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German Pages 23 Year 2010
Die Hellenisierung des Semitischen Monotheismus
Analecta Gorgiana
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Series Editor George Anton Kiraz
Analecta Gorgiana is a collection of long essays and short monographs which are consistently cited by modern scholars but previously difficult to find because of their original appearance in obscure publications. Carefully selected by a team of scholars based on their relevance to modern scholarship, these essays can now be fully utilized by scholars and proudly owned by libraries.
Die Hellenisierung des Semitischen Monotheismus
Adolf Deissmann
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gorgias press 2010
Gorgias Press LLC, 180 Centennial Ave., Piscataway, NJ, 08854, USA www.gorgiaspress.com Copyright © 2010 by Gorgias Press LLC Originally published in 1903 All rights reserved under International and Pan-American Copyright Conventions. No part of this publication may be reproduced, stored in a retrieval system or transmitted in any form or by any means, electronic, mechanical, photocopying, recording, scanning or otherwise without the prior written permission of Gorgias Press LLC. 2010 ' ^
1 ISBN 978-1-60724-272-7
ISSN 1935-6854
This is a facsimile edition of the book by the same title published by B. G. Teubner, Leipzig, 1903.
Printed in the United States of America
Vorwort. Die nachfolgenden Blätter sind die erweiterte und mit Anmerkungen versehene Wiedergabe eines Vortrags, den ich in der VIII. Sektion (Wechselwirkungen zwischen Orient und Occident) des XIII. Internationalen Orientalistenkongresses in Hamburg am 8. September 1902 gehalten habe. Ich lasse die im Jahrgang 1903 der „Neuen Jahrbücher für das klassische Altertum etc." abgedruckte Arbeit auch in diesem Sonderdrucke erscheinen, weil ich sie der literarischen Kritik aussetzen möchte. Sollte sich jemand über den Frühling in der Widmung wundern, so darf ich antworten, daß bei uns auch heuer wieder die ersten Mandelbäume um den 20. Februar in Blüte kamen. Wir denken dabei — mehr im Sinne von Jeremia 1,11 als von Ekklesiastes 12,5, wo das dv^ßj] ro ¿tuvydalov pessimistische Gefühle erweckt — an den Frühling und freuen uns auf das, was der Frühling sonst noch alles bringen wird. H e i d e l b e r g , den 25. Februar 1903.
A. D.
Alexander der Große hatte die antike Welt umgestaltet. Wichtiger noch als die Zerstörung der alten und die Entstehung der neuen politischen Gebilde erscheint dem Erforscher der menschlichen Kultur die große Tatsache, die ja wohl auch als eine der deutlichsten Nachwirkungen der Siege des Makedoniers bezeichnet werden darf: die Entstehung einer griechischen Weltsprache. Hervorgegangen aus einer Mischung der alten Mundarten, besonders der ionischen und attischen, ausgestattet mit dem Erbgut der unverbildeten Sprache des lebendigen Verkehrs, von der Welt des Südens und Ostens durch manches Stück bereichert, aber auch aus eigener jugendlicher Kraft Neues entfaltend, wuchs das Weltgriechisch 1 ) in der Diadochenzeit seiner welthistorischen Bestimmung entgegen. Die Welt hatte auf diese Sprache gewartet, denn sie wartete auf die Weltreligion. Ohne die Weltsprache würde die Weltreligion eine historische Unmöglichkeit gewesen sein. Durch die Weltsprache wurden der Weltreligion die Wege geebnet von ihrer semitischen Heimat in die nichtsemitische Welt des Mittelmeerbeckens. Die eine Sprache diente dem einen Gott. Für die künftige Weltmission des Christentums ist die vorchristliche durch die hellenistische Weltsprache ermöglichte Hellenisierung des semitischen Monotheismus die unentbehrliche Vorarbeit. Was heißt Hellenisierung des semitischen Monotheismus? Wir verstehen unter Hellenisierung des semitischen Monotheismus die nach der Einwanderung des jüdischen Gottesglaubens in die westliche Welt erfolgende formale und materiale Anpassung dieses Glaubens an diese Welt. Wir denken *) Diese Auffassung der Koivvt ist näher begründet in dem Artikel 'Hellenistisches Griechisch (mit besonderer Berücksichtigung der griechischen Bibel)', Realenzyklopädie f ü r protestantische Theologie u n d Kirche, 3. Aufl. VII 627—639. Vgl. besonders P. Kretschmer, Die Entstehung der Koine, Sitzungsberichte der Kais. Akademie der Wissenschaften in Wien, philos.-historische Klasse Bd. CXLIII, Wien 1900; A. Thumb, Die griechische Sprache im Zeitalter des Hellenismus. Beiträge zur Geschichte und Beurteilung der KOINH, Straßb u r g 1901; E. Schwyzer, Die Weltsprachen des Altertums in ihrer geschichtlichen Entwicklung, Berlin 1902, S. 9—18. 1 -t
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dabei nicht vorwiegend an den Hellenisierungsprozeß, der sich in den mit griechischer Philosophie in direkter Fühlung stehenden literarischen Kreisen des alexandrinischen Judentums vollzog. Dieser Prozeß ist zwar ein Kapitel aus unserem Thema, aber nicht das wichtigste, obwohl er seither fast ausschließlich beachtet worden ist. 1 ) Bedeutsamer erscheint dem Forscher, der die Geschichte der Religion mehr mit Interesse für die lebendige Frömmigkeit als für die Doktrinen betrachtet, ein anderer Hellenisierungsprozeß: jener Prozeß, der sich innerhalb der Septuagintabibel vollzogen hat, und der sich durch die Septuagintabibel immer mehr vollziehen mußte. Dieser Hellenisierungsprozeß, obwohl nicht unbeeinflußt von dem Geiste jener literarischen, gelehrten Schicht, ist seiner ganzen Art nach wesentlich volkstümlicher Natur; denn die Septuagintabibel ist gewesen, was die Werke eines Philo von Alexandrien nie sein konnten, Volksbuch, allsabbathlich gelesen von Hunderten und gehört von Tausenden. Wie sie hervorgegangen ist aus den Bedürfnissen nicht etwa der gelehrten Kreise, sondern der jüdischen Gemeinde, so hat sie auch ihre Wirkung nicht bloß bei denen gehabt, die sie als Exegeten und Kanonisten studierten, sondern wesentlich auch in den unliterarischen Kreisen der mittleren und unteren Schicht. Und diese stille Wirkung des Volksbuches auf das Volk ist die religionsgeschichtlich recht eigentlich bedeutsame; denn der Einfluß etwa des ilcov TCXUTCOVÜ^COV auf die Folgezeit ist, so bedeutend er auch gewesen sein mag, doch wesentlich eine Wirkung auf die Reflexion und die wissenschaftliche Methode gewesen — auf die mehr oder weniger naive Frömmigkeit eine Wirkung höchstens aus dritter oder vierter Hand. Von der Hellenisierung des semitischen Monotheismus, wie sie ihr wichtigstes Denkmal und zugleich ihren stärksten Faktor in der griechischen Volksbibel gehabt hat, werden wir also zu handeln haben; die Kenntnis jener anderen, mehr gelehrten Hellenisierung darf vorausgesetzt werden. Wie hat sich die Hellenisierung, die wir im Auge haben, vollzogen? Die Antwort scheint ohne Schwierigkeiten zu sein; dennoch sind wir von einer wirklich historischen Auffassung der Tatbestände weit entfernt. Was die Aufhellung unseres Problems zur Zeit am meisten hindert, ist eine auf dem Standpunkte der neueren griechischen Sprachwissenschaft nicht mehr zu haltende Auffassung des sogenannten 'biblischen' Griechisch. Weil die Hellenisierung des semitischen Monotheismus nur möglich war durch das Vorhandensein einer griechischen Weltsprache, deshalb ist die Beantwortung unserer religionsgeschichtlichen Frage von der sprachgeschichtlichen Beurteilung hauptsächlich der Septuagintabibel abhängig zu machen. Versuchen wir eine Antwort zu skizzieren, die im Einklang steht mit der gegenwärtigen gräzistischen Forschung. Begonnen hat die Hellenisierung — und zwar zunächst als eine inner') Aus älterer Zeit ist namentlich zu nennen A. F. Dähne, Geschichtliche Darstellung der jüdisch-alexandrinischen Religionsphilosophie, 2 Abtheilungen, Halle 1834. Jetzt findet man alles am zuverlässigsten bei E. Schürer, Geschichte des jüdischen Yolkes im Zeitalter Jesu Christi III 3 , Leipzig 1898, §§ 33 und 34. Vgl. auch W. Bousset, Die Religion des Judentums im neutestamentlichen Zeitalter, Berlin 1903, S. 405—431.
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jüdische, mit der Entstehung einer jüdischen Diaspora in der nord- und südwestlichen Welt, hauptsächlich in den sich hellenisierenden Städten Ägyptens und Syriens, wie auf dem älterhellenischen Boden Kleinasiens, des Archipels und Südeuropas. Dasselbe Schicksal, welches die politische Bedeutung des israelitisch-jüdischen Volkes vernichtete, führte den Glauben dieses Volkes einer neuen und großen Zukunft entgegen. Mit rauher Hand aus der Heimat gezerrt und in das Land der Heiden verschlagen, hoben die Ahnherren der jüdischen Diaspora die Augen auf und erblickten die an Wundern reiche Welt der hellenistischen Mittelmeerkultur. Diesen Ersten, die das Unheil und die Gewalt an fremde Küsten geworfen hatte, folgte auf den Karawanen- und Kauffahrteistraßen der Zug derer, die vom Gewinn gelockt wurden. Da und dort entstehen 'Versammlungen' 1 ), und bald sind die Ankömmlinge keine Fremden mehr in der Welt der 'Völker', weil sie dem Zauber dieser Welt nicht widerstehen konnten. Wann und wo die Anfänge der jüdischen Diaspora nach Alexander anzusetzen sind, das liegt freilich im Dunkel.2) Im Dämmerlicht der Geschichte stehen eigentlich bloß die Anfänge der ägyptischen Diaspora3), aber diese werden typisch sein für die Anfänge des Weltjudentums in anderen Gebieten. Daß schon in der frühen und mittleren Ptolemäerzeit das griechische Judentum Ägyptens nicht bloß eine für uns historisch erfaßbare Größe, sondern auch eine kraftvoll sich auswirkende Macht gewesen ist, kann einem ernsthaften Zweifel nicht unterliegen. Mehr als alle Einzelnotizen der Schriftsteller und als die Zeugnisse der Papyri und Inschriften (die zwar in ihrer Gesamtheit ein ansehnliches Material repräsentieren) bedeutet hier ein einziges Dokument: die Septuagintabibel. Sie ist das Werk des ägyptischen Judentums. Als solches lehrt sie uns ein Doppeltes: daß ihre Urheber zwar nicht aufgehört hatten Juden zu sein, daß sie aber bereits mitten in dem großen Prozeß einer innersynagogalen Hellenisierung standen. Das Buch der Siebenzig ist das großartige Dokument zugleich der Pietät seiner Schöpfer gegen die heilige Schrift und ihrer Anpassung an die Welt. Für uns ist es damit die vornehmste historische Quelle für die Ermittelung dessen, was wir Hellenisierung des semitischen Monotheismus nannten. Sie hatten nicht aufgehört Juden zu sein, die Schöpfer dieses Werkes. In die neue Welt hatten die Väter das alte Buch mitgebracht; "das Gesetz und die Propheten und die anderen väterlichen Bücher' 4 ) waren das Palladium, das den Zerstreuten die Kraft des inneren Zusammenhaltes verlieh. Andere Völker und Volksfragmente sind in den Zeitaltern der Säkularisation und Nivellierung spurlos verschwunden, dieses Volk und seine Fragmente rettete der Buchstabe, der Buchstabe, weil er der Träger des Logos war. Dennoch pochte die Welt auch an dieses Sanctissimum. Die Kinder derer, die das Buch mitgebracht hatten, verstanden ja von dem Inhalte der Sabbath*) Das Wort Gvvuymyri (wie später é%zlr\