen Taten der Kaiser in Italien. Hier aber zieht uns doch unser Wahrheitssinn eine Grenze. Wir können nun einmal die Frage nicht unterdrücken, ob denn die italienischen Kämpfe ein leidlich bleibendes Resultat gezeitigt haben Das äußerlich Dramatische an sich befriedigt den Historiker nicht. An dramatischer Entwicklung fehlt es wahrlich nicht; der Kampf Heinrichs IV., Friedrichs I. und dessen einzelne italienische Feldzüge, wie vor allem der in schnellem Aufstieg und Abstieg sich bewegende von 1167, der Kampf Friedrichs II. stellen große Dramen dar. Man darf es wohl charakteristisch nennen, daß das Dramatische sich in den Geschichten der verschiedenen Herrscher und in den einzelnen Feldzügen mehr als in dem ganzen Verlauf der italienischen Kaiserpolitik kundgibt. Es werden immer neue vergebliche Anläufe zur Erreichung des Ziels gemacht, und diese entwickeln sich dramatisch, während das Ganze ein zunehmendes Erlahmen und Schwachwerden zeigt. Haller schildert in seinem "altdeutschen Kaisertum" dessen dramatische Geschichte, die er jedoch eben auch in einer Mehrzahl von Dramen ablaufen läßt: in Aufkommen, Niedergang, Aufrichtung, auf der Höhe, in Fall, neuer Erhebung, Sturz und Untergang. Gerade aber seine Schilderung der dramatischen Entwicklung drängt uns die Frage auf: wozu die Anspannung aller Kräfte, wozu die neue Erhebung, wozu der Fall und Untergang ? Wir vermögen nicht eine höhere Idee des Dramas zu entdecken. Hallers Buch, zur Verteidigung der italienischen Kaiserpolitik geschrieben, wird ernüchternd wirken, wie er denn auch auf der letzten Seite gestehen muß, daß das Kaisertum „abseits blieb" dessen, was man deutschen Aufstieg nennen kann. Heinrich Leo, der ganz gewiß kein Verächter des Mittelalters war, widmet

— 13 — in seiner „Universalgeschichte" der deutschen Reichsgeschichte von Otto I. bis zu Konrad II. nur ein paar Zeilen17), womit er insofern ein durchaus gesundes historisches Taktgefühl bewährt, als die deutsche Reichsgeschichte des Mittelalters eben in der Folge der unglücklichen italienischen Politik der deutschen Kaiser ein unfruchtbares Auf und Ab darstellt, keinen Fortschritt, keine Entwicklung auf ein glückliches Ziel hin. Ausführlicher wird Leo mit dem Einsetzen des Kirchenkampfes. Allein die Auseinandersetzung zwischen Staat und Kirche vollzog sich gerade in Deutschland, wiederum infolge der italienischen Politik, nicht rein, sondern mit dem unechten Beisatz der Absicht der Beherrschung Italiens, und hatte darum für den deutschen Staat ein weniger günstiges Resultat als für die andern abendländischen Staaten. Und das gleiche gilt für die Staufer. Die Kämpfe Friedrichs I. und gar Friedrichs II. werden regelmäßig unter der Gloriole einer gewaltigen Auseinandersetzung zwischen Staat und Kirche dargestellt. Wenn wir ganz gewiß nicht leugnen, daß die Herrscher zum beträchtlichen Teil einen Kampf für die Unabhängigkeit des Staats geführt haben, so haben wir es bei ihnen doch keineswegs mit einem reinen Kirchenkampf zu tun. Zweifellos ist die Selbständigkeit des Staats gegenüber der Kirche, wie die Dinge sich entwickelt haben, von den Kaisern mehrfach auch in Italien verteidigt worden. Es wäre aber für jenen Zweck nicht nötig gewesen, daß sie die italienische Politik trieben. Denn die andern Staaten, die nicht die Kaiserkrone oder Italien gewonnen haben, haben auch, und zwar viel erfolgreicher die Selbständigkeit des Staats verteidigt; erfolgreicher, weil sie eben nichts mit Italien zu tun hatten und darum erstens die Streitfrage reiner erfassen konnten und zweitens ihre Kräfte nicht geschwächt hatten. Für unser Recht, die italienische Kaiserpolitik tadelnswert zu finden, dürfen wir uns doch darauf berufen, daß man sonst in der geschichtlichen Betrachtung nicht Bedenken trägt, eine große Linie in der Politik vergangener Jahrhunderte anders zu wünschen. Man streitet darüber, ob Alexanders asiatische Politik, das Überschreiten des Euphrat, richtig gewesen ist; man meint, daß Philipp den Euphrat nicht überschritten hätte. Man erörtert die Frage, ob die Expansion Roms nach Osten notwendig war. Wenn es aber als erlaubt gilt, Alexander d. Gr. und Scipio Africanus zu tadeln, so werden wir doch nicht verpflichtet sein, vor Otto d. Gr. und Friedrich I. dauernd mit dem Hut in



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der Hand schweigend zu verharren. H. v. Sybel hat in seiner Geschichte des ersten Kreuzzugs die vom Kreuzfahrerstaat Ägypten gegenüber eingeschlagene Politik als verhängnisvoll für jenen bezeichnet und eine andere gewünscht. Seine Auffassung hat noch heute ihre Vertreter. Wenn andere Forscher anders urteilen, so verdammen sie doch nicht die von Sybel an jener Politik geübte Kritik als „unhistorisch". Man darf auch nicht den Einwand erheben, die einmal eingeschlagene italienische Kaiserpolitik lasse sich ja doch nicht rückgängig machen. Rückgängig läßt sich natürlich nichts machen. Allein jener Einwand würde die Urteilsfällung schlechthin ausschließen. Haller18) schilt heftig „die ehr- und pflichtvergessene, politisch törichte Haltung der deutschen Fürsten", die im Bund mit dem die Zerstörung des Kaisertums als Ziel verfolgenden Papst standen. Ist dies harte Schelten das „Messen einer jeden Zeit nur mit ihrem eigenen Maßstab" (s. oben S. 10) ? Indem Haller sich jeden Tadel der Kaiserpolitik verbietet, zwingt er sich zu um so schrofferem Aburteilen über Fürsten und Papst. Wir verstehen und würdigen eher das Treiben der Fürsten, indem wir feststellen, daß das Königtum, weil es sich durch die italienische Politik der eigenen Kraft beraubte, nicht mehr die Macht besaß, Ordnung im Reich zu halten und dem Treiben der Fürsten zu wehren. Wir würdigen es ferner und werden es an dem klassischen Beispiel Heinrichs des Löwen noch beobachten, wie eben wegen des wesentlichen Verbrauchs der königlichen Kräfte auf Italien den Fürsten eigene hohe Aufgaben und darum auch eine Machtverstärkung zuwuchsen: Haller gesteht ja, wie wir gesehen haben, selbst, daß das Königtum „abseits blieb" von dem, was sich weiterhin in Deutschland erfreulich entwickelte. Allerdings gilt für das Recht des Historikers, die historischen Erscheinungen mit einem Werturteil zu begleiten, als Voraussetzimg, daß er sich bei seiner Geschichtsbetrachtung von einer Idee leiten läßt. Er würde ja aber ohne sie einem reinen Relativismus verfallen, und es gäbe ohne sie keine feste Grundlage, von der aus der Streit der urteilenden Historiker leidlich geschlichtet werden könnte. Als leitende Idee stellt sich dem Historiker nach einfachster Erwägung die Anschauung ein, daß es die Aufgabe der Staatsmänner ist, den Staat lebensfähig und kräftig zu erhalten. Nach diesem Maßstab wird er die Dinge beurteilen können, ohne gegen eine Zeit ungerecht zu werden, d. h. ohne einen fremden Maßstab bei der Beurteilung

— 15 — einer Zeit anzulegen. Auf diese Weise kann er dazu gelangen, eine Zeit nach ihrer Art zu beurteilen, und wird sich doch nicht auf die bloße Reproduktion der Strebungen der Vergangenheit zu beschränken brauchen. Denn die Idee, die von dem Staatsmann verlangt, daß er den Staat lebensfähig und kräftig erhält, ist eine ewige, durch alle Zeiten gehende, für alle geltende Idee18*), wie sehr die verschiedenen Zeiten in den Auffassungen über die Formen und Mittel des Staats sich unterscheiden. Wir tragen nicht fremde Kategorien in eine andere Welt als Fremdkörper hinein, sondern wollen die Dinge gerade so sehen, wie sie sind. Wir wollen uns nicht vor dem verschließen, was nicht wegzuleugnen ist, nicht von der Wirklichkeit zu einem phantastischen Idealbild fliehen. Ein solches ist aber die Vorstellung von der auf Notwendigkeiten aufgebauten18b), innerlich festen, dem deutschen Volk dienstbaren Herrschaft über Rom und Italien. In der Frage, ob eine Politik die Aufgabe erfüllt, das Gemeinwesen lebensfähig und kräftig zu erhalten, kann nie eine fremde Kategorie stecken. Wenn uns die geschichtliche Betrachtung in die reinigende Luft der historischen Selbsterkenntnis heben soll, so ist die Voraussetzung dafür die, daß wir die Vergangenheit nicht mit einem Dunstkreis umhüllen. Natürlich soll mit unserer Behauptung von der Ewigkeit der Idee nicht gesagt sein, daß sie überall rein ausgeprägt gewesen ist. Wie alle Ideen ist sie nie vollkommen verwirklicht worden. Sie erscheint umhüllt von andern Gedanken, vermischt mit Zusätzen, verdunkelt und gehemmt durch mehr oder weniger grobe Interessen von Sondergruppen. Ist sie heute in der Theorie klarer formuliert und zum bewußten Grundsatz erhoben, so bedeutet dies noch keineswegs, daß sie in weit zurückliegender Vergangenheit im praktischen Leben weniger Wirksamkeit gehabt hat. Überall und zu allen Zeiten läßt sie sich als Ziel und Pflicht (wenn auch nicht einziges Ziel und einzige Pflicht) derjenigen erkennen, die das Gemeinwesen leiten, mag es sich um Demokratie, Aristokratie, Monarchie, Republik, um konstitutionellen, absolutistischen Staat handeln, mag der Absolutismus vom Einzelherrscher oder vom absoluten Parlament geübt werden.19) Im Mittelalter läßt z. B. das Ritterideal die im engeren Sinn staatlichen Gesichtspunkte nicht zu voller Geltung kommen. Es kann geschehen, daß aus ritterlichem Motiv ein Staat gegründet10), große politische Aktionen unternommen werden. Indem wir aber hervorheben, daß das eigentliche staatliche



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Moment bei solchen Gelegenheiten nicht rein zur Geltung kommt, sprechen wir zugleich aus, daß es an sich keineswegs fehlt. Ja, es ist doch als das stärkere nachweisbar. Die Pflicht der Landesverteidigung bindet den Fürsten und die Untertanen (einschließlich der Ritter, deren Neigungen oft über die Landesgrenzen hinausstreben) gleichmäßig, und die Fürsorge für Recht und Gericht ist ebenso oberste Angelegenheit jedes Fürsten, wie die Gerichtspflicht Sache der Untertanen. Die königliche und die landesherrliche Gewalt des Mittelalters sind geradezu auf der Gerichtsbarkeit aufgebaut. Bezeichnend für die Stärke des staatlichen Moments auch in jenen Zeiten ist die förmliche Indienststellung des Ritterideals für den staatlichen Zweck am Ende des Mittelalters, indem z. B. der Fürst das Vorsteheramt eines Ritterordens übernimmt oder einen landesherrlichen Ritterorden neu gründet. Wie aber jetzt die einsetzende Verstärkimg der obrigkeitlichen Gewalt dem Zweck dient, das Gemeinwesen lebensfähig und kräftig zu machen, das lehrt die gleichzeitige Begründung einer staatlichen Wirtschafts- und mannigfaltigen Wohlfahrtspolitik im ganzen Abendland. Wie die Idee des Rittertums, so hat ferner der in vielem verwandte Kreuzzugsgedanke das Mittelalter nachhaltig in Bewegung gesetzt.21) Es läßt sich aber wiederum leicht dartun, daß derselbe das staatliche Moment im Sinn der Fürsorge für die Lebensfähigkeit und Kraft des Staatsverbands nie und nirgends austilgt. Es ist vielmehr lehrreich zu beobachten, wie trotz der Mächtigkeit der religiösen Bewegimg, die alles unmittelbar zu ergreifen scheint, dennoch die Staaten als Staaten fortschreitend die Durchführung der Kreuzzugsidee übernehmen, ihre unvermeidlichen Träger werden, insofern zwar sich für sie zur Verfügung stellen, aber eben damit ihrem eigenen Zweck dienen und schließlich die Kreuzzugsidee bis zum Kapitel der Finanzen hin der staatlichen Stärkung dienstbar machen. Ich ziehe diese Verhältnisse hier heran, um dem gemeinen Glauben entgegenzutreten, daß in den älteren Jahrhunderten der Staat als ein selbständiger Faktor mit besonderen Zielen sich kaum erkennen lasse und daß es darum unzulässig sei, von einer durch alle Zeiten durchgehenden Idee des Staats als der Fürsorge für die Lebensfähigkeit und Kraft des eigenen Gemeinwesens zu sprechen. Der Umstand, daß im Mittelalter die Idee des Staats mit andern Ideen vermischt oder durch andere Dinge verdunkelt ist, darf uns ebensowenig bestimmen, ihr Dasein zu bestreiten, wie die Beobachtung, daß in der Gegenwart seit den Erfolgen des

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Marxismus in der letzten Revolution die Staatsidee durch gesellschaftliche Mächte, wenn auch zwar nicht ausgetilgt, so doch vielfach unterdrückt wird. Nehmen wir doch in unserm Vaterland wahr, wie trotz des Absolutismus der Parlamente, trotz ihrer Dienstbarmachung für gesellschaftliche Zwecke, trotz der grundsätzlichen Aufteilung der Ämter auf die Parteien, trotz der außer-, neben- und gegenstaatlichen Ziele, die große Parteien verfolgen, der Staat in seiner Unverwüstlichkeit sich behauptet und nach wie vor im Sinn des Wahrers der Sache der Allgemeinheit tätig ist. J a sogar in Sowjetrußland, wo der kommunistische Parteiverband an Stärke und Energie die staatliche Organisation weit übertrifft, wo als Ziel des Gemeinwesens die kommunistische Weltpropaganda programmatisch ausgesprochen und auf Kosten des eigenen Volks auch praktisch gefördert wird, bleiben doch noch — wenngleich, was zugegeben werden mag, oft nur mühsam — staatliche Ziele erkennbar, wie namentlich in der auswärtigen Politik, die den alten Gedanken der Wahrung der Lebensnotwendigkeiten des russischen Volks fortsetzt. Wenden wir uns zur italienischen Politik der deutschen Kaiser zurück. Es war damals der Gedanke wirksam, daß das Kaisertum eine gottgewollte, den Völkern notwendige und heilsame Aufgabe sei. Er ließ die unmittelbar staatlichen Zwecke des Deutschen Reichs in beträchtlichem Umfang zurücktreten. Vorhanden aber waren sie so gut wie zu andern Zeiten; die Kaiser gerieten in Konflikt zwischen den beiderseitigen Zwecken. Wir nehmen nun das Recht in Anspruch und sehen es als unsere Pflicht an, hier wie an anderer Stelle festzustellen, in welchem Maß die Kaiser den unmittelbar staatlichen Zwecken, der Idee des Staats noch Rechnung getragen haben und welche Wirkung deren Zurücksetzung geübt hat. Wollten wir auf eine solche Feststellung verzichten, so könnten wir überhaupt nicht politische Geschichte treiben, wie eine Darstellung des heutigen Deutschlands und Sowjetrußlands, die auf die Scheidung der gesellschaftlichen (einschließlich der parteilichen) Zwecke, denen das Gemeinwesen dienstbar gemacht wird, von den staatlichen Zwecken verzichten wollte, ein nichtiges Buch wäre. Man hat bemerkt (P. E. Schramm, Österreich. Rundschau, April 1923, S. 328), daß „in einer .Geschichte der Deutschen' das Kaisertum immer in einen zu kleinen Rahmen gespannt bleiben muß, daß man ihm nur in einer europäischen Geschichte nach seinen Zielen und nach seinen Leistungen gerecht werden kann". Diese Bemerkung, die unmittelbar mit Bezug auf FriedBeib. d. H. Z. 10.

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rieh II. gemacht worden ist, läßt sich nicht bestreiten. Auch wir sehen die Geschichte Friedrichs II. nicht als einfache deutsche Geschichte an. Aber das ist ja eben das Unglück der Politik Friedrichs II., daß sie nicht mit einer deutschen Politik zusammenfällt: Und wenn wir nach ihren „Zielen und Leistungen" fragen, So haben wir einen dunkeln Punkt vor uns. Die Ansicht, es sei abwegig, nach der Verwirklichung der Idee des Staats im mittelalterlichen Reich zu fragen, bedeute ein Messen nach fremden Maßstäben, die Meinung, man müsse auf eine Beurteilung der italienischen Kaiserpolitik nach ihrem Wert oder Unwert verzichten, weil sie nun einmal so betrieben worden sei, wie sie betrieben worden ist, gehört der positivistischen Geschichtsforschung an. Es ist lohnend zu beobachten, wie sie allmählich aufkommt. Die Romantik bevorzugte das Mittelalter, weil sie in ihm große Taten und religiöses Leben fand, im Gegensatz zur Dürftigkeit der damaligen Gegenwart, der Zeit der Auf' klärung und der Fremdherrschaft. Unter den Händen der Romantik wurde die begeisterte Hingabe an das Mittelalter, eben mit der Vertiefung in den Stoff, zur pflichttreuen wissenschaftlichen Erforschimg der Vergangenheit. In dieser pflichttreuen Wissenschaftlichkeit sind aber dann viele Forscher in der Einzelarbeit aufgegangen, haben sich darin erschöpft. Damit gelangten sie zu einem praktischen, wenn auch noch nicht grundsätzlichen, Empirismus und Positivismus.22) Das Festhalten an der alten Tradition, mit der Geschichtschreibung den vaterländischen Sinn zu heben, bewahrte sie vor dem bewußten Positivismus. Nur einzelne sind ihm, als er vom Westen einbrach, erlegen und gelegentlich dann bis zu naturalistischen Vorstellungen fortgeschritten. Allein der praktische Empirismus lieferte die Brücke zu jenem, und jedenfalls war mit dieser wesentlich nur empirischen Behandlung der Dinge ein Rückschritt gegenüber der älteren Zeit, die ihre Aufmerksamkeit mehr auf das Wesen der Sache richtete, gegeben.2*) Einen gewissen Übergang von der Romantik zum Positivismus finden wir in Giesebrechts Kaiserzeit. Auf seiner Darstellung liegt noch ein Zug romantischer Hinwendung zum Mittelalter, von dem aus er dem uneinigen Deutschland ein Vorbild geben wollte. Namentlich der erste Band trägt diese Art. Als Giesebrecht 1855 seine Geschichte der deutschen Kaiserzeit begann, bekannte er als sein Ziel, an der nationalen Forderung mitwirken zu wollen, „wie eine Fackel, die unsern Pfad erhellt und vorwärts wie rückwärts ihre Strahlen werfend zum Ausgange zuleuchtet, an dem



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unserm Volke heller — wolle es Gott 1 — das Tageslicht entgegenstrahlen wird, als es unseren Vorderen schien". Man hat gesagt* 4 ): „in dem Schwung, der Giesebrecht den Mut zu einer Aufgabe von solchem Ausmaß gab, in der Wärme, die alle Abschnitte lebendig macht, und in der Begeisterung, mit der er von den Taten seiner Helden erzählt, macht sich die nationale Sehnsucht geltend". Diese Schilderung trifft doch aber nicht für das ganze Werk zu. Im Verlauf der Ausarbeitung der weiteren Bände, bei der sehr ausführlichen, ganz analytischen Darlegung der Einzelheiten der geschichtlichen Vorgänge, bei dem nicht mehr romantischen Gegenstand, dem harten Kampf der Kirche mit den Kaisern (denen doch Giesebrechts Neigung gehört), verschwindet die Romantik hinter der pflichtmäßig empfundenen äußern Aufzählung der Ereignisse. Die Erzählung wirkt nur noch, insofern sie die vage Vorstellung erweckt, sie berichte von Kämpfen großer Gegensätze, die das Vaterland ergriffen; im übrigen liefert das Buch eine zerfließende empiristische Darstellung. Und die empiristisch-positivistische Art der Behandlung war fortan überhaupt fast durchweg das Schicksal der Beschäftigung mit der Kaisergeschichte. Wenn man die „Jahrbücher" oft getadelt hat, weil sie zu sehr ins Einzelne gingen, so ist dieser Tadel nicht recht am Platz, da ihre Aufgabe dahin geht, die Einzelheiten kritisch festzustellen. Wir. vermissen bei ihnen jedoch oft die Konzentration der Auffassung in leitenden Gedanken, die sehr wohl mit der ausführlichsten Verarbeitung des Stoffs vereinbar ist. Der empiristische Positivismus schätzt die Vergangenheit nicht, weil er in ihr ein Ideal verwirklicht oder eine Anregung, die uns erhebt und zu Höherem führt, gegeben sieht oder weil er an ihr beobachten will, wie weit die Jahrhunderte die Idee des Staats oder der Sittlichkeit oder der Religion in die Wirklichkeit umgesetzt, wie die Energien für und wider die Idee gerungen haben, sondern weil es ihn erfreut oder befriedigt, den Ablauf einer gesetzmäßigen Entwicklung anzuschauen. Und er ist von dieser Gesetzmäßigkeit, von der Notwendigkeit der geschichtlichen Entwicklung so vollkommen überzeugt, daß es ihm unmöglich und darum lächerlich erscheint, die Entwicklung irgendwie zu tadeln und anders zu wünschen, als sie gelaufen ist. Der Positivismus ist nicht mit der Auffassimg Hegels gleichzusetzen, wonach das, was vernünftig, wirklich und, was wirklich, vernünftig ist. Denn jener fragt gar nicht nach der Vernunft in der Geschichte. Das Aufsuchen und Nachweisen der Vernunft 2*



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in der Geschichte lehnt er als unerlaubte Metaphysik ab. Hegel will sagen: nicht alles, was unserer Wahrnehmung gegeben ist, ist wirklich; diese „Wirklichkeit" kann sehr „faul" sein; sie ist bloßer Schein; nur das ist wahrhaft wirklich, was Ausdruck des Geistes, was „substantiell" und somit vernünftig ist. 14 *) Für den Positivismus ist charakteristisch die Selbsttäuschung, in der er lebt. Er meint, alle Metaphysik entbehren zu können, und zeigt sich doch stärker von bestimmten Vorurteilen und Annahmen abhängig als wohl die meisten Metaphysiker von ihren metaphysischen Thesen. So vereinigen auch diejenigen Forscher, welche die italienische Kaiserpolitik des Mittelalters deshalb für jedes Tadels frei erklären, weil sie nun einmal so geworden und gewesen ist, mit dieser Anschauung noch bestimmte Thesen, welche die Kaiserpolitik materiell rechtfertigen sollen. Nachdem sie die Notwendigkeit der Kaiserpolitik auf Grund ihrer historischen Erscheinimg behauptet haben, häufen sie Argumente, um das angeblich Notwendige als aus menschlichen Zweckmäßigkeitserwägungen herbeigeführt zu erweisen. Oder sie stützen sich auch auf die angeblich naturhafte Notwendigkeit, wenn ihnen ihre Argumente für die behauptete Zweckmäßigkeit der Politik aus der Hand geschlagen werden. Die Argumente, mit denen man die Zweckmäßigkeit oder Berechtigung der Kaiserpolitik verteidigt, sind hauptsächlich folgende: i . Der deutsche König habe das Papsttum beherrschen müssen, um Herr der d e u t s c h e n Kirche, der deutschen Bischöfe zu sein. Diese These läßt sich leicht widerlegen. Erstens wird für die ältern Jahrhunderte hier eine päpstliche Machtfülle vorausgesetzt, die damals, zur Zeit Ottos I., noch nicht bestand. Zweitens hat schon Heinrich I., hat bereits der merowingische König die Herrschaft über die Kirche seines Staats gehabt, ohne die Kaiserkrone erlangt, ohne den Papst beherrscht zu haben. Die sog. „ottonische" Politik beginnt schon unter Heinrich I. in dem doppelten Sinn, daß er über die Bischöfe im gleichen Maß verfügt wie Otto I. und daß er sie ebenso wie dieser mit Hoheitsrechten (gräflichen Rechten) ausstattet, weil er in ihnen, die er wesentlich frei ernennt, mehr seine Beamten sieht als in den Grafen.") Ebenso haben die andern abendländischen Monarchen, der von Frankreich und der von England, über ihre Bischöfe verfügt, ohne die Kaiserkrone zu besitzen; eher noch mehr als der deutsche König. Die Vorgänge, die Otto d. Gr. dahin geführt haben, von den Römern den Eid zu verlangen, sie würden niemals



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einen Papst wählen, ohne vorher seine oder seines Sohnes Zustimmung eingeholt zu haben, sehen nicht danach aus, daß er diese Beherrschung des Papsttums wünschte, um die deutsche Kirche zu beherrschen. Lediglich im berechtigten Ärger darüber, daß der erste Papst, mit dem er während seines Kaisertums zu tun hat, es wagt, gegen ihn sich mit dem italienischen Prätendenten zu verbünden und ihm die Byzantiner auf den Hals zu hetzen, fordert er jenen Eid. Im übrigen ist es ja bezeichnend für die ganze Rompolitik des deutschen Kaisers, daß sich solche Schwierigkeiten von vornherein ergeben und daß ein Zusammenwirken mit dem Papst stets nur durch eine entsprechende zeitweilige Schwäche des Papsttums möglich geworden ist. Auf die Dauer haben die Bemühungen, den Papst zu beherrschen, nicht zu einer Sicherung der Verfügung des deutschen Königs über seine Bischöfe gefiüirt, sondern als indirekte Folge deren starke Lockerung gebracht. 2. Es wird uns gesagt, erst durch das Kaisertum sei die politische Einigung der deutschen Stämme wirklich vollendet worden.28*) Hampe28) bringt dies Verhältnis mit dem soeben besprochenen Argument zusammen, indem er geltend macht, der deutsche König habe die Herrschaft über die Bischöfe nötig gehabt, um den deutschen Herzogen ein Gegengewicht zu geben und sie auf diese Weise in den Reichsverband zu zwingen; jene Herrschaft aber habe er nur durch die Beherrschung des Papsttums erlangen können. Diese Auffassung wird aber durch unsere vorhin gegebenen Darlegungen mit hinfällig. Im Lauf der Zeit, mit dem Investiturstreit, zeigt es sich ja überdies, daß der König die Bischöfe beherrscht nicht durch das Papsttum, sondern trotz desselben, wofür Friedrich I. den klassischen Beleg liefert. Wir werden ferner, falls die italienische Kaiserpolitik die rechte Einigkeit der Deutschen herbeigeführt haben soll, erwarten müssen, daß diese wenn nicht enthusiastisch, so doch mit einer gewissen Bereitwilligkeit die italienische Politik der Kaiser mitmachen. Statt dessen beobachten wir, daß die Fürsten zwar bei dem einen Romzug zum Erwerb der Kaiserkrone gehorsam folgen, sonst aber kein sonderliches Interesse für die italienischen Fragen an den Tag legen, vielmehr weitern italienischen Unternehmungen gegenüber Zurückhaltung üben, daß sich diese Zurückhaltung gelegentlich noch erheblich steigert, daß sie mitunter dringend aus Italien heimzukehren wünschen27), daß sie für die Dienste, die sie dem Kaiser in Italien leisten, außerordentliche Belohnungen, Zugeständnisse auf Kosten des Reichs verlangen und erhalten,



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daß die Italiener die Kaiseridee mehr als die Deutschen ausbauen, daß sie dem Kaiser lauter zujubeln als die Deutschen18), daß aber die italienischen Züge oft auch ganz ohne Jubel vor sich gehen. Wenn indessen die Dienste der Fürsten in Italien durch Zugeständnisse auf Kosten der Reichsrechte erkauft werden, so darf man doch gewiß nicht von einer Einigung der Deutschen durch die italienische Politik sprechen; denn jene Zugeständnisse haben eben die partikularistische Tendenz der deutschen Verfassungsgeschichte gefördert, also auflösend, nicht einigend gewirkt. Es ließe sich ja denken, daß die Deutschen durch das gewohnheitsmäßige Zusammenkämpfen in Italien allmählich zusammengeschmiedet worden seien. Allein die uns von den Verehrern der Kaiserpolitik verheißene Beobachtung, daß die Deutschen durch die italienischen Züge fortschreitend geeinigt worden seien, bleibt aus. Die Geschichte der italienischen Kaiserpolitik läßt vielmehr in ihrer Auswirkung Etappen partikularistischer Lockerung und Trennung erkennen. Wir haben es tatsächlich mit einer gewohnheitsmäßigen Aufopferung von Reichsrechten, um die Deutschen für die italienischen Züge zu gewinnen, und so mit einer gewohnheitsmäßigen Zerbröckelung der Reichseinheit durch die Römerzüge zu tun. Angemerkt sei hier auch, daß das Kaisertum nur ein potenziertes mittelalterliches Königtum bedeutet, daß das durch das Kaisertum ausgedrückte Verhältnis zwischen Kirche und Staat der Hauptsache nach mit jedem mittelalterlichen Königtum schon gegeben ist.88) Soweit diese besondere Verbindung von Kirche und Staat die Einigung der Nation zu fördern vermochte, konnte daher der entsprechende Dienst schon vom Königtum ausgehen. 3. Hofmeister (S. yi.) sieht das Verdienst des Kaisertums um die politische Einigung der Deutschen darin, daß es „die äußern Einwirkungen fern gehalten hat, die unsere nationale Entwicklung in ihren Anfängen hätte knicken können". Und zwar denkt er dabei an „die Gefahr, welche die italische Königskrone auf dem Haupt eines Schwaben oder Bayernherzogs für die deutsche Einheit bedeutet hätte". Wir erwidern darauf, daß ein süddeutscher Herzog mit dem Versuch der Beherrschung Italiens recht trübe Erfahrungen gemacht haben würde; er wäre nicht über das hinausgekommen, was gelegentlich vom burgundischen Staat oder der Provence aus versucht worden ist, wahrscheinlich noch dahinter zurückgeblieben. Er wäre ja gewiß noch mehr durch Italien gehemmt worden als der deutsche König, der doch größere Macht besaß. Hätte er aber den Schwerpunkt seiner

— 23 — politischen Tätigkeit nach Italien verlegt, so hätte sich das deutsche Stammesgebiet von ihm losgelöst, worauf der deutsche König dieses um so leichter innerhalb des Reichsverbandes hätte halten können. Man behauptet femer, daß ein einiges und selbständiges Italien Deutschland bedroht haben würde, und daß darum die Beherrschung Italiens durchaus notwendig war.2*®) Unseres Erachtens hatte es mit der Einigung Italiens noch lange Wege.Äb) Nehmen wir jedoch den Fall, die Einigung Italiens wäre gelungen, so vertreten wir vom Standpunkt der kleindeutschen politischen Historiker die Ansicht, ein einiges Italien wäre im Mittelalter nicht ein politisches Unglück, sondern ein Glück für die Nachbarstaaten wie Deutschland gewesen. Weil Italien schwach und von sich aus nicht einig war, hat dauernd die Fremdherrschaft auf ihm gelastet, keineswegs nur die der Deutschen, die sich am vornehmsten dort benommen, dem Land zeitweilig leidliche Ruhe und verhältnismäßige Einheit gebracht haben. Eben weil es aber schwach war, bot es den Nachbarländern auch Anlaß und Versuchung zum Einbruch, zur Heimsuchung, zu unendlichen Kriegen. Die Schwäche eines Landes reizt immer zum Krieg. Wir wissen es ja schmerzlich aus eigener deutscher Erfahrung, daß unsere Schwäche zum Krieg gereizt hat, daß Deutschland die schlimmsten Kriege, die schwersten Leiden in den Zeiten seiner Schwäche über sich hat ergehen lassen müssen. Der zuverlässigste Friedenshort ist stets der starke Staat. Wir scheuen uns nicht den Satz aufzustellen: ein leidlich einiges Italien hätte die wohltätige Wirkung der Verhinderung der italienischen Kaiserpolitik geübt; beide Länder, Deutschland wie Italien, wären dabei besser gefahren.*0) Auch den Einwand lassen wir nicht gelten, daß der deutsche König die Hand auf Italien legen mußte, weil ihm die Festsetzung einer fremden Macht auf diesem Boden gefährlich gewesen wäre. Der Einwand würde nur dann zutreffen, wenn in der hohen Zeit der italienischen Kaiserpolitik eine große Macht ihr Auge auf Italien geworfen hätte. Das ist ja aber nicht der Fall gewesen. Die Byzantiner, mit denen die Kaiser zudem nur in der ersten Zeit zu kämpfen haben, richten ihre Absicht nicht mehr auf ganz Italien. Die Normannen kommen nur für Unter- und ein Stück Mittelitalien in Betracht. Hätten sie aber wirklich einmal — was doch nur unter schwersten Kämpfen möglich gewesen wäre — ganz Italien unterworfen, so wäre dies, wie vorhin dargelegt, für Deutschland kein Unglück gewesen, zumal sie genug

— 24 — mit Italien selbst und ihren Rivalen von den Mittefaneerländern zu tun gehabt hätten. Die Herstellung eines gesamtitalienischen Normannenreichs hätte überdies den Papst auf die deutsche Seite getrieben. Der unerhebliche Versuch, der von Burgund aus unternommen worden ist, bedarf kaum der Erwähnung. Frankreich hätte in der ottonischen, salischen, staufischen Zeit auch dann nicht sein Augenmerk auf Italien gerichtet, wenn dieses damals nicht unter deutscher Herrschaft gestanden hätte.*01) Erst in der spätesten staufischen Zeit rücken stärkere auswärtige Interessen heran; jetzt aber hatte die deutsche Zentralgewalt sich schon zu sehr durch ihre italienische Politik ruiniert, als daß sie noch etwas Ernstliches zur Abwehr der neuen Absichten auf Italien hätte tun können. Vorher haben die Kaiser im Kampf um Italien ganz überwiegend nur inneritalienische Kräfte und das Papsttum als Gegner gehabt. Weiter wird uns die Notwendigkeit, daß die Deutschen Italien beherrschen, noch mit dem Argument plausibel gemacht: sie mußten die Herrschaft erstreben, um den Zugang zum Mittelmeer zu erlangen. Sofort erhebt sich die Frage: haben die Deutschen denn auf Beziehungen zum Mittelmeer damals entscheidendes Gewicht gelegt? Weder militärisch noch im Handel zeigen sie energische Absichten dorthin. Man könnte wünschen, daß die Deutschen den Zugang zum Meer erstrebt hätten, und Betrachtungen darüber anstellen, wie schön es gewesen wäre, wenn sie es getan hätten. Aber irrig ist es zu behaupten, daß die deutsche Politik sich ernstlich solche Ziele gesetzt habe. Jedenfalls ist es allbekannt, daß die Herrschaft über Italien den deutschen Kaufleuten nicht den Zugang zum Meer gebracht hat. Die Venetianer ließen keinen deutschen Kaufmann über ihre Stadt hinaus den Weg nach dem Orient machen31). Und auch Genua hielt die Deutschen vom Seeverkehr fern. Erst 1421 erhielten sie die Freiheit32), also in einer Zeit, als die deutsche Herrschaft über Italien fast schon gleich Null war. Schließlich rühmt man als günstige Folge der politischen Verbindung Italiens mit Deutschland, daß dieses von jenem auf solchem Weg günstige Kultureinflüsse erfahren habe.31*) Hierzu ist zu bemerken, daß eine solche Beeinflussung nicht an die politische Einheit geknüpft ist — das lehrt uns die Tatsache der seit dem 12. Jahrhundert eintretenden Beeinflussung Deutschlands von Frankreich her 3ib ) — und daß jene These die unbewiesene Voraussetzung der Kulturüberlegenheit Italiens gegenüber Deutschland in der hier in Betracht kommenden Periode macht.ss)



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In einem weitern Sinn vertritt Ranke 3 * 1 ) jene These, indem er hervorhebt, daß das mittelalterliche Kaisertum ein Mittel der Bewahrung und Fortbildung der antik-christlichen Kultur gewesen sei. Diese Auffassung hängt mit Rankes allgemeiner Anschauung von der Kontinuität in der Kultur, mit seinem traditionalistischen Kulturbegriff zusammen. Wir teilen diese Anschauimg, glauben aber nicht, daß die Kultur hier nur durch das Imperium vermittelt werden konnte. 4. Wir haben bisher beobachtet, wie man mit Zweckmäßigkeitsgründen die italienische Kaiserpolitik zu rechtfertigen sich bemüht. Dazu tritt eine Argumentation, welche sie in gewissem Sinn als Naturvorgang erklärt. „Macht" — sagt D. Schäfer, Deutsche Geschichte, 7. Aufl., I, S. 163 — „gleicht der Natur selbst; sie duldet keinen leeren Raum. 8 3 ") Eine Persönlichkeit von der Kraft Ottos ward unwiderstehlich getrieben zu ordnen, was in Verwirrung war, zu gebieten, wo es an Zucht fehlte. Seine Zeitgenossen würden ihn nicht verstanden haben, hätte er anders gehandelt, und vor allem die Leiter und Vertreter der deutschen Kirche nicht, die zu ihm und seinem Regiment in so enger Wechselbeziehung des Schutzes und der Stütze standen . . . Kein anderer zu Macht gelangter Herrscher würde anders gehandelt haben . . . Die Richtung für den Mächtigsten in Europa aber war gewiesen und ist ziemlich ein Jahrtausend die gleiche geblieben." ,,b ) Noch mehr das Naturhafte, schon geradezu naturalistisch, betont Haller, Epochen der deutschen Geschichte, S. 53: „Ein Kriegerstaat, wie der altdeutsche, muß erobern, wenn er seine Natur und seine Stärke behalten will; der Imperialismus ist die Signatur dieser frühen Zeiten, in allen Ländern." Wenn aber erobert werden wollte, so „war Italien . . . das natürliche Ziel. Jede vernünftige Expansion bewegt sich in der Richtung des geringsten Widerstandes und des größten Gewinns, so wie das Wasser den Berg hinabfließt. Beides traf damals in Italien zusammen: der Widerstand war so gering, wie der Gewinn groß war." Es mag sein, daß eine Naturnotwendigkeit die Völker zur Expansion treibt. Allein die Aufgabe des Historikers führt ihn ja nicht dahin, Vorgänge von Naturnotwendigkeiten zu beschreiben, sondern den Sinn der geschichtlichen Entwicklung zu erkennen. Es mag sein, daß die Natur die Völker zu manchen Dingen hinreißt. Was wir jedoch als Historiker vor allem feststellen wollen, das ist die Wirkung, die die Taten der Völker gehabt haben. Und sehen wir genauer zu, so handelt es sich auch



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nirgends um reine Naturvorgänge. Wenn Schäfers erster Satz so klingt, so entnehmen wir seinen folgenden Sätzen, daß Otto I. nicht der Natur schlechthin, vielmehr der von Karl d. Gr. begründeten Tradition der Politik folgt. Bei Italien ferner scheint es wohl so zu stehen, daß der Widerstand gegenüber einem Vordringen damals am geringsten war. Ob der Gewinn dort gleichzeitig der größte war, das ist nicht so ausgemacht; man müßte denn als größten Gewinn die bloße äußere zeitweilige Vorschiebung der deutschen Grenze ansehen; an anderen Stellen wäre vielleicht realerer Gewinn zu holen gewesen. Lassen wir indessen diese Frage beiseite. Jedenfalls haben die Nachfolger Ottos I. sich nicht in erster Linie nach dem geringsten Widerstand und dem größten Gewinn gerichtet, sondern sind ohne umfassendere Erwägungen vornehmlich dem Beispiel Ottos gefolgt. Verweilen wir bei dem Fall der Unterwerfung Italiens noch einen Augenblick, um uns die Unzulässigkeit der Auffassung historischer Vorgänge als reiner Naturvorgänge klarzumachen. Es ist mit Recht hervorgehoben worden, daß jene Unterwerfung keineswegs reine Eroberung gewesen ist.84) Es sind bestimmte Anschauungen historischer Natur, unter deren Geltung die Besitznahme Italiens erfolgt. Die deutschen Könige glaubten mit ihrem Walten in Italien nicht bloß eine ihnen willkommene Herrschaft sondern auch eine Pflicht, eine durch die Idee des Kaisertums gegebene Pflicht auszuüben. Es ist ein Stück mittelalterlicher Weltanschauung, womit wir es hier zu tun haben: die Anschauimg von der gottgewollten Ewigkeit des römischen Reichs und von den besonderen Pflichten, die dem Träger des Reichs obliegen. Und wenn den einzelnen Herrschern nicht in gleicher Weise das Bewußtsein von dieser Stellung gegenwärtig ist, so handeln alle, wie wir schon wiederholt bemerkt haben, unter dem Einfluß der einmal begründeten Tradition. Eine einfach naturhafte Expansion und rohe Eroberung war die Besitznahme Italiens aber auch deshalb nicht, weil die deutschen Kaiser dem Lande Wohltaten erwiesen haben. Lehnen wir zwar die Meinung ab, daß Italien der deutschen Herrschaft bedurft hätte,' 6 ) so ist doch die vorhandene deutsche Herrschaft nicht ohne wohltätige Wirkimg gewesen. Die Kaiser haben Italien zeitweilig verhältnismäßige politische Einheit und damit verhältnismäßige Ruhe verschafft.1*) Auf ihre andersartigen Leistungen für Papsttum und Kirche kommen wir noch zurück. Indessen handelt es sich dort nur immer um etwas zeitweiliges, insofern erstens während der Periode von Otto I. bis Friedrich II.



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die deutsche Herrschaft ja nicht ununterbrochen bestand und zweitens diese verschwand, lange ehe Italien geeinigt wurde; bei ihrem Schwinden nach dem Tode Heinrichs VI. und nach dem Friedrichs II. ließ sie Italien zersplittert zurück. Dem berechtigten Kern der Anschauung von der Expansion der Völker oder Staaten als einem Naturvorgang tragen wir wohl Rechnung, wenn wir von überschüssigen Kräiten reden, die Verwendung suchen.37) Wir werden da zwischen überschüssigen Kräften der Regierung und solchen des Volks unterscheiden. Denn beide sind keineswegs immer in gleichem Maß oder in gleicher Art vorhanden. Wir müssen uns indessen wiederum davor hüten, an ein Abfließen überschüssiger Kräfte wie etwas Naturhaftes zu denken. Einen gewissen Überschuß an Kraft besaß die deutsche Regierung in der Mitte des 10. Jahrhunderts wohl, so daß sie glauben konnte, etwas Neues unternehmen zu können. Freilich war ihre Stellung, wie wir noch sehen werden, innerlich keine feste. Allein einstweilen verfügte der Herrscher über ein beruhigtes Reich. Wir werden uns jedoch weiterhin davon überzeugen, daß Italienpolitik und Überschuß von Kräften keineswegs in einem ursächlichen Verhältnis gestanden haben, daß oft genug die Italienpolitik ein Grund von Kraftverminderung, nicht die Folge eines Kraftvorrats gewesen ist, daß mehrfach der Herrscher das Letzte aus der deutschen Heimat zusammenrafft, um in Italien auftreten zu können. Die Verteidiger der italienischen Kaiserpolitik schließen aus der Tatsache des Vordringens in Italien auf einen Kräfteüberschuß des Deutschen Reichs, während doch erst das Vorhandensein eines solchen zu beweisen wäre. Und es steht eben nun so, daß die italienischen Unternehmungen keineswegs dauernd aus überschüssiger Kraft stammen, vielmehr wiederholt trotz eines Mangels an ausreichender Kraft versucht werden. Hiernach werden wir gewiß berechtigt sein, von der Erklärung der Italienpolitik aus einem Kräfteüberschuß des deutschen Staats skeptisch zu denken. Darüber, daß das, was von Kraftvorrat vorhanden war, besser hätte verwendet werden können, haben wir uns teils schon geäußert, teils wird uns diese Frage noch beschäftigen. Bei den überschüssigen Kräften des Volks werden wir zwischen der populationistischen und der wirtschaftlichen Seite der Bewegungunterscheiden. Wenn natürlich beide eng zusammenhängen und vielfach ineinander übergehen, so lassen sie sich doch nach dem sondern, was das größere Gewicht in den einzelnen Fällen hat.



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Überschüssige Kräfte der deutschen Bevölkerung, bäuerliche und ritterliche, fanden seit dem ottonischen Zeitalter im Osten Deutschlands in zunehmendem Maß Verwendung, und zwar eine höchst wertvolle und folgenreiche. Die Besiedlung des spätem südöstlichen Deutschlands knüpft ja bereits an die Zeit Karls d. Gr. an, in der avarischen Mark. Brachten die Einfälle der Ungarn ein Jahrhundert nach diesem eine starke Störung, so machten die Siege der ersten sächsischen Könige über sie das Feld wieder frei. Die Verteidiger der italienischen Kaiserpolitik pflegen geltend zu machen, daß zur Zeit Ottos I. und seiner Nachfolger bis zum 12. Jahrhundert für das deutsche Volk noch keine Möglichkeit der Ausbreitung nach Osten vorhanden gewesen sei. Sie übersehen dabei, daß eben das Vordringen der Deutschen im Südosten, in den österreichischen Alpenländem, eben in jene Periode fällt. Aber auch nördlich davon drang der Deutsche schon damals vor : man denke an die Germanisierung der Mainwenden, des östlichen Thüringens, verschiedener Distrikte des westelbischen Gebiets, die die Slaven eingenommen hatten. Die Slaven wurden hier nicht verdrängt; aber das dünn besiedelte Slavenland wurde wie später im weitern Osten von deutschen Kolonisten durchsetzt und reicher aufgeschlossen. Im Lauf der Jahrhunderte mehrten sich die überschüssigen Kräfte Altdeutschlands; sie strömten jetzt vollends, neben Rittern und Bauern nun auch Stadtbürger, nach dem Osten ab. Einen Abfluß führten auch die Kreuzzüge herbei, wie uns Otto von Freising anschaulich schildert.88) Die Neigung aber, nach Italien zu wandern, tritt, abgesehen von dem Alpenland ,8a ), nicht hervor. Die einzige namhafte Erscheinung solcher Art, die man feststellen könnte, wäre das Auftreten der technisch sog. „Brabanter" als Söldner in den italienischen Kämpfen Friedrichs I., deren Benennung wir gewiß auf ihre niederländische Heimat zurückzuführen haben.39) Es wird sich jedoch nur um Leute handeln, die der Kaiser in den Niederlanden in Sold genommen und in Italien verwendet hat, nicht um Leute, die von sich aus nach Italien gegangen sind. Selbständig sind die überschüssigen Kräfte aus Deutschland nachweisbar erst seit dem 14. Jahrhundert nach Italien abgewandert, ritterliche Leute40) und Gewerbetreibende.41) Natürlich hat diese Bewegung nichts mit irgendeiner Richtung der kaiserlichen Politik zu tun. Wenden wir uns zu der wirtschaftlichen Seite der Sache, so tritt uns hier vollends entgegen, wie sehr der äußerliche, naturhafte Begriff des Abfließens und der Expansion versagt.



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Wir gehen aber nicht näher darauf ein, daß die wirtschaftliche Ausdehnung eines Volks nicht schlechthin an ein bestimmtes Maß von wirtschaftlichem Gut geknüpft ist, daß das Entscheidende vielmehr in dem Wollen der Persönlichkeiten liegt. Wir heben nur hervor, daß dasselbe 12. Jahrhundert, in dem uns zum ersten mal ein schon im Wesen ausgeprägtes deutsches Städtetum entgegentritt, auch bereits eine Ausdehnung von deutschem Handel und Handwerk über die alten deutschen Grenzen hinaus kennt. Diese Ausdehnung ging aber wieder nach dem Osten und Norden. Teilweise im Zusammenhang mit dem Vorschieben deutscher städtischer Siedlungen, aber auch ganz unabhängig davon verwenden die deutschen Gewerbetreibenden vom innern Altdeutschland aus das von Kapital, was sie besitzen, und ihre Arbeitskraft, um im Norden und Osten, von den britischen Inseln bis weithin in den Osten, Fuß zu fassen. An mehreren Stellen steigen sie hier bis zu einer Art Handelsherrschaft auf. Im Westen und Süden besteht in den Grenzgebieten auch ein namhafter Warenaustausch. Indessen er nimmt nirgends die Form eines Überwiegens der Deutschen im Handel an. So ergibt sich überall, daß der Osten oder er mit dem Norden das eigentliche Betätigungsfeld für die deutsche Ausdehnung bildet, das deutsche Kolonialgebiet, mag man an Kolonien im Sinn von Ackerbaukolonien denken oder an Kolonien, in denen Handel und Gewerbe ihre Tätigkeit suchen. Um so mehr überrascht es uns, wenn wir bei einem kritischen Forscher der Gegenwart.41®) den Satz finden: „Jene Politik (die italienische Kaiserpolitik) war damals so unvermeidlich wie heute unsere Kolonialund Flottenpolitik." Gerade diesen Vergleich müssen wir ablehnen. Während unsere neuere Kolonial- und Flottenpolitik von wirtschaftlichen und populationistischen Motiven und denen der nationalen Bewegung im engern Sinn ausgeht und Bismarck die Entwicklung nur mehr ihr nachträglich folgend stützt, fehlen der italienischen Kaiserpolitik jene Motive gänzlich; ihren wesentlichen Grund hat sie in der traditionellen Festhaltung einer staatlich-kirchlichen Idee von Seiten der Herrscher; einer Idee, der sich wohl weitere Kreise zugänglich zeigen, die aber in den Realitäten des Volkslebens nicht verankert ist und der, wie wir soeben gesehen haben, eine Volksbewegung nicht einmal entgegenkam, geschweige denn, daß eine solche jene hervorgerufen hat. Wir fassen hiernach unser Urteil dahin zusammen, daß die Unterwerfung Italiens nur in beschränktem Maß mit einem Kraftüberschuß der deutschen Regierung in Zusammenhang gebracht



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werden kann, daß das Abfluten überschüssiger Kräfte des deutschen Volks nirgends der kaiserlichen Regierung eine Direktion gibt, daß es anderseits auch nirgends von ihr dirigiert wird (abgesehen von dem besonderen Fall der Brabanzonen), daß ein Abfluten überschüssiger Kräfte nach Italien erst in einer Zeit stattfindet, als die kaiserliche Politik dort praktisch nicht mehr viel ausmacht. Soweit bei den großartigen Wanderungen nach dem Osten bestimmte führende Stellen in Betracht kommen, sind es die Landesherren, teilweise kirchliche Stellen, und die Städte; ein königliches Eingreifen findet nur sporadisch statt. Die Landesherren lassen sich von den Wanderungen anregen und dirigieren sie zugleich mehrfach. Man spricht wohl von einer Nord-, Ost-, Südmarkpolitik der deutschen Könige.41*) Die Berechtigung dazu möchten wir nicht schlechthin bestreiten. Die Könige haben dort neue Amtsbereiche geschaffen, den daselbst fungierenden Personen besondere Befugnisse verliehen, jene Amtsbereiche mit Vorrechten ausgestattet. Das Charakteristische dieser Markenpolitik liegt aber darin, daß der König sich hier gewisser Rechte und — man darf fast sagen — der Praxis der Markenpolitik zugunsten mächtiger Fürsten entäußert, die praktische Markenpolitik diesen überläßt."') Von einer Westmarkenpolitik der deutschen Könige in jenem Sinn ist es nicht möglich zu sprechen. Der Erwerb von Burgund bedeutet ja etwas anderes. Die deutsche Westgrenze hat durch die Fesselung, die die Italienpolitik dem deutschen König brachte, gelitten."«1) Eine Parallele zu den deutschen Wanderungen nach dem Osten bieten die burgundisch-französischen Wanderungen (insbesondere der Ritterschaft) nach der iberischen Halbinsel. Vor diesen haben jene voraus, daß sie dem heimischen Volkstum unmittelbaren Zuwachs bringen. Auf der andern Seite haben die burgundisch-französischen Wanderungen nach Spanien vor den deutschen nach Italien (wir meinen die seit dem 14. Jahrhundert einsetzenden) voraus, daß sie den unmittelbaren Kulturzusammenhang mit dem fremden Gebiet verstärkten, teilweise hier den Einwanderern auch eine Herrschaftsstellung verschafften41), während das deutsche Element, das sich nach Italien vorschob, diesem gewiß einen Kraftzuwachs brachte, für die Heimat aber ohne Resultat blieb. Wir dürfen uns wohl die Bemerkung gestatten, daß diese Elemente — wie später noch andere (Landsknechte) — abwanderten, in fremde Dienste traten, weil die

— 31 — deutsche Zentralgewalt ihnen keine Direktion oder Verwendung gab, das Vaterland nicht so hob, daß sie in ihm oder in unmittelbarem Zusammenhang mit ihm tätig sein konnten. Um keine der beliebten Formeln, die man uns entgegenhalten wird, außer acht zu lassen, so wird man gegen uns etwa noch einwenden: wir trügen nicht dem, modern gesprochen, weltpolitischen Raumgefühl des mittelalterlichen Deutschlands Rechnimg. Das Verständnis für einen solchen Gesichtspunkt glauben wir durchaus zu besitzen. Allein die entscheidende Frage ist eben die, ob die Raumausdehnung nach Italien gerade den inneren Antrieben der damaligen Deutschen entsprach und ob die politische Ausdehnung nach Italien hin gerade zweckmäßig war. Wenn wir so von allen Seiten aus uns genötigt sehen, unsere kritischen Bedenken gegen die Italienpolitik vorzubringen, so unterschätzen wir natürlich nicht die bedeutende Stellung, die das deutsche Königtum in den Jahrhunderten von den sächsischen bis zu den staufischen Kaisern einnahm. Es hat im 10. und i i . Jahrhundert eine Hegemoniestellung in Europa gehabt.48) Wir glauben aber hervorheben zu müssen, daß sie nicht erst durch die Unterwerfung Italiens geschaffen worden ist, nie wesentlich auf der Herrschaft über Italien beruht und durch die italienische Politik und ihre indirekten Wirkungen allmählich untergraben und beseitigt wird, und zwar nicht bloß die Hegemoniestellung, sondern sogar die starke Reichsgewalt überhaupt.44) Die deutsche Hegemoniestellung tritt uns ja schon vor dem ersten italienischen Zug Ottos entgegen.46) Eine glückliche Zeit stellt für Deutschland das Jahr 948 dar, eine Koestellation, von der man wünschte, daß sie bewahrt worden wäre. Ottos Macht wird nach Westen wie nach Osten hin anerkannt. Im französischen Thronstreit erscheint er wie ein Schiedsrichter. In den Dienst dieser Politik stellt sich die von deutschen und französischen Bischöfen stark besuchte Synode von Ingelheim. Zu gleicher Zeit gewinnt Otto eine Oberherrschaft über Burgund, Im Norden war die Missionssache jetzt so weit gefördert, daß auf der Ingelheimer Synode als Suffragane des Erzbischofs von Hamburg-Bremen Bischöfe von Schleswig, Ripen und Aarhus auftreten können. In demselben Jahr 948 werden die Bistümer Brandenburg und Havelberg gegründet; im Zusammenhang mit diesen Bestrebungen kommt es weiterhin zur Gründung des Bistums Stargard-Oldenburg. Der Papst stellt sich zu allen solchen Zielen friedlich; wohl gemerkt: ehe Otto die Herrschaft

— 32 — über das Papsttum gewonnen hat. Diese Jahre sind auch die Zeit der kraftvollen Tätigkeit des Markgrafen Gero. Aus dem Jahr 950 sei noch ein Erfolg von dauernder Wirkung gegenüber Böhmen verzeichnet. Eine gewisse Störung bringt dann der italienische Feldzug von 951, der den Ludolfsehen Aufstand zur Folge hat. Nach dessen Niederwerfung bietet sich uns noch einmal ein erfreuliches Bild. Ich führe absichtlich die Worte an, mit denen Hampe (Otto d. Gr., S. 463) die Folgen des großen Ungarnsieges von 955 ins Licht stellt: „Die Hegemoniestellung von Ottos überragender Macht trat allen ins Bewußtsein . . . Mehr und mehr wurde nun sein Hof zu einem Treffpunkt von Gesandtschaften ferner Herrscher . . . Vom Augsburger Siegestag ab bürgerte sich auch allmählich die Gewohnheit ein, Otto ,den Großen' zu nennen." Ich füge hinzu, daß jener Sieg auch der deutschen Siedlung an der ungarischen Grenze wieder den Weg öffnet. Zu dem großen Ungarnsieg gesellt sich in demselben Jahr der große Slavensieg an der Reckenitz, wieder mit starker Nachwirkung. 948 und 955 sind die Jahre, in denen wir Otto in der glücklichsten Stellung und erfreulichsten, wünschenswertesten Tätigkeit zugleich finden, in einer Tätigkeit, die gerade den Lebensnotwendigkeiten eines Staats gewidmet ist. Mehr zu erlangen, als in jenen Linien ausgedrückt ist, war für Deutschland nicht notwendig. Wir verstehen es menschlich, wie wir ausführlich dargelegt haben, daß Otto über jene Linien hinausgegangen ist. Wir wollen uns aber darüber unterrichten, ob eine grundsätzliche Überschreitimg jener Grenzen sachlich notwendig und förderlich war. Und da gelangen wir eben zu dem Resultat, daß die Frage zu verneinen ist. Wenn durch die Unterwerfung Italiens das deutsche Herrschaftsgebiet sich räumlich ausdehnt, so wird die Stellung des deutschen Staats dadurch weder höher noch fester, zum mindesten nicht auf die Dauer, aber doch auch nicht einmal mehr als in vereinzelten Zeitpunkten und dann nur höher, nie innerlich fester. Für die Absetzung von Päpsten, wie sie Otto I., Otto III. und Heinrich III. vorgenommen haben, bedurfte es keiner besonders großen Macht; über den päpstlichen Stuhl haben damals auch römische Lokalparteien von europäisch recht bescheidener Macht verfügt. Wenn man die Verfügung über den päpstlichen Stuhl als Gipfelpunkt der kaiserlichen Macht ansieht und preist, so vergißt man, daß damals die abendländische Kirche noch nicht so stark zentralisiert und die Gemüter noch nicht so stark von dem Bewußtsein der



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universalen und allgewaltigen Stellung des Papstes ^erfüllt waren, daß die Ab- und Einsetzungen von Päpsten im gesamten Abendland religiös-kirchlich mit leidenschaftlichem Anteil verfolgt wurden und daß daraus eine politische Bewegung hätte entstehen können. Die Handlungen Ottos I. und III. werden im Abendland nicht sonderlich viel besprochen worden sein.46*) Gewiß war der damaligen Welt das Papsttum ein autoritärer Begriff. Aber wer den päpstlichen Stuhl bekleidete und wer ihn besetzte, darum kümmerte man sich nicht oder kaum. So weit die Annalen und Chronisten auf die Päpste zu sprechen kommen, geschieht es mit auffallender Gleichgültigkeit. Andere stadtrömische Angelegenheiten — als solche erscheinen auch die Angelegenheiten der Päpste — erfahren eher mehr Berücksichtigung. Die Handlungen Heinrichs III. erregten wenigstens einen nicht ganz kleinen Kreis ernster Kirchenmänner, die sie materiell nicht tadelten, aus grundsätzlichen Gesichtspunkten jedoch beanstandeten; im übrigen wurden sie im Abendland gewiß als eine nur lokale Angelegenheit Roms angesehen. Eine gewaltige und breite Erregung haben nicht schon die Handlungen Heinrichs III., sondern erst die Absetzimg Gregors VII. durch Heinrich IV. und vermutlich noch mehr die Heinrichs IV. durch den Papst hervorgerufen: in dem Bericht Ottos von Freising zittert die Erregung noch nach. Das Bedeutsame der Absetzimg der Päpste durch jene Kaiser liegt nicht darin, daß sie die Macht zur Absetzimg besaßen, sondern darin, daß sie bessere Päpste einsetzten, nicht wie römische Lokalparteien verfuhren und lediglich einen Parteipapst aufstellten. Das macht die weltgeschichtliche Bedeutung ihrer Taten aus, daß sie bei der Verfügung über das Papsttum den höhern Gesichtspunkten, wie sie sie in ihrem Staatswesen vertraten, folgten, wofür natürlich die Voraussetzung war, daß sie auch die erforderliche Kraft besaßen, die jedoch keine außerordentliche zu sein brauchte. Mit der Beobachtung jener Gesichtspunkte förderten sie die gewaltige Erhebung des Papsttums, die sich nun, noch unter Heinrich III., vollzog, die keineswegs nur ein Produkt kaiserlicher Politik war, die aber diese als eine ihrer historischen Bedingungen hatte. Seitdem war es nicht mehr leicht, über den päpstlichen Stuhl zu verfügen. Wenn Heinrich IV., V. und Friedrich I. das nicht mehr gelang, was jenen früheren Kaisern gelungen war, so fehlte es ihnen nicht an der erforderlichen Macht über die Stadt Rom, die jenen für die Absetzimg der Päpste genügt hatte; sie hatten aber jetzt mit einem viel weiter gehenden Bcib. d. H. Z. IO.

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Widerstand zu kämpfen, mit einem mehr oder weniger abendländischen. Der Ausgangspunkt für die hier gegebenen Betrachtungen lag in der Frage, ob etwa die Verfügung der Kaiser von Otto I. bis zu Heinrich III. über den päpstlichen Stuhl als Beweis dafür gelten könne, daß die Macht des deutschen Königtums sich durch den Erwerb Italiens entscheidend vergrößert habe, ob die deutsche Hegemonie in jenen Jahrhunderten ohne den Besitz Italiens nicht denkbar sei. Wir dürfen sie jetzt mit Fug verneinen. Zweifellos hat die königliche Macht seit dem Erwerb Italiens keine wirkliche Verstärkung erfahren; nur momentane, stets kurze Erhebungen sind zu verzeichnen; die königliche Macht ist seitdem anspruchsvoller, aber unsicherer. Wir gelangen also, so umfassend wir auch die Argumente unserer Gegner berücksichtigen, immer wieder zu dem Resultat, daß die italienische Politik dem Deutschen Reich keine Befestigung, sondern, zum mindesten auf die Dauer, eine entschiedene Schwächung gebracht hat. Wenn man bestreitet, daß die Schwäche der Zentralgewalt im alten Deutschen Reich wesentlich auf die italienische Politik zurückgeht, so erhebt sich die Frage, durch welche Umstände sie denn in Wahrheit herbeigeführt worden ist. Dietrich Schäfer48) macht „für Deutschlands Sondergeschick drei Gründe" namhaft: i. die Kurzlebigkeit der frühern deutschen Herrscher und der sich daraus ergebende häufige Wechsel der Dynastien nebst der Häufigkeit der Minderjährigkeitsregierung, 2. die zerrüttende Wirkung des Investiturstreits, 3. die mitteleuropäische Lage unserer Wohnsitze. Das erste Moment erkennen wir natürlich an, haben es ja auch schon selbst hervorgehoben; nur daß wir statt von der Kurzlebigkeit der einzelnen Herrscher wohl richtiger von der der Dynastien sprechen. Wie außerordentlich wichtig eine feste Erblichkeit des Königtums ist, ergibt sich neben vielen andern Fällen aus der schweren Erschütterung, die Frankreich 1328 erfuhr, als der direkte Mannesstamm der Kapetinger ausstarb: es handelte sich noch nicht einmal um das Erlöschen der Dynastie überhaupt, sondern nur um das eines Zweiges. Wir werden jedoch die Bedeutung jenes Moments etwas von der Erwägung aus einschränken, daß die Kurzlebigkeit der Dynastien und die häufigen Minderheitsregierungen ihre recht ungünstige Wirkung erst im Zusammenhang mit der italienischen Politik geäußert haben: gerade durch das Verwickeltsein in diese wirkten das Aussterben



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der Dynastie und die Minderjährigkeitsregieningen wiederholt so verhängnisvoll; so wenn der Kaiser in Italien starb oder im Augenblick des Todes eines Kaisers eine besondere italienische Konstellation bestand. Das frühe Aussterben der direkten Ottonen und der Staufer darf man doch wohl auch mit Italien in Verbindung bringen, vielleicht sogar den frühen Tod Ottos II. Bei dem Investiturstreit fragen wir sofort, warum er für Deutschland zerrüttend wirkte, während doch die gleiche Wirkung in Frankreich und England nicht eintrat. Die Antwort haben wir schon mit dem Hinweis auf die italienische Politik der Kaiser gegeben, die das Papsttum veranlaßte, seinen energischsten und Hauptstoß gegen den deutschen Herrscher zu richten. So lehrt uns gerade der Investiturstreit, welches Verhängnis die italienische Kaiserpolitik in sich barg. Die mitteleuropäische Lage Deutschlands hat uns in spätem Zeiten namhafte Schwierigkeiten geschaffen. In den für unser Verfassungsschicksal entscheidenden Jahrhunderten treten sie jedoch noch weniger hervor. Die Ungarn hatte Otto I. noch abwehren können, ehe das deutsche Königtum durch Italien zu sehr gefesselt war. Wenn die deutschen Kaiser die wünschenswerte Energie gegenüber den Slaven in diesen Jahrhunderten nicht recht aufgebracht haben, wenn auch einzelnes gegenüber dem Westen unterlassen worden ist, so trägt dafür die Verantwortimg hauptsächlich die Italienpolitik. Demgemäß ergibt sich auch hier wieder, daß die Schwierigkeiten, die in dieser Zeit die geographische Lage Deutschlands bereitete, erst durch die Italienpolitik fühlbar wurden. Da wir aber hier einmal auf den geographischen Faktor zu sprechen kommen, so mag die Gelegenheit benutzt werden, um der mehrfach geäußerten Meinimg entgegenzutreten, das verfassungsgeschichtliche Schicksal Deutschlands, seine politische Zersplitterung sei durch seine innern geographischen Verhältnisse bestimmt oder mit bestimmt. Einer der Nestoren der geographischen Wissenschaft äußert sich neuerdings hierzu in bemerkenswerten Sätzen.47) Er warnt davor, „die natürlichen Ursachen für den Separatismus in den deutschen Landen zu überschätzen. Sie sind nicht so groß, als vielfach geglaubt wird, und namentlich ist Deutschland Frankreich gegenüber durchaus nicht so durch den Mangel einer zentralistischen Gliederung Benachteiligt, wie man gewöhnlich behauptet. Wahr ist zwar, daß Frankreich im Pariser Becken eine Landschaft besitzt, die als starker politischer Kristallisationspunkt gewirkt hat. Auch 3*

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Deutschland hat einen Gau, wo alle natürlichen Faktoren für ein solches Zentrum gegeben sind; aber es hat sich nicht als solches entfaltet: das ist das Nordende der Rheinebene zwischen Frankfurt und Mainz. Die Gunst seiner Lage hat Frankfurt lediglich seit der Stauferzeit zur Wahlstätte der deutschen Kaiser gemacht. Wäre die Kaiserwürde erblich geworden, so wäre es des Reiches Hauptstadt geworden. Nord- und Süddeutschland wären nicht nur längs des Rheines, sondern auch über Hessen und Thüringen auf das engste miteinander verwachsen; denn die mitteldeutsche Gebirgsschwelle bildet in Deutschland eine weit weniger wirkende Schranke als das Zentralplateau in Frankreich. Es liegt an der Ohnmacht des deutschen Kaisertums und nicht an der Gliederung des Landes, daß sich das Reich gegen Schluß des Mittelalters in zahlreiche Einzelherrschaften zersplitterte". 48 ) Diesen Sätzen haben wir nur hinzuzufügen, daß die Entwicklung, welche das Reich in zahlreiche Einzelherrschaften „zersplittern" läßt, bereits in der klassischen Zeit der Italienpolitik begründet worden ist, worüber wir jetzt sogleich ein Wort zu sagen haben. Schäfer fährt an der angeführten Stelle fort: „Unsere staatliche Zerrissenheit ist mit dem Ende des 12. Jahrhunderts besiegelt und damit unsere Schwäche gegenüber dem 10., 11., 12. Jahrhundert, in denen das Deutsche Reich das handlungsfähigste des Erdteils war." Das Urteil über das eine Periode bildende Ende des 12. Jahrhunderts trifft insofern durchaus zu, als jetzt zum ersten Male der Ausdruck Dominus terrae (Landesherr) auftaucht und damit die eingetretene, wenigstens schon weit gediehene politische Zersplitterung des Reichs angedeutet wird. Warum aber ist „unsere staatliche Zerrissenheit mit dem Ende des 12. Jahrhunderts besiegelt" ? Wenn die Italienpolitik der deutschen Könige glücklich genannt werden, wenn vor allem sie zur Einigung der deutschen Stämme beigetragen haben, wenn auf ihr die deutsche Hegemonie beruhen soll, so stellt der plötzliche Eintritt der Schwäche des Reichs uns vor ein Rätsel. Wir setzen doch voraus, daß eine glückliche Politik den Staat, der sie treibt, innerlich und äußerlich befestigt, während hier die Festigung ausbleibt. Einige Jahrhunderte glückliche Politik und dann doch Zusammenbruch? Indessen das Verhältnis ist ja dies, daß zunächst die Kraft des Deutschen Reichs, der Reichsbesitz, die Reichsrechte noch ausreichten, um die Italienpolitik möglich zu machen, daß aber allmählich der Vorrat des Reichs durch sie annähernd aufgezehrt wurde und nun das Elend zum Vorschein kam. Die Schwäche des Reichs tritt nicht plötzlich



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ein, sondern ist durch eine hinabgleitende Entwicklung allmählich, namentlich seit dem Investiturstreit, vorbereitet, die Handlungsfähigkeit stufenweise vermindert worden. Hinter dem Urteil Schäfers über den Einschnitt, den das ausgehende 12. Jahrhundert bildet, steckt wohl nicht in erster Linie die Fickersche Idee. Denn diese besagt ja, daß die unio regni ad imperiunt, die damals erst vollzogen wurde, in der folgenden Zeit erst verhängnisvoll gewirkt habe. Wenn Schäfer die Kurzlebigkeit der Herrscher für die ungünstige Entwicklung des Deutschen Reichs verantwortlich macht, so handelt es sich um ein Moment des Zufalls. Wie wir dieses im vorliegenden Fall anerkennen, so lehnen wir es überhaupt nicht ab, dem Zufall seine Rolle in der geschichtlichen Entwicklung zuzumessen. Es gibt auch eine durch zufällige Umstände bestimmte Tragik eines Landes; sie ist vorhanden, wenn die Problematik, die Schwere des Daseins weniger auf Schuld und Fehle als auf in den Dingen selbst liegende Folgerichtigkeit, auf Schicksal zurückgeht. 48 *) So könnte man auch die Folgen der von Schäfer hervorgehobenen mitteleuropäischen Lage Deutschlands deuten. Zweifellos ist aber das Moment des Zufalls bei der Beurteilung der mittelalterlichen Kaiserpolitik über' trieben worden. Wir werden noch davon zu sprechen haben. Hier sei erwähnt, daß Hampe (Otto d. Gr., S. 484)48b) klagt, Ottos I. Nachfolger hätten „es nicht verstanden, sein Werk auch nur mit annähernd gleicher Kraft des Geistes fortzuführen". Es wäre also der zufällige Umstand der geringem Begabung der Nachfolger ausschlaggebend gewesen. Hampe selbst aber hat die Fähigkeiten der meisten dieser Nachfolger so hoch gerühmt, daß jenes Argument nicht verfangen kann. Einen Versuch der Entlastung der Italienpolitik könnte man noch in dem Sinn unternehmen, daß man die Schwächimg der deutschen Zentralgewalt nicht gerade als ein sonderliches Unglück ansieht, indem man geltend macht, daß die mittelalterlichen Staaten überhaupt mehr oder weniger dezentralisiert gewesen seien und das Wichtigste in ihnen von den lokalen oder landschaftlichen Stellen getan worden sei.48®) Dies Argument steht vielfach hinter den Verteidigungen der Italienpolitik, wenn es auch nicht immer ganz klar ausgesprochen ist. Bei Ficker verbindet es sich mit der Anschauimg, daß die Selbständigkeit der lokalen Gewalten etwas spezifisch Deutsches sei. 4 * 1 ) Wir wollen jenem Argument nicht ausweichen, sondern direkt die Frage aufwerfen, ob in der damaligen Zeit eine starke Zentral-



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gewalt in jeder Hinsicht etwas Besseres gewesen wäre als die mehr oder weniger große Selbständigkeit der provinzialen Gewalten (sei es der Stammesgebiete oder der größeren Territorien), ob z. B. die Zentralgewalt die Angelegenheiten der deutschen Grenzmarken immer besser wahrgenommen hätte als die provinziellen Gewalten, denen sie nachweislich wesentlich überlassen worden sind. Wir verkennen insbesondere nicht, daß die bedeutende politische Rolle, die in Deutschland und in noch höherem Grad in Italien die Städte gespielt haben, in beträchtlichem Maß durch die schwächere Haltung der Zentralgewalt verständlich wird. Die Städte konnten sich um so freier bewegen, um so ungehinderter sich ihren eigenen Wünschen widmen, je weniger ihnen eine Zentralgewalt Schranken zog, ihnen in ihre Sachen dreinredete und sie für sich in Anspruch nahm. Der Blick auf die bescheidenere Stellung, die die französischen und englischen Städte in ihren zentralisierten Staaten gehabt haben, legt solche Gedanken nahe. Das Maß der wirtschaftlichen Kraft der entsprechenden Städte macht den Unterschied nicht allein für sich aus. Wir müssen wohl einen gewissen Abzug an der Herrschaft von Venedig und Genua im Mittelmeer und einen Abzug hansischer Herrschaft in den nordischen Meeren in Kauf nehmen, falls wir uns ein in der Einheit starkes mittelalterliches Italien bzw. Deutschland denken; ebenso wie wir bei einer stärkeren Zentralgewalt auf die Erinnerung an die reich entwickelte Tätigkeit der Weifen, Askanier, Babenberger verzichten müßten. Wir nehmen aber einen solchen Abzug gern in Kauf. Denn die bis ins 19. Jahrhundert währende politische Zerrissenheit Deutschlands und Italiens geht doch nun einmal auf die Schwäche der Zentralgewalt zurück, ist die andere Seite der Blüte der partikularen Gewalten, auch der ein paar Jahrhunderte andauernden selbständigen Stellung der Stadtgemeinden. Die frei sich bewegenden Städte haben wohl mehr geleistet, als es von Königen abhängige Städte hätten tun können. Dagegen hätte ein starkes Königtum alles leisten können, was wir den Fürsten verdanken, und noch mehr. So führen denn auch die Bemühungen, die Italienpolitik zu entlasten49), bei genauerer Prüfung stets wieder zu ihrer Verurteilung. Es ist bemerkenswert, daß auch neuerdings noch in der Verteidigung der Italienpolitik der alte Giesebrechtsche Standpunkt49*) sichtbar wird. So beruft sich Hampe*0) darauf, daß die Erinnerung an die Hegemoniestellung in Europa im 10. und zi. Jahrhundert die aufsteigende nationale Entwicklung Deutsch-



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lands im 19. erheblich bestimmt und gefördert hat; er verwahrt sich von hier aus gegen eine „Herabsetzung des mittelalterlichen Imperiums". Natürlich würdigen und schätzen wir die hier zugrunde liegende Stimmung, wie wir auch gleiches Verständnis Giesebrecht entgegenbringen. Allein zunächst machen wir den Einwand, daß die nationale Entwicklung Deutschlands doch auch aus einer Kritik der Italienpolitik Gewinn gezogen hat, wofür auf die Namen E. M. Arndt, Dahlmann und Sybel hingewiesen sei. Vor allem aber vermögen wir in der Bewunderung der (durch den Besitz Italiens fundierten) Hegemoniestellung Deutschlands im 10. und 1 1 . Jahrhundert kein historisch-politisches Urteil von wissenschaftlichem Wert zu sehen. Wir haben hier dieselbe der Kritik entbehrende bewundernde Aufschau zu jener italienischen Politik vor uns wie bei Giesebrecht. Es wird uns eine Legende vorgetragen, die Legende von der angeblich glänzenden, klugen, die Dinge richtig erfassenden Italienpolitik, die in Wahrheit eine Politik regelmäßig vergeblicher Versuche, das Ziel zu erreichen, gewesen ist und die schließlich mit den ewig vergeblichen Versuchen den Staat, der sie trieb, aufgezehrt hat. Hampe ist wie Giesebrecht ein kritischer Forscher; die kritischen Arbeiten der Zwischenzeit hat er glücklich verwertet und selbst erfolgreich gefördert. Er übertrifft Giesebrecht an literarischem Geschmack. Wir verehren in ihm den feinen Darsteller, der zu schreiben weiß. Allein die wissenschaftliche Erkenntnis im höhern Sinn — wir kommen noch ausführlich darauf zurück — vermittelt auch er uns noch nicht, nicht mehr als Giesebrecht.60*) Wir wollen uns doch über den Sinn jener Politik unterrichten, welche Bedeutung ihr für die Entwicklung des deutschen Volks zukommt, welche Wirkung sie auf die deutsche Verfassungsentwicklung gehabt, ob sie zur innern Auflösung des Reichs61), zur Besiegelung unserer Zerrissenheit62) geführt hat. Der vage Gedanke eines großen Reiches ist ein Stoff für den Harfner, befriedigt aber ganz und gar nicht die wissenschaftliche Geschichtschreibung. Es gibt nur eine Rechtfertigung der mittelalterlichen Kaiserpolitik, diejenige, die in der Idee des Kaisertums liegt: in der Leistung des Kaisertums für die Kirche.62) Natürlich ist dies etwas ganz anderes als die These, der deutsche König habe das Papsttum beherrschen müssen, um die deutsche Kirche zu beherrschen; es ist eher deren Umkehrung. Die Verdienste des Kaisertums um das Papsttum brauchen wir nicht zu schildern: es hat dieses wiederholt aus einer beklagenswerten Lage befreit, hat es auf einen höhern Stand gehoben. Die Taten Karls d. Gr.,

— 40 — Ottos I., Ottos III., Heinrichs III. — und nicht bloß sie hätten wir zu nennen — sind in diesem Sinn große, weltgeschichtliche Taten. Allerdings sind es nicht zugleich Taten im Interesse der deutschen Reichsentwicklung: es bleibt dabei, daß die Kraft des mittelalterlichen Reichs durch seine italienische Politik und in ihr ganz besonders auch durch seine Papstpolitik, die Bemühungen, das Papsttum zu beherrschen, gebrochen worden ist. Es liegt hier der Fall vor, daß ein Staat sich geopfert hat für ein Ziel, das außerhalb seines Lebensinteresses liegt. Hier üben wir nicht billigen Tadel. Wir sehen, vom weltgeschichtlichen Standpunkt aus, die Befreiung und Erhebung der Kirche durch das Papsttum, an der das Kaisertum indirekt mitgewirkt hat, als etwas Großes und Notwendiges an. Wir erkennen an, daß es solche Fälle gibt, wo weltgeschichtliches Interesse und einzelstaatliches Interesse auseinander gehen. Aber auch derjenige, der jene Taten der großen Kaiser, jene ihre Verdienste tun das Papsttum aufs denkbar höchste schätzt, wird zugeben, daß die Verfassungsentwicklung Deutschlands unter der italienischen Politik entscheidend gelitten hat. Wir können hier gute und schlechte Wirkungen der Kaiserpolitik sorgenlos nebeneinander stellen und brauchen uns nicht darüber den Kopf zu zerbrechen, wie etwa die Politik so einzurichten gewesen wäre, daß das eine nicht unter dem andern gelitten, vielmehr beides Förderung erfahren hätte. Die Aufgabe des Geschichtschreibers verlangt ja nicht, daß er die Weltgeschichte noch einmal und besser macht, sondern daß er den Sinn, die Bedeutung, die Wirkungen der historischen Erscheinungen darlegt. Im übrigen hat die soeben zugegebene günstige Funktion der mittelalterlichen Kaiserpolitik mit dem Investiturstreit im wesentlichen ihr Ende erreicht. Über den Investiturstreit hinaus wird man die Kaiserpolitik, insbesondere den Schutz des Papsttums, auch vom kirchlichen Standpunkt aus, nicht für notwendig halten, wiewohl anerkannt werden muß, daß in kleinerem Maßstab auch später noch das Kaisertum dem Papsttum gute Dienste geleistet hat. Menschlich gesprochen, konnte sich fortan das Papsttum oder wenigstens die Kirche im allgemeinen in der Hauptsache selbst helfen.4*) Man pflegt zu sagen, der universalen Kirche habe ein universales Kaiserreich zur Seite stehen müssen. Nicht ganz ohne Berechtigung wäre es, diesem Satz die andere Gestalt zu geben: universales Kaisertum und universale Kirche haben einander abgelöst: bis zum Investiturstreit ist das Kaisertum die univer-



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salere Macht, während das Papsttum, in seinen Funktionen, mehr lokale Bedeutung hat; seit dem Investiturstreit verliert das Kaisertum fortschreitend seinen universalen Charakter, während die universale Bedeutung der Kirche sich steigert.61*) Diese Formulierung wird jedenfalls dann gelten, wenn man als ein unentbehrliches Zeichen des Universalismus einer Macht eine gewisse Kraft und Fernwirkung ihrer Zentralgewalt ansieht. Widmen wir der kirchlichen Seite des Kaisertums noch eine Bemerkimg. Die allgemeine Kaiseridee liegt an sich außerhalb der deutschen Staatsidee. Freilich berührt sie sich doch auch mit ihr, insofern der mittelalterliche Staat sich seinerseits auch bestimmte kirchliche Zwecke setzte. 6ib ) Hier liegt eine Brücke zwischen der italienischen Kaiserpolitik und dem konkreten deutschen Staat. Von da aus konnte dieser seine Selbständigkeit gegenüber dem Papsttum betonen; es konnte aber auch, dahin kommen, daß der konkrete deutsche Staat fast als in dem Kaisertum aufgehend betrachtet wurde. Zweifellos wäre die richtige Würdigung der Kaiserpolitik früher und allgemeiner gewonnen worden, wenn die übliche Behandlung der mittelalterlichen Geschichte sich nicht immer noch so sehr im Rahmen der wesentlichen Beschränkung auf die äußern Daten der Geschichte hielte. Selbstverständlich sehe ich mich als Vertreter und überzeugten Anhänger der politischen Geschichte an; ich bin wahrlich kein Feind der Darstellung der Kriege und diplomatischen Verhandlungen. Gerade aber vom Standpunkt der politischen Geschichte aus fordere ich die energische Behandlung der Verfassungsgeschichte, da sie ein Hauptstück von jener bildet, bilden muß. Die politische Geschichte mit Betonung der verfassungsgeschichtlichen Entwicklung ist die wissenschaftliche Form der politischen Geschichte und zwingt zur innern Konzentration, während die wesentliche Beschränkung auf die äußern Daten der Geschichte den Charakter einer bloß „referierenden" Geschichte hat. Wenn ganz gewiß auch diese viel Wissenschaftliches, der höchsten Bewunderung würdiges Wissenschaftliches in sich birgt, so bedeutet sie doch eben nicht die wissenschaftliche politische Geschichte in ihrer Vollendung. Wie wenig die Verteidiger der Italienpolitik den verfassungsgeschichtlichen Tatsachen Rechnung tragen, das beweist ja schon die so oft als Hauptargument geltend gemachte Behauptung, der deutsche König habe, um den nötigen Einfluß auf die Besetzimg der Bistümer zu erlangen, das Papsttum beherrschen müssen, eine Meinung, die gar nicht nach dem

— 42 — damaligen Maß der tatsächlichen Zentralisierung der Kirchenverfassung fragt.88«) In der Literatur über die griechische und römische Geschichte könnte man sich eine solche Zurückstellung der Verfassungsgeschichte heute nicht denken, wie sie sich in der Literatur über die mittelalterliche Geschichte noch bei einem der besten Werke, bei dem im übrigen durch so hohe Vorzüge ausgezeichneten Buch von Hampe, findet.64) Wie ist es möglich, die staufische Geschichte zu schildern und das bedeutungsvollste Ereignis dieser Zeit, das Erscheinen der Landeshoheit, nur in ein paar Nebensätzchen zu erledigen 1 Ranke spricht in seiner Reformationsgeschichte eindringlicher von der im Investiturstreit und durch ihn eingetretenen Verstärkung der fürstlichen Stellung als Hampe in seinem mittelalterlichen Buch. Die landesherrliche Bede, -die seit dem 12. Jahrhundert als ständige landesherrliche Einnahme erscheint, während das Reich einer solchen Einnahme darbt, wird in Hampes Darstellung, soviel ich sehe, gar nicht erwähnt. Es handelt sich dabei nicht um eine Kleinigkeit, sondern um ein grundlegendes* Verfassungsverhältnis. Hampe beginnt seine Darstellung mit dem ersten Salier, während ein sachlicher Anfang mit Heinrich II. gegeben gewesen wäre. Dieser hängt mit den Ottonen nur dynastisch zusammen. So wenig wir bestreiten, daß die Regierungsjähre eines Herrschers an sich einen sachlich geschlossenen Kreis darstellen können55), so sehr wir das anerkennen, was in dieser Hinsicht in Hampes feiner Schilderung geboten wird, so dürfen wir doch nicht verschweigen, daß eine noch höhere Leistung wünschenswert ist. Die wissenschaftliche Behandlung macht die wesentlichen Dinge zur Grundlage der Disposition. Bei Hampe aber wird noch zu sehr der alte Annalen- und Chronistenstil festgehalten, der als einfaches Einteilungsprinzip die Regentenreihen und äußern Tatsachen hat. Man halte dagegen neben den Darstellungen der alten Geschichte etwa noch Treitschkes Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert mit ihrer sachlich energisch eindringenden Disposition.

Anmerkungen. ') Es ist die Meinung geäußert worden (von Meinecke, H. Z. 80, S. 277, in einer bemerkenswerten Besprechung von Varrentrapps SybelBuch, die in der Erinnerung festgehalten zu werden verdient), daß Sybels Urteil Ober die mittelalterliche Kaiserpolitik aus „Ansichten aber die bayerische Geschichte" herausgewachsen ist, die er im Winter 1858 für König



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Max entworfen hat. Ich möchte eher sagen: schon in jener Niederschrift spricht Svbel sich ungefähr so aus wie später in seiner Rede. Jedenfalls aber dürfte sein Urteil nicht aus besonderen Beobachtungen an der Hand der bayerischen Geschichte hervorgegangen sein. Über die Ursprünge von Sybels Urteil s. noch Varrentrapp, Einleitung zu ,,Vorträgen und Abhandlungen von H. von Sybel", S. 99. Im übrigen sind die Formulierungen Sybels in jener Niederschrift bemerkenswert (Varrentrapp, S. 97); so, wenn Sybel die Opposition bayerischer Fürsten (Heinrich d. L. natürlich eingeschlossen) nicht für ..eine Sünde gegen das echte Interesse der deutschen Nation" hält und den Widerstand der Wittelsbacher gegen die Habsburger anerkennt. Das Hauptinteresse, das jene „Ansichten" gewähren, dürfte darin liegen, daß Sybel mit seinen Darlegungen offenbar den König Max und natürlich nicht bloß ihn für seine Auffassung gewinnen wollte. Er trug sich damals mit dem Plan einer bayerischen Geschichte, in der die Gedanken der „Ansichten" weiter ausgeführt worden wären. Seine Rede von 1859 ist jetzt neugedruckt bei F. Strich, Deutsche Akademiereden (1924) S. 131 ff. Über die spätere Äußerung von Sybel s. M. Ritter, Geschichtswissenschaft S. 428. Zu denen, die sich vor Sybel über die mittelalterliche Kaiserpolitik kritisch geäußert haben (M. Arndt, Dahlmann) mag auch M. J . Schmidt gerechnet werden, welcher in seiner Geschichte der Deutschen Bd. 6 (Druck von 1783) S. 166 sagt.: „Wäre Italien nie in einer Verbindung mit Deutschland gestanden, so würde erst dieses den gehörigen Vorteil von Friedrich I. gtoßen Eigenschaften haben ziehen können". Vgl. A. Berney, Histor. Jahrbuch der Görres-Ges. Bd. 44 (1924) S. 215 f. Über die Ablehnung H. Ludens durch Giesebrecht s. dessen Kaiserzeit I (5. Aufl.) S. 799. Vier Jahre vor dem Streit zwischen Sybel und Ficker warnt Graf Rechberg von Frankfurt aus in einem amtlichen Bericht nach Wien vor den kleindeutschen Historikern. S. A. O. Meyer, Graf Rechberg über die kleindeutsche Geschichtschreibung und die Gründung der Historischen Zeitschrift, H. Z. 133, S. 258 ff. Schärfer noch als gegen Sybel spricht Rechberg sich gegen Häusser aus. — Die Äußerungen, die G. Waitz zu Sybels Auffassung in jener Zeit getan hat, werden regelmäßig als die Meinung eines politisch ganz unbeeinflußten Gelehrten, als rein historischer Beobachtung entstammend, zitiert. Es wird dabei übersehen, daß W. damals politisch mit Sybel keineswegs übereinstimmte, Österreich näher als Preußen stand, sich zum richtigen Verständnis des preußischen Staates erst allmählich durchgerungen hat. Vgl. Frensdorff, Allg. deutsche Biogr. 40, S. 617. ') „Zukunft" vom 26. Okt. 1895, angeführt von P- Bailleu, Allg. deutsche Biogr. 54, S. 659. Ähnlich A. Dove 1895; „Historisches Fehlurteil". „Ausgewählte Schriftchen" S. 124. Dove widerspricht sich übrigens, wenn er sagt: „nicht als wäre das strengste Urteil über den technischen Wert der national-politischen Leistung der Ottonen oder Staufer unangebracht", und dann doch ein kritisches Urteil ablehnt. Denn wenn er hinzufügt, „ein solches dürfe uns nur anspornen, desto eindringlicher nach den positiven Ideen, Kräften und Anliegen zu forschen, von denen das wirkliche Leben



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and Schaffen jener Tage abgehangen hat", so stützt sich Sybels Urteil gerade auf eine gründliche Betrachtang der „positiven Ideen, Kräfte and Anliegen", die dann eben zu einem verwerfenden Urteil fährte. In seinen Briefen an mich (s. meinen „Deutschen Staat d. Mittelalters", I, 2. Aufl. S. XXVI) spricht sich Dove über unsere Frage liebenswürdig ironisierend aus. Tiefer in das Problem einzudringen, lag nicht in seiner Art, da er keine politische Natur war. ®) Siehe meinen „Deutschen Staat des Mittelalters" S. 355 Anm. 3. Wenn meine Erinnerungen mich nicht täuschen, so haben in meinen Studentenjahren einen entscheidenden Einfluß auf meine Meinung von der italienischen Kaiserpolitik einige Sätze in Brunners Vorlesung Ober deutsche Rechtsgeschichte geübt, die, falls ich es richtig im Gedächtnis habe, noch umfassender waren als das, was er nachher darüber drucken ließ (s. a. a. O. S. 355). Bei Maurenbrecher hörte ich viel im Kolleg und Privatgespräch über die ottonische Politik. Allein er befand sich damals im Abbau seiner früheren Auffassung der Politik Ludolfs. Ihn schien mehr dessen spezielle Politik als die große Frage der italienischen Kaiserpolitik im allgemeinen zu interessieren, wie man auch aus seiner „Geschichte der deutschen Königswahlen" (1889) S. 61 ff. ersieht. *a) Es wird nicht überflüssig sein auf einige Äußerungen Fickers (Das Kaiserreich in seinen universalen und nationalen Beziehungen) hinzuweisen, die in der heutigen Verteidigung der mittelalterlichen Kaiserpolitik nicht mehr im Vordergrund stehen. S. 65 wird die Ungarngefahr genannt. Zu deren Abwehr hat das Kaisertum als solches nichts getan (s. darüber unten unsere Darstellung). Italien heißt der bedrohteste und doch zugleich für die Gesamtinteressen entscheidenste Teil (man weiß, warum diese Auffassung ausgesprochen wird). S. 65 unten: die Sarazenengefahr. S. 66 oben: das Kaisertum soll die Bürgschaft geliefert haben, daß die christliche Welt in der Stunde der Gefahr mit ihrer Gesamtkraft (wann ist diese eingesetzt worden?) den Sarazenen entgegentreten werde. S. 66: Italien durfte nicht wieder an Byzanz fallen, offenbar weil sonst die abendländische Kirche ihre Selbständigkeit verloren hätte. Gewiß kommt hier die kirchliche Idee des Kaisertums als der Schutzmacht der abendländischen Kirche in Betracht. Bestand aber ernstlich jene Gefahr ? 4 ) P. E. Schramm, österr. Rundschau, April 1923, S. 327, meint, daß der „Sybelsche kleindeutsche Standpunkt in den letzten Jahren nur in Modifikationen vorgebracht" worden sei. Umgekehrt I Der Fickersche Standpunkt wird heute nur in starken Modifikationen, in stärkeren jedenfalls als der Sybelsche, vertreten, selbst von Hampe nicht voll verteidigt, während die Verteidiger der Sybelschen These deren Kern entschieden verteidigen. Im übrigen charakterisiert Schramm ebenda gut A. von Hofmanns Politische Geschichte der Deutschen. — Wenn ich Sybels Standpunkt heute festhalte, so identifiziere ich mich selbstverständlich nicht mit allen Angriffen, die von einem preußischen oder vorgeblich preußischen Standpunkt im Lauf der Zeit gegen Osterreich und österreichische Politik gerichtet worden sind. Ich trage z. B. gar kein Bedenken, mich zu der Auf-



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fassung zu bekennen, die H. v. Srbik in der DLZ. 1926, Nr. 30, Sp. 1457ff., in solchen Fragen vertritt. **) Vgl. Friedrich Schneider, H. Z. 129 S. 346. Krabbo, Forschungen z. Brandenb. u. Preuß. Geschichte Bd. 36, S. 228. «b) Vgl. Hofmeister, H. Z. 134, S. 436. «) Veröffentlicht in: „Meister der Politik" Bd. 1, 2. Aufl., S. 393ff.: Karl d. Gr. S. 443ff.: Otto d. Gr. Bd. 3, S. 223ff.: Friedrich Barbarossa und seine Nachfolger. M ) Hampe, Otto d. Gr. (S. 478) sagt spöttisch Ober „die Bilanzen Aber Gewinn und Verlust der Kaiserpolitik", die man aufgestellt habe: „Solche Versuche mögen zur Klärung des allgemeinen Überblicks beitragen, obwohl wirklich ein Stttck Herrgott dazu gehört, um eine derartige Bilanz richtig abzuschließen. Für die historische Würdigung kommen sie kaum in Betracht; denn sie stellen das Urteil doch immer auf moderne Gesichtspunkte ein." Erstens ist es wirklich nicht bloß die Arbeit eines „Herrgotts", die hier zu leisten ist: die Dinge liegen ja recht klar zutage; die Verteidiger der ottonischen Politik bekunden nur eine merkwürdige Abneigung, auf eine rein sachliche Würdigung derselben einzugehen. Zweitens ist eine solche Würdigung, die allgemeine historische Würdigung, wie ich auch in meiner „Reichspolitik" dargelegt habe, ganz unentbehrlich. Wenn man der Notwendigkeit einer sachlichen Würdigung der ottonischen Politik aus-, weicht, so gelangt man dazu, Verhältnisse fQi schuldig zu erklären, die nicht oder nicht in entsprechendem Maße schuldig sind (vgl. meine „Reichspolitik" S. 29 zu einem hier in Betracht kommenden Versuch AI. Schuttes) oder dem Zufall oder Schicksal die Verantwortung zuzuschieben, worüber wir noch mehrmals zu sprechen haben werden. — In dem Vortrag von Schmeidler auf dem Breslauer Historikertag (Oktober 1926) und in der sich an ihn anschließenden Diskussion wurde die Notwendigkeit der Gewinnung eines zuverlässigen Urteils Ober die mittelalterliche kaiserliche und königliche Politik scharf betont. *) Siehe dazu meinen „Deutschen Staat des Mittelalters" Bd. 1, 2. Aufl., S. 343ff. und X X X I I f f . Meinecke, Preußen und Deutschland im 19. und 20. Jahrhundert, S. 112. • ') Vgl. G. v. Below, Die Hemmnisse der politischen Befähigung der Deutschen, Vergangenheit und Gegenwart Bd. 15, S. 257 ff. •) Vgl. näheres darüber in meiner „Deutschen Geschichtschreibung von den Befreiungskriegen bis zu unsern Tagen", 2. Aufl., S. 51 und 132. *) Vgl. ebenda S. 52. Ich brauche mich wohl nicht gegen das Mißverständnis zu wehren, als ob ich Giesebrecht lediglich als Stoffhuber und Rhetor ansehen wollte. •») Stimmen neuerer Historiker, die sich gegen die italienische Kaiserpolitik ausgesprochen haben, habe ich notiert in meiner „Deutschen Reichspolitik einst und jetzt" S. 4 und in der 2. Aufl. meines „Deutschen Staats im Mittelalter" I. S. X X X I V . Vgl. Vjschr. f. Soz.- u. W.G. Bd. 13, S. 227, Anm. 2. Eigenartig ist die Stellung, die A. von Hofmann, Politische Geschichte der Deutschen I I (1922), S. 84f., zu der Frage der italienischen



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Kaiserpolitik einnimmt. E. Hilarius (Vergangenheit und Gegenwart 1926, S. 71) fällt in einem Gedankenznsanunwihang, den ich mir wenigstens nicht überall anzueignen vermag, das nicht unrichtige Urteil: „Das Kaisertum hat mit seinen in ihm fortwirkenden antiken Traditionen das mit föderativen Anlagen ausgestattete deutsche Königtum zu seinen Ungunsten verändert, ja zuletzt zum Absterben gebracht." Seltsam ist es, wenn derselbe Autor a.a.O. (Anm. 11) zur Verbindung Siziliens mit dem Reich bemerkt: „Selbst von J . Ficker, dem warmherzigen Anwalt des Kaisertums, wird dies verurteilt I" Zur Literaturgeschichte vgl. auch Hugelmann Savigny-Ztschr., Kanonist. Abteilung Bd. 9, S. 13. 10 ) Vgl. Hofmeister a.a.O. S. 24 f.; Albert Schulze, Kaiserpolitik und Einheitsgedanke in den karolingischen Nachfolgestaaten 876—962, Berliner Diss. von 1926, S. 89. 11 ) Vgl. Vergangenheit und Gegenwart a. a. O. S. 259. Über die Kontinuität in den Urkunden s. E. Stengel, Die Entwicklung des Kaiserprivilegs für die römische Kirche 817—962, H. Z. 134, S. 2i6ff. lI ) Vgl. H. Z. 116, S. 341; 124, S. 17. Zufällige persönliche Beziehungen spielen hier auch eine Rolle. So weist Hampe, Otto I., S. 457, darauf hin, daß der Großvater Ottos Arnulfs erste Romfahrt mitgemacht hat. ll> ) Hierher gehört die Arbeit von Albeit Schulze (s. oben). Soweit sie den Einfluß der Tradition feststellt, ist sie durchaus zu begrüßen. Der Verfasser neigt jedoch dazu, hiermit die große Frage des Wertes der Kaiserpolitik als erledigt anzusehen! „Die Notwendigkeit der Kaiserpolitik" hat er nicht bewiesen. Wenn er auf die Gefahren hinweist, die für Deutschland entstanden wären, falls Frankreich die Herrschaft Ober Burgund erworben und dann noch die Kaiserwürde gewonnen hätte, so hatte Deutschland allerdings an Burgund (zum mindesten an einem Teil davon) ein reales Interesse (s. meinen „Deutschen Staat des Mittelalters I", S. 311). Wenn aber Frankreich sich an Italien festbeißen wollte, so mochte es das tun. Im übrigen war es und waren ebenso die burgundischen und provenzalischen Fürsten, die etwa die Kaiserkrone erstreben mochten, in der Zeit Ottos I. und darüber hinaus, wie Schulze selbst (S. 69 und 96f.) sagt, viel zu schwach, als daß sie eine maßgebende Stellung in Italien verlangen konnten, also unter allen Umständen keine Gefahr für Deutschland. — Über die Bedeutung des Erwerbs von Burgund führe ich das Urteil eines neuern Schweizers an. Blocher, Die deutsche Schweiz, S. 27: „Ohne die Einverleibung von Burgund ins Deutsche Reich (1033) wären die zwischen welschen Burgundern und welschen Ratiera sitzenden Alemannen der Schweiz entweder dem deutschen Volkstum ganz verlorengegangen oder doch als deutscher Volkssplitter an den welschen Irrungen unter die Herrschaft fremder Gesittung und Bildung geraten, wie es später den Friaulern und zuletzt den Elsässern ergangen ist." 1M ») Die kritischen Bemerkungen, die Thietmar von Merseburg nach dem zweiten italienischen Zug Heinrichs II. macht, darf man nicht ignorieren. 1,b ) Auch Hofmeister, a. a. O. S. 5, will „die wechselnde Wesensart verschiedener Zeiten und Kulturen nur nach ihnen selber verstanden und nur nach ihrer eigenen Welt- und Staatsauffassung beurteilt" wissen.



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" ) Vgl. Vjschr. f. Soz.- u. W.G. Bd. 19. S. 281«. 1S4 ) Wenn ich hier von Strebungen spreche, BO soll das Wort nicht nor das eigentliche Wollen sondern auch die aus dem Unbewußten aufsteigenden Triebe umfassen. Hauck, Kirchengeschichte Deutschlands V, 2 S. 583. 1*) Schmollers Jahrbuch 1914, S. 563. 16 ) Angeführt (mit weiteren wichtigen Beobachtungen) in meiner „Deutschen Geschichtschreibung" S. 115. Ebenda, in meiner „Reichspolitik" S. 12 ff. und in „Vergangenheit und Gegenwart" Bd. 15, S. 262, entsprechende Urteile anderer Forscher (Windelband, Roethe, G. Ritter, F. Holldack usw.). Ehrismann. Geschichte der deutschen Literatur II, 1, S. Vif., betont, daß der Historiker auf die Bewertung nicht verzichten kann. Gegen das Sich-Zurück-Ziehen auf das Stoffhubertum spricht sich auch J . Hashagen, „Historikerpflichten im neuen Deutschland", Zeitwende 1926, April, S. 786ff., aus. Über den Gegensatz zwischen der historisch zwangsläufigen Handlung und der Frage des politisch Heilsamen s. O. Redlich, Gesch. Österreichs 6, S. 6. Nicht unerwähnt darf hier der von G. F. Knapp virtuos gehandhabte Grundsatz, aus den neuern Verhaltnissen die alten zu erläutern, bleiben. Vgl. Gutmann, Jahrbacher für Nationalökonomie 124, S. 197. Vgl. ferner die bei Ed. Gretener, Die Kritik der Wirtschafts-Stufentheorien (Breslauer Diss. von 1922), S. 26ff., angefahrten Sätze von M. Weber, welche zeigen, daß mit dem Positivismus schlechterdings nicht auszukommen ist: Das Vorhandene, Gewordene an sich gut zu heißen, ist Unsinn. Das Ergebnis der kulturwissenschaftlichen Arbeit ist ein steter Umbildungsprozeß. In den Wissenschaften von der menschlichen Kultur hängt die Bildung der Begriffe von der Stellung der Probleme ab, und diese letztere ist' wandelbar mit dem Inhalt der Kultur selbst. Der Fortschritt der wissenschaftlichen Erkenntnis vollzieht sich in der Eröffnung neuer Gesichtspunkte, die natürlich nicht einfach aus den Quellen abgelesen werden können. Wir verzichten auch nicht auf die Bereicherung unserer Beurteilungsfähigkeit, die durch den nationalen Gedanken als politisches Prinzip uns gegeben ist, was gar nicht bedeutet, daß wir den Menschen der Vergangenheit die nationale Idee zuschreiben. Niebuhr hat immer und immer wieder betont, wie nur aus leidenschaftlicher, angespanntester Teilnahme an den politischen Bewegungen seiner Zeit und aus einem nie ruhenden verstandesmäßigen Durchdringen der Zusammenhänge der Gegenwart die schöpferische Kraft erwachsen konnte, die zur Rekonstruktion eines untergegangenen Staats- und Gesellschaftskörpers befähigte. In der Vorrede zu der umgearbeiteten Römischen Geschichte heißt es 1826: „Die Vergegenwärtigung anderer Zeiten bringt sie der Teilnahme und dem Gefühl des Geschichtschreibers um so näher, je größere Begebenheiten er mit zerrissenem oder freudigem Herzen erlebte." Die Briefe G. B. Niebuhrs, hsg. von D. Gerhard und W. Norvin I, S. LVIII. Zur Rechtfertigung meines Standpunkts vgl. soeben die umfassendste Begründung bei E. Rothacker, Logik und System der Geisteswissenschaften (1926).



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" ) Vgl. darüber z. B . AI. Schalte, Frankreich und das linke Rheinufer S. 83. m ) Nitzsch freute sich an der Parallele zwischen Bismarck und Otto I., dachte dabei aber an Otto im Harz, nicht in Italien. Archiv für Kulturgesch. Bd. 8, S. 462 (Brief v. 1879). 1(b ) Brandl, Deutsche Gesch. S. 5 1 : „wir möchten von unserer ganzen (I) Geschichte heute die Kaiserzeit am wenigsten missen." „Missen" wollen wir sie natürlich nicht. Aber „ a m wenigsten" ? Am wenigsten wollen wir das missen, was den wertvollsten, dauernden Erfolg gehabt hat. Ist das die Herrschaft über Italien und das Papsttum? 17 ) Siehe über seine Auffassung meinen Aufsatz über H. Leo in der deutschen Vierteljahrsschrift für Literatlirwissenschaft und Geistesgeschichte Bd. 2, S. 551. " ) Siehe z. B . „Epochen der deutschen Geschichte" S. 76. m ) Vgl. hierzu J . Binder, Philosophie des Rechts. Für den Aufbau dieser Idee leistet gerade auch Sybels These vorzügliche Dienste. 1>b ) Sehr schroff Schnabel, Deutschland in den weltgeschichtlichen Wandlungen des letzten Jahrhunderts (1925), S. 3: „die nüchterne Einsicht in die staatlichen Notwendigkeiten" habe die Kaiser über die Alpen geführt. Ebenso, mit allen bekannten Irrtümern der Verteidiger der Italien politik, Kaindl, Österreich, Preußen, Deutschland (1926) S. 5, welcher erklärt: „Die großen deutschen Ziele der alten deutschen Kaiser konnten nur moderne Besserwisser als unnötige, schädliche Kraftvergeudung bezeichnen." Kaindl will mit seinem Buch die gänzliche Verkehrtheit der kleindeutschen Politik unter Nutzbarmachung für die gegenwärtigen Verhältnisse dartun. Ich erwähne hier zwei eindringliche und lehrreiche Kritiken des Kaindlschen Buches, die in ihrer Art als Dokumente zur Geschichte der Auffassung des preußisch-deutschen und österreichischdeutschen Problems gelten können: von Dietrich Schäfer in „Deutschlands Erneuerung" 1926, Sept., S. 389ff., und von Heinrich Ritter von Srbik im „Archiv für Politik und Geschichte" 1926, S. 251 ff. Wie Schäfer vom preußisch-deutschen Standpunkt die Stellung Österreichs gerecht zu würdigen weiß, so Srbik vom österreichischen Standpunkt die Stellung PreußenDeutschlands. Srbik geht nicht näher auf die Fragen der mittelalterlichen Geschichte ein, macht aber die entscheidende Bemerkung (S. 255): „Das alte Heilige Römische Reich .großdeutsch' zu nennen, ist m. E. Anachronismus." Bei Schäfer findet man auch betreffs des mittelalterlichen Kaisertums fruchtbare Beobachtungen. Mit Recht spricht er sich gegen die Verlegung des großdeutsch-mitteleuropäischen Gedankens, der eine Schöpfung des 19. Jahrhunderts ist, ins Mittelalter aus. So sehr ich jedoch den wertvollen Inhalt dieser seiner Kritik dankbar begrüße, so zeigt sich doch auch hier wieder, wie nur bei entschiedener Ablehnung der italienischen Kaiserpolitik ein ganz sicheres Urteil in den von Kaindl aufgeworfenen Fragen gewonnen werden kann. Vgl. z. B. Schäfer S. 399. Schäfers Aufsatz ist in den „Eisernen Blättern" 1926 im November wiederholt worden. " ) Vgl. meinen Mittelalterlichen Staat, 2. Aufl., S. X X X I I I f f >0 ) Huizinga, Herbst des Lebens S. 122.



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" ) Huizinga, S. 123, Obertreibt doch, wenn er die Kreuzzugsidee als „höchste politische Idee" allen Fürsten von Europa vor Augen stehen läßt. " ) Über den Weg von der Romantik zum Empirismus und Positivismus siehe meine „Deutsche Geschichtschreibung" S. 81 ff. " ) A. Dove, Ausgewählte Briefe, S. 34 (1873): „Ottonen und Salier Giesebrechts waren doch vom menschlichen Standpunkt aus noch ein Rückschritt hinter Raumers behagliche Hohenstaufen." Dabei ist Giesebrecht Raumer im Quellenkritischen ja bei weitem überlegen — einer von den vielen Beweisen dafür, daB die sog. „reine Quellenforschung" in der Geschichtschreibung nicht alles macht (vgl. Vjschr. f. Soz.- u. W.G. Bd. 19, S. 284). Über Giesebrechts historisch-politische Auffassung vgl. meinen Aufsatz „ D a s gute Recht der politischen Historiker", Preuß. Jahrbücher 1923, September-Heft, S. 298ff. — J. F. Böhmer klagt in einem Brief vom 16. März 1862 (Briefe III, S. 384) an Ficker: „Wir haben immer noch so wenig Beurteilendes über unsere deutsche Geschichte." Gerade durch Sybel ist aber eine Beurteilung großen Stils begründet und erst möglich gemacht worden 1 M ) P. E. Schramm, Über unser Verhältnis zum Mittelalter, österr. Rundschau, April 1923, S. 321. m ) G. Giese, Hegels Staatsidee S. 28. Hegel bedauert das Aufkommen der Territorialstaaten („Kreise von Gewalt über andere ohne Rücksicht auf ein Allgemeines"). Heller, Hegel und der nationale Machtstaatsgedanke S. 40. " ) In bezug auf das obige Argument hat Hampe mir einmal ein Zugeständnis gemacht, Vjschr. f. Soz.- u. W . G . 1915, S. 227, Anm. 2. "») Diese Behauptung, daß durch das Kaisertum das deutsche Volk geeinigt worden sei, findet sich schon bei Giesebrecht, Kaiserzeit I (5. Aufl.), S. 765, mit wackligem Beweis. Er wie seine Nachfolger halten namentlich auch nicht auseinander, was Otto I. als Kaiser, und was er als König geleistet hat. Zu den Darlegungen in den Preußischen Jahrbüchern 184, S. 235 f., sei hier folgendes bemerkt. Nicht die Kaiserpolitik hat dem deutschen Volk „den Zusammenhalt seiner Stämme und die Unabhängigkeit nach außen gesichert", sondern die königliche Politik. Nicht mit dem Fall der Kaiserherrlichkeit war die Rolle des Deutschen Reichs als europäischer Macht dahin, sondern mit dem Fall des Königtums.

" ) Hampe, Salier und Staufer S. 5: „ D e r Zusammenhalt der auseinanderstrebenden Stämme ward dauernd doch erst gewährleistet, als Otto d. Gr. an dem festgefügten Bau der deutschen Kirche Gegengewicht und Stütze fand und deren Abhängigkeit von seinem Willen auch nach außen hin durch Beherrschung des Papsttums, zu der die Eroberung Italiens führte, sicherstellte." " ) Vgl. z. B. Hampe S. 132 und S. 157. " ) Hampe S. 141. *•) Vgl. meinen „Deutschen Staat des Mittelalters" I, S. X X X I und 196. m ) Die Gefahr eines „italienischen Großreichs", eines „geeinten Italiens" unter Berengar betont besonders energisch Haller, Epochen der Beih. d. H . Z . 10.

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deutschen Geschichte S. 46f. In einem gewissen Widerspruch steht es dazu, daß er S. 53 von dem nur ganz geringen Widerstand spricht, den Italien zu Berengars Zeit Deutschland zu leisten vermochte. nb ) Dies erkennt doch auch Hampe, Otto d. Gr., S. 478 an, indem er (allerdings am darzutun, daß Ottos Herrschaft Italien einen besseren Friedenszostand brachte) es als „höchst zweifelhaft" bezeichnet, „ob das Reich Hugos nnd Berengars . . . sich jemals ans sich heraus zu einer starken, dauernden Ordnungs macht entwickelt haben würde." **) Näheres hierzu siehe in meinem Aufsatz „Das gute Recht der politischen Historiker", Preuß. Jahrbücher 1923, Sept., S. 289!. '•») Hofmeister S. 15: „Die Kaiserpolitik Otto d. Gr. ist nur zu verstehen im Zusammenhang des Gegensatzes zwischen Deutschland und Frankreich . . . Als Otto nach Italien ging, war es nicht die Frage: ob Kaisertum oder kein Kaisertum, sondern ob das Kaisertum deutsch oder nicht deutsch sein würde." Diese Sätze worden nur gelten, wenn Frank* reich im Augenblick des Erwerbs der Kaiserkrone durch Otto Absichten auf Italien gehabt hätte, was aber nicht der Fall war, jetzt nicht und noch lange nicht. Wenn Hofmeister S. 30 meint, daß „das deutsche Übergewicht Ober die Westfranken mit auch durch die Angliederung Italiens entschieden" worden sei, so habe ich in meinem Text dargelegt, daß dies Übergewicht schon vor dem Erwerb Italiens vorhanden war. Die Frage war 962 nicht, ob deutsches oder französisches Kaisertum, sondern ob deutsches oder Kaisertum italienischer KleinfOrsten oder allenfalls byzantinisches, das die Deutschen gar nicht zu fürchten brauchten, oder ob bloße Herrschaft römischer Adelsparteien aber Rom. Hofmeisters These, die er durch eine an sich lehrreiche genealogische Erörterung stützt, daß das Kaisertum uns vor einer weiteren Romanisierung bewahrt hat, kann ich nicht anerkennen. Es hat durch die wesentlich von ihm stammende politische Zersplitterung Deutschlands dem romanischen Wesen eine breite TOre geöffnet. *') Vgl. H. Z. 130, S. 539. Siehe auch die sogleich anzufahrende Abhandlung von R. Falk S. 176ff. Während Haller das Reich den Zugang zum Meer erstreben läßt, vermutet Hampe, Otto d. Gr. S. 457, das gleiche für die süddeutschen Herzogtümer als Motiv für ihre Italienpolitik, gewiß nicht mit größerem Recht. **) AI. Schulte, Geschichte d. großen Ravensburger Handelsgesellschaft I, S. 259 f. "») Giesebrecht I (5. Aufl.) S. 766: „Otto I. wies dem deutschen Volk für alle Zeiten die Aufgabe zu, die es in der Weltgeschichte zu lösen berufen ist." Damit meint er die Aufnahme und Fortbildung der aberlieferten (antik-christlichen) Bildung. Hierfür sei die politische Verbindung mit Rom notwendig gewesen. ,,b ) Hampe H. Z. 127, S. 262, betont übrigens mit Recht und nicht überflüssig gegen Hellmann, daß Deutschland in der ersten Kaiserzeit, der Zeit der Ottonen und Salier, etwas erhebliches von Frankreich nicht erhalten hat. **) Zu dem, was ich in meiner „Reichspolitik einst und jetzt", S. löff., gesagt habe, vgl. R. Falk, Italienisch-deutsche Kulturbeziehungen in der



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Zeit von 900—1056, Archiv für Kulturgeschichte 15, S. 161 ff. Dazu Hofmeister H. Z. 129, S. 347 f. Hessel, Geschichte der deutschen Bibliotheken S. 28: in der deutschen Kaiseizeit „bildete Deutschland nicht nur auf politischem, sondern ebenso auf kulturellem Gebiet die Vormacht Europas". Über die gegenseitige Kulturbeeinflussung zwischen Italien und Deutschland vgl. Hampe H. Z. 134, S. 203. Erwähnt sei hier, daß Kaiser Heinrich II. deutsche Kleriker auf italienische Bischofssitze zweifellos von der Erwägung aus brachte, daß der italienische Klerus tie fer als der deutsche stand, und so auch Konrad II. und Heinrich III. Vgl. Gerhard Schwartz, Die Besetzung der Bistümer Reichsitaliens. S. 4f.; dazu Haller, H. Z. 114, S. n o f f . Die Alpenlande erhielten ihr MOnzwesen nicht, wie man erwarten könnte, von Italien, sondern von Deutschland: Friedensburg, Münzkunde und Geldgeschichte der Einzelstaaten S. 43. Hampe, Otto d. Gr. S. 479 (ihm folgt Braubach S. 335) rühmt von Otto, er habe eine starke Grundlage nach innen und außen für ein Vierteljahrtausend deutscher Geschichte geschaffen, welches — „das sollten die nationalen Kritiker, die ihren Blick meist auf den späten Verfall mit seinen Folgen richten, stets beachten — Leistungen umschloß, die zu dem Bedeutendsten gehören, was das Deutschtum nicht nur an Machtäußerung sondern auch an Kulturwerten hervorgebracht hat". Sind diese Kulturwerte durch die Verbindung mit Italien hervorgebracht ? Das ist hier doch die ausschlaggebende Frage. Und welter steht es ja so, daß die deutsche Kultur unter dem Zusammenbruch des deutschen Königtums gelitten hat, der wieder auf die falsche Italienpolitik zurückgeht. Es läßt sich nicht aus der Weltgeschichte streichen, daß der Fall der Hohenstaufen, der ja wesentlich die Folge der italienischen Kaiserpolitik war, die deutsche Kultur geschädigt hat. An „Machtäußerungen" fehlt es gewiß nicht. Indem sie aber so sehr nur zugunsten des italienischen Phantoms erfolgen, bleiben sie für Deutschland wesentlich nutzlos. Und in Italien schlagen sie in der Regel bald in Niederlagen um. Haller, Das altdeutsche Kaisertum, S. 34: „Ottos I. Stammland Sachsen steht unter ihm auch in geistiger Beziehung schon an der Spitze Deutschlands, völlig ebenbürtig allem, was in andern Ländern geleistet wird." Daraus würde man doch den Schluß zu ziehen haben, daß wenigstens aus kulturellen Gründen Deutschland die Angliederung Italiens nicht nötig hatte. Früher hatte Haller eine kulturelle Rückständigkeit Deutschlands in Ottos I. Zeit behauptet. Vgl. H. Z. 130, S. 539. '**) L. von Ranke hat in seiner Geschichte Deutschlands im Reformationszeitalter I, S. 15, zu der Frage der mittelalterlichen Kaiserpolitik Stellung genommen. Es handelt sich bei ihm ungefähr um denselben Gesichtspunkt, den Giesebrecht (s. oben) vertritt. Über Rankes Wertschätzung der Kontinuität für die Bedeutung der Kultur s. G. Masnr, Rankes Begriff der Weltgeschichte S. 71, 74, 120, 124. S. 123: „In der Totalität des Fortwirkens de? erarbeiteten Kulturbestandes bildete die Wiederaufnahme der Idee des Imperiums ein wichtiges Moment." Walter Götz („Heimatdienst" 1927, Nr. 1) behauptet, „man betrachte sehr oft die Kaiserpolitik des Mittelalters unter dem Gesichtswinkel, als ob die deutsche Geschichte immer und immer wieder vom Drang nach Fremdem besessen gewesen

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sei." So an der Oberfläche hat sich die Kritik der Kaiserpolitik doch nicht gehalten. **"•) Ebenso Hampe, H. Z. 134, S. 202: „der luftleere Raum des chaotisch zersplitterten Italiens und der Ausdehnungsdrang der deutschen Vormacht." ,,b ) Braubach, S. 333f., schließt sich Schäfer an („Macht, die nach Expansion drängte") und sieht in diesem Argument „die beste und durchschlagendste Verteidigung von Ottos Vorgehen". " ) Namentlich D. Schäfer hat dies betont, aber auch andere. Vgl. Hofmeister S. 4f.; R. Holtzmann, H. Z. 1 2 1 , S. 137f. (gegen L . M. Hartmann) ; meinen Aufsatz „Der Streit um die politische Befähigung" S. 267. Natürlich stimme ich Holtzmann bei, wenn er a. a. O. die vom marxistischen Standpunkt ausgehende Beurteilung der Kaiserpolitik energisch ablehnt. Aber es braucht die Forschung doch nicht, wie er meint, zu J . Fickers Auffassung zurückkehren, wenn sie Marx und L. M. Hartmann ablehnt. " ) Diese Meinung lehnt mit Recht Fedor Schneider ab. Hist. Vierteljahrsschr. 18, S. 141. >*) Über die Verdienste der Kaiser um Italien vgl. z. B. a. a. O. W. Lenel, H. Z. 128. S. 3 3 1 ; Hofmeister, H. Z. 1 2 1 , S. 519. i7 ) Holtzmann, H. Z. 121, S. 139, nennt die Unterwerfung Italiens durch Deutschland „eine charakteristische Lebensäußerung des mittelalterlichen Staats". *•) Gesta Frid. (rec. G. Waitz) cap. 42 und 44. Nitzsch, Geschichte des deutschen Volkes I I (1883), S. 218, sagt: „der deutsche Boden begann sich von den kriegerischen Elementen zu entlasten, deren erdrückende Fülle die gesunde Entwicklung der Nation seit Jahrzehnten gestört hatte." Es handelt sich darum, daß bei der damaligen Heeres Verfassung eine unendliche Menge von militärischen Kräften dauernd militärisch bereitstand und stehen mußte, aber keineswegs immer Verwendung fand und so oft willkürlich Verwendung suchte. Ein großer Heereszug wie ein Kreuzzug schaffte momentan Erleichterung, aber nur momentan. Natürlich bestand jene Schwierigkeit im ganzen Abendland. 38a ) Natürlich will ich das, was sich über ein Vordringen von Deutschen in der Hauptperiode der italienischen Kaiserzeit nach Süden beobachten läßt, nicht unterschätzen. Über die Besiedlung von Südtirol vgl. z. B. W. Steinhauser in den Schriften des Instituts für Statistik der Minderheitsvölker an der Univ. Wien, 5. Heft, S. 27ff.; Wopfner, Deutsche Siedlungsarbeit in Südtirol. Über Friaul als deutsches Vorland s. H. von Voltelini in den Mitt. d. K. K. Geograph. Gesellsch. in Wien Bd. 59 (1916), S. 497ff., und A. Hessel, Friaul als Grenzland, H. Z. 134, S. i f f . So bedeutungsvoll an sich diese Ausdehnungsbewegung ist, so läßt sie sich an Umfang nicht messen mit denjenigen, die erstens innerhalb der alten Grenzen des Deutschen Reichs platzgegriffen und sich zweitens nach Osten vorschoben. Im übrigen ist für den Süden nur die ganz gewiß auch interessante Besetzung von geistlichen und weltlichen Ämtern mit Deutschen zu verzeichnen; diese Deutschen wurden aber fortgeweht, sobald das politische Blatt sich wandte. Es handelt

— 53 — sich nicht um etwas, was längere Wirkung Qbt. Über diesen jähen Umschlag in Friaul s. Hessel S. 9. Wenn die italienische Kaiserpolitik hier danach beurteilt werden soll, ob sie das Vordringen des Deutschtums (der deutschen Siedlung) gefördert hat, ob die Herstellung der Herrschaft aber Italien das rechte Mittel gewesen ist, um der Ausbreitung des Deutschtums auf italienischem Boden zu dienen, so werden Verdienste des Kaisertums in dieser Beziehung nicht namhaft zu machen sein. '*) Spannagel, Zur Geschichte des deutschen Heerwesens, S. 76. Wie man aus den daselbst angefahrten Beispielen ersieht, hat eine auswärtige Verwendung deutscher Kriegsleute keineswegs nur in Italien stattgefunden. Wenn deutsche Krieger nach Italien gehen, so ebenso und nicht weniger nach dem Nordosten. Vgl. auch Hofmeister, Zeitschr. f. labeck. Gesch. 23, S. 49. H. Z. 129, S. 348 (nach Polen). " ) Über K. H. Schäfers hierher gehörige ertragreiche Studien vgl. Niese und Fedor Schneider, H. Z. 109, S. 647 und 118, S. 3i3ff.; AI. Schulte, DLZ. 1915, Nr. 16; Schmeidler, Ztschr. f. Kirchengesch. 36, S. 214t. Beachtung vei dient es übrigens, daß die deutschen Ritter in Italien sich politisch nicht gleichgültig hielten, sondern ihre Wahl für Kaiser und Papst von den politischen Strömungen ihrer Heimat abhing. 41 ) A. Dören, Deutsche Handwerker und Handwerkerbruderschaften im mittelalterlichen Italien (1903); dazu Zeitschrift für Sozialwissenschaft 1904, S. 737 und 795; GGA. 1905, S. 501—504; Bibliographie z. dtsch. Gesch. 1904/05 Nr. 1103 und 1905/06 Nr. 1161. Noack, Deutsche Gewerbe in Rom, Vjschr. f. Soz.- u. W.G. Bd. 19, S. 237ff. "») F. Keutgen, Der deutsche Staat des Mittelalters (1918), S. 181; dazu Jahrbücher f. Nationalökonomie 119, S. 69. 41b ) A. Dopsch, Österreichs geschichtliche Sendung S. 11 f. 41°) Ein interessantes Urteil fällt Dopsch S. 12: „Die Zukunft deutscher Machtausdehnung lag seit der Lockerung des Reichsverbandes immer mehr im Norden und Osten." Hat die „Zukunft" der Machtausdehnung jemals im Saden gelegen? Was hat den Reichsverband gelockert? 41d ) Vgl. darüber die in meinem „MA. Staat", 2. Aufl., S. X X X I V , verwertete Schrift von Kienast. 41 ) Hierüber neuerdings lehrreich A. Hessel, Studien zur Ausbreitung der karolingischen Minuskel, Archiv f. Urkundenforschung Bd. 7. " ) Hampe, H. Z. 127, S. 261: „Die deutsche Hegemoniestellung in Europa das fOr die Politik des 10. und 1 1 . Jahrhunderts schlechthin entscheidende Moment." 44 ) Braubach, S. 335, meint: „ebenso wie Otto d. Gr. für das tragische Ende des mittelalterlichen, würde man schließlich Bismarck für die Katastrophe des neuen Kaiserreichs verantwortlich machen können." Der Unterschied ist doch greifbar I Die von Otto I. begonnene italienische Politik schuf einen Keim des Verfalls des Reichs, während die Katastrophe des neuen Kaiserreichs darauf zurückgeht, daß die dem Bismarckschen Gedanken von Anfang an entgegengesetzten Mächte sich verstärkten. Wir ziehen nicht, wie Braubach behauptet, „aus dem schließlichen Zusammenbruch des Kaisertums den Schluß", daß die Politik Ottos verfehlt

— 54 — war, sondern beobachten an dem Verlauf der Dinge, wie die unrichtige Politik den Zusammenbrach herbeiführt; wie ja auch die ungünstige Wirkung der italienischen Kaiserpolitik sich sogleich in ihren Anfangen zeigte. Will man den Vergleich zwischen dem mittelalterlichen Reich und dem neuen Hohenzollernreich durchfahren, so bleibt auch zu berücksichtigin, daß jenes, als es zusammenbrach (im Investiturstreit) anderthalb Jahrhunderte oder (falls man den Zusammenbruch mit dem Ende der Staufer gleichsetzt) gar drei Jahrhunderte bestanden hatte, in welcher langer Zeit es sich hätte befestigen können, wahrend das Hohenzollernreich nur ein bis zwei Generationen bestand, also noch sehr jung war, als die Katastrophe hereinbrach, daß ferner dieses trotz ungünstigen Kriegsausgangs, ungleich weit größerer Fesselung durch auswärtige Mächte, als es beim mittelalterlichen Reich der Fall war, und Revolution sich noch überraschend fest erwies, wobei sich zeigte, daß das vorzugsweise Haltbare gerade in den Bismarckschen Grundlagen gegeben war bzw. daß die Entfernung von ihnen die Haltbarkeit des neuesten Reichs beeinträchtigt. " ) D. Schafer, Deutsche Geschichte I, S. 163: Als Otto I. in Italien eingriff, hatte er schon „eine Stellung erworben, der keine andere in Europa sich vergleichen konnte". Braubach, S. 334, dagegen behauptet, erst durch die Verbindung mit Italien habe Otto die Hegemoniestellung, vor der die übrigen Machte die Segel streichen „mußten", erlangt, wahrend er sie ohne Italien nicht hätte gewinnen können. — A. Schulze a. a. O. S. 86f. hebt hervor, daß Heinrich I. mit dem Sieg über die Ungarn und dem Besitz Lothringens schon die Grundlagen für eine „kaiserliche" Politik geschaffen und bereits jetzt hohes Ansehen in Italien genossen habe. Wir ziehen daraus den Schluß, daß er eine europäische Stellung ohne Italien gehabt hat. **») Um ein paar Beispiele aus dem Westen herauszugreifen, so werden in Flodoards Annalen die römischen Ereignisse aus Ottos I. Zeit wenigstens leidlich erwähnt. Aber die Papstfrage hat ihn sicherlich nicht erregt; anderes lag ihm weit mehr am Herzen (SS. III, S. 405ff.). Richer erwähnt nichts von jenen. Über Gerbert spricht er ausführlich, aber nur wegen seiner persönlichen Beziehungen zu ihm. Bei Ademar von Chavannes wird über die Beherrschung des Papsttums durch Otto I. nicht berichtet. Von Gregor V. heißt es, er sei der Bruder des Kaisers. Gerbert wird vom Kaiser propter philosophiae gratiam zum Papst gemacht. Crescentius patibulo stispensus est. et pro eo planctus magnus factus est. SS. IV, 130. 4 *) D. Schäfer, in der Zeitschr. „Nationale Erziehung", April 1925. S. 99f47 ) A. Penck, Deutscher Volks- und Kulturboden, in: Volk unter Völkern, für den deutschen Schutzbund hrs. von K. C. v. Lösch (1925), S. 71. *•) Voßler, Frankreichs Kultur im Spiegel seiner Sprachentwicklung (1913), S. 28, hebt hervor, daß es bei Frankreich in wirtschaftlicher Hinsicht sehr lange gedauert habe, bis die Gunst der natürlichen Lage des Landes zu durchschlagender kultureller Geltung kam, indem lange Zeit, wohl bis tief in das 13. Jahrhundert hinein, die Märkte der Champagne den Markt von Paris bzw. von St. Denis an wirtschaftlicher Bedeutung über-



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ragten. Der Markt von Troyes ist erst zu Anfang des 14. Jahrhunderts durch den Übergang der Champagne an die französische Krone ruiniert worden. ***) Vgl. W. Kapp, Grenzlandtragik im Elsaß, Elsaß-Lothringen (Heimatstimmen), 15. Juni 1926, S. 329. 4,b ) Hofmeister, Kaiserpolitik S. 30, fahrt verwandte Urteile an, so eines von AI. Cartellieri, wonach „nicht die auswärtige Politik der Staufer verfehlt war, . . . sondern die durch schwere Schicksalsschläge genährte innere Zwietracht der Deutschen ist daran schuld gewesen, daß" usw. Wir sollen uns also mit der Tatsache der „schweren Schicksalschläge" abfinden und beruhigen. Bis hat doch aber nachweislich die Kurie die innere Zwietracht genährt, die italienische Politik mit ihren Zugeständnissen an die Forsten sie gefördert, anderseits das durch die Italienpolitik geförderte Selbständigkeitsstreben der Forsten die Kurie im Kampf gegen das Königtum ermuntert und unterstatzt. Dies auch gegen die Bemerkungen von Hofmeister S. 30. 4IC ) Hans Hirsch, Die hohe Gerichtsbarkeit im deutschen Mittelalter S. 236: „Ohne die Mittelstellung des Landesherrn wären die großen Aufgaben, die die Kolonisation des Ostens dem gesamten deutschen Volk stellte, gar nicht durchfahrbar gewesen." Es sei hier doch nebenbei angemerkt, daß die Landesherren als solche die Kolonisation nicht besorgt haben. Die Kolonisation (Anlage neuer Ortschaften) war Privatunternehmen der Grundherren. Vgl. H. F. Schmidt, Zeitschr. f. slawische Philologie II, S. 155 f. (Nebenbei bemerkt, liegt hierin eine Bestätigung meiner Auffassung, daß im Mittelalter die Gemeinde nicht Glied des Staates ist.) Die Leistung der deutschen Landesherren für die Kolonisation war aberwiegend die Fernhaltung fremder Herrschaft von den deutschen Grenzen, die Herstellung des deutschen Übergewichts an ihnen, zum Teil die Hinausschiebung des deutschen Gebietes. Diese politische Arbeit hätte aber auch und zweifellos erfolgreicher das Königtum tun können (falls es nicht durch Italien gefesselt gewesen wäre). M ) Man wird sogar nicht umhin können, Giesebrecht insofern einen Vorzug vor Hampe zuzugestehen, als seine Sympathie für die italienische Kaiserpolitik mehr auf einer greifbaren politischen Idee ruhte. Als Konservativer dachte er gut preußisch, wollte aber eben als solcher einen Konflikt mit Österreich, wenn es nicht anders sein mußte, vermeiden; so empfand er keine Abneigung gegen die deutsche Italienpolitik des Mittelalters (während Sybel von der entschiedenen Stellung gegen das damalige Osterreich aus energisch die Italienpolitik ablehnte). Hinter Hampes Verteidigung der Kaiserpolitik dagegen scheint der Hintergrund einer solchen politischen Ratio nicht zu stehen, sondern neben der vagen Verehrung der Machtstellung der Kaiser in Italien, die er mit Giesebrecht teilt, nur die oben geschilderte positivistische Anschauung. Unrichtig ist es, Giesebrecht und Ficker in ihrer Auffassung gleichzusetzen, wie es gelegentlich geschieht. " ) Vgl. hierzu die obige Äußerung Schäfers. sl ) Auch hierzu vgl. die Worte Schäfers. " * ) Hans Hirsch, Kaiserurkunde und Kaisergeschichte, Mitteilungen des Instituts 1914, S. 87: „Die Politik der deutschen Kaiser ist universal und muß daher nicht allein mit nationalen (also auch mit solchen!), sondern auch mit universellen Werten gemessen werden." Im obigen Sinn stimmen wir Hirsch hier zu. E r spricht sich übrigens a. a. O., S. 87, oben ungefähr in meinem Sinn aus. — Wenn wir die Rechtfertigung des Kaisertums darin sehen, daß es das Papsttum auf einen höheren Stand gehoben hat, so behaupten wir damit natürlich nicht, daß derjenige Papst, dessen Ruf den äußeren Anstoß zur Erneuerung des Kaisertums durch Otto gegeben hat, ein Kaisertum in jenem hohen Sinn sich gewünscht hat. Bresslau, Art. Otto I., Allg. d. Biogr. 24, S. 591, betont, daß Otto den Papst Johann nicht aus sittlicher Entrüstung bestraft hat, und in seinen „Aufgaben mittelalterlicher Quellenforschung" (1904) S. 1 9 ! , daß, wie die Motive zu Ottos Zug nach Italien politische waren, so auch die Ursache seines Zwists mit dem Papst in politischen Verhältnissen gesucht werden muß. L. v. Ranke, Weltgeschichte VI, 2, S. 214, sagt über das Motiv der Erneuerung des Kaisertums durch Otto I . : „Sollte die ruchlose Ausübung der päpstlichen Gewalt, die jetzt in Rom stattfand, von diesem neuen Großkönigtum unbeachtet gelassen werden ? Die enge Verbindung des hohen Klerus in Deutschland mit dem römischen Stuhle und dessen Beziehungen zu den europäischen Mächten überhaupt machten es undenkbar." S. 2 1 5 : „Hauptsächlich in diesem Sinne betrachtete die intimste Umgebung Ottos das Unternehmen." Die Annahme dieses Motivs ist interessant; aber das Motiv ist nicht nachweisbar. „Die enge Verbindung des hohen Klerus in Deutschland mit dem römischen Stuhle und dessen Beziehungen zu den europäischen Mächten überhaupt" — das sind Vorstellungen, wie sie etwa erst seit der Mitte des 1 1 . Jahrhunderts an gelten. Ranke widerlegt sich selbst schon durch das, was er S. 223 sagt. Die Annahme, daß Otto um



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der Beherrschung der deutschen Bischöfe willen die Verfügung über das Papsttum erstrebt habe, paßt, -wie immer wieder geltend zu machen bleibt, nicht in die damaligen Verhältnisse hinein. — M. Ritter in einem Brief an mich von 1922 (s. meine „Geschichtschreibung" 2. Aufl., S. 198), indem er sich zur Frage der italienischen Kaiserpolitik äußert: „Als Schutzherr des Papsttums hat die deutsche Monarchie ihre eigene Kraft fflr ein ideales menschliches Ziel zum Opfer gebracht." " ) Über die ganze Frage der Stellung des Kaisertums im Dienst der kirchlichen Idee s. ausführlich meinen „MA. Staat" und meine „Reichspolitik einst und jetzt" S. 26 ff. Über spätere Verdienste des Kaisertums um das Papsttum vgl. u. a. Lenel, H. Z. 128, S. 245. So seltsam es klingt, die Abhaltung des dritten lateranischen Konzils, einer der bedeutungsvollsten kirchlichen Versammlungen, ist dem Papst Alexander III. nur durch den königlichen Kanzler Christian von Mainz, einen — so dürfen wir sagen — kaiserlichen Diplomaten und Feldherrn, ermöglicht worden. Auch weiterhin hat der kaiserliche Feldherr den Papst gegen die Römer geschützt. st *) Nicht bloß auf spezifisch kirchlichem Gebiet. So ernennen die Päpste Notare seit dem Investiturstreit nicht nur für den Bezirk der römischen Kirchenprovinz, sondern für die ganze Christenheit, wie vorher nur die Kaiser. i,b ) Siehe darüber meinen „Deutschen Staat des Mittelalters". *>0) Noch ganz neuerdings, H. Z. 134, S. 203, sagt Hampe: über Motive der Erneuerung des Imperiums durch Otto I., u. a.: „das Interesse Ottos, die höchste kirchliche Autorität schon im Hinblick auf den für den Staat unentbehrlichen deutschen Episkopat, der von ihr abhing, nicht unter fremden Einfluß geraten zu lassen". Dies klingt so, als ob es sich um die Zeit des avignonschen Exils handelte I — Einiges Verfassungsgeschichtliche, was zur Kaiserzeit gehört, bringt Hellmann S. 134 f., aber mit mehreren Unrichtigkeiten bzw. Ungenauigkeiten. *') E s sei an Niebuhrs Äußerungen darüber erinnert, wie nutzlos jede Ereigniswissenschaft sei, wenn sie nicht auf dem festen Untergrund der Erkenntnis des Zuständlichen aufbaue, wie sehr die politische Geschichte der klaren Vorstellungen über die Verfassung und die gesellschaftlichen Zustände bedürfe. Vgl. die Briefe B . G. Niebuhrs, hrs. von D. Gerhard und W. Norvin, Bd. 1, S. X X I I I , X X X I I I , LIV. " ) Ein inhaltreiches Beispiel dafür: G. Weise, Spanische Plastik aus sieben Jahrhunderten, Bd. II, S. 192f.

II. Der Aufschwung, den das deutsche Königtum mit dem Regierungsantritt Heinrichs I. nahm, beruhte auf zwei Dingen. Erstens besaß Heinrich ein starkes Stammesherzogtum, während sein Vorgänger Konrad I. nur eine herzogliche Gewalt besessen hatte, die im Gebiet ihres Stammesgebiets nicht ohne Nebenbuhler gewesen und zur Vorherrschaft erst unter Kämpfen gelangt war. Zweitens wußte sich Heinrich mit der Macht gut zu stellen, mit der sein Vorgänger gerungen hatte, dem Stammesherzogtum. Konrad hatte es in den verschiedenen Stammesgebieten niederwerfen wollen. Heinrich erkannte, daß die Mittel des Königtums, die ihm zur Verfügung standen, zu gering seien, um eine rein königliche Regierung im ganzen Reich herzustellen. Er paktierte deshalb mit den Stammesherzogen, gegen die sein Vorgänger einen vergeblichen Kampf geführt hatte. Er fügte die von Konrad als usurpatorische Gewalt betrachtete Einrichtung des Stammesherzogtums der Reichsverfassung ein, indem er die Stammesherzoge mit ihrem Herzogtum belehnte, dem bayerischen Herzog noch ein besonderes Zugeständnis machte. Und dies Verfahren erwies sich als erfolgreich. Heinrich I. gewann durch sein gutes oder leidliches Verhältnis zu den Stammesherzogen eine Herrschaftsstellung, wie sein Vorgänger sie nicht gehabt hatte. Und sein Nachfolger konnte das Zugeständnis, das Heinrich dem bayerischen Stammesherzog gemacht hatte, die Investitur der bayerischen Bischöfe, zurücknehmen. Wenn Otto I. mit den Herzogen noch einen harten Kampf zu führen gehabt hat, so ging er doch aus ihm als Sieger hervor, worin sich die guten Folgen der Politik seines Vaters bekunden. Es hatte sich bewährt, zunächst einmal mit den Stammesherzogen zu paktieren. Hinterher konnte der König, im Besitz eines eigenen starken Herzogtums, dann auch einmal erfolgreich den Stammesherzogen gegenübertreten. In der Mitte des 10. Jahrhunderts steht das deutsche Königtum wahrhaft angesehen da, im Innern wie nach außen hin. Das politische System, das es im Innern beobachtet, ist folgendes. Das Stammesherzogtum als solches bleibt anerkannt; nur in



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Franken erlischt es. Aber der König sucht es zu beherrschen, indem er die Herzogtümer in die Hand von Verwandten oder gar in die eigene Hand zu bringen sich bemüht. Ferner schafft Otto dem Herzog in seinem Herzogtum ein Gegengewicht durch die Einsetzung der Pfalzgrafen. Es handelt sich freilich nur um eine Hypothese, wenn wir von der Begründung der Pfalzgrafschaften durch Otto I. sprechen. Die Hypothese stützt sich indessen auf die bemerkenswerte Tatsache, daß Pfalzgrafschaften erst seit Otto vorkommen und daß sie sich in allen herzoglichen Gebieten mit Ausnahme von Franken, wo ja das Herzogtum zu Ottos Zeiten erlosch, finden (der später im Fränkischen sitzende Pfalzgraf bei Rhein ist ursprünglich lothringischer Pfalzgraf). Die Pfalzgrafschaften haben zweifellos dazu beigetragen, die Vorherrschaft des alten Stammesherzogs in den betreffenden herzoglichen Gebieten zu mindern, einfach schon deshalb, weil durch sie die Vielheit der Gewalten vermehrt wurde. In Bayern hat schließlich der Pfalzgraf geholfen, dem alten Stammesherzog den Garaus zu machen. Zu diesem System der Politik gegenüber den Herzogen tritt die Beherrschung der deutschen hohen Geistlichkeit. Konrad I. hatte im Bund mit ihr jene niederzuwerfen sich bemüht. Die sächsischen Könige mieden, wie schon bemerkt, eine so schroffe Stellung gegen das Herzogtum. Aber sie traten auch nicht etwa in Gegensatz gegen die hohe Geistlichkeit. Sie zogen sie vielmehr zu sich heran und in ihren Dienst. Sie beherrschten sie, indem sie die Bischöfe und Reichsäbte im wesentlichen ernannten, von ihrem Besitz bedeutende Leistungen für das Reich verlangten und sie beinahe wie Beamte des Reichs verwandten. Sie begünstigten sie andererseits, indem sie die Bistümer und Reichsklöster mit Grundbesitz und staatlichen Rechten, bis zur Übertragimg ganzer Grafschaften, ausstatteten. Diese oft technisch als „ottonische Politik" bezeichnete Praxis wurde beobachtet, um dem König ein Gegengewicht nicht bloß gegen die Herzoge zu verschaffen. Nicht weniger hatte er die Inhaber der Grafenämter im Auge. Seitdem diese Lehen und gar erbliche Lehen geworden waren, standen sie ihm nicht mehr wie Ämter zur Verfügung. Indem er dagegen gräfliche Rechte oder gar ganze Grafenämter an die Kirchen brachte, deren Vorsteher er ernannte, gewann er in entsprechendem Maß die wichtigsten Reichsämter wieder gewissermaßen zu eigener Verfügung zurück, schuf er sich in diesen Bischöfen und Reichsäbten eine Art neuen Beamtentums.



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Diese Politik setzt unter Heinrich I. ein (Anfänge lassen sich sogar noch früher gelegentlich entdecken) und wird unter den folgenden Herrschern zunehmend weiter verfolgt. In einer neueren Arbeit wird freilich diese innerdeutsche Politik ganz unmittelbar auf die italienische Politik Ottos I., auf die durch ihn mit Italien angeknüpften Beziehungen zurückgeführt. Diesen an sich interessanten Versuch unternimmt F. Seelig, ein Schüler D. Schäfers, in seiner Berliner Dissertation „Verleihungen Ottos I. an Bistümer und Klöster und deren Zusammenhang mit der Politik des Königs und Kaisers" (1919). „In der kurzen Zeit seines italienischen Aufenthaltes von Ende September 951 bis Mitte Februar 952 hat Otto in zehn von elf überhaupt ausgestellten Urkunden die Geistlichkeit mit Schenkungen bedacht. Diese Tatsache zwingt uns zu der Annahme, daß es im wesentlichen Geistliche waren, die sich hier um ihn scharten und ihm ihre Dienste anboten . . . Hier zum ersten Male kam Otto der Gedanke bzw. wurde ihm von jener Seite insinuiert, die Geistlichkeit durch Gnadenerweise stärker an sich zu fesseln, um sie so besser für den Dienst des Reichs heranziehen zu können" (S. 7). Der Ludolfsche Aufstand zeigte ihm dann deutlich, wie notwendig es war, die 951 in Italien vorsichtig begonnene Politik der Stützung auf die Geistlichkeit energischer zur Durchführung zu bringen. Er hatte bis dahin das System beobachtet, alle Herzogtümer an Verwandte seines Hauses zu bringen. „Nun mußte er die bittere Enttäuschung erleben, daß gerade diese, scheinbar festeste Stütze seines Thrones sich als morsch erwies." Jetzt lenkt er darum noch entschiedener in den neuen Kurs der Verbindung mit der Geistlichkeit ein. Einen urkundlichen Beleg für seine These sieht Seelig in den entsprechenden Verleihungen an Kirchen (S. 9): bis zu Ottos erstem Zug nach Italien (August 951) liegen bei weitem nicht so viel Verleihungen und Bestätigungen zugunsten von Bistümern und Klöstern vor wie für die Zeit von 951 bis zu seinem Tode. Um aber an den Bischöfen starke und wahrhaft leistungsfähige Stützen des Königtums zu haben, stattete Otto sie mit staatlichen Rechten aus (S. 14). Noch mehr sorgte er für die Klöster (S. 15 ff.). Die jetzt vorhandene engere Verbindung zwischen dem König und der Geistlichkeit tritt in dem Verhältnis der Interventionen hervor (S. 18): bis August 951 überwiegen durchaus die weltlichen Intervenienten, seitdem die geistlichen. „Dies stimmt genau zu dem von uns dargelegten Umschwung in Ottos Politik." Und „dieser Politik entsprach es, wenn Otto den Bitten des Papstes und anderer



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geistlicher Würdenträger nachgab und 961 den Römerzug unternahm" (S. 19). Diese Auffassung Seeligs ist doch einigen Einschränkungen zu unterwerfen. Zunächst darf man aus der großen Zahl der in der kurzen Zeit von 951/52 ausgestellten Urkunden nicht zu viel folgern. Otto kommt nach Italien, und sofort drängen sich die Kirchenvorsteher, die mehr oder weniger von Berengar bedroht gewesen waren, an ihn heran; er brauchte hier auf eigenen bisherigen Besitz nicht zu verzichten, wenn er ihnen Urkunden ausstellte. Was sodann das zahlenmäßige Verhältnis der Verleihungen und Befestigungen von 936—951 zu dem von 951—973 betrifft, so ist erstens jener Zeitraum der kürzere. Zweitens hatte Otto in den ersten Jahren seiner Regierung im Innern soviel zu kämpfen, daß auch daraus eine geringere Zahl von Verleihungen und Bestätigungen verständlich werden könnte. Drittens kommt von 951 an Italien hinzu: Natürlich wuchs die Zahl der Verbriefungen! Man beachte auch die Steigerung der Verbriefungen seit 952 für das eine Magdeburg allein (S. 34ff.). Wir sehen in Ottos Politik nur eine allmähliche Zunahme der Stützung auf die Geistlichkeit. Sein Vater Heinrich hatte, um nicht die anderen Stammesherzoge zu verschnupfen, den Schein des engeren Bündnisses mit der hohen Geistlichkeit meiden müssen. Otto brauchte von seinem Regierungsantritt an solche Rücksichten nicht mehr zu nehmen bzw. nahm sie nicht. Wir finden weiterhin einen, wie bemerkt, allmählichen Fortschritt in der Verbindung mit der Geistlichkeit. Die scheinbar überraschend große Zahl der Verbriefungen von 951/52 ist wesentlich Zufall. Daß aber die Verbriefungen für Kirchen und die Interventionen von Geistlichen fortschreitend zunehmen, ist ein einfacher Ausdruck der Tatsache, daß Otto der weltlichen Fürsten allmählich Herr zu werden sich bemüht, was zum großen Teil dadurch geschieht, daß er Hoheitsrechte an Kirchen zu bringen sucht. Den Anfang damit macht er keineswegs: schon vor ihm haben wir Nachrichten über die Übertragung von gräflichen Rechten an Kirchen (Seelig, S. 14). Die einmal vorhandene Tendenz verstärkt sich nur fortschreitend. Es trifft auch nicht zu, daß Otto seit dem Ludolfschen Aufstand seinen Grundsatz, die Herzogtümer an Verwandte zu bringen, aufgibt. Soweit es möglich war (es standen ihm Prinzen der eigenen Familie in genügender Zahl „einfach nicht mehr zur Verfügung"), hat er weiterhin die verwandtschaftliche Bindung nicht verschmäht (Hampe, Otto der Große, S. 465). Höchstens, daß er



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eigene Verwandtschaft und Stammesangehörigkeit zu vereinigen suchte. Man darf sogar behaupten, daß Otto das Prinzip der Verwandtenbevorzugung, das er in seiner Herzogtumspolitik vor 951 begründet hatte, jetzt auch auf das Verhältnis zur hohen Geistlichkeit übertrug (vgl. die Beispiele bei Seelig (S. 12) selbst). Gegen Seeligs Auffassung richtet sich wohl Hampes Satz (Otto der Große, S. 466): „Man darf hier, d. h. bei der spezifischen ottonischen Bistumspolitik wohl nicht an einen überlegten Plan denken, der zu einer bestimmten Zeit in Ottos Kopf erwachsen sei; er ging da mit dem allgemeinen Zuge der Entwicklung." Schließlich sei zu der Behauptung, daß Ottos Kaiserpolitik eine konsequente Folge seiner inneren Politik gewesen sei und sein Romzug (also auch der Erwerb der Kaiserkrone?) einfach „den Bitten des Papstes und anderer geistlicher Würdenträger" entsprungen sei, bemerkt, daß hier doch das selbständige Wollen Ottos (mag es auf Tradition, Pflichtgefühl oder Ehrgeiz sich gründen) zu sehr außer acht gelassen wird. Übrigens würde, wenn er einfach den Bitten des Papstes usw. gefolgt wäre, damit die übliche Theorie von der Begründung des Kaisertums um der Beherrschung des Papsttums willen mit dem Zweck der Beherrschung der deutschen Bischöfe nicht gut vereinbar sein.1) Indem wir die Seeligsche These von der Herkunft der wertvollen innerdeutschen Politik der Ottonen aus den italienischen Beziehungen ablehnen, heben wir vielmehr hervor, daß das deutsche Haus von Otto I., soweit es die Verhältnisse zuließen, trefflich gebaut war, ehe die Beziehungen zu Italien angeknüpft wurden. Wir haben uns ja früher eingehend darüber geäußert, daß Otto unabhängig von dem Besitz von Italien eine große Stellung gewonnen hatte. Gerade weil er sie schon besaß, sah er sich in den Stand gesetzt, die Hand auf Italien zu legen und die Kaiserkrone zu erwerben; ein Weg der Politik, den wir freilich als unglücklich bezeichnen mußten. Durch die italienische Politik wurde Otto, wurde das Königtum überhaupt verhindert, den Bau des deutschen Hauses weiter zu befestigen, die schönen Anfänge der Kräftigung des deutschen Staats entsprechend weiterzuführen. Als Argumente für diese unsere Auffassung machen wir hier nur drei Tatsachen geltend. Es läßt erstens sich nicht erkennen, daß der König die in Italien errungene Macht, soweit man von einer solchen überhaupt sprechen darf, irgendwie zur Verstärkimg seiner deutschen Stellung hat verwerten können. Zweitens fehlt dem politischen System, auf das sich Otto stützte, so gut es für den Anfang war, der feste verfassungsmäßige Bau;



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es ist nur ein rein tatsächliches Verhältnis; immer fragt es sich, ob es gelingt, die Herzogtümer in die Hand von Verwandten zu bringen oder in ihr zu halten, und auch, ob die Verwandten sich dem königlichen Willen fügen. In jedem Augenblick kann das Herzogtum dem König gegenüber auch eine feindliche Stellung einnehmen. Ebenso fehlte der Herrschaft über die Prälatur die verfassungsmäßige Festlegung; auch hier liegt nur ein tatsächliches Verhältnis vor. Drittens sind die Könige seit Otto I. nicht über den von ihm erreichten nur labilen Stand der Dinge hinausgekommen, nicht über die bloß tatsächliche Beherrschung der Herzogtümer, und entsprechend taucht immer wieder die herzogliche Opposition auf. Unter Heinrich III., dessen Regierung man als den Höhepunkt des mittelalterlichen Reichs ansieht, begegnet uns kein anderes politisches System als das Ottos I. Zweifellos aber haben wir den Umstand, daß Otto I. und so echte Herrschernaturen wie die Salier Konrad II. und Heinrich III. nicht über das System Ottos hinauszukommen, die Verfassimg nicht fester zu unterbauen vermochten, auf den zu starken Verbrauch der deutschen Kräfte für die italienischen Angelegenheiten zurückzuführen. Die Verteidiger der italienischen Politik der mittelalterlichen Kaiser machen, wovon wir schon sprachen, geltend, die Lenkung der deutschen Kräfte nach dem Süden hin sei deshalb berechtigt, weil ein Uberschuß von politischer Kraft in Deutschland vorhanden, für ihn aber hier keine rechte Verwendung zu finden gewesen sei. Wir sehen im Gegenteil, daß die inneren Verhältnisse Deutschlands geradezu einen großen Krafteinsatz zugunsten der Befestigung der königlichen Stellung forderten. Der König stellte indessen seine Macht dafür nicht zur Verfügung, weil sie durch seine italienische Politik beansprucht wurde. Wir erinnern auch daran, daß der innere Aufstand, mit dem Otto unmittelbar nach der Erwerbung Italiens zu kämpfen hatte, schon mit eben diesem Erwerb zusammenhing, insofern der Sohn seine italienischen Pläne durch den Vater durchkreuzt sah. Es steht also nicht so, daß der Erwerb Italiens um der Sache Deutschlands willen notwendig war; er brachte vielmehr Deutschland von vornherein Unruhe. Auch ein Verteidiger der italienischen Politik Ottos I. hat bemerkt: „Für Deutschland war es sicherlich kein unbedingter Gewinn, daß sein Herrscher von den zwölf letzten Jahren seines Lebens nahezu zehn auf dem italienischen Boden fern von der Heimat zubrachte, wenn dort auch die Dinge ohne ernstlichere



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Störung weiterliefen" (Hampe, Otto der Große, S. 478). Man darf dies Verhältnis typisch nennen und typisch auch den Umstand, daß Otto gerade in dieser Zeit, in der er angeblich den Papst beherrschte, von ihm (Johann XIII.) Widerspruch in seinen ostdeutschen Kirchenplänen erfuhr 1 1 ; während vor dem Erwerb Italiens der Papst seinen Wünschen entgegenkam. Wenn wir nicht behaupten wollen, daß jener Papst widersprach, weil Otto sich inzwischen zum Herrn von Rom gemacht hatte, so sieht man doch, daß die Herstellung der Herrschaft über Rom ihren angeblichen Zweck nicht erreicht hat. Hat ein späterer Papst sich nachgiebiger gezeigt, so ergibt sich immerhin, daß der Besitz der Kaiserkrone bzw. die sog. Beherrschung des Papsttums nicht entscheidend war: unter der gleichen Herrschaft Ottos I. stellte sich der eine Papst so, der andere anders. Bemerkt sei noch, daß Otto I. den Widerstand deutscher Bischöfe gegen seine Ostpolitik ohne Mitwirkung des Papstes hat überwinden können2); für die Verfügung über seine Bischöfe hatte er also auch in dieser Hinsicht die Beherrschung des Papsttums nicht nötig. Die Ostpolitik Ottos I. beweist, daß die Möglichkeit einer fruchtbaren Tätigkeit des deutschen Königtums im Osten zu seiner Zeit durchaus vorhanden war. Otto hätte sich ohne die italienische Politik (die ihm, wie bemerkt, die rechte Beherrschung des Papsttums doch nicht einbrachte) weit erfolgreicher im Osten betätigen können. Die schwächere Regierung seines Nachfolgers, die in ihrer Schwäche durch die italienische Politik bedingt war, ist hinter der Ostpolitik Ottos I. dann noch zurückgeblieben. Während wir jenen Fall als typisch für die UnVollständigkeit des Erfolgs der ottonischen Politik ansehen, nennt Haller (das altdeutsche Kaisertum, S. 32) es ein Sinnbild für den Erfolg der den größten Teil des christlichen Abendlandes umfassenden Politik Ottos, daß die Gebeine des Kaisers, der dem Westen und Süden geboten hatte, in Magdeburg ruhen, von wo aus deutsches Volkstum und christliche Gesinnung weit nach Osten hin vorgedrungen sind. Wir begnügen uns, demgegenüber hier nur noch3) darauf hinzuweisen, daß Haller sich genötigt sieht, in der Überschrift des den unmittelbaren Nachfolgern Ottos gewidmeten Kapitels anzudeuten, daß sofort der „Niedergang" eintrat. In der Tat liefert schon die Geschichte Ottos II. den greifbarsten Beweis für die Unzweckmäßigkeit der italienischen Kaiserpolitik.4) Im Innern gab es mehrere Jahre hintereinander

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nach der Thronbesteigung des neuen Herrschers Unruhen. Der französische König fiel in Deutschland ein. Wenn wir diese Dinge nicht unmittelbar der Italienpolitik schuld geben, so beweisen sie doch, daß der deutsche Boden, was ihre Verteidiger immer bestreiten wollen, die Kräfte des Königtums wahrlich reichlich nötig hatte und daß keine Befestigung in den deutschen Verhältnissen durch die neue Politik Ottos I. bewirkt worden war. Was aber die Beziehungen Ottos II. zu Italien betrifft, so war es Unteritalien, um dessentwillen er hauptsächlich nach Süden zog. „Wenn er seine Würde behaupten wollte" — sagt uns Haller —, so mußte er hier eingreifen. Das, was sonst zur Rechtfertigung der Italienpolitik vorgebracht wird, verschiebt sich, falls es zutrifft, daß das Eingreifen des Kaisers in Unteritalien sich als Notwendigkeit darstellt. Dieser Feldzug, „wohl die größte kriegerische Anstrengung, die das deutsche Kaisertum bisher gemacht hatte" (so Haller), endigte — „als vernichtende Niederlage der Deutschen". Nur mit Mühe entging Otto der Gefangenschaft. „Er würde sonst wohl in Konstantinopel als Staatsgefangener sein Leben geendet haben." Weiter aber machte sich die italienische Politik des Königs sofort im Nordosten aufs schädlichste geltend. „Die Entblößung Sachsens von Streitkräften für den Feldzug in Unteritalien (machte) den unterworfenen Nachbarn Mut, sich gegen das Reich aufzulehnen und zum Angriff zu schreiten." Dänen und Slawen erhoben sich und machten das rückgängig, was unter Otto I. hier zustande gekommen war. Italienpolitik und ostdeutsche Missionspolitik erwiesen sich nicht als Einheit 5 ), sondern als Gegensätze in dem Sinn, daß der König nur die eine von den beiden treiben könnte. Der Tod Ottos II. und der Kampf um die Regentschaft verstärkten dann noch das Elend. „Das Werk Ottos des Großen war zerstört." So urteilt Haller, der diesen „den Begründer der deutschen Kolonisation" nennt, während die von Otto inaugurierte Italienpolitik doch den Fall der ostdeutschen Bemühungen zur Folge hatte. Bei der Regierung Ottos III. ist es zunächst lehrreich zu beobachten, wie dieser Herrscher, der kaum eine besondere Hegemoniestellung im Abendland einnahm, doch über Rom und den päpstlichen Stuhl zu gebieten vermochte. Gewiß: er hat Päpste eingesetzt, interessante Päpste, durch deren Einsetzung er sich um das Papsttum verdient gemacht hat. Bedeutet aber diese seine Beherrschung Italiens oder Roms eine abendländische Hegemoniestellung? Man ließ ihn Päpste einsetzen; die euroBeih. d. H. Z. 10.

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päischen Mächte ließen Um gewähren, weil das für sie nichts oder kaum etwas besagte; man hatte keinen Anlaß, sich darum zu kümmern. In Italien standen sich in jenen Zeiten in den verschiedenen Landschaften und Orten regelmäßig zwei Parteien gegenüber mit annähernd gleicher Macht. Das Eingreifen einer dritten, noch nicht sonderlich starken Gewalt genügt, um der einen von jenen beiden das Ubergewicht und damit unter Umständen dieser dritten die Herrschaft zu verschaffen. Auf diesem Wege hat der deutsche König — wie vor Otto auch mancher kleinere Fürst — wiederholt das Ubergewicht in Italien gewinnen können, ohne selbst über eine besondere Macht zu verfügen. Wir führen diese Tatsache, an die uns gerade auch die Geschichte Ottos I I I . erinnert, an, um darzutun, wie wenig eine Vorherrschaft in Italien etwas für eine allgemeinere abendländische Hegemoniestellung beweist. Natürlich lag es in den Verhältnissen, daß jenes leicht gewonnene Verhältnis nie von langer Dauer war: eine kleine Umgruppierung der Parteien konnte die Vorherrschaft bald zu Fall bringen. Auch das hat Otto III. und nicht bloß er erfahren. Nur ganz kurz sei darauf hingewiesen, daß Otto III. — was aus der Tradition der italienischen Politik stammte — sich als Grieche und Römer fühlte, aber dafür weder bei Griechen noch Römern das mindeste Verständnis fand. Wiederum können wir Worte Hallers, durchaus in unserem Sinn, zitieren: „Es war ein Unding, nach Rom den Schwerpunkt des Reichs zu verlegen, dessen Macht in Deutschland ruhte. Darum mußte Otto scheitern, und mit ihm versank für Jahre auch das deutsche Kaisertum". Nicht ganz jedoch stimmen wir Haller bei, wenn er sagt: „Die Regierungsweise Ottos III. hatte Königtum und Kaisertum schwer geschädigt". Die italienische Politik an sich trug doch auch Schuld. Es war ja kein Verstoß gegen den Gedanken des Kaisertums, wenn ein Herrscher den Schwerpunkt seiner Regierung nach Rom verlegte; es konnte sogar als seine folgerichtige Anwendung gelten.6*) Otto wollte die römischkirchliche Idee verwirklichen. Niemand kann freilich zwei Herren dienen. Wenn Otto Schutzherr der Kirche sein, Italien befrieden8) und gar die Verhältnisse der gesamten Christenheit ordnen sollte, so war gewiß Rom eher sein Platz als Deutschland; dann mußte indessen dieses vernachlässigt werden. Haller tadelt Ottos „Gleichgültigkeit gegen rein deutsche Bedürfnisse" in ihrer Wirkung auf den Osten. Wir wissen sie zu würdigen, da Otto im Osten wie in anderen Gegenden nur



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Verhältnisse der gesamten Christenheit, nicht Verhältnisse eines besonderen Staats, etwa des deutschen, sieht. Heinrich II. hat das besondere Verdienst, daß er das beim Tod Ottos III. auseinanderfallende Reich wieder zusammenleimte. Im übrigen nahmen ihn hauptsächlich zwei Ziele in Anspruch: die italienische Frage und die Auseinandersetzimg mit Polen. Es läßt sich aber mit Händen greifen, wie beide Dinge gegeneinander kämpfen, wie Heinrich seinen Kampf gegen Polen unvollständig führt, vorzeitig abbricht, weil Italien ihn wiederholt fesselt. Gegen Polen mußte er vorgehen, da der Herrscher des polnischen Großreichs deutsches Gebiet an sich gerissen hatte. Es erregte Unwillen, daß Heinrich sich im polnischen Krieg der Bundesgenossenschaft heidnischer Slawen bediente, und es wird noch heute, vom rein technisch-politischen Standpunkt aus, darüber debattiert 7 ), ob dieses Bündnis zu schließen zweckmäßig war. Für uns ist es hierbei wiederum lehrreich zu sehen, daß Deutschland seine Kräfte dringend daheim brauchte, daß der deutsche Herrscher, wenn er seine deutschen Aufgaben erfüllen wollte, mit den eigenen Kräften noch nicht ausreichte, sondern selbst unbequeme Unterstützimg nicht verschmähen durfte. Erwähnung verdient es noch, daß Heinrichs italienische Kämpfe zum Teil wieder unteritalienische gewesen sind und natürlich Kämpfe ohne irgendein bleibendes Resultat. Heinrich, der heilig gesprochene, hat mit ernstem kirchlichen Eifer festes staatliches Wollen vereinigt. Er verfügte über Bistümer und Klöster höchst energisch, durch Ernennung der Vorsteher und umfassende Heranziehung ihrer Güter für Reichszwecke. Er beförderte die Bestrebungen der Klosterreform und verband damit die wirtschaftliche Schröpfung der Klöster.8) Wieviel hätte diese nachdrückliche Regierung für das Reich bedeutet, wenn nicht auch sie durch die italienische Politik gefesselt gewesen wäre! Wie aber Heinrich während seiner Regierung durch seine zwiespältigen Ziele an der glücklichen Verwertung seiner Energie gehindert wurde, so ist auch das, was er erreicht hat, schließlich doch nicht dauernder Besitz des Reichs geblieben. Die kirchlichen Aufzeichnungen schildern ihn mehrfach als habgierig. Das war er nicht; er war nur ein Eiferer für das Reich. Allein wir empfinden heute den bitteren Schmerz, daß Heinrich die Kirchen — auf die schließliche Wirkimg seiner Maßnahmen gesehen — umsonst geschröpft hat. Die Verwendung für die italienischen Feldzüge geschah schon zu seiner Zeit ohne erhebliches Resultat, und die von Heinrich herbeigeführte VerB*



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mehrung der Reichsrechte und des Reichsbesitzes verschwand in ihren wesentlichen Bestandteilen später mit dem staufischen Reich überhaupt. Immerhin verehren wir Heinrich als einen der Könige, die uns zeigen, wie die Reichsgewalt verstärkt werden konnte und zeitweilig verstärkt worden ist. Die Geschichte Heinrichs II. legt es nahe, die persönliche Schuldfrage bei der italienischen Kaiserpolitik von neuem aufzuwerfen, wenn wir uns erinnern, daß damals, wie Thietmars Chronik beweist, kritische Stimmen über die italienischen Züge laut wurden. Trat an Heinrich die Frage nicht heran, ob es berechtigt und zweckmäßig sei, die deutschen Kräfte in Italien aufzubrauchen, wo in Deutschland die Störung des Friedens — Heinrich ist ja der erste König, der sich genötigt sah, regelrechte Landfrieden zu errichten — und die polnische Feindschaft ihn so dringend in Anspruch nahmen? Die Frage dürfte ihn doch wohl beschäftigt haben. Immerhin wird er es als Pflicht (als eine durch die Tradition bestimmte Pflicht) empfunden haben, auch in Italien einzugreifen, hier die deutsche Herrschaft leidlich zu wahren; vielleicht hat er auch persönlichen Ehrgeiz durch ein solches Pflichtbewußtsein gestärkt. Es war aber eine schlimme, eine objektiv sündhafte Pflicht, der er folgte. Trotz der Halbheit seiner Erfolge hat Heinrich II. doch, wie bemerkt, das Verdienst, das Reich nach dem Niedergang unter Otto III. wieder aufgerichtet zu haben. Die Wiederherstellung des Königtums durch ihn und der glückliche Gebrauch des ottonischen Systems ermöglichten es dann den Saliern Konrad II. und Heinrich III., eine imposante Stellung einzunehmen. Die ottonische Politik wurde in ihren beiden Bestandteilen fortgesetzt. Die Herzogtümer wurden mit Verwandten des königlichen Hauses besetzt, wenn der König sie nicht gar in eigener Hand behielt. Die Bischöfe und Reichsäbte wurden vom König wesentlich frei ernannt; dafür wandte er ihnen Hoheitsrechte zu. Nach wie vor hatte dies System freilich nur die Bedeutung eines tatsächlichen Verhältnisses; es gab dafür keine feste rechtliche Ordnung. Daher konnte das System auch leicht versagen. So hatte Heinrich II. mit den Brüdern seiner Gemahlin, denen er wichtige Stellungen verschafft hatte, trübe Erfahrungen gemacht. So ist die Macht seiner beiden Nachfolger nicht so fest, wie es äußerlich scheint; zum Teil nur scheinbar imposant. Großenteils standen sie bloß deshalb so hoch, weil sie keinen machtvollen Gegner hatten oder, wo ein solcher vorhanden war, mit ihm paktierten. Die vorhin erwähnte pol-



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nische Gefahr ist nicht durch einen kräftigen deutschen Schlag, sondern namentlich dadurch beseitigt worden, daß nach dem Tod des alten Herrschers Boleslaw der Staat inneren Wirren anheimfiel. Als alter Schmerz drückt den deutschen Historiker die Anerkennung der Eidergrenze gegenüber dem dänischen König Knut, dem wohl einzigen namhaften Nachbarn, mit dem Konrad es zu tun gehabt. Dies Zugeständnis war bei seiner Gesamtpolitik gewiß notwendig. Man denke sich indessen einen Herrscher, der nicht durch Italien in Anspruch genommen worden wäre und dafür im Norden seine Macht zum Ausdruck gebracht hätte! An Ungarn mußte Konrad einen Grenzstreifen abtreten. Gern verzeichnen wir, daß Konrad die durch Heinrich II. vorbereitete Angliederung Burgunds an das Deutsche Reich durchgeführt hat. Meistens wird als Vorzug dieses Erwerbs die durch ihn bewirkte Befestigung des i t a l i e n i s c h e n Besitzes gerühmt. Der Erwerb von Burgund wird geschätzt, weil er eine Brücke für den Weg nach Italien lieferte. W i r stellen in den Vordergrund, daß damit die zum Teil germanische Westschweiz, mit Basel, ans Reich kam.9) Haller vermutet, daß die Rücksicht auf die Herstellung einer guten Verbindung zwischen Deutschland und Italien auch die italienischen Fürsten, die Konrad bei der Eroberung Burgunds unterstützt hatten, zu dieser Unterstützung bestimmt habe. Wir vermögen nicht an ein so positives Interesse für die Verbindung auf italienischer Seite zu glauben. In Italien suchte eine Partei gegen die Herrschaft des deutschen Königs den König von Frankreich, dann den Herzog von Aquitanien in die dortigen Verhältnisse zu ziehen. Beide bekundeten keine Neigung dazu; ein deutlicher Beweis, wie sehr unsere Theoretiker fehlgehen, wenn sie den Satz aufstellen, der deutsche König habe die Hand auf Italien legen müssen, weil sonst Machthaber des Westens sich dort zu Herren gemacht hätten. Aus dem Eingreifen Konrads in Italien verdient es Beachtung, daß er im Kampf mit dem Erzbischof von Mailand dessen Lehnsleuten die Erblichkeit aller Lehen im Mannesstamm zusicherte und daß er den Kampf in Oberitalien unvollendet abbrechen mußte 10 ), weil er sich veranlaßt sah, sich nach Süditalien zu wenden. Man sieht, wie Italien auch schon für sich dem Kaiser zu viel Aufgaben stellte, so daß die eine die andere hinderte. Jenes Zugeständnis an die Mailänder Lehnleute war ein politisch richtiger Schachzug. In einem Staat mit festen Verhältnissen hätte ein solcher Akt zur Kräftigung der Zentralgewalt, weil zur Schwächung der fürstlichen Gewalt, beitragen



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können. In Italien wirkte die Verfügung nur momentan zugunsten des Kaisers, weil hier die deutsche Herrschaft sich nur sporadisch und sprungweise geltend machte. Haller (S. 60) schreibt Konrad die Absicht zu, „auf politischem Gebiet eine engere Verbindung der beiden Länder (Deutschland und Italien) zu erstreben" (Hampe, S. 14, hatte sich noch zurückhaltender ausgedrückt). Dies soll durch Anknüpfung von Familienverbindungen zwischen deutschen und italienischen Fürstenhäusern geschehen sein. Uns scheint aus den drei Beispielen, die dafür angeführt werden, kein politischer Plan erschlossen werden zu dürfen. Praktisch konnte die Herstellung jener FamilienVerbindungen nur die fürstliche Opposition stärken, und die zwei sehr bekannten Fälle (Beatrix von Lothringen — Bonifaz von Canossa-Toscana; Weif — Este) liefern ja auch Schulbeispiele dafür. Man weist darauf hin, daß unter Konrad eine bemerkenswerte Abnahme der Schenkungen von Reichsgut an die Kirche zu verzeichnen sei, und schließt daraus gewiß nicht mit Unrecht auf eine kühle Haltung des Königs gegenüber der Kirche. Um sein Verhalten verständlich zu machen, wird man ferner hervorheben, daß die Kirche schon so viel erhalten hatte, daß sie als gesättigt angesehen werden konnte. Wenn unter Heinrich IV. Kirchenfürsten sich noch mehr Besitz auf Kosten des Königtums verschaffen, so war das schon Extravaganz, Beraubung des Staats durch herrschende Stände, während die älteren Könige die Kirchen stärkten, weil sie damit den Staat gegen die Laienfürsten stärken wollten. Man wird aber aus den geringeren Vergabungen von Reichsgut an die Kirchen unter Konrad schwerlich den Schluß ziehen dürfen, daß er es mehr mit den Laienfürsten als mit den Pfaffenfürsten halten wollte. Denn es fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, daß wir eine Verbindung des Königs mit den Laienfürsten annehmen könnten101). Welthistorisch ist die Beherrschung des Papsttums durch die beiden ersten salischen Könige. Doch haben wir uns gegenwärtig zu halten, daß diese nur deshalb möglich und — wie wir hinzufügen — notwendig wurde, weil das Papsttum damals sittlich und nach seinen Machtverhältnissen zu einem Tiefstand herabgesunken war. Diese scheinbar großen Erfolge von Heinrichs III. Kirchenpolitik lenken zu seinen Gunsten den Blick ab von der unsicheren Lage seines Königtums im Innern Deutschlands. Mit dem Herzogtum gab es unter ihm Streit wie nur je. Unmittelbaren Tadel verdient es jedoch, daß Heinrich in seinen



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späteren Jahren, das ottonische System opfernd, drei heimgefallene Herzogtümer aus der Hand gab. Hampe rechtfertigt dies Verfahren mit den Worten (S. 27): „Bei dem weit ausgedehnten Pflichtenkreis (!) des Kaisers mochte ja eine unmittelbare Beherrschung dieser Herzogtümer schwer durchführbar sein". Wir sehen hier nicht eine Rechtfertigung, sondern Anlaß zu einer umfassenden Anklage: schlimm genug für ein politisches System, wenn der Pflichtenkreis der Regierung eine solche Ausdehnung hat, daß die allernächsten, grundlegenden Pflichten nicht wahrgenommen werden können! Wir könnten nur etwa eine Rechtfertigung der Person Heinrichs zugeben, indem wir dann jedoch das System der italienischen Politik um so stärker belasten müßten. Fügen wir noch hinzu, daß auch die Politik Heinrichs gegenüber Ungarn recht unglücklich auslief. Man hat Heinrich III. unendlich oft getadelt, weil er der kirchlichen Reformpartei Tor und Tür geöffnet und nicht beachtet habe, daß diese die Erhebung der Kirche erstrebte und damit der Unterjochung des Staats vorarbeitete. Hampe (S. 13) belegt schon Konrad II. mit einem entsprechenden Tadel. Der Erwerb Burgunds sei „in kultureller Hinsicht von hoher, aber freilich auch zweischneidiger Bedeutung" gewesen, da „die politische Angliederung dieser Hauptwirkungsstätten der kirchlichen Reformpartei deren Einfluß auf das Reich ungemein verstärken mußte. Für die Gefahren, die da in einer allerdings noch fernen Zukunft der Staatsgewalt drohten, war Konrad blind". Es ist unseres Erachtens etwas viel verlangt, von einem Herrscher der ersten Hälfte des 1 1 . Jahrhunderts, der sich vor die Möglichkeit gestellt sieht, ein großes Gebiet seinem Reich einzuverleiben, zu erwarten, es müßten in ihm gegen den Erwerb Bedenken aufsteigen, weil in dem zu erwerbenden Gebiet die kirchliche Reformpartei stark vertreten ist! Das hieße doch, spätere Gedanken in die Vergangenheit hineintragen (was man immer Sybel, mit Unrecht, vorgeworfen hat). Verweilen wir aber lediglich bei Heinrich III. und fragen wir, ob er Blindheit bewiesen habe, indem er sich der kirchlichen Reformbewegung mit ganzem Herzen zugänglich zeigte. Die kirchliche Reformbewegung war die große, die idealistische Bewegung der Zeit. Wir können sie uns nicht wegdenken. Sie birgt so viel in sich, woran wir auch heute noch hängen, wir Protestanten so gut wie die Katholiken. Soviel Schönes, was die spätere Zeit hervorgebracht hat, beruht auf ihr.10b) Ein großer Herrscher jener Zeit konnte sich unmöglich ablehnend gegen sie



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verhalten. Konrad II. tadeln wir nicht, weil er die Gefahren der Reformbewegung nicht gesehen hat, sondern weil er keinen Sinn für diese bekundet hat. Zu seinen Gunsten oder zu seiner Entschuldigung heben wir hervor, daß in seinen Regierungsiahren die Reformbewegung sich noch nicht so kräftig regte wie unter seinem Nachfolger. Diesem aber rechnen wir es als Ruhm an, daß er sich mit dem Gedankenkreis der Reform erfüllt und sie begünstigt und gefördert hat. Man stelle sich doch nur einmal vor, der um die Mitte des n . Jahrhunderts herrschende deutsche König hätte sich ablehnend gegen sie verhalten. Die Kaiserpolitik wäre dann am allerwenigsten zu rechtfertigen; denn ihr Gipfel und ihre beste Bewährung ist doch nun einmal die Reform der Kurie durch den reformbegeisterten Heinrich III. Es steht ja auch keineswegs so, daß Reformfreundlichkeit und staatliche Energie sich als Gegensätze ausschließen. Wir haben vorhin Heinrich II. als einen Herrscher kennengelernt, der beides energisch verband. Wir sind über das liberale Vorurteil hinaus, daß Frömmigkeit ein Hindernis der Politik sei. Vor allem aber erinnern wir daran, daß die Könige von Frankreich und England in den entscheidenden Jahren des n . Jahrhunderts reformfreundlich gewesen sind und daß in diesen Ländern der Staat im Kirchenkampf besser abgeschnitten hat als in Deutschland. Die Kurie vermochte gegen einen reformfreundlichen Herrscher auch nicht so schroff vorzugehen wie gegen einen Reformgegner. Setzen wir den Fall, der Investiturstreit wäre zu Heinrichs III. Zeit ausgebrochen, also das Investiturverbot erlassen worden. Zweifellos hätte die Kurie mehr Rücksicht auf ihn nehmen müssen, als sie nachher auf Heinrich IV. genommen hat. Es wäre ein Vorteil für Deutschland gewesen, wenn zur Zeit des Erlasses des Investiturverbots ein als Freund der Kirchenreform geschätzter König geherrscht hätte. Natürlich wäre es auch auf die Persönlichkeit des Herrschers angekommen. Von Heinrich III. dürfen wir annehmen, daß er die Persönlichkeit war, unentbehrliche Rechte des Staats zu wahren. Denn wenn er in einem Einzelfall vielleicht zu nachgiebig gewesen ist, so läßt die Beobachtung der Art, wie er die während seiner Regierang hervorgetretenen Streitfälle behandelt, doch eine von ihm eingenommene feste Haltung erkennen. Wir fügen hinzu, daß er auch in seinen Zuwendungen an die Kirche ein bestimmtes System beobachtet und sich keineswegs verschwenderisch zeigt (Stimming, Königsgut I, S. 75 und 79). Wir wiederholen mithin unsere Meinung, daß

— 73 — es ein Vorteil für Deutschland gewesen wäre, wenn Heinrich III. noch zur Zeit des Investiturverbots gelebt hätte oder auf ihn ein ganz gleichartiger Herrscher gefolgt wäre. Man könnte noch weitergehen und die Behauptung aufstellen, mit einem ganz reformfreundlichen König wäre überhaupt kein heftiger Investiturkonflikt ausgebrochen oder, wenn ein solcher doch schließlich eintrat, so erst später. Freilich würde dagegen die leidenschaftliche Erregung über die Laieninvestitur zu halten sein, wie sie zwar nicht bei allen Vertretern der Reformpartei vorhanden war, aber bei einem ihrer Führer wie dem Kardinal Humbert ganz sichtbar wird. Indessen wir brauchen über diese Frage nicht zu streiten, da es das Charakteristikum des sogenannten deutschen Investiturstreits ausmacht, daß er keineswegs nur Investiturstreit war, vielmehr in noch höherem Maß Streit um das unmittelbare Verhältnis zwischen Kaiser und Papst. Während des Investiturstreits scheint die Gemüter oft mehr als die Investiturfrage die Frage, ob der Kaiser den Papst abzusetzen und zu bestätigen oder gar einzusetzen, ob der Papst den König abzusetzen und zu bestätigen das Recht habe, getrennt zu haben. Hier steht wiederum die Wirkung der italienischen Kaiserpolitik vor uns: diese hatte es ja zur Folge, daß der deutsche König den Anspruch erhob, über den päpstlichen Stuhl zu verfügen, und als Gegenwirkung, daß der Papst oder zunächst die Reformpartei danach strebte, das deutsche Königtum so zu schwächen, daß es nicht irgendwelche Oberhoheit über das Papsttum geltend zu machen vermochte. Mit anderen Worten: der Vernichtungsoder Ermattungskrieg der Kurie gegen das deutsche Königtum hat seinen Ursprung in der italienischen Kaiserpolitik. Sobald die Kurie zu dem Bewußtsein gekommen war, daß ihre Aufgabe eine universale sei, mußte sie danach trachten, die Oberhoheit eines Einzelstaats, also des deutschen, abzuschütteln. Wir nehmen hinzu, daß auch der unmittelbare Anlaß zum Ausbruch des Investiturstreits durch italienische Verhältnisse gegeben worden ist: durch den Streit um die Besetzung des Mailänder Erzbistums. Ein Streit um ein deutsches Bistum hätte die Kurie gewiß nicht so heftig erregt. Die wichtigsten Schriften der Reformpartei, und zwar gerade die kirchenpolitischen (wenigstens die aus der Zeit vor dem Ausbruch des Streits) haben ferner überwiegend italienische Zustände zur Grundlage. Nach diesen Darlegungen werden wir berechtigt sein, die gegen Heinrich III. erhobene Anschuldigung, er sei an dem Unglück oder unglücklichen Ausgang des Investiturstreits mit be-



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teiligt, zurückzuweisen, wohl aber die italienische Kaiserpolitik anzuklagen, daß sie den Anlaß zum Investiturstreit für Deutschland gegeben, den Streit wesentlich verschärft und den für das Deutsche Reich ungünstigen Ausgang zum sehr beträchtlichen Teil — wir dürfen wohl sagen: ganz überwiegend — verschuldet hat. 10 c) Um hier etwaigen Mißverständnissen zu begegnen, bemerken wir erstens, daß wir in der italienischen Kaiserpolitik natürlich nicht die gesamten Motive oder Gründe des Kirchenkampfes sehen, vielmehr mit Absicht nur von Anlaß und Verschärfung sprechen. Zweitens heben wir hervor, daß wir als ungünstigen Ausgang des Investiturstreits nicht sowohl die schließlichen Abmachungen über die Bischofserhebung, das Wormser Konkordat, betrachten — mit diesem ließ sich noch regieren (soweit das Mittel der Stützung der Regierung auf die Bischöfe noch zeitgemäß war) — als vielmehr die Schwächung der Zentralgewalt auffassen, die er herbeigeführt hat. Wir sind gewohnt, den Wechsel der Regierung beim frühzeitigen Tode Heinrichs III. unter dem Bild eines jähen Absturzes zu betrachten. Das früher Bemerkte läßt uns indessen etwas anderes erkennen. Wenn gewiß die Thronbesteigung des immündigen Knaben die Situation sehr verschlechterte, wie denn überhaupt die Mündigkeit sowie die Anwesenheit des Königs im Mittelalter von der höchsten Bedeutung sind, so waren doch durch die inneren Unruhen unter Heinrich III. die jetzt ausbrechenden Wirren schon vorgezeichnet. Jetzt gerade, wo ein starker königlicher Wille fehlte, zeigte sich wieder der Nachteil davon, daß es nicht dazu gekommen war, der Zentralgewalt eine feste verfassungsmäßige Grundlage zu geben. Nachdem Heinrich IV. sich später, sobald er mündig geworden war, eine leidliche Macht verschafft hatte, brach der Kampf mit der Kirche aus. Der deutsche König hatte dem Papsttum gegen dessen Willen geholfen, es aus seiner Erniedrigung erhoben. Indem wir die Beherrschung des Papsttums durch Heinrich III. welthistorisch nennen, legen wir nicht den Ton auf die Herrschaft, sondern darauf, daß der König ein unwürdiges Papsttum durch ein würdiges ersetzt hat. Damit vollbrachte er eine Tat von gewaltigen Folgen. Sowie aber das Papsttum eine höhere Haltung gewonnen hatte, machte es Front gegen das Königtum. Es mußte diesen Weg gehen, wenn es seine Idee einer universalen Macht, mit der es sich eben jetzt erfüllte, verwirklichen wollte. Einen Kirchenkampf hat es damals in allen abendländischen Staaten gegeben, den heftigsten aber, wie wir schon



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darlegten, in Deutschland. Einen doppelten Grund hatte dieser heftigste Angriff des Papsttums gegen den d e u t s c h e n König: der eine lag in der italienischen Politik des deutschen Königtums, welches das Papsttum beherrschen wollte; der andere ergab sich daraus, daß die deutsche Zentralgewalt schwach und daher ein Sieg hier eher als anderswo zu erlangen war. Wenn der König sich zur Wehr setzte, sich zur Wehr setzen mußte — nicht am wenigsten, weil seine Macht zum erheblichen Teil auf der Verfügung über die Bistümer beruhte, die ihm das Papsttum schlechthin nehmen wollte 11 ), — und wenn er auch das Reich in seinem allgemeinen Bestand schließlich rettete, so erlitt er doch nach zwei Seiten hin Verluste, zugunsten des Papsttums und zugunsten der Fürsten. Die alten Mittel der Reichspolitik hatten nicht mehr ihren vollen Dienst geleistet: weder die Herzogtümer noch die Bistümer standen dem König zur Verfügung. Zwar nahmen keineswegs alle Bischöfe die gregorianische Partei. Aber der König mußte sich zu helfen suchen, indem er den einzelnen Machthabern Gegner gegenüberstellte: der Investiturstreit ist wie die Zeit der Gegenpäpste und der Gegenkönige so auch der Gegenbischöfe und namentlich der Gegenherzoge. Die ottonische Politik der Stützung des Reichs auf die Kräfte und die Ergebenheit der Bischöfe war zeitweilig eine gute Politik gewesen. Es wäre aber Aufgabe des Königtums gewesen, dafür allmählich ein anderes politisches Mittel zu ersinnen und anzuwenden, und es wäre auch dazu in der Lage gewesen, wenn nicht eben die italienische Politik die Aufmerksamkeit und die Macht der Könige beansprucht hätte. Jetzt aber, im Investiturstreit, erwies sich jenes alte Mittel als nicht haltbar, und wenn es auch noch im 12. Jahrhundert dem Königtum, namentlich unter Barbarossa, erfreuliche Dienste getan hat, so enttäuschte es doch wenig später um so mehr. Nach dem Abschluß des Kirchenstreits, des Investiturstreits, bietet das Deutsche Reich ein verändertes Aussehen. Man beklagt e s l u ) , daß es dem Kaiser jetzt nicht mehr darauf habe ankommen können, Deutsche auf italienische Bischofssitze zu bringen; er habe froh sein müssen, überhaupt noch einen gewissen Anteil an der Bischofserhebung zu bewahren. Wir sehen derartiges als eine geringe Sorge an. Das Entscheidende ist die allgemeine Schwächung der deutschen Zentralgewalt. Kaiser Heinrichs IV. Untergang gibt Giesebrecht 11 ) Anlaß zu dem Satz: „Dichtes Grün umwuchert den morschen, vom Sturm niedergeworfenen Stamm". Er will damit ausdrücken,



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daß das Kaisertum zwar niedergeworfen wurde, aber sich doch wieder erhoben habe.1*) Wir müssen indessen jenen Satz wörtlich deuten, um zu dem richtigen Verhältnis zu gelangen. Das Königtum war niedergeworfen, sogar zerbrochen, wenigstens in seinem wesentlichen Bestand. Das dichte Grün, das den niedergebrochenen Stamm umwuchert, sind die lokalen Gewalten, die allmählich aufkommenden Landesherren, die sich zwar weiterhin stark entwickeln, auch Erfreuliches hervorbringen; allein das Verhältnis ist nun einmal so, daß die Landesherren auf Kosten der Zentralgewalt sich entwickelten, diese fortschreitend aufzehrten. Die eigentliche Landesherrschaft ist zwar noch nicht mit dem Ende des Investiturstreits da; sie wird erst vom Ausgang des 12. Jahrhunderts an sichtbar. Indessen unter der Einwirkung des Investiturstreits hat sich die deutsche Verfassung doch in der Richtung der später vorhandenen Verhältnisse gewandelt. Während in Frankreich vom Ausgang des Investiturstreits ein Aufsteigen der königlichen Gewalt datiert werden kann 1 *®), bildet in Deutschland der Investiturstreit eine der Vorstufen der leindesherrlichen Gewalt. Die Stammesherzoge stehen nicht mehr im Vordergrund; die noch in alter Kraft vorhandenen, die von Bayern und Sachsen, reihen sich in die große Zahl der Fürsten. Es gibt jetzt Herzoge, deren Herzogtümer bloßer Titel, deren amtliche Stellung keine andere als die eines Fürsten sonstiger Art ist. Bei weiteren Herzogen ist es dunkel, ob sie viel mehr sind als Titularherzoge. Es war ja an den alten Stammesherzogtümern allmählich manches abgebröckelt. Zur Schwächung der stammesherzoglichen Gewalt hat aber zweifellos auch der Kampf zweier Prätendenten, der Gegenherzoge in den einzelnen Stammesgebieten, beigetragen. Die bisher unter den Herzogen stehenden Gewalten gewannen bei solchen Gegensätzen, erhoben sich zu größerer Selbständigkeit. Nicht daß die lokalen Gewalten während des Investiturstreits immer bestimmte einzelne Rechte neu erworben hätten. Aber sie befestigten sich in ihrem alten Besitz stärker, und das Bewußtsein, daß sie eine selbständige Stellung einnahmen, steigerte sich. Es fiel ferner die Zwischenstellung fort, die der Stammesherzog zwischen ihnen und dem König eingenommen hatte. Jetzt steht er einem zahlreichen Kreis von Fürsten gegenüber, weltlichen von verschiedenem Titel, Bischöfen und Äbten. Zweifellos hat sich seine Stellung dadurch eher verschlechtert als verbessert. Denn der Fürst gebietet über konsolidiertere Gewalt als der

— 77 — Herzog, gegen den der König die im Herzogtum sitzenden Fürsten in Bewegung setzen kann. Die Quellen der Zeit Heinrichs V. sprechen von einer Gebundenheit des Königs durch die Fürsten.14) Einige Äußerungen lauten so, als ob Deutschland schon einen Reichstag hätte. In bezug auf die Bischöfe, auf die sich die ottonische Politik so wesentlich gestützt hatte, sicherte das Wormser Konkordat dem König die Anerkennung seiner Oberhoheit über die weltliche Seite des Bistums und einen gewissen Einfluß auf die Bestellung des Bischofs, für die grundsätzlich freie Wahl gefordert wurde. Wenigstens für Deutschland gilt dies. Für Italien dagegen sollte der Einfluß des Königs auf die Bestellung der Bischöfe fortfallen. Denn anders darf doch wohl die Bestimmung nicht gedeutet werden, daß der König den gewählten Bischof erst nach der Weihe zu investieren habe. Es wäre nicht unberechtigt, sie als eine Verhöhnung des königlichen Anspruchs zu interpretieren und ihren Sinn in der Vorstellung zu finden: in Italien sei die Herrschaft des Königs ja doch nur Schein, nur Komödie. Für Deutschland aber wurde, wie bemerkt, dem König ein gewisser rechtlicher Einfluß auf die Bestellung des Bischofs zuerkannt. Es kam nun weiter darauf an, ob das Königtum die Macht besitzen und die Energie entwickeln würde, diesen Einfluß nachdrücklich geltend zu machen. Die Aufstellung der auf Heinrich V. folgenden beide Könige erfolgte im Bann der kilrialistischen Interessen. Die Politik der Kurie war folgerichtig; denn wenn sie in Italien nicht einen Herrscher über sich haben wollte, mußte sie zu verhindern suchen, daß ein König gewählt wurde, von dem eine solche Herrschaft zu befürchten war. Lothar wurde als Gegner der Erben des salischen Hauses gewählt. Durch die Vereinigung der beiden letzten Stammesherzogtümer in der Hand seines Schwiegersohnes hätte dieser dem Papsttum beschwerlich werden können. Deshalb trat die kurialistische Partei für den wenig mächtigen Staufer Konrad ein. Die Übergehung von Lothars weifischem Schwiegersohn ist ganz besonders neuerdings heftig und mit vollem Recht beklagt worden, weil sie dem Königtum die Möglichkeit entzog, sich auf eigene Füße zu stellen. Das Bedauern, daß statt des Weifen der Staufer gewählt wurde, findet eine breite Resonanz. Freilich stehen hier feindliche Ansichten einander gegenüber: die einen sehen das Jahr 1125 (die Übergehung der Staufer), die anderen das Jahr 1138 (die Übergehung der Weifen) als das Jahr an, in welchem sich das deutsche Schicksal entschieden habe.16)



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Ganz gewiß ist jedesmal eine unzweckmäßige Wahl getroffen worden, wie ja auch jedesmal Interessen, die nicht die des deutschen Staats waren, die Wahl bestimmt haben. Sollen wir die Frage beantworten, welche der beiden Wahlen den Ruhm der größeren Verkehrtheit trägt, so würden wir das Jahr 1 1 3 8 nennen. Aber wir sehen die ganze Frage nicht als entscheidend an. Wir glauben nicht an ein Schicksalsjähr. Vor einer Überschätzung dieses Verhältnisses muß uns die Erwägung bewahren, daß auch der Weife ohne Zweifel den Weg nach Italien gesucht und auf diesem Weg die besten Kräfte des Reichs aufgebraucht hätte; auch er wäre dem verhängnisvollen Einfluß der Tradition der italienischen Politik verfallen. 16 ®) Das Deutsche Reich ist nicht an dem Zufall einiger unzweckmäßiger Wahlen, sondern eben an der italienischen Kaiserpolitik zugrunde gegangen. Und auch die Unzweckmäßigkeit jener Wahlen war nicht einmal Zufall, sondern die indirekte Folge der verfehlten italienischen Politik: die Kurie sah sich genötigt, dem schwächeren deutschen Kandidaten den Vorzug zu geben, um sich der deutschen Herrschaft in Italien erwehren zu können. Wir haben an dieser Stelle wieder den Fall vor uns, daß die Verteidiger der mittelalterlichen Kaiserpolitik, weil sie nicht den Fehler der Kaiserpolitik zugeben wollen, das Schicksal anklagen. Über den Römerzug Lothars, von dem man bedauert, daß seine starke Macht nicht in der Hand seines Schwiegersohns die königliche geworden ist, liest man bei Hampe (S. 103f.): „Der Kräfteeinsatz war gering; solange die staufischen Gegner aufrecht standen, durfte er Deutschland nicht von Truppen entblößen; kümmerlich genug denn auch die Art, wie er sich an den feindlichen Städten vorbeiwand." Lothar mußte mit der Kaiserkrönung im Lateran vorlieb nehmen, da die Peterskirche mit dem größten Teil der Stadt Rom sich in der Hand des Gegenpapstes Anaklet befand. Hampe lobt es, daß Lothar mit den Kräften des Reichs haushielt und sich nicht in Abenteuer locken ließ. Ein solches Lob ist unter Umständen durchaus angebracht. Hier aber gewinnen wir vornehmlich den Eindruck, daß die Kräfte des Reichs durch die Verteilung auf Italien und Deutschland auseinandergerissen wurden und daß darum der Kaiser in Italien kümmerlich und in Deutschland nicht glänzend auftrat. Wir erfahren ferner, daß Deutsche, während Lothar in Italien abwesend war, von den Dänen mißhandelt wurden.18) Man sieht hier wiederum, wie irrig die Meinung der Apologeten der mittelalterlichen Kaiserpolitik ist, daß die Kaiser in



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Deutschland nicht genug fesselnde Aufgaben gehabt hätten.17) Wir haben ja schon wiederholt von den schwierigen Auseinandersetzungen mit den Slawen und Dänen gesprochen. Ein starkes Königtum hätte früher Raum geschafft, als es geschehen. Endlich ist es gelungen, den Deutschen dort das Übergewicht zu erringen. Lothar dürfen an dieser Stelle Verdienste zugesprochen werden, noch mehr Heinrich dem Löwen. Es kam uns zustatten, daß an der Nordostgrenze eine stärkere fürstliche Gewalt vorhanden war. Aber als deren Inhaber, nicht als Kaiser hat sich Lothar jene Verdienste erworben. Das Kaisertum hatte ihn dabei mehr gehindert als gefördert. Überdies haben sich die Kämpfe mit den Dänen und Slawen bis ins 13. Jahrhundert hingezogen. Konrad III. hat sich, bei seiner geringen Macht, mühselig durch seine Regierungszeit durchgequält. Es ist ein Verteidiger der italienischen Kaiserpolitik (die doch die indirekte Ursache der Erhebung Konrads war), der folgende Schilderung entwirft (Hampe, S. 120): „In offenem Trotz gegen den König vermochte sich der selbstbewußte Weife zu behaupten. Der gesamte Norden des Reichs begann sich überhaupt den Einflüssen der Zentralgewalt zu entziehen und seine eigenen Wege zu gehen; die Erfolge der sächsischen Territorialpolitik bildeten weitaus den gesundesten und erfreulichsten Teil der deutschen Gesamtentwicklung jener Tage." Man gewinnt aus diesen Worten fast den Eindruck, als ob das Königtum als überflüssige Institution daneben gestanden habe. In der Frage des königlichen Einflusses auf die Erhebung der Bischöfe zeigte sich Konrad ebenso wie Lothar, er noch mehr wie dieser, nachgiebig. Gab Lothar aus einer gewissen Grundsätzlichkeit nach, so Konrad, weil er politisch schwach stand. Im ganzen lieferte die Regierung Konrads den Beweis, daß das Königtum auf dem alten Weg nicht weiter kam. Das Verdienst seines Nachfolgers ist es, durch neue politische Mittel eine Besserung der königlichen Stellung herbeigeführt zu haben.

Anmerkungen. >) Vgl. oben S. 56 Anm. 52 a. " ) Vgl. Brackmann, Die Ostpolitik Ottos d. Gr., H. Z. 134, S. 242«. *) Brackmann S. 256. **) Einem Forscher von der Stellung Hampes gegenüber ist es unsere Pflicht, hier noch einem seiner Sätze zu begegnen. Er sagt (Otto d. Gr. S. 478): „Versetzt man sich ernstlich in die Gedankenwelt Ottos, so lagen



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Steigerung der Kronrechte, Erhebung über den Sondergeist der Stämme, Ausweitung zur mitteleuropäischen Vormacht und Aufstieg zur christlichuniversalen Weltstellung des Kaisertums auf ein und derselben Linie, die durch das karolingische Vorbild bestimmt war." Gewiß k o n n t e n diese Dinge gemeinsamer subjektiver Wunsch eines Herrschers sein, und sie mögen auch von Otto gemeinsam persönlich erstrebt worden sein. Aber sachlich haben sie sich nachweislich nicht unterstatzt, sondern gegeneinander gearbeitet. Steigerung der Kronrechte und Bemühungen um die Kaiserkrone sind nicht gleichmäßig vorwärts gegangen; vielleicht hat jene unter diesen gelitten. Ebenso hat die Erhebung aber den Sondergeist der Stämme (sagen wir allgemeiner: die Zurückdrängung der begehrlichen lokalen Gewalten) gelitten unter den Bemühungen um die Kaiserkrone (und die Herrschaft über Italien). Für den Gegensatz dieser Dinge hätte Otto eine Empfindung haben können, ohne daß wir ihm irgendwie moderne Gedanken (etwa die nationale Idee als politisches Prinzip) zusprechen müßten. Aber wir dürfen und müssen als Historiker über jene Gegenwirkungen unsere Leser unterrichten, auch wenn Otto davon gar nichts empfunden hat. Jene Formel Hampes ist rein apologetisch, beinahe byzantinistisch. Hampe bestimmt weiter (S. 479) treffend den Unterschied des ottonischen gegenüber dem karolingischen Kaisertum: „Eine Verschiebung nach Osten, dadurch Abschwächung des universalen Charakters und stärkere Betonung des vorherrschenden deutschen Elements, die einseitigere Basierung auf die politisierte Kirche mit der straff untergeordneten päpstlichen Spitze, gleichwohl aber stärkere Hervorkehrung allein des politisch-militärischen Rechtsstaats gegenüber den darüber hinausgehenden kirchlichen und kulturellen Bestrebungen Karls d. Gr." Ich möchte hierzu nur die Bemerkung machen, daß man sich Papst und deutsche Kirche nicht als etwas zu einheitlich Zusammenhängendes und nicht die Unterordnung des Papstes als dem besonderen Zweck der Beherrschung der deutschen Kirche durch den König-Kaiser unmittelbar Dienendes vorstellen darf. *) Haller nennt Otto den Mann, der den Deutschen den (I) Weg gewiesen in „eine . . . große Zukunft", und „den" Begründer der deutschen Kolonisation. Ob Otto mit dem Erwerb Italiens „den Weg in eine große Zukunft gewiesen", darüber haben wir uns schon geäußert „Den" Begründer der deutschen Kolonisation können wir ihn nicht nennen. Denn erstens ist diese überhaupt nicht vorzugsweise staatliches Werk (s. oben S. 55). Zweitens bleibt diejenige politische Arbeit, die dabei zu tun war, vor allem schon von Heinrich I. zu rühmen. *) Hampe (Otto d. Gr. S. 479f.) tadelt „die nationalen Kritiker, die ihren Blick meist auf den späten Verfall mit seinen Folgen richten". Nein! Wir setzen unsere Kritik mindestens schon bei Otto II. ein, dessen Geschichte ja bereits eine gründliche Widerlegung der italienischen Kaiserpolitik bringt. Aber auch die Regierung Ottos I. hat uns schon Anlaß zu kritischen Beobachtungen geliefert, die wir, wie sich ergab, zum Teil auf eigene Worte Hampes stützen konnten. Lamprecht, Art. Grundbesitz, Handwörterbuch der Staatswissenschaft, 3. Aufl., 5. Bd., S. 120: „Die Errungenschaften (an der deutsch-slawischen Grenze) gingen schon unter



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den späteren Ottooen verloren, ein Opfer der neuen kaiserlichen, nach Italien weisenden Universalpolitik." *) Vgl. vorhin über Hampes Ansicht von dieser angeblichen Einheit. Den Rückschlag von 982 im Osten erkennt Braubach S. 324 als Folge der Kaiserpolitik an. w ) H. Hirsch, Mitt. d. Instituts 1914, S. 87, stellt St. Denis für das französische und Rom für das Deutsche Reich in Parallele. *) Diese Aufgabe weist Haller (S. 28, 34, 37) dem mittelalterlichen Kaiser ausdrücklich zu, einschließlich der Regelung der unteritalischen Verhältnisse, und ohne Zweifel mit Grund. ') Vgl. neuerdings darüber die Abhandlungen von R. Holtzmann in der Zeitschr. „Sachsen und Anhalt" Bd. 1, S. 110; Bd. 2, S. 74. *) Vgl. zuletzt hierzu G. Kallen, Der Säkularisationsgedanke in seiner Auswirkung auf die Entwicklung der mittelalterlichen Kirchenverfassung, SA. aus dem Historischen Jahrbuch der Görres-Gesellschaft Bd. 44, 2. Heft, S. 9. Schmeidlef macht mich auf eine bemerkenswerte Stelle im Chron. Eberspergense (SS. X X , S. 14; vgl.: Steindorff, Heinrich III., 1, S. 229 Anm. 7) aufmerksam (aus der Zeit um 1050): regt nunquam rebelletis vtl domum uila occasione vocetis quia tunc opes vestri dispetdtntur. Eine charakteristische Äußerung aus jener Zeit der starken Inanspruchnahme der geistlichen Institute durch den König. *) Vgl. oben S. 46 Anm. 12a. Haller, S. 60, findet es bemerkenswert, daß „das deutsche Reich einen unmittelbaren Kraftzuwachs durch diese Erwerbung (von Burgund) nicht genommen hat", da die Herrschaft in den Händen von geistlichen und weltlichen Landesherren lag. Der Besitz des Landes sei für die deutschen Könige wesentlich eben nur wegen der Verbindung mit Oberitalien wertvoll gewesen. Der Ausdruck „Landesherren" ist für die Zeit Konrads II. von vornherein zu beanstanden. Stand es denn aber in dem größten Teil Deutschlands nicht auch schon so, daß weitaus die meisten staatlichen Gerichtsbezirke sich nicht mehr zur freien Verfügung des Königs befanden ? Entweder hatten die weltlichen Fürsten sie als Lehen oder sie waren kirchlichen Instituten übertragen. Wie jedoch Konrad es selbstverständlich aufs höchste geschätzt hat, daß er als König über diese weltlichen und geistlichen Fürsten gebot, so wird er auch den Erwerb jener burgundischen Gerichtsbezirke, trotzdem sie sozusagen in fester Hand sich befanden, als willkommene Reichserweiterung geschätzt und nicht bloß an den Verbindungsweg mit Oberitalien gedacht haben. Es sei hierbei daran erinnert, daß Basel später Reichsstadt geworden ist. Nicht vergessen wollen wir hierbei, daß einst die Eroberung des lothringischen Zwischenreichs ein großes Verdienst unserer mittelalterlichen Kaiser gewesen ist — man halte sich gegenwärtig, was es umfaßte! Dies war Realpolitik. Vgl. F. Kern, Illustrierte Zeitung vom 14. Sept. 1916. 10 ) Hampe, Salier und Staufer, S. 16, hält es für nicht zweifelhaft, „daß Konrad genügende Machtmittel zur Verfügung standen, um seiner italienischen Politik . . . auf die Dauer den vollen Sieg zu verschaffen". Was heißt „auf die Dauer" ? Möglich ist es, daß Konrad ohne die Diversion nach Unteritalien einen vollem Erfolg in Oberitalien momentan errungen Beih. d. H. Z. 10. 6



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hatte. A n einen Ober seine Regierungszeit hinaus wirkenden „ v o l l e n " Sieg oder Erfolg — in dem Sinn, dafl die italienische Entwicklung wesentlich anders verlaufen wäre, als sie verlaufen ist — wird man nicht glauben können. l t a ) Es ist Giesebrechtsche Art der Behandlung der Verfassungsgeschichte, wenn Hampe, Salier und Stanfer, S. n , aber Konrad II. schreibt: „ D a s Vorbild seines Erziehers, des Bischof Burchard von Worms, war es vielleicht, das ihn auf die Bedeutung des Ministeriaistandes hinwies. . . . E r wird weiterhin schwerlich an der sonstigen Reichsdienstmannschaft achtlos vorbeigegangen sein." „ A u f die Bedeutung des Ministeriaistandes" brauchte ihn wahrlich nicht erst Burchard durch sein „Vorbild" aufmerksam zu machen. Denn erstens hatte der König auf seinem Hausgut nicht weniger Ministerialen als ein Bischof auf seinem bischöflichen Besitz. Zweitens hat Burchard nicht stärkere Beziehungen zum Ministerialenstand als irgendein anderer Großer des Reichs. D a ß von ihm ein Hofrecht, in dem auch von den Ministerialen die Rede ist, stammt, kann nur als Zufall gelten. Wir wissen aber auch, daß von den Königen nicht erst Konrad II. auf die Ministerialität aufmerksam geworden ist. Eine prachtige Stelle bietet die vita Meinwerci (Ausg. von Tenckhoff, S. 96 ; cap. 172), aus der hervorgeht, daß Heinrich II. sehr wohl wußte, wie brauchbar (im Gegensatz zum Lehensgrafen) ein Ministerial als Verwalter einer Grafschaft war. Vgl. auch in derselben vita cap. 144 (S. 76). Über die alte Verwendung der Reichsministerialen im Königsdienst vgl. auch Stimming, Königsgut I, S. 57 ff. 19b)

Vgl. meine „Historischen Periodisierungen" S. 33. Hampe, Salier und Staufer S. 88, nennt als Grttnde für die Schwächung der Königsmacht im Investiturstieit: 1. Die Notwendigkeit der Gesamtentwicklnng, 2. die Einwirkung besonderer, verhängnisvoller Momente, 3. Heinrichs III. Kirchenpolitik, 4. Heinrichs IV. Jugend. Welche Kirchenpolitik hätte Heinrich III. treiben sollen ? Die Hauptsache, die italienische Kaiserpolitik, läßt Hampe außer Betracht. Dafür figurieren in Nr. 2 wieder die Schicksale und Zufälle. Was ist hier die „Notwendigkeit der Gesamtentwicklung" ? D a ß Kirche und Papst sich emanzipieren mußten? Dann kämen wir eben auf die italienische Kaiserpolitik. " ) Der König sollte auf die Investitur der Bischöfe und Reichsäbte schlechthin verzichten. Damit fiel jedes formelle Band, das deren weltlichen Besitz an den König knüpfte, fort. Nun hatten die Könige ihnen — „ottonische" Politik — mit Absicht Hoheitsrechte (insbesondere Gerichtsbezirke) übertragen, weil sie in ihnen brauchbare Beamte sahen. In der Mitte des 11. Jahrhunderts mochte sich wohl die Mehrzahl der deutschen öffentlichen Gerichtsbezirke in der Hand von Bischöfen und Reichsäbten befinden. Es sei hier die Anmerkung gestattet, daß es wohl möglich und förderlich sein dürfte, jenes Verhältnis leidlich statistisch zu erfassen. Eine solche Feststellung würde zur genauen Würdigung des Investiturstreites beitragen. — Die spätem geistlichen Territorien umfassen nur einen verhältnismäßig kleinen Teil der Gerichtsbezirke, die sich früher in der Hand der Bischöfe und Reichsäbte befunden haben. Auf dem I0C )



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Weg Aber die Vogtei waren unendlich viele Gerichtsbezirke Teile weltlicher Territorien geworden. Die geistlichen Herren konnten ein Territorium nur behaupten aberwiegend durch Kampf und Kauf oder ähnliche Maßnahmen gegenüber den Vögten. Das Vordringen der Vögte stellte eine mittelalterliche Säkularisation dar. In der Abhandlung von Hashagen, Laieneinfluß auf das Kirchengut vor der Reformation, H. Z. 126, würden auf S. 400 ff. meine Darlegungen aber die von den Vögten durchgeführten umfassenden Säkularisationen von Kirchengut einzureihen sein. »*) Vgl. Haller, H. Z. 114, S. 114. >') Geschichte der deutschen Kaiserzeit I I I (4. Aufl.), S. 770. Giesebrecht gibt diesem Kapitel ausdrücklich den Titel „Heinrichs I V . Unter» gang". l l ) Mit charakteristischer Schüchternheit spricht Giesebrecht S. 1026 davon, daß später wieder eine bessere Zeit gekommen sei. Allerdings ein Held, der den Gedanken des Kaisertums großartig verwirklichte, sei nicht erschienen. Aber es hätten doch mehrere Fürsten die Kaiserkrone getragen, welche mutig und mannhaft kämpften und „die Welt mit ihrem Ruhm er« füllten" I Was nun Giesebrecht (und nach ihm Hampe) gibt, ist eben nur das Lied eines Harfners. Vgl. oben S. 18 und 39. ' " ) Schwarz, Der Investiturstreit in Frankreich, Zeitschr. für Kirchengeschichte, Bd. 43, S. 135: „ J e t z t wuchsen Königtum und Episkopat zusammen in einem gemeinsamen Kampf gegen die kleinen Barone der Isle de France, aber auch gegen die Großvasallen im übrigen Frankreich. Und das Papsttum, das früher zwischen Bischöfe und Könige einen Keil zu treiben versucht hatte, begünstigte das Zusammengehen." " ) Mit scharfem Blick erkannte schon Ranke, Deutsche Gesch. im Zeitalter der Reformation I (1873), S. 24, die wachsende Macht der Fürsten seit dem Investiturstreit. Lehrreiches über das Aufsteigen der Macht der Fürsten während des Investiturstreites bieten Waitz, Verfassungsgesch. 6, 2. Aufl., S. 409; Guba, Der deutsche Reichstag 9 1 1 — 1 1 2 5 , S. 13 u. 93ff., mein Mittelalterlicher Staat I, S. i83ff., Hans Hirsch, Kaiserurkunde und Kaisergeschichte, Mitt. d. Instituts 1914, z. B. S. 68, S. 70: Fürsten unterstützten Heinrich V. gegen Heinrich I V . ; die princtpes erscheinen als Urheber der Empörung Heinrichs V. S. 7 1 : der Kreis der Zeugen um die Dynasten erweitert. S. 71 f.: über die Fürstenopposition in der 2. Hälfte der Regierung Heinrichs V. S. 85: Die Idee der Reformklöster ist nicht im Rahmen des Reichs, sondern des Territoriums realisiert worden. Es konnte geschehen, daß die Könige den Grafen und Freien gegen die Herzöge eine Stütze boten (s. S. 8 5 ! ) . Als Grundsatz der königlichen Politik läßt sich jedoch eine solche Haltung schwerlich nachweisen. Und jedenfalls ist die Stellung des Königs dadurch, daß die späteren Landesherren die Herzöge ersetzten, nicht verbessert worden (wie oben im T e x t bemerkt wird), zumal die Landesherren ja die unmittelbare königliche Gewalt ausschlössen. Die Vorstellung von Dungerns von einer staufischen „Staatsreform" lehne ich nicht nur (wie Hirsch S. 74) wegen des Ausdrucks „Staatsreform" ab. — Schäfer a. a. O. S. 249 hebt hervor, daß 1115 Heinrich V . nach Italien geht, obwohl er in Deutschland besiegt ist. Man könnte hierzu





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eine Parallele darin sehen, daß nach Schäfers Auffassung (s. unten) Friedrich I. nach Italien ging, weil Deutschland ihm verschlossen war. Die Wirkung davon, daß ein in Deutschland besiegter König sich nach Italien begibt, mußte natürlich eine Steigerung der FQrstenmacht sein. " ) Vgl. darüber Hofmeister H. Z. 1 1 2 , S. 114. Über Rankes Wort von der Wahl des ersten Staufers als ,.einem öffentlichen Unglück" für Deutschland s. meine Reichspolitik S. 20. Braubach, S. 336, teilt einige Sätze aus einer temperamentvollen Äußerung A. O. Meyers über das Unglück der staufischen Wahl mit: über ,,die Entscheidung, die zugunsten des Schwäbischen Hauses fiel, als die vielleicht unheilvollste Wendung, die unseres Volkes Geschichte im Mittelalter genommen hat, als eine Wendung, an deren Fluch wir heute noch tragen". Hofmeister sieht den verhängnisvollen Wendepunkt im Jahr 1125, Hampe im Jahr 1138. Hierzu bemerkt Jung, Archiv für Rechtsphilosophie Bd. 17, S. 578: „etwas beeinflußt ist diese Meinungsverschiedenheit doch auch wohl von einer gewissen Verschiedenheit des Staatsideals; nämlich ob der Betrachter innerlich die ghibellinische, imperialistische oder die weifische, mehr bodenständigpartikularistische Form des deutschen Staatsgedankens für die wertvollere hält, lebhafter bejaht. Dabei ist freilich zu der merkwürdigen Lebenskraft des welfisch-ghibellinischen Gegensatzes, nach dreiviertel Jahrtausenden, zu sagen, daß, wo das weifische Widerstreben gegen eine starke deutsche Zentralgewalt noch bewußt auftritt (wie bei Onno Klopp, Hefele dem Neffen) — was selbstverständlich bei der obigen Meinungsverschiedenheit, wenn überhaupt die aufgestellte Vermutung eines gefühlsmäßigen Zusammenhangs mit jenem uralten Gegensatz richtig ist, in keinem Fall zutraf — die Merkmale völlig verschränkt sind durch zufällige dynastische Zusammen, hänge und Namen. Denn wenn der Herzog der Sachsen und Bayern 1180 über den Staufenkaiser gesiegt hätte und dann vermutlich, abweichend von diesem, die großen politischen Aufgaben Deutschlands da gesucht hätte, wohin das Gesicht Deutschland geopolitisch, schon durch den gewaltigen Südwall der Alpen, so unverkennbar gerichtet ist, nämlich seewärts und nordostwärts, dann hätte er sicher schärfer zentralisiert, als es die Hohenstaufen von ihrer ausschließlich süddeutschen oder die Hohenzollern von ihrer ausschließlich norddeutschen Grundlage aus je unternehmen konnten". Den verhängnisvollen Wendepunkt kann man nur im Jahre 962 bzw. 951 sehen. 16a ) Gelten lassen darf man immerhin, was Steinacker, H. Z. 128, S. 382 (s. auch vorhin Jung) betont: wenn dieWeifen statt der Staufer sukzediert hätten, wäre die deutsche Kolonisation stärker gefördert worden. Freilich wäre sie doch bald auch unter dem Einfluß der italienischen Politik vernachlässigt worden. le ) Hofmeister, Zeitschr. für lübeck. Gesch. a. a. O., S. 49, Anm. 13. 17 ) Hampe, S. 105, räumt selbst ein, daß Lothar im Nordosten viel zu tun hatte. Vgl. Hofmeister a. a. O., S. 49.

III. Der Regierungsantritt Friedrichs I. bringt einen großen Umschwung gegenüber den Verhältnissen, wie sie unter Konrad bestanden. In der zeitgenössischen Literatur tritt der Unterschied, den wesentlich schon die Anfänge Friedrichs zeigen, sichtbar hervor: man vergleiche mit der pessimistischen Chronik Ottos von Freising seine frohen und hoffnungsvollen Gesta Friderici. Wodurch ist der Umschwung bewirkt worden? Ohne Zweifel haben wir die damalige ungünstige Lage der Kurie in Betracht zu ziehen. Durch die römische Gemeinde und Arnold von Brescia sah sich der Papst in die Enge getrieben und hingewiesen auf die Seite des deutschen Königs. Indessen diese Situation war nicht anders unter Konrad gewesen. Das entscheidende Moment ist gewiß in der veränderten politischen Stellung im Innern des Reichs zu sehen, die Friedrich im Gegensatz zu seinem Vorgänger einnahm. In der Politik der Könige Heinrichs I. und Friedrichs I. zeigt sich eine Übereinstimmung insofern, als sie nicht wie ihr Vorgänger gegen die stärkste Macht im Reich einen unmittelbaren Kampf führen, sondern es für notwendig halten, mit ihr zu paktieren. Der Vorgänger Heinrichs, Konrad I., hatte gegen das Stammesherzogtum als eine usurpatorische Gewalt gekämpft. Heinrich erkennt es an, fügt die bisher usurpatorische Einrichtung des Herzogtums der Reichsverfassung ein, indem er die Stammesherzöge mit ihrem Herzogtum belehnt, macht dem bayerischen Stammesherzogtum auch noch ein besonderes verfassungsmäßiges Zugeständnis, durch die Einräumung der Investitur der hohen Geistlichkeit an den Herzog. Der Vorgänger Friedrichs, Konrad III., hatte gegen das Fürstentum gekämpft; das Stammesherzogtum hatte inzwischen in der Mehrzahl der Stammesgebiete seine beherrschende Stellung verloren oder war ganz verschwunden; jetzt stand dem Königtum neben der bedeutenden herzoglichen Macht der Weifen die große Zahl der einzelnen weniger starken, aber durch ihre Menge machtvollen Fürsten gegenüber; gegen sie suchte Konrad das Königtum zu verteidigen. Friedrich gibt



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den Kampf gegen das Fürstentum auf; er schließt sogar mit einer Fürstengruppe ein Bündnis. Die Fürstengruppe, mit der er in einem solchen Verhältnis steht, wechselt. In der ersten Hälfte seiner Regierungszeit steht er mit der weifischen Gruppe im Bündnis. Er tritt mit diesem Bündnis schon in die Regierung ein und bleibt da bis zur Schlacht von Legnano. Nach dem Bruch mit Heinrich dem Löwen verbündet er sich mit der Gruppe der Gegner Heinrichs.1) Die Mitglieder der Gruppe, mit der er jeweils verbündet ist, begünstigt er, hilft ihnen in der Beiseiteschiebung ihrer Gegner, opfert ihnen Reichsrechte. Es wiederholt sich die Situation aus den Tagen des Königs Heinrich I. Die Ähnlichkeit geht so weit, daß Friedrich auch die Investitur der Bischöfe einiger Diözesen dem Herzogtum zugesteht. Das Bündnis mit der weifischen Gruppe macht Friedrich so stark, daß er in dieser Zeit Kämpfe gegen Fürsten im Reich nicht zu führen hat; im Innern herrscht Ruhe, wenigstens so weit es sich um das Verhältnis zwischen König und Fürsten handelt. Die weifische Gruppe, insbesondere ihr Haupt, Heinrich der Löwe, verübt Gewaltsamkeiten gegen ihre Gegner. Weil sie aber durch die königliche Bundesgenossenschaft und somit durch die königliche Gewalt gedeckt werden, so haben wir es hier formell-rechtlich nicht mit Auseinandersetzungen zwischen legitimen Gewalten zu tun; es gelten vielmehr die Widerstände gegen die Wünsche der weifischen Gruppe als Störungen des Reichsfriedens, die durch das Vordringen der weifischen Gruppe legitim beseitigt werden. Im Lauf der Zeit kam es freilich zu einem harten Zusammenstoß zwischen dem König und dem Haupt der weifischen Gruppe. Der Konflikt entsprang dem Umstand, daß das Verhältnis des Königs zu Heinrich dem Löwen wesentlich nur ein Bündnis war. Der Bundesgenosse fühlte sich als gleichberechtigt dem König, beinahe unabhängig von ihm und wollte auf die Dauer seine Politik nicht der königlichen unterordnen. Friedrich löste den Konflikt, indem er die alte Bundesgenossenschaft durch eine neue vertauschte, mit der Heinrich dem Löwen feindlichen Fürstengruppe in Verbindung trat, deren Mitglieder mit den weifischen Spolien ausstattete und sie überhaupt ebenso begünstigte wie vor dem Konflikt die Mitglieder der weifischen Gruppe. Der Übergang von der einen Gruppe zu der anderen ließ sich indessen nicht ohne Kampf vollziehen: jetzt hat Friedrich innerhalb des Reiches kämpfen müssen gegen Heinrich den Löwen und dessen Anhänger. Nachdem dann dieser niedergeworfen war, beherrschte Friedrich wieder im Verhältnis des



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Bündnisses mit einer Fiirstengnlppe, nämlich der antiwelfischeii, das Reich. Allerdings hat er noch einmal erfahren müssen, daß er sich nur auf ein Bündnis stützte: der Erzbischof von Köln, der mit einem Hauptstück aus dem weifischen Besitz ausgestattet worden war, Philipp von Heinsberg, wollte sich ebenso wie einst Heinrich nicht in seiner landschaftlichen Politik durch die königliche stören lassen und trat in Opposition. Es war hauptsächlich der für Friedrich hier glückliche Zufall der mächtig einsetzenden Kreuzzugsbewegung, der ihn von dieser Gefahr befreite. Mit dem Fürstenbündnis war es nicht bloß gegeben, daß der König mit den verbündeten Fürsten in ihren politischen Handlungen gemeinsame Sache machte; er sah sich auch gezwungen, verfassungsmäßige Zugeständnisse zu gewähren, um die Fürsten auf seiner Seite zu halten. Man pflegt die großen Privilegien Friedrichs II. in diesem Sinn zu deuten und als klassische Urkunden solcher Art anzuführen. Die Privilegien Friedrichs I. bereiten jedoch jene schon vor. Der Unterschied zwischen ihnen liegt vornehmlich nur darin, daß die Privilegien Friedrichs II. der Gesamtheit der Fürsten oder wenigstens einer großen Kategorie (den geistlichen Fürsten) erteilt worden sind, die Friedrichs I. einzelnen Fürsten. Wir nennen die berühmte Urkunde von 1156, das Privilegium minus, das Privileg für den Bischof von Würzburg von 1168, die Urkunde von 1180 über die Aufteilung der Herzogtümer Heinrichs des Löwen. Nach den Erfahrungen des ersten Römerzuges, auf dem Friedrich I. die Hilfe Heinrich des Löwen so wesentlich ganz persönlich zuteil geworden war, mußte ihm dessen kriegerische Unterstützung besonders wertvoll erscheinen. Hiermit2), aber auch mit der gesamten Bündnispolitik Friedrichs, hing die Erteilung des Privilegium minus von 1156 an Österreich8) zusammen. Diese stellt eine der bemerkenswertesten unter den Urkunden zur Geschichte der Landeshoheit dar. Die Urkunde von 1168 spielt eine Rolle in der Ausbildung des vorwaltenden Einflusses, den das Stift Würzburg im fränkischen Gebiet gewonnen hat, liefert zugleich jedoch einen Beitrag zur allgemeinen Geschichte der Landeshoheit. Beachtimg verdient es, daß dieses Privileg von 1168 sich nicht etwa nur gegen andere lokale Gewalten, sondern auch gegen königliche Ansprüche und königliche Expansion richtet. Die Urkunde von 1180 oder genauer die damaligen Abmachungen über das Erbe Heinrichs des Löwen bedeuten, daß der König beim Sturz des mächtigen Herzogs wesentlich



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leer ausging, wahrend die Nutznießer die Forsten der betreffenden Landschaften wurden, teils so, daß der Besitz Heinrichs an bestimmte Fürsten fiel, teils so, daß mit dem Fortfall der herzoglichen Gewalt die ihr bisher unterworfenen Fürsten größere Selbständigkeit gewannen. Wenn das Jahr 1180 den Abschluß in der schon besprochenen allmählichen Auflösung der Stammesherzogtümer bedeutet, so haben wir bereits bemerkt, daß die Ersetzimg der Stammesherzöge durch die vielen Fürsten dem König keinen Vorteil gebracht hat.**) Es ist ein Zeichen für die geringe Aufmerksamkeit, die die verfassungsgeschichtlichen Tatsachen in den Darstellungen der deutschen Kaiserzeit finden, daß keine die Urkunden von 1156, 1168 und 1180 in ihrer allgemeinen Wichtigkeit würdigt, daß sie nirgends im Zusammenhang als Vorstufe des Privilegiensystems Friedrichs II., als ein Moment der Lockerung der Reichsverfassung gedeutet werden.sb) Wir sagten vorhin, daß Friedrich, indem er sich zu dem System des Fürstenbündnisses entschloß, im Verhältnis zu seinem Vorgänger die königliche Stellung im Reiche verstärkte, erhöhte. Wir müssen hier freilich etwas vorausnehmen und hinzufügen, daß er das Fürstenbündnis nicht bloß gewählt hat, um die königliche Stellung im Innern des Reiches zu verbessern; daß er sich vielmehr Fürsten als Freunde auch wegen seiner auswärtigen, der italienischen Politik, über die wir weiter zu sprechen haben werden, suchte. Man darf vielleicht die Vermutung wagen, daß er ohne die Bedürfnisse der italienischen Politik sich zu der Gewährung der Privilegien von 1156, 1168 und 1180 nicht herbeigelassen hätte. In diesem Sinn hat die italienische Politik die Stellung des Königs innerhalb des Fürstenbündnisses zweifellos verschlechtert. Er hätte den verbündeten Fürsten gegenüber selbständiger dagestanden, wenn nicht die italienische Politik sein Verhältnis zu ihnen herabgedrückt, aus ihm noch mehr den Bittenden gemacht hätte. Er brauchte eine verbündete Fürstengruppe wegen der inneren Reichsverhältnisse, aber zugleich wegen der italienischen Politik, und dadurch eben wurde das Bündnis so ungleich. Immerhin haben die Bündnisse mit den Fürstengruppen die königliche Stellung im Verhältnis zu seinem Vorgänger entscheidend verbessert. Sie bewirkten, daß Deutschland — von den angedeuteten Ausnahmen abgesehen — im Innern Ruhe hatte. Sie verschafften dem König, wovon wir soeben sprachen, die Möglichkeit-, wiederholt erfolgreiche auswärtige Politik zu treiben.



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Zwar sind die Erfolge Friedrichs im Auswärtigen nicht bloß dem Fürstenbündnis zugute zu schreiben. Von den günstigen Umständen, die ihm dabei zustatten kamen, werden wir noch zu sprechen haben. Die vornehmste Grundlage seiner auswärtigen insbesondere seiner italienischen Politik bildete jedoch das Fürstenbündnis, wie denn seine italienische Politik sofort zusammenbrach, als das Füstenbündnis, im Jahre 1176, versagte. Auf der andern Seite beruhte die Macht, die Friedrich durch das Fürstenbündnis erhielt, nur eben auf einem Bündnis. Seine Abhängigkeit von den Fürsten trat, worüber unsere mehrfach gemachten Andeutungen wohl schon genügend unterrichten, immer wieder hervor. Die Abhängigkeit Friedrichs von den Fürsten drückt sich sprechend darin aus, daß das Gerichtsverfahren gegen Heinrich den Löwen nicht etwa mit dem Hinweis auf Ungehorsam gegen den König motiviert worden ist, sondern mit dem Hinweis auf Untaten gegenüber den fürstlichen Gegnern Heinrichs. Natürlich hat der Ungehorsam gegen den König den Sturz Heinrichs mit herbeigeführt oder vielmehr veranlaßt. Wie aber juristisch die Klage sich wohl nur auf jene behaupteten Untaten aufbauen ließ, so war es politisch weit wirksamer, von einem Unrecht gegen die Fürsten zu sprechen als von einem gegen den König. Bei dieser Bedingtheit der königlichen Macht, ihrer Abhängigkeit von dem FürstenbündnisSc) mußte das Königtum, wenn es dauernde Geltung behalten wollte, dahin streben, sich eine unmittelbare, ihm unmittelbar zur Verfügung stehende, nicht durch das Ermessen anderer mitbestimmte Macht zu verschaffen. Es stellt eines der wirklichen Verdienste Friedrichs dar, der Politik des Fürstenbündnisses die notwendige Ergänzung hinzugefügt zu haben: er ist der Begründer einer königlichen Hausmacht.4) Der Gedanke einer königlichen Hausmacht konnte erst in einer Zeit aufkommen, in der es schon Zwischeninstanzen zwischen König und Reichsuntertanen und demgemäß Mediatuntertanen gab. Die entsprechende Entwicklung vollzog sich im Lauf des 12. Jahrhunderts. Wenn auch die landesherrliche Gewalt noch nicht ihre regelrechte Ausbildung erhalten hatte, Titel und Begriff Landesherr und Landesherrschaft noch fehlten, erst um 1200 sich häufiger einstellten, so besaßen doch bereits die Fürsten eine so selbständige Stellung, daß der König über die Machtmittel ihrer Gebiete im allgemeinen nicht ohne ihre Zustimmung verfügen konnte. Die Erkenntnis dieses Sachverhalts mußte Friedrich



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dazu führen, dem Königtum selbst ein fürstliches Gebiet von der Art, wie es ein großer Fürst besaß, zu verschaffen. Er hat die Aufgabe gelöst, indem er jede sich bietende Gelegenheit benutzte, Gebietsstücke zu erwerben, und namentlich auch kirchliche Vogteien, d. h. öffentliche Gerichtsgewalten und öffentliche Gerichtsbezirke, zu gewinnen sich bemühte. Kein Hindernis einer Etikette hielt ihn ab, von geistlichen Fürsten Lehen, namentlich als solche die höchst wertvollen Gerichtsbezirke der Vogteien, zu nehmen. Wie die kirchliche Vogtei einen Hauptbestandteil der sich bildenden Territorien ausmacht, so baut sich die königliche Landesherrschaft in sehr beträchtlichem Umfang auf ihr auf. Zwischen dem alten Königsgut und der von Friedrich geschaffenen königlichen Hausmacht besteht natürlich kein imbedingter Gegensatz. Der Unterschied, der jenes von dieser trennt, ist nur der, daß die königliche Hausmacht mehr den späteren Territorien nahekommt, d. h. nach leidlich räumlicher Geschlossenheit strebt und sich wesentlich auf Besitz öffentlicher Gerichtsbezirke aufbaut. Während das alte Königsgut über das Reich hin zerstreut liegt, sucht Friedrich Herrschaftsbezirke innerhalb des schwäbischen und des fränkischen Stammesgebiets zusammenzubringen. Während ferner bei dem alten Königsgut sich Grund- und Gerichtsbesitz vielleicht die Wage hielten*»), steht bei Friedrichs Bestrebungen der Wunsch, Gerichtsbezirke zu erwerben, deutlich im Vordergrund. Entscheidend kommt hier eben in Betracht, daß er Vogteien von geistlichen Fürsten zu Lehen nahm. Das ist das große Ereignis aus der Verfassungsgeschichte des Reiches in jener Zeit. Wer Vogteien — das waren damals die Gerichtsbezirke, die hauptsächlich gewonnen werden konnten — erwarb und mit der in ihnen enthaltenen Gerichtsgewalt das Recht auf die Bede (Steuer) erhielt, der war ein aufkommender Mann4b). Neben Vogteien brachte Friedrich Gerichtsbezirke auch in den Gebieten an sich, die ihm als Erbstück fürstlicher Familien zufielen, die übrigens wiederum Vogteien in sich bargen (vgl. Giesebrecht V, 2, S. 616). Frühere Könige hatten ihre Macht dadurch verstärkt, daß sie auf Stammesherzogtümer die Hand legten. Das war jetzt nicht mehr möglich. Wir müssen aus dem Umstand, daß bei der Niederwerfung Heinrichs des Löwen der König nichts, weder im großen noch im kleinen, von den noch vorhandenen zwei Stammesherzogtümern erhielt, schließen, daß die Fürsten ihm jetzt einen solchen bedeutenden Gebietsgewinn nicht gönnten. Wollte er sich noch unmittelbare staatliche Gewalt beschaffen.

— 91 — so blieb ihm nur die Kleinarbeit des Vogteienerwerbs oder ähnliches übrig. Ein solcher Erwerb vollzog sich mehr unmerklich, unauffällig. Wie wir hiermit schon andeuten, verfahren Königtum und Fürstentum beim Ausbau ihrer Macht nach dem gleichen Rezept.6) In Übereinstimmung mit den aufkommenden Landesherren befindet sich der König bei der Schaffung seines Hausmachtterritoriums insbesondere auch hinsichtlich des Ausschlusses der lehnsweisen Ämterverwaltung. Wie die landesherrlichen Territorien, so konnte eine königliche Hausmacht sich nur bilden, indem Ämter und Amtsbezirke nicht lehnsweise, sondern amtsweise übertragen wurden. Mit andern Worten: beide beruhten auf Beamtenregierung. Die Beamten der ersten Zeit stehen noch nicht in reinem Beamtenverhältnis, sondern sind im allgemeinen Ministerialen, die als Unfreie das Amt annehmen und abgeben müssen. Aber die Ministerialität hat als Mittel zur Überwindung des Feudalismus im Ämterwesen gedient.8) Brandi hebt als ein besonderes Mittel der Verstärkung der königlichen Gewalt durch Friedrich die Heranziehung der Reichsministerialen hervor. Und er schätzt ihre Bedeutung in dieser Hinsicht so hoch ein, daß er die Kraft und die Dienste der Reichsministerialen als einen Ersatz für die jetzt versagende Stütze der geistlichen und weltlichen Fürsten bezeichnet. Allein die Reichsministerialität stellt kein besonderes Mittel dar, sondern bildet einen Bestandteil des Reichsguts. Wie alle Fürsten so hat auch der König Ministerialen, alle aber nur nach Maßgabe, nach Ausdehnung ihres Hausguts. Nur weil Friedrich viel Hausgut hat, hat er auch viele Ministerialen. Eine Rolle spielen die Ministerialen in den aufkommenden Territorien in gleicher Weise wie im Reichsgut. Im übrigen sei gegen Brandi bemerkt, daß Friedrich sich der Unterstützung der Fürsten, wie wir gesehen, vermöge des Fürstenbündnisses bedient und speziell die geistlichen Fürsten, wovon wir sogleich sprechen, wieder kräftig zu sich heranzieht. Die Frage der Reichsministerialen ist guten Teils eine Frage des königlichen Hausguts. Allerdings sind sie älter als die spezifische königliche Hausmacht (das königliche Territorium), da der König als Grundherr schon Ministerialen hatte. Aber ihre Bedeutung stieg mit der Ausbildung der Hausmacht, und als diese in ihrem Bestand zurückging, sank auch die Bedeutung der Reichsministerialen.8) Man darf sich die Verwendung der Reichsministerialen nicht so vorstellen, als ob es sich um die Heranziehung einer neuen

— 92 — Volksschicht für die politische Arbeit des Reichs handle, etwa, wie es die Gewinnung der Plebejer im alten Rom für das staatliche Leben, für die Regierung Roms gewesen war. Denn die Fürsten, denen der König gegenübersteht, haben ja gleichfalls sämtlich Ministerialen und verwenden sie in ihrem Dienst. Der König kämpft nicht etwa gegen die Fürsten mit den Ministerialen im allgemeinen, sondern mit seinen (Reichs-) Ministerialen gegen die Fürsten mit deren Ministerialen, wie denn Ministerialen im Heer und im Rat der Fürsten8*) ebenso eine namhafte Rolle spielen wie im Heer und Rat des Königs. Die königliche Landesherrschaft, die königliche Hausmacht der Staufer hat einen andern Charakter als die der späteren Könige, z. B. die Karls IV. Sie dient nicht der Dynastie, sondern dem Königtum, dem Reich. Während die Erwerbungen des luxemburgischen Hauses der luxemburgischen Familie zugute kommen, bleibt die staufische Hausmacht Reichsgut; manches später viel genannte Reichsgut und Reichsrecht stammt gerade aus staufischem Erwerb.9) Zu den beiden bisher genannten Mitteln, mit denen Friedrich der königlichen Macht wieder zu Ansehen und Bedeutung verhalf, kommt drittens die Erneuerung des alten königlichen Einflusses auf die Erhebung der Bischöfe und ihre Verwendung als königliche Organe und Beamte im alten Stil. Er knüpfte über das Wormser Konkordat hinaus wieder an das frühere Recht an.10) Freilich steht dieses dritte Mittel seiner Politik zu den beiden ersten in dem Verhältnis, daß Friedrich es gutenteils deshalb anwenden konnte, weil er sich zu den beiden ersten entschlossen hatte. Namentlich war es das Bündnis mit einer Fürstengruppe, welches ihn schon vom Anfang seiner Regierung an in den Stand setzte, das königliche Interesse insbesondere auch gegenüber der Kirche stärker zur Geltung zu bringen. Ich bemerkte: gutenteils ermöglichten die beiden ersten Mittel die Ergreifung des dritten. Einiges tritt noch hinzu, um den stärkern Einfluß Friedrichs auf die Kirche verständlich zu machen. Das Papsttum befand sich damals, wie erwähnt, infolge der Erhebung der römischen Stadtgemeinde unter Arnold von Brescia in ungünstiger Lage; es konnte dem deutschen Herrscher gegenüber kaum Bedingungen stellen, mußte sich vielmehr eher fügen. Die deutschen Bischöfe ferner hatten mit dem gregorianischen Papsttum ihre Erfahrungen gemacht. Wir haben die bemerkenswerte Tatsache vor uns, daß sie im Kirchenstreit Friedrichs in größerer Zahl und entschiedener zum König halten als im Kirchenstreit



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Heinrichs IV. In dessen Tagen hatte ein größerer Teil des Klerus optimistisch-idealistisch den Emanzipitationskampf der Kirche aufgefaßt. Inzwischen war eine Ernüchterung in der Beurteilung der Dinge eingetreten. Man mußte erfahren, daß die von den Gregorianern erreichte oder erstrebte Kirchenfreiheit keineswegs ohne weiteres Bewegungsfreiheit der Bischöfe bedeutete, daß sie vielmehr diese in eine neue Abhängigkeit brachte. 11 ) Man hatte seine Erfahrungen z. B. gemacht, als zur Zeit des zweiten Kreuzzugs, während König Konrad auswärts weilte, der Papst in Trier Hof hielt und nun die Bischöfe das kuriale Regiment aus der Nähe merken ließ. Aber die Klagen über die Aufrichtung der neuen kirchlichen Herrschaft gehen weit über solche momentanen Beobachtungen hinaus. Auch finanziell begann der Klerus sich schon über die Kurie zu ärgern. Ernüchternd hatte sodann der Ausgang des zweiten Kreuzzugs gewirkt: mit dem stärksten Enthusiasmus und den größten Hoffnungen unternommen, brachte er kein Resultat und dafür die herbsten Enttäuschungen, was auf die Beurteilung der Kirchenfreiheit zurückwirkte, da er wesentlich im Namen der Kirchenreformer unternommen worden war.12) Es ist lehrreich, sich in diesem Zusammenhange die Entwicklung des Episkopats in jener Zeit zu vergegenwärtigen. Vor dem Investiturstreit hatten hochgesinnte Könige bei der Bestellung von Bischöfen und Reichsäbten ihr Augenmerk nicht bloß auf die politische Brauchbarkeit, sondern zugleich, unter Umständen sogar mehr, auf die Forderungen gerichtet, die das geistliche Amt und die kirchlich-sittliche Idee stellten. Nicht sämtliche Könige hielten es so; wir dürfen jedoch diese Haltung als die im Grundsatz und in der Praxis vorwiegende bezeichnen. Im Investiturstreit begegnen uns zahlreiche Bischöfe als idealistische Vertreter des gregorianischen Systems; zum Teil stammen diese Idealisten noch eben aus der Zeit und dem Kreis jenes wohltätigen königlichen Einflusses. Nach dem Investiturstreit ist die Zahl der Bischöfe solcher Art gering; sie stirbt fast aus. Die schon geschilderte Enttäuschung, die die Bischöfe mit der gesteigerten päpstlichen Gewalt erfuhren, brachte sie auf einen andern Standpunkt. Unter Friedrich I. halten sie, wie bemerkt, in ihrer großen Mehrzahl zum König. Weiterhin — zum Teil nehmen wir es bereits zu seiner Zeit wahr — fühlen sie sich vornehmlich als Landesherren, was daran lag, daß der Investiturstreit wie eine Verstärkung der Stellung der Fürsten überhaupt, so auch der geistlichen Fürsten gebracht hat.

— 94 — Was den Einfluß des Königs auf die Bestellung der Bischöfe angeht, so konnte er im alten Umfang nicht wieder hergestellt werden: das freie Wahlrecht ließ sich nicht ignorieren. Das freie Wahlrecht aber hat keineswegs immer die Besten in die Ämter gebracht. Der König sah jetzt, wo ihm doch nicht mehr der alte volle Einfluß zustand, seinerseits einseitiger als früher auf die politische Brauchbarkeit; den Rest seines Rechts mußte er im staatlichen Interesse zu nutzen suchen. Wenn ferner jetzt das Papsttum Anteil an der Stellenbesetzung gewinnt, so kann sich sein Einfluß mit dem wohltätigen Einfluß der alten Könige nicht messen. Seine Eingriffe erfolgten dafür erstens zu sprunghaft. Es ließe sich vielleicht zu seiner Entschuldigung sagen, daß sein Stellenbesetzungsrecht auch nicht so umfassend war wie das der alten Könige. Indessen nehmen wir zweitens wahr, daß die Eingriffe, die von ihm ausgehen, zu sehr von der äußeren Machtfrage aus erfolgen.1®) Aus den dargelegten Gründen ist es dahin gekommen, daß Bischöfe, wie wir sie aus der Zeit der Ottonen und der Salier kennen, ein Udalrich von Augsburg und ein Burchard von Worms, in den späteren Jahrhunderten kaum mehr vorkommen. Mögen die Bischöfe dieser Zeit auf dem Gebiet, das ihnen durch ihre jetzige Stellung zugewiesen wurde, immerhin ihre besondern Tätigkeiten und Tugenden entfaltet haben, der Zwiespalt zwischen ihrer eigentlichen kirchlichen Stellung und ihrer hauptsächlichen , ihrer staatlichen Stellung machte sich doch entscheidend geltend. Erst in der Reformzeit des 15. Jahrhunderts hat der Hohenzoller (Friedrich III., Bischof von Augsburg i486 bis 1505) den Ruhm der alten Bischöfe von ernster Frömmigkeit wiederhergestellt. Aber es sind nur vereinzelte Fälle, die sich nennen ließen. Natürlich liegt es uns fern, den stärkern Einfluß, den Friedrich auf die Bischöfe ausgeübt hat, ganz rationell auf bestimmte einzelne Ursachen zurückzuführen. Erstens verschlingen sich die Dinge hier wie überall im geschichtlichen Leben: der König übt einen stärkern Einfluß auf die Bischöfe aus, weil ihm in der allgemeinen Politik manches glückt oder günstig ist, und es glückt ihm manches in der allgemeinen Politik, weil er über die Bischöfe gebietet. Zweitens hat an der erneuerten Verfügung über die Bischöfe gewiß auch seine gewandtere und energischere persönliche Art Anteil, was wir nicht äußerlich abmessen können, wovon wir aber wohl einen Eindruck gewinnen. Ein viertes Moment, das uns die Wiederherstellung der königlichen Macht in Deutschland durch Friedrich verständlich



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machen könnte, dürfte in einem in jener Zeit neu aufkommenden oder stärker hervortretenden Staatsbewußtsein, in einer kräftigeren Betonung der Selbständigkeit des deutschen Königtums und Kaisertums liegen. Dies führt uns auf die viel behandelte Frage, ob und in welchem Maß das damals in Italien wieder aufgenommene Studium des römischen Rechts Friedrichs Politik beeinflußt und gefördert hat.14) Bedeutend ist dieser Einfluß gewiß nicht gewesen. Man hat jedoch mit Recht bemerkt, daß die Wiederaufnahme des alten Amtsstils der römischen Kaiser Barbarossa Waffen lieferte, um seine souveräne Majestät gegenüber von Anfechtungen, insbesondere von seiten des Papsttums, zu stützen.16) Indessen werden keineswegs alle Regungen staatlicher oder weltlicher Unabhängigkeit und Kraft, wie sie in der Zeit Friedrichs I. hervortreten, auf Berührungen mit alten römischen Einrichtungen und Vorstellungen zurückzuführen sein. Manche Äußerungen, die uns zunächst überraschen, werden verständlich, wenn wir uns bemühen, sie mit den tatsächlich vorhandenen deutschen Verhältnissen in Zusammenhang zu bringen. So überrascht uns die schroffe, gewaltsame Art, wie der bayerische Pfalzgraf Otto von Wittelsbach dem päpstlichen Legaten auf der Versammlung von Besançon (1157) gegenübertrat. Sie wird jedoch verständlicher, wenn man berücksichtigt, daß Otto in seiner engem Heimat derartige Zusammenstöße als Kirchenvogt mit seinem Bischof schon gehabt hatte.16®) Heftige Konflikte zwischen Vogt und Bischof oder Abt waren an der Tagesordnung. Der Gegensatz zwischen dem weltlichen Herrn und dem Prälaten trat in Besançon nur auf der größern Bühne der Reichsversammlung in die Erscheinung. Wir werden sagen dürfen, daß es nur etwas freierer Luft, einer stärkeren Entfaltung der königlichen Gewalt bedurfte, so zeigten sich die Laienfürsten ungenierter gegenüber der Kirche, wie anderseits die deutsche Prälatur ihre Selbständigkeit oder ihren Unwillen gegenüber der Kurie hervorkehrte. Sache des Königs war es dann, beide Gruppen in seinem Sinn zu verwenden, ohne daß die eine über oder gegen die andere aufgebracht wurde. Einer solchen Aufgabe hat sich Friedrich offenbar fähig gezeigt.161") Natürlich haben wir, wenn wir die kräftigere Betonung der Selbständigkeit des deutschen Königtums und Kaisertums in Friedrichs Zeit verständlich machen wollen, auch in Anschlag zu bringen, daß er durch die von ihm eingeschlagenen Wege seiner allgemeinen Politik seine tatsächliche Machtstellung so verbessert hatte, daß die Äußerungen des kräftigern staatlichen Bewußt-

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seins nur die andere Seite der gewandelten tatsächlichen Verhältnisse bedeuteten. Wir haben Friedrichs Politik als System geschildert. Es ist aber nicht notwendig, anzunehmen, daß er sie als bewußtes System empfunden hat. Bäthgen weist auf die hier zu berücksichtigende Gebundenheit des mittelalterlichen Individuums hin: von dem politischen System eines mittelalterlichen Staatsmanns wird immer nur in einem sehr begrenzten Sinn gesprochen werden können, insofern hier der eigene Anteil an der theoretischen Grundlegung des politischen Handelns im Verhältnis zu den durch die Tradition überkommenen Elementen ein vergleichsweise ziemlich geringer zu sein pflegt.18) Erinnern wir uns, daß Friedrich als Verwandter und Freund der Weifen aufkam. Er mag es nicht als Grundsatz empfunden haben, mit ihnen zusammenzuhalten; er setzte einfach das bisherige Verhältnis fort. Und mit der Freundschaft mit den Weifen war es ferner gegeben, daß er die, die nicht deren Freunde waren, zurücksetzte. Dies Bundesverhältnis trug gute Früchte: Friedrich konnte seine italienische Politik darauf stützen und hatte im Reich leidliche Ruhe. Die Bildung einer staufischen Hausmacht mag sich gleichfalls aus den gegebenen Verhältnissen sehr einfach ergeben haben. Friedrich war einer von den vielen Fürsten gewesen. Vielleicht setzte er gerade deshalb, weil er nicht Königssohn gewesen war, als König die fruchtbare Politik der Fürsten fort, nämlich den Erwerb namentlich der Kirchenvogteien. Und wiederum gerade in der Bundesgenossenschaft, in der er mit Fürsten als König stand, mußte er den Wunsch haben, hinter diesen an Macht nicht zurückzustehen, daher vor allem möglichst viel unmittelbaren Gerichtsbesitz zu erwerben. Als dann in der zweiten Hälfte seiner Regierung der Bruch mit Heinrich dem Löwen eintrat, ergab sich ganz von selbst, daß er ein Bündnis mit dessen Gegnern schloß: beide kamen aus gemeinschaftlicher Gegnerschaft gegen Heinrich zusammen und konnten ihre Ziele nur im Bündnis miteinander erreichen. Es blieb Friedrich nichts anderes übrig als das Bündnis mit den Gegnern seines früheren Bundesgenossen. Mit der Darlegung dieser soeben hier geschilderten Voraussetzungen wollen wir natürlich nicht die persönliche Tat Friedrichs ausschalten. Wenn es nicht notwendig ist anzunehmen, daß er seine Politik als bewußtes System formuliert hat, so bleibt es doch seine persönliche Tat, die Dinge, die in jenen Voraussetzungen beschlossen waren, in eigenem Entschluß ergriffen zu haben. Nicht jeder hätte dazu Fähigkeit und Entschlußkraft besessen.

— 97 — Wir haben bisher von der deutschen Politik Friedrichs gesprochen. Ein gewaltiges Gebiet stellt neben ihr seine italienische dar. Wie verhalten sich beide zueinander? Liegt zu Friedrichs Zeit schon so wie zu den Zeiten seines Enkels der Schwerpunkt seiner Politik in Italien? Ist Italien sein eigentliches Ziel und dienen ihm die deutschen Kräfte nur als Mittel zum Zweck ? 1 7 ) In der Beantwortung solcher Fragen werden wir gut tun, gerade auch im Zusammenhang mit den Erwägungen, die wir soeben angestellt haben, viel Zurückhaltung zu beobachten. Schwerlich hat sich Friedrich selbst die Frage klar beantwortet, ob ihm Deutschland oder Italien vornehmstes Ziel sei. Beschränken wir uns auf das tatsächliche Verhältnis zwischen seiner deutschen und seiner italienischen Politik, so werden wir allerdings feststellen, daß die deutsche überwiegend der italienischen hat dienen müssen. Die Kräfte Deutschlands sind überwiegend nicht für Zwecke Deutschlands, sondern für Zwecke Italiens, auf Italien und Rom, verwendet worden. Mit einer schmerzlichen Empfindung fügen wir hinzu: ein Glück, daß Friedrich nicht alle Kräfte des Reichs zur Verfügung standen, daß es Instanzen in Deutschland gab, wie das sächsische Herzogtum, die leidlich selbständig über starke Kräfte verfügten und sie für andere als italienische, nämlich rein deutsche, Zwecke verwandten. Wir nehmen bei Friedrich sogar eine gewisse Unruhe wahr, immer den italienischen Angelegenheiten sich zu widmen. In Deutschland strebt er femer nicht in gleichem Maß nach unmittelbar staatlicher Gewalt wie in Italien. Ein Programm wie das sogleich zu schildernde italienische von 1158 hat er für die innere deutsche Politik nicht aufgestellt. In Deutschland begnügte er sich damit, unmittelbar staatliche Macht in der Form der Hausmacht zu gewinnen. In Italien ging er darüber mit jenem Programm hinaus. Sein Bruch mit Heinrich dem Löwen erfolgte um Italiens willen, und aus dessen Niederwerfung hat er für Deutschland kaum einen Vorteil gewonnen. Dennoch wäre es wohl zu kühn, Friedrich jedes selbständige Interesse für Deutschland abzusprechen. Selbst bei Friedrich II., der sich doch gewiß wesentlich als italienischer Herrscher fühlte, vermögen wir nicht jeden unmittelbaren Anteil an den deutschen Dingen zu bestreiten.174) Man darf sich dessen Nachgiebigkeit gegenüber den Fürsten, wie sie sich in dem statutum in favorem principum (1231/32) kundgibt, nicht so denken, als ob er die königliche Hausmacht mit den königlichen Städten ganz preisgegeben hätte. Er verzichtete vielmehr vornehmlich nur auf ein weiteres Vordringen der königBeih. d. H. Z. 10.

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— 98 — liehen Städte gegenüber den Fürsten. Zwar ist ein Unterschied zwischen seiner Haltung und der seines Sohnes Heinrich VII. wahrzunehmen: dieser bewies größere Zähigkeit gegenüber den Fürsten. Immerhin hat doch auch der Vater in der Sache der Hausmacht bemerkenswerten Eifer gezeigt, nicht am wenigsten durch den Versuch, die (seit 1192 vereinigten) Herzogtümer Österreich und Steiermark in unmittelbar königlichen Besitz zu verwandeln. Wenn wir aber selbst bei Friedrich II. einen solchen Anteil an den deutschen Verhältnissen feststellen dürfen, so wird es daran bei Friedrich I. gewiß nicht gefehlt haben. Auch seine Gesetzgebung auf dem Gebiet der Landfriedensbestrebungen sei als Beweis herangezogen. Wir werden tiefer in die Sache eindringen, wenn wir die schon berührte Tatsache ins Auge fassen, daß Friedrich aus der Niederwerfung Heinrichs des Löwen kaum einen Vorteil für die deutsche Reichsgewalt gewonnen hat. Was bedeutet die Niederwerfung Heinrichs? Hampe (S. 162) faßt Friedrich und Heinrich in ihrem Konflikt als „Vertreter gewissermaßen der beiden großen Tendenzen, welche die deutsche Geschichte von den Anfängen bis auf Bismarck bewegt haben und die noch heute fortwirken". Diese Parallele dürfte doch ganz unangebracht sein. Bismarck sich als Fortsetzer der — italienischen — Politik Friedrich Barbarossas vorzustellen, ist doch grotesk. Bismarcks Politik war ja bodenständig stets in dem Sinn, daß er ein Eingreifen in fremde Sphären, wohin kein Lebensinteresse seines Vaterlandes rief, grundsätzlich vermied. Besser als die Hampesche Parallele ist schon der alte Vergleich der staufischen Politik mit der neueren österreichischen. Soll noch ein Vergleich aus der neueren Geschichte zur Verfügung gestellt werden, so mag man etwa mit der mittelalterlichen italienischen Politik die Politik vergleichen, welche im Krimkrieg diejenigen Politiker Preußen zumuteten, die es an der Seite der Westmächte sehen wollten, und an dem Widerspruch gegen sie sich Bismarcks politische Art vergegenwärtigen. Zweifel4os ist Bismarck eher mit Heinrich dem Löwen als mit Friedrich I. in Parallele zu stellen, so fern es uns liegt, die Bestimmung der Stellung beider durch den Vergleich irgendwie erschöpfen zu wollen17"1), und so wenig wir Heinrich etwas von nationalpolitischer Idee zuschreiben. Wir denken bei jener Parallele gerade an Heinrichs Stellung zur Zeit seines Konflikts mit Friedrich, an seine emsige und erfolgreiche politische Arbeit im Nordosten, aus der er sich nicht durch die italienischen Absichten des Kaisers



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herausreißen lassen wollte. .Wir halten es natürlich für sicher, daß er, falls er die Königswürde erlangt hätte, der verhängnisvollen Tradition der italienischen Politik ebenso wie Friedrich anheimgefallen wäre 17b ). Aber zur Zeit vertrat er Richtiges. Hampe fährt fort: „Für den Ausgang der lombardischen Kämpfe und damit des großen kirchenpolitischen Ringens ist dies Hineinwirken des deutschen Partikularismus möglicherweise von entscheidender Bedeutung geworden." Ohne Bedenken dürfen wir dies „möglichweise" in ein „ganz gewiß" verstärken. Sicher hat Heinrichs Zuzugsweigerung Friedrichs Sache in Italien zu Fall gebracht. Hampe sträubt sich gegen die volle Anerkennung dieser Tatsache offenbar deshalb, weil ihm als Verteidiger der italienischen Politik die Macht Friedrichs doch von selbständigerer Art, nicht SO abhängig von dem Fürstenbündnis erscheint, wie es tatsächlich der Fall war. Widersprechen aber müssen wir, wenn er hier wiederum Heinrichs Haltung lediglich als „Partikularismus" bezeichnet. Wäre die deutsche Geschichte reicher an solchem Partikularismus! Hampe entwirft später selbst (S. 167ff.) ein schönes Bild von den politischen Taten und Erfolgen Heinrichs im Nordosten. Er rühmt von ihnen (S. 168), daß sie „auch dem Reiche zugute kamen". Und er legt einige entscheidende Geständnisse ab. Er bedauert (S. 172)11*), daß mit der Niederwerfung Heinrichs sein alter Einfluß im Osten für immer dahin gewesen sei, „nicht zum Segen" der ostelbischen Gebiete. Über Friedrich lesen wir: „im Strome der großen Weltpolitik konnte er auf die Dauer den fernen Grenzgebieten des Nordostens nicht die gebührende Aufmerksamkeit schenken". Schlimm genug für diese „Weltpolitik"! Die Verteidiger der italienischen Politik pflegen sonst zu deren Gunsten geltend zu machen, daß der deutsche König sich Italien zugewendet habe, weil er daheim nichts zu tun fand. Mit jenem Satz Hampes ist doch kräftig genug dem Königtum Aufgabe und Arbeit in der Heimat zugewiesen. Wir dürfen wohl hinzufügen, daß Friedrich dem Nordosten seine Fürsorge nicht bloß deshalb nicht zuwandte, weil er durch Italien in Anspruch genommen, sondern auch, weil er durch seine italienische Politik schon zu sehr geschwächt worden war. Den Gegensatz zum Partikularismus bildet der Zentralismus. Darf man Friedrichs italienische Politik, der sich Heinrich der Löwe entzog, irgendwie Zentralismus in bezug auf Deutschland nennen ? Innerhalb Italiens zentralisierte Friedrich zwar. Es ist aber bezeichnend, daß eine solche Tendenz sich in seiner deutschen 1*



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Politik nicht findet. Er begünstigt hier vielmehr in weitem Umfange den Partikularismus, was deutlich in seinem fürstlichen Bündnissystem, jedoch auch bei andern Anlässen, z. B. der berühmten Privilegierung Österreichs im Jahre 1 1 5 6 und in der Privilegierung des Bischofs von Würzburg im Jahre 1168 zum Ausdruck kommt. Von einem Gegensatz von Zentralismus und Partikularismus darf man nur in dem ganz allgemeinen Sinn sprechen, daß der König etwas verlangt und der Reichsfürst es ablehnt. Hampe ist etwa von der Meinung beherrscht, daß sich die italienischen Wünsche Friedrichs — die er für sachlich berechtigt hält — wohl hätten erfüllen lassen, wenn nicht der dumme „Partikularismus" dazwischen gekommen wäre. Unser Eindruck ist dagegen der, daß der Widerstand, den Friedrich in Italien findet, nicht bloß verständlich, sondern auch berechtigt ist, daß italienische Städte und Papsttum Widerstand leisten müssen, daß das italienische Unternehmen des deutschen Königs auf die Dauer sich als eine Unmöglichkeit erweist; ebenso, daß die Zuzugsweigerung Heinrichs des Löwen dem Zwang der politischen Arbeit, in der er steht, entspricht, nicht als törichter Partikularismus aufgefaßt werden darf. Noch eigenartiger als Hampe äußert sich Haller (das altdeutsche Kaisertum, S. 219) über die Gründe der Niederwerfung Heinrichs. Er führt die Spannung, in deren Verfolg es zu ihr kam, auf die Ausbrüche persönlicher Leidenschaftlichkeit an „dem Tag von Chiavenna" zurück: „so ist nun einmal die Natur menschlicher Dinge, ein kurzer Augenblick aufwallender Leidenschaft kann das Schicksal ganzer Geschlechter bestimmen." Wir meinen denn doch, daß die tieferen Gründe, die hier entschieden, nicht schwer zu erkennen sind. Haller tritt für die Ansicht ein, daß Friedrich sich in Sachsen, während Heinrichs Pilgerfahrt, von den Befehlshabern, denen Heinrich seine Befestigungen anvertraut hatte, heimlich schwören ließ, sie würden ihm die Plätze ausliefern, falls der Herzog nicht zurückkehrte, und sieht hierin einen (Legnano vorausgehenden) Anstoß zum Zwist zwischen Kaiser und Herzog (der Sturz Heinrichs des Löwen S. 327). Wenn er dann diesen Umstand für seine These verwertet, daß es nicht politische, sondern rein persönliche Gründe waren, die den Zwist und Konflikt von Chiavenna herbeigeführt hätten (S. 344), so sehe ich in dem, was Haller hier im Auge hat, durchaus etwas politisches. Wenn er bei den Auseinandersetzungen in Chiavenna Mißtrauen, gekränkten Stolz usw.



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maßgebend sein läßt (S. 345), so haben doch diese Empfindungen als Unterlage durchaus politische Interessengegensätze. Die Arbeit, die Heinrich im Osten leistete, konnte er nur leisten, indem er sich entsprechend den Reichspflichten entzog: seit 1161 war er den italienischen Reichsunternehmungen ferngeblieben.17'1) Man denke sich einen König, der diese Pflichten im Osten erfüllte: der hätte — wie Heinrich der Löwe eben den italienischen Unternehmungen fern bleiben, sie unterlassen müssen ! Nach den bisher gemachten Beobachtungen werden wir die Frage, was die Niederwerfung Heinrichs des Löwen bedeutet, dahin beantworten, daß man in ihr keineswegs einen einfachen Sieg über den Partikularismus sehen darf, daß mit ihr vielmehr in erster Linie eine schöne vaterländische Arbeit zerstört wird. Ist sie ein Sieg über den Partikularismus, so nur ein momentaner, ein Sieg über eine momentane Auflehnung. Diejenigen, auf die Heinrichs Erbe überging, waren nicht weniger, sondern eher mehr Vertreter des Partikularismus als Heinrich der Löwe. Und es ist bezeichnend, daß das mit einem Stück von dessen Gebiet ausgestattete Erzstift Köln in nächster Zeit zwei Führer der Opposition gegen den König, Philipp und (zur Zeit Heinrichs VI.) Adolf, gestellt hat. Das Auftreten Philipps und Adolfs liefert schon eine Ironie auf den Satz, daß die Niederwerfung Heinrichs ein Sieg über den Partikularismus sei. Heinrich der Löwe ist weniger partikularistisch gewesen als die späteren Inhaber seiner Länder, weil er über größeres staatliches Gebiet verfügte und darum nach größeren staatlichen Gesichtspunkten handelte. Das war das Ungesunde des damaligen politischen Zustands Deutschlands, daß der Herrscher aus der Niederwerfung einer Opposition keinen Vorteil für die königüche Gewalt ziehen konnte. Friedrich, der Italien den Vorzug gab, hat den Osten ganz zweifellos vernachlässigt. Wir dürfen hier nicht Schönfärberei treiben.17®) Die Hauptsache haben die Grenzfürsten, namentlich Heinrich der Löwe getan. Eine Ausnahme bildet fast nur der polnische Feldzug (1157) Friedrichs. Die Worte Rankes, dies sei der Feldzug Friedrichs, der „in manchem Betracht der wichtigste von allen ist", und dies die Tat Friedrichs, die „die wirksamste geblieben ist", mit der Anbahnung des Anschlusses Schlesiens an das Deutsche Reich, sind leider Wahrheit. Diese beiden Sätze Rankes (Weltgesch. Bd. 8, S. 165) enthalten aber zugleich eine furchtbare Kritik der gesamten italienischen Politik. Denn wie sehr tritt jener Feldzug gegen die großen italienischen mit



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ihren bedeutenden Aufwendungen zurück! Es kommt hinzu, daß Friedrich den polnischen Feldzug mit böhmischer Hilfe unternommen und dem böhmischen Herzog dafür ein Zugeständnis gemacht hat 17 '). Lehrreich ist ferner der Anlaß zu dieser Heerfahrt: sie wird unternommen erstens, weil der Polenherzog dem Kaiser zu dem beabsichtigten Zug nach Italien Heeresfolge zu leisten sich weigert, zweitens zum Zweck der Restituierung eines Bruders des Polenherzogs, eines kaiserlichen Verwandten. Wie man sieht, bildet der Feldzug — der an sich eine so bedeutungsvolle Wirkimg geübt hat — nicht ein Glied eines einheitlichen Ganzen, sondern macht ein Gelegenheitsunternehmen aus. Lehrreich ist endlich, zu beobachten, wie die italienischen Dinge die schnelle Erledigung des polnischen Konflikts hinderten. Der Polenherzog stellte sich nicht dem kaiserlichen Gericht, wozu er sich nach seiner Niederlage verpflichtet hatte. „Er mußte somit abermals zum Gehorsam gebracht werden. Fürs erste freilich drängte der italienische Krieg mit seinen Vorbereitungen und Anforderungen: so vertagte Friedrich die polnische Angelegenheit bis nach dem Römerzug. Daß Boleslaw nun auch an diesem nicht teilnahm, war ein neuer Eidbruch, aber die selbstverständliche Folge des ersten. Der neue Zug nach Italien (1158—1162) dauerte viel länger, als der Kaiser geplant hatte." 17 ®) So konnte Boleslaw erst 1163 zur Restituierung (jetzt seiner Neffen, da der Bruder inzwischen gestorben war) genötigt werden. Diese Verhältnisse, die an unsere Beobachtungen bei der Regierung Heinrichs II. erinnern, zeigen uns an ihrem Teil von neuem, wie sehr Deutschland gegenüber Italien in Friedrichs Politik zurücktritt. Ein bestimmtes Ziel der auswärtigen Politik in bezug auf Deutschland wird man bei Friedrich vergeblich suchen. Die Behandlung des Erbes Heinrichs und die gesamte Ostpolitik zeigen, daß er ein selbständiges Ziel nicht verfolgt. Die Ost- und Nordgrenze bleibt der Hauptsache nach der Wahrung durch die Fürsten überlassen; Friedrich ist nicht ganz ohne Interesse für sie; vereinzelt greift er ein, aber nur ganz gelegentlich. Die Westgrenze zeigt zu seiner Zeit keine erheblichen Schwierigkeiten. Friedrichs Verhältnis zu Frankreich und England ist wesentlich nur durch seine italienische Kirchenpolitik, seine Papstpolitik bestimmt. Von konkretem Inhalt ist seine auswärtige Politik lediglich nach Süden, nach Italien hin. Im übrigen sind Friedrichs Ziele für Deutschland dahin gerichtet, daß er sich hier in leidlich königlicher Stellung behauptet, welchem Zweck seine Bündnispolitik, die Begründung einer königlichen Hausmacht und die

— 103 — Beherrschung des Episkopats dienen, und daß der Friede im Lande aufrechterhalten und gefördert wird. Für diese Ziele hat er zweifellos Energie aufgebracht (wie auch seine Nachfolger Heinrich VI. und Friedrich II., deren Politik noch mehr als die seinige nach Italien orientiert war); nur daß seine Bemühungen hier stets gegenüber dem Interesse für Italien zurückstehen müssen. Das gegenseitige Verhältnis der deutschen und italienischen Politik ist aber auch noch ganz anders aufgefaßt worden. Wir werden noch von Schäfers Meinung sprechen, daß die deutsche Lage Friedrich zur italienischen Politik gezwungen habe. Eingehender setzen wir uns hier mit einer der unserigen direkt gegenüberstehenden Auffassung auseinander: Die U n t e r w e r f u n g I t a l i e n s soll einer s p e z i f i s c h d e u t s c h e n Politik g e d i e n t haben: Friedrich habe eine von den Fürsten unabhängige Machtstellung des Königs außerhalb Deutschlands, die Steuerquellen der italienischen Städte, die Stütze an dem in Italien schon ausgebildeten Berufsbeamtentum zu gewinnen gestrebt, um von da aus dann in Deutschland mächtiger zu werden.18) Gegen diese Meinung bleibt zu sagen, daß sie in den Quellen keinerlei Anhaltspunkte, auch nicht einmal andeutungsweise, findet, daß sie aber vor allem das klar sichtbare Verhältnis umkehrt. Friedrich unternimmt seine Züge nach Italien, weil und soweit er in Deutschland Macht besitzt, soweit das Bündnis mit der betreffenden Fürstengruppe ihm das militärische Unternehmen gestattet. Und wir beobachten, wie seine Versuche in Italien zusammenbrechen — Schlacht von Legnano! — sobald die von der Fürstengruppe erwartete Unterstützung ausbleibt. Gegen die bei Friedrich vorausgesetzte Absicht würde an sich noch nicht der Umstand sprechen, daß die ihm zugeschriebene Politik mißlingt. Es sei jedoch hervorgehoben, daß er durch die italienischen Unternehmungen keineswegs eine unabhängige Machtstellung außerhalb Deutschlands gewonnen, vielmehr stets nur auf deutschem Boden ein Retiro gesucht hat, daß die italienischen Finanzen, welche er etwa erntete, zweifellos dort aufgebracht worden sind19), namentlich für seine dort tätigen Söldner, daß er endlich Deutsche als regelrechte Beamte in Italien, Deutsche auch als regelrechte Beamte innerhalb seines deutschen Hausmachtsgebietes verwendet hat. Er hatte „das in Italien schon teilweise ausgebildete Berufsbeamtentum «nicht für Deutschland nötig. Die Begründung einer Hausmacht bedeutet schon für sich, wie wir erwähnt haben, das Zurückdrängen der lehnsweisen Verwaltung der entsprechenden Ämter, wie auch die Be-

— 104 — grtindung der Territorien den Ausschluß der lehnsweisen Übertragung der Ämter innerhalb des territorialen Gebiets bedingt.20) Das Motiv für die italienische Politik Friedrichs liegt ganz gewiß lediglich in der Wirkung, die die Tradition der alten kaiserlichen Politik auf ihn wie auf seine Vorgänger und Nachfolger ausgeübt hat, lediglich oder wenigstens so wesentlich, daß andere Motive, etwa ein größeres Maß von persönlichem Ehrgeiz, jenem gegenüber in der Wagschale kaum etwas ausmachen. Nur in der Art, wie er in Italien auftrat, in der Folgerichtigkeit, mit der er den Plan der Unterwerfung des Landes durchzuführen suchte, wird man einen Unterschied zwischen ihm und andern Kaisern zugeben kpnnen. Mittel für die deutsche Politik Friedrichs ist also seine italienische Politik ganz gewiß nicht gewesen. Wohl aber ist die deutsche — wenn auch nicht vollständig — Mittel für die italienische gewesen. Den Einfluß der gesamten italienischen Politik der mittelalterlichen Herrscher auf die deutsche Verfassung und doch wohl auch die vorwaltende Neigimg der Kaiser, wie eines Friedrich, nach Italien hin, dürfen wir gewiß in der Tatsache ausgedrückt sehen, daß die einzige unbedingte Heerespflicht des mittelalterlichen Deutschen der Zug zum Erwerb der Kaiserkrone war. Wenn daneben noch die Pflicht zur Landesverteidigung hinzutritt, so erscheint diese überwiegend schon in der Form der Verteidigung nur des heimischen Territoriums.21) Der Italienzug nimmt wohl die gute Hälfte der Pflichten der Reichsfürsten in Anspruch.22) Für die italienische Politik also wird ein so großer Teil der Reichsleistungen verbraucht. Was war nun aber das besondere Ziel in Friedrichs italienischer Politik? Man bezeichnet als Ziel von Friedrichs italienischer Poütik nicht ohne Grund die Wiederherstellung der Reichsgewalt. Es war dies gewiß die Vorstellung, von der er sich leiten ließ. Wir müssen uns jedoch gegenwärtig halten, daß der deutsche König nie eine wahre, unmittelbar staatliche Gewalt über Italien ausgeübt hat. Erstens hat er dort nur mehr oder weniger intermittierend geherrscht; zweitens stand ihm in den Zeiten, in denen er über Italien herrschte, bloß an einigen Orten unmittelbar staatliche Gewalt zu. Der Hauptsache nach besaßen diese die weltlichen und geistlichen Großen und neben ihnen bald die Städte, zuletzt mehr diese als jene. Der König hatte lediglich eine Oberhoheit über sie, und seine Herrschaft in Italien beruhte,

— 105 — wovon wir schon früher gesprochen haben, großenteils darauf, daß er eine Gruppe der lokalen Gewalten an sich zog. Die Verfassungsentwicklung Italiens ist der deutschen insofern ähnlich, als hier wie da staatliche Gerichtsbezirke von den Grafen in Menge auf Bischöfe und Äbte übergehen. In Italien sind jedoch die geistlichen und weltlichen Heeren zweifellos stets selbständiger gegenüber dem König gewesen als in Deutschland. Ein Unterschied besteht ferner darin, daß in Italien die Städte schneller und vollständiger auf Kosten der Bischöfe und Grafen vordringen. Mit jenem Umstand, daß die Herrschaft des Königs großenteils darauf beruhte, daß er eine Gruppe der lokalen Gewalten an sich zog, hängt die Privilegienerteilung als ein wesentliches Mittel der Politik zusammen: der König erteilt Privilegien als Belohnung für geleistete Dienste oder zum Zweck der Gewinnung von Anhängern. Natürlich war dieses politische Mittel zugleich ein Mittel der Förderung und Stärkung der partikularen Gewalten. Als nun Friedrich I. im Jahre 1158 sein großes Programm von der Rückforderung der königlichen Rechte vorlegte, da konnte die von ihm geforderte Wiederherstellung der Reichsgewalt wohl die Wiederherstellung der karolingischen staatlichen Stellung bedeuten. Ein deutscher König hatte dagegen die entsprechenden Rechte, wenn überhaupt, nur dem Namen und der Form nach besessen. Was Friedrich unternahm, war daher vielmehr erstmalige Aufrichtung der Staatsgewalt. Er verzichtete übrigens darauf, durchweg die unmittelbare Staatsgewalt für sich zu beanspruchen: denen, die sich über den Besitz von Regalien durch Privileg ausweisen konnten, beließ er sie. Dies Zugeständnis kam jedoch nur wenigen zustatten. Denn zu seiner Zeit hatten in Oberitalien meistens und in Mittelitalien vielfach die schnell aufblühenden Städte die Bischöfe und Grafen schon aus ihrer Herrschaftsstellung verdrängt. Weil aber ihre Gewalt eine usurpatorische war, konnten sie keine urkundliche Verbriefung über den Besitz der Regalien vorweisen. Man fertigt heute die Inanspruchnahme der Regalien in den italienischen Städten durch Friedrich nicht mehr mit dem einfachen Schlagwort »Reaktion « aai ) ab, sondern macht geltend daß er damit zentralistischen Bestrebungen oder dem Ziel der Herstellung einer annähernden Beamtenregierung folgte. Gerade aber, wenn wir uns derartige Gedanken als Ziele der italienischen Kaiserpolitik vergegenwärtigen, erkennen wir deren phantastischen Charakter. Es steht zwar nicht so, als ob wir solche Ziele als unzeitgemäß bezeichnen müßten. Sie sind vielmehr im Mittelalter an mehreren



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Stellen, und zwar mit Erfolg unternommen worden, zum Teil auch bereits in Friedrichs Zeit und früher. Wir nennen England, den süditalienischen Normannenstaat, Frankreich, das deutsche Territorium (wozu wir auch, wie oben Mb ) bemerkt, die königliche Hausmacht rechnen). Allein der Unterschied ist der, daß man hier in langer und zäher Arbeit das Ziel verfolgt hat, während die deutsche Kaiserpolitik in Italien zunächst ein paar Jahrhunderte hindurch auf Stärkung der partikulären Gewalten hinwirkt, um dann plötzlich einen gewissen Zentralismus und eine Beamtenregierung zu fordern. Man wird die Arbeit der französischen Könige nicht gering schätzen, trotzdem sie erst in Jahrhunderten ihr Ziel und auch nur leidlich vollständig erreicht haben. In England wurde eine schnellere Entwicklung nur dadurch möglich, daß die Normannen hier als energische Eroberer ihre Regierung aufgerichtet hatten; auch hatte es schon im voraufgegangenen angelsächsischen Staat nicht eine solche Selbständigkeit der lokalen Gewalten gegeben wie in Italien. Die Schnelligkeit der Entwicklung im süditalienischen Normannenreich erklärt sich auf ähnliche Weise wie in England, wobei die Übertragung fertiger Einrichtungen von dort mit in Betracht zu ziehen ist. Bei den deutschen Territorien war die erste Grundlegung eine Ausschließung der partikular-feudalen Gewalten; und dennoch haben sie lange Zeit gebraucht, um den Gedanken einer Beamtenregierung in ihrem ganzen Gebiet zum schärfern Ausdruck zu bringen. Dagegen Friedrich I. wollte in Italien mit einem Male mehr durchsetzen, als zu seiner Zeit etwa der süditalienische Normannenherrscher besaß. Und die partikularen Gewalten, mit denen er es zu tun hatte, waren so kräftig wie nirgendwo sonst: es waren die italienischen Kommunen, die eben zu ihrer Glanzzeit aufstiegen. Wenn Friedrich sich vorerst in Italien behauptete und auch einige Erfolge errang, so geschah es einmal, weil ihm das durch seine Bündnispolitik geeinigte Deutschland seine Kräfte zur Verfügung stellte, sodann durch die Erneuerang der Politik, wie sie die frühern Herrscher mit der Begünstigung einer Gruppe von lokalen Gewalten in Italien getrieben hatten. Früher hatte der König, um sich in Italien zur Geltung zu bringen, eine Gruppe von Herren an sich gezogen und in ihren Wünschen unterstützt. Jetzt machte es Barbarossa ebenso mit einer oder mehreren Gruppen von Städten28®). Er zog Vorteil davon, daß die kräftigen italienischen Kommunen, gerade weil sie so mächtig und selbständig geworden waren, um den Vorrang und die gegenseitige

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Beherrschung miteinander stritten. Allein diese Verhältnisse ermöglichten ihm nur eben, daß er sich behauptete. Sein Ziel hat er fortschreitend weniger erreicht. Das alte System der Privilegienerteilung wandte er jetzt in der Weise an, daß er den ihm treuen Städten die Selbstregierung, die sie vor 1158 gehabt hatten, mit kleinen Einschränkungen und Unterschieden zurückgab. Schließlich mußte er sein Programm von 1158 vollständig opfern. Hatte er 1158 eine unmittelbare staatliche Gewalt erstrebt, so begnügte er sich im Konstanzer Frieden von 1183 mit einem bloßen Verhältnis der Überordnung der königlichen Gewalt. An diesem Gegensatz gemessen, bedeutet der Friede von Konstanz ein Fiasko der Politik Friedrichs. Als die andere Seite der Sache stellt sich sein jetzt hervortretendes Streben dar, sich eine Hausmacht in Italien zu begründen. Gleichzeitig schließt er mit der mächtigsten Kommune, Mailand, ein Bündnis (1185), mit dem besondem Zweck der Unterstützung bei der Schaffung und Verteidigung der italienischen Hausmacht, eines besonderen königlichen Territoriums in Italien. Die Gründung dieser Hausmacht, die dem Kirchenstaat bedrohlich nahe lag, die damit verquickte Frage der mathildischen Güter und die wenig jüngere Anbahnimg der Vereinigung des Normannenstaats mit dem Deutschen Reich machen aber dem Kaiser den Papst zum Gegner. Vorerst hielten es freilich die Päpste, die sich von den Römern bedrängt sahen, mit einer Ausnahme für zweckmäßig, sich mit Friedrich gut zu stellen. Eben dahin wirkte die Idee eines neuen Kreuzzugs. Friedrich wird den Kreuzzug mit dem Gedanken angetreten haben, daß er nach seiner Rückkehr das Unvollendete zum Abschluß bringen könne. Tatsächlich waren doch unversöhnliche Gegensätze nur überwölbt, und der kaiserlichen Macht standen Mächte von nachhaltigerer Kraft gegenüber. Fassen wir die Geschichte der Politik Friedrichs kurz zusammen. Er sichert sich in Deutschland durch eine bestimmte Bündnispolitik, erneuert unter Ausnutzung der kirchenpolitischen Situation den starken Einfluß auf das Bistum und schafft sich als Ergänzung zu seiner Bündnispolitik eine deutsche königliche Hausmacht. Die so bereitgestellten bedeutenden deutschen Kräfte verbraucht er auf Italien, um hier eine unmittelbare königliche Gewalt zu gewinnen. Der Versuch scheitert durchaus. Friedrich begnügt sich jetzt mit einer gewissen Oberhauptstellung in Italien. Um zu dieser, die materiell nicht viel bedeutet, noch etwas Reales hinzuzufügen, wendet er nun auch auf Italien die Mittel der Bündnispolitik und der Begründung einer Hausmacht



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an. Die Schaffung dieser Hausmacht und ferner die Verbindung Siziliens mit dem Reich bringen aber einen neuen Gegensatz der Kurie gegen das Kaisertum hervor. Auch ein neuer Gegensatz italienischer Städte gegen den Kaiser stellt sich ein. Dauerndes hat Friedrich nicht in Italien hinterlassen. Sein Enkel hat noch einen gewaltigen Kampf führen können, weil er als Erbe Siziliens über dessen Hilfsmittel verfügte und deutsche Kräfte gegen Veräußerung von Reichsrechten herbeizog. Mit dem Ende der Staufer erreicht aber auch die italienische Kaiserpolitik ihren wesentlichen Abschluß. Nichts Greifbares bleibt von ihr in Italien. Das deutsche Königtum ist durch das fortdauernde Unglück der italienischen Politik so ruiniert, daß es, trotzdem die Idee des Kaisertums weiter lebt, ein halbes Jahrhundert lang keinen Versuch machen kann, das Kaisertum zu erneuern, und später über ein schwächliches Kaisertum nicht mehr hinauskommt. Das Resultat der italienischen Kaiserpolitik, der staufischen Politik, ist die Kleinlichkeit der deutschen Verhältnisse. Die Staatsgewalt ist in Deutschland aufgeteilt auf das Reich und die Territorien. Das Reich hat nicht viel Gewalt und die Territorien je für sich wenig. Die andern abendländischen Staaten, Frankreich, England, haben große Verhältnisse, bringen namentlich auch ein zahlreiches und fortschreitend ausgebildetes Beamtentum hervor, das sich nachher in der Zeit der Rezeption des römischen Rechts bewährt. Nur Machtbesitz vermag ein derartiges Beamtentum zu schaffen. Wir begegnen in unserer Literatur oft Betrachtungen über die Einwirkung des italienischen Beamtentums auf das deutsche.®) Demgegenüber sei betont, daß der italienische Normannenstaat die Grundsätze und Einrichtungen des Beamtentums von England und der Normandie übernommen hat und daß dem Deutschen Re ch und seinen Territorien bei der Kleinheit ihrer Verhältnisse nicht irgendein Vorbild zu einem großen Beamtentum verhelfen konnte, sondern nur die Schaffung eines großen Staatsverbandes, wie es in spätem Jahrhunderten mit Preußen geschehen ist. Zu der knappen Skizze der italienischen Politik Friedrichs I., die wir soeben gegeben haben, fügen wir noch einige Ergänzungen hinzu. J . Ficker, der die Verbindung Siziliens mit dem Deutschen Reich scharf tadelte, war, wie wir wissen, ein Verteidiger der italienischen Politik der deutschen Kaiser an sich; die Verbindung von Mittel- und Oberitalien mit dem Deutschen Reich hielt er für etwas durchaus Richtiges. So konnte er auch Friedrich I.,

— 109 — der diesem Ziel zunächst gelebt hatte, insofern nicht verdammen und seine italienische Politik, abgesehen von den spätem italienischen Beziehungen, nicht an sich verurteilen. Sympathisch mußte ihm besonders die Lösimg sein, die im Venediger und im Konstanzer Frieden getroffen worden war: die Herstellung eines Friedenszustandes, der beide Teile, den Kaiser wie die Kurie und die italienischen Städte, befriedigte. Oder vielmehr, Ficker gab den Friedensschlüssen von Venedig und Konstanz eine ideale Deutung. Wenn früher der Konstanzer Friede als ein Verzichtfriede dargestellt worden war, so sah Ficker in ihm einen Erfolg des Kaisers, und seine Beweisführung stellt sich als eine Rechtfertigung des Kaisers dar. Von der gleichen Auffassimg ist die Untersuchung von Fickers Schüler, P. SchefferBoichorst, »Friedrichs I. letzter Streit mit der Kurie«, getragen. Es steht aber die Gesamtauffassung des letzten Jahrzehnts der Regierung Friedrichs bei Ficker und Scheffer-Boichorst unter jenem Zeichen: Friedrichs Politik ist glücklich und erfolgreich. Fickers Auffassimg ist herrschend geworden. Neuerdings wird sie insbesondere geteilt von den beiden Forschern, die jene Jahre am eingehendsten und gründlichsten dargestellt haben, von Hampe und Haller. Wir kennen beide zugleich als Anhänger der großen These Fickers. Es ist begreiflich, daß Ficker das Bedürfnis empfand, in der italienischen Politik der deutschen Kaiser einen guten Sinn nachzuweisen, und sie in dem Rahmen, innerhalb dessen er sie anerkannte, nicht mit einem Fiasko endigen lassen wollte und konnte. Hätte er ein solches zugegeben, so wäre ja Sybel sofort gerechtfertigt gewesen. Und verständlich ist es auch, daß Haller und Hampe als Gesinnungsgenossen Fickers ein Interesse daran haben, den Erfolg der Politik Friedrichs in seinen letzten Jahren laut zu betonen. Hampe gibt in seinen „Saliern und Staufern" dem betreffenden Kapitel die Überschrift: „Die Zeit der letzten großen Erfolge Friedrichs I. 1178—ii9o". i M ) Daß die Niederwerfung Heinrichs des Löwen kein großer Erfolg Friedrichs war, haben wir schon bemerkt: wenigstens soweit der Erfolg groß war, fiel er den Fürsten, den fürstlichen Gegnern Heinrichs, nicht dem Kaiser zu.23) Daß auch die folgenden Ereignisse keinen großen Erfolg Friedrichs bedeuten, das haben wir ebenfalls schon kurz ausgesprochen; wir werden es uns aber sogleich noch genauer vergegenwärtigen. Wir stützen uns hier auf die eindringende Untersuchung Walter Lenels „Der Konstanzer Frieden von 1183 und die italieni-

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sehe Politik Friedrichs I.", Histor. Zeitschr. Bd. 128, S. i89ff. Lenel widerlegt die Deutung des Konstanzer Friedens und der weitern Aktionen Friedrichs, wie wir sie bei Ficker, SchefferBoichorst, Haller und Hampe finden. Er erklärt dabei, zu der allgemeinen Frage der Berechtigung der italienischen Kaiserpolitik nicht Stellung nehmen zu wollen. Mit Rücksicht auf diese seine Haltung sind wir berechtigt, ihn als unparteiischen Zeugen für unsere Anschauimg namhaft zu machen. Aber jeder, der Lenels Abhandlung liest, wird sich mit überwältigender Kraft zu unserer Anschauung, zu unserer Ablehnung der italienischen Kaiserpolitik überhaupt hingezogen fühlen. Die Argumente, die Tatsachen Lenels sind so stark, daß seine Beweisführung sich wie eine Ironisierung der gegenseitigen Auffassung ausnimmt, so wenig er die Verdienste Fickers, Scheffer-Boichorsts und Hallers um die Aufhellung jener Jahre unterschätzt und so wenig er den wissenschaftlichen Ernst der Hampeschen Darstellung in Zweifel zieht. Wie Schuppen muß es jedem Leser von den Augen fallen, wenn er sich aus Lenels Abhandlung davon überzeugt, wie nur die allgemeine These von der Berechtigimg der italienischen Kaiserpolitik Ficker und seine Anhänger davon abgehalten hat, die Schwäche der politischen Position Friedrichs zu erkennen. Der entscheidende Gegensatz zwischen Friedrichs Programm von 1158 und dem Konstanzer Frieden liegt, wie wir schon andeuteten, darin, daß er damals unmittelbare Gewalt haben wollte, jetzt sich dagegen mit einer bloß übergeordneten begnügte. Und diese war noch dazu recht löcherig.84) Das tatsächliche Verhältnis ist dies, daß das kaiserliche Recht formell anerkannt wird, während materiell die Lombarden im Vorrang sind. Des Kaisers Herrschaft über Italien bleibt formell anerkannt; aber der Lombardenbund lebt als ein Staat im Staat fort. Diplomatisch endlich wird dem Kaiser mancherlei zugestanden, was jedoch praktisch nicht zur Durchführung gelangt. „Von der Einholung der Investitur (gemeint ist die in Aussicht genommene Investitur durch den Nuntius) in dem vorgeschriebenen Umfang findet sich keine Spur; an eine entsprechende Leistung des Treueids ist noch viel weniger zu denken; die Ausübung der Appellationsgerichtsbarkeit durch Einheimische nach Ortsgebrauch war politisch bedeutungslos."26) Das Fodrum, das nach der Auffassung Giesebrechts und Hampes dem Kaiser, so oft er nach Italien kam, geleistet werden mußte, ist tatsächlich genau im Sinn der ursprünglichen Forderung der Liga nur beim Römerzug eingehoben worden.24) „Der

— 111 — Kaiser resigniert, um die Zusage der Liga zu erlangen, und die Liga sagt zu, weil der Kaiser resigniert."*7) „Die Vergangenheit wurde gleichsam liquidiert, aber so, daß zugleich ein Aktions programm für die Zukunft entworfen wurde." 18 ) Dieses Aktionsprogramm richtet sich auf die Erlangung der Hilfe der Liga für die Behauptung oder Wiederherbeischaffung der kaiserlichen Rechte und Besitzungen. Scheinbar wird eine formelle Verpflichtung der Liga zur Hilfeleistung begründet. Tatsächlich handelt es sich doch wesentlich nur um ein Bundesverhältnis, wie denn Friedrich auch zwei Jahre später (1185) ein Bündnis mit der mächtigsten Lombardenstadt, Mailand, schließt.*8») Der Kaiser wird weiter mit der Liga wie mit einer gleichstehenden Macht Politik treiben. Es wird dann auf die allgemeinen Konstellationen ankommen. Der Kaiser kann die Liga auf seiner Seite haben, aber auch als seinen Gegner. Die Erfahrungen von Friedrichs Nachfolgern zeigen, daß es in Wahrheit so gewesen ist. Es sind die Zeiten eines Bündnisses zwischen Lombarden und Papsttum wiedergekehrt, wie in Friedrichs frühern Jahren. Den Papst suchte Friedrich in ähnlicher Weise für die Anerkennung der kaiserlichen Rechte und Besitzungen zu gewinnen, wie die Liga für die Unterstützung bei deren Behauptung oder Wiederherbeischaffung. Lenel18) legt dar, wie die sich um Ficker gruppierenden Historiker auch hier die Erfolge der Politik Friedrichs zu günstig beurteilen. Was aber hatte Friedrich konkret im Sinn, wenn er die Liga und den Papst für die kaiserlichen Rechte und Besitzungen einspannen wollte ? Lenel*0) meint, daß sein Ziel zu Beginn seiner Regierung „auf die Begründung eines großen zusammenhängenden Territoriums in der Lombardei gerichtet" gewesen sei, während jetzt „eine Wiederaufrichtung der kaiserlichen Herrschaft außerhalb des Machtbereichs der Liga von Mittelitalien her in Angriff genommen wurde". Wäre diese Auffassimg richtig, so würde es sich in erster Linie nur um einen geographischen Unterschied handeln. Wir sehen dagegen, wie schon oben kurz bemerkt, den Unterschied auf dem Gebiet der Verfassung. 1158 beanspruchte Friedrich doch die Regalien in Italien schlechthin; das war die Hauptsache. Wenn er sie denen, die sich urkundlich über ihren Besitz ausweisen konnten, belassen wollte, so war das Nebensache, und nur wenige konnten ja einen solchen Nachweis erbringen. Hätte Friedrich seine Forderung von 1158 verwirklichen können, so wäre ihm in Italien die unmittelbar staatliche Herrschaft wesentlich zugefallen. 1183 aber verzichtet Friedrich



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auf die unmittelbar staatliche Gewalt über Italien im ganzen, insbesonderenatürlich den lombardischen Städten gegenüber, von der Erkenntnis aus, daß es ihm unmöglich geworden sei, sie zu erringen, und begnügt sich mit der im Konstanzer Frieden wenigstens formell zugestandenen Oberhoheit, während die unmittelbar staatliche Gewalt den Städten bleibt. Dafür bemüht er sich aber jetzt in Mittelitalien, bzw. von hier aus in Anknüpfimg an die mathildischen Besitzungen und älteres Reichsgut ein königliches Territorium zu schaffen, ein Gebiet, auf dem ihm ebenso die unmittelbar staatliche Gewalt zusteht, wie den Ligastädten in ihrem Gebiet. Die Schaffung dieses königlichen Territoriums bietet die Ergänzung zu dem Verzicht auf die Herstellung der unmittelbaren königlichen Herrschaft in der Lombardei. Sie bildet eine Parallele zu der entsprechenden, zeitlich vorangehenden, Schöpfimg Friedrichs auf deutschem Boden. Das Verhältnis dieses Territoriums zu dem ältern Reichsgut in Italien ist gleichfalls ähnlich dem Verhältnis des deutschen königlichen Territoriums zu dem ältem deutschen Königsgut: beide Male besteht die Tendenz zu räumlicher Zusammenfassung und die größere Wertschätzung der Gerichtsbezirke. Freilich ist das Territorium, das Friedrich sich hier einzurichten bemüht, von besonderer Art. 31 ) Auch hier gab es, wie in Oberitalien, Städte, zum Teil kräftig heranwachsende Städte. Wie stellte sich Friedrich zu ihnen ? Er empfand sie, kurz gesagt, als unbequem. Nach Möglichkeit beschnitt er ihre Rechte. Aber recht umfassend es zu tun, vermochte er nicht. Er ließ ihnen die Selbstverwaltung (Herrschaft) und engte sie nur räumlich ein, auf das Stadtgebiet und einen fest begrenzten Umkreis. Einer Stadt, wie Pisa, wurde sogar die gesamte alte (ihr 1162 zuerkannte) Freiheit belassen. Der Kaiser erscheint wie ein Verbündeter von ihr.32) Soweit die Stellung der Städte eingeschränkt wird, geschieht es namentlich auch dadurch, daß der ländliche Adel von ihrer Herrschaft befreit wird. Die Herstellung der Reichsherrschaft bedeutet hier zum guten Teil: Befreiung von städtischer Herrschaft. Der ländliche Adel wird privilegiert, auf Kosten der Städte begünstigt, ihm der besondere unmittelbare Gerichtsstand vor dem Kaiser gewährt (d. h. der entsprechende städtische ausgeschlossen), ihm eigene bedeutende Gerichtsbarkeit zugestanden.ss) Das italienische Territorium präsentiert sich in mancher Beziehung wie ein Territorium mit Ausschluß der Städte.34) Auch dabei erhalten wir wieder den Eindruck, daß der Kaiser mehr Bundes-

— 113 — genossen als unmittelbare Herrschaft sucht. Bei dem deutschen königlichen Territorium vefhielt es sich anders. Hier sehen wir nicht die Tendenz auf Begünstigung lokaler ländlicher Gewalten gegenüber den Städten; eher bilden die Städte den Mittelpunkt des königlichen Territoriums. Wenn der König die Herrschaft über sie festhält, so spricht das ja nicht dagegen, sondern dafür. Der König bemüht sich, Städte den Landesherren zu entziehen und sie seinem Territorium einzuverleiben. Eine Zeitlang dringen die königlichen Städte mit königlicher Zustimmung auf Kosten der benachbarten Landesherren vor. Jener problematische Charakter des kaiserlichen Territoriums in Italien stammt wiederum daher, daß das Kaisertum dort keine bodenständige Gewalt war. Aber das italienische Territorium des Kaisers hatte in Italien auch einen grundsätzlichen Gegner, den Papst, der dadurch den Kirchenstaat bedroht sah, während die deutschen Landesherren im einzelnen zwar mit dem königlichen Territorium in Konflikt gerieten, aber dem König nicht grundsätzlich ein Territorium bestritten. Friedrich bemühte sich nun, den Papst zur Anerkennung seines Territoriums zu bringen. Die Gelegenheit dazu war günstig, weil die Kurie in jenen Jahren dauernd die römische Stadtgemeinde zum Gegner hatte, die das gleiche Selbständigkeitsbestreben dem römischen Bischof gegenüber bekundete, wie es die oberitalienischen Kommunen ihrem Bischof und nachher dem Kaiser gegenüber bekundet hatten. Die Verteidiger der italienischen Kaiserpolitik haben die Bemühungen Friedrichs, in Verhandlungen mit dem Papst zum Ziel zu gelangen, merkwürdig optimistisch geschildert. Wie bei der Deutung des Konstanzer Friedens hat hier die Kritik Lenels ebenso fruchtbar eingesetzt. Es ist köstlich charakteristisch, wie die Verteidiger der italienischen Kaiserpolitik sich über die Verhandlungen Friedrichs mit der Kurie äußern. Vergegenwärtigen wir uns die Ziele des Kaisers: er wünschte den sichern Besitz eines bestimmten territorialen Gebiets (namentlich des mathildischen Erbes) und die Kaiserkrönung seines Sohnes bei Lebzeiten des Vaters. Es lag auf der Hand, daß die Kurie diese Wünsche mit Bedenken betrachtete. Wenn sie sich damals durch die Haltung der römischen Gemeinde auf die kaiserliche Seite gewiesen sah, wenn sie nicht viel Selbständigkeit aufbringen konnte, wenn mehrere Päpste in jener Zeit auch persönlich dem Kaiser freundlich gegenüberstanden, so sahen sich doch alle, auch eben diese, veranlaßt, betreffs jener Beib. d. H. Z. 10.

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— 114 — Wünsche die notwendige Reserve zu bewahren. Zu einer klaren Bewilligung der kaiserlichen Wünsche ließ sich keiner herbei: „Unbefangene Prüfung der Quellen" — bemerkt Lenel (S. 250) — „lehrt, daß selbst Lucius III. bei aller Freundschaft für den Kaiser und trotz aller Friedensliebe bis zu seinem Ende sich nicht hat entschließen können, die Forderungen des Kaisers für einen dauernden Frieden zu erfüllen." Auf Lucius folgte Urban III., ein persönlicher Gegner des Kaisers. Haller („Das altdeutsche Kaisertum", S. 228) wirft ihm „greisenhaften Eigensinn" vor. Wir meinen, daß wir zu einer solchen Anschuldigung nicht zu greifen brauchen: Urban hielt lediglich die Gedanken seiner Vorgänger fest. Über sie ging er allerdings hinaus, indem er zum Angriff gegen den Kaiser fortschritt. Er erlitt dabei eine schwere Niederlage, starb auch bald darauf. Es wurden nun wieder hintereinander zwei versöhnlich gestimmte Päpste gewählt. Mit dem zweiten, Clemens III., kam 1189 der Friede zustande, der „ewige" Friede, wie unsere Historiker sagen. Haller36) spricht von einem formellen Vertrag, der das Verhältnis von Kaiser und Papst endgültig regelte, und weiß auch das Datum dieses Vertrags, 3. April, zu nennen. Hinterher sieht er sich freilich genötigt, einzuräumen, daß der Vertrag von Straßburg von den Parteien noch nicht als die endgültige Regelung ihres Verhältnisses aufgefaßt wurde. Uber die Frage des mathildischen Gutes sei man schweigend hinweggeglitten. „Sie wurde auf unbestimmte Zeit vertagt." Und der Vertrag von Straßburg, der „formelle Vertrag" der „endgültigen" Regelung, bedeutete eigentlich nur, daß man über Umfang und Rechtscharakter der päpstlichen Besitzungen erst künftig die letzte Entscheidung fällen wolle. Das Wesentliche ist — setzt Lenel (S. 253) hinzu —, „daß eine ernstliche Auseinandersetzung, wie der Kaiser sie seit 1182 anstrebte, trotz sonstiger Übereinkunft auch jetzt nicht herbeigeführt wurde, daß die Rechtsfrage mithin offen bleibt". Der „endgültige" Friede war also kein endgültiger; er war nur etwa eine „Atmosphäre" wie der Genfer Völkerbund**), der tatsächlich auch kein Völkerbund ist. Bei der Territorialfrage wird im Frieden nur die Rückgabe des Kirchenstaats verfügt; von den mittelitalienischen Reichslanden, die dem Kaiser so am Herzen lagen, ist nicht die Rede; das einzige, was ihm zustatten kam, war das, daß die Räumung des Kirchenstaats nicht bedingungslos erfolgte, sondern unter Vorbehalt der Rechte des Reichs, welche allgemgipe Formel nicht gerade viel besagte, nur einen unsicheren Wechsel auf die Zukunft bedeutete. „Auf-

— 115 — fallenderweise" —• bemerkt Lenel (S. 252) — „hat Hampe bei Erwähnung des Friedens die Rückgabe des Kirchenstaats ignoriert". Lenel hat mehrfach Anlaß, festzustellen, daß Ficker*7) in der Verteidigung der mittelalterlichen Kaiserpolitik maßvoller, kritischer sich gezeigt hat als die neueren Verfechter seiner These, und er verwahrt sich dagegen, Ansprüche, die damals innerhalb der Kurie hervortraten, für so harmlos zu halten (S. 255) wie sie. Diese aber, gerade die eben Genannten, sind scharfsinnige und feinsinnige Forscher. Wenn sie sich so ganz von dem Gedanken der Richtigkeit der italienischen Kaiserpolitik gefangen zeigen, so liegt hier ein Grund mehr vor, die Legende nachdrücklich zu bekämpfen. Die freundliche Atmosphäre, die durch den sog. ewigen Frieden geschaffen worden war, ermöglichte den Kreuzzug Friedrichs, wie vorher schon der Kreuzzugsplan jene freundliche Atmosphäre hatte herbeiführen helfen. Aber der Frieden kam nicht einmal in den bescheidenen Maßen, die er hatte, zu voller Auswirkung. Papst Clemens hatte dem jungen Heinrich die Kaiserkrönung versprochen. Der Tod Friedrichs auf dem Kreuzzug enthob die Kurie der Verpflichtung, die Kaiserkrönung seines Sohnes noch bei Lebzeiten des Vaters vorzunehmen. Die Streitobjekte wurden aber um ein großes Stück vermehrt, als der Normannenkönig Wilhelm II. starb und nun die Gefahr der unio regni ad imperium mit der völligen Umfassung des Kirchenstaats hervortrat. Die vorhin geschilderte Beurteilung, die die Päpste bei den Verteidigern der italienischen Kaiserpolitik finden, erinnert uns von neuem daran, daß von deren Standpunkt aus die Kurie nicht gerecht beurteilt werden kann. Die Päpste haben sich, wenn sie sich in Not befanden, wohl dem Kaiser genähert. Allein das war nur etwas Vorübergehendes. Da der Kaiser über Rom herrschen sollte, mußte der Papst sein Gegner sein. Umgekehrt konnte der Kaiser, wenn er in Italien Machthaber sein wollte, nicht vor päpstlichen Machtansprüchen Halt machen. Man gefällt sich in der Ausmalung der schwülen Gewitterstimmimg, die über dem drohenden Kampf zwischen Friedrich und Hadrian IV. lag, und verzichtet auf die einfache Feststellung, daß Friedrich Unmögliches erstrebte. Es ist femer ein merkwürdiger Optimismus, zu glauben, daß am Ende der Regierung Friedrichs ein „ewiger Friede" zwischen Papst und Kaiser hätte zustande kommen können. Jedesmal brachte die Sache selbst den verhängnisvollen Konflikt mit sich. 8*



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Indem wir den dauernden Widerstand des Papsttums gegen den Kaiser für verständlich erklären, wollen wir allerdings das Papsttum nicht nach Advokatenart verteidigen. Wenn der Papst eine Bedrohung des Kirchenstaats durch den deutschen Kaiser nicht wünschte, wenn er die Verbindung Deutschlands mit Sizilien zu verhindern wünschte, teils wieder um des Kirchenstaats willen, teils um im allgemeinen in Italien freie Bewegung zu haben, so wandte er sich in diesen Beziehungen gegen den Kaiser zunächst aus politischen Gründen. Wir untersuchen nicht, ob für den Papst, wenn er nicht zugleich politischer Machthaber war oder sein wollte, gleichfalls die starke Herrschaft eines anderen in Italien eine Bedrohung bedeutete. Wir verzeichnen einfach die Tatsache, daß das Papsttum neben einer kirchlichen auch eine politische Macht sein wollte, und suchen von hier aus seine Handlungen, namentlich — was uns beschäftigt — seinen Widerstand gegen die kaiserlichen Wünsche zu verstehen. Wir kanzeln den Papst nicht nach Rationalistenart ab, weil er dem Kaiser Schwierigkeiten macht. Wir sehen in seiner Haltung nicht Eigensinn oder Bosheit, sondern verständliche Wahrnehmung bestimmter Grundsätze. Die Hallersche Auffassimg ist freilich nicht in der Lage, die Haltung des Papsttums geschichtlich zu würdigen; sie wird ungerecht gegen die Päpste. Sie verlangt kategorisch ein friedliches Nebeneinander von Papst und Kaiser auf italienischem Boden und schulmeistert einen von beiden oder klagt das Schicksal an, falls das friedliche Nebeneinander nicht zustande kommt, während wir die Widerstände verstehen, weil wir von der Überzeugung erfüllt sind, daß unüberbrückbare Gegensätze die beiden Mächte trennten. Aber wir heben ferner hervor, daß die politische Stellung der Kurie sie nicht bloß mit dem deutschen Kaiser in Konflikt gebracht hat. Eine stattliche Zahl von politischen Gegnerschaften hat sie sich von politischen Gesichtspunkten aus im Lauf der Jahrhunderte zugezogen oder, um uns neutraler auszudrücken, gehabt. Sehen wir von dem alten römischen oder byzantinischen Kaiser ab, so haben etwa folgende politische Gegnerschaften des Papsttums einander abgelöst ,7a ): der Adel der Stadt Rom und der römischen Nachbarschaft, der fränkische Herrscher (der am wenigsten als Gegner aufgetreten ist oder aufzutreten brauchte), die kleinen Kaiser und italienischen Könige von den Karolingern bis zu Otto d. Gr., der deutsche Kaiser, die Normannen, die römische Stadtgemerude, die lokalen Gewalten des Kirchenstaats, größere italienische Staaten, der französische Staat, von Philipp dem Schönen bis zu Napoleon, der

— 117 — aufkommende italienische Einheitsstaat. Eine feste chronologische Abfolge jener Gegnerschaften behaupten wir natürlich nicht: manche sind nebeneinander hervorgetreten; manche haben sich, nachdem sie beseitigt zu sein schienen, erneuert; manche sind auch gegeneinander ausgespielt worden. Von allen Gegnerschaften sind die der fränkischen und der deutschen Herrscher die idealsten, diejenigen, die am wenigsten auf den engeren Zweck der Unterwerfimg ausgehen, die vielmehr in erster Linie im Verfolg einer allgemeinen Idee und in deren Tradition die Herrschaft über Rom beanspruchen. Von diesem Gesichtspunkt verwerfen wir nochmals die Behauptung, daß die Kaiser die Herrschaft über den Papst erstrebt hätten, um die deutsche Kirche zu beherrschen: sie widerspricht der allgemeinen Kaiseridee. Freilich liegt diese allgemeine Idee außerhalb der deutschen Staatsidee, und jene hat die Verwirklichimg der letzteren verhindert. Ähnlich dem Schicksal der Päpste ist das der deutschen hohen Geistlichen. Wie sie gleichfalls mit dem kirchlichen Amt staatliche Rechte und politische Stellung verbinden, so erheben sich auch ihnen gegenüber weltliche Mächte, die ihre staatliche Stellung einschränken und ihre Kräfte für staatliche Zwecke heranziehen wollen. Es sind insbesondere der König und die Vögte. Wenn der König die hohe Geistlichkeit mit reichen staatlichen Rechten und anderm weltlichen Gut ausstattet, so macht er sie dafür auch sich dienstbar: das klassische Beispiel liefert Heinrich II. Weit mehr aber noch werden die kirchlichen Institute vom Vogt geplagt; er verlangt ihre Dienste, erhebt in ihrem Bezirk Steuern, reißt aber auch ganze Stücke des kirchlichen Besitzes an sich. Es liegen wohl mehr Klagen der kirchlichen Institute über ihre Vögte vor, als Klagen der Kurie über weltliche Herrscher, mit denen sie zu tun hatte. Das Verhältnis des Vogts zu seinem Bistum oder Kloster steht parallel dem des Kaisers zum Papsttum: jener hat so gut Schutzpflichten wie dieser. Aber der Vogt ist ein härterer Herr. Wir streiten ihm indessen das historische Recht nicht ab: es war notwendig, daß der umfangreiche staatliche weltliche Besitz, der sich in der Hand der kirchlichen Institute angehäuft hatte, allmählich wieder in weltliche Hand übergeführt wurde. Diese von uns schon früher erwähnten fortdauernden mittelalterlichen Säkularisationen, wie sie Könige wie Heinrich II., namentlich jedoch die Vögte vornehmen, haben durchaus ihre politische, ihre sittliche Berechtigung. Die Vögte sind überwiegend in die Landesherren übergegangen: gerade vermöge der Säkularisationen konnten sie es werden.88) Die Landes-



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herren haben dann das staatliche Wesen erneuert, da das Königtum — wesentlich infolge seiner italienischen Politik — es nicht energisch ergriff, es in Verfall geraten und sich in der Konzentration auf das staatliche Wesen von den Landesherren übertreffen ließ. Jene Bedeutung der Vögte und ihre Ausdehnungspolitik gegenüber den Fürsten werden regelmäßig in den Monographien über die Entstehung der Territorien erwähnt. Dagegen sind sie in den allgemeinen Darstellungen der mittelalterlichen Geschichte noch nicht zur Würdigung gelangt, obwohl wir in ihnen eine grundlegende Bewegung der Staatengeschichte vor uns haben. 88 *) Namentlich auch fehlt es bisher an einer vom höheren historischen Standpunkt aus unternommenen Rechtfertigung des Verhaltens der Vögte, die im einzelnen Unrecht auf ihrer Seite zugeben kann, aber dem Sinn der geschichtlichen Vorgänge Rechnimg trägt und von da aus die Handlungen der Vögte verständnisvoll betrachtet. Kehren wir, nachdem wir die gesamte Politik Friedrichs I. vorgeführt haben, zu unserm Vergleich Friedrichs mit Heinrich I. zurück. Es wird dafür notwendig sein, zunächst noch einen Blick auf Heinrich VI. zu werfen. Heinrich VI. hat das Sizilische Königreich mit Deutschland vereinigt. Wenn Ficker diese unio regni ad imperium aufs schärfste getadelt, von ihr den Rückgang, das Unglück des mittelalterlichen Kaisertums hergeleitet hat, so nimmt, wie früher schon erwähnt, neuerdings die Zahl der Stimmen zu, die den Erwerb Süditaliens für folgerichtig vom Standpunkt der allgemeinen italienischen Politik halten.39) Wollten die Kaiser Italien beherrschen, so durften sie hier nicht eine Macht dulden, die ihnen jeden Augenblick in den Weg treten konnte. Wollten sie Herren von Rom sein, so mußten sie dafür sorgen, daß Rom nicht an einer in Italien noch vorhandenen selbständigen Macht einen Rückhalt hatte. Die Kaiser haben denn ja auch von Anfang an sich um Süditalien mit gekümmert. Mindestens seit der Begründung des süditalienischen Normannenstaats war es für sie eine Unmöglichkeit, Süditalien zu ignorieren. Nur die Dürftigkeit der deutschen Herrschaft in Ober- und Mittelitalien hatte die Entscheidung der Frage hinausgeschoben. Hampe nennt die Folgen der Verbindung Siziliens mit dem Reich „im höchsten Grade verhängnisvoll". Dies Prädikat ist jedoch bereits auf die italienische Politik an sich anwendbar. Wir sind sogar in der Lage, den sichern Beweis für deren ver-

— 119 — hängnisvolle Wirkung zu führen. Wir haben uns ja davon überzeugen müssen, wie die deutsche Reichsgewalt durch die italienische Politik durch Jahrhunderte schon geschwächt worden war, wie ferner insbesondere Friedrich I. bei einem Fiasko seiner italienischen Politik im Konstanzer Frieden 1183 — vor der Verbindung Siziliens mit dem Reich — anlangt, wie er die wertvollsten Kräfte Deutschlands für das Phantom seines italienischen Ziels aufbraucht und wie unterdessen und eben deshalb in Deutschland der Partikularismus stabilisiert wird, der dann beim Tode Heinrichs VI. sein zerstörendes Haupt erhebt. Die apologetische Geschichtschreibung der italienischen Kaiserpolitik ignoriert die Tatsache, daß am Ende des 12. Jahrhunderts die Landesherrschaft vorhanden ist. Heinrich VI. kann sie, bei seiner kurzen Regierung, nicht aufs Gewissen gelegt werden. Zur Reife gekommen ist sie unter seinem Vater. Dessen Regierung bildete ja förmlich einen Brutofen für sie: der König in der Regel in Italien engagiert oder mit Plänen für Italien beschäftigt; sein System im Innern das des Fürstenbündnisses, welches eben die Anerkennung fester fürstlicher, landesherrlicher Stellung bedeutete — können wir uns da wundern, daß unter solcher Regierung die Landesherrschaft kräftig heranwächst ? Jene Apologeten aber schildern die Regierung Friedrichs als eine von großen Erfolgen, als eine zwar von ein paar Wechselfällen unterbrochene, am Schluß jedoch wieder siegreich aufsteigende Regierung. Die formelle Verbindung Siziliens mit dem Reich bedeutete noch nicht die tatsächliche. Bei deren Herstellung ist Heinrich VI. durch einen außerordentlichen Glücksfall unterstützt worden, dadurch daß der englische König Richard Löwenherz in seine Hand fiel und daß er diesem hohe Bedingungen stellen konnte. Wir setzen Heinrichs Erfolg zwar nicht bloß auf die Rechnung des Glücks; er hat es mit bewundernswerter Energie und diplomatischer Gewandtheit zu verwerten verstanden. Allein wir haben bei seiner Regierung, so sehr er uns durch seine politischen Fähigkeiten Hochschätzung abnötigt, und so viel Macht er im gegebenen Augenblick zusammenzubringen vermag, doch überall das Gefühl, daß sie nicht auf fester Grundlage ruht, nur auf momentane Verhältnisse, wie eben einen Glücksfall, gestützt wird, sich auf unterwühltem Boden bewegt. Haller verteidigt Heinrich VI. gegen den Vorwurf, daß er nach Weltherrschaft gestrebt habe. Wir werden jedoch zugestehen müssen, daß seine Politik mit ihren indirekten Folgen auf etwas



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der Weltherrschaft Verwandtes hinauskam. Eine andere Frage ist es, ob wir diese Politik als phantastisch und uferlos ansehen sollen. Es kommt darauf an, wie man über die italienische Politik der mittelalterlichen Kaiser überhaupt urteilt. Billigt man sie (wir tun es nicht!), so darf und muß man Heinrichs Politik folgerichtig nennen. Von den Ansätzen der italienischen Kaiserpolitik an sich führte der Weg zu seinem System. Haller, der die italienische Kaiserpolitik billigt und demgemäß auch die Weltmachtpolitik (wie wir sagen!) Heinrichs, vertritt die Ansicht, daß diese politischen Ziele Heinrichs erreichbar gewesen und nur durch seinen jähen Tod abgeschnitten worden seien. Er glaubt an die Möglichkeit und Dauer von Heinrichs Schöpfung: „20, 30 Jahre später hätte die Schöpfung den Schöpfer entbehren können."40) Demgemäß erhebt Haller eine bittere Klage über das blinde Schicksal, dem wir unterworfen seien. „Die Geschichte spielt nicht anders als die Natur mit Keimen und Möglichkeiten in gedankenloser Verschwendung." Ist aber hier wirklich ein Anlaß vorhanden, über die Unvernunft der menschlichen Schicksale zu sprechen? Ich sehe die Unvernunft umgekehrt in den Handlungen der Menschen, in der von Haus aus verkehrten italienischen Kaiserpolitik, die Heinrich folgerichtig und energisch fortführte, zum endlichen Abschluß zu bringen sich bemühte, womit er jedoch nur erreichte, daß sie jetzt in klassischer Fehlerhaftigkeit dastand. Sie hat jetzt, in der — folgerichtigen — Erweiterung, die ihr Heinrich gegeben, so viele und so leidenschaftliche Widerstände hervorgebracht, daß das Resultat ein Ende mit Schrecken sein mußte, mochte Heinrich früher oder später sterben. Hampe hat den Tod Heinrichs „den großen Wendepunkt der deutschen Geschichte im Mittelalter" genannt41) und dies Urteil neuerdings zu dem Satz gesteigert42): „Es war nächst derjenigen von 1918 die größte Katastrophe der gesamten deutschen Geschichte, der verhängnisvollste Wendepunkt in der Machtstellung des Reiches." Diese Auffassung läßt sich doch nur dann vertreten, wenn man Italien und Deutschland als ein untrennbares Staatswesen versteht. Für Deutschland ist das Jahr 1197 (nächst 1918) gewiß nicht das stärkste Katastrophenjahr. Allenfalls mag es so für die Geschichte des Römischen Kaisertums genannt werden, obwohl ich dafür eher das Jahr 1250 so bezeichnen würde. Entscheidende Wendepunkte für die deutsche Geschichte wären der Investiturstreit mit der Beförderung der Verstärkung der fürstlichen Gewalten und das Interregnum, beide



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übrigens Folgen der italienischen Kaiserpolitik. Für die deutsche Geschichte bedeutet der Tod Heinrichs VI. nur die Erneuerung der Situation von 1002 und 1056, vielleicht auch von 1137, in Anbetracht des Umstandes, daß die Regierung Konrads III. ein mühseliger Kampf war, fast dem Kampf zwischen Philipp und Otto IV. nahekommend. Das, was die Jahre von 1197 an für Deutschland so besonders trübe machte, war nicht der Tod des noch jugendüchen Herrschers bei gänzlicher Unmündigkeit des Nachfolgers an sich, sondern dessen räumliche Entferntheit und die Doppelwahl.42») Von Heinrich I. haben wir bemerkt, daß er seinem Nachfolger Otto vorgearbeitet und so die Möglichkeit größerer Machtentfaltung verschafft hat. Friedrich I., der ebenso wie Heinrich I. mit seinem Regierungsantritt gegenüber dem Vorgänger die königliche Gewalt verstärkte, hat gewissermaßen die Frucht der Verstärkung der königlichen Gewalt für sich vorweggenommen: während Otto eine weitausgreifende auswärtige Politik auf Grund der Leistung seines Vaters trieb, verwandte Friedrich die von ihm gesteigerte königliche Gewalt in eigener auswärtiger Politik. Scheinbar überlieferte er dann auf seinen Sohn große Macht. Indessen wir haben uns davon überzeugt, daß er das Ziel, das er mit gewaltigen Anstrengungen erstrebte, nicht erreichte, daß er die für dieses verfügbar gemachten Kräfte ohne den erhofften Erfolg aufbrauchte, daß seine Regierung mit unsichem Verhältnissen endete. So konnte er denn auch nicht ein wahrhaft gefestigtes Reich seinem Sohn hinterlassen. Während Otto I. von seinem Vater ein leidlich innerlich gefestigtes Reich übernahm, fehlte dem Reich, das von Friedrich I. auf Heinrich VI. überging, gerade die innere Festigung: Friedrich hatte die königliche Gewalt wohl am Anfang seiner Regierung verstärkt; während ihres weiteren Verlaufs dagegen war sie nicht verstärkt, sondern geschwächt worden: der Partikularismus hatte Fortschritte gemacht. Ohne die italienische Politik hätte Friedrich die Reichsgewalt fortschreitend stärken und ein bodenständiges Königtum wieder schaffen können. Er hätte mit den Mitteln, die er zur Wiederherstellung der königlichen Macht ergriffen hatte, auf d e u t s c h e m Boden weiter gearbeitet. Er hätte eine Zeitlang das Bündnis mit einer Fürstengruppe festgehalten, bis er seine Stellung durch seine andern politischen Mittel befestigt hatte; dann konnte er auf ein solches Mittel verzichten. Namentlich auch die von ihm geschaffene königliche Hausmacht bot einen



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guten Ausgangspunkt für eine Erneuerung des Königtums; oder, da nie in der Geschichte etwas vollständig wiederholt wird, Friedrich hätte die erfolgreichen Schritte zur Aufrichtung eines Königtums von einer innern Festigkeit tun können, wie es vorher auf deutschem Boden noch nicht bestanden hätte. Es wäre ein Königtum mit Beamtenregierung geworden. Wenn wir hier auseinandersetzen, was Friedrich hätte tun können, so bewegen wir uns nicht in Utopien. Das Beispiel des Nachbarlandes Frankreich zeigt ja, wie ein abendländischer Staat, der nicht durch eine Politik, wie es die italienische Kaiserpolitik der deutschen Könige war, von seinen wahren Aufgaben abgelenkt wurde, sich in der Richtung auf eine Verstärkung seiner Zentralgewalt entwickelt hat.42b) Ficker hat die Ansicht vertreten43), daß die Verfassung des Deutschen Reichs bis zum Ausgang des 12. Jahrhunderts gesund und entwicklungsfähig war. Sie war es insofern, als die Hausmachtpolitik Friedrichs eine Grundlage für erfreuliche Neubildungen geliefert hätte, wenn nicht die italienische Kaiserpolitik wieder alles verdorben hätte. Auch noch unter Friedrich II. war die Möglichkeit vorhanden, die königliche Gewalt zu erneuern. Wir haben ja schon davon gesprochen, namentlich von seinen keineswegs erfolglosen Bemühungen, die königliche Hausmacht wieder herzustellen. Höchst interessant ist sodann sein Versuch, Österreich und Steiermark zum Reichsgebiet zu machen.44) Hier bot sich die Möglichkeit der Bildung eines großen reichsunmittelbaren Gebiets, welche noch interessanter dadurch wird, daß die Landschaft (insbesondere steierische Ministerialen) gemeinsame Sache mit dem König gegen die Landesherrschaft macht46). Leider kam solchen aussichtsreichen Aspekten die italienische Politik mit ihren Folgen in die Quere. Eine aussichtsreiche Möglichkeit bot ferner das Verhältnis zu den Städten. Die mittelalterliche deutsche Städtegeschichte beginnt höchst interessant mit inhaltreichen Beziehungen zwischen Bürgerschaften und Königtum unter Heinrich IV. Diese Beziehungen sind seitdem noch gelegentlich wieder wirksam geworden. Der Hauptsache nach aber hat fortan das Königtum seine Stellung zu den Städten ohne durchgehenden politischen Grundsatz, je nach zufälliger Konstellation, um einen Fürsten oder die Fürsten zu gewinnen oder zu benachteiligen, genommen. Man vergegenwärtige sich jedoch, wie vorteilhaft Friedrich neben der Hausmachtbildung und im Zusammenhang mit ihr das Verhältnis zu den Städten für die Verstärkung der königlichen Gewalt

— 123 — hätte ausnutzen können, falls seine Kräfte und Gedanken nicht durch die italienischen Wirren in Anspruch genommen worden wären. Soweit in der staufischen Städtepolitik ein Grundsatz sich erkennen läßt, ist sie Hausmachtpolitik, als solche nicht verächtlich, aber doch Hausmachtpolitik im engern Sinn, kaum hinausgehend über das schwäbisch-fränkische Gebiet (eine Ausnahme bildet der Erwerb Lübecks als Reichsstadt). Diese Politik hat ihren Höhepunkt unter Heinrich VII., der mit seiner Verwaltung auf Deutschland beschränkt war und der unter Führung der königlichen Beamten des unmittelbar königlichen Gebiets sich der Wahrung und Erweiterung der Rechte und Ansprüche der königlichen Städte gegen benachbarte Landesherren widmet. Er wurde aber für diese Politik und mit ihr von seinem Vater desavouiert, der größern Wert darauf legte, die Unterstützung der Landesherren für seine italienischen Wünsche zu gewinnen, als das königliche Gebiet und die königlichen Städte zu verteidigen und zu mehren. Er war, wie die staufischen Kaiser überhaupt, im wesentlichen ein Mehrer des Reichs nur an Stellen, die vom Reich und vom Reichsinteresse räumlich und sachlich weit ablagen. Im übrigen haben die Staufer, wenn sie im Streit zwischen Stadt und Stadtherrn zu entscheiden hatten, wie angedeutet, nur von Fall zu Fall entschieden, in der Mehrzahl der Fälle für den Stadtherrn, da eben die allgemeine Richtimg der staufischen Politik dahin geht, die Fürsten für ihre italienische Politik zu gewinnen.46») Wenn wir aber zugeben, daß die Verfassung des deutschen Reichs unter Friedrich I. noch fortbildungsfähig im obigen Sinn war, so bleibt doch festzuhalten, daß das partikularistische Element, das der Verfassung unter Friedrich II. eigen ist, wesentlich bereits die unter Friedrich I. bestehende Zentralgewalt einschränkt. Wer Friedrich II. tadelt, muß schon Friedrich I. tadeln. Die unio regni ad imperium macht keinen wesentlichen Einschnitt in der innern deutschen Verfassungsgeschichte, bringt bloß eine Steigerung. Die Vergabungen Friedrichs I. von 1156, 1168,1180 leiten, wie wir uns überzeugt haben, die systematischen Vergabungen unter Friedrich II. schon ein. Auch in dieser Hinsicht vermögen wir das Jahr 1197 nicht das große Katastrophenjahr zu nennen, wie es Hampe tut. Im Vorstehenden habe ich die großen Grundzüge der Politik Friedrichs I. gezeichnet. Ich habe dabei schon mehrfach Anlaß zu Auseinandersetzungen mit den Darstellern seiner Geschichte

— 124 — im einzelnen gehabt. Wenn ich jetzt die Gesamtanschauungen von Friedrichs Politik, die neuere Forscher vertreten, der von mir versuchten Schilderung gegenüberstelle, so wird das dazu dienen, einiges noch schärfer und deutlicher zur Anschauung zu bringen und auch sonst noch das Bild, das wir uns zu machen haben, zu vervollständigen. Die eingehendste Darstellung von Friedrichs Politik hat in der jüngsten Zeit Hampe in seinen „Saliern und Staufern" geliefert. Hampe hat zwei Zauberworte zur Verfügung: Friedrichs Persönlichkeit und seinen Gerechtigkeitssinn: auf eine wunderbare Weise begründen diese beiden Dinge den Aufstieg Friedrichs. Mit diesen beiden Momenten operiert Hampe in jener Darstellung; noch schroffer fast stützt er darauf seine Schilderung in dem Lebensbild, das er von Kaiser Friedrich für die „Meister der Politik" beigesteuert hat. „Die Idee der Gerechtigkeit" war „der Leitstern seines Handelns, die Hauptquelle seiner furchtgebietenden Stellung und seiner volkstümlichen Beliebtheit." Natürlich erwähnt Hampe die Auseinandersetzungen mit den Fürsten nach dem Regierungsantritt Friedrichs, seine Befriedigung der weifischen Wünsche, auch die Anfänge der Bildung einer staufischen Hausmacht. Indessen alles dieses führt er uns im Rahmen einer Schilderung vor, wie Friedrich die Idee der Gerechtigkeit verwirklicht habe, und läßt entsprechend die tatsächlichen Machtverhältnisse zu wenig zur Geltung kommen. Friedrich wahrte — so sagt er — sein eigenes königliches Recht, erkannte aber auch jedem das diesem zustehende Recht zu und verhalf ihm dazu. Das königliche Recht war noch bedeutend; man brauchte es nur energisch geltend zu machen und zu entwickeln, so stand die königliche Gewalt wieder glänzend da. Es ist durchaus richtig, daß noch ein beträchtlicher Vorrat königlicher Rechte vorhanden war. Allein es lohnt sich, genauer zuzusehen und an der Hand der einzelnen Urkunden das Maß des Vorrats zu prüfen . 46b ) Hampe führt als Beweis für Friedrichs energische Beanspruchung der Regalien als königlicher Rechte die Urkunde von 1157 über die Befreiung der Mainschiffahrt von unrechtmäßigen Zöllen an (S. 126). Da ist es denn der Beachtung wert, daß nach dem Wortlaut der Urkunde die Initiative zu dieser Verfügung nicht vom König, sondern von Bürgern und Kaufleuten ausgegangen, daß von den drei Zollstätten, welche anerkannt bleiben, nur eine königliche ist, daß endlich eingeschärft wird,

— 125 — es dürfe kein „König oder Kaiser" noch sonst eine Person an dem jetzt festgestellten Stand der Dinge etwas ändern. Wie sich hieraus ergibt, ordnet der König wohl die Zollfrage; aber wie er die Regelung der Sache nicht von sich aus in die Hand nimmt, so erwirbt er auch für sich nichts Neues, reklamiert nicht etwa einen abhanden gekommenen Zoll für das Reich, sondern stärkt nur die alten Besitzer, unter denen er sich schon in der Minderheit befindet, spricht auch sogar eine Verwahrung gegen königliche Expansion aus. Bereitwillig bekennen wir uns zur Gerechtigkeit als dem fundamentum regnorum. Wir bestreiten auch gar nicht, daß Friedrich von dem Sinn für Gerechtigkeit erfüllt war. Die Frage ist nur die, ob die Idee der Gerechtigkeit, wie Hampe sagt, „die Hauptquelle seiner furchtgebietenden Stellung" gewesen ist und ob seine Entscheidungen und Maßnahmen in erster Linie wesentlich die Idee der Gerechtigkeit verwirklichen. Bei der Verwirklichung der Idee der Gerechtigkeit kommt es nicht bloß darauf an, ob der, der sie verwirklichen soll, den guten Willen hat, sie zu verwirklichen; mehr darauf, ob er die Macht dazu besitzt. Hampe berücksichtigt nicht die Wirklichkeitsgebundenheit des Rechts, das die realen Widerstände nur zu überwinden und dadurch die erstrebte Ordnung zu erreichen vermag, wenn zu dem in der Norm liegenden rechtlichen Willen das rechtliche Können tritt. 48 ) Nur zu oft ist ohne ein stabilisiertes Machtzentrum auch das beste Recht „ein tönendes Erz und eine klingende Schelle".47) Die Politik Friedrichs I. dürfen wir geradezu als ein klassisches Beispiel dafür auffassen, daß beim besten Willen, bei schöner Befähigung des Herrschers doch immer Macht zur Verwirklichung des Rechts gehört. Wie oft und an wie vielen Stellen hat er darauf verzichten müssen, das, was er als Recht ansah, zur Geltung zu bringen, weil ihm die erforderliche Macht fehlte.47») Man beachte auch die Oppositionen gegen den Kaiser: etwa die des Philipp von Heinsberg. Die Unsicherheit von Friedrichs Stellung, sein Mangel an Macht, verführte ihn zur Erhebung. Und ein klassisches Beispiel liefert die Geschichte Friedrichs auch für die Bestimmimg der Richtung der Politik durch das Maß der Macht, das dem Herrscher zur Verfügung steht. Man erkennt bei ihm, wie er durch den Mangel an Macht in eine bestimmte Richtung der Politik getrieben wird. Natürlich übt der Mangel an Macht keine automatische, gesetzmäßige Wirkung aus: die Persönlichkeiten reagieren auf die gleichen Anreize verschieden: Konrad III., dem es gleichfalls an eigener Macht fehlte, hat sich anders entschieden als Friedrich.



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Dessen glücklichere Anlage ließ ihn einen glücklicheren Weg finden. Wenn die römischen Juristen drei praecepta iuris aufstellen: honeste vivere, alterum non laedere, suum cuique tribuere, so hat Friedrich schon das honeste vivere — wenn wir es in weiterm Sinn interpretieren — aus Mangel an Macht ein klein wenig verletzen müssen. Oder gehört es nicht zur Einschränkung königlicher Standesehre, wenn er (wie Hampe selbst für wahrscheinlich hält), um die Unterstützung Heinrichs zu erlangen, das Knie vor dem Vasallen beugt ? Otto von St. Blasien sagt: Friedrich bat demütiger, als es sich für die kaiserliche Majestät schickte. 47 ") Zum alterum laedere und zur Vorenthaltung des suum cuique aber hat sich Friedrich aus Mangel eigener Macht wieder und wieder entschließen müssen. Von vornherein bedeutet ja der Aufbau der königlichen Stellung auf dem Bündnis mit einer bestimmten Fürstengruppe eine fast absichtliche Verletzung jener beiden Sätze der Gerechtigkeit, falls wir nicht gar darin eine Verletzung des honeste vivere (in höherm Sinn) zu sehen haben, insofern ein König sich nie in ein Bündnis mit Personen einlassen darf, die ihm von Rechts wegen unterworfen sind. Jedenfalls haben die Gegner der dem König verbundenen Fürstengruppe erfahren, daß sie zum suum cuique nicht gelangten und manche laesio erlitten, weil der König sich den Mitgliedern der betreffenden Gruppe fügte. Friedrich hat dies — man merkt es ihm mehrfach an — schmerzlich empfunden, aber aus Mangel an Macht nicht ändern können. Anderseits hat er sich auch in den Dienst der Gerechtigkeitsidee gestellt. So hat er die Landfriedensgesetzgebung wieder aufgenommen, die unter seinen Vorgängern Lothar und Konrad erloschen war. Es war eben die größere Macht, die er im Gegensatz zu jenen beiden besaß, die durch das Bündnis mit einer Fürstengruppe gewonnene Macht, was ihn in den Stand setzte, bedeutungsvolle Landfrieden aufzurichten. Wir nehmen also wahr, daß das Bündnissystem, soweit es ihm Macht verschaffte, ihm half, die Rechtsidee zu verwirklichen, soweit es aber seine Abhängigkeit von anderer Seite bedingte und damit seiner Macht Schranken zog, ihn oft zwang, das Recht zu verletzen. Hier konnte Friedrich, wie wir sahen, aus Mangel an Macht die Gerechtigkeit nur unvollständig verwirklichen. Er hätte sie in stärkerm Maß verwirklichen können, wenn er nicht das Hauptziel verfolgt hätte, die deutschen Kräfte für Italien verfügbar zu machen, wenn er sie für Deutschland selbst verwendet hätte. Da er jedoch so nicht verfuhr, so konnte

— 127 — er in Deutschland kein König vorwaltender Gerechtigkeit werden. Aber auch in Italien ist es ihm versagt geblieben, vornehmlich der Idee der Gerechtigkeit folgen zu können. Für Italien erhebt sich bei Friedrichs Behandlung der lombardischen Städte zunächst das Problem des Verhältnisses von formellem und materiellem Recht. Diese Andeutung mag als Hinweis auf die Schwierigkeit der Frage genügen, ob Friedrich in Italien die Idee der Gerechtigkeit verwirklichen konnte. Nebenbei sei als Beispiel, wie der Herrscher von dem Machtstreben aus zur Verwirklichung der Idee der Gerechtigkeit kommt, Friedrichs Eingreifen zum Schutz der kleinen Städte gegen Mailands Ausdehnungspolitik erwähnt: um sich gegen das mächtige Mailand zur Geltung zu bringen, nimmt er sich der von ihm bedrohten kleinen Städte an und hebt ihre Selbständigkeit. Als Beispiel, wie das Machtstreben kulturfördernd wirkt, sei die Einsetzung von Beamten in Italien durch Friedrich genannt. Wollte er die italienischen Städte beherrschen, so mußte er sie durch unmittelbare Beamte beherrschen: das Machtbedürfnis brachte hier die neue Form, die kulturmäßig höher stehende Art der Verwaltung hervor. Greifen wir noch einige Einzelheiten von Hampes Darstellung heraus. In dem biographischen Artikel (S. 251) über Friedrich spricht Hampe von „geschickter Behandlung der Großen", wo ich eher von einem Entgegenkommen gegenüber den Großen, von einem Bündnis mit ihnen sprechen würde. (Ein für alle Mal bemerke ich, daß es sich natürlich nicht um ein formell abgeschlossenes Bündnis zu handeln braucht, daß vielmehr ein tatsächliches Entgegenkommen gegenüber den Fürsten, ein Werben um ihre Gunst die gleiche Bedeutung für die Stellung des Königs haben kann wie ein formelles Bündnis mit ihnen). Hampes Ausdruck „geschickte Behandlung der Großen" finde ich euphemistisch. — In „Saliern und Staufern", S. 127, nennt Hampe „das bedeutsamste Moment für die Neukräftigung des deutschen Königtums" die Verfügung über den Episkopat. Aber wie hat Friedrich diese gewonnen? bloß durch Persönlichkeit und Gerechtigkeit? „Das bedeutsamste Moment für die Neukräftigung des deutschen Königtums" war hier wie überhaupt das Bündnis mit der weifischen Fürstengruppe, das ihn in den Stand setzte, dem Episkopat und der Kurie gegenüber selbständiger aufzutreten, daneben die oben geltend gemachten Umstände,» so die damalige Schwäche des Papsttums. In bezug auf die Bischöfe ist hier aber auch daran zu erinnern, daß Friedrich, um die Fürsten zu gewinnen,



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ihren Häuptern (Heinrich dem Löwen und dem Zähringer) die Investitur betreffender Bischöfe zugestand, also auf die Verfügung über einige Bischöfe verzichtete, um die über die andern zu erlangen. Hampe macht noch ein Moment für die neue Kräftigung des Königtums geltend: „Friedrichs Rechtssinn begegnete sich hier (d.h. betreffs der Bischöfe) mit der Zeitströmung." Die „Zeitströmung" wäre genauer auf die von mir oben geschilderte Verschiebung der Machtverhältnisse und Interessen zurückzuführen. Zu S. 129 sei bemerkt, daß die Bischöfe sich jetzt wieder vertrauensvoll um den Herrscher scharen konnten, nachdem und weil er Macht gewonnen hatte. Das sieht man u. a. an Otto von Freising, wie Hampe S. 129 selbst hervorhebt. Richtig ist es allerdings, daß der Widerspruch gegen das absolute Papsttum sich auf Seiten der Bischöfe erhoben hat. Indessen macht es sich beim Regierungsantritt Friedrichs noch nicht bemerkbar, sondern erst, nachdem er durch das Bündnis mit der weifischen Gruppe als mächtiger Herrscher erschien. Wenn die Bischöfe über das Papsttum, das ihrer Selbständigkeit nicht sonderlich günstig war, Unzufriedenheit empfanden, so waren sie doch nur dann in der Lage, sie öffentlich zur Geltung zu bringen, falls der König mächtig genug war, um ihnen einen Rückhalt zu bieten. An einen mächtigen König schlössen sie sich unter Umständen gern an; ein machtloser bot ihnen nichts. Wir erinnern hier nochmals daran, daß die entsprechenden Voraussetzungen (Bedrängung des Papstes durch Arnold und die römische Stadtgemeinde, Unzufriedenheit der Bischöfe über das absolute Papsttum) schon unter Konrad III. vorhanden waren, daß aber damals noch nichts geschah, weil eben Konrad nicht wie Friedrich durch ein Fürstenbündnis die königliche Macht zu steigern wußte. Zu S. 129: von einem Festhalten Friedrichs am historischen Recht in dem Streit des Papstes mit der Stadt Rom darf man gewiß reden. Des Königs Rechts- und Autoritätsgefühl gegenüber dem Papst kommt hier natürlich in Betracht. Aber zugleich spielte für Friedrich die Machtfrage selbstberständlich eine Rolle. Es fragte sich: was bietet mir die römische Stadtgemeinde? und er antwortete: soll ich mich um der einen Stadtgemeinde willen mit dem geistlichen Haupt der Christenheit überwerfen, meinen Staat darum in einen zweck- und erfolglosen Kampf bringen? Zu S. 130: es fehlte noch die „Macht"! Wenn Hampe S. 127 von dem „Rechtssinn" bei der Besetzung der Bischofsstühle spricht, so ist das nach den obigen Darlegungen zu berichtigen. Vor allem ist ja die Frage stets die: hat jemand die Macht, das,

— 129 — was er als Recht ansieht, zu verwirklichen. Natürlich glauben auch wir an eine von dem Rechtsbewußtsein ausgehende Wirkung von Recht, die nicht einfach durch äußere Macht vermittelt ist. Aber Hampes Darstellung leidet geradezu darunter, daß er an die entscheidende Wirkung von Recht ohne Macht glaubt, mit andern Worten: vom Recht keine zutreffende Vorstellung besitzt (vgl. noch z. B. seinen biographischen Artikel S. 227). Insofern gewährt seine Schilderung einen lebensfremden Eindruck. Wir erheben gegen sie den doppelten Einwand, daß Friedrich nicht so viel Macht, insbesondere nicht so viel selbständige Macht besaß, wie Hampe meint, und daß sie die Tatsache übersieht, daß ohne Macht das Recht nicht verwirklicht werden kann. Es ist auffallend, wie wenig Hampe von Macht spricht! Und es hängt damit zusammen, daß in seiner Darstellung die wahren Bemühungen Friedrichs, seiner Macht einen festern Untergrund zu geben, ganz unbefriedigend gewürdigt werden. So widmet er (nach Giesebrecht V, 2, S. 616) der Bildung der königlichen Hausmacht nur ein paar Zeilen („Salier und Staufer" S. 158), auf denen er einige Fakta verzeichnet, aber keine allgemeine Würdigung gibt.A) Neben das Gerechtigkeitsgefühl stellt Hampe als Grundlage von Friedrichs Leistungen und Erfolgen, wie schon bemerkt, seine Persönlichkeit. Nachdem er jene Schilderung von dem nach seiner Meinung noch sehr bedeutenden Vorrat an königlichen Rechten gegeben, fährt er fort (S. 126): „es gehörte nur zum Rechte die Persönlichkeit". Wir haben selbst aus alten und jüngsten Tagen zuviel Erfahrung darüber, was die Verschiedenheit, der Unterschied der Persönlichkeit bei Gleichheit der umgebenden Verhältnisse bedeuten, als daß wir Hampe im Grundsatz widersprechen und die Bedeutimg der großen Persönlichkeit in Zweifel ziehen sollten. Der bedeutende Mann kann Wunder tun. Er macht einen großen Schritt, wo andere viele kleine machen. Er befestigt uns den Boden, wenn wir ihn unter uns schwanken fühlen. Wenn wir nicht A) Ein Idein wenig mehr betont Hampe die Tatsache der königlichen Hausmacht in seinem Art. „Friedrich I. und seine Nachfolger". Aber auch hier verzeichnet er mehr nur die Facta, daß in Italien zwei Verwandte starben, deren Besitz er nun an sich ziehen konnte. Diese gflnstige Wirkung der „römischen Seuche" wird nachdrücklich hervorgehoben (S. 250 u. 253). Bezeichnend ist es, daß Giesebrecht und Hampe in ihren Darstellungen einen Einschub Ober die Vermehrung der königlichen Hausmacht an der Stelle machen, wo es der mittelalterliche Chronist (Otto v. St. Blasien) tut. Der alte Chronikstil setzt sich bei ihnen fort! Beib. d. H. Z. 10. 9

— 130 — aus noch ein wissen, uns durch finstere Mächte bedrückt fühlen, so öffnet er uns den Zugang ins Freie und führt uns den Weg zur Höhe. Hiermit ist aber schon gesagt, daß die große Leistung auf zwei Dingen beruht : zu dem energischen Wollen und der Ausübung gehört die Erkenntnis des richtigen Wegs. Bei dem, was Hampe zugunsten von Friedrichs Persönlichkeit sagt, vermissen wir eben dieses: die Schilderung, wie sich Friedrichs Persönlichkeit in einem Programm für die innerdeutsche Politik auswirkt. Es ist ein allgemeiner Fehler der Geschichtschreiber Friedrichs, daß sie uns nicht näher erläutern, wie es zur Zeit von Friedrichs Thronbesteigung darauf ankam, aus dem bisherigen politischen Wirrwarr einen Ausweg zu finden. Sie ziehen sich einseitig auf die Betonung des Wertes von Friedrichs Persönlichkeit zurück, ohne entsprechend zu fragen, welcher politische Weg jetzt einzuschlagen war. Dieser Mangel in ihrer Deutung der geschichtlichen Erscheinungen und Vorgänge jener Zeit hängt aber damit zusammen, daß sie, weil sie die mittelalterliche Kaiser- und italienische Politik billigen, nicht anerkennen wollen, wie die politischen Verhältnisse durch diese Politik beim Regierungsantritt Friedrichs ganz verfahren waren, so sehr, daß man zu einem neuen System der Regierungspolitik überzugehen genötigt war. Sie meinen, es habe gegenüber Konrad III. genügt, daß eine kräftigere Persönlichkeit die Regierung nur kräftiger führte, während es doch Friedrichs Verdienst ist, erkannt zu haben, daß die verworrenen Verhältnisse neue Mittel der Politik erheischten. Es erfreut uns bei Hampe zu lesen das Lob von Friedrichs gewinnender Persönlichkeit, von seinem meistens bewährten Sinn für Maßhalten, von seiner Tapferkeit. Der oberste Maßstab für die Schätzung des Staatsmannes liegt doch aber in dem Verhältnis für das politisch Zweckmäßige, Richtige, Notwendige. Die erste Frage, die wir an die Persönlichkeit eines Staatsmanns stellen, ist die, ob er jenes Verständnis, ob er politischen Gedankenreichtum und die Fähigkeit, die neuen Gedanken in die Tat umzusetzen, besitzt. Seine andern persönlichen Eigenschaften haben nur sekundäre Bedeutung, haben Bedeutung nur insofern, als sie jenem Verständnis dienen oder es hindern. Hampe begnügt sich mit dem allgemeinen Lob von Friedrichs Persönlichkeit, schildert uns jedoch nicht, wie sie sich in dem Verständnis für die zweckmäßigen politischen Wege ausprägte. Hampes Darstellung mit dem allgemeinen Lob der Persönlichkeit, der Gerechtigkeit, des Maßhaltens bietet die Motive und Maßstäbe, wie

— 131 — sie der Sang eines Harfners verwendet. Für den fahrenden Sänger ist das Lob der Gerechtigkeit und der mässe ein wundervoller Stoff. 473 ") Er feiert den Herrn mit solchen allgemeinen Prädikaten, wie nachher der Humanist auf eine neue Uterarische Weise seinen Ruhm verkündet. Wenn aber heutige Historiker den fahrenden Sänger nachahmen, so ist das nicht Geschichtschreibung. Vom Standpunkt der wissenschaftlichen politischen Geschichtsauffassung können wir einen solchen Sang nur als Legende bezeichnen, als Legende von der glänzenden italienischen Politik, die als Resultat — den Zusammenbruch hat 1 Auch zum richtigen Maßhalten in der Politik gehört Macht! Stellen wir hingegen bei Friedrich die Frage nach dem Verständnis für die zweckmäßigen politischen Wege, so scheint er uns einen großen Zug zu bekunden. Er erkennt das Gebot der Stunde; er sieht, daß der König sich nicht gegen die Gesamtheit der Fürsten zu behaupten vermag; er paktiert deshalb mit einer Fürstengruppe, um mit ihr die andern zu beherrschen. So steigert er die königliche Gewalt. Er fügt die Bildung einer königlichen Hausmacht hinzu. Auf Grund der größern Gewalt, die ihm das Fürstenbündnis verleiht, kann er auch, unter glücklicher Verwertung weiterer günstiger Verhältnisse, der K i r c h e gegenüber selbständiger als seine Vorgänger auftreten und über den Episkopat fast wie ein Salier verfügen. In allem diesem liegt seine Größe, in diesem glücklich eingeschlagenen Weg der Ruhm seiner Persönlichkeit vornehmlich. Auch in seiner italienischen Politik zeigt sich Friedrichs staatsmännische Persönlichkeit in dem Finden zweckmäßiger Wege. Auch seine italienische Politik ist konsequent und gedankenreich. Gewiß, durch sein Verflochtensein in die Tradition der italienischen Politik wurden die Fortschritte, die er vermöge jenes seines staatsmännischen Blicks für Deutschland errungen hatte und die er noch weiter hätte ausbauen können, wieder rückgängig gemacht. Und wir werden von einem Staatsmann fordern, daß er sich von einer verhängnisvollen Tradition der Politik seines Staats loslöst. Indessen wir erkennen an, daß die Tradition der italienischen Politik damals so mächtig war, daß sie auch einen großen Staatsmann gefangen nehmen konnte. Nehmen wir aber die Erlangung der Gewalt über Italien als ein gegebenes Ziel hin, so tragen wir nicht Bedenken, auch hier Friedrich den Ruhm eines Staatsmannes zuzuerkennen. Die Tragik liegt nur darin, daß jenes Ziel unerreichbar war, daß Friedrich sich einer verhängnisvollen politischen Tra9»



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dition ergab und daß er im Dienste dieses Ziels und dieser Tradition die deutschen Kräfte aufbrauchte, ohne das Ziel zu erreichen. Die Arbeit für die Erreichung des unerreichbaren Ziels brachte Deutschland in seiner Verfassungsentwicklung nicht vorwärts, sondern zurück. Wenn Friedrich staatsmännischen Blick bewährt hat, indem er diejenigen Mittel ergriff, die zu seiner Zeit geeignet waren, die königliche Gewalt in Deutschland wieder herzustellen, so hat sein Anschluß an die traditionelle italienische Politik verhindert, daß seine Regierung Bleibendes hinterlassen hat. So ist seine Persönlichkeit zu werten. Ein seltsames Mißverständnis finden wir bei Hampe, wenn er sagt (Friedrich I. und seine Nachfolger S. 263): »Man hat Friedrich neuerdings verübelt, daß er, wenn er hier schon das Stammesherzogtum zerschmetterte, nicht wenigstens die Reichsmacht an die Stelle gesetzt habe und mit vollen Segeln in die Bahnen von Heinrichs nordöstlich gerichteter Politik gesteuert sei." Nein, das haben wir Kritiker der italienischen Politik bei Friedrich nicht vorausgesetzt, daß er plötzlich „mit vollen Segeln" die Richtung des Schiffes seiner Politik umgestellt hätte. Wir haben es vielmehr als die schlimme Folge der Fesselung der kaiserlichen Gewalt durch die italienische Politik bezeichnet, daß Friedrich für das Reich nichts aus dem Sturz Heinrichs des Löwen herausholen konnte und daß (wie Hampe selbst zugibt) die Fürsten, nicht das Kaisertum als Sieger aus dem Ringen hervorgingen. Wir haben die Bedeutung des Umstands erläutert, daß Friedrich wie die andern Kaiser unter dem Bann der traditionellen Politik stand. In Dietrich Schäfers Darstellung (Deutsche Geschichte I, S. 271 ff.) 1 ) finden wir zunächst dieselben Kategorien wie bei Hampe mit dem Unterschied, daß er die der Macht wenigstens nicht außer acht läßt. „Es war die Persönlichkeit, welche die neue Lage schuf." „Es war ihm Bedürfnis, Gerechtigkeit zu üben, seine richterliche Gewalt zu handhaben, und er besaß, was der Staatslenker nicht entbehren kann, Liebe zur Macht. Diese beiden Attribute haben sein öffentliches Tun beherrscht." Wir müssen demgegenüber wieder fragen, ob Friedrich, da die Liebe zur Macht nicht genügt, auch die Macht selbst besaß und ob er über genügend viel Macht l ) Hampes „Salier und Staufer" erschienen zuerst 1909, Schäfers „Deutsche Geschichte" zuerst 1910. Braubach, S. 336, folgt Hampe in der Formel von Friedrichs „Persönlichkeit". Hofmeister, H. 3. 122, S. 113t., gibt einen Vergleich der Darstellung Hampes und Schäfers.

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verfügte, um die Gerechtigkeit zu verwirklichen. Nachher räumt Schäfer selbst ein, daß Friedrichs Politik mehr als zwei Jahrzehnte auf dem vollen Einverständnis mit Heinrich dem Löwen beruhte, also auf einer zur Hälfte geborgten Macht. „Friedrichs vornehmstes Ziel" war „des Reiches Macht in Italien in vollem Umfang wieder herzustellen bzw. aufzurichten." „Die Lage, in der Friedrich das Reich antrat, zwang bis zu einem gewissen Grade dazu. Sachsen und Bayern waren dem staufischen König verschlossen." „Schwäbisch-alemannischer Unternehmungsgeist" konnte nur in Italien „ein Feld für große Tätigkeit gewinnen". Dies Ziel konnte Friedrich aber nur mit den Fürsten, schwer gegen sie erreichen. Er mußte ihnen daher „einen gewissen Spielraum lassen". „Des Kaisers Lage(l) und Haltung führten dazu," daß insbesondere den nordostdeutschen Fürsten das entsprechende „Arbeitsfeld allein blieb, und das ist für den weitern Gang unserer Geschichte von ausschlaggebender Bedeutung geworden." „Das Königtum blieb diesen Aufgaben, deren Lösung über die Zukunft des deutschen Volks entscheiden sollte, völlig fern." „Es war eine Wendung, so unnatürlich, daß sie verderblich werden mußte; ihre Ursache aber liegt in der Wahl des ersten Staufers." „Auch sonst hat Friedrichs Politik zu bewußter (NB.) Stärkung der Fürstengewalt geführt." „Es war zweifellos eine gewagte Politik, die nur ein Mann von sicherstem Kraftgefühl beginnen konnte. Ob über ihr Ziel hinaus der Gedanke vorschwebte, von dem in Italien gewonnenen Boden aus auch in Deutschland die Königsmacht wieder zu mehren, kann vermutet, durch manches auch wahrscheinlich gemacht, aber nicht bewiesen werden. Es ist unmöglich, ein Urteil über die Berechtigung dieser Politik zu fällen. . . Eine solche Entscheidung ist erst nach Friedrichs Lebzeiten und ohne seine unmittelbare Verantwortung (?) gefallen. Ihn hat sein System ausgehalten (also nur!). Die Gefahren sind aber auch schon unter ihm deutlich zutage getreten" (also!). Schäfers Auffassimg ist hiemach, kurz zusammengefaßt, folgende: Friedrichs vornehmstes Ziel war Italien; er entschied sich für dieses, weil sein Tätigkeitsdrang in Deutschland keine Befriedigung fand. 47aaaa ) Um aber sein italienisches Ziel zu erreichen, mußte er in Deutschland die Dinge und Menschen wesentlich sich selbst überlassen, mußte auf die spezifisch königlichen, staatlichen Aufgaben verzichten! Wenn Schäfer nur sagen will, subjektiv konnte Friedrich nur Italien locken, da er sonst kein

— 134 — freies Feld fand, so ist das eine Sache für sich. Allein Schäfer vertritt offenbar die Meinung, daß für das deutsche Königtum objektiv eine staatspolitische Notwendigkeit bestand, nach Italien zu gehen und dafür Deutschland sich selbst zu überlassen. Kann man zweifeln, wie man eine solche Politik zu beurteilen hat ?! Schäfer gibt offen zu, daß sie so unnatürlich war, daß sie verderblich wirken mußte. Die Schuld soll die Wahl des Staufers tragen. Indessen der Weife wäre, wie wir früher schon bemerkt haben, auch bald der gleichen italienischen Politik gefolgt. Die Schuld ist weiter zurück zu verlegen: die Inaugurierung der italienischen Politik an sich hat bereits die verhängnisvolle Entwicklung begründet. Ganz gewiß war es nicht Friedrichs Absicht, mit dem Ertrag einer glücklichen italienischen Politik Deutschland wieder zu stärken. Er hatte nie Zeit, sich mit solchen Gedanken zu beschäftigen. Denn die italienische Politik nahm ihn zu sehr unmittelbar in Anspruch, ließ ihm nicht Muße für Gedanken, die über sie hinausgingen. Das ewige Ringen um Italien raubte ihm die Wünsche für Höheres. Als mit dem Frieden von 1183 eine gewisse Ruhe eingetreten war, da konnte von einer Verwendung eines Ertrags der italienischen Politik für Deutschland vollends nicht die Rede sein: der Friede von 1183 kam ja, wie wir uns überzeugt haben, einer Bankrotterklärung gleich. Jedenfalls hat Friedrich aus Italien nichts Vorteilhaftes heimgebracht. Umgekehrt: die deutsche Zentralgewalt hat dauernd unter der italienischen Politik gelitten. Über die Vergrößerung des Hausguts spricht Schäfer S. 291, aber mehr nur nebenbei. Die Schilderung der Geschichte Friedrichs im einzelnen ist bei Schäfer sachlich und bietet noch viele Belege für unsere Auffassung. Haller macht (Das altdeutsche Kaisertum S. 159) zunächst einige Bemerkungen, die sich ganz im Rahmen der von mir vertretenen Anschauung zu halten scheinen.18) „Der König war genötigt, sich einer Partei unter den Fürsten anzuschließen, und das hieß, ihr dienen." „Er sah sich genötigt, die Bundesgenossen (die Weifen) zu stärken, wodurch er wiederum noch abhängiger von ihnen wurde." Während ich aber darlege, daß Friedrich, indem und weil er die Abhängigkeit von der ihm verbündeten Fürstengruppe empfand, auf den Gedanken geführt wurde, sich eine eigene Macht, insbesondere durch die Begründung einer königlichen Hausmacht zu schaffen, fährt Haller fort: „Aus diesem fehler-

— 135 — haften Kreislauf (der Zunahme der Abhängigkeit von der weifischen Fürstengruppe, die er fortschreitend stärken mußte) gab es keinen Ausweg, wenn man sich auf Deutschland beschränkte, wo die Möglichkeit zu größerm Machtgewinn fehlte. . . . Wer in Deutschland wirklich König sein wollte, mußte die Mittel auswärts suchen. Und wo anders konnte er sie finden als in Italien." Es bedarf keiner eingehenden Beweisführung dafür, daß Haller hier die Dinge umkehrt. Gerade die italienische Politik Friedrichs hat seine Abhängigkeit von der weifischen Fürstengruppe fortschreitend gestärkt: um gutenteils ihre Hilfe für Italien zu erhalten, hat er ihr „gedient": der „fehlerhafte Kreislauf" seiner Politik hat einen beträchtlichen Grund in seinem Wunsch, vor allem in Italien die Herrschaft zu erlangen. Zwar ist Friedrich das Bündnis mit einer Fürstengruppe nicht lediglich um Italiens willen eingegangen. Ein Motiv lag auch darin, auf deutschem Boden die königliche Stellung wieder herzustellen. Aber das andere Motiv wurde mit der italienischen Politik gegeben, und diese hat verhindert, daß Friedrich das Fürstenbündnis auf deutschem Boden, wie wir es oben geschildert haben, in wahrem Staatsinteresse ausnutzte. Wir müssen Haller gegenüber scharf betonen, daß Friedrich nicht italienische Politik trieb, um von dem Fürstenbündnis los zu werden. Dieses ermöglichte ihm vielmehr erst, italienische Politik zu treiben, und sowie es versagte (Legnanol), brach Friedrichs italienische Politik zusammen. Im übrigen sei zur Widerlegung von Hallers Ansicht auf die kritischen Bemerkungen verwiesen, mit denen wir oben (S. 103) eine der Hallerschen Auffassung verwandte Anschauung abgelehnt haben. Haller aber, der diese Tatsache unbeachtet läßt, schildert nun Friedrichs Kampf in Italien als Kampf einer echten Realpolitik, wie er überhaupt die italienische Kaiserpolitik des Mittelalters, nicht bloß die Friedrichs I., als gesunde Politik, „als eine zwar kühn und groß gedachte, aber zugleich doch natürliche, wohl überlegte und nüchterne Politik der Wirklichkeit", als „keine Verirrung, sondern die entschlossene Wahrung deutscher Lebensinteressen, wie sie zu seiner Zeit bestanden", auffaßt.49) Mit der Deutung von Friedrichs italienischer Politik als gesunder Realpolitik steht nun jedoch die Beurteilung seines Kampfes mit Heinrich dem Löwen, die wir bei Haller finden60), in Widerspruch. Für Italien will er einen „großen und bleibenden Erfolg" Friedrichs buchen81), und er muß ja eine solche Behauptung wagen, wenn seine These nicht als ganz hinfällig erscheinen



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soll. Indessen seiner Behauptung fehlt, wie sich uns gezeigt hat®*), der Untergrund. K. Brandi erneuert in seiner „Deutschen Geschichte", S. 58ff., die Auffassung Hampes, indem er seine Darstellung der Geschichte Friedrichs I., wohl dem populären Zweck seines Buchs entsprechend, nur noch mehr dem Harfnergesang anpaßt.5*) Eine ganz wunderbare plötzliche Wandlung der Dinge stellt sich mit dem Regierungsantritt Friedrichs I. ein. „Die natürliche Entwicklung scheint stille zu stehen, die Notwendigkeit zu ruhen." Friedrichs „Königtum und Kaisertum stiegen mächtig empor." Wodurch wurde die plötzliche Wandlung bewirkt? Wir lesen von „dem Zauber und der Bannkraft der Persönlichkeit", „dem selbstsicheren Gerechtigkeitssinn des Königs." Die Ordnung der weifischen und der österreichischen Frage wird lediglich als Ausdruck und Wirkimg dieses „selbstsicheren Gerechtigkeitssinnes" hingestellt. In den italienischen Streitigkeiten „schützte Friedrich nach Vermögen das alte Recht". Von der Politik des Fürstenbündnisses und der Begründung einer Hausmacht spricht Brandi nicht. In den Friedensschlüssen von Venedig und Konstanz schneidet Friedrich glänzend ab. Wenn er sich kirchlich entgegenkommend zeigte, so blieb „er politisch Herr gegenüber den Städten in den Rechten des Reichs wie gegenüber dem Papst in der alten Frage des Mathildischen Gutes. Und doppelt frei geworden, ließ der Kaiser es nun auch zu einer Abrechnung in Deutschland kommen, die von der größten Tragweite (!) wurde".54) „So zerbrachen Treue und Freundschaft, um die der König ehrlich geworben hatte. Nachdem er aber einmal gesprochen, führte er seinen Königsspruch auch durch; heimatlos mußte der Weife zu seinen Verwandten nach England ziehen." Wir sehen davon ab, daß der „Königsspruch" nicht nach, sondern vor dem Frieden von Konstanz erfolgt ist. Wir weisen nur darauf hin, daß nach Brandis Darstellung der aus Italien mit so großen Erfolgen heimkehrende Kaiser ganz persönlich die Politik führt und leitet. Daß auch jetzt wieder das Prinzip des Fürstenbündnisses das Maß gibt, daß die königliche Politik in der Auseinandersetzung mit Heinrich dem Löwen aufs stärkste durch dessen fürstliche Gegner bestimmt wird, davon berichtet uns Brandi nicht. „Barbarossa hatte sein Tagewerk vollbracht. In dem heroischen Zug seines Lebens lag auch das Ende." Ist der „heroische Zug" das Wesentliche in Friedrichs Geschichte? Vorhanden ist jener. Aber das, was Friedrich von seinen Vorgängern unterscheidet, das sind doch die von ihm vertretenen bestimmten politischen Ge-

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danken, die wir vorhin geschildert haben, die Brandi gar nicht gesehen hat. Und diese lassen ihn doch zu beträchtlichem Teil als Kompromißpolitiker erscheinen. Nachträglich empfindet Brandi das Bedürfnis, etwas über die Neugestaltung der Dinge am Schluß der Regierung Barbarossas zu sagen. „Mit Friedrich Barbarossa versank ein ganzes Zeitalter in den Fluten der Geschichte." Inwiefern? Bisher hatten sich die Könige in erster Linie auf die geistlichen und weltlichen Fürsten gestützt. Das war jetzt nicht mehr möglich. (Von den weltlichen Fürsten sagt Brandi merkwürdig unrealistisch: sie „fanden innerlich nicht die Vereinigung von Stammes- und Reichsgedanken".) An ihre Stelle treten als Stütze des Königtums die Ministerialen.68) Die Darstellung Brandis verläuft dann ohne Ziel, indem er Proben ritterlicher Dichtung mitteilt. Warum aber „versank" mit Friedrich „ein ganzes Zeitalter" ? Wir hatten doch eben von dem glanzvollen Ausgang der italienischen Kämpfe Friedrichs gehört und davon, wie mächtig er Heinrich den Löwen niederwarf! Von einem Versinken eines Zeitalters mit Friedrich Barbarossa wird man nicht gut sprechen dürfen. Denn, von Heinrich VI. abgesehen, haben Friedrichs I. und Friedrichs II. Regierungen in der deutsch-italienischen Politik doch zu viel gemeinsam, als daß man mit Friedrich I. schon ein Ende setzen sollte. Nur soviel darf man sagen, daß die Unmöglichkeit der italienischen Kaiserpolitik bereits mit dem Ausgang Friedrichs I. ganz sichtbar wurde. Aber mit einem solchen Geständnis würde sich Brandi in Widerspruch zu seinem vorausgegangenen Urteil setzen. Am Schluß der Erörterungen, die wir der Frage der mittelalterlichen Kaiserpolitik gewidmet haben, ist es wohl am Platz, den politischen Rahmen, in dem heute die Diskussion der Historiker sich bewegt, mit dem der Zeit Sybels und Fickers zu vergleichen. Soweit die wissenschaftliche Literatur in Betracht kommt, spielen die konfessionelle und die großdeutsche und kleindeutsche Stellung keine entscheidende Rolle. Es gibt unter den Historikern, die zu unserer Frage das Wort ergriffen haben, wohl keinen, der die große geschichtliche Mission Preußens bestreitet, die Ficker noch ein Ärgernis war, anderseits auch keinen, der die Angliederung der österreichischen Landschaften an das Deutsche Reich nicht wünschte.86) Höchstens Schattierungen der Auffassung lassen sich hier beobachten. Bezeichnend ist es, daß der Katholik sich nicht scheut, Nachteile der Italienpolitik in einem Maß

— 138 — anzuerkennen, das Ficker unerhört gewesen wäre, und daß Historiker, die der gleichen deutschnationalen Volkspartei angehören, im Kampf um die Beurteilung der Italienpolitik einander gegenüberstehen. Auch der Gegensatz von Unitarismus und Partikularismus trennt uns wohl nicht. Denn es dürften alle, die zu unserer Frage das Wort ergriffen haben, in dem Bedauern darüber einig sein, daß die deutsche Zentralgewalt des Mittelalters zertrümmert worden und die Landesherrschaften aufgekommen sind, einig jedoch auch darin, daß die historische Entwicklung anzuerkennen ist, nicht durch einen rohen Unitarismus, wie er sich in der Revolution von 1918 kundgab, plötzlich beseitigt, die Reichsgewalt nur auf die gesunde Art, wie es im Reiche Bismarcks geschah, gestärkt und verstärkt werden kann.67) Im Hinblick auf diese hier soeben festgestellten Tatsachen darf man von einer allmählich eingetretenen Entpolitisierung der alten Kontroverse sprechen. Die Angehörigen der beiden wissenschaftlichen Lager wollen sich, wie es bei aller lebensvollen Geschichtschreibimg der Fall ist, an der Vergangenheit aufrichten. Während aber den einen, wie früher Giesebrecht, die heroischen Taten der Kaiser in Italien leuchten, suchen die andern ihre Erhebung an den nach ihrer Meinung politisch wahrhaft fruchtbaren Taten der mittelalterlichen Deutschen, die sie durch jene Italienpolitik gehemmt sehen (s. oben S. 12). Wenn hierbei gemütliche Antriebe gewiß mitschwingen, so handelt es sich doch um Dinge, die durch gründliche wissenschaftliche Erörterung geklärt werden können und deren Aufhellung auch wiederum das politische Urteil zu klären geeignet ist. Eine Trennung unter den Historikern bringen dagegen, wie es scheint, pazifistische Neigungen mit ihrer Abneigung gegen „die Machtpolitik" zu Wege. Wie wir bei Hampe in seiner Darstellung der Geschichte Barbarossas eine auffallende Vernachlässigung der Machtfrage und eine Argumentation mit dem Hinweis auf allgemein menschliche Tugenden des Herrschers gefunden haben, so äußert er sich, in seinem Lebensbild Friedrichs II., auch grundsätzlich über die „Machtpolitik". „Den staatsmännischen Erfolgen Friedrichs II. hat die Vielseitigkeit seiner kulturellen Betätigung eher geschadet. Aber war sie nicht gleichwohl lebenspendender und von unvergänglicherem Wert als alle Gebilde der Machtpolitik?" („Friedrich Barbarossa und seine Nachfolger" S. 296.) Es genügt hierzu zu bemerken, daß Kultur und Machtpolitik keine Gegensätze sind58) und daß z. B. Friedrich II., wie Hampe selbst feststellt69), die Universität

— 139 — Neapel aus machtpolitischen Motiven gegründet hat. „Von dem Machtgedanken aus wird der Staat zum Wohlfahrtsstaat und zu einem sittlichen Institut." 60 ) Man sollte freilich erwarten, daß Hampe von seiner geringen Schätzung der „Machtpolitik" aus am wenigsten die italienische Kaiserpolitik billigen würde. Allein sie zu verwerfen, hinderten ihn offenbar einerseits sein Positivismus, wie wir ihn früher geschildert haben, anderseits der Umstand, daß ihm das machtpolitische, speziell staatspolitische Moment, das in der Kritik der italienischen Kaiserpolitik enthalten ist, ferner liegt. Bei allen Forschern, die in der Geschichte Friedrichs I. die genaueren Wege und Mittel seiner Politik aufzusuchen unterlassen und sich mit dem Hinweis auf seine persönlichen Tugenden begnügen, ist aber auch wohl zu beobachten, daß sie sich zu wenig über den Stil mittelalterlicher Chronistik erheben81), zu wenig den Zusammenhängen zwischen Verfassung und Politik nachgehen. Es überrascht, daß Schäfer und Haller, die in ihren Schriften für den nationalpolitischen Gedanken so energisch eintreten, dennoch die italienische Kaiserpolitik gutheißen, die ja offensichtlich die gesunde Verfassungsentwicklung Deutschlands verhindert hat. Bezeichnenderweise aber geraten sie mit ihren Darlegungen in Widerspruch: sie müssen — wie wir gesehen haben — im Fortgang ihrer Darstellung anerkennen, daß die italienische Kaiserpolitik für Deutschland verhängnisvoll gewirkt hat. Dieser Widerspruch soll ihnen nicht sowohl zum Vorwurf gemacht werden, als in ihm vielmehr der Beweis dafür gesehen werden, daß sie sich trotz anfänglicher und grundsätzlicher unrichtiger Einstellung doch auf die Dauer der richtigen Einsicht nicht entziehen. Die Fragestellung, die ihnen durch ihre nationalpolitische Energie aufgedrängt wird, ebnet bei ihnen den Weg zur richtigen Erkenntnis. Vor allem gilt dies von Schäfer, der schließlich die ungünstigen Folgen der italienischen Kaiserpolitik scharf betont. Hallers Versuch, die italienische Politik als etwas durchaus gesund Realpolitisches zu erweisen, bleibt eine bedauerliche Verirrung, wenngleich wir jenen auch bei ihm wahrzunehmenden Widerspruch ihm als Verdienst anrechnen.61®) Wir haben bisher von der wissenschaftlichen Literatur gesprochen und von ihr bemerkt, daß in ihr von dem alten schroffen Gegensatz zwischen Groß- und Kleindeutsch nicht mehr die Rede ist. Außerhalb der wissenschaftlichen Literatur erheben sich freilich seit der Revolution Stimmen, die nicht nur den alten Widerspruch gegen die deutsche Entwicklung, wie sie sich unter

— 140 — der preußischen Hegemonie vollzogen hat, erneuern, sondern ihn in plumper Phantastik ins Skurrile steigern.6*) Indem wir es unterlassen, über diese Literatur zusammenfassend zu berichten, bemerken wir nur, daß ihre Träger und Förderer sich mit dem Ehrennamen Julius Fickers nicht decken dürfen, da ihnen das durchaus fehlt, was diesen auszeichnete, wissenschaftlicher Ernst und wissenschaftliche Gründlichkeit.

Anmerkungen. x

) Hampe, Salier und Staufer S. 162, meint, Friedrich I. habe bei der infolge der Kriegsdienstverweigerung Heinrichs des Löwen eingetretenen Situation die Hinsicht gewonnen, daß eine Fortsetzung jenes deutschen Gleichgewichtssystems im Interesse des Reichs auf die Dauer untunlich sei. Tatsächlich hielt er an diesem System durchaus fest. Es wurde nur die weifische Fürstengruppe durch eine andere ersetzt. Ia ) Wiederholt gab es Krach zwischen der dem König verbündeten Fürstengruppe und ihren Gegnern, gelegentlich sogar innerhalb der Verbündeten (selbst Reinald von Dassel hat Friktionen). Hampe, Salier und Staufer S. 153. Friedrich sieht sich mehrfach genötigt, zugunsten Heinrichs des Löwen bei dessen Gegnern zu vermitteln. Hampe S. 168. l ) Vgl. Simonsfeld, Jahrbücher I, S. 474 Anm. und S. 477. ( ) Zur Interpretation des Privilegium minus im Verhältnis zu dem Würzburger Privileg von 1168 vgl. Hans Hirsch a. a. O. S. 83; K . Lechner, Grafschaft, Mark und Herzogtum. Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich I. Teil, S. 32 ff. Die Maßnahmen von 1156, 1168 und 1180 unterscheiden sich insofern, als bei den beiden ersten der Ton auf der Zuerkennung staatlicher Rechte liegt, bei der von 1180 dagegen auf der Gebietüberweisung. Gemeinsam allen ist die planmäßige Begünstigung der lokalen Gewalten. Über das Vorkommen des Wortes terra in territorial-rechtlichem Sinn im Jahre 1 1 3 6 s. Lechner S. 51 — eine vereinzelte erste Erwähnung. ,b ) Hampe, Salier und Staufer S. 125, erwähnt natürlich das Privileg von 1156, dagegen das von 1168, soviel ich sehe, nicht, und jedenfalls fehlt bei ihm die allgemeine zusammenhängende Würdigung der Vergabungen von 1156, 1169 und 1180. Über die Preisgabe königlicher Rechte an Würzburg vgl. Niese, Reichsgut S. 54; Rosenstock, Histor. Vierteljahrsschrift 1913, S. 74. Giesebrecht V, 2, S. 615 macht geltend, daß Friedrich auch einmal die Verlegenheiten Heinrichs des Löwen zu seinen Gunsten benutzt hat (Wiedergewinnung von Goslar 1168). Über eine während der Pilgerfahrt Heinrichs gegen ihn gerichtete Aktion Friedrichs vgl. Haller, Der Sturz Heinrichs des Löwen S. 327. Aber auch Giesebrecht sagt (S. 614): ,,Er stand durchaus auf der Seite des Herzogs und sah in dessen Gegnern lediglich Friedensbrecher; er maß ihnen sogar die Schuld an dem Verlust Italiens

— 141



bei." Natürlich kommt es mir nicht in den Sinn, zu behaupten, daß König Friedrich reiner Funktionär der Fürstengruppe, mit der er gerade verbandet war, gewesen sei. Einen wirklichen,, Klassenstaat" hat es, wie ich schon aus anderm Anlaß betont habe, nie gegeben. Vgl. Eiserne Blätter 1926, Nr. 37, S. 625. Friedrich stand unter verschiedenen Einflössen, wie z. B. auch die alte Tradition der italienischen Kaiserpolitik als Macht auf ihn wirkte und ihn mitbestimmte. Und er stand nicht bloß unter einer Mannigfaltigkeit von Einflüssen, sondern suchte sich leidlich eine gewisse Selbständigkeit der Entscheidungen zu wahren. Wie er denn die Wünsche Heinrichs des Löwen zwar wohl in deren Richtung, indessen nicht immer in der genauen Linie, die Heinrich verlangte, ausführte (vgl. Giesebrecht a. a. O. S. 614). Insoweit war seine Stellung doch eine königliche. Immerhin bleibt es dabei, daß das Bündnis mit einer Fürstengruppe einen der entscheidenden-Faktoren in Friedrichs Politik gebildet hat. 4 ) Hans Hirsch a. a. O. S. 74 glaubt in Heinrich V. einen Vorläufer Friedrichs I. in diesem Betracht oder wenigstens bei ihm schon den entsprechenden Gedanken sehen zu können. Entscheidend ist namentlich, ob der König Vogteien von geistlichen Fürsten zu Lehen nimmt. *•) Es ist jedoch notwendig, daran zu erinnern, daß es sich bei dem ältern königlichen Hausgut nicht bloß um Grundbesitz handelt. Arge Mißverständnisse stammen daher, daß man bei Königsgut nur an Grundbesitz gedacht hat. Hervorzuheben bleibt aber, daß die Staufer bei der von Friedrich geschaffenen Hausmacht mehr Wert auf Gerichts- als auf Grundbesitz legen. Vgl. Niese, Reichsgut S. 56. 4b ) Gegen eine neuerdings vertretene irrige Auffassung der Bede s. meine „Probleme der Wirtschaftsgeschichte" S. X V I I I . ') Vgl. die richtige Beobachtung von Hirsch a. a. O. S. 85, Anm. 2. G. Kallen a. a. O. S. 16: In bezug auf die Vogteien ahmt Friedrich I. die Politik der Dynasten nach. Man hat sich heute bemüht, das 13. Jahrhundert als ein epochemachendes zu erweisen, und will nicht mit dem 16., sondern dem 13. Jahrhundert eine neue Periode beginnen lassen. Ich habe demgegenüber bemerkt, daß, wenn man schon das 16. Jahrhundert depossedieren wolle, dann sich ebenso gut, oder noch mehr als das 13., das 12. als Ersatz empfehlen würde (s, meine „Historischen Periodisierungen", 1925). So zeichnet auch die Bildung einer königlichen Hausmacht das 12. Jahrhundert aus. Vgl. Hermann Aubin, Schmollers Jahrbuch, 48. Jahrg. 3. Heft S. 714 f. •) Ich habe diese Dinge gegenüber den unklaren Vorstellungen, die z. B. Schmoller von der Bedeutung der Ministerialität vertreten hatte, klargestellt in der H. Z. 59, S. 225 ff. So auch meinen „Ursprung der Deutschen Stadtverfassung" S. 115 und Herrn. Aubin, Die Verwaltungsorganisation des Hochstifts Paderborn im Mittelalter S. 10 ff. ') Deutsche Geschichte S. 63. *) Schon Hans Hirsch a. a. O. S. 74 hat bemerkt, daß die Ministerialität bei den kleinen Dynasten ebenso eine Rolle spielt wie bei dem Königtum und daß Vergrößerung des Besitzes und Mehrung der Ministerialität zusammenhängen. Ebenso hebt W. Lenel, H. Z. S. 128, S. 240 hervor.

— 142 — daß die Reichsdienstmannschaft durch Friedricns Erwerbungen stark gemehrt wurde. Über die Verwendung der Ministerialen im Reichsdienst s. auch oben S. 82 Anm. io». •*) Über Heinrichs des Löwen Truchsessen Jordan s. Haller, Der Sturz Heinrichs des Löwen. Archiv für Urkundenforschung Bd. 3, S. 315. *) Über das weitere Schicksal der königlichen Hausmacht s. meine „Reichspolitik einst und jetzt" S. 21 ff. Zu der allgemeinen Literatur aber Entstehung, Bestand und Verwaltung des königlichen Territoriums (Alex. Boß, Kaster, Scholz, Niese) vgl. neuerdings F . Grünbeck, „Die weltlichen Kurfarsten als Träger der obersten Erbämter des Hochstifts Bamberg", Jahrbuch 1922/24 des Historischen Vereins von Bamberg S. 64. 10 ) Hofmeister in der Festschrift für D. Schäfer S. 110. S. 1 1 5 : Bei zwiesältiger Wahl setzt Friedrich den Bischof nach dem Rat der Forsten ein. Schon dem alten M. J . Schmidt, Geschichte d. Deutschen, Bd. 6 (Ausg. von 1783), S. 72, fiel die Wandlung der Dinge unter Friedrich auf: „Friedrich wußte das in Ansehung der Bischofswahlen fast ganz zugrunde gerichtete kaiserliche Ansehen auf einen solchen Fuß zu setzen, daß, wenn es von einer Dauer gewesen wäre, er und seine Nachfolger keine sonderliche Ursache würden gehabt haben, sich das abgetretene Investiturrecht gereuen zu lassen." u ) Hauck, Kirchengeschichte Deutschlands IV S. 185 und 3i9ff. S. 185: Die freie Wahl wollte man nicht bloß zugunsten des Papstes errungen haben. Hampe, Salier und Staufer S. 158. Hauck S. 322: Friedrich I. macht die Klagen der deutschen Stifter über die Geldforderungen der Kurie zu den seinen. Hampe, Friedrich I. und seine Nachfolger S. 2 5 1 : die Bischöfe auch wegen der schismatischen Weihe zu Friedrich geschoben. Neuerdings betont Paul Schmid, Der Begriff der kanonischen Wahl in den Anfängen des Investiturstreits (1926), daß Gregor V I I . mehr als die Freiheit der Wähler die Beeinflussung der Wahl von Rom her am Herzen lag. 11 ) Man darf jedoch die Wirkung der Enttäuschung, die der Zweite Kreuzzug brachte, nicht übertreiben. Dies tut U. Peters, Charakteristik der innern Kirchenpolitik Friedrich Barbarossas (Greifswalder Diss. von 1909) S. 23 im Anschluß an Lamprechts „Deutsche Geschichte": „Die Wahl Friedrichs war eine erneute Niederlage des bernhardinischen Geistes, schlimmer denn die erste. Die Sache Bernhards war tot, ehe ihr Träger dieser Welt Unruh und Last mit der heiß ersehnten ewigen Stille vertauscht." Eine Widerlegung solcher Sätze ist überflüssig. Vor einer Uberschätzung der Wirkung des ungünstigen Ausgangs des Zweiten Kreuzzugs auf die Stimmung gegen die Kurie muß der Umstand bewahren, daß diese Stimmung auch schon vor dem Zweiten Kreuzzug sich beobachten läßt. Vgl. Hauck IV, S. 190 Anm. 1 (gegen Hampe); s. auch S. 189. S. 3 1 9 nennt Hauck das Zusammengehen mit dem geistlichen FOrstentum „die (I) Grundlage für das politische System Friedrichs". E s ist natürlich nur eine Grundlage (neben dem Fürstenbündnis und der Hausmacht). E s kommt übrigens auch in Betracht, daß zu der FOrstengruppe, mit der Friedrich im Bündnis stand, namhafte geistliche Fürsten gehörten, die durch die gleichen Mittel gewonnen wurden wie die weltlichen Mitglieder der be-

— 143 — treffenden Fdrstengruppe: durch Erfüllung der Wünsche, die sie für ihr sich bildendes Territorium hegten. **) Über den päpstlichen und königlichen Einfluß auf die Bischofserhebung in einer spätem Zeit und seine Art vgl. lehrreich Hauck V, 2, S. 654. S. 315 urteilt Hauck: „Das nationale Königtum war nicht mehr fähig, dem kirchlichen Leben die Anregung und die Leitung, deren es bedurfte, zu bieten. Stand es dann aber nicht so, daß der Rest von Herrschaft, den Friedrich behauptete, etwas Irrationales w a r ? " So radikal darf man nicht denken. Die Zeitgenossen empfanden es selbst als richtig, daß der König bei der Besetzung der kirchlichen Stellen mitwirkte. E s kam darin einfach zum Ausdruck, daß sich viel staatliche Rechte in der Hand der Bischöfe befanden. 14

) Vgl. darüber meinen „Deutschen Staat des M.A." Bd. I. ) F. Kern, Gottesgnadentum und Widerstandsrecht S. 133 ff. Stutz, Savigny-Zeitschrift, Germ. Abt. 1916, S. 553. Schäfer, Deutsche Geschichte, S. 285: die Erinnerung an das Römische Reich als Vorgänger des mittelalterlichen Deutschen Reichs betont und verwertet. lia ) Vgl. Giesebrecht, Geschichte der deutschen Kaiserzeit V, 1, S. 145. i»b) Mitunter mit großen Mühen I Vgl. Giesebrecht V, 1, S. 22. Bäthgen, DLZ. 1925, Nr. 28, Sp. 1377. >7) Vgl. Hampe, H. Z. 127, S. 265. 1»») Charakteristisch ist es z. B., wie Friedrich sich Anteil an der Steuer in Basel sichert. Wackernagel, Gesch. d. Stadt Basel I, S. 46. " • » ) Hampe, S. 168, meint, eine Verwahrung dagegen einlegen zu müssen, daß man von,.einer bewußt deutsch-nationalen Politik Heinrichs" spreche. Daran denkt bei uns meines Wissens kein Forscher. Den von tschechischer Seite gemachten Versuch, Karl IV. moderne tschechischnationale Tendenzen zuzuschreiben, weist mit Recht E. Hanisch, Der sog. „Patriotismus" Karls IV., Jahrbücher für Geschichte und Kultur der Slawen, N. F. Bd. 2 (1926), S. 9ff. zurück. Indem ich seiner Beweisführung vollauf beistimme, möchte ich doch nebenbei beanstanden, daß Hanisch als Gegensatz gegen nationale Politik einfach Familienpolitik setzt. Es könnte daraus die irrige Vorstellung entstehen, als ob der mittelalterliche Herrscher nur Familienpolitik getrieben hjtbe. Dieser hat zwar ein anderes Ideal als etwa ein Fürst des 19. Jahrhunderts. Das Bewußtsein, dem eignen Volk als einer bewußt empfundenen Nation zu dienen, war ihm nicht eigen. Aber inhaltvoll war auch sein Ideal: er wollte ein frommer und gerechter Herrscher sein. Recht und Frieden hüten, das Land nach außen verteidigen, die Kirche stützen. Praktisch kommt das alte Ziel dem modernen näher, als es auf den ersten Blick scheint. Mit der Familienpolitik ist natürlich die Pflicht der Fürsorge für die Untertanen vereinbar und ist tatsächlich vereinigt worden. 1(

17b ) Dies bemerkt auch Hampe S. 169. Wir stimmen ihm jedoch nicht bei, wenn er sagt, Heinrich wäre „durch die sachliche Notwendigkeit (I) . . . in die Bahnen der imperialen Politik getrieben" worden. Durch dies

— 144 — Lob Heinrichs widerlegt Hampe zugleich das, was er S. 162 Aber die Parallele Friedrich I.-Bismarck gesagt hat (s. darüber unsere obige Kritik). 17 °) Ebenso und noch entschiedener, als Hampe, bedauert Haller, Das altdeutsche Kaisertum S. 2 i 8 f f . die Beseitigung der Stellung Heinrichs im Nordosten. „Ob Friedrich damit auf die Dauer auch dem Reich und der deutschen Nation genutzt hat, ist eine andere Frage. . . . Das Königtum ging leer aus . . . Für Jahrhunderte ist Norddeutschland seitdem der staatlichen Zersplitterung überlassen geblieben. An der Grenze hat man es bald gespürt, daß nicht mehr die Macht eines großen Herzogs das Ansehen und den Einfluß Deutschlands gegenüber den Nachbarn in Nord und Ost vertrat." Wenn Haller S. 219 Nachteile der Beseitigung Heinrichs aufzählt, so ist seine Liste noch nicht vollständig. Es hätte namentlich auch noch darauf hingewiesen werden können, daß diejenigen, die mit den Spolien Heinrichs durch den Kaiser ausgestattet worden waren, selbst wieder ihm Opposition machten, wie Philipp von Köln, daß also die Niederwerfung Heinrichs — von den Weifen ganz abgesehen — die Opposition nicht vermindert hat. Trotz jener Sätze nennt Haller S. 220 die Niederwerfung Heinrichs Friedrichs „größten Erfolg". Eine Auseinandersetzung Hampes mit Haller über Heinrich den Löwen s. H. Z. Bd. 109. Bemerkenswerte Beobachtungen über Heinrich macht Hofmeister: „Überall im Nordosten, in Gotland und Schweden und in Nowgorod sind die Verträge Heinrichs des Löwen grundlegend gewesen für die Stellung des Deutschen im Auslande und ihre unvergleichliche Entwicklung." Zeitschr. f. lübeckische Geschichte Bd. 23, S. 86. Ebenda S. 45 spricht Hofmeister über den politischen Rückschlag, der im Nordosten in den letzten Jahren Barbarossas eintrat, wobei daran erinnert sei, daß in Hampes allgemeiner Darstellung die letzten Jahre Barbarossas als durchaus glanzvoll erscheinen. Friedrich I. ist insbesondere auch die Vernachlässigung des deutschen Interesses gegenüber Dänemark vorzuwerfen. M. Philippson, Heinrich der Löwe (2. Aufl.), S. 461 und 464. Über Editha Gronen, Die Machtpolitik Heinrichs des Löwen (1919) vgl. Fedor Schneider, H. Z. 127, S. i6of. Es macht sich heute eine steigende Wertschätzung Heinrichs des Löwen geltend und zwar ganz ohne Zusammenhang mit dem modernen parteipolitischen Welfentum. Sie tritt auch in der poetischen Literatur hervor. In dem Roman von W. Jansen, Heinrich der Löwe werden S. 209 ff. die Folgen der um Italiens willen vorgenommenen Zertrümmerung der Macht Heinrichs geschildert. S. 2 i o f f . über Dänemark, S. 212 über den Norden nach dem Sturz Heinrichs: „Friedrich hat anderes im Kopf, neue Streitigkeiten mit dem Papst, Kämpfe mit der eigenen Geistlichkeit" (Philipp von Köln). Friedrich läßt die Dinge laufen. Das Reich ist siech. Die Fürsten dulden lieber den Fremden (Dänemark) als den kraftvollen Gewaltherrscher der eigenen Art. S. 2 1 4 : Die Ditmarschen treten unter dänische Oberlehnsherrschaft. S. 2 1 5 : Friedrich hat keine Zeit für Deutschland. S. 143: Heinrich der Löwe (nach der Aufteilung Bayerns) über Kaiser Friedrich: „Der Mann schlägt Deutschland in Stücke und pflanzt die Vaterlandsliebe in Blumentöpfe, damit jeder Narr seine eigene Farbe habe." Jordan: „Erstens Vetternwirtschaft und zweitens Friedrichs Entgegenkommen für den über-

— 145 — steigerten Herrengeist der kleinen Gräflein." Oer Dichter bekundet hier doch mehr Sinn für das Wesentliche als mancher namhafte Historiker. Wie ich einer Besprechung im „Volkswart" 1926, S. 147, entnehme, hat Th. Westerich ein Schauspiel „ Niedersachsens Not" verfaßt, dessen Inhalt nichts anderes ist als der Gegensatz zwischen Fickers und Sybels Auffassung. Heinrich der Löwe ist der Held des Stocks. In ihm und Friedrich I. stehen sich die Vertreter der miteinander ringenden Gedanken gegenüber. 17d ) Hampe, Salier und Staufer S. 162. 1,e ) Hampe, Friedrich Barbarossa und seine Nachfolger, S. 251 erklärt, man habe ,,nicht ganz mit Recht" Friedrich die Vernachlässigung des Ostens vorgeworfen. „Denn soweit er nicht durch die sächsisch-bayerische Machtstellung an einem Eingreifen schlechthin gehindert war, hat er durch drei Feldzüge gegen Polen, . . . und wiederholte Einmischung in Böhmen seine Oberhoheit über diese Nachbarreiche zur Geltung gebracht." Es ist doch künstlich, die bayerisch-sächsische Machtstellung hier als Hemmung vorzuführen. Hampe meint wohl, Heinrich der Löwe ließ sich nicht dreinreden. Woher aber war es gekommen, daß sich hier ein so selbständiges Machtzentrum gebildet hatte? Wesentlich deshalb, weil die Könige wegen ihrer italienischen Politik der Entwicklung des Fürstentums freie Bahn ließen und sich um die entsprechenden staatlichen Aufgaben nicht viel kümmerten, was denn zur Folge hatte, daß die Fürsten sie in die Hand nahmen. Jedenfalls hätte Hampe in erster Linie die italienische Politik als Hemmung nennen sollen, da sie dauernd die Aufmerksamkeit der Könige vom Osten ablenkte. Im übrigen sei auf unsere voraufgehende Darstellung mit den zugehörigen Noten verwiesen. 17f ) Vgl. über den polnischen Feldzug von 1157 R. Holtzmann, Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens Bd. 56 (1922), S. 42 ff. Schon 1085 hatte der Herzog von Böhmen die königliche Würde erhalten, aber nur für die Person des augenblicklichen Herrschers. Jetzt, 1157, erhielt er sie nach Bretholz, Gesch. Böhmens und Mährens I, S. 72, „wieder nur für seine Person", nach Simonsfeld Jahrbücher I, S. 602, und Hampe, Salier und Staufer S. 125, für sich und seine Nachfolger. Eine dritte Verleihung bzw. Anerkennung erfolgt 1198 durch Philipp von Schwaben. Immer läßt sich wohl eine indirekte Beziehung zur italienischen Politik erkennen. Man mag Bretholz, Gesch. Böhmens und Mährens bis 1306 (1912) S. 257 ff. nachlesen, um sich davon zu überzeugen, wie Friedrich I. die deutschen Belange in diesen Gebieten weit wirksamer hätte wahrnehmen können, wenn er nicht durch die italienische Politik gefesselt gewesen wäre. Man lese auch den Bericht über die böhmischen Hilfsmannschaften, die Friedrich sich von Böhmen für Italien ausbedang und die moralisch und militärisch so versagten. Auch hier sehen wir, wie das deutsche Königtum um Italiens willen Konzessionen macht. An der zuletzt angeführten Stelle deutet Bretholz die Verleihung von 1158 so, daß der Böhmenherzog damals zwar den königlichen Rang für sich und seine Nachfolger erhielt, aber diese Errungenschaft selber wieder zunichte gemacht hat (S. 272). Bei summarischem Urteil kann es gelten, wenn Hampe (Friedrich I. und seine Nachfolger Beih. d. H. Z. to. 10

— 146 — S. 251) sagt, daß Friedrich „seine Oberhoheit über diese Nachbarreiche (Polen, Böhmen) cur Geltung gebracht" habe. Geht man aber ins einzelne, so erkennt man das Unvollständige der Sache. 17 *) Das Obige nach der aufschlußreichen Darstellung Holtzmanns. " ) Richard Schmidt, Wesen und Entwicklung des Staats, S. 108 Anm. 2. Ahnlich Haller, Das altdeutsche Kaisertum S. 160. Hampe, Salier und Staufer S. 222, trägt ungefähr die entsprechende Ansicht für Friedrich II. vor, hier in gewisser Beziehung nicht ohne Grund. — Private (Fönten einschließlich) mögen etwas an Besitz aus Italien heimgebracht haben. Viel wird es nicht gewesen sein. Vgl. die unten angefahrten Notizen. Zu beachten ist auch die Abneigung gegen die Italienfahrten. '*) Hampe, Friedrich Barbarossa und seine Nachfolger S. 253, behauptet, daß Friedrich „meist über eine erstaunlich gut gefüllte Kasse verfügte". Vgl. dagegen Simonsfeld S. 486: vom italienischen Feldzug her leere Kassen. Giesebrecht II, S. 362, spricht davon, daß die königliche Schatzkammer unter Heinrich III. — und dieser war doch ein König, der viel in Italien geweilt hat, also dort auch viel hätte ernten können — meist leer war. Ficker, Reichsfürstenstand I, S. 361 : Der Kaiser opfert viel, um die Fürsten für den Zug nach Italien herumzukriegen. S. 362: die geistlichen Fürsten ruinieren sich; Kirchenschätze verpfändet: zu rechtfertigen nur, weil die Fahrt unter kirchlichem Gesichtspunkt stattfindet. W. Lenel, H. Z. 128, S. 225 : über den kaiserlichen Kanzler Christian von Mainz (1172): „ohne Truppen, von Geldmitteln entblößt und auf finanzielle Unterstützung angewiesen . . . ließ sich von den Genuesen ins Schlepptau nehmen." Wie Geld in der Form von Geschenken nach Deutschland kam (was aber wohl kaum viel ausmachte), darüber vgl. Giesebrecht V, 1, S. 32. Eine der Quellenaussagen, die uns einen geradezu furchtbaren Blick in die damaligen Staatsfinanzen tun lassen, ist § 25 des Hagenauer Stadtrechts von 1164, also von Friedrich: vadia imperatoris sex septimanas, burgensium dies 15 sine calumpnia lucri ad redimendum servati precipimus. Schmeidler macht mich auf Helmolds Chronik I, cap. 80 (S. 154) aufmerksam: die Fürsten lehnen den vom Papst gewünschten Zug Friedrichs nach Apulien ab: desunt nobis stipendia. Meinwerk (vita cap. 21, S. 27) klagt über ecclesie sue penuria, im Hinblick auf einen geplanten Zug nach Italien. — Über die Frage, ob die gesamten Bedürfnisse des Reichs und des kaiserlichen Hofs nur durch Anweisungen, Anleihen, Vorschüsse und Versatzgelder gedeckt wurden, vgl. Küster, Reichsgut, S. 86f. Siehe hierzu auch Heimpel, Vjschr. f. Soz.- und W.G. 19, S. 362. Haller, Das altdeutsche Kaisertum, S. 206: „Dem Kaiser (Friedrich) fehlten die reichen Mittel, die ihm früher aus den Steuern der Lombardei zugeflossen waren, und Ersatz war daheim nicht zu finden." Sind wir in der Lage, nähere Angaben über „die reichen Mittel aus den Steuern der Lombardei" zu machen? *°) Vgl. oben S. 141 Anm. 5 und 6. Über Beamtenverwaltung in deutschen Territorien des 12. Jahrhunderts (1180) vgl. Sander-Spangenberg, Urkunden zur Geschichte der Territorialverfassung, 1. Heft, S. 17, Nr. 34. Zu dem, was ich über die im Text berührten Verhältnisse in meiner Abhandlung über die Anfänge des modernen Staats in „Territorium und Stadt"

— 147 — 2. Aufl. bemerkt habe, s. neuerdings Spangenberg, Die Entstehung des Reichskammergerichts und die Anfänge der Reichsverwaltung, Zeitschr. der Savigny-Stiftung Bd. 46, S. 250 und 266. Spangenberg hätte freilich nicht bloß das Hausgut Friedrichs II., sondern schon das Friedrichs I. ins Auge fassen sollen. Mit Recht erklärt er sich S. 286 gegen Seeliger, der das Reich das Vorbild der Territorien sein läfit, während ja das umgekehrte Verhältnis bestanden hat. " ) Ficker-Puntschart, Reichsfürstenstand II, 1, S. 341. S. 338: Romfahrt und Landesverteidigung. Als charakteristisch für die einseitige Orientierung nach Italien sei auch erwähnt, daß in späterer Zeit noch die Reichssteuern allgemein in einer Form bewilligt werden, die man ,,Römermonate" nennt. Über den öffentlichen Charakter bei der Heeresverfassung (gegen Ficker) vgl. Fehr, Savigny-Zeitschr., Germ. Abt., Bd. 33, S. 553. Haller, Das Altdeutsche Kaisertum, S. 206: nur die Pflicht, den König zum Empfang der Kaiserkrone nach Rom zu geleiten. **) Vgl. Wopfner, Urkunden zur deutschen Agrargeschichte S. 78. — Beachtung verdienen die offenbar gewohnheitsrechtlich entstandenen Einrichtungen, die den Zug des Königs nach Rom und seine Heimfahrt ordnen sollen. Vgl. z. B. Simonsfeld, Jahrbacher I, S. 376ff. und S. 699ff. ***) Hampe, S. 142, lehnt mit Recht die Auffassung von Nitzsch und Lamprecht ab, welche den Gegensatz Friedrichs gegen die lombardischen Städte wirtschaftlich erklären wollen. — O. Hartwig, S. Gimignano, „Nation" 1897, Nr. 22, legt für das 12. Jahrhundert dar, daß die Deutschen den Italienern gegenüber keineswegs als Barbaren zu betrachten seien. ,,b ) Siehe meine Abhandlung Ober die Anfänge des modernen Staats in meinem ,.Territorium und Stadt", 2. Aufl. Zu diesen oft geschilderten Verhältnissen vgl. neuerdings W. Lenel in der unten zu nennenden Abhandlung, u. a. Aber den Gegensatz der großen Seestädte Pisa und Genua und aber die Art, wie Friedrich zwischen ihnen laviert. ttd ) Hampe sieht große Erfolge Friedrichs in dieser Zeit in Italien wie in Deutschland. Meines Erachtens ist seine Darstellung aberall zu dämpfen: „große" Erfolge vermag ich nirgends zu sehen. Selbstverständlich verschließe ich mich nicht gegen die Bedeutung „glanzvoller Hoftage" wie des Mainzer 1184, auch nicht gegen die „staunenerregende organisatorische Leistung", die bei ihm hervortritt (Salier und Staufer S. 172). Wir freuen uns der ritterlichen Poesie unseres Mittelalters, und es ist auch richtig, daß Friedrichs Großtaten ihren Anteil daran hatten, wenn nur nicht Walter von der Vogelweide so bald und so reichlich Anlaß zur Klage aber die Reichszerrissenheit und aber den Streit zwischen Papst und Kaiser — infolge der italienischen Politik — gegeben worden wäre. Und unter Friedrich II, begann schon, wie Hampe selbst sagt, eine kulturelle Erschlaffung des Ritterstandes, weil die politische Vormachtstellung Deutschlands unter Friedrich II. allmählich sank. Hampe wird sagen: die politische Vormachtstellung ist die mächtige Stellung Deutschlands in Italien — das ist aber eben ein Irrtum. Und unter demselben Friedrich II., der in Italien noch mächtig dasteht, treten in Deutschland politische Verhältnisse ein, die von

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— 148 — einer politischen Machtstellung Deutschlands weit entfernt sind und die den Rockgang der Kultur des Ritterstandes mit verschulden. Kehren wir aber zu Hampes Titeloberschrift zurück, so muB " " " schon die Hoftage in den Vordergrund stellen, um die Behauptung von den „großen Erfolgen" zu stotzen. Nachträglich sei bemerkt, daß auch Hampes Urteil Ober die 6 Jahre 1 1 6 8 — 1 1 7 4 : „reich an stillen, nachhaltigen Erfolgen" (Salier und Staufer S. 158), „Befestigung und langsame Erweiterung der verbliebenen Macht" („Friedrich und seine Nachfolger" S. 250) mir der realen Grundlagen zu entbehren scheint. — Über Fickers (für den Kaiser günstigere) Auffassung des Friedens von Venedig, Ober diesen selbst. Ober den Konstanzer Frieden äußert sich Hampe, Salier und Staufer S. 164 ff. und S. 173 ff. Verdienste behalten Fickers Forschungen unbedingt. Hampe gibt zu (S. 174), daß „ein Bund (der Lombardenbund) innerhalb des Staats stets bedenklich" ist. Man darf zwar geltend machen, daß etwas derartiges im Mittelalter nicht ohne Beispiel ist. Indessen war der Lombardenbund doch ein Bund besonderer Art und jedenfalls war das jetzige Verhältnis zu ihm etwas ganz anderes als das, was Friedrich als Ziel verfolgt hatte. Richtig ist es (S. 175), daß die heftigen Rivalitäten innerhalb des Städtebundes stets Möglichkeiten zum erfolgreichen Eingreifen eröffneten. Allein dieser Umstand muß bei einer Würdigung der rechtlichen Festsetzungen des Konstanzer Friedens außer Betracht bleiben. Jene Möglichkeiten eröffneten sich unabhängig davon, ob der Kaiser eine Oberhoheit hatte oder nicht. — Immer von neuem bleibt zu betonen, daß die günstige Stellung, die Friedrich I. in seinen letzten Jahren einnimmt, zum guten Teil durch den Kreuzzugsgedanken bedingt ist; weil man einen Kreuzzug für so notwendig hielt und weil man dafür auf Friedrich rechnen konnte, deshalb wurde über Trennendes hinweggesehen, was sonst seine Stellung ungünstiger gestaltet hätte. Hampe, Salier und Staufer S. 181, geht aber doch zu weit, wenn er Friedrich jetzt „die leitende Stelle in den gemeineuropäischen Angelegenheiten" (wie Urban II. hundert Jahre vorher) einnehmen läßt. Die „Leitung" ist mehr Theorie als Tatsache. " ) Hampe, Salier und Staufer S. 1 7 1 , führt selbst den Erfolg Friedrichs gegenüber Heinrich auf das „doppelt mit dem seinigen verkettete Interesse der Fürsten", den „Glanz des kaiserlichen Namens und die Abneigung gegen das gewalttätige Regiment Heinrichs" zurück. Das rief einen allgemeinen Abfall hervor. „Darauf gestützt gewann die überlegene Strategie des Kaisers nahezu ohne Schwertstreich Heinrich seine Lande ab." Man sieht, wie auch in der Niederwerfung Heinrichs überwiegend die Fürsten materiell den Ausschlag geben. *?) Ich gehe hier nicht auf die Friedensverhandlungen ein, sondern spreche nur von deren schließlichen Ergebnissen. Über jene vgl. z. B. Lenel S. 198 Anm. 1 : „wir haben hier ein . . . lehrreiches Beispiel von Nachgiebigkeit des Kaisers gegenüber der Liga, das Ficker und die spätere Forschung ignoriert haben." ••) Lenel S. 200. " ) Lenel S. 199 und S. 200. *') Lenel S. 203.

— 149 — M

) Lenel S. 203. **») Lenel S. 235 wendet sich gegen Hampes Meinung, daß das Bündnis mit Mailand eine „überraschende Schwenkung von Friedrichs Politik" bedeute (Salier und Staufer S. 178). Gerade auch nach unserer Auffassung hat es etwas Überraschendes nicht. *•) Über die hier in Betracht kommende Parallele siehe Lenel S. 215. ,0 ) Lenel S. 217. Lenel macht übrigens im einzelnen mehrere Bemerkungen, die mit meiner Auffassung übereinstimmen. fl ) Vgl. zum folgenden die lehrreiche Darstellung bei Lenel S. 235 ff., in der übrigens das Unfertige, Problematische des italienischen Territoriums, das sich Friedrich einrichten wollte, stärker hätte betont werden können. Auch scheidet Lenel meines Erachtens nicht genügend zwischen der Behandlung der großen Reichslehen (Herzogtümern, Markgrafschaften, Grafschaften) und der Bildung des eigentlichen Territoriums. " ) Aus der Schilderung Lenels ersieht man, wie Friedrich in bezug auf die großen Handelsstädte Pisa und Genua keineswegs die Direktion in der Hand hat. **) Den Ricasoli wird das Privileg erteilt, daß sie, wenn Leute von ihnen nach Florenz oder andern Städten entlaufen, sich überall, wo es sei, der Habe jener Menschen bemächtigen dürfen. Lenel S. 239. Ähnliche Privilegien erteilen deutsche Landesherren nur etwa solchen Klöstern, denen sie persönlich nahe stehen (Hausklöstern). **) In diesem Sinn ist es wohl zu verstehen, wenn Lenel einmal (S. 238) von den Städten, die gewissermaßen Enklaven im Reichsgebiet bilden, spricht. " ) Vgl. Lenel S. 251. " ) Vgl. Karl Schmitt, Die Kernfrage des Völkerbundes (1926) S. 13. 37 ) Ficker hat ja in seinen spätem Jahren überhaupt in mancher Beziehung seine ältere Auffassung eingeschränkt. So bestreitet er in der Einleitung zu den staufischen Regesten, Regesta Imperii V, 3 (1901), S. X I I f., den üblichen Glanz der ,,Staufer" und kommt so zu einer Verurteilung der italienischen Politik. Vgl. S. X unten. Hampe trägt in seinem Aufsatz „Friedrich I. und seine Nachfolger", der nach Lenels Kritik erschienen ist, dieser einige, aber nicht genügende Rechnung. Vgl. S. 264: „erneute Steigerung der kaiserlichen Rechte" (durch den Konstanzer Frieden). Das ist mindestens mißverständlich. " * ) Auf ein Beispiel der Bedrängung der Kurie durch andere politische Gewalten als die des Kaisers — in der Zeit des großen Gegensatzes zwischen Papst und Kaiser — weist soeben Hampe, eine unbekannte Konstitution Gregors I X . , Zeitschr. für Kirchengeschichte 45, S. 190U., hin. M ) Vgl. oben S. 82 A n m . n . ,s *) Vgl. auch oben S. 95. *•) Vgl. z. B . Alex. Cartellieri, Neue Heidelberger Jahrbücher, Bd. 13, SA., S. 28 (energische Verteidigung des Erwerbes von Sizilien); Haller H. Z. 1 1 3 , S. 4 9 1 ; Hellmann, Das Mittelalter bis zum Zeitalter der Kreuzzüge S. 102. Dieser verwertet den geographischen Gesichtspunkt: „politische Fragen sind stets und zunächst geographische Fragen". Soweit können wir



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freilich nicht gehen. Die geographischen Verhältnisse geben stets nur die Möglichkeit und Anregungen, nicht die Notwendigkeit einer Entwicklung. Am meisten noch im Sinn von Ficker Hampe, Salier und Staufer S. 177. Erinnert sei daran, daß auch beim Erwerb Siziliens sich wieder zeigt, wie die Reichsinteressen den italienischen nachgestellt wurden: um Siziliens willen schließt Heinrich mit dem eidbrüchig nach Deutschland zurückgekehrten Heinrich dem Löwen, statt ihn zu vernichten, einen raschen Frieden (Hampe S. 186). Aber damit brachte eben Sizilien kein neues Moment in die Politik: das war seit der Verbindung Deutschlands mit Italien durch Otto schon so gewesen. — Hampe S. 177 macht geltend, daß Deutschlands Unglück nicht bloß durch die unio regni ad imperium herbeigeführt worden sei, sondern auch durch eine „Reihe schwerer Unglücksfälle". Über diese Neigung, das Unglück, das Schicksal, den Zufall, statt der von Otto I. begonnenen italienischen Politik, anzuklagen, haben wir schon gesprochen. Cartellieri S. 129: „unerklärbare Ereignisse", „Zufälle". Natürlich stimme ich mit Cartellieri darin überein (vgl. meine „Histor. Periodisierungen" S. 25), daß der Historiker nicht alles „erklären" kann. Die kausale Erklärung ist überhaupt nicht sein Amt; er will nur verständlich machen. Aber man darf nicht da, wo etwas sich durch greifbare Tatsachen verständlich machen läßt, diese ignorieren und dafür das blinde Schicksal anklagen. — Als Wirkung der durchgeführten Herrschaft über Sizilien (bzw. Italien) kann vereinzelt ein Erfolg auf deutschem Boden verzeichnet werden (Haller, H. Z. 113, S. 490f. und 503). Natürlich aber war das nichts Dauerndes, nur Gelegentliches. " ) H. Z. 1 1 3 , S. 494. 41 ) Hampe, Mittelalterliche Geschichte. S. 81. 41 ) Friedrich I. und seine Nachfolger S. 286. 4M ) Hampe a. a. O. S. 287 unten legt treffend dar, daß die Basis für Heinrichs Herrschaftstellung insbesondere in Deutschland viel zu schmal war. Ebendarum war seine Katastrophe nicht eine wesentlich deutsche. Übrigens macht Hampe hier das Geständnis: „Für Reichsitalien hatte das (d. h. schmale Basis, Balanzierkunst usw.) schon unter Friedrich I. gegolten." 4,b ) Auch Hirsch, ein Anhänger der Theorie Fickers, zieht a. a. O. S. 86 den Vergleich mit Frankreich. " ) Hirsch, Die hohe Gerichtsbarkeit im deutschen Mittelalter S. 237, bekennt sich zu ihr. Auch Hampe teilt sie. 44 ) Siehe darüber, mit den hier in Betracht kommenden Parallelen, meine „Entstehung der Schweizer Eidgenossenschaft", Vergangenheit und Gegenwart Bd. 14, S. 91. Eine Frage für sich ist es, ob Friedrich II. den Gedanken, den babenbergischen Besitz reichsunmittelbar zu machen, italienischen Verhältnissen entnommen hat. Sie braucht nicht bejaht zu werden, da ja schon die königliche Hausmacht in Deutschland einen solchen Plan nahelegen konnte. 4( ) Ich habe oben die Meinung Hampes, daß Friedrich II. von Italien her die königliche Gewalt in Deutschland wiederherstellen wollte, als in gewisser Hinsicht zutreffend bezeichnet. Wenn er freilich als Hindernis für Friedrich, auf deutschem Boden den Anfang zu machen, Deutschlands

— 151 — „überwiegendes Verharren in Naturalwirtschaft und Lehenswesen" nennt (Salier und Staufer S. 222), so zeigt ja die Erneuerung der königlichen Haus macht durch Um und auch der babenbergische Versuch, daß Naturalwirtschaft und Lehenswesen an sich keine Hindernisse bildeten. Zu beachten ist ferner, daß damals die Naturalwirtschaft in Frankreich nicht geringer als in Deutschland gewesen ist. Ich möchte die Frage aufwerfen, ob sie in Sizilien viel geringer war. Das Besondere liegt bei Sizilien nicht auf wirtschaftlichem Gebiet an sich, sondern in der Anspannung der Wirtschaft durch die Staatsmaschine. Übrigens gibt Hampe zu, daß in Deutschland unter Friedrich II. noch genug Handhaben für eine Sammlungspolitik des deutschen Königtums vorhanden waren. Hirsch, Hohe Gerichtsbarkeit S. 237, meint: „Von dieser Zeit (der Friedrichs II.) darf man die Beseitigung der Herzogtümer und die Ersetzung der Dienste des Hochadels durch königliche Beamte nicht verlangen." Wir glauben umgekehrt sagen zu dürfen, daB jetzt gerade die Zeit dafür war — wo die Änderungen Oberhaupt erfolgt sind, da ist man jetzt, meistens schon etwas früher, daran gegangen —; aber die italienische Politik hat im Deutschen Reich (innerhalb der Reichsverfassung) den notwendigen verfassungsrechtlichen Fortschritt gehindert. Nach Friedrich II. war die Zeit für jene Änderungen zu spät. 4(a ) Äußerungen über staufische Städtepolitik (die nicht ganz mit dem Obigen übereinstimmen) bei Hampe, H. Z. 115, S. 57, und R. Köbner, Die Anfänge des Gemeinwesens der Stadt Köln S. 418. * , b ) Vgl. Aubin-Niessen, Geschichtlicher Atlas der Rheinprovinz S. IX. Friedrich I. hält noch nach Möglichkeit den Reichsbesitz fest und erweitert ihn durch Schaffung der königlichen Hausmacht. Aber wir haben uns gegenwärtig zu halten, daß der Reichsbesitz seit dem Investiturstreit stark gemindert war. " ) Vgl. Manigk, Die Idee des Naturrechts S. 22. 4T ) Vgl. E. Tatarin-Tarnheyden, Staat und Recht in ihrem gegenseitigen Verhältnis S. 62. "*) Man braucht im „Giesebrecht" nur irgendwo zu blättern, um auf Beispiele dafür zu stoßen, daß Friedrich aus Mangel an eigener Macht nicht nach Recht entscheiden kann. Vgl. Bd. V, 1, S. 22: zunächst eine Entscheidung im Sinn der weltlichen Fürsten getroffen; hinterher, als der betreffende weltliche Fürst sich vom Hof entfernt hat, die gefällte Entscheidung im Sinn der geistlichen Fürsten umgeworfen. Man pflegt Friedrich II. als den Kaiser zu nennen, der mit Kompromissen regierte (vgl. z. B. E. Hanisch, Jahrbücher für Kultur und Geschichte der Slawen N. F. Bd. 2, S. 16 und 19). Tatsächlich ist jedoch schon Friedrich I. Kompromißpolitiker, aus dem Zwang der Verhältnisse. Auch sein Verhalten in der Frage der Ketzer und der geistlichen Gerichtsbarkeit zeigt Kompromißcharakter. Vgl. hierzu Winkelmann, Jahrbücher Friedrichs II., Bd. 1, S. 70 Anm. 1. 471 *) v gl- Haller, Der Sturz Heinrichs des Löwen S. 307. 4,M *) Hampe, Friedrich I. und seine Nachfolger S- 226: „Zuerst und vor allem seine Persönlichkeit." „Die Misse beherrscht ihn ganz." „Überall mit dem vollen Einsatz seiner Gesamtpersönlichkeit eingreifend, . . . die Hand am Schwert oder am Richterstab."

— 152 — 47IUI) Der Aniang von Schäfers Auffassung schon bei Giesebrecht V, i, S-3 8f. " ) Wie ich hier nebenbei notiere, hatte ich meine Auffassung von der Politik Barbarossas in knapper Form schon in meiner „Reichspolitik einst und jetzt" S. 21 vorgetragen. Haller, Das altdeutsche Kaisertum S. 7. Im einzelnen ließen sich allerlei Bemerkungen zu Hallers Darstellungen machen. S. 217 sagt er von Heinrich dem Löwen: „ E r hatte sich bis dahin nur gehalten, weil der Kaiser seine Partei nahm." Gewiß stützte sich bei dem bestehenden FürstenbQndnis Heinrich auch auf den Kaiser. Aber in erster Linie war der, der innerhalb des Bündnisses der Stützung bedurfte, doch der Kaiser. Und so war es denn zuerst der Kaiser, der zu Boden fiel, als der Verbündete sich versagte. S. 1 9 1 : „Nicht im Norden der Alpen, nur in Italien konnte der große Kampf seine Entscheidung finden." Es kommt darauf an, worin man den „großen Kampf" sieht. *•) Siehe oben S. 144. Indem Haller S. 219 zugibt, daß das Königtum bei der Niederwerfung Heinrichs „leer ausging", will er die Einschränkung machen, daß doch wenigstens der „mächtigste Fürst verschwand, der einzige, der als Rivale dem staufischen Hause gefährlich werden konnte". Es sei demgegenüber daran erinnert, daß der mit einem Erbe Heinrichs ausgestattete Erzbischof von Köln sehr bald dem staufischen Haus gefährlich wurde. **) Altdeutsches Kaisertum, S. 222. In diesem Buch drückt sich Haller über die Erfolge der letzten italienischen Bemühungen Friedrichs in Italien immerhin maßvoller aus (vgl. z. B . S. 228) als in seinen ältern, vor der Kritik Lenels (s. oben S. 109) erschienenen Untersuchungen. Aber jenes Urteil beweist, daß er doch auch jetzt noch wesentlich an seinem irrigen Urteil festhält. S. 232 lesen wir noch: „ D a Friedrich starb, stand er nicht mehr weit vom Ziele. Der Erfolg seines Kreuzzugs hätte dem deutschen Kaisertum die unbestrittene Führerschaft gegenüber allen andern Staaten und sogar gegenüber der römischen Kirche bestätigt." ,f ) Siehe oben S. 109 ff. **) Die Frage der Berechtigung der italienischen Kaiserpolitik meint Brandi mit dem Satz zu erledigen: „Die Dinge entwickeln sich nicht nach einem vorgestellten Plan, sondern aus einer Fülle von Zufällen und eigentümlichen Verknüpfungen." Das wissen wir natürlich auch und haben es betont. Aber mit einem so allgemeinen Satz könnte man alle historischen Fragen beiseite schieben. Die Menschen der Vergangenheit mögen noch so sehr unter dem Zwang bestimmter Vorstellungen und Antriebe gehandelt haben, wir dürfen nicht nur, wir müssen auch ein Urteil darüber abgeben, was die Dinge bedeuten, welche Stellung die bestimmten einzelnen Vorgänge und Erscheinungen in der historischen Entwicklung, für ihre Förderung oder Hemmung, bedeuten. Natürlich versucht auch Brandi ein solches Urteil. Er rechtfertigt die Kaiserpolitik mit dem (verschwommen-unklaren) Schlagwort „Mitteleuropa" (er übrigens nicht als erster; vgl. z. B . H. Z. 1 2 1 , S. 138). Wir lesen bei Brandi weiter: „Die Aufgaben wurden der Kaiserzeit gestellt von der inneren Entwicklung Italiens." Gewiß gab es mancherlei



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Anlasse für ein Eingreifen der deutschen Könige in die italienischen Verhältnisse: Hilferufe der Päpste, Uneinigkeit italienischer Städte usw. Aber bei jenem Satz bleiben die beiden Fragen unbeantwortet, ob die Könige in Italien Oberhaupt eingreifen sollten und was die italienische Kaiserpolitik für die Verfassungsentwicklung Deutschlands bedeutet. — Aus Brandis Darstellung der Regierung Friedrichs II. sei der Satz herausgehoben : „in Deutschland hat er als König nach sizilianischer Manier zwar viel verbrieft und verordnet, aber wenig geschaffen". Die Verordnungen bzw. Gesetze Friedrichs II. als „sizilianische Manier" zu erklären, ist unrichtig. Sie sind nicht Einzelverordnungen der Verwaltung, sondern Auslieferung von Reichsrechten bzw. Anerkennungen von landesherrlichem Besitz und insofern Fortsetzung der Maßnahmen Friedrichs I. von 1156, 1168 und 1180. Den Reichslandfrieden von 1235 aber unter die Kategorie „viel verbrieft und verordnet, aber wenig geschaffen" zu bringen, wäre eine Unterschätzung. Er ist eine sehr achtbare Schöpfung. ,4 ) Vgl. dazu oben S. 101. " ) Vgl. oben S. 91. *•) Brandl, Deutsche Geschichte, S. 51, behauptet: „Für den Augenblick behielt Sybel recht (1866, 1870). Allein . . . heute erscheint Ficker nicht nur als Historiker gerechtfertigt." Ficker wollte ein deutsches Reich mit österreichischer (habsburgischer) Spitze. Hält Brandi dies etwa heute für das Rechte ? Umgekehrt ergeben sich von Sybels Auffassung aus nicht die mindesten Schwierigkeiten für eine heutige Angliederung Österreichs an das Deutsche Reich. Sybel ist heute nicht bloß wissenschaftlich, sondern auch politisch gerechtfertigt. " ) Über den unechten Unitarismus der Erzberger und Preuss und dessen schlimme Wirkungen vgl. meine Schriften „Reichspolitik einst und jetzt" S. 44ff. und „Vom Mittelalter zur Neuzeit" S. i2off. Es ist von Triepel und nach seinem Vorgang von mehreren Forschern betont worden, wie im alten Reich bis in den Krieg hinein die Reichsgewalt ganz allmählich, äußerlich fast unsichtbar und doch bedeutungsvoll verstärkt worden ist. Die Revolution hat dann durch unechten Unitarismus und andere Sünden einen lange nicht mehr gekannten Partikularismus erneuert und bis zum Wiederaufleben des alten Indigenatsrechts gesteigert. Siehe dazu meinen „Deutschen Staat des MA." 2. Aufl. S. X X X I I I . M ) Vgl. meine „Historischen Periodisierungen" S. i8f. und S. 4of. M ) Hampe, Salier und Staufer S. 241. Diese und andere den Zusammenhang von Macht- und Kulturpolitik scharf beleuchtende Sätze von E. Kaufmann s. in meinen „Hist. Periodisierungen" a. a. O. •') Vielleicht geht Hampes Formel „Persönlichkeit und Gerechtigkeit" auf Giesebrecht-Simson, Gesch. d. deutschen Kaiserzeit VI, S. 283 ff. zurück: Persönlichkeit und Rechtsinn. Vgl. Simonsfeld S. 1 1 5 Anm. 375: legibus armatus. •'») Vgl. z. B. Haller, Epochen der deutschen Geschichte S. 109: „Wer die Vergangenheit unter dem Gesichtspunkt ihrer Wirkung auf die Gegenwart betrachtet, muß zugeben, daß die trüben Zeiten nach dem

— 154 — Interregnum eigentlich interessanter sind als alle Herrlichkeit der Staufen. Die Taten Barbarossas gehören völlig der Vergangenheit an." • 2 ) Vgl. darüber z. B . H. Z. 127, S. 174; D. L. Z. 1926, Nr. 21, Spalte 1008 ff. Viel derartiges bringt die Zeitschrift „ I m neuen Reich". Gegen solche Literatur wendet sich M. Buchner, Schwarz-Rot-Gold und SchwarzWeiß-Rot in Vergangenheit und Gegenwart (1924)- Ferner meinen „Deutschen Staat des MA.", 2. Aufl., S. X X X I I I . Über die Verwertung des durch die Schwäche seiner Zentralgewalt charakterisierten mittelalterlichen Reichs und das Versagen der mittelalterlichen Staatsgewalt im Interesse der Verteidigung von Völkerbundsidee und Pazifismus (L. Schücking) s. ebenda S. X X V I I I . Mit berechtigter Ironie äußert sich K. Schmitt, Die Kernfrage des Völkerbunds, S. 39, über die Versuche (W. Schücking und Wehberg), Einrichtungen des alten heiligen römischen Reichs (Behandlung von politischen Gegensätzen im Prozeßweg) als Ideal zu empfehlen. Ausführlicher gehe ich auf eine für die heutige politische Situation bezeichnende und — unerfreulich-dokumentarische Polemik ein. Im „Literarischen Handweiser" 1926, Febr., Sp. 347 ff. unternimmt B . Schmidtmann (Köln) vom Standpunkt des rheinischen Separatismus aus einen Angriff gegen Aloys Schulte's „Tausend Jahre deutscher Geschichte und deutscher Kultur am Rhein" (1925) und dessen Anschauung von dem hohen Wert der „Zugehörigkeit des Rheinlands zu Deutschland". Die Darstellung sei von der „preußischen Behörde" „bestellt". „Schulte ist ein tüchtiger Gelehrter, der viel Detailwissen in dem vorliegenden Werk angehäuft hat; aber die Schau des Rheinlandes als kulturschöpferischer Landschaft ist ihm v e r s a g t . . . . Man lese die niederdrückenden Schilderungen in diesem offiziellen Jahrtausendfestbuch über die tausend Jahre Geschichte am Rhein, die von fast nichts zu berichten weiß als von Zwietracht, Kampf, Verrat, Abfall, Verschacherung. Und dann versetze man sich im Geiste in die Jahrtausend-Ausstellung, die Köln in diesem Jahre (1925) bot, um diese grandiose Kulturschau mit diesem Geschichtswerk zu vergleichen. An Hand des beauftragten Geschichtschreibers lernen wir das Rheinland verachten als Tummelplatz ehrgeiziger Streber; im Banne der von der Jahrtausend-Ausstellung dargebotenen Kulturschöpfungen lernen wir das Rheinland aus tiefster Seele lieben." Schmidtmann tadelt Schulte, weil er die Darstellung nicht bis auf die jüngste Zeit fortgeführt, sondern mit der „Schaffung Preußen-Deutschlands", genauer mit der Entlassung Bismarcks abgeschlossen habe. Auf diese Weise komme nicht zur Erörterung, was für Nachteile das Werk Bismarcks den Rheinlanden gebracht habe, nämlich die Einkreisungspolitik mit ihren Nachteilen auch für die Rheinlande. Das Elaborat Schmidtmanns verdient als Zeitdokument, wenngleich ein höchst unerfreuliches, Beachtung. (Die Schriftleitung des Liter. Handweisers hat sich nachträglich, auf erhobene Beschwerden hin, übrigens veranlaßt gesehen, Schultes Buch noch einmal besprechen zu lassen.) Wenn Schmidtmann die Zwietracht und die Kämpfe, die Schulte schildere, in Gegensatz stellt zu den Kulturhervorbringungen der Rheinlande, so ist es uns ja ein gewisses tröstendes Bewußtsein, daß das deutsche Volk trotz aller seiner politischen Uneinigkeiten und innern Kämpfe doch



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noch bedeutende Kulturschöpfungen hervorgebracht hat (vgl. dazu u. a. Schulte, Frankreich und das linke Rheinufer (1918), S. 83). Aber die von Schmidtmann beklagten Zwieträchten, Kämpfe, Verrate usw. sind nun einmal wesentlich Folgen der politischen Zersplitterung Deutschlands, des politischen Partikularismus, während sie mit der Einverleibung der Rheinlande in Preußen und mit der Begründung des preußisch-deutschen Bismarckschen Reichs in der Hauptsache aufhören oder wenigstens von der auswärtigen Linie auf die innere beschränkt werden und auch hier eine Abnahme nach Zahl und Grad erfahren. Und wenn Schulte seine Darstellung mit Bismarck abschließt, so hatte er gewiß nicht nötig, dies, wie Schmidtmann vermutet, auf den besondern Rat von , , J . Hashagen und andern politisierenden Historikern" zu tun, sondern er wird aus eigener Erwägung den Abschluß einer Schilderung in der erfreulichen Tatsache der kräftigen Einigung Deutschlands gesehen, die jüngste Entwicklung aber, die ein Wiederaufleben der alten Zwieträchten und Kämpfe bedeutet, von der Hoffnung und Erwartung aus, daß es sich bei diesen häßlichen Dingen um etwas Vorübergehendes handle, außer Betracht haben lassen wollen. Die jüngste Entwicklung liefert ja auch nur eine indirekte Bestätigung seiner Auffassung, insofern mit der allgemeinen Erschütterung des Deutschen Reichs die von Schmidtmann beklagten Dinge „Zwietracht, Kampf, Verrat, Abfall, Verschacherung", im Zusammenhang mit dem in der Form des Separatismus erneuerten und verstärkten Partikularismus, wieder zum Vorschein gekommen sind. (Über andere Erscheinungen dieses jüngst verstärkten Partikularismus s. die vorhin angeführte Literatur.) Schließlich mag noch darauf hingewiesen werden, daß die Auffassung der Rheinlande als einer sachlichen Einheit, deren Hervorhebung Schmidtmann bei Schulte vermißt, wesentlich erst der preußischen Zeit der Rheinlande angehört, wie Jos. Hansen mit wundervoller Ironie nachgewiesen hat; s. dessen Abhandlung „Rheinland und Rheinländer", Westdeutsche Monatshefte, März 1925, S. 273ff. Über das auch hierher gehörende Buch von Kaindl, Österreich, Preußen, Deutschland (1926), das teilweise mit wissenschaftlichen Mitteln arbeitet, als Ganzes sich aber außerhalb der wissenschaftlichen Literatur stellt, s. oben S. 48 Anm. 18 .

Schlufsbetrachtung. Wir haben uns gegen die positivistische Forderung, die Vergangenheit, eine bestimmte Kultur lediglich nach ihrem eigenen Maßstab zu messen, gar sie lediglich aus sich zu erklären, in der Anwendung auf die Beurteilung der italienischen Kaiserpolitik ausgesprochen. Unsere Beweisführung wird gezeigt haben, daß wir mit der Ablehnung jener Forderung keineswegs die im Gefolge der Romantik von der Geschichtswissenschaft verlangte unbefangene Vertiefung in die Vergangenheit abgelehnt oder vernachlässigt haben, und daß unser Streben, über die Vergangenheit zur Klarheit zu gelangen und darum sie mit unsern eigenen Augen zu sehen, nicht jener imbefangenen Vertiefung hindernd in den Weg tritt 1 ). Der Leser wird vielmehr den Eindruck gewonnen haben, daß wir weit unbefangener als die positivistischen Verteidiger der italienischen Kaiserpolitik uns in die Verhältnisse der Vergangenheit zu vertiefeu bestrebt sind, daß wir auf das billige Mittel des Scheltens verzichten, daß wir die Politik der Kaiser zwar als verhängnisvoll für Deutschland bezeichnen, sie zugleich aber aus der geschichtlichen Tradition, aus dem allgemeinen zeitgeschichtlichen Zusammenhang verstehen lehren, daß wir die Politik der Päpste, der italienischen Städte und der deutschen Fürsten verständlich machen, nicht aus irgend welchem Eigensinn oder durch den allgemeinen Begriff der Treulosigkeit erklären, daß wir endlich, indem wir eine bestimmte Idee des Staats als Maßstab unserer Beurteilung der historischen Erscheinungen festhalten, damit durchaus die Würdigung der besonderen Bildungen der verschiedenen Zeiten zu verbinden in der Lage sind. Nur von unserm Standpunkt aus, nur wenn man anerkennt, daß die Kaiser mit ihrer italienischen Politik einen falschen Weg gegangen sind, läßt sich das rechte Verständnis für das Aufkommen der partikularen politischen Elemente in Deutschland erreichen. Diese kamen auf und betätigten ihren Partikularismus, weil das Reich, durch seine italienischen Ziele gefesselt, ihnen zu viel freien Raum ließ, weil es gewisse Aufgaben nicht auf sich nahm: die partikularen Bildungen gewan-

— 157 — nen staatlichen Charakter, mußten ihn gewinnen, weil das Reich, der König den Staat zu wenig für sich beanspruchte. Denjenigen Forschern hingegen, die die italienische Politik der Kaiser als die richtige, für Deutschland richtige Politik auffassen, bleibt nichts übrig als nach Rationalistenart auf den bösen Eigensinn der deutschen Fürsten2) zu schelten, und so liefern sie den Beweis, daß sie die Vergangenheit wohl meistern wollen, aber nicht verständlich zu machen vermögen 3 ). Noch ein weiterer Mangel allgemeiner Natur haftet den üblichen Schilderungen der Kaiserzeit an, der auch wiederum auf die verfehlte Einschätzung der italienischen Politik zurückgeht. Man will die italienische Kaiserpolitik rechtfertigen und übersieht in dem Eifer der Apologetik die schwachen Grundlagen, auf denen sie ruht, sowie den geringen Ertrag, den sie hatte. Indem man so ein luftiges Kartenhaus aufführt, geht man an dem vorbei, was doch den Kern der Politik ausmacht: an der Machtfrage. Wie läßt sich aber Geschichte darstellen, wenn man die entscheidende Bedeutung außer acht läßt, die dem Machtfaktor zukommt! Wirkt bei jener Gleichgültigkeit gegenüber der Machtfrage nebenbei teilweise eine politische oder richtiger antipolitische Tendenz mit, so hängt es doch vor allem eben mit der Überschätzung des Erfolges der italienischen Kaiserpolitik zusammen, daß man die Wichtigkeit der Machtverhältnisse so sehr ignoriert. Es bleibt ewig denkwürdig, daß Friedrich Rotbart als ein Herrscher geschildert worden ist, dessen Regierung ihr Charakteristikum in der Verwirklichung der Gerechtigkeit undder„mässe" habe, während seine Regierung ein wahres Schulbeispiel dafür liefert, wie ein Herrscher, der nicht die nötige Macht besitzt, die Idee der Gerechtigkeit und der „mässe" bei bestem Willen schlechterdings nicht zu verwirklichen vermag. Und besondere Beachtung verdient es, daß jene Schilderungen von nicht wenigen hochstehenden Forschern herrühren. Indem wir hier die Frage nach dem Verhältnis des Wollens zur Macht dazu energisch gestellt haben, glauben wir wiederum die unbefangenere Vertiefung in die Vergangenheit für uns in Anspruch nehmen zu dürfen und die Dinge so dargestellt zu haben, wie sie eigentlich gewesen 4 ).

Anmerkungen. *) Zu R. Kroners oben S. n angeführten Worten vgl. seinen Aufsatz „ V o m Wert der historischen Bildung" hung", Jahrgg. 1926, S. 575:

in der Monatsschrift „Die Erzie-

„ S o sehr die Historie auch immer der Ver-

— 158 — gangenheit zugewandt ist, so sehr auch immer sie auf selbstloser Hingabe an fremdes Dasein und Leben beruht, letzthin ist sie dennoch ein Weg des Geistes, zu sich selbst zu kommen, sich seiner selbst bewußt, Herr über sich selbst, über sein Eigensein und Eigentum zu werden Die Historie muß immer umgeschrieben werden, weshalb jede Gegenwart die Vergangenheit mit ihren eigenen Augen sehen und mit ihren eigenen Denkmitteln ergreifen und sich zu eigen machen muß und will". S. auch hierher gehörige Sätze Simmeis bei Helmut Wolff, Geschichtsauffassung und Politik in Bismarcks Bewußtsein (1926), S. 76. *) Über Hallers und Hampes Haltung s. oben S. 14, 100 und 116. 3) Nachträglich möchte ich hier noch mit einem Wort auf die Streitf r a g e b e t r e f f s d e r Interpolation des Privilegium minus von 1 1 5 6 eingehen

Wenn Erben die Bestimmung über die Einschränkung des Besuchs der Hoftage für interpoliert hält und den analogen Fall des Zugeständnisses an Böhmen (1212) für etwas Außerordentliches und darum nicht Analoges erklärt, so macht Simonsfeld, DLZ. 1904, S. 992 mit Recht geltend, daß es sich 1156 „erst recht um einen sehr exzeptionellen Fall handelte. Es war ein Kernstück von Friedrichs Politik, die baierische Frage zur Zufriedenheit Heinrichs des L. zu erledigen, und „dies gerade in einem Augenblick, wo Friedrich bereits mit den Vorbereitungen zu einem zweiten italienischen Feldzug beschäftigt war." ,,Sonst war zu befürchten, daß bei einem Kampf um Bayern namentlich die Streitkräfte Heinrichs in Deutschland festgehalten und dem italienischen Feldzug entzogen würden, die Friedrich nach den Erfahrungen des ersten Römerzuges gewiß besonders wertvoll erschienen." Man sieht hier wieder, wie die italienische Politik die deutschen Angelegenheiten maßgebend bestimmt, diese nur aus jener verständlich gemacht werden können und wie die italienische Politik den Partikularismus großzieht. — Erben verwertet auch das Schweigen des Otto von Freising über die partikularistischen Zugeständnisse des Privilegium minus für seine Interpolationshypothese. Hier wäre (neben dem Speziellen, was gegen Erben vorgebracht ist) einfach zu sagen, daß der mittelalterliche Chronist für verfassungsgeschichtliche Tatsachen wenig Sinn bekundet. Ist es dann aber bei den neueren Darstellern der Kaisergeschichte viel anders ? Sie schließen sich auch in dieser Hinsicht den mittelalterlichen Chronisten an, vgl. oben S. 129. Wie wenig jene den Urkunden von 1156, 1168, 1180 gerecht werden, haben wir früher dargelegt. 4) Als ein weiteres Charakteristikum der üblichen Schilderungen der mittelalterlichen Kaiserzeit habe ich die geringe Aufmerksamkeit erwähnt, die den verfassungsgeschichtlichen Tatsachen gewidmet wird (was zweifellos gleichfalls zum Teil mit der Glorifizierung der italienischen Kaiserpolitik zusammenhängt). Hierzu noch eine Bemerkung über Hampes (Salier und Staufer 2. Aufl. S. 248) Auffassung des Reichsweistums vom 1. Mai 1231 (vgl. zur Interpretation mein „Territorium und Stadt", 2. Aufl. S. 57) nach welchem die Landesherren nur mit der Zustimmung der meliorcs et maiores terre constitutiones vel nova iura facere dürfen. Er sagt: „Wie diese Landesherrschaften künftighin das Reich zerfetzten, so begannen mit dem Augenblick ihres Entstehens ähnliche Tendenzen in ihrem

— 159 — eigenen Innern, die auf einen Anteil der Territorialstände an der Regierung hinwiesen." Das Wesentliche der Entwicklung der Territorien liegt doch gerade darin, daß in den Territorien n i c h t die Zersetzungstendenzen sich einstellten, die das Reich schließlich aufgelöst haben. Sonst wären ja auch die Territorien auseinandergefallen, was ja aber eben nicht geschehen ist. Wir brauchen hier keine Betrachtungen über die an sich unbestreitbare Möglichkeit anzustellen, daß auch Parlamente einen Staat zersetzen können. Jedenfalls steht die Tatsache fest, daß die Territorien einmal, und zwar ohne Zweifel zum größeren Teil, durch die Landesherren, die ihre Kräfte ganz dem Territorium zugute kommen ließen (nicht etwa durch etwas wie eine Italienpolitik daran gehindert wurden!), indessen auch durch die Landstände, die eine Zer- und Absplitterung des Landes grundsätzlich ablehnten, auch sonst noch manches für dessen Zusammenhalt taten, als Ganzes bewahrt worden sind. S. meine Schilderung der landständischen Verfassung a. a. O. In der „Viertel]ahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte" komme ich auf Hampes Auffassung der Verfassungsverhältnisse zur Zeit Friedrichs II. zurück. Zu der oben S. 46 besprochenen Dissertation von Albert Schulze, Kaiserpolitik und Einheitsgedanke in den karolingischen Nachfolgestaaten siehe die soeben erschienene Rezension von Heuberger, Mitteilungen des Instituts Bd. 41, S. 436ff.

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