Die Grundlagen der griechischen Tempuslehre und der homerische Tempusgebrauch: Band 1 9783111422992, 9783111058337


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German Pages 410 [412] Year 1893

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Table of contents :
Vorwort
I. Teil. Die Grundlagen der griechischen Tempuslehre
II. Teil. Das homerische Verbum
A. Verba auf -w mit unverändertem Praesensstamm
B. Verba mit Aoriststämmen, die ohne thematischen Vokal gebildet sind
C. Verba mit thematischem Aorist
D. Verba mit redupliziertem Aorist
E. Dehnklasse
I. Verzeichnis der behandelten Verba
II. Grammatisches Inhaltsverzeichnis
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Die Grundlagen der griechischen Tempuslehre und der homerische Tempusgebrauch: Band 1
 9783111422992, 9783111058337

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DIE GRÜNDLAGEN DER

GRIECHISCHEN TEMPUSLEHRE UND DER

HOMERISCHE

TEMPUSGEBRAUCH.

EIN BEITRAG ZUR HISTORISCHEN SYNTAX DER GRIECHISCHEN SPRACHE

VON

CARL MUTZBAUER.

STRASSBÜRG VERLAG VON KARL J. TRÜBNER 1893.

MEINER VON LANGER SCHWERER KRANKHEIT LANGSAM GENESENDEN

TREUEN LEBENSGEFÄHRTIN, DER VERSTÄNDNISVOLLEN FREUNDIN MEINER STUDIEN.

Vorwort. Mit

dem vorliegenden Buche,

der homerische

Tem-

p u s g e b r a u c h übergebe ich der wissenschaftlichen W e l t den I. Teil

einer Syntax der homerischen Sprache.

Die in dem-

selben niedergelegten Resultate 6ind das Ergebnis einer zwanzigjährigen, zwar vielfach unterbrochenen, aber nie völlig aufgegebenen

Beschäftigung

Zur Beobachtung ich

schon

als Student

Nägelsbach

mit

den

homerischen

Gedichten.

des homerischen Tempusgebrauches

wurde

angeregt durch die Bemerkungen von

über den Gebrauch des Imperfektum und Aorist

bei Homer in den Anmerkungen zur Ilias, und schon damals kam

ich

zu der Überzeugung,

gleicher Weise

der

dass die beiden Tempora in

historischen Erzählung dienen, und dass

ihre Verwendung durchaus verschieden sei von der des lateinischen Impf, und Perf. histor.

Aber meine Anschauungen, die

der herkömmlichen Theorie vom Wesen dieser Tempora schnurstracks

entgegen

liefen, fanden

scharfe Zurückweisung.

damals

Nachdem

ich

bei meinen Lehrern

im L a u f e

der

Jahre

zu völliger Klarheit über die griechische Tempuslehre gelangt zu sein glaubte,

wurde

ich durch D e l b r ü c k ,

syntaktische

Forschungen, die allen frühern Ansichten gegenüber einen bedeutenden Fortschritt Prinzip

zeigten

für die Betrachtung

und zuerst öffentlich ein neues von Impf, und Aor.

aufstellten,

angeregt, die Resultate meiner Studien zu veröffentlichen, die Ausführung dieses Gedankens aber

durch

das Lexikon Homericum ed. Ebeling,

meine Arbeit

durch Krankheit

für und

amtliche Tätigkeit bis jetzt verzögert. Zunächst versuche ich die Grundlagen der griechischen Tempuslehre

überhaupt

festzustellen und behandele dann die

Verba, die im Praesensstamm keine Veränderung des Verbal-

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stammes erfahren, sowie die Stämme, welche Aoriste mit und ohne thematischen Vokal und Reduplikation gebildet haben, endlich die Verba der Debnklasse. Damit der Umfang des Buches nicht zu sehr anschwelle, habe ich von einer Behandlung der Verba mit erweitertem und abgeleitetem Praesensstamm voreist um so eher absehen dürfen, als der Gebrauch derselben völlig mit dem der behandelten Verba übereinstimmt. Um zu voller Sicherheit des Urteils zu gelangen, habe ich bei jedem einzelnen Stamm sämtliclic Stellen der Ilias und Odyssee in Berücksichtigung gezogen; von den Hymnen dagegen glaubte ich abschen zu dürfen, da sie einer spätem Zeit wie die meisten Teile der beiden grossen Epen angehören und in ihrem Sprachgebrauch und Sprachgut völlig von denselben abhängen, ja zum Teil aus Ganz- und Halbversen derselben zusammengesetzt sind. Im Anschluss an die vortreffliche Abhandlung von L. L a n g e , über Ziel und Methode der syntaktischen Forschung habe ich zunächst festzustellen versucht, welche von den für den Gebrauch der Tempora überhaupt bedeutsamen Vorstellungen auf dem Boden der griechischen Sprache die herrschenden sind, und andererseits welche einen sprachlichen Ausdruck nicht gefunden haben. Dabei hat sich ergeben, dass n i c h t der Z e i t b e g r i f f wie im Lateinischen das bestimmende Moment für die Verwendung der Tempora geworden ist. Zum Beweis dafür darf ich vielleicht hier eine im Text des Buches ausgefallene Bemerkung anfügen. Schon bei Herodot und noch mehr bei den Attikern werden, wenn die Begriffe der Dauer, Gleichzeitigkeit, Vorvergangenheit ausgedrückt werden sollen, die Adverbia äfia, (iexaEú, öniatfu), euQúq, Taxéuj? dem Participium zugefügt; dies wäre undenkbar, wenn diese Vorstellungen schon an sich den betreffenden Verbalformen eigen wären. Es ist vielmehr die A r t d e r Handl u n g , welche die Verwendung der griechischen Tempora im wesentlichen allein bestimmt hat. Den Grund für diese eigenartige Entwicklung glaube ich in der besonderen Art der Veranlagung des griechischen Volksgeistes zu erkennen. Zugleich hoffe ich in dem ersten, allgemeinen Teil den Nachweis zu erbringen, dass die Principien, die sich in der Verwendung

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der Tempora zur homerischen Zeit zeigen, für die ganze griechische Sprache wesentlich dieselben geblieben sind, und dass somit die Darstellung der griechischen Tempuslehre einer durchgreifenden Umgestaltung bedarf. Nach den gleichen Grundsätzen werde ich zunächst die Lehre vom Gebrauch der Modi ausarbeiten, für deren Beurteilung ich gleichfalls neue Gesichtspunkte gefunden zu haben glaube. Dann soll die Lehre von der Satzfiigung und schliesslich die Syntax des Nomens folgen. Damit gedenke ich den Boden für eine historische Behandlung der griechischen Syntax schaffen zu können und eine wissenschaftliche Darstellung derselben möglich zu machen. Was insbesondere den zweiten Teil des Buches angeht, so habe ich in demselben die einzelnen Stämme der Verba nach den von G. C u r t i u s , Verbum der griechischen Spräche aufgestellten Klassen aufgeführt, und die Grundbedeutung derselben, sowie ihre Bedeutungsentwicklung festzustellen gesucht ; dabei bin ich den Grundsätzen gefolgt, welche K v i ö a l a in der Zeitschrift für Ocstreichische Gymnasien 1863 XIV S. 306 ff. für die Behandlung der Partikeln entwickelt hat. In der Anordnung der Verba im einzelneu bin ich so verfahren, dass ich zunächst die verschiedenen Stämme nach dem Vorschlag von D e l b r ü c k , Syntaktische Forschungen IV getrennt behandele; innerhalb dieser stelle ich zunächst die einzelnen Stellen zusammen, welche ihrer Bedeutung nach zusammen gehören, indem ich stets von denjenigen ausgehe, die die Grundbedeutung des betreffenden Stammes zu zeigen scheinen. Im Weitern habe ich mich von einem formalen Prinzip leiten lassen und die Stellen im Anschluss an F r oh w e i n , Verbum Homericum nach Modus und Numerus, so weit es tunlich war, geordnet. Um an Interpunktionszeichen möglichst zu sparen, lasse ich die Stellen stets der Stellenangabe folgen, ohne sie durch Zeichen zu trennen, so weit sie gleichartig sind; nur verschiedenartige Gebrauchsweisen sind auch äusserlich getrennt. Zur leichtern Prüfung und Benutzung des Buches sind zwei Register angehängt, ein alphabetisches Verzeichnis der behandelten Verba und eine Aufführung der grammatischen

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Erscheinungen, so weit sie den Tempusgebrauch angehen. Leider habe ich mit der Anfertigung des zweiten Registers erst beginnen können, als der grösste Teil des Buches bereits gedruckt war und daher zu spät gesehen, dass es für die Erleichterung des Nachschlagens sehr erspriesslich gewesen wäre, im zweiten Teil die Zeilen zu numerieren. So empfehle ich denn das Buch der wohlwollenden Beurteilung der wissenschaftlichen Welt-, sollte dasselbe günstige Aufnahme finden, und die Resultate meiner Forschung sich der Zustimmung der Fachgenossen erfreuen, so dürfte sich vielleicht eine Fortsetzung ermöglichen lassen, welche den Gebrauch der Verba mit erweitertem und abgeleitetem Praesensstamm zur Darstellung bringt. In dem Falle würde es mir lieb sein zu wissen, ob eine Aufzählung der Hauptstellen für die einzelnen Arten des Gebrauches ohne Vorführung des gesamten Materials genügen dürfte. Köln im Juni 1893. Mutzbauer.

I. T e i l .

Die Grundlagen der griechischen Tempnslehre. Die Lehre vom Gebrauche der Tempora im Griechischen ist bis zur Stunde noch durchaus unklar und in ihren Grundlagen nicht erkannt. Der Grund dafür liegt in dem Umstände, dass man bei der Betrachtung derselben bewusst oder unbevvusst stets von der lateinischen Syntax ausgegangen ist, deren Bedingungen völlig andere sind. Ein System der lateinischen Tempuslehre ist der Zeit nach früher aufgestellt worden, und in dies fremde System sind dann die Erscheinungen der griechischen Sprache gewaltsam hineingepresst worden. Das Verkehrte dieses Verfahrens macht sich am schlagendsten geltend bei der Unterscheidung des Wesens von Imperfektuni nnd Aorist, welche man durchaus verkehrt dem lateinischen Imperfektum und Perfektum historicum gleichzustellen versucht hat, indem man dem einen Tempus den Begriff" der dauernden, dem andern die Bedeutung der momentanen Handlung zugeschrieben hat. Dass sich dabei mancherlei Schwierigkeiten ergaben, dass eine Menge von Erscheinungen sich nicht in dies Schema fügen wollten, hat man zuerst bei der Erklärung der homerischen Gedichte erkannt, obzwar dasselbe für die ganze griechische Sprache aller Epochen gilt. Nun hat aber die Beobachtung, dass der Gebrauch der homerischen Sprache vielfach nicht zu den aufgestellten, aus der lateinischen Sprache abgezogenen Gesetzen stimme, zunächst durchaus nicht dazu geführt, an der Richtigkeit des Systems zu zweifeln, obwohl dasselbe aus einem fremden Sprachgebiete hergenommen war und nicht auf sorgfaltige Beobachtung der griechischen Spraeherscheinungen gegründet, also nicht induktiv gefunden, sondern vielmehr deduktiv construiert war. Vielmehr hat man irrigen Voraussetzungen zu Liebe zu wunderlichen, j a gewaltsamen Erklärungen seine Zuflucht genommen. Das bezeichnendste Beispiel hierfür gibt der hochverdiente N ä g e l s b a c h in den Mutzbauer, Der homerisebe Tcmpuagebraucli.

1

Anmerkungen zur Ilias I. Aufl. 1834 Exc. X S. 249—255; ihm stimmen ausser andern bei A u t e n r i e t h in der 3. Auflage des genannten Buches zu T311 A 437 25 350 I" 183 und W e n t z e l quaest. de dial. Horn. fasc. I Oppeln 1836 S. 22. Die richtige Erkenntnis, dass die Impf, in einer Reihe von Stellen durchaus nicht die voransgesetzfe Bedeutung der dauernden Handlung aufweisen, hat N ä g e l s b a c h dazu verfuhrt, zu behaupten, dass die Impf, der angeführten Verba sämmtlich Handlungen bedeuteten, die man sich im Akte des Geschehens selbst nur als momentane zu denken pflege, die aber doch nachhaltige Wirkungen hätten. Diese Behauptung enthält in sich einen logischen Widerspruch; und zu welchen.Blüten der Erklärung die Befangenheit in einer verkehrten Theorie führt, zeigt u. a. das Uber das Impf, ene^nre Bemerkte: „der entlassene Gast empfindet die Wirkung der gastlichen Fürsorge des Wirtes auf der ganzen Reise." Das heisst denn doch der Sprache und der gesunden Vernunft Gewalt anthun, wenn man versucht, solchen Gehalt in eine Form hincinzudeutcln. So haben sich denn eine Reihe von Gelehrten gegen diese Art der Erklärung ausgesprochen, z. B. F r a n k e in der Recension von Schmidt doctrina temp. verbi Graeci et Lat. in Bergcks Ztschr. 1845 No.33 S. 259 B ä u m l e i n , Ztschr. f. Alt.Wiss. 1851 S.35ff. Ameis, NeueJahrb. f. Philol. u. Paedag. Bd. 65 S. 353 ff. S e h e n kl, Ztschr. f. Öster. Gymn. Jahrg. X S.508 K r ü g e r , Dial. §53,21 F u l d a homerische Untersuchungen S. 239, und haben zugegeben, dass bei Homer das Impf, noch häufig als erzählendes Tempus erseheint. Über den Gebrauch der spätem Graecität macht P o p p o zu Thukyd. I 26 unter Anführung von Beispielen die Bemerkung, dass Verba des Gehens und Scliickens nicht selten iin Impf, erscheinen, wir wie den Aorist erwarten; ähnliches führen an H e l d zu Plut. Timol. 3 4 , 3 S . 484 M a t t h i a e zuEurip. Or. 368 B r e m i Aphob. 1,4 G i s e k e im Lex. Horn. ed. Ebeling s. v. ¿rfiu ,impf. non raro aoristi vim habet', s. v.fipxuu,impf. saepe pro aoristo esse videtur' B u t t m a n n , Ausf. Sprachl. I S. 394 An. 2 ; E l l e n dt, Einfluss des Metrums S. 13 schreibt diesem einen Einfluss auf die Wahl des Tempus zu. Alle haben aber die Frage nicht weiter gefilhrt, sondern bloss die Thatsache eines von der herkömmlichen Theorie abweichenden Tempnsgebrauches vermerkt.



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Dass der Gebrauch des Impf, und Aor. bei Homer auch demjenigen nicht überall entspricht, der sich in der spätem griechischen Sprache niedergesetzt hat, haben bereits die alexandrinischen Grammatiker erkannt; dies beweisen einerseits ihre häufigen Bemerkungen, imperfektischc Bildungen seien anstatt der entsprechenden Aoriste und umgekehrt gebraucht. Die auf Aristarch zurückgehenden Angaben des Aristonicus hat Fricdländer zusammengestellt Ariston. S. 5 f., die des Zenodot Dtintzer Zenod. S. 79. Eben dahin weisen die vielfach zwischen Aor. und Impf, schwankenden Lesarten, s. Schmidt Didymus S. 129 schol. A zu Z 174 'Apicrtapxo? Kai Heivicfffe Kai EeiviCe; vgl. ebenda S. 142 zu K 579, S. 144 zu A 773, S. 153 zu = 382, S. 156 zu 0 272 240 u. öfter; L a Roche Didymus S. 11 f. wo u. a. IGG2 als Lesart des Aristarch €fii|ive angeführt wird, ebenso las Ilerod. seliol. A zu B 462, dagegen Apoll, de pron. S. 372 c e^eive; Römer, die Werke der Aristarcheer S. 255 282; Porphyrius in schol A B D zu 0 87 s. Kammer Porph. S. 9 55, Eust. 940, 40 EÖXI be TÖ jaev eXr^-fe pevoq ävTi TOÖ ¿Trauere, TÖ be eXrif€ juevouq dvTi TOÖ ¿Trauffaio, cf. schol. u. Paraphr. zu TT 381, Hes. aviire?' ävw fjEag, ävriSaq ( r 4 8 ) . Ferner vergl. La Roche hom. Unters. S. 271 291 294 258 f. 267 f. 273 291. Die zusammengestellten Bemerkungen zeigen, dass eine klare Vorstellung von dem Wesen der Tempora nicht vorhanden, denn sonst wären Anschauungen, wie die, dass der Aor. Perfektbedeutung habe oder mit dem Praesens wechsele, unmöglich. Nur so viel ergibt sich aus denselben, dass sie einen Unterschied zwischen dem Gebrauche der Tempora bei Homer und in der spätem griechischen Sprache erkannten. Trotzdem haben sich noch neuere Gelehrte durchweg ablehnend selbst gegen den Gedanken verhalten, dass in der homerischen Sprache die Verwendung von Impf, und Aor. noch nicht in der gleichen Art geschieden und fixirt sei, wie in der spätem, und vielmehr wie L e o p o l d S c h m i d t de tract. syntaxis Graecae ratione Marburger Lcctionscat. 1870 behauptet, in Folge des ungemein feinen Differenzierungstriebes des griechischen Geistes sei schon in der homerischen Epoche die Entwicklung der griechischen Sprache völlig abgeschlossen. Solche Auffassung scheint mir auf der Anschauung des vorigen Jahrhunderts zu beruhen, welche die Sprache als einen kunstvollen Mechanismus betrachtete, der entweder durch göttliche Offenbarung den Menschen

übermittelt oder von weisen Männern geschaffen worden sei. Sie widerspricht aber völlig der durch die vergleichende Sprachwissenschaft gewonnenen Erkenntnis von der historischen Entwicklung der Sprache, die als ein natürliches Erzeugnis des menschlichen Geistes gerade so wie jedes Gebilde der Natur dem Werdeprocess jedes organischen Wesens unterliegt. Um zu einer richtigen Grundlage für die Erkenntnis der sprachlichen Erscheinungen überhaupt und damit auch für die Darstellung des Tempusgebrauches des Griechischen zu gelangen, ist es vor allen Dingen nötig, die Frage zu beantworten, in wie weit eine Sprache überhaupt im Stande ist, den feinen logischen Distinktionen, welche dem menschlichen Geiste in dem Gang seiner Entwicklung zu höhern Kulturstufen aufgehen, auch sprachlich den entsprechenden Ausdruck zu geben. Dies Ziel ist von keiner Sprache erreicht worden; teils wurde sie durch den überlieferten Sprachstoff gehemmt, insofern für andere Zwecke geschaffene Formen für den Ausdruck neuer Unterscheidungen und Begriffe verwendet werden mussten, teils war zu der Zeit, wo neue Begriffe und Unterschiede dem menschlichen Geiste auf einer liöhern Entwicklungsstufe aufgingen, längst die formale Triebkraft der Sprache abgestorben, und sie nicht mehr fähig, für die neuen Gedanken neue Formen zu schaffen. Dies nachgewiesen zu haben ist das grosse Verdienst von L u d wig L a n g e in dem Vortrag: Andeutungen über Ziel und Methode der syntaktischen Forschung in den Verhandlungen der Göttinger Philologen-Versammlung 1852 S. 9G— 105; leider ist demselben nicht die Beachtung zu Teil geworden, die er verdient. Es wäre also für uns zunächst die Untersuchung anzustellen, welche von den verschiedenen Begriffen, die in der Tempuslehre überhaupt eine Rolle spielen, auf dem Gebiete der griechischen Sprache einen formalen Ausdruck gefunden haben, und welche der Sprechende dem Geist des Hörers zu ergänzen überlässt. Wir werden dabei zu dem merkwürdigen Resultat gelangen, dass gerade die Vorstellungeil, welche den lateinischen Tempusgebrauch beherrschen, die Gleichzeitigkeit und Vorzeitigkeit, und somit bis zu einem gewissen Grade auch der Begriff der Dauer in der griechischen Sprache einen formalen Ausdruck überhaupt nicht gefunden haben, dass folglich das Wesen der historischen Erzählung derselben abgeht. Von



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den Zeitbegriffen sind nur die der Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft ausgeprägt worden, und auch diese nur in den Indikativen der betreffenden Tempora. Dagegen ist das zeitliche Verhältnis der einzelnen Handlungen zu einander weder in der homerischen, noch in der spätem Sprache zur Darstellung gelangt. Für die Erklärung dieser Erscheinung dürfen wir für die früheste uns vorliegende Epoche der griechischen Sprache einen wichtigen Gesichtspunkt nicht ausser Acht lassen. In den homerischen Gedichten ist voraussichtlich die Sprache zuerst in umfangreicher Weise zum Ausdruck der mannichfachsten Gedanken verwendet; sie ist also für die genaue Wiedergabe der verschiedenartigen Vorstellungen vielfach noch wenig entwickelt. Da sie daher nur einem Teil der logischen Formen formale Gestalt zn geben vermag, muss sie vieles dem Verständnis des Hörers überlassen. An dieses stellt selbst die entwickeltste Sprache grosse Anforderungen, wie vielmehr eine Sprache, die dem Kindesalter der Menschheit angehört. Auf dem kindlichen Charakter der Sprache beruht auch die Vorliebe für parataktische Satzfügung, die im homerischen Dialekt durchaus überwiegt. Diese Vorliebe ist auch in der spätem Entwicklung dem Griechischen in viel höherm Masse geblieben, als in andern Mundarten. Aus ihr und aus dem Zwange, den der überlieferte Spraehstoff auf griechischem Boden stärker als anderswo geübt hat, weil die homerischen Gedichte stets von bestimmendem Einfluss auf das griechische Geistesleben geblieben sind, erklärt es sich, dass man auch später sich mit den überkommenen Mitteln und Formen der sprachlichen Darstellung im Ganzen begnügt hat. Schon das einfache zeitliche prius zu erkennen, wird von Homer sehr häufig dem Verständnis des Hörers überlassen. Hierfür brauche ich bloss an Ausdrücke wie Ixpcttpov IFAFE Y^VOVTO,