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German Pages 267 Year 2009
Schriften zum Prozessrecht Band 211
Die in den Zivilprozess integrierte Mediation im französischen Recht Ein Vorbild für die gerichtsnahe Mediation in Deutschland?
Von Tatjana Štruc
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
TATJANA ŠTRUC
Die in den Zivilprozess integrierte Mediation im französischen Recht
Schriften zum Prozessrecht Band 211
Die in den Zivilprozess integrierte Mediation im französischen Recht Ein Vorbild für die gerichtsnahe Mediation in Deutschland?
Von
Tatjana Štruc
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Der Rechtswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. hat diese Arbeit im Sommersemester 2007 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
D 25 Alle Rechte vorbehalten # 2009 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0219 ISBN 978-3-428-12776-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Sommersemester 2007 als Dissertation angenommen. Im Manuskript wurden Rechtsprechung und Literatur bis Ende April 2007 berücksichtigt und verarbeitet. Gegenstand der Arbeit ist eine rechtsvergleichende Untersuchung der in den Zivilprozess integrierten Mediation in Frankreich und in Deutschland. Dabei dient der französische Blickwinkel als Ausgangspunkt. An dieser Stelle möchte ich mich ganz besonders bei meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Rolf Stürner, bedanken. Er hat die Arbeit in beeindruckender Weise betreut und sie mit zahlreichen Anregungen und Gedankenanstößen begleitet. Dank gebührt weiter Herrn Professor Dr. Dr. h. c. Dieter Leipold für die Übernahme und umgehende Erstellung des Zweitgutachtens. Daneben möchte ich der Landesgraduiertenförderung des Landes BadenWürttemberg sowie der Bund-Stiftung danken, die die Arbeit gefördert haben. Dank schulde ich weiter dem Deutschen Akademischen Austauschdienst, der mir durch seine Förderung einen Forschungsaufenthalt in Paris ermöglicht hat. Ganz besonderes möchte ich Roger Bartens für die Durchsicht des Manuskripts sowie seine liebevolle Unterstützung danken. Schließlich bin ich meinen Eltern sehr dankbar, die mich stets in jeglicher Hinsicht unterstützt haben. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Freiburg, im März 2008
Tatjana Sˇtruc
Inhaltsübersicht Kapitel 1 Einführung
19
Kapitel 2 Darstellung der Situation in Frankreich und Deutschland und Untersuchung einzelner Fragenkomplexe A. Überblick über den französischen Zivilprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22 22
I.
Verfahren vor dem tribunal de grande instance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22
II.
Verfahren vor dem tribunal d’instance und der juridiction de proximité . .
24
III.
Référé-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
26
IV.
Ordonnance sur requête . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
B. Vorstellung der französischen Regelungen zur médiation und conciliation judiciaires . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
I.
Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
II.
Historische Entwicklung der integrierten Streitbeilegung in Frankreich . .
40
III.
Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
62
C. Überblick über die deutsche Situation hinsichtlich der gerichtsnahen Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73
I.
Gesetzliche Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
74
II.
Modellprojekte zur gerichtsnahen Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
85
D. Vergleich der Situationen in Frankreich und Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . .
90
E. Spezielle Fragenkomplexe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
90
I.
Gründe für Integration der Mediation in gerichtliches Verfahren . . . . . . .
II.
Anforderungen an den „Dritten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 Vertraulichkeitsprinzip in der Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133
III. IV. V.
91
Verfahrensgarantien – insbesondere Grundsatz des fairen Verfahrens . . . 174 Freiwilligkeit in der Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184
VI.
Teilnahme von Anwälten an Mediationsverfahren – sinnvoll oder hinderlich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 VII. Zeitpunkt der Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 VIII. Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218
8
Inhaltsübersicht Kapitel 3 Abschließende Würdigung
234
A. Zusammenfassung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 I. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 II. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 B. Vergleich des französischen und des deutschen Status quo . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 I. Gründe für die gegenwärtige allgemeine Mediations-Faszination . . . . . . . 237 II. Erklärungsversuche für den Vorsprung Frankreichs gegenüber Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 C. Das französische Modell als Vorbild für eine deutsche Lösung? . . . . . . . . . . . . 241 D. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 Literatur- und Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264
Inhaltsverzeichnis Kapitel 1 Einführung
19
Kapitel 2 Darstellung der Situation in Frankreich und Deutschland und Untersuchung einzelner Fragenkomplexe A. Überblick über den französischen Zivilprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verfahren vor dem tribunal de grande instance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verfahren vor dem tribunal d’instance und der juridiction de proximité . . III. Référé-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ordonnance sur requête . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Vorstellung der französischen Regelungen zur médiation und conciliation judiciaires . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die gütliche Streitbeilegung im französischen NCPC . . . . . . . . . . . . . 2. Grundregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die conciliation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Conciliationsversuch als erste Phase des Prozesses . . . . . . . . . . . . . b) Conciliationsversuch vor dem Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Conciliationsverfahren bei Scheidung und Trennung von Tisch und Bett . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die médiation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Differenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Übertragbarkeit auf Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Regelungen durch Gesetz nº 95-125 vom 08.02.1995 . . . . . . . bb) Regelungen durch Dekret nº 98-1231 vom 28.12.1998 . . . . . . cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zweck und Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Dauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Wer ist conciliateur, wer médiateur? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Kosten und Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22 22 22 24 26 27 27 27 27 28 29 30 31 32 33 34 34 34 34 35 35 37 37 38 39 39
10
Inhaltsverzeichnis II.
III.
Historische Entwicklung der integrierten Streitbeilegung in Frankreich . . 1. Das Jahr 1790 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorbilder der justices de paix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellung und Aufgabe der justices de paix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ziel der Schaffung der justices de paix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Der juge de paix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die materielle Nähe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die psychologische Nähe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die „grande“ conciliation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Die „petite“ conciliation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Entfernung des juge de paix von den Rechtsuchenden . . . . . . (1) Entfernung in materieller Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Räumliche und zeitliche Entfernung . . . . . . . . . . . . . . . (b) Vertretung und Beistand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Komplexe Verwaltungsorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Entfernung in psychologischer Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . e) Versuch der Stärkung der obligatorischen „grande“ conciliation . . 2. Die Wende im Jahre 1949 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Justizreform von 1958 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Regelung von 1973 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Einführung der conciliateurs im Jahre 1978 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Das Gesetz nº 95-125 vom 8. Februar 1995 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die médiation judiciaire . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beginn und Ablauf der médiation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Person des médiateur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Inhalt des die médiation anordnenden Beschlusses . . . . . . . . . . . . . d) Befugnisse des médiateur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Ende der médiation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Vergütung des médiateur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Verwertungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Keine Rechtsmittelfähigkeit des Beschlusses über die médiation 2. Die conciliation judiciaire . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorgelagerter Conciliationsversuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Antrag auf Durchführung der tentative préalable de conciliation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Conciliateur de justice . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ernennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
40 40 41 42 42 43 44 45 46 47 48 48 48 49 49 50 51 51 54 55 57 57 60 62 62 62 62 63 64 64 65 65 65 66 66 66 67 67 67
Inhaltsverzeichnis (3) Weitere Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Exkurs: Zur Geschichte der conciliateurs de justice . . . . . cc) Übertragung der conciliation auf einen conciliateur de justice . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Dauer des Conciliationsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Einleitung des Conciliationsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Gemeinsamkeiten mit der médiation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Unterschiede zur médiation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Möglichkeit einer Ortsbesichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ende der conciliation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Keine Vergütung des conciliateur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Verjährungsunterbrechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . hh) Conciliation durch den Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Conciliation bei Verfahrenseinleitung ohne vorgelagerten Conciliationsversuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Assignation à toutes fins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Requête conjointe oder présentation volontaire des parties und déclaration au greffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Überblick über die deutsche Situation hinsichtlich der gerichtsnahen Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gesetzliche Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. § 278 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Förderung gütlicher Streitbeilegung durch das Gericht, § 278 Abs. 1 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Obligatorischer Güteversuch, § 278 Abs. 2–4 ZPO . . . . . . . . . . . . c) Verweisung an einen anderen Richter und Vorschlag außergerichtlicher Streitschlichtung, § 278 Abs. 5 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verweisung der Güteverhandlung vor einen beauftragten oder ersuchten Richter (S. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vorschlag einer außergerichtlichen Streitschlichtung (S. 2) . . cc) Erfolglosigkeit der außergerichtlichen Streitschlichtung . . . . . d) Formen des Prozessvergleichs, § 794 Abs. 1 Nr. 1, § 278 Abs. 6 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. § 15a EGZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fallgruppen des § 15a Abs. 1 EGZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausnahmen nach § 15a Abs. 2 EGZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Entfallen des Erfordernisses eines Einigungsversuchs . . . . . . . . . . d) Kosten, § 15a Abs. 4 EGZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Sonstige Regelungen, § 15a Abs. 5, 6 EGZPO . . . . . . . . . . . . . . . . f) Umsetzung der Öffnungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11 68 68 69 70 70 70 71 71 71 71 72 72 72 73 73 73 74 74 74 75 76 76 76 77 77 78 79 79 80 80 80 81
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Inhaltsverzeichnis 3. Exkurs: Gesetzesbegründung und Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . 4. Unterschiede zwischen den einzelnen Modellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Modellprojekte zur gerichtsnahen Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Baden-Württemberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bayern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Hamburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Hessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Mecklenburg-Vorpommern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Niedersachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Nordrhein-Westfalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Rheinland-Pfalz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . j) Einzelne Projekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Modellprojekt „Gerichtsnahe Mediation in Niedersachsen“ . . . . . . . .
82 83 84 85 85 85 85 85 86 86 86 86 86 86 86 87
D. Vergleich der Situationen in Frankreich und Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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E. Spezielle Fragenkomplexe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gründe für Integration der Mediation in gerichtliches Verfahren . . . . . . . 1. Vorzüge der Mediation gegenüber dem streitigen Verfahren . . . . . . . a) Kritik am Gerichtsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Was leistet die Mediation, was das Gerichtsverfahren nicht leisten kann? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Geeignetes Mittel für bestimmte Situationen . . . . . . . . . . . . . . bb) Bessere Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Gerechtere Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Ökonomie und Zufriedenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Bessere Akzeptanz und endgültige Befriedung . . . . . . . . . . . . 2. Mehrwert der integrierten gegenüber der außergerichtlichen Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unterscheidung zwischen médiation judiciaire und médiation conventionnelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Médiation conventionnelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Médiation judiciaire . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rolle des Gerichts in der Konfliktlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Wandlung der staatlichen Justiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Gesetzeskult . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Verrechtlichung der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Veränderung der Anforderungen an den Richter . . . . . . . . (4) Entformalisierung der Justiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II.
92 92 93 94 94 95 95 95 96 96 96 97 97 97 97 98
Inhaltsverzeichnis
II.
(5) Bedeutungsverlust des Gesetzes – Stärkung des Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Entwicklung zu einem Vermittlerstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . (7) MARC als Weg aus der Krise der Justiz . . . . . . . . . . . . . . (8) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Conciliation als ureigenste Aufgabe des Richters . . . . . . . . . . (1) Übertragung der Conciliationsaufgabe auf einen Dritten . (2) Vorteile der Übertragung auf einen Dritten . . . . . . . . . . . . c) Erfassung der bereits bei Gericht anhängigen Fälle . . . . . . . . . . . . d) Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anforderungen an den „Dritten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anforderungen an Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesetzliche Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Allgemeine Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Menschliche Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Alter, Geschlecht, Grundberuf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Neutralität . . . . . . . . . . (1) Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Richters . . . . . . (2) Übertragung des gleichen Maßstabs auf den médiateur? . . dd) Rechtskenntnisse? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Welche Personen bzw. Berufsgruppen kommen konkret als „Dritter“ in Frage? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Conciliateur de justice . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Médiateur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Besondere Problemfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Conciliateur de justice . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Gesetzeslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Streitstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Sachverständiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Conciliateur de justice . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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98 99 99 100 100 100 101 101 102 103 104 104 104 105 105 106 106 107 107 109 109 109 110 110 111 111 111 111 111 113 113 114 114 114 115 117 117
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Inhaltsverzeichnis
III.
b) Médiateur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Association . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Problematik der Auswahl der Person des médiateur . . . . . . . . . . . . b) Mediatorenlisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kurzer Blick nach Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vertraulichkeitsprinzip in der Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sinn und Zweck des Vertraulichkeitsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vertraulichkeit als Voraussetzung für den Erfolg des Mediationsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kompensation für den Verzicht auf die Kontradiktion . . . . . . . . . . c) Mediation und fehlende Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Sicherung der Unparteilichkeit des Richters . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Adressaten der Pflicht zur Vertraulichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Médiateur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Wem gegenüber besteht die Vertraulichkeitspflicht? . . . . . . . . . . . . . . . a) Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die jeweils andere Partei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Reichweite der Pflicht zur Vertraulichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Scheinbarer Widerspruch mit Informationspflicht gegenüber dem Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sinn der Informationspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Umfang der Berichtspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Gefahrenquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aufzeichnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zeugenaussage des Mediators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zivilrechtliches Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Strafrechtliches Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IV.
c) Die Information selbst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Lösungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Behandlung von Dokumenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verhalten des Richters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vortrags- und Beweismittelbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Materiellrechtliche Sanktionen und Vertragsstrafe . . . . . . . . . . . . . . e) Prozessualer Rechtsschutz bei Verstoß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Sanktion auch für den Mediator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) De lege ferenda – Zeugnisverweigerungsrecht für den Mediator . . h) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Richtlinienvorschlag der EU-Kommission über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorstellung der Richtlinienvorschlagsregelung Art. 6 . . . . . . . . . . . b) Unterschiede des Kommissions-Vorschlags zur französischen Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stellungnahmen zum Richtlinienvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kritik an Definition des Mediators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verschwiegenheitspflicht nur für Zivilgerichtsverfahren? . . . . cc) Beweisbeschränkung nur für Mediatoren? . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Rechte und Pflichten des Rechtsanwalts als Vorbild . . . . . . . . ee) Kritik an Art. 6 Abs. 3 a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Kritik an Art. 6 Abs. 1 d) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Diskussion und eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Wortlaut des Art. 6 Abs. 1 d) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Definition des Mediators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Regelung der anwaltlichen Rechte und Pflichten als Vorbild dd) Art. 6 Abs. 3 a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Ausdehnung auch auf andere als zivilgerichtliche Verfahren ff) Verschwiegenheitspflicht auch für die Parteien . . . . . . . . . . . . 10. Europäischer Verhaltenskodex für Mediatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfahrensgarantien – insbesondere Grundsatz des fairen Verfahrens . . . 1. Die Verfahrensgarantien (Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK) . . . . . . . . . . . . . . a) Inhalt der Garantien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bedeutung der Verfahrensprinzipien für die médiation . . . . . . . . . 2. Neutralität und Unparteilichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Faires Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Redlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtliches Gehör – Kontradiktionsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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V.
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aa) Rechtliches Gehör im Médiationsverfahren? . . . . . . . . . . . . . . bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beistand von Anwälten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ausgleich eines Ungleichgewichts zwischen den Parteien durch den médiateur? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Freiwilligkeit in der Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Freiwilligkeit der Durchführung des Mediationsverfahrens . . . . . . . . . a) Rolle der Freiwilligkeit in der Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auferlegte Mediation? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ausgestaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Obligatorischer Mediationsversuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Kein unmittelbarer Zwang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Erfolgschancen von „Pflichtmediationen“? . . . . . . . . . . . . . . . . c) Mittelweg: obligatorischer Informationstermin . . . . . . . . . . . . . . . . d) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zustimmungserfordernis auch für Person des médiateur? . . . . . . . . . . a) Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Conciliation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Vorgelagerter Conciliationsversuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Conciliation als erste Verfahrensphase . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Médiation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Argumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Teilnahme von Anwälten an Mediationsverfahren – sinnvoll oder hinderlich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesetzliche Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Conciliation vor dem tribunal d’instance bzw. der juridiction de proximité . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Médiation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Argumente der verneinenden Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Anwaltliche Orientierung an konfrontativer Konfliktlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Verlust von Flexibilität und Spontaneität . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
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(3) Waffenungleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Verweis auf Vorschriften zur persönlichen Anwesenheit der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Erwägungen psychologischer und materieller Natur . . . . . bb) Argumente der bejahenden Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Einheit von Partei und Anwalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Garantie der Verfahrensrechte und Gleichgewicht zwischen den Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Beratungsfunktion des Anwalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Qualifikation des Anwalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Bessere Chancen auf endgültige Streitbeilegung . . . . . . . . (6) Ausarbeitung des Einigungsprotokolls . . . . . . . . . . . . . . . . . (7) Rolle des „Bösen“ für den Anwalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (8) Vorteile über das Médiationsverfahren hinaus . . . . . . . . . . 2. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesetzliche Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Beratungs- und Aufklärungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Überprüfung vor Vertragsabschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Kontrollfunktion gegenüber Mediator und Mediation . . . . . . . dd) Verschiedene Formen der Beteiligung der Anwälte . . . . . . . . . 3. Rechtsvergleichendes Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Zeitpunkt der Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzliche Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mögliche Zeitpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vor dem Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Im Rahmen des Vorverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Termin im beschleunigten Verfahren zum Erlass einer einstweiligen Verfügung (audience des référés) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Termin der Hauptverhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzliche Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vergütung des médiateur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sinn der Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Formalisiertes Hinterlegungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vereinfachtes Vorauszahlungsverfahren in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . 4. Endgültige Festsetzung der Vergütung des médiateur . . . . . . . . . . . . . . a) Aufteilung unter den Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Formelle Festsetzung durch den Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
199 199 200 201 201 201 203 204 204 205 205 205 206 206 206 206 207 208 208 209 209 211 211 212 212 213 217 217 218 218 219 220 220 220 222 224 224 224
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Inhaltsverzeichnis aa) Festsetzung bei Hinterlegung der Vorauszahlung bei der Geschäftsstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Festsetzung bei direkter Aushändigung der Vorauszahlung an den médiateur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Prozesskostenhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Verfahren bei Erfolglosigkeit der médiation . . . . . . . . . . . . . . . ee) Sinn der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Tatsächliche Kosten in der Praxis am Beispiel der Modellversuche in Paris und Grenoble . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Höhe der Hinterlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Höhe der Gesamtkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verhältnis von Hinterlegung und tatsächlichen Kosten . . . . . . . . . d) Kostenverteilung und Tarife der médiateurs pro Sitzung . . . . . . . . e) Vergleich zwischen Kosten eines Gerichts- und eines Mediationsverfahrens? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
224 225 225 225 226 226 226 227 228 230 232 232
Kapitel 3 Abschließende Würdigung
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A. Zusammenfassung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 I. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 II. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 B. Vergleich des französischen und des deutschen Status quo . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 I. Gründe für die gegenwärtige allgemeine Mediations-Faszination . . . . . . . 237 II. Erklärungsversuche für den Vorsprung Frankreichs gegenüber Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 C. Das französische Modell als Vorbild für eine deutsche Lösung? . . . . . . . . . . . . 241 D. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 Literatur- und Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264
Kapitel 1
Einführung „Un mauvais arrangement vaut mieux qu’un bon procès.“1 – „Ein schlechter Vergleich ist besser als ein guter Prozess“, besagt ein französisches Sprichwort2. Dieser alten Maxime begegnet man immer wieder, wenn man sich mit alternativer Streitbeilegung in Frankreich beschäftigt3. In die deutsche juristische Praxis und Literatur hat mittlerweile das Motto „Schlichten ist besser als Richten“ Eingang gefunden4. Untersuchungen über das Verhältnis der Franzosen zur Zivilgerichtsbarkeit brachten zum Vorschein, dass sich eine große Mehrheit eine wirkliche Kommunikation zwischen den Einrichtungen der Justiz und denen, die sie in Anspruch nehmen – den Rechtsuchenden – wünschen. Die Richter entsprechen diesem Verlangen derzeit jedoch nur teilweise. Unter anderem aus diesem Grund erfolgte in den letzten Jahren eine Hinwendung zu Methoden alternativer Streitschlichtung5. Dem Thema „Alternative Streitschlichtung“ begegnet man oft auch unter der Bezeichnung „Alternative Dispute Resolution“ (ADR) oder „Modes alternatifs de Règlement des Conflits“ (MARC). Es geht dabei um den Versuch einer Konfliktlösung durch Konsens der Parteien ohne Einschaltung eines Dritten, der eine autoritative Entscheidung trifft – insbesondere ohne Anrufung von (staatlichen) Gerichten. Im Vordergrund steht also die Abgrenzung zum gerichtlichen Verfahren und zur dort gefällten Entscheidung – in der Regel in Form eines Urteils6. Mit dem Wunsch nach alternativer Streitbeilegung wird die Erwartung verbunden, dass die in Konflikt stehenden Parteien schneller und kostengünsti1 Das Sprichwort wird auch häufig als „Un mauvais accommodement vaut mieux qu’un bon procès“ zitiert. Alle Übersetzungen im Rahmen dieser Arbeit stammen von der Verfasserin. 2 Dieses wurde von Honoré de Balzac geadelt; Balzac, Illusions perdues, La Pléiade, t. IV, S. 1054. 3 Vgl. z. B. Cadiet, Mélanges Champaud, nº 1; Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 33. 4 Siehe z. B. BTDrs. 14/4722, S. 83; Hager, Konflikt und Konsens, S. 1. 5 Estoup, Gaz. Pal. 1990, doctr., 614 (615). Die von Estoup zitierten Untersuchungen sind leider ohne Quellen- und ohne Jahresangabe. 6 Vgl. Hager, Konflikt und Konsens, S. 1; Orfanidis, ADR, in Gottwald, Aktuelle Entwicklungen, S. 61 (63).
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Kap. 1: Einführung
ger zu einer auf sie maßgeschneiderten Lösung kommen, die für die Beteiligten zufriedenstellender ist7. Diese Thematik ist vor allem aus den USA hinlänglich bekannt und wird – zum Teil noch immer – weitgehend als eine typisch US-amerikanische Methode wahrgenommen8. Auch wenn die zivilprozessuale Ausgangssituation dort aufgrund der sehr hohen Prozesskosten, der langen Verfahrensdauer und der Beteiligung von Laien an der Rechtsfindung eine andere ist als in Kontinentaleuropa und sie dadurch einen fruchtbaren Boden für alternative Streitschlichtung darstellt9, ist diese Materie inzwischen auch hier immer mehr Gegenstand von wissenschaftlichen Untersuchungen sowie von praktischer Anwendung. Nicht unerwähnt bleiben darf, dass die gütliche Streitbeilegung – auch wenn sie zurzeit sehr in Mode scheint – ebenfalls in Europa bereits ein altes Phänomen ist, wie noch gezeigt werden wird10. Es existieren verschiedene Formen alternativer Streitschlichtung11. Eine der bedeutendsten ist die Mediation. Es gibt viele Versuche, den Begriff der Mediation zu bestimmen. Hier sei exemplarisch die von der Europäischen Kommission in ihrem Richtlinienvorschlag zur Mediation (Art. 2 a) S. 1)12 gewählte Definition zitiert: „,Mediation‘ bezeichnet alle Verfahren unabhängig von ihrer Bezeichnung, in denen zwei oder mehrere Streitparteien von einer dritten Partei unterstützt werden, damit sie eine Vereinbarung über die Streitschlichtung erzielen, und unabhängig davon, ob das Verfahren von den Parteien eingeleitet, von einem Gericht vorgeschlagen oder vom innerstaatlichen Recht eines Mitgliedstaats vorgeschrieben wird.“
Natürlich gibt es auch wiederum verschiedene Ausgestaltungen der Mediation. Bei der einen ist der Mediator – also der Dritte, der die Parteien dabei unterstützen soll, zu einer gütlichen Einigung zu gelangen – aktiver und kann sogar so weit gehen, den Parteien Vorschläge zu unterbreiten; bei der anderen kommt dem Mediator eine passivere Rolle zu, die Unterbreitung von Vorschlägen steht ihm nicht zu, er hat lediglich unterstützende Funktion13. Wichtig und allen Varianten gemein ist jedoch, dass in der Mediation kein Dritter eine Ent7 Vgl. Duve, Mediation und Vergleich, S. 85; Gottwald, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 17 Rn. 13; Lührig, AnwBl 2006, 100 (100); Mähler/Mähler, in Breidenbach/Henssler, Mediation für Juristen, S. 13 (20). 8 Vgl. Rechberger, Rückblick, in Gottwald, Aktuelle Entwicklungen, S. 1 (21). 9 Vgl. auch Orfanidis, ADR, in Gottwald, Aktuelle Entwicklungen, S. 61 (74). 10 Cadiet, Mélanges Champaud, nº 1. 11 Zu den verschiedenen Arten der Alternative Dispute Resolution (im Besonderen in den USA) siehe Duve, Mediation und Vergleich, S. 79 ff.; Hay, FS Schlosser, S. 101 (104 ff.). 12 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen vom 22.10.2004, KOM(2004) 718 endgültig. 13 Vgl. hierzu Kracht, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 15 Rn. 102 ff.
Kap. 1: Einführung
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scheidung trifft – wie dies beispielsweise auch beim Schiedsverfahren der Fall ist –, sondern es die Parteien selbst sind, die gemeinsam eine Lösung ihres Konflikts erarbeiten. Erwähnt werden sollen an dieser Stelle die Prinzipien der Mediation, von denen einige im Rahmen dieser Arbeit eingehender behandelt werden. Zu nennen sind hier das Prinzip der Freiwilligkeit, das der Selbstverantwortlichkeit, der Grundsatz der Informiertheit, der Grundsatz der Vertraulichkeit sowie der der Neutralität bzw. Unparteilichkeit und das Prinzip der Unabhängigkeit14. Zwar werden die Vorzüge der Mediation insbesondere in Abgrenzung zum gerichtlichen Verfahren herausgestellt; dennoch gibt es in jüngerer Zeit vermehrt Bestrebungen, die Mediation in das gerichtliche (Zivil-)Verfahren einzubetten. Konkret geht es um die Situation, in der die im Konflikt befindlichen Parteien bereits den Schritt vor Gericht unternommen haben; der Zivilprozess hat also schon begonnen. Erst in dieser Phase wird nun eine Eignung des Falles für einen gütlichen Einigungsversuch erkannt und in der Regel auf Vorschlag des Richters – möglich ist jedoch ebenso die Initiative einer der Parteien oder ihrer Anwälte – das Ruhen des gerichtlichen Verfahrens angeordnet und eine Mediation durch einen Dritten durchgeführt. Man spricht hier von der gerichtsnahen, gerichtsverbundenen oder auch von einer integrierten Mediation. Mit dieser speziellen Ausprägung der Mediation befasst sich die vorliegende Arbeit. Ausgegangen wird hierbei von der Situation im französischen Zivilprozess. Dort hat der Gesetzgeber im Wesentlichen innerhalb der letzten zehn Jahre entsprechende Vorschriften geschaffen und in den Nouveau code de procédure civile (NCPC) eingefügt; die „médiation judiciaire“ (Gerichtsmediation) wurde eingeführt. Das französische Recht wurde herangezogen, da das französische Rechts- und Gerichtssystem dem deutschen viel ähnlicher ist als beispielsweise das US-amerikanische und damit vergleichbare Fragestellungen und Probleme aufwirft. Eklektisch wird dabei immer wieder ein Blick auf den deutschen Prozess und die dort gegebenen Möglichkeiten alternativer Streitbeilegung geworfen – die deutsche Zivilprozessordnung steht der französischen insoweit noch nach – und es werden rechtsvergleichende Überlegungen angestellt. Abschließend wird überlegt, inwiefern das französische Modell der médiation judiciaire als Vorbild für ein deutsches Konzept gerichtsnaher Mediation geeignet ist.
14 Siehe Kracht, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 15 Rn. 98 ff.; Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 30 ff., 142 ff.
Kapitel 2
Darstellung der Situation in Frankreich und Deutschland und Untersuchung einzelner Fragenkomplexe Das zweite Kapitel beginnt mit einem kurzen Überblick über den französischen Zivilprozess (A.). Sodann werden zunächst die Regeln zur französischen médiation sowie conciliation judiciaires vorgestellt (B.) und danach ein Überblick über die deutsche Situation in Bezug auf die gerichtsnahe Mediation gegeben (C.), um schließlich einzelne spezielle Fragenkomplexe herauszugreifen und eingehender zu behandeln (D.).
A. Überblick über den französischen Zivilprozess Zur besseren Einordnung der médiation judiciaire wird im Folgenden ein kurzer Abriss des französischen Zivilverfahrens gegeben. Eingeleitet wird das streitige Verfahren durch die Klageerhebung (demande initiale) (Art. 53 NCPC), die grundsätzlich durch Ladung mit gleichzeitiger Zustellung der Klageschrift (assignation), Überreichung einer Klage auf gemeinsamen Antrag von Kläger und Beklagtem (requête conjointe) bei der Geschäftsstelle des Gerichts oder durch Einreichung der Klageschrift (requête) oder Erklärung (déclaration) bei der Geschäftsstelle des Gerichts sowie durch freiwilliges Vorstelligwerden (présentation volontaire) der Parteien vor dem Richter erfolgen kann (Art. 54 NCPC). Der Regelfall ist die Klageerhebung durch Ladung, wobei der Kläger den Beklagten über den Gerichtsvollzieher (huissier) direkt zum Erscheinen vor dem Richter lädt (Art. 55 NCPC). Die Verfahren vor den verschiedenen Zivilgerichten sind unterschiedlich geregelt.
I. Verfahren vor dem tribunal de grande instance Das tribunal de grande instance (TGI)15 erkennt in Zivilsachen über die Sachen, für die keine Zuständigkeit eines anderen Gerichts aufgrund der Natur oder der Höhe des Klageantrags bestimmt ist (Art. 33 NCPC, Art. L 211-3 15 Französisches Großinstanzgericht, das in etwa dem deutschen Landgericht entspricht.
A. Überblick über den französischen Zivilprozess
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Code de l’organisation judiciaire (C. org. jud.)). Es handelt sich dabei insbesondere um Rechtssachen, die den Wert von 10.000 A übersteigen (vgl. Art. L 2214 C. org. jud.)16. Im Übrigen ergibt sich seine Zuständigkeit aus Art. L 2114 ff., Art. R 311-1 ff. C. org. jud. Die Vorschriften zur Einleitung eines Verfahrens vor dem tribunal de grande instance nehmen die im allgemeinen Teil getroffenen Regelungen wieder auf. So wird die Klage durch Ladung mit gleichzeitiger Zustellung der Klageschrift (assignation), durch Überreichung einer Klage auf gemeinsamen Antrag von Kläger und Beklagtem (requête conjointe) bei der Geschäftsstelle des Gerichts oder auch durch einfache Klageschrift (requête) oder Erklärung (déclaration) bei der Geschäftsstelle eingereicht (Art. 750 NCPC). Die Parteien sind hier verpflichtet, einen Anwalt einzusetzen (Art. 751 NCPC). Der Gerichtspräsident (président du tribunal) setzt dann Tag und Uhrzeit fest, an denen die Sache aufgerufen wird, und bezeichnet die Kammer (chambre), der sie zugeteilt wird (Art. 758 NCPC). Nach dem gewöhnlichen Verfahren wird die Sache am festgesetzten Tag vor dem entsprechenden Kammervorsitzenden (président de la chambre) aufgerufen, der mit den Anwälten die Lage des Rechtsstreits (état de la cause) berät (Art. 759 NCPC). Ist demnach die Sache entscheidungsreif, so verweist sie der Vorsitzende in die mündliche Verhandlung (audience) (Art. 760 NCPC). Dasselbe geschieht, wenn der Beklagte nicht erscheint und die Sache entscheidungsreif ist, es sei denn, er wird erneut geladen (Art. 760 NCPC). Verspricht ein letzter Austausch von Schriftsätzen (conclusions) oder eine letzte Vorlage von Urkunden (pièces), die Sache zur Entscheidungsreife zu bringen, so kann ein neuerliches Erscheinen vor dem Vorsitzenden angeordnet werden (Art. 761 NCPC). Zum festgesetzten Zeitpunkt wird die Sache dann gegebenenfalls in die mündliche Verhandlung verwiesen (Art. 761 Abs. 3 NCPC). In der Regel allerdings wird die Rechtssache erst durch die Durchführung eines besonderen Vorverfahrens (instruction)17 in einen entscheidungsreifen Zustand gebracht (Art. 762 NCPC). Dieses Vorverfahren, in dessen Rahmen die Sache aufgeklärt bzw. vorbereitet werden soll, findet unter der Kontrolle eines Richters (magistrat) der Kammer des tribunal de grande instance, der die Sache vom Gerichtspräsidenten zugeteilt wurde, statt; man nennt diesen den juge de la mise en état. Dieser hat die Aufgabe, über den fairen Ablauf des Verfahrens zu wachen (Art. 763 NCPC). Das Vorverfahren dient dazu, die Rechtssache aufzubereiten und bis zur Entscheidungsreife vorzubereiten. Dabei kann der juge de la mise en état unter anderem die Parteien und ihre Anwälte anhören, sie Schriftstücke vorlegen und ihre tatsächlichen wie rechtlichen Erläuterungen austauschen lassen. Insbesondere hat er die Befugnis, jegliche Beweisaufnahme 16
Siehe hierzu unten zur Zuständigkeit des tribunal d’instance S. 24 f. Dieses Verfahren wird auch im Deutschen meist mit „Instruktionsverfahren“ übersetzt. 17
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Kap. 2: Darstellung der Situation in Frankreich und Deutschland
(mesure d’instruction) anzuordnen (Art. 771 Nr. 5 NCPC). Sobald die Rechtssache den Zustand der Entscheidungsreife erlangt hat, erklärt der juge de la mise en état das Vorverfahren für abgeschlossen und verweist sie vor das tribunal, um zum festgesetzten Termin verhandelt zu werden (Art. 779 Abs. 1 NCPC). In der mündlichen Verhandlung erstattet der juge de la mise en état vor den Sachvorträgen der Anwälte einen mündlichen Bericht der Sache, in dem er den Gegenstand der Klage und das Vorbringen der Parteien zur Antragsbegründung darlegt, die durch den Rechtsstreit aufgeworfenen Tatsachen- und Rechtsfragen präzisiert und Faktoren, die geeignet sind, die Hauptverhandlung zu erhellen, erwähnt, ohne jedoch seine Auffassung mitzuteilen (Art. 785 NCPC). Im Rahmen der Hauptverhandlung (débats) vor der zuständigen Kammer des TGI werden dann Kläger und Beklagter aufgefordert, ihre Klageanträge (prétentions) vorzutragen, die sie durch Ausführungen (observations) und Darlegungen der tatsächlichen Behauptungen und rechtlichen Ansprüche (plaidoiries) untermauern können (Art. 440 NCPC). Weiter sollen sie gegebenenfalls die dem Gericht notwendig erscheinenden rechtlichen oder tatsächlichen Erklärungen abgeben bzw. präzisieren (Art. 442 NCPC). Eine Besonderheit des französischen Zivilprozesses ist, dass die Staatsanwaltschaft (ministère public) als Vertreter des öffentlichen Interesses die Möglichkeit hat, der mündlichen Verhandlung beizuwohnen und in Form von Schlussanträgen (conclusions) Stellung zu nehmen, was sie in bestimmten Fällen sogar muss (Art. 431 NCPC). Diese hat auch als Letzte das Wort (Art. 443 NCPC). Nach Schluss der mündlichen Verhandlung (clôture des débats) (Art. 445 NCPC) ziehen sich die Richter zur Beratung (délibéré/délibération) der Sache zurück (Art. 447 f. NCPC). Das Urteil wird entweder auf der Stelle (sur-le-champ18) verkündet oder es wird ein Verkündungstermin genannt (Art. 450 NCPC).
II. Verfahren vor dem tribunal d’instance und der juridiction de proximité Das tribunal d’instance (TI)19 erkennt in Zivilsachen, die ihm durch Gesetz oder Rechtsverordnung aufgrund ihrer Natur oder der Höhe des Klageantrags zugeteilt werden (Art. 33 NCPC, Art. L 221-1 C. org. jud.). Vorbehaltlich gesetzlicher Vorschriften oder Vorschriften durch Rechtsverordnung, die die besondere Zuständigkeit anderer Gerichte festlegen, erkennt das tribunal d’instance in Zivilsachen über alle schuldrechtlichen Klagen (actions personnelles) oder Klagen aus einem Recht an beweglichen Sachen (actions mobilières) bis zum Wert von 10.000 A. Ebenso erkennt es über unbestimmte Klageanträge 18
Entspricht wohl dem deutschen „Stuhlurteil“. Französisches Kleininstanzgericht, das etwa dem deutschen Amtsgericht entspricht. Es ist mit einem Einzelrichter besetzt. 19
A. Überblick über den französischen Zivilprozess
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(demandes indéterminées), die aus der Erfüllung einer Verbindlichkeit (exécution d’une obligation) herrühren, deren Höhe 10.000 A nicht übersteigt (Art. L 221-4 C. org. jud.). Regelungen zur Zuständigkeit finden sich darüber hinaus in Art. R 321-3 ff. C. org. jud. Die juridiction de proximité 20 („Nähegericht“) ist in Zivilsachen für die gleiche Materie wie das tribunal d’instance zuständig, allerdings bis zum Wert von 4.000 A. Darüber hinaus erkennt sie über den Antrag auf gerichtliche Anerkennung (homologation) des von den Parteien am Ende eines vorhergehenden Conciliationsversuchs gefassten Einigungsprotokolls (Art. L 231-3 C. org. jud.). Zuständigkeitsvorschriften finden sich in Art. R 331-1 ff. C. org. jud. Vor dem tribunal d’instance und der juridiction de proximité kann ein Verfahren auf vier verschiedene Arten eingeleitet werden (Art. 829 NCPC). Zum einen kann die Klage in Form einer Ladung des Beklagten zum Zwecke einer conciliation – eines Sühneversuchs bzw. einer Schlichtung – (assignation à fin de conciliation) und in Ermangelung dessen mit dem Ziel der Erlangung eines Urteils (assignation à fin de jugement) eingereicht werden – die sogenannte assignation à toutes fins. Dieses Verfahren ist wohl das üblichste21. Zum anderen kann eine Klage durch gemeinsamen Antrag von Kläger und Beklagtem (requête conjointe) bei der Geschäftsstelle des Gerichts (greffe), durch freiwilliges Vorstelligwerden (présentation volontaire) der Parteien vor dem Richter oder durch eine Erklärung bei der Geschäftsstelle (déclaration au greffe) eingereicht werden. Darüber hinaus hat der Kläger die Möglichkeit, auch vor der Ladungs- und Klageschrift einen Schlichtungsversuch (tentative de conciliation) herbeizuführen. Auf diese Option wird im Abschnitt B. ausführlich eingegangen22. Stößt der juge de proximité, der kein Berufsrichter ist, auf eine ernsthafte rechtliche Schwierigkeit bezüglich der Anwendung einer Rechtsregel oder der Auslegung eines die Parteien verbindenden Vertrages, verweist er die Sache nach Anhörung der Parteien an den juge d’instance, indem er ihm unverzüglich die Akte übersendet. Der juge d’instance übernimmt das Verfahren dann in dem Zustand, in dem es der juge de proximité abgegeben hat, bis auf die Tatsache, dass er die Parteien neu hört, auch wenn sie schon vorgetragen haben (Art. 8474 NCPC, Art. L 231-5 C. org. jud.). Außerdem verweist der juge de proximité bei allen Einreden der Unzuständigkeit an den juge d’instance. Auch kann er jederzeit von Amts wegen seine Unzuständigkeit feststellen, genauso wie das tribunal d’instance zugunsten des juge de proximité (Art. 847-5 NCPC). 20 Es handelt sich bei dem im Jahre 2002 eingeführten Gericht um eine Art Gericht für Bagatellsachen. Als Richter sind bei der juridicition de proximité keine Berufsrichter eingesetzt, sondern nach einem bestimmten Verfahren ausgewählte Personen. 21 Barrère, J.-Cl. pr. civ., fasc. 307, nº 110. 22 Insbesondere S. 31 f., 66 ff.
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Kap. 2: Darstellung der Situation in Frankreich und Deutschland
Ein Vorverfahren wird vor diesen Gerichten nicht durchgeführt. Grundsätzlich versucht der Richter zunächst die Parteien zu einer gütlichen Einigung zu veranlassen. Scheitert dies jedoch, so wird die Sache, wenn möglich, unverzüglich entschieden. Ist sie noch nicht entscheidungsreif, so wird sie auf einen späteren Termin verschoben (Art. 841 NCPC). Nach Durchführung der Beweisaufnahme wird das Verfahren weiterverfolgt (Art. 842 NCPC). Der Richter fordert die Parteien auf, die für die Lösung des Rechtsstreits erforderlichen Erläuterungen zu liefern sowie die zur Aufklärung geeigneten Urkunden und Beweise innerhalb einer von ihm gesetzten Frist beizubringen; andernfalls kann er sich darüber hinwegsetzen und entscheiden – nur darf er aus der Unterlassung bzw. Weigerung einer Partei keinerlei Konsequenzen ziehen (Art. 844 NCPC)23.
III. Référé-Verfahren Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf das référé-Verfahren. Es handelt sich dabei um ein auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gerichtetes, vereinfachtes und beschleunigtes Verfahren vor dem Einzelrichter (Art. 484 ff. NCPC). Die einstweilige Verfügung zur Sicherung eines Anspruchs (ordonnance de référé) ist eine vorläufige Entscheidung, die auf Antrag einer Partei, während die andere anwesend oder geladen ist, gefällt wird. Sie ist möglich in Fällen, in denen das Gesetz einem Richter, der nicht in der Hauptsache angerufen ist, die Befugnis einräumt, die notwendigen Maßnahmen sofort anzuordnen (Art. 484 NCPC). Der juge de référé hat die Möglichkeit, die Sache im Zustand des beschleunigten Verfahrens (en état de référé) in eine mündliche Verhandlung vor das Kollegium des Gerichts zu verweisen (Art. 487 NCPC). Die einstweilige Verfügung ist vorläufig vollstreckbar (Art. 489 NCPC). Der Richter, der im référé-Verfahren entscheidet, kann Verurteilungen zu Zwangsgeldern (astreinte) aussprechen. Diese kann er vorläufig festsetzen (Art. 491 NCPC). Vor dem tribunal de grande instance wird seinem Präsidenten durch Art. 808 ff. NCPC die Befugnis eingeräumt, in allen Fällen mit Eilbedürftigkeit im référé-Verfahren alle Maßnahmen anzuordnen, die nicht auf ernsthaftes Bestreiten stoßen oder die durch das Vorliegen eines Rechtsstreits gerechtfertigt sind (Art. 808 NCPC). Darüber hinaus kann er immer – sogar bei ernsthaftem Bestreiten – sichernde Maßnahmen (mesures conservatoires) oder Wiederherstellungsmaßnahmen (mesures de remise en état), die unbedingt nötig sind, anordnen, sei es um einen drohenden Schaden abzuwenden, sei es um eine offensichtlich rechtswidrige Beeinträchtigung zu beenden. Ist das Bestehen einer Verpflichtung nicht ernsthaft bestreitbar, kann er dem Gläubiger eine vorbehaltliche Vorauszahlung gewähren oder die Vollstreckung der Verpflichtung anordnen, selbst wenn es sich um eine Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung 23
Vgl. auch Art. 834, 847, 847-3 NCPC.
B. Regelungen zur médiation und conciliation judiciaires
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handelt (Art. 809 NCPC). Auf Antrag einer der Parteien und wenn die Dringlichkeit es rechtfertigt, kann der im référé-Verfahren angerufene Vorsitzende die Sache in eine mündliche Verhandlung verweisen, damit dort in der Sache selbst entschieden wird (Art. 811 NCPC). Die gleiche Befugnis hat der Richter des tribunal d’instance gemäß Art. 848 ff. NCPC.
IV. Ordonnance sur requête Bei der ordonnance sur requête handelt es sich hingegen um eine einstweilige Verfügung zur Sicherung eines Anspruchs – also ein Eilverfahren –, die nicht kontradiktorisch ergeht. Das heißt, der Gegner wird nicht informiert oder gehört. Folglich findet auch keine mündliche Verhandlung statt (Art. 493 NCPC). Sie ist sowohl vor dem tribunal de grande instance als auch vor dem tribunal d’instance möglich (Art. 812 f., 851 f. NCPC). Vor dem TGI ist der Gerichtspräsident, vor dem TI der Richter für diese Maßnahme zuständig. Im Rahmen dieses Verfahrens können alle Sofortmaßnahmen angeordnet werden, die nach den Umständen nicht kontradiktorisch erfolgen müssen (Art. 812, 851 NCPC).
B. Vorstellung der französischen Regelungen zur médiation und conciliation judiciaires Im Folgenden sollen nun die französischen Regelungen zur médiation und conciliation judiciaires vorgestellt werden. Dies erfolgt zunächst in einem kurzen Überblick (I.). Danach wird ein Blick auf die geschichtliche Entwicklung dieses Instituts geworfen (II.) und abschließend im Einzelnen auf die konkreten Normen eingegangen (III.).
I. Überblick Dieser Abschnitt führt in einem ersten Überblick in die Institute gütlicher Streitbeilegung im französischen Nouveau code de procédure civile – insbesondere der médiation und conciliation judiciaires – ein. 1. Die gütliche Streitbeilegung im französischen NCPC Sieht man sich den französischen Nouveau Code de Procédure Civile zur Thematik der in das Zivilverfahren integrierten gütlichen Streitbeilegung an, so stößt man vornehmlich auf zwei Begriffe: „conciliation“ (Sühneverfahren oder Schlichtung) und „médiation“ (Mediation). Daneben begegnet man in diesem
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Kap. 2: Darstellung der Situation in Frankreich und Deutschland
Zusammenhang in Art. 384 Abs. 1 NCPC auch dem Ausdruck „transaction“ (Vergleich), der in den Art. 2044 ff. Code civil (C. civ.) geregelt ist. Alle drei Begriffe werden definiert als eine Einigung der Parteien über die Lösung des Rechtsstreits, mithin als eine vertragliche Lösung des Konflikts. Gemeinsam unterscheiden sie sich somit von den freiwilligen, einseitigen Formen von Streitlösungen wie Klageverzicht oder Klagerücknahme (désistement d’action)24 und Anerkennung einer Entscheidung (acquiescement)25. Der Unterschied zwischen den drei einverständlichen Streitbeendigungen besteht jedoch darin, dass conciliation und médiation Begriffe des Zivilprozessrechts sind, während der Vergleich ein Terminus des Vertragsrechts ist26. Der Vergleich bezeichnet ein Ergebnis, zu dem die Parteien nach Verhandlungen kommen; bei der conciliation und der médiation hingegen handelt es sich um ein gütliches Verfahren, um zu einer Einigung zu gelangen. Mit anderen Worten setzt ein Vergleich notwendigerweise die conciliation – im weiteren Sinne – der Parteien voraus27, wobei diese conciliation unterschiedliche prozessuale Formen annehmen kann28. Darüber hinaus erfordert der Vergleich gegenseitige Zugeständnisse der Parteien, während dies bei der conciliation und der médiation nicht notwendige Voraussetzung ist; hier genügt auch der reine Anspruchsverzicht einer Partei29. Daher soll die transaction hier außer Betracht gelassen und eine Abgrenzung von conciliation und médiation vorgenommen werden. 2. Grundregel Die Grundregel zur gütlichen Streitbeilegung findet sich in Art. 21 NCPC, der besagt, dass es zu der Aufgabe des Richters gehöre, die Parteien zu versöhnen (concilier). Zur Erfüllung dieses Gesetzesauftrags besteht einerseits die Möglichkeit der conciliation, andererseits die der médiation30. 24
Art. 394 ff. NCPC. Art. 408 ff. NCPC. Der NCPC unterscheidet hier zwischen acquiescement à la demande (Art. 408 NCPC) und acquiescement au jugement (Art. 409 NCPC). Letzteres setzt einen Rechtsmittelverzicht voraus, während Ersteres mit dem deutschen Anerkenntnis nach § 307 ZPO vergleichbar ist, wobei im Gegensatz zum deutschen Recht Rechtsmittel auch hier unzulässig sind, vgl. Cass. civ. 2e, 5 mars 1986, Bull. civ. 1986, II, nº 30; Guinchard, Méga NCPC, Art. 410, nº 007. 26 Cadiet/Jeuland, Droit judiciaire privé, nº 416; Cass. civ. 2e, 16 juin 1993, JCP G 1993, IV, 2116; Cadiet, JCP G 1993, I 3723, nº 3. 27 Vgl. Treilhard, Exposé des motifs des livres I et II de la première partie du projet de Code de procédure civile, devant le Corps législatif, Paris, 1806, S. 19: „Le but de la conciliation est une transaction“, zitiert von Cadiet/Jeuland, Droit judiciaire privé, nº 416, Fn. 324. 28 So Cadiet/Jeuland, Droit judiciaire privé, nº 416. 29 Guichard, Droit et pratique de la procédure civile, nº 3327. 30 Cass. civ. 2e, 16 juin 1993, JCP G 1993, IV, 2116; Cadiet, JCP G 1993, I 3723, nº 3. 25
B. Regelungen zur médiation und conciliation judiciaires
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3. Die conciliation Zum einen gibt es also die Möglichkeit der conciliation. In einem kurzen Überblick sollen zunächst ihre gesetzlich vorgesehenen Varianten vorgestellt werden. Die conciliation ist für alle Verfahren allgemein in Art. 127 bis 131 NCPC geregelt. Danach können sich die Parteien während des gesamten Verfahrens von sich aus – bzw. auf Initiative ihrer Vertreter31 – oder auf Initiative des Richters versöhnen (Art. 127 NCPC). Wird eine Einigung erreicht, so stellt der Richter dies in einem von ihm und den Parteien unterzeichneten Protokoll fest (Art. 129, 130 NCPC). Dies dient vornehmlich dazu, einen Vollstreckungstitel zu schaffen32. Die die conciliation feststellenden Protokollauszüge, die den Parteien ausgestellt werden können, gelten als solche Vollstreckungstitel (Art. 131 NCPC). Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine streitige gerichtliche Entscheidung, vielmehr stellt diese gerichtliche Protokollierung (jugement de donné acte) lediglich die zwischen den Parteien zustande gekommene Einigung fest, der sie die öffentliche Form gibt. Der Richter nimmt keine Prüfung der Einigung vor, geschweige denn trifft er eine Entscheidung33, er handelt vielmehr gleich einem Urkundsbeamten, der den den Rechtsstreit beendenden Vergleich gerichtlich formalisiert34. Gemäß Art. 749 NCPC gelten die allgemeinen Vorschriften des Ersten Buches vorbehaltlich besonderer Bestimmungen für alle Gerichtsbarkeiten, das heißt für die Zivil-, Handels-, Sozial-, Landwirtschafts- und Arbeitsgerichtsbarkeit. Zwar bestehen neben den weiterhin anwendbaren allgemeinen Bestimmungen jeweils Spezialregelungen auf den Gebieten der Sondergerichtsbarkeiten und vor dem tribunal de grande instance; jedoch erschöpfen sich diese meist darin, die allgemeinen Bestimmungen zu wiederholen35. Es gibt allerdings auch ergänzende Regelungen zu besonderen Conciliationsverfahren in allen Sondergerichtsbarkeiten (Arbeitsgericht36, paritätisches Gericht für landwirtschaftliche Pachtverträge37, juridiction de proximité und tribunal d’instance) sowie besondere Verfahren auf dem Gebiet der Scheidung und der Trennung von Tisch und Bett vor dem tribunal de grande instance. Diese besonderen Conciliationsverfahren unterscheiden sich zum einen danach, ob sie zum Gerichtsverfahren gehören und dessen ersten Teil darstellen oder ob sie 31 32 33 34 35 36 37
Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 80. Guinchard, Méga NCPC, Art. 130, nº 1. Guinchard, Méga NCPC, Art. 130, nº 2. Solus/Perrot, Droit judiciaire privé, t. 3, nº 1182. Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 97. Conseil de prud’hommes. Tribunal paritaire de beaux ruraux.
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Kap. 2: Darstellung der Situation in Frankreich und Deutschland
Vorbedingung für die Klageerhebung, also ein Vorverfahren im wahren Wortsinn sind, sowie danach, ob die Verfahren obligatorischen oder fakultativen Charakter haben38. Zudem muss das Conciliationsverfahren auf dem Gebiet der Scheidung sowie der Trennung von Tisch und Bett gesondert betrachtet werden39. a) Conciliationsversuch als erste Phase des Prozesses Verfahren, bei denen der Conciliationsversuch (procédures d’essai de conciliation) eine erste Phase des Prozesses, also eine Verfahrensphase darstellt, finden sich in vier Gerichtsbarkeiten: der Arbeitsgerichtsbarkeit (conseil de prud’hommes), der paritätischen Gerichtsbarkeit für landwirtschaftliche Pachtverträge (tribunal paritaire de baux ruraux), der im Jahre 2002 eingeführten juridiction de proximité 40 und dem tribunal d’instance. Beim arbeitsgerichtlichen Verfahren hängt dies mit der Organisation der Gerichtsbarkeit zusammen. Das Arbeitsgericht besteht aus einer Schlichtungskammer (bureau de conciliation), die mit einem Arbeitnehmer und einem Arbeitgeber besetzt ist (Art. R. 515-1 Abs. 1 Code du travail (C. trav.), Art. L. 515-1 und 515-2 Abs. 2 C. trav.), und einer Spruchkammer (bureau de jugement), die mit mindestens zwei Arbeitgebern und zwei Arbeitnehmern besetzt ist (Art. R. 515-3 C. trav., Art. L. 515-1 und 515-2 Abs. 1 C. trav.). Art. L. 511-1 C. trav. beauftragt die Gerichte seit jeher, Streitigkeiten im Wege der conciliation zu regeln41. Das Verfahren wird mit Antragstellung bei der Schlichtungskammer eingeleitet und nicht mehr – wie vor Inkrafttreten des Dekrets vom 12.09. 197442 – ab Ladung der Parteien vor die Spruchkammer (Art. R. 516-8 Abs. 1 C. trav.)43. Das heißt, die conciliation ist in das Verfahren integriert44. Die Schlichtungskammer ist gehalten, die Parteien anzuhören und sich zu bemühen, sie zu versöhnen (Art. R. 516-13 C. trav.). Dieser Conciliationsversuch stellt mithin eine obligatorische Phase des Verfahrens dar45. Da Art. 882 NCPC für die Verfahren vor dem paritätischen Gericht für landwirtschaftliche Pachtverträge auf die Vorschriften für Verfahren vor dem tribu38
Vgl. Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 114 ff. Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 119. 40 Zunächst wurde durch Art. L. 331-3 Abs. 1 C. org. jud. geregelt, dass das Gericht erst entscheidet, wenn eine conciliation versucht worden ist. 41 Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 121. 42 Dekret nº 74-783. 43 Vgl. Art. R. 516-8 Abs. 1 C. trav., der besagt, dass der conseil de prud’hommes angerufen wird entweder durch Klage oder durch freiwillige Vorlage der Parteien bei dem bureau de conciliation. 44 Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 122. 45 Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 125. 39
B. Regelungen zur médiation und conciliation judiciaires
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nal d’instance (Art. 827 ff. NCPC) verweist und der NCPC die Verfahren vor der juridiction de proximité und die vor dem tribunal d’instance gemeinsam regelt (Art. 827 ff. NCPC), können hier diese drei Gerichtsbarkeiten zusammen behandelt werden. Wie bereits einleitend ausgeführt46, beginnt das Verfahren vor dem tribunal d’instance und der juridiction de proximité durch gemeinsamen Antrag von Kläger und Beklagtem (requête conjointe), durch freiwillige Vorlage der Parteien (présentation volontaire des parties) oder durch Ladung des Beklagten zwecks conciliation oder andernfalls zwecks Urteils (assignation „à toutes fins“, à fin de conciliation et, à défaut, de jugement) oder, wenn die Höhe der Forderung den Zuständigkeitsstreitwert in letzter Instanz des tribunal d’instance – 4.000 A – nicht übersteigt, durch Erklärung zur Geschäftsstelle (déclaration au greffe) (Art. 829 NCPC). In allen vier Fällen muss sich der Richter zunächst darum bemühen, die Parteien zu versöhnen (concilier) (Art. 840, 847 und 847-3 NCPC). Scheitert dieser Conciliationsversuch, so muss er entscheiden. Dies sind die einzigen Spezialregelungen hinsichtlich der in das Verfahren integrierten conciliation vor diesen Gerichtsbarkeiten47. Vor dem tribunal paritaire de baux ruraux wird das Verfahren durch eine per Einschreiben an das Gericht gerichtete (lettre recommandée) oder durch Handlung der gerichtlichen Zustellungsperson eingereichte (acte d’huissier) Klage (Art. 885 Abs. 1 NCPC) eingeleitet. Hier bestimmt Art. 887 NCPC, dass zunächst der Conciliationsversuch unternommen werden muss, was auch zu protokollieren ist48. Vor diesen drei Gerichtsbarkeiten ist die tentative de conciliation mithin für den angerufenen Richter obligatorisch. Es handelt sich zwar nicht um eine dem Prozess vorgelagerte, aber dennoch um eine notwendige Phase49. b) Conciliationsversuch vor dem Prozess Ein dem Prozess vorgelagertes Verfahren des Schlichtungsversuchs (procédure de tentative de conciliation préalable au procès) existiert heute nur noch vor dem tribunal d’instance. Gemäß Art. 830 NCPC kann der Kläger direkt einen Conciliationsversuch veranlassen, bevor er die Klageschrift zustellen lässt. Dieser Versuch untersteht allein dem Willen des Klägers, er ist also fakultativ50. Hat die conciliation Erfolg, so nimmt der Richter ein vollstreckbares Protokoll auf. Scheitert sie, erteilt der Richter dem Kläger eine Bescheinigung 46 47 48 49 50
Siehe oben S. 24 ff. Couvrat/Giudicelli-Delage, Couvrat/Giudicelli-Delage, Couvrat/Giudicelli-Delage, Couvrat/Giudicelli-Delage,
J.-Cl. J.-Cl. J.-Cl. J.-Cl.
pr. pr. pr. pr.
civ., civ., civ., civ.,
fasc. fasc. fasc. fasc.
160, 160, 160, 160,
nº nº nº nº
135. 136. 137. 141 f.
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Kap. 2: Darstellung der Situation in Frankreich und Deutschland
der Nicht-Versöhnung und gestattet ihm, dem Beklagten die Klageschrift direkt zwecks Entscheidung durch Urteil zustellen zu lassen51. Bei der tentative de conciliation préalable handelt es sich also um einen dem Verfahren vorausgehenden, zur Disposition des Klägers stehenden Versuch. c) Conciliationsverfahren bei Scheidung und Trennung von Tisch und Bett Bei den Conciliationsverfahren auf dem Gebiet der Scheidung sowie der Trennung von Tisch und Bett, für das der „juge aux affaires familiales“ (der Richter in Familiensachen) des tribunal de grande instance zuständig ist, ist zu unterscheiden zwischen der Scheidung in beiderseitigem Einverständnis52 einerseits (Art. 250 ff. C. civ.) und den anderen Fällen der Scheidung, nämlich der wegen Annahme des Gescheitertseins der Ehe durch die Eheleute ohne Betrachtung der Ursachen53, wegen endgültiger Zerrüttung des ehelichen Bandes54 und wegen Eheverfehlungen55 andererseits (Art. 251 ff. C. civ.). Bei der zweiten Gruppe sieht das Gesetz einen obligatorischen Conciliationsversuch „vor dem Gerichtsverfahren“ vor56, wobei streitig ist, ob es sich um eine erste Verfahrensphase57 oder eine unabhängige vorgeschaltete Phase58 handelt. Für die letztgenannte Ansicht spricht zum einen der Wortlaut des Art. 252 Abs. 1 S. 1 C. civ., der bestimmt, dass ein Conciliationsversuch „vor dem gerichtlichen Verfahren“ obligatorisch sei59. Zum anderen lässt der explizite Ausschluss des Bereichs der Scheidung und der Trennung von Tisch und Bett vom Anwendungsbereich des Gesetzes nº 95-125 vom 08.02.1995 in dessen Art. 21 nº 1 darauf schließen, dass dieses Conciliationsverfahren ein dem Prozess vorgelagertes Verfahren ist. Grundsätzlich liegen danach nämlich gerade die gesetzlich vorgeschriebenen vorgelagerten Schlichtungsverfahren in seinem Anwendungsbereich. Hätte der Gesetzgeber im Conciliationsversuch im Scheidungsverfahren lediglich eine einleitende Verfahrensphase gesehen, wäre der ausdrückliche Ausschluss dieser Materie nicht erforderlich gewesen, da sie von vornherein nicht im Anwendungsbereich liegen würde.
51
Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 143. Du divorce par consentement mutuel, Art. 230–232 C. civ. 53 Du divorce accepté, Art. 233 f. C. civ. 54 Du divorce pour altération définitive du lien conjugal, Art. 237 f. C. civ. 55 Du divorce pour faute, Art. 242–246 C. civ. 56 Vgl. Art. 1108 ff. NCPC. 57 So CA Rouen, 1er juin 1978, D. 1979, inf. rap., 168 f. 58 So Cass. civ. 2e, 18 nov. 1965, D. 1966, jurispr. 61 f.; RTD civ. 1966, 375 (375), obs. Raynaud. 59 „Une tentative de conciliation est obligatoire avant l’instance judiciaire.“ 52
B. Regelungen zur médiation und conciliation judiciaires
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Der Richter versucht in diesem Conciliationsverfahren zunächst die Ehegatten zum Verzicht auf die Scheidung zu bewegen, im Falle des Scheiterns bemüht er sich, die Parteien dazu zu bringen, die Scheidungsfolgen gütlich zu regeln (Art. 252 Abs. 2 C. civ.)60. Auch im Laufe des Verfahrens kann jederzeit ein Conciliationsversuch unternommen werden (Art. 252 Abs. 1 S. 2 C. civ.)61. Bei einer Scheidung in beiderseitigem Einverständnis ist die conciliation nicht mehr gesetzlich vorgesehen. Jedoch besteht hier zwischen den Parteien im Grunde auch kein Streit; der Richter hat daher nicht die Aufgabe zu entscheiden, sondern lediglich die Absprachen der Eheleute über die Scheidungsfolgen offiziell anzuerkennen, soweit sie vernünftig sind62. Insofern bliebe dem Richter nicht viel Spielraum für ein Conciliationsverfahren, so dass er nur dann, wenn er eine Möglichkeit zur Annäherung sähe, beim ersten Erscheinen vor ihm versuchen könnte, die Parteien zu versöhnen, wobei die Chancen hier eher als gering einzuschätzen sind63. Es bleibt also festzuhalten, dass beim Antrag auf Scheidung oder Trennung von Tisch und Bett, der nicht in beiderseitigem Einverständnis erfolgt, der Conciliationsversuch im Rahmen eines obligatorischen vorgelagerten Verfahrens vorzunehmen ist. 4. Die médiation Die médiation ist allgemein für alle Verfahren in Art. 131-1 bis 131-15 NCPC geregelt. Nach Art. 131-1 NCPC kann der angerufene Richter – mit Einverständnis der Parteien – eine dritte Person bestimmen, damit sie die Parteien hört und ihre Standpunkte einander gegenüberstellt, um ihnen eine Konfliktlösung zu ermöglichen.
60
Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 158. Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 159. 62 Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 150 f. 63 Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 151–153; Massip, La réforme du divorce, t. 1, nº 92. Bei dem Begriff „conciliation“ im Zusammenhang mit der Scheidung ist auf die Doppeldeutigkeit des Wortes hinzuweisen. Zum einen bedeutet „conciliation“ Versöhnung der Ehepartner im Sinne von Verzicht auf die Scheidung, zum anderen kann damit auch eine teilweise Einigung über die Scheidungsfolgen gemeint sein, Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 153. Überdies muss in diesem Zusammenhang zwischen conciliation und réconciliation unterschieden werden. Unter réconciliation versteht man die Versöhnung der Ehegatten, mithin ihren gemeinsamen Willen, das Eheleben wiederaufzunehmen. Prozessual stellt dies eine prozesshindernde Einrede im Falle der divorce ou séparation de corps pour faute dar. Im Gegensatz hierzu ist die conciliation ein prozessuales Instrument, eine gütliche Einigung zu erreichen, Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 19. 61
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Kap. 2: Darstellung der Situation in Frankreich und Deutschland
5. Differenzierung An dieser Stelle drängt sich die Frage auf, worin genau der Unterschied zwischen conciliation und médiation besteht, und wie man diese Verfahren voneinander abgrenzen kann. Damit hängt auch die hier vor allem interessierende Fragestellung zusammen, ob und wann dieses Verfahren auf Dritte übertragen werden kann. a) Übertragbarkeit auf Dritte Allein die Tatsache der Beteiligung Dritter ist kein taugliches Abgrenzungskriterium, da dies gerade bei beiden Verfahren möglich ist. An dieser Stelle soll nun untersucht werden, wann eine Übertragung auf einen Dritten überhaupt in Betracht kommt. aa) Regelungen durch Gesetz nº 95-125 vom 08.02.1995 Hierzu hat das Gesetz nº 95-125 vom 08.02.1995 bezüglich der Gerichtsverfassung sowie des Zivil-, Straf- und Verwaltungsverfahrens einige Regelungen getroffen. In seinen Art. 21 bis 26 hat es der Gerichtsconciliation und Gerichtsmediation (conciliation judiciaire und médiation judiciaire) ein Kapitel gewidmet. Diese Vorschriften beschäftigen sich ausschließlich mit der Dritten anvertrauten conciliation bzw. médiation, nicht mit der conciliation, die durch den Richter selbst vorgenommenen wird64. Gemäß Art. 21 kann der Richter zum einen bei gesetzlich vorgeschriebenen vorgelagerten Conciliationsversuchen – die Materie der Scheidung und der Trennung von Tisch und Bett ausgenommen –, zum anderen bei der médiation eine dritte Person zu ihrer Durchführung bezeichnen, soweit die Parteien ihr Einverständnis erklären. Das heißt, die Übertragung auf einen Dritten ist bei der médiation immer, bei der conciliation nur in bestimmten Fällen möglich. bb) Regelungen durch Dekret nº 98-1231 vom 28.12.1998 Neben dem Gesetz von 1995 hat auch das Dekret nº 98-1231 vom 28.12. 1998 in Art. 840 Abs. 2, 847 Abs. 2 und 847-3 Abs. 2 NCPC die Möglichkeit geschaffen, die conciliation im Rahmen der ersten Phase vor dem tribunal d’instance bzw. der juridiction de proximité 65 – mit Zustimmung der Parteien – 64 Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 164. Überdies sind diese Bestimmungen gemäß ihres Art. 26 nicht auf das Strafverfahren anwendbar, da wegen der Sensibilität dieses Verfahrens spezielle Regelungen im Code de procédure pénale vorgesehen sind, Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 165. 65 Dekret nº 2003-542 vom 23.06.2003.
B. Regelungen zur médiation und conciliation judiciaires
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auf einen conciliateur de justice nach dem Dekret nº 78-381 vom 20.03.1978 zu übertragen. Diese Möglichkeit besteht unabhängig davon, ob das Verfahren durch Ladung des Beklagten, durch gemeinsamen Antrag von Kläger und Beklagtem, durch deren freiwillige Vorlage oder durch Erklärung zu der Geschäftsstelle eingeleitet wurde. cc) Zusammenfassung Auch wenn damit der Rückgriff auf einen Dritten nicht als Abgrenzungskriterium dienen kann, so ist doch festzuhalten, dass die médiation immer die Anwesenheit eines Dritten erfordert, während die conciliation außerhalb des Gesetzes von 1995 und des Dekrets von 1998 auch vom Richter selbst versucht werden kann oder muss66. b) Zweck und Aufgabe Worin liegen also die Unterschiede zwischen conciliation und médiation? Sowohl durch die conciliation judiciaire als auch durch die médiation judiciaire soll den Parteien die Gelegenheit gegeben werden, ihren schon bei Gericht anhängigen Rechtsstreit auf gütliche Weise – unter der „Federführung“ des Richters – durch einen Vergleich zu lösen67. Das Gesetz bietet für eine klare Unterscheidung der beiden Institute der Sache nach nahezu keine Anhaltspunkte. Im französischen Schrifttum gibt es allerdings verschiedene Differenzierungsversuche. So wird häufig dem médiateur eine aktivere, konstruktivere Rolle als dem conciliateur zugeschrieben; seine Aufgabe sei weiter. Dem médiateur komme es nämlich nach Art. 131-1 NCPC zu, den Parteien die Lösung ihres Konflikts zu ermöglichen. Dies könne zum einen zwar durch die Parteien selbst infolge einer vom médiateur versuchten Annäherung geschehen, aber auch unmittelbar durch den médiateur; es stehe ihm zu, mit den Parteien einen konkreten Einigungsvorschlag auszuarbeiten und ihnen zu unterbreiten, ohne ihnen diesen auferlegen zu können. Dahingegen gebe der conciliateur den Parteien lediglich die Gelegenheit, ihren Konflikt selbst durch Vergleich zu beenden; dabei übernehme er allerdings eine leitende Rolle68. Andere dagegen schreiben dem conciliateur die Aufgabe zu, den Parteien eine Vergleichslösung vorzuschlagen, 66
Vgl. auch Vincent/Guinchard/Montagnier/Varinard, Institutions judiciaires, nº 616. Vgl. Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 97 f. 68 Rapp. Delattre, Doc. AN, 2 avr. 1990, nº 1196, S. 7; Cadiet/Jeuland, Droit judiciaire privé, nº 393, 420 f.; Cadiet, Droit judiciaire privé, 3. Aufl., nº 395; Cornu/ Foyer, Procédure civile, nº 9, S. 51, 56; Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. proc. civ., fasc. 160, nº 170; 203 f.; Desdevises, Justices 1995, nº 2, 342 (349), nº 17; Guin67
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Kap. 2: Darstellung der Situation in Frankreich und Deutschland
während der médiateur nur die Aufgabe habe, die Parteien zum Dialog einzuladen69. Teilweise wird hervorgehoben, dass die conciliation mehr Bezug zum Richter aufweise, während die médiation völlig unabhängig sei. Der conciliateur ersetze nur den Richter in einer Verfahrensphase, indem er die diesem vom Gesetz aufgetragene Schlichtungsaufgabe (Art. 21 NCPC) übernehme. Da die conciliation in den Aufgabenbereich des Richters falle, erfülle dieser mit der Beauftragung eines Dritten – in der Absicht, der conciliation größere Chancen einzuräumen – nämlich nur vollständig seine Conciliationsaufgabe. Dagegen stelle die médiation eine Art Verfahrensergänzung zum Zwecke des Erreichens einer Einigung dar; sie sei ein Plus. Es handele sich bei der Aufgabe des médiateur zwar nicht um eine richterliche Aufgabe, jedoch werde sie gerichtlich, wobei der médiateur in keinem Fall einen Rechtsstreit entscheiden kann70. Auch wird zur Unterscheidung angeführt, dass die conciliation den Akzent mehr auf das Ergebnis, das zu erreichende Ziel – also die Einigung – setze, während es bei der médiation mehr um die eingesetzten Mittel zum Erreichen desselben Ziels, mithin um das Vorgehen, gehe71. Häufig klingt an, dass die médiation judiciaire als eine Art Unterfall der conciliation judiciaire, die conciliation im weiten Sinne mithin als eine Art Oberbegriff verstanden wird. Die médiation sei danach eine Art von conciliation, impliziere jedoch im Gegensatz zur conciliation notwendigerweise die Intervention eines Dritten72. Einig sind sich eigentlich fast alle darin, dass die Unterscheidung schwierig und lediglich gradueller Natur, die Terminologie dabei fließend ist. Eine klare Definition der Grenze zwischen conciliation und médiation judiciaires lässt sich nicht finden. Teilweise werden die Begriffe fast synonym verwandt73.
chard, Droit et pratique de la procédure civile, nº 325.12; Jarrosson, Gaz. Pal. 1996, doctr., 951 (952); Jarrosson, R.I.D.C. 1997, 325 (330). 69 Guinchard, Droit processuel, nº 586; Oppetit, Justices 1995, nº 1, 53 (56). 70 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 7, 265 ff.; Cadiet/Jeuland, Droit judiciaire privé, nº 420; Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. proc. civ., fasc. 160, nº 171, 202 f. 71 Cornu/Foyer, Procédure civile, nº 9, S. 56; Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. proc. civ., fasc. 160, nº 171; Jarrosson, Gaz. Pal. 1996, doctr., 951 (952); ders., R.I.D.C. 1997, 325 (330). 72 In diese Richtung Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 97 f., 110; Guinchard, Droit et pratique de la procédure civile, nº 325.12; Cornu/Foyer, Procédure civile, nº 9, S. 51. 73 Rapp. Delattre, Doc. AN, 2 avr. 1990, nº 1196, S. 7; Bourry d’Antin/Pluyette/ Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 7; Cornu/Foyer, Procédure civile, nº 9, S. 51; Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. proc. civ., fasc. 160, nº 170; Guinchard, Méga NCPC, Art. 21, nº 003; ders., Droit et pratique de la procédure civile, nº 325.12;
B. Regelungen zur médiation und conciliation judiciaires
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Wirklich überzeugend und die beiden Institute scharf voneinander abgrenzend erscheint allerdings keiner dieser Differenzierungsversuche. Zum Teil widersprechen sie einander sogar. Was nun genau den Unterschied zwischen ihnen in der Sache ausmacht, bleibt im Unklaren74. c) Dauer Der zeitliche Rahmen der médiation ist weiter als der der conciliation. Die Höchstdauer einer conciliation beträgt nämlich einen Monat, wohingegen eine médiation auf maximal drei Monate beschränkt ist. d) Anwendungsbereich Des Weiteren haben die gesetzlich vorgeschriebenen und Dritten anvertrauten Conciliationsversuche einen beschränkteren Anwendungsbereich als die médiation. Conciliationsverfahren können nur in bestimmten Verfahrensarten auf Dritte übertragen werden. Gemäß Art. 21 nº 1 des Gesetzes von 1995 und Art. 831 NCPC ist dies nämlich nur für gesetzlich geregelte vorgelagerte Schlichtungsversuche (tentatives préalables de conciliation prescrites par la loi) möglich, während es für die Materie der Scheidung und der Trennung von Tisch und Bett ausdrücklich ausgeschlossen ist. Das heißt, dass die Übertragung bei Verfahren vor dem tribunal d’instance nach Art. 830 ff. NCPC möglich ist; das Dekret nº 96-652 vom 22.07.1996, das das Gesetz von 1995 umsetzt, ist eben diesem Verfahren weitgehend gewidmet75. Für das Verfahren vor dem tribunal d’instance und der juridiction de proximité, bei dem der Conciliationsversuch nicht eine vorangehende, vom Antrag einer Partei abhängige Phase ist, also für den Schlichtungsversuch in der ersten Phase des Prozesses, hat das Dekret nº 98-1231 vom 28.12.1998 in den Art. 840
ders., Droit processuel, nº 586; Jarrosson, Gaz. Pal. 1996, doctr., 951 (952); ders., R.I.D.C. 1997, 325 (330). 74 Wie festgestellt wurde, ist die Terminologie in Bezug auf die integrierte Streitbeilegung nicht einheitlich und eine klare Trennung kaum möglich. Im Rahmen dieser Arbeit wird an den Stellen, an denen es auf die Differenzierung zwischen médiation und conciliation ankommt, zwischen beiden Ausdrücken unterschieden. Im Übrigen wird der Terminus „médiation“ für die gütliche Streitbeilegung durch einen Dritten – sei es in Form der médiation, sei es in der der selteneren conciliation – verwandt. Für beide Varianten gelten die gleichen Grundprinzipien. Der deutsche Begriff „Mediation“ wird für die Bezeichnung speziell des deutschen Verfahrens und auch für die Benennung des Verfahrens allgemein – unabhängig davon, ob in Deutschland oder Frankreich – eingesetzt. 75 Vgl. Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 163 ff.
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Abs. 2, 847 Abs. 2 und 847-3 Abs. 2 NCPC die Möglichkeit der Übertragung auf einen conciliateur de justice geschaffen76. Ob der Gesetzgeber auch die Conciliationsversuche vor dem Arbeitsgericht sowie dem paritätischen Gericht für landwirtschaftliche Pachtverträge in die Regelung des Art. 21 nº 1 des Gesetzes von 1995 einbeziehen wollte, wird unterschiedlich beantwortet. Da die Formulierung „gesetzlich vorgeschriebene, vorausgehende Schlichtungsversuche“ („tentatives préalables de conciliation prescrites par la loi“) allgemein gehalten ist, könnte man daran denken, dass auch Conciliationsverfahren vor dem conseil de prud’hommes und vor dem tribunal paritaire de baux ruraux umfasst sind, es allerdings mangels eines sie betreffenden Umsetzungsdekrets noch unklar ist, wer dort die conciliateurs sein werden77. Dagegen lässt sich jedoch einwenden, dass sowohl vor dem conseil de prud’hommes im bureau de conciliation als auch vor dem tribunal paritaire de baux ruraux das Conciliationsverfahren von einer besonderen, gesetzlich bestimmten kollegialen Zusammensetzung78 durchzuführen ist. Dies spricht gegen die Möglichkeit, diese Formation durch einen Dritten zu ersetzen79. Überdies handelt es sich bei den Conciliationsversuchen vor diesen beiden Sondergerichtsbarkeiten – wie bereits oben dargelegt – um eine erste Phase des eigentlichen Verfahrens, jedoch gerade nicht um ein vorgelagertes Verfahren wie es in Art. 21 nº 1 des Gesetzes von 1995 vorgesehen ist. Ein Rückgriff auf die médiation ist hingegen nicht zeitlich oder sachlich beschränkt80. Sie ist bei allen Verfahrensarten und zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens möglich. e) Wer ist conciliateur, wer médiateur? Die Frage, wer als conciliateur und wer als médiateur in Betracht kommt, unterliegt unterschiedlichen Anforderungen. 76 Für die juridiction de proximité wurde diese Regelung durch das Dekret nº 2003542 vom 23.06.2003 in den NCPC eingefügt. 77 So Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 132, 172; Rivier, Justices 1997, nº 8, 33 (35). 78 Im bureau de conciliation vor dem conseil de prud’hommes handelt es sich hierbei um einen Arbeitnehmer und einen Arbeitgeber, Art. L. 515-2 Abs. 2 C. trav., Art. R. 515-1 Abs. 1 C. trav., bei dem tribunal paritaire de baux ruraux um einen Amtsrichter sowie zwei Verpächter und zwei Pächter, Art. L. 492-1 Code rural. Bei dieser Bestimmung für das Verfahren vor dem tribunal paritaire de baux ruraux handelt es sich insofern um eine Sonderregelung, so dass trotz Art. 882 NCPC die Vorschriften für das Verfahren vor dem tribunal d’instance bzgl. der conciliation hier nicht anwendbar sind. 79 So auch noch ausdrücklich Cadiet, Droit judiciaire privé, 3. Aufl., nº 932, Fn. 306; Olivier, Gaz. Pal. 1996, doctr., 1257 (1258). 80 Vgl. Art. 131-1 bis 131-15 NCPC und Art. 21 nº 2 des Gesetzes von 1995.
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Gemäß Art. 21 Abs. 1 des Gesetzes vom 08.02.1995 muss die dritte Person, das heißt der conciliateur oder der médiateur, Voraussetzungen erfüllen, die durch ein vom Conseil d’Etat beschlossenes Dekret festgesetzt sind. Dementsprechend wurde durch das Dekret vom 22.07.1996 in Art. 831 Abs. 1 NCPC festgesetzt, dass beim vorgelagerten Schlichtungsversuch vor dem tribunal d’instance der conciliateur die im modifizierten Dekret nº 78-381 vom 20.03. 1978 vorgesehenen Voraussetzungen erfüllen muss (conciliateur de justice)81. Hinsichtlich der vorgelagerten Conciliationsverfahren vor den anderen Gerichtsbarkeiten (Arbeitsgericht und paritätisches Gericht für landwirtschaftliche Pachtverträge) ist hingegen – wenn man entgegen der hier vertretenen Ansicht die Übertragbarkeit auf einen Dritten überhaupt bejaht82 – bislang noch unklar, welchen Anforderungen der conciliateur genügen muss; denn hier fehlt es bisher an einem sich hierauf erstreckenden Durchführungsdekret. In Art. 840, 847 und 847-3 NCPC sind als Dritte, auf die der Richter die conciliation übertragen kann, ausdrücklich die conciliateurs de justice genannt. In Anwendung des Art. 21 Abs. 1 des Gesetzes vom 08.02.1995 bestimmt das Dekret vom 22.07.1996 für die Person des médiateur in Art. 131-5 NCPC fünf Voraussetzungen83. f) Kosten und Vergütung Ein bedeutender Unterschied zwischen conciliation und médiation ist die Frage der Entgeltlichkeit. Während die conciliation ohne Entlohnung des conciliateur stattfindet84, enthält der médiateur eine Vergütung85. Bei der médiation müssen sich die Parteien auch über die Kostenverteilung einigen, andernfalls werden die Kosten zu gleichen Teilen bzw. gemäß Billigkeit getragen. 6. Resümee Zusammenfassend ist festzuhalten, dass für die gütliche Streitbeilegung im Rahmen eines Zivilverfahrens die Möglichkeit für den angerufenen Richter besteht, die Durchführung dieses Verfahrens in bestimmten Fällen auf einen Drit81
Guinchard, Méga NCPC, Art. 852-1, nº 008. Siehe oben S. 37 ff. 83 Hierzu Näheres auf S. 62 f. 84 Vgl. Art. 21 und 22 des Gesetzes von 1995, der die Vergütung nur für die Mediation regelt. 85 Art. 21 Abs. 4 und 5 und Art. 22 des Gesetzes von 1995 und Art. 131-6 Abs. 2 und 3 NCPC. 82
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ten zu übertragen. Diese Möglichkeit besteht bei der médiation immer, da hier die Anwesenheit eines Dritten bereits im Institut der médiation angelegt und damit erforderlich ist. Bei der conciliation hingegen ist die Übertragung nur in bestimmten Konstellationen zulässig. Dies ist zum einen der Fall, wenn die conciliation dem eigentlichen Verfahren vorgelagert und gesetzlich geregelt ist, das heißt vor dem tribunal d’instance und der juridiction de proximité nach Art. 830 ff. NCPC. Es handelt sich hierbei um ein fakultatives Schlichtungsverfahren, dessen Durchführung vom Willen des Klägers, nicht des Richters abhängt. Zum anderen ist die Übertragung der conciliation auf einen Dritten bei den Schlichtungsverfahren vor dem triubunal d’instance und vor der juridiction de proximité (Art. 840, 847, 847-3 NCPC), die jeweils eine erste Phase des Prozesses darstellen, möglich, wobei das Verfahren hier für den Richter obligatorisch ist. Die Arbeit wird ihr Augenmerk auf die allgemeinen Regelungen richten, nach denen eine – in das Zivilverfahren integrierte – médiation bzw. conciliation einem Dritten anvertraut werden kann. Insofern wird sie sich auf die médiation judiciaire allgemein und die conciliation judiciaire vor dem tribunal d’instance sowie der juridiction de proximité, sei es als vorgelagertes fakultatives Verfahren, sei es als in den eigentlichen Prozess integriertes obligatorisches Verfahren, konzentrieren. Mit Ausnahme der Verfahren vor dem tribunal d’instance und der juridiction de proximité werden die Verfahren vor den Sondergerichtsbarkeiten, bei denen eine Übertragung auf Dritte teilweise vertreten wird, somit ausgeklammert.
II. Historische Entwicklung der integrierten Streitbeilegung in Frankreich Der gütlichen Streitbeilegung, wie wir sie im heutigen Nouveau Code de procédure civile vorfinden, geht im französischen Zivilprozess eine lange Entwicklung mit verschiedenen Eckdaten voraus. Ihren Wurzeln soll in diesem Abschnitt nachgespürt werden. Als Vorläufer des médiateur/conciliateur in Frankreich muss man den juge de paix – den Friedensrichter – nennen.
1. Das Jahr 1790 Der erste Eckpunkt der Entwicklung ist im Jahre 1790 anzusiedeln. Wahrscheinlich beeinflusst vom anglo-holländischen Vorbild und von der revolutionären Ideologie sowie von der Erinnerung an die juridictions seigneuriales proches des justiciables (die den Rechtsuchenden nahe Gerichtsbarkeit der Lehns-
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herren), schuf die verfassungsgebende Versammlung (Constituante) durch das Gesetz vom 16.–24. August 1790 die justices de paix – die Friedensgerichte86. a) Vorbilder der justices de paix Die verfassungsgebende Versammlung konnte bei der Einrichtung der justices de paix aus drei Quellen schöpfen. Zum einen waren da die justices of peace in England, zum anderen der alte Schultheiß des Dorfes und zuletzt der defensor civitatis in den Niederlanden. Von den ersten wurde zumindest der Name übernommen. Was den Schultheiß auf dem Dorf angeht, so gab er vor allem Anlass gegenzusteuern, also etwas gegen den Missbrauch der justices de village zu unternehmen, von dem so viele Beschwerdehefte Zeugnis ablegen. Die Verwandtschaft mit dem defensor civitatis beruht auf Mutmaßungen. Belegt ist, dass Voltaire höchst begeistert von dieser in Holland zuvor bestehenden, ähnlichen Praxis berichtete und ihre Vorzüge rühmte: „Wenn zwei Menschen gegeneinander einen Prozess führen wollen, sind sie verpflichtet, zunächst zum Gericht der conciliateurs, genannt faiseurs de paix, zu gehen. Wenn die Parteien mit einem Anwalt oder einem Staatsanwalt kommen, lässt man sie diese zunächst zurückziehen, wie man Holz von einem Feuer entfernt, das man löschen will. Die faiseurs de paix sagen zu den Parteien: Ihr seid große Narren, Euer Geld vergeuden zu wollen, um euch gegenseitig unglücklich zu machen; wir werden Euch miteinander versöhnen, ohne dass es euch etwas kostet.“87
Auch wenn es sicherlich Vorbilder und Inspirationen gab, so will die Einführung der justices de paix doch als eigenständiges Werk angesehen werden. Es wurde als „ein großer Gedanke, der es verdiente anzudauern“, bezeichnet. Mit der Cour de cassation88 sei sie eines der stabilsten und gelungensten Fundamente der französischen Gerichtsverfassung89.
86 Cadiet, Droit judiciaire privé, 3. Aufl., nº 199; Carré, Les Lois de la Procédure Civile I, S. XXXiX, nº 82; Cornu/Foyer, Procédure civile, 1958, S. 167, 172; Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (63 f.); Estoup, Gaz. Pal. 1990, doctr., 614 (614). 87 „Quand deux hommes veulent plaider l’un contre l’autre, ils sont obligés d’aller d’abord au tribunal des conciliateurs, appelés feseurs [sic] de paix. Si les parties arrivent avec un avocat et un procureur, on fait d’abord retirer ces derniers comme on ôte le bois d’un feu qu’on veut éteindre. Les feseurs [sic] de paix disent aux parties: Vous êtes de grands fous de vouloir manger votre argent à vous rendre mutuellement malheureux; nous allons vous accommoder sans qu’il vous en coûte rien.“, Voltaire, Œuvres complètes, éd. Firmin-Didot, t. V, S. 497; zitiert von Boitard, Leçons de procédure civile, t. 1, S. 73, nº 77; Cornu/Foyer, Procédure civile, 1958, S. 172; Estoup, Gaz. Pal. 1990, doctr., 614 (614); Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 33. 88 Kassationshof. 89 Cornu/Foyer, Procédure civile, 1958, S. 172.
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b) Stellung und Aufgabe der justices de paix Die justices de paix standen in der Zivilgerichtsbarkeit in erster Instanz neben den tribunaux de première instance (civils et de commerce)90. Man zählte sie zur juridiction extraordinaire oder d’exception (zur außerordentlichen oder Sondergerichtsbarkeit), während die tribunaux de première instance zur juridiction ordinaire (zur ordentlichen Gerichtsbarkeit) gehörten91. Die juges de paix hatten hierbei die Aufgabe, über weniger bedeutende Streitigkeiten zu entscheiden sowie conciliatorisch (schlichtend) tätig zu werden, die Parteien also dazu zu bringen, sich gütlich zu einigen oder sogar zu verhindern, dass der Streit überhaupt entstand92. In der Vorstellung der Autoren der Reform von 1790 stand diese conciliatorische Aufgabe des juge de paix im Vordergrund, was schon an seinem Namen deutlich wird – er ist ein „faiseur de paix“ (ein „Friedensmacher“)93. Die Bedeutung dieser Aufgabe schlug sich auch darin nieder, dass sie nicht nur in das Parlamentsgesetz, sondern auch in das höchste Gesetz – die Verfassung – aufgenommen wurde94. c) Ziel der Schaffung der justices de paix Das Gesetz vom 16.–24. August 1790 bemühte sich vor allem, die neue Ideologie umzusetzen sowie die Brüderlichkeit und die guten Beziehungen zwischen den Bürgern zu begünstigen, indem ein Richter eingesetzt wurde, dessen Funktion im Wesentlichen war, die Gemüter zu beruhigen und Verstimmungen zu mindern95. Die revolutionäre Konzeption der juges de paix war von einer gewissen Romantik geprägt. Es fand sich darin die Liebe zur Eintracht (pacis proeses, amicitiae custos), das Thema Familie (justice patriarcale, paternelle, père du pays), das der Weisheit (homme de bon conseil, prud’homme) sowie ein biss90
Carré, Les Lois de la Procédure Civile I, S. XXXViij, nº 79 f. Carré, Les Lois de la Procédure Civile I, S. XXXViij, nº 81; Cornu/Foyer, Procédure civile, 1958, S. 167. 92 Daneben war er auch für Vormundschaftssachen zuständig. Cornu/Foyer, Procédure civile, 1958, S. 168 f.; Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (71 f.). 93 Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (72); Estoup, Gaz. Pal. 1990, doctr., 614 (614). Ursprünglich wurde sogar erwogen, aus dem juge de paix ausschließlich einen médiateur/conciliateur zu machen. Jedoch setzte sich die gegenteilige Lösung durch. Cornu/Foyer, Procédure civile, 1958, S. 173. 94 Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (72); Couvrat/GiudicelliDelage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 35. War doch einmal eine Entscheidung erforderlich, so sollte diese dann aber ohne Prozesskosten (frais) und ohne schriftlich fixiertes Beweismittel (écriture) ergehen. Cadiet, Droit judiciaire privé, 3. Aufl., nº 199; Estoup, Gaz. Pal. 1990, doctr., 614 (614). 95 Estoup, Gaz. Pal. 1990, doctr., 614 (614). 91
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chen „Landluft“ (homme des champs, juge des campagnes). Auch wird die soziale Rolle der juges de paix bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts hervorgehoben; in ihnen wurden „die Pfeiler der sozialen Ordnung in unserem Land“ gesehen96. Die Einrichtung der justice de paix war die Antwort auf die Wünsche der Bevölkerung, wie sich aus den Beschwerdeheften, die den 1789 in Versailles versammelten Generalständen vorgelegt wurden, ergibt: Die Vorschläge, die die Justiz betrafen, empfahlen vor allem, die kleinen Streitigkeiten den prud’hommes (angesehenen, weisen Männern) zu unterwerfen und sahen vor, dass diese die Angelegenheiten, wegen derer sie angerufen worden sind, schnell untersuchen, „ohne dass es den procureurs (Staatsanwälten) – das heißt den avoués (Anwälten) – erlaubt sei, irgendwelche Kosten zu verursachen“97. Die justice de paix war der Inbegriff einer Justiz, die zugänglich, nahe am Rechtsuchenden, menschlich, wenig kostspielig und ausreichend schnell war. Sie sollte eine wichtige soziale Rolle, insbesondere in den ländlichen Gebieten, wo der geringste Streit über den Besitz von Land oder die Ausübung eines Wegerechts beispielsweise in eine Dorffehde ausarten konnte, ausfüllen98. d) Der juge de paix Die Verfassungsgebenden von 1790 hatten den juge de paix mithin als einen dem Rechtsuchenden Nahen (proche du justiciable) gewollt99. Diese Nähe (proximité) beinhaltete neben der rein materiellen Nähe auch die sogenannte soziale, moralische, psychologische Nähe100. Im Sinne dieser materiellen Nähe wollte der Gesetzgeber von 1790 einen beliebten Richter, der in unmittelbarer Reichweite aller Parteien, die die jeweilige Stadt oder das Land bewohnten, situiert war, als juge de paix eingesetzt sehen. Mit Blick auf die psychologische Nähe musste es ein Richter sein, der fähig war, die Rechtsstreitigkeiten mühelos beizulegen, der die Mentalität und Sorgen seiner Mitbürger kannte, mit denen er das tägliche Leben teilte, deren Vertrauen er gewann und von denen ihn nichts unterschied101. Die justice de paix wurde meistens durch die örtlichen Notabeln (hoch angesehene Persönlichkeiten) ausgeübt, die zunächst gewählt, dann aber bald, ab dem Consulat, ernannt wurden. Anfänglich entschied der juge de paix mit zwei 96
Cornu/Foyer, Procédure civile, 1958, S. 173. Estoup, Gaz. Pal. 1990, doctr., 614 (614). 98 Estoup, Gaz. Pal. 1990, doctr., 614 (614). 99 Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (63 f.); Estoup, Gaz. Pal. 1990, doctr., 614 (614). 100 Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (64). 101 Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (64). 97
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beisitzenden Richtern (assesseurs) an seiner Seite, mit denen er ein bureau de paix et de conciliation bildete. Diese verschwanden jedoch bald102 wieder bzw. wurden zu einfachen Stellvertretern (suppléants), so dass der juge de paix als Einzelrichter Gericht hielt103. aa) Die materielle Nähe Ziel insbesondere der materiellen Nähe war es, dass ein Kontakt zwischen Richter und Parteien an jedem Ort und zu jeder Zeit ohne irgendeinen Mittelsmann zustande kommen konnte. Dadurch, dass der juge de paix einer aus ihrer Mitte war, war es den Rechtsuchenden möglich, unmittelbare und persönliche Beziehungen zu „ihrem“ Richter aufzubauen104. Der juge de paix war – sowohl räumlich als auch zeitlich – allgegenwärtig, er stand den Rechtsuchenden immer und überall zur Verfügung. Die räumliche Allgegenwart wurde im Gesetz von 1790 durch die Bestimmung: „Es wird in jedem Bezirk einen juge de paix geben.“ garantiert105. Ein Rechtsuchender musste somit seine Stadt bzw. seinen Bezirk nicht verlassen, um seine Ansprüche vorzutragen106. Auch zeitlich hatte er die Möglichkeit, sich jederzeit an den juge de paix zu wenden. Es waren sogar Sonderregeln vorgesehen, beispielsweise dergestalt, dass der juge de paix seine Aufgaben „an allen Tagen“ ausüben konnte, „sogar an Sonn- und Feiertagen, morgens und nachmittags . . .“, und die Verhandlung bei sich zu Hause abhalten konnte, indem er die Türen offen hielt (Art. 8 C. proc. civ.); dies hing auch damit zusammen, dass die Gerichtsferien nicht galten107. Auch war den Verfassern der Reform von 1790 der direkte Kontakt zwischen juge de paix und Partei wichtig. Jeder Mittelsmann, jede Fürsprache musste ausgeschlossen werden. Ebenso wurde das persönliche Erscheinen die Regel; das Gesetz verbot allen Personen, „die mit Aufgaben bezüglich der ordentlichen Gerichtsbarkeit befasst waren“, die Vertretung und den Beistand108.
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Ab dem Jahr IX; le 29 ventôse, an IX (= 20. März 1801). Seit dem Jahr IX saß der juge de paix als Einzelrichter zu Gericht; Cornu/Foyer, Procédure civile, 1958, S. 168, 173. Cadiet, Droit judiciaire privé, 3. Aufl., nº 199; Estoup, Gaz. Pal. 1990, doctr., 614 (614). 104 Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (65). 105 „Il y aura dans chaque canton un juge de paix.“, Gesetz vom 16.–24. August 1790, Überschrift III, Art. 1; Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (65). 106 Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (65). 107 Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (67). 108 Dekret vom 18–26 Oktober 1790; Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (68). 103
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bb) Die psychologische Nähe Die Nähe des juge de paix in psychologischer Hinsicht schlug sich in vielerlei Facetten nieder. Prägnant lässt sich diese Idee in dem Ausspruch JacquesGuillaume Thourets am Rednerpult der verfassungsgebenden Versammlung auf den Punkt bringen: „Les juges seront semblables aux citoyens“ – „Die Richter werden den Bürgern ähnlich sein“109. Der Bezirksrichter (juge cantonal)110 sollte also ein einfacher Bürger sein, der wie die anderen den beiden großen Gesetzen der neuen Gesellschaft unterworfen war – dem der Gleichheit und dem der Brüderlichkeit. Der Gleichheit sollte dabei dadurch Rechnung getragen werden, dass den Richter nichts von den Rechtsuchenden unterscheiden durfte, selbst nicht das Tragen einer besonderen Amtstracht, wenn er urteilte. Er sollte nur ein Bürger unter anderen Bürgern sein – im Gegensatz zu den magistrats (den Berufsrichtern)111. Der Brüderlichkeit wurde dadurch Rechnung getragen, dass die Rechtspflege nicht einen autoritären und staatlichen Charakter haben, sondern familiär, „zahm“ sein sollte; der Richter sollte die Rechtsuchenden als Brüder betrachten. Die Eigenschaft als conciliateur hatte Vorrang vor der als Richter. Übte er allerdings die letztere aus, sollte an erster Stelle – vor dem Gesetz – die Billigkeit stehen112; der Richter spielte die Rolle des arbitre amiable compositeur – des Schiedsrichters113. Nach der Vorstellung der Gesetzgeber von 1790 sollten die juges de paix ihre Urteile aufgrund ihrer Erfahrung und eines guten Urteilsvermögens ohne fundierte Rechtskenntnis fällen. Die Annäherung zwischen Richter und Parteien sollte dadurch erfolgen, dass der gesunde Menschenverstand und das einfache billige Ermessen die Lösungen bestimmten und begründeten, der Dialog zwischen den beiden mithin von jeglichem Verweis auf die komplizierten, komplexen Rechtsnormen befreit wurde. Die Gesetzgebung wurde als zweitrangig angesehen und sollte ohne Weiteres ignoriert werden können114. Daher war auch eine Revision gegen die Urteile der juges de paix nutzlos und unmöglich; denn ihr einziges Ziel ist, die genaue Anwendung der Gesetze zu gewährleisten. Von diesen waren die juges de paix jedoch gerade befreit115. Der juge de paix
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Zitiert in Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (70). Eine andere Bezeichnung für den juge de paix, da es ursprünglich im 19. Jahrhundert pro Bezirk (canton) eine justice de paix gab; Perrot, Institutions judiciaires, Rn. 110. 111 Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (70). 112 Cornu/Foyer, Procédure civile, 1958, S. 169; Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (70). 113 Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (76). 114 Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (71, 74). 115 Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (74). 110
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hatte mithin eine Quasi-Souveränität inne, die dadurch außerordentlich gestärkt wurde, dass er von den Rechtsuchenden gewählt wurde116. cc) Die „grande“ conciliation Wie bereits erwähnt117, hatte der juge de paix neben seiner Aufgabe, weniger bedeutende Streitigkeiten zu entscheiden, auch die Funktion, conciliatorisch tätig zu werden. Hervorzuheben ist, dass nach dem Wortlaut des Gesetzes von 1790 das obligatorische Einschreiten des juge de paix als conciliateur nur für die Rechtssachen vorgesehen war, die in den Zuständigkeitsbereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit – der tribunaux civils bzw. tribunaux de première instance – fielen, also gerade nicht in seiner Zuständigkeit in Bezug auf die Streitentscheidung lagen118. Innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit, die über bedeutendere Streitigkeiten zu entscheiden hatte119, war jedoch dieser dem eigentlichen Verfahren vorgelagerte Conciliationsversuch sowohl in erster Instanz als auch in der Berufungsinstanz ohne Ausnahme verpflichtend. Danach musste jeder Rechtsstreit, der zur Zuständigkeit der tribunaux de district (Bezirksgerichte) gehörte, zunächst dem tribunal de paix vorgelegt werden, um dort die conciliation der Parteien zu versuchen120. Man sprach hierbei von der „grande“ conciliation – der „großen“ conciliation. Nur für die großen – im Sinne von bedeutenderen – Prozesse war also ein obligatorisches einleitendes Vermittlungsverfahren (préliminaire obligatoire d’accomodement oder préliminaire obligatoire de conciliation) vorgesehen. Dieses Verfahren wurde auch procédure préparatoire (vorbereitendes Verfahren) genannt, wobei préparatoire nicht in dem Sinne zu verstehen ist, dass der Conciliationsversuch eine Klageschrift (acte introductif d’instance) ist, sondern eine grundsätzlich notwendige Einleitung (préliminaire), um eine Klage zu erheben121. Nach kleinen Modifizierungen dieses einleitenden Conciliationsverfahrens durch Gesetze von 1791 und 1792122, wurde es in die Art. 48 bis 58 des im Jahre 1806 geschaffenen Code de procédure civile (C. proc. civ.) aufgenommen. Die Verpflichtung zu diesem Verfahren wurde in Art. 48 geregelt. Gleich116
Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (75). Siehe oben S. 42. 118 Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (72); Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 34, 40. 119 Die juges de paix zählten nicht zur ordentlichen Gerichtsbarkeit, sondern zur juridiction extraordinaire. Vgl. oben S. 42 f. 120 Cornu/Foyer, Procédure civile, 1958, S. 168 f.; Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 34. 121 Carré, Les Lois de la Procédure Civile I, S. 207; Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (72); Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 33 f., 40. 122 Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 35. 117
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zeitig ließ der Code einige Einschränkungen betreffend die Gerichtsbarkeit, den Gegenstand des Rechtsstreits und die Dringlichkeit der Angelegenheit (Art. 49) zu, während die Verpflichtung der Parteien, grundsätzlich persönlich zum vorgeschalteten Conciliationsversuch zu erscheinen, beibehalten wurde. Das Nichterscheinen wurde mit einer Geldstrafe sanktioniert sowie damit, dass jegliche Verhandlung verweigert wurde, bis die Zahlungsbestätigung über diese Strafe vorgelegt wurde (Art. 56)123. dd) Die „petite“ conciliation Im Gegensatz zu den großen Prozessen war für die kleinen Prozesse kein obligatorisches, einleitendes Conciliationsverfahren vorgesehen. Da jedoch die dahinterstehende Logik nicht erkennbar war, vertraten zahlreiche Bezirksrichter die Ansicht, dass man vom Schweigen des Gesetzes nicht ableiten könne, dass die conciliation für von ihnen zu entscheidende, kleine Rechtsstreitigkeiten verboten sei. Mithin bemühten sie sich, den Parteien ein einleitendes Conciliationsverfahren (préliminaire de conciliation) auch hier aufzuerlegen, zumal in diesen kleinen Angelegenheiten ihr vermittelndes Tätigwerden viel Erfolg versprechender war als in den großen Prozessen124. Dieses Vorgehen setzte sich durch; die Parteien machten es sich zur Gewohnheit, auch bei den kleinen Prozessen eine conciliation durchzuführen. Die Ergebnisse waren so zufriedenstellend, dass der Gesetzgeber diese Übung rechtlich verankerte. Im Jahre 1838 wurde die einleitende conciliation für die Rechtssachen, die im Rahmen der streitigen Gerichtsbarkeit in die Zuständigkeit des Bezirksrichters fielen, als fakultatives Verfahren eingeführt125; 1855 wurde sie dann zwingend vorgeschrieben126 – die „petite“ conciliation (die „kleine“ conciliation) war „offiziell“ geboren. Sie stärkte die conciliatorische Funktion des juge de paix und stellte seine richterliche Funktion in den Schatten127. Ab 1855 war mithin die Situation vor den justices de paix und vor den tribunaux de première instance identisch – in beiden Fällen musste zunächst vor dem juge de paix die conciliation versucht werden128.
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Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 36–38. Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (72); Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 40. 125 Art. 17 Gesetz vom 25. Mai 1838; Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (73); Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 40. 126 Gesetz vom 2. Mai 1855; Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (73); Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 40. 127 Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (73). 128 Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 41. 124
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ee) Entfernung des juge de paix von den Rechtsuchenden Im Laufe der Zeit stellten sich der Nähe, die der juge de paix in materieller wie in psychologischer Hinsicht vermittelte, aus verschiedenen Gründen Hindernisse in den Weg. (1) Entfernung in materieller Hinsicht Bedingt durch die Entwicklungen der Zeit entfernten sich Richter und Partei materiell immer mehr voneinander; insbesondere stellte sich eine dreifache Barriere zwischen sie: zunächst die der räumlichen und zeitlichen Entfernung, dann die der Vertretung und des Beistandes der Parteien und zuletzt die einer immer komplexer werdenden Verwaltungsorganisation129. (a) Räumliche und zeitliche Entfernung Nach und nach wurde trotz anfänglicher lebhafter und zunächst erfolgreicher Widerstände die Zahl der juges de paix reduziert und damit zwangsläufig deren jeweilige Amtsbezirke vergrößert. Dieses System wurde unter dem Druck vor allem der finanziellen Notwendigkeiten durch ein Gesetz von 1901 eingeführt130. Im Jahre 1953 wurde die Möglichkeit weiterer Zusammenlegungen in demselben Amtsbezirk einer Cour (eines Gerichtshofs) vorgesehen131; dieses Vorhaben setzte die Reform von 1958 vollständig um, indem sie bis zu zwanzig Bezirke der Gerichtsbarkeit bestimmter tribunaux d’instance – den Erben der juges de paix – unterstellte132. Zur Verdeutlichung dieses massiven Rückgangs sollen hier einige Zahlen genannt werden: Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gab es 3000 juges de paix, im Jahre 1905 waren es 2802, 1944 nur noch 1388 und im Jahre 1958 gar nur 455133. Damit zwangsläufig verbunden war der Verlust des direkten Kontakts zwischen Richter und Partei. Ein Rechtsuchender, der auf dem Land lebte, zögerte eher, die lange und kostspielige Reise bis zum Sitz des tribunal d’instance auf sich zu nehmen, als wenn der Richter vor Ort war. Um diesem Problem zu begegnen, wurde den Richtern zwar durch ein Gesetz von 1896 erlaubt, an be129
Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (65). Gesetz vom 25. Februar 1901, portant fixation du budget général, Art. 41; Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (65 f.). 131 Dekret nº 53-1016 vom 16. Oktober 1953, Art. 11, D. 1953, lég., 434 (435); Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (66). 132 Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (66); Estoup, Gaz. Pal. 1990, doctr., 614 (615). 133 Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (66). 130
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stimmten Tagen in anderen Kommunen als an denen ihres Sitzes Gericht zu halten – die sogenannten audiences foraines; jedoch war dieser Versuch der Abhilfe angesichts der nur unregelmäßigen Anwesenheit des Richters ein unvollkommenes Mittel134. Auch die zeitliche Allgegenwart des juge de paix verlor an praktischer Bedeutung. Denn die Inanspruchnahme dieses Bereitschaftsdienstes (permanence) setzte voraus, dass die Parteien den Namen, zumindest aber den persönlichen Wohnsitz ihres Richters kannten, wenn sie sich an einem Sonn- oder Feiertag an ihn wenden wollten. Dies war jedoch im Laufe der Zeit bei den meisten Rechtsuchenden nicht mehr der Fall. Überdies wurde das tribunal d’instance, das den juge de paix ersetzte, 1959 durch ein Dekret dem System der Gerichtsferien, das bis dato nur für die ordentliche Gerichtsbarkeit und die Cour de cassation galt, unterworfen135. (b) Vertretung und Beistand Auch das ursprünglich erlassene Verbot der Vertretung und des Beistandes hielt sich nicht; rechtlich wie tatsächlich wurden immer mehr Ausnahmen davon gemacht, was seinerseits zur Entfernung von Richter und Rechtsuchendem beitrug. Im Jahre 1838 wurde das Verbot der Prozessvertretung auf die huissiers (die Gerichtsdiener) beschränkt136. Immer häufiger stellten sich mithin zwischen den juge de paix und die Partei Beauftragte, Prozessvertreter, avocats (Rechtsanwälte), avoués (Vertreter in den Schriftsätzen), die den Parteien beistanden oder sie vertraten. Auch der Gesetzgeber erkannte diese Situation und erleichterte denjenigen die Fürsprache, die ihm des Vertrauens der Parteien am würdigsten erschienen; er räumte nämlich den avoués und den avocats ein Monopol ein. Im Laufe der Zeit nahm die Begleitung vor Gericht immer mehr zu137. (c) Komplexe Verwaltungsorganisation Zuletzt war es die Tatsache, dass sich die Parteien nur noch einem Justizapparat und einer entpersönlichten Verwaltung gegenübersahen, die für die Entfremdung sorgte. Man hatte nicht mehr die menschlichen Kontakte, die für die Gründer der justice de paix wesentlich waren. Der juge de paix war verpflichtet, an offiziellen Örtlichkeiten zu tagen, sich von greffier (Gerichtskanzler) und 134 Cadiet, Droit judiciaire privé, 3. Aufl., nº 201; Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (66 f.); Estoup, Gaz. Pal. 1990, doctr., 614 (615). 135 Dekret vom 11. September 1959, nº 59-1078; Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (67). 136 Art. 18 Gesetz vom 25. Mai 1838; Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (68); Solus/Perrot, Droit judiciaire privé, t. 1, nº 1108. 137 Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (68).
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huissier (Gerichtsdiener) unterstützen zu lassen. Um ihn herum richtete sich immer zahlreicheres Personal ein, die Organisation wurde immer komplexer, die Verwaltungen immer strukturierter. Die Reform von 1958, die einige tribunaux d’instance mit komplexen Verwaltungsapparaten mit Zweigstelle ausstattete, verstärkte diese Tendenz138. Seit 1959 steht die Partei nicht mehr einem Richter, einer individualisierten Person, gegenüber, sondern einem Gericht, dem tribunal d’instance – einer entpersönlichten Behörde mit einer internen, mehr oder weniger entwickelten und unter der Leitung des juge directeur (des mit Verwaltungsaufgaben betrauten französischen Großinstanzrichters) angesiedelten Struktur139. (2) Entfernung in psychologischer Hinsicht Auch in psychologischer Hinsicht hat die Nähe zwischen Richter und Rechtsuchendem schrittweise abgenommen. Der juge de paix begann, sich äußerlich – erst durch das obligatorische Tragen von Symbolen140, dann der Robe141 – von den Bürgern zu unterscheiden, seine Eigenschaft als conciliateur trat hinter dem Richter-Sein (magistrat) zurück und er ließ sich bei seinen Entscheidungen weniger von Billigkeitserwägungen als vom Gesetz leiten. Der juge de paix teilte mit seinen Bürgern nicht mehr die Unkenntnis in juristischen Dingen. Mit der Zeit wurde nämlich die Kenntnis des immer fundierteren Rechts gefordert, die auch überprüft wurde. Im Jahre 1918 wurde eine fachliche Eignungsprüfung (examen professionnel) eingeführt; 1926 wurde den Kandidaten die licence en droit (die juristische Staatsprüfung) abverlangt; die Reform von 1958 unterwarf sie schließlich denselben Bedingungen der Fachausbildung und des Vorbereitungsdienstes wie die anderen magistrats (Berufsrichter). Der juge de paix, der den Rechtsuchenden nunmehr durch sein juristisches Wissen überlegen war, wurde nun nicht mehr durch Volkswahl, sondern durch Regierungsernennung eingesetzt. Er ist seit dieser Zeit Beamter, zunächst auf Zeit, dann – während der Restauration142 – auf Lebenszeit ernannt. War er – im Gegensatz zu den 138
Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (69). Art. 3 Dekret nº 58-1281 vom 22. Dezember 1958; Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (70). 140 Der juge de paix trägt auf der linken Seite seiner Amtskleidung ein ovales Stoffmedaillon mit blauem Grund und roter Umrandung mit den Worten „la Loi et la Paix“ („das Gesetz und der Frieden“) in weißen Buchstaben. An der Brust hat er einen metallenen Olivenzweig, der mit einem weißen, leicht blau und rot gepaspelten Band aufgehängt ist. In der Hand trägt er einen großen weißen Stab, der mit einem Apfel aus Elfenbein mit einem schwarzen Auge versehen ist; dieser symbolisiert die Wahrheit. Catalan, Institutions préventives, S. 132. Dies wurde eingeführt unter dem Directoire (26. Oktober 1795 [= 4 brumaire, an IV] – 9. November 1799 [= 18 brumaire, an VIII]); Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (71). 141 Le 2 nivôse, an XI (= 23. Dezember 1802); Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (71). 139
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anderen magistrats – zunächst noch absetzbar, gab ihm das Gesetz von 1905 berufliche Garantien gegen die Willkür, und die Verfassung von 1946 räumte ihm schließlich die Unabsetzbarkeit ein, die bis dahin nur den Mitgliedern der Gerichtshöfe der cours und der tribunaux vorbehalten war143. e) Versuch der Stärkung der obligatorischen „grande“ conciliation Im Jahre 1935 versuchte man durch das Dekret-Gesetz vom 30. Oktober 1935, das die Art. 49, 53 und 58 bis des Code de procédure civile änderte, den obligatorischen Charakter der einleitenden conciliation zu stärken, indem die Hürden für eine Befreiung von der vorangehenden conciliation erhöht wurden. Allerdings lockerte bereits das Gesetz vom 4. März 1938 das Erfordernis ernsthafter Begründungen der Dringlichkeit, um von der einleitenden conciliation befreit zu werden, und leitete damit die Wendung zur fakultativen conciliation ein144. 2. Die Wende im Jahre 1949 Nachdem die juges de paix seit Beginn des 19. Jahrhunderts rege von ihrer vermittelnden Aufgabe Gebrauch gemacht hatten145, ebbte diese Tätigkeit im 20. Jahrhundert ab. Die erzielten Ergebnisse erfüllten die Erwartungen nicht. Während im Jahre 1879 noch 13.028 von 38.215 dem Conciliationsversuch unterstellten Rechtssachen, also etwas mehr als ein Drittel, durch eine Vereinbarung beendet wurden, wurde im Jahre 1894 überhaupt nur noch in 28.252 Fällen und 1905 gar nur in 17.157 Rechtsangelegenheiten die conciliation versucht146. 142 Gemeint ist wohl die Restauration der Bourbonen in Frankreich zwischen 1814/ 15 und 1830. 143 Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (71). 144 Hébraud, D. 1949, lég., 269 (269); Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160 nº 45 f. 145 Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (72). 146 Vergleicht man die streitige Aktivität der justices de paix mit der conciliatorischen, so kommt man zu dem Ergebnis, dass Erstere um 1840 auf ihrem Höhepunkt war, als 27 Rechtssachen pro 1000 Einwohner gezählt wurden. Bis 1950 verringerte sich dies beträchtlich, und zwar auf vier Rechtssachen pro 1000 Einwohner. Was die conciliatorische Tätigkeit betrifft, so war diese in der Mitte des 19. Jahrhunderts stark und erreichte ihren Höhepunkt zwischen 1860 und 1870, wo man zwanzig Conciliationsversuche pro Woche und pro Richter zählte. Im 20. Jahrhundert hingegen erfolgte ein starker Rückgang auf diesem Gebiet, der auf der sozialen und städtischen Entwicklung begründet war. Hier muss man unterscheiden zwischen den Conciliationsversuchen außerhalb einer Verhandlung, die nur durch eine Ladung zum Conciliationsversuch vollzogen wurden, und Versuchen, die in der Verhandlung nach Ladung des Gerichtsvollziehers unternommen wurden. Zunächst nahmen die Ersten rasch zu, und es wurden zwischen 1866 und 1870 etwa vier Millionen dieser Ladungen zum Concilia-
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Eine Wendung erfolgte 1949. Im Gesetz nº 49-178 vom 9. Februar 1949147 wurde der Niedergang der conciliation ausdrücklich verankert, indem es die Art. 48 bis 58 C. proc. civ. aufhob und damit die „große“ conciliation – nicht zuletzt wegen ihrer schlechten Ergebnisse – abschaffte. Gleichzeitig verschwand damit der mit „de la conciliation“ überschriebene Erste Titel des Zweiten Buches des Code. Nicht in Erwägung gezogen wurde die Möglichkeit, die „grande“ conciliation als fakultativ beizubehalten. Ihr Misserfolg wurde damit erklärt, dass der juge de paix schlecht eingesetzt gewesen sei, um Parteien zu conciliieren, über die er nicht die Gerichtsbarkeit ausübte, während dies in den Angelegenheiten seiner eigenen Zuständigkeit besser gelänge. Auch die Möglichkeit, wegen Dringlichkeit kurzfristig zu laden148, und die zahlreichen Befreiungen149 machten die conciliation ineffizient, auch wenn im Jahr 1948 immerhin noch 9.746 von 30.661 Fällen zu einer conciliation geführt haben150. Auf der anderen Seite änderte dieses Gesetz von 1949 Art. 80 Abs. 4 C. proc. civ. insofern, als es den mit der Verfolgung des Verfahrens betrauten Richter ermächtigte, in jeder Phase des Prozesses zu versuchen, die conciliation der Parteien zu erreichen; ab Eröffnung der Hauptverhandlung kam diese Rolle dem Gericht als Spruchkammer zu. Der Conciliationsversuch stellte ab diesem Zeitpunkt nicht mehr ein vorangehendes Verfahren (préalable) dar, sondern war in das Verfahren in Form einer dem Richter eingeräumten Befugnis integriert151. Eine Änderung und Vervollständigung des Art. 80 Abs. 4 erfolgte dann durch das Dekret vom 22. Dezember 1958152, wonach sich die conciliation als ein Element des persönlichen Erscheinens und der Anhörung der Parteien darstellte. Es ist danach die Befugnis des Richters, die Parteien zu hören und, wenn möglich, dementsprechend eine conciliation herbeizuführen, wobei diese Befugnis ab Eröffnung der Verhandlung Sache des Gerichts in der Spruchkammer ist. In allen Fällen sollte das von der conciliation aufgenomtionsversuch erreicht, die in drei Viertel der Fälle zu einem positiven Ergebnis führten. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts jedoch ist die Zahl wieder auf 1.200.000 Ladungen zum Conciliationsversuch gefallen, ohne dass dieser Rückgang jedoch dem anderen Conciliationstyp geholfen hätte. Beide Arten von conciliation sind mithin zurückgegangen, wenn auch nicht auf gleiche Weise; denn die Praktiken variierten sehr je nach den geographischen Regionen. Siehe hierzu: Petit, La justice de paix, , insbes. S. 4; Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 42 f. 147 Abgedruckt in D. 1949, lég., 127. 148 Citer à bref délai en raison de l’urgence; Art. 6 C. proc. civ. 149 Art. 49 C. proc. civ. 150 Cornu/Foyer, Procédure civile, 1958, S. 170; Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (73); Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 42, 47 ff. 151 Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 51. 152 Dekret nº 58-1289 vom 22. Dezember 1958, abgedruckt in D. 1959, lég., 45 (45).
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mene Protokoll vollstreckbar sein153. Diese Befugnis, von der conciliation im Laufe des Verfahrens Gebrauch zu machen, wurde 1965154 auch dem juge de la mise en état in Art. 81-3 C. proc. civ. zugebilligt155. Die conciliation hatte sich also zu einer dem Richter eingeräumten Ermächtigung gewandelt156. Der Rückgang der „kleinen“ conciliation liegt nicht in der normativen, sondern in der tatsächlichen Entwicklung begründet. Sie ist – nach ihrer lange gezeigten Wirksamkeit157 – sehr geschwächt aus der Justizreform von 1958 herausgegangen. Zwar sind die betreffenden Gesetzestexte unberührt geblieben, jedoch hat sich die Konzentration des Justizapparates in den Städten bei dieser Institution bemerkbar gemacht. Die Urbanisierung der „petite“ conciliation selbst zog eine Veränderung nach sich; denn der Conciliationsgeist, die Annahme von Mäßigungsratschlägen des Richters waren Gepflogenheiten des Landes, nicht der Städte – wie es die Erfahrung schon im 19. Jahrhundert gezeigt hatte. Auch aufgrund des nunmehr auf sich zu nehmenden Weges in die Stadt, verzichtete ein Großteil der Rechtsuchenden vom Land seinerseits darauf, sich der vermittelnden Stimme des Richters anzuvertrauen158. Die Hauptfunktion des juge de paix war von da an die richterliche, nicht mehr wie früher die als conciliateur159. Auch bei seinen Entscheidungen sprach der juge de paix immer mehr Recht und ließ sich immer weniger von Billigkeit leiten; er entschied nicht mehr wie ein amiable compositeur, der durch billiges Ermessen die Strenge des Rechts milderte, sondern orientierte sich zunehmend an den geschriebenen Normen160. Dies hing zum einen damit zusammen, dass die Zuständigkeit des juge de paix durch immer zahlreichere Gesetze permanent ausgeweitet wurde, so dass er über Streitigkeiten zu entscheiden hatte, deren Lösung immer delikater und von technischen Regeln beherrscht wurde. Daneben trug auch seine juristische Ausbildung zur verstärkten Anwendung der Gesetze bei161. Zum anderen wurde schließlich auch der juge de paix der Kontrolle der Cour de cassation unterwor-
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Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 52. Dekret nº 65-872 vom 13. Oktober 1965. 155 Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 53. 156 Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 54. 157 Siehe hierzu die Statistiken, abgedruckt in Cornu/Foyer, Procédure civile, 1958, S. 174; Eisenzimmer, Justice de paix, S. 247 f.; Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (73). 158 Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (73). 159 Cornu/Foyer, Procédure civile, 1958, S. 170 ff. (siehe hier insbes. auch zu den einzelnen Zuständigkeiten des juge de paix); Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (74); Estoup, Gaz. Pal. 1990, doctr., 614 (615). 160 Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (74, 76). 161 Cornu/Foyer, Procédure civile, 1958, S. 172; Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (74 f.); Estoup, Gaz. Pal. 1990, doctr., 614 (615). 154
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fen, nachdem einige Bezirksrichter ihre bis dato privilegierte, da von Kontrolle durch die Cour de cassation freie Stellung missbraucht hatten, indem sie ihre Entscheidungen nicht nur unter Missachtung der Gesetze des Privatrechts, sondern auch des öffentlichen Rechts gefällt hatten. Beispielsweise beachteten sie weder die Zuständigkeitsregeln im Rahmen der ordentlichen Gerichtsbarkeit noch die Gewaltenteilung. So maßte sich ein juge de paix die Befugnis an, Regelungen zu erlassen162. Der Gesetzgeber legte daher fest, dass, wenn für die Parteien das Prinzip des Verbots, gegen die letztinstanzlichen Urteile der juges de paix Revision einzulegen, beibehalten werde, der Generalstaatsanwalt (procureur général) an der Cour de cassation dafür dieses Rechtsmittel einlegen könne, wenn das Handeln des juge de paix mit Kompetenzüberschreitung behaftet sei. Dies war dann der Fall, wenn es eine Einmischung in den Bereichen, die der Zuständigkeit der legislativen und die der exekutiven Gewalt unterlagen, gegeben hatte163. Mit der grundlegenden Reform vom 22. Dezember 1915164 wurde geregelt, dass die von den juges de paix gefällten Urteile bei Kompetenzüberschreitung und Gesetzesverletzung mit dem Rechtsmittel der Revision angegriffen werden können165. Die justice de paix stieg von nun an auf die Ebene der anderen Gerichtsbarkeiten auf; sie fügte sich in eine strukturiertere und zusammenhängendere Gerichtsverfassung ein, entfernte sich damit jedoch gleichzeitig von den Rechtsuchenden166. 3. Die Justizreform von 1958 An dieser Stelle sollen einige Worte zu der schon mehrfach erwähnten großen Justizreform vom 22. Dezember 1958167 gesagt werden. Ein wesentliches Merkmal der Reform war die Einführung der tribunaux d’instance. Sie ersetzten die alte justice de paix, wobei der juge de paix wiederentdeckt wurde und gestärkt aus der Reform hervorging. Seine Eigenschaften als Einzelrichter (juge unique) sowie als Richter eines vereinfachten Verfahrens wurden bestätigt und verstärkt168. Die Befugnisse des juge d’instance wurden durch die Reform beträchtlich gesteigert, seine Zuständigkeit wurde ausgeweitet. Faktisch waren der juge de 162
Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (75, Fn. 56). Le 27 ventôse, an VIII (= 18. März 1800) (Art. 77 und 80), dann am 25. Mai 1838 (Art. 15); Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (75). 164 Diese änderte Art. 15 des Gesetzes vom 25. Mai 1838. 165 Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (76). 166 Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (76). 167 Ordonnance nº 58-1273 vom 22.12.1958. 168 Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (76 f.). 163
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paix und sein Nachfolger – der juge d’instance – die Richter aller kleinen Zivilprozesse. In der Gegenüberstellung des tribunal d’instance mit dem tribunal de grande instance ist festzustellen, dass sich die beiden Gerichtsbarkeiten einander annäherten. Zum einen war nun das gerichtliche Personal dasselbe: die magistrats gehörten derselben Laufbahngruppe an und waren den gleichen Einstellungsvoraussetzungen unterworfen – Ernennung und Beförderung. Die auxiliaires de la justice169 waren ebenfalls dieselben. Auch das Material, die Örtlichkeiten waren gleich. Zum anderen waren die beiden Gerichtsbarkeiten gleich organisiert: Es handelte sich um zwei Gerichtsbarkeiten ersten Grades auf derselben Stufe, gegen die derselbe Berufungs- und der Revisionsweg offen stand170. Bei der Umwandlung der justice de paix in die tribunaux d’instance behielt die Reform von 1958 die Einfachheit des Verfahrens bei – es sollte sicher und schnell sein. Eine Vereinfachung erfolgte beispielsweise dadurch, dass der Richter ohne jede Form durch freiwilliges Erscheinen (comparution volontaire) angerufen werden konnte171. Auch galt, dass der juge de paix bzw. der juge d’instance, sobald ein neues besonderes Verfahren schneller und einfacher war als das vor seiner Gerichtsbarkeit, dieses auch ohne gesetzliche Regelung anwenden konnte172. Die Justizreform von 1958 brachte zusammengefasst also den Einzelrichter mit immer umfassenderer Kompetenz sowie einen Richter eines von den Hindernissen der Formalia und Fristen so weit wie möglich befreiten Verfahrens. Die Person des juge de paix wurde damit fortgeführt173. 4. Die Regelung von 1973 Eine weitere wichtige Etappe wurde 1973 eingeleitet, als das Dekret vom 17. Dezember 1973, das im Wesentlichen der Beweisaufnahme gewidmet war, durch seinen Art. 178 den ersten Teil des Dekrets vom 9. September 1971174 – dieses hatte die allgemeinen Verfahrensgrundsätze (principes directeurs du procès) des Zivilprozesses eingeführt – änderte und diesem die Art. 19-I und 19-II hinzufügte175. Danach konnte der Richter die Parteien immer hören. Außerdem wurde es als seine Aufgabe festgeschrieben, sie zu conciliieren. Gleichzeitig 169 Alle an der Rechtspflege beteiligten Personen (außer Richtern und Staatsanwälten, doch inklusive Anwälten, Notaren und Gerichtsvollziehern). 170 Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (77–86). 171 Art. 7 C. proc. civ. von 1958. 172 Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (87 ff.). 173 Delmas Saint-Hilaire, Mélanges Laborde-Lacoste, S. 63 (89). 174 Dekret nº 71-740 vom 09.09.1971. 175 Hierdurch wurde der erste Teil des Dekrets vom 9. September 1971 geändert.
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wurde für die conciliation ein eigener Absatz, der die Vorschrift des Art. 19-II enthielt, geschaffen; die conciliation fand somit Eingang in die einleitenden Bestimmungen des Code sowie in die allgemeinen Verfahrensgrundsätze176. Die eigentliche Neuerung, die dieses Dekret mit sich brachte, war also die Integrierung der conciliation in die Verfahrensgrundsätze, während der inhaltliche Gehalt bereits vorher bestand. Der Nouveau Code de procédure civile wurde dann durch das Dekret vom 5. Dezember 1975177 eingeführt und trat am 1. Januar 1976 in Kraft. Hinsichtlich der conciliation beschränkte sich das Dekret darauf, die Nummerierung des sie betreffenden Artikels zu ändern; Art. 19-II des Dekrets vom 17. Dezember 1973 wurde zu Art. 21 des Nouveau Code de procédure civile. Der mit „La conciliation“ überschriebene Abschnitt VIII des ersten Kapitels über die allgemeinen Verfahrensgrundsätze ist ausschließlich dem Art. 21 gewidmet178. Neben Art. 21 wurde in dem Teil des Nouveau Code, der die gemeinsamen Bestimmungen für alle Gerichtsbarkeiten enthält, ein der conciliation gewidmeter sechster Titel eingeführt; dieser enthält die Art. 127 bis 131179. Daneben brachte der Nouveau Code de procédure civile in dem Teil, der den für jede Gerichtsbarkeit besonderen Bestimmungen gewidmet ist, wichtige Änderungen für das Verfahren vor dem tribunal d’instance. Wie bereits dargelegt, hatte das Gesetz vom 9. Februar 1949 die „petite“ conciliation nicht geändert. Das einleitende Conciliationsverfahren (préliminaire de conciliation) war also vor dem tribunal d’instance obligatorisch geblieben; Art. 17 des Gesetzes vom 25. Mai 1838, geändert durch das Gesetz vom 2. Mai 1855, blieb weiterhin anwendbar. Der Nouveau Code de procédure civile brachte dann einen wirklichen Umschwung. In seinem Art. 829 stellte er deutlich das Prinzip auf, nach dem die Klage von nun an zu allen Zwecken (à toutes fins) erhoben wird, das heißt zwecks conciliation und notfalls mit dem Ziel eines Urteils. Die tentative préalable de conciliation vor der Ladung wurde somit eine einfache Befugnis für den Kläger. Die vorhergehende und obligatorische Phase der conciliation verschwand also sogar vor dem tribunal d’instance. Diese Entwicklung erscheint wie eine Rückblende – wenn wir uns erinnern, hatte zwischen 1838 und 1855 die fakultative, einleitende conciliation existiert – und ist sicher eine logi176 Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 56. Hingegen erwähnte das Dekret vom 9. September 1971 die conciliation in der Aufzählung der allgemeinen Verfahrensgrundsätze noch in keiner Weise. Die Regelungen dieses vor dem tribunal de grande instance anwendbaren Dekrets enthielten in Art. 38 lediglich die Möglichkeit für den juge de la mise en état, „gegebenenfalls“ die conciliation durch ein vollstreckbares Protokoll festzustellen. Siehe hierzu Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 55. 177 Dekret nº 75-1123 vom 05.12.1975. 178 Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 57. 179 Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 58 f.
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sche Folge der durch das Gesetz von 1949 gekennzeichneten Wende. Heute ist die tentative de conciliation vor dem tribunal d’instance untrennbar mit dem Prozess verbunden, es sei denn, der Kläger wünscht, daraus ein vorausgehendes Verfahren – un préalable – zu machen180. Die Entwicklung wird durchaus als noch nicht abgeschlossen betrachtet. Beispielsweise wäre vor dem tribunal d’instance eine Verschmelzung des vorangehenden Conciliationsversuchs nach Belieben des Klägers mit der Ladung, die zurzeit „à toutes fins“ („zu allen Zwecken“) genannt wird, vorstellbar. Auch sind in dieser Hinsicht Veränderungen der Verfahren vor dem conseil de prud’hommes und vor dem tribunal paritaire de baux ruraux denkbar181. Festzuhalten ist, dass die tentative de conciliation nach und nach im Verfahren aufgeht182. 5. Einführung der conciliateurs im Jahre 1978 Zu erwähnen ist an dieser Stelle die Einführung der conciliateurs im Jahre 1978. Der juge de paix hatte nämlich eine Lücke hinterlassen, die der ihn ersetzende juge d’instance aufgrund seiner Überlastung sowie der räumlichen Distanz zu den Rechtsuchenden nicht ausfüllen konnte. Der conciliateur sollte diese Lücke schließen. Es wurden Personen, die keine magistrats waren, als conciliateurs eingesetzt, zu denen man sich – bevor man zu Gericht ging – mit einer Rechtsstreitigkeit begeben konnte, um eine gütliche Einigung zu versuchen183. Auf sie wird an späterer Stelle ausführlicher eingegangen werden184. 6. Das Gesetz nº 95-125 vom 8. Februar 1995 Bis es allerdings zur heutigen gesetzlichen Verankerung der verfahrensintegrierten conciliation und médiation gekommen ist, war noch ein langer Weg zu beschreiten. Die Einführung dieser Verfahren in den Nouveau Code de procédure civile war keineswegs unumstritten, sondern hart umkämpft. Bereits vor der Verkündung des Gesetzes von 1995, auch schon vor den ersten Gesetzentwürfen, wurden – ohne gesetzliche Regelung – vor bestimmten Gerichten einige Erfahrungen auf diesem Gebiet gesammelt, teils spontan, teils vom Justizministerium unterstützt. Auf diese Weise haben sich bestimmte Formen der Familienmediation (médiation familiale) vor den erstinstanzlichen Ge-
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Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 60 f. So Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 62. Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 63. Perrot, Institutions judiciaires, Rn. 115. S. 68 f.
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richtsbarkeiten entwickelt185. Andere Formen betrafen Streitigkeiten zwischen Eigentümer und Mieter186. Am 5. April 1990 wurde dann vor der Assemblée nationale187 eine Gesetzesvorlage diskutiert, jedoch sehr schnell wieder zurückgestellt188. Im Jahre 1994 nahm die Regierung den früheren Gesetzentwurf wieder auf189. Man hielt es für besser, den Einwänden, die diese Form der Streitbeilegung in Frankreich hervorrief, durch eine genaue Reglementierung Abhilfe zu schaffen, als die Augen vor attraktiven Alternativen zu verschließen190. Der Entwurf der médiation judiciaire wurde schließlich in einen umfassenden Gesetzentwurf betreffend die Gerichtsverfassung und das Zivil-, Straf- und Verwaltungsverfahren integriert191. Dieser Entwurf wurde zusammen mit zwei anderen Gesetzesvorlagen im Sénat vorgestellt192, wobei die eine die Rechtsstellung der Richter und Staatsanwälte (magistrature) ergänzte, um die Anwerbung von Laienrichtern zu bewilligen, und die andere (die Vorlage eines Haushaltsplans) die Schaffung von Arbeitsplätzen sowie der notwendigen Infrastruktur vorsah. Dieses Gesetzespaket hatte zum Ziel, die Verfahrensdauer zu verkürzen und die Qualität der Rechtspflege zu verbessern. Es wurde ein erstes Mal im Juli 1994 der Assemblée nationale, im Oktober dem Sénat unterbreitet, dann von Neuem der Assemblée nationale im November und dem Sénat im Dezember. Am 22. Dezember 1994 wurde der Entwurf betreffend die Gerichtsverfassung und das Zivil-, Straf- und Verwaltungsverfahren durch die beiden Versammlungen (assemblées) angenommen. Um die Texte über die Anordnung in Strafsachen gekürzt193, wurde er das Gesetz vom 8. Februar 1995194. 185 Beispielsweise bzgl. der elterlichen Sorge, der Scheidung, des ehelicher Unterhalts (contribution aux charges de mariage). 186 Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 69; TGI Paris (réf.), 16 nov. 1988, Gaz. Pal. 1989, jurispr., 790 ff., note Fourgoux; TGI Paris, 2 oct. 1989, JCP G 1990, II, 21518, obs. Beauchard; Trib. enfants Toulouse, 13 sept. 1988 et 2 févr. 1989, D. 1990, jurispr., 395 ff., note Garé; TGI Argentan, 23 juin 1988 et TGI La Rochelle, 17 févr. 1988, D. 1989, jurispr., 411 ff., note Lienhard. Auch vor der Strafgerichtsbarkeit wurden diese Verfahren praktiziert. 187 Nationalversammlung, erste Kammer des französischen Parlaments. 188 Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 70; Gegout, LPA, 19 juin 1989, 16 f. 189 Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 71; Desdevises, Justices 1995, nº 2, 342 (342 f.), nº 1 f. 190 Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 71; Perrot, Institutions judiciaires, Rn. 492. 191 Die Gesetzesvorlage wurde am 7. Juli 1994 von der Assemblée nationale in erster Lesung verabschiedet und im Sénat eingebracht (Doc. Sénat, 7 juill. 1994, nº 594) und am 22. November 1994 in zweiter Lesung verabschiedet (Doc. Sénat, 22 nov. 1994, nº 88); Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 72. 192 Siehe Rapp. Fauchon, Doc. Sénat, 13 oct. 1994, nº 30 und Doc. Sénat, 7 déc. 1994, nº 116. 193 Déc. Cons. const. nº 95-360 DC, 2 févr. 1995, JO 7 févr. 1995, 2097 f.
B. Regelungen zur médiation und conciliation judiciaires
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Die Vorschriften bezüglich der médiation wurden jedoch – wie aus der Umstrittenheit des Entwurfs im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens hervorgeht – nicht mit Begeisterung aufgenommen. Der Sénat demonstrierte sogar beständig seinen Widerspruch. In seinem ersten Bericht vom 13. Oktober 1994195 trug Pierre Fauchon, Vorsitzender der Gesetzeskommission im Sénat, die Position seiner Kommission vor. Darin wird die Skepsis des Sénat deutlich. Es kommt die Befürchtung zum Ausdruck, dass die Institutionalisierung der médiation und conciliation judiciaires der Entwicklung von Mediationslaboren Vorschub leiste und die Haushaltsmittel der Prozesskostenhilfe belaste. Daher beschloss die Gesetzeskommission zunächst, es bei der aktuellen Situation zu belassen. Es sei nämlich erlaubt, médiateurs oder conciliateurs anzurufen, ohne dass ein anderer Gesetzestext als Art. 21 NCPC notwenig sei. In erster Lesung weigerte sich der Sénat mithin, die médiation judiciaire zu institutionalisieren. Zwar stellte der Sénat nicht das Prinzip der médiation judiciaire selbst in Frage, jedoch war er der Ansicht, Art. 21 NCPC erlaube sie bereits und ihre legislative Verankerung erscheine unzweckmäßig und gefährlich. Man solle die Praxis sich entwickeln lassen, ohne sie jedoch zu fördern. Tatsächlich hatte die Cour de cassation selbst die Rechtsgültigkeit der médiation auf der Grundlage des Art. 21 NCPC angenommen. Die médiation, deren Gegenstand es sei, die jeweiligen Forderungen der Parteien gegenüberzustellen mit dem Ziel, zu einer vom médiateur vorgeschlagenen Einigung zu gelangen, sei eine Anwendungsmodalität des Art. 21 NCPC196. Daneben hatte auch die cour d’appel 197 von Paris schon 1987 angenommen, dass die médiation zur Aufgabe des Richters, für die Streitbeilegung auf gütlichem oder vorgeschriebenem Weg Sorge zu tragen, gehört und dabei eine Anwendungsmodalität des Art. 21 NCPC darstellt198. Nach Wiederaufnahme des Gesetzestextes durch die Assemblée nationale schlug der Sénat in zweiter Lesung erneut die Streichung der Art. 11 bis 15 des Gesetzesentwurfs bezüglich der médiation vor – während er Art. 10, der den Richter ermächtigt, einen conciliateur nach den gesetzlichen Voraussetzungen zu benennen, beibehalten wollte. Die Gesetzeskommission des Sénat beharrte darauf, in Art. 21 NCPC eine ausreichende gesetzliche Basis zu sehen, um dem Richter zu gestatten, im Laufe des Verfahrens einen médiateur zu bestimmen199.
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Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 72. Rapp. Fauchon, Doc. Sénat, 13 oct. 1994, nº 30, insbes. S. 25. 196 Cass. civ. 2e, 16 juin 1993, JCP G 1993, IV, 2116; Cadiet, JCP G 1993, I 3723, nº 3; ders., JCP G 1995, I 3846, nº 15. 197 Appellationshof, Berufungsgericht. 198 CA Paris, 17 déc. 1987, D. 1988, inf. rap., 27; CA Paris, 16 mai 1988, D. 1988, somm., 328, obs. Langlois. 199 Rapp. Fauchon, Doc. Sénat, 13 oct. 1994, nº 30, S. 25 und Doc. Sénat, 7 déc. 1994, nº 116, S. 19; Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 73. 195
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Die Einigung vollzog sich auch nicht während des paritätischen Vermittlungsausschusses (commission mixte paritaire)200, der damit betraut war, einen Gesetzestext über die in Diskussion stehenden Bestimmungen vorzuschlagen201. Auch hier schlug der médiation großes Misstrauen entgegen und sie wurde sogar als „Mechanismus, die Verfahren zu verlängern und die Justiz teurer zu machen“202, bezeichnet. Der im Namen des paritätischen Vermittlungsausschusses verfasste Bericht über diese Frage endete wie folgt: „Obwohl mit gleicher Stimmenverteilung die vom Sénat beschlossene Streichung der Artikel 10 bis 15, dann die Texte der Assemblée nationale für dieselben Artikel abgelehnt wurde, hat der paritätische Vermittlungsausschuss indessen entschieden, seine Arbeiten fortzusetzen.“ Die Assemblée nationale setzte sich schließlich durch. Am 22. Dezember 1994 wurden die Art. 10 bis 15 verabschiedet. Sie wurden die Art. 21 bis 26 des Gesetzes vom 8. Februar 1995203. Zusammenfassend ist also festzuhalten, dass die médiation bzw. conciliation judiciaires in der Praxis bereits früher durchgeführt wurde, sie durch das Gesetz von 1995 nun ein gesetzliches Fundament und einen klaren Rahmen erhalten hat und dadurch einen neuen Aufschwung erleben kann. 7. Zwischenfazit Man kann sich nun fragen, wie es zu dieser wellenartigen Entwicklung der conciliation/médiation kommt. Der juge de paix war zunächst ein von seinen Mitbürgern gewählter Bürger, bei denen er in hohem Ansehen stand; er war der Mann vom Land, der „Richter-Bürger“ und wurde zum Mann des Gesetzes, zum einen durch die Regelungen bezüglich seiner Einstellung, zum anderen aufgrund der Ausweitung seiner Kompetenz204. Nun wiederum wird der Ruf laut nach einem Dritten, der nicht wie der Richter streng nach den Gesetzen, sondern auf gütlichem Weg den Streit löst. Zunächst fällt in dieser Entwicklung auf, dass sich das schlichtende Element von der Revolution an bis heute durchzieht. Zwar trat es mal mehr, mal weniger in den Vordergrund, jedoch ist eine Linie zu erkennen. Die Beilegung von Streitigkeiten auf gütlichem Weg scheint eine basisdemokratische Wurzel zu haben. Diese Idee entstand in Frankreich in der Wirrnis der 200 Französischer paritätischer Vermittlungsausschuss zwischen Senat und Nationalversammlung. 201 Rapp. Porcher/Fauchon, Doc. AN nº 1829 et Sénat nº 180, 20 déc. 1994. 202 So Sénateur Jacques Larché, Rapp. Porcher/Fauchon, Doc. AN nº 1829 et Sénat nº 180, 20 déc. 1994, S. 5. 203 Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 74. 204 Cornu/Foyer, Procédure civile, 1958, S. 173.
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Revolution. Zu dieser Zeit wurde jede Technizität und Professionalität im Recht abgelehnt, da es „von oben“ her kam und man sich gerade dagegen auflehnte. Mit der französischen Revolution begehrte das französische Volk gegen die absolutistische Obrigkeit und deren Gesetze auf. Man hatte kein Vertrauen in die vom Monarchen erlassenen Gesetze, über denen er selbst stand. Daher lag es nahe, dass die Bürger ihre Streitigkeiten von einem der Ihren gelöst haben wollten. Die Entwicklung der juges de paix scheint somit konsequent. Mit der Schaffung des Code civil durch Napoléon I. im Jahre 1804, der den Errungenschaften der Revolution – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – Rechnung trug und persönliche Freiheit, Rechtsgleichheit, privates Eigentum, ZivilEhe und Ehescheidung garantierte, begannen die Bürger – langsam – wieder Vertrauen in den Staat zu fassen. Sie merkten, dass dieses Gesetz ihnen auch Rechte vermittelte. Es schien also nicht mehr so dringend erforderlich, außerhalb der Gesetze nach einer Lösung für einen Rechtsstreit zu suchen. Man begab sich mit seinen Streitigkeiten vielmehr immer öfter in die Hand der Justiz und erhielt dort ein Urteil. Heute wiederum ist ein Trend hin zum Individualismus zu beobachten. Der Rechtsuchende gibt sich nicht mehr damit zufrieden, dass sein konkreter Fall mithilfe der abstrakten Gesetze von staatlicher Seite gelöst wird; vielmehr sucht er nach einer für seinen Fall maßgeschneiderten Lösung. Es lässt sich somit eine Entwicklung feststellen von der Individualisierung auf die Person dessen, der einen Streit schlichten soll – dessen Funktion früher der juge de paix erfüllt hat –, bis hin zu einer Individualisierung auf die Person der Rechtsuchenden – bei der es darauf ankommt, was der Einzelne möchte bzw. erstrebt. Zu Beginn wandte sich der Rechtsuchende an den juge de paix, der außerhalb des Rechts eine Lösung nach Billigkeit fand – sei es in Form eines Urteils, sei es in Form einer conciliation205. Nun ist grundsätzlich der Richter dafür zuständig, bei einer Streitigkeit eine Lösung zu finden, und zwar innerhalb des Rechts. Jedoch kann sich der Rechtsuchende auch zu einem médiateur/conciliateur begeben, der dann auf seine individuellen Bedürfnisse eingehen kann und eingeht. Nicht zuletzt spiegelt sich dieses Bedürfnis nach Individualität, Nähe und Deregulierung deutlich in der Schaffung der juridiction de proximité wider – es handelt sich dabei um eine Art Renaissance des juge de paix206. Eine Prognose für die Zukunft bleibt der abschließenden Würdigung dieser Arbeit vorbehalten207. 205 Aus diesem Grund handelt es sich bei dem juge de paix nicht um einen médiateur im heutigen Sinne, denn dieser sprach auch Recht, das bindend war. 206 Vgl. auch Perrot, Institutions judiciaires, Rn. 115. 207 Siehe unten S. 234 ff., insbes. S. 244.
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III. Einzelheiten Im Folgenden sollen nun die Vorschriften im Einzelnen vorgestellt werden. Hierbei wird zunächst auf die médiation eingegangen, da diese allgemein für alle Verfahren gilt (1.). Im Anschluss werden die Besonderheiten des Conciliationsverfahrens vor dem tribunal d’instance herausgearbeitet (2.). 1. Die médiation judiciaire Wie bereits erwähnt, hat das Dekret nº 96-652 vom 22.07.1996 das die médiation judiciaire einführende Gesetz nº 95-125 vom 08.02.1995 umgesetzt und die médiation in den Art. 131-1 bis 131-15 NCPC in den Nouveau code de procédure civile integriert. a) Beginn und Ablauf der médiation Gemäß Art. 131-1 NCPC hat der angerufene Richter die Möglichkeit, – mit Zustimmung der Parteien – das Verfahren zum Ruhen zu bringen und die Sache an eine von ihm bestimmte dritte Person zu verweisen, die versucht, mit den Parteien außerhalb des Gerichts eine Konfliktlösung zu finden. Hierzu soll dieser Dritte – der médiateur – die Parteien anhören, ihnen die Standpunkte der jeweils anderen Partei klarmachen und ihnen dadurch ermöglichen, sich in ihrem Rechtsstreit gütlich zu einigen. Hervorzuheben ist, dass dieses Verfahren nur im Einverständnis beider Parteien durchgeführt werden kann. Art. 131-1 Abs. 2 NCPC regelt ausdrücklich, dass die Befugnis der Verweisung an eine dritte Person zur gütlichen Konfliktregelung auch dem juge des référés208 im Laufe des Verfahrens zusteht. Die médiation kann sich auf den ganzen Prozess oder nur auf einen Teil beziehen (Art. 131-2 Abs. 1 NCPC). Jedoch wird der Richter durch Inanspruchnahme dieses Verfahrens nicht unzuständig; vielmehr kann er jederzeit die ihm notwendig erscheinenden Maßnahmen ergreifen (Art. 131-2 Abs. 2 NCPC). Für die Dauer des Médiationsverfahrens sieht Art. 131-3 NCPC drei Monate vor, wobei eine einmalige Verlängerungsmöglichkeit – um dieselbe Zeitspanne – besteht. b) Person des médiateur Art. 131-4 und 131-5 NCPC enthalten Regelungen zur Person des médiateur. Danach kann die médiation einer natürlichen Person oder einer Personenvereinigung (association) anvertraut werden. Wird eine Personenvereinigung beauf208
Der Richter, der im beschleunigten und vereinfachten Verfahren urteilt.
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tragt, nennt ihr gesetzlicher Vertreter, unter Vorbehalt der richterlichen Zustimmung, den Namen der natürlichen Person(en), die innerhalb dieser Vereinigung und in ihrem Namen die Durchführung der Maßnahme gewährleisten (Art. 1314 NCPC). Die die médiation durchführende natürliche Person muss folgenden fünf Anforderungen genügen (Art. 131-5 NCPC): Zunächst darf sie nicht Gegenstand einer im Auszug nº 2 des casier judiciaire (einer Art Zentralregister)209 erwähnten Verurteilung, Geschäftsunfähigkeit oder eines Rechtsverlustes sein (nº 1). Des Weiteren darf sie nicht Taten gegen die Ehre, gegen die Redlichkeit und gegen die guten Sitten begangen haben, die zu einer Disziplinaroder einer Ordnungsstrafe der Amtsenthebung (destitution), des Ausschlusses (radiation), der Abberufung (révocation), der Zulassungsentziehung (retrait d’agrément) oder des Erlaubniswiderrufs (retrait d’autorisation) Anlass gegeben haben (nº 2). Überdies muss sie die mit Rücksicht auf die Natur des Prozesses erforderliche Qualifikation durch die gegenwärtige oder vergangene Ausübung einer Tätigkeit besitzen (nº 3). Auch muss sie, dem Fall entsprechend, eine Ausbildung oder eine der Médiationspraxis angepasste Erfahrung nachweisen (nº 4). Zuletzt müssen die zur Ausübung der médiation erforderlichen Unabhängigkeitsgarantien vorgewiesen werden (nº 5). c) Inhalt des die médiation anordnenden Beschlusses Art. 131-6 NCPC bestimmt, was in den Beschluss, der eine médiation anordnet, aufgenommen werden muss. Zunächst ist das Einverständnis der Parteien zu vermerken, der médiateur sowie die anfängliche Dauer des Auftrags zu bezeichnen. Außerdem wird bereits hier das Datum angezeigt, an dem die Sache in die mündliche Verhandlung zurückgerufen werden wird, das Gericht also wieder mit den Parteien zusammentrifft, um die Ergebnisse der médiation mit diesen zu beraten. Da die médiation entgeltlichen Charakter hat, wird ihre Durchführung von der Hinterlegung eines Vorschusses abhängig gemacht. Daher werden in dem Beschluss die Höhe des Vorschusses in Anrechung auf die Vergütung des médiateur und möglichst nahe an der tatsächlich anfallenden Entlohnung festgesetzt und die Partei bzw. die Parteien bestimmt, die den Vorschuss in der gesetzten Frist zu hinterlegen hat bzw. zu hinterlegen haben. Werden mehrere Parteien benannt, so gibt der Beschluss an, in welchem Verhältnis
209 Für natürliche Personen gibt es drei Auszüge (bulletins) des Strafregisters (casier judiciaire). Abgesehen von den darin erwähnten Straftaten etc. unterscheiden sie sich vor allem darin, wem diese Auszüge ausgehändigt werden. Während das bulletin nº 1 ausschließlich den Justizbehörden ausgehändigt wird und das bulletin nº 3 lediglich an den Betroffenen selbst, wird das bulletin nº 2 gewissen Verwaltungsdienststellen (autorités administratives) aus abschließend aufgezählten Gründen ausgehändigt, wie zum Beispiel Zugang zu einer Anstellung beim Staat (emploi public), zu bestimmten Berufen, Erlangung einer Auszeichnung (distinction honorifique).
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jede der Parteien hinterlegen muss. Fehlt es an einer Hinterlegung, ist der Beschluss unwirksam und das gerichtliche Verfahren wird weitergeführt. Nachdem der Beschluss, der den médiateur benennt, verkündet wurde, stellt die Geschäftsstelle des Gerichts den Parteien und dem médiateur gemäß Art. 131-7 NCPC davon eine Abschrift per einfachem Schreiben zu, woraufhin der médiateur dem Richter unverzüglich seine Annahme mitzuteilen hat. Sobald dieser durch die Geschäftsstelle von der Hinterlegung unterrichtet ist, muss er die Parteien einberufen. d) Befugnisse des médiateur Wie Art. 131-8 NCPC ausdrücklich bestimmt, hat der médiateur keine pouvoirs d’instruction (keine Befugnis, gerichtliche Anordnungen zu treffen), kann aber mit der Zustimmung der Parteien und zum Zwecke der médiation Dritte mit deren Einverständnis anhören. Jedoch kann er im Laufe desselben Verfahrens nicht mit der Durchführung einer Beweisaufnahme (mesure d’instruction) beauftragt werden. e) Ende der médiation Der Richter wird von der natürlichen Person, die die médiation durchführt, über die auftretenden Schwierigkeiten auf dem Laufenden gehalten (Art. 131-9 NCPC). Er hat die Möglichkeit, die médiation jederzeit zu beenden, sei es auf Antrag einer Partei, sei es auf Initiative des médiateur oder – wenn der gute Ablauf der médiation gefährdet scheint – auch von Amts wegen (Art. 131-10 Abs. 1 und 2 NCPC). In jedem Fall muss die Sache zuvor zu einem Gerichtstermin, zu dem die Parteien auf Betreiben der Geschäftsstelle per Einschreiben mit Rückschein geladen werden, zurückgerufen werden. In diesem Termin kann der Richter, wenn er den Médiationsauftrag beendet, das gerichtliche Verfahren fortsetzen. Der médiateur wird von dieser Entscheidung unterrichtet (Art. 13110 Abs. 3 und 4 NCPC). Führt der médiateur die médiation bis zum Ende durch, so informiert er dann den Richter schriftlich darüber, ob die Parteien zu einer Konfliktlösung gekommen sind oder nicht. Am festgesetzten Tag kehrt die Sache zum Richter zurück (Art. 131-11 NCPC). Hierbei ist hervorzuheben, dass diese Rückkehr unabhängig vom Ausgang des Médiationsverfahrens der Fall ist. Dies hängt damit zusammen, dass der Richter die ganze Zeit über seine Zuständigkeit nicht verliert (Art. 131-2 Abs. 2 NCPC). Im Falle einer Einigung erkennt der Richter gemäß Art. 131-12 NCPC auf Antrag der Parteien ihre Vereinbarung durch Beschluss offiziell an (homologation), wobei diese gerichtliche Anerkennung in den Zuständigkeitsbereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit fällt. Hierdurch wird der zwischen den Parteien geschlossene Vergleich zum Vollstreckungstitel. Zwar er-
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gibt sich dies nicht unmittelbar aus den Art. 131-1 ff. NCPC. Jedoch ist diese Folge in Art. 25 des Gesetzes von 1995, auf dem die Vorschriften zur médiation beruhen und der auch direkt anwendbar ist, festgelegt. f) Vergütung des médiateur Gemäß Art. 131-13 NCPC setzt der Richter am Ende des Auftrags – unabhängig von dessen Ergebnis – die Vergütung des médiateur fest, wobei die Verpflichtung zur Kostentragung der médiation entsprechend der Regelung des Art. 22 des Gesetzes nº 95-125 vom 08.02.1995 verteilt wird. Diese Vorschrift bestimmt hierzu, dass die Parteien selbst die Verteilung der Kostentragungspflicht der médiation untereinander frei festlegen. Kommt es nicht zu einer Einigung, so werden diese Kosten zu gleichen Teilen verteilt, es sei denn, der Richter hält eine solche Verteilung in Anbetracht der wirtschaftlichen Situation der Parteien für unbillig. Erhält eine der Parteien Prozesskostenhilfe, so wird die Verteilung der Kostentragungspflicht bezüglich der médiation ebenso festgesetzt; die Kosten, die der Prozesskostenhilfe empfangenden Partei obliegen, fallen dann vorbehaltlich der Bestimmungen der Art. 45 und 46 des Gesetzes nº 91-647 vom 10.07.1991 bezüglich der Prozesskostenhilfe, der Staatskasse zur Last. Der médiateur wird dabei vom Richter ermächtigt, sich bis zur geschuldeten Summe den bei der Geschäftsstelle hinterlegten Geldbetrag aushändigen zu lassen. Erforderlichenfalls ordnet der Richter unter Anzeige der die Kostenlast tragenden Partei(en) die Entrichtung der Differenzbeträge oder die Rückerstattung der hinterlegten, die Kosten übersteigenden Beträge an. Auf seinen Antrag wird dem médiateur ein Vollstreckungstitel erteilt. g) Verwertungsverbot Von Bedeutung ist insbesondere auch die Normierung des Art. 131-14 NCPC, nach dem Feststellungen des médiateur und Erklärungen, die ihm gegenüber abgegeben werden, im fortgesetzten Gerichtsverfahren nicht verwertet werden können, es sei denn, die Parteien erklären sich damit einverstanden; ist dies nicht der Fall, so können sie diese Informationen weder vorbringen noch sich darauf berufen. In keinem Fall aber können sie im Rahmen eines anderen Verfahrens eingebracht werden. h) Keine Rechtsmittelfähigkeit des Beschlusses über die médiation Art. 131-15 NCPC bestimmt schließlich, dass der die médiation anordnende, sie verlängernde oder sie beendende Beschluss nicht beschwerdefähig ist.
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2. Die conciliation judiciaire Die conciliation durch Dritte ist zum einen und insbesondere im Rahmen der Vorschriften bezüglich der Durchführung eines vorhergehenden Conciliationsversuchs210 vor der Einleitung eines Zivilverfahrens vor dem tribunal d’instance bzw. der juridiction de proximité geregelt (a). Zum anderen finden sich aber auch Vorschriften in den Regelungen zur Einleitung eines Zivilverfahrens vor dem tribunal d’instance sowie der juridiction de proximité ohne einen vorhergehenden Conciliationsversuch (b)211. a) Vorgelagerter Conciliationsversuch Soll vor der Einleitung eines Zivilverfahrens ein Conciliationsverfahren durchgeführt werden, so gelten die Art. 830 ff. NCPC. Es handelt sich bei diesem vorangehenden Conciliationsversuch nicht um eine Möglichkeit der Verfahrenseinleitung. Aus Art. 832-6 Abs. 4, Art. 832-7 Abs. 3 NCPC sowie Art. 834 NCPC ergibt sich nämlich, dass bei Scheitern des Conciliationsversuchs das Verfahren nicht automatisch an den Richter weitergeleitet wird und dieser die streitige Verhandlung vornimmt; vielmehr ist eine Ladung seitens des Klägers zum Zwecke eines Urteils212 erforderlich213. Bei Durchführung des Conciliationsversuchs durch den Richter selbst können die Parteien ihr Einverständnis erklären, dass dieser sofort urteilt, wobei dann das Verfahren nach den Modalitäten der présentation volontaire durchgeführt wird214. aa) Antrag auf Durchführung der tentative préalable de conciliation Die fakultative tentative préalable de conciliation liegt ausschließlich in der Hand des Klägers, der nach Art. 829 Abs. 1 a. E. NCPC verlangen kann, diese noch vor der Ladung des Beklagten (assignation) durchzuführen. Art. 830 NCPC regelt, dass der Kläger den vorgelagerten Conciliationsversuch mündlich oder durch einfaches Schreiben bei der Geschäftsstelle des Gerichtes beantragen kann, indem er Name, Vorname, Beruf und Adresse der Parteien sowie den Gegenstand seiner Forderung benennt. Gemäß Art. 831 Abs. 1 NCPC wird diese tentative préalable de conciliation von dem Richter oder von einem conciliateur, der die in dem Dekret nº 78-381 vom 20.03.1978 vorgesehenen Vorausset210
Art. 830 ff. NCPC. Art. 840 Abs. 2, 841, Art. 847 Abs. 2, 3, Art. 847-3 Abs. 2, 3 NCPC. Zu den verschiedenen Möglichkeiten der Einleitung des Zivilverfahrens vor dem tribunal d’instance und der juridiction de proximité siehe Art. 829 NCPC. 212 Assignation aux fins de jugement. 213 Art. 832-6 Abs. 4, Art. 832-7 Abs. 3 NCPC. 214 Art. 834 NCPC. Zum Ganzen siehe Guinchard, Méga NCPC, Art. 852-1, nº 006. 211
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zungen erfüllt und zu diesem Zweck benannt wurde, durchgeführt. Der Richter hat die Wahl, ob er die conciliation selbst oder durch einen conciliateur durchführen lassen will. bb) Conciliateur de justice Bei den hierfür in Betracht kommenden conciliateurs handelt es sich um die sogenannten conciliateurs de justice, auf die an dieser Stelle ein Blick geworfen werden soll. Art. 1 Abs. 2 des Dekrets nº 78-381 bestimmt nochmals explizit, dass die conciliateurs de justice in den Fällen der Art. 831 bis 835 NCPC tätig werden können. (1) Anforderungen Die Anforderungen an die Person des conciliateur de justice sind in Art. 2 des Dekrets geregelt. Hiernach muss der conciliateur de justice seine bürgerlichen und politischen Rechte innehaben und darf kein Wahlmandat im Zuständigkeitsbereich der cour d’appel, in dem er seine Befugnisse ausübt, bekleiden (Art. 2 Abs. 1). Des Weiteren müssen diese Personen eine Erfahrung auf juristischem Gebiet von mindestens drei Jahren nachweisen und durch ihren Sachverstand und ihre Tätigkeit besonders für die Ausübung dieses Amtes qualifiziert sein (Art. 2 Abs. 2). Nicht mit den Aufgaben des conciliateur de justice betraut werden können unabhängige Träger eines öffentlichen Amtes im Rahmen der Rechtspflege (officiers publics et ministériels) sowie die Personen, die – in welcher Eigenschaft auch immer – gerichtliche Tätigkeiten ausüben oder am Funktionieren der Arbeit der Justiz teilhaben. Jedoch sind die Aufgaben des conciliateur de justice nicht unvereinbar mit denen des Stellvertreters (suppléant) des juge d’instance (Art. 2 Abs. 3). (2) Ernennung Die Ernennung des conciliateur de justice ist in Art. 3 des Dekrets von 1978 geregelt. Nach dessen Abs. 1 wird er für eine erste Periode von einem Jahr durch Verfügung (ordonnance) des ersten Präsidenten der cour d’appel, nach Stellungnahme des Oberstaatsanwalts (procureur général), auf Vorschlag des juge d’instance ernannt. Danach kann der conciliateur de justice nach denselben Formerfordernissen noch einmal für seine Aufgaben für eine um fünf Jahre verlängerbare Periode eingesetzt werden. Über diese Ernennung wird der conseil départemental de l’accès au droit 215 informiert. Das Amt des conciliateur 215 Es handelt sich dabei um eine öffentliche Interessengemeinschaft, die unter den Vorsitz des Präsidenten des tribunal de grande instance des Sitzes der Präfektur ge-
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de justice kann durch Verfügung (ordonnance), die nach Stellungnahme des Oberstaatsanwalts und des juge d’instance sowie nach vorheriger Anhörung des Betroffenen vom ersten Präsidenten begründet wird, vor Fristablauf beendet werden (Art. 3 Abs. 2). Genauso wie bei der Ernennung zum conciliateur de justice, kann auf Vorschlag des juge d’instance, nach Stellungnahme des Oberstaatsanwalts vom ersten Präsidenten einem conciliateur de justice der Ehrentitel des conciliateur de justice honoraire verliehen werden, der sein Amt mindestens fünf Jahre lang ausgeübt hat (Art. 3 Abs. 3). Die conciliateurs de justice honoraires sind an die Zurückhaltung gebunden, die ihre Stellung gebietet. Das Ehrenamt kann ihnen wegen jeder Verletzung der Ehre, des Feingefühls oder der Würde entzogen werden. Die Entscheidung über die Entziehung wird nach Stellungnahme des Oberstaatsanwalts und des juge d’instance sowie nach vorheriger Anhörung des Betroffenen durch vom ersten Präsidenten der cour d’appel begründete Verfügung getroffen (Art. 3 Abs. 4). Gemäß Art. 4 des Dekrets nº 78-381 zeigt die den conciliateur de justice ernennende Verfügung den Bezirk, in dem er sein Amt ausübt, an. Sie benennt insbesondere das tribunal d’instance, bei dem der conciliateur de justice die Conciliationsprotokolle hinterlegen muss. (3) Weitere Regelungen Art. 9 bis des Dekrets nº 78-381 bestimmt, dass der conciliateur de justice einmal pro Jahr dem ersten Präsidenten und dem Oberstaatsanwalt der cour d’appel sowie dem nach Art. 4 bestimmten juge d’instance einen Tätigkeitsbericht vorlegt, der auch veröffentlicht werden kann. Nach Art. 9 ter müssen die conciliateurs de justice, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Dekrets bereits im Amt waren und dieses während drei Jahren zum Zeitpunkt des Verlängerungsantrags ihres Mandats ausgeübt haben, die in Art. 2 Abs. 2 vorgesehene Voraussetzung nicht nachweisen. (4) Exkurs: Zur Geschichte der conciliateurs de justice Die Einrichtung der conciliateurs de justice – zunächst lediglich conciliateurs genannt – datiert aus dem Jahre 1978. Sie sollten ursprünglich die Lücke schließen, die der juge de paix hinterlassen hatte und die der ihn eigentlich ersetstellt wurde. Sie hat zum Ziel, eine Politik des Zugangs zum Recht im Departement festzulegen, die Maßnahmen auf dem Gebiet der Hilfe zum Zugang zum Recht zu steuern und zu koordinieren. Näheres hierzu siehe Vie publique, .
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zende juge d’instance nicht füllen konnte216. Man stellte fest, dass in einer Vielzahl der vor die tribunaux gebrachten Streitigkeiten eine gütliche Lösung hätte gefunden werden können, wenn die Parteien sich zumindest begegnet wären und vor allem wenn eine Person mit der nötigen Autorität ihnen geholfen hätte, einen Boden der Verständigung zu schaffen. Die tribunaux d’instance konnten diese Aufgabe nicht mehr erfüllen, da sie mit Akten überlastet waren und ihren Sitz häufig weit weg vom Wohnsitz der Betroffenen hatten. Aus diesem Grund setze man vor Ort eine Person ein, die kein magistrat war, und übertrug ihr offiziell die Aufgabe der conciliation. Die Rechtsuchenden konnten mithin zunächst einmal zu diesen conciliateurs gehen statt zum Gericht und dort versuchen, ihren Streit gütlich beizulegen. Nach einer Versuchsphase in vier départements217 wurde die Einrichtung durch das Dekret nº 78-381 vom 20. März 1978218 auf alle französischen Gebiete ausgeweitet219. Die Rolle der conciliateurs war somit ursprünglich darauf beschränkt, die gütliche Regelung von Streitigkeiten „außerhalb jeden gerichtlichen Verfahrens“ zu fördern, wie es auch heute noch in Art. 1 Abs. 1 des Dekrets nº 78-381 vorgesehen ist220. Vor dem conciliateur existierte kein besonderes Verfahren. Er konnte ohne Einhaltung einer bestimmten Form von jeder Person angerufen werden221. Nachdem die Institution zwischen 1981 und 1986 etwas eingeschlafen war, wurde sie im Februar 1987 wiederbelebt222. Erst durch das Dekret nº 96-1091 vom 13. Dezember 1996223 wurde der Aufgabenkreis der – nunmehr – conciliateurs de justice durch Hinzufügen eines Abs. 2 zu Art. 1 des Dekrets nº 78-381 auch auf den Bereich der conciliation im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens vor dem tribunal d’instance erweitert224. cc) Übertragung der conciliation auf einen conciliateur de justice Zieht der Richter in Betracht, die conciliation auf einen Dritten zu übertragen, benachrichtigt er die Parteien davon durch einfaches Schreiben und fordert 216
Vgl. hierzu S. 40 ff., insbes. S. 54 ff. Alpes-Maritimes, Gironde, Haute-Marne und Loire-Atlantique. 218 Modifiziert durch die Dekrete nº 81-583 vom 18. Mai 1981, nº 93-254 vom 25. Februar 1993 und nº 96-1091 vom 13. Dezember 1996. 219 Perrot, Institutions judiciaires, Rn. 490; siehe auch Cadiet, Droit judiciaire privé, 3. Aufl., nº 389; Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 219 ff. 220 Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 190, 223. 221 Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 220. 222 Cadiet, Droit judiciaire privé, 3. Aufl., nº 389; Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 221. 223 In Ergänzung zu dem Gesetz nº 95-125 vom 08.02.1995. 224 Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 190, 223. 217
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Kap. 2: Darstellung der Situation in Frankreich und Deutschland
sie auf, ihm ihr Einverständnis innerhalb einer Frist von 14 Tagen mitzuteilen (Art. 832-1 Abs. 1 NCPC). Er informiert sie auch darüber, dass er, wenn sie nicht zustimmen, nach den Art. 833 und 834 NCPC verfahren, die conciliation also selbst durchführen wird. In jedem Fall müssen die Parteien persönlich erscheinen (Art. 831 Abs. 2 NCPC), können sich aber gemäß Art. 832-1 Abs. 3 NCPC von einem Beistand begleiten lassen. dd) Dauer des Conciliationsverfahrens Die Dauer eines Conciliationsverfahrens beträgt nach Art. 832 NCPC einen Monat, wobei auf Antrag des conciliateur eine einmalige Verlängerungsmöglichkeit um ebenfalls einen Monat besteht. Auch hierüber werden die Parteien unterrichtet. ee) Einleitung des Conciliationsverfahrens Das an den Beklagten gerichtete Schreiben erwähnt Namen, Vornamen, Beruf und Adresse des Klägers sowie den Klagegegenstand (Art. 832-1 Abs. 4 NCPC). Ab Erhalt der Zustimmung der Parteien benennt der Richter gemäß Art. 832-2 NCPC den conciliateur – das heißt er ist es, der die Person des conciliateur auswählt225 – und setzt die Frist fest, die er diesem zur Auftragserfüllung einräumt. Dies wird dem conciliateur und den Parteien angezeigt. Eine Abschrift des Antrags wird dem conciliateur geschickt. Dann lädt der conciliateur die Parteien zu Ort, Tag und Zeit, die er bestimmt, um die tentative préalable de conciliation durchzuführen (Art. 832-3 NCPC). ff) Gemeinsamkeiten mit der médiation Hinsichtlich der Vorschriften in Bezug auf das Verfahren an sich, die Befugnisse des conciliateur, insbesondere bezüglich einer – nur ohne Zwang möglichen – Beweisaufnahme, die laufende Inkenntnissetzung des Richters, die Beendigung des Verfahrens, die gerichtliche Anerkennung eines eventuellen Vergleichs, die Verwertbarkeit der während der conciliation gemachten Aussagen – mit anderen Worten die Vertraulichkeit – sowie die mangelnde Rechtsmittelfähigkeit der die conciliation anordnenden, sie verlängernden oder sie beendenden Entscheidung sind die Regelungen der Art. 832-4 bis 832-10 NCPC mit denen zur médiation226 im Wesentlichen identisch. Daher kann auf die entsprechenden Ausführungen hinsichtlich der médiation verwiesen und im Folgenden nur auf die Abweichungen zur médiation eingegangen werden. 225 226
Guinchard, Méga NCPC, Art. 852-1, nº 008. Art. 131-8 bis 131-12 und Art. 131-14 bis 131-15 NCPC.
B. Regelungen zur médiation und conciliation judiciaires
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gg) Unterschiede zur médiation Im Folgenden werden die von der médiation judiciaire abweichenden Regelungen der conciliation judiciaire behandelt. (1) Möglichkeit einer Ortsbesichtigung Im Unterschied zur médiation kann der conciliateur gemäß Art. 832-4 Abs. 1 NCPC neben der Anhörung Dritter auch eine Ortsbesichtigung vornehmen. (2) Ende der conciliation Überdies zeigt der Richter dem conciliateur gemäß Art. 832-6 Abs. 3 NCPC eine vorzeitige Beendigung des Conciliationsverfahrens an. Die Geschäftsstelle stellt den Parteien dann nach Art. 832-6 Abs. 4 NCPC den richterlichen Beschluss durch Einschreiben mit Rückschein zu, welches sie gleichzeitig darauf hinweist, dass sie das zuständige Gericht zwecks Urteils anrufen können. Derselbe Hinweis erfolgt im Falle des Scheiterns der conciliation nach Art. 832-7 Abs. 3 NCPC. Das Scheitern der conciliation ist mithin gerichtlich zu bestätigen. Im Gegensatz zur médiation ist bei der conciliation der Rückruf vor das Gericht nicht von vornherein festgesetzt. Dies hängt damit zusammen, dass die Klage mit Einleitung des vorgelagerten Conciliationsverfahrens noch nicht eingereicht ist. Dieser Conciliationsversuch ist gerade nicht Teil des gerichtlichen Verfahrens; daher kann die Sache auch nicht an das Gericht zurückgerufen werden. Vielmehr muss das Gerichtsverfahren erst noch eingeleitet werden227. Im Falle der erfolgreichen conciliation errichtet der conciliateur gemäß Art. 832-7 Abs. 2 NCPC ein von den Parteien unterzeichnetes Einigungsprotokoll. Möchten die Parteien dieses Protokoll gerichtlich anerkannt haben, übersendet der conciliateur dem Richter diesen Antrag unter Beifügung einer Kopie des Protokolls, Art. 832-8 Abs. 1 NCPC. (3) Keine Vergütung des conciliateur Ein bedeutender Unterschied zur médiation ist die Tatsache, dass die Art. 830 ff. NCPC keine Regelungen über die Kosten der conciliation enthalten. Dies beruht darauf, dass die conciliateurs im Gegensatz zu den médiateurs kostenlos – also ehrenamtlich – arbeiten. Dies ergibt sich zum einen aus Art. 1 Abs. 3 des Gesetzes nº 78-381, der davon spricht, dass die Aufgaben des conciliateur de justice ohne Entlohnung ausgeübt werden, und zum anderen aus Art. 21 Abs. 2 und 3 des Gesetzes nº 95-125, der die Vergütung nur in Bezug 227
Vgl. S. 66 f., S. 64.
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Kap. 2: Darstellung der Situation in Frankreich und Deutschland
auf die médiation regelt und zur conciliation schweigt. Anzumerken ist, dass die conciliateurs de justice zwar ehrenamtlich arbeiten; allerdings erhalten sie eine pauschale Aufwandsentschädigung zur Abdeckung ihrer Kosten228. (4) Verjährungsunterbrechung Gemäß Art. 835 NCPC unterbricht der Antrag zwecks tentative préalable de conciliation die Verjährung nur, wenn der Beklagte innerhalb von zwei Monaten geladen wird – je nach Fall – ab dem Tag des Conciliationsversuchs durch den Richter, ab dem Tag der in Art. 832-6 Abs. 4 vorgesehenen Zustellung der die conciliation vor ihrem regulären Ablauf beendenden Entscheidung bzw. ab dem Tag der in Art. 832-7 Abs. 3 NCPC vorgesehenen Zustellung der Mitteilung des Scheiterns der conciliation am Ende der Aufgabe oder ab dem Tag des Ablaufs der dem Schuldner vom Kläger zur Erfüllung seiner Pflicht eingeräumten Frist. hh) Conciliation durch den Richter Art. 833 und 834 NCPC treffen Regelungen für den Fall, dass der Richter selbst die conciliation durchführt. In diesem Fall benachrichtigt die Geschäftsstelle den Kläger durch einfaches Schreiben von Ort und Zeit, an denen die conciliation stattfinden wird, und lädt den Beklagten durch einfaches Schreiben. Bei Scheitern der richterlichen conciliation kann der Richter die Sache mit Einverständnis der Parteien sofort entscheiden; das Verfahren wird dann nach den Bestimmungen der présentation volontaire229 durchgeführt. b) Conciliation bei Verfahrenseinleitung ohne vorgelagerten Conciliationsversuch Beantragt der Kläger nicht das vorhergehende Conciliationsverfahren, sondern leitet er direkt ein Verfahren ein, sei es durch assignation à toutes fins, requête conjointe oder présentation volontaire des parties oder durch déclaration au greffe, so besteht auch hier die Möglichkeit einer auf einen Dritten übertragenen conciliation230.
228 Art. 1 Abs. 4 des Dekrets nº 78-381, geändert durch das Dekret nº 2006-687 vom 12. Juni 2006. 229 Der freiwilligen Vorstellung beider Parteien vor dem Richter, damit dieser über ihre Ansprüche entscheidet. 230 Zu den verschiedenen Möglichkeiten einer Verfahrenseinleitung vor dem tribunal d’instance bzw. der juridicition de proximité vgl. oben S. 24 ff.
C. Deutsche Situation hinsichtlich der gerichtsnahen Mediation
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aa) Assignation à toutes fins Bei der assignation à toutes fins beginnt das Verfahren gemäß Art. 840 NCPC mit einem Conciliationsversuch durch den Richter, der in seinem Zimmer stattfinden kann, oder auch durch einen conciliateur de justice. Dieser wird mit Einverständnis der Parteien formlos vom Richter benannt. Bei Scheitern der conciliation wird die Sache sofort entschieden oder, mangels Entscheidungsreife, auf einen späteren Termin vertagt (Art. 841 NCPC). Im Unterschied zum vorgelagerten Conciliationsversuch ist hier die sofortige Entscheidung bzw. Vertagung möglich, da die Sache ja bereits bei Gericht, das gerichtliche Verfahren eingeleitet ist. bb) Requête conjointe oder présentation volontaire des parties und déclaration au greffe Erscheinen die Parteien gemeinsam vor Gericht über die requête conjointe oder die présentation volontaire des parties, so beginnt auch hier der Richter das Verfahren gemäß Art. 847 NCPC mit dem Versuch einer conciliation, den er ebenfalls mit Zustimmung der Parteien formlos auf einen conciliateur de justice übertragen kann. Gelangen die Parteien zu keiner Einigung, entscheidet der Richter ihren Rechtsstreit. Dasselbe gilt gemäß Art. 847-3 NCPC auch für den Fall, dass der Klageantrag durch eine Erklärung bei der Geschäftsstelle (déclaration au greffe) gestellt wurde. Auch in diesen Fällen kann sogleich entschieden werden, da das Gerichtsverfahren bereits eingeleitet wurde.
C. Überblick über die deutsche Situation hinsichtlich der gerichtsnahen Mediation Nachdem wir nun einen Überblick über die französischen Regelungen zur médiation und conciliation judiciaires gewonnen haben, soll im Folgenden ein Blick auf die Situation in Deutschland in Bezug auf die sogenannte gerichtsnahe oder auch gerichtsverbundene Mediation geworfen werden. Hierbei werden zunächst die – wenigen – existierenden Vorschriften zu diesem Thema untersucht (I.). Danach werden einige der verschiedenen Modellprojekte zur gerichtsnahen Mediation vorgestellt (II.).
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Kap. 2: Darstellung der Situation in Frankreich und Deutschland
I. Gesetzliche Normen Auf der Suche nach Elementen gütlicher Streitbeilegung im deutschen Zivilprozess stößt man in erster Linie auf die Regelungen des durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses (Zivilprozessreformgesetz – ZPO-RG) vom 27.07.2001231 mit Wirkung vom 01.01.2002 neu gefassten § 278 ZPO sowie auf § 15a EGZPO, der durch das am 01.01.2000 in Kraft getretene Gesetz zur Förderung der außergerichtlichen Streitbeilegung vom 15.12.1999232 eingefügt wurde. In diesem Rahmen seien auch das Güteverfahren vor dem Arbeitsgericht nach § 54 ArbGG sowie die in § 15 UWG vorgesehenen Einigungsstellen exemplarisch genannt. Gemäß § 54 ArbGG beginnt die mündliche Verhandlung vor dem Arbeitsgericht mit einer Verhandlung vor dem Vorsitzenden zum Zwecke der gütlichen Einigung der Parteien, der sogenannten Güteverhandlung. Darin hat der Vorsitzende das gesamte Streitverhältnis mit den Parteien unter freier Würdigung aller Umstände zu erörtern. Darüber hinaus regelt die Vorschrift den Ablauf dieses Verfahrens. § 15 UWG ermächtigt die Landesregierungen, bei Industrie- und Handelskammern Einigungsstellen zur Beilegung von bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in denen ein Anspruch aufgrund des UWG geltend gemacht wird, zu errichten und trifft Regelungen zum Verfahren vor diesen Einigungsstellen. Da es sich bei diesen allerdings um spezialgesetzliche Verfahren handelt, wohingegen § 278 ZPO und § 15a EGZPO auf alle zivilgerichtlichen Verfahren Anwendung findet, mithin allgemeine Regelungen sind, werden diese Normen bzw. Institute im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter behandelt. Die folgenden Abschnitte beschäftigen sich mit den einzelnen Regelungen des § 278 ZPO (1.) sowie der Vorschrift des § 15a EGZPO (2.). Nach einem Exkurs zu Gesetzesbegründung und Entstehungsgeschichte dieser Normen (3.) wird mit einer Analyse der verschiedenen Regelungsmodelle geschlossen (4.). 1. § 278 ZPO a) Förderung gütlicher Streitbeilegung durch das Gericht, § 278 Abs. 1 ZPO Zunächst einmal verankert § 278 Abs. 1 ZPO ganz allgemein den Auftrag an das Gericht, in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht zu sein.
231 232
BGBl. 2001 I Nr. 40, S. 1887 ff., Art. 2 Nr. 41 (S. 1891 f.). BGBl. 1999 I Nr. 55, S. 2400 ff., Art. 1 (S. 2400).
C. Deutsche Situation hinsichtlich der gerichtsnahen Mediation
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Hierzu stehen dem Richter verschiedene Instrumente zur Verfügung. Zum einen kann er die Schließung eines Prozessvergleichs fördern. Neben der Beendigung des Prozesses wird dadurch auch ein vollstreckbarer Titel nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO geschaffen233. Des Weiteren kommt ein Hinwirken auf verfahrensbeendigende Parteierklärungen, wie Klagerücknahme, Anerkenntnis, Verzicht oder Erledigungserklärung, in Betracht. Zuletzt kann der Richter auch gemäß § 278 Abs. 5 S. 2 ZPO auf eine außergerichtliche Konfliktbeilegung verweisen234. Auf diese Möglichkeit wird unter Gliederungspunkt c) näher eingegangen. b) Obligatorischer Güteversuch, § 278 Abs. 2–4 ZPO In § 278 Abs. 2 ZPO wird die mit dem ZPO-RG eingeführte obligatorische Güteverhandlung geregelt. Diese Norm wurde dem Vorbild des arbeitsgerichtlichen Güteverfahrens (§ 54 ArbGG) nachgebildet235. Hierbei geht der mündlichen Verhandlung zum Zwecke der gütlichen Beilegung des Rechtsstreits grundsätzlich verpflichtend eine Güteverhandlung voraus. Dies ist ausnahmsweise nicht erforderlich, wenn bereits ein Einigungsversuch vor einer außergerichtlichen Gütestelle stattgefunden hat oder die Güteverhandlung erkennbar aussichtslos erscheint (§ 278 Abs. 2 S. 1 ZPO). § 278 Abs. 2 S. 2 ZPO verpflichtet das Gericht, in dieser Güteverhandlung den Sach- und Streitstand mit den Parteien unter freier Würdigung aller Umstände zu erörtern, sowie, falls erforderlich, Fragen zu stellen. Dass die erschienenen Parteien hierzu persönlich gehört werden sollen, bestimmt § 278 Abs. 2 S. 3 ZPO. Für die Güteverhandlung sowie für weitere Güteversuche soll nach § 278 Abs. 3 ZPO das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet werden. Dazu sind diese selbst von Amts wegen zu laden, §§ 278 Abs. 3 S. 2, 141 Abs. 2 ZPO, wobei die wichtigen Gründe für ein Nichterscheinen nach §§ 278, Abs. 3 S. 2, 141 Abs. 1 S. 2 ZPO zu beachten sind. Bleibt eine Partei (persönlich) aus, so soll sich die streitige mündliche Verhandlung unmittelbar anschließen (§ 279 Abs. 1 S. 1 ZPO); überdies kann dann gemäß §§ 278 Abs. 3 S. 2, 141 Abs. 3 ZPO ein Ordnungsgeld gegen sie wie gegen nicht erschienene Zeugen festgesetzt werden. Falls beide Parteien nicht erscheinen – das heißt auch nicht ihre Anwälte, da im Gegensatz zu § 278 Abs. 3 ZPO nicht vom persönlichen Erscheinen die Rede ist –, ist nach § 278 Abs. 4 ZPO das Ruhen des Verfahrens anzuordnen236. Da die Güteverhandlung der mündlichen Verhandlung vorgeschaltet ist, ist sie nicht Teil der mündlichen Verhandlung (siehe auch §§ 272 Abs. 3, 279 Abs. 1 233 234 235 236
Zöller-Greger, ZPO, § 278 Rn. 2. Zöller-Greger, ZPO, § 278 Rn. 3. BTDrs. 14/4722, S. 83. Vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 278 Rn. 30 ff.
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Kap. 2: Darstellung der Situation in Frankreich und Deutschland
ZPO)237. Ihr Zweck ist – wie bereits oben im Rahmen der Ausführungen zu § 278 Abs. 1 ZPO dargelegt238 –, neben einer Prozessbeendigung durch Vergleich auch eine gütliche Streitbeilegung durch andere Formen anzustreben239. Scheitert die Güteverhandlung, so stellt das Gericht dies im Protokoll fest (§ 160 Abs. 3 Nr. 10 ZPO) und tritt entweder unmittelbar in die streitige Verhandlung ein (§ 279 Abs. 1 S. 1 ZPO)240 oder bestimmt unverzüglich Termin zur mündlichen Verhandlung (§ 279 Abs. 1 S. 2 ZPO)241. c) Verweisung an einen anderen Richter und Vorschlag außergerichtlicher Streitschlichtung, § 278 Abs. 5 ZPO aa) Verweisung der Güteverhandlung vor einen beauftragten oder ersuchten Richter (S. 1) § 278 Abs. 5 S. 1 ZPO sieht die Möglichkeit für das Gericht vor, die Parteien für die Güteverhandlung vor einen beauftragten oder ersuchten Richter zu verweisen. Diese Verweisung erfolgt durch Beschluss. Wird der Gütetermin auf einen kommissarischen Richter übertragen, besteht bei diesem kein Anwaltszwang (§ 78 Abs. 5 ZPO) und kein Öffentlichkeitsgebot (§ 169 S. 1 GVG)242. Bei einem solchen kommissarischen Richter kann es sich auch um den Vorsitzenden des erkennenden Gerichts handeln243. Auf diese Weise können nach einer Auffassung ersuchte Richter auch als Mediatoren fungieren, da sie nicht dem entscheidungsbefugten Spruchkörper angehören244. bb) Vorschlag einer außergerichtlichen Streitschlichtung (S. 2) Nach § 278 Abs. 5 S. 2 ZPO kann das Gericht den Parteien in geeigneten Fällen eine außergerichtliche Streitschlichtung vorschlagen. Soweit sich die Par237
Zöller-Greger, ZPO, § 278 Rn. 8. Siehe hierzu oben S. 74. 239 Zöller-Greger, ZPO, § 278 Rn. 9; MüKo-Prütting, ZPO/Aktualisierungsbd., § 278 Rn. 3. 240 Voraussetzung hierfür ist, dass die Parteien entsprechend geladen waren oder auf die Einhaltung der Ladungs- und gegebenenfalls Einlassungsfrist gemäß § 295 ZPO verzichten; Zöller-Greger, ZPO, § 278 Rn. 17. 241 Da der Termin in einer Verkündung bestimmt wird, sind Ladung sowie Einhaltung der Ladungsfrist nach §§ 217, 218 ZPO entbehrlich; Zöller-Greger, ZPO, § 278 Rn. 17. 242 Zöller-Greger, ZPO, § 278 Rn. 5, 13; Thomas/Putzo-Reichold, ZPO, § 278 Rn. 6. 243 Zöller-Greger, ZPO, § 278 Rn. 13. 244 So u. a. Zöller-Greger, ZPO, § 278 Rn. 5, 26a; v. Olenhusen, ZKM 2004, 104 (105); anders z. B. Ortloff, ZKM 2002, 199 (200). Ausführlicher zur Institution des Richtermediators siehe unten S. 85 ff. 238
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teien für diese Möglichkeit entscheiden, gilt § 251 ZPO entsprechend, das heißt das Ruhen des Verfahrens wird angeordnet (§ 278 Abs. 5 S. 3 ZPO), so dass die außergerichtliche Streitschlichtung durchgeführt werden kann. Das Vorgehen nach § 278 Abs. 5 S. 2 ZPO bietet sich insbesondere dann an, wenn es sich bei dem Rechtsstreit um einen Grundkonflikt handelt, der im Prozess nicht aufgearbeitet werden kann. Dies kann hingegen möglich sein durch eine fachkundige Schiedsstelle, einen Notar oder einem Mediator – also „einem entsprechend ausgebildeten Mittler, der ohne Entscheidungskompetenz auf eine Konfliktlösung durch die Parteien selbst hinwirkt“245. Ist der Fall hierzu geeignet, so hat das Gericht ein pflichtgemäßes, jedoch weites Ermessen, ob es einen solchen Vorschlag macht. Unter anderem kann Ziel eines solchen Vorgehens der Abschluss eines vollstreckbaren Anwaltsvergleichs nach § 796a ZPO, eine Klagerücknahme, ein Anerkenntnis, Erledigterklärungen oder auch ein Verzicht sein246. Bei der Schaffung des Abs. 5 S. 2 hatte der Gesetzgeber insbesondere die Mediation vor Augen, wie sich aus der Gesetzesbegründung ergibt247. cc) Erfolglosigkeit der außergerichtlichen Streitschlichtung Bleibt der Einigungsversuch erfolglos, so muss das Gericht einen Termin zur Fortsetzung des streitigen Verfahrens bestimmen bzw., wenn beide Parteien auf die Ladungsfrist verzichten, dieses auch sofort fortsetzen. Falls die Güteverhandlung noch nicht begonnen hat, ist zunächst diese durchzuführen248. d) Formen des Prozessvergleichs, § 794 Abs. 1 Nr. 1, § 278 Abs. 6 ZPO Ist ein gütlicher Einigungsversuch – sei es im Rahmen der Güteverhandlung, sei es innerhalb des streitigen Verfahrens – erfolgreich, so kann das Verfahren durch einseitige Prozesshandlungen wie eine Klagerücknahme oder eine Erledigungserklärung oder durch eine vertragliche Vereinbarung, das heißt einen Prozessvergleich nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, beendet werden249. Soll ein Vergleich geschlossen werden, so stehen hier verschiedene Modalitäten zur Verfügung. 245
Zöller-Greger, ZPO, § 278 Rn. 3a. Zöller-Greger, ZPO, § 278 Rn. 3a; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 278 Rn. 38, 40. 247 BTDrs. 14/4722, S. 83 f.; im Gesetzgebungsverfahren damals noch § 278 Abs. 4 S. 2 Entwurf ZPO-E (24.11.2000). Siehe hierzu unten S. 82 f. 248 Zöller-Greger, ZPO, § 278 Rn. 7; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 278 Rn. 42. 249 MüKo-Prütting, ZPO/Aktualisierungsbd., § 278 Rn. 34. 246
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Kap. 2: Darstellung der Situation in Frankreich und Deutschland
Zum einen gibt es natürlich den (unbedingten) Prozessvergleich. Es handelt sich dabei um einen Vertragsschluss bei gleichzeitiger Anwesenheit der Vertragsparteien – zumindest vertreten durch ihre Anwälte – vor einem deutschen Gericht (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V. m. §§ 127a, 779 BGB). Der Prozessvergleich muss den Streitgegenstand insgesamt oder in Teilen regeln. Er kann aber auch Vereinbarungen zur Gestaltung der materiellen Rechtslage treffen, die über den Streitgegenstand hinausgehen und dabei die notarielle Beurkundung ersetzen (§ 127a BGB). Ebenso kann er Fragen, die in einem anderer Verfahren anhängig sind, mitbehandeln und auch nicht am Prozess beteiligte Personen einbeziehen250. Daneben besteht die Möglichkeit des gerichtlichen Vergleichs unter Widerrufsvorbehalt. Er unterscheidet sich vom normalen Prozessvergleich nur darin, dass er nicht sofort geschlossen wird, sondern – in der Regel – aufschiebend bedingt, nämlich unter dem Vorbehalt, den Vergleich bis zum Ablauf einer bestimmten Frist zu widerrufen251. Meist kommt er zur Anwendung, wenn der anwaltliche Prozessvertreter für und im Namen der Partei den Vergleich schließt, jedoch hinsichtlich der Annahme nochmals mit der Partei Rücksprache halten möchte und sich deshalb eine Frist zum Widerruf einräumen lässt. Äußert sich die Partei bzw. ihr anwaltlicher Vertreter innerhalb dieser Frist nicht, so ist der Vergleich wirksam zustande gekommen252. Mit der ZPO-Reform neu eingeführt wurde der gerichtliche Vergleichsvorschlag unter Zustimmungsvorbehalt nach § 278 Abs. 6 ZPO. Hiernach kann ein gerichtlicher Vergleich auch dadurch geschlossen werden, dass das Gericht den Parteien schriftlich einen Vergleichsvorschlag unterbreitet, den die Parteien durch Schriftsatz gegenüber dem Gericht annehmen können (§ 278 Abs. 6 S. 1 ZPO). Erklären beide Parteien positiv die Annahme des Vorschlags, so stellt das Gericht gemäß § 278 Abs. 6 S. 2 ZPO das Zustandekommen und den Inhalt eines so geschlossenen Vergleichs durch Beschluss fest. 2. § 15a EGZPO Schließlich ist mit § 15a EGZPO eine Öffnungsklausel geschaffen worden, die die Länder zur Einführung obligatorischer außergerichtlicher Streitschlichtung als Zulässigkeitsvoraussetzung für bestimmte Klagen ermächtigt. Soweit der jeweilige Landesgesetzgeber diese Vorschaltung eines Schlichtungsversuchs vorsieht, kann gemäß § 15a Abs. 1 S. 1 EGZPO die jeweilige Landesjustizverwaltung eine Gütestelle einrichten oder anerkennen, vor der in bestimmten Fäl250 Zöller-Greger, ZPO, § 278 Rn. 2; MüKo-Prütting, ZPO/Aktualisierungsbd., § 278 Rn. 34 f. 251 Zöller-Stöber, ZPO, § 794 Rn. 10. 252 MüKo-Prütting, ZPO/Aktualisierungsbd., § 278 Rn. 36.
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len die einvernehmliche Streitbeilegung zu versuchen ist, bevor Klage erhoben werden kann253. a) Fallgruppen des § 15a Abs. 1 EGZPO Bei diesen Fällen handelt es sich um vermögensrechtliche Streitigkeiten vor dem Amtsgericht über Ansprüche, deren Gegenstand an Geld oder Geldeswert die Summe von 750 A nicht übersteigt (Nr. 1), um Streitigkeiten über Ansprüche aus dem Nachbarrecht nach den §§ 910, 911, 923 BGB und nach § 906 BGB sowie nach den landesgesetzlichen Vorschriften im Sinne des Art. 124 EGBGB – es sei denn, es handelt sich um Einwirkungen von einem gewerblichen Betrieb – (Nr. 2) sowie um Streitigkeiten über Ansprüche wegen Verletzung der persönlichen Ehre, die nicht in Presse oder Rundfunk begangen worden sind (Nr. 3). Möchte der Kläger in diesen Fällen Klage erheben, so hat er zunächst die einvernehmliche Streitbeilegung zu versuchen. Führt dies zu keiner Einigung, hat er eine von der Gütestelle ausgestellte Bescheinigung über einen erfolglosen Einigungsversuch mit der Klage einzureichen (§ 15a Abs. 1 S. 2 EGZPO), welche er auf Antrag auch dann erhält, wenn das von ihm beantragte Einigungsverfahren innerhalb von drei Monaten nicht durchgeführt worden ist (§ 15a Abs. 1 S. 3 EGZPO). b) Ausnahmen nach § 15a Abs. 2 EGZPO § 15a Abs. 2 EGZPO enthält eine Aufzählung von Ausnahmen, auf die Abs. 1 nicht anwendbar ist, der Versuch einer außergerichtlichen Streitbeilegung also nicht als Zulässigkeitsvoraussetzung vorgeschaltet wird. Hierunter fallen Klagen nach §§ 323, 324, 328 ZPO, Widerklagen und Klagen, die binnen einer gesetzlichen oder gerichtlich angeordneten Frist zu erheben sind (S. 1 Nr. 1), Streitigkeiten in Familiensachen (S. 1 Nr. 2), Wiederaufnahmeverfahren (S. 1 Nr. 3), Ansprüche, die im Urkunden- oder Wechselprozess geltend gemacht werden (S. 1 Nr. 4), die Durchführung des streitigen Verfahrens, wenn ein Anspruch im Mahnverfahren geltend gemacht worden ist (S. 1 Nr. 5), Klagen wegen vollstreckungsrechtlicher Maßnahmen, insbesondere nach dem Achten Buch der ZPO (S. 1 Nr. 6) sowie die Fälle, in denen die Parteien nicht in demselben Land wohnen oder ihren Sitz oder eine Niederlassung haben (S. 2).
253 Zu den verschiedenen Gütestellen sowie zu möglichen Problemkonstellationen im Zusammenhang mit dem Verfahren nach § 15a EGZPO siehe Kayser, S. 89 ff.
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Kap. 2: Darstellung der Situation in Frankreich und Deutschland
c) Entfallen des Erfordernisses eines Einigungsversuchs Wann das Erfordernis eines solchen Einigungsversuchs entfällt, regelt § 15a Abs. 3 EGZPO. Dies ist dann der Fall, wenn die Parteien einvernehmlich einen Einigungsversuch vor einer sonstigen Gütestelle, die Streitbeilegungen betreibt, unternommen haben (§ 15a Abs. 3 S. 1 EGZPO), wobei dieses Einvernehmen nach § 15a Abs. 3 S. 2 EGZPO unwiderleglich vermutet wird, wenn der Verbraucher eine branchengebundene Gütestelle, eine Gütestelle der Industrie- und Handelskammer, der Handwerkskammer oder der Innung angerufen hat. In diesem Fall ist deren Bescheinigung über einen erfolglosen Güteversuch mit der Klage einzureichen, § 15a Abs. 3 S. 3 EGZPO. d) Kosten, § 15a Abs. 4 EGZPO Hinsichtlich der Kosten regelt § 15a Abs. 4 EGZPO, dass die Kosten der Gütestelle, die durch das Einigungsverfahren nach Abs. 1 entstanden sind, zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne des § 91 Abs. 1, 2 ZPO gehören. Die Gebühr, die für die Durchführung des Schlichtungsverfahrens fällig wird, ergibt sich aus den Landesgesetzen. Wird der Streit im Rahmen des Schlichtungsverfahrens beigelegt, so wird die Kostenverteilung im Vergleich geregelt254. e) Sonstige Regelungen, § 15a Abs. 5, 6 EGZPO § 15a Abs. 5 EGZPO überträgt die nähere Regelung dem jeweiligen Landesrecht, wobei dieses sowohl den Anwendungsbereich des Abs. 1 einschränken als auch die Ausschlussgründe des Abs. 2 erweitern kann. Auch wird dem Landesgesetzgeber ermöglicht zu bestimmen, dass die Gütestelle ihre Tätigkeit von der Einzahlung eines angemessenen Kostenvorschusses abhängig machen und gegen eine im Gütetermin nicht erschienene Partei ein Ordnungsgeld festsetzen darf. Schließlich regelt § 15a Abs. 6 S. 1 EGZPO, dass Gütestellen im Sinne dieser Bestimmung auch durch Landesrecht anerkannt werden können. Gemäß § 15a Abs. 6 S. 2 EGZPO gelten Vergleiche, die vor diesen Gütestellen geschlossen werden, als Vergleiche im Sinne des § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
254
Zöller-Gummer/Heßler, ZPO, § 15a EGZPO Rn. 26.
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f) Umsetzung der Öffnungsklausel Von der Öffnungsklausel des § 15a EGZPO haben die Länder bislang nur teilweise und in unterschiedlicher Art und Weise Gebrauch gemacht255. Umgesetzt haben diese Regelung die Länder Baden-Württemberg256, Bayern257, Brandenburg258, Hessen259, Nordrhein-Westfalen260, das Saarland261, Sachsen-Anhalt262 sowie Schleswig-Holstein263. In den übrigen Bundesländern wurde eine Umsetzung bisher nicht vorgenommen. Man kann im Wesentlichen zwei Typen von Schlichtungsgesetzen unterscheiden. Bayern und Baden-Württemberg greifen hierbei auf die rechtsberatenden Berufe (in Bayern die Notare und Rechtsanwälte, in Baden-Württemberg nur die Rechtsanwälte) zurück. Die anderen Länder nutzen vorwiegend die dort vorhandene Schiedsleutestruktur; darüber hinaus können aber auch dort vor allem Anwälte, aber auch Notare als sonstige Gütestellen zugelassen werden264. Zum Teil wurden die landesgesetzlichen Vorschriften als Zeitgesetze erlassen, wobei ihre Gültigkeit dann zunächst auf den Zeitraum bis 31.12.2005 beschränkt war. Grund dafür war die beabsichtigte umfängliche Überprüfung der praktischen Auswirkungen. Die betreffenden Gesetze wurden aber entsprechend verlängert bzw. neu erlassen265. 255 Vgl. hierzu Zietsch/Roschmann, NJW 2001, Beil. zu Heft 51, 3 ff. sowie die anschließenden Übersichten. 256 Baden-Württembergisches Gesetz zur obligatorischen außergerichtlichen Streitschlichtung (Schlichtungsgesetz – SchlG) vom 28.06.2000, GBl. 2000 Nr. 11, S. 470. 257 Bayerisches Gesetz zur obligatorischen außergerichtlichen Streitschlichtung in Zivilsachen und zur Änderung gerichtsverfassungsrechtlicher Vorschriften (Bayerisches Schlichtungsgesetz – BaySchlG) vom 25.04.2000, GVBl. Nr. 11/2000, S. 268. 258 Gesetz zur Einführung einer obligatorischen außergerichtlichen Streitschlichtung im Land Brandenburg (Brandenburgisches Schlichtungsgesetz – BbgSchlG) vom 05.10. 2000, GVBl. 2000 I Nr. 10, S. 134. 259 Hessisches Gesetz zur Ausführung des § 15a des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung vom 06.02.2001, GVBl. 2001 I, S. 98. 260 Gesetz über die Anerkennung von Gütestellen im Sinne des § 794 Abs. 1 Nr. 1 der Zivilprozessordnung und die obligatorische außergerichtliche Streitschlichtung in Nordrhein-Westfalen (Gütestellen- und Schlichtungsgesetz – GüSchlG NRW) vom 09.05.2000, GVBl. 2000, S. 476. 261 Saarländisches Gesetz Nr. 1464 zur Ausführung des § 15a des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung und zur Änderung von Rechtsvorschriften (Landesschlichtungsgesetz – LSchlG) vom 21.02.2001, Amtsbl. 2001, S. 532. 262 Schiedstellen- und Schlichtungsgesetz (SchStG) des Landes Sachsen-Anhalt in der Fassung der Bekanntmachung vom 22.06.2001, GVBl. LSA 2001, S. 214. 263 Schleswig-Holsteinisches Gesetz zur Ausführung von § 15a des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung (Landesschlichtungsgesetz – LSchliG) vom 11.12.2001, GVOBl. 2001, S. 361, ber. 2002, S. 218. 264 Zöller-Gummer/Heßler, ZPO, § 15a EGZPO Rn. 27. 265 Zöller-Gummer/Heßler, ZPO, § 15a EGZPO Rn. 27.
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Kap. 2: Darstellung der Situation in Frankreich und Deutschland
Auf die Darstellung der einzelnen landesgesetzlichen Regelungen soll hier verzichtet werden. 3. Exkurs: Gesetzesbegründung und Entstehungsgeschichte An dieser Stelle soll ein kurzer Blick auf die Entstehungsgeschichte des neu gefassten § 278 ZPO und des § 15a EGZPO sowie deren Gesetzesbegründung geworfen werden. Der Gedanke gütlicher Streitbeilegung ist auch in Deutschland nicht so neu, wie der eine oder andere vielleicht annehmen mag. Vielmehr ist diese Idee bereits so alt wie der streitige Zivilprozess selbst. Bis eine dem § 278 ZPO entsprechende Norm allerdings Eingang ins Gesetz gefunden hat, dauerte es noch bis zum Jahre 1924. Die CPO 1877 kannte noch keine ausdrückliche Norm; dazu bedurfte es erst der Entlastungsgesetzgebung im Laufe des Ersten Weltkriegs und der Weimarer Republik. Im Jahre 1924 wurde mithin ein obligatorisches Güteverfahren bei den Amtsgerichten eingeführt, das den Richter aufforderte, neben seiner entscheidenden auch eine schlichtende Rolle einzunehmen266. Da der Erfolg dieses Güteverfahrens sich aber nicht so recht einstellen wollte, wurde es im Jahre 1950 wegen Erfolg- und Bedeutungslosigkeit aufgehoben. Dafür wurde eine dem heutigen § 278 Abs. 1 ZPO entsprechende Norm im amtsgerichtlichen Verfahren geschaffen, die durch die Vereinfachungsnovelle 1976 in einer generalisierenden Form als § 279 ZPO neu formuliert wurde267. Mit dem ZPO-RG vom 27.07.2001268 hat sich der Gesetzgeber darum bemüht, den Gütegedanken in der ZPO wieder stärker institutionell zu verankern. Er hat versucht, in § 278 n. F. alle Formen gütlicher richterlicher Streitbeilegung zu konzentrieren. Dabei übernehmen Abs. 1 und Abs. 3 im Wesentlichen die Regelung des früheren § 279, während die Abs. 2, 5 und 6 neu eingefügt worden sind269. Ziel des Gesetzgebers war es, mit dem ZPO-RG den Zivilprozess bürgernäher, effizienter und transparenter zu gestalten. Insbesondere sollten die streitschlichtenden Elemente gestärkt werden270. Bei der Institutionalisierung der Vorschlagsmöglichkeit des Gerichts in Bezug auf eine außergerichtliche Streitschlichtung, die dem durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz eingeführten § 52 FGG nachgebildet ist, wurde explizit an die Mediation gedacht271.
266 267 268 269 270 271
Vgl. auch Dosenheimer, DRiZ 2002, 436. MüKo-Prütting, ZPO/Aktualisierungsbd., § 278 Rn. 6. BGBl. 2001 I Nr. 40, S. 1887 ff. MüKo-Prütting, ZPO/Aktualisierungsbd., § 278 Rn. 6. BTDrs. 14/4722; BTDrs. 14/6036. BTDrs. 14/4722, S. 83 f.
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Noch bevor der Gesetzgeber aber die Große Justizreform durchführte, beschloss er das Gesetz zur Förderung der außergerichtlichen Streitbeilegung vom 15.12.1999272, wodurch § 15a EGZPO geschaffen wurde. Bereits dieses hatte neben der Entlastung der Justiz zum Ziel, dauerhaften Rechtsfrieden herzustellen sowie Bürgerfreundlichkeit und Transparenz durch eine raschere und kostengünstigere Bereinigung von Konflikten zu gewährleisten. Unter anderem wird in der Gesetzesbegründung hervorgehoben, dass es im Rahmen außergerichtlicher Streitbeilegung möglich ist, Tatsachen zu berücksichtigen, die für die Lösung des Konflikts der Parteien zwar von wesentlicher Bedeutung, rechtlich jedoch irrelevant sind273. 4. Unterschiede zwischen den einzelnen Modellen Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die obligatorische Güteverhandlung nach § 278 Abs. 2 ZPO immer vom zuständigen Richter vor Beginn des eigentlichen Verfahrens bzw. als dessen erste Phase durchzuführen ist. Hierauf bezieht sich auch die in § 278 Abs. 5 S. 1 ZPO vorgesehene Möglichkeit, die Parteien für die Güteverhandlung vor einen beauftragten oder ersuchten Richter zu verweisen. Eine Übertragung auf einen (außenstehenden) Dritten ist mithin nicht vorgesehen. § 15a EGZPO sieht – soweit der jeweilige Landesgesetzgeber von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hat – für bestimmte Fälle als Zulässigkeitsvoraussetzung vor Klageerhebung vor, dass ein Einigungsversuch vor einer durch die Landesjustizverwaltung oder durch Landesgesetz eingerichteten oder anerkannten Gütestelle unternommen werden muss. Hier wird der Güteversuch mithin vor Klageerhebung durchgeführt. Allerdings wird dieses im Gegensatz zum Verfahren nach § 278 Abs. 2 ZPO nicht vor dem für das eigentliche Verfahren zuständigen Richter vorgenommen, sondern von einer speziell dafür bestimmten Gütestelle. Insofern anders stellt sich hingegen die Regelung des § 278 Abs. 5 S. 2 ZPO dar, wonach das Gericht den Parteien in geeigneten Fällen eine außergerichtliche Streitschlichtung vorschlagen kann. Hier wird weder eine zeitliche Einschränkung, wann eine solche außergerichtliche Einigung stattfinden kann, vorgenommen noch wird der Personenkreis, von dem diese Streitschlichtung durchgeführt werden kann, beschränkt. Vielmehr trifft § 278 Abs. 5 S. 2 ZPO keine weiteren Regelungen, etwa hinsichtlich Zuständigkeit, Anwendungsbereich oder Ausgestaltung eines solchen Verfahrens. Allerdings ist zu betonen, dass hier gerade die Übertragung der außergerichtlichen Streitschlichtung auf einen Dritten vorgesehen ist274.
272 273 274
BGBl. 1999 I Nr. 55, S. 2400 f. BTDrs. 14/980. Vgl. BTDrs. 14/4722, S. 83 f.; Zöller-Greger, ZPO, § 278 Rn. 3a.
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Kap. 2: Darstellung der Situation in Frankreich und Deutschland
Ein besonders hervorzuhebender Unterschied – neben der Tatsache, dass die Güteverhandlung in der Regel vom erkennenden Gericht selbst durchgeführt wird, während die Verweisung nach § 278 Abs. 5 S. 2 ZPO immer an einen Dritten erfolgt, der in einem sich gegebenenfalls anschließenden streitigen Verfahren gerade nicht entscheidet – ist, dass die Erkenntnisse, wie Sachvortrag und Prozesshandlungen, aus der Güteverhandlung für das streitige Verfahren verwertbar bleiben275, während dies bei dem Versuch einer außergerichtlichen Streitbeilegung nicht der Fall ist. Das darin zur Sprache Gekommene bleibt unverwertbar, da in der Regel eine Vertraulichkeitsvereinbarung getroffen wurde276. 5. Kritik Kritik erfährt insbesondere die Anordnung einer obligatorischen Güteverhandlung nach § 278 Abs. 2 ZPO. Nicht zuletzt mit Blick auf die Erfolglosigkeit ihres historischen Vorgängers wird der Sinn des verpflichtenden Charakters – anstelle einer Ausgestaltung als freiwilliges Verfahren – in Frage gestellt. Auch wird der Zeitpunkt zu Beginn des Verfahrens nicht durchweg für sinnvoll gehalten; vielmehr wird die Befürchtung geäußert, dass die Güteverhandlung zu einer bloßen Durchlaufstation zu verkommen droht und dadurch das Verfahren eher verzögert277. In der Praxis dürfte dies – insbesondere die Wahrnehmung der Güteverhandlung als Durchlaufstation – auch häufig der Fall sein. Tenor der Stellungnahmen des Deutschen Richterbundes (DRB) sowie der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) zur Umsetzung des § 15a EGZPO ist im Wesentlichen ebenso eine Ablehnung des obligatorischen Charakters außergerichtlicher Streitschlichtung. Die Grundidee wird zwar befürwortet – wenn auch in einzelnen Punkten und für bestimmte Materien kritisiert –, jedoch legen beide Stellungnahmen großen Wert auf die Forderung der Freiwilligkeit eines solchen Verfahrens278. Darüber gibt die BRAK die Gefahr einer Rechtszersplitterung durch die Öffnungsklausel zu bedenken, da dadurch in den Ländern unterschiedliche Streitbeilegungsverfahren eingeführt werden können und somit der gleiche Zugang der Verbraucher zum Recht beeinträchtigt werde279.
275
Zöller-Greger, ZPO, § 278 Rn. 18. Vgl. Schneeweiß, DRiZ 2002, 107 (111). 277 MüKo-Prütting, ZPO/Aktualisierungsbd., § 278 Rn. 29 ff. 278 BRAK-Stellungnahme-Nr. 32/2005 zu § 15a EGZPO, ; Antworten DRiB zu § 15a EGZPO, unter „Stellungnahmen“. 279 BRAK-Stellungnahme-Nr. 32/2005 zu § 15a EGZPO, , S. 4. 276
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II. Modellprojekte zur gerichtsnahen Mediation 1. Überblick Nachdem wir nun einen Einblick in die gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten gewonnen haben, wollen wir einen Blick in die Praxis und auf die Umsetzung dieser Regelungen werfen. Leider muss man feststellen, dass die Möglichkeit, die der neu eingeführte § 278 Abs. 5 ZPO bietet, in der gerichtlichen Praxis noch nicht viel Beachtung gefunden hat und von ihm eher spärlich bis gar kein Gebrauch gemacht wird. Eine solche Einschätzung lässt sich auch aus der nunmehr veröffentlichten Evaluation zur ZPO-Reform280 entnehmen. Eine Ausnahme bilden lediglich die – inzwischen recht zahlreichen – Modellprojekte zur gerichtsnahen Mediation. Solche Projekte wurden in einigen Bundesländern eingeführt. So sind folgende Projekte zur gerichtsnahen Mediation zu nennen281: a) Baden-Württemberg In Baden-Württemberg lief beim Amts- und Landgericht Stuttgart in den Jahren 2000 und 2001 ein auf zwei Jahre angelegter Modellversuch zur außergerichtlichen Konfliktbeilegung für Scheidungssachen, Sorgerechts- und Umgangs- sowie Erbschaftsstreitigkeiten, Schuldenregulierungen, unerlaubte Handlungen, Wohnungseigentumssachen, Nachbarschaftsstreitigkeiten, Räumungsstreitigkeit und andere Zivilprozessangelegenheiten. Das Verwaltungsgericht Freiburg bietet ebenfalls gerichtsnahe Mediation an. b) Bayern Das Land Bayern hat im Jahr 2005 an sieben Landgerichten den Modellversuch „Güterichter“ begonnen. c) Berlin Das Land Berlin betreut ein Pilotprojekt Gerichtsmediation bei der Berliner Verwaltungsgerichtsbarkeit.
280
Hommerich u. a., Evaluation ZPO-Reform, S. 83 ff., 276 f. Weitere Informationen zu den einzelnen Projekten siehe BMJ, Mediation, mit weiteren Verweisen. 281
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d) Hamburg In Hamburg gibt es zwar kein landesweites Projekt, jedoch besteht die Möglichkeit, Mediationsverfahren in familien- und erbrechtlichen Angelegenheiten sowie im Arbeits- und Wirtschaftsrecht bei der Öffentlichen Rechtsauskunftund Vergleichsstelle Hamburg, die der Behörde für Soziales und Familie angegliedert ist, durchzuführen. e) Hessen In Hessen laufen entsprechende Projekte an den Verwaltungsgerichten sowie am Verwaltungsgerichtshof. f) Mecklenburg-Vorpommern Mecklenburg-Vorpommern betreut das Pilotprojekt „Gerichtliche Mediation“ im Rahmen des zivilgerichtlichen sowie des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. g) Niedersachsen In Niedersachsen wurde am 1. März 2002 das Modellprojekt „Gerichtsnahe Mediation in Niedersachsen“ begonnen. Dieses auf drei Jahre angelegte Projekt wurde an sechs Gerichten – zwei Amtsgerichten, zwei Landgerichten sowie am Sozial- und am Verwaltungsgericht – durchgeführt und von einer wissenschaftlichen Begleitforschung ausgewertet. h) Nordrhein-Westfalen Seit dem 1. Januar 2005 betreut das Land Nordrhein-Westfalen im Rahmen des Projekts „Modellregion Ostwestfalen-Lippe“ das Pilotprojekt „Richterliche Mediation“ im Landgerichtsbezirk Paderborn. i) Rheinland-Pfalz Schließlich hat das Land Rheinland-Pfalz unter Federführung des Oberlandesgerichts Koblenz an fünf Amtsgerichten die in ein gerichtliches Verfahren eingebundene Mediation in Familiensachen eingeführt. j) Einzelne Projekte Daneben gibt es auch noch einzelne Projekte wie zum Beispiel das Altenkirchener Modell282 (Vorläufer für das Justizprojekt Koblenz) und das Cochemer
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Modell283 auf dem Gebiet des Familienrechts oder das Modellprojekt a.be.r in Nürnberg (ein Modellversuch zur außergerichtlichen Streitbeilegung, insbesondere in Bezug auf § 15a EGZPO)284. 2. Modellprojekt „Gerichtsnahe Mediation in Niedersachsen“ 285 Sämtliche Projekte können im Rahmen dieser Arbeit nicht behandelt werden. Jedoch soll eines herausgegriffen und näher dargestellt werden. Hierfür eignet sich besonders das Modellprojekt „Gerichtsnahe Mediation in Niedersachsen“. Dieses ist breit angelegt, wurde von einer Studie begleitet und hat gute Erfolge erzielt286. Außerdem kommt diesem Projekt eine gewisse Vorreiterrolle in Deutschland zu. Dieses Projekt wurde an zwei Amtsgerichten (Hildesheim und Oldenburg) und zwei Langerichten (Göttingen und Hannover) sowie einem Sozial- und einem Verwaltungsgericht (jeweils Hannover) durchgeführt. Es wurde am 1. März 2002 gestartet und war auf drei Jahre angelegt. Die auf zweieinhalb Jahre angelegte Praxisphase hat am 1. September 2002 begonnen und wurde von einer wissenschaftlichen Begleitforschung beobachtet. An den Modellgerichten wurde den Parteien die Möglichkeit eröffnet, auch nach Klageerhebung ihren Konflikt – in geeigneten Fällen – im Wege der Mediation einvernehmlich beizulegen. Grundlage für diese Möglichkeit ist § 278 Abs. 5 S. 2, 3 ZPO; denn im Rahmen dieses Projekts wird die Mediation in rechtshängigen Verfahren durch Richter als Gerichtsverwaltung qualifiziert287. Als Mediator wird dabei ein vom gesetzlich zuständigen Richter verschiedener Richter – unter teilweiser Freistellung von seinen richterlichen Aufgaben – tätig. Es wurden hierzu an jedem der sechs Modellgerichte zwei, am Landgericht Hannover drei Richter zu Mediatoren ausgebildet. Die übrigen Richter dieser 282 Altenkirchener Modell, . 283 Cochemer Modell, . 284 Modellversuch a.be.r, . 285 Siehe hierzu: Gerichtsnahe Mediation in Niedersachsen, . 286 Im Gegensatz zu dem Modellversuch in Stuttgart beispielsweise, siehe hierzu Modellversuch „Außergerichtliche Konfliktbeilegung“ am LG und AG Stuttgart, . 287 Siehe Gerichtsnahe Mediation in Niedersachsen, Abschlussbericht, , S. 9 f., insbes. Fn. 12. So auch Ortloff, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation; § 29 Rn. 85. Denkbar ist jedoch auch eine Qualifizierung als Teil der Rechtsprechung, so v. Bargen, DVBl 2004, 468 (474 f.).
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Kap. 2: Darstellung der Situation in Frankreich und Deutschland
Gerichte wurden zu sogenannten Fallmanagern bzw. Türöffnern qualifiziert. Ihre Aufgabe ist es, bei ihren Fällen die Mediationseignung zu erkennen, die Parteien und ihre Anwälte über Mediation und die entsprechenden Angebote zu informieren und ihnen gegebenenfalls eine gerichtsnahe Mediation vorzuschlagen. In Göttingen werden sogar grundsätzlich alle Verfahren der ersten Instanz routinemäßig für die Gerichtsmediation vorgeschlagen288. Die Initiative zur Mediation kann jedoch auch von den Parteien selbst bzw. von ihren Rechtsanwälten ausgehen289. Wichtig ist, dass die Entscheidung für oder gegen die Durchführung eines Mediationsverfahrens ganz allein bei den Parteien liegt, also von Freiwilligkeit getragen wird. Voraussetzung für die Mediation im Rahmen dieses Projekts ist überdies, dass die Parteien auch im Rahmen der Mediation anwaltlich vertreten sind290. Entscheiden sich die Parteien nach Rechtshängigkeit der Klage für die Mediation, wird gemäß §§ 278 Abs. 5 S. 3, 251 ZPO für die Dauer der Mediation das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Der Fall wird an den Richtermediator abgegeben. Ist die Mediation erfolgreich, sind die Parteien also zu einer Einigung gekommen, so endet sie mit einer schriftlichen und gegebenenfalls vollstreckbaren Vereinbarung, mit der die Parteien ihren Konflikt gütlich beilegen. Dies geschieht dadurch, dass der Richtermediator – nun als ersuchter Richter der Kammer, bei der das Verfahren anhängig ist (§ 278 Abs. 5 S. 1 ZPO analog) – die Gerichtsverhandlung eröffnet und den (gerichtlichen) Vergleich protokolliert291. Neben der Möglichkeit eines Vergleichsabschlusses kann das gerichtliche Verfahren auch dadurch beendet werden, dass die Parteien übereinstimmende Erledigungserklärungen abgeben oder die Klage zurückgenommen wird292. Bei Scheitern der Mediation wird das gerichtliche Verfahren wieder aufgenommen und vom gesetzlichen Richter weitergeführt293. Um einen Anreiz für die Parteien zu schaffen, sich für die Mediation zu entscheiden, ist diese zu Beginn der Praxisphase des Modellversuchs kostenfrei294. Die Mediationszeit betrug durchschnittlich zwischen 120 und 150 Minuten295.
288
Lührig, AnwBl 2006, 100 (101). Gerichtsnahe Mediation in Niedersachsen, Projektdarstellung, , S. 12. 290 § 7 Mediationsordnung, abgedruckt im Anhang des Abschlussberichts, Gerichtsnahe Mediation in Niedersachsen, , S. 55 ff.; Lührig, AnwBl 2006, 100 (101). 291 Lührig, AnwBl 2006, 100 (101). 292 Gerichtsnahe Mediation in Niedersachsen, Projektdarstellung, , S. 14; Abschlussbericht, , S. 5. 293 Gerichtsnahe Mediation in Niedersachsen, Projektdarstellung, , S. 14; Abschlussbericht, , S. 5. 294 Gerichtsnahe Mediation in Niedersachsen, Projektdarstellung, , S. 14. 289
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Ziel des Modellprojekts ist zum einen, die Sicht auf Konflikte und ihre Behandlung innerhalb der Justiz insofern zu erweitern, dass neben der richterlichen Entscheidung und dem gerichtlichen Vergleich auch nach alternativen Konfliktlösungen gesucht wird296. Zum anderen soll untersucht werden, inwieweit dadurch die Akzeptanz gerichtlicher Streitbehandlung und die Zufriedenheit der Parteien gesteigert werden297. Auch wird erhofft, einen Beitrag dazu zu leisten, dass sich die Streitkultur in Deutschland hin zu einer „stärker selbstverantwortlichen Konfliktbewältigung ohne streitiges Gerichtsverfahren“ verändert298. Des Weiteren soll durch dieses Projekt systematisches Wissen zur Vorgehensweise und zum Leistungsvermögen der gerichtsnahen Mediation erworben werden, das dann auch für die Aus- und Fortbildung von Juristen genutzt werden kann299. Nicht zuletzt soll auch die Arbeits- sowie Kostenbelastung sowohl der Justiz als auch der Parteien verringert werden300. Bei Befragungen im Rahmen des Modellprojekts kam heraus, dass sich eine sehr große Mehrheit sowohl der Parteien als auch der Rechtsanwälte mit dem Verfahrensablauf sowie dem erreichten Ergebnis zufrieden zeigte301. Das Projekt wird als durchaus vielversprechend und zukunftsträchtig bewertet302. In Niedersachsen wird das Mediationsangebot auch weiterhin über das Projekt hinaus aufrechterhalten303.
295 Gerichtsnahe Mediation in Niedersachsen, Abschlussbericht, , S. 29, 32, 34, 46 f. 296 Gerichtsnahe Mediation in Niedersachsen, Projektdarstellung, , S. 9. 297 Gerichtsnahe Mediation in Niedersachsen, Projektdarstellung, , S. 9; Abschlussbericht, , S. 6. 298 Gerichtsnahe Mediation in Niedersachsen, Projektdarstellung, , S. 10; Abschlussbericht, , S. 7. 299 Gerichtsnahe Mediation in Niedersachsen, Projektdarstellung, , S. 10 f.; Abschlussbericht, , S. 7. 300 Gerichtsnahe Mediation in Niedersachsen, Projektdarstellung, , S. 11 f.; Abschlussbericht, , S. 7. 301 Gerichtsnahe Mediation in Niedersachsen, Abschlussbericht, , S. 16. 302 Gerichtsnahe Mediation in Niedersachsen, Abschlussbericht, , S. 16 f., 55 (im vorliegenden pdf-Dokument besteht ein Fehler in der Zählung: S. 54 gibt es zweimal). 303 Gerichtsnahe Mediation in Niedersachsen, Abschlussbericht, , S. 55 (im vorliegenden pdf-Dokument besteht ein Fehler in der Zählung: S. 54 gibt es zweimal).
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D. Vergleich der Situationen in Frankreich und Deutschland Der in § 278 Abs. 1 ZPO verankerte Auftrag an den Richter, jederzeit auf eine gütliche Streitbeilegung bedacht zu sein, ist vergleichbar mit der Regelung in Art. 21 NCPC, der die Schlichtung zu den Aufgaben des Richters zählt. Mit der médiation judiciaire, also der im Rahmen des gerichtlichen Prozesses auf einen Dritten übertragenen gütlichen Streitbeilegung, im französischen Zivilprozess am ehesten vergleichbar ist die Regelung des § 278 Abs. 5 S. 2 ZPO. Allerdings enthält das französische Recht ziemlich detaillierte Bestimmungen in Bezug auf die formellen Voraussetzungen einer médiation judiciaire sowie auf das weitere Schicksal des anhängigen Gerichtsverfahrens. Die deutsche Vorschrift hingegen trifft keinerlei Regelungen über den Ablauf eines solchen Vorgehens, sondern nennt lediglich die Möglichkeit für den Richter, den Parteien eine alternative Streitschlichtungsmethode – unter anderem also eine Mediation – vorzuschlagen und das Verfahren dafür nach § 278 Abs. 5 S. 3 ZPO zum Ruhen zu bringen. Alles andere bleibt der Rechtspraxis überlassen. Aus diesem Grund liegt die Überlegung nahe, ob es sinnvoll wäre, wenn sich der deutsche Gesetzgeber an seinem linksrheinischen Nachbarn orientierte und das französische Modell zum Vorbild für eine deutsche Regelung nähme.
E. Spezielle Fragenkomplexe Hierzu sollen in diesem Abschnitt einzelne Fragenkomplexe herausgenommen und untersucht werden. Ausgangspunkt ist grundsätzlich das französische Recht. Eklektisch wird an manchen Stellen ein Blick auf die deutsche Situation und den Meinungsstand geworfen. Darüber hinaus werden bestimmte Probleme von beiden Warten aus gemeinsam betrachtet. Im Einzelnen wird zunächst auf die Gründe für die Integration der Mediation in ein gerichtliches Verfahren eingegangen (I.). Sodann werden die Anforderungen an den Dritten, der die Mediation durchführt, untersucht (II.). Der nächste Abschnitt beschäftigt sich mit dem Prinzip der Vertraulichkeit in der Mediation (III.). Darauf wird die Bedeutung der zivilprozessualen Verfahrensgarantien, insbesondere des Rechts auf ein faires Verfahren im Rahmen der Mediation (IV.) und die Freiwilligkeit des Mediationsverfahrens (V.) behandelt. Der anschließende Abschnitt wirft die Frage auf, inwiefern die Teilnahme von Anwälten am Mediationsverfahren sinnvoll oder eher hinderlich ist (VI.). Zuletzt beschäftigt sich die Arbeit mit dem geeigneten Zeitpunkt für die Durchführung einer Mediation (VII.) sowie deren Kosten (VIII.).
E. Spezielle Fragenkomplexe
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I. Gründe für Integration der Mediation in gerichtliches Verfahren Zunächst soll dargelegt werden, weshalb es sinnvoll ist, die Mediation – auch – in das gerichtliche Verfahren zu integrieren und es nicht dabei zu belassen, sie dem Prozess vorzuschalten bzw. es nicht lediglich der Initiative von Parteien und Anwälten anheimzustellen, im Vorfeld eines Prozesses hinsichtlich einer Mediation tätig zu werden. Hierbei werden in einem ersten Schritt die Vorzüge der Mediation gegenüber dem streitigen Verfahren dargestellt (1.), um dann in einem zweiten Schritt darauf einzugehen, worin der Mehrwert einer in den Gerichtsprozess integrierten Mediation besteht (2.). Abschließend wird ein Fazit gezogen (3.). Es wird vorwiegend der französische Blickwinkel betrachtet, wobei auch durchaus an der einen oder anderen Stelle deutsche Literatur hinzugezogen wird. 1. Vorzüge der Mediation gegenüber dem streitigen Verfahren a) Kritik am Gerichtsverfahren Wer hat es nicht schon gehört: „Die Justiz ist zu langsam, zu teuer, zu kompliziert, zu formell, zu ineffizient, zu weit von den Rechtsuchenden entfernt, sie ist zu unsicher, wenn nicht gar willkürlich“? So jedenfalls ist die – schonungslose, oft ungenaue und manchmal ungerechte – Meinung vieler Franzosen über ihr Rechtssystem, wie zahlreiche Umfragen ergeben304. Ein entsprechendes Urteil in Deutschland dürfte ähnlich aussehen. Nichtsdestotrotz war die Inanspruchnahme des Richters in Frankreich nie so stark und wurde sie nie als so unverzichtbar betrachtet, um die Regelung von Individual- oder Kollektivkonflikten zu sichern und um die Bedingungen für ein annehmbares und akzeptiertes Gesellschaftsleben zu sichern. Darin wird ein unbefriedigtes Bedürfnis nach Justiz sichtbar; es wird ein Einschreiten des Richters in gesellschaftliche, wirtschaftliche, persönliche, ja sogar politische Bereiche gefordert. Gleichzeitig wird aber paradoxerweise die Entscheidung des Richters nicht immer akzeptiert, sondern bestritten und oft nicht vollstreckt305. Mittlerweile genügt den Parteien nicht mehr, dass der Richter durch Anwendung abstrakter Rechtsnormen ihren Rechtsstreit entscheidet, sondern sie fordern von ihm mehr Menschlichkeit; er soll eine friedenschaffende und die 304 Vgl. etwa die Untersuchung von Breen, Évaluer la justice, S. 183–192, insbes. S. 188 ff. (Bargues/Ferey), in der Umfragen aus den Jahren 1980, 1991 sowie 1995– 2000 ausgewertet wurden. Siehe auch Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 264; Estoup, D. 1986, chr., 161 (162). 305 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 264.
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Kap. 2: Darstellung der Situation in Frankreich und Deutschland
sozialen, familiären oder persönlichen Spannungen schlichtende Rolle einnehmen306. Es wird sogar davon gesprochen, dass die Justiz zum „alltäglichen Konsumgut“ geworden sei307. Vom Richter werde heute praktisch nicht mehr verlangt, Recht zu sprechen. Er sei häufiger Mittel zur Eintreibung, Sozialarbeiter, Hilfskraft nicht offenbarter privater Interessen308. Mehr noch komme es – seit Erleichterung des Zugangs zur Justiz – vor, dass der Richter angerufen werde wegen Forderungen, die nicht auf einer juristischen Forderung begründet sind. Es herrsche eine Haltung, einen Richter anzurufen, um ihm bestehende Schwierigkeiten mitzuteilen, ohne einen klar abgefassten Anspruch zu formulieren309. Der traditionelle Gerichtsapparat hingegen steht diesen Erwartungen relativ ohnmächtig gegenüber, da er unzureichend ausgestattet und kulturell schlecht vorbereitet ist, zu reduzierten Kosten eine schnelle, lesbare Antwort auf die Klagen (demandes de justice) zu liefern. Entsprechend verschlechtert sich das Bild der Gerichtsinstitution in der öffentlichen Meinung310. b) Was leistet die Mediation, was das Gerichtsverfahren nicht leisten kann? aa) Geeignetes Mittel für bestimmte Situationen Es gibt Situationen, in denen eine gerichtliche Entscheidung ungeeignet oder sogar unausführbar ist. In diesen Fällen ist die Mediation oft ein tauglicheres Mittel, eine Lösung herbeizuführen. So bestehen häufig tatsächliche oder rechtliche Beziehungen zwischen den Parteien, die über den Rechtsstreit hinausgehen. Diese sollen auch nach einer rechtlichen Auseinandersetzung aufrechterhalten bleiben und fortgesetzt werden. Es handelt sich dabei in der Regel um familiäre, geschäftliche (insbesondere auch arbeitsrechtliche), nachbarschaftliche oder sonstige gesellschaftliche Verhältnisse.
306 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 264; Pluyette, Gaz. Pal. 1998, doctr., 702 (703). 307 Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 2, Coulon, Réflexions, S. 16. 308 Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 2; Jolibois/Fauchon, Rapp. Sénat, 30 oct. 1996, , unter Première partie, I. A. 1. a) 1. 309 Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 2. 310 Siehe die Umfrage, veröffentlicht in Le Monde, 1er févr. 2000 (Philippe Chriqui); vgl. auch die Untersuchung von Breen, Évaluer la justice, S. 183–192, insbes. S. 188 ff. (Bargues/Ferey), in der Umfragen aus den Jahren 1980, 1991 sowie 1995– 2000 ausgewertet wurden; Ruellan, JCP G 1999, I 135, nº 3.
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In solchen Fällen zerrüttet ein gerichtliches Urteil die Beziehung eher, als dass es ein Problem löst, und erschwert ihr Aufrechterhalten und Fortführen in der Zukunft. Durch eine Mediation hingegen kann die Rückkehr zum sozialen Frieden erleichtert und das Bedürfnis nach bzw. die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der Beziehung gewährleistet werden311. Genauso sind total blockierte Situationen – ob sie nun tatsächlich oder rechtlich verfahren sind – denkbar, für die eine gerichtliche Entscheidung ungeeignet oder unausführbar ist, da sie die Regelung des Rechtsstreits nicht sichern und eine Befriedung der Situation der Parteien nicht ermöglichen kann. Dies betrifft insbesondere die Konflikte im kollektiven Arbeitsrecht (Streik, Besetzung der Örtlichkeiten, Verbandstätigkeit, komplizierte Rechtsnachfolgemaßnahmen, die mangels akzeptabler Einigungen zur Vernichtung von Rechtsverhältnissen führen, etc.)312. Überdies gibt es Konstellationen, in denen die rechtliche und gerichtliche Lösung mit Blick auf die vergangene oder gegenwärtige Situation einer Partei offensichtlich ungerechte und wenig akzeptable Folgen nach sich zieht. Solche Situationen treten häufig in Konflikten im Bereich des Individualarbeitsrechts (Kündigungen jeder Art) auf, wenn die Parteien bereits jegliche Arbeitsverhältnisse beendigt haben und der Konflikt lediglich die Vergangenheit, nicht mehr die Unterhaltung künftiger Beziehungen betrifft. Eine Mediation hingegen kann durch Verhandeln der Lösung zu billigeren Ergebnissen führen als es einem Richter mithilfe des Rechts möglich ist313. In all diesen Fällen kann die Mediation den Konflikt oft besser, befriedigender und dauerhafter lösen, als dies ein gerichtliches Urteil könnte. bb) Bessere Kommunikation Wie sich aus Umfragen ergibt, wünschen sich viele Franzosen von ihrem Rechtssystem eine wirkliche Kommunikation mit der Justiz314. Da bei der Mediation mehr der Konflikt als solcher und seine Lösung im Vordergrund steht und weniger seine rechtliche Beurteilung, gibt sie bessere Gelegenheit zur Kommunikation – nicht zuletzt auch der Parteien miteinander.
311 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 285; Joly-Hurard, Médiation et conciliation, Rép. pr. civ. Dalloz, nº 290. 312 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 285. 313 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 286; Estoup, Gaz. Pal. 1989, doctr., 299 (300). 314 Estoup, D. 1986, chr., 161 (162); Estoup, Gaz. Pal. 1989, doctr., 299 (300); Estoup, Gaz. Pal. 1990, doctr., 614 (615).
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cc) Gerechtere Lösungen Bei der Mediation geht es – im Gegensatz zum Urteil – nicht um Rechte und Ansprüche, sondern um Interessen; es werden nicht vergangene Verhältnisse sanktioniert, sondern Lösungen gesucht. Am Ende des Verfahrens gibt es nicht einen Gewinner und einen Verlierer, sondern eine sogenannte win/win-Situation. Es ist gerade die Eigenart der Mediation, eine schlichte rechtliche Konfliktbetrachtung zu überwinden, sich vom „formalen“ juristischen „Anspruchs-“ bzw. „Positionendenken“ loszulösen, um eine selbstbestimmte Verhandlungslösung zu ermöglichen. Ziel der Mediation ist es, am Ende beide Parteien zufriedenzustellen315. Insbesondere ist es der Mediation – im Gegensatz zum Gerichtsverfahren, mit Ausnahme des Prozessvergleichs316 – auch möglich, Streitpunkte mitzuberücksichtigen, die nicht Gegenstand des anhängigen Prozesses und für die Lösung des Konflikts rechtlich nicht relevant sind317. Bei den gerichtlichen Vergleichsverhandlungen ist es allerdings der Richter, der mit den Parteien eine Einigung zu finden versucht, während das Miteinander-Verhandeln bei der Mediation vor einem und mithilfe eines am Prozess unbeteiligten Dritten stattfindet. Durch die Mediation gelangt man somit manchmal zu gerechteren und realistischeren Lösungen als durch reine Anwendung der Gesetze, denen dies durch die Überlagerung von allgemeinen oder besonderen Gegebenheiten nicht immer gelingt. Die Mediation erlaubt, die Anwendung von Regeln zu umgehen, die zu einem ungerechten Ergebnis führten und den Triumph des Rechts der Billigkeit opferten318. dd) Ökonomie und Zufriedenheit Die Erwartung, die an die Mediation gestellt wird, ist, dass sie ökonomischer, zeitsparender und für die Beteiligten zufriedenstellender ist als die gerichtliche Streitentscheidung319.
315 Heß/Sharma, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 26 Rn. 1; Breidenbach, in Breidenbach/Henssler, Mediation für Juristen, 1 (5); Timsit, Gaz. Pal. 2001, doctr., 1773 (1781). 316 Der Prozessvergleich setzt allerdings ein gegenseitiges Nachgeben voraus. Vgl. Zöller-Stöber, ZPO, § 794 Rn. 3. 317 Vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 278 Rn. 40; Breidenbach, in Breidenbach/Henssler, Mediation für Juristen, 1 (4 f.). 318 So Estoup, Gaz. Pal. 1989, doctr., 299 (300) für die conciliation judiciaire. 319 Gottwald, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 17 Rn. 13.
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ee) Bessere Akzeptanz und endgültige Befriedung Da die Parteien bei einer Mediation mehr Einfluss auf den Ausgang des Verfahrens haben und darauf geachtet wird, dass beide am Ende mit dem Ergebnis zufrieden sind, wird sie von den Parteien besser akzeptiert. Es handelt sich bei dem Ergebnis nicht um eine auferlegte Lösung – wie es bei einem Urteil der Fall ist. Die juristische Debatte macht aus den Parteien eher Gegner, verschärft den Streit und verhärtet die Fronten, wohingegen die Mediation darauf abzielt, nicht nur eine Entscheidung zu fällen, sondern den Streit zu befrieden. Dies gelingt nicht zuletzt dadurch, dass die Parteien selbst entscheiden, sich einigen, und zwar unter Bedingungen und nach Modalitäten, die sie unter der Leitung eines Dritten frei diskutieren konnten. Während die Anrufung eines Richters zum Zwecke der Streitregelung zur Prozessualisierung (judiciarisation), zu einer Dramatisierung führt – dieser sucht nach streitigen Lösungen, die juristische Erwägungen anlegen –, besänftigt die Mediation den Konflikt und bringt die Parteien wieder dazu, miteinander zu reden320. 2. Mehrwert der integrierten gegenüber der außergerichtlichen Mediation Nachdem nun die Vorteile des Mediationsverfahrens als solchem gegenüber dem Gerichtsverfahren deutlich geworden sind, stellt sich die Frage, weshalb es sinnvoll ist, die Mediation in das Gerichtsverfahren zu integrieren. Genügt es nicht, die Mediation einfach als Alternative außerhalb des Gerichtsverfahrens anzubieten? Worin besteht der Mehrwert einer gerichtsnahen Mediation? a) Unterscheidung zwischen médiation judiciaire und médiation conventionnelle Zunächst ist hervorzuheben, dass die médiation judiciaire/gerichtsnahe Mediation von der reinen médiation conventionnelle/rein vertraglichen Mediation unterschieden werden muss. Wenn auch ihr Zweck von gleicher Natur sein kann, so sind ihr System und ihre Konzeption sehr unterschiedlich. Die eine gibt einen rein vertraglichen Schritt wieder, während die andere im Zusammenhang mit einer neuen Funktion des Richters steht321. Die Anforderungen an diesen sind heutzutage weitergehend; neben der Entscheidung eines Rechtsstreits durch die Anwendung einer abstrakten Regel wird von ihm zusätzlich Mensch-
320 So Estoup, Gaz. Pal. 1989, doctr., 299 (300) für die conciliation judiciaire; JolyHurard, Médiation et conciliation, Rép. pr. civ. Dalloz, nº 290. 321 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 271.
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lichkeit sowie die Ausfüllung einer friedenschaffenden und die sozialen, familiären oder persönlichen Spannungen besänftigenden Rolle gefordert322. aa) Médiation conventionnelle Charakteristisch für die médiation conventionnelle, die auf ein grundlegendes Verlangen des in einer sozialen Struktur lebenden Menschen antwortet, ist hierbei, dass sie außerhalb jeglichen Einschreitens des Richters stattfindet und dass sie allein aus dem den Parteien gemeinsamen Willen hervorgeht; diese bestimmen das Prinzip, die anwendbaren rechtlichen Bestimmungen und die Grenzen. Die médiation conventionnelle ist rein vertraglich323. bb) Médiation judiciaire Die médiation judiciaire hingegen ist eine prozessuale Methode der Streitregelung, um in einer Konflikt- oder Blockadesituation ein Klima der Besänftigung wiederherzustellen und – wenn möglich – um eine einvernehmliche Lösung durch die Parteien zu fördern. Durch ihre legislative Ausgestaltung ist die médiation judiciaire, neben anderen prozessualen Wegen, zu einer Streitregelungsmethode geworden, die einem auf dem Weg des gerichtlichen Rechtsstreits begonnenen Konflikt erlaubt, unter der Leitung des Richters in Richtung einer konsensualen Behandlung gelenkt zu werden und so eine gütliche Lösung zu erreichen324. Im Gegensatz zur médiation conventionnelle spielt der Richter bei der médiation judiciaire eine wesentliche Rolle325. b) Rolle des Gerichts in der Konfliktlösung Bevor man sich über den Sinn einer Integration der Mediation in das gerichtliche Verfahren Gedanken macht, muss man zunächst fragen, welche Rolle das Gericht in der Lösung von rechtlichen Konflikten überhaupt hat, wie sein Selbstverständnis ist. Hat es reine Entscheidungsfunktion oder will und soll es den ihm vorgelegten Konflikt endgültig lösen und die Parteien – auf Dauer – befrieden?
322 323 324
Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 264. Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 272. Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 274,
279. 325 Siehe die gesetzlichen Regelungen der Art. 131-1 ff. NCPC. Timsit, Gaz. Pal. 2001, doctr., 1773 (1776).
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Bleibt das Gericht bei seinem Selbstverständnis schlicht bei der Streitentscheidung stehen, so ist wohl für eine Mediation kein oder wenig Raum. Will sich das Gericht hingegen als „Lösungsfinder“ verstehen, so ist Mediation eine von verschiedenen Wegen und Mitteln, diese Aufgabe zu erfüllen. Von der Beantwortung dieser Frage, hängt im Wesentlichen ab, ob auch im Rahmen des Gerichtsverfahrens eine Mediation angeboten werden sollte. Hierzu muss man etwas weiter ausholen. aa) Wandlung der staatlichen Justiz (1) Gesetzeskult Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war Frankreich militarisiert aus dem napoleonischen Abenteuer herausgegangen. Dieses hatte den Kult der Autoritäten und an erster Stelle der Autoritätsphänomene den Gesetzeskult, dessen dienstbarer Wachposten der Richter war, in den Himmel gehoben. Der Code civil von 1804 und der Code de procédure civile bildeten gewissermaßen dessen Kanon326. (2) Verrechtlichung der Gesellschaft Die französische Gesellschaft erlebte eine tiefgreifende Veränderung, in allen Bereichen des privaten oder öffentlichen Lebens, auf gesellschaftlichem, wirtschaftlichem und kulturellem Gebiet. Sie hat sich verstädtert, individualisiert, zersplittert. Die vorschnelle Begeisterung für die Norm – auf nationaler Ebene genauso wie auf internationaler Ebene – hat die gesellschaftlichen Verhältnisse verrechtlicht (juridiciser) und dadurch den Rechtsstreit begünstigt. Der Richter wird angerufen, sei es um die Achtung der neuen Gesetzestexte zu gewährleisten, sei es einfach um deren Wortlaut zu interpretieren, der häufig unverständlich und technisch ist. Die Justiz ist zum „alltäglichen Konsumgut“ geworden327. (3) Veränderung der Anforderungen an den Richter Wie bereits oben im Rahmen der Kritik am Gerichtsverfahren erwähnt328, werde heute vom Richter weniger verlangt, Recht zu sprechen, als vielmehr, Forderungen einzutreiben, die Rolle eines Sozialarbeiters zu übernehmen oder 326
Cadiet, Mélanges Champaud, nº 29. Coulon, Réflexions, S. 16; Pluyette, Gaz. Pal. 1998, doctr., 702 (703); Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 2. 328 Siehe S. 91 f. 327
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private Interessen durchzusetzen329. Diese Veränderung wird häufig als die vielfach zitierte „Krise der Justiz“ bezeichnet330. (4) Entformalisierung der Justiz Seit Ende des 20. Jahrhunderts ist also nicht mehr das allmächtige Gesetz Gegenstand eines stark ritualisierten Kultes in ehrwürdigen und gewaltigen Hallen, denen man sich nur mit Ehrfurcht nähert. Die Justiz hat sich gewissermaßen entformalisiert: Die Palais de justice sind cités judiciaires geworden, die sich wiederum in maisons du droit et de la justice verwandeln. Die Justiz hat sich „ausgelagert“, auch in die Medien331; sie geht sogar soweit, sich „zur Ware zu machen“ (se marchandiser)332, so dass französische Ökonomen – von den ultraliberalen amerikanischen Schulen beeinflusst – so weit gingen, ihre vollständige Privatisierung vorzuschlagen333. (5) Bedeutungsverlust des Gesetzes – Stärkung des Vertrages Das Schwinden dessen, was man legicentrisme nennt, also des im Zentrum stehenden Gesetzes, gibt der Übereinkunft und dem Vertrag neue Freiheitsbereiche zurück334. Die staatliche Justiz hat also einen Wandel vollzogen, eine neue Einstellung gewonnen, die sich, indem sie den juristischen Schluss aufgibt, dem Abwägen der Interessen öffnet. Das Urteil kann nicht mehr nur ein durch das Gesetz auferlegter Autoritätsakt sein, sondern eine Entscheidung, die am besten die divergierenden Interessen miteinander in Einklang bringt. Es geht darum, ihre Akzeptanz durch die sich gegenüberstehenden Parteien zu fördern. Diese Philosophie ist traditionellerweise die der Schiedsgerichtsbarkeit; sie durchdringt die staatliche Justiz335. Dieses Phänomen wird für die Krise des Wohlfahrtsstaats (État-providence) mitverantwortlich gemacht. Es offenbart eine vielseitige Gestaltung der Aufgaben des Staates und insbesondere der Aufgabe, Recht zu sprechen336.
329 Jolibois/Fauchon, Rapp. Sénat, 30 oct. 1996, , unter Première partie, I. A. 1. a) 1.; Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 2. 330 Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 2. 331 Guinchard, Mélanges Cornu, S. 201 ff. 332 Dezalay, Justices 1995, nº 1, S. 121 ff. 333 Lemennicier, Justices 1995, nº 1, S. 135 ff. 334 Cadiet, Mélanges Champaud, nº 29. 335 Vgl. van Compernolle, Mélanges Rigaux, S. 495 (502 ff.). 336 Cadiet, Mélanges Champaud, nº 17; ders., Mélanges Cornu, S. 29 (48 ff., nº 34).
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(6) Entwicklung zu einem Vermittlerstaat Loïc Cadiet schließt daraus auf drei Formen des Staates, die auf drei Figuren des Richters verweisen: Nach dem „Nachtwächterstaat“ (État-gendarme), der vom Gesetz beherrscht und damit beauftragt ist, die Ordnung der Freiheiten zu sichern, und dem „Wohlfahrtsstaat“ (État-providence), von der Rechtsverordnung beherrscht und damit beauftragt, die Förderung der Gleichheit, mit anderen Worten die soziale Gerechtigkeit, zu sichern, würde ein Staat entstehen, der darauf achtet, die Brüderlichkeit zu garantieren. Man könnte diesen Staat „Vermittlerstaat“ (État-modérateur ou médiateur) nennen; sein bevorzugtes Instrument wäre eine Justiz des vertraglichen Typs. Insbesondere werde der Rechtsuchende zum Richter seiner eigenen Interessen gemacht337. In Bezug auf Konfliktlösungen scheine die heutige Zeit sogar durch die Entwicklung dessen gekennzeichnet zu sein, was man „die Justiz außerhalb des Richters“ oder „die Entprozessualisierung“ (déjudiciarisation) nenne, die in einer von den Parteien selbst verhandelten Regelung des Streits bestehe338. Diese verhandelte Regelung könne verschiedene Formen annehmen und sie bedeute nicht notwendigerweise den absoluten Ausschluss des Staates und seiner Richter, selbst wenn sie spontan ist, umso mehr wenn sie institutionalisiert ist339. (7) MARC als Weg aus der Krise der Justiz Dieser „Krise der Justiz“, die in der Überlastung des Justizapparates Ausdruck findet und mit dem Bedürfnis der Rechtsuchenden nach einer justice de proximité einhergeht340, versucht der Gesetzgeber durch eine Erweiterung des Angebots seitens der Justiz auf die MARC (modes alternatifs de règlement des conflits) Abhilfe zu schaffen341. Damit wird die Hoffnung verbunden, die Qualität der Verwaltungstätigkeit der Justiz zu verbessern342.
337
Cadiet, Mélanges Champaud, nº 17. Alpa, R.I.D.C. 1993, 755 (755 f.). Die vergleichenden Studien in Samson/Mc Bride, Solutions de rechange au règlement des conflits, Alternative Dispute Resolution, besprochen von Cadiet, R.I.D.C. 1994, 1213 ff. zeugen von einer weiten Verbreitung dieses Phänomens. 339 Cadiet, Mélanges Champaud, nº 18. 340 Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 4; Beauchard, Justices 1995, nº 2, 35 (37 ff., 42 ff.); Wyvekens/Faget, Justice de proximité, S. 11. 341 Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 3; Couchez, Procédure civile, nº 7 bis; Jarrosson, Droit et patrim. 1999, 36 (36, 39); Revet, commentaire loi nº 98-1163 du 18 déc. 1998, RTD civ. 1999, 220 (224 f.), nach dem die MARC zunächst eine Antwort „auf eine Notwendigkeit der öffentlichen Verwaltung sind, bevor sie eine philosophische, ethische oder kulturelle Wahl darstellen“. 342 Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 4; Coulon, Réflexions, S. 53 ff. 338
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(8) Zwischenergebnis Das gegenwärtige Selbstverständnis der Justiz scheint sich also keineswegs mehr auf das reine Fällen von Urteilen zu beschränken. Vielmehr soll die friedenschaffende Aufgabe des Richters von diesem wieder erfüllt343, dem Bürger eine Lösung seines Rechtsstreits geboten werden und gleichzeitig den „Mängeln“ der Justiz – ihrer Langsamkeit, der Überlastung der Gerichte, (teilweise) der Kostspieligkeit und der Unzufriedenheit der Parteien – abgeholfen werden. Diese neue Form der Justiz wird sehr verschieden benannt: justice „négociée“, „amiable“, „consensuelle“, „alternative“344 oder „justice convenue“345. Die Eigenheit dieser neuen Justizform ist, die friedenschaffende Methoden der Konfliktregelung zu begünstigen, das heißt, diejenigen, die darauf abzielen, die Parteien in Einklang über die Lösung zu bringen, und die meistens – in Abkehr vom gerichtlichen System – einen Dritten einschreiten lassen346. bb) Conciliation als ureigenste Aufgabe des Richters Auch in Art. 21 NCPC ist das Conciliieren als die ureigenste Aufgabe des Richters – zur Wahrung des sozialen Friedens – verankert: „Es gehört zu der Aufgabe des Richters, die Parteien zu conciliieren.“347 (1) Übertragung der Conciliationsaufgabe auf einen Dritten Da der Richter jedoch häufig – wegen seiner oben bereits erwähnten Überlastung – nicht genügend Zeit und Verfügbarkeit aufbringen kann, diese Aufgabe entsprechend den Erwartungen zu erfüllen, wird ihm dies durch die Übertragung an einen Dritten erleichtert. So kann er seine Aufgabe dennoch erfüllen, zwar nicht persönlich, jedoch garantiert er den Parteien seine Aufsicht (tutelle) über die Durchführung der médiation/conciliation durch einen Dritten. Das Gesetz vom 8. Februar 1995 befreit nun also den Richter von der Verpflichtung, die Parteien selbst zu conciliieren und zwingt ihn nicht mehr, jedes Mal auf diese gütliche Methode zu verzichten, wenn er weder über Zeit noch über die notwendigen Mittel verfügt, sie persönlich durchzuführen. Bis dahin verhinderte die Unverfügbarkeit des Richters schlichtweg jeden Versuch der conciliation 343
Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 1; Coulon, Réflexions,
S. 19. 344
Rivier, in Chevalier/Desdevises/Milburn, Les modes alternatifs, S. 25 (27). Cornu, R.I.D.C. 1997, 313 (313). 346 Jarrosson, R.I.D.C. 1997, 325 (329, nº 13); Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 1 . 347 Estoup, D. 1986, chr., 161 (163); Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 268, 279. 345
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judiciaire; nun stellt dies kein Hindernis mehr für ihre Durchführung dar. Der Richter erhält durch diese Regelung nunmehr die Möglichkeit, sein Amt vollkommen – wenn auch indirekt durch Delegation – zu erfüllen348. Bei der médiation judiciaire handelt es sich um eine Justizverwaltungsmaßnahme, die die für eine gute Durchführung der Aufgabe notwendigen Elemente enthalten muss (Art. 131-6 und 131-7 NCP). Sie ist keine Delegation der Befugnisse und Aufgaben des Richters; denn sie räumt dem médiateur keine eigene Befugnis ein und bleibt unter der Kontrolle des Richters (Art. 131-2 Abs. 2 NCPC)349. (2) Vorteile der Übertragung auf einen Dritten Wird der Médiations-/Conciliationsversuch auf einen Dritten übertragen und nicht selbst vom Richter durchgeführt, so hat dies den Vorteil, dass dieser sich ausschließlich darauf konzentrieren kann, den Parteien zu einer Einigung zu verhelfen. Er arbeitet nicht unter Zeitdruck, wie vielleicht bei einem überlasteten Richter die Gefahr bestünde, und bringt daher neben größerer Verfügbarkeit auch mehr Geduld auf, hört besser zu. Daneben hat dies den beachtlichen Vorzug, dass es sich bei der Person, vor der man offen diskutiert, eben um einen Dritten handelt und nicht um dieselbe Person, die bei einem Scheitern des Einigungsversuchs später ein Urteil fällt. Die Parteien werden so offener reden, da sie weniger die Gefahr fürchten, dass das Gesagte anschließend in einem eventuellen Urteil verwertet werden könnte. Dies wiederum erhöht die Chancen auf eine Einigung. Im NCPC wird nun an manchen Stellen gerade gefordert, dass die conciliation im Rahmen des Verfahrens versucht wird; dafür sind auch Maximen festgelegt, nämlich dass es zu der Aufgabe des Richters gehört, die Parteien zu conciliieren, dass die conciliation an Ort und Stelle versucht wird, die der Richter für günstig hält, dass die Parteien immer vom Richter verlangen können, ihre Einigung festzustellen350. Durch die Übertragung auf einen Dritten wird die Erfüllung dieser Anforderungen nur erleichtert. c) Erfassung der bereits bei Gericht anhängigen Fälle Nicht außer Acht zu lassen ist die Tatsache, dass durch eine verfahrensintegrierte Mediation auch die Fälle erfasst werden können, die bereits vor Gericht
348 Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 285; Jarrosson, Justices 1997, nº 6, 274 (279 f.); Cornu/Foyer, Procédure civile, nº 9, S. 57. 349 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 292 f. 350 Siehe auch Estoup, D. 1986, chr., 161 (163).
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gebracht wurden. Was spricht dagegen, dass auch sie noch eine Chance auf eine gütliche Regelung bekommen? Es handelt sich dabei häufig um die letzte Möglichkeit für die Parteien, zu einer Einigung zu gelangen, die ihnen vielleicht vorher nie nahegelegt oder nur halbherzig empfohlen worden ist. Wie die juges d’instance, die die Möglichkeit haben, die Parteien ohne Mittelsmann (intermédiaire) zu hören, feststellen, sind die Rechtsuchenden weit weniger erbittert darauf aus, eine Verurteilung ihres Gegners zu erreichen, als man annehmen könnte. Vielmehr würden sie sich mit einer vergleichsweisen Lösung zufriedengeben, wenn sie ihnen vorgeschlagen werden würde351. Darüber hinaus kann es häufig sinnvoll sein, erst die rechtliche Lage im Rahmen eines Gerichtsverfahrens zu beleuchten. Die Parteien kennen dann den Standpunkt des Richters; gleichzeitig sind die Gepflogenheiten des Verfahrens, die sonst vielfach ein Hindernis für die Entwicklung gütlicher Einigungen innerhalb des Verfahrens darstellen, eingehalten. Auch wird die Mediation/conciliation dann nicht – insbesondere von den Anwälten – als Mittel betrachtet, den Prozess verfrüht anzuhalten. Die Parteien entscheiden in Kenntnis einer rechtlichen Einschätzung ihres Falles, ob sie eine Aburteilung gemäß einer abstrakten Norm oder eine gütliche Lösung bevorzugen. Dies hat zur Folge, dass die Parteien dann auch offener für eine gütliche Lösung sind352. d) Folgen Nicht zuletzt fördert auch die Integrierung der Mediation in das gerichtliche Verfahren die Verrechtlichung bzw. Prozessualisierung der Mediation. So müssen rechtliche Fragestellungen miteinbezogen werden. Insbesondere ist das Ergebnis der Mediation, also die Einigung der Parteien, in der „Abschlussvereinbarung“ rechtlich zu fixieren. Außerdem muss die Durchführung des Verfahrens selbst rechtlich abgesichert werden – sowohl im Verhältnis zwischen den Parteien, als auch im Verhältnis zu konkurrierenden Verfahren, sei es vor staatlichen Zivilgerichten oder vor Schiedsgerichten. Diese Verrechtlichung bzw. Prozessualisierung geht aber auch mit einer Verbesserung der Qualität des Mediationsverfahrens einher und führt zu einer Erhöhung der – heute noch eher geringen353 – Akzeptanz dieser Form der Konfliktbewältigung bei den poten-
351 Estoup, D. 1987, chr. 269 (270). Dieser sogar speziell zu den Vorteilen, die das Angebot des Richters zu einer gütlichen Einigung noch nach Schließung der Verhandlungen bieten. 352 Estoup, D. 1987, chr. 269 (271). Dieser sogar speziell zu den Vorteilen, die das Angebot des Richters zu einer gütlichen Einigung noch nach Schließung der Verhandlungen bieten. 353 Althammer, JZ 2006, 69 ff. (insbes. 69, 71).
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tiellen Nutzern354. Dies gilt schon für die Mediation im Allgemeinen; noch mehr entfaltet diese Entwicklung allerdings ihre Wirkung, wenn die Mediation im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens durchgeführt wird. Denn in diesem Fall steht die Mediation noch viel stärker im „Dunstkreis“ des Rechts. Die Formen der gerichtsnahen Mediation können auf längere Sicht durchaus zu einer „qualitativen Erweiterung der justiziellen Angebotspalette“ führen355. Überdies können alternative Streitbelegungsversuche präventive Folgewirkungen nach sich ziehen. Da bei der Streitbehandlung auch Themen jenseits des konkreten Prozessgegenstands einfließen, können diese neben einer positiven Beeinflussung des laufenden Verfahrens auch zur Entschärfung potentieller Konfliktstoffe beitragen. Durch gerichtsnahe Mediation kann somit eine neue Streitkultur befördert werden, die dauerhaften Rechtsfrieden stiftet356. 3. Zwischenfazit Wie dargelegt wurde, bietet die Mediation im Allgemeinen bereits zahlreiche Vorzüge im Vergleich zu einem gerichtlichen Verfahren, wie zum Beispiel Zeitund Kostenersparnis, interessengerechte, „maßgeschneiderte“ Lösungen, bessere Akzeptanz und Befriedigung der Parteien. Darüber hinaus wartet die gerichtsnahe Mediation/médiation judiciaire mit weiteren Vorteilen auf. Insbesondere erleichtert sie dem Richter, seiner Aufgabe, die Parteien bei der Suche nach einer gütlichen Streitbeilegung zu unterstützen, gerecht zu werden, was ihm sonst häufig aufgrund von Zeit- und Verfügbarkeitsmangel – infolge Überlastung – schwerfällt357. Für diesen Fall eignet es sich, wenn er diese ihm anvertraute Aufgabe an einen Dritten überträgt – wobei er „Herr des Verfahrens“ bleibt –, da er sie dadurch erfüllt, aber dennoch keinen Zeitverlust hat. Dass diese Aufgabe ein Dritter übernimmt, hat zum einen den Vorteil, dass es eben gerade ein Dritter ist, dem man Dinge anvertraut und vor dem man verhandelt, und nicht dieselbe Person, die bei einem Scheitern des Einigungsversuchs später ein Urteil fällt. Die Parteien werden so offener reden, da sie weniger die Gefahr fürchten, dass das Gesagte anschließend in einem eventuellen Urteil verwertet wird. Zum andern hat dies den Vorzug, dass der Dritte sich eben ausschließlich um die Einigung kümmert, mehr Zeit hat und dadurch wahrscheinlich auch mehr „bei der Sache ist“ als ein Richter, der gegebenenfalls unter Zeitdruck steht.
354 So zur Mediation allgemein Heß/Sharma, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 26 Rn. 1; Eidenmüller, FS Schlosser, S. 45 (47 f.). 355 Gottwald, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 17 Rn. 49. 356 Althammer, JZ 2006, 69 (75). 357 Vgl. auch Estoup, D. 1986, chr., 161 (161).
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Insbesondere ist die integrierte Mediation sinnvoll, um Fälle aufzufangen, die schon vor Gericht gelangt sind, um auch ihnen noch die Vorteile der médiation/ conciliation gegenüber streitigen Verfahren zu gewähren. Allerdings ist zur Förderung und Nutzung der gerichtsnahen Mediation erforderlich, dass zunächst die Richter selbst von diesem Verfahren überzeugt sind. Erst dann ist es ihnen möglich, auch die Parteien davon zu überzeugen.
II. Anforderungen an den „Dritten“ Nachdem nun schon viel von der Übertragung der Mediation auf einen Dritten gesprochen wurde, beschäftigt sich der folgende Abschnitt mit der Frage, welche Anforderungen dieser „Dritte“ erfüllen muss, wer zur Erfüllung dieser Aufgabe in Frage kommt. Dabei werden zunächst die gesetzlichen sowie die nicht gesetzlichen Anforderungen dargestellt (1.). Danach wird näher darauf eingegangen, welche Personen bzw. Berufsgruppen konkret mit der Mediationsaufgabe betraut werden können (2.). Außerdem wird die Ausbildung zum Mediator betrachtet (3.). Schließlich werden spezielle Probleme, die sich bei der Besonderheit, dass eine association als Mediator beauftragt wird, ergeben, erörtert (4.). Letztlich wird ein kurzer Blick nach Deutschland geworfen (5.), bevor mit einem kurzen Fazit geschlossen wird (6.). Hauptaugenmerk liegt bei den Ausführungen auf der Situation in Frankreich. 1. Anforderungen an Dritte a) Gesetzliche Anforderungen An den „Dritten“, der als médiateur oder conciliateur in Betracht kommt, werden bestimmte Anforderungen gestellt. Er muss bestimmte Garantien gewährleisten, die aber nicht in jedem Fall die gleichen sein müssen. Ausgehend von Art. 21 Abs. 1 des Gesetzes nº 95-125 vom 8. Februar 1995 sind die Voraussetzungen durch ein Dekret des Conseil d’Etat festzusetzen. Für den médiateur wurde dies durch das Dekret nº 96-652 vom 22. Juli 1996 getan, das insofern in Art. 131-5 NCPC umgesetzt wurde. Was den conciliateur betrifft, so wird zum Teil auf den conciliateur de justice verwiesen358, dessen Anforderungen ausführlich in dem Dekret nº 78-381 vom 20. März 1978, modifiziert durch das Dekret nº 96-1091 vom 13. Dezember 1996, bestimmt sind, oder es erfolgt ein direkter Verweis auf dieses Dekret359. Der Inhalt dieser gesetzlichen Regelungen wurde bereits oben ausführlich vorgestellt360. Auf diese Ausführungen wird hier verwiesen. 358 359
Art. 840 Abs. 2, 847 Abs. 2, 847-3 Abs. 2 NCPC. Art. 831 Abs. 1 NCPC.
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Vergegenwärtigt man sich die gesetzlich festgesetzten Anforderungen nochmals, so fällt auf, dass der Dritte im Rahmen einer médiation judiciaire anspruchsvollere Voraussetzungen erfüllen muss als im Rahmen einer tentative préalable de conciliation. Eine Erklärung für diesen Unterschied wird dahingehend versucht, dass der Richter, wenn er entscheidet, einen médiateur zu beauftragen, gleichzeitig darauf verzichte, seine ursprüngliche Aufgabe wahrzunehmen, den Rechtsstreit in Anwendung der Rechtsregeln zu entscheiden. Vielmehr ersetze er dadurch die gerichtliche Behandlung des Streits durch eine gütliche und auf Vereinbarung beruhende Behandlung, die er einem Dritten anvertraue. Darin liege eine gewisse prozessuale Umwälzung, die – auch wenn sie von dem Einverständnis der Parteien gedeckt sei – mit einem Maximum an insbesondere rechtlichen Garantien für die Parteien verbunden sein müsse361. Beim conciliateur de justice hingegen, bei dem die Situation auf den ersten Blick genauso erscheinen mag, ist die Lage insofern anders, als dieser eine originäre Aufgabe des Richters erfüllt, er ist ein auxiliaire de justice. Eine prozessuale Umwälzung finde in dem Sinne also nicht statt362. Allerdings ist zuzugeben, dass diese Unterscheidung sehr feinsinnig ist und aus diesem Grund vielleicht nicht ganz so überzeugt; denn in der Praxis handelt es sich dabei eher um einen marginalen Unterschied. Im Folgenden wird daher in erster Linie auf die Person des médiateur eingegangen. b) Allgemeine Anforderungen Über die gesetzlich geregelten Anforderungen hinaus werden von der Person des Dritten weitere Qualifikationen und Eigenschaften gefordert. aa) Menschliche Eigenschaften In erster Linie werden menschliche Eigenschaften von ihm verlangt. Er muss die Fähigkeit besitzen, zuhören und einen Dialog führen zu können sowie den Problemen anderer Aufmerksamkeit schenken zu können363. Es soll eine Vertrauen vermittelnde Person mit gesundem Menschenverstand sein364. 360
Für den médiateur siehe oben S. 62 f.; für den conciliateur de justice siehe oben
S. 67. 361
Joly-Hurard, Médiation et conciliation, Rép. pr. civ. Dalloz, nº 274. Vgl. Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 582. 363 Joly-Hurard, Médiation et conciliation, Rép. pr. civ. Dalloz, nº 259 f.; Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 308; Branlard, Procédure civile, S. 151. 364 Joly-Hurard, Médiation et conciliation, Rép. pr. civ. Dalloz, nº 261; Estoup, D. 1986, chr., 161 (162); Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 308; Branlard, Procédure civile, S. 151. 362
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Er soll nicht nur ein „Mann des guten Willens“ sein, sondern gleichzeitig Humanist und Psychologe365. Auch sollte er Charakter und Autorität haben, die es ihm ermöglichen, die médiation so zu lenken, dass sie nicht in eine Sackgasse oder zu Lösungen, die offensichtlich unabdingbaren Vorschriften widersprechen, führt366. bb) Alter, Geschlecht, Grundberuf Bei der Wahl des médiateur/conciliateur ebenfalls zu beachten sind Alter, Geschlecht sowie Grundberuf der in Betracht kommenden Person. Einerseits vermittelt ein älterer médiateur vielleicht mehr Weisheit, andererseits fühlen sich jüngere médieurs (Medianden) unter Umständen wohler, im Beisein eines jüngeren Dritten miteinander zu sprechen. Auch vermitteln jüngere médiateurs eventuell mehr Neutralität als ein juge honoraire, ein expert 367 honoraire, ein avocat honoraire oder andere Männer und Frauen mit großer Erfahrung, die sich dem Verdacht ausgesetzt sehen müssen, dass ihre Kompetenz zu schwer auf ihren Schultern lastet, um wirklich neutral zu sein, und sie eher urteilten, als die Parteien zu begleiten. Ebenso kann das Geschlecht des médiateur eine Rolle spielen. Sein Grundberuf ist genauso ins Kalkül zu ziehen und man muss sich fragen, ob die Parteien in ihm in erster Linie den Psychologen, den Professor, den Spezialisten im Baurecht (expert en droit de la construction), den auf Geschäftraummiete spezialisierten Anwalt (avocat spécialiste en baux commerciaux) oder aber den médiateur sehen368. Des Weiteren ist es hilfreich, wenn der Dritte eine gute Kenntnis der Mentalität und des sozialen Milieus der Parteien hat369. cc) Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Neutralität Vor allem muss er natürlich Unabhängigkeit und Unparteilichkeit sowie Neutralität verkörpern. Dies ergibt sich bereits aus Art. 131-5 NCPC370. Die Unabhängigkeit des médiateur/conciliateur muss sich zum einen auf die Parteien beziehen, zum anderen muss sie in Anbetracht der Natur des Rechts365 Serge Guinchard, zitiert in Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 308. 366 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 308. 367 Sachverständiger. 368 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 141. 369 Joly-Hurard, Médiation et conciliation, Rép. pr. civ. Dalloz, nº 261; Estoup, D. 1986, chr., 161 (162). 370 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 142, 144, 147, 308; Joly-Hurard, Médiation et conciliation, Rép. pr. civ. Dalloz, nº 261; Guinchard, Droit processuel, nº 596.
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streits im Hinblick auf die vergangenen Tätigkeiten des médiateur gewährleistet sein371. (1) Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Richters Was genau aber ist unter Unabhängigkeit und Unparteilichkeit bzw. Neutralität zu verstehen? Man kennt diese Begriffe in der Regel im Zusammenhang mit dem Richter. Danach ist unabhängig, wer keinem Druck ausgesetzt und insbesondere frei von Weisungen ist, unparteilich bzw. neutral, wer unvoreingenommen ist. Für den Richter äußert sich das Erfordernis der Unabhängigkeit darin, dass er vor Druck, den Dritte oder die Parteien ausüben, geschützt wird – und zwar vornehmlich durch seine Unabsetzbarkeit und das Verbot der Einmischung in die Ausübung seiner Funktion. Das Prinzip der Unparteilichkeit dient hingegen dazu, die Parteien vor Abwegen des Richters zu schützen. Insbesondere zwei Situationen können dieses Prinzip gefährden: Zum einen, wenn der Richter materielle und intellektuelle Verbindungen mit einer der Parteien des Rechtsstreits hat, zum anderen, wenn der Richter vor seiner Anrufung Kenntnis von dem Rechtsstreit hatte372. (2) Übertragung des gleichen Maßstabs auf den médiateur? Man muss sich allerdings fragen, ob für den médiateur der gleiche Maßstab anzulegen ist wie für den Richter. Denn faktisch wird es zahlreiche médiateurs geben, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen. So werden beispielsweise médiateurs durch private Unternehmen, wie Kreditinstitute oder Versicherungen – in ihren eigenen Rechtsstreitigkeiten – benannt und von ihnen bezahlt. Da liegt es nahe, dass sie materielle und intellektuelle Verbindungen mit einer der Parteien, die sich in der médiation befinden, unterhalten. Dass ihnen dadurch ihre Integrität und ihre Unabhängigkeit des Geistes abgesprochen werden muss, kann zumindest nicht ohne Weiteres bejaht werden373. Hierzu muss man sich die Verbindung zwischen der Funktion, ein Urteil zu fällen, und dem Erfordernis der Unabhängigkeit und der Unparteilichkeit vor Augen führen und anmerken, dass die Funktion des davon verschiedenen Conciliierens ein flexibleres Verständnis dieses Erfordernisses rechtfertigen könnte. In der Tat bezweifelt niemand, dass ein Richter unabhängig und unparteilich sein muss. Ein parteiischer Richter wird als nicht „richtiger“ Richter wahrge-
371 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 142, 144, 147, 308. 372 Guinchard, Droit processuel, nº 596. 373 Siehe auch Guinchard, Droit processuel, nº 596.
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nommen374. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die richterliche Institution zum Ziel hat zu vermeiden, dass sich jeder selbst Recht verschafft. Dies bedeutet jedoch für die Partei die Aufgabe eines Teils an „Souveränität“. Das Verbot, Selbstjustiz zu üben, ist in dem Maße akzeptabel, wie sich die gegnerische Partei nicht mithilfe des Richters selbst Recht verschafft. Ein parteiischer bzw. abhängiger Richter ist also derjenige, der – ohne Verhandlung – für eine Seite Partei ergreift. Damit ist er nicht mehr Richter eines Rechtsstreits, sondern der Richter dieser Partei, die sich durch ihn selbst Recht verschafft. Das Erfordernis der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit ist mithin die Voraussetzung für die Effektivität des Verbots, sich zum Richter seiner eigenen Sache zu machen375. Haben sich die Parteien nun aber dafür entschieden, den Weg der médiation einzuschlagen, ist die Ausgangssituation nicht mehr dieselbe. Es geht nicht mehr darum, dass Recht gesprochen wird, folglich bedarf es keines Richters. Es gelten andere Voraussetzungen für ein eventuelles Erfordernis der Unabhängigkeit des médiateur. Dennoch ist dieses durch zwei Gründe – einen tatsächlichen und einen rechtlichen – gerechtfertigt376. Tatsächlich stellt die Unabhängigkeit des médiateur eine Voraussetzung für die Durchführbarkeit der médiation dar. Die médiation bedingt notwendigerweise Zugeständnisse. Hierfür ist es nötig, dass der médiateur in völliger Unabhängigkeit Vorschläge machen kann und über Handlungsspielraum verfügt, nicht aber Sprachrohr seines Mandanten ist. Diese Unabhängigkeit wird jedoch als eine Unabhängigkeit des Geistes verstanden, die sogar ein Lohnempfänger, dem man freie Hand lasse, haben könne377. Rechtlich ist die Unabhängigkeit des médiateur wohl auch eine Voraussetzung für die Billigkeit der médiation; diese Billigkeit wird durch die Achtung der Waffengleichheit charakterisiert. Eine akzeptable médiation setzt voraus, dass die Zugeständnisse der Parteien in Kenntnis der tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen gemacht werden. Der médiateur hat dafür Sorge zu tragen, das Verfahren so zu organisieren, dass jede Partei imstande ist, das Ausmaß ihrer Zugeständnisse zu beurteilen. Aus diesem Grund genügt ein médiateur, der typischerweise Verbindungen zu einer der Parteien hat, nicht allen hierfür erforderlichen Anforderungen. Eine Ausnahme hiervon könne man allenfalls in Fälle machen, wenn beispielsweise die vom médiateur vorgeschlagene Lösung den Versicherer bindet, der Versicherte aber in seiner Entscheidung frei gelassen wird. Auf diese Weise werde das relative Ungleichgewicht der médiation in ihrer Organisation – nämlich dem „Stellen“ des médiateur durch die stärkere Partei – durch ein in seinem Ergebnis symmetrisches Ungleichgewicht kompensiert378. 374 375 376 377
Frison-Roche, D. 1999, chr., 53 ff. Guinchard, Droit processuel, nº 596. Guinchard, Droit processuel, nº 596. So Guinchard, Droit processuel, nº 596.
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dd) Rechtskenntnisse?379 Etwas uneinheitlich sehen die Antworten in Bezug auf die Frage aus, ob der Dritte Rechtskenntnisse haben muss. (1) Meinungsstand Teilweise wird vertreten, dass die juristischen Kenntnisse nicht als unerlässlich zu betrachten seien. Zwar seien sie in bestimmten Situationen sicherlich nützlich, stellten jedoch lediglich ein positives Element unter anderen dar380. An anderer Stelle wird ein Minimum an juristischen und technischen Kenntnissen entsprechend dem Rechtsstreit, eine gewisse Erfahrung auf dem Gebiet der zu betrachtenden Streitsache von dem Dritten gefordert, damit er die gestellten Probleme beherrscht und bei der Unterhaltung mit den Parteien und ihren Anwälten Vertrauen und Kompetenz vermittelt. Die Kenntnis des Rechts und seines Gebrauchs sei notwendig, um schwerwiegende Fehler – wie die Billigung von Lösungen, die unabdingbaren Vorschriften widersprechen – zu vermeiden. Außerdem genüge es oft, den Parteien die Rechtsvorschriften oder Rechtsverordnungen zur Kenntnis zu bringen, damit sich diese ihnen unterwerfen. Dadurch nähmen die conciliateurs direkt an der Hilfe zum Zugang der Rechtsuchenden zum Recht teil, wie es ihnen implizit seit dem Dekret vom 13. Dezember 1996 aufgetragen wurde381. (2) Stellungnahme Auch wenn man nicht verlangen kann, dass jeder médiateur umfassende Rechtskenntnisse besitzt – was letztlich dazu führen würde, dass lediglich Personen mit juristischen Grundberufen für diese Funktion in Frage kämen –, so sind solche Kenntnisse in jedem Fall hilfreich und durchaus auch wünschenswert. Rechtskenntnisse des médiateur erleichtern es den Rechtsuchenden, zu einer Einigung zu gelangen, die auch im Einklang mit dem Recht steht. Der médiateur kann dann gleich darauf achten, dass der Vergleich, den die Parteien schließen, auch nicht etwa mit unabdingbaren Vorschriften kollidiert oder gegen die guten Sitten verstößt. Natürlich kann eine solche „Rechtskontrolle“ auch 378
Guinchard, Droit processuel, nº 596. Siehe hierzu auch unter S. 117 ff. (rechtlicher Schwerpunkt bei der Ausbildung der conciliateurs de justice). Vgl. auch Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 574 ff. 380 Branlard, Procédure civile, S. 151. 381 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 308; Estoup, D. 1986, chr., 161 (162); Joly-Hurard, Médiation et conciliation, Rép. pr. civ. Dalloz, nº 261, 268. 379
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durch die Hinzuziehung von Rechtsanwälten oder die rechtliche Überprüfung des zu schließenden Vergleichs durch Anwälte gewährleistet werden. Insbesondere im Rahmen einer Familienmediation mag der Schwerpunkt wohl noch mehr auf der emotionalen Ebene liegen, so dass man vielleicht mehr Wert auf psychologische als auf juristische Kenntnisse des médiateur legt. Eine weitere Möglichkeit, Rechtskenntnisse im Rahmen der médiation zu gewährleisten, ist die Co-Mediation. Sie wird von zwei médiateurs durchgeführt; hier ist es dann sinnvoll, wenn einer der beiden juristische Kenntnisse aufweist. Pauschal kann man meines Erachtens nicht fordern, dass jeder médiateur umfassende Rechtskenntnisse haben muss. Jedoch ist es sehr wünschenswert, dass zumindest Grundkenntnisse vorhanden sind. Sollte eine Person ohne Rechtskenntnisse die médiation durchführen, so hat sie jedoch sicherzustellen, dass auf andere Weise eine rechtliche Überprüfung der Einigung und bestenfalls auch des Médiationsverfahrens vorgenommen wird. 2. Welche Personen bzw. Berufsgruppen kommen konkret als „Dritter“ in Frage? Nachdem nun also die gesetzlichen und nichtgesetzlichen Anforderungen an den Dritten dargelegt wurden, stellt sich die Frage, wer nun konkret als médiateur/conciliateur in Betracht kommt, somit also „Dritter“ sein kann. Hier wird zunächst eine Unterscheidung zwischen dem conciliateur de justice (a) und dem médiateur (b) vorgenommen. a) Conciliateur de justice Wie von der Chancellerie vorgenommenen Untersuchungen zeigen, werden Personen sehr unterschiedlichen Ursprungs und Ausbildung als conciliateur de justice benannt. Hierdurch wird ermöglicht, weite Bevölkerungsschichten an der Ausübung dieser Funktionen teilnehmen zu lassen382. In der Praxis nehmen die Funktion der conciliateurs de justice oft magistrats honoraires (ehrenamtliche Richter), anciens avocats (ehemalige Anwälte) oder anciens notaires (ehemalige Notare), commissaires de police (Polizeikommissare), enseignants oder officiers en retraite (Lehrer oder Beamte im Ruhestand), aber auch Mitglieder der professions libérales (Freiberufler), der Privatwirtschaft oder des Bildungswesens wahr383. Es handelt sich also um auxiliaires de justice (Rechtspflegeorgane) und Personen, die durch ihre Tätigkeiten in den 382
Branlard, Procédure civile, S. 150. Guinchard, Droit et pratique de la procédure civile nº 325.222; Branlard, Procédure civile, S. 151, Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 219. 383
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juristischen, wirtschaftlichen, sozialen und technischen Bereichen qualifiziert sind384. Sie sind an ein tribunal d’instance angeschlossen und ihre Zuständigkeit ist auf den Zuständigkeitsbereich dieses tribunal beschränkt385. b) Médiateur aa) Allgemein Als médiateur kommt theoretisch jeder in Frage, der die fünf Voraussetzungen des Art. 131-5 NCPC erfüllt386. Zurzeit werden auch hier hauptsächlich ehemalige magistrats oder greffiers (Gerichtskanzler), avocats, experts (Sachverständige), conciliateurs de justice oder Personen der Wirtschafts- und Gesellschaftswelt von den tribunaux als médiateurs benannt387. bb) Besondere Problemfälle (1) Richter Problematisch ist, ob und inwiefern ein Richter die Funktion des médiateur übernehmen kann. (a) Meinungsstand Aus dem Wortlaut ergibt sich bereits, dass der Richter selbst, der mit dem Fall betraut ist und den Dritten zur Durchführung der médiation benennt, diese Aufgabe nicht übernehmen kann, da er ja per Definition schon kein „Dritter“ ist. Jedoch stellt sich die Frage, wie es sich mit einem anderen Richter, der nicht mit der Rechtssache befasst ist, verhält. Diesbezüglich hatte jedenfalls der erste von der Gesetzeskommission abgeänderte Entwurf von 1990 die aktiven Richter (magistrats en activité) für diese Tätigkeit ausdrücklich ausgeschlossen388.
384
Estoup, D. 1986, chr., 161 (163). Guinchard, Droit et pratique de la procédure civile, nº 325.222. 386 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 8, Guinchard, Droit et pratique de la procédure civile, nº 325.242, Couvrat/GiudicelliDelage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 193. 387 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 308, 323. 388 Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 187. 385
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Teilweise wird – ohne näher darauf einzugehen – die Ansicht vertreten, dass ein aktiver Richter nicht als médiateur benannt werden könne, auch nicht in einem anderen Verfahren als dem, über das er zu erkennen hat389. Andererseits scheint die Rechtsprechung nichts gegen die grundsätzliche Benennung eines magistrat/juge als médiateur einzuwenden zu haben390. In dem betreffenden Urteil der cour d’appel von Paris wurde lediglich entschieden, dass der zum médiateur berufene Richter seine Befugnisse überschritten hatte, indem er im Rahmen der médiation eine gerichtliche Entscheidung fällte. Gegen seine Benennung an sich wurde nichts eingewandt; vielmehr wurde darauf hingewiesen, dass häufig magistrats als médiateurs benannt werden. Dies spricht dafür, dass auch Richter, die nicht mit dem entsprechenden Rechtsstreit befasst sind, die Aufgabe des médiateur übernehmen können391. Allerdings wird in der deutschen Literatur – in Deutschland gibt es einige Projekte gerichtsnaher Mediation, in deren Rahmen gerade Richter in Fällen, für die sie nicht entscheidungsbefugt sind, die Mediation durchführen392 – die Frage aufgeworfen, ob (aktive) Richter überhaupt geeignet sind zu mediieren393. Diese Frage wird kontrovers diskutiert. In den unterschiedlichen Modellprojekten der verschiedenen Staaten sowie innerhalb Deutschlands wird diese Frage unterschiedlich gehandhabt394. Insbesondere werden Zweifel angemeldet, dass eine Person, „dessen Beruf und Berufung darin bestehen, Rechtskonflikte mit staatlicher Autorität zu entscheiden“395, sich so sehr zurücknehmen könne, dass sie die Parteien lediglich bei einer eigenständigen Lösung ihres Konflikts unterstütze396. Darüber hinaus wird gefragt, ob die Mediation – aus dienstrechtlicher Sicht – überhaupt zu den richterlichen Aufgaben gehöre397. Hierzu werden im Wesentlichen zwei Auffassungen vertreten. Die eine Ansicht subsumiert die Gerichtsmediation unter die Wahrnehmung von Aufgaben der Gerichtsverwaltung (§ 4 Abs. 2 Nr. 1 DRiG)398, während die andere Auffassung Gerichtsmediation den Aufgaben der rechtsprechenden Gewalt und damit den originären Richteraufgaben zurechnet, indem darin „eine besondere Methode der den Gerichten in 389
Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 308. CA Paris, 1er ch., 28 mars 1991, D. 1992, somm. comm., 124 f., comm. Julien. 391 In diese Richtung auch Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 187. 392 Siehe oben S. 85 ff. 393 Gottwald, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 17 Rn. 58; Greger, ZKM 2003, 240 (244). 394 Siehe hierzu Gottwald, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 17 Rn. 57. 395 Greger, ZKM 2003, 240 (244). 396 Greger, ZKM 2003, 240 (244); Duve, Mediation und Vergleich, S. 231. 397 Greger, ZKM 2003, 240 (244). 398 So Ortloff, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 29 Rn. 84 f. 390
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§ 278 Abs. 1 ZPO aufgetragenen gütlichen Streitbeilegung“ gesehen wird, die nach § 278 Abs. 5 S. 1 ZPO auch einem kommissarischen Richter übertragen werden kann399. Eine andere – rein praktische – Frage ist, ob man es als sinnvoll erachtet, bei den teils knappen Personalressourcen der Justiz deren Aufgaben noch auszuweiten, anstatt es anderen zu überlassen, die Mediation durchzuführen400. (b) Stellungnahme Es leuchtet nicht ein, weshalb der Richter nicht auch eine médiation durchführen dürfen soll. Er ist geradezu prädestiniert dazu, da er Jurist ist, somit also das Vorhandensein von – teilweise sogar geforderten, teilweise als zumindest nützlich erachteten – rechtlichen Kenntnissen sichergestellt ist. Die formalen Kriterien des Art. 131-5 NCPC wird er in der Regel erfüllen. Im Gegensatz zum Anwalt, der unbestritten die Aufgabe des médiateur wahrnehmen kann – obwohl er für eine Partei zu „kämpfen“ pflegt –, zeichnet ihn darüber hinaus aus, dass er aufgrund seiner Aufgabe gewohnt ist, neutral und unparteiisch zu sein. Schon kraft seines Amtes garantiert er erhöhte Neutralität. Überdies kann in Frankreich jeder, der die Voraussetzungen des Art. 131-5 NCPC erfüllt, als médiateur tätig sein. Ist dies bei einem Richter der Fall – hat er insbesondere auch eine Ausbildung oder zumindest Erfahrung mit der Mediationspraxis –, so steht dem nichts im Wege. Dem Einwand, ein Richter könne sich unter Umständen nicht weit genug von seiner gewohnten Rolle als Entscheider distanzieren, ist entgegenzuhalten, dass auch der Richter durchaus mit dem Verhandeln und Schlichten vertraut ist; dies ist sogar gesetzlich von ihm gefordert (Art. 21 NCPC, § 278 Abs. 1, 2 ZPO). Überdies ist es den Richterpersönlichkeiten, denen man ja auch sonst die Entscheidung eines Rechtsstreits in die Hände legt, durchaus zuzutrauen, sich auf ihre neue Rolle als Mediator einzustellen. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie eine entsprechende Ausbildung absolviert haben401. (2) Conciliateur de justice Ein weiteres Problem stellt die Frage dar, ob ein conciliateur de justice als médiateur benannt werden kann. Auch dies ist umstritten.
399 400 401
Greger, ZKM 2003, 240 (244). In diese Richtung Greger, ZKM 2003, 240 (244). So auch Greger, ZKM 2003, 240 (244).
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(a) Gesetzeslage Der Entwurf von 1990 verbot die médiation „à titre professionnel ou à titre d’activité accessoire habituelle“402. Das heißt, dass die médiation nicht als Beruf, also professionell oder als gewöhnliche Tätigkeit ausgeübt werden sollte. Danach wären die conciliateurs de justice ausgeschlossen gewesen. Davon steht nun jedoch nichts mehr in den Gesetzestexten. Ist daraus zu schließen, dass jetzt auch der Benennung der conciliateurs de justice als médiateurs nichts mehr im Wege steht? Der Wortlaut verbietet eine solche Ernennung nicht. Jedoch birgt sie die Gefahr, Schwierigkeiten zu bereiten. Denn der conciliateur schreitet – wie wir gesehen haben – ehrenamtlich ein, während der médiateur grundsätzlich für seine Tätigkeit vergütet wird403. (b) Streitstand Teilweise wird der Einsatz der conciliateurs de justice als médiateurs unproblematisch als möglich angenommen404. Teils wird die Frage zwar problematisiert, dann jedoch bejaht. Es sei durchaus möglich, dass ein conciliateur de justice die Funktion eines médiateur übernehme und dabei ehrenamtlich tätig werde und implizit auf die durch Art. 131-6 Abs. 2 sowie Art. 131-13 NCPC angeordnete Vergütung verzichte. Denn außer der Beachtung gewisser wesentlicher Prinzipien, wie beispielsweise der Pflicht zur Vertraulichkeit, handele es sich bei den Vorschriften der Dekrete von 1996 nicht um unabdingbare Vorschriften, so dass sie eine freie Anwendung ohne Verletzung der genannten Prinzipien zuließen. Ebenso stehe es dem conciliateur de justice frei, die Aufgabe als médiateur wahrzunehmen und dafür eine Vergütung zu erhalten. Die Lehre setzt hier auf die tägliche Gerichtspraxis, die ihre schöpferische Kraft beweisen und zur Verbesserung der Gesetzestexte dienen solle405. (c) Stellungnahme In der Tat leuchtet nicht ein, weshalb die Vorschrift des Art. 131-6 Abs. 2 und 3 bzw. des Art. 131-13 NCPC zwingend sein sollte und einem conciliateur de justice verbieten sollte, auch ehrenamtlich die Tätigkeit als médiateur vorzunehmen. Die conciliateurs de justice erfüllen aufgrund der an sie gestellten Anforderungen in der Regel die Voraussetzungen des Art. 131-5 NCPC und wer402 403 404 405
Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 193. Guinchard, Droit et pratique de la procédure civile, nº 325.242. Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 193, 224. Cohen, Gaz. Pal. 1998, doctr., 1199 (1200).
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den häufig aus dem gleichen Personenkreis wie die médiateurs ausgewählt. Jedoch drängt sich hier das Problem der Vermischung auf. Wann wird ein conciliateur de justice als ehrenamtlicher, unvergüteter médiateur tätig? Wann lässt er sich als médiateur vergüten – wogegen ebenfalls nichts spricht? Wenn jedoch die Möglichkeit einer unvergüteten médiation besteht, werden die Parteien dann nicht immer einen conciliateur de justice als médiateur vorziehen? Ein Gespräch406 mit Jacques Salzer407 hat ergeben, dass dieser Streit in der Praxis wohl eher von nebensächlicher Natur ist. Der conciliateur de justice sei praktisch kaum bekannt. Diese Institution werde fast nicht gefördert. Zwar könnten die Parteien in der Tat frei wählen, ob sie ihre médiation einem médiateur oder einem conciliateur de justice anvertrauen wollten. Jedoch würden sich selbst bei Kenntnis des Angebots der conciliateurs de justice die meisten dennoch für einen médiateur entscheiden, da dieser größere Kompetenz vermittele und besser – bzw. überhaupt – ausgebildet sei. Insbesondere bei Wirtschaftsmediationen käme es dann auf die Frage der Vergütung auch gar nicht an. Vor allem aufgrund der weitgehenden Unbekanntheit der conciliateurs de justice sieht Jacques Salzer in dem Problem, dass der médiateur zu vergüten ist, der conciliateur de justice hingegen nicht, eine eher theoretische Frage. Grundsätzlich spricht meines Erachtens jedoch nichts dagegen, auch einen conciliateur de justice als médiateur zu benennen, zumal er die erforderlichen Voraussetzungen in der Regel erfüllen wird. In diesem Fall ist das Problem der Vergütung wohl dadurch zu lösen, dass im Voraus mit den Parteien zu klären ist, ob der conciliateur de justice – gegebenenfalls konkludent – auf das Entgelt verzichtet oder aber die Vergütung als médiateur erhält. (3) Sachverständiger Wie sieht es nun mit dem Sachverständigen aus? Art. 240 NCPC verbietet die Übertragung der Conciliationsaufgabe an einen benannten technicien408. Somit können weder der constatant 409, noch der con406
Gespräch am 06.01.2006 in Paris. Dozent (im Ruhestand) an der Universität Paris-Dauphine (Paris IX) und Koordinator des cycle „Les pratiques de médiation“ am C.N.A.M. (Conservatoire National des Arts et Métiers), Ausbilder in Konfliktführung und médiation sowie selbst médiateur. 408 Technicien ist der Überbegriff für die verschiedenen Arten von Sachverständigen im französischen NCPC, Art. 232 ff. NCPC. Es gibt den constatant, den consultant und den expert. Diese techniciens führen jeweils die verschiedenen Sachverständigenbeweise durch, die abgestuft sind – von der constatation als dem „schwächsten“ über die consultation als dem „mittleren“ bis hin zur expertise als dem „stärksten“ Sachverständigenbeweis. 409 Die constatation wird vorgenommen, wenn die Lösung eines Prozesses von einer tatsächlichen Situation abhängt, die vor Ort festzustellen oder nachzuprüfen ist. 407
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sultant 410 oder der expert 411 die Conciliationsaufgabe erhalten. Wenn aber beispielsweise der expert nicht als solcher in einer Rechtssache bestellt ist, gibt es keinen Grund, ihn nicht als médiateur zu benennen, wenn er die fünf Voraussetzungen erfüllt. Was zweifelsohne unmöglich ist, ist die Kumulierung der Aufgaben der Beweisaufnahme (instruction) und der conciliation in ein und derselben Sache. Die techniciens412 können also entweder als technicien oder als médiateur, nicht aber als beides gleichzeitig benannt werden413. Bereits vor dem Gesetz von 1995 war die Rechtsprechung der Ansicht, dass Art. 240 NCPC den bestellten Sachverständigen nicht hindere, eine zwischenzeitlich erreichte Einigung zwischen den Parteien in seinem Gutachten festzuhalten414. So sieht Art. 281 NCPC das Modell einer conciliation im Laufe des Gutachtens vor, indem der Sachverständige feststellt, dass seine Aufgabe gegenstandslos geworden ist415. Die cour d’appel von Aix-en-Provence hat klargestellt, dass das gegenüber dem Sachverständigen bei Nichtigkeit des Vergleichs aufgestellte Verbot ihm nicht verbiete, den Parteien zu raten, sich zu vergleichen oder ihnen sogar ein Vergleichsprotokoll zu unterbreiten, da die Initiative einer solchen Annäherung das Vorrecht der Parteien im Rechtsstreit bleibe und der Sachverständige nicht persönlich zu der Handlung einschreite416. Die Cour de cassation fügte hinzu, dass das tribunal den Sachverständigen beauftragen kann, seinen Bericht nur abzufassen, „falls die Parteien nicht selbst zu einer conciliation kämen“417.
Anstatt diesen Augenschein selbst vorzunehmen, kann der Richter damit einen technicien beauftragen, der ihm dann davon berichtet. Dieser gibt jedoch keine Stellungnahme dazu ab und zieht keine Schlüsse tatsächlicher oder rechtlicher Art; Art. 249 ff. NCPC. 410 Die consultation ist ein Beweismittel, das zum Ziel hat, die Stellungnahme eines Spezialisten über eine relativ einfache technische Frage einzuholen; diese technische Frage darf keine komplexen Untersuchungen (investigations) erfordern; Art. 256 ff. NCPC. 411 Die expertise ist ein Beweismittel, das von einem vom Richter bestellten technicien ausgeführt wird mit dem Ziel, dem Richter eine Stellungnahme zu einer technischen Frage, die komplexe Untersuchungen (investigations) erfordert, zu geben; Art. 263 ff. NCPC. 412 Zwar sprechen Couvrat/Giudicelli-Delage (J.-Cl. proc. civ., fasc. 160, nº 194) hier von „experts“; allerdings wird dieser Begriff häufig synonym für den Oberbegriff „technicien“ verwandt. Dies kommt daher, dass es früher ausschließlich den expert als Sachverständigen gab. Hierzu Solus/Perrot, Droit judiciaire privé, t. 3, nº 898. 413 Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 194. 414 Cass. civ. 2e, 21 juill. 1986, Bull. civ. 1986, II, nº 131. 415 Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 195. 416 CA Aix-en-Provence, 3 févr. 1992 (Juris-Data nº 1992-040791), zitiert in Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 196. 417 Cass. civ. 2e, 21 mars 1979, Bull. civ. 1979, II, nº 91; RTD civ. 1980, 161 (162 f.), obs. Perrot; Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 197.
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Es ist darauf hinzuweisen, dass die Praxis vor Inkrafttreten des Nouveau Code de procédure civile ganz anders war; der Sachverständige conciliierte oft418. Einige von ihnen meinen zu Unrecht noch immer, selbstständig conciliieren zu können. Es herrsche ein leichtes Bedauern unter den Sachverständigen419. Wenn sie in der Realität die Parteien manchmal tatsächlich weiter conciliieren, achten sie genau darauf, deutlich klarzustellen, dass die Parteien sich selbst untereinander geeinigt haben. Somit werden der Wortlaut des Gesetzes und die Neigung des technicien zur conciliation bewahrt420. Das Gesetz von 1995 ändert nichts an dieser Unmöglichkeit für den bestellten Sachverständigen, sich auch einer selbstständigen Conciliationsaufgabe anvertraut zu sehen. Ebenso wenig ändert es an dem Spielraum der Interpretation der Rechtsprechung. Jedoch gilt Art. 240 NCPC heute selbstverständlich auch für den technicien, der gleichzeitig médiateur wäre. Man muss diesen Text so verstehen, dass er dem Richter verbietet, dem benannten Sachverständigen zugleich die Aufgabe zu conciliieren oder auch médiateur zu sein, zu übertragen. Wenn ein technicien nicht benannt ist für eine mesure d’instruction (Beweisaufnahme), kann er dagegen conciliateur oder médiateur sein. Er muss lediglich die Voraussetzungen dafür erfüllen. Jedoch sieht Art. 131-8 NCPC seinerseits vor, dass der médiateur nicht über pouvoirs d’instruction verfügt und dass er nicht im Laufe desselben Verfahrens beauftragt werden kann, eine mesure d’instruction auszuführen421. 3. Ausbildung Im Folgenden widmet sich die Arbeit der Frage, wie man conciliateur de justice (a) und médiateur (b) wird und ob eine spezielle Ausbildung erforderlich ist. a) Conciliateur de justice Zum conciliateur de justice kann theoretisch jeder ernannt werden, der die Voraussetzungen des Art. 2 des modifizierten Dekrets nº 78-381 vom 20. März 1978 erfüllt. Es stellt sich jedoch die Frage, inwiefern bei der Rekrutierung der Kandidaten eine Auswahl oder Eingrenzung stattfindet, ob eine Ausbildung sowie eine Kontrolle vorgesehen sind.
418
Couvrat/Giudicelli-Delage, Couvrat/Giudicelli-Delage, 420 Blanc/Viatte, NCPC, t. 1, fasc. 160, nº 199. 421 Couvrat/Giudicelli-Delage, 419
J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 198. J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 199. Art. 281; Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 200.
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Kap. 2: Darstellung der Situation in Frankreich und Deutschland
Eine Kontrolle der Übereinstimmung des Profils des Kandidaten mit dem von den Gesetzestexten geforderten beschränkt sich im Wesentlichen auf den Moment der Rekrutierung der conciliateurs de justice. Sind sie einmal als solche ernannt, so ist praktisch kein Kontrollmechanismus mehr vorgesehen – von ihrem Jahresbericht422 einmal abgesehen. Auch findet eine Supervision ihrer Conciliationspraxis nicht statt. Die Rekrutierung erfolgt – wie vom Dekret vorgeschrieben – in vier Etappen, in denen von verschiedenen Behörden die Konformitätskontrolle durchgeführt wird. Die erste Etappe besteht in der Regel aus einem Motivationsschreiben seitens des Kandidaten, das an den président du tribunal de grande instance im Zuständigkeitsbereich seines Wohnsitzes gerichtet ist. Hierin legt er unter Beifügung verschiedener Unterlagen seine Motivation und Begründung dar. In einem nächsten Schritt werden in einem Gespräch mit dem magistrat, der innerhalb des Gerichtsbezirks mit der Supervision der Conciliationseinrichtung beauftragt ist, die im Schreiben erwähnten Informationen vervollständigt, gegebenenfalls die fehlenden Papiere nachgereicht sowie der Kandidat auf seine wirkliche Motivation geprüft. Außerdem dient dieses Gespräch einer ersten Kontaktaufnahme mit dem künftigen conciliateur, wobei ihm seine Aufgaben und Anforderungen dargelegt werden. Nachdem dieser magistrat dann seine Stellungnahme zur Kandidatur, die seinen Eindruck vom Kandidaten, dessen Schwächen und Qualitäten beinhaltet, an den procureur de la République übermittelt hat, lässt dieser in einer dritten Etappe die Moral des Kandidaten sowie die Angaben in seinen Unterlagen überprüfen. Dies wird von den polizeilichen Dienststellen (services de la gendarmerie ou de la police) durchgeführt. Dabei werden justizielle Auffälligkeiten untersucht, der Leumund ergründet, unter anderem durch Befragung von Angehörigen (Eltern, Nachbarn, Arbeitskollegen) des Kandidaten, aber auch durch Konsultation der nationalen Dateien der renseignements généraux423. Im vierten und letzten Schritt erfolgt dann – je nach Urteil des procureur de la République – entweder die Ablehnung des Antrags oder – nach Übermittlung der Akte an den premier président de la cour d’appel – die offizielle Ernennung für einen anfänglichen Zeitraum von einem Jahr, jeweils um fünf Jahre verlängerbar, und Einsetzung des conciliateur de justice durch Eidesableistung vor der cour424. Um gewisse Standards zu gewährleisten, wurden jedoch verschiedene Ausbildungs- und Rekrutierungsprogramme für conciliateurs de justice eingerichtet, die sich aber eher noch im Versuchsstadium befinden425. Zunächst war es der 422
Art. 9 bis Dekret nº 78-381 vom 20. März 1978. Ungefähr vergleichbar mit den deutschen Verfassungsschutzämtern. 424 Art. 3 Abs. 1, Art. 8 Abs. 2 Dekret nº 78-381 vom 20. März 1978; Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 567 ff. 425 Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 564, 572. 423
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juge d’instance selbst, der als am geeignetesten angesehen wurde, die conciliateurs de justice auszubilden. Dies rührt daher, dass jene seit dem Dekret nº 96652 vom 22. Juli 1996 und vor allem dem Dekret nº 96-1091 vom 13. Dezember 1996 – die conciliateurs waren von nun an „conciliateurs de justice“ und wurde zu auxiliaires de justice befördert – eine starke Verbindung mit der institution judiciaire (Gerichtsinstitution) und im Besonderen mit dem juge d’instance haben. Aus dieser Verbindung leiten sie heute ihre Legitimität, wenn nicht sogar ihre Autorität ab. Zwar hängen sie – schon in Bezug auf ihre Ernennung – effektiv von der institution judiciaire ab, sie sind in ihrem Zuständigkeitsbereich tätig; dennoch bewahren sie in gewisser Weise ihre Unabhängigkeit – in Bezug auf Ablauf und Lösung des Conciliationsverfahrens – und sind keiner Hierarchie untergeordnet426. Zwar ist der Wille, Schulungssitzungen für die conciliateurs de justice zu erweitern, weit verbreitet, jedoch befindet sich dessen effektive Umsetzung noch im Versuchsstadium. Zum einen hat die cour d’appel von Paris, zum anderen die Ecole Nationale de la Magistrature (E.N.M.) Ausbildungen für die conciliateurs de justice, insbesondere die neu ernannten eingerichtet. Leider sind sie nicht auf dem gesamten Gebiet allgemein eingeführt. Das Programm der cour d’appel von Paris richtet sich vor allem an die conciliateurs de justice, die in ihrem Zuständigkeitsbereich tätig sind, das der E.N.M. hingegen betrifft eine größere Anzahl von conciliateurs – dort sind bereits conciliateurs aus den Zuständigkeitsbereichen der cours d’appel von Paris, Versailles, Reims, Rouen und Orléans erschienen427. Überraschenderweise liegt bei diesen Ausbildungsgängen die Priorität auf der rechtlichen Ausbildung. Sie haben in erster Linie den Zweck, die juristischen Kenntnisse zu vertiefen, erst in zweiter Linie – gelegentlich der folgenden Sitzungen oder Module – sollen sie auch der Verbesserung der Conciliations-, Verhandlungs- und Gesprächstechniken selbst dienen. So sind sie vor allem ausgerichtet auf das Gerichtswesen (organisation judiciaire), die allgemeinen Verfahrensgrundsätze des Zivilprozesses (principes directeurs du procès civil), das Zivilverfahren – darunter insbesondere das vor dem tribunal d’instance – oder die Beziehungen zwischen dem conciliateur de justice und dem juge d’instance428. Zusätzlich werden auf Wunsch auch spezialisierende Einheiten angeboten, die beispielsweise speziellen rechtlichen Themen wie dem Mietrecht (droit des baux), dem Verbraucherschutzrecht (droit de la consommation) oder dem Bankrecht (droit bancaire) etc. gewidmet sind429. 426 Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 561; Desdevises/Suaud, Conciliateurs et conciliation, S. 19. 427 Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 572. 428 Desdevises/Suaud, Conciliateurs et conciliation, S. 153. 429 Joly-Hurard, Rép. pr. civ. Dalloz, nº 269; Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 573.
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Kap. 2: Darstellung der Situation in Frankreich und Deutschland
Außerdem stellen diese Sitzungen eine Gelegenheit für die conciliateurs de justice dar, sich zu begegnen und ihre persönlichen Erfahrungen mit der conciliation auszutauschen sowie ihre Praktiken miteinander zu vergleichen. Sie dienen so als Quelle der Bereicherung und Vereinheitlichung der im jeweiligen Zuständigkeitsbereich praktizierten Methoden430. Diese – allgemeinen oder spezialisierten – Ausbildungssitzungen ergänzen die von der cour d’appel von Paris in ihrem ganzen Zuständigkeitsbereich eingesetzte Anwerbungs-, Informations- und Sensibilisierungspolitik, die darauf abzielt, die conciliateurs de justice im Kreis der Gemeinschaften zu rekrutieren, in denen sie zur Ausübung ihrer Funktionen angerufen werden. Gewählte, Verantwortliche der Verwaltungen, juristische Berufe, der Vereinssektor sind alle über das Anwerbungsprogramm informiert worden, was durchaus ermutigende Ergebnisse gebracht hat431. Es wird die Frage aufgeworfen, ob hinter der Bedeutung, die dem rechtlichen Aspekt dieser Programme beigemessen wird, eine verdeckte Absicht steht, die Anforderungen der Gesetzestexte, die nicht mehr fünf, sondern drei Jahre juristischer Erfahrung fordern, zu ergänzen. Oder verbirgt sich dahinter vielmehr die Suche nach einer Legitimation der Tätigkeiten des conciliateur?432 Weshalb also wird die juristische Seite bei der Ausbildung der conciliateurs de justice – sofern eine solche überhaupt angeboten wird – so stark betont? Einer Studie über das Profil der conciliateurs de justice lässt sich entnehmen, dass jeder zweite conciliateur seine juristische Bildung „am Arbeitsplatz, im beruflichen Rahmen“ erworben hat, wohingegen lediglich ein Viertel erklärt, sie sich an der Universität angeeignet zu haben433. Unter Umständen liegt in diesen Zahlen die Ursache für den schwerpunktmäßig rechtlichen Charakter der Ausbildung; vielleicht lässt sich dies also mit dem Willen erklären, das schwache Verhältnis der aus einer universitären Juristenlaufbahn hervorgegangenen conciliateurs zu kompensieren. Tatsächlich zeigt die Studie der beruflichen Karriere der befragten conciliateurs, dass die meisten von ihnen Posten von Führungskräften im öffentlichen Dienst oder leitender Angestellter in Unternehmen bekleidet haben. Anders gesagt sind es diejenigen, die „in der Verwaltungs- und/oder Unternehmenshierarchie am besten platziert sind“, die proportional in der Mehrzahl die Tätigkeiten der conciliateurs de justice wahrnehmen, was „die elitäre Rekrutierung des conciliateurs“ unterstreiche434. Nun setzt die 430
Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 564. Joly-Hurard, Rép. pr. civ. Dalloz, nº 270. 432 Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 573. 433 Desdevises/Suaud, Conciliateurs et conciliation, S. 74, 150; Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 574. 434 Desdevises/Suaud, Conciliateurs et conciliation, S. 82 ff. 431
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Bekleidung eines solchen Postens notwendigerweise früher oder später die Konsultation oder die Anwendung der Rechtsvorschrift voraus435. Und in der Tat sind unter den conciliateurs de justice diejenigen zahlreich, die schon den code civil 436 oder den code du travail 437 im Rahmen ihres früheren Berufes zu benutzen hatten. Der Gebrauch anderer Textsammlungen wie den code de l’urbanisme438, den code de commerce439, den nouveau code de procédure civile440 oder den code pénal 441 ist weniger häufig, betrifft aber trotz allem einen hohen Prozentsatz der conciliateurs. Daraus ergibt sich, dass die conciliateurs de justice über solide juristische Kenntnisse verfügen, die sich auf den ersten Blick als für die Ausübung der Conciliationstätigkeiten genügend erweisen442. Auch durch die Annäherung der conciliateurs de justice an die juges d’instance befinden sich diese in einem juristischen Umfeld. Zusätzlich kommen sie durch die an einigen tribunaux d’instance aufkommende Praxis, die conciliateurs de justice regelmäßig an bestimmten Verhandlungen teilnehmen zu lassen, mit dem Recht in Berührung und bauen damit ihre Kenntnisse aus443. Es stellt sich weiter die Frage, ob die sehr starke Ausrichtung der Ausbildungsprogramme auf die juristischen Kenntnisse möglicherweise als Mangel an Vertrauen seitens der magistrats in diese neuen auxiliaires de justice zu betrachten ist. Diesem Argument wird jedoch von Seiten der magistrats entgegengehalten, dass Ziel dieser Ausbildungseinheiten nicht sei, dem conciliateur de justice Rechtskenntnisse zu vermitteln, damit er den juge d’instance selbst ersetzen kann, sondern lediglich, ihm eine allgemeine Information über die wesentlichen Vorschriften zu vermitteln, damit er in sehr komplexen Fällen nicht unrichtige oder für die Rechtsuchenden nachteilige Ratschläge erteile. Dies deutet vielmehr darauf hin, dass durch die Ausbildungsprogramme die Legitimität der conciliateurs de justice gefestigt werden soll. Neben der Wirksamkeit dieser 435 Desdevises/Suaud, Conciliateurs et conciliation, S. 154: „Die conciliateurs kennen sehr wohl das Recht. Man kann sogar sagen, dass sie die codes während ihres Berufslebens relativ häufig und vor allem abwechslungsreich angewandt haben.“ 436 Siehe die Statistiken von Desdevises/Suaud, Conciliateurs et conciliation, S. 239: 28,4 % haben ihn „häufig“, 35, 8 % „gelegentlich“ benutzt. 437 Siehe die Statistiken von Desdevises/Suaud, Conciliateurs et conciliation, S. 239: 30,6 % haben ihn „häufig“, 31,4 % „gelegentlich“ benutzt. 438 Siehe die Statistiken von Desdevises/Suaud, Conciliateurs et conciliation, S. 239: 12,2 % haben ihn „häufig“, 24,5 % „gelegentlich“ benutzt. 439 Siehe die Statistiken von Desdevises/Suaud, Conciliateurs et conciliation, S. 239: 18,3 % haben ihn „häufig“, 27,5 % „gelegentlich“ benutzt. 440 Siehe die Statistiken von Desdevises/Suaud, Conciliateurs et conciliation, S. 239: 14,8 % haben ihn „häufig“, 21 % „gelegentlich“ benutzt. 441 Siehe die Statistiken von Desdevises/Suaud, Conciliateurs et conciliation, S. 238: 20,1 % haben ihn „häufig“, 11,4 % „gelegentlich“ benutzt. 442 Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 574. 443 Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 575.
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Kap. 2: Darstellung der Situation in Frankreich und Deutschland
Institution hänge von ihrer Einbindung in die institution judiciaire auch ihre Glaubwürdigkeit bei den Rechtsuchenden, den Richtern und den Behörden ab. Nicht zuletzt sollen mit diesem Schwerpunkt auch die conciliateurs de justice selbst auf ihre Position im Rahmen der institution judiciaire sensibilisiert werden444. b) Médiateur Wie sieht nun die Lage für die médiateurs aus? Ist für sie in Frankreich eine Ausbildung vorgesehen? Art. 131-5 nº 4 NCPC fordert vom médiateur judiciaire eine Ausbildung oder eine der Mediationspraxis angepasste Erfahrung. Damit wurde der Tatsache Rechnung getragen, dass nicht jeder, der die sonstigen Voraussetzungen von Art. 131-5 NCPC erfüllt, ein guter médiateur sein muss. Selbst ein sehr kompetenter magistrat honoraire kann ein schlechter médiateur sein – wie die Erfahrung gezeigt hat. Vor allem auf dem Gebiet der Psychologie und der Gesprächstechniken ist eine Ausbildung erforderlich. Sie vermittelt bestimmte Verfahrensweisen, die nicht wiedergutzumachende Fehler zu vermeiden erlauben445. Somit ist allerdings lediglich klargestellt, dass eine Ausbildung oder eine Erfahrung vom médiateur judiciaire gefordert wird, nicht jedoch, wie diese auszusehen hat, ob es einheitliche Standards gibt. Zurzeit ist in Frankreich für die médiateurs keine grundsätzliche Ausbildung vorgesehen. Es existieren keine allgemeingültigen, einheitlichen Standards, kein offizielles Rekrutierungsverfahren für médiateurs446. Dies heißt jedoch nicht, dass es keine Organisationen gibt, die sich um die Ausbildung oder die Supervision der Tätigkeit der médiateurs kümmern. Ganz im Gegenteil sind auf diesem Gebiet verschiedene Organisationen und Vereinigungen aktiv geworden und haben Mediationszentren eingerichtet. Die médiateurs und die médiation sind geradezu Gegenstand eines Marktes447, der ausgefüllt wird von zahlreichen Personen, die diese Tätigkeit berufsmäßig ausüben – professionnels du droit (Anwälte, Schiedsrichter, Sachverständige), aber auch die Sozialhelfer (travailleurs sociaux) haben sehr schnell dieses neue Betätigungsfeld besetzt; diese sind zusammengeschlossen im Rahmen von Mediationszentren, -instituten oder
444
Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 576. Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 309. 446 Eine Ausnahme bildet hier lediglich der médiateur familial, für den seit 2004 ein Staatsdiplom existiert. Siehe hierzu unten S. 126. 447 Die Ausbildung zur médiation muss bezahlt werden; der Zugang zu den Diensten eines médiateur muss ebenfalls bezahlt werden. Vgl. Bonafé-Schmitt, Les médiations, S. 28 ff. 445
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-vereinigungen und/oder Zentren, Instituten oder Vereinigungen zur Ausbildung zur médiation448. Man spricht zum Teil von einer regelrechten Wucherung449. So haben beispielsweise die barreaux450 Mediationszentren gegründet und dabei seriöse Ausbildungsabschnitte eingerichtet – wie beispielsweise die der Rechtsanwaltskammer von Créteil, von Versailles und Paris, von Évry, von Grenoble, von Mans etc. Ebenso hat in Paris seit 1998 der Ordre des Avocats (Rechtsanwaltskammer) in Verbindung mit der cour d’appel und dem tribunal de grande instance von Paris, in Koordination und in Kooperation mit dem Centre d’Études sur les Modes Alternatifs de Règlement des Conflits (CEMARC) der Universität Paris II Panthéon-Assas, dem Ordre des Avocats (IFC) und der faculté des sciences sociales et économiques von Paris (FASSE) zwei Fortbildungsmaßnahmen eingerichtet: zum einen die „formation à la médiation“ – „Ausbildung zur médiation“ –, die zum Ziel hat, den betreffenden Juristen (und vor allem den Anwälten) zu zeigen, was die médiation und deren Rolle als Berater ist; zum anderen die „formation des médiateurs“ – „Ausbildung der médiateurs“ –, die sich auf einen viel weiter entwickelten, vertiefteren und entsprechend dem Gebiet der betreffenden médiation spezialisierteren Lehrgang bezieht451. Diese starke Vermehrung ist eng verbunden mit der Ausdehnung des Anwendungsfeldes der médiation in zahlreichen und unterschiedlichen Bereichen452, die außerdem von einer Welle der Spezialisierung der médiateurs begleitet wird: auf dem Gebiet des Familien-, Straf-, Sozial-, Schul-, Bankrechts, im Bereich des Versicherungswesens, des Unternehmens, der Nachbarschaftsstreitigkeiten, des Verbraucherschutzes etc. Die Spezialisierung der médiateurs und der Mediationszentren führt also zur Entstehung regelrechter Quasi-Berufsstände von spezialisierten médiateurs. So haben zum Beispiel auf dem Gebiet des Familienrechts das Comité National des Associations et Services de Médiation Familiale oder die Association pour la Promotion de la Médiation Familiale – neben Programmen zur Ausbildung zur médiation familiale – codes de déontologie (Kodizes der Standespflichten), Listen ihrer Mitglieder etc. ausgearbeitet. 448 Zum Beispiel: AMELY (Association Médiation Lyon), CMFM (Centre de médiation et de formation à la médiation), IFM (Institut de formation à la médiation), Médiatis, APMF (Association pour la promotion de la médiation familiale), CNASMF (Comité National des Associations et Services de Médiation Familiale), CMAP (Centre de médiation et d’arbitrage de Paris); auf europäischer Ebene das Institut Européen de Formation à la Médiation (IEFM). Für weitere Beispiele siehe auch Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 589, Fn. 2093. 449 Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 589. 450 Anwaltschaft im Zuständigkeitsgebiet eines tribunal de grande instance. 451 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 309; Pluyette, Revue de l’arbitrage 1997, 505 (514); Joly-Hurard, Médiation et conciliation, Rép. pr. civ. Dalloz, nº 274; dies., Conciliation et médiation judiciaires, nº 589. 452 Bonafé-Schmitt, Les médiations, S. 14.
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Kap. 2: Darstellung der Situation in Frankreich und Deutschland
In dem gleichen Lichte sind die Aktivitäten der barreaux auf diesem Gebiet zu sehen453: Sie bieten Modelle zur Ausbildung zur médiation an454, veröffentlichen codes de déontologie, unterzeichnen Vereinbarungsniederschriften (protocoles d’accord) mit den Gerichten, mit dem Ziel, die Anwälte noch mehr an den Mediationstätigkeiten, im Besonderen an der médiation judiciaire, teilnehmen zu lassen. Eine solche Entwicklung stellt mehr denn je die Frage nach der Professionalisierung der Tätigkeiten des médiateur455. Gerade das Entstehen dieses Ausbildungsmarktes trägt unmittelbar zur Legitimation der Mediationstätigkeit und der Aufgaben des médiateur bei. Nicht zuletzt dadurch wird den Personen, die diese Tätigkeiten ausüben, ein Fundament gegeben und Glaubwürdigkeit verliehen im Verhältnis zu denjenigen, die sich beruflich mit Konfliktmanagement beschäftigen wie Anwälte, Therapeuten, Schiedsrichter oder auch die conciliateurs de justice, von denen jeder eine besondere Rechtsstellung genießt456. So sehr dieser Konsens, der bezüglich der Ausbildung zur médiation entsteht, zu begrüßen ist, wird man dennoch den Mangel an Homogenität der angebotenen Programme bedauern. Zwar wurden Vereinheitlichungsanstrengungen unternommen, insbesondere durch den Erlass einer bestimmten Anzahl von Standards, nach denen sie sich richten sollen. So haben sich verschiedene Mediationsvereinigungen und -zentren zusammengeschlossen457, um eine Charta zur Mediationsausbildung auszuarbeiten, die zugleich in Bezug auf den Inhalt der médiations sowie auf die Qualität der Ausbilder Garantien gewährleistet. Diese Charta greift verschiedene Schlüsselfragen auf, wie die Auswahlmodalitäten für die Teilnehmer an der Ausbildung, die Dauer und den Inhalt der Anfangsausbildung, die Notwendigkeit einer Weiterbildung sowie die Zertifizierung oder Akkreditierung der médiateurs im Anschluss an ihre Ausbildung. Ihr Inhalt ist der Conférence Nationale des Bâtonniers vorgelegt worden – eine Geste, die von einem Bemühen um Anerkennung und Billigung zeugt. Dennoch ist man zurzeit noch weit vom nationalen Konsens über den zu vermittelnden Inhalt der Programme entfernt458.
453
So die Association des médiateurs du barreau de Paris. Hauptsächlich für die Anwälte, aber nicht nur; die von den barreaux angebotenen Ausbildungen sind sehr oft für andere Juristen offen. Das ist insbesondere in Paris der Fall. 455 Bonafé-Schmitt, Les médiations, S. 21; Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 589. 456 Bonafé-Schmitt, Les médiations, S. 28; Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 590. 457 IEFM, CERAF, IMFSO und AMELY haben sich so in der Organisation MEDFORM zusammengeschlossen. Siehe Bonafé-Schmitt, Les médiations, S. 30, Fn. 29. 458 Bonafé-Schmitt, Les médiations, S. 30; Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 591. 454
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Anfangs waren es fast ausschließlich private Einrichtungen, die Mediationsausbildung angeboten haben, mittlerweile ist dieser Markt auch von öffentlichen oder halböffentlichen Organisationen und den Universitäten im Besonderen erschlossen. Letztere bieten zum Teil allgemeine und auf besondere Arten von médiation (zum Beispiel médiation familiale oder médiation interculturelle) spezialisierte Diplome an459. Es existiert dabei eine Vielgestaltigkeit der Programme: Von einer Einrichtung zur anderen kann die Dauer der angebotenen Ausbildung von nur einigen Stunden bis zu mehreren Monaten, wenn nicht sogar einem Jahr variieren460; den im Wesentlichen praktischen Ausbildungen stehen rein theoretische Lehren gegenüber461; einige Organisationen bieten eine Fortbildung an, die dazu bestimmt ist, die Anfangsausbildung zu vervollständigen462 oder sie zu spezialisieren; andere stellen Systeme der Supervision über die Tätigkeit ihrer Mitglieder bereit463. Eine solche Vielgestaltigkeit ist nicht ohne Gefahr: Sie trägt unmittelbar zur Entwicklung ganz unterschiedlicher Typen von médiateurs bei, die ihre Tätigkeiten auf verschiedene Art und Weise ausüben; sie haben unterschiedliche Konzeptionen, Techniken und Ziele. Einerseits kann man sich über eine solche Vielfalt freuen, da sie geeignet ist, die Mediationstätigkeit zu bereichern und für den Einzelfall maßgeschneiderte Antworten zu finden464. Andererseits können damit auch Nachteile verbunden sein. Da es kein nationales System der Supervision über die Mediationspraktiken sowie über die Mediationsausbildungszentren gibt, kann dieser Mangel an Einheitlichkeit für die Institution auch abträglich sein. Diese „Tendenz zur ,wilden‘ Wucherung der Ausbildungszentren“465 erschwere die Festlegung von Kompetenz- oder Qualitätskriterien der médiateurs. Es wird auf die Gefahr hingewiesen, dass auch Praktiken angewandt würden, die nicht ausschließlich die Interessen der Parteien verfolgten. So stellte sich bei einer Befragung von médiateurs zu ihrer Mediationspraktik heraus, dass einige eine abwegige Auffassung von den Pflichten zur Unparteilichkeit oder zur Vertraulichkeit hätten. Beispielsweise würden manche in Einzelgesprächen Partei für eine der Parteien ergreifen, jedoch darauf achten, dies nicht zu zeigen, oder dem Richter extrem detaillierten Bericht über den Ablauf der médiation sowie die Gründe für ihr Scheitern oder ihren Erfolg erstatten, vergleichbar mit einem Sachverständigengutachten466.
459 460 461 462 463 464 465 466
Bonafé-Schmitt, Les médiations, S. 30 f. Bonafé-Schmitt, Les médiations, S. 29 ff. Bonafé-Schmitt, Les médiations, S. 31 ff. Bonafé-Schmitt, Les médiations, S. 35 f. Bonafé-Schmitt, Les médiations, S. 36 f. Joly-Hurard, Conciliation et médiation judicaires, nº 591. So Joly-Hurard, Conciliation et médiation judicaires, nº 592. Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 592.
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c) Zwischenfazit Zusammenfassend ist festzuhalten, dass zwar die Gesetzestexte ausdrücklich eine Ausbildung oder eine gewisse Mediationserfahrung, Unabhängigkeit sowie gewisse moralische Voraussetzungen von den Dritten, die mit der Durchführung einer conciliation oder médiation beauftragt sind, fordern. Damit wird eine Art „Berufsmoral“ (déontologie) auch für sie festgelegt. Der effektivste Weg, diese zu gewährleisten und zu kontrollieren, wären wohl in erster Linie eine Ausbildung der conciliateurs und médiateurs. In dieser Richtung existiert allerdings noch keine nationale Politik467. Dennoch sind die bereits bestehenden sowie entstehenden Mediationsausbildungszentren und -vereinigungen ein guter Weg in diese Richtung. In der Regel handelt es sich dabei um qualitative und vertrauenswürdige Einrichtungen468. Dies bringt jedoch mit sich, dass es den angebotenen Programmen an Einheitlichkeit fehlt – sowohl in den Lehrmethoden als auch in den Programminhalten. Überdies wird die Ausbildung bislang noch auf freiwilliger Basis durchgeführt und es wird nicht durchgängig eine Supervision der Qualität der Ausbilder durchgeführt. Eine Ausnahme bildet hier das Familienrecht. Hier wurde im Jahre 2004 das diplôme d’Etat de médiateur familial 469 eingeführt. Damit existiert eine Ausbildung zum Familienmediator (médiateur familial), die Anforderungen des Staates erfüllen muss und von diesem überprüft wird. Die Gefahr dieser Heterogenität sowie des Mangels an Kontrolle besteht insbesondere darin, dass sich auch einige „schwarze Schafe“ unter den Mediationsangeboten befinden können und wohl auch werden470. Andererseits ist auf diese Weise die Möglichkeit gegeben, viele verschiedene Methoden auszuprobieren und es dem Markt zu überlassen, welches die „beste“ ist, welche sich durchsetzt. Allerdings sollte – zumindest langfristig – angestrebt werden, einige Standards an die Mediatorenausbildung einheitlich festzulegen, damit eine gewisse Qualität gesichert ist. Ein erster Schritt in diese Richtung wurde mit der Einführung des diplôme d’Etat de médiateur familial getan.
467
Vgl. Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 593. Vgl. Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 592. 469 Siehe arrêté du 12 février 2004 relatif au diplôme d’Etat de médiateur familial, Dekret nº 2003-1166 vom 2. Dezember 2003 bezüglich der Schaffung des Staatsdiploms des Familienmediators (diplôme d’Etat de médiateur familial). 470 Vgl. Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 593. 468
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4. Association a) Problematik der Auswahl der Person des médiateur Ein weiteres Problem im Zusammenhang mit der Frage, wer médiateur sein kann, liegt in der Regelung des Art. 131-4 Abs. 1 NCPC begründet, wonach neben einer natürlichen Person auch eine association (eine Vereinigung) mit der médiation beauftragt werden kann. Entscheidet sich der Richter für diese Möglichkeit – von der in der Praxis wohl auch Gebrauch gemacht wird471 –, so stellt sich die Frage, wer dann darüber entscheidet, welcher konkreten Person die Ausführung der médiation übertragen wird. Haben der Richter und die Parteien hier ein Mitspracherecht oder liegt das Auswahlrecht allein bei der benannten association? Dass der Richter hier nicht völlig außen vor gelassen wird, stellt schon Art. 131-4 Abs. 2 NCPC sicher, wonach bei der Benennung einer association deren gesetzlicher Vertreter „den Namen der natürlichen Person(en), die die Ausführung der Maßnahme gewährleisten wird bzw. werden“, der Genehmigung durch den Richter zu unterziehen hat. Auch kommt in den Art. 131-4, 131-7 und 131-8 NCPC zum Ausdruck, dass der Richter auch bei Beauftragung einer association direkt mit der natürlichen Person, die tatsächlich mit den Parteien in Kontakt steht, zu tun hat und nicht mit dem eigentlich benannten médiateur, also der association472. Ist daraus nun zu schließen, dass der association in Wahrheit lediglich die Rolle eines „Zulieferers“ für médiateurs – in Form von natürlichen Personen – zukommt oder sie eine Liste ersetzt, wie es sie für die techniciens judiciaires gibt und wie sie hätte auch in Betracht gezogen werden können?473 Betrachtet man Art. 131-5 NCPC, der die Anforderungen an die Person des médiateur festlegt, sowie Art. 131-9 NCPC, der regelt, dass der Richter über Schwierigkeiten bei der médiation zu unterrichten ist, so wird deutlich, dass sie ausschließlich „die natürliche Person (personne physique), die die Durchführung der Mediationsmaßnahme gewährleistet“, betreffen. Jedoch entbehrt die Formulierung nicht einer gewissen Zweideutigkeit. Denn zweifelsohne zielt sie zwar auf die als médiateur benannte natürliche Person sowie auf die natürliche Person(en), die „vom Richter genehmigte“ Mitglieder der beauftragten association sind. Jedoch bezieht sich die Benennung durch den Richter rechtlich zunächst einmal auf die association (Art. 131-4, Art. 131-6 NCPC). Sie ist es, die damit beauftragt ist, die ihr durch gerichtlichen Beschluss übertragene Aufgabe 471 Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 584; Bonafé-Schmitt, Les médiations, S. 78. Diese Praxis ablehnend: Martel, LPA, 13 juillet 1999, 17 (20). 472 Olivier, Gaz. Pal. 1996, doctr., 1257 (1262). 473 Olivier, Gaz. Pal. 1996, doctr., 1257 (1262).
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Kap. 2: Darstellung der Situation in Frankreich und Deutschland
auszuführen. Sie trägt dafür die Verantwortung. Auch ist sie474 es, die gemäß Art. 131-11 NCPC den Richter am Ende ihrer Aufgabe schriftlich darüber informiert, ob die Parteien zu einer Lösung ihres Rechtsstreits gelangt sind oder nicht. Ebenso erhält sie nach Art. 131-13 NCPC am Ende ihrer Aufgabe die vom Richter festgesetzte Vergütung. Teilweise steht die Literatur der Übertragung der Mediationsaufgabe auf associations kritisch gegenüber, indem etwa Befürchtungen geäußert werden, dass einige associations „Filialen“ im ganzen Land hätten und so faktisch eine dominierende Stellung erhielten475. Ebenso besteht die Besorgnis – vor allem von Seiten der Sénateurs –, dass sich zu Lasten der Parteien und – auf dem Umweg über die Prozesskostenhilfe – des Staates „Mediationslaboratorien“ bildeten476. Insofern ist es unerlässlich, dass auch für diese associations bestimmte Anforderungen gelten. Diese müssten den Voraussetzungen, die die natürlichen Personen erfüllen müssen, entsprechen. Ein Vorschlag geht in die Richtung, besondere Bedingungen ähnlich wie die für diejenigen juristischen Personen, die Kandidaten für die Einschreibung auf die listes judiciaires d’experts477 sind, in Betracht zu ziehen478. Daher wird betont, dass eine deutliche Unterscheidung zu treffen ist zwischen dem Einschreiten der association, die lediglich einen Namen vorschlägt und die Durchführung der médiation judiciaire organisiert und verwaltet, und dem der natürlichen Person, die die Aufgabe erfüllt, die unter der Kontrolle allein des Richters bleibt und diesen über auftretende Schwierigkeiten informieren muss. In die Durchführung der Maßnahme selbst mischt sich die association nicht ein. Die Auswahl der konkreten Person unterliegt demnach letztlich dem Richter479. b) Mediatorenlisten Art. 131-5 NCPC legt zwar die Anforderungen an die Person des médiateur fest, es obliegt jedoch dem Richter, von Fall zu Fall einzuschätzen, ob der médiateur, den er für die Übertragung in Betracht zieht, die geforderten Eigenschaften erfüllt. Wie aber kann sich der Richter, vor allem im vereinfachten
474 Der Gesetzestext spricht hier – im Gegensatz zu Art. 131-5 und 131-9 NCPC – von „le médiateur“, nicht von „la personne physique qui assure la médiation“. 475 Olivier, Gaz. Pal. 1996, doctr., 1257 (1262). 476 Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 201. 477 Zu den Voraussetzungen siehe Art. 3 des Dekrets 2004-1463 vom 30. Dezember 2004. 478 Olivier, Gaz. Pal. 1996, doctr., 1257 (1263). 479 Pluyette, Revue de l’arbitrage 1997, 505 (512 f.).
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und beschleunigten Verfahren480, versichern, dass der médiateur den Voraussetzungen entspricht, bevor er die Entscheidung trifft, ihn zu benennen?481 Diese Frage betrifft nur die médiateurs, da sie – im Gegensatz zu den conciliateurs de justice – nicht Gegenstand eines Rekrutierungsverfahrens sind, das ihre Fähigkeit, solche Aufgaben wahrzunehmen, garantiert482. Angesichts der Vielzahl der Anforderungen des Art. 131-5 NCPC und der damit verbundenen Schwierigkeit der Auswahlaufgabe wird, um den magistrats die Arbeit zu erleichtern, vorgeschlagen, Listen mit médiateurs, die natürliche Personen oder associations sein können, zu erstellen483. Solche Listen würden zum einen den Vorteil bieten, die Überprüfung der Einhaltung der vom Gesetz geforderten Ausübungsvoraussetzungen zu ermöglichen. Zum anderen würde dadurch eine Verfügbarkeitsverpflichtung seitens der médiateurs erreicht. Überdies könnte den Parteien die Möglichkeit geboten werden, dem Richter einen von der Liste ausgewählten Namen vorzuschlagen. Schließlich würde dies die Auswahlaufgabe des Richters vereinfachen484. Jedoch ist dieser Vorschlag in der Praxis nicht unumstritten und ruft zahlreiche Vorbehalte hervor. Insbesondere geht es dabei um die Frage, wer die Person oder die Organisation sein soll, die berufen wäre, die Namen auf die Liste einzutragen und die Qualitäten und die Kompetenz derer, die darauf erscheinen, einzuschätzen. Überdies werden das Problem der Starrheit dieser Listen sowie die Gefahr der Professionalisierung, die sie verursachen, angesprochen485. Trotz dieser Kritikpunkte haben manche Gerichte dennoch entschieden, eine solche Initiative zu ergreifen486. Zwar gibt es in der Praxis keine Liste von zugelassenen médiateurs, jedoch verfügen die magistrats der Cour über Akten, die Lebensläufe der Personen enthalten, die entsprechend ihrer vergangenen oder aktuellen Tätigkeiten, ihrer Erfahrung, ihrer Ausbildung oder einer Spezialisierung für eine entsprechende Benennung in Frage kämen487. 480
En matière de référé. Olivier, Gaz. Pal. 1996, doctr., 1257 (1263). 482 Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 587. 483 Olivier, Gaz. Pal. 1996, doctr., 1257 (1263). 484 Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 587. 485 Bonafé-Schmitt, Les médiations, S. 21. 486 So schlägt Jean-Pierre Mattei, Präsident des tribunal de commerce von Paris, in der ordonnance vom 7. April 1998 bezüglich der Durchführung der médiation judiciaire am tribunal de commerce von Paris vor, „eine nicht offizielle Liste von médiateurs zu errichten, die insbesondere Mitglieder des Centre de médiation et d’arbitrage de la Chambre du commerce et de l’industrie de Paris und des Institut d’expertise et d’arbitrage umfasst, und diese Liste der der cour d’appel von Paris gegenüberzustellen, deren Charakter ebenfalls nicht offiziell ist, damit jeder Richter den médiateur, der ihm am geeignetesten für die Einigung der Parteien erscheint, auswählen kann“. Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 587, Fn. 2088. 487 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 323. 481
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Andere Gerichte haben es – ebenso mit Blick darauf, die magistrats in ihrer Wahl des tiers médiateur anzuleiten – vorgezogen, sich eng mit bestimmten associations de médiation zusammenzuschließen und haben mit ihnen Protokolle unterzeichnet. Diese associations werden entsprechend der Garantien, die sie bezüglich der Ausbildung ihrer Mitglieder bieten, ausgewählt. Ebenso wird Rücksicht genommen auf das Profil der Ausbilder, die Existenz einer Charta oder eines code de déontologie (Berufspflichten-Kodex), den Inhalt und die Dauer der Ausbildungsprogramme sowie die Existenz von Fortbildungsprogrammen488. c) Zwischenfazit Wenn die associations bestimmte Anforderungen erfüllen, so spricht nichts dagegen, dass auch ihnen die Mediationsaufgabe übertragen wird. Das Gesetz hat hier vorgesehen, dass der Richter zum Einsatz der von der association ausgewählten Person seine Zustimmung erteilt; er hat somit letztlich das Auswahlrecht in Bezug auf die konkrete Person. Ebenso spricht nichts gegen die Errichtung von Mediatorenlisten, um die Auswahl einer geeigneten Person zu erleichtern, solange ein bestimmtes Verfahren die Qualität dieser médiateurs gewährleistet. 5. Kurzer Blick nach Deutschland Ein kurzer Blick soll auch auf die Situation in Deutschland geworfen werden. Als Mediator kann sich hier grundsätzlich einmal jeder bezeichnen. Es sind derzeit keine einheitlichen Ausbildungsordnungen oder gesetzlichen Qualitätsstandards vorhanden; die Berufsbezeichnung ist bislang nicht geschützt489. Jedoch werden Rufe laut, in denen eine intensive Ausbildung, ein Coaching sowie fortlaufende Supervision der Mediatoren als unerlässliche Maßnahmen gefordert werden490. Für Rechtsanwälte gilt nach § 7a BORA, dass sich nur als Mediator bezeichnen darf, wer durch geeignete Ausbildung nachweisen kann, dass er die Grundsätze des Mediationsverfahrens beherrscht. Standards für Mediatoren anderer Grundberufe werden dadurch jedoch nicht festgesetzt. Sehr umstritten ist die Frage, ob nichtanwaltliche Berufsgruppen gegen Art. 1 § 1 RBerG verstoßen, wenn sie eine Mediation durchführen. Dies wäre dann der Fall, wenn die Mediation eine erlaubnispflichtige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten in diesem Sinne darstellte491. Dies wurde von der Recht488
Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 588. BGH, Senat für Anwaltssachen, Beschluss vom 01.07.2002, AZ: AnwZ (B) 52/ 01, S. 5; Gottwald, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 17 Rn. 31; Spangenberg, Forum Recht 2000, 86 (87); Tochtermann, JuS 2005, 131 (134). 490 Gottwald, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 17 Rn. 59. 489
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sprechung schon bejaht492, allerdings handelte es sich in diesen Fällen um einzelfallbezogene Prüfungen, ob konkret eine Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten im Sinne von Art. 1 § 1 RBerG vorlag. Eine allgemeine Aussage wurde hingegen nicht getroffen. Schließt man sich dieser Auffassung an, so folgt daraus ein Quasi-Monopol für Anwälte auf die Ausübung der Mediatorentätigkeit, sobald der Mediator auch rechtsberatend tätig wird bzw. – was sehr häufig der Fall sein wird – rechtliche Fragen eine Rolle spielen und den Medianden nicht lediglich eine unterstützende Hilfestellung bei der Durchführung ihrer Verhandlungen im Sinne einer rein therapeutisch-pädagogischen Moderation gibt. Nichtanwaltliche Mediatoren bedürften danach für die Mediationstätigkeit in der Regel einer Erlaubnis nach dem RBerG493. Dagegen wird argumentiert, dass Art. 1 § 2 RBerG die Schiedsrichtertätigkeit vom Verbot des Art. 1 § 1 ausnimmt. Diese Ausnahmeregelung sei auch auf den nichtanwaltlichen Mediator anzuwenden, da die Tätigkeit des Mediators als ein Minus im Vergleich zur entscheidenden Tätigkeit des Schiedsrichters zu betrachten sei494. Eine andere Auffassung will in der Mediation eine erlaubnisfreie Annextätigkeit nach Art. 1 § 5 RBerG sehen495. Gegen die analoge Anwendung des Art. 1 § 2 RBerG wird wiederum vorgebracht, dass sie dem Selbstverständnis der Mediation – nämlich eine eigenständige Form der Konfliktlösung zu sein und mit richterlicher Streitentscheidung wenig gemein zu haben – widerspreche496. In die Richtung der erstgenannten Ansicht geht auch der Referentenentwurf eines Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG-RefE)497. Dieser stellt in § 2 Abs. 3 Nr. 3 zwar klar, dass die Mediation und jede vergleichbare Form der Streitbeilegung keine Rechtsdienstleistung ist; jedoch weist er in der Begründung darauf hin, dass sich der Mediator – geht er über die „reine“ Mediation im Sinne einer „kommunikative[n] Handlung eines neutralen Dritten mit dem Ziel der Herstellung von Verständigungsprozessen“ hinaus und greift „durch rechtliche Regelungsvorschläge gestaltend in die Gespräche“ ein – dann nicht auf § 2 Abs. 3 Nr. 3 berufen kann, da diese Regelungsvorschläge Rechtsdienstleistungen im Sinne dieses Gesetzes sein können498. In diesem Fall muss der nicht-anwalt491
Tochtermann, JuS 2005, 131 (134). LG Hamburg, NJW-RR 2000, 1514 (1514); OLG Rostock, BB 2001, 1869 ff. mit Kommentar Duve; LG Rostock, BB 2001, 698 ff. (Vorinstanz). 493 So Heß/Sharma, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 26 Rn. 36; v. Lewinski, Berufsrecht, S. 171; Henssler, NJW 2003, 241 (245). 494 So Duve, BB 2001, 692 (693); Tochtermann, JuS 2005, 131 (134). 495 Strempel, AnwBl 1993, 434 (435); Kretschmer, NJW 2003, 1500 (1502); vgl. BGH, NJW 2000, 2108 (2109). 496 Heß/Sharma, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 26 Rn. 37. 497 RefE RDG, . 498 RefE RDG, , S. 72. 492
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liche Mediator nach § 5 Abs. 3 RDG-RefE eine Person, der die entgeltliche Erbringung der fraglichen Rechtsdienstleistung gestattet ist, hinzuziehen. Überdies wird hervorgehoben, dass der Mediator einen Mediationsauftrag nicht annehmen soll, wenn Voraussetzungen vorliegen, die – lägen sie bei einem Richter vor – zur Besorgnis der Befangenheit führen und damit seine Neutralität gefährden499. Insbesondere ist dies der Fall, wenn der Mediator eine persönliche Nähebeziehung (jedweder Art) zu einer der Parteien hat, eine der Parteien in derselben Sache vertritt, in derselben Sache als Sachverständiger oder Zeuge mitwirkt oder ein eigenes Interesse am Ausgang des Verfahrens hat500. Auch in Deutschland werden mittlerweile zahlreiche Ausbildungsprogramme verschiedenster Art angeboten. Diese reichen von Wochenendseminaren bis hin zu einem ganzen Masterstudiengang501. Beispielhaft genannt werden sollen hier die Bundes-Arbeitsgemeinschaft für Familien-Mediation e. V. (BAFM)502 – ein bundesweiter Zusammenschluss für Familienmediation – sowie der Bundesverband Mediation e. V. (BM)503 – ein bundesweiter interdisziplinärer Fachverband für Mediation. Beide haben Standards und Ausbildungsrichtlinien entwickelt und bieten die Möglichkeit der Anerkennung (Zertifizierung) von Mediatoren bzw. Ausbildungsinstituten, soweit nach ihrer Ausbildungsordnung verfahren wird. Überwiegend wird eine Mindestausbildungsdauer von 200 Stunden verlangt, wovon 50 Stunden Praxis mit Supervision sein sollen. Allerdings handelt es sich dabei um selbst gesetzte Standards. 6. Zusammenfassung Zusammenfassend ist festzuhalten, dass man in Zukunft den – in Frankreich wie in Deutschland – bereits eingeschlagenen Weg fortsetzten und verstärkt die Ausbildung der als Mediatoren in Frage kommenden Personen fördern sollte. Das Erfordernis einer Ausbildung wird fast einhellig betont. Neben einer intensiven Ausbildung werden Coaching sowie eine fortlaufende Supervision gefordert, damit die Qualität und damit letztlich die Zukunft der Mediation gesichert ist504. Aus diesem Grund wäre es wünschenswert, wenn Qualitätsstandards festgelegt würden, die derjenige, der sich „Mediator“ nennen möchte, erfüllen 499 Kracht, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 15 Rn. 33 ff., insbes. Rn. 37 ff. 500 Ausführlich hierzu Kracht, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 15 Rn. 37 ff. 501 Tochtermann, JuS 2005, 131 (134). 502 Bundes-Arbeitsgemeinschaft für Familien-Mediation, ; vgl. hierzu auch die Entscheidungen des AGH NRW, Beschl. v. 19.11.1999 – 1 ZU 50/99, AnwBl 2000, 693 ff. m. Anm. Kilian; AGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 28.4.2001 – AGH 6/00 I, BRAK-Mitt. 2001, 232 ff. (insbes. 234 f.). 503 Bundesverband Mediation e. V., .
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muss. Insbesondere sollten darin auch gewisse Grundprinzipien der Mediation und damit die Berufspflichten des Mediators festgehalten sein. Die Durchführung einer Mediation ausschließlich Juristen zu gestatten, wäre etwas zu einschränkend – auch wenn Rechtskenntnisse des Mediators durchaus von Vorteil und wünschenswert sind. Vielmehr kann gerade auch eine psychologische Grundausbildung im Rahmen einer Mediation sehr nützlich sein. Daher sollte die Entscheidung den Parteien überlassen werden, worauf sie einen Schwerpunkt bei ihrer Mediation legen möchten. Allerdings sollte meines Erachtens spätestens vor einer die Mediation abschließenden Einigung ein Jurist „ins Spiel kommen“. Auf diese Weise würde sichergestellt, dass die getroffene Vereinbarung nicht gegen geltendes – unabdingbares – Recht, insbesondere auch nicht gegen die guten Sitten, verstößt. Schließlich wird hier auch die Erstellung von sogenannten Mediatorenlisten befürwortet. Dies würde den Richtern die Arbeit erleichtern, den Parteien einen Mediator vorzuschlagen. Insbesondere könnten dadurch bereits im Vorfeld das Vorliegen der im französischen Recht geforderten Voraussetzungen bezüglich der Person des médiateur überprüft werden, so dass dies nicht mehr im Laufe des Verfahrens erfolgen muss und somit gegebenenfalls den Beginn der médiation verzögert. Allerdings sollte dies nicht so weit gehen, dass ausschließlich Mediatoren, die sich – auf Antrag und nach Überprüfung der Kriterien – auf diese Liste haben setzen lassen, benannt werden. Eine solche Liste sollte allenfalls als ein die Arbeit erleichterndes Hilfsmittel für Richter und Parteien gesehen werden.
III. Vertraulichkeitsprinzip in der Mediation Eines der grundlegenden Prinzipien der Mediation ist die Vertraulichkeit505. Daher werden in diesem Abschnitt zunächst die einschlägigen Regelungen erläutert (1.) und sodann Sinn und Zweck dieses Prinzips untersucht (2.). Danach wird der Frage nachgegangen, an wen sich diese Maxime richtet (3.) und wem gegenüber sie anzuwenden ist (4.). Des Weiteren befasst sich dieser Abschnitt 504 Siehe Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 580; Gottwald, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 17 Rn. 59. 505 Zu den übrigen Prinzipien siehe oben S. 21. Siehe Joly-Hurard, Médiation et conciliation, Rép. pr. civ. Dalloz, nº 342; Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 28 f., 30 ff., 142; Kracht, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 15 Rn. 98, 120 ff.; vgl. auch statt Vieler: Richtlinien der BundesArbeitsgemeinschaft für Familien-Mediation (BAFM) II. 3, abgedruckt bei Mähler/ Mähler, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 58 Rn. 43 und in Duss-von Werdt/Mähler/Mähler, Mediation, S. 120; Hartmann, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 27 Rn. 1 f.; TGI Paris (ordon. réf.), 18 janv. 1999, D. 1999, inf. rap., 102 f.; CA Paris (ordon. 1er prés.), 24 sept. 1999, Gaz. Pal. 2000, jurispr., 121 f., note Lacabarats.
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mit der Reichweite der Pflicht zur Vertraulichkeit (5.) unter besonderer Berücksichtigung des scheinbaren Widerspruchs mit der gegenüber dem Richter bestehenden Informationspflicht (6.). Anschließend werden die konkreten Gefahrenquellen für die Einhaltung des Prinzips untersucht (7.) und Lösungswege aufgezeigt (8.). Abschließend wird ein Blick auf den Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen (EG-Richtlinienvorschlag) (9.) sowie den Europäischen Verhaltenskodex für Mediatoren (10.) geworfen und ein Fazit gezogen (11.). 1. Regelung a) Frankreich Im französischen Recht behandeln Art. 131-14 NCPC und Art. 832-9 NCPC die Vertraulichkeit in der médiation bzw. conciliation judiciaires. Darin wird geregelt, dass die Erkenntnisse (constatations) des médiateur bzw. des conciliateur und die Erklärungen, die ihm gegenüber abgegeben werden, im fortgesetzten, also wieder aufgenommenen506, Verfahren nicht ohne die Zustimmung der Parteien eingeführt507 und im Rahmen eines anderen Verfahrens sogar unter keinen Umständen beigebracht werden dürfen. Es wird also in Bezug auf die Vertraulichkeits- und Geheimhaltungspflichten zwischen diesem fortgesetzten Verfahren und einem anderen, nicht den Mediationsgegenstand betreffenden, Verfahren unterschieden. Für das Verfahren, in dessen Rahmen die médiation508 versucht wird, steht es den Parteien nämlich frei, auf die Vertraulichkeit zu verzichten und somit die Einbeziehung des in der médiation Erarbeiteten, wie Unterlagen und sonstigen Ergebnissen, in das anschließende – wieder aufgenommene – Gerichtsverfahren zu ermöglichen509. Für ein anderes, späteres Verfahren hingegen können die Erträge aus der médiation – selbst mit Einverständnis der Parteien – nicht verwertet werden510.
506 Gemeint ist hier nicht die Wiederaufnahme im technischen Sinne, sondern vielmehr die Fortsetzung des ursprünglichen Gerichtsverfahrens, das zum Zwecke des Médiationsversuchs zum Ruhen gebracht wurde. 507 Der französische Gesetzestext spricht von produire und invoquer. 508 Auch wenn hier nur von „médiation“ gesprochen wird, so ist damit sowohl das Verfahren der médiation als auch der conciliation gemeint. 509 Für die Anwendung dieser Norm siehe auch CA Paris (ordon. 1er prés.), 24 sept. 1999, Gaz. Pal. 2000, jurispr., 121 f., note Lacabarats. In dieser ordonnance hat der Premier Président hervorgehoben, dass Parteien, Anwälte, der médiateur und der Richter bei der Anordnung einer médiation judiciaire zu strikter Vertraulichkeit verpflichtet sind und dass die Gerichtsverhandlung zu dem vorherigen Verfahrensstand wiederaufzunehmen ist. Die Einführung eines im Laufe der médiation erhaltenen Schriftstücks sei ohne Zustimmung aller Beteiligten nicht möglich. 510 Pluyette, Revue de l’arbitrage 1997, 505 (516).
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Das Vertraulichkeitsprinzip wurde in der Praxis bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes von 1995 – als Teil des Standesrechts (déontologie) – in der médiation beachtet; die Parteien mussten nämlich sicher sein, dass ihre Vorschläge (propositions), Zugeständnisse (concessions) oder Anerkenntnisse (reconnaissances), die sie mit dem Ziel gemacht bzw. abgegeben haben, gütlich zu einer Lösung zu gelangen, im Falle des Scheiterns nicht ohne ihr Einverständnis aufgedeckt werden und sich so nicht gegen sie werden wenden können511. Diese Vorschriften befanden sich auch schon in den beiden Gesetzentwürfen von 1990 und 1994512. Die Bedeutung dieses Prinzips für die médiation wird also deutlich. b) Deutschland Mangels Regelung der Mediation in Deutschland im Allgemeinen, besteht folglich auch keine Vorschrift zur Vertraulichkeit in der Mediation im Besonderen. Dennoch ist auch hier unbestritten, dass ein Bedürfnis nach Vertraulichkeit in der Mediation besteht. Das Vertraulichkeitsprinzip wird im Zusammenhang mit der Mediation stets als eines der grundlegenden Prinzipien dieses Verfahrens genannt513. Allerdings existieren Regelungen über die vom Mediator (in seinem Grundberuf) zu wahrende Vertraulichkeit; es fehlt jedoch an entsprechenden, von den Medianden einzuhaltenden Regeln. Die Pflicht zur Vertraulichkeit wird für den Mediator, je nachdem, welcher Berufsgruppe er in seinem Grundberuf angehört, aus den jeweiligen berufsrechtlichen Vorschriften abgeleitet. Handelt es sich bei dem Mediator um einen Rechtsanwalt, so ist § 18 BORA, erlassen aufgrund der Ermächtigungsnorm des § 59b Abs. 2 Nr. 5 a) BRAO, einschlägig. Hier ist geregelt, dass der Rechtsanwalt – wird er als Mediator tätig – den Regeln des Berufsrechts unterliegt. § 43a Abs. 2 BRAO regelt, dass dieser in Bezug auf alles, was ihm in Ausübung seines Berufes bekannt geworden ist, zur Verschwiegenheit verpflichtet ist. Er ist somit zur „Geheimhaltung aller im Zusammenhang mit der Mediation erlangte[n] Informationen und Erkenntnisse“514 – abgesehen von offenkundigen oder bedeutungslosen Tatsa511
Pluyette, Revue de l’arbitrage 1997, 505 (516). Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 210. 513 Siehe z. B. Proksch, ZfM 1998, 113 (118); Duve/Ponschab, ZfM 1999, 263 (265 f.); Ewig, ZKM 2002, 45 (46 ff.); Ewig, ZKM 2002, 149 (150); Mähler, ZKM 2003, 73 (75); Spindler/Apel/Spalckhaver, ZKM 2003, 192 (195 f.); v. Schlieffen, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 1 Rn. 87; Kracht, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 15 Rn. 98, 120 ff.; vgl. auch statt vieler: Richtlinien der BAFM II. 3, abgedruckt bei Mähler/Mähler, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 58 Rn. 43 und in Duss-von Werdt/Mähler/Mähler, Mediation, S. 120; Hartmann, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 27 Rn. 1 f. 514 Hartmann, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 27 Rn. 10. 512
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chen515 – verpflichtet. Für einen Notar gilt § 24 Abs. 1 S. 1 BNotO, der ihn auch mit der „vorsorgenden Rechtspflege“ beauftragt. Hierzu wird auch die Bereinigung bestehender Streitigkeiten gezählt516. Da sich der Notar dabei des Mediationsverfahrens bedienen kann, ist die entsprechende Tätigkeit auch hier vom Berufsrecht erfasst517. Dieses trifft in § 18 Abs. 1 BNotO eine dem § 43a Abs. 2 BRAO entsprechende Regelung betreffend die Pflicht zur Verschwiegenheit. Ist der Mediator also im Grundberuf Rechtsanwalt oder Notar, so ist er gesetzlich zur Vertraulichkeit in Bezug auf das in der Mediation Erfahrene verpflichtet518. Gemäß § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB ist diese Pflicht zur Geheimhaltung auch strafbewehrt519. Eine Einschränkung ergibt sich lediglich aus § 138 StGB, der bei geplanten Straftaten schwerwiegender Art eine Anzeigepflicht vorsieht520. Führt ein Diplompsychologe die Mediation durch, so ist zunächst einmal ein Blick auf das Psychotherapeutengesetz (PsychThG) und das Heilpraktikergesetz (HPG), die die Rechtsgrundlage für die Tätigkeit der Diplompsychologen bilden, zu werfen. Nach § 1 Abs. 1 PsychThG behandelt dieses Gesetz die heilkundliche Psychotherapie, wozu Tätigkeiten „zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Störungen mit Krankheitswert“ (§ 1 Abs. 3 S. 1 PsychThG) gehören. Ausdrücklich nicht in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes fallen „Tätigkeiten, die die Aufarbeitung und Überwindung sozialer Konflikte“ zum Gegenstand haben (§ 1 Abs. 3 S. 3 PsychThG), so dass die Mediation nicht umfasst ist. Gleiches gilt für das HPG, das nach § 1 Abs. 2 die „Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden“ zum Gegenstand hat. Zwar wird die Schweigepflicht der Diplompsychologen in den „Ethischen Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Psychologie e.V. (DGPs) und des Berufsverbandes Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V. (BDP)“, Abschnitt B.III.1. behandelt, jedoch handelt es sich dabei um eine vereinsrechtliche Regelung, die daher keinen allgemein rechtsverbindlichen Charakter hat521. Darüber hinaus wird auch keine originäre Schweigepflicht begründet, sondern lediglich auf § 203 StGB verwiesen. Für Diplompsychologen ergibt sich eine Verschwiegenheitspflicht folglich lediglich aus § 203 Abs. 1 Nr. 2 515
§ 43a Abs. 2 S. 3 BRAO. Hartmann, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 27 Rn. 10; Arndt/ Lerch/Sandkühler, BNotO, § 24 Rn. 23; Eylmann/Vaasen-Frenz, BNotO/BeurkG, § 1 Rn. 16. 517 Hartmann, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 27 Rn. 10; Eylmann/ Vaasen-Frenz, BNotO/BeurkG, § 1 Rn. 16; Henssler, in Henssler/Koch, Mediation § 3 Rn. 47. 518 Hartmann, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 27 Rn. 10. 519 Groth/v. Bubnoff, NJW 2001, 338 (339). 520 Hartmann, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 27 Rn. 10. 521 Vgl. hierzu BVerfGE 76, 171 (185 ff., insbes. 187) zu Richtlinien des anwaltlichen Standesrechts. 516
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StGB, aber auch dies gilt nur für Berufspsychologen, sofern ihnen das Geheimnis in ihrer Funktion als Psychologe anvertraut wurde. Ob dies wiederum bei der Mediation der Fall ist, hängt davon ab, ob sie zu einem der Hauptanwendungsgebiete der Psychologie gehört522. Da zu den typischen Tätigkeitsfeldern der Berufspsychologen neben Diagnostik und Psychotherapie auch die Beratung zählt523 und dies grundsätzlich für alle Lebensbereiche – auch für die Bereiche Wirtschaft und Verwaltung – gilt, wird davon auszugehen sein, dass der für die Durchführung einer Mediation in Anspruch genommene Berufspsychologe auch gerade in dieser Funktion tätig wird. Daher ergibt sich für ihn die Schweigepflicht in Bezug auf sämtliche, in der Mediation erfahrene vertrauliche Informationen aus § 203 Abs. 1 Nr. 2 StGB524. Für Diplompädagogen existieren hingegen keine gesetzlichen Vorschriften zur Wahrung der Verschwiegenheit, da auch hier die Berufsordnung für Pädagogen (BOPäd), die in § 22 Abs. 1 eine Verschwiegenheitspflicht statuiert, als vereinsrechtliche Regelung keine allgemeine Verbindlichkeit hat. § 203 Abs. 1 Nr. 5 StGB erwähnt ausschließlich die Sozialpädagogen, so dass die Diplompädagogen aufgrund des strafrechtlichen Analogieverbots nicht darunter zu fassen sind525. Sozialarbeiter und Sozialpädagogen leiten ihre Verschwiegenheitspflicht aus § 203 Abs. 1 Nr. 5 StGB ab, soweit ihnen das Geheimnis in ihrer beruflichen Eigenschaft und in Ausübung entsprechender beruflicher Tätigkeit anvertraut wurde526. Für Ehe-, Erziehungs-, Jugend- oder Suchtberater ergibt sich die Schweigepflicht aus § 203 Abs. 1 Nr. 4 StGB, wenn die Mediationstätigkeit im Rahmen einer Beratungsstelle stattfindet527. Steuerberater, vereidigte Buch- und Wirtschaftsprüfer sind zwar grundsätzlich auch gemäß § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB zur Geheimhaltung verpflichtet; jedoch umfasst dies nur diejenigen geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, die ihnen in Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit anvertraut worden sind. Die Tätigkeit als Mediator zählt bei ihnen allerdings nicht dazu, so dass bei diesen Berufsträgern die Vertraulichkeit nicht gesetzlich gewährleistet ist528. Werden Angehörige anderer Berufe als Mediator tätig – wie Richter, Lehrer, Hochschulprofessoren, Amtsträger und Mitarbeiter aus dem öffentlichen Dienst –, so wird für diese eine aus § 203 Abs. 2 StGB abgeleitete Pflicht zur Vertrau522 So zumindest Hartmann, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 27 Rn. 12; vgl. LK-Schünemann, 5. Bd., § 203 Rn. 62; a. A. NK-Jung, StGB, § 203 Rn. 8. 523 Vgl. Präambel der Ethischen Richtlinien der DGPs und des BDP. 524 Hartmann, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 27 Rn. 12. 525 Hartmann, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 27 Rn. 13. 526 Hartmann, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 27 Rn. 14. 527 Hartmann, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 27 Rn. 15. 528 Hartmann, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 27 Rn. 16.
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lichkeit abgelehnt, da die Mediation nicht zu ihren angestammten beruflichen Tätigkeiten gehört und Geheimnisse ihnen im Rahmen eines Mediationsverfahrens nicht in ihrer beruflichen Eigenschaft anvertraut werden. Spezialgesetzliche Regelungen der Geheimhaltungspflicht existieren nicht529. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Vertraulichkeit in der Mediation im deutschen Recht nur in geringem Maße gesetzlich gesichert ist. Dies ist nur für wenige Berufsgruppen, die als Mediator in Frage kommen, der Fall und betrifft auch dann lediglich die Pflicht des Mediators zur Verschwiegenheit, nicht jedoch die der Parteien selbst. Ausschließlich für Mediatoren, die im Grundberuf Rechtsanwalt, Notar oder Diplompsychologen sind, ist die Vertraulichkeit ausnahmslos gewährleistet. Bei Sozialarbeitern und Sozialpädagogen sowie Ehe-, Erziehungs-, Jugend- und Drogenberatern gilt dies mit der Einschränkung, dass das Geheimnis gerade im Rahmen der Ausübung der entsprechenden Tätigkeit anvertraut wurde530. 2. Sinn und Zweck des Vertraulichkeitsprinzips Es stellt sich die Frage, was hinter diesem im französischen – anders als im deutschen – Recht explizit geregelten Prinzip steht, welchen Zweck es verfolgt. Hierbei wird in erster Linie die französische Literatur berücksichtigt. a) Vertraulichkeit als Voraussetzung für den Erfolg des Mediationsverfahrens In erster Linie soll den Parteien auf diese Weise garantiert werden, dass es sich bei der Mediation um eine vertrauliche Maßnahme handelt. Nur dadurch kann das Vertrauen der Parteien gewonnen werden. Dies wiederum ist absolut erforderlich, um ein offenes Gespräch zu erreichen. Erst wenn sie sicher sind, dass alles, was sie (zum Tatsächlichen oder Rechtlichen) sagen werden – die Vorschläge, Erklärungen, Geständnisse – gegenüber dem Richter, der unter Umständen über ihren Fall entscheiden wird, sowie gegenüber Dritten geheim gehalten wird, ist die Grundlage dafür geschaffen, dass sich die Parteien gänzlich auf die Verhandlung einlassen, ohne dass sich die jeweils andere Partei später – in einem streitigen Verfahren – darauf berufen könnte. Nur so kann ein Klima geschaffen werden, in dem die Parteien frei und offen reden können, was wiederum Voraussetzung dafür ist, die Chancen auf fruchtbare Verhandlungen zu erhöhen531. Insofern erscheint die Vertraulichkeit also als ein Mittel, zum Er529
Hartmann, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 27 Rn. 17. Hartmann, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 27 Rn. 18. 531 Joly-Hurard, Médiation et conciliation, Rép. pr. civ. Dalloz, nº 342, 351; dies., Conciliation et médiation judiciaires nº 471, 512; Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, 530
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folg der Verhandlungen zwecks gütlicher Streitbeilegung beizutragen532. Die Vertraulichkeit des Informationsaustausches und der gegebenenfalls unterbreiteten Vorschläge ist somit den Parteien und ihren Anwälten gegenüber die Gegenleistung zum entgegengebrachten Vertrauen533. Das Vertraulichkeitsprinzip hat zum Ziel zu vermeiden, dass die Mediation zu einem anderen Zweck benutzt wird als dem, zu dem sie durchgeführt wird, nämlich die Begünstigung der Lösung eines Rechtsstreits, der einem konkreten gerichtlichen Verfahren unterstellt ist. Damit soll jeglicher Missbrauch des Mediationsverfahrens vermieden werden – insbesondere die Durchführung eines Mediationsverfahrens zum alleinigen Zweck, Informationen von der gegnerischen Partei für einen anschließenden Gerichtsprozess zu erlangen534. Des Weiteren werden durch die gewährleistete Vertraulichkeit die Glaubwürdigkeit und damit auch der Erfolg der Mediation sichergestellt535. b) Kompensation für den Verzicht auf die Kontradiktion Auch wird in der französischen Literatur die Vertraulichkeit als Ausgleich für den Verzicht auf die Kontradiktion – das heißt auf eine gleichberechtigte Diskussion der Parteien mit Gelegenheit zur Stellungnahme zum Vorbringen der Gegenseite536 – in der médiation gesehen. Die Kontradiktion wird nämlich im Médiationsverfahren im Gegensatz zum gerichtlichen Verfahren (Art. 14–17 NCPC) nicht als zwingendes Prinzip angesehen537. Es soll für den médiateur auch möglich sein, mit den Parteien Einzelgespräche ohne die jeweils andere Partei zu führen538 oder Dokumente bzw. vertrauliche Mitteilungen von einer
Art et techniques de la médiation, nº 32, 301; Pluyette, Revue de l’arbitrage 1997, 505 (516); Barrière, Gaz. Pal. 2002, doctr., 1256 (1256); Hartmann, in Haft/ v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 27 Rn. 2 f.; Camilo de Oliveira, StudZR 2006, 45 (46); Katzenmeier, ZZP 115 (2002), 51 (90); Kracht, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 15 Rn. 120. 532 Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires nº 512. 533 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 301. 534 Joly-Hurard, Médiation et conciliation, Rép. pr. civ. Dalloz, nº 342; Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 301, 303; Pluyette, Revue de l’arbitrage 1997, 505 (516). 535 Joly-Hurard, Médiation et conciliation, Rép. pr. civ. Dalloz, nº 342; Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 301 f.; Pluyette, Revue de l’arbitrage 1997, 505 (516); Coulon, in Chevalier/Desdevises/Milburn, Les modes alternatifs, S. 247 (252). 536 Vgl. auch Solus/Perrot, Droit judiciaire privé, t. 3, nº106. 537 Siehe hierzu ausführlich unten unter „Verfahrensgarantien“, S. 174 ff., insbes. S. 178 ff. 538 Zur Möglichkeit von Einzelgesprächen im Rahmen der médiation siehe unten unter „Verfahrensgarantien“ S. 178 ff.
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Partei zu erhalten, die er der anderen nicht offenbart539. Die Kontradiktion sei ein der médiation fremdes Prinzip540, wenn dies auch nicht bedeute, dass sie vom Mediationsverfahren völlig ausgeschlossen sei; es komme darauf an, was jede der Parteien akzeptiere541. Dann jedoch müsse der médiateur besonders darauf achten, dass er allen Parteien eine absolute Gleichheit in der Behandlung sowie Unparteilichkeit und Objektivität gewährleiste – beim Zuhören wie bei den Vorschlägen542. Daraus resultiere die Legitimität des médiateur543. c) Mediation und fehlende Öffentlichkeit Das Prinzip der Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlung (Art. 22 NCPC) dient der Sicherung der Billigkeit der Justiz, also der Klarheit und Ordnungsmäßigkeit der Gerichtsverhandlung544, indem es den Bürgern erlaubt, eine Kontrolle der Art und Weise, auf welche die Justiz verwaltet wird, auszuüben; es vermittelt also eine gewisse Transparenz. Dagegen ist es gerade keines der leitenden Prinzipien der conciliation und der médiation judiciaires. Stattdessen wird die Vertraulichkeit in diesem Verfahren – als eines der grundlegenden Prinzipien – gewährleistet, so dass die Parteien offen Vorschläge unterbreiten können, ohne fürchten zu müssen, dass sie später in einem eventuellen streitigen Verfahren wiederaufgegriffen werden545. d) Sicherung der Unparteilichkeit des Richters Darüber hinaus soll durch die Vertraulichkeit in der médiation die Unparteilichkeit des Richters als Voraussetzung für eine unparteiliche Entscheidung im gerichtlichen Verfahren gesichert werden546. Denn wenn der Richter erst einmal Kenntnis von den Bedingungen, unter denen sich der Médiations- oder Conciliationsversuch abgespielt hat, erlangt habe sowie davon, was darin behauptet 539 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 35 f., 228, 302. 540 Coulon, in Chevalier/Desdevises/Milburn, Les modes alternatifs, S. 247 (252). 541 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 228. 542 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 302. 543 Lacabarats, in Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 248. 544 Guinchard/Ferrand, Procédure civile, nº 653; Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 512. 545 Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 512. 546 Joly-Hurard, Médiation et conciliation, Rép. pr. civ. Dalloz, nº 342; Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 301; Pluyette, Revue de l’arbitrage 1997, 505 (516); Coulon, in Chevalier/Desdevises/Milburn, Les modes alternatifs, S. 247 (252); Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 471, 514.
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wurde oder wie sich die Parteien darin verhalten haben, sei es äußerst schwer, sich davon freizumachen und dieses Wissen nicht zu berücksichtigen; vielmehr werde ihn das bei seiner Entscheidung nicht gleichgültig lassen547. 3. Adressaten der Pflicht zur Vertraulichkeit An wen richtet sich die Geheimhaltungspflicht? Ausgehend von Art. 131-14 NCPC kommen hier der médiateur, die Parteien selbst sowie der Richter des Ausgangsverfahrens, der auch über die Sache urteilt, wenn der Mediationsversuch gescheitert ist, in Betracht. a) Médiateur Zunächst richtet sich die Pflicht zur Geheimhaltung an den médiateur548. Er hat zum einen darüber zu wachen, dass die Vertraulichkeit innerhalb der médiation und danach gewahrt wird. Dies beginnt damit, dass er die Parteien darüber aufklärt, dass das in der médiation Vorgetragene, Zugestandene und Vorgeschlagene geheim bleibt, und dies im Mediationsvertrag festlegt. Gleichzeitig weist er aber darauf hin, dass die Verpflichtung zur Vertraulichkeit zwar die Vorlage jedes im Rahmen der médiation erarbeiteten Dokuments bei Gericht hindert, jedoch nicht vor der späteren Unredlichkeit der anderen Partei schützt und dass nichts eine Partei vor ungeschickten Enthüllungen bewahrt. Soweit es ihm möglich ist, hat der médiateur für die Einhaltung der Vertraulichkeit der Parteien Sorge zu tragen549. Überdies sollte er darauf achten, dass die Dokumente bis zur Rückgabe am Ende des Prozesses in seinen Händen belassen werden; nur ein Minimum an schriftlichen Dokumenten sollte gezeigt und erst recht überlassen werden. Wenn ein Dokument in und für die médiation erarbeitet wird, so sollte im Körper des Dokuments ganz eindeutig angegeben werden, dass es für die Bedürfnisse dieser médiation verfasst worden ist; dies gilt insbesondere für bezifferte Vorschläge, entwickelte Gestaltungen, Aufstellungen der Ergebnisse, etc. Der médiateur trägt Sorge dafür, dass die Parteien, die in dem Umgang mit Geheimnissen oft weniger geübt sind, sich der Gefahren bewusst sind und für die Geheimhaltung sensibilisiert werden550.
547 Guinchard, Droit processuel, nº 601; Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 514. 548 Joly-Hurard, Médiation et conciliation, Rép. pr. civ. Dalloz, nº 342; Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 301; Pluyette, Revue de l’arbitrage 1997, 505 (516); Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 512. 549 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 33. 550 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 33.
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Zum anderen darf der médiateur oder conciliateur, wenn er – im Einverständnis mit den Medianden – Einzelgespräche durchgeführt hat, einer Partei nicht offenbaren, was die andere ihm anvertraut hat, es sei denn die letzte hat ihm eine explizite Erlaubnis in diesem Sinne erteilt551. b) Parteien Ebenso richtet sich die Pflicht zur Vertraulichkeit an die Parteien552. Sie dürfen die im Laufe der médiation ausgetauschten Vorschläge und Informationen nicht enthüllen553. Die médiation darf von ihnen nicht dazu genutzt werden, Informationen zu erlangen, um sie für andere Zwecke als die der gütlichen Einigung des konkreten Konflikts zu verwerten. Überdies sind die Anwälte – von Berufs wegen Geheimnisträger (professionnels du secret) – aufgerufen, ihren Mandanten einschätzen zu helfen, bis wohin sie sich in der médiation offenbaren können, sie vorzubereiten und sie in diesem Sinne zu beraten. Hier wird die Bedeutung der Anwesenheit der Anwälte für die Arbeit des médiateur deutlich554. c) Richter Aber auch an den Richter, der das Ausgangsverfahren und damit auch das nach einem gescheiterten Mediationsversuch wieder aufgenommene Verfahren durchführt, wendet sich die Verpflichtung zur Geheimhaltung. Er muss darauf achten, dass die Parteien und der médiateur ihm nicht Informationen geben, die sie im Rahmen der médiation erlangt haben, darauf, dass das Prinzip der Vertraulichkeit – von deren Seite – respektiert wird. Wollen die Anwälte oder die Parteien in der Verhandlung die Gründe des Scheiterns der médiation aufdecken, so ist es Aufgabe des Richters, diese sofort zu unterbrechen und sie darauf hinzuweisen, dass er nicht wissen darf, was in der médiation passiert ist. Achtet der Richter diese Vertraulichkeit nicht, so ist seine Unparteilichkeit gefährdet, da er, sobald er eine Information hat, nicht mehr frei von ihr ist und sie nicht 551 So auch Art. 7 Code des règles d’éthique et de méthode de l’Association des médiateurs du Barreau de Paris: „Der médiateur beachtet die Vertraulichkeit zwischen den Parteien während des Ablaufs der médiation: Im Fall eines Einzelgesprächs mit einer Partei oder ihrem Anwalt teilt er nichts einer anderen Partei mit ohne ein präzises und explizites Einverständnis“; Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 515. 552 Joly-Hurard, Médiation et conciliation, Rép. pr. civ. Dalloz, nº 342; Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 34, 301; Pluyette, Revue de l’arbitrage 1997, 505 (516); Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 512, 515. 553 Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 515. 554 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 34. Zur Bedeutung der Anwälte in der Mediation siehe unten S. 196 ff.
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mehr ohne Weiteres ignorieren kann. Hat er dennoch entgegen diesem Prinzip der Vertraulichkeit Kenntnis von Tatsachen der Natur, dass sie auf sein Urteil Einfluss nehmen, erlangt, muss er sich für befangen erklären555. So hat beispielsweise die Strafkammer der Cour de cassation eine Entscheidung aufgehoben, die die Vorschriften des Art. 24 des Gesetzes vom 8. Februar 1995 zur Geheimhaltungspflicht von conciliateur und médiateur gegenüber Dritten sowie gegenüber dem Richter verkannt hatte. Im konkreten Fall hatte die cour d’appel von Nancy eine Mutter wegen Verweigerung des Besuchsrechts des geschiedenen Vaters für die gemeinsamen Kinder verurteilt. Dabei hatte sich das Gericht auf die Äußerungen des médiateur – die Familie hatte im Scheidungsverfahren eine erfolglose médiation familiale versucht – gestützt. Die Cour de cassation hielt dieses Vorgehen für unvereinbar mit Art. 24 des Gesetzes vom 8. Februar 1995 und hob das Urteil auf556. Ebenso hat die cour d’appel von Paris die Zurückweisung einer im Rahmen der médiation judiciaire erlangten und anschließend beim tribunal de grande instance vorgelegten Urkunde sowie die damit verbundene Ablehnung der Wiedereröffnung des Verfahrens in Anwendung der Vorschriften zur Vertraulichkeit bestätigt557. 4. Wem gegenüber besteht die Vertraulichkeitspflicht? Als nächstes stellt sich die Frage, wem gegenüber die Geheimhaltungspflicht einzuhalten ist. a) Richter Gegenüber dem Richter schreibt das Prinzip der Vertraulichkeit den Parteien und dem médiateur vor, nichts von den Tatsachen- oder Rechtselementen, den Zahlen und Vorschlägen aufzudecken, die den Ablauf der médiation betreffen (Art. 131-14 NCPC, Art. 24 Abs. 2 des Gesetzes vom 8. Februar 1995)558. Wie bereits oben dargelegt, kommt es auch dem Richter zu, auf die Einhaltung dieser Verpflichtung zu achten und hinzuweisen. Er muss darüber wachen, dass der 555 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 301, 303; Blohorn-Brenneur, in Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 645; Lacabarats, in Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 248. 556 Cass. crim., 28 févr. 2001, Bull. crim. 2001, nº 54; Blohorn-Brenneur, in Chevalier/Desdevises/Milburn, Les modes alternatifs, S. 173 (180). 557 CA Paris (ordon. 1er prés.), 24 sept. 1999, Gaz. Pal. 2000, jurispr., 121 f., note Lacabarats. 558 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 303; Lacabarats, in Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 248; Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 512; Faget, in Chevalier/ Desdevises/Milburn, Les modes alternatifs, S. 75 (87).
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médiateur nicht versucht, im Falle des Scheiterns, sich durch Erklärung seiner Vorgehensweise und seiner Anstrengungen zu rechtfertigen, um den Misserfolg auf die eine oder andere Partei zurückzuführen. Genauso kann es passieren, dass die eine der Parteien oder ihr Anwalt während der Verhandlung implizit den Ablauf der médiation oder vorgebrachte Vorschläge aufdeckt, was der Richter versuchen muss abzublocken. Nur dadurch kann der Richter vollkommen objektiv urteilen559. b) Dritte Gemäß Art. 24 Abs. 1 des Gesetzes vom 8. Februar 1995 sind der médiateur und der conciliateur an die Geheimhaltungspflicht gegenüber Dritten gehalten. Wie der médiateur bzw. conciliateur sind aber ebenso die Parteien gehalten, Dritten die im Laufe der médiation ausgetauschten Vorschläge und Informationen nicht zu enthüllen560. c) Die jeweils andere Partei Dass sich die Anwendung der Vertraulichkeitsmaxime auf Dritte erstreckt, wird nicht bezweifelt und ergibt sich im Übrigen aus Art. 24 Abs. 1 des Gesetzes von 1995. Dass sie gegenüber dem Richter anzuwenden ist, ist neben Art. 24 Abs. 2 des Gesetzes vom 8. Februar 1995 in Art. 131-14 NCPC geregelt. Jedoch muss man die Verpflichtung zur Vertraulichkeit auf alle vom Konflikt betroffenen Personen ausweiten, um das Klima des notwendigen Vertrauens nicht zu gefährden561. Führt der médiateur nämlich im Rahmen der médiation Einzelgespräche mit den Parteien unter Ausschluss der jeweils anderen durch, so gilt der Vertrauensgrundsatz auch gegenüber dieser anderen Partei. Der médiateur oder conciliateur darf in diesem Fall einer Partei nicht offenbaren, was die andere ihm anvertraut hat, wenn diese ihm nicht eine explizite Erlaubnis in diesem Sinne gegeben hat562. Es wird angemerkt, dass man sich dann natürlich fragen könne, was die Information nütze, wenn der Mediator sie nicht an beteiligte Parteien weitergeben dürfe. Jedoch könne er seine Kenntnis für die Mediation fruchtbar machen. In559
Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 303. Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 512, 515; Martel, LPA, 13 juillet 1999, 17 (19); Faget, in Chevalier/Desdevises/Milburn, Les modes alternatifs, S. 75 (87). 561 Faget, in Chevalier/Desdevises/Milburn, Les modes alternatifs, S. 75 (87). 562 So auch Art. 7 Code des règles d’éthique et de méthode de l’Association des médiateurs du Barreau de Paris. So bereits spiegelbildlich oben S. 141 f. 560
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sofern sei es besser, dass ausschließlich der Mediator eine Information erhalte, als dass gar keine Information gegeben werde563. Da in diesem Zusammenhang die Durchführung von Einzelgesprächen aufgrund der möglichen Gefährdung der Neutralität des Mediators problematisch ist, ist hierzu das Einverständnis aller Parteien erforderlich. Die Gefahr liegt vor allem in einem möglichen Missbrauch durch die Parteien, wenn beispielsweise eine Partei versucht, den Mediator bei den Einzelgesprächen für sich einzunehmen und diese so einseitig zu ihrem Vorteil zu nutzen564. 5. Reichweite der Pflicht zur Vertraulichkeit Richten wir nun den Blick auf die Frage, worauf sich die Pflicht zur Vertraulichkeit im Einzelnen bezieht. Dass die Bedeutung der Verschwiegenheitspflicht für die einzelnen Akteure unterschiedlich ist, wurde im oben Dargestellten bereits deutlich565. In der französischen Literatur wird angemerkt, dass der Wortlaut der Art. 13114, Art. 832-9 NCPC und Art. 24 Abs. 2 S. 1 des Gesetzes von 1995 zu der Annahme verleiten könnte, die Verpflichtung zur Vertraulichkeit betreffe nur den Ausgang der gütlichen Regelungsversuche – mit anderen Worten, dass alles, was darin währenddessen behauptet werde, danach nicht aufgedeckt werden dürfe. Tatsächlich dürfe diese Schlussfolgerung so – zu Recht – nicht gezogen werden, sondern die Vorschrift sei derart auszulegen, dass die Vertraulichkeit die Verfahren der conciliation und médiation judiciaires in ihrem Ganzen, von Beginn bis zum Ende, deckt. So dürfen die Parteien wie der médiateur/conciliateur auch während der Verhandlungen niemandem die erhaltenen Informationen enthüllen. Für die Parteien bedeute dies, die Informationen an keinen außenstehenden Dritten – einschließlich dem Richter – weiterzugeben; für den médiateur/conciliateur heiße es, diese im Falle von Einzelgesprächen nicht ohne Befugnis der anderen Partei zu offenbaren566. Das Geheimnis deckt nicht nur die rein technischen, dem médiateur von den Parteien mitgeteilten Informationen, sondern auch alle von jeder der Parteien in der Absicht der Ausarbeitung einer Einigung gemachten Angebote genauso wie natürlich das Mediationsprotokoll. Es sind alle Erklärungen, Vorschläge, Ange563 Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 515; Faget, in Chevalier/ Desdevises/Milburn, Les modes alternatifs, S. 75 (87); Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 32; Kracht, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 15 Rn. 119, 121 f. 564 Kracht, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 15 Rn. 121 f. Siehe zu dieser Problematik der Einzelgespräche im Einzelnen unter „Verfahrensgarantien“ S. 178 ff. 565 Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 515. 566 Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 515.
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bote und Tatsachen, die der médiateur in Ausübung seiner Aufgabe festgestellt hat, umfasst567. Für die Fortsetzung desselben Verfahrens (Art. 24 Abs. 2 S. 1 des Gesetzes von 1995, Art. 131-14, Art. 832-9 NCPC) – im Gegensatz zu einem anderen Verfahren – bestimmen die Parteien gemeinsam das Ausmaß der Vertraulichkeit gegenüber dem Richter; dies muss der médiateur in seinem Bericht beachten. So können sie sich beispielsweise darauf einigen, dass die objektiven, vom médiateur gemachten Feststellungen oder bestimmte Erklärungen in dem fortgesetzten Verfahren, für das der Richter angerufen bleibt, zugrunde gelegt werden568. Für ein anderes Verfahren, das nicht Ausgangspunkt für die médiation war, ist dies hingegen – wie bereits oben ausgeführt – selbst mit der Zustimmung der Parteien nicht möglich. Der französische Gesetzgeber hat mithin mit der Vertraulichkeitspflicht eine Wahl getroffen zugunsten der Wahrung der Interessen der Parteien gegen die unbedingte Suche nach der Wahrheit569. Darüber hinaus wird in der französischen Literatur teilweise dafür – als Aufforderung an den Gesetzgeber – plädiert, die Aufdeckung und Verwertbarkeit der Informationen aus der médiation ebenso wie aus allen Varianten der conciliation570 für andere Verfahren grundsätzlich ausschließlich der Zustimmung der Parteien zu unterstellen. Diese Forderung wird damit unterstrichen, dass selbst die Parteien höchst erstaunt seien, dass alle in der médiation erarbeiteten Informationen und Ergebnisse dem Richter verwehrt bleiben und im Gerichtsverfahren zu nichts mehr dienen sollen, im Gerichtsverfahren also alles von Neuem beginnen muss571. 6. Scheinbarer Widerspruch mit Informationspflicht gegenüber dem Richter In Art. 131-9 bzw. Art. 832-5 NCPC ist geregelt, dass der Richter vom médiateur bzw. conciliateur über Schwierigkeiten, denen er in der Erfüllung seiner Aufgabe begegnet, unterrichtet wird. Art. 131-11 Abs. 1 bzw. Art. 832-7 Abs. 1 NCPC verpflichten den médiateur/conciliateur, den Richter schriftlich darüber 567 TGI Paris (ord. réf.), 18 janv. 1999, Gaz. Pal. 2001, jurispr., 963 f.; Coulon, in Chevalier/Desdevises/Milburn, Les modes alternatifs, S. 247 (252); Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 515 f. 568 Pluyette, Revue de l’arbitrage, 1997, 505 (516 f.). 569 Barrière, Gaz. Pal. 2002, doctr., 1256 (1257). 570 Dem conciliateur de justice wird die Möglichkeit, mit Einverständnis der Parteien in dem und für das fortgesetzte Verfahren die Informationen aus der conciliation preiszugeben, nur für den Fall eröffnet, in dem der Kläger vom Richter einen vorhergehenden Conciliationsversuch beantragt hat (Art. 832-9 NCPC). 571 Barrière, Gaz. Pal. 2002, doctr., 1256 (1257).
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zu informieren, ob es den Parteien gelungen ist, für den sie entzweienden Konflikt eine Lösung zu finden oder nicht. Auf den ersten Blick scheinen diese Vorschriften im Widerspruch zur Vertraulichkeitsmaxime zu stehen. Einerseits soll der Richter über das Médiationsverfahren und seinen Ausgang auf dem Laufenden gehalten werden, andererseits soll er gerade nichts über den Inhalt der Verhandlungen erfahren, sollen diese vielmehr vertraulich bleiben. Wie also ist dieser Widerspruch aufzulösen? a) Sinn der Informationspflicht Zur Klärung dieser Frage soll zunächst einmal Sinn und Zweck der Pflicht zur Information des Richters beleuchtet werden. Die Regelung des Art. 131-9 NCPC – ebenso wie die des fast wortgleichen Art. 832-5 NCPC – scheint von den Vorschriften der Art. 167 und Art. 279 NCPC inspiriert zu sein, wonach der technicien oder der expert, wenn sie auf Schwierigkeiten stoßen, die der Erfüllung ihrer Aufgabe im Wege stehen, dem Richter darüber Bericht erstatten572. Dahinter steht der Gedanke, die Ausführung der Aufgabe durch den médiateur nicht zu verzögern und ihm zu ermöglichen, den Richter jedes Mal, wenn es erforderlich ist, um seine Kooperation zu bitten. Beispielsweise kann er um eine Fristverlängerung oder die Anordnung erforderlicher Maßnahmen wie eine mesure d’instruction (Beweisaufnahme), eine expertise technique (Sachverständigengutachten) bitten, für die der médiateur nicht selbst beauftragt werden kann (Art. 131-8 Abs. 2 NCPC), oder auf die Notwendigkeit hinweisen, Schriftstücke von einem Dritten zu erhalten, die die Parteien nicht erlangen können, die aber für die Fortführung seiner Aufgabe erforderlich wären. Im schlechtesten Fall erlauben diese Vorschriften dem médiateur, den Richter zu bitten, seinen Auftrag zu beenden, sei es, weil die Parteien sich nicht mehr conciliieren wollen oder die Situation so blockiert ist, dass es offensichtlich unmöglich ist, zu einer Lösung zu gelangen573, sei es weil sie an dem Punkt sind, eine Einigung zu schließen, von der der médiateur meint, dass sie gegen den ordre public oder gegen strafrechtliche Vorschriften verstößt und die er mit seiner Position nicht „decken“ will574. Die Regelung des Art. 131-11 Abs. 1 NCPC beruht auf der Idee, dass der médiateur/conciliateur in gewisser Weise vom Richter beauftragt ist, eine be572
Joly-Hurard, Médiation et conciliation, Rép. pr. civ. Dalloz, nº 347. Joly-Hurard, Médiation et conciliation, Rép. pr. civ. Dalloz, nº 348; Pluyette, Revue de l’arbitrage 1997, 505 (517 f.). 574 Zum Beispiel die Nichterfüllung von steuerlichen Erfassungspflichten (dissimulation fiscale) oder der Verstoß gegen das Gesellschaftsrecht; Pluyette, Revue de l’arbitrage 1997, 505 (518). 573
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stimmte Aufgabe zu erfüllen – genauso wie der technicien (Sachverständige) im Rahmen einer Beweisaufnahme –, und dass davon der Verlauf des anhängigen Gerichtsverfahrens abhängt. Der Richter ist weiterhin zuständig für das Verfahren (Art. 131-2 Abs. 2 NCPC). Daher ist es wichtig, dass der médiateur den Richter am Ende seiner Aufgabe über den Ausgang des Médiationsversuchs informiert575. Im Falle des Art. 832-7 Abs. 1 NCPC bezüglich der vorgelagerten conciliation ist zwar der Richter noch nicht angerufen576, jedoch erfüllt hier der conciliateur eine originäre Aufgabe des Richters, und es soll ermöglicht werden, das Gerichtsverfahren bei Scheitern des Conciliationsversuchs unmittelbar einzuleiten. Somit ist auch hier die Benachrichtigung des Richters von Bedeutung. b) Umfang der Berichtspflicht Als nächstes stellt sich die Frage, in welchem Umfang der médiateur/conciliateur den Richter benachrichtigen muss. Hierbei sind Art. 131-9/Art. 832-5 NCPC und Art. 131-11 Abs. 1/Art. 832-7 Abs. 1 NCPC – unter Berücksichtigung des in Art. 131-14/Art. 832-9 NCPC geregelten Vertraulichkeitsprinzips – so auszulegen, dass sich dieses Gespräch zwischen médiateur und Richter zwingend auf Betrachtungen der reinen Form beschränkt, also nur über die Bedingungen des Ablaufs der médiation und das Ergebnis der médiation, die nicht den Inhalt der Sache berühren. Von der Mitteilungspflicht werden danach umfasst Ausführungen, die sich auf die Erfüllung der Aufgaben des médiateur/conciliateur, die unternommenen Schritte (versandte Ladungen (convocations), organisierte Treffen) und eventuelle Schwierigkeiten bei der Ausführung dieser Aufgabe sowie die erhaltenen Ergebnissen (vollständiger oder partieller Erfolg oder Scheitern des Versuchs gütlicher Regelung) erstrecken. Auf den Gegenstand der Sache, das heißt auf die von den Parteien vorgetragenen Ausführungen zum Sachverhalt, die ausgetauschten Argumente und die formulierten Vorschläge, also die Gründe, die der Ursprung dieser Schwierigkeiten, dieses Erfolgs oder dieses Scheiterns sind, erstreckt sich die Informationspflicht an den Richter hingegen nicht. Dies muss geheim bleiben und darf nie aus der Akte des médiateur/conciliateur „durchsickern“; die Justiz wird in dieser Hinsicht wie die Dritten im Rechtsstreit behandelt577. Solche Informationen
575 Joly-Hurard, Médiation et conciliation, Rép. pr. civ. Dalloz, nº 349; Pluyette, Revue de l’arbitrage 1997, 505 (517 f.). 576 Siehe hierzu oben S. 24 f., 31, 66 ff. 577 Barrière, Gaz. Pal. 2002, doctr., 1256 (1256); Faget, in Chevalier/Desdevises/ Milburn, Les modes alternatifs, S. 75 (87); Coulon, in Chevalier/Desdevises/Milburn,
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darf der médiateur lediglich im Einverständnis mit den Parteien an den Richter, der das ursprüngliche Verfahren fortführt, weitergeben578. Im Ergebnis wird deutlich, dass insofern kein allzu großer Widerspruch zwischen der Informationspflicht und dem Vertraulichkeitsgrundsatz besteht, da der Umfang der Mitteilungspflicht auf die formelle Seite begrenzt ist und die beiden Maximen dadurch miteinander vereinbar sind. 7. Gefahrenquellen Worin liegen nun die konkreten Gefahren für die Vertraulichkeit der médiation? Im folgenden Abschnitt werden die unterschiedlichen Gefahrenquellen dargestellt und vereinzelt bereits Lösungswege aufgezeigt. Die Arbeit geht hier sowohl auf die französische als auch auf die deutsche Situation ein. a) Aufzeichnungen Zunächst sind hier Aufzeichnungen aller Art zu nennen. Werden Dokumente im Rahmen des Mediationsverfahrens vorgezeigt oder errichtet, so sind sie in der Welt und es besteht immer die Gefahr, dass sie auch außerhalb der gütlichen Verhandlungen verwandt werden579. Grundsätzlich gilt hier die Regel der absoluten Gültigkeit der Vertraulichkeit, wonach ausgeschlossen ist, in der médiation beigebrachte Dokumente anschließend vor Gericht vorzulegen580. In diesem Zusammenhang besteht aber auch die Gefahr des Missbrauchs des Vertraulichkeitsgrundsatzes selbst, wenn nämlich Dokumente auch in der médiation vorgelegt werden, um Schriftstücke, von denen man fürchtet, sie eines Tages vorlegen zu müssen, zu verdecken und somit von der gerichtlichen Sphäre auszuschließen581. Les modes alternatifs, S. 247 (252); Joly-Hurard, Médiation et conciliation, Rép. pr. civ. Dalloz, nº 350; Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 513. 578 Blohorn-Brenneur, in Chevalier/Desdevises/Milburn, Les modes alternatifs, S. 173 (180). Es wird gefordert, diese Vorschrift über die Pflicht zur Vertraulichkeit im Rahmen des Strafrechts auszuweiten; denn die Tatsache, den Inhalt der Mediationssitzungen aufzudecken oder Urteile über das Verhalten der Gegner abzugeben, würde das Risiko bergen, den médiateur als Richter zu positionieren, der die Entscheidung der Staatsanwaltschaft entscheidend beeinflusst und Informationen beschafft, die in einem eventuellen späteren Verfahrens den magistrat du siège in die Position eines juge de la médiation setze. So Faget, in Chevalier/Desdevises/Milburn, Les modes alternatifs, S. 75 (87). 579 Coulon, in Chevalier/Desdevises/Milburn, Les modes alternatifs, S. 247 (252); Kracht, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 15 Rn. 125. 580 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 37. 581 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 37.
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Dem wird man insofern entgegenwirken müssen, als man für jedes schon in einer Gerichtsverhandlung vorgelegte Schriftstück, aber auch für jedes Schriftstück, von dessen Existenz die andere Partei hätte wissen und die Vorlage (zum Beispiel erzwungen) im gerichtlichen Rahmen erreichen können, die Vertraulichkeit ausschließt. Die médiation kann nicht dazu dienen, der Justiz Dokumente zu verbergen, die sie normalerweise hätte zur Grundlage ihres Urteils machen können müssen, wenn es keine médiation gegeben hätte. Dennoch sei es sinnvoller, solche Dokumente von vornherein nur zu zeigen als sie zu übermitteln, damit die médiation nicht dazu missbraucht werde, schnell und bequem Urkunden für einen Gerichtsprozess zu sammeln582. Hingegen soll absolute Vertraulichkeit gegenüber jedem Dokument gewährleistet werden, von dem eine Partei ohne die vertrauliche Mitteilung der anderen Partei in der médiation nicht hätte Kenntnis nehmen können, wie zum Beispiel interne Arbeitsdokumente des Unternehmens, ein persönlicher Brief etc. Um die Gefahr des Missbrauchs bzw. Verstoßes gegen die Vertraulichkeit zu verringern, wird gefordert, dem médiateur jedes Dokument im Einzelgespräch oder sogar im Laufe der Sitzung mit allen Beteiligten zu zeigen, bevor es den Gesprächspartnern präsentiert wird. Des Weiteren wird empfohlen, jedes übermittelte Dokument mit einer nicht vom Dokument zu trennenden Formel „vertraulich-médiation“ zu versehen. Dadurch würde ermöglicht, einen späteren Anwalt der Partei über den Ursprung des Dokuments aufzuklären, und er würde so davor bewahrt, es gutgläubig vorzulegen. Auch würde dies jeden Zweifel des magistrat über die Umstände des Erhalts des Schriftstücks durch die Partei, die beabsichtigte, sich im Gerichtsverfahren darauf zu berufen, beseitigen. Bezüglich der im Laufe der und für die médiation erarbeiteten Dokumente wie Vorschläge, Ergebnisaufstellungen, Arbeitshypothesen, detaillierte Tagesordnungen, Projektionen und Tafeln, Besprechungsnotizen, Entwürfe von Zugeständnissen und Kompromissen muss absolute Vertraulichkeit herrschen. Dabei handelt es sich nämlich um das Herz der médiation583. b) Zeugenaussage des Mediators Als weitere Gefahrenquelle sind der Mediator selbst und seine eventuelle Aussage als Zeuge zu nennen. Da der Mediator beim Mediationsverfahren immer anwesend ist, ohne selbst Partei zu sein, wird er wahrscheinlich jedem Richter584 – sowie noch mehr den 582
Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 37. Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 37. 584 Der Richter, der die Zeugenvernehmung vornimmt, kann jede Person, deren Anhörung ihm zur Wahrheitsfindung dienlich erscheint, von Amts wegen oder auf Antrag der Parteien laden oder hören, Art. 218 NCPC. 583
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Parteien – als geeigneter, da auch qua seiner Aufgabe neutraler, Zeuge in den Sinn kommen. Jedoch fällt sofort auf, dass die Rolle des Mediators als Zeuge in einem gerichtlichen Verfahren mit seiner Vertraulichkeitsverpflichtung kollidiert. Auf jeden Fall ist sie keineswegs unproblematisch mit ihr vereinbar. Bei dieser Frage muss man zwischen einem zivilrechtlichen und einem strafrechtlichen Verfahren unterscheiden. aa) Zivilrechtliches Verfahren (1) Frankreich Zur Benennung eines médiateur als Zeugen in einem Zivilprozess wird in Frankreich überwiegend die Auffassung vertreten, dass der médiateur – da er selbst vom Richter nicht von der Vertraulichkeit befreit werden kann – nicht als Zeuge oder Sachverständiger in einem aktuellen oder künftigen Prozess zwischen denselben Parteien benannt werden kann, um sein Zeugnis über die Tatsachen oder die Umstände abzulegen, von denen er als médiateur judiciaire Kenntnis erlangt hat. Insbesondere kann er nicht zur Auslegung der getroffenen Einigung herangezogen werden585. Es scheint also aus dem Verwertungsverbot ein Zeugnisverweigerungsrecht für den médiateur abgeleitet zu werden. Ob sich das Zeugnisverweigerungsrecht auch aus Art. 206 NCPC ableiten lässt, der médiateur also ein motif légitime in Form eines Berufsgeheimnisses (secret professionnel) hat, oder ausschließlich aus der Pflicht des médiateur zur Vertraulichkeit gegenüber Dritten (Art. 24 Abs. 1 und 2 des Gesetzes nº 95-125 vom 8. Februar 1995) und der Tatsache, dass der Inhalt der médiation nicht in einem Gerichtsverfahren geltend gemacht werden darf (Art. 131-14 NCPC), lässt sich der französischen Literatur – soweit ersichtlich – nicht entnehmen. Allerdings spricht sehr viel dafür, dass der médiateur ein motif légitime geltend machen kann, indem er sich auf Art. 226-13 Code pénal (C. pénal) beruft. Das dort geregelte Berufsgeheimnis ist nach der Rechtsprechung nämlich als allgemein und absolut anzusehen586. Jedoch besteht im Zivilprozess für die Parteien unter Umständen die Möglichkeit, den médiateur von seiner Verschwiegenheitspflicht zu entbinden und somit seine Aussage vor dem Zivilgericht zu ermöglichen587. Nach Art. 131-14 NCPC ist dies jedoch – außer im fortgesetzten Verfahren – gerade nicht möglich. 585 Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 513; Bourry d’Antin/ Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 304; Tarzia, in Cadiet, Médiation et arbitrage, S. 19 (27, nº 14). 586 Cass. crim., 22 déc. 1966, D. 1967, jurispr., 122 ff., concl. Combaldieu; dass., JCP 1967, II 15126, note Savatier; Pelletier/Perfetti, Code pénal, Art. 226-13, nº 1–6, 8, 37. 587 Cass. crim., 22 déc. 1966, D. 1967, jurispr., 122 (123), concl. Combaldieu.
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(2) Deutschland In Deutschland ist für dieses Problem § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO einschlägig. Danach haben Personen, denen kraft ihres Amtes, Standes oder Gewerbes Tatsachen anvertraut sind, deren Geheimhaltung durch ihre Natur oder durch gesetzliche Vorschrift geboten ist, in Betreff der Tatsachen, auf welche sich die Verpflichtung zur Verschwiegenheit bezieht, ein Zeugnisverweigerungsrecht im Zivilprozess. Diese Regelung ist das Spiegelbild der Verschwiegenheitspflicht der dort genannten Berufsgruppen. Somit gilt grundsätzlich, dass in den Berufen, bei deren Ausübung man aufgrund der Vertrauensstellung Kenntnis über schutzwürdige Geheimnisse Dritter erhält, ein Zeugnisverweigerungsrecht anzunehmen ist588. Unproblematisch zählen hierzu alle Berufsträger, für die eine Schweigepflicht gesetzlich festgelegt ist und die Verletzung dieser Pflicht gegebenenfalls strafbewehrt ist (vergleiche § 203 StGB), soweit sie im Rahmen ihres Berufes von dem Geheimnis erfahren589. Gilt dies nun auch für den Mediator? Auch hier muss nach den Grundberufen des die Mediation Durchführenden unterschieden werden. Aufgrund der gesetzlich auferlegten Pflicht zur Verschwiegenheit für Rechtsanwälte (§ 43a Abs. 2 BRAO, § 18 BORA)590 kann sich ein Mediator, der den Beruf des Rechtsanwalts ausübt und in dieser Funktion die Mediation durchführt, auf das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO berufen591. Ebenso steht den Personen der Berufsgruppen ein Zeugnisverweigerungsrecht zu, für die sich die Verschwiegenheitspflicht kraft Gesetzes aus § 203 StGB ergibt. Dies ist unter anderem der Fall für staatlich anerkannte Berufspsychologen (Abs. 1 Nr. 2), Berater in Fragen der Ehe-, Familien-, Erziehungs- oder Jugendangelegenheiten (Abs. 1 Nr. 4) oder auch Sozialarbeiter oder Sozialpädagogen (Abs. 1 Nr. 5), die als Mediatoren in Betracht kommen592. Zwar ist dies nicht unstreitig, da in der Literatur zum Teil vertreten wird, dass sich aus § 203 Abs. 1 StGB kein Zeugnisverweigerungsrecht ableiten lasse593. Dem widerspricht jedoch, dass es sich bei § 203 Abs. 1 StGB gerade um eine „gesetzliche Vorschrift“ im Sinne von § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO handelt, so dass mit der herr588 Kracht, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 15 Rn. 126; Zöller-Greger, ZPO, § 383, Rn. 16 ff. 589 Siehe hierzu die Ausführungen oben S. 135 ff. 590 Nähere Ausführungen siehe S. 135 ff. 591 Eckardt/Dendorfer, MDR 2001, 786 (790); Groth/v. Bubnoff, NJW 2001, 338 (339); Hartmann, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 27 Rn. 43. 592 Groth/v. Bubnoff, NJW 2001, 338 (339); Hartmann, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 27 Rn. 44. 593 Eidenmüller, Wirtschaftsmediation, S. 25; Zöller-Greger, § 383 Rn. 16.
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schenden Meinung davon auszugehen ist, dass § 203 Abs. 1 StGB die von § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO geforderte Verschwiegenheitspflicht begründen kann594. Wie oben dargelegt gehört die Mediation zur Berufstätigkeit dieser Berufsgruppen; diese sind gemäß § 203 Abs. 1 StGB zur Verschwiegenheit verpflichtet, so dass sich hieraus ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ergibt595. Schwieriger wird es in Fällen, in denen Personen die Mediation durchführen, deren Geheimhaltungspflicht nicht speziell gesetzlich angeordnet ist. Hier kommt jedoch ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO in Betracht, wenn Tatsachen im Rahmen eines Amtes, Standes oder Gewerbes anvertraut sind, deren Geheimhaltung durch die Natur der anvertrauten Tatsache geboten ist. Zu denken ist hier insbesondere an die Tätigkeit der Mediation selbst. Übt also der Mediator ein solches „Amt“ oder „Gewerbe“ aus? Dass es sich bei der Mediation um ein Gewerbe in diesem Sinne handeln kann, stellt dabei das geringere Problem dar. Davon kann man durchaus ausgehen, wenn die Mediation – zumindest als Nebenberuf – dauerhaft, mit Gewinnerzielungsabsicht und für eigene Rechnung ausgeübt wird, was in der Regel der Fall sein wird596. Problematischer wird es allerdings bei der Frage, ob § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO restriktiv auszulegen ist und damit Mediatoren an sich vom Anwendungsbereich der Norm auszuschließen sind, wie es Klaus-Martin Groth und Daniela v. Bubnoff597 unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts598 fordern. Allerdings übersehen sie, dass sich dieses Urteil auf das Zeugnisverweigerungsrecht (von Sozialarbeitern) im Strafprozess bezieht und somit nicht ohne Weiteres auf den Zivilprozess übertragen werden kann599. Im Rahmen des Mediationsverfahrens ist Vertraulichkeit zwischen den Parteien und dem Mediator vielmehr notwendige Voraussetzung des für eine erfolgreiche Durchführung erforderlichen Maßes an Offenheit und damit deren zentrales Merkmal. Dem Mediator werden dabei typischerweise Tatsachen anvertraut, an deren Geheimhaltung den Parteien gelegen ist600. Überdies werden von der herrschenden Meinung wirksame Geheimhaltungspflichten für zahlreiche, ebenso 594 Hartmann, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 27 Rn. 45; MüKoDamrau, ZPO/Bd. 2, § 383 Rn. 31, 37; Musielak-Huber, ZPO, § 383, Rn. 6; Stein/ Jonas-Berger, ZPO, § 383 Rn. 51 (u. a. für Steuerberater und Gehilfen), 53 (Heilberufe). 595 Siehe oben S. 135 ff. 596 So Eidenmüller, Wirtschaftsmediation, S. 24. 597 Groth/v. Bubnoff, NJW 2001, 338 (340). 598 BVerfGE 33, 367 ff. 599 Eckardt/Dendorfer, MDR 2001, 786 (789). 600 Eckardt/Dendorfer, MDR 2001, 786 (790); Eidenmüller, FS Schlosser, S. 45 (65); Mähler/Mähler, ZKM 2001, 4 (7); Zöller-Greger, ZPO, § 383 Rn. 20; anders Groth/v. Bubnoff, NJW 2001, 338 (340); Kracht, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 15 Rn. 127.
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mit sensiblen Daten betraute Berufe angenommen – unter anderem für Betriebsund Personalräte, Bankiers, Inhaber und Angestellte von Auskunfteien und Inkassobüros, Detektive, Dolmetscher, Übersetzer sowie Mitarbeiter von Interessenverbänden601. Auch diese vielfältige Kasuistik spricht für die grundsätzliche Einbeziehung des Mediators in den Anwendungsbereich des § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO. Daher kann ein Zeugnisverweigerungsrecht im Sinne von § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO – unabhängig vom Grundberuf des Mediators – „durch die Natur des Mediationsverfahrens“ begründet werden602. Allerdings ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass Personen, denen nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht, ihr Zeugnis dann nicht verweigern können, wenn sie von der Verpflichtung zur Verschwiegenheit entbunden sind, § 385 Abs. 2 ZPO. Daraus folgt, dass der Mediator in diesem Fall im Zivilgerichtsverfahren aussagen muss, wenn ihn die Parteien von seiner Geheimhaltungspflicht entbinden. Problematisch wird dies, wenn nur eine Partei diese Entbindung vornimmt, die andere hingegen nicht. Dann nämlich läuft die nicht entbindende Partei Gefahr, dem Vorwurf der Beweisvereitelung ausgesetzt zu sein. Diesem Konflikt kann dadurch begegnet werden, dass die Parteien sich im Mediationsvertrag dazu verpflichten, den Mediator in keinem Fall – auch nicht gemeinsam – von der Verschwiegenheitspflicht zu entbinden. Diese Möglichkeit einer solchen Vereinbarung lässt sich aus dem Umkehrschluss aus § 385 Abs. 2 ZPO ableiten. Ist es nämlich die freie Entscheidung der Parteien, den grundsätzlich zur Verschwiegenheit verpflichteten Mediator von seiner Pflicht zu entbinden, so muss es ihnen auch möglich sein, sich dazu zu verpflichten, den Mediator nicht zu entbinden603. Wird ein Richtermediator als Zeuge benannt, so kann der Vertrauensschutz (praktisch) durch die Versagung der Aussagegenehmigung seitens seines Dienstvorgesetzten gewährleistet werden, wie dies auch im Rahmen der laufenden Modellprojekte gehandhabt wird604.
601 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 383 Rn. 12 ff.; MüKo-Damrau, ZPO/Bd. 2, § 383 Rn. 39; Musielak-Huber, ZPO, § 383 Rn. 6; Stein/Jonas-Berger, ZPO, § 383 Rn. 58 f. 602 So ausdrücklich Stein/Jonas-Berger, ZPO, § 383 Rn. 59. Siehe auch Eckardt/ Dendorfer, MDR 2001, 786 (790); Eidenmüller, FS Schlosser, S. 45 (65); Mähler/ Mähler, ZKM 2001, 4 (7); Zöller-Greger, ZPO, § 383 Rn. 20; Kracht, in Haft/ v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 15 Rn. 127; Hartmann, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 27 Rn. 46; anders Groth/v. Bubnoff, NJW 2001, 338 (340); Musielak-Huber, ZPO, § 383 Rn. 6. 603 BRAK-Ausschuss, BRAK-Mitt. 1996, 186 (187); Eckardt/Dendorfer, MDR 2001, 786 (790); Mähler/Mähler, ZKM 2001, 4 (8). 604 Löer, ZKM 2006, 4 (4).
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bb) Strafrechtliches Verfahren Führt die Mediation zur Begehung von Straftaten, zum Beispiel über ein Einigungsprotokoll (etwa im Bereich des Steuerrechts oder im Gesellschaftsrecht, zum Beispiel durch Vereinbarung einer nach § 30 Abs. 1 GmbHG unzulässigen Auszahlung von Vermögen an einen Gesellschafter605) oder wird sonst eine Straftat im Rahmen des Mediationsverfahrens begangen (zu denken wäre hierbei unter anderem an Beleidigungsdelikte oder Betrug, insbesondere in Form des Prozessbetrugs), so stellt sich die Frage, inwieweit der Mediator in diesem strafrechtlichen Verfahren als Zeuge herangezogen werden darf. (1) Frankreich In der französischen Literatur finden sich – soweit ersichtlich – zu dieser speziellen Frage des Zeugnisverweigerungsrechts des médiateur im Strafprozess kaum Stellungnahmen. Es wird meist lediglich allgemein von den sich einer médiation anschließenden Gerichtsverfahren gesprochen, ohne eine Differenzierung nach den Gerichtszweigen vorzunehmen. Jedoch wird vertreten, dass auch im strafrechtlichen Verfahren der médiateur nicht dazu gezwungen werden darf, sein Zeugnis über die Tatsachen oder Umstände abzulegen, von denen er als médiateur judiciaire Kenntnis erlangt hat606. Auch hier findet sich keine ausdrückliche Bezugnahme auf Art. 109 Abs. 1 Code de procédure pénale (C. proc. pén.) in Verbindung mit Art. 226-13, 22614 C. pénal, also auf ein Zeugnisverweigerungsrecht des médiateur in Bezug auf seine Mediationstätigkeit im Strafprozess. Allerdings – liest man in der Kommentarliteratur die Beispiele von Personen, die mit ihrer Tätigkeit unter Art. 226-13 C. pénal fallen und damit ein Zeugnisverweigerungsrecht erhalten – ist durchaus davon auszugehen, dass auch die Tätigkeit des médiateur darunterfällt607. (2) Deutschland Die Frage der Zeugnispflicht oder eines eventuellen Zeugnisverweigerungsrechts des Mediators wird in Deutschland für das Strafverfahren anders beurteilt als für das Zivilverfahren. Auszugehen ist von der Vorschrift des § 53 StPO, die Berufsgeheimnisträgern ein Zeugnisverweigerungsrecht einräumt. Danach haben gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO unter anderem Anwälte, Notare, Ärzte, Psychologische Psychotherapeuten sowie nach § 53 Abs. 1 Nr. 3b StPO Drogenberater 605 606 607
Strafbarkeit des Geschäftsführers nach § 266 Abs. 1 StGB. Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 304. Siehe z. B. Pelletier/Perfetti, Code pénal, Art. 226-13, nº 1–6, 8, 37.
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ein Zeugnisverweigerungsrecht über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut oder bekannt geworden ist. Im Unterschied zur Zivilprozessordnung ist die Aufzählung der betroffenen Personenkreise abschließend und der Kreis enger. Alle anderen, nicht genannten Berufsgruppen sind nicht erfasst608. Für den Mediator bedeutet dies, dass er dann das Zeugnis verweigern darf, wenn er die Mediation in Ausübung eines Berufes durchführt, für den ein Zeugnisverweigerungsrecht explizit gewährt wird. Das setzt voraus, dass die Mediationstätigkeit zum jeweiligen Berufsbild gehören muss. So kann sich der Anwalt auf § 18 BORA berufen, wonach sich die Mediation als anwaltliche Tätigkeit darstellt. Für den Notar könnte sich dies allenfalls aus § 24 Abs. 1 S. 1 BNotO ergeben, wonach die vorsorgende Rechtspflege zum Aufgabenbereich des Notars gehört, in deren Rahmen auch die Mediation angewandt werden kann609. Allenfalls kommt noch ein Zeugnisverweigerungsrecht des Mediators in Betracht, dem im Rahmen seiner Tätigkeit als Drogenberater oder Berater im Zusammenhang mit einem Schwangerschaftsabbruch – also für die in § 53 Abs. 1 Nr. 3a und b StPO genannten Berufsgruppen – ein Geheimnis anvertraut worden ist610. Für alle anderen in § 53 StPO genannten Berufsträger fehlen Zuweisungen bezüglich einer Mediationstätigkeit vollständig, so dass diesen daraus kein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht611. Ein solches ist auch nicht aus § 203 StGB abzuleiten, da diese Vorschrift nach einhelliger Auffassung mit § 53 StPO nicht deckungsgleich ist und die materielle Schweigepflicht nicht geeignet ist, ein Zeugnisverweigerungsrecht im Strafprozess zu begründen612. Soweit dem Schweigepflichtigen in den Verfahrensordnungen nicht zugleich ein Zeugnisverweigerungsrecht gewährt wird, hat der Gesetzgeber hier der prozessualen Zeugnispflicht grundsätzlich den Vorrang vor der Schweigepflicht eingeräumt. Allerdings handelt jemand, der nach § 203 StGB zur Wahrung eines Berufsgeheimnisses verpflichtet ist, dem jedoch kein Aussageverweigerungsrecht nach § 53 StPO zusteht, nicht unbefugt im Sinne des § 203 StGB613. Bei anderen Berufsgruppen als der der Rechtsanwälte und Notare ist daher eine spätere Hinzuziehung des Mediators als Zeuge in einem Strafverfahren 608 Kracht, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 15 Rn. 128; Meyer-Goßner, StPO, § 53 Rn. 2; Pfeiffer, StPO, § 53 Rn. 1. 609 Eckardt/Dendorfer, MDR 2001, 786 (788 f.); Hartmann, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 27 Rn. 50 ff.; Kracht, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 15 Rn. 129. 610 Hartmann, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 27 Rn. 53; Löwe-Rosenberg-Dahs, StPO, § 53 Rn. 38, 40. 611 Eckardt/Dendorfer, MDR 2001, 786 (788 f.); Hartmann, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 27 Rn. 50 ff.; Kracht, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 15 Rn. 129. 612 Meyer-Goßner, StPO, § 53 Rn. 4; KK-Senge, StPO, § 53 Rn. 3. 613 Löwe-Rosenberg-Dahs, StPO, Bd. 1, § 53 Rn. 9; Schönke/Schröder-Lenckner, StGB, § 203 Rn. 29.
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nicht ausgeschlossen. Auf diese Rechtslage muss der Mediator die Parteien hinweisen, um die sich möglicherweise ergebenden Gefahren transparent zu machen614. c) Die Information selbst Indes darf nicht übersehen werden, dass die Parteien durch die Mediation an Informationen gelangen, die sie ohne sie nicht erhalten hätten. Dieses Wissen kann bei Scheitern des Mediationsversuchs nicht wieder zurückgenommen werden615. Man stelle sich den Fall vor, dass es im Mediationsverfahren um die Zahlung von offenstehenden Schulden geht und sich die Parteien im Laufe der Mediationsverhandlungen grundsätzlich über die Zahlungen und verschiedene Umschuldungsmodalitäten einigen, zum Abschluss aber nur noch eine Sicherheit des Schuldners fehlt. Offenbart dieser nun, dass er ein Grundstück im Ausland besitzt, welches der anderen Partei bislang noch unbekannt war, so ergibt sich folgende Problematik: Schlägt die Mediation fehl, so kann der Gläubiger in dieses nun bekannte Grundstück vollstrecken. Dass dem Mediator ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht und Aufzeichnungen nicht vorliegen, ändert daran nichts616. Dieser Problematik lediglich mit dem Prinzip der Gegenseitigkeit entgegenzutreten – nach dem Motto: Schadest Du mir, schade ich Dir617 –, erscheint insofern nicht als wirkungsvoll, als die Anwendbarkeit dieses Grundsatzes immer voraussetzt, dass eine der Parteien immer die Erste sein muss, die etwas preisgibt. In dem Moment aber weiß die andere Partei bereits alles und hat damit theoretisch die Möglichkeit, aufgrund der neuen Informationen weitere eigene Nachforschungen anzustellen und ihre Position außerhalb des Mediationsverfahrens durchzusetzen. Da die Verwertungsverbote auch des NCPC insofern keine „Fernwirkung“ entfalten, sind die Parteien dadurch vor diesem Risiko nicht geschützt618. Eine erfolgreiche Lösung dieses Dilemmas kommt – in erster Linie in Deutschland, da der französische Gesetzgeber ein Verwertungsverbot gesetzlich normiert hat – nur durch die Vereinbarung von Sanktionen für den Fall des Verstoßes gegen das Vertraulichkeitsgebot in Betracht. Verwertet eine Partei 614 Eckardt/Dendorfer, MDR 2001, 786 (788 f.); Hartmann, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 27 Rn. 50 ff.; Kracht, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 15 Rn. 129. 615 Kracht, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 15 Rn. 130 f. 616 Kracht, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 15 Rn. 131. 617 So Mähler/Mähler, in Duss-von Werdt/Mähler/Mähler, Mediation, S. 129 (132). 618 Kracht, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 15 Rn. 134; Orfanidis, ADR, in Gottwald, Aktuelle Entwicklungen, S. 61 (114); Stürner, FS Schlosser, S. 5 (18).
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dann Informationen, die sie ausschließlich durch das Mediationsverfahren erlangt hat, in einem späteren Gerichtsverfahren, ohne Einverständnis der anderen Partei zu ihrem einseitigen Vorteil, so muss sie eine im Mediationsvertrag für diesen Fall vereinbarte Vertragsstrafe bezahlen. Es ist Aufgabe des Mediators, den Parteien diese Möglichkeit aufzuzeigen. Die Strafe sollte – gemessen am Einzelfall – so hoch sein, dass sie einen durch die Verletzung der Vertraulichkeit eventuell entstehenden Schaden aufwiegt619. 8. Lösungsvorschläge Gesetzlich ist – sowohl in Deutschland, wo nahezu gar nichts geregelt ist, als auch in Frankreich – keine Maßnahme vorgesehen, um die eventuellen Versäumnisse des Mediators oder der übrigen Beteiligten bezüglich seiner bzw. ihrer Geheimhaltungspflicht zu sanktionieren620. Jedoch wäre zumindest das Urteil wegen Verletzung der Art. 7 Abs. 1 und 14 NCPC aufhebbar, wenn der Richter im Falle des Scheiterns der médiation veranlasst würde, seine Entscheidung auf Grundlagen zu stützen, die von Erklärungen beeinflusst sind, die ihm der médiateur ohne Zustimmung der Parteien mitgeteilt hat621. Im Folgenden soll nun untersucht werden, auf welche Weise die Einhaltung der Vertraulichkeit abgesichert werden kann. Einige Möglichkeiten wurden schon oben angesprochen622. a) Behandlung von Dokumenten623 Zunächst hat der Mediator die Möglichkeit und Pflicht, die Parteien darauf hinzuweisen, dass das Vertraulichkeitsprinzip sie nicht vor Enthüllungen durch ungeschicktes Verhalten oder Unredlichkeit der Gegenpartei schützt624. Als Vorsorgemaßnahme kann er darauf achten, dass nur ein Minimum an schriftlichen Dokumenten gezeigt und erst recht überlassen wird. Wenn in und für die Mediation Aufzeichnungen erarbeitet werden, so sollte im Körper des Dokuments ganz eindeutig angeben werden, dass es für die Bedürfnisse dieser Mediation verfasst worden ist und mit einem Vermerk „vertraulich – Mediation“ versehen werden625. Sinnvoll ist auch, alle Dokumente bis zur Rückgabe am 619 620 621 622 623 624 625
Kracht, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 15 Rn. 132. Joly-Hurard, Médiation et conciliation, Rép. pr. civ. Dalloz, nº 353. Joly-Hurard, Médiation et conciliation, Rép. pr. civ. Dalloz, nº 353. Siehe unter S. 149 ff. Siehe hierzu teilweise schon oben S. 149 f. Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 33. Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 33, 37.
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Ende des Prozesses in den Händen des Mediators zu belassen und es dem Mediator zu zeigen, bevor es den Gesprächspartnern präsentiert wird626. Da Aufzeichnungen aller Art über den Verlauf des Verfahrens eine Gefahrenquelle darstellen, kann der Mediator dem dadurch entgegenwirken, dass entweder erst gar keine gemeinsamen Protokolle geführt werden oder, falls doch, diese nach Abschluss des Verfahrens vernichtet oder wenigstens anonymisiert werden627. b) Verhalten des Richters Auch kann der Richter, sobald er Kenntnis davon erlangt, dass die fragliche Information aus der Mediation stammt, diese im französischen Recht auf der Grundlage von Art. 131-14 NCPC zurückweisen. Dennoch bleibt dabei das Problem bestehen, dass der Richter nun die Information eben schon kennt und es schwer für ihn ist, sich davon freizumachen628. In Betracht zu ziehen ist deshalb auch die Befangenheitserklärung seitens des Richters, wenn er doch Kenntnis vom Inhalt des Mediationsverfahrens erhält629. c) Vortrags- und Beweismittelbeschränkung Denkbar ist des Weiteren, dass Absprachen zur Sicherung der Vertraulichkeit getroffen werden, insbesondere Vortrags- und Beweismittelbeschränkungen für ein späteres Gerichtsverfahren. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass in der Mediation erlangte Informationen nicht in einem sich anschließenden Prozess oder Schiedsverfahren eingebracht und verwertet werden können. Dies geht über die gesetzlichen Zeugnisverweigerungsrechte weit hinaus630. Diese Möglichkeit der Vereinbarung von Beweisverwertungsverboten für die während der Mediation vorgestellten und erworbenen Beweismittel wird aus der Verpflichtung zur Vertraulichkeit hergeleitet, bei der es sich um ein allgemeines Prinzip der Mediation handele, das eine bemerkenswerte Grenze zwischen dieser Institution und dem gerichtlichen Verfahren kennzeichne631. Im deutschen Zivilprozess können sich die Parteien nach herrschender Meinung durch Prozessverträge zur Vornahme oder Unterlassung von Prozesshand626
Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 33, 37. Kracht, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 15 Rn. 125; a. A. Sünderhauf, Mediation, S. 243. 628 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 37. 629 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 303. 630 Heß/Sharma, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 26 Rn. 12; Tochtermann, JuS 2005, 131 (133); Risse, Wirtschaftsmediation, § 14 Rn. 31 ff.; Eidenmüller, Wirtschaftsmediation, S. 23 ff.; zur Zulässigkeit solcher Abreden ausf. Wagner, Prozeßverträge, S. 608 ff. 631 Tarzia, in Cadiet, Médiation et arbitrage, S. 19 (27, nº 14). 627
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lungen verpflichten632; dies ist Ausfluss des Dispositionsgrundsatzes und der Verhandlungsmaxime. Insoweit ist auch grundsätzlich die Vereinbarung des Verzichts auf einen bestimmten Sachvortrag (sogenannter Geständnisvertrag) oder die Benennung bestimmter Beweismittel (sogenannter Beweismittelvertrag) zulässig633. Somit kann für die Mediation ein Prozessvertrag vereinbart werden, in welchem sich die Parteien verpflichten, über das in der anstehenden Mediation Erfahrene Schweigen zu bewahren, insbesondere auf die Bezeichnung von Beweismitteln, von denen die Parteien erstmals im Rahmen der Mediation Kenntnis erlangt haben, zu verzichten. In Bezug auf Beweismittel wird es in erster Linie um die Benennung der in der Mediation Anwesenden als Zeugen gehen634. Für den Zivilprozess hat dies zur Folge, dass zwar zur Sache selbst vorgetragen und Beweis angeboten werden kann, nicht jedoch zu Äußerungen, die Beteiligte in der Mediationssitzung zur Sache gemacht haben. Streitig ist allerdings, inwiefern ein derartiger Prozessvertrag in Gestalt der Vertraulichkeitsabrede vom Gericht zu beachten ist. Nach der herrschenden Meinung wirkt er zwar „nicht unmittelbar gestaltend auf die Prozessrechtslage ein“, da er kein Beweisverwertungsverbot begründet. Jedoch gewährt er dem Benachteiligten eine „Einrede gegen abredewidriges Prozessverhalten“. Wird gegen den Prozessvertrag verstoßen, so liegt darin zugleich ein Verstoß gegen Treu und Glauben; dies führt dazu, dass ein abredewidriger Sachvortrag unbeachtlich bzw. entsprechende Beweisangebote unzulässig und bei einer etwaigen Gerichtsentscheidung nicht zu berücksichtigen sind635. Damit sind auch alle im Mediationstermin anwesenden Personen, einschließlich der Prozessbevollmächtigten und des Mediators, als Zeugen ausgeschlossen636. 632 Eidenmüller, Wirtschaftsmediation, S. 27 f.; Hartmann in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 27 Rn. 32; MüKo-Lüke, ZPO/Bd. 1, Einleitung Rn. 284 f.; Stein/Jonas-Leipold, ZPO, vor § 128 Rn. 220, 300 ff. 633 RGZ 96, 57 (59); RGZ 160, 241 (243); BGHZ 38, 254 (258); BGHZ 109, 19 (28 f.); BGH, WM 1973, 144; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, Einf § 284 Rn. 33; Eidenmüller, Wirtschaftsmediation, S. 27 f.; ders., FS Schlosser, S. 45 (67); Hartmann in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 27 Rn. 32; Grunsky, Verfahrensrecht, S. 447; MüKo-Prütting, ZPO/Bd. 1, § 286 Rn. 159; Rosenberg/ Schwab/Gottwald, ZPR, § 115 Rn. 7 ff., insbes. Rn. 12; Stein/Jonas-Leipold, ZPO, vor § 128 Rn. 303 ff.; Thomas/Putzo-Reichold, ZPO, § 284 Rn. 5; Wagner, Prozeßverträge, S. 608 ff., insbes. S. 621 ff., 640 ff., 683 ff. 634 Vgl. Eidenmüller, FS Schlosser, S. 45 (66); Hager, Konflikt und Konsens, S. 117 f.; Kayser, S. 84 f., 119 f.; Stein/Jonas-Leipold, ZPO, vor § 128 Rn. 305; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, Grdz § 128 Rn. 49; Wagner, NJW 2001, 1398 ff. 635 BGHZ 38, 254 (258); BGH, WM 1973, 144; BGHZ 109, 19 (28 f.). 636 Eidenmüller, FS Schlosser, S. 45 (67); Löer, ZKM 2006, 4 (4); Hartmann in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 27 Rn. 32 f.; Stein/Jonas-Leipold, ZPO, vor § 128 Rn. 314 f., § 139 Rn. 51; Thomas/Putzo-Reichold, ZPO, § 284 Rn. 5; Wagner, NJW 2001, 1398 (1400); ders., Prozeßverträge, S. 640, 685 spricht sich sogar für die Unzulässigkeit und damit Unbeachtlichkeit eines vertragswidrigen Vortrags aus, ohne dass es der Erhebung einer Einrede bedarf.
E. Spezielle Fragenkomplexe
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Im Rahmen der französischen médiation judiciaire bietet sich diese Möglichkeit der vertraglichen Vereinbarung der Vertraulichkeit eigentlich nicht, da die médiation hier – mit dem Einverständnis der Parteien – vom Richter angeordnet wird und in der Regel kein „Mediationsvertrag“ geschlossen wird637. Im Gegensatz zum deutschen Recht regelt das französische Recht relativ ausführlich die Verpflichtungen der Parteien und des médiateur, im Speziellen die Pflicht zur Vertraulichkeit. Auch wenn ein solcher Mediationsvertrag in diesem Rahmen eher unüblich ist, so scheint er dennoch möglich, um die Pflichten und den Ablauf noch deutlicher hervorzuheben638. Eigentlich entsteht die „Mediationssituation“ durch das dem Richter gegenüber erklärte Einverständnis der Parteien zur Durchführung einer médiation. Jedoch erscheint es Julie JolyHurard auch möglich, einige vertragliche Wirkungen, wie beispielsweise die verschiedenen Verpflichtungen herauszuarbeiten639. Werden diese Verpflichtungen nicht erfüllt, greift in erster Linie die prozessuale Sanktion, die darin besteht, dass der Richter das gütliche Verfahren von Amts wegen beendet, wenn er dessen guten Ablauf gefährdet sieht, oder notwendige Maßnahmen nach Art. 131-2 NCPC anordnet, damit die Verhandlungen fortgeführt werden können640. d) Materiellrechtliche Sanktionen und Vertragsstrafe Verstößt im deutschen Zivilprozess eine Vertragspartei gegen die Abrede der Vertraulichkeit, wird also eine Information aus dem Mediationsverfahren ohne Einverständnis der Gegenpartei in das Gerichtsverfahren eingeführt, so ist darin wohl grundsätzlich eine schuldhafte Verletzung einer vertraglichen Rechtspflicht zu sehen, so dass sich Schadensersatzansprüche aus §§ 280 ff. BGB ergeben641. Für den Fall des Verstoßes gegen eine solche Abrede, kann darüber hinaus eine Vertragsstrafe im Mediationsvertrag festgesetzt werden642. Eine Vertragsstrafe hat gegenüber einem gesetzlichen Schadensersatzanspruch nach §§ 280 ff. BGB den Vorteil, dass durch dieses „Druckmittel“ zum einen die Vertragspartner zur Einhaltung ihrer Verpflichtung angehalten werden und zum anderen der Beweis des Schadens bzw. der Schadenshöhe nicht erbracht werden muss643.
637 Siehe zum Ablauf der médiation judiciaire Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 317–337. 638 Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 206, 208. 639 Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 206 f. 640 Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 208. 641 Eidenmüller, FS Schlosser, S. 45 (68 f.); ders., Wirtschaftsmediation, S. 28. 642 Eidenmüller, FS Schlosser, S. 45 (69); ders., Wirtschaftsmediation, S. 29. 643 Palandt-Grüneberg, BGB, Vorb v § 339, Rn. 1.
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Kap. 2: Darstellung der Situation in Frankreich und Deutschland
In der französischen Literatur wird vertreten, dass in dem Fall, in dem zusätzlich zur bereits gesetzlich festgelegten Vertraulichkeit in der médiation judiciaire ein Vertrag darüber geschlossen wurde, es auch möglich sei, rein vertragliche Sanktionen in Erwägung zu ziehen. Dann könnten Verstöße durch eine Verurteilung zu einer Schadensersatzzahlung auf der Grundlage von Art. 1142 C. c. sanktioniert werden644. Die Möglichkeit, unter dem Aspekt der Vertraulichkeit in der médiation eine Vertragsstrafe für den Fall der Verletzung dieses Prinzips zu vereinbaren, wird in der französischen Literatur hingegen – soweit ersichtlich – nicht ausdrücklich behandelt. Wie bereits erwähnt, liegt dies bei der médiation judiciaire aus den besagten Gründen auch nicht nahe645. Wird jedoch darüber hinaus ein Mediationsvertrag geschlossen, so ist es durchaus denkbar, darin auch entsprechende Vereinbarungen zu treffen. e) Prozessualer Rechtsschutz bei Verstoß Wurde gegen die Vertraulichkeitspflicht verstoßen und im Gerichtsverfahren auf das Mediationsverfahren Bezug genommen, so kann dies im französischen Recht direkt oder indirekt durch ein référé-Verfahren646 – das heißt durch ein vereinfachtes und beschleunigtes Verfahren vor dem Einzelrichter – sanktioniert werden. Dies kann dadurch geschehen, dass Dokumente, die unter Verletzung der Vertraulichkeit in den Prozess eingebracht wurden, vom Gerichtsverfahren ausgeschlossen werden. In diesem Zusammenhang ist auf die référé-Entscheidung des tribunal de grande instance von Paris647 zu verweisen. In dieser Sache haben die beiden Parteien versucht, im Wege der médiation zu einer Einigung zu gelangen, wobei sie in ihrem „compromis de médiation“648 auch eine Vertraulichkeitsklausel aufgenommen haben. Im Rahmen ihrer Verhandlungen wurden gegenseitig Angebote unterbreitet, die vom médiateur schriftlich fixiert wurden, darunter insbesondere die Anerkennung eines Entschädigungsanspruchs versehen mit einem Zahlungsvorschlag. Trotz ihrer Bemühungen scheiterte der Einigungsversuch. Daher leitete eine Partei durch Ladung (assignation) ein gerichtliches Verfahren 644
Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 208. Siehe S. 159 ff. 646 Dazu bereits oben S. 26 f. 647 TGI Paris (ord. réf.), 18 janv. 1999, Gaz. Pal. 2001, jurispr., 963 f.; dass., D. 1999, inf. rap., 102 f.; siehe auch CA Paris (ordon. 1er prés.), 24 sept. 1999, Gaz. Pal. 2000, jurispr., 121 f., note Lacabarats. 648 Gemeint ist hier wohl ein Mediationsvertrag. Es handelte sich im vorliegenden Fall wohl um eine médiation conventionnelle, jedoch betont das Gericht in seinem Beschluss, dass mit Blick auf die Vertraulichkeit dasselbe für die médiation judiciaire gelte. TGI Paris (ord. réf.), 18 janv. 1999, D. 1999, inf. rap., 102 f. 645
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ein unter Bezugnahme auf das von ihrem Gegner unterbreitete und vom médiateur protokollierte Angebot. Die andere Partei, die Opfer der Veröffentlichung war, rief den juge des référés auf der Grundlage der Art. 809 und 873 NCPC an, in der Absicht, die Beendigung der offenkundig rechtswidrigen Beeinträchtigung zu erreichen, die aus der Verletzung der Vertraulichkeitspflicht resultierte, insbesondere dadurch, dass sie die streitigen Schriftstücke für rechtswidrig und unzulässig erklären ließ. In seiner ordonnance de référé hat das tribunal de grande instance von Paris daraufhin entschieden, dass die Tatsache, dass sich ein Beteiligter der médiation in seiner assignation au fond ohne Zustimmung der anderen Partei auf ein mit Blick auf die Ausarbeitung eines Vergleichs gemachtes Angebot bezieht, geeignet sei, eine Verletzung der Vertraulichkeitspflicht darzustellen, da sich die Vertraulichkeit neben den rein technischen Informationen auch auf das Mediationsprotokoll erstrecke. Die Pflicht zur Vertraulichkeit, die darauf basiere, dass jede Partei sich frei dem médiateur anvertrauen können müsse und daher die Garantie benötige, dass die erhaltenen Informationen, Vorschläge oder Zugeständnisse geheim gehalten werden, sei ein grundlegendes Prinzip jeder médiation. Der Kläger zog daraufhin seine Ladung649 vor das tribunal de commerce zurück650. An dieser Entscheidung wird einzig kritisiert, dass das tribunal seine Überlegungen nicht bis zum Ende geführt habe. Trotz der Qualifizierung als Beeinträchtigung erklärt der Richter, dass eine solche Beeinträchtigung dennoch nicht ausreiche, um das Einschreiten des juge des référés zu rechtfertigen, sondern dass es dem in der Sache angerufenen tribunal zukomme, die Ordnungsmäßigkeit und Zulässigkeit der streitigen Schriftstücke zu beurteilen. In der Kritik wird ausgeführt, dass der juge des référés im Falle einer „offensichtlich rechtswidrigen Beeinträchtigung“ gerade selbst gemäß Art. 809 NCPC zu deren Beendigung einschreiten könne – wofür Dringlichkeit nicht zwingend erforderlich ist. Daher wird gefordert, dass er die streitigen Schriftstücke gegebenenfalls selbst für unzulässig erklärt. Es wird die Frage aufgeworfen, ob mit der Unterwerfung dieser Entscheidung unter die Einschätzung des juge du fond (erkennender Richter) aufgezeigt werden soll, dass die einzig denkbare Sanktion sei, das Schriftstück für unzulässig zu erklären und es von der Gerichtsverhandlung auszuschließen, und dass diese Entscheidung nur den in der Sache angerufenen Richtern zukomme651.
649 Zur Zustellung der Klage und Ladung des Beklagten durch den Kläger mithilfe des huissier de justice im französischen Zivilprozess (Art. 55 NCPC) siehe oben S. 22. 650 TGI Paris (ord. réf.), 18 janv. 1999, Gaz. Pal. 2001, jurispr., 963 f.; dass., D. 1999, inf. rap., 102 f.; Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 301; Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 516; Lacabarats, in Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 248. 651 Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 516.
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Ein entsprechender prozessualer Rechtsschutz bei einem Verstoß gegen das Vertraulichkeitsprinzip ist in Deutschland nicht ersichtlich. Allerdings wird – wie oben652 dargelegt – das Gericht wohl auf Einrede einer Partei einen abredewidrigen Sachvortrag oder Beweisantrag in Verbindung mit dem Grundsatz von Treu und Glauben als unbeachtlich bzw. unzulässig zurückweisen. f) Sanktion auch für den Mediator In diesem Zusammenhang ist auch daran zu denken, im Mediationsvertrag eine Sanktion für den Fall festzusetzen, dass der Mediator in irgendeiner Form gegen die Pflicht zur Vertraulichkeit verstößt653. g) De lege ferenda – Zeugnisverweigerungsrecht für den Mediator Dass der Mediator sich in gewissen Fällen – vor allem je nach Grundberuf, aber auch abhängig von der Art des Gerichtsverfahrens – auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen kann, wurde bereits oben ausführlich dargestellt654. Darüber hinaus wird in der deutschen Literatur beispielsweise gefordert, berufsrechtliche Schutzvorschriften in den entsprechenden Verfahrensordnungen zu verankern, die das Verschwiegenheitsgebot und damit zusammenhängend das Zeugnisverweigerungsrecht des Mediators betreffen. Dabei könne die Vertraulichkeit der Parteien untereinander nur in beschränktem Maße gesetzlich garantiert werden. Dies sei insbesondere dann nicht der Fall, wenn die Information einer rechtlichen Auskunftspflicht unterliege; der Justizgewährungsanspruch dürfe dadurch keinesfalls geschmälert werden. Andererseits sei ein strenges Verschwiegenheits- und Vertraulichkeitsgebot des Mediators erforderlich. Es wird sogar eine über ein Zeugnisverweigerungsrecht hinausgehende Zeugnisverweigerungspflicht befürwortet, die den Mediator auch dann zur Verschwiegenheit verpflichte, wenn die Parteien ihn davon entbunden haben655. Es ist durchaus wünschenswert, wenn der Gesetzgeber eine klare Gesetzeslage schaffen würde, indem er ein Zeugnisverweigerungsrecht für den Mediator an sich schaffen würde, so dass es allein auf seine Tätigkeit ankäme und nicht auf seinen Grundberuf. Dagegen könnte man einwenden, dass die Tätigkeit eines Mediators eventuell nicht klar genug umrissen sei. Dies ist jedoch heute 652
S. 159 ff. Vgl. in diesem Zusammenhang auch unten S. 180 ff. Zu den Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung des Mediators im deutschen Recht siehe Eidenmüller, Wirtschaftsmediation, S. 40 ff. 654 Siehe oben S. 150 ff. 655 Mähler, ZKM 2003, 73 (75); Mähler/Mähler, ZKM 2001, 4 (6 ff., insbes. auch 9); Spindler/Apel/Spalckhaver, ZKM 2003, 192 (195 f.). 653
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eigentlich nicht (mehr) der Fall. Zwar gibt es kein einheitliches Berufsbild des Mediators, jedoch existieren zahlreiche Verhaltenskodizes und Ähnliches. Daher scheint dies kein zwingendes Gegenargument zu sein. h) Zusammenfassung Zusammenfassend ist festzuhalten, dass trotz der Pflicht zur Vertraulichkeit und dem damit verbundenen Verwertungsverbot von Dokumenten und Informationen aus der Mediationsverhandlung das Problem darin besteht, dass die Parteien selbst nun Kenntnis von diesen haben und nach dem Einigungsversuch mehr wissen als vorher. Sie haben jetzt Informationen, die sie gegebenenfalls in eine bessere Position im gerichtlichen Prozess versetzen. Die Missbrauchsgefahr liegt daher auf der Hand. Einige Möglichkeiten, dieses Risiko aufzufangen, wurden aufgezeigt. Hervorzuheben ist hierbei insbesondere die Vereinbarung eines Sachvortrags- und Beweisverwertungsverbots im Mediationsvertrag – soweit sich dies nicht bereits aus dem Gesetz ergibt, wie es bei der französischen médiation judiciaire der Fall ist – für Tatsachen bzw. Beweismittel, die ausschließlich aus der Mediation bekannt sind. Werden diese dann dennoch unter Missachtung der Vertraulichkeit in das gerichtliche Verfahren eingeführt, so sind sie dann als unzulässig zurückzuweisen. Darüber hinaus ist die Vereinbarung einer Vertragsstrafe im Mediationsvertrag für den Fall der unzulässigen Verwertung von Informationen aus der Mediation im anschließenden Gerichtsverfahren in Betracht zu ziehen. Im Rahmen der französischen médiation judiciaire besteht diese Möglichkeit allerdings eher selten, da dort der Eintritt in ein Mediationsverfahren – genauso wie die Vertraulichkeitspflicht – gesetzlich geregelt ist und daher meist nicht zusätzlich ein Mediationsvertrag aufgesetzt wird. In den anderen Fällen ist dies jedoch eine gute Möglichkeit, die Parteien zur Einhaltung der Vertraulichkeit anzuhalten. Es ist dabei darauf zu achten, dass die vereinbarte Vertragsstrafe so hoch ist, dass sie die Höhe eines eventuellen Schadens durch die Offenlegung (deutlich) übersteigt, damit auch die „Anreizfunktion“ der Klausel greift. In jedem Fall ist Vorsicht im Umgang mit den Dokumenten im Mediationsverfahren geboten, um diese Missbrauchsmöglichkeit zu verringern. 9. Richtlinienvorschlag der EU-Kommission über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen Erwähnung finden muss an dieser Stelle der Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und
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Handelssachen vom 22.10.2004656. Der Vorschlag wird derzeit noch im Europäischen Rat diskutiert657. a) Vorstellung der Richtlinienvorschlagsregelung Art. 6 Art. 6 Abs. 1 des Vorschlags regelt unter der Überschrift „Zulässigkeit von Beweisen in Gerichtsverfahren in Zivilsachen“, dass Mediatoren und Personen, die in die Abwicklung von Mediationsdiensten eingebunden sind, in Gerichtsverfahren in Zivilsachen über bestimmte im nachfolgenden Katalog aufgezählte Themen nicht aussagen. Es handelt sich dabei um folgende Angelegenheiten: – die Aufforderung einer Partei zur Aufnahme der Mediation oder die Tatsache, dass eine Partei zur Teilnahme an der Mediation bereit war (a); – Meinungen und Vorschläge einer an der Mediation teilnehmenden Partei im Hinblick auf die Streitschlichtung (b); – Erklärungen oder Eingeständnisse einer Partei im Laufe der Mediation (c); – Vorschläge des Mediators (d); – Die Tatsache, dass eine Partei sich bereit gezeigt hat, einen Vorschlag des Mediators zur Streitschlichtung anzunehmen (e); – Unterlagen, die ausschließlich für die Zwecke der Mediation erstellt wurden (f). Dies gilt nach Abs. 2 unabhängig von der Form der Information oder des Beweises, auf die sich die Aussage bezieht. Abs. 3 bestimmt, dass Gerichte oder andere justizielle Instanzen in Gerichtsverfahren in Zivilsachen die Preisgabe von Informationen nach Abs. 1 nicht anordnen. Werden solche Informationen im Widerspruch zu Abs. 1 als Beweis vorgebracht, werden derartige Beweise als unzulässig betrachtet. Jedoch können solche Informationen preisgegeben oder als Beweis zugelassen werden, soweit sie für die Durchführung oder Vollstreckung einer Vereinbarung über die Streitschlichtung als unmittelbares Ergebnis der Mediation erforderlich sind (Abs. 3 a), um Erwägungen öffentlicher Natur außer Kraft zu setzen, insbesondere, wenn sie erforderlich sind, um den Schutz von Kindern zu gewährleisten oder eine Beeinträchtigung der physischen oder psychischen Integrität einer Person abzuwenden (Abs. 3 b), oder wenn der Mediator und die Parteien dem zustimmen (Abs. 3 c). Des Weiteren regelt Abs. 4, dass die Bestimmungen der Abs. 1, 2 und 3 unabhängig davon gelten, ob sich das Gerichtsverfahren auf den Streit bezieht, der Gegenstand der Mediation ist oder war. Gemäß Abs. 5 werden vorbehaltlich des Abs. 1 Be-
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KOM(2004) 718 endgültig. Zum aktuellen Stand siehe Europäische Kommission, Werdegang, . 657
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weise, die sonst in Zivilverfahren zulässig gewesen wären, nicht als Folge ihrer Verwendung im Rahmen der Mediation unzulässig. b) Unterschiede des Kommissions-Vorschlags zur französischen Regelung Die Kommission schlägt ein Privileg zugunsten des Mediators für ein eventuell anschließendes Gerichtsverfahren in Form eines Zeugnisverweigerungsrechts, aber auch einer Verschwiegenheitsverpflichtung vor und sieht ein Beweisverwertungsverbot vor. Dabei bleibt der Vorschlag insoweit hinter dem französischen Modell zurück, als das Privileg dort weiter ist, da nicht nur der médiateur in einem folgenden Prozess nicht aussagen darf, sondern ebenso wenig die Parteien. Weder der médiateur noch die Parteien noch ein am Mediationsverfahren in irgendeiner Weise beteiligter Dritter dürfen im sich anschließenden Verfahren die Feststellungen des médiateur sowie die ihm gegenüber abgegebenen Erklärungen preisgeben, es sei denn die Parteien stimmen zu (Art. 131-14 NCPC). Im Rahmen eines anderen Verfahrens, das nicht die Streitigkeit betrifft, mit der die médiation befasst war, ist dies selbst mit Einverständnis der Parteien nicht möglich. Für die an der médiation Beteiligten besteht insofern sogar eine Zeugnisverweigerungspflicht (Art. 131-14 NCPC). Ein weiterer Unterschied zwischen dem Richtlinienvorschlag der Kommission und der französischen Regelung ist, dass es für die Frage, ob Inhalte des Mediationsverfahrens in das nachfolgende Verfahren eingeführt werden dürfen, in Frankreich lediglich auf die Zustimmung der Parteien ankommt. Nach Art. 6 Abs. 3 c) des Richtlinienvorschlags bedarf es dafür des Einverständnisses sowohl der Parteien als auch des Mediators. Dass sich Art. 131-14 NCPC zunächst auf sich anschließende Zivilverfahren bezieht, ergibt sich daraus, dass er die médiation judiciaire regelt, das heißt, die médiation aus einem bereits begonnenen Zivilverfahren heraus kommt. Für eine darüber hinausgehende Geltung auch für straf- oder verwaltungsrechtliche Verfahren lässt sich – soweit ersichtlich – der französischen Literatur wenig entnehmen. Vielmehr bestätigt Jacques Faget durch seine Forderung, die Regelung über die Pflicht zur Vertraulichkeit im Rahmen des Strafrechts auszuweiten, die Auslegung, dass Art. 131-14 NCPC lediglich das Zivilverfahren umfasst658.
658 Faget, in Chevalier/Desdevises/Milburn, Les modes alternatifs, S. 75 (87). Siehe dazu weiter Fn. 578.
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c) Stellungnahmen zum Richtlinienvorschlag Die Regelung des Richtlinienvorschlags wird auch in den Stellungnahmen kritisch beurteilt. So wird zwar grundsätzlich die Einführung einer Verschwiegenheitspflicht des Mediators – und damit die Beweisbeschränkung – durchweg befürwortet, da sie auch im Interesse der beteiligten Parteien liege, die an der Mediation ja gerade auch unter der Prämisse teilnehmen, dass keine Präjudizien geschaffen werden659. Eurochambres660 halten den Regelungsvorschlag der Beweisbeschränkung sogar für die wichtigste Bestimmung der Richtlinie661. aa) Kritik an Definition des Mediators Jedoch sei Voraussetzung für eine solche Regelung, dass die Definition des Mediators662 „deutlich schärfer und enger umrissen“ werde. Andernfalls stehe zu erwarten, dass private Dritte, die in irgendeiner Form an einem Gespräch der Parteien teilgenommen haben, sich auf dieses Privileg zu berufen versuchen. Daher fordert der Deutsche Richterbund, dass ein Aussageverweigerungsrecht in dieser Form und in diesem Umfang nur berufsmäßigen Mediatoren zugutekomme663. bb) Verschwiegenheitspflicht nur für Zivilgerichtsverfahren? Außerdem wird insbesondere kritisiert, dass die Verschwiegenheitspflicht sich nur auf nachfolgende Gerichtsverfahren vor Zivilgerichten bezieht, die private Schiedsgerichtsbarkeit jedoch außer Acht gelassen wird. Dabei sollte man doch 659 Stellungnahme DRiB zum EG-Richtlinienvorschlag Mediation, , unter „Stellungnahmen“, Nr. 7; BRAK-Stellungnahme-Nr. 31/2005 zum EG-Richtlinienvorschlag Mediation, , Nr. 7; CCIP Solignac, , S. 12; CCIP Brunet, , S. 13; Eurochambres, Position Paper 2005, , S. 5; de Roo/Jagtenberg, in Cadiet, Médiation et arbitrage, nº 236. 660 Eurochambres ist die Vereinigung der Europäischen Industrie- und Handelskammern. Siehe . 661 Eurochambres, Position Paper 2005, , S. 5. 662 Definition des Mediators nach Art. 2 b) des Mediationsrichtlinienvorschlags: „Mediator“ bezeichnet eine dritte Partei, die eine Mediation durchführt, unabhängig von ihrer Bezeichnung oder ihrem Beruf in dem betreffenden Mitgliedstaat und der Art und Weise, in der sie benannt oder um Durchführung der Mediation ersucht wurde. 663 Stellungnahme DRiB zum EG-Richtlinienvorschlag Mediation, , unter „Stellungnahmen“, Nr. 7.
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gerade sie – im Bestreben nach der Förderung alternativer Streitschlichtungsmethoden – miteinbeziehen. Die Centrale für Mediation664 weist darauf hin, dass in der Praxis mittlerweile vielfältige Formen der Verzahnung speziell von Mediations- und Schiedsgerichtsverfahren zu beobachten seien (Stichwort: MedArb). Dieser begrüßenswerten Entwicklung solle man nicht entgegenwirken, indem die Beweisbeschränkung ausschließlich für das staatliche Gerichtsverfahren vorgesehen sei, nicht aber im nachfolgenden Schiedsgerichtsverfahren gelten solle665. Eurochambres fordert darüber hinausgehend sogar die Ausweitung auch auf Verwaltungsverfahren666. cc) Beweisbeschränkung nur für Mediatoren? Des Weiteren wird kritisch angemerkt, dass die Beweisbeschränkung lediglich für Mediatoren und Personen, die in die Abwicklung von Mediationsdiensten eingebunden sind, Geltung beansprucht, auf die Parteien hingegen nicht angewandt wird. Bei der Einführung einer Beweisbeschränkung müsse die Ausgestaltung derart erfolgen, dass sie auch effektiv wirke. Dies sei jedoch nicht der Fall, wenn zwar dem Mediator untersagt ist, den Inhalt der sowie das Parteiverhalten in der Mediation ebenso wie eigens für die Mediation erstellte Unterlagen in das sich anschließende Gerichtsverfahren einzubringen, nichts jedoch die Parteien davon abhält, ebendies zu tun. Der Zweck der Beschränkung werde durch diese den Parteien gewährte Möglichkeit der Einführung konterkariert. Es wird vielmehr gefordert, dass das Beweisverbot auch auf die Parteien ausgedehnt werde667. dd) Rechte und Pflichten des Rechtsanwalts als Vorbild Von Seiten der Bundesrechtsanwaltskammer, die ein Beweisverbot ebenfalls begrüßt, erfolgt lediglich der Hinweis, das nationale Recht solle die Rechte und 664 Die Centrale für Mediation ist nach eigenen Angaben eine der größten Vereinigungen von Mediatoren/innen im deutschsprachigen Raum. Siehe . 665 Stellungnahme CfM zum EG-Richtlinienvorschlag Mediation, , S. 3 f.; Stellungnahme CCBE zur EG-Richtlinie Mediation, , S. 8; Eurochambres, Position Paper 2005, , S. 5. 666 Eurochambres, Position Paper 2005, , S. 5. 667 Stellungnahme CfM zum EG-Richtlinienvorschlag Mediation, , S. 4; Stellungnahme CCBE zur EG-Richtlinie Mediation, , S. 7 f.; de Roo/Jagtenberg, in Cadiet, Médiation et arbitrage, S. 179 (186 ff., nº 236).
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Pflichten des Mediators entsprechend dem Zeugnisverweigerungsrecht und der Verschwiegenheitspflicht des Rechtsanwalts ausgestalten668. ee) Kritik an Art. 6 Abs. 3 a) Starke Kritik wird – insbesondere von Seiten der Industrie- und Handelskammern – an Art. 6 Abs. 3 a)669 geübt, da diese Regelung einen Bruch mit dem Vertraulichkeitsprinzip darstelle, zumal immer auf subjektive Art und Weise zu bestimmen bleibe, welches die besagten Informationen sind, die zu enthüllen sind, um die Vollstreckung des Vergleichs zu gewährleisten. Daher wird für dessen Streichung plädiert670. ff) Kritik an Art. 6 Abs. 1 d) Überdies solle Art. 6 Abs. 1 d)671 insofern ergänzt werden, dass es heißt „etwaige Vorschläge des Mediators“, um die Tatsache zu berücksichtigen, dass der Mediator nicht immer den Parteien Lösungen vorschlägt, sondern sie dahin führen soll, selbst eine Einigung zu finden672. d) Diskussion und eigene Stellungnahme aa) Wortlaut des Art. 6 Abs. 1 d) Die Formulierung des Art. 6 Abs. 1 d) des Richtlinienvorschlags ist in der Tat ungeschickt gewählt, da der Mediator ja in der Regel – je nach angewandter Methode – gerade keinen eigenen Vorschlag macht, sondern die Parteien dahin führt, selbst eine Lösung zu finden. Insofern ist zumindest eine Ergänzung beispielsweise um „etwaige“, wie es die Industrie- und Handelskammern vorschlagen, zu befürworten.
668 BRAK-Stellungnahme-Nr. 31/2005 zum EG-Richtlinienvorschlag Mediation, , Nr. 7. 669 Zu dessen Inhalt siehe oben S. 166 f. 670 Eurochambres, Position Paper 2005, , S. 5; CCIP Solignac, , S. 12 f.; CCIP Brunet, , S. 3, 13, 22. 671 Zu dessen Inhalt siehe oben S. 166 f. 672 CCIP Brunet, , S. 2, 13, 21.
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bb) Definition des Mediators Der Kritik an der zu weiten und zu vagen Definition des Mediators in Art. 2 b) ist beizupflichten. Eine klarere Umschreibung des Personenkreises, dem ein Zeugnisverweigerungsrecht zustehen soll, ist wünschenswert. Hier haben jedoch auch die nationalen Gesetzgeber die Gelegenheit, bei der Umsetzung einer dem Vorschlag entsprechenden Richtlinie eine geglücktere Definition zu formulieren. Aber das Zeugnisverweigerungsrecht nur auf Berufsmediatoren zu beschränken, scheint nicht so sinnvoll. Denn für die Parteien macht es in der Regel keinen Unterschied, ob es sich um eine Person handelt, die die Mediation als Beruf ausübt oder nicht. Die Situation und das Bedürfnis nach Vertraulichkeit ist für sie das gleiche. Insofern ist es meines Erachtens nicht erforderlich, dieses Privileg ausschließlich dem Berufsmediator vorzubehalten. Vielmehr kommt es auf die Situation an sich an, nämlich die Durchführung einer Mediation. Dass man darüber nachdenken kann – und auch sollte, ob grundsätzlich nur berufsmäßigen Mediatoren eine Mediation durchführen sollten, also gewisse Standards für den Begriff „Mediator“ festzulegen sind, ist hingegen eine andere Frage673. cc) Regelung der anwaltlichen Rechte und Pflichten als Vorbild Auch die Regelungen der Rechte und Pflichten des Rechtsanwalts für die des Mediators zum Vorbild zu nehmen, erscheint aufgrund der Vergleichbarkeit in Bezug auf das Vertrauensverhältnis zwischen den Beteiligten sinnvoll. dd) Art. 6 Abs. 3 a) Die Problematik der Regelung in Art. 6 Abs. 3 a) liegt in erster Linie darin, dass ihr der Bruch mit der Vertraulichkeit in den meisten Fällen immanent ist. Denn die Streitigkeiten, die durch Mediation gelöst werden, münden in einen Vergleich. Dieser kann dann durch Vollstreckung durchgesetzt werden. Somit wird die Vertraulichkeit in vielen Fällen letztlich doch durchbrochen, was durch den Richtlinienvorschlag gerade verhindert werden soll, und es besteht die Gefahr der Verwendung dieser Information für ein anderes Verfahren. Überdies müsste die Entscheidung, welche konkreten Informationen zu enthüllen sind, subjektiv getroffen werden. Insofern ist über ein Absehen von dieser Ausnahme vom Vertraulichkeitsprinzip nachzudenken. Vielleicht ist auch eine klarere Formulierung sinnvoll, die eindeutiger umreißt, welche Informationen – abgesehen von der Vereinbarung selbst – offenbart werden müssen. 673
Siehe hierzu S. 104 ff.
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ee) Ausdehnung auch auf andere als zivilgerichtliche Verfahren Die Beweisbeschränkung auch auf andere als Gerichtsverfahren in Zivilsachen auszudehnen, erscheint insbesondere mit Blick auf die Schiedsgerichtsbarkeit als sinnvoll. Denn auch hier handelt es sich um ein Verfahren, das Streitigkeiten in Zivilsachen beilegen soll, und es ist erstrebenswert, alle Streitlösungsmethoden einzubeziehen. An eine Ausdehnung auf verwaltungsrechtliche und strafrechtliche Gerichtsverfahren wäre eventuell durch Schaffung entsprechender Regelungen in den nationalen Straf- und Verwaltungsprozessordnungen zu denken. Im Rahmen des Kommissions-Vorschlags wäre auch daran zu denken, dass in der Formulierung des Art. 6 Abs. 1 gar nicht auf die Art der Gerichtsbarkeit abgestellt wird, sondern nur auf die Behandlung eines Anspruchs, über den das Mediationsverfahren stattgefunden hat. ff) Verschwiegenheitspflicht auch für die Parteien Zu der zentralen Frage, ob nur der Mediator oder auch die Parteien einer Verschwiegenheitspflicht unterliegen sollen, muss man sich zunächst bewusst machen, dass es einen Unterschied macht, ob die Parteien im Prozess eine Aussage machen oder ob ein neutraler Dritter in Person des Mediators als Zeuge aussagt. Der Aussage eines Zeugen wird meist mehr Gewicht beigemessen als der der Parteien selbst. Insofern dürfte die Bedeutung einer Verschwiegenheitspflicht für den Mediator an erster Stelle stehen. Für die Mediation ist es sehr wichtig, dass der Mediator nicht in einem sich anschließenden Verfahren als Zeuge für Informationen, Angebote, Vorschläge, Erklärungen sowie das Verhalten in der Mediation benannt werden kann. Andernfalls wäre die für dieses Verfahren wichtige Vertraulichkeit nicht gewährleistet. Allerdings wird dies gefährdet, wenn den Parteien erlaubt ist, gerade diese Informationen bzw. Unterlagen aus der Mediation in einen Prozess einzuführen. Auch wenn ihren Aussagen in der Regel weniger Gewicht beigemessen wird als denen eines neutralen Dritten, so werden sie dennoch Gegenstand des Verfahrens und vom Richter für sein Urteil zugrunde gelegt. Daher ist es meines Erachtens sinnvoll und wünschenswert, dass auch die Parteien zur Verschwiegenheit bezüglich der Mediation verpflichtet sind, wie es der französische Gesetzgeber vorgesehen hat. Andernfalls wäre die Vertraulichkeit der Mediation nicht ausreichend gewährleistet. 10. Europäischer Verhaltenskodex für Mediatoren Nicht zuletzt sei auch darauf verwiesen, dass der Europäische Verhaltenskodex für Mediatoren (European code of conduct for mediators)674 in Nr. 4 regelt, dass der Mediator die Vertraulichkeit aller Informationen aus dem Mediations-
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verfahren oder im Zusammenhang damit wahrt und die Tatsache geheim hält, dass die Mediation stattfinden soll oder stattgefunden hat. Etwas anderes gilt danach nur, wenn er gesetzlich oder aus Gründen der öffentlichen Ordnung zur Offenlegung gezwungen ist. Ebenso dürfen Informationen, die eine der Parteien dem Mediator im Vertrauen mitgeteilt hat, nicht ohne Genehmigung an andere Parteien weitergegeben werden, es sei denn, es besteht eine gesetzliche Pflicht zur Weitergabe. 11. Zwischenfazit Wie gezeigt wurde, handelt es sich bei dem Vertraulichkeitsgrundsatz um ein essenzielles Element der Mediation, ohne den diese geradezu untergraben würde. Probleme können sich in der Praxis bei der Einhaltung und Umsetzung der Geheimhaltung im Falle des Scheiterns des Einigungsversuchs ergeben. Für diesen Fall wurden geeignete Maßnahmen und Möglichkeiten aufgezeigt, wie zum Beispiel die Sorgfalt und Vorsichtsmaßnahmen bei der Behandlung von Dokumenten, Beweismittelbeschränkungen für ein späteres Gerichtsverfahren oder die Vereinbarung einer Vertragsstrafe bei Missachtung der Vertraulichkeit. Dennoch muss darauf geachtet werden, dass nicht schon während des Mediationsversuchs zu viele Vorsichtsmaßnahmen getroffen und Warnungen ausgesprochen werden, damit die Parteien nicht verunsichert werden und unter Umständen von der Mediation Abstand nehmen oder sich in ihr, die ja gerade Raum für ein offenes Gespräch bieten soll, eher zurückhaltend verhalten. Damit würde der Erfolg der Mediation konterkariert. Wünschenswert ist insbesondere ein Tätigwerden des deutschen Gesetzgebers dergestalt, dass er eine gesetzliche Regelung schafft, die dem Mediator an sich – unabhängig von seinem Grundberuf – ein Zeugnisverweigerungsrecht in Anlehnung an Art. 6 des Richtlinienvorschlags der EU-Kommission sowohl im Zivil- als auch im Straf- und Verwaltungsprozess gewährt675. Darüber hinausgehend ist sogar eine Verschwiegenheitspflicht für den Mediator – wie es das französische Recht vorsieht – in Erwägung zu ziehen. Dies würde dazu dienen, das Mediationsverfahren an sich zu schützen. Man kann sich dann Gedanken darüber machen, ob man es den Parteien überlassen soll, 674 European code of conduct for mediators, ; abgedruckt auch in ZKM 2004, 148 f.; deutsche Übersetzung unter Europäischer Verhaltenskodex für Mediatoren, . 675 Ein solches Berufsprivileg entbehren die Mediatoren gegenwärtig in fast allen europäischen Ländern, so de Roo/Jagtenberg, in Cadiet, Médiation et arbitrage, S. 179 (186 ff., nº 236). Für eine solche Regelung auch Eckardt/Dendorfer, MDR 2001, 786 (789), zumindest in Bezug auf die aus den Einzelgesprächen mit dem Mediator (caucus) erlangten Erkenntnisse.
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den Mediator von dieser Pflicht zu befreien, ob man also eine Aussage des Mediators dann zulassen soll, wenn und soweit alle Parteien einverstanden sind. Hierfür würde – neben dem Grundsatz der Parteiherrschaft – sprechen, dass es selbst den Parteien oft nicht verständlich ist, weshalb sie Dinge, die im Rahmen des Mediationsverfahrens ausführlich diskutiert wurden und für die unter Umständen teilweise bereits eine Lösung gefunden wurde, im Gerichtsverfahren ganz von Neuem erörtern sollen676. Allerdings muss man sich auch bewusst machen, dass dann wiederum Gelegenheit zu Missbrauch gegeben wird, indem beispielsweise eine Partei unter Druck gesetzt wird, ihre Zustimmung zu erteilen. Ein Tätigwerden des Gesetzgebers überhaupt in diesem Sinne wäre auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung.
IV. Verfahrensgarantien – insbesondere Grundsatz des fairen Verfahrens Nachdem sich die Arbeit nun mit dem Vertraulichkeitsprinzip auseinandergesetzt hat, soll im Folgenden die Frage behandelt werden, ob auch im Mediationsverfahren die für den Zivilprozess allgemein anerkannten Verfahrensgarantien, im Besonderen das Prinzip eines fairen Verfahrens gilt. Dabei werden zunächst die Verfahrensgarantien des Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK erläutert (1.). Danach wird insbesondere auf die Neutralität und Unparteilichkeit (2.), sodann auf die Redlichkeit (3. a), das rechtliche Gehör bzw. das Kontradiktionsprinzip (3. b) und den Beistand von Anwälten (3. c) – jeweils als Ausflüsse des fairen Verfahrens (3.) – eingegangen. Anschließend wird der Frage nachgegangen, ob ein eventuell bestehendes Ungleichgewicht zwischen den Parteien – während des Verfahrens und bei der Einigung – durch den médiateur auszugleichen ist (3. d), um mit einem Fazit (4.) zu schließen. Ausgegangen wird dabei von der französischen Warte, wobei an gekennzeichneten Stellen auch ein Blick nach Deutschland geworfen wird. 1. Die Verfahrensgarantien (Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK) a) Inhalt der Garantien Wesentliche Verfahrensgarantien des Zivilprozesses – allen voran das Recht auf ein faires Verfahrens – sind in Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK verankert. Im deutschen Recht wird das Recht auf ein faires Verfahren darüber hinaus aus dem Rechtsstaatsprinzip (in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG) abgeleitet. Danach gilt der in der Rechtsprechung anerkannte Anspruch auf ein faires gericht676
Barrière, Gaz. Pal. 2002, doctr., 1256 (1257).
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liches Verfahren als generelles Prinzip in allen Prozessordnungen677. In der französischen Literatur wird – soweit ersichtlich – betreffend das Recht auf ein faires Verfahren weitestgehend auf Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK Bezug genommen. Daher sollen hier insbesondere Ausführungen zu dieser Regelung gemacht werden. Danach hat jede Person ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Dies beinhaltet insbesondere, dass die Parteien in billiger Weise gehört werden678. Besonders hervorzuheben ist dabei – neben der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Gerichts – die Fairness im Verfahren (fair trial). Diese wird von der Konvention nicht im Einzelnen definiert, sondern vielmehr in den nationalen Verfahrensrechten durch die Gewährleistung verschiedener Verfahrensgarantien sowie durch die Rechtsprechung konkretisiert679. Auch wird der Begriff des fairen Verfahrens nicht einheitlich verwandt680. So wird er teilweise als Bezeichnung für eine Verfahrensgarantie neben vielen anderen, teilweise als eine Art Oberbegriff für diese anderen Garantien gebraucht. Im Folgenden wird die Fairness im Verfahren im Sinne der zweiten Alternative verstanden und als Oberbegriff für einzelne Prinzipien verwandt. b) Bedeutung der Verfahrensprinzipien für die médiation Gelten die Verfahrensprinzipien – die Grundprinzipien des Prozesses – über den Zivilprozess hinaus auch im Rahmen eines Mediationsverfahrens? Eine unmittelbare Anwendung von Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil darin von einem Verfahren vor einem „auf Gesetz beruhenden Gericht“ die Rede ist. Das Mediationsverfahren sucht jedoch in der Regel keine Lösung des Rechtsstreits durch ein Gericht681. 677
BVerfGE 57, 250 (274 f.); für das Zivilverfahren BVerfGE 75, 183 (191). Frowein/Peukert, EMRK, Art. 6 Rn. 53 ff. 679 Frowein/Peukert, EMRK, Art. 6 Rn. 71; Meyer-Ladewig, Hk-EMRK, Art. 6 Rn. 35. 680 Der schwammige Einsatz dieses Begriffs wird schon allein in den unterschiedlichen Überschriften von Art. 6 EMRK deutlich. Einmal wird von „Verfahrensgarantien“ (so z. B. Frowein/Peukert, EMRK, Art. 6), ein anderes Mal vom „Recht auf ein faires Verfahren“ (so z. B. Meyer-Ladewig, Hk-EMRK, Art. 6 oder auch die Ausgabe Beck-Texte im dtv des Gesetzestextes Europa-Recht, Art. 6 EMRK) gesprochen. 681 Cadiet, in Chevalier/Yvon/Milburn: Les modes alternatifs, S. 255 (260); ähnlich Jarrosson, R.I.D.C. 1997, 325 (340, nº 40), der davon spricht, dass auf den ersten Blick die Grundprinzipien des Prozesses schon deshalb nicht auf die alternativen Konfliktregelungsmethoden anzuwenden seien, da es sich dabei gar nicht um einen Prozess handele. 678
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Dennoch ist es legitim, die Frage aufzuwerfen, ob diese grundlegenden Verfahrensprinzipien nicht trotzdem im Rahmen der médiation zu beachten sind. Denn bei beiden Verfahren – dem gerichtlichen Prozess und dem Mediationsverfahren – stehen sich mindestens zwei im Streit befindliche Parteien gegenüber, die mit Hilfe eines Dritten eine Lösung des Rechtsstreits anstreben. Auch wenn in der médiation diese Lösung des Konflikts in einer Einigung, und zwar durch die Parteien selbst, enden soll, und im Gerichtsverfahren der Richter die Entscheidungsbefugnis, aber auch die Entscheidungsmacht hat, so ist die Grundkonstellation der beiden Verfahren zunächst einmal vergleichbar682. Einige Garantien des Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK wie das Erfordernis der Öffentlichkeit und auch das der Entscheidung innerhalb angemessener Frist sind für gütliche Streitbeilegungsmethoden schon vollkommen ungeeignet683. Zu untersuchen ist allerdings, ob der Grundsatz der Neutralität und Unparteilichkeit sowie das Prinzip eines fairen Verfahrens in seinen verschiedenen Ausgestaltungen Geltung auch im Rahmen des französischen Mediationsverfahrens beanspruchen können. 2. Neutralität und Unparteilichkeit Der Richter muss neutral und unparteilich sein. Dass sich diese Anforderung genauso an den médiateur richtet, der den Parteien helfen soll, eine Lösung für ihren Rechtsstreit zu finden, liegt auf der Hand684. Sie drückt sich insbesondere dadurch aus, dass der médiateur sich – so die französische Literatur – ständig selbst kontrollieren muss, welche Haltung er gegenüber den Parteien hat, ob er sie gleich behandelt, jedem die gleiche Redezeit erteilt. Problematisch erscheint allerdings, dass die Neutralität des médiateur nicht gesichert ist. Durchforstet man das französische Schrifttum, so wird diese Problematik scheinbar gar nicht wahrgenommen. Vielmehr wird allerorts die Neutralität des médiateur als wesentliche Bedingung für das Gelingen der médiation gefordert; zur Art und Weise der Gewährleistung der Neutralität wird allerdings nichts gesagt. Die Neutralität und Unparteilichkeit eines Richters wird dadurch sichergestellt, dass seine Honorierung von den Parteien unabhängig ist. Außerdem kann er nicht abgesetzt oder versetzt werden. Bei dem médiateur hingegen ist dies nicht der Fall. Er wird von den Parteien bezahlt. Ebenso ist sein Einsatz – auch der seiner konkreten Person685 – von der Zustimmung der Parteien abhängig. 682
So auch Cadiet, in Chevalier/Yvon/Milburn, Les modes alternatifs, S. 255
(261). 683 684 685
Cadiet, in Chevalier/Yvon/Milburn, Les modes alternatifs, S. 255 (260). Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 144. Siehe hierzu unten S. 191 ff.
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Dies kann dazu führen, dass die Neutralität und Unparteilichkeit des médiateur gefährdet ist, wenn dieser wiederholt von einer Partei zur Durchführung einer médiation vorgeschlagen und beauftragt wird. Denkbar ist beispielsweise, dass ein Krankenhaus bei Streitigkeiten immer denselben „auf Medizinrecht spezialisierten“ médiateur beauftragt und diesen auch der Gegenpartei vorschlägt, gegebenenfalls mit dem Angebot, die Kosten für ihn zu übernehmen. Wird eine Partei ein solches Angebot wirklich ausschlagen wegen Bedenken der Neutralitätsgewährleistung? Ist in einem solchen Fall der médiateur wirklich frei und unparteilich, wenn er doch gerne auch in Zukunft von diesem Krankenhaus für eine Mediation vorgeschlagen werden möchte? Andererseits könnte man sich aber auch auf den Standpunkt stellen, dass den Parteien bei der médiation im Gegensatz zum Gerichtsverfahren gerade mehr Autonomie und Selbstgestaltungsmöglichkeit gegeben wird und sie selbst Herren des Verfahrens sind; genau das zeichnet das Médiationsverfahren mit aus. Aus diesem Grund müsste man es auch den Parteien selbst überlassen, ob sie sich auf dieses Verfahren überhaupt, und auf die konkrete Ausgestaltung und die jeweilige Person des médiateur einlassen. In der deutschen Literatur wird die Auffassung vertreten, dass in dem Fall, in dem sich die Parteien in Kenntnis des Mangels vollständiger Unparteilichkeit des Mediators dennoch für diesen entscheiden, der Parteiwille Vorrang vor dem Neutralitätsgebot haben soll686. Erforderlich ist in jedem Fall ein starker Vertrauensvorschuss dem médiateur gegenüber. 3. Faires Verfahren Im Rahmen eines fairen Verfahrens muss dem Kläger und dem Beklagten auf jeden Fall „ausreichende, angemessene und gleiche Gelegenheit zur Stellungnahme in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht“687 gegeben werden; die eine Partei darf nicht gegenüber der anderen benachteiligt werden. Die Beteiligten haben somit das Recht, sich in gleichem Umfang tatsächlich und rechtlich zu äußern; dies bedeutet unter anderem, dass sie vollständig über den Vortrag der Gegenseite und alle Beweisunterlagen informiert werden. Sie haben Anspruch auf rechtliches Gehör688. Als besondere Ausprägung des fairen Verfahrens wird die Waffen- und Chancengleichheit genannt. Hierunter ist zu verstehen, dass alle Beteiligten in einem Verfahren gleich behandelt werden müssen, insbesondere also in gleichem Um-
686 Stumpp, ZKM 2000, 34 (36). Ausführlich zur Neutralität des Mediators und zu Ausschlussgründen siehe Kracht, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 15 Rn. 32 ff. 687 Frowein/Peukert, EMRK, Art. 6 Rn. 72. 688 Frowein/Peukert, EMRK, Art. 6 Rn. 72; Meyer-Ladewig, Hk-EMRK, Art. 6 Rn. 38; Grabenwarter, EMRK, Rn. 64.
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fang unterrichtet werden und unter denselben Bedingungen die Möglichkeit zum Vortrag und zur Geltendmachung ihrer Sache haben689. a) Redlichkeit Das Prinzip der Redlichkeit im Verfahren wird – eigentlich eine Selbstverständlichkeit – auch von den Beteiligten eines Mediationsverfahrens verlangt. Das ursprünglich aus dem Schuldrecht kommende Prinzip, das sich seine Geltung auch im Prozess erobert hat, fordert von den Parteien, eine médiation nur dann zu beginnen, wenn sie auch wirklich die Absicht haben, eine Einigung zu finden. Zwar haben sie jederzeit das Recht, das Verfahren zu beenden, jedoch verstoßen sie gegen das Prinzip der Redlichkeit, wenn sie es allein zu dem Zweck, Zeit im Rahmen des streitigen Prozesses zu gewinnen, oder um an weitere Informationen von der Gegenseite zu gelangen, durchführen690. b) Rechtliches Gehör – Kontradiktionsprinzip Wie bereits oben angedeutet, geht es bei der Gewährung rechtlichen Gehörs darum, dass jeder Partei ausreichend Gelegenheit eingeräumt werden muss, ihren Fall vorzutragen. Darüber hinaus muss das Gericht – im Gerichtsprozess – das Parteivorbringen sowie die angebotenen Beweise angemessen würdigen. Dies hat im kontradiktorischen Verfahren zu erfolgen; das heißt, die Parteien müssen Kenntnis vom Akteninhalt, insbesondere von den Stellungnahmen und vorgebrachten Beweismitteln des Gegners haben691. aa) Rechtliches Gehör im Médiationsverfahren? Inwiefern sollte den Parteien nun auch im Mediationsverfahren rechtliches Gehör und das Kontradiktionsprinzip in vollem Umfange gewährleistet werden? Die französische Literatur hält überwiegend die Anwendung des Kontradiktionsprinzips in seiner strengen gerichtlichen Bedeutung für ausgeschlossen, sobald der gerichtliche Rahmen verlassen wird692. Es wird vorgebracht, die Strenge der Verpflichtungen, die dieses Prinzip mit sich bringe, entspreche nicht der Flexibilität, die beim Mediationsverfahren herrschen solle. Sich gerade vom
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Meyer-Ladewig, Hk-EMRK, Art. 6 Rn. 44; Grabenwarter, EMRK, Rn. 61. Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 527 ff. 691 Grabenwarter, EMRK, Rn. 64; Meyer-Ladewig, Hk-EMRK, Rn. 38; Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 504. 692 Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 504; Bourry d’Antin/ Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 302; Lagarde, in Chevalier/ Desdevises/Milburn, Les modes alternatifs, S. 45 (49). 690
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Kontradiktionsprinzip zu befreien, sei eine der Originalitäten und eine der Chancen der médiation693. Besonders augenscheinlich wird dieses Problem bei der Frage, ob man Einzelgespräche des médiateur mit jeweils einer Partei (sogenannte caucus oder entretien séparé) zulassen sollte. Dies wird in der französischen Lehre und Praxis fast einhellig als zulässig, ja sogar wünschenswert angesehen. Die Möglichkeit für den médiateur, die Parteien und/oder ihre Anwälte getrennt hören zu können, sei Ausdruck der im Wesen der conciliation und der médiation angelegten Handlungsfreiheit, die dem Dritten freie Hand lasse, seine Aufgabe zu erfüllen. Bestärkt werde dies zudem durch das Schweigen der Gesetzestexte zur Verfahrensweise des médiateur, wie er die Parteien einander annähert694. Zu denken ist dabei insbesondere an Situationen, in denen ein Einzelgespräch des médiateur mit den Parteien dazu beitragen soll, das Ziel, den Dialog zwischen den Parteien wieder in Gang zu bringen, zu erreichen. Sind die Fronten verhärtet, die Situation blockiert, so kann es in gewissen Fällen schwierig sein, der Gegenpartei von Angesicht zu Angesicht gegenüberzutreten. Wenn der médiateur dann mit den Parteien jeweils ein Vier-Augen-Gespräch führt und er es übernimmt, die ihm kommunizierten Informationen der anderen Partei – in abgeschwächter Form – unter Zuhilfenahme der sogenannten Pendel-Technik (technique de la navette) zu übermitteln, kann es leichter sein, wieder zum Dialog zurückzufinden695. Es gibt aber auch Konstellationen, in denen der médiateur bestimmte Informationen gegenüber der anderen Partei – unter Umständen auch nur für eine gewisse Zeit – geheim hält. Dies kann beispielsweise bei Wirtschaftsmediationen aktuell werden, in denen Geschäftsgeheimnisse auch im Rahmen der médiation nicht offenbart werden sollen696. Hier besteht häufig das Problem, dass zwar einerseits einem Mediationsverfahren entsprechend offen miteinander gesprochen werden soll, andererseits die Beteiligten aber Konkurrenten sind und daher Betriebsgeheimnisse nicht offenlegen möchten. In diesem Fall könnte dem médiateur die Aufgabe anvertraut werden, aus den ihm von beiden Seiten gelieferten Informationen diejenigen herauszufiltern, die für die andere Partei zum Gelingen der médiation erforderlich sind, jedoch nicht das Geschäftsgeheimnis verletzen. Voraussetzung dafür ist in jedem Fall ein sehr großes Vertrauen beider Parteien dem médiateur gegenüber. 693 Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 505; Martel, LPA, 13 juillet 1999, 17 (19). 694 Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 505; Martel, LPA, 13 juillet 1999, 17 (19); Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 302. 695 Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 505 f. 696 Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 505; Chaput, in Cadiet, Médiation et arbitrage, S. 93 (109, nº 131).
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Jedoch solle auch in diesen Fällen der Einzelgespräche das Kontradiktionsprinzip nicht völlig vernachlässigt werden. Vielmehr solle es in abgemilderter Form Anwendung finden. Damit durch solche Vier-Augen-Gespräche und die damit verbundene sowie ermöglichte Zurückhaltung von Informationen nicht eine Ungleichheit in der Behandlung der Parteien verursacht werde, solle eine gewisse verfahrensrechtliche Ethik beachtet werden. Dies könne dadurch erfolgen, dass das Transparenzprinzip und das Prinzip von Treu und Glauben Anwendung finde, um die Billigkeit der Verhandlungen zu gewährleisten. Insbesondere solle durch vertragliche Vereinbarung im Vorhinein festgelegt werden, was zulässig sei, ob der médiateur ermächtigt sei, die Parteien allein zu treffen, welche Dokumente vorzulegen seien, und auf diese Weise das Kontradiktionsprinzip vertraglich eingebaut werden697. Es sei das Typische einer médiation, dass einerseits dem médiateur die Herrschaft über das Mediationsverfahrens übertragen werde unter der Bedingung, dass er auf die Beachtung eines gewissen Gleichgewichts zwischen den Parteien achte; andererseits werde den Parteien die Herrschaft über den Gegenstand der Verhandlungen gelassen, sei es auch manchmal zum Preis einer gewissen Missachtung des Kontradiktionsprinzips698. bb) Stellungnahme Es sind also durchaus Situationen denkbar, in denen es – im Hinblick auf eine erfolgreiche Einigung – sinnvoll sein mag, Einzelgespräche zwischen médiateur und Partei zuzulassen und damit das Kontradiktionsprinzip und den Anspruch auf rechtliches Gehör zu verletzen. Jedoch stellt sich die Frage, ob dieser Vorteil die rechtlichen Bedenken aufwiegt. Hierbei muss man sich die Frage stellen, wie viel „Macht“ man dem médiateur einräumen will. Denn mit der Durchführung von Einzelgesprächen erhält er eine sehr starke Position, da letztlich er entscheiden kann, welche Informationen er der anderen Partei mitteilt und welche nicht. Dadurch verliert das Verfahren an Transparenz, und Kontrolle wird weniger möglich. Dies wiederum birgt die Gefahr des Missbrauchs und der Manipulation. Auch kann Misstrauen untereinander sowie gegenüber dem médiateur aufkommen, was der médiation abträglich wäre. Eine weitere Frage ist – dies hängt auch mit der Neutralität des médiateur zusammen –, inwieweit den médiateur Aufklärungspflichten gegenüber den Parteien treffen. Insbesondere bei der Durchführung von Einzelgesprächen wird dies aktuell. Denn hier entscheidet der médiateur über die Informationsbasis der 697 Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 506; Lagarde, in Chevalier/Desdevises/Milburn, Les modes alternatifs, S. 45 (49). 698 Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 505.
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anderen Partei. Vorausgesetzt, man lässt dies zu, wann überschreitet der médiateur dann die Grenze zur arglistigen Täuschung? Man stelle sich den Fall vor, dass die eine Partei dem médiateur gegenüber im Rahmen des caucusing eine Patentrechtsverletzung zu Lasten der anderen Partei zugibt, diesen aber bittet, dies der anderen nicht mitzuteilen. Angenommen, der médiateur hält sich daran und es kommt dennoch zu einem Vergleich, kann dann dieser Vergleich wegen arglistiger Täuschung angefochten werden? Inwiefern ist es möglich, den médiateur zu sanktionieren? Zu all diesen Fragen findet man in der französischen Literatur keine eindeutige Antwort. Im Gegenteil ist die Lösung dieser Probleme eher verunklart bzw. wird gar nicht behandelt. Im deutschen Recht kommt eine Unwirksamkeit des Vergleichs nach § 779 BGB wohl nicht in Betracht, da die Tatsache, dass der Mediator aufgrund seiner Parteilichkeit nicht an dem Vergleich hätte mitwirken dürfen, stellt nicht einen den Streit mitbegründenden, als feststehend zugrunde gelegten Sachverhalt dar, der der Wirklichkeit nicht entspricht699. Zu denken ist allenfalls an eine arglistige Täuschung durch Verschweigen seitens eines Dritten nach § 123 BGB – von der Kenntnis der Gegenpartei nach § 123 Abs. 2 BGB wird im geschilderten Fall in der Regel auszugehen sein, da sie dem Mediator ja gerade die Information gegeben hat. Kann also eine Partei den mit der anderen Partei geschlossenen Vergleich anfechten, weil der Mediator – ein Dritter – ihr etwas verschwiegen hat? Dies kommt nur dann in Betracht, wenn für den Mediator eine Aufklärungspflicht hinsichtlich der verschwiegenen Tatsache besteht. Dies wiederum richtet sich nach § 242 BGB. Hiernach kommt es darauf an, ob die Partei „nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise Aufklärung erwarten durfte“700. Die Beantwortung dieser Frage erscheint schwierig; sie soll im Rahmen dieser Arbeit nicht abschließend gelöst werden. Jedoch ist in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass Einzelgespräche in der Mediation nur durchgeführt werden, wenn die Parteien sich im Vorhinein damit einverstanden erklärt haben. Dabei ist es naheliegend und den Parteien in der Regel bewusst, dass bei dieser Gelegenheit dem Mediator auch Dinge mitgeteilt werden, die der anderen Partei (so) nicht gesagt werden und gesagt werden sollen. Aus diesen Gründen ist es meines Erachtens vorzugswürdig, dem teilweisen Verzicht auf rechtliches Gehör durch Einzelgespräche im Mediationsverfahren eher zurückhaltend gegenüberzutreten. Am ehesten erscheint dies noch bei sehr starken bzw. gut beratenen Parteien vorstellbar. Dies wird man wohl vorwiegend im Handelsverkehr, mithin im Rahmen einer Wirtschaftsmediation anneh699 700
Stumpp, ZKM 2000, 34 (36). Palandt-Heinrichs, BGB, § 123 Rn. 5, § 242 Rn. 37.
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men können. In Verfahren wie beispielsweise bei einer Familienmediation erscheint dieses Vorgehen meines Erachtens bedenklich. c) Beistand von Anwälten Ebenfalls unter dem Aspekt eines fairen Verfahrens – als eine Ausprägung der Waffengleichheit – zu behandeln ist der Beistand von Anwälten im Mediationsverfahren. Die Anwesenheit von Anwälten wird größtenteils begrüßt, vor allem aus dem Grund, dass diese mit dafür Sorge tragen, dass die Prinzipien einer gewissen Fairness und eines Gleichgewichtes zwischen den Parteien beachtet werden, dass nicht eine Partei, die wirtschaftlich oder intellektuell der anderen unterlegen ist, benachteiligt wird. Im Rahmen eines fairen Verfahrens sollte wohl ebenso darauf geachtet werden, dass wenn Anwälte an der médiation teilnehmen, auch beiden Parteien eine solche Beratung zuteilwird, so dass auch insofern das Gleichgewicht gewahrt ist. Im Übrigen wird zu diesem Punkt auf Abschnitt VI. der Arbeit verwiesen701, in dem die Frage, ob Anwälte beim Mediationsverfahren anwesend sein sollten, ausführlich behandelt wird. d) Ausgleich eines Ungleichgewichts zwischen den Parteien durch den médiateur? Nicht selten besteht zwischen den Beteiligten einer médiation ein wirtschaftliches oder ein intellektuelles Ungleichgewicht. Dieses kann sich sowohl innerhalb des Verfahrens als auch im Ergebnis, also in der gefundenen Einigung niederschlagen. Beispielsweise kann es sein, dass eine Partei, um Streit zu vermeiden und auch aus Unkenntnis über ihre Rechte, viel mehr zugesteht als sie es bei Kenntnis der rechtlichen Lage vielleicht würde oder auch als der Billigkeit entspreche. Allgemein wird in der französischen Literatur anerkannt, dass auch im Mediationsverfahren ein gewisses Gleichgewicht zwischen den Parteien herrschen soll. Auch in der médiation soll den Parteien ein billiges, gerechtes Verfahren zuteilwerden702. Mit darüber zu wachen, dass dieses gewährleistet wird, ist auch Ziel der „Schirmherrschaft“ des Richters über die Verfahren der conciliation und médiation judiciaires, aufgrund derer er von Amts wegen die Verfahren beenden kann, wenn er den Eindruck hat, die wesentlichen Grundrechte der Parteien und ein billiges Verfahren werden nicht beachtet. 701 702
Siehe S. 196 ff. Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 594 f., 690.
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Auf welche Weise ist es aber dem médiateur möglich und gestattet, auf bestehende Ungleichgewichte adäquat zu reagieren? Kann er diese selbst ausgleichen? Zwar soll er darauf achten, dass es nicht zu Ungleichgewichten zwischen den Parteien kommt, und dass die Parteien möglichst umfassend über ihre Rechte informiert sind. Diese Ungleichgewichte jedoch selbst zu kompensieren, die rechtliche Information vorzunehmen und die schwächere Partei zu unterstützen, ist dem médiateur nicht möglich. Er würde dabei Gefahr laufen, seine Neutralität und Unparteilichkeit zu verlieren703. Jedoch kann und soll er den Parteien nahelegen, juristischen Rat einzuholen; auch kann er dazu vor Unterzeichung einer Einigung Bedenkzeit einräumen. Ebenso steht dem médiateur die Möglichkeit offen, eine Einigung, die ihm offensichtlich ungerecht oder gar sittenwidrig erscheint, nicht anzuerkennen. Weigert sich eine Partei in diesem Fall, trotz der Aufforderung des médiateur, rechtlichen Rat außerhalb der médiation einzuholen, so bleibt ihm als ultima ratio nur noch, das Mediationsverfahren zu beenden. 4. Zwischenfazit Zusammenfassend ist festzuhalten, dass in der französischen Literatur eine Tendenz auszumachen ist, dass gewisse grundlegende Prinzipien eines fairen Verfahrens wie Redlichkeit im Verfahren, die Billigkeit und ein Gleichgewicht der Parteien zwar auch in der médiation gewährleistet werden müssen. Jedoch werden leitende Prinzipien des Zivilprozesses wie das Kontradiktionsprinzip bzw. das Recht auf rechtliches Gehör in ihrer strikten Beachtung als nicht notwendig und eher sogar als Gefahr für einen guten Ablauf und den Erfolg der médiation betrachtet. Sie sollen nur in abgeschwächter Form Geltung finden. Idealerweise sollte im Mediationsvertrag vereinbart sein, was alles zulässig ist und was nicht. Grundsätzlich ist eine Aufweichung des relativ starren Gerüsts eines gerichtlichen Verfahrens in der médiation durchaus denkbar. Denn im Prozess hat der Richter die Entscheidungsbefugnis, die im Anschluss an das Verfahren im Rahmen der Zwangsvollstreckung durch staatliche Gewalt durchgesetzt werden kann; aus diesem Grund bedarf es klarer Garantien für die Parteien. Im Mediationsverfahren liegt es dagegen bei den Parteien selbst, ob sie eine Vereinbarung zur Lösung ihres Konflikts treffen oder nicht. Sie haben auch jederzeit die Möglichkeit, das Verfahren zu beenden. Insofern ist die Anwendung von Verfahrensgarantien – insbesondere bei gleich starken oder juristisch beratenen Parteien – etwas weniger dringend erforderlich704. Man wird wohl sagen können, dass dies umso weniger geboten ist, je stärker die Parteien sind. 703 704
Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 494. In diesem Sinne auch Hager, Konflikt und Konsens, S. 111.
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In jedem Fall ist es unerlässlich, dass die Parteien umfassend über ihre Rechte informiert sind sowie sich der rechtlichen Bedeutung ihrer Handlungen im Rahmen des Mediationsverfahrens bewusst sind.
V. Freiwilligkeit in der Mediation Der folgende Abschnitt behandelt die Freiwilligkeit in Bezug auf die Durchführung des Mediationsverfahrens (1.) sowie im Besonderen die Frage, ob auch die Person des Mediators von der Zustimmung der Parteien gedeckt sein muss (2.). Mit dieser Problematik setzt sich die Arbeit auf der Grundlage sowohl der französischen als auch der deutschen Literatur auseinander. 1. Freiwilligkeit der Durchführung des Mediationsverfahrens Der Wille der Parteien – und damit die Freiwilligkeit – spielen in der Mediation eine zentrale Rolle. So sehen die Vorschriften der Art. 131-1 Abs. 1 und Art. 832-1 Abs. 1 NCPC vor, dass die Parteien der Durchführung einer médiation bzw. der Übertragung einer conciliation auf einen Dritten zustimmen. Ihr vorhergehendes Einverständnis ist also erforderlich. a) Rolle der Freiwilligkeit in der Mediation aa) Frankreich Im französischen Recht spielt der Wille der Parteien – über die Einleitung des Verfahrens hinausgehend – eine wichtige Rolle im Ablauf der Mediationsdurchführung durch einen Dritten. So kann eine Partei den Richter bitten, die Aufgabe des médiateur oder des conciliateur zu jedem Zeitpunkt zu beenden705. Ebenso müssen die Parteien ihr Einverständnis dazu erteilen, dass der conciliateur oder der médiateur dem Rechtsstreit fremde Personen anhört, deren Anhörung nützlich erscheinen kann, vorausgesetzt diese stimmen zu706. Endet das Mediationsverfahren teilweise oder vollständig durch eine Einigung, unterzeichnen die Parteien ein vom conciliateur oder médiateur errichtetes Einigungsprotokoll und können beim Richter die homologation dieses Protokolls beantragen707. 705 Art. 23 Abs. 2 S. 2 des Gesetzes vom 8. Februar 1995, Art. 832-6 Abs. 1 und Art. 131-10 Abs. 1 NCPC. 706 Art. 832-4 Abs. 2 und Art. 131-8 Abs. 1 S. 2 NCPC. 707 Art. 832-7 f. und Art. 131-12 S. 1 NCPC. Guinchard, Droit et pratique de la procédure civile, nº 325.213.
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bb) Deutschland Ebenso wird in der deutschen Literatur die „Freiwilligkeit“, eine Mediation durchzuführen, nicht durchzuführen oder sie abzubrechen und eine Regelung nach eigenen Vorstellungen zu treffen, als „ein zentrales Moment der Privatautonomie der Konfliktpartner“ gesehen. Darin werde das Prinzip der Selbstbestimmung verwirklicht708. Die Freiwilligkeit der Mediation sei ein wesentliches Kriterium auf dem Weg zu einer gemeinsamen und eigenverantwortlichen Lösung, wobei unter Eigenverantwortlichkeit verstanden werde, dass die Konfliktparteien aus eigenen Stücken den Lösungsweg beschreiten müssen709. b) Auferlegte Mediation? Diese Freiwilligkeit – in Form eines Zustimmungserfordernisses – der Parteien in Bezug auf das Mediationsverfahren ist aber nicht selbstverständlich. Vielmehr kann man durchaus über eine – auf den ersten Blick mit dem Gedanken der Mediation unvereinbar erscheinende710 – auferlegte Mediation nachdenken. Diese kann – wie im Folgenden gezeigt wird – in der Ausgestaltung variieren. aa) Ausgestaltungen (1) Obligatorischer Mediationsversuch Das Erfordernis des vorherigen Einverständnisses der Parteien war nämlich auch im französischen Nouveau code de procédure civile nicht von Anfang an vorgesehen. Der Gesetzentwurf, der der Assemblée nationale 1994 in erster Lesung vorgelegt wurde (genauso wie der Gesetzentwurf von 1990) sah die Möglichkeit für den Richter vor, „sogar von Amts wegen“ eine Person seiner Wahl als médiateur zu benennen711. Von dieser Möglichkeit wurde allerdings abgesehen mit der Begründung, dass eine „auferlegte“ médiation keine Chance hätte, zum Erfolg zu führen712. Denkbar ist jedoch das Modell, dass die Parteien, bevor sie ein Gerichtsverfahren durchführen können, eine Mediation versuchen müssen, sie also obligatorisch, nicht rein fakultativ ist. 708
Proksch, ZfM 1999, 368 (371). So ein überwiegender Teil der befragten Richter-Mediatoren des Modellversuchs „Gerichtsnahe Mediation“ in Niedersachsen in Böttger/Hupfeld, ZKM 2004, 155 (160). Kritisch gegenüber dem Zwangscharakter auch Stürner, FS Schlosser, S. 5 (10), insbes. mit Blick auf § 15a EGZPO. 710 Vgl. Stürner, FS Schlosser, S. 5 (10). 711 Projet de loi, Art. 11, Doc. Sénat, 7 juill. 1994, nº 594. 712 Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 179; so noch Guinchard, Droit et pratique de la procédure civile, 4. Aufl., nº 325.211. 709
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Kap. 2: Darstellung der Situation in Frankreich und Deutschland
Auch diese Variante ist im Ansatz gesetzlich vorgesehen: Im französischen Recht sind die Parteien bei der conciliation vor dem conseil de prud’hommes, dem tribunal paritaire de baux ruraux, der juridicition de proximité sowie dem tribunal d’instance verpflichtet, zunächst eine gütliche Einigung zu versuchen, bevor eine streitige Erledigung des Konflikts möglich ist. Es handelt sich bei dieser Form des obligatorischen Mediationsversuchs um einen Überrest der früher vorgeschriebenen obligatorischen Conciliationseinleitung. Die erste Form auferlegter gerichtlicher Verhandlungen im französischen Recht datiert – wie bereits eingangs713 ausgeführt – vom Gesetz vom 16. und 24. August 1790, das die obligatorische Conciliationseinleitung (préliminaire obligatoire de conciliation) einführte. Diese bestand in einem vor den justices de paix organisierten vorhergehenden und für alle Rechtssachen im Zuständigkeitsbereich der tribunaux de droit commun vorgeschriebenen Conciliationsverfahren. Zweck war, die rechtliche Behandlung der Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden sowie den gütlichen Weg und die verhandelte Lösung vor dem streitigen Weg und der auferlegten Lösung zu privilegieren. Nachdem sich diese obligatorische Einleitung zunächst aufgrund ihres Erfolgs ausgebreitet hatte, verschwand sie schließlich zugunsten schlicht fakultativer Verfahren, da die Praxis offenbarte, dass der zwingende Charakter der conciliation ihrem Ziel zuwiderlief und letztlich nicht ihrem Geist entsprach714. Dennoch wollten die Väter des Nouveau code de procédure civile nicht gänzlich auf die obligatorischen Einleitungsverfahren verzichten. So haben sie sie auf bestimmten Gebieten bzw. vor bestimmten Gerichten beibehalten715. Im deutschen Recht ist dies in gewisser Weise bei der obligatorischen Güteverhandlung nach § 278 Abs. 2 ZPO der Fall – wenn es sich dabei auch nicht um eine Mediation im eigentlichen Sinne handelt, sondern lediglich um eine gütliche Streitregelung (im weiteren Sinne) – sowie bei den einvernehmlichen Streitbeilegungsversuchen vor einer Gütestelle nach der Öffnungsklausel des § 15a EGZPO, soweit die Landesgesetzgeber von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht haben. Jeweils müssen die Parteien vor der streitigen Verhandlung ihres Rechtsstreits versuchen, sich gütlich zu einigen. (2) Kein unmittelbarer Zwang In anderen Ländern (z. B. in den USA) haben die Gerichte beispielsweise die Befugnis, einen Mediationstermin bei den Konfliktparteien zu erzwingen716.
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Ausführlicher hierzu siehe oben S. 40 ff. Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 190; Couvrat/GiudicelliDelage, J.-Cl. proc. civ., fasc. 160, nº 32 ff. 715 Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 190. 716 Böttger/Hupfeld, ZKM 2004, 155 (160). 714
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Im Rahmen dieser Überlegungen ist allerdings hervorzuheben, dass unmittelbarer Zwang hier von vornherein nicht in Betracht kommt. Die Parteien müssten dazu gezwungen werden, sich gegenseitig Vorschläge zu machen, um eine gütliche Lösung zu finden, was schon rein praktisch unmöglich ist. Dies ist vollkommen den Parteien überlassen. Mit einem solchen Pflichttermin geht auch keinesfalls der Zwang zu einer Einigung einher – vielmehr handelt es sich lediglich um den Zwang zur Teilnahme an der Mediation717. Jedoch bestehen diverse Möglichkeiten, um die Parteien davon zu überzeugen, eine gütliche Einigung anzustreben; insbesondere kommt dazu die Anordnung persönlichen Erscheinens zum Conciliationstermin unter Strafandrohung für den Fall des Nichterscheinens in Betracht718. Auch kann über das Prozesskostenrecht Druck auf die Parteien ausgeübt werden, eine Mediation zu versuchen, wie dies zum Beispiel in England der Fall ist. Im englischen Prozessrecht steht die Auferlegung der Verfahrenskosten grundsätzlich im Ermessen des Gerichts, wobei sie in der Regel die unterlegene Partei zu tragen hat719. Jedoch ist es dem Gericht im Einzelfall möglich, auch der obsiegenden Partei alle oder einen Teil der entstandenen Verfahrenskosten aufzubürden, soweit dies unter Einbeziehung aller Umstände und insbesondere des Parteiverhaltens angemessen erscheint720. In diesem Rahmen kann das Gericht auch berücksichtigen, ob die Parteien ihrer Verpflichtung zur Mitwirkung an einer gemeinsamen Konfliktlösung gemäß Rule 1.3 CPR (Civil Procedure Rules) nachgekommen ist oder nicht. Hat die obsiegende Partei ohne triftigen Grund außergerichtliche Streitschlichtungsoptionen vor Prozessbeginn verweigert, so muss sie mit Kostensanktionen rechnen721. bb) Erfolgschancen von „Pflichtmediationen“? Fraglich ist allerdings, inwiefern solche „Pflichtmediationen“ erfolgversprechend sind. Für solche „Zwangsmediationen“ wird in erster Linie und vor allem angeführt, dass dadurch die Zahl der Mediationen erheblich gesteigert werde. Durch das Erfordernis der Freiwilligkeit würden deutlich weniger Mediationsversuche durchgeführt. Die Voraussetzung eines Einverständnisses der Parteien berge die Gefahr, die Zahl der delegierten conciliations und der médiations zu drosseln722. 717 Joly-Hurard, Conciliation et mediation judiciaires, nº 194 f.; Böttger/Hupfeld, ZKM 2004, 155 (160); Gottwald, ZKM 2003, 6 (10 f.). 718 Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 194 f. 719 Rule 44.3 (2) (a) CPR; vgl. auch Althammer, JZ 2006, 69 (70). 720 Rule 44.3 (2) (b), 44.3 (4) CPR. 721 Althammer, JZ 2006, 69 (69 f.); Gottwald, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 17 Rn. 65 f. 722 Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 179.
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Dagegen wird allerdings vorgebracht, es sei die essenzielle Spielregel bei der médiation, dass sich nichts den Parteien entziehe, niemand sie gezwungen habe, eine médiation zu versuchen, nichts und niemand sie daran hindere, sie zu jedem Zeitpunkt zu beenden723. An erster Stelle stehe das Einverständnis der Parteien. Es sei die Einigung der Parteien, die die Befugnisse des médiateur und vor allem die Grenzen seiner Tätigkeit bestimme; diese Einwilligung stelle die Spielregeln auf724. Es wird argumentiert, dass die médiation größere Erfolgschancen habe, wenn die Parteien sie freiwillig unternehmen. Dann nämlich wollten sie es wirklich, es ist ihre Sache725. Der Aspekt der Freiwilligkeit habe psychologische Wirkung; sie gehe mit einer Art „Grundbereitschaft“ der Parteien zur Konfliktlösung einher und somit sei die Aussicht auf Erfolg schon „vorprogrammiert“. Durch die freiwillige Basis in der Mediation werde darüber hinaus die Akzeptanz erhöht und somit auch die Attraktivität eines solchen Verfahrens verstärkt. Mediation erfordere von den Beteiligten, insbesondere von den Konfliktparteien, einen „großen emotionalen Aufwand“; es werde auch „einiges an Mitarbeit gefordert“. Unter Zwang hingegen sei die Gefahr groß, dass die Parteien sich verweigern und auf ihrem Standpunkt verharren, so dass ein Pflichttermin eher kontraproduktiv wirke726. Überdies würde ein unmittelbarer Zwang zur Durchführung einer Mediation in vielen Fällen den Rechtsstreit unnötig in die Länge ziehen727. Durch den Zwang zur Teilnahme an einer Mediation – wie es in anderen Ländern möglich ist – könne es zu einem „Alibitermin“ kommen. Dieser würde dann von den Parteien ausschließlich zu dem Zweck wahrgenommen, anschließend unter günstigeren Voraussetzungen in das anhängige Verfahren zurückzukehren, ohne dass sie wirklich zur Mitarbeit bereit wären728. Außerdem wird in einer „auferlegten“ médiation ein Konflikt mit Art. 6 Abs. 1 EMRK gesehen, der dem Staat auferlegt, den Parteien zu ermöglichen, im Fall eines Rechtsstreits über Rechte und Pflichten zivilrechtlichen Charakters ihren Rechtsstreit vor ein unabhängiges und unparteiisches Gericht zu bringen729. Dieses Argument erscheint allerdings wenig zwingend, da sich die Rechtspflege dem Justizgewährungsanspruch durch einen vorgelagerten obliga-
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Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 28. Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 227. 725 Stürner führt in diesem Zusammenhang auch das historische Scheitern des obligatorischen gerichtlichen Sühneversuchs als Voraussetzung streitiger Verfahren im deutschen Recht an, Stürner, FS Schlosser, S. 5 (10, 29). 726 Böttger/Hupfeld, ZKM 2004, 155 (160). 727 Althammer, JZ 2006, 69 (72). 728 Böttger/Hupfeld, ZKM 2004, 155 (160). 729 So noch Guinchard, Droit et pratique de la procédure civile, 4. Aufl., nº 325.211. 724
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torischen Schlichtungsversuch ja nicht verweigert, sondern lediglich ein Verfahren vorschaltet. c) Mittelweg: obligatorischer Informationstermin Ein Mittelweg ist allerdings in der Gestalt möglich, dass ein Pflichttermin anberaumt wird, in dessen Rahmen die Parteien über die Mediation, ihren Ablauf, ihre Vorteile und Risiken informiert und aufgeklärt werden730. Eine solche Informationspflicht im Rahmen eines Aufklärungstermins sieht das französische Recht in einzelnen Bereichen vor. Der neue Abs. 3 des Art. 829 NCPC, der durch Art. 17, 18 des Dekrets nº 2003-542 vom 23. Juni 2003 geschaffen wurde, ermächtigt den Richter, wenn er das Einverständnis der Parteien zur Durchführung eines Conciliationsversuchs nicht erhalten hat, ein Treffen mit einem von ihm zu diesem Zweck benannten conciliateur anzuordnen. Dieser ist damit beauftragt, die Parteien über den Gegenstand und den Ablauf der Conciliationsmaßnahme zu informieren731. Die gleiche Befugnis räumt das Gesetz nº 2002-305 vom 4. März 2002 bezüglich der elterlichen Sorge dem Richter in Familiensachen732 ein (Art. 373-2-10 Abs. 3 C. civ.), indem er ermächtigt wird, die Parteien zu einem Treffen mit einem médiateur familial zu verpflichten, der sie über den Gegenstand und den Ablauf einer médiation informiert, wenn sie seinen Vorschlag, eine médiation durchzuführen, abgelehnt haben733. Die gleiche Möglichkeit sieht der durch das Gesetz nº 2004-439 vom 26. Mai 2004 bezüglich der Scheidung734 neu geregelte Art. 255 C. civ. vor. Auch hier kann der Richter die Eheleute im Scheidungsverfahren zu einem Termin mit einem médiateur familial verpflichten, der sie über Gegenstand und Ablauf der médiation informieren wird. (Art. 255 nº 2 Code civil)735. Auf Art. 255 nº 2 C. civ. wiederum wird unter anderem gemäß Art. 1108 Abs. 3 NCPC in der Ladung zum Conciliationstermin im Rahmen des Scheidungsverfahrens hingewiesen736. Dadurch wird der Druck auf die Parteien, einen Media730 Befürwortend auch einige Richter-Mediatoren bei Böttger/Hupfeld, ZKM 2004, 155 (160); vgl. auch Gottwald, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 17 Rn. 63 f. 731 Vgl. Auch den neuen Abs. 4 des Art. 21 des Gesetzes nº 95-125 vom 8. Februar 1995, der durch Art. 8 des Gesetzes nº 2002-1138 vom 9. September 2002 geschaffen wurde. 732 Juge du tribunal de grande instance délégué aux affaires familiales. 733 Guinchard, Droit et pratique de la procédure civile, nº 325.211, 325.201; Blohorn-Brenneur, Gaz. Pal. 2005, doctr., 1556 (1558); Kriegk, Gaz. Pal. 2005, doctr., 844 (845). 734 Art. 10 I, 12 I, III Journal Officiel vom 27. Mai 2004, in Kraft am 1. Januar 2005. 735 Blohorn-Brenneur, Gaz. Pal. 2005, doctr., 1556 (1558); Kriegk, Gaz. Pal. 2005, doctr., 844 (845). 736 Blohorn-Brenneur, Gaz. Pal. 2005, doctr., 1556 (1558).
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tionsversuch zu unternehmen, höher, als wenn dieser Weg schriftlich vorgeschlagen wird737. Teilweise wird im französischen Schrifttum gefordert, diese Möglichkeit des Richters, den Parteien einen Termin mit einem médiateur aufzuerlegen, auf alle Arten von Rechtsstreitigkeiten zu erweitern. Dazu wird vorgeschlagen, eine entsprechende allgemeine Vorschrift in den Nouveau Code de procédure civile, im Kapitel „médiation“ einzufügen, die zum Beispiel Art. 131-16 werden könnte738. Die chambre sociale (Arbeits- und Sozialkammer) der cour d’appel von Grenoble hat ein einer solchen „Pflichtmediation“ ähnliches Verfahren eingeführt, indem sie besondere Termine geschaffen hat739. Seit Januar 2000 werden dort Termine zum Vorschlag einer médiation abgehalten. Dabei werden auf diese Weise circa 40 Rechtssachen pro Termin aufgerollt. Die Auswahl der für die médiation geeigneten Fälle wird nach bestimmten Kriterien getroffen (Dienstalter des Arbeitnehmers [80 % der Fälle], Kündigung von Personen, die familiäre oder Gesellschafter-Bindungen haben, Parteien, die mehrere gerichtliche Streitigkeiten miteinander haben, oder Führungskräfte). Bei diesem Termin erklärt der Richter den Parteien, was die médiation ist und weshalb ihr Fall „ausgewählt“ wurde. Médiateurs sind bei diesem Termin zugegen und ziehen sich in ein Nebenzimmer zurück, um die Parteien, die darum bitten, zu informieren740. d) Stellungnahme Vorzugswürdig erscheint meines Erachtens eine Lösung, die die Parteien in geeigneten Fällen verpflichtet, sich über die Mediation zu informieren. Dies kann in der Form geschehen, dass die Parteien vom Richter, der entscheidet, ob ihr Fall für einen Mediationsversuch überhaupt in Betracht kommt, zunächst zu einem gemeinsamen Termin geladen werden, in dem ihnen ein Mediator den Gegenstand und den Ablauf einer Mediation erklärt. Danach können dann die Parteien aufgrund dieses Wissens frei entscheiden, ob sie einen solchen Versuch unternehmen möchten oder nicht. Sich allein auf das Errichten eines „Fensters“ zur außergerichtlichen Streitbeilegung im Rahmen des Zivilprozesses zu beschränken, erscheint nicht ausreichend, wie die geringe praktische Relevanz des § 278 Abs. 5 S. 2 ZPO zeigt741.
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Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 188. Blohorn-Brenneur, Gaz. Pal. 2005, doctr., 1556 (1558). 739 Näheres zu diesem im September 1996 begonnenen Modellprojekt siehe unten S. 213 ff. 740 Blohorn-Brenneur, Gaz. Pal. 2005, doctr., 1556 (1559). 741 So auch Althammer, JZ 2006, 69 (72). 738
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Insofern erscheinen die gesetzgeberischen Vorstöße vor allem im französischen Familienrecht sehr sinnvoll und ein Schritt in die richtige Richtung zu sein. Eine Ausweitung auf alle Fälle der médiation wäre wünschenswert742. 2. Zustimmungserfordernis auch für Person des médiateur? Dass die Parteien ihre Zustimmung erteilen müssen, damit die durchzuführende médiation/conciliation auf einen Dritten übertragen werden kann, ist – wie bereits oben dargelegt743 – gesetzlich geregelt744. Darüber hinaus stellt sich jedoch die Frage, ob die Zustimmung der Parteien auch für die jeweilige Person des Mediators erforderlich ist, die Parteien den benannten Dritten auch ablehnen können oder ob die Auswahl der Person des Mediators dem Richter obliegt. Wird das Zustimmungserfordernis auch für die Person des Mediators angenommen, so ist weiter zu untersuchen, ob es bestimmter Ablehnungsgründe bedarf oder ob es auf die Begründung nicht ankommt. Jedoch gerade auch im umgekehrten Fall, dass das Einverständnis der Parteien als nicht erforderlich angesehen wird, bleibt zu prüfen, ob ihnen dann nicht wenigstens ausnahmsweise Ablehnungsgründe zur Verfügung stehen. a) Frankreich Die Frage, ob auch der Name des médiateur oder conciliateur der Zustimmung der Parteien bedarf, ist in der französischen Literatur umstritten. Man muss hier wohl differenzieren zwischen der conciliation und der médiation. aa) Conciliation (1) Vorgelagerter Conciliationsversuch Hinsichtlich des vorgelagerten Conciliationsversuchs vor dem tribunal d’instance bzw. der juridiction de proximité ist bereits der Wortlaut relativ eindeutig. Art. 831 Abs. 1 NCPC erwähnt die Möglichkeit, die conciliation von einem Dritten durchführen zu lassen. Zieht der Richter dies in Erwägung, so 742 Ein Befürworter dieses Modells ist auch Jacques Salzer (siehe Fn. 407), im Gespräch vom 6. Januar 2006 in Paris. 743 Siehe S. 184 ff. 744 Art. 131-1 Abs. 1, Art. 832-1 Abs. 1 NCPC. Jedoch war auch das Erfordernis des vorherigen Einverständnisses der Parteien nicht von Anfang an vorgesehen. Der Gesetzentwurf, der der Assemblée nationale 1994 in erster Lesung vorgelegt wurde (genauso wie der Gesetzentwurf von 1990), sah die Möglichkeit für den Richter vor, „sogar von Amts wegen“ eine Person seiner Wahl als Mediator zu benennen, Projet de loi, Art. 11, Doc. Sénat, 7 juill. 1994, nº 594.
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teilt er dies den Parteien gemäß Art. 832-1 Abs. 1 NCPC durch lettre simple mit und bittet sie um Stellungnahme. Erst Art. 832-2 Abs. 1 NPCP beschäftigt sich mit der Benennung des conciliateur, indem er regelt, dass der Richter, sobald die Parteien ihre Zustimmung erteilt haben, den conciliateur benennt und die Frist festsetzt, die ihm eingeräumt ist, um seine Aufgabe zu erfüllen. Es wird eindeutig vom Erhalt des Einverständnisses zur Durchführung des Conciliationsverfahrens durch einen Dritten, von dem in Art. 832-1 Abs. 1 NCPC die Rede ist, gesprochen, so dass zu diesem Zeitpunkt noch gar keine konkrete Person als conciliateur ins Auge gefasst wurde, die Parteien also hierzu nicht ihre Zustimmung erteilen konnten745. Darüber hinaus wird im gleichen Satz von der Fristsetzung gesprochen, die nun zweifellos dem Richter zukommt, ohne dass die Parteien ihr Einverständnis erteilen müssten. Darüber hinaus ist in Art. 831 Abs. 1 NCPC eindeutig geregelt, dass der conciliateur die Voraussetzungen des modifizierten Dekrets vom 20. März 1978746 erfüllen muss. Insoweit ist sichergestellt, dass er alle dort vorgesehenen Garantien aufweist. Da die Anforderungen für den conciliateur somit eng umgrenzt sind und jeder conciliateur einen beschränkten örtlichen Zuständigkeitsbereich hat747, wird überwiegend angenommen, dass sich das Einverständnis nicht auf den Namen, das heißt die Person des conciliateur erstrecken muss748. (2) Conciliation als erste Verfahrensphase Dasselbe muss aber auch für die anderen Conciliationsverfahren, in denen die conciliation die erste Verfahrensphase darstellt, gelten (Art. 840 Abs. 2, 847 Abs. 2, 847-3 Abs. 2 NCPC). Zwar ist der Wortlaut hier nicht ebenso eindeutig, jedoch wird in diesen Vorschriften von „conciliateur de justice“ gesprochen. Somit wird auch hier indirekt auf das modifizierte Dekret vom 20. März 1978 verwiesen, da die „conciliateurs de justice“ die darin festgesetzten Voraussetzungen erfüllen müssen.
745 In diesem Sinne auch Guinchard, Méga NCPC, Art. 852-1, nº 008; Olivier, Gaz. Pal. 1996, doctr., 1257 (1260). 746 Dekret nº 78-381 vom 20. März 1978. 747 Ob Art. 831 NCPC tatsächlich auch auf den begrenzten örtlichen Zuständigkeitsbereich des conciliateur Bezug nimmt oder lediglich auf die Anforderungen an die Person verweist, ist nicht eindeutig. Allerdings wird die Norm wohl so verstanden, dass sie komplett auf die conciliateurs des justice verweist, vgl. Guinchard, Méga NCPC, Art. 852-1 nº 008; Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 180. 748 Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 180; siehe auch Barrière, Gaz. Pal. 2001, doctr., 270 (271); Guinchard, Droit et pratique de la procédure civile, no 325.212, der dies als die herrschende Meinung deklariert.
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(3) Zwischenergebnis Es ist also festzuhalten, dass in den Fällen der conciliation kein Einverständnis der Parteien bezüglich der Person des conciliateur erforderlich ist. Allerdings muss man sich fragen, ob man den Parteien dann nicht zumindest eine Möglichkeit zur Ablehnung der jeweiligen Person aus bestimmten Gründen zugestehen muss. In Betracht kommt hier eine entsprechende Anwendung der Art. 234, 341 NCPC. Art. 341 NCPC enthält eine Auflistung von Befangenheitsgründen, die zu einem Antrag der Parteien auf Ablehnung des Richters führen können. Art. 234 NCPC regelt, dass aus denselben Gründen auch techniciens (Sachverständige) abgelehnt werden können. Ablehnungsgründe sind demnach ein persönliches Interesse des Richters oder seines Ehegatten an dem Rechtsstreit, wenn er oder sein Ehegatte Gläubiger, Schuldner, mutmaßlicher Erbe oder Beschenkter einer der Parteien ist, ein Verwandtschafts- oder verschwägertes Verhältnis mit einer der Parteien oder deren Ehegatte, ein Prozess zwischen ihm oder seinem Ehegatten und einer der Parteien oder deren Ehegatte, vorherige Kenntnis der Rechtssache als Richter oder als Schiedsrichter oder wenn er eine der Parteien beraten hat, ein Unterordnungsverhältnis zwischen dem Richter oder seinem Ehegatten und einer der Parteien oder deren Ehegatte, eine offenkundige Freund- oder Feindschaft zwischen dem Richter und einer der Parteien. Betrachtet man die Funktion des conciliateur, so ist bei ihm – noch in größerem Maße als beim Richter – wichtig, dass die Parteien Vertrauen in ihn haben; dies wiederum erlangt er durch völlige Unabhängigkeit und Unparteilichkeit. Insofern ist die Interessenlage die gleiche wie beim Richter oder beim Sachverständigen, so dass es angemessen erscheint, die Befangenheitsgründe entsprechend anzuwenden. Zwar können die Parteien die conciliation an sich jederzeit abbrechen. Dies kann aber kein Argument dafür sein, dass es der Ablehnungsgründe nicht bedürfe, da ansonsten der Sinn des Conciliationsversuchs untergraben würde. bb) Médiation Auch hinsichtlich der médiation ist die Frage nicht eindeutig zu beantworten. (1) Argumentation Man könnte hier vertreten, dass bereits nach dem Gesetz die Zustimmung der Parteien erforderlich sei. Vergleicht man den Wortlaut des Art. 131-1 NCPC mit dem in erster Lesung vorgeschlagenen und dann aufgegebenen Text, der dem Richter die Möglichkeit anvertraute, „eine Person seiner Wahl“ zu benennen, während Art. 131-1 NCPC ihn erst ermächtigt, „einen médiateur zu benennen,
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nachdem er das Einverständnis der Parteien erhalten hat“, lässt vermuten, dass auch die Zustimmung zur Person gewollt war749. Andererseits wird – zum Teil ohne die Frage zu problematisieren – vertreten, dass der Richter in Bezug auf die Person, der er eine Mediationsmaßnahme anvertraut, freie Wahl habe750. Zwar hätten die Parteien das Recht, ihm insoweit Vorschläge zu unterbreiten, jedoch könne er denjenigen als médiateur bestellen, „der ihm unter Berücksichtigung des Wesens des Verfahrens und der Persönlichkeiten der Parteien am geeignetesten erscheint, das gewünschte Ziel zu erreichen“751. Allerdings wird dann auch hier die Frage aufgeworfen, ob eine oder beide Parteien die benannte Person ablehnen könnten, etwa nach dem Prinzip des Art. 234 NCPC; das Gesetz sei insofern lückenhaft, eine Komplettierung über diese Punkte würde lohnen752. Folgt man dieser Ansicht, so ist es aus denselben Gründen wie bei der conciliation angemessen, den Parteien auch hier unter bestimmten Umständen ein solches Ablehnungsrecht zuzugestehen753. Nach der vermittelnden herrschenden Ansicht erfordert das Gesetz zwar nicht ausdrücklich die Zustimmung der Parteien zur Person des médiateur. Dennoch hält sie es – auch wenn Art. 131-5 NCPC nun bestimmte Anforderungen an den médiateur stellt – für unbedingt erforderlich und sinnvoll, deren Einverständnis auch auf den Namen des médiateur zu erstrecken und die Parteien sowie gegebenenfalls ihre Anwälte bei der Suche nach dem und der Ernennung des médiateur einzubeziehen. Dahinter steht der Gedanke, dass dieser Dritte zwar das Vertrauen des Richters genießen sollte – ohne jedoch sein Delegierter zu sein –, aber auch das der Parteien und ihrer Anwälte haben sollte, um seine Aufgabe bestmöglich erfüllen zu können sowie Anerkennung und Akzeptanz zu erlangen754. In der Praxis würden manchmal die Anwälte selbst Personen oder einen möglichen „Mediationstyp“ vorschlagen und sich darauf einigen755. In dem Be-
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Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 180. Lacabarats, ZKM 2003, 153 (154); Olivier, Gaz. Pal. 1996, doctr., 1257 (1262 f.). 751 Lacabarats, ZKM 2003, 153 (154). 752 Olivier, Gaz. Pal. 1996, doctr., 1257 (1263). 753 Siehe oben S. 193. 754 Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 180; Guinchard, Droit et pratique de la procédure civile, nº 325.212, der dies als herrschende Meinung deklariert; Joly-Hurard, Médiation et conciliation, Rép. pr. civ. Dalloz, nº 257, 321; Pluyette, Gaz. Pal. 1994, doctr., 1098 (1101 f.); ders., Revue de l’arbitrage 1997, 505 (514); ders., Gaz. Pal. 1998, doctr., 702 (704); Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 122, 308, 323; Cornu/Foyer, Procédure civile, nº 9, S. 51, 58. 755 Pluyette, Revue de l’arbitrage 1997, 505 (514); Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 308, 323. 750
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schluss (ordonnance) des Richters über die Ernennung des médiateur solle auch das Einverständnis der Parteien erwähnt werden756. (2) Zwischenergebnis Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass der Wortlaut hinsichtlich dieses Problems für die médiation etwas offen und unklar ist. Dennoch geht die Tendenz in der Praxis dahin, dass sich die im Vorhinein einzuholende Zustimmung der Parteien und gegebenenfalls auch ihrer Anwälte auch auf die Identität des médiateur beziehen muss. Dem ist den Vorzug zu geben, um die Akzeptanz der médiation zu erhöhen und ihr die größtmöglichen Erfolgschancen einzuräumen. b) Deutschland Die Problematik der Auswahl des Mediators spielt in Deutschland hingegen keine Rolle. Es geht hierbei konkret um die Frage, wer den Mediator auswählt, wenn das Gericht den Parteien gemäß § 278 Abs. 5 S. 2 ZPO eine außergerichtliche Streitschlichtung vorschlägt. Im Gegensatz zum französischen Recht stellt sich das Problem hier aber gar nicht, da das Gesetz keinerlei Aussage zum konkreten Vorgehen und Ablauf trifft. Es wird dem Richter lediglich die Vorschlagsmöglichkeit für dieses Verfahren eingeräumt, jedoch nicht, dass er etwa den Mediator benennt oder bestellt. Der Richter gibt die Anregung, die Ausführung liegt bei den Parteien und ihren Anwälten. c) Stellungnahme Es bleibt festzuhalten, dass es in jedem Fall sinnvoll ist, die Parteien bei der Suche nach einer geeigneten Person, die die Mediation durchführt, miteinzubeziehen. Es kommt entscheidend darauf an, dass die Beteiligten zufrieden sind. Sie sind es, die am Ende eine gütliche Lösung finden sollen. Daher ist es – selbst wenn es vom Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen ist – erstrebenswert, die Zustimmung der Parteien auch auf die Identität des beauftragten Mediators zu erstrecken und im Voraus einzuholen757. Denn letztlich haben es die Parteien ohnehin in der Hand, ob sie mit dem benannten Mediator eine Mediation durchführen wollen oder nicht. Sind sie mit seiner Person nicht einverstanden, so bleibt ihnen als ultima ratio immer die Verweigerung der Zustimmung zum Mediationsverfahren an sich bzw. der Abbruch des Mediationsversuchs. Insofern handelt es sich aus Sicht der Praxis bei diesem Meinungsstreit wohl eher um ein Scheinproblem. 756 757
Joly-Hurard, Médiation et conciliation, Rép. pr. civ. Dalloz, nº 322. In diese Richtung auch Desdevises, Justices 1995, nº 2, 342 (347, nº 13).
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VI. Teilnahme von Anwälten an Mediationsverfahren – sinnvoll oder hinderlich? Es ist deutlich geworden, dass Kennzeichen gütlicher Streitbeilegung – welche Gestalt sie im konkreten Fall auch annehmen mag – der Wille der Parteien ist. Die Parteien stehen im Zentrum des Geschehens, sie sollen übereinkommen, wie ein Streit beendet werden soll. An diesem Punkt drängt sich allerdings die Frage auf, welche Rolle die jeweiligen Anwälte spielen sollen. Da hier in erster Linie die in das Gerichtsverfahren integrierte gütliche Streitbeilegung untersucht wird, befinden wir uns also in der Situation, in der die Parteien sich bereits dazu entschlossen haben, den Schritt zum Gericht zu gehen. Das bedeutet, dass in einer Vielzahl der Fälle die Rechtsuchenden auch schon einen Anwalt zu Rate gezogen haben und sich entweder bei Gericht durch diesen vertreten lassen oder ihn zumindest als Beistand mitbringen. Kommt es nun aber über die beschriebenen Wege758 zu einer médiation oder einer conciliation, so stellt sich die Frage, ob die Teilnahme der Anwälte auch hierbei sinnvoll und hilfreich sein kann oder ob sie eher hinderlich ist und die Parteien die Einigung allein mit dem médiateur bzw. conciliateur versuchen sollten. Diese Problematik ist sehr umstritten. Zunächst soll hier die Gesetzeslage und der Streitstand in Frankreich behandelt werden (1.), sodann wird ein Blick auf die Situation in Deutschland geworfen (2.). Nach einem kurzen rechtsvergleichenden Fazit (3.) schließt dieser Abschnitt mit einem Resümee (4.). 1. Frankreich a) Gesetzliche Regelung Bei der Untersuchung des französischen Rechts in Bezug auf die Frage der Teilnahme von Anwälten wird zunächst die Regelung der conciliation vor dem tribunal d’instance bzw. der juridiction de proximité 759 (aa) und dann die der médiation (bb) betrachtet.
758
Vgl. oben S. 27 ff. Zur Anwesenheit von Anwälten während einer conciliation vor dem Richter des tribunal de grande instance nach Art. 767 f. NCPC siehe Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. proc. civ., fasc. 160, nº 108 f.; Giverdon, J.-Cl. proc. civ., fasc. 222, nº 36; Solus/Perrot, Droit judiciaire privé, t. 3, 1991, nº 370; Guinchard/Ferrand, Procédure civile, nº 1241; Blanc/Viatte, NCPC, t. 2, Art. 767. 759
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aa) Conciliation vor dem tribunal d’instance bzw. der juridiction de proximité Für die einem Dritten übertragene conciliation vor dem tribunal d’instance bzw. der juridiction de proximité ist die Frage, ob ein Anwalt zugegen sein darf, eindeutig gesetzlich geregelt. Art. 832-1 Abs. 3 NCPC präzisiert ausdrücklich, dass die Parteien beim vom Richter verschiedenen conciliateur mit einer Person erscheinen können, die die Berechtigung hat, ihr vor dem juge beizustehen760. Hierdurch ist somit klargestellt, dass die Teilnahme der Anwälte beim Conciliationsgespräch zulässig ist, was jedoch nichts darüber sagt, ob dies auch sinnvoll ist. Insofern besteht auch hier Klärungsbedarf. bb) Médiation Für die médiation hingegen besteht keine entsprechende, eindeutige Regelung. Der Berichterstatter der Gesetzeskommission des Entwurfs von 1990 zeigte jedoch schon die Möglichkeit auf, sich vor dem médiateur von einer Person seiner Wahl beistehen zu lassen761. Da es sich jedoch um ein gerichtliches Verfahren handelt, besteht kein Grund, Rechtsbeistände auszuschließen762. Jedoch bleibt auch hier die Frage offen, ob die Anwesenheit der Anwälte wünschenswert ist. b) Meinungsstand Die Frage der Bedeutung der Anwälte während eines Conciliations- oder Médiationsversuchs wird sehr kontrovers diskutiert763. aa) Argumente der verneinenden Ansicht Einige Autoren vertreten die Ansicht, dass die Anwesenheit der Anwälte im Rahmen eines Conciliations- oder Médiationsversuchs nicht vorteilhaft sei764. Ebenso wird von vielen médiateurs die Anwesenheit von Rechtsbeiständen – meistens also von Anwälten – in der médiation negativ wahrgenommen765. 760 Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 184; Pluyette, Revue de l’arbitrage 1997, 505 (525). 761 Rapp. Delattre, Doc. AN, 2 avr. 1990, nº 1196, S. 18. 762 Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 184. 763 Siehe hierzu Joly-Hurard, Médiation et conciliation, Rép. pr. civ. Dalloz, nº 244– 252. 764 So jedenfalls zu erfahren bei Joly-Hurard, Médiation et conciliation, Rép. pr. civ. Dalloz, nº 248–252; Desdevises, D. 1981, chr., 241 (242); jedoch ohne Nachweis von Autoren, die dies selbst vertreten. 765 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 130.
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(1) Anwaltliche Orientierung an konfrontativer Konfliktlösung Dies wird zunächst mit der althergebrachten Streitkultur von Richtern und Anwälten und ihren historisch unterhaltenen oder nicht unterhaltenen Beziehungen sowie mit dem Misstrauen der Anwälte gegenüber der médiation, aber auch gegenüber dem médiateur oder der anderen Partei begründet766. Es wird befürchtet, dass es den Anwälten nicht gelinge, ihre gerichtliche Strategie zu verlassen – umso mehr, wenn der Conciliations- oder Médiationsversuch im Laufe des Verfahrens unternommen wird. Denn da haben diese bereits ihre Schriftstücke vorbereitet – die Klageschrift, den Sachvortrag in der mündlichen Verhandlung – und hätten deshalb nicht die für diese Art von Maßnahme notwendige versöhnliche Einstellung. Ein solcher Anwalt voller Misstrauen könne seinem Mandanten abraten, eine conciliation oder médiation zu versuchen und würde jede Art von Zugeständnissen seitens seines Mandanten ablehnen767. Einige médiateurs empfänden die Anwälte innerhalb der médiation als „Störenfriede“, deren Ausstrahlungskraft und Autorität die médiation sowie den médiateur durcheinanderbrächten, als Rechtsmaniker, die den informellen Dialog behinderten. Sie seien Anhänger des systematischen gerichtlichen Kampfes, somit also potentiell Saboteure. Als Verhandlungsprofis seien sie fähig, ihren Mandanten fernzulenken, somit den Dialog zu manipulieren und das gegenseitige Vertrauen verschwinden zu lassen. Auch versuchten sie, an die Stelle ihres Mandanten zu treten und „für ihn“ zu sprechen. Aus ständiger Furcht, ihr Mandant könnte eine unvorsichtige Information preisgeben oder ein Zugeständnis machen, machten sie dessen Wort sowie jede Debatte unfruchtbar. Sie seien es nicht gewohnt, in einem Verfahren die zweite Geige oder gar Statisten zu spielen. Durch die methodische Langsamkeit und Rückschritte, die diesem Verfahren anhaften, würden die Anwälte irritiert, die gestresst und allzu bereit, sich auf eine Lösung zu stürzen, aufträten. Überdies seien sie schlechte Kenner der médiation, was vor allem auf ihre feindlich gesinnte Ignoranz zurückgeführt wird768. Angemerkt sei hier, dass die Anwälte, die der médiation positiv gegenüberstanden, – abgesehen von einigen Vorreitern769 – bis zum Gesetz von 1995
766 Joly-Hurard, Médiation et conciliation, Rép. pr. civ. Dalloz, nº 248; Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 119, 130 f.; Desdevises, D. 1981, chr., 241 (242); Estoup, D. 1987, chr., 269 (269); ders., Gaz. Pal. 1989, doctr., 299 (301), der diese Argumente nennt, jedoch diese Ansicht nicht selbst vertritt. 767 Desdevises, D. 1981, chr., 241 (242); Estoup, D. 1987, chr., 269 (269); ders., Gaz. Pal. 1989, doctr., 299 (301), die diese Argumente nennen, jedoch nicht selbst diese Ansicht vertreten. 768 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 130. 769 Wie den Mitgliedern der APMF (Association pour la Promotion de la Médiation Familiale), Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 131, 528.
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in der Tat selten waren und die médiation von den meisten als „Justizsurrogat“ betrachtet wurde770. (2) Verlust von Flexibilität und Spontaneität Auch bestehe die Gefahr, dass die Anwesenheit des Anwalts dem Conciliations- oder Médiationsversuch Flexibilität und Spontaneität nehme, wenn die Parteien nicht mehr wagten, sich genauso zu öffnen, wie wenn sie allein wären771. (3) Waffenungleichheit Was diese Autoren noch mehr befürchten, ist, dass nur eine einzige Partei von ihrem Anwalt beraten werde und so eine Situation entstehe, die ein Ungleichgewicht zwischen ihnen, eine „Waffenungleichheit“ hervorrufen könne772. (4) Verweis auf Vorschriften zur persönlichen Anwesenheit der Parteien Zur Rechtfertigung ihrer Ansicht berufen sich viele von ihnen auf Vorschriften des Nouveau code de procédure civile, die im Rahmen des Conciliationsversuchs die „persönliche“ Anwesenheit der Parteien fordern. Das ist vor allem vor dem tribunal d’instance und der juridiction de proximité für die tentative préalable de conciliation (Art. 831 Abs. 2 NCPC) und in allen Fällen im arbeitsrechtlichen Bereich (Art. R. 516-4 Abs. 1 C. trav.) oder im Bereich der Landpachtverträge (Art. 883 Abs. 1 NCPC) der Fall, wo die Parteien „persönlich“ erscheinen müssen. In diesen drei Fällen ist – wenn der Beistand eines Anwalts auch nicht verboten ist – die Vertretung durch ihn dagegen entweder ausgeschlossen (Art. 831 Abs. 2 NCPC) oder auf das Vorliegen eines „motif légitime“ (eines rechtmäßigen Grundes) beschränkt (Art. R. 516-4 Abs. 1 C. trav. und Art. 883 Abs. 1 NCPC), was die Rechtsprechung sehr restriktiv auslegt773.
770
Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 131. So bei Joly-Hurard, Médiation et conciliation, Rép. pr. civ. Dalloz, nº 249. 772 So bei Joly-Hurard, Médiation et conciliation, Rép. pr. civ. Dalloz, nº 249. Vgl. auch oben S. 182. 773 Cass. soc., 21 nov. 1947, Bull. civ. 1947, III, nº 168; Cass. soc., 15 janv. 1959, Bull. civ. 1959, IV, nº 78; CA Paris, 23 mai 1977, Gaz. Pal. 1977, jurispr., 415 ff.; RTD civ. 1977, 817 (826), obs. Perrot; Cass. Ass. plén., 31 oct. 1996, Juris-Data nº 004106 und Juris-Data nº 004107, Procédures janv. 1997, 6 f., nº 2, note Perrot; so auch Faucher, Conciliation, S. 325 ff.; Desdevises, D. 1981, chr., 241 (242); Barrère, J.-Cl. proc. civ., fasc. 330, nº 11 ff., insbes. 14. 771
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Andere Bestimmungen, die auch – aber indirekt – zur conciliation der Parteien beitragen können, fördern deren „persönliche“ Anwesenheit. Dies ist beispielsweise der Fall bei Verfahren, für die klargestellt ist, dass die Parteien sich selbst verteidigen (Art. 827 Abs. 1 und Art. 853 Abs. 1 NCPC), oder bei der Durchführung einer Beweisaufnahme (mesure d’instruction), an der die Parteien teilnehmen sollen, ohne ausdrücklich daran gebunden zu sein (Art. 160 NCPC). Schließlich kann der Richter jederzeit die Parteien selbst anhören (Art. 20 NCPC), sei es, indem er sie vernimmt (Art. 767 NCPC), sei es, dass er im engeren Sinne ihr persönliches Erscheinen (comparution personnelle) anordnet (Art. 184 NCPC) – eine Maßnahme im Laufe derer die Parteien persönlich auf die ihnen gestellten Fragen antworten müssen, ohne einen Entwurf lesen zu können (Art. 191 NCPC)774. Bei dieser Argumentation wird jedoch verkannt, dass dies nichts darüber aussagt, ob daneben auch ein Anwalt als Beistand am Verfahren teilnehmen soll. (5) Erwägungen psychologischer und materieller Natur Die Rechtslehre erklärt die Zurückhaltung einiger Anwälte, sich auf den Weg der conciliation einzulassen, auch mit Erwägungen psychologischer oder materieller Natur775. Psychologisch könnten sie sich in der Tat vor der conciliation bzw. médiation fürchten, weil sie sehen, wie sich die gerichtliche Klage in ein Verfahren, das die eigentliche gerichtliche Entscheidung ausschließt, auflöst, und weil es ihnen nicht gelinge, sich an die Idee zu gewöhnen, dass der Richter in der Behandlung von Streitsachen eine andere Aufgabe haben könne als zwangsläufig eine streitige776. Materiell könnten ihre Vorbehalte ihre Ursache in der Befürchtung haben, Honorar zu verlieren, wenn ein Prozess frühzeitig unterbrochen wird. Dabei realisieren sie nicht, dass ihnen im Gegenteil das Begünstigen des Weges der conciliation/médiation gegenüber dem streitigen Weg eine neue Klientel einbringen kann, die gerade auf der Suche nach schnelleren und kostengünstigeren gerichtlichen Lösungen ist777. Die Überlegungen materieller Art sind jedoch heute umso weniger begründet, als nunmehr die Gewährung von Prozesskostenhilfe auf außergerichtliche Verhandlungen vor Klageerhebung erweitert wurde778.
774 Desdevises, D. 1981, chr., 241 (242); Faucher, Conciliation, S. 329 ff.; Barrère, J.-Cl. proc. civ., fasc. 330, nº 15. So bei Joly-Hurard, Médiation et conciliation, Rép. pr. civ. Dalloz, nº 250 f. 775 Estoup, Gaz. Pal. 1989, doctr., 299 (301). 776 Estoup, Gaz. Pal. 1989, doctr., 299 (301). 777 Estoup, Gaz. Pal. 1989, doctr., 299 (301). 778 Art. 10 des Gesetzes nº 98-1163 vom 18. Dezember 1998, der so das Gesetz nº 91-647 vom 10. Juli 1991 bezüglich der Prozesskostenhilfe ändert.
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bb) Argumente der bejahenden Ansicht Die Mehrzahl der Autoren sowie auch der médiateurs halten hingegen die Teilnahme von Anwälten am Mediationsverfahren für sinnvoll und wünschenswert. Sie sehen die Rolle des Anwalts als bestimmend an und betrachten seine Mithilfe als essenziell. Sie bedinge in der Mehrzahl der Fälle den Erfolg der Mediationsmaßnahme. Der Anwalt scheine sich mit den die médiation judiciaire auf dem Gebiet des Zivilrechts betreffenden Regelungen eine Rolle des Ratgebers zur sowie während der médiation anvertraut zu sehen779. (1) Einheit von Partei und Anwalt Für manche Autoren ist es sogar undenkbar, die Parteien im Rahmen eines solchen Verfahrens ohne ihre Anwälte zu sehen, vielmehr müsse man unter „Partei“ den Kläger und seinen Anwalt, quasi als „unzertrennliche Einheit“ verstehen780. Ohne die Zustimmung des Anwalts und vor allem ohne seine persönliche und aktive Mitwirkung könne keine conciliation und keine médiation in Betracht gezogen werden781. Die Juristen müssten von nun an als „notwendige Verbündete“ betrachtet werden782. Der médiateur werde künftig nichts gegen die Rechtsbeistände machen können, ohne Gefahr zu laufen, ihr legitimes Misstrauen hervorzurufen und das Scheitern des Verfahrens zu verursachen. Wenn die médiation mit den Anwälten auch schwierig sei, so sei sie gegen oder ohne sie unmöglich783. (2) Garantie der Verfahrensrechte und Gleichgewicht zwischen den Parteien Durch die permanente Anwesenheit der Anwälte an der Seite der Parteien werde überdies die Achtung der Rechte im Verfahren garantiert und ein Gleichgewicht zwischen den Parteien hergestellt. Sie sei Voraussetzung für den guten Ablauf des Conciliations- oder Médiationsversuchs, sichere den Respekt der 779 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 333; Xavier Tarabeux, zitiert in Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 337; Perrot, Gaz. Pal. 1977, doctr., 91 (97); Clément-Cuzin, in Chevalier/Desdevises/Milburn, Les modes alternatifs, S. 183 ff.; Linant de Bellefonds/Hollande, L’arbitrage et la médiation, S. 29 f. 780 Tudela, Gaz. Pal. 1996, doctr., 696, (697). 781 Pluyette, Gaz. Pal. 1994, doctr., 1098 (1101, 1103); ders., Gaz. Pal. 1998, doctr., 702 (704). Es sei zumindest schwierig, ohne Unterstützung des Anwalts zu einer Einigung zu gelangen: Clément-Cuzin, in Chevalier/Desdevises/Milburn, Les modes alternatifs, S. 183 (184). 782 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 131. 783 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 132.
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Verteidigungsrechte und erlaube den Parteien, ihren auf aufgeklärten Ratschlägen gegründeten Willen frei auszudrücken784. Insbesondere müsse darauf geachtet werden, dass ein Missbrauch einer eventuellen wirtschaftlichen oder persönlichen Dominanz der einen über die andere Partei ausgeschlossen werde. Dazu trage die Möglichkeit bei, die médiation jederzeit zu beenden (Art. 131-10 NCPC). Dahinter steht der Gedanke, dass jede Verzögerung im Ablauf des Prozesses vermieden werden soll und vor allem dass der konsensuale Charakter der médiation, der es jederzeit ermöglicht, das Verfahren ohne Begründung zu beenden und sogleich ein Urteil zu fordern, garantiert wird. Die Anwesenheit von Anwälten an der Seite der Parteien sei daher entscheidend für die Verteidigung ihrer Interessen sowie dafür, sich vor außergerichtlichen Lösungen entgegen dem Recht oder der Billigkeit zu hüten. In dieser Hinsicht spiele der Anwalt eine unersetzliche Rolle für den guten Ablauf der médiation judiciaire, denn er kann seinem Mandanten in jedem Moment raten, sie zu beenden785. Auch ist zum Beispiel die eine Partei gewandter und weiß, was sie sagen und was verschweigen muss, die andere Partei ist ungeschickt oder eingeschüchtert und äußerst sich unreflektiert. Wenn dieser Dialog dann in einen Vergleich münden soll, sei es erforderlich, dass der Anwalt jeder Partei anwesend sei, damit Tragweite und Konsequenzen des Vergleichs besser abgeschätzt werden können786. Aufgrund seiner Neutralität ist es dem médiateur nicht so gut möglich wie den Anwälten, darauf zu achten, dass das Gleichgewicht der Parteien innerhalb der médiation gehalten wird, die médieurs (Medianden) nicht mehr preisgeben, als sie eigentlich wollen787. Jedoch und gerade deshalb obliege es ihm, die Parteien an ihr Recht zu erinnern, sich beraten zu lassen und die Tatsache hervorzuheben, dass er selbst sie werde weder alarmieren noch sie beraten können, und dass er nicht ihre eventuelle Vereinbarung abfassen könne788. Zwar sei die médiation kein Prozess und ihr Ablauf gehorche nicht der Gesamtheit der Verfahrensregeln, die den Zivilprozess leiten, jedoch handele es sich dabei um ein Verfahren, das die Rechte, Interessen und oft auch das Gleichgewicht und die Würde der betreffenden Personen in Frage stelle. Hierbei sei der Anwalt genau der Richtige, um auf die Einhaltung der Rechte und ein ausgeglichenes Verfahren zu achten und im Rahmen der Ausübung der Verteidigungsrechte tätig zu werden. Er könne dies viel besser gewährleisten als der médiateur, der sich aufgrund seiner Neutralität nicht so sehr auf die jeweili784 Pluyette, Gaz. Pal. 1994, doctr., 1098 (1101, 1103); ders., Revue de l’arbitrage 1997, 505 (518 f.); Tudela, Gaz. Pal. 1996, doctr., 696 (697 f.). 785 Pluyette, Revue de l’arbitrage 1997, 505 (518 f.). 786 Perrot, Gaz. Pal. 1977, doctr., 91 (97). 787 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 124. 788 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 129.
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gen Rechte der Parteien konzentrieren kann789. Er verteidige so seinen Mandanten nicht gegen die médiation, sondern in der médiation und trage somit zu einem dauerhaften und zuverlässigen Ergebnis bei790. (3) Beratungsfunktion des Anwalts Die wahrscheinlich wichtigste Aufgabe des Anwalts innerhalb der médiation liegt in seiner Beratungsfunktion. Bereits im Moment der Entscheidung für oder gegen die Durchführung einer conciliation oder einer médiation, könne nämlich der Beistand des Anwalts maßgeblich sein. Er könne seinen Mandanten entweder davon überzeugen oder ihm davon abraten, sich auf diesen Weg einzulassen, indem er ihm die Grundlagen für die Entscheidung gebe. Dabei prüfe er die Vorteile sowie die möglichen Nachteile einer gütlichen Regelung des Rechtsstreits. Insbesondere informiere er ihn über seine Erfolgschancen im Falle eines streitigen Verfahrens. Dadurch könne er dem Mandanten sein Interesse an dem Verfahren darlegen791. Auch kläre er ihn über die gesamten Umstände dieses Verfahrens, das Interesse daran, die Risiken, den Ablauf, den Inhalt der Maßnahme und den Raum, den sie im Gerichtsverfahren einnimmt, auf792. Außerdem komme es ihm zu, seinen Mandanten über die Wahl des vom Richter vorgeschlagenen médiateur zu beraten793. Auch werde er ihm die juristischen Folgen des Standpunkts, den der Mandant einnehmen kann oder möchte, deutlich darlegen, ihn auf alles, was rechtlich anormal oder wirtschaftlich nachteilig ist, aufmerksam machen794. Nicht zuletzt werde der Anwalt mit dem Mandanten die Strategie wählen, die in der médiation Anwendung finden soll795. Ist eine Regelung ausgehandelt und die médiation also zu einem Ergebnis gekommen, so berate der Anwalt seinen Mandanten schließlich darüber, ob dieser die Bedingungen dieser verhandelten Regelung des Rechtsstreits akzep789 Xavier Tarabeux, zitiert in Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 337. 790 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 124, 335; Xavier Tarabeux, zitiert in Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 337. 791 Desdevises, D. 1981, chr., 241 (242); Cohen, Gaz. Pal. 1998, doctr., 1199 (1200); Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 133, 136, 334; Clément-Cuzin, in Chevalier/Desdevises/Milburn, Les modes alternatifs, S. 183 (183 f.). 792 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 124, 334. 793 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 334; Linant de Bellefonds/Hollande, L’arbitrage et la médiation, S. 29. 794 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 138. 795 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 124.
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tieren oder sie ablehnen soll796. In der Regel werde der Anwalt hier nochmals eine rechtliche Überprüfung der anvisierten Lösung vornehmen. Der Rückhalt der Partei durch einen Anwalt erweise sich auch deshalb als hilfreich, weil bereits das Zögern einer Partei – selbst wenn der Vorschlag der médiation angenommen worden ist – oft ein Hindernis für den guten Ablauf der Maßnahme darstelle797. (4) Qualifikation des Anwalts Was den Anwalt im Gegensatz zum médiateur besonders für diese Funktion auszeichne, sei die Tatsache, dass er in seiner Person folgende Eigenschaften und Fähigkeiten vereint: eine sichere Kenntnis der Rechtsvorschriften, praktische Erfahrungen und passende juristische Lösungen des fraglichen Rechtsgebiets, Verhandlungserfahrung, Respekt und Gehör für die Wünsche der anderen Partei, was das kontradiktorische Prinzip beinhaltet, Rücksichtnahme auf die menschliche Dimension einer Akte, die ausgeglichene Würdigung der Vor- und Nachteile der ins Auge zu fassenden Verfahren zur Lösung des Rechtsstreits sowie in der Regel die bessere Kenntnis der Partei, ihrer Persönlichkeit und ihrer Interessen, insbesondere dann, wenn er sie üblicherweise vertritt798. Daher finde der Anwalt oft auch ein besseres Echo bei seinem Mandanten, das diesen nach genauem Darlegen des Prozessrisikos einer médiation zustimmen lässt799. (5) Bessere Chancen auf endgültige Streitbeilegung Nachdem die Parteien während der Maßnahme durch ihren Anwalt über die Beschaffenheit und Bedeutung der möglichen Zugeständnisse beraten worden sind, er die Billigkeit der angenommenen Lösung einschätzen kann, die Entwicklung der Situation im größeren zeitlichen Kontext absieht, beruhe eine conciliation bzw. médiation auf einer soliden Basis. Auf dieser Grundlage verspreche sie viel bessere Chancen auf eine endgültige Beilegung des Streits, als wenn eine Einigung durch Parteien zustande gekommen sei, die sich der Tragweite ihrer Zugeständnisse nicht bewusst waren800.
796
Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 335. Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 334. 798 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 136; Linant de Bellefonds/Hollande, L’arbitrage et la médiation, S. 30. 799 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 139. 800 Desdevises, D. 1981, chr., 241 (242); Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 124; Clément-Cuzin, in Chevalier/Desdevises/Milburn, Les modes alternatifs, S. 183 (185). 797
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(6) Ausarbeitung des Einigungsprotokolls Kommt es zu einer Einigung, so habe der Anwalt auch hier eine privilegierte Rolle, indem ihm die Abfassung des Protokolls zukomme. Auch bestimme er mit den anderen Parteien, ob es ratsam sei, den Richter um seine homologation (gerichtliche Anerkennung) zu ersuchen. Dadurch werde sowohl der Urkunde als auch den Verfahrensteilnehmern Sicherheit gewährleistet. Es werde vermieden, dass das Einigungsprotokoll wiederum Herd von Vollstreckungsproblemen und neuen Prozessen sei. Da der Anwalt von seiner Verpflichtung zur Herbeiführung eines Erfolges geleitet werde, müsse er alle Wirksamkeitsvoraussetzungen und die Folgen des Schriftstücks vorausgesehen und vollkommen beherrscht haben801. Gegebenenfalls betreibe er die Vollstreckung für seine Partei802. Er bringe seinem Mandanten schließlich umso mehr Sicherheit, als er durch eine Berufshaftpflichtversicherung gedeckt ist803. (7) Rolle des „Bösen“ für den Anwalt Außerdem werde dem Anwalt im Mediationsverfahren die „schlechte Rolle“ der scheinbaren Mediationsbremse überlassen. Dies habe den doppelten Effekt, dass der Anwalt zum einen sehe, dass der médiateur das Recht, die rechtlichen Risiken des Falls, seine langfristigen Konsequenzen etc. ernst nimmt, und sich somit besser den positiven Phasen der médiation öffnen kann. Zum anderen übernähmen so die Anwälte die polemischen Aspekte und befreiten dadurch ihre Mandanten teilweise davon, diese notwendige, aber unerfreuliche Rolle zu spielen804. (8) Vorteile über das Médiationsverfahren hinaus Nicht zuletzt erweise sich die Anwesenheit des Anwalts im Mediationsverfahren auch im Falle seines Scheiterns als vorteilhaft. Dann nämlich kommt dem Anwalt die Initiative zu, ein Gerichtsverfahren einzuleiten bzw., wenn sich die tentative de médiation im Rahmen eines bereits eingeleiteten Gerichtsverfahrens entwickelt hat, nimmt dieses seinen Lauf und der Anwalt wird den Fall vor Gericht verhandeln. Dann aber werde er von den aus dem Mediationsverfahren gewonnenen Erfahrungen profitieren. Er werde die Positionen der ande801 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 124, 132, 140, 335, 234 ff.; Clément-Cuzin, in Chevalier/Desdevises/Milburn, Les modes alternatifs, S. 183 (185); Linant de Bellefonds/Hollande, L’arbitrage et la médiation, S. 29. 802 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 335. 803 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 140. 804 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 124.
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ren Partei, seiner Kollegen und seines eigenen Mandanten besser verstehen und somit mit mehr Klarsicht in das weitere Verfahren gehen. Oft werde durch solche direkten Auseinandersetzungen auch der Boden für künftige Vergleiche bereitet, für die der Anwalt dann eine bessere Resonanz bei seinem Mandanten finde805. 2. Deutschland a) Gesetzliche Regelung Mangels gesetzlicher Regelung der Mediation, fehlt natürlich auch eine normative Festlegung zur Frage der Anwesenheit von Anwälten während eines Mediationsverfahrens. b) Meinungsstand In der deutschen Literatur wird hierzu – soweit ersichtlich – vorwiegend die Auffassung vertreten, dass der Mediator auf die Einschaltung von Anwälten – in welcher Form auch immer – dringen sollte806. aa) Beratungs- und Aufklärungsfunktion Es sei Aufgabe der Rechtsanwälte, die Parteien in der Mediation zu beraten, nicht sie zu vertreten. Die Parteien nähmen selbst aktiv am Mediationsprozess teil und würden ihre Interessen selbst vertreten807. Den Anwälten komme es zu, Rechtsinformation und Rechtsberatung zu leisten. Dies sei insbesondere dann erforderlich, wenn für den Bereich der zu lösenden Konflikte weitgehende gesetzliche Regelungen existierten. Ebenso sei dies hilfreich, wenn die Parteien beabsichtigten, ihrer Konflikte rechtsverbindlich zu regeln und eine schriftliche Vereinbarung abzuschließen – wie das in der Regel der Fall sein wird. Überdies könne „die Kenntnis der den gesetzlichen Regelungen zugrunde liegenden Vorstellungen und Wertungen eines fairen Interessenausgleichs [. . .] wertvolle Hinweise für die Willensbildung der Konfliktparteien bieten“808. Die Anwälte hätten mithin die Aufgabe, die Parteien über ihre Rechte und Ansprüche, einschließlich der Interpretationsspielräume, sowie über die „zur Wahrung dieser 805
Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 139. Heussen, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 13 Rn. 17; Bernhardt/ Winograd, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 23 Rn. 91 ff., 149; Kracht, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 15 Rn. 110. 807 Bernhardt/Winograd, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 23 Rn. 91, 103. 808 Bernhardt/Winograd, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 23 Rn. 92. 806
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Ansprüche erforderliche Vorgehensweise“ aufzuklären. Überdies könnten sie über rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten und -grenzen informieren sowie untersuchen, ob das Mediationsverfahren das für die Interessen des Mandanten passende Verfahren ist. Außerdem sei es erstrebenswert, dass der Anwalt die Partei mit Argumenten für die Mediationsverhandlung ausstatte809. Eine Rechtsberatung außerhalb der Mediation sei für die Parteien somit zu ihrem eigenen Schutz notwendig810. Die rechtliche Beratung und Aufklärung durch einen Anwalt sei auch deshalb wichtig, weil sonst der Mediator nach seiner Rechtsansicht gefragt würde, was den Erfolg der Mediation gefährden könnte811. Denn der Mediator ist den Prinzipien der Neutralität und der Zurückhaltung verpflichtet812. Nicht zuletzt ist die anwaltliche Rechtsberatung und juristische Aufklärung – auch im Rahmen einer Mediation – Teil des Willensbildungsprozesses, in dem auch die individuellen, für eine faire Vereinbarung maßgeblichen Gerechtigkeitsvorstellungen entwickelt werden. Außerdem führt sie zur Transparenz in der Mediation, die wiederum der Konfliktreduktion und der Vertrauensbildung sowie der Qualität und Haltbarkeit von Vereinbarungen förderlich ist813. bb) Überprüfung vor Vertragsabschluss Des Weiteren wird als unerlässlich angesehen, dass der Vertragsentwurf vor der Unterzeichnung und gegebenenfalls der Beurkundung erst durch die parteilich beratenden Anwälte, also Außenanwälte, überprüft wird und eventuell er809
Bernhardt/Winograd, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 23 Rn. 104. Bernhardt/Winograd, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 23 Rn. 94. 811 Heussen, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 13 Rn. 17. 812 Hager, Konflikt und Konsens, S. 83 f. Dies ist verknüpft mit der Frage, inwieweit der Mediator die Rechtmäßigkeit der Vereinbarung überprüfen kann. Nach der in Deutschland überwiegend vertretenen Lehre von der aktiven Mediation – im Gegensatz zur passiven Mediation (zur Unterscheidung der beiden Lehren siehe Kracht, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 15 Rn. 103 ff.) – ist es Aufgabe des Mediators, „für den rechtlichen Bestand des Ergebnisses Verantwortung zu übernehmen“ (Kracht, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 15 Rn. 110; vgl. auch v. Schlieffen, ZKM 2000, 52 (54)). Der Mediator habe von den Parteien den Auftrag erhalten, sie zu einem rechtswirksamen Vergleich zu führen. Auch wenn er – zumindest bis zur Sittenwidrigkeitsgrenze – rechtliche Irrtümer nicht korrigieren dürfe, so müsse am Ende einer erfolgreichen Mediationsverhandlung ein rechtswirksamer Text zur Unterschrift stehen (Heussen, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 13 Rn. 17, 54 f.). Seiner Aufgabe wird der Mediator dabei gerecht, indem er die Parteien auf kritische Punkte hinweist und ihnen die Bedeutung einer rechtlichen Überprüfung des Ergebnisses vermittelt. Dadurch wird auch das Prinzip der Selbstverantwortlichkeit der Parteien gewahrt (Kracht, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 15 Rn. 110). 813 Bernhardt/Winograd, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 23 Rn. 101 f., 106. 810
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forderliche Korrekturen vorgenommen werden. Damit werde eine solide Grundlage des Vertrags gewährleistet814. cc) Kontrollfunktion gegenüber Mediator und Mediation Auch habe die Konsultation des parteilich beratenden Außenanwalts eine Kontrollfunktion gegenüber der Mediation und dem Mediator. Insbesondere bei Zweifeln an der Neutralität des Mediators sei der Anwalt der richtige Ansprechpartner815. dd) Verschiedene Formen der Beteiligung der Anwälte Für die Frage, in welcher Form rechtliche Beratung und Information in das Mediationsverfahren eingeführt werden sollen, werden verschiedenen Lösungen angeboten. Insbesondere sei dies auch abhängig vom Grundberuf des Mediators. Dies könne zum einen in Form einer interdisziplinären Co-Mediation, der Hinzuziehung eines juristischen Sachverständigen innerhalb oder außerhalb der Mediation oder eben der Konsultation von beratenden Außenanwälten geschehen816. Ob und wann es erforderlich sei, beide Außenanwälte zu einer oder mehreren Mediationssitzungen hinzuzuziehen, hänge von der jeweiligen Fallgestaltung ab. Insbesondere bei komplexen rechtlichen sowie steuerrechtlichen Fragestellungen liege dies nahe. Blieben überdies beispielsweise die Rechtslage sowie die Grundlagen der unterschiedlichen rechtlichen Beurteilungen der Außenanwälte in großem Maße unklar, so erscheine eine gemeinsame Diskussion dieser Fragen mit den Medianden und ihren Anwälten in der Mediation als vorzugswürdig. Dasselbe gelte für divergierende Vorschläge betreffend die Gestaltungsmöglichkeiten817. Zu beachten sei, dass zu einer Rechtsberatung innerhalb der Mediation nur Mediatoren berechtigt seien, die im Grundberuf Rechtsanwalt oder Notar sind. Psychosoziale oder juristische, nicht zur Rechtsberatung befugte Mediatoren (wie z. B. Richter) müssten die Parteien durch Rechtsanwälte und Notare aufklären lassen. Dies könne außerhalb der Mediation oder innerhalb in einer eigens dafür reservierten Sitzung geschehen818. 814 Bernhardt/Winograd, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 23 Rn. 103, 115; Kracht, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 15 Rn. 83, 110; vgl. auch die Richtlinien der BAFM für Mediation in Familienkonflikten, , Ziff. V 1. 815 Bernhardt/Winograd, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 23 Rn. 104. 816 Bernhardt/Winograd, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 23 Rn. 93. 817 Bernhardt/Winograd, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 23 Rn. 107.
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Hiermit steht auch beispielsweise die Praxis im Modellprojekt „Gerichtsnahe Mediation in Niedersachsen“ im Einklang. Da hier Richtermediatoren das Mediationsverfahren durchführen, diese aber nach dem Rechtsberatungsgesetz nicht zur Rechtsberatung berechtigt sind, besteht aufgrund der Vorgaben der Projektleitung grundsätzlich „Anwaltszwang“. Die Parteien werden zu Beginn des Mediationsverfahrens darüber informiert, dass der Richtermediator keinen Rechtsrat erteilen und auch einen etwaigen Ausgang des anhängigen Verfahrens nicht einschätzen werde, sondern die rechtliche Einschätzung der verschiedenen Positionen von den anwaltlichen Vertretern der Parteien zu leisten sei819. Sinnvoll sei überdies, den Gang zum Außenanwalt in der Mediationssitzung vorzubereiten, zum Beispiel konkrete Fragestellungen zu formulieren, damit die Anwälte beider Parteien bei ihrer Rechtsberatung von den gleichen Grundlagen und Tatsachen ausgehen820. 3. Rechtsvergleichendes Fazit Wie wir gesehen haben, unterscheidet sich der Meinungsstand in Frankreich zu diesem Problem – bis auf die Konsequenzen aus den Regelungen des deutschen Rechtsberatungsgesetzes821 – nicht wesentlich von dem in Deutschland. In beiden Ländern wird eine deutliche Tendenz zur Befürwortung der Anwesenheit der Rechtsanwälte im Mediationsverfahren sichtbar. 4. Resümee Macht man sich nähere Gedanken zu der Überlegung, Anwälte bei einem Mediationsverfahren hinzuzuziehen, so stößt man gewiss auf ein neues Paradoxon: Um dahin zu gelangen, sich (zu zweit) einander zuzuhören, bedarf es schon eines Dritten – des Mediators. Nun scheinen zwei weitere „Dritte“ – die Anwälte – ein Verfahren zu verkomplizieren, dessen wesentliches Merkmal allem voran der direkte Dialog der betroffenen Personen ist822. Jedoch haben wir gesehen, dass es durchaus von Vorteil ist, wenn die Anwälte zugegen sind. Insbesondere um das Machtgleichgewicht zu erhalten und den Parteien in allen Fragen beratend zur Seite zu stehen, ist es grundsätzlich
818 Bernhardt/Winograd, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 23 Rn. 97. Zur Frage, wer als Mediator in Betracht kommt, siehe oben S. 104 ff. 819 Gerichtsnahe Mediation in Niedersachsen, Erfahrungen, , S. 7 f. Vgl. auch oben S. 104 ff. 820 Bernhardt/Winograd, in Haft/v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 23 Rn. 105. 821 Siehe S. 130 ff. 822 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 129.
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vorzuziehen, die Anwälte an den Mediationssitzungen teilnehmen zu lassen. So wird gewährleistet, dass die Rechte der Parteien im Verfahren eingehalten werden und dass sich die Parteien über die Konsequenzen ihres Handelns bewusst sind. Zu berücksichtigen ist auch die Tatsache, dass der Mediator bei der Kollision der Prinzipien der Mediation – im vorliegenden Fall des Prinzips der Neutralität und der Zurückhaltung bzw. der Verschwiegenheit mit dem Prinzip der Wohlinformiertheit und der Fairness sowie der Selbstbestimmung der Parteien – in einen Konflikt geraten kann. Hier stellt sich nämlich die Frage, inwieweit der Mediator verpflichtet ist, für ein faires Verfahren, ein faires Ergebnis und ein Gleichgewicht zwischen den Parteien zu sorgen hat823. Da ist es von Vorteil, wenn die Parteien jeweils anwaltlich beraten sind. Im Idealfall sollten die Anwälte also dem Mediationsverfahren beiwohnen. Andererseits ist nicht zu vergessen, dass diese Problematik auch eine Kostenfrage darstellt. Die Parteien müssten neben dem Mediator auch ihre Anwälte bezahlen. Daher ist zu überlegen, inwieweit eine differenzierte Betrachtungsweise angebracht ist. Absolut zu vermeiden ist, dass nur eine Partei anwaltlich vertreten ist und die andere nicht, da dann ein Ungleichgewicht entstehen kann, das auch der Mediator aufgrund seiner Neutralität nur schwer ausgleichen kann. Zur Differenzierung sind verschiedene Möglichkeiten denkbar: Wollen die Parteien die Anwälte nicht während des ganzen Mediationsverfahrens dabei haben (und finanzieren), so ist zum einen ein Mittelweg dergestalt denkbar, dass die Parteien zunächst allein mit dem Mediator ihr Problem erörtern und die Mediation durchführen; erst gegen Ende der Sitzung bei Eintritt in die Vergleichsverhandlungen werden dann die Anwälte hinzugezogen. Eine andere, sehr ähnliche Spielart sieht folgendermaßen aus: Das Mediationsverfahren findet komplett ohne die Anwesenheit von Anwälten statt. Jedoch geht jede Partei am Ende des Verfahrens, nachdem gemeinsam mit dem Mediator ein Einigungsprotokoll entworfen worden ist, jeweils zu ihrem Anwalt und lässt von diesem den Einigungsentwurf rechtlich überprüfen und sich beraten, was unter Umständen in einem Gerichtsverfahren herausgekommen wäre. Diese beiden Varianten haben den Vorteil, dass die Parteien zwar nicht die Anwesenheit der Anwälte während der gesamten Mediationssitzung bezahlen müssen und unter Umständen ohne deren Mitwirkung auch freier reden können. Dennoch findet eine rechtliche Kontrolle der gemeinsam mit dem Mediator erarbeiteten Lösung statt, bevor sich die Parteien durch eine Einigung binden. Dadurch wird gewährleistet, dass keine der Parteien übervorteilt wird und sie blauäugig ein Einigungsprotokoll unterzeichnet, ohne sich dessen bewusst zu sein, was ihr eigentlich zusteht. 823
Vgl. Hager, Konflikt und Konsens, S. 83 f. Siehe auch oben S. 174 ff.
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Eine andere Möglichkeit ist, eine Unterscheidung nach dem Mediationsgegenstand vorzunehmen. Als Leitlinie könnte man es hier beispielsweise bei einer Wirtschaftsmediation, insbesondere großer Unternehmen, als sinnvoll erachten, wenn die Anwälte während des ganzen Mediationsverfahrens dabei sind, während man bei einer Familienmediation wie oben beschrieben vorgehen könnte und zunächst ohne die Anwälte beginnen und sie erst vor Unterzeichnung des Einigungsprotokolls hinzuziehen könnte. Es ist also angebracht, die Differenzierungskriterien miteinander zu kombinieren. Grundsätzlich gilt, dass der Mediator je nach Einzelfall abschätzen sollte, ob im konkreten Fall eventuell – sei es aus Kostengründen, sei es aus psychologischen Gründen – ein Verfahren ausnahmsweise ohne das Beisein von Anwälten vorzuziehen ist. Das Verhältnis zwischen Partei und Anwalt jedenfalls ist in der médiation ein ganz anderes als im Rahmen eines Prozesses. Der „Mandant“ delegiert nichts mehr an seinen Anwalt; zwar bleibt er der „Auftraggeber“, jedoch führt er alles selbst aus; er handelt direkt und persönlich824. Hervorzuheben ist jedoch vor allem, dass es in jedem Fall – sei es in Anwesenheit der Anwälte oder ohne diese – nur die Parteien selbst sind, die im Mediationsverfahren agieren. Alle anderen Beteiligten, der médiateur, die Anwälte oder der Richter, sind nur dabei, um ihnen zu helfen825.
VII. Zeitpunkt der Mediation Es stellt sich die Frage, zu welchem Zeitpunkt die médiation/conciliation am besten vorgeschlagen und gegebenenfalls durchgeführt werden sollte. Gibt es einen oder mehrere besonders geeignete Momente hierfür? Diese Frage ist Gegenstand von Meinungsstreitigkeiten in der französischen Rechtslehre826. 1. Gesetzliche Regelung Das Gesetz regelt in Art. 127 NCPC, dass die conciliation während des gesamten Verfahrens („tout au long de l’instance“) durchgeführt werden kann, in Art. 128 NCPC, dass sie in dem Moment versucht wird, den der Richter für günstig hält („au moment que le juge estime favorable[s]“). Für die médiation bestimmt Art. 21 Abs. 1 nº 2 des Gesetzes nº 95-125 vom 8. Februar 1995, dass 824 825 826
451.
Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 124. Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 117. Zum Ganzen siehe Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 445–
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diese in jeder Phase des Verfahrens („en tout état de la procédure“), einschließlich des référé-Verfahrens, versucht werden kann. 2. Mögliche Zeitpunkte Was die Wahl des Zeitpunkts der conciliation oder der médiation betrifft, verfügen die Parteien und der Richter somit theoretisch über einen großen Spielraum; der zeitliche Rahmen für Conciliations- und Médiationsverhandlungen ist quasi ohne Grenze. Sie kann von der Klageerhebung bis zur Urteilsverkündung –, das heißt während des gerichtlichen Vorverfahrens (instruction de l’affaire), nach Abschluss der Ermittlungen, während der Hauptverhandlung, sogar nach Verhandlungsabschluss bis zur Urteilsverkündung –, in erster Instanz wie in der Berufung versucht werden827. In der Praxis haben sich allerdings einige Zeitpunkte als geeigneter als andere erwiesen, da sie mehr Erfolgschancen für die Verhandlungen bieten. a) Vor dem Prozess Auf den ersten Blick wäre man vielleicht geneigt, die conciliation/médiation für umso vorteilhafter für die Parteien und damit erfolgversprechender zu halten, je früher sie in den gerichtlichen Prozess eingreift, und zwar in wirtschaftlicher Hinsicht (Schnelligkeit und Kosten) einerseits, in Bezug auf die Chancen der Wiederherstellung der Beziehungen zwischen den Parteien andererseits828. Manche Autoren gehen sogar so weit, als einzig annehmbare conciliation/médiation diejenige anzusehen, die endgültig ermöglicht, ein Gerichtsverfahren zu vermeiden, das heißt also eine conciliation/médiation, die vor jeglichem Prozess einschreitet829. Ihrer Meinung nach schwinde das Interesse, das Verfahren 827 Estoup, D. 1987, chr., 269 (270); Joly-Hurard, Médiation et conciliation, Rép. pr. civ. Dalloz, nº 285 ff., 312 f., insbes. 313; dies., Conciliation et médiation judiciaires, nº 445. 828 In diesem Sinne Serverin, Revue nationale des Barreaux, 2002, 9 (17), für die der Vorteil der Maßnahme immer gesichert zu sein scheint, wenn die erreichte Einigung ermögliche, die Dauer des Prozesses sowie die Kosten des Verfahrens zu vermeiden. Auch Couvrat/Giudicelli-Delage sehen in J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 22, 27 den idealen Platz für einen Conciliationsversuch vor jeglicher Anrufung der Justiz, wobei er dann nicht „prozessual“ ist. Jedoch lassen sie die Frage, wo die conciliation am besten platziert ist, damit sie wirksam ist, letztlich offen, Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 28. 829 Tudela, Gaz. Pal. 1996, doctr., 696 (697); Desdevises, D. 1981 chr., 241 (244), der diese Einschätzung aber auf S. 246 relativiert und feststellt, dass obligatorische Conciliationsversuche einen ziemlich künstlichen Charakter haben können, wenn sie zu Beginn des Prozesses vorgenommen werden, zu einem Zeitpunkt, wo die Parteien sich gerade dazu entschlossen haben, einen Prozess zu führen und aufs Äußerste gereizt sind. Später sei der Richter ohne Zweifel besser platziert, um zum Beispiel an-
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durch conciliation/médiation zu beenden, mit seinem zunehmenden Fortschreiten830. Den Vorschlägen, Médiations- bzw. Conciliationsverhandlungen schon in diesem frühen Stadium durchzuführen, wird jedoch entgegengehalten, dass eine zu früh vorgeschlagene conciliation oft zum Scheitern verurteilt sei, da die Elemente des Rechtsstreits zu diesem Zeitpunkt noch nicht genügend geklärt seien. Hierzu wird die sehr schwache Erfolgsquote der conciliations, die auf dem Gebiet des Arbeitsrechts, vor dem tribunal paritaire de baux ruraux oder vor dem tribunal d’instance organisiert werden, angeführt831. b) Im Rahmen des Vorverfahrens832 Aus den genannten Gründen sind zahlreiche Praktiker der Ansicht, dass die médiation sich in die Dynamik des Prozesses, insbesondere vor den erkennenden Richtern (juges du fond), einfügen müsse. Demnach sollte die Maßnahme der médiation judiciaire vom magistrat de la mise en état vorgeschlagen werden; denn zu diesem Zeitpunkt beginne die jeweilige Position der Parteien bekannt zu werden833. Der besondere Vorteil dieser Periode des Prozesses liegt darin, dass dort ein Conciliations- oder Médiationsversuch eingeschoben werden kann, ohne den Lauf des Verfahrens zu verzögern. Denn in der Praxis vergehen zwischen der lässlich einer mesure d’instruction zu spüren, dass die Parteien der Kampfeslust des Gegners müde oder sich bewusst werden, und sie in Richtung einer vertraglichen Lösung ihrer Streitigkeit zu lenken. 830 Desdevises, D. 1981, chr., 241 (244). So auch Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 27. Da Voraussetzung für eine gütliche Konfliktregelung nicht zuletzt die Einschätzung der Prozessrisiken und der Erfolgschancen ihrer Forderungen durch die Parteien sei, geht mit der Forderung, eine conciliation so schnell wie möglich nach Eintritt des Rechtsstreits zu versuchen, die Überlegung einher, man müsse die Praxis umkehren, nach der – insbesondere in Verfahren ohne obligatorische Vertretung – häufig das Anrufen des Richters vor der technischen Ergründung der Rechtssache stehe, die Parteien also dazu neigten, den Richter in erster Linie anzurufen, um ihre Rechte zu erfahren und nicht unbedingt um sie sich anerkennen zu lassen (Tudela, Gaz. Pal. 1996, doctr., 696 (697)). 831 Pluyette, Gaz. Pal. 1998, doctr., 702 (705). 832 Nach der Klageerhebung (introduction de l’instance) wird in aller Regel die instruction de l’affaire (ein gerichtliches Vorverfahren) durchgeführt, in dessen Rahmen der Fall komplett aufbereitet und vorbereitet wird – um ihn in den Zustand der Entscheidungsreife zu bringen (mise en état) –, bevor er in den débats (der Hauptverhandlung) entschieden wird. Dieses Vorverfahren wird vor dem tribunal de grande instance vom juge de la mise en état, vor dem tribunal de commerce vom juge rapporteur und vor dem conseil de prud’hommmes vom conseilleur rapporteur geleitet. Siehe hierzu auch oben S. 22 ff. 833 Pluyette, Revue de l’Arbitrage 1997, 505 (508 f.); Pluyette, Gaz. Pal. 1998, doctr., 702 (705); Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 319.
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Einreichung der Klage- bzw. Berufungsschrift und dem Termin der Hauptverhandlung zahlreiche Monate, wenn nicht gar Jahre, was dem Richter viel Zeit lässt zu versuchen, die Parteien einander anzunähern. Dabei ist darauf zu achten, dass der Beginn der Schlichtungsverhandlungen auf ein von dem gerichtlichen Verhandlungstermin weit genug entferntes Datum festgelegt wird, damit eine eventuelle Verlängerung der Verhandlungen, die gemäß Art. 131-3 NCPC sechs Monate nicht überschreiten können, nicht eine Verschiebung des Termins auf ein späteres Datum erforderlich macht834. An dieser Stelle müssen die Projekte, die gemeinsam an der cour d’appel von Paris und an der von Grenoble zunächst innerhalb der chambres sociales (Arbeits- und Sozialkammern), dann auch in einigen chambres commerciales et civiles (Kammern für Handelssachen und Zivilkammern), schließlich auch an anderen Gerichten des Zuständigkeitsbereichs dieser cours d’appel im Einvernehmen mit den barreaux und den chambres des avoués durchgeführt wurden, Erwähnung finden835. Im Rahmen dieses Projekts wird seit etwa 1998 systematisch allen Parteien und ihren Anwälte etwa sechs bis acht Monate vor dem Termin der Hauptverhandlung brieflich der Vorschlag einer médiation judiciaire unterbreitet836. Dieser Zeitpunkt ist sehr sorgfältig gewählt worden; er hängt zusammen mit der maximalen Frist von sechs Monaten, innerhalb derer eine médiation versucht werden kann. Des Weiteren resultiert diese Wahl aus der Feststellung, dass genau in dieser Phase die Parteien einen gewissen Rückzug auf ihre Akte haben, dass ihre Sache und ihre Ansprüche so weit gereift sind, dass sie psychologisch bereiter sind zu diskutieren und sich gegebenenfalls zu vergleichen. Diese Schreiben werden gleichzeitig mit den Aufforderungen, Anträge zu stellen und zu begründen sowie Unterlagen zu hinterlegen, verschickt, die an die Anwälte oder die Parteien adressiert werden, um die Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung der Rechtssache zu organisieren837. Sie enthalten ne834 Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 447; Pluyette, Gaz. Pal. 1998, doctr., 702 (705); Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 319. 835 Gérard Pluyette, in Médiations judiciaires, nº 649 ff.; Pluyette, Gaz. Pal. 1998, doctr., 702 (705); Blohorn-Brenneur, Gaz. Pal. 1998, doctr., 166 ff.; dies., Gaz. Pal. 1998, doctr., 821 ff.; dies., Gaz. Pal. 1999, doctr., 150 f.; dies., D. 2001, chr., 251 (252 ff.); Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 320; Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 448. 836 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 320; Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 448. 837 Diese Aufforderungen sind in Anwendung der „Einigungsprotokolle“ bewilligt, die durch eine gemeinsame Einigung zwischen Barreau und Gerichten errichtet wurden. Sie sind dazu bestimmt zu gewährleisten, dass die Rechtssachen am Tag der mündlichen Verhandlung entscheidungsreif sind. Dazu ordnen die Kammervorsitzenden etwa sieben Monate vor dem Tag der mündlichen Verhandlung an, dass die Anwälte in den ihnen eingeräumten Fristen die Anträge stellen und begründen, wenn sie
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ben dem Vorschlag, einen Dritten zwecks médiation judiciaire zu benennen, erläuternde Hinweise, die auf die anwendbaren Gesetzestexte Bezug nehmen und den Parteien die leitenden Prinzipien (principes directeurs) dieses gütlichen Verfahrens in Erinnerung rufen838. Trotz des Enthusiasmus für dieses Projekt und seiner Ausweitung auf zahlreiche Gerichte hat die Praxis gezeigt, dass diese Schreiben häufig ohne Antwort geblieben sind. Aus diesem Grund sind einige Gerichte dazu übergegangen, die Anwendung der médiation judiciaire nicht mehr schriftlich und systematisch vorzuschlagen, sondern mündlich und gezielt. So hat die chambre sociale (Arbeits- und Sozialkammer) der cour d’appel von Grenoble die Initiative ergriffen, Verhandlungen mit dem alleinigen Zweck, den Parteien eine médiation vorzuschlagen, abzuhalten. Dort werden die Parteien der als „conciliierbar“ beurteilten Rechtssachen zu einem besonderen Termin839 geladen, mit anderen Worten diejenigen, denen nach vorbestimmten Kriterien von den Richtern sehr große Chancen auf eine Annäherung der Parteien eingeräumt werden oder für die der gütliche Weg als besonders vorzugswürdig angesehen wird840. Nach den ersten Statistiken zu diesem Versuch scheinen die Ergebnisse ermutigend zu sein841. Neben den rein zeitlichen Erwägungen beruht die besondere Eignung der Phase der Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung (période de la mise en état) zum Vorschlag eines Einigungsversuchs auf der Tatsache, dass sich dem Richter während dieser Phase mangels Öffentlichkeit mannigfaltige Gelegenheiten für ein vertrauliches Gespräch mit den Parteien bieten. So bietet der Termin des Aufrufs der Sache (audience d’appel des causes) eine erste Gelegenheit für den juge de la mise en état 842, den Parteien oder ihren Anwälten eine conciliation oder eine médiation vorzuschlagen, da es sich um einen Moment handelt, der zur Bilanz, zur Reflexion und zur Absprache neigt. es noch nicht getan haben, oder dass sie ihre Urkunden vorlegen. Gérard Pluyette, in Médiations judiciaires, nº 663; Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 448. 838 Joly-Hurard, Médiation et conciliation, Rép. pr. Civ. Dalloz, nº 313; Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 448. 839 Hierzu siehe bereits oben S. 189 f. 840 Dies ist insbesondere der Fall für Parteien, die ihre Beziehungen in der folgenden Zeit aus Gründen geographischer, beruflicher oder familiärer Nähe weiterführen. 841 Blohorn-Brenneur, D. 2001, chr., 251 (252), wonach vor der chambre sociale von Grenoble mehr als 60 % der médiations zur Unterzeichung eines Einigungsprotokolls führten. Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 448. 842 Mit der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung beauftragter Richter. Vgl. oben S. 22 ff. Ganz genau genommen ist es der Kammervorsitzende (président de la chambre), der die Sache aufruft und sie dann gegebenenfalls erst an den juge de la mise en état verweist, Art. 759, 762 NCPC.
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Auch sind die Anhörung der Parteien (audition des parties), die während der gesamten Verfahrensdauer möglich ist843, sowie ihr persönliches Erscheinen (comparution personnelle)844 besonders geeignete Beweisaufnahmesituationen (mesures d’instruction), um mit den Parteien eine gütliche Regelung ihres Streits zu versuchen. Der Vorteil dieser Maßnahmen liegt darin, dass sie die persönliche Anwesenheit der Parteien vor dem Richter erfordern845 und damit einer Diskussion nicht nur zwischen dem Richter und den Parteien, sondern auch häufig zwischen den Parteien untereinander den Boden bereiten, was Grundvoraussetzung für eine gütliche Einigung ist846. Jedoch können auch andere Beweismittel (mesures d’instructions), die nicht direkt darauf gerichtet sind, die Parteien persönlich erscheinen zu lassen – so wie die Zeugenvernehmung (enquête), die persönlichen Feststellungen des Richters (vérifications personnelles du juge) oder alle anderen einem technicien übertragenen Maßnahmen (mesures confiées à un technicien) –, die conciliation bzw. médiation der Parteien begünstigen und geeignete Momente schaffen, eine solche vorzuschlagen. So stehen die Parteien im Laufe oder nach der Durchführung dieser Maßnahme einer eventuellen Einigung häufig aufgeschlossener gegenüber, zumal sie nun über Gründe und Umstände ihres Rechtsstreits sowie über ihre Rechte besser informiert und aufgeklärt sind. Hierbei sind die Chancen auf eine Einigung umso größer, wenn die Parteien persönlich an der Durchführung der Beweisaufnahme teilgenommen haben, sei es weil sie ausdrücklich zur Mitwirkung angehalten worden sind847, sei es aus eigener Initiative848.
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Art. 20, 181 und 767 NCPC. Art. 184 ff. NCPC. 845 Faucher, Conciliation, S. 332 ff.; Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. proc. civ., fasc. 160, nº 89. 846 Hier sei auf Art. 80 ancien C. proc. civ. verwiesen, der die conciliation ausdrücklich als eine der Zweckbestimmtheiten der Anhörung und des persönlichen Erscheinens der Parteien darstellte. Die Befugnis des mit der Durchführung des Verfahrens betrauten Richters, bis zum Verhandlungsbeginn die Parteien zu hören und sie zu conciliieren zu versuchen, wurde dann durch das Dekret vom 13. Oktober 1965 dem juge des mises en état und dem juge rapporteur übertragen, wobei die Anhörung der Parteien ganz oder teilweise in Anwesenheit ihrer Anwälte stattzufinden hatte (Art. 813 C. proc. civ.). Diese Anfügung wurde von einigen Autoren als „eine kleine Innovation, um die conciliation zu erleichtern“ betrachtet. Der Nouveau code de procédure civile hat diese Vorschrift nicht aufgenommen und sieht nur vor, dass die Anwälte anwesend sind oder geladen werden (Art. 192 NCPC). Hierzu siehe: Couvrat et Giudicelli-Delage, Couvrat/Giudicelli-Delage, J.-Cl. pr. civ., fasc. 160, nº 51 ff.; Viatte, Gaz. Pal. 1973, doctr., 153 (155); Faucher, Conciliation, S. 335; Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 449, Fn. 1598. 847 Art. 160 NCPC. 848 Faucher, Conciliation, S. 330. Siehe dazu Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 449. 844
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c) Termin im beschleunigten Verfahren zum Erlass einer einstweiligen Verfügung (audience des référés) Ein anderer besonders günstiger Zeitpunkt, den Parteien einen Conciliationsoder Médiationsversuch vorzuschlagen, ist der Termin im beschleunigten Verfahren zum Erlass einer einstweiligen Verfügung849. Historisch betrachtet war der juge des référés (Richter im beschleunigten Verfahren) der erste, der médiateurs benannte, zunächst auf der Grundlage des Art. 21 NCPC, nun auf der geeigneteren Basis von Art. 131-1 NCPC850. Grund für die besondere Eignung dieses Verfahrens ist zum einen das dafür charakteristische „verhältnismäßige Zurücktreten der Rechtsfragen“. Dies hängt damit zusammen, dass die Notwendigkeit, eine Konfliktsituation zu beenden, im référé-Verfahren im Vordergrund steht, während das dahinterstehende juristische Problem nur ein sekundärer Aspekt ist und bei den Parteien noch keine endgültige Positionierung hervorgerufen hat851. Zum anderen sind „die Verfügbarkeit des juge des référés und die Flexibilität dieses Verfahrens“ weitere die conciliation/médiation begünstigende Elemente. Ein direkter Dialog zwischen den Parteien und ihren Anwälten wird möglich852; die Konfrontation der jeweiligen Forderungen der Parteien erfolgt ohne besonderen Formalismus; der Richter wie die Parteien verfügen über eine gewisse Handlungsfreiheit; der Ausschluss prozessualer Zwänge begünstigt das Vorschlagen von vorläufig befriedenden Lösungen853. d) Termin der Hauptverhandlung Einer der letzten Zeitpunkte für den Richter, einen Conciliations- bzw. Médiationsvorschlag zu formulieren, ist der Termin der Hauptverhandlung. Er kann hier systematisch vorgehen, wobei die Chancen auf eine Einigung eher gering sind854, oder nur in den Fällen eine gütliche Lösung anregen, in denen er eine Vgl. Cass. civ. 1ère, 27 févr. 1985, Gaz. Pal. 1985, rés. arr., 204 f., note Guinchard/Moussa; Martzloff, in Justice, médiation et équité, S. 57 (60); Pluyette, Revue de l’Arbitrage 1997, 505 (508). 850 Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 450, 274. 851 Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 450. 852 Martzloff, in Justice, médiation et équité, S. 57 (60). 853 Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 450. 854 Tatsächlich ist es wohl eher selten, dass, nachdem die Anwälte vor Gericht aufgetreten sind oder kurz davor standen, die Akten hinterlegt worden sind und in dem Wissen, dass die Entscheidung der Rechtsprechungsorgane in den vier bis sechs darauffolgenden Wochen gefällt werden wird, die Parteien den Mut haben, sich in neue Verhandlungen zu begeben, die die Gefahr bergen, im Falle des Scheiterns den Ausgang des Rechtsstreits um sechs bis acht Monate zu verzögern. Siehe dazu Pluyette, Médiations judicaires, nº 659; Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 451, Fn. 1607. 849
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Grundlage für diese Möglichkeit sieht. Einem sehr späten richterlichen Vorschlag des Mediationsverfahrens wird entgegengehalten, er berge die Gefahr, dass die Parteien dies dahingehend interpretieren könnten, der Richter habe Schwierigkeiten mit der Entscheidung des Falles855. Um eine bessere Beurteilungsgrundlage zu erhalten, kann der Richter die Parteien selbst hören856 oder die Parteien auffordern, weitere Ausführungen tatsächlicher und/oder rechtlicher Art beizubringen857. Selbst nach den Plädoyers in der mündlichen Verhandlung bleibt die médiation möglich, solange das Urteil noch nicht gefällt ist858. Scheitert die médiation, so wird das Urteil – da in der Sache ein Prozess geführt und das Vorverfahren (bis zur Entscheidungsreife) abgeschlossen ist – ohne neue Verhandlung gefällt859. 3. Resümee Es ist festzuhalten, dass es durchaus Vorzüge bieten kann, wenn eine médiation erst nach Beginn eines Gerichtsverfahrens versucht wird. Allerdings kann man nicht pauschal einen Zeitpunkt als den geeignetesten für eine médiation judiciaire ansehen, es gibt vielmehr mehrere günstige Momente. Welcher sich im konkreten Fall am ehesten anbietet, muss man dann der Einschätzung des Richters in Zusammenarbeit mit den Parteien und ihren Anwälten im Einzelfall überlassen. Allgemein lässt sich aber sagen, dass ein Mittelweg gesucht werden sollte, wonach der Mediationsversuch relativ früh angeregt wird, so dass die Fronten zwischen den Parteien noch nicht zu verhärtet sind, aber durchaus auch schon ein gewisses Stadium der Aufklärung erreicht ist, wie das beispielsweise im Rahmen des Vorverfahrens vor dem juge de la mise en état der Fall ist. Hier besteht noch der besondere Vorteil, dass im Falle eines Misslingens des Einigungsversuchs in der Regel kein Zeitverlust vorliegt.
VIII. Kosten Im letzten Abschnitt dieses Kapitels soll nun untersucht werden, welche Kosten bei der Durchführung einer médiation judiciaire entstehen. Hierbei wird zunächst ein Blick auf die gesetzliche Regelung geworfen (1.). Sodann beschäftigt sich die Arbeit mit der Vergütung des médiateur (2.) sowie dem (gegenüber dem gesetzlich vorgesehenen Verfahren) vereinfachten Vorauszahlungsverfahren 855 856 857 858 859
Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 524. Art. 20 NCPC. Art. 8, 13, 442 NCPC. Martzloff, in Justice, médiation et équité, S. 57 (61). Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 451.
E. Spezielle Fragenkomplexe
219
in der Praxis (3.). Schließlich werden Ausführungen zur endgültigen Festsetzung der Vergütung des médiateur gemacht (4.) und konkrete Zahlen der tatsächlichen Kosten am Beispiel der Modellversuche in Paris und Grenoble genannt (5.). Der Abschnitt endet mit einem Resümee (6.). 1. Gesetzliche Regelung Die médiation judiciaire ist im Gegensatz zur conciliation durch Dritte, die ehrenamtlich durchgeführt wird, kostenpflichtig860. An dieser Stelle sollen die gesetzlichen Regelungen noch einmal861 kurz rekapituliert werden. Es ist gesetzlich vorgesehen, dass die Parteien den médiateur vergüten und diese Vergütung in Form einer Vorauszahlung hinterlegen (Art. 131-6 Abs. 2 NCPC). Der Richter setzt die Höhe dieser Vorauszahlung fest, die der voraussehbaren Vergütung so nahe wie möglich kommen soll und auf die Vergütung des médiateur anzurechnen ist. Überdies benennt er die Partei(en), die diese Vorauszahlung – wie sich aus Art. 131-13 Abs. 3 NCPC ergibt – bei der Geschäftsstelle des Gerichts (greffe) hinterlegen muss bzw. müssen. Die médiation kann erst nach dieser Hinterlegung beginnen. Erfolgt diese nicht, so ist die Entscheidung betreffend die Übertragung der médiation obsolet, und das gerichtliche Verfahren wird fortgesetzt (Art. 131-6 Abs. 3 NCPC). Nach Durchführung der médiation setzt der Richter die Vergütung des médiateur fest (Art. 131-13 Abs. 1 NCPC). Hierbei bestimmen die Parteien frei, wie die Kostenlast unter ihnen verteilt wird. Kommt eine Einigung darüber jedoch nicht zustande, so tragen beide Parteien die Kosten zu gleichen Teilen, es sei denn, der Richter beurteilt eine solche Aufteilung mit Blick auf die wirtschaftliche Situation der Parteien als unbillig (Art. 131-13 Abs. 2 NCPC i.V. m. Art. 22 Gesetz nº 95-125 vom 8. Februar 1995). Wurde einer der Parteien Prozesskostenhilfe bewilligt, so werden die ihr auferlegten Kosten vom Staat bezahlt (Art. 131-13 Abs. 2 NCPC i.V. m. Art. 22 Abs. 3 Gesetz nº 95-125 vom 8. Februar 1995)862. Der Richter ermächtigt den médiateur, sich bis zum geschuldeten Betrag die bei der Geschäftsstelle des Gerichts hinterlegten Gelder aushändigen zu lassen (Art. 131-13 Abs. 3 NCPC). Gegebenenfalls ordnet der Richter die Entrichtung der fehlenden Beträge an, wobei er die Partei(en) bezeichnet, die die Kostenlast zu tragen hat bzw. haben, oder die Rückerstattung der hinterlegten, die Kosten übersteigenden Beträge (Art. 131-13 Abs. 4 NCPC). Auf Antrag des médiateur wird diesem ein Vollstreckungstitel erteilt. 860 861 862
Hierzu bereits oben S. 39, 65, 71 f. Vgl. bereits S. 65. Guinchard/Ferrand, Procédure civile, nº 891.
220
Kap. 2: Darstellung der Situation in Frankreich und Deutschland
2. Vergütung des médiateur a) Sinn der Vergütung Es stellt sich nun die Frage, was hinter der Regelung, den médiateur zu vergüten, steht. Hierzu wird vorgebracht, die médiation sei Teil des justiziellen Angebots zur Streitbeilegung und müsse daher vergütet werden. Sie müsse gesondert berechnet werden und dürfe nicht einen Teil der Prozesskosten darstellen863. Es wird für wichtig gehalten, dass sich die Parteien finanziell engagieren, um zu verhindern, dass sie aus reiner Neugier oder um dem Richter, der eine médiation angeregt hat, einen Gefallen zu tun, in die médiation gehen864. Die Vergütung des médiateur soll die aufgebrachte Zeit und die geleistete Tätigkeit entschädigen. Sie soll jedoch gerade nicht die Gegenleistung einer beruflichen Tätigkeit sein, da die médiation judiciaire weder ein Beruf sei noch sein dürfe865. b) Formalisiertes Hinterlegungsverfahren Auf den ersten Blick überrascht, dass im Rahmen gütlicher Streitbeilegung, die auf dem Prinzip der Formfreiheit (consensualisme) basiert866, der Gesetzgeber dem Eintritt in Verhandlungen im Rahmen der médiation judiciaire die vorherige Erfüllung einer wesentlichen867 Formalität durch die Parteien – der Hinterlegung einer auf die Vergütung des médiateur anzurechnenden Vorauszahlung bei der Geschäftsstelle – vorgeschaltet hat. Es genügt also nicht, dass die Parteien sich darauf einigen, in Verhandlungen zwecks médiation judiciaire einzutreten, sondern dieser Wille muss gemäß einer gesetzlich bestimmten Form geäußert werden868. Diese Formalität ist dem Erfordernis der Vorauszahlung für die expertise judiciaire nachgebildet869. Was ist der Hintergrund eines solchen Erfordernisses? Warum wird diese Formalität bei der médiation judiciaire gefordert, bei der einem Dritten übertra863 Gespräch mit Gilbert Costes, Président du tribunal de commerce de Paris, zitiert in Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 342, der sich auf Guy Canivet bezieht; Gérard Pluyette, in Médiations judiciaires, nº 851; Pluyette, Gaz. Pal. 1998, doctr., 702 (705). 864 Ein Wortbeitrag, in Médiations judiciaires, nº 868. 865 Pluyette, Revue de l’arbitrage 1997, 505 (520); ders., Gaz. Pal. 1998, doctr., 702 (705); Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 316. 866 Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 405. 867 Denn das Schicksal des Médiationsverfahrens hängt davon ab. 868 Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 406 f., vgl. auch Flour, Etudes Ripert, t. 1, S. 93 (101). 869 Art. 269 ff. NCPC, mod. Dekret nº 89-511 vom 20. Juli 1989; Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 409; Cadiet, Mélanges Champaud, S. 123 (132, nº 16).
E. Spezielle Fragenkomplexe
221
genen conciliation judiciaire hingegen nicht? Die vorhergehenden Conciliationsverfahren erfordern von den Parteien – selbst wenn ein Dritter angerufen wird870 – nicht einmal, dass sie diesen überhaupt vergüten; die conciliateurs de justice erfüllen ihre Aufgabe vielmehr ehrenamtlich871. Die Unterscheidung in der Behandlung der verschiedenen Streitbeilegungsverfahren wird mit dem Unterschied in ihren prozessualen Wirkungen gerechtfertigt. Die Durchführung der médiation judiciaire habe beträchtliche prozessuale Wirkungen auf das Schicksal des laufenden Verfahrens. Zunächst bringe die médiation, die ja zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens durchgeführt werden kann, das streitige Verfahren zum Ruhen und ersetze dieses vorläufig durch ein schlichtendes872. Darüber hinaus schreite ein médiateur ein, der „an die Stelle“ des Richters trete873. Die richterliche Behandlung des Rechtsstreits werde somit durch eine vertragliche Behandlung ersetzt. Im Zusammenhang damit stehe eine entsprechende Umgestaltung der Aufgaben des Richters; vom „Richter des Urteils“ (juge de jugement) werde er zum „Richter-Supervisor“ (juge-superviseur) für die médiation. Der Eintritt in die médiation judiciaire bringe somit eine beträchtliche prozessuale Umwälzung; diese rechtfertige die Einhaltung von Formalien, die den festen und entschlossenen Willen der Parteien ausdrücken, sich auf effektive Weise auf Verhandlungen einzulassen874. Im Vergleich dazu nähmen die anderen Verfahren delegierter conciliation judiciaire Veränderungen geringeren Ausmaßes vor. Sie begnügten sich damit, ein Conciliationsverfahren durch ein anderes zu ersetzen, da es zu den Aufgaben des Richters gehöre, die Parteien zu conciliieren zu versuchen. Die Art und Weise der richterlichen Behandlung des Rechtstreits ändere sich somit nicht, sie werde lediglich von einer anderen Person durchgeführt. An die Stelle des Richters trete ein conciliateur de justice. Aus dem „Richter-conciliateur“ (juge-conciliateur) werde mithin ein „Richter-Supervisor“ (juge-superviseur) der conciliation. Eine wirkliche prozessuale Umwälzung finde durch die Benennung eines Dritten nicht statt. Die Auswirkungen der Durchführung einer delegierten conciliation judiciaire auf den Lauf des Verfahrens werden als eher gering eingeschätzt875. Dieser Unterschied in den prozessualen Wirkungen rechtfertige diese Unterscheidung in der Behandlung876. 870
Art. 831, 840 Abs. 2, 847 Abs. 2 und 847-3 Abs. 2 NCPC. Dekret nº 78-381 vom 20. März 1978, Art. 1 Abs. 3. 872 Instance conciliatoire. 873 Die Formulierung ist insoweit ungenau, als der médiateur gerade eine andere Aufgabe als der Richter wahrnimmt und darüber hinaus der Richter auch weiterhin angerufen bleibt. 874 Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 408. 875 Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 408. 876 Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 409. Vgl. auch oben S. 104 f. Von Joly-Hurard wird die gleiche Argumentation zur Begründung der unter871
222
Kap. 2: Darstellung der Situation in Frankreich und Deutschland
Ein weiteres Argument für den Gesetzgeber, die tatsächliche Durchführung der médiation judiciaire an die Erfüllung einer vorhergehenden Formalität durch die Parteien zu knüpfen, war zu vermeiden, dass die Maschinerie der médiation judiciaire nicht „leichtfertig“, ohne wirkliche Absicht seitens der Parteien sich einander anzunähern oder zu dem einzigen Zweck, Zeit zu gewinnen und das Verfahren zu verzögern, in Gang gebracht wird877. 3. Vereinfachtes Vorauszahlungsverfahren in der Praxis Das gesetzlich vorgeschriebene Verfahren der Hinterlegung der Vorauszahlung der Vergütung des médiateur bei der Geschäftsstelle des Gerichts und der anschließenden Auszahlung an den médiateur878 ist in der Praxis sehr schwerfällig, insbesondere für die médiations, bei denen die Vorauszahlung eher niedrig ist. Aus diesem Grund hat die Gerichtspraxis – vor allem an der cour d’appel von Paris – ein flexibleres System eingesetzt, das diese Nachteile umgeht und somit verhindert, dass das umständliche Verfahren als Bremse für die Durchführung der médiation wirkt, aber dennoch dem médiateur eine Sicherheit gewährleistet879. Danach wird dem médiateur direkt bei seiner Anrufung die Vorauszahlung geleistet880. An dieser Stelle stellt sich aber die Frage, wie diese Praxis, die nun eindeutig gegen den Wortlaut des Gesetzes geübt wird, mit den gesetzlichen Vorschriften in Einklang zu bringen ist. Handelt es sich bei diesen Regelungen um zwingende Vorschriften oder sind sie abdingbar? Eine unabdingbare Vorschrift ist nie Selbstzweck; eine Regelung kann nur dann als unabdingbar interpretiert werden, wenn diese Qualifizierung das einzige Mittel ist, eine ihrer Funktionen zu erfüllen (Verteidigung des Allgemeininteresses oder Schutz einer Kategorie von Einzelinteressen). Für die Vorschriften betreffend die Modalitäten der Hinterlegung der Vergütung des médiateur (Art. 131-6 NCPC) ist dies jedoch nicht der Fall881. Zweck der Regelung ist, dem médiateur vor Beginn seiner Arbeit eine Sicherheit zu gewährleisten. Dies kann genauso gut geschehen, indem ihm eine Vorauszahlung direkt ausgehändigt wird. Mit Blick auf die Vorteile und Ziele einer médiation – nämlich Schnelligkeit, Unkompliziertheit, Vereinfachung des Verfahrens, direktes Mitschiedlichen Anforderungen an den médiateur und den conciliateur de justice herangezogen. 877 Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 407, 409. 878 Art. 131-6 Abs. 2, 3, Art. 131-13 Abs. 3 NCPC. 879 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 314, 332; Joly-Hurard, Médiation et conciliation, Rép. pr. civ. Dalloz, nº 333, 338. 880 Siehe hierzu die Schreiben, die von der cour d’appel von Grenoble verschickt werden, in Bonafé-Schmitt, Les médiations, S. 77 f. 881 Jarrosson, RGDP 1998, nº 1, 161 (163).
E. Spezielle Fragenkomplexe
223
einander-Kommunizieren – ist dieser Weg des direkten Kontakts sogar vorzugswürdig und entspricht diesen Idealen mehr. Genau genommen handelt es sich bei der direkten Zahlung des Vergütungsvorschusses an den médiateur sogar um ein Mehr im Vergleich zur Hinterlegung bei Gericht. Denn letztlich ist Sinn der Bezahlung die Entschädigung für Zeit und Aufwand des médiateur, Zweck der Hinterlegung eine Sicherheit für den médiateur; der Staat nimmt durch das Hinterlegungsverfahren als neutrale Stelle eine Art verwaltende Aufgabe wahr und bietet den Parteien gleichzeitig die Sicherheit, etwaige überschüssige Beträge gegebenenfalls leichter wieder zurückzuerhalten. Daher hat hier auch die Rechtsprechung für Klarheit gesorgt, indem sie diese Regelungen nicht als zwingend beurteilt hat, sondern es den Parteien vielmehr möglich sein soll zu vereinbaren, den médiateur direkt in der eingeräumten Frist anzurufen und die Vorauszahlung auf die Mediationskosten, insbesondere das Mediationshonorar, direkt an ihn zu leisten882. Hierbei scheint die cour eine Unterscheidung zu treffen zwischen dem Prinzip der Hinterlegung selbst, welches nicht in Frage gestellt werden kann, und den Modalitäten der Hinterlegung, die hingegen vertraglich gelockert und umgestaltet werden können883. Eine solche Möglichkeit ließen bereits die von den Gesetzestexten vorgesehenen Sanktionen für den Falle einer Nicht-Hinterlegung erahnen. Lediglich die NichtHinterlegung zieht die Unwirksamkeit der Maßnahme nach sich; dagegen ist nichts gesagt über eine verspätete Hinterlegung oder über die nach anderen Modalitäten als den von den Gesetzestexten vorgesehenen durchgeführte Hinterlegung. Hierin unterscheiden sich die Vorschriften zur médiation judiciaire von denen zur expertise, wo die Unwirksamkeit auch die Hinterlegung trifft, die nicht „in der eingeräumten Frist“ oder „gemäß den geforderten Modalitäten“ vorgenommen worden ist884. Diese Entscheidung wird den Ansprüchen an die médiation – Schnelligkeit und Flexibilität – besser gerecht als das Verfahren der Hinterlegung der Vorauszahlung wie es in Art. 131-6 und 131-13 NCPC vorgesehen und dem der expertise judiciaire nachgebildet ist. Soweit kein für die Rechtsgültigkeit unüberwindliches Hindernis entgegensteht, wird der Richter dem dann Wirkung verleihen885. 882 CA Paris, 22e ch., 2 juill. 1997, req. nº 39069/95, inédite und CA Paris, 18e ch., 18 sept. 1997, req. nº 33393/97, inédite, zitiert von Jarrosson, RGDP 1998, nº 1, 161 (163) und Joly-Hurard, Médiation et conciliation, Rép. pr. civ. Dalloz, nº 333; Guinchard/Ferrand, Procédure civile, nº 891, Guinchard, Droit et pratique de la procédure civile, nº 325.261. 883 Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 410 f.; Bonafé-Schmitt, Les médiations, S. 78. 884 Art. 270 f. NCPC. Joly-Hurard, Conciliation et médiation judiciaires, nº 411 f. 885 Jarrosson, RGDP 1998, nº 1, 161 (163).
224
Kap. 2: Darstellung der Situation in Frankreich und Deutschland
4. Endgültige Festsetzung der Vergütung des médiateur a) Aufteilung unter den Parteien886 Die Tatsache, dass die Parteien selbst über die Verteilung der Kostenlast der médiation bestimmen, ist von großer Bedeutung für den Ablauf der médiation. Wenn nämlich eine tiefe Uneinigkeit zwischen den Parteien über die Vergütung und vor allem die Aufteilung dieser Last unter ihnen herrscht, kann dies das Scheitern der médiation zur Folge haben. Nicht selten einigen sich die Parteien mithilfe ihrer Anwälte auch über die Höhe der Vergütung des médiateur887. Daher ist es umso wichtiger, dass die Parteien und ihre Anwälte die Frage der Vergütung des médiateur in die Verhandlung des Problems miteinbeziehen und nicht wie eine separat nach der Einigung zu behandelnde Frage betrachten888. b) Formelle Festsetzung durch den Richter Es ist jedoch hervorzuheben, dass es in jedem Fall, selbst wenn sich die Parteien über die Vergütung des médiateur geeinigt und ihm die entsprechende Summe auch bereits im Wege der Vorauszahlung geleistet haben, der Richter ist, der gemäß dem Wortlaut des Art. 131-13 NCPC diese Vergütung festsetzt. In seinem Schlussbericht zeigt der médiateur den Betrag an, den er fordert, sowie die Einigung oder die Uneinigkeit der Parteien bezüglich ihrer Aufteilung. Davon ausgehend setzt der Richter dann diese Vergütung fest889. aa) Festsetzung bei Hinterlegung der Vorauszahlung bei der Geschäftsstelle Für den Fall, dass die Hinterlegung der Vorauszahlung gemäß dem Wortlaut bei der Geschäftsstelle vorgenommen wurde, folgt die Bestimmung dieser Vergütung sowie ihre Aufteilung unter den Parteien der rechtlichen Regelung der expertise (Sachverständigengutachten)890. Es wird eine Kostenberechnung (taxation) vorgenommen sowie eine Hinterlegungsverfügung (ordonnance de consignation) erlassen, die den médiateur ermächtigt, die gezahlte Vorauszahlung einzuziehen. Darüber hinaus ordnet der Richter gegebenenfalls an, dass sich der médiateur den durch den Richter festgesetzten Nachtrag auszahlen lassen kann.
886 887 888 889 890
Zu konkreten Zahlen siehe unten S. 230 f. Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 314. Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 332. Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 314. Art. 131-13 Abs. 3, 4 NCPC, nachgebildet dem Art. 284 Abs. 2 NCPC.
E. Spezielle Fragenkomplexe
225
Der médiateur kann die Ausstellung eines entsprechenden Titels beantragen. Ebenso ordnet der Richter eine eventuelle Rückerstattung der hinterlegten überschüssigen Beträge an891. bb) Festsetzung bei direkter Aushändigung der Vorauszahlung an den médiateur Wurde das flexiblere Hinterlegungssystem der direkten Aushändigung der Vorauszahlung an den médiateur angewandt, so werden nicht die Vorschriften für die expertise, sondern die für die constatations892 entsprechend angewandt893. Am Ende der médiation bestimmt der médiateur die Höhe seiner Vergütung, die er dem Richter zwecks (förmlicher) Festsetzung unterbreitet. Entspricht die an ihn bei der ersten Mediationssitzung geleistete Vorauszahlung dem geforderten Betrag, was in der Praxis oft der Fall ist, stellt der Richter in der Entscheidung über das Ende der médiation lediglich fest, dass die Vergütung der Vorauszahlung entspricht und dass es, da diese schon gezahlt worden ist, keines Nachtrags bedarf894. cc) Prozesskostenhilfe Wurde der einen der Parteien Prozesskostenhilfe gewährt, so sind für die begünstigte Partei die entsprechenden besonderen Regeln dieses Verfahrens anzuwenden895. dd) Verfahren bei Erfolglosigkeit der médiation Hat das Mediationsverfahren nicht zu einer Einigung geführt, so muss der Richter die Parteien zurückschicken, das Verfahren zu betreiben, und sogleich über diese Vergütung entscheiden, ohne die Fortsetzung des Vorverfahrens und das Urteil der Rechtssache abzuwarten; dies gilt selbst dann, wenn der Betrag der Vorauszahlung exakt dem vom médiateur geforderten entspricht und ihm 891
Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 314,
332. 892 Zu den constatations (protokollarisch durch eine beauftragte Amtsperson aufgenommene Sachverhalte) siehe oben Fn. 408 f. 893 Art. 249 ff. NCPC, insbes. Art. 251 NCPC. Hier bezeichnet der Richter die Partei(en), die gehalten ist/sind, die Vorauszahlung an den constatant auf seine Vergütung zu zahlen, dessen Höhe er festsetzt. 894 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 332; Gérard Pluyette, in Médiations judiciaires, nº 860. 895 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 332.
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Kap. 2: Darstellung der Situation in Frankreich und Deutschland
diese Summe bereits gezahlt worden ist. Er hat darüber zu wachen, dass die Mediationsmaßnahme beendet wird und sich nicht mehr mit dem Urteil überlagert. Ist dagegen eine Einigung unterzeichnet worden, muss der Richter die abschließende Vergütung des médiateur in der Entscheidung, die das Ende des Verfahrens feststellt, festsetzen896. ee) Sinn der Regelung Hinter der Regelung, dass der Richter selbst, nicht der médiateur im Falle einer Einigung zwischen Parteien und médiateur die Vergütung förmlich festsetzen muss, steht nicht zuletzt die Intention, jede Professionalisierung zu vermeiden897. Auch soll durch die genaue gesetzliche Regelung der Vergütung des médiateur entsprechend dem System der expertise judiciaire und die Unterstellung unter den Richter vermieden werden, dass die Mediationskosten eine Bremse oder sogar ein Hindernis für die Entwicklung der médiation judiciaire darstellen. Überdies soll sie die Parteien vor jeglichem Missbrauch in diesem Zusammenhang schützen898. 5. Tatsächliche Kosten in der Praxis am Beispiel der Modellversuche in Paris und Grenoble Schließlich kommen wir zur Frage der konkreten Höhe der Kosten der médiation judiciaire bzw. der dem médiateur für die Durchführung einer médiation gezahlten Vergütung. Hierbei wird in erster Linie auf die Erfahrungswerte der Projekte an den tribunaux der région Parisienne in Bezug auf die médiation im Familienrecht sowie an der cour d’appel von Grenoble hinsichtlich der médiation von arbeitsrechtlichen Streitigkeiten Bezug genommen, die in einer Studie899 aus dem Jahre 2001 ausgewertet wurden. Zur Veranschaulichung werden jeweils die entsprechenden Übersichten abgedruckt. a) Höhe der Hinterlegung Zunächst soll die Höhe der consignation judiciaire (Hinterlegung) betrachtet werden. 896
Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 332. Gérard Pluyette, in Médiations judiciaires, nº 853. 898 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 313; Pluyette; Revue de l’arbitrage 1997, 505 (520). 899 Bonafé-Schmitt, Les médiations. Da die Studie aus dem Jahre 2001 stammt, werden die Kosten in Französischen Francs angegeben. Es wird jeweils ein etwaiger EuroWert in Klammern angeführt, wobei eine Rundung in 5er-Schritten erfolgte. 897
E. Spezielle Fragenkomplexe
227
Ohne dass eine irgendwie geartete Absprache zwischen den magistrats bestünde, haben sie mehrheitlich die Höhe der Hinterlegung für mehr als zwei Drittel der Fälle zwischen 3.000 F (455 A) und 5.000 F (760 A) festgesetzt und für ein knappes Viertel der Rechtssachen zwischen 1.000 F (150 A) und 3.000 F (455 A). Es war festzustellen, dass die Höhe der Hinterlegung auf dem Gebiet des Arbeitsrechts am höchsten, im Bereich des Familienrechts am niedrigsten ist900. Tabelle 1 Höhe der Hinterlegung Paris
Grenoble
4,8
–
1.000–3.000 F ( 150–455 A)
25,4
21,4
3.000–5.000 F ( 455–760 A)
69,8
76,3
–
2,3
Gesamt %
100
100
Gesamt N
63
131
< 1.000 F ( < 150 A)
> 5.000 F ( > 760 A)
Quelle: Bonafé-Schmitt, Les médiations: logiques et pratiques sociales, (recherche réalisée avec le soutien du GIP Mission de recherche droit et justice,) 2001, S. 46.
b) Höhe der Gesamtkosten Betreffend die Gesamtkosten der médiation bzw. die Höhe der an die médiateurs geleisteten Vergütung erhalten nahezu die Hälfte der Familienmediatoren901 einen Betrag, der zwischen 1.000 F (150 A) und 3.000 F (455 A) liegt, und 30 % von ihnen bekommen weniger als 1.000 F (150 A) für die Durchführung der Mediation. Die médiateurs im Bereich des Arbeitsrechts902 erheben ihrerseits in knapp 70 % der Fälle einen Betrag zwischen 3.000 F (455 A) und 5.000 F (760 A) und nur 10 % weniger als 1.000 F (150 A)903.
900 901 902 903
Bonafé-Schmitt, Les médiations, S. 46. An den tribunaux de grande instance in der région Parisienne. An der cour d’appel von Grenoble. Bonafé-Schmitt, Les médiations, S. 46 f.
228
Kap. 2: Darstellung der Situation in Frankreich und Deutschland Tabelle 2 Gesamtkosten der médiation Paris
Grenoble
< 1.000 F ( < 150 A)
30,4
0,8
1.000–3.000 F ( 150–455 A)
42,9
26,0
3.000–5.000 F ( 455–760 A)
12,5
67,2
5.000–7.000 F ( 760–1.065 A)
10,7
4,6
3,6
1,5
Gesamt %
100
100
Gesamt N
56
131
> 7.000 F ( > 1.065 A)
Quelle: Bonafé-Schmitt, Les médiations: logiques et pratiques sociales, (recherche réalisée avec le soutien du GIP Mission de recherche droit et justice,) 2001, S. 47.
c) Verhältnis von Hinterlegung und tatsächlichen Kosten Die tatsächliche Vergütung des médiateur ist also häufig geringer als die Hinterlegung904. Diese Abweichungen zwischen dem Betrag der Hinterlegung und der effektiv von den médiateurs erhobenen Vergütung werden im Wesentlichen mit den Ergebnissen der médiations erklärt. Dies soll nicht heißen, dass die Höhe der Vergütung an die Natur des Ergebnisses der médiation gebunden ist, was nach den codes de déontologie untersagt ist; vielmehr hängt diese mit der Qualität der Arbeit des médiateur zusammen, insbesondere wenn die Parteien die médiation bereits am Ende einer oder zweier Sitzungen beenden. In dieser Art von Fällen nehmen die médiateurs nur einen Teil der Hinterlegung ein – entsprechend der Zeit, die die médiateurs bis zur Beendigung des Mediationsverfahrens durch die Parteien aufgewandt haben905. Vergleicht man nun die beiden Zahlenaufstellungen, so ist festzustellen, dass der Betrag der Hinterlegung dem der tatsächlichen Kosten der médiation für die
904
Bonafé-Schmitt, Les médiations, S. 46 f. Bonafé-Schmitt, Les médiations, S. 46. In diese Richtung geht auch ein Wortbeitrag in Médiations judiciaires, nº 868 f. sowie die Antwort darauf von Gérard Pluyette, nº 869. 905
E. Spezielle Fragenkomplexe
229
Parteien häufig auch entspricht. Im Modellversuch von Grenoble entspricht die dem médiateur gezahlte Vergütung in ca. 85 % der Höhe der Hinterlegung, in Paris sind dies immerhin 20 %. Lediglich in 30 % der Fälle für die Familienmediation (in der région Parisienne) und in 10 % für das Arbeitsrecht (in Grenoble) haben die Parteien einen die Hinterlegung übersteigenden Betrag zu zahlen. Diese „Honorarüberschreitungen“ erklären sich am häufigsten durch die Übernahme von komplexen Rechtssachen, die eine höhere Anzahl an Zusammenkünften erfordern, sowie durch das Erfordernis eines gewissen Fachwissens seitens der médiateurs906. Tabelle 3 Prozentsatz der Kosten der médiation im Verhältnis zur Höhe der Hinterlegung Paris
Grenoble
< 25 %
19,4
–
25–50 %
12,9
4,6
51–75 %
3,2
–
76–100 %
12,9
2,3
Gleich
22,6
86,4
101–125 %
3,2
1,5
126–150 %
12,9
–
150–175 %
–
3,1
> 175 %
13,0
4,6
Gesamt %
100
100
Gesamt N
31
Quelle: Bonafé-Schmitt, Les médiations: logiques et pratiques sociales, (recherche réalisée avec le soutien du GIP Mission de recherche droit et justice,) 2001, S. 47.
Über den Umweg des Kostenfestsetzungsverfahrens (procédure de la taxation) sind die magistrats in der Lage, die Kosten der médiations zu überprüfen und eine „nichtamtliche Tabelle“ der médiations festzusetzen wie im Fall der mesures d’expertises judiciaires907. 906 Bonafé-Schmitt, Les médiations, S. 47. In diese Richtung geht auch ein Wortbeitrag in Médiations judiciaires, nº 868 f. sowie die Antwort darauf von Gérard Pluyette, nº 869. 907 Bonafé-Schmitt, Les médiations, S. 47.
230
Kap. 2: Darstellung der Situation in Frankreich und Deutschland
d) Kostenverteilung und Tarife der médiateurs pro Sitzung Im Gegensatz zur Praxis in Grenoble, wo der magistrat die Vergütung des médiateur festsetzt, ist in Paris die Frage der Kosten der médiation und insbesondere ihrer Aufteilung zwischen den Parteien integraler Bestandteil des Mediationsprozesses und stellt eine Klausel des Mediationsvertrags dar. Da der Richter die Tarife der association, die den Auftrag zur médiation erhält, nicht kennt, wird die Frage der Höhe der Vergütung, die die Parteien zunächst zu hinterlegen haben, in der Informationssitzung angesprochen und erneut durch den médiateur bei der ersten Sitzung aufgegriffen. Im Rahmen dieser Verhandlungen über die Mediationskosten haben die Familienmediatoren von Paris einen Tarif festgesetzt, der zwischen 0 und 500 F (75 A) pro Sitzung und pro Person, abhängig vom Einkommen, variiert908. Dieses Prinzip der Bezahlung der Sitzung ist von anderen Familienmediatoren übernommen worden, wie denen von Lyon, die die Höhe in Abhängigkeit von den Einkommen der Parteien festsetzen. Die Parteien zahlen dort – nach einer von der association festgesetzten Tariftabelle pro Person und pro Sitzung zwischen 40 F (5 A) und 240 F (35 A). Andere médiateurs, wie die von Créteil, haben variable Tarife in Abhängigkeit von der Art der Anrufung ausgearbeitet. Hier wurde die Vergütung in der Familienmediation pauschaliert, man kann einen Höchstbetrag nicht überschreiten909. Im Modellversuch von Paris variiert die Höhe der Stundenhonorare (coût horaire) der Konsultation für mehr als 60 % der Rechtssachen in einer Spanne von 250 F (40 A) bis 500 F (75 A)910. Zur Veranschaulichung seien in diesem Zusammenhang die Tarife des CMAP (Centre de Médiation et d’Arbitrage de Paris) für eine médiation judiciaire genannt: Das CMAP erhebt für eine médiation judiciaire pro Stunde 100 A Verwaltungskosten zuzüglich 200 A Mediatorenhonorar911. In Bezug auf die Kostenaufteilung unter den Parteien ist festzustellen, dass bei dem Projekt von Grenoble in 65 % der Fälle eine Partei weniger als 25 % der Kosten übernehmen muss – es handelt sich hierbei meistens um den Arbeitnehmer. Diese ungleiche Aufteilung entspricht dem Gesetzestext und fällt in die Befugnis des magistrat, der im Namen der Billigkeit – mit Blick auf die wirtschaftliche Situation der Parteien – eine solche Entscheidung treffen kann912. 908
Bonafé-Schmitt, Les médiations, S. 47. Bonafé-Schmitt, Les médiations, S. 48. 910 Bonafé-Schmitt, Les médiations, S. 48. 911 Barème des frais et honoraires de médiation du CMAP, . 912 Art. 131-13 Abs. 2 NCPC i.V. m. Art. 22 Abs. 2 Gesetz nº 95-125 vom 8. Februar 1995. 909
E. Spezielle Fragenkomplexe
231
Tabelle 4 Stundenhonorar der Konsultation in Paris Anteil < 250 F ( < 40 A)
8,3
250–500 F ( 40–75 A)
61,4
500–750 F ( 75–115 A)
26,3
> 750 F ( > 115 A)
3,6
Gesamt %
100
Gesamt N
56
Quelle: Bonafé-Schmitt, Les médiations: logiques et pratiques sociales, (recherche réalisée avec le soutien du GIP Mission de recherche droit et justice,) 2001, S. 48.
Tabelle 5 Prozentsatz der Verteilung der Mediationskosten zwischen den Parteien Paris
Grenoble
< 25 %
24,5
64,6
25–50 %
34,7
15,7
51–75 %
6,1
0,8
76–100 %
2,0
–
30,6
3,9
2,0
15,0
Gesamt %
100
100
Gesamt N
53
127
Gleich Gesamtbetrag
Quelle: Bonafé-Schmitt, Les médiations: logiques et pratiques sociales, (recherche réalisée avec le soutien du GIP Mission de recherche droit et justice,) 2001, S. 48.
Dass in Paris die Kostenaufteilung bei 30 % der Fälle gleich ist, bei 25 % der Fälle eine Partei weniger als 25 % und bei 35 % der Fälle eine Partei zwischen
232
Kap. 2: Darstellung der Situation in Frankreich und Deutschland
25 % und 50 % der Kosten leistet913, hängt daher wohl vor allem damit zusammen, dass es sich dort um Familienmediation handelt, bei der die Parteien noch eher gleichberechtigt nebeneinander stehen als etwa im Bereich des Arbeitsrechts. e) Vergleich zwischen Kosten eines Gerichtsund eines Mediationsverfahrens? Aufgrund des Prinzips der Kostenlosigkeit des französischen Gerichtsverfahrens und der Tatsache, dass die Rechtsanwaltsvergütung in Frankreich nicht gesetzlich festgesetzt ist, sondern die Honorare jeweils mit den Parteien ausgehandelt werden914, stellt sich eine Vergleichsrechnung zwischen den Kosten eines Gerichtsverfahrens und denen eines Mediationsverfahrens als schwierig und wenig aussagekräftig dar. Überdies wäre ein Vergleich auch deshalb schwer zu ziehen, da die Kriterien für die Höhe der Kosten eines Prozesses andere sind als die für die Kosten einer Mediation. Während sich die Prozesskosten unter anderem nach dem Wert und der Art des Streitgegenstandes richten, muss dieser im Rahmen der Mediation keine Rolle spielen. Dort kommt es vielmehr auf den Grad der Komplexität der Rechtssache an und damit verbunden auf die Anzahl der erforderlichen Sitzungen, also die Dauer des Verfahrens. Als Richtwert kann man jedoch den Betrag von 1.900 A nennen, auf den sich die Kosten einer Zivilsache im Jahre 1997 im Durchschnitt beliefen. Diesen Wert hat eine Studie aus dem Jahre 2002 ergeben, wobei darin weder nach der Art der Rechtssache noch nach der Art der Gerichtsbarkeit unterschieden wurde915. Zwar liegen die im Rahmen der Modellprojekte von Paris und Grenoble ermittelten Kosten einesMediationsverfahrens mit einem Betrag von durchschnittlich etwa 455 A unter der Höhe der Prozesskosten; allerdings erscheint ein Vergleich mit diesem Wert angesichts der verhältnismäßig geringen Anzahl der erfassten Fälle unzulässig. 6. Resümee Eine Tabelle für die Honorare des médiateur existiert allerdings – soweit ersichtlich – außerhalb des CMAP nicht. Auch wird es von den meisten Autoren als vorzugswürdig angesehen, keine zu errichten, sondern dieses Gebiet flexibel
913
Bonafé-Schmitt, Les médiations, S. 48. Guinchard, Droit et pratique de la procédure civile, nº 60.11, 621.241, 621.282. 915 So Haravon, JCP E 2005, 1478, nº 16, der sich auf Breen, Évaluer la Justice, S. 292, Grafik XXXII. bezieht. Dort jedoch wird für das Jahr 1997 ein durchschnittlicher Wert von knapp 13.000 genannt, allerdings ohne Währungsangabe. Der Größenordnung nach dürfte es sich dabei um Französische Francs handeln. 914
E. Spezielle Fragenkomplexe
233
zu halten; die Kostenfrage soll individuell ausgehandelt und damit Teil der médiation sein916. Es wird dafür plädiert, prinzipiell einige hundert Euros – an der cour d’appel von Paris sind dies 500 A917 – für die Vergütung anzusetzen, abhängig von der Zahl der vom médiateur abgehaltenen Sitzungen sowie der Bedeutung bzw. Schwierigkeit der Streitigkeiten918. Insbesondere die Berücksichtigung der Komplexität des Falles, aber auch der Leistungsfähigkeit der Parteien erscheint ein der médiation angemessenes Vorgehen. Die Möglichkeit der Parteien, auch für die médiation judiciaire Prozesskostenhilfe in Anspruch zu nehmen919 ist bedeutend für die Entwicklung dieses Verfahrens, da dadurch finanzielle Hürden abgebaut werden. Oft kommt der Arbeitnehmer bei médiations betreffend Individualkonflikte im Arbeitsrecht in den Genuss dieser Hilfe920. Sehr zu begrüßen ist die Tatsache, dass die Rechtspraxis das etwas umständliche Hinterlegungsverfahren den praktischen Bedürfnissen angepasst und die Modalitäten der Vorauszahlung vereinfacht hat. Insgesamt muss darauf geachtet werden, dass die Kosten für die médiation nicht allzu hoch ausfallen, um zu vermeiden, dass sie ein Hindernis für die Entwicklung der médiation judiciaire darstellen921.
916 Gilbert Costes, im Gespräch, abgedruckt in Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 342. 917 Gérard Pluyette, in Médiations judiciaires, nº 858; Coulon, in: Débat entre Monsieur le Premier Président Jean-Marie Coulon et Évelyne Serverin, Directeur de recherche au CNRS, extrait de la Revue nationale des Barreaux, RNB, nº 66–67, janv.– fév. 2002, zitiert in Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 340; Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 316. Gemäß Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon werden in der Praxis die relativ kurzen médiations von ein bis drei Sitzungen selten mit mehr als 1000 A vergütet. 918 Gilbert Costes, im Gespräch, abgedruckt in Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 342. 919 Art. 22 Abs. 3 Gesetz nº 95-125 vom 8. Februar 1995. 920 Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 315. 921 Pluyette, Revue de l’arbitrage 1997, 505 (520); Bourry d’Antin/Pluyette/Bensimon, Art et techniques de la médiation, nº 316.
Kapitel 3
Abschließende Würdigung Nachdem im zweiten Kapitel ein vertiefter Einblick in die in den Zivilprozess integrierte médiation im französischen Recht mit besonderer Behandlung einzelner Probleme sowie ein Überblick über die entsprechende Situation im deutschen Recht gegeben wurde, soll an dieser Stelle eine abschließende Würdigung vorgenommen werden. Dabei werden zunächst die wesentlichen Ergebnisse der Arbeit zusammengefasst und bewertet (A.). Danach erfolgt ein kurzer Vergleich des Standes der Dinge zur integrierten Mediation in Frankreich und Deutschland (B.). Abschließend wird die Frage geklärt, inwieweit das französische Modell einer deutschen Regelung als Vorbild dienen könnte (C.).
A. Zusammenfassung und Bewertung I. Zusammenfassung Zunächst sollen kurz die wichtigsten Ergebnisse zusammengefasst werden. 1. Mit der Einführung der médiation judiciaire hat der französische Gesetzgeber die gütliche Streitbeilegung mithilfe eines Dritten im Rahmen des Zivilprozesses im Nouveau code de procédure civile verankert. Daneben können nun auch bestimmte Conciliationsverfahren durch einen Dritten statt durch den Richter durchgeführt werden. In Bezug auf diesen Dritten, den Mediator922, ist länderübergreifend anzustreben, dass er gewisse Anforderungen erfüllt und eine Ausbildung durchläuft, die neben der Mediationstechnik insbesondere die Grundprinzipien der Mediation und die Berufspflichten des Mediators vermittelt. In Frankreich gibt es entsprechende Ansätze, die jedoch noch ausbaufähig sind. Wünschenswert sind einheitliche Standards, die Personen, die als Mediator tätig werden wollen, erfüllen müssen. Vorzugswürdig, wenn auch nicht zwingend erforderlich, sind insbesondere Rechtskenntnisse seitens des Mediators. Für den Fall, dass er diese nicht besitzt, ist dann allerdings die Hinzuziehung von Anwälten oder eines juristischen Co-Mediators zu fordern.
922 Für den conciliateur de justice ist die Situation insofern anders, als dieser durch ein bestimmtes Verfahren als solcher ernannt wird und die von ihm zu erfüllenden Voraussetzungen im Rahmen dieses Verfahrens überprüft werden.
A. Zusammenfassung und Bewertung
235
2. Besonders wichtig und Basis für eine erfolgreiche Mediation ist das Prinzip der Vertraulichkeit. Es wurden verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt, wie diese gewährleistet werden kann. Hervorzuheben ist dabei der sorgsame Umgang mit den in die Mediation eingebrachten und für die Mediation erstellten Dokumenten sowie eine Vortrags- und Beweismittelbeschränkung. An den Gesetzgeber ist sowohl in Frankreich als auch in Deutschland die Forderung nach einem Zeugnisverweigerungsrecht für Mediatoren zu richten. 3. Im Zusammenhang mit der Fairness im Mediationsverfahren ist herauszustreichen, dass die Parteien umfassend über ihre Rechte und Möglichkeiten informiert sein müssen. 4. Grundlage einer erfolgreichen Mediation ist die Freiwilligkeit. Zwar sind gesetzlich – sowohl in Frankreich als auch in Deutschland – auch Formen auferlegter Streitschlichtungsmethoden vorgesehen, jedoch kann man anhand der existierenden Modelle sehen, dass sich ihr Erfolg bisher in Grenzen hält923. Sehr zu befürworten ist allerdings ein für die Parteien verpflichtender Termin, in dem sie über die Möglichkeit der Mediation und ihre Ausgestaltung informiert werden. 5. Die Beteiligung von Anwälten am Mediationsverfahren – es sind hier verschiedene Modalitäten möglich – ist in der Regel als sinnvoll zu erachten. Aus Kostengründen kann dies jedoch auch darauf beschränkt werden, dass spätestens vor Abschluss einer eventuellen Einigung eine juristische Kontrolle dieser beabsichtigten Vereinbarung erfolgt. Wichtig ist hier, dass nicht nur eine Partei im Mediationsverfahren anwaltlich vertreten ist und die andere nicht, da dadurch das Gleichgewicht zwischen den Beteiligten gestört würde. 6. Für den Versuch einer Mediation nach Beginn des gerichtlichen Verfahrens gibt es viele mögliche Zeitpunkte. Grundsätzlich ist die gütliche Einigung bis zum Schluss denkbar. Für eine eher frühe Durchführung spricht unter anderem, dass damit bei einem Scheitern kein Zeitverlust verbunden ist. 7. In Bezug auf die Kosten des Mediationsverfahrens ist positiv hervorzuheben, dass auch für die Durchführung der médiation judiciaire Prozesskostenhilfe gewährt werden kann. Dadurch wird eine Hürde, sich auf dieses Verfahren einzulassen, abgebaut.
II. Bewertung Insgesamt sind die vom französischen Gesetzgeber getroffenen Regelungen zur integrierten Mediation als ein Schritt in die richtige Richtung zu betrachten. 923 Siehe hierzu Stürner, FS Schlosser, S. 5 (9 f., 29); ders., Neuere Prozessrechtsreformen, S. 29 (33 f.).
236
Kap. 3: Abschließende Würdigung
Kritisch anzumerken ist allerdings die etwas unübersichtliche Gestaltung der Gesamtheit an Vorschriften zur gütlichen Streitbeilegung im Zivilprozess. Es gibt eine Fülle von Instituten, Akteuren und Einrichtungen, deren Abgrenzungen teilweise äußerst unklar sind. So gibt es neben der médiation judiciaire die conciliation judiciaire durch den Richter, aber auch durch den conciliateur de justice; hierbei ist die médiation vergütungspflichtig, während die conciliation kostenfrei ist. Die Grenzen sind dabei fließend, die Abgrenzung ist schwierig924. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber jüngst noch die juridiction de proximité geschaffen, in der Nicht-Berufsrichter über Bagatellsachen entscheiden, aber auch conciliieren können. Hier wäre wohl weniger mehr gewesen. Klarere, übersichtlichere, strukturiertere und systematisiertere Regelungen und Kompetenzen wären wünschenswert925. Dies gilt umso mehr, als einem Großteil der Franzosen beispielsweise die Institution der conciliateurs de justice gar nicht oder zumindest wenig bekannt ist926. Insbesondere die Schaffung der juridiction de proximité scheint ihren Zielen – Annäherung an die Rechtsuchenden, Vereinfachung – eher zuwiderzulaufen, indem sie die Kompetenzen verkompliziert und dadurch das Verfahren gegebenenfalls verlängert927. Da wäre es sinnvoller, sich etwa auf die médiation judiciaire zu beschränken, diese aber noch mehr zu fördern und bekannt zu machen. Die Regelung der médiation judiciaire selbst in den Art. 131-1 ff. NCPC jedoch muss als grundsätzlich durchaus gelungen hervorgehoben werden. Die wichtigsten Punkte werden geregelt, ohne jedoch eine Überregulierung vorzunehmen; dem Mediationsverfahren wird damit genügend Raum zur Entfaltung gelassen.
B. Vergleich des französischen und des deutschen Status quo Offensichtlich ist Frankreich in diesem Punkt Deutschland einige Schritte voraus. De lege lata existiert – bis auf die in der Praxis wenig genutzte bzw. durch Einleitung eines Mahnverfahrens umgangene Öffnungsklausel des § 15a 924 Siehe auch Orfanidis, ADR, in Gottwald, Aktuelle Entwicklungen, S. 61 (112), der kritisiert, dass die in den letzten Jahren erfolgten Änderungen in den französischen prozessintegrierten Schlichtungsregelungen mit den bereits existierenden Bestimmungen nicht abgestimmt wurden. 925 So auch Kayser, S. 214. 926 Véricel, JCP G 2003, I 114, nº 4. Dies ist auch die Einschätzung von Jacques Salzer (vgl. Fn. 407) im Gespräch vom 6. Januar 2006 in Paris. 927 Bléry, D. 2003, chr., nº 4; Véricel, JCP G 2003, I 114, nº 7. Vgl. zur Beurteilung der juridiction de proximité: Moutouh, D. 2002, chr., 3218 ff. (befürwortend), Sire-Marin, D. 2002, p. v., 3275 f., unterzeichnet von verschiedenen juristischen Berufsgruppen (Anwälte, Beamte, Richter) (ablehnend), die v. a. die mangelnden Unparteilichkeitsgarantien der juges de proximité kritisiert; Bléry, D. 2003, chr., 566 ff.; Véricel, JCP G 2003, I 114, 389 ff. (beide eher kritisch).
B. Vergleich des französischen und des deutschen Status quo
237
EGZPO in Verbindung mit den entsprechenden landesrechtlichen Regelungen für Bagatellsachen – in erster Linie die Vorschrift des § 278 Abs. 5 S. 2 ZPO. Dadurch wird jedoch lediglich die Möglichkeit für das Gericht eröffnet, in geeigneten Fällen den Parteien eine außergerichtliche Streitschlichtung – in der Regel eine Mediation – vorzuschlagen und geregelt, dass in diesem Fall das Ruhen des gerichtlichen Verfahrens angeordnet wird (§ 278 Abs. 5 S. 3 ZPO). Über das Verfahren an sich, das weitere Vorgehen, die Anforderungen an den Mediator wird hingegen nichts gesagt; insofern fehlt jegliche Regelung. Es drängt sich nun die Frage auf, weshalb Frankreich hier schon weiter ist als Deutschland.
I. Gründe für die gegenwärtige allgemeine Mediations-Faszination Um dies zu beantworten, muss zunächst auf die Frage eingegangen werden, weshalb es überhaupt in den letzten Jahren zu dieser Mediationsbewegung gekommen ist. Man kann von einem regelrechten Trend, der sich über die Ländergrenzen hinwegzieht, sprechen. Als Hauptgrund für diese Hinwendung zu alternativer Streitschlichtung wird die Unzufriedenheit mit der Rechtsschutzgewährung durch die staatliche Justiz genannt. Die Prozesse werden auch in der westlichen Welt – unabhängig vom jeweiligen Prozessmodell – aus den verschiedensten Gründen teurer und dauern länger. Beispielsweise hängt dies zusammen mit der zunehmenden Notwendigkeit der Sachverständigenbestellung verbunden mit der Überlastung der hierfür geeigneten Personen. Eine andere Ursache ist die Komplexität des Rechts und die zunehmende Überregulation. Jedoch werden unter anderem auch fiskalische Erwägungen angeführt; durch die Anwendung gütlicher Streitbeilegungsverfahren könnten nämlich die öffentlichen Ausgaben kontrolliert und bestenfalls gekürzt werden928. Man wird wohl sogar von einer Krise des modernen Zivilprozessrechts sprechen können929. Ein Zusammenhang wird dabei auch mit dem Prozessmodell des jeweiligen Landes hergestellt. So setzten sich Streitschlichtungsmethoden zunächst in den Ländern durch, deren Zivilprozess von der Parteienherrschaft und weniger von einem „starken Richter“ geprägt ist. Es sind nämlich bezeichnenderweise diese Länder, die Probleme mit überlanger Verfah-
928 Orfanidis, ADR, in Gottwald, Aktuelle Entwicklungen, S. 61 (74 ff.); Rechberger, Rückblick, in Gottwald, Aktuelle Entwicklungen, S. 1 (22); Hager, Konflikt und Konsens, S. 17. 929 So u. a. auch Rechberger, Rückblick, in Gottwald, Aktuelle Entwicklungen, S. 1 (21 f.); Hager, Konflikt und Konsens, S. 3, 16 ff., der von einer „Krise des modernen Rechts“ spricht.
238
Kap. 3: Abschließende Würdigung
rensdauer haben – zu denken ist hierbei im Besonderen an die angloamerikanischen Rechtssysteme930. Insofern stellt die gütliche Streitbeilegung eine echte Alternative zu den herkömmlichen Konfliktlösungsmethoden dar. Mit ihr wird sogar der freie Zugang zur Rechtsgewährung verbunden931. Mit der Kritik an der Rechtspflege geht auch ein allmählicher Wandel des Verständnisses der Justiz einher, nämlich Justiz mehr als Dienstleistung als als Staatsgewalt932. Daneben ist auch die zunehmende Individualisierung des Rechts zu nennen, die die Akzeptanz des Richterspruchs erschwert. Die Parteien scheinen für die Lösung ihrer Streitigkeiten und damit die Wiederherstellung des Rechtsfriedens immer weniger rechtlichen Erwägungen und dem Richterspruch zu vertrauen als vielmehr Lösungen, die jenseits rechtlicher Regelungen gefunden werden. Sie verlassen sich eher auf ihr Rechtsgefühl und greifen auf die Ethik zurück. Es wird ein gewisses „Misstrauen gegenüber einer rechtlichen Über-Regulierung“ deutlich933. Dagegen wird durch eine Rücknahme der Regulation, insbesondere in Form der „Rückgabe der Konflikte an die Betroffenen zur Selbstregulierung“ gesteuert. Es wird hierbei von „Deregulierung durch Selbstregulierung“ gesprochen934. Am Beispiel der teilweisen Nicht-Anwendung der Prinzipien eines fairen Verfahrens – wie dem des rechtlichen Gehörs – in der Mediation wird deutlich, dass eine Änderung der Rechtskultur im Gange ist. Die Schlagworte dieses Zeitgeistes sind: Privatisierung, Individualisierung, Flexibilisierung sowie schlanker Staat. Der Trend geht weg von staatlicher Regulierung hin zum selbstverantwortlichen Tun nach der Art „jeder nach seiner façon“. Dies soll dabei möglichst privat, nicht streitig erledigt und administrativ durchgesetzt werden. Neben der Individualisierung des Rechts steht auch eine gewisse Tendenz, Rechtspflegeaufgaben zu privatisieren935. So geht der Trend dahin, Staat und Recht unter ökonomischen Aspekten zu betrachten. Folge davon ist eine Art „,out-sourcing‘ der Rechtspflege“, die sich unter anderem in Form mediativer Verfahrenserledigung niederschlägt936. 930 Rechberger, Rückblick, in Gottwald, Aktuelle Entwicklungen, S. 1 (10 ff., 21 f.); Stürner, FS Schumann, S. 491 (505). 931 Rechberger, Rückblick, in Gottwald, Aktuelle Entwicklungen, S. 1 (22); Orfanidis, ADR, in Gottwald, Aktuelle Entwicklungen, S. 61 (74). 932 Canivet, JCP G 2001, I 361, 2085 (2085). 933 Rechberger, Rückblick, in Gottwald, Aktuelle Entwicklungen, S. 1 (22); Hager, Konflikt und Konsens, S. 3, 18, 34 ff. 934 Hager, Konflikt und Konsens, S. 39. 935 Orfanidis, ADR, in Gottwald, Aktuelle Entwicklungen, S. 61 (115). 936 Stürner, Neuere Prozessrechtsreformen, S. 29 (34, 37).
B. Vergleich des französischen und des deutschen Status quo
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II. Erklärungsversuche für den Vorsprung Frankreichs gegenüber Deutschland Es entspricht also dem allgemeinen Zeitgeist, Streitschlichtungsmethoden zu fördern und sie häufig auch der gerichtlichen Lösung von Konflikten vorzuziehen. Wie ist es nun zu erklären, dass gerade Frankreich – wie die Arbeit gezeigt hat – seinem Nachbarland Deutschland in dieser Hinsicht ein Stück voraus ist? Dadurch, dass die gütliche Streitbeilegung – in welcher Form auch immer – in vielen Prozessordnungen normiert wird, durch ihre systematische Stellung sowie ihre Zuordnung zu den Verfahrenszwecken und den Aufgaben des Gerichts – wie dies unter anderem im französischen Recht der Fall ist – erfolgt zweifellos eine Aufwertung der Streitschlichtung937. In Frankreich hat die auch im Prozessrecht verankerte Institution insbesondere mit dem juge de paix eine lange Tradition. Zwar gab es auch in Deutschland immer wieder Formen gütlicher Streitbeilegung, jedoch waren diese nie so sehr verwurzelt wie dies in Frankreich der Fall war. Auch der Zusammenhang zwischen Effektivität des staatlichen Rechtsschutzes und der Entwicklung alternativer Streitschlichtungsverfahren938 kann den kleinen Vorsprung Frankreichs erklären. Denn der Rechtsschutz deutscher Zivilgerichte dürfte ein bisschen schneller sein als der der französischen939 – auch wenn hier gewiss kein Vergleich mit der Diskrepanz zur Verfahrensdauer angloamerikanischer Prozesse besteht. Darüber hinaus werden im deutschen Prozess schon sehr viele Vergleiche durch den Richter geschlossen940. Insofern ist hier die Zufriedenheit mit der Justiz wohl etwas höher und das Bedürfnis nach Alternativen somit etwas geringer. Des Weiteren wurde eine Verbindung einer im Prozessrecht angelegten starken Stellung des Richters und der Neigung zu alternativen Streitschlichtungsmodellen hergestellt. Sieht sich der Staat verpflichtet, eine rasche und richtige Entscheidung herbeizuführen und damit Privatrechtsstreitigkeiten zu beseitigen, so gibt er dem Richter eine starke Position mit Befugnissen zur Sachaufklärung941. Historisch war der deutsche Zivilprozess bei der Schaffung der Civilprozessordnung 1877 zunächst entsprechend der liberalen Wertvorstellungen des
937
Orfanidis, ADR, in Gottwald, Aktuelle Entwicklungen, S. 61 (72). Orfanidis, ADR, in Gottwald, Aktuelle Entwicklungen, S. 61 (75). 939 Vgl. hierzu Annuaire statistique de la Justice 2006, , S. 71 und Geschäftsentwicklung der Zivilsachen, Stand 16.06.2006, . 940 Stürner, Neuere Prozessrechtsreformen, S. 29 (34). 941 Siehe hierzu Stürner, Richterliche Aufklärung, insbes. S. 2 ff., 6 ff. 938
240
Kap. 3: Abschließende Würdigung
ausgehenden 19. Jahrhunderts vom Liberalismus geprägt mit weitgetriebener Parteiherrschaft und einem „passiven“ Richter. Darüber hinaus wurde der deutsche Zivilprozess gemäß Rudolf von Jhering lange als „Kampf um’s Recht“ verstanden942. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wandelte sich jedoch das Verständnis des Prozesses dahingehend, dass er auch eine „soziale Aufgabe“ habe. Diese Sozialstaatlichkeit des Verfahrens fand durch die Novellengesetzgebung ihren Niederschlag in der allmählichen Zurückdrängung der Parteiherrschaft, der „aktiveren“ Rolle des Richters, der stärkeren Betonung der Parteipflichten und der Ethisierung des Prozesses. Insbesondere wurde auch die Wahrheitspflicht eingeführt (§ 138 Abs. 1 ZPO). Die Rechtspflege diente demnach nicht nur den Parteien, sondern auch und insbesondere der allgemeinen Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden943. Vor diesem Hintergrund wird Wert gelegt auf eine richtige Entscheidung. In anderen Rechtskreisen überwiegt hingegen die Parteiherrschaft, die Stellung des Richters ist dementsprechend schwächer944. Frankreich erlebte in seiner Geschichte die französische Revolution. Dort begehrte das Volk gegen die Obrigkeit auf. Das Vertrauen in den Staat ist geringer, die Bürger haben daher eine Tendenz, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Dem Richter kommt – im Vergleich zum deutschen Richter – eine eher passive Rolle zu. Dies fördert wiederum die Hinwendung zu alternativen Streitbelegungsverfahren945. Darüber hinaus hat der deutsche Richter seit jeher eine Doppelrolle inne – neben der des Richters auch – gleichberechtigt – die des Schlichters (heute § 278 Abs. 1 ZPO). Zwar ist dies in Frankreich vom Nouveau code de procédure civile ebenso angelegt, indem in Art. 21 ausdrücklich seine schlichtende Aufgabe festgeschrieben ist. Allerdings spricht gegen die volle Akzeptanz des schlichtenden Elements seitens des französischen Richters die Tatsache, dass bereits vor der gesetzlichen Regelung der Art. 131-1 ff. NCPC einige Richter die Schlichtung an einen dritten médiateur übertrugen946. Die reservierte Haltung deutscher Richter gegenüber alternativer Streitschlichtung wird überdies auch damit erklärt, dass dies von der Justiz insofern als Fremdkörper empfunden wird, als ein entsprechender Vorschlag nach dem richterlichen Selbstverständnis mit Rechtsschutzverweigerung gleichgesetzt bzw. befürchtet wird, die Parteien könnten dies als solche verstehen947.
942
v. Jhering, Der Kampf um’s Recht; siehe auch Althammer, JZ 2006, 69 (71). Siehe Zöller-Vollkommer, ZPO, Einleitung Rn. 1 ff.; vgl. auch Strempel, in Strempel, Mediation für die Praxis, S. 7 (7 f.). 944 Vgl. hierzu Althammer, JZ 2006, 69 (71); Rechberger, Rückblick, in Gottwald, Aktuelle Entwicklungen, S. 1 (8). 945 Stürner, FS Schlosser, S. 5 (12). 946 Stürner, FS Schlosser, S. 5 (11). Vgl. hierzu oben S. 57 ff. 947 Althammer, JZ 2006, 69 (69). 943
C. Das französische Modell als Vorbild für eine deutsche Lösung?
241
C. Das französische Modell als Vorbild für eine deutsche Lösung? Man kann sich die Frage stellen, ob es nicht ausreicht, dass die deutsche Zivilprozessordnung das obligatorische Güteverfahren in § 278 Abs. 2 eingeführt hat. Bisher scheint bereits dieses – und noch weniger die nach § 15a EGZPO eingeführten Schlichtungsverfahren – nicht wirklich gut angenommen zu werden und große Erfolge zu zeitigen. Insbesondere die Güteverhandlung wird wohl häufig als bloße Durchlaufstation wahrgenommen948. Auch ist bereits die gerichtsnahe Mediation möglich (§ 278 Abs. 5 S. 2 ZPO), allerdings wird von ihr – wenn man von den Modellprojekten einmal absieht – kaum Gebrauch gemacht. Diese Möglichkeit ist vielmehr im Bewusstsein der Richter noch nicht als solche verankert. Ist es da überhaupt noch sinnvoll, dieses weitere Verfahren durch ausführlichere Regelung auszubauen? Diese Frage ist eindeutig zu bejahen. Zum einen ist es ein bedeutender Unterschied, wenn der Versuch einer gütlichen Einigung von einer dritten, vom mit dem Streit befassten Richter verschiedenen Person durchgeführt wird. Denn der Richter ist derjenige, der – sollte der Streitschlichtungsversuch erfolglos bleiben – über den Rechtsstreit entscheidet; er befindet sich dadurch in einem Rollenkonflikt zwischen Schlichten und Richten949. Diese Tatsache bringt es mit sich, dass die Parteien weniger offen sprechen werden, als es der Fall wäre, wenn dies vor und mithilfe einer unbeteiligten Person geschehen würde; denn sie sind sich bewusst, dass der Richter die im Streitbeilegungsverfahren erhaltenen Informationen nun kennt und Gefahr läuft, sie gegebenenfalls – zumindest unbewusst – im späteren Gerichtsverfahren zu verwerten. Die fehlende Entscheidungsmacht des Mediators stellt mithin einen bedeutenden Unterschied zur Güteverhandlung durch den Richter dar. Insofern sind Mediationsversuche vor einem Dritten erfolgversprechender, als es der Gütetermin vor dem Richter ist. Ein weiterer Vorteil der gerichtsnahen Mediation gegenüber den anderen existierenden Verfahren nach § 278 Abs. 2 ZPO und § 15a EGZPO ist die Freiwilligkeit der Mediation. Zwar kann und soll das Gericht den Parteien bei geeigneten Fällen die Mediation vorschlagen; die Entscheidung, ob ein solches Verfahren tatsächlich durchgeführt wird, liegt jedoch allein bei den Parteien. Dies ist ein bedeutender Unterschied zur Güteverhandlung oder zum obligatorischen außergerichtlichen Schlichtungsverfahren. Beide sind verpflichtend durchzuführen. Beim Schlichtungsverfahren nach § 15a EGZPO besteht zudem noch die Möglichkeit, es durch die Durchführung eines Mahnverfahrens zu umgehen, wovon in der Praxis auch rege Gebrauch gemacht wird. Der obligatorische Charakter dieser 948 Vgl. Stürner, FS Schlosser, S. 5 (10); für § 278 Abs. 5 S. 2 ZPO Althammer, JZ 2006, 69 (69). 949 Siehe auch Stürner, FS Schlosser, S. 5 (13 f., 16); ders., Richterliche Aufklärung, S. 70.
242
Kap. 3: Abschließende Würdigung
Schlichtungsverfahren scheint durchaus ein Grund dafür zu sein, dass sie in der Praxis so schlecht angenommen werden950. Kann nun also die französische Regelung der médiation judiciaire als Vorbild für eine deutsche Lösung dienen? Wie bereits ausgeführt, können die Art. 131-1 ff. NCPC als durchaus gelungen bezeichnet werden. Eine gewisse, über § 278 Abs. 5 S. 2 ZPO hinausgehende Regelung der gerichtsnahen Mediation ist auch in Deutschland wünschenswert. Insbesondere die folgenden Punkte erscheinen regelungsbedürftig: Es sollten klare Grundanforderungen an die Person des Mediators gestellt und festgelegt werden. Standards an seine Ausbildung sowie seine Qualitäten und Kenntnisse sollten klar definiert sein. Dabei ist nicht unbedingt erforderlich, dass es nur einen einzigen Ausbildungsweg gibt, vielmehr spricht durchaus etwas für verschiedene Angebote mit eventuell auch unterschiedlicher Akzentuierung – auf diese Weise wird ein Wettbewerb angeregt. Allerdings sollten eben – dem französischen Modell entsprechend – gewisse Grundlinien vorgegeben sein. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Sicherung der Unabhängigkeit des Mediators. Es muss darauf geachtet werden, dass es sich um eine neutrale Person handelt. Zu vermeiden ist, dass der Mediator quasi von einer – der stärkeren – Partei „mitgebracht“ wird. Dadurch würden das Gleichgewicht und die Fairness zwischen den Parteien gefährdet. In diesem Zusammenhang wäre die Schaffung von Befangenheitsregeln – nach dem Vorbild der Regelungen für den Richter, jedoch unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Mediationsverfahrens – sinnvoll. Des Weiteren ist eine Regelung der Vertraulichkeit erstrebenswert. Sie ist eine wichtige Basis für eine erfolgreiche Mediation. Ohne die Garantie der Vertraulichkeit wird es den Parteien schwerfallen, im Mediationsverfahren offen zu sein, was wiederum gerade unbedingte Voraussetzung für sein Gelingen ist. Neben Beweisverwertungsvorschriften951 sollte der Gesetzgeber insbesondere ein entsprechendes Zeugnisverweigerungsrecht des Mediators formulieren, damit die Vertraulichkeit – unabhängig vom Grundberuf des Mediators – gewährleistet ist und nicht auf umständliche Konstruktionen zurückgegriffen werden muss, um eine Aussage des Mediators über Inhalt und Ablauf des Mediationsverfahrens vor Gericht zu verhindern952.
950
In diese Richtung Stürner, FS Schlosser, S. 5 (10). Anders insofern Kayser, S. 211, der das Beweisverwertungsverbot im französischen Recht kritisch sieht und im Sinne einer schnellen Lösungsfindung und der Möglichkeit eines unmittelbaren Übergangs ins streitige Verfahren für seine Beseitigung plädiert. 952 So auch Hager, Konflikt und Konsens, S. 121. 951
C. Das französische Modell als Vorbild für eine deutsche Lösung?
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Nicht zuletzt wäre eine Fixierung der Grundprinzipien der Mediation verbunden mit einer kurzen Erläuterung wünschenswert. Es ist jedoch darauf zu achten, dass keine Überregulierung der integrierten Mediation erfolgt. Zwar ist es erstrebenswert und sinnvoll, die Leitlinien zu regeln; es sollen aber auch gewisse Freiräume belassen werden, damit sich dieses Verfahren in der Praxis entwickeln und entfalten kann953. Es sollte eine „geglückte Balance“ zwischen Regulierung und Selbstregulierung gesucht werden954. Eine Komplettregelung ist daher nicht anzustreben. Wichtig ist darüber hinaus vor allem, dass zunächst die Richter von der integrierten Mediation überzeugt sind. Dies ist derzeit – abgesehen von den Pilotprojekten – noch eher selten der Fall. In Deutschland wird von der Möglichkeit des § 278 Abs. 5 S. 2 ZPO selten bis gar kein Gebrauch gemacht955. Aber auch in Frankreich sieht die Praxis nicht überall rosig aus. Es gibt einige Gerichte und Richter, die mit großem Engagement und Enthusiasmus die Möglichkeiten der Art. 131-1 ff. NCPC ausschöpfen956. Allerdings ist dies bei Weitem nicht überall der Fall. So haben beispielsweise von den im Rahmen einer Studie befragten tribunaux de grande instance 88 % erklärt, im Monat Oktober 2001 keine médiation judiciaire angeordnet zu haben. Durchschnittlich wird in nur etwa 0,3 % der Fälle – das Familienrecht ausgenommen – eine médiation judiciaire angeordnet. Bei den tribunaux d’instance gaben 98 % an, im fraglichen Zeitraum in keine médiation verwiesen zu haben, bei den cours d’appel betrug diese Quote 82 %; dort ergibt sich eine Verweisungsrate von 0,5 %. Dort, wo die médiation judiciaire etabliert ist und eingesetzt wird, erzielt sie jedoch gute Erfolge957. Dasselbe gilt im Übrigen für die meisten deutschen Modellversuche958. Es hängt mithin viel von der Persönlichkeit und Einstellung des Richters zu diesem Verfahren ab. Man muss somit bereits vor der Durchführung einer Mediation ansetzen und die Richter für dieses Verfahren begeistern und sie ausführlich informieren und schulen, damit sie in der Lage sind, es in geeigneten Fällen bei den Parteien anzuregen. Eine sinnvolle Idee kann in diesem Zusammenhang auch die Einrichtung von obligatorischen Informationsterminen sein, in denen die Parteien, denen eine Mediation vorgeschlagen werden soll, 953
Für möglichst wenig Reglementierung Stürner, FS Schlosser, S. 5 (18, 30). So Hager, Konflikt und Konsens, S. 40. 955 Althammer, JZ 2006, 69 (69); so das Ergebnis des Abschlussberichts von Greger zum Forschungsprojekt „Außergerichtliche Streitbeilegung in Bayern“, , S. 91 f.; Hommerich u. a., Evaluation ZPO-Reform, S. 83 ff., 276 f. 956 Beispielsweise das TGI Rochefort in Familiensachen, die cour d’appel von Grenoble in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten. Vgl. Moreau/Munoz Perez/Serverin, La médiation judiciaire civile en chiffres, S. 17, 33. 957 Vgl. die Statistiken der Studie von Moreau/Munoz Perez/Serverin, La médiation judiciaire civile en chiffres, S. 5 f., 31–34. 958 Vgl. auch Hommerich u. a., Evaluation ZPO-Reform, S. 86 f. 954
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Kap. 3: Abschließende Würdigung
über das Verfahren aufgeklärt werden. In einem nächsten Schritt ist denkbar, kostenrechtliche Sanktionen für vergleichsunfreundliches Verhalten vorzusehen und somit einen Anreiz, einen Mediationsversuch zu unternehmen, zu schaffen959.
D. Ausblick Das Nebeneinander von Mediationsangeboten und Gerichtsverfahren deutet darauf hin, dass die Art und Weise der Konfliktregelung durch den Markt reguliert werden soll. Das „bessere“ bzw. das für den jeweils Betroffenen individuell am besten passende und am besten geeignete Angebot möge sich durchsetzen. Setzt sich die Mediationswelle – man wird wohl durchaus von einer „Welle“ sprechen können – in der Weise durch, wie es zurzeit den Anschein hat, so könnte man gar wagen, von einer „Kulturrevolution im Recht“ zu sprechen. Ob sich dieser Trend auf Dauer durchsetzt, bleibt abzuwarten. Um die Wertschätzung der Regelhaftigkeit wieder zu erwecken, wird wohl ein Zusammenbruch nötig sein. Ist nun ein schlechter Vergleich besser als ein guter Prozess? So pauschal wird man das wohl nicht sagen können. Denn was haben die Parteien von einem Vergleich, der sie letztlich nicht zufriedenstellt? Abgesehen davon gibt es viele Konstellationen und Arten von Streitigkeiten oder auch Typen von Personen, in denen bzw. für die eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits nicht die geeignete Form der Lösung ist. Zu denken ist dabei nur an Fälle, in denen eine grundsätzliche Rechtsfrage gelöst werden soll. Was man aber sagen kann, ist, dass es lohnenswert ist, sich um eine gütliche Einigung zu bemühen.
959
Stürner, FS Schlosser, S. 5 (30); Althammer, JZ 2006, 69 (71).
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Sachwortverzeichnis Alternative Dispute Resolution (ADR) 19 Alternative Streitschlichtung 19 f., 90 Anwälte 49, 88 f., 102, 109 f., 124, 130 f., 142, 152, 182, 194 f., 196 ff., 235 association 62 f., 127 ff. Befangenheit 132, 159, 193, 242 Berichtspflicht siehe Informationspflicht Beweisbeschränkung 168 ff. Beweismittelbeschränkung siehe Vortragsund Beweismittelbeschränkung CMAP (Centre de Médiation et d’Arbitrage de Paris) 230 conciliateur 38 f., 104 ff. conciliateur de justice 67 ff., 110 f., 113 ff. – Ausbildung 117 ff. conciliation 29 ff., 100 f. – „grande“ conciliation 46 f., 51 f. – „petite“ conciliation 47, 53, 56 conciliation judiciaire 66 ff. – Regelungen 27 ff. Dritter 104 ff. – Anforderungen 104 ff. – Ausbildung 117 ff. – Berufsgruppen 110 ff. – siehe auch conciliateur, médiateur und Mediator Einigungsprotokoll 25, 71, 155, 184, 205, 210 f. Europäischer Verhaltenskodex für Mediatoren 172 f.
Faires Verfahren (Fairness) 174 ff., 177 ff., 210, 235, 242 Französische Revolution 60 f., 240 Freiwilligkeit 21, 84, 88, 184 ff., 235, 241 Güteverhandlung 74 ff., 186, 241 f. Güteversuch – obligatorischer 75 f., 80, 83 Gütliche Streitbeilegung 20, 27 f., 39 f., 75 f., 82 f., 234, 238 f. Individualisierung des Rechts 61, 238 Informationspflicht 146 ff. – Sinn 147 f. – Umfang 148 f. juge de paix 40 ff., 43 ff., 239 juridiction de proximité 24 ff., 29 ff., 34, 37 f., 40, 61, 66, 191, 196 ff., 236 justice de paix 41 ff., 186 Kontradiktionsprinzip siehe Rechtliches Gehör Kosten – conciliation 71 f. – Gerichtsverfahren 232 – Hinterlegung 63 f., 219 ff. – Kostenverteilung 39, 80, 230 ff. – Mediation 39, 65, 88, 218 ff., 235 – Stundenhonorar 230 f. – Tarife 230 – siehe auch Vergütung Krise der Justiz 98 f. MARC (Modes alternatifs de Règlement des Conflits) 19, 99
Sachwortverzeichnis médiateur 38 f., 62 f., 104 ff. – Ausbildung 122 ff. Mediation – auferlegte 185 ff., 235 – außergerichtliche 95 ff., 237 – Begriff 20, 27 f., 36 – Definition 20, 36 – Faszination 237 f. – gerichtsnahe 21, 74 ff., 95, 103, 241 f. – Modellprojekte 85 ff. – Prinzipien 21, 133 ff., 207, 210, 243 médiation conventionnelle 95 f. médiation judiciaire 62 ff., 95 f. – Regelungen 34 Mediator – Ausbildung 130 ff., 242 – Definition 168, insbes. Fn. 662, 171 – Standards 132 f., 234, 242 Mediatorenliste 128 ff., 133 Modellprojekte zur gerichtsnahen Mediation 85 ff. – „Gerichtsnahe Mediation in Niedersachsen“ 87 ff. Neutralität 21, 106 f., 113, 132, 145, 176 f., 180, 183, 202 f., 207 f., 210 Obligatorischer Informationstermin 189 f. Obligatorischer Mediationsversuch 185 f. Öffnungsklausel 78, 81 f., 84, 186, 236 f. – Umsetzung 81 f., 84 ordonnance sur requête 27 „out-sourcing“ der Rechtspflege 238 Pflichtmediation 187 f., 190 Prozesskostenhilfe 65, 200, 219, 225, 233, 235 Prozessvergleich 75 ff., 94 Rechtliches Gehör 177 ff., 183 Rechtsanwälte siehe Anwälte Rechtsschutzgewährung 237
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Redlichkeit 63, 178, 183 référé-Verfahren 26 f., 62, 162 ff., 217 Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission zur Mediation 20, 165 ff. Sachverständiger 115 ff., 132, 151, 193, 208 Streitschlichtung – alternative 19 f. – außergerichtliche 76 ff., 78, 82 ff., 187, 195, 237 – obligatorische außergerichtliche 78, 84, 235 transaction 28 tribunal de grande instance (TGI) 22 ff., 26 f., 29, 32, 55, 143 tribunal d’instance (TI) 24 ff., 29 ff., 34, 37, 39 f., 48 ff., 54 ff., 66 ff., 111, 186, 191, 196 f., 199, 213 „Über-Regulierung“ 236, 238, 243 Unabhängigkeit 21, 63, 106 ff., 119, 126, 175, 193, 242 Ungleichgewicht zwischen den Parteien 108, 182 f., 199, 210 Unparteilichkeit 21, 106 ff., 125, 140 f., 142, 175 ff., 183, 193 USA 20, 186 Verfahrensdauer 20, 58, 237 f., 239 Verfahrensgarantien 174 ff. Vergütung 39, 63 f., 65, 114 f., 218 ff. – Festsetzung 224 ff. – formalisiertes Hinterlegungsverfahren 63 f., 218 ff. – vereinfachtes Vorauszahlungsverfahren 222 f. – siehe auch Kosten der Mediation Verschwiegenheitspflicht 135 ff., 145, 152 ff., 164, 167 ff., 172 ff. Vertragsstrafe 158, 161 f., 165, 173 Vertraulichkeit 21, 70, 84, 114, 133 ff., 235, 242
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Sachwortverzeichnis
– Adressaten 141 ff. – Gefahrenquellen 149 ff. – Regelung 134 ff. – Reichweite 145 f. – Sinn und Zweck 138 ff. Verwertungsverbot 65, 151, 157, 159 f., 165, 167 Vortrags- und Beweismittelbeschränkung 159 ff., 173, 235 Zeitpunkt der Mediation 235
38, 211 ff.,
Zeugenaussage des Mediators 150 ff. – strafrechtliches Verfahren 155 ff. – zivilrechtliches Verfahren 151 ff. Zeugnisverweigerungsrecht des médiateur/Mediators 151 ff., 155 ff., 164, 167, 170 f., 173, 235, 242 Zivilprozess – deutscher 73 ff., 239 f. – französischer 22 ff., 40 ff., 174 ff., 239 f. Zustimmungserfordernis 184 ff., 191 ff. – für Person des médiateur 191 ff.