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German Pages 248 Year 2005
Linguistische Arbeiten
500
Herausgegeben von Hans Altmann, Peter Blumenthal, Klaus von Heusinger, Ingo Plag, Beatrice Primus und Richard Wiese
Martin
Neef
Die Graphematik des Deutschen
Max Niemeyer Verlag Tübingen 2005
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. ISBN 3-484-30500-2
ISSN 0344-6727
© Max Niemeyer Verlag, Tübingen 2005 Ein Unternehmen der K.G. Saur Verlag GmbH, München http://www. niemeyer. de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Druck: Laupp & Göbel GmbH, Nehren Einband: Nädele Verlags und Industriebuchbinderei, Nehren
Inhaltsverzeichnis 0
Einleitung
1
Ein 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6
2
Phonologische und graphematische Grundlagen 2.1 Die Grundeinheiten der phonologischen Komponente 2.1.1 Skizze einer Autonomen Deklarativen Phonologie 2.1.2 Die Konsonantenphone des Deutschen 2.1.3 Die Vokalphone des Deutschen 2.1.4 Suprasegmentale phonologische Einheiten des Deutschen 2.2 Die Grundeinheiten der graphematischen Komponente 2.2.1 Buchstaben 2.2.2 Feste Buchstabenverbindungen 2.3 Korrespondenzregeln als Transformationsregeln 2.3.1 Format und Ordnung von Korrespondenzregeln 2.3.2 Die Domäne von graphematischen Korrespondenzregeln 2.4 Graphematik und relevanter Wortschatz
3
Die Korrespondenzen der Konsonantenbuchstaben 53 3.1 Eindeutige kontextfreie Korrespondenzregeln 53 3.2 Inhärent geordnete Korrespondenzregeln 58 3.2.1 Auslautverhärtung und grammatische Bezugsebene der Graphematik ... 58 3.2.2 Korrespondenzregeln fur Buchstaben fur stimmhafte Obstruenten 61 3.2.3 Eine dreifach inhärent geordnete Korrespondenzregel 67 3.3 Unterdeterminierte Korrespondenzregeln 69 3.4 Nullkorrespondenzen 71 3.5 Eine Beschränkung für die Rekodierung von Folgen gleicher Buchstaben 75 3.5.1 Doppelkonsonantenbuchstaben und Geminatenbeschränkung 75 3.5.2 Die Mehrfachbuchstabenbeschränkung und ihre Reichweite 78 3.6 Kontextabhängige Korrespondenzen 81 3.6.1 Eine Korrespondenzregel mit unvollständiger Kontextabdeckung 82 3.6.2 Kontextabhängigkeit mit inhärent geordneten Korrespondenzen 83 3.6.3 Eine Beschränkung für das Aufeinandertreffen gleicher Phone 87 3.6.4 Korrespondenzbestimmung bei fremdsprachlichem Einfluss 91 3.7 Korrespondenzregeln für feste Buchstabenverbindungen 93 3.7.1 Ein mutmaßlicher Fall 93 3.7.2 Prototypische Fälle 97 3.7.3 Problematische Fälle 101
Rekodierungsmodell der Graphematik Das Verhältnis von Schriftsystem und Sprachsystem Graphematik und Orthographie als distinkte Teilbereiche des Schriftsystems Graphematisch mögliche und orthographisch richtige Schreibungen Graphematische und orthographische Schreibvarianten Das Rekodierungsmodell der Graphematik Unterdeterminiertheit und Unregelmäßigkeit
1 4 4 8 10 12 15 20 24 24 25 28 30 33 35 36 41 42 42 46 51
VI 3.8
Komplexe Korrespondenzregel: Die Korrespondenzen von 3.8.1 als Buchstabe für einen stimmhaften Obstruenten 3.8.2 Wortinitiale Korrespondenzen 3.8.3 Doppelschreibungen und Kontextbedingtheit 3.9 Rekodierung bei phonologischer Ungrammatikalität 3.10 Fazit
104 105 107 110 112 116
4
Schärfung und das Korrespondenzpotential von Vokalbuchstaben 4.1 Die Graphematik der Vokalbuchstaben 4.2 Schärfung 4.2.1 Typen von Schärfungsanalysen 4.2.2 Unterdeterminierte Rekodierungskontexte für Vokalbuchstaben 4.2.3 Die Schärfungsbeschränkung 4.2.4 Die Distribution von Schärfungsschreibungen 4.2.5 Schärfungsschreibungen und ihr Determinierungspotential
117 117 124 126 130 133 140 143
5
Dehnung und die Rekodierung von Vokalbuchstabenpaaren 5.1 Die Schreibung von Diphthongen 5.1.1 Phonographische Diphthongschreibungen 5.1.2 Diphthongschreibungen als feste Buchstabenverbindungen 5.1.3 Diphthongschreibungen mit kontextbeschränkten Korrespondenzen 5.1.4 Die Systematik der Diphthongschreibungen 5.2 Dehnung 5.2.1 Dehnung mit Konsonantenbuchstaben 5.2.2 Doppelvokalschreibungen 5.2.3 Die Dehnungsbeschränkung 5.2.4 Heterosegmentale vokalische Dehnungszeichen 5.3 Bisegmentale Umlautschreibungen 5.4 Vokalbuchstaben und phonologische Silbenzahl 5.4.1 Eine Beschränkung der Nullkorrespondenz von 5.4.2 Konsonantenbuchstabenfolgen mit Silbenkorrespondenz 5.4.3 Die Signifikanz ununterbrochener Folgen von Vokalbuchstaben
148 149 149 153 157 158 160 161 164 169 173 177 179 180 182 184
6
Skizze einer systematischen Orthographie 6.1 Orthographie und die Konstanzschreibung morphologischer Einheiten 6.2 Der graphematische Lösungsraum für den orthographischen Wortschatz 6.3 Beschränkungen innerhalb des orthographischen Wortschatzes 6.4 Orthographisch signifikante Teilbereiche des Wortschatzes
188 188 193 200 204
7
Zusammenfassung und Ausblick
207
Danksagungen Literaturverzeichnis Anhang Liste der Korrespondenzregeln Liste der graphematischen Beschränkungen Sachregister
217 219 227 227 231 232
0
Einleitung
Geschriebene Sprache ist in aller Munde. Geschriebene Sprache ist in erster Linie ein Ärgernis, weniger für Linguisten als vielmehr für Feuilletonjournalisten und Politiker. Und für Grundschüler, die enorm viel Mühe darauf verwenden müssen, das äußerst komplexe und scheinbar von mehr Unregelmäßigkeiten als verlässlichen Regeln geprägte System der deutschen Rechtschreibung zu erlernen. Grundschüler aber haben im öffentlichen Diskurs wenig Möglichkeiten, ihre Stimme zur Geltung zu bringen, und so machen sich gerne Eltern und andere nur mittelbar Betroffene für das stark, was sie für die Interessen der Kinder halten oder ausgeben. Ärgerlich wird die Angelegenheit besonders in solchen Situationen, wenn das, was wir erfolgreich gelernt zu haben glaubten, verändert werden soll. Ganz gleich, wie diese Änderungen aussehen, sie verlangen von jedem kompetenten Schreiber eine Veränderung seiner Gewohnheiten. Das ist Grund genug, die verschiedensten naheliegenden, verfälschten oder absurden Argumente anzuführen, um die aktuellen Reformvorschläge zu diskreditieren und sich für eine Bewahrung des Überkommenen einzusetzen. Insbesondere zählt dann nicht der Hinweis, das neue System sei für Erstlerner nun einfacher (unabhängig von der Frage, ob das System wirklich einfacher geworden ist und ob leichtere Lernbarkeit überhaupt zu beweisen ist). Richtig schreiben ist schwer, und wer einmal richtig zu schreiben gelernt hat, möchte, dass unbedingt alles so bleibt, wie es zu seiner Lernzeit war. Richtig zu sprechen ist auch schwer. Ein Muttersprachler lernt aber ohne Aufwand richtig zu sprechen; die Normen gesprochener Sprache sind weniger streng, und niemand hat die Macht, die gesprochene Norm plötzlich und verbindlich zu verändern. Gesprochene Sprache wird deshalb weitaus seltener als Ärgernis erfahren. Wenn Linguisten die geschriebene Sprache (des Deutschen) in theoretischer Weise zu durchdringen versuchen, möchten sie herausfinden, warum Wörter so geschrieben werden, wie sie nach der Amtlichen Regelung der deutschen Rechtschreibung geschrieben werden. Im Hintergrund steht dabei bevorzugt der Wunsch, das System zu verbessern. Wenn Linguisten die gesprochene Sprache theoretisch untersuchen, streben sie ein völlig anderes Ziel an. Dann fragen sie nämlich, welche Formen grammatisch sind und welche nicht und wie ihre interne Struktur beschaffen ist. Für eine Emanzipation der Schriftlinguistik halte ich es für notwendig, sich auch für den Bereich geschriebener Sprache eben dieser Frage zu verpflichten. In der vorliegenden Arbeit unterbreite ich Vorschläge, wie eine solche theoretisch konsistente Analyse konzipiert werden kann. Wesentlich hierbei ist, von welcher Art Argumente für die Gestaltung einer theoretischen Analyse sein können. Gerade im Bereich geschriebener Sprache wird gerne externe Evidenz zur theoretischen Modellierung herangezogen, also beispielsweise Erkenntnisse darüber, wie das System entstanden ist, also unter historischem Blickwinkel, oder wie das System praktisch angewendet wird, also unter psycholinguistischem Blickwinkel. Ich folge dagegen der Annahme, dass für eine theoretische Analyse nur interne Evidenz relevant sein kann. Was interne Evidenz ist, gilt es theoretisch festzulegen. Für eine Modellierung der Graphematik eines Schriftsystems sehe ich hierbei allein das Verhältnis von Schreibungen zu Lautungen als relevant an. Dies werde ich im Folgenden begründen und ausarbeiten. Damit fällt die Arbeit in den Bereich theoretischer
2 Grundlagenforschung. Solche Grundlagenforschung kann nicht dahingehend kritisiert werden, dass sie nicht unmittelbar praktisch verwertbar ist. Freilich sollte eine Theorie, wenn sie gut ist, letztlich auch praktisch anwendbar sein können. Für die geschriebene Sprache heißt Anwendung theoretischer Erkenntnisse didaktische Umsetzung, reformerische Systemveränderung oder computerbasierte Implementierung. Aber das ist nicht der Zweck einer theoretischen Analyse. Bisherige theoretische Ansätze zu Aspekten des Schriftsystems zielen zumeist darauf ab, orthographisch sanktionierte Schreibungen in direkter Weise aus grammatisch bedingten Formen abzuleiten. Neben dieser Modellierung von der Lautung zur Schreibung wird gelegentlich die umgekehrte Perspektive von der Schreibung zur Lautung entweder nur als sinnvoll erachtet (Eisenberg 1998a) oder tatsächlich modelliert (Nerius et al. 2000 für das Deutsche, Venezky 1970 und 1999 für das Englische), dann allerdings jeweils mit demselben technischen Apparat. Ich gehe demgegenüber davon aus, dass hier zwei substantiell unterschiedliche Betrachtungsweisen vorliegen, die mit theoretisch unterschiedlichen Mitteln zu erfassen sind. Insbesondere nehme ich an, dass die Relation von der Schreibung zur Lautung primärer Natur ist, während die Relation von der Lautung zur Schreibung von nachgeordneter Relevanz ist und in ihrer Wirkungsweise auf der erstgenannten Relation aufbaut. Konkret geht es hier um das Verhältnis von Graphematik und (systematischer) Orthographie. In Kap. 1 definiere ich den Terminus Graphematik und reflektiere das Verhältnis von geschriebener und gesprochener Sprache. Aus der Annahme, dass ein Schriftsystem immer ein System gesprochener Sprache voraussetzt, entwickele ich ein theoretisches Modell zur Analyse der Graphematik, nämlich das Rekodierungsmodell, das erfasst, wie es geschriebene Formen ermöglichen, die entsprechenden lautlichen Formen herzuleiten. Die grundlegenden Einheiten, die auf lautlicher (phonologischer) und auf schriftlicher (graphematischer) Seite anzusetzen sind, erarbeite ich in Kap. 2. Die folgenden drei Kapitel enthalten eine vollständige und explizite Analyse eines wesentlichen Teilbereichs der Graphematik des Deutschen. Dabei ist Kap. 3 den Korrespondenzmöglichkeiten der Konsonantenbuchstaben gewidmet, anhand deren Analyse eine Typologie möglicher Korrespondenzregeln für Buchstaben entwickelt wird. In Kap. 4 werden in analoger Weise die Korrespondenzmöglichkeiten für Vokalbuchstaben untersucht. Insbesondere in diesem Bereich zeigt sich, dass neben Korrespondenzregeln, die die Beziehung eines Buchstabens zu Elementen der phonologischen Repräsentation erfassen, auch Beschränkungen anzunehmen sind, die in einzelbuchstabenübergreifender Weise die Korrespondenzmöglichkeiten mancher Buchstabenklassen in bestimmten graphematischen Kontexten einschränken. Ein vieldiskutierter Datenbereich, nämlich die Doppelschreibung von Konsonantenbuchstaben, wird in Kap. 4 mittels einer Schärfungsbeschränkung erfasst, während Dehnungsphänomene sowie das Korrespondenzverhalten von Vokalbuchstabenpaaren das Thema von Kap. 5 darstellen. Wenn die graphematische Komponente eines Schriftsystemmodells erfasst, welche Lautungen mit gegebenen Schreibungen korrespondieren, definiert sie mittelbar, wie eine gegebene Lautung in regulärer Weise verschriftet werden kann: Jede Schreibung, die dazu geeignet ist, in regulärer Weise eine bestimmte Lautung erkennbar zu machen, ist eine graphematisch lizensierte Schreibung für diese Lautung. Solche Schreibungen bilden den graphematischen Lösungsraum für eine bestimmte Lautung. Wenn dieser Lösungsraum genau ein Element enthält, ist zu vermuten, dass dieses die orthographisch korrekte Schreibung für die fragliche Lautung sein wird. Typischerweise enthält ein solcher Lösungsraum
3 aber mehr als ein Element. Dann ist die orthographische Komponente des Schriftsystems aufgerufen, aus der Menge graphematisch möglicher Schreibungen die konventionell richtige auszuwählen. In Kap. 6 skizziere ich anhand eines einzelnen Beispiels, wie ein entsprechendes orthographisches Auswahlverfahren auf der Grundlage des graphematischen Lösungsraums gestaltet werden kann. Hierzu ziehe ich Beschränkungen heran, die sensitiv für morphologisch definierbare Teilbereiche des Wortschatzes sind. Ein solcher Teilbereich ist der heimische Kernwortschatz in Abgrenzung zu assimilierten Fremdwörtern, Eigennamen und Interjektionen. Dabei deutet sich an, dass das orthographische Auswahlverfahren zwar in der Lage ist, die für ein bestimmtes Wort möglichen Schreibungen auf ein überschaubares Maß zu reduzieren; typischerweise weist das Auswahlverfahren aber immer noch mehr als eine Schreibung als möglich aus. Theoretisch bedeutet dies, dass unterschieden werden muss zwischen einer systematischen Orthographie, wie ich sie in Kap. 6 skizziere, und einer konventionellen Orthographie, die wie die Amtliche Regelung der deutschen Rechtschreibung im Regelfall eine einzige Schreibung als korrekt festsetzt. Im besten Fall baut die konventionelle Orthographie auf der systematischen auf, indem die konventionelle Schreibung auch eine systematisch mögliche ist. Im schlechtesten Fall erklärt die konventionelle Orthographie eine Schreibung für richtig, die nicht einmal im graphematischen Lösungsraum der entsprechenden Lautung enthalten ist. Hier deuten sich Perspektiven an, wo reformerische Eingriffe nötig sein mögen, wo Veränderungen keinen systematischen Fortschritt bieten oder wo Veränderungen gar als Rückschritt zu bewerten sind. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass ein sprachliches Datum nicht inhärent als unregelmäßiger Fall ausgewiesen ist, sondern dass sich Unregelmäßigkeit nur in Hinblick auf eine Theorie der Regelmäßigkeit ergibt. Freilich ist zu hoffen, dass eine Orthographie, die auf einer konsistenten Theorie des Schriftsystems beruht, eine überzeugendere Orthographie sein kann, die für weniger Ärger auf Seiten ihrer Benutzer sorgt.
1
Ein Rekodierungsmodell der Graphematik
1.1
Das Verhältnis von Schriftsystem und Sprachsystem
In den letzten Jahrzehnten hat sich die Schriftlinguistik als ein gleichberechtigter Teil der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Sprache etabliert. Dass diese Gleichberechtigung nicht immer gegeben war, lässt sich wissenschaftsgeschichtlich verstehen: Die im 19. Jahrhundert die linguistische Forschung beherrschende historische Herangehensweise bezog ihre Evidenzen zwangsläufig prädominierend aus schriftlichen Sprachdokumenten, verfolgte dabei aber zunächst in vereinfachender Weise einen integrativen Ansatz dergestalt, dass schriftliche Repräsentationen für lautliche genommen wurden (vgl. Kohrt 1985: 42-45). Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wiesen die Junggrammatiker allerdings auf die Kurzschlüssigkeit einer solchen Isomorphiehypothese hin und postulierten, dass aus schriftlichen Daten erst in interpretierter Form Lautrepräsentationen erschlossen werden könnten. Zur Durchsetzung einer synchronischen Methode durch den frühen Strukturalismus lag es damit rhetorisch nahe, mit der diachronen Methode zugleich die Erforschung von Eigenschaften geschriebener Sprache zu diskreditieren, wofür Saussure (1916: 28) und Bloomfield (1933: 282) gerne als Belege genommen werden.1 Als spätestens mit dem Aufkommen der generativen Linguistik die synchrone Sichtweise als gesicherter Standard etabliert war, stand einer Konstituierung nunmehr dezidiert schriftlinguistischer Forschung nichts mehr im Wege. Zur Bekräftigung des Anspruchs der Schriftlinguistik, eine konstitutive Rolle in der Linguistik zu spielen, zielten die einschlägigen Untersuchungen argumentativ darauf, die Gleichwertigkeit von sprechsprachlicher Ausdrucksform und schriftsprachlicher Ausdrucksform zu belegen, und zwar dadurch, dass eine prinzipielle Gleichartigkeit dieser sprachlichen Ausprägungen nachzuweisen versucht wurde. Die in der deutschen Wissenschaftslandschaft in diesem Diskurs bahnbrechende Arbeit von Bierwisch (1972) vollzog diesen Argumentationsgang dadurch, dass das für die Phonologie entwickelte SPE-Modell (Chomsky & Halle 1968) in weitgehend unveränderter Weise auf Phänomene der Schriftlinguistik übertragen wurde. In den achtziger Jahren trachtete Wiese (1987, 1989) in analoger Weise danach, den Erklärungsbereich der Theorie der Lexikalischen Phonologie (Kiparsky 1982) auf die geschriebene Sprache auszuweiten, und gegenwärtig sind Bestrebungen zu beobachten, die für die sprechsprachliche Grammatik äußerst einflussreiche Optimalitätstheorie (Prince & Smolensky 1993) für die Schriftlinguistik nutzbar zu machen (Sternefeld 2000, Geilfuß-Wolfgang 2002, Primus 2003, Wiese 2004). Gleichwertigkeit muss jedoch nicht mit Gleichartigkeit einhergehen. So lassen sich, ohne dass damit an der Bedeutung der Schriftlinguistik gerüttelt werden soll, gewichtige UnIn einer quellennahen Zusammenschau belegt Glück (1987: Kap. 4), dass diese strukturalistischen Autoren, die üblicherweise für die Diskreditierung der Schriftsystemforschung verantwortlich gemacht werden, im Grunde durchaus differenzierte Positionen zur fraglichen Thematik vertreten (vgl. auch Nerius et al. 2000: Kap. 2). Zudem ist einer der fuhrenden Mitglieder der Prager Schule des Strukturalismus, nämlich Josef Vachek, als einer der Begründer der modernen Schriftlinguistik anzusehen (vgl. Nerius et al. 2000: 60f.).
5 terschiede zwischen dem schriftsprachlichen System und dem sprechsprachlichen System feststellen. Augenfällig ist beispielsweise die Optionalität von Wissensbeständen zum Schriftsystem. Ein Sprachbenutzer ist ohne weiteres als kompetenter Sprachbenutzer einer bestimmten Sprache L zu bezeichnen, ohne über jegliche schriftsprachliche Kompetenz zu verfügen. Wenn das Schriftsystem ein gleichgeordnetes grammatisches Modul neben anderen Modulen wie der Morphologie und der Syntax wäre, ließe dies erwarten, dass auch vollständig fehlende Kompetenz in einem solchen anderen Modul möglich sein sollte, ohne dass der betreffende Sprachbenutzer damit als nicht-kompetent bezüglich der Sprache L zu bezeichnen wäre. Dies ist natürlich nicht der Fall: Es ist schlechterdings unvorstellbar, dass ein Sprachbenutzer die Grammatik einer Sprache im Prinzip erworben haben soll, ohne aber beispielsweise über Wissen im Modul Morphologie zu verfugen. Damit ist wohl die Sichtweise realistischer, dass sich im Feld sprachlichen Wissens ein sprechsprachlicher Bereich und ein schriftsprachlicher Bereich als Ganzes gegenüberstehen. Eine theoretische Modellierung des Schriftsystems sollte dies berücksichtigen. Terminologisch möchte ich diese Dichotomie mit den Termini 'Sprachsystem' gegenüber 'Schriftsystem' erfassen. Allerdings kann dem Schriftsystem, auch wenn es einen originären Bestandteil sprachlichen Wissens und damit einen unübergehbaren Aspekt der linguistischen Untersuchungsaufgabe darstellt, kaum eine gleichberechtigte Stellung neben dem Sprachsystem eingeräumt werden. Vielmehr ist ein Schriftsystem immer auf ein bestimmtes Sprachsystem bezogen; ohne ein solches Bezugssystem ist ein Schriftsystem undenkbar, oder in den Worten von Bloomfield (1933: 21): „In order to study writing, we must know something about language, but the reverse is not true." Dies lässt sich sowohl in der Phylogenese (mit Maas 1992 wohl besser: in der Soziogenese) als auch in der Ontogenese beobachten, denn es ist sowohl die Entwicklung von Schriftsystemen der Entwicklung von Sprachsystemen nachgeordnet als auch der individuelle Schriftspracherwerb dem individuellen Sprechspracherwerb (zumindest bezüglich der Ebene des Erstspracherwerbs). Insofern steht ein Schriftsystem immer in einer Abhängigkeit zu einem Sprachsystem. Das schließt nicht aus, dass ein Schriftsystem, wenn es einmal existiert, Rückwirkungen auf das Sprachsystem haben kann, so wie auch Schriftsysteme überleben können, wenn das ihnen basierende Sprachsystem als das einer lebendigen Sprache ausgestorben ist, wie besonders an heiligen Sprachen zu erkennen ist. (1)
Das Verhältnis von Sprachsystem und Schriftsystem SPRACHSYSTEM LEXIKON
SCHRIFTSYSTEM
GRAMMATIK
;
Phonologie
;
Morphologie
:
Syntax
;
Semantik - -
J
: 1
. . . -
:
GRAPHEMATIK
ORTHOGRAPHIE
'
Schematisch lässt sich das Verhältnis von Sprachsystem und Schriftsystem wie in (1) visualisieren. Dabei unterscheide ich innerhalb des Sprachsystems in Anlehnung an Bloomfield
6 (1933) einen Block, der die regelhaften Aspekte sprachlichen Wissens betrifft und den ich 'Grammatik' nenne, und einen Block für die nicht-regelhaften Aspekte. Innerhalb des Schriftsystems setze ich vorläufig die beiden distinkten Bereiche Graphematik und Orthographie an, deren Verhältnis zueinander im nächsten Abschnitt thematisiert wird. Aus diesen Überlegungen ergibt sich, dass ich grundsätzlich eine dependenztheoretische Position in der Schriftlinguistik beziehe und keine autonome, wie sie beispielsweise von Dürscheid (2004: 41^-5) mit Hinweisen auf einschlägige Autoren skizziert wird. Die Stoßrichtung dieser beiden alternativen Positionierungen lässt sich dadurch erhellen, dass eine dritte Ausformung sprachlichen Wissens in die Betrachtung einbezogen wird, nämlich Gebärdensprachen. Diese werden heutzutage als autonom von sprechsprachlichen Systemen eingeschätzt, während die Einordnung des Schriftsystems uneinheitlich ausfällt: Primus (2003: 6) stellt in autonomer Manier das Schriftsystem auf eine Ebene neben das System gesprochener Sprache und die Gebärdensprache, während Neijt (2002: 11) in dependenzieller Weise das Schriftsystem als sekundäre Ausprägung sprachlichen Wissens ansieht, Sprechsprache und Gebärdensprache dagegen als primäre. Ich vertrete folglich diese letztere Position und setze ein Schriftsystem als abhängig von einem Sprachsystem an, unabhängig davon, ob dieses gesprochener oder gebärdeter Natur ist. Da Gebärdensprachen allerdings laut Glück (ed.) (2000: 230) normalerweise nicht über eine eigene schriftliche Fixierungsform verfugen, verengt sich die Diskussion letztlich doch auf das Verhältnis von Schriftsystemen zu gesprochenen Sprachsystemen. Aus diesem Plädoyer zugunsten der Dependenzhypothese ziehe ich freilich nicht die Konsequenz, dem Schriftsystem eine Abbildfunktion für das Sprachsystem zuzusprechen. Nach einer solchen Auffassung sollte ein Schriftsystem so gestaltet sein, dass die gesprochene Sprache möglichst genau abgebildet wird. Unter theoretischer Perspektive hat sich hieraus als spezielle Variante der Dependenzhypothese die Ableitbarkeitshypothese entwickelt, derzufolge schriftliche Formen aus der zugrundeliegenden sprachsystematischen Repräsentation abgeleitet werden können. Einschlägige Modellierungen auf der Basis verschiedener Entwicklungsstufen der derivationellen generativen Grammatiktheorie bieten Bierwisch (1972), Wiese (1989), Nunn (1998) und Sproat (2000). Einer solchen Konzeption liegt immerhin ein attraktiver Ökonomiegedanke zugrunde: Wenn die Schreibung von Wörtern vollständig aus ihrer sprachsystematischen Ableitung zuzüglich spezifischer genereller schriftsystematischer Regeln gewonnen werden kann, muss kein Aspekt der Schreibung von Wörtern als einzeln zu lernen angesetzt werden. Allerdings ist keins dieser Modelle diesem Ökonomieanspruch vollständig gerecht geworden. Tatsächlich wird durchgehend ein nicht unbeträchtlicher Teil der Schreibungen als lexikalisch zu lernen ausgewiesen. Dies lässt sich u.a. an graphematisch distinkten Schreibungen für lautgleiche Wörter zeigen: Dass die Wörter Wal und Wahl unterschiedlich zu schreiben sind, ist nicht aus ihrer Lautstruktur abzuleiten, die ja identisch ist.2 Freilich kann auch die umgekehrte Sichtweise zum Verhältnis von Sprachsystem und Schriftsystem als dependenziell interpretiert werden. Eine solche Forschungsrichtung begründet ihre Modellierungen in der Annahme, dass dem Schriftsystem die Aufgabe zukommt, einem Leser die Struktur einer sprachsystematischen Äußerung zugänglich zu machen. Maas (2000: 40) skizziert diese Position folgendermaßen: 2
Weitere Argumente gegen die Ableitbarkeitshypothese werden in Neef & Primus (2001) präsentiert.
7 Die Grundbestimmung von Schrift ist also die Fixierung der wörtlichen Form eines Textes fur einen Leser [...]. Die graphische Form muss so sein, dass sie dem Leser zugänglich ist, für ihn gewissermaßen einen Anweisungscharakter hat, mit dem er die darin kodierte [...] Botschaft erlesen kann.
Zahlreiche Indizien aus der diachronen Entwicklung natürlicher Schriftsysteme sprechen für die Angemessenheit dieser Einschätzung. So lässt die Ableitbarkeitshypothese erwarten, dass Schriftsysteme sich in Richtung phonetischer Transkriptionen entwickeln, weil in ihnen die lautliche Struktur in bestmöglicher Weise aufgehoben ist. Dass es gerade die lautliche Struktur ist, auf die sich dabei die schriftliche Kommunikation bezieht, ist naheliegend, denn auch in der mündlichen Kommunikation werden primär lautliche Strukturen vermittelt, auf deren Basis Hörer Informationen höherer Art wie syntaktische und semantische Zusammenhänge erschließen können. Allerdings zeigt Raible (1991), dass sich zumindest alphabetische Schriftsysteme historisch eher von solchen Transkriptionen wegbewegen und vielmehr Charakteristika annehmen, die über eine Abbildung der Lautstruktur hinausgehen, wie die Einführung von Wortzwischenräumen, die Unterscheidung von Großund Kleinbuchstaben und die Distribution von Interpunktionszeichen. Solche Mittel können funktional so eingeschätzt werden, dass sie die Erfassbarkeit des Geschriebenen für den Leser verbessern (Raible 1991: 37). Schriftliche Repräsentationen zielen folglich primär darauf ab, fur den Leser einen Zugang zum zu vermittelnden Sinn zu ermöglichen. Schreibungen sollten demgemäß so aussehen, dass sie in eine Lautung bzw. genauer in eine phonologische Repräsentation überfuhrt werden können. Der Terminus 'Lesen' ist zur Bezeichnung dieser zentralen Funktion ungeeignet, weil er notorisch ambig ist und fur alphabetisch sozialisierte Schriftbenutzer zu sehr auf die Verlautlichung von schriftlichen Repräsentationen abzielt. Deshalb möchte ich an dieser Stelle einen anderen Terminus einfuhren, um die Kernfunktion von Schriftsystemen in unmissverständlicher Form benennbar zu machen, und zwar 'Rekodieren'. Schriftsysteme als sekundäre Zeichensysteme haben danach die Funktion, ein primäres Zeichensystem - also ein sprechsprachliches oder ein gebärdensprachliches System - rekodierbar zu machen. Dabei liegt der Fokus nicht auf der Entschlüsselung des schriftlichen Codes, also auf dem Dekodieren, sondern auf der Rekonstruktion des durch diesen Code vermittelten zugrundeliegenden Codes des Sprachsystems, also auf dem Rekodieren. Für diesen Zweck, Texte rekodierbar zu machen, sollte ein Schriftsystem optimal eingestellt sein, während Nebenzwecke wie historische Kontinuität (um auch ältere Texte lesbar zu halten) oder möglichst leichte Lernbarkeit (aus Schreiber- oder aus Leserperspektive) nur nachgeordnet sein können. Aus dieser Rekodierungsperspektive sollten Schriftsysteme theoretisch analysiert und damit verstehbar gemacht werden. Damit scheiden natürlich derivationelle Ableitbarkeitsmodelle als adäquate Erklärungsmuster aus, ohne dass aber zugleich die Abhängigkeit eines Schriftsystems von einem Sprachsystem bestritten werden muss. Auf der Folie dieser Überlegungen ist die folgende Formulierung eines Fazits sinnvoll: Ich schätze Schriftsysteme als originäre Gegenstände linguistischer Forschung ein (im Einklang mit der Autonomiehypothese), wobei ich Schriftsysteme als sekundäre Zeichensysteme ansehe, die immer einem Sprachsystem nachgeordnet sind (im Einklang mit der Dependenzhypothese). Andererseits halte ich derivationelle Ableitbarkeitsmodelle, die dem Ideal folgen, Schreibungen seien vollständig aus unabhängig motiviertem Wissen zum Sprachsystem herleitbar, für prinzipiell dem Gegenstand unangemessen. Letztlich bewerte
8 ich damit wie Eisenberg (1998a: 287) die Dichotomie von Autonomie und Dependenz als ungeeignet dafür, einen verbindlichen Rahmen fur die Konzeption theoretischer Modelle der Schriftsystemanalyse abzustecken. Vielmehr besteht die primäre Aufgabe der Schriftlinguistik darin zu modellieren, wie schriftliche Formen es ermöglichen, den Gehalt sprachsystematischer Formen rekodierbar zu machen.
1.2 Graphematik und Orthographie als distinkte Teilbereiche des Schriftsystems Schriftliche Texte werden produziert, um sprachsystematische Repräsentationen verfugbar zu machen. Das Ziel der Schriftsystemanalyse ist es folglich zu erklären, mit welchen Mitteln schriftliche Texte dies vermögen, oder anders gesagt: warum Texte so geschrieben werden, wie sie geschrieben werden. In dieser Arbeit werde ich mich einschränkend nur mit einem Ausschnitt dieser Fragestellung befassen und fragen, warum Wörter so geschrieben werden, wie sie geschrieben werden. Dabei möchte ich ein Modell der Analyse schriftlicher Formen vorschlagen, das dadurch charakterisiert ist, dass es für diesen Zweck zwei erklärungsrelevante Ebenen annimmt. Diese Ebenen bezeichne ich als Graphematik einerseits und als Orthographie andererseits. Während schriftlinguistische Untersuchungen normalerweise die Orthographie zum Hauptgegenstand haben, stelle ich in meiner Arbeit die Graphematik in den Mittelpunkt. Dabei liegt dieser Schwerpunktsetzung die forschungskritische Annahme zugrunde, dass die Analyse der Graphematik eine notwendige Voraussetzung für die Analyse der Orthographie ist. Das Fehlen originär graphematischer Untersuchungen ist folglich als gravierender Mangel der gegenwärtigen Schriftsystemforschung anzusehen. Um diese Einschätzung nachvollziehbar zu machen, ist es notwendig, den Terminus Graphematik, der in der Literatur recht unterschiedlich gehandhabt wird, möglichst eindeutig zu fixieren. Grundsätzlich im Einklang u.a. mit Glück (2000) und Bußmann (2002) verstehe ich Graphematik als denjenigen Teilbereich des Schriftsystems, der die Beziehungen von schriftlichen Formen und phonologischen Repräsentationen betrachtet. Gallmann (1986: 75) und Dürscheid (2004: 140) beziehen dagegen auch die Relation von schriftlichen Formen zu anderen Ebenen des Sprachsystems wie Morphologie und Syntax in den Gegenstandsbereich der Graphematik mit ein. Das verbindende Element zwischen den genannten Ansätzen ist dabei, dass in jedem Fall die Graphematik der Orthographie gegenübergestellt wird. Während es sich bei der Orthographie um ein explizit geregeltes konventionelles System handelt, stellt die Graphematik ein hiervon grundsätzlich unabhängiges und im Prinzip natürliches System sprachlichen Wissens dar. Diese Trennung vollzieht auch schon Althaus (1980a: 142f.) in sehr klarer Weise (allerdings mit Hilfe des Terminus Graphemik als 'Wissenschaft von den distinktiven graphischen Elementen der geschriebenen Sprache'). In der englischsprachigen Linguistik (zumindest in nach-strukturalistischer Zeit) ist eine solche Unterscheidung dagegen weitgehend unbekannt. 3
3
Dass Montgomery (2005: 46) für ein Primat der Orthographie gegenüber der Phonologie plädiert, hängt in erheblichem Maß damit zusammen, dass seine Überlegungen keine Ebene der Graphematik kennen.
9 Angesichts dieser zunächst nur theoretischen Unterscheidung stellt sich die Frage, wie eine graphematische Analyse ihre Datenbasis finden soll. Immerhin ist davon auszugehen, dass in erster Linie solche Daten unmittelbar beobachtbar sind, die die präskriptiven Anforderungen der Orthographie widerspiegeln. In diesem Zusammenhang unterbreitet Eisenberg (1998a: 288) folgenden Vorschlag: Eine Graphematik ermittelt [...] die Regularitäten, die dem normalen Schreiben zugrunde liegen. Sie findet ihre empirische Basis im Schreibusus, d.h. darin, wie tatsächlich geschrieben wird. Sie unterscheidet sich hier in nichts von der Phonologie oder der Syntax.
Für problematisch halte ich hierbei die Ansicht, die Graphematik betrachte im Gegensatz zur Orthographie eine Menge 'natürlicher Schreibungen'. Ich denke, dass sich faktische Schreibungen kaum jemals auf eine solche natürliche Weise ergeben, sondern sich grundsätzlich an der Orthographie ausrichten, also zumindest das Ziel verfolgen, die orthographisch korrekte Form zu erreichen. Dies betrifft sicherlich vorrangig kompetente Schriftbenutzer, aber auch der Schrifterwerb hat die orthographisch sanktionierte Form zum Ziel. Wenn von dieser abgewichen wird, kann dies als Indiz dafür gesehen werden, dass hier eine 'natürliche' Graphematik und eine konventionelle Orthographie auseinanderklaffen; es kann aber auch eine andere Ursache vorliegen. Generell vertraut Eisenbergs Ansatz zu sehr auf die Schreibpraxis statt auf theoretisch-systematische Erwägungen. Damit ist er nicht gut operationalisierbar. Ein erfolgversprechenderer Zugang lässt sich aus Überlegungen von Schenkel (1983: 54f.) zum idealtypischen historischen Gang der Schriftentwicklung gewinnen. Dürscheid (2004: 111) fasst die letzten beiden Etappen der Entwicklung alphabetischer Schriftsysteme nach Schenkel folgendermaßen zusammen: a. b.
Aus der Zahl möglicher Schreibungen für eine Lautkette wählt man die aus, die als Normalschreibung zu gelten haben (z.B. ftir [fuks]). Die zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer Sprachgemeinschaft festgelegten Normalschreibungen werden kodifiziert.
Dieses Modell ist diachron konzipiert, lässt sich aber auch synchron reinterpretieren. Wesentlich ist dabei der Terminus 'mögliche Schreibung'. Die Orthographie wählt danach nämlich die konventionelle Schreibung eines Worts so aus, dass aus einer Menge vorgegebener möglicher Schreibungen für die Lautkette, die das Wort repräsentiert, genau eine Schreibung für orthographisch korrekt erklärt wird. Hier geht es also nicht primär um Schreibgewohnheiten, sondern um einen systematischen Begriff, der mit systematischen Mitteln zu fassen und zu erklären sein sollte. Der nächste Abschnitt dient deshalb dem Versuch, diesen Begriff möglicher Schreibungen genauer zu bestimmen, und zwar in einem dependenziellen, nicht aber ableitbarkeitstheoretischen Rahmen. In den Kapiteln 3-5 wird das Konzept einer möglichen Schreibung in expliziter Weise theoretisch ausgearbeitet.
10 1.3
Graphematisch m ö g l i c h e und orthographisch richtige Schreibungen
Eine systematische Herangehensweise an die Frage, was eine mögliche Schreibung für ein bestimmtes Wort ist, impliziert zugleich die Frage, welche Schreibungen für dieses Wort nicht möglich sind und warum dies so ist. Immerhin sind die allermeisten Schreibungen nicht die richtigen, weil üblicherweise nur eine einzige Schreibung die korrekte ist. Allerdings lassen sich unter den falschen Schreibungen doch unterschiedliche Grade der Abweichung ausmachen. So sind bezogen auf ein bestimmtes Wort sehr viele Schreibungen gänzlich unmöglich oder absurd, während manche Schreibungen zwar orthographisch falsch, aber für die Lautform des Worts grundsätzlich denkbar sind. Dies sind die graphematisch lizensierten Schreibungen. Illustrierend für diese Überlegungen betrachte ich im Folgenden das Wort Wal. Hierbei handelt es sich um eine Realisierungsform des Lexems WAL, welches als Bezeichnung für ein großes Meeressäugetier fungiert. Schreibungen beziehen sich in erster Linie nicht auf Lexeme, sondern auf Realisierungen von Lexemen, die Aronoff (1994) 'Grammatische Wörter' nennt. Ein Grammatisches Wort ist die Realisierung eines Lexems in einer bestimmten grammatischen Kategorie. Wenn ich im Folgenden in unspezifischer Weise von Wörtern spreche, meine ich dies immer im Sinne von Grammatischen Wörtern. Das Wort Wal kann als Realisierung der Flexionskategorie Nominativ Singular des Lexems WAL gesehen werden, nicht aber beispielsweise als Form des Nominativs Plural desselben Lexems, die Wale lautet, ebenso wenig w i e als Nominativ Singular des Lexems WAHL, der Wahl lautet. Die folgende Liste enthält eine Auswahl von Schreibungen für das fragliche Wort Wal, die orthographisch nicht korrekt sind: (2)
Orthographisch falsche Schreibungen des Worts Wal a. b. c. (vgl. ) d. 'dem Äquivalentgewicht entsprechende Grammmenge eines Stoffs' e. Fluss in Südafrika f. Familienname Mündungsarm des Rheins g· 'Möglichkeit der Entscheidung' h.
Die Schreibung in (2a) ist unzweifelhaft keine mögliche Schreibung fur das zur Diskussion stehende Wort, und sie ist es schon deshalb nicht, weil kein Wort im Deutschen so geschrieben werden kann. Dabei besteht die aufgeführte Schreibung aus Buchstaben, die ohne weiteres in deutschen Schreibungen vorkommen, und auch die Anzahl der Buchstaben entspricht dem, was für eine Wortschreibung im Bereich des Möglichen liegt. Allerdings fehlt hier ein Vokalbuchstabe, der für jede Wortschreibung unbedingte Voraussetzung ist. Eine Analyse des deutschen Schriftsystems hat demnach zunächst den Begriff des Vokalbuchstabens zu klären und auch den dazu möglicherweise komplementären Begriff des Konsonantenbuchstabens. Während die Schreibung in (2a) also generell keine mögliche Schreibung des Deutschen ist, handelt es sich bei (2b) nicht nur um eine mögliche Schreibung des Deutschen, sondern sogar um eine existierende. Allerdings ist keine mögliche Schreibung des Worts
11 Wal. Dies liegt offensichtlich an dem Faktum, dass die Schreibung und die Lautung des Worts Wal nicht gut zusammengehen. Schließlich funktioniert ein alphabetisches Schriftsystem so, dass es zwischen der Schreibung eines Worts und seiner Lautung einen Zusammenhang gibt, der zumindest zu einem gewissen Grad motiviert ist. Eine Analyse des Schriftsystems des Deutschen hat diese Zusammenhänge zwischen Schreibung und Lautung zu klären. Dies ist genau der Gegenstand der Graphematik, wie ich sie verstehe. Dass die Schreibung in (2c) ebenfalls keine mögliche Schreibung für das Wort Wal ist, lässt sich nicht dadurch erklären, dass hier kein begründeter Zusammenhang zwischen Schreibung und Lautung besteht. Immerhin existiert im Deutschen das Wort Qual, das die Lautung des Worts Wal enthält und lediglich um den initialen Laut [k] länger ist. Während aber die Lautung [va:l] 4 im Kontext nach vorangehendem [k] durchaus mit der Schreibung in (2c) verschriftet werden kann, darf sie dies nicht, wenn der fraglichen Lautung nichts vorausgeht. Das bedeutet, dass die Beziehung von Schreibung und Lautung vom Kontext abhängig sein kann. Dabei bleibt der Begriff der Präzedenz genauer zu spezifizieren. Wenn es einen Zackwal gäbe, dürfte das Wort Wal hier ebenfalls nicht wie in (2c) geschrieben werden, obwohl der fraglichen Lautung der Laut [k] vorausgeht. Hierfür kann das Konzept eines 'potentiellen Wortbeginns' nutzbar gemacht werden (vgl. Abschnitt 2.3.2). Für funktional uninterpretierte Lautketten verwende ich im Folgenden den Terminus 'Lautung' und in analoger Weise für bloße Folgen von Buchstaben den Terminus 'Schreibung'. Die Schreibungen in (2d-h) sind von grundsätzlich anderer Art als die bislang besprochenen. Es handelt sich hierbei um Schreibungen, die ohne weiteres als Schreibungen für die Lautung [va:l] denkbar sind. Tatsächlich existieren all diese Schreibungen sogar für Wörter mit dieser Lautkette, zumindest wenn man geographische Namen und Familiennamen in die Betrachtung mit einbezieht. Während die Ausblendung bestimmter Teilbereiche des Wortschatzes für die Analyse der Orthographie sinnvoll sein kann, wenn wie im Deutschen einzelne Teilbereiche unterschiedlichen Regularitäten unterliegen (vgl. hierzu Kap. 6), muss die Analyse der Graphematik, der es lediglich um die Explizierung der Beziehung von schriftlichen Formen zu lautlichen Formen geht, prinzipiell den gesamten Wortschatz einbeziehen, und zwar nicht nur den tatsächlichen, sondern auch den potentiellen (vgl. Abschnitt 2.4). Doch auch wenn alle Schreibungen in (2d-h) denkbare Schreibungen für das Wort Wal sein mögen, sind sie doch nicht die richtigen Schreibungen, denn das Wort Wal darf orthographisch nur geschrieben werden. Eine adäquate Modellierung schriftsystematischen Wissens sollte demnach in der Lage sein, zwischen unmöglichen, möglichen und tatsächlichen Schreibungen eines Worts zu unterscheiden. Dabei untersucht die Graphematik, welches mögliche Schreibungen für eine bestimmte Lautung sind (womit dann zugleich alle anderen Schreibungen als graphematisch unmögliche Schreibungen für die fragliche Lautung ausgewiesen sind), während die Orthographie die Frage behandelt, welches die richtige Schreibung für ein bestimmtes Wort ist, welches seinerseits über eine bestimmte Lautung verfügt. Die Graphematik definiert 4
Wie traditionell üblich setze ich in diesem Kapitel Transkriptionen gegebenenfalls mit Längenzeichen an und im Falle mehrsilbiger Wörter mit Akzentzeichen. In Abschnitt 2.1.3 werde ich mich allerdings derjenigen Forschungsrichtung anschließen, die Länge nicht für einen phonologischen Faktor hält, und infolgedessen in den weiteren Kapiteln auf eine Kennzeichnung von Vokallänge in den Transkriptionen verzichten.
12
folglich einen Lösungsraum möglicher Schreibungen für Lautungen, die als Wort fungieren. Dieser Lösungsraum kann möglicherweise genau ein Element umfassen, zweifelsohne aber auch eine größere Menge von Schreibungen. Für die Lautung [va:l] existieren zumindest sechs graphematisch mögliche Schreibungen im Deutschen (tatsächlich sind dies noch wesentlich mehr, wenn man Schreibungen wie oder hinzurechnet). (3)
Graphematischer
Lösungsraum für die Lautung [va:l] (Ausschnitt) Val
Vaal
Vahl
Wal Waal Wahl
Die Orthographie dagegen bestimmt für ein Wort immer genau eine richtige Schreibung. Insofern lässt sie sich über ein Konstanzprinzip definieren: Die Orthographie ist bestrebt, konstanten sprachlichen Einheiten konstante Schreibungen zuzuordnen. Dies betrifft einerseits dialektale und stilistische Variation, die über einheitliche Schreibungen im Sinne einer Einheitsorthographie ausgeglichen wird. Andererseits betrifft dies auch morphologische Variation, nämlich dann, wenn eine morphologische Einheit je nach grammatischem Kontext über eine unterschiedliche Lautform verfugt. Auch dann ordnet die Orthographie einer solchen Einheit nach Möglichkeit eine konstante Schreibung zu, was üblicherweise als Stammkonstanz oder morphologische Konstanz bezeichnet wird. Die Grenzen des Möglichen werden hierbei grundsätzlich durch die Graphematik festgelegt. Diese Überlegungen motivieren die Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen einer graphematischen Komponente des Schriftsystems, die mögliche Schreibungen für eine Lautung definiert, und einer orthographischen Komponente, die in konventioneller Weise eine bestimmte Schreibung für ein Wort als richtig festlegt. Während ich die Funktionsweise der Orthographie des Deutschen in diesem zweipoligen theoretischen Rahmen in Kap. 6 nur andeute, liefern die übrigen Kapitel dieser Arbeit eine vollständige Analyse der Graphematik des Deutschen.
1.4 Graphematische und orthographische Schreibvarianten Das Ergebnis des letzten Abschnitts lautet, dass es für eine Lautform in der Funktion eines Worts gewöhnlich eine größere Anzahl graphematisch lizensierter Schreibungen gibt. Wenn es sich bei dem fraglichen Wort um ein tatsächliches Element des Wortschatzes handelt, erkennt die Orthographie zumeist nur eine einzige Schreibung als die konventionell richtige an. Freilich sind in gewissem Umfang Schreibvarianten möglich. Hierbei geht es nicht um die relativ seltenen Fälle orthographischer Polygraphie wie in den gegenwärtig erlaubten Schreibvarianten vs. oder vs. , die als orthographische Wandelphänomene eingeschätzt werden können, sondern um systematische Schreibungsvarianten, die sich prinzipiell für jedes Wort finden lassen. Anhand von möglichen und unmöglichen Schreibweisen des Relativpronomens deren möchte ich die
13
Natur solcher Schreibvarianten ergründen. Hierbei ist zu überlegen, ob solche Varianten graphematisch oder orthographisch bedingt sind, und für den letzteren Fall, welche Kennzeichnungsfunktion solchen Varianten zugeschrieben werden kann. In der linken Spalte in (4) finden sich unterschiedliche Schreibvarianten des Relativpronomens deren, von denen zumindest die ersten sechs orthographisch zugelassen sind, während die übrigen drei einen orthographisch fragwürdigen Status haben. In der rechten Spalte habe ich einige Schreibweisen aufgeführt, die mehr oder weniger naheliegend sind, aber als Schreibweisen für das Wort deren nicht in Frage kommen. (4)
Orthographisch a. deren b. Deren c. DEREN d. d e T e n e. De~Ten f. DE-REN g· der'n h. Der'n i. 'DER'N
korrekte undfalsche j· *DEren k. *dereN 1. *der^en m. *d'ren n. *dern 0. *dehren P- *deeren q- *deeeren r. *teren
Schreibweisen des Relativpronomens
deren
Die Schreibung in (4a) ist die Normalschreibung, also der Default einer orthographischen Repräsentation des betrachteten Worts, der auch als Nennform fungiert. Die Charakterisierung als Default soll besagen, dass diese Schreibung immer dann gewählt wird, wenn es keine kontextuellen Einschränkungen gibt, die Eigenschaften verlangen, die die vorliegende Schreibung nicht erfüllt. Eine einschlägige derartige Einschränkung, die in die Domäne der Orthographie fällt, ist die Großschreibung am Satzanfang. Da die Defaultschreibung diese Großschreibungsbedingung nicht erfüllt, kann sie im fraglichen Kontext nicht gewählt werden. Das Schriftsystem des Deutschen stellt aber auch die Schreibung (4b) als eine markierte Schreibvariante zur Verfügung, die in diesem Fall angemessen ist. Unter graphematischer Perspektive ist die Annahme plausibel, dass Groß- und Kleinbuchstaben unterschiedliche Buchstabenkörper für ein und dieselbe abstrakte Grundeinheit darstellen. Immerhin bleibt das Verhältnis von Schreibung zu Lautung unverändert, wenn ein Kleinbuchstabe durch einen Großbuchstaben ersetzt wird. Dabei haben Kleinbuchstaben einen unmarkierten Status, Großbuchstaben dagegen einen markierten (so auch Gallmann 1986: 50; Primus 2000b: 29). Die Orthographie wählt zur Erfüllung der satzinitialen Großschreibungsbedingung aus der Menge graphematisch möglicher Schreibungen diejenige Form aus, bei der genau der erste Buchstabe ein Großbuchstabe ist. Graphematisch unbedenkliche Schreibvarianten mit zwei initialen Großbuchstaben wie (4j) oder einem Großbuchstaben an anderer als der initialen Position wie in (4k) sind orthographisch ausgeschlossen. Wichtig ist hierbei, dass tatsächlich die Einheit Buchstabe von dieser orthographischen Regel betroffen ist und nicht eine anders gelagerte funktionale Größe, bei der beispielsweise die Buchstabenfolge ein einheitliches Element darstellen würde (vgl. Primus 2000b: 29). Immerhin zielt die Großschreibungsbedingung genau auf den ersten Buchstaben und nicht etwa auf das erste Graphem, wie die Gegenüberstellung von vs. * demonstriert.5 5
Im Niederländischen wird konsequenterweise die Zeichenfolge als ein einheitlicher Buchstabe (als Ligatur) eingeschätzt, weil bei satzinitialer Großschreibung beide Zeichen betroffen sind
14
Als dritte orthographisch zugelassene Schreibung, die über einen größeren Grad an Markiertheit verfugt, ist immer auch eine solche möglich, die nur aus Großbuchstaben besteht (4c). Diese kann durch orthographische Regeln auf der Textebene ausgewählt werden, etwa im Kontext Überschrift oder in einer Schreibweise, die Kleinbuchstaben generell ausschließt. Da diese Form (4c) zugleich auch die orthographische Großschreibungsbedingung für Satzanfänge erfüllt, kann sie natürlich auch in den angedeuteten Kontexten der Textebene satzinitial verwendet werden. Wenn eine Schreibung wie (4c) in einem normalen Text erscheint, erfüllt sie eine besondere Hervorhebungsfunktion. Die Schreibungen (4d f) stellen Varianten der bislang besprochenen drei Schreibweisen dar, wobei hier jeweils zusätzlich ein Trennstrich in die Buchstabenfolge eingefügt ist. Ich benutze das Zeichen '-·' zur Kennzeichnung des Trennstrichs, um ihn optisch vom Bindestrich abzusetzen. Eine Wortschreibung mit Trennstrich kann nur in bestimmten Positionen erscheinen, die textorthographisch definiert sind, nämlich am Zeilenende, und zwar mit dem Zweck, eine möglichst vollständige Füllung einer Zeile mit Zeichen zu ermögfi— chen. Während also die Textorthographie bestimmt, an welcher Stelle im Text eine Schreibung mit Trennstrich erscheinen kann, bestimmt die Wortorthographie, an welcher Stelle im Wort ein Trennstrich stehen darf. Für die Graphematik ist die Setzung von Trennstrichen irrelevant, denn die Beziehung von Schreibung zu Lautung ändert sich nicht, wenn eine Wortschreibung einen Trennstrich enthält. Ein weiteres Indiz für die Einschätzung der Worttrennung als orthographisch ist der Umstand, dass sie konventionell (über eine Reform des Regelsystems) verändert werden kann. Graphematische Eigenschaften sind gegenüber solchen reformerischen Eingriffen wesentlich resistenter. Zur Positionierung von Trennstrichen liefert die Orthographie des Deutschen eindeutige Vorgaben in dem Maße, dass im Pronomen DEREN nur eine einzige Position möglich ist. Die Form (41) belegt eine wortorthographisch falsche Setzung des Trennstrichs. Textorthographisch wäre ein Trennstrich dann falsch gesetzt, wenn sich eine Schreibung wie in Zeilenmitte befinden würde. Dann dürfte das Interpunktionszeichen nämlich nicht als Trennstrich interpretiert werden. Da es hier aber nicht als Bindestrich interpretiert werden kann, wäre die Schreibung trotz wortorthographischer Korrektheit als falsch zu bewerten. Im übrigen hat ein Bindestrich sehr wohl Einfluss auf die graphematischen Eigenschaften einer Schreibung, denn Bindestriche indizieren Aspekte der morphologischen Struktur, die graphematisch relevant sein kann (vgl. Abschnitt 2.3.2 zu PW-Grenzen). Die Schreibweisen in (4g—i) illustrieren die Möglichkeit, dass Wortschreibungen ein Apostroph enthalten können. Da die Schreibungen mit der zweisilbigen Form [fijiz] (als Possessiv Plural von fish 'Fisch') korrespondiert, entspricht der apostrophlosen Form (denkbar als pluralische Form des Eigennamens Fish) nur eine einsilbige Aussprache.
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enthält, könnte die Eigenschaft haben, ein vom Standardregister abweichendes lautliches Stilregister abbilden zu wollen. Tatsächlich kann das Pronomen deren im Deutschen nicht nur zweisilbig, sondern umgangssprachlich auch einsilbig ausgesprochen werden. Während die Schreibung (4m). Die Orthographie des Deutschen verlangt normalerweise die Kennzeichnung solcher Buchstabenauslassungen gegenüber den Normalschreibungen durch Apostroph. Dies kann auch eine reine schreibabkürzende Funktion haben wie in der Schreibung auch aus einem 'Nullp h o n e m ' hergeleitet werden kann, nämlich in einer Schreibung wie , die sie in theoretisch problematischer W e i s e a u f ein 'zugrundeliegendes phonologisches W o r t ' ohne / t / - P h o n e m zurückführen.
41 läge detaillierter Begründungen werde ich in jedem Einzelfall die Korrespondenz zu einer oder zu mehreren phonologischen Einheiten als vorrangigen Normalwert bzw. als primären Default ausweisen. Dieser Defaultwert ermöglicht dann die phonologisch basierte Klassifizierung der fraglichen Buchstaben. Wenn beispielsweise der Buchstabe normalerweise mit einem Vokal korrespondiert (z.B. mit [y] wie in Lyrik oder mit [Y] wie in Ypsilon), in bestimmten graphematischen Kontexten aber mit einem Konsonanten (nämlich mit [j] wie in Yacht), ist es gerechtfertigt, als einen Vokalbuchstaben zu klassifizieren. Im gegebenen Beispiel ist der Vokalbuchstabe nicht genauer als Buchstabe fur periphere oder als Buchstabe für zentralisierte Vokale zu klassifizieren, wenn es zutrifft, dass die Korrespondenz zu beiden genannten Vokalphonen primären Status besitzt (vgl. Abschnitt 4.1).
2.2.2
Feste Buchstabenverbindungen
Die Buchstaben des deutschen Schriftsystems haben also Korrespondenzen zu einer oder zu mehreren phonologischen Einheiten. Solange diese unterschiedlichen Arten von Beziehungen über Regeln beschrieben werden können, genügt die Einheit Buchstabe in Verbindung mit einem Regelkonzept zur Modellierung der Graphematik. In bestimmten Konstellationen ist dieser Mechanismus aber nicht ausreichend, und zwar genau dann, wenn Buchstaben sich gegenseitig in ihrer phonologischen Korrespondenz bedingen. So ließe sich in Analogie zum -Fall annehmen, dass der Buchstabe über eine (genauer zu spezifizierende) Defaultkorrespondenz verfugt, möglicherweise auch noch über bestimmte andere Korrespondenzen, im Kontext vor (oder vor ) aber die Korrespondenz zu [J] wie in der Schreibung . Eine Voraussetzung für diese Analyse wäre, dass die Buchstaben und (bzw. die Buchstabenfolge als Ganzes) über eine Nullkorrespondenz verfügen, ihnen also kein phonologisches Segment entspricht. Im vorliegenden Fall würde dies aber nicht das Problem lösen, weil die Buchstabenfolge nicht in allen Kontexten mit [J] korrespondiert, sondern gelegentlich auch mit [sf] wie in oder . Um diese Daten zu erfassen, müsste angenommen werden, dass das in einer Schreibung wie zwar die Korrespondenz zu [J] aktivieren würde, da wie verlangt der Buchstabe folgt; zugleich müsste aber verboten werden, dass in diesem Fall die Buchstabenfolge eine andere Korrespondenz als die Nullkorrespondenz aktiviert, also etwa nicht die prinzipiell mögliche Korrespondenz zu [ς]. Schließlich korrespondiert die Buchstabenfolge tatsächlich niemals mit der Phonfolge [J9]. Dies ist eine originäre Regularität der Graphematik, die nicht phonologisch bedingt ist, denn die Phonfolge [J9] existiert im Deutschen heterosyllabisch wie in Fläschchen. Dennoch darf in einer Schreibung wie nicht diese Phonfolge rekodiert werden. Anders gelagert ist der Fall der Buchstabenfolge : Hier genügt die Angabe, dass der Buchstabe im Kontext vor mit [s] oder [J] korrespondieren kann (was noch genauer zu formulieren sein wird). Das zweite Element dieser Buchstabenfolge wird dabei unabhängig vom ersten Element rekodiert, und zwar so, wie per Default in anderen Kontexten auch, nämlich als [t]. Wenn sich folglich zwei Buchstaben in ihrem Korrespondenzverhalten gegenseitig determinieren, genügt die Modellierung über Einzelbuchstaben plus Regeln nicht. Vielmehr setze ich in solchen Fällen Buchstabenfolgen als feste Einheiten der Graphematik an, die über spezifische Korrespondenzen verfügen. Solche Einheiten bezeichne ich als 'feste Buchstabenverbindungen'. In dieser Eigenschaft ähneln sie Buchstaben, aber sie unter-
42 scheiden sich zugleich von ihnen, weil sie komplexe graphematische Einheiten darstellen, die aus Buchstaben zusammengesetzt sind. Insofern fallen Buchstaben und feste Buchstabenverbindungen nicht in eine einheitliche Klasse, weshalb ich den Terminus Graphem zu ihrer Benennung nicht heranziehen möchte. Welche Buchstabenfolgen als feste Buchstabenverbindungen angesehen werden müssen, lässt sich nicht vorab entscheiden, sondern kann sich erst als Ergebnis einer gründlichen Analyse der Graphematik herausstellen. Nur wenn das Korrespondenzpotential der Einzelbuchstaben hinreichend beschrieben ist, kann sich für manche Buchstabenfolgen zeigen, dass ihre Korrespondenzen nicht aus den Korrespondenzen der enthaltenen Einzelbuchstaben herleitbar sind und sie mithin als feste Buchstabenverbindungen mit dem Status als graphematische Einheiten angesehen werden müssen. Diese Einschätzung ist dann natürlich das Ergebnis einer theoretischen Analyse, das von anderen Analysen infrage gestellt werden kann. Insgesamt werde ich für die deutsche Graphematik 11 solcher festen Buchstabenverbindungen ansetzen. Auf der Basis eines kleineren Ausschnitts des Wortschatzes des Deutschen nehmen Nerius et al. (2000: 120123) 38 'Buchstabenverbindungen' an, die meinen 'festen Buchstabenverbindungen' artverwandt sind. Ein wichtiges Indiz zur Unterscheidung von festen Buchstabenverbindungen gegenüber bloßen Folgen von Buchstaben, die nach dem Korrespondenzpotential der Einzelbuchstaben zu rekodieren sind, ist Unterdeterminiertheit. Wenn eine Buchstabenfolge sowohl nach den Einzelkorrespondenzen dieser Buchstaben als [KiK 2 ] rekodiert werden kann als auch mit der von K, und K 2 distinkten phonologischen Form [K 3 ], bedeutet dies, dass auf die fragliche Buchstabenfolge unterschiedliche Regeln angewendet werden können. Im Rekodierungsmodell heißt dies, wie ich später ausarbeiten werde, dass es eine fur die Buchstabenfolge spezifische Korrespondenzregel geben muss und mithin die Buchstabenfolge eine feste Einheit des graphematischen Inventars darstellt, also eine feste Buchstabenverbindung. In diesem Sinne kann die Schreibung nach den Korrespondenzen der Einzelbuchstaben als [kRais.ijan] rekodiert werden, aber auf der Basis der festen Buchstabenverbindung auch als [kRai.Jsn],
2.3
2.3.1
K o r r e s p o n d e n z r e g e l n als T r a n s f o r m a t i o n s r e g e l n
Format und Ordnung von Korrespondenzregeln
Auf der Basis des phonologischen sowie des graphematischen Grundinventars kann nun die Beziehung zwischen diesen beiden Inventaren beschrieben werden. Im Rekodierungsmodell der Graphematik vermitteln Korrespondenzregeln zwischen graphematischen Formen (die ich abkürzend auch als 'Schreibungen' bezeichnen werde) und phonologischen Formen (die ich auch als 'Lautungen' ansprechen werde). Mithin gilt es, Korrespondenzregeln zu formulieren, die erfassen, welcher phonologischen Einheit ein bestimmter Buchstabe entspricht. Auf der Eingabeseite einer Korrespondenzregel steht folglich ein Buchstabe (oder gegebenenfalls eine feste Buchstabenverbindung) und auf der Ausgabeseite ein Element der phonologischen Repräsentation (einschließlich einer Folge von Einheiten oder einer Nullfolge). Aufgrund dieser Charakterisierung der wesentlichen Eigenschaften von graphemati-
43 sehen Korrespondenzregeln bietet es sich an, das von Chomsky & Halle (1968) für phonologische Regeln vorgeschlagene Format für die Modellierung der Graphematik zu nutzen. Dieses Format hat folgende allgemeine Struktur: (20) Allgemeine Transformationsregel (Chomsky & Halle 1968: 14)
A —> Β / Χ
Y]v
Nach Chomsky & Halle (1968: 14) besagt diese Regel, „that an element of the type A is rewritten as a corresponding element of the type Β when A appears in the context X Y (that is, with X to its left and Y to its right) and when the item in question is a verb". Mit der Einschränkung, dass statt der spezifischen Information 'Verb' an dieser Stelle besser ein Platzhalter für Domänen beliebiger Art stehen sollte, lässt sich die gegebene Charakterisierung geradlinig auf graphematische Phänomene anwenden. Die Wortwahl von Chomsky & Halle für Regel (20) hat dazu geführt, dass dieser Regeltyp als 'Rewrite Rules' (Ersetzungsregeln) bezeichnet wird (vgl. auch schon Chomsky 1965: 112). Genauso angebracht ist es aber, hierin das generelle Format für Korrespondenzregeln zu sehen. Auch andere Untersuchungen zur Graphematik bedienen sich dieses Formalismus, allerdings bevorzugt für die umgekehrte Ableitung, nämlich für die Transformation von lautlichen Strukturen in schriftliche. Die entsprechenden Regeln werden dann als GPK-Regeln, also als Graphem-Phonem-Korrespondenzregeln bezeichnet. Beispiele hierfür sind Bierwisch (1972: 25), Wiese (1989: 326) und Eisenberg (1998a: 292) bezogen auf das Deutsche, Nunn (1998: 35) für das Niederländische, Sproat (2000: 69f.) im Rahmen eines computerlinguistischen Modells für das Russische und das Weißrussische und Rollings (2004: 70) für das Englische. Für die deutsche Orthographie existiert zudem eine ausgearbeitete computerlinguistische Implementierung auf der Basis dieses Regelformats (vgl. Maas et al. 1999). Im Rahmen des Rekodierungsmodells werde ich das Format in (20) für solche Regeln benutzen, die - grob gesprochen - Buchstaben in Phone überführen, gewissermaßen also für PGK-Regeln. Mit Ά ' wird dann ein graphematisches Element und mit Έ ' ein phonologisches bezeichnet. Für die Kontextbeschreibung hat diese Sichtweise die Konsequenz, dass der graphematische Kontext ausschlaggebend ist für die Frage, ob eine Korrespondenzregel applizieren kann, denn der Kontext in Regeltyp (20) betrifft ja die Eingabeseite. In der Literatur wird dies nicht immer so einheitlich gehandhabt. So erlaubt Rollings (2004: 70) seinen GPK-Regeln mit phonologischer Eingabe sowohl phonologische Kontextbeschreibungen als auch in widersprüchlicher Weise kontextuelle Einschränkungen auf der schriftlichen Ebene. Chomsky & Halle (1968) benutzen das allgemeine Schema einer Transformationsregel zur Modellierung phonologischer Phänomene. Allerdings hat sich in der generativen Phonologie etwa seit Beginn der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts besonders die mit diesem Format verbundene derivationelle Auffassung zur Grammatik als problematisch erwiesen. Daher ist es an dieser Stelle nötig, die Unterschiede zwischen einer Rekodierungsanalyse der Graphematik und einer derivationellen Modellierung der Phonologie herauszuarbeiten, um zu begründen, dass die bekannten Probleme des Konzepts der Transformationsregel für die angestrebte Rekodierungsanalyse nicht einschlägig sind. In der von Chomsky & Halle (1968) entworfenen SPE-Phonologie, die im Grunde bis in die 80er Jahre in Form der Lexikalischen Phonologie (Kiparsky 1982) fortlebte, dient das
44 fragliche Regelformat dazu, abstrakte zugrundeliegende Repräsentationen in konkretere Oberflächenrepräsentationen zu überfuhren. Insofern könnte man hier ein Vorbild fur die kategorische Transformation von Buchstaben in Phone im Rekodierungsmodell sehen. Problematisch an der Anwendung des Regelformats in der SPE-Phonologie ist zunächst, dass es sich bei der zugrundeliegenden Eingabe um hochgradig abstrakte Annahmen handelt, die nicht der unmittelbaren Beobachtung entspringen, sondern sich aus komplexen theoretischen Argumentationen ergeben und damit notwendigerweise strittig und hinterfragbar sind. Überdies - und das ist der wesentliche Punkt - geschieht die Transformation im SPE-Modell nicht in einem Schritt, sondern über eine im Prinzip unbegrenzte Anzahl von Zwischenschritten. Deshalb fungiert nur bei der ersten angewendeten Regel tatsächlich die zugrundeliegende Repräsentation als Eingabe, und nur bei der letzten angewendeten Regel ist die Ausgabe die Oberflächenrepräsentation (die, wie in Abschnitt 2.1.1 erwähnt, der Ebene der phonetischen Transkription entspricht). Ansonsten handelt es sich sowohl bei der Eingabe als auch bei der Ausgabe um virtuelle Zwischenrepräsentationen, die prinzipiell nicht beobachtbar sind und deren theoretischer Status eigentlich unklar ist (was z.B. dadurch deutlich wird, dass umstritten ist, welche Arten von Klammern zur Kennzeichnung dieser Repräsentationen verwendet werden sollen). Weiterhin ist mit dieser Konzeption eine Ordnungsproblematik verbunden, weil phonologische Regeln typischerweise in einer extrinsisch festgelegten, also nicht natürlich gegebenen (intrinsisch motivierten) Reihenfolge abgearbeitet werden müssen. Für die generative Linguistik ist dieses Problem einer der wesentlichen Gründe, warum eine solche derivationelle Konzeption der Phonologie heutzutage abgelehnt wird, da diese Modellierung als kognitiv nicht beherrschbar und damit als unrealistisch eingeschätzt wird (vgl. hierzu z.B. Haider 1993). Ein solches Argument ist natürlich nur einschlägig, wenn die Modellierung kognitiver Fähigkeiten zum Gegenstandsbereich der Linguistik erklärt wird. Für strukturalistisch-systematisch orientierte Ansätze lässt sich die diskutierte Problematik so erfassen, dass extrinsisch geordnete Regeln wissenschaftstheoretisch unbefriedigend sind, weil sie nicht falsifizierbar sind. Da der Effekt einer Regel prinzipiell immer durch die Einwirkung einer nachfolgenden Regel unwirksam gemacht werden kann, haben solche Regeln grundsätzlich keine oberflächentreue Wirkung. Gleiches gilt im Übrigen für die Nachfolgetheorie der derivationellen generativen Phonologie, nämlich die Optimalitätstheorie (Prince & Smolensky 1993), die zwar mit Beschränkungen (constraints) für Oberflächenrepräsentationen statt mit derivationellen Regeln arbeitet, aber diese Beschränkungen sind hierarchisch geordnet und damit auch nicht oberflächentreu und mithin nicht falsifizierbar (vgl. Ploch 2003). Solche Probleme werden in dem von mir skizzierten graphematischen Rekodierungsmodell nicht akut, und zwar deshalb, weil Transformationen in diesem Modell einen kategorischen Wechsel von der graphematischen in die phonologische Repräsentation beschreiben, ohne dass derivationelle Zwischenstufen angenommen werden. Insofern bilden immer graphematische Einheiten die Eingabe und phonologische Einheiten die Ausgabe. Mithin stehen auf beiden Seiten der Regel Elemente einer Oberflächenrepräsentation, die soweit unmittelbar beobachtbar sind, wie graphematische bzw. phonologische Elemente überhaupt beobachtbar sein können. Weil die Überführung von einer Repräsentation in eine andere immer in einem Schritt passiert, kommt auch keine Ordnungsproblematik auf, sodass weder abstrakte Zwischenrepräsentationen von fragwürdigem Status (im Niemandsland zwischen Graphematik und Phonologie) angesetzt noch Regeln in eine bestimmte, extrinsisch festzu-
45 legende Reihenfolge gebracht werden müssen. Damit sind die Korrespondenzregeln oberflächentreu und falsifizierbar. Allerdings werde ich annehmen, dass eine graphematische Korrespondenzregel im Prinzip aus verschiedenen Teilregeln bestehen kann, die lokal, nämlich innerhalb der Regel selbst, in einer Ordnungsrelation stehen. Dabei wird die Ordnung innerhalb einer Regel immer explizit über die Vergabe von Defaultkennzeichnungen festgelegt sein. Anders als in phonologischen Applikationen des Transformationskonzepts, bei denen davon ausgegangen wird, dass zu einer Eingabe genau eine Ausgabe existiert, basiert meine graphematische Analyse gerade wesentlich auf der Überlegung, dass eine Eingabe durchaus mehrere Ausgaben haben kann. Diese Art, Unterdeterminiertheit zu modellieren, ist entweder unmittelbar in einer Korrespondenzregel ersichtlich, oder sie ergibt sich aus dem Zusammenspiel von Einzelbuchstaben und festen Buchstabenverbindungen. Diese Konzeption von Korrespondenzregeln werde ich in Kap. 3 weiter entfalten. Im angesprochenen kategorischen Sinne werden übrigens auch GPK-Regeln formalisiert, z.B. bei Bierwisch (1972). Daneben existieren prinzipiell zweistufige Modelle, die möglicherweise keine dramatischen Ordnungsprobleme aufweisen, deren Regeln aber nichtsdestotrotz nicht oberflächentreu wirken. So nimmt Nunn (1998) eine zweistufige Ableitung an, bei der zunächst Segmente einer lexikalisch-phonologischen Repräsentation in abstrakte Einheiten der schriftlichen Repräsentation überführt werden, bevor diese dann in einem zweiten Schritt in die schriftliche Oberflächenrepräsentation transformiert werden. In analoger Weise formuliert Eisenberg (1998a: 298) eine 'kontextgebundene GeminationsregeP, die auf einer durch GPK-Regeln erzeugten Zwischenrepräsentation appliziert. Ein ähnlich gelagertes Modell präsentiert Rollings (2004) für das Englische. Für jedes phonologische Eingabeelement setzt er genau eine 'Major Rule' an, die das fragliche Element in genau eine schriftliche Repräsentation überführt. In einem zweiten Schritt kann diese schriftliche Repräsentation durch 'Re-Write Rules' in Abhängigkeit vom phonologischen oder vom schriftlichen Kontext in andere Schreibungen verwandelt werden. Für 'seltenere' Schreibungen setzt Rollings überdies 'Listing Rules' an, die entweder das phonologische Ausgangselement oder die Ausgabe der Major Rule zur Eingabe nehmen und in eine bestimmte Schreibung überführen (abgesehen von noch selteneren Fällen, die gleich als 'Rare Spellings' in Form von regellosen Listen behandelt werden). Mein Rekodierungsmodell unterscheidet sich von diesen Ansätzen einmal durch die Richtungsänderung der Wirkungsweise von Transformationsregeln (wiewohl z.B. Eisenberg (1998a) Regeln in beiderlei Richtung formuliert wissen möchte), vor allem aber durch eine strikte Unterscheidung von Graphematik und Orthographie. Die genannten anderen Modelle versuchen nämlich, über Transformationsregeln orthographische Repräsentationen zu erzeugen, also eindeutige und konventionell festgelegte Schreibungen. Das Rekodierungsmodell dagegen benutzt das Format der Transformationsregel nur für die graphematische Komponente, der es beispielsweise gestattet ist, zur graphematischen Repräsentation eines Worts mehr als eine korrespondierende phonologische Form zu erzeugen. Die Orthographie stellt dagegen ein eigenes System dar, das aus der Menge graphematisch möglicher Schreibungen für ein Wort eine bestimmte Form auswählt. Diese Wirkungsweise der Orthographie ist mit theoretisch anderen Mitteln zu beschreiben. Hierfür werde ich in Kap. 6 erste Vorschläge unterbreiten, die auf der Anwendung von Beschränkungen basieren, die für bestimmte Teilbereiche des Vokabulars spezifiziert sind. Die ausführliche graphematische Analyse in den Kap. 3 - 5 ist in dieser Gesamtkonzeption der Schriftsystemanalyse eine notwendige Voraussetzung für eine darauf aufbauende Analyse der Orthographie.
46 2.3.2
Die Domäne von graphematischen Korrespondenzregeln
Wenn graphematische Korrespondenzregeln kontextsensitiv sein können, stellt sich die Frage, ob für die graphematische Analyse die Information über adjazente Buchstaben ausreichend ist oder ob Korrespondenzregeln bei ihrer Anwendung auf bestimmte Domänengrenzen Bezug nehmen. Eine solche Domäne ist dann anzusetzen, wenn das Korrespondenzpotential von Buchstaben entscheidend davon beeinflusst wird, dass sie sich in einer Position befinden, die nur in Bezug auf diese Domäne zu beschreiben ist. Letztlich ist dies sicher eine Frage der spezifischen Modellierung der graphematischen Komponente sprachlichen Wissens, also eine Frage, die nur theorieabhängig beantwortet werden kann. Einmütigkeit besteht darüber, dass die Graphematik und die Orthographie auf der Domäne 'graphisches Wort' basieren. Besonders intensiv untersucht wird daneben in letzter Zeit die Domäne 'Schreibsilbe' (z.B. Eisenberg 1989; Primus 2000a, b, 2003). Dem entspricht extensional die Domäne 'graphisches Wortsegment' bei Nerius et al. (2000: 78), die ursächlich an das Phänomen der Worttrennung gekoppelt ist. Daneben wird gelegentlich das graphische Morphem als regelrelevante Domäne angesetzt (z.B. Nerius et. al 2000: 88). Grundsätzlich nehme ich an, dass eine graphematische Analyse mit möglichst wenigen Domänen auskommen sollte. Wenn eine Analyse, die beispielsweise ohne die Domäne der Schreibsilbe auskommt, genauso beschreibungsadäquat ist wie eine, die mit ihr operiert (unter der Voraussetzung, dass sich die fraglichen Analysen hinsichtlich der Ansetzung anderer Domänen nicht quantitativ unterscheiden), wäre dies das beste Argument gegen die Schreibsilbe. Dass durch die Worttrennung bestimmte Teilstrecken von Wortschreibungen voneinander abgegrenzt werden, impliziert schließlich nicht, dass diese Teilstrecken selbst theoretisch bedeutsam sind. Immerhin lässt sich die Worttrennung nicht über die Schreibsilbe erklären, wenn die Schreibsilbe über die Worttrennung definiert ist. Ich werde in meinem Rekodierungsmodell tatsächlich ohne die Schreibsilbe operieren. Erklärungsrelevanz schreibe ich dagegen der Domäne des Graphischen Worts zu sowie einer Grenze, die ich als 'potentiellen Wortbeginn' bezeichne. Ein Graphisches Wort ist eine Folge von Buchstaben, die nicht durch Leerzeichen unterbrochen wird und die in einem geeigneten neutralen Satzkontext von zwei Leerzeichen umgeben ist. Eine erlaubte Art der Unterbrechung von Buchstabenfolgen innerhalb eines Graphischen Worts sind bestimmte Interpunktionszeichen, nämlich zumindest der Bindestrich, der Trennstrich, der Apostroph, der Punkt oder Klammern, wie folgende Daten illustrieren: (21) Interpunktionszeichen innerhalb von graphischen Wörtern a. b. c. d. e.
rot-grün, See-Elefant deTen der'n, D'dorf Dipl.-Ing. (un)schön
Dass die Domäne des Graphischen Worts im deutschen Schriftsystem eine herausgehobene Stellung einnimmt, dürfte unbestreitbar sein. Ihre Erklärungsrelevanz lässt sich am Fall der initialen Großschreibung belegen. Groß geschrieben wird gegebenenfalls immer der erste Buchstabe dieser Einheit, und in einem textuellen Kontext, der die Initialgroßschreibung eines jeden Worts verlangt (etwa in bestimmten Überschriftentypen), ist es genau die Einheit Graphisches Wort, für die diese Bedingung gilt. Im Folgenden untersuche ich nur sol-
47 che Phänomene, die innerhalb der Grenzen eines Graphischen Worts angesiedelt sind. Angesichts der phonologischen Relevanz der Intonation ist freilich auch mit graphematisehen Phänomenen zu rechnen, die die Grenzen graphischer Wörter überschreiten und die auf Seiten des Schriftsystems mit Interpunktion verbunden sind. Hieran schließt sich die Frage an, ob es zwischen dem Graphischen Wort und dem Buchstaben weitere Einheiten gibt, die graphematisch relevant sind und im besten Fall mit graphischen Mitteln herausgehoben werden (können). Tatsächlich komme ich in meinem Rekodierungsmodell nicht allein mit den Einheiten Graphisches Wort und Buchstabe aus. Dies liegt in erster Linie daran, dass das Wort eine rekursive Kategorie ist. Das bedeutet, dass Wörter Wörter enthalten können, und zwar auf allen Ebenen, also in der Graphematik genauso wie in der Phonologie und in der Morphologie. Damit kann ein Buchstabe, der im freien Vorkommen des fraglichen Graphischen Worts in initialer Position steht, im eingebetteten Vorkommen desselben Worts möglicherweise in nicht-initialer Position vorliegen. Allerdings ändert sich dabei sein Korrespondenzpotential nicht, besonders auch dann nicht, wenn Buchstaben in wortinitialer Position über spezifische Korrespondenzen verfugen. Die folgenden Daten veranschaulichen dies anhand der Buchstabenfolge (ohne dass diese Folge damit als feste Buchstabenverbindung ausgewiesen werden soll). (22) Korrespondenzen von a.
—> [Jt]
Stein, Gestein, Sandstein
b.
—• [st]
Test, testen, reisten, trösten, dünsten
Während am Beginn eines Graphischen Worts für nur die Korrespondenz zu [Jt] möglich ist, kann dieselbe Buchstabenfolge am Ende eines Graphischen Worts nur mit [st] korrespondieren. In wortmedialer Position dagegen sind beide Korrespondenzen möglich. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass sich die fragliche Buchstabenfolge zwischen zwei Vokalbuchstaben befindet, sodass eine rein buchstabenbezogene Erklärung der Distribution nicht möglich ist. Zumindest heikel ist der Versuch, die Distribution mit Bezug auf ein Silbenkonzept erklären zu wollen. Entscheidend für einen solchen Versuch sind die Daten der Typen reisten, trösten und dünsten. Um über silbenstrukturelle Eigenschaften erklärbar zu machen, dass in diesen Fällen die Buchstabenfolge mit [st] korrespondiert, müsste davon ausgegangen werden, dass die Schreibsilbengrenze jeweils zwischen und liegt, denn wenn sich die Buchstabenfolge eindeutig am Silbenanfang befindet, ist die Korrespondenz zu [Jt] einschlägig, wie alle Daten in (22a) belegen. Dies wäre natürlich mittels einer definitorischen Maßnahme zu gewährleisten, zu dem Preis allerdings, dass die Schreibsilbe hier in ihrer Extension von der phonologischen Silbe abweichen würde, zumindest nach solchen phonologischen Modellen, die fur die drei genannten Typen die phonologische Silbengrenze mittels des phonologischen Konzepts der Maximierung des Onsets jeweils vor dem [s] piazieren würden. Nun ist fur die Bewertung der Daten in (22) jedoch intuitiv klar, dass die morphologische Struktur der erklärungsrelevante Faktor ist. Um die Wörter adäquat rekodieren zu können, muss als Erstes erkannt werden, ob die Buchstabenfolge den Beginn einer bestimmten morphologischen Einheit markiert oder nicht. Diese vorliegende Strukturabhängigkeit der Rekodierung lässt sich besonders gut durch solche Homogramme veranschaulichen, die über eine unterschiedliche Aussprache verfugen. Bei den folgenden Beispielen finden sich in (23a) existierende Infinitive mit dem Suffix -ier. In (23b) habe ich Komposita mit dem Hinterglied Stieren konstruiert. Die Bindestriche markieren die jeweils
48 relevante morphologische Bruchstelle. Ich habe bei der Notation die Großschreibung gewählt, wie sie bei nominalisierten Infinitiven tatsächlich anzutreffen ist, um sicherzustellen, dass die Daten als Homogramme akzeptiert werden. Allerdings nehme ich an, dass die Großschreibung für die Rekodierung irrelevant ist und damit den Homogrammstatus im Grunde nicht berührt. (23) Homogramme mit a.
Assist-ieren Kontrast-ieren Post-ieren
b.
Assi-stieren Kontra-stieren Po-stieren
Bei den Daten in (23b) fängt bei ein neuer Stamm bzw. eine neue Wurzel an, was die Aussprache als [Jt] nach sich zieht, während bei den Daten in (23a) die Buchstabenfolge wurzelintern auftritt und aus diesem Grund mit [st] korrespondiert. Unter der Annahme, dass diese morphologische Information Voraussetzung für eine adäquate Rekodierung ist, fuhrt das unterschiedliche Korrespondenzverhalten der Buchstabenfolge nicht zu graphematischer Unterdeterminiertheit, weil phonologisch am Stammbeginn ein [s] vor [t] ausgeschlossen ist. Lediglich in Fremdwörtern tritt die Aussprache [st] am Stammbeginn auf wie z.B. in Stuntman. Offensichtlich ist also ein gewisses Maß an morphologischer Information notwendig für die graphematische Rekodierung. Freilich muss dafür keine vollständige morphologische Analyse vorgenommen werden, was theoretisch angesichts der vielen konkurrierenden Annahmen hierzu auch problematisch wäre (vgl. auch Kohrt 1989: 200). Insbesondere die Erkennung von Suffixen ist an dieser Stelle der graphematischen Analyse irrelevant, wie für das diskutierte Buchstabenbeispiel das Komparationssuffix -st belegt. In einem Wort wie neuste wird die Buchstabenfolge nicht so rekodiert wie am Wortanfang, sondern wie in wortinterner Position. Folglich ist die Einheit Morphem (als vereinigender Terminus für die Einheiten Wurzel und Affix) für die Analyse dieser Daten nicht einschlägig. Im Bereich der Orthographie sieht dies freilich anders aus, weil insbesondere die Domäne Wurzel hier eine prägnante Rolle spielt, und zwar als Ganzes, was im orthographischen Konstanzprinzip aufgehoben ist. Graphematisch relevant ist dagegen, ob ein bestimmter Buchstabe am Anfang eines Graphischen Worts, eines Präfixes oder einer Wurzel steht. Wie Mehrfachpräfigierungen zeigen, muss der Beginn der letzteren beiden Domänen nicht immer mit dem Beginn eines Graphischen Worts zusammenfallen. Die minimal notwendige Information, die für die graphematische Rekodierung erhältlich sein muss, betrifft also lediglich den Beginn einer bestimmten morphologischen Einheit und nicht eine Domäne als Ganzes. Ich werde diese Grenze im Folgenden als potentiellen Wortbeginn (PW) bezeichnen. Nur bestimmte Typen morphologischer Größen können potentiell am Wortanfang stehen, nämlich Präfixe, Stämme und Wurzeln, während insbesondere Suffixe dies nicht können. In ganz ähnlicher Weise nimmt übrigens die Deutsche Aussprachelehre (Duden 1990: 60) Präfigierungen und Komposita aus ihrem Gegenstandsbereich aus. Folgende Strukturierungen sollen das Konzept des potentiellen Wortbeginns illustrieren: (24) Markierung des potentiellen Wortbeginns a. b. c.
p W {Amt pw{ Be PW {amter pw{verpw{bepw{amtung
49 Bezogen auf die grammatische Analyse fällt der potentielle Wortbeginn zusammen mit dem Beginn der Domäne des Phonologischen Worts, die auch grammatisch, insbesondere phonologisch relevant ist (vgl. zu einer analogen Konzeption für die Grammatik Neef 1996a, b). Das Ende dieser derart eingeleiteten graphematischen Domäne ist graphematisch irrelevant, weil sie nicht rekodierungssteuernd ist. Lediglich das Ende der Domäne Graphisches Wort spielt in den Korrespondenzregeln der deutschen Graphematik eine Rolle, allerdings nur eine marginale, da sie nur in der Regel für den Buchstaben auftaucht (vgl. (80)). Eine hiervon extensional unterschiedene schließende Grenze als Gegenstück zur PWGrenze wird für die graphematische Analyse nicht benötigt. Gewisse Probleme bereiten dem Konzept des potentiellen Wortbeginns solche gebundene Wurzeln, die faktisch niemals am Wortbeginn stehen können. So lässt sich zwar im Infinitiv genesen ein Präfix erkennen und eine Wurzel, aber diese Wurzel kommt nie ohne Präfix vor und steht deshalb auch nie am Wortbeginn. Wenn Präfixe aber so definiert werden, dass sowohl an ihrem Anfang als auch an ihrem Ende ein potentieller Wortbeginn steht, stellt dies kein Problem dar. Eine Buchstabenfolge als Präfix zu interpretieren impliziert damit zugleich, dass der erste Buchstabe hinter dem Präfix ein potentieller Wortbeginn ist und er mithin über das für diese Position einschlägige Korrespondenzpotential verfügt. Ein potentieller Wortbeginn sei folglich der Beginn eines Präfixes oder einer Wurzel. Die Einheit Stamm muss hierzu nicht ausdrücklich vermerkt werden, da das erste Element eines Stamms entweder ein Präfix oder eine Wurzel ist. Eine verbleibende Unschärfe, die besonders die Abgrenzung von gebundenen Wurzeln gegenüber Suffixen betreffen könnte, muss dabei von der morphologischen Theorie geklärt werden. Ich nehme an, dass für graphematische Zwecke der Begriff des potentiellen Wortbeginns hinreichend definiert ist. Die größten Probleme für die prosodische Organisation von Wörtern machen, wie die einschlägige Diskussion zeigt, sicherlich Suffixe. Während manche Suffixe offensichtlich nicht als Phonologische Wörter klassifiziert werden können, weil sie keinen Vollvokal enthalten (z.B. -s wie in nachts oder -sei wie in Füllsel), zeigen andere typische Eigenschaften Phonologisc.her Wörter, wenn sie etwa mit einem präglottalisierten Vokal beginnen (z.B. -artig in gutartig). Hier eine graphematische PW-Grenze anzusetzen, ist problemlos, weil art zugleich eine Wurzel ist und damit die PW-Grenze schon unabhängig motiviert ist. Allerdings gibt es eine Reihe echter Suffixe wie -heit oder -sam, für die Argumente vorgetragen werden können, dass sie eigenständige Phonologische Wörter sind, ohne dass sie aber synchron als Wurzeln fungieren können. Wiese (1996: 67) klassifiziert auf der Basis ähnlicher Beobachtungen genau solche Suffixe als Phonologische Wörter, die mit einem Konsonanten beginnen und einen Vollvokal enthalten (vgl. auch Neef 1996a: 56f.). Angesichts dieser komplexen Datenlage scheint es mir für eine graphematische Analyse angebracht zu sein, mit möglichst einfachen Vorannahmen zu beginnen. Deshalb setze ich für echte Suffixe keine initiale PW-Grenze an, was zumindest eine kohärente Definition von PW-Grenzen erlaubt. Damit fallen Suffigierungen in den für eine graphematische Analyse einschlägigen Datenbereich und werden im Folgenden jeweils mitbesprochen. Allerdings nehme ich an, dass die Einheit Suffix10 eine grammatisch gegebene Größe ist, auf die
10
Im Rahmen des Wortdesign-Modells (Neef 1996a) ersetze ich den Suffix-Begriff durch das Konzept einer 'Morphologischen Kategorie', die über bestimmte segmentale Kennzeichnungen verfugen kann. Wenn es sich hierbei um segmentale Endungen handelt, kann dieser Aspekt morpholo-
50 die graphematische Analyse Bezug nehmen kann. Während aber die PW-Grenze eine unmittelbar graphematisch relevante Information ist, die in graphematischen Regeln direkt angesprochen werden kann, ist der Suffixstatus in der vorgelagerten grammatischen Information aufgehoben und nicht in direkter Weise in graphematische Regeln einbindbar. Wie dies geschehen kann, wird bei der Analyse der Korrespondenzen von und diskutiert werden (vgl. Abschnitt 3.4 und 3.7.2). Die Relevanz des Konzepts des potentiellen Wortbeginns zeigt sich beispielsweise bei der Worttrennung am Zeilenende: Vor einer PW-Grenze kann immer ein Trennstrich eingefügt werden, während die weitere Positionierung von Trennzeichen in einem Wort dieser Regularität nachgeordnet ist. So erklärt sich die unterschiedliche Trennung von gegenüber : In ersterem Wort liegt eine PW-Grenze vor dem , weshalb dort ein Trennstrich stehen kann; in liegt dort keine solche Grenze, weil das Wort morphologisch unstrukturiert ist, weshalb der Trennstrich einer nachgeordneten Regularität folgend vor dem stehen muss. Auch bei der Diskriminierung von Homogrammen werden PW-Grenzen in unterschiedlicher Weise gesetzt, wie folgende Beispiele belegen. Dabei kontrastiert in (25a) eine Lesart ohne interne PW-Grenze mit einer mit dieser Grenze, in (25b) liegen die internen PW-Grenzen jeweils unterschiedlich, und in (25c) markiert die initiale PW-Grenze einmal ein Präfix und einmal eine Wurzel: (25) Homogramme mit unterschiedlicher morphologischer Struktur phonologische Repräsentation PW-Grenzen Schreibune {Wallungen ['vajurpn] a. {Waldungen [{val}{lurpn}] {Fahr {träum [{fae} {tRaum}] b. {Fahrt {räum [{fast} {Raum}] {Roh! röhr [{ro}{rob}]
{Rohr{ohr [{rob}{OB}] c. {Ver{ Sendung [{fB{'zen.doq}}] {Vers{endung [{fees} {'en.duq}] Nach den Überlegungen in Abschnitt 2.1.4 habe ich fur die phonologische Repräsentation die Grenzen von phonologischen Wörtern mittels geschweifter Klammern markiert, soweit die Repräsentationen mehr als ein einfaches Phonologisches Wort darstellen. Die Grenzen von Phonologischen Wörtern implizieren dabei Silbengrenzen. Den Wortakzent habe ich immer dann markiert, wenn innerhalb eines Phonologischen Worts mehr als eine Vollsilbe vorliegt. Normalerweise ist eine morphologische Strukturiertheit in der Schreibung im Gegensatz zu den primären Einheiten Buchstabe und Graphisches Wort nicht erkennbar, sondern kann nur interpretativ erschlossen werden. Zur Verdeutlichung kann in manchen Fällen eine Bindestrichschreibweise gewählt werden, aber diese stellt fur normale komplexe Wörter (abgesehen von Phrasenkomposita) eine markierte Schreibweise dar. Dennoch ist es wichtig, in graphematischen Repräsentationen PW-Grenzen zu identifizieren, weil dies in gewissem Umfang rekodierungssteuernd sind. Die im Folgenden zu formulierenden Korrespondenzregeln sind durchweg so gemeint, dass sie keine PW-Grenze überschreiten. Des-
gischer Information abkürzend auch als Suffix bezeichnet werden, ohne damit auszudrücken, dass Suffixe Morpheme und damit Zeichen sind.
51
halb benutze ich als Datenmaterial einfache oder suffigierte Wörter, aber keine Präfigierungen und keine Komposita. Sobald die Lage von PW-Grenzen bestimmt ist, folgt die Rekodierung dieser Art komplexer Wörter genau den Mechanismen für die Wörter ohne interne PW-Grenze, also für einfache oder suffigierte Wörter. Abkürzend benutze ich den Terminus 'Wort' zur Bezeichnung einer graphematischen Einheit, die keine interne PW-Grenze enthält. Insofern kann die Einheit Graphisches Wort extensional größer sein als die Einheit Wort.
2.4
Graphematik und relevanter Wortschatz
Am Ende dieser Vorüberlegungen zur Ausarbeitung eines Graphematikmodells gilt es noch, die Frage zu behandeln, für welchen Datenbereich die graphematische Komponente des Schriftsystems einschlägig ist. Da andere Analysen zum Schriftsystem normalerweise die Orthographie zum Gegenstand haben und nicht die Graphematik im hier angelegten Verständnis, ist klar, dass diese unterschiedlichen Typen von Analysen nicht zwangsläufig denselben Ausschnitt des Wortschatzes zugrundelegen müssen. So plädiert Primus (2000a: 12) dafür, Eigennamen und nicht-native Schreibungen aus der Betrachtung auszuklammern. Ich werde für die Analyse der Orthographie in Kap. 6 ähnlich vorgehen, indem ich für Teilbereiche des Wortschatzes immerhin unterschiedliche Sätze von Beschränkungen formulieren werde. Für die Analyse der Graphematik erachte ich aber einen sehr weiten Bereich des Wortschatzes für relevant. Zur Formulierung graphematischer Regularitäten ungeeignet halte ich solche Wörter, die zwar im Deutschen benutzt werden und die sich in Wörterbüchern der deutschen Sprache finden lassen, die aber wie in der Sprache ausgesprochen werden, aus der sie stammen. Solche Wörter, die ich als 'fremdsprachliche Wörter' bezeichnen möchte, kommen aus lebenden Sprachen in das Deutsche (bevorzugt aus solchen Sprachen, die deutschen Sprechern in gewissem Ausmaß bekannt sind) und bringen ihre Aussprache und ihre Schreibung mit, ohne sich zu assimilieren. Dabei können sie ihre Schreibung nur mitbringen, wenn die fragliche fremde Sprache mit dem lateinischen Alphabet verschriftet wird. Beispiele aus dem Englischen sind Science-Fiction, Screen oder Shanty, aus dem Französischen Boulevard, Buffet oder beige, aus dem Spanischen Senor oder Mallorca, aus dem Italienischen Gnocchi. Die in diesen Fällen manifesten Beziehungen zwischen Buchstaben und Phonen gehören nicht der deutschen Graphematik an. Graphematisch unassimilierte Wörter können in anderen Bereichen der Grammatik durchaus assimiliertes Verhalten zeigen wie das Wort Computer, das sich morphologisch integriert verhält, graphematisch aber eine Korrespondenz von zu [ju] aufweist, die dem Deutschen fremd ist. Da diese Korrespondenz aus der englischen Quellsprache ererbt ist, schließe ich einen Fall wie diesen aus der relevanten Datenbasis für die deutsche Graphematik aus (wie Eisenberg 2002: 122). Wörter aus toten Sprachen wie dem Lateinischen oder dem Altgriechischen dagegen können nur ihre Schreibung (für das Altgriechische gilt dies nur in indirekter Weise), nicht aber ihre Lautung aus ihrer Quellsprache mitbringen und fallen deshalb durchweg nicht in den Bereich der fremdsprachlichen Wörter, sondern sind graphematisch unbedingt relevant.
52 Für besonders erkenntnisbringend halte ich auch die Betrachtung von Eigennamen, die daher in der Analyse eine besondere Rolle spielen werden. Immerhin ist die graphematische Komponente des Schriftsystems in der Lage, Eigennamen rekodierbar zu machen. Deshalb gibt es keinen prinzipiellen Grund, Eigennamen als graphematisch irrelevant auszusondern. Teilweise ist eine solche Aussonderung natürlich schon angezeigt, nämlich für den Fall, dass ein Eigenname aus einer fremden Sprache stammt und seine fremdsprachliche Aussprache bewahrt hat. Wenn der Name der britischen Hauptstadt London im Deutschen nach der englischen Aussprache [Un.dan] realisiert wird, ist dies kein Argument dafür, für den Buchstaben im Deutschen Korrespondenzen zu den Vokalen [Λ] und [S] anzusetzen. Wenn dieser Name allerdings [lon.don] ausgesprochen wird, liegt die Vermutung nahe, dass diese Aussprache den Korrespondenzen der deutschen Graphematik folgt und damit für eine Analyse aussagekräftig ist. Solche Schriftaussprachen sind damit besonders gute Daten für eine Analyse der Graphematik. Orthographisch verhalten sich Eigennamen allerdings spezifisch, was in Kap. 6 zu diskutieren sein wird. Die Betrachtung von Eigennamen zeigt auch, dass die Graphematik des Deutschen so gestaltet sein muss, dass sie nicht unmittelbar auf phonologische Wohlgeformtheit bezogen ist. Immerhin gibt es Eigennamen, die nach den Regularitäten der deutschen Phonologie als ungrammatisch bezeichnet werden müssen, deren phonologische Form aber dennoch von der Graphematik rekodierbar ist wie z.B. die Personennamen Raul'f oder Ptolemäus. Ich nehme an, dass die Graphematik beispielsweise in der Lage ist, einer Schreibung wie regulär und eindeutig die phonologische Form [min] zuzuordnen. Dies ist also ein Aspekt graphematischen Wissens. Dass diese phonologische Repräsentation kein mögliches Wort des Deutschen darstellt, ergibt sich aus unabhängigen Aspekten des phonologischen Wissens. Korrespondenzregeln sind demzufolge autonom gegenüber der phonologischen Basis zu gestalten, wiewohl phonologisches Wissen ausschlaggebend bei der Aktivierung bestimmter Aspekte von graphematischen Korrespondenzregeln sein kann. Die Graphematik muss folglich als offenes System konzipiert werden, schon deshalb, weil sie auch für mögliche Wortschatzerweiterungen gewappnet sein muss. Diese Charakteristik werde ich in Kap. 3 weiter ausleuchten.
3
Die Korrespondenzen der Konsonantenbuchstaben
Nach dem in Kap. 1 entwickelten Rekodierungsmodell funktioniert eine Graphematik so, dass Einheiten schriftlicher Repräsentationen zu Einheiten lautlicher Repräsentationen in Beziehung stehen. In Kap. 2 habe ich die relevanten Einheiten der schriftlichen Ebene als Buchstaben sowie feste Buchstabenverbindungen charakterisiert. Für die lautliche Seite habe ich auf der Basis einer expliziten Definition von Phonologie Phone im Sinne bedeutungsunterscheidender Einheiten auf der Ebene der phonologischen (Oberflächen-) Repräsentation als einschlägige Bezugsgrößen ausgewiesen und das entsprechende phonologische Inventar des Deutschen in begründeter Weise vollständig - unter Auslassung von Intonationsphänomenen - ermittelt. Für die Vermittlung zwischen diesen beiden distinkten Repräsentationsarten habe ich das etablierte Format von Korrespondenzregeln (gewöhnlich auch als Transformationsregeln bezeichnet) herangezogen und in das Gesamtmodell eingepasst. Hierbei stehen Elemente der graphematischen Repräsentation auf der Eingabeseite und Elemente der phonologischen Repräsentation auf der Ausgabeseite. Die graphematische Repräsentation ergibt sich aus der epistemisch primären schriftlichen Repräsentation in interpretativer Weise dadurch, dass PW-Grenzen, also Grenzen eines potentiellen Wortbeginns, eingefügt werden. Durch die Anwendung von Korrespondenzregeln auf Buchstaben werden diese Buchstaben in Phone übersetzt. Damit ist die Rekodierung schriftlicher Formen modelliert. In diesem Kapitel werde ich anhand einer vollständigen Analyse des Korrespondenzpotentials der Konsonantenbuchstaben des deutschen Schriftsystems einen Überblick über die Typen von Korrespondenzregeln entwickeln, die für die Graphematik des Deutschen anzusetzen sind. Für verdächtige Folgen von Konsonantenbuchstaben werde ich dabei klären, ob sich ihre Korrespondenz aus dem Korrespondenzpotential der enthaltenen Einzelbuchstaben gewinnen lässt oder ob ihnen der Status einer festen Buchstabenverbindung zuzuweisen ist. Welche Buchstaben als Konsonantenbuchstaben zu klassifizieren sind, steht nicht von Vornherein fest, sondern ergibt sich erst aus der expliziten Formulierung von Korrespondenzregeln. Ein Buchstabe, bei dessen Defaultkorrespondenten es sich um einen phonologischen Konsonanten oder um eine Folge phonologischer Konsonanten handelt, ist danach ein Konsonantenbuchstabe. In Abschnitt 4.1 werde ich auf der Basis der gewonnenen Erkenntnisse die Korrespondenzen von Vokalbuchstaben analysieren.
3.1
Eindeutige kontextfreie K o r r e s p o n d e n z r e g e l n
Die einfachste Art einer Korrespondenzregel ist eine eindeutige kontextfreie Regel. Eine Regel ist kontextfrei, wenn einem bestimmten Eingabeelement unabhängig von der graphematischen Umgebung immer dasselbe Ausgabeelement oder dieselbe Gruppe von Ausgabeelementen zugeordnet wird. Bei der Formulierung einer kontextfreien Regel bleibt infolgedessen die Umgebungsspezifizierung leer; die Regel enthält nur die Angabe des Eingabeelements und der korrespondierenden Ausgabeelemente. Mögliche Eingabeelemen-
54 te sind Buchstaben und feste Buchstabenverbindungen, mögliche Ausgabeelemente sind Phone und Phonfolgen, aber auch ein Nullelement. Eine Korrespondenzregel ist eindeutig, wenn auf der Ausgabeseite nur ein einziges Element steht. Kontextfreie Korrespondenzregeln mit nicht-eindeutiger Ausgabe bespreche ich in späteren Abschnitten, ebenso wie eindeutige kontextfreie Korrespondenzregeln für feste Buchstabenverbindungen. In diesem Abschnitt analysiere ich nur solche Fälle, bei denen einzelne Buchstaben in einer eindeutigen und kontextfreien Beziehung zu phonologischen Segmenten stehen. Dabei stehen methodische Überlegungen zur Datengewinnung und zur Datenabgrenzung im Vordergrund. Ein Kandidat für eine eindeutige kontextfreie Korrespondenzregel ist der Buchstabe . Im Großen und Ganzen trifft es zu, dass dieser Buchstabe einen konstanten Korrespondenten hat, nämlich das konsonantische Phon [1]. Damit kann der Buchstabe als Konsonantenbuchstabe angesprochen werden oder spezifischer als Sonorantenbuchstabe, formalisiert mit dem privativen Merkmal [SON]. Eine genauere Spezifizierung als Lateralbuchstabe ist für die deutsche Graphematik nicht relevant, weil es keine Regel gibt, die sich genau auf die Klasse der Lateralbuchstaben bezieht. Ohnehin hätte diese Klasse nur ein einziges Element, sodass es in jedem Fall einfacher wäre, in einer entsprechenden Regel den Buchstaben direkt anzusprechen. Anhand dieses Buchstabens möchte ich im Folgenden das Konzept der Korrespondenzregel zur Modellierung der Graphematik entfalten. Dabei werde ich auch Daten und theoretische Argumente bedenken, die darauf hinweisen, dass diesem Buchstaben möglicherweise noch andere Korrespondenzen zukommen könnten. Als Hypothese eignet sich aber die Ansetzung der folgenden kontextfreien Korrespondenzregel, die durch die weitere Analyse bestätigt werden soll: (26) Korrespondenzregel für
[1] Wenn diese Regel zutrifft, korrespondiert der Buchstaben in jedem seiner graphematischen Vorkommen mit dem Phon [1], Zur Überprüfung dieser Annahme eignet sich besonders die detaillierte Aufstellung von 'Graphem-Phonem-Entsprechungen, rechtsläufig geordnet' in Muthmann (1988: 103-119). Hier werden auf der Basis eines Wortschatzes von etwa 175.000 Wörtern für alle Buchstaben (bzw. für alle Grapheme, wobei Muthmann hier eine sehr große Anzahl von Einheiten ansetzt) auftretende phonologische Entsprechungen aufgeführt (von Muthmann als 'Phoneme' bezeichnet, wobei aber auch viele Folgen solcher Phoneme vertreten sind). Die Auflistung erfolgt dabei rein mechanisch, d.h. jede auch nur einmal im Korpus vertretene Korrespondenz wird in gleicher Weise erwähnt. Ich werde diese Datenbasis als Grundlage nehmen und dabei jeweils linguistisch interpretieren. Allerdings ist diese Datenbasis nicht vollständig, weil insbesondere Eigennamen kaum berücksichtigt werden und damit für Eigennamen spezifische Korrespondenzen fehlen können. Für den Buchstaben liefert Muthmann (1988: 112) die folgenden Entsprechungen in (27), sortiert nach Auftreten am Wortanfang, im Wortinnern und im Wortausgang, wobei auch diese Subdomänen rein mechanisch und linguistisch uninterpretiert angesetzt werden. In Muthmanns Tabelle finden sich an manchen Stellen keine Beispielwörter, sondern Verweise auf Tabellen anderer Buchstaben, wo dann die fraglichen Beispiele aufgeführt sind. Ich habe statt dieser Verweise die andernorts aufgelisteten Beispiele eingesetzt (z.B. 'brillant' statt '—• -ill-'). Außerdem habe ich die Transkription geringfügig modifiziert (Muthmann schreibt [j] statt [j]).
55 (27)
Buchstaben-Phon-Korrespondenzen
für (nach Muthmann 1988: 112 und 111)
am Wortanfang 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
1 1-
[El] [i-]
lh11-
[1-] L'hombre [1-] Lloyd [U-] Llano
1 (buchstabiert) leben
im
Wortinnern
1 -1-
[εΐ] [-1-]
1 (buchstabiert) Feld
-lh-11-
[-1-] [-1-]
-lle-
[-U-] [-J-] [-1-]
Malheur Quelle brillant Guillotine Bellevue
-lli-
[-U-]
Postillion
im
Wortausgang
1 -1 -le -les
[εΐ] 1 (buchstabiert) [-1] i Tal [-1] ! Chippendale [-1] ; Comestibles
-11
[-1] ; Fall
;
-lie [-1] ! Demoiselle -lies [-1] ! Mesdemoiselles |
Auf den ersten Blick suggeriert diese Aufstellung, fur wären zwanzig unterschiedliche Korrespondenzen zu beschreiben. Eine linguistisch fundierte Analyse zeigt jedoch, dass die meisten Fälle nicht die Formulierung einer eigenen Korrespondenzregel verlangen. So ist es offensichtlich, dass die Unterscheidung nach drei distinkten Domänen hinsichtlich der Position im Wort in der überwiegenden Zahl der Fälle nicht relevant ist. Die Korrespondenzen in der zweiten Zeile (an den Beispielen , und ) beispielsweise funktionieren jeweils in gleicher Weise und entsprechen genau der in (26) formulierten Korrespondenzregel für . Weiterhin zeigen die meisten anderen Beispiele (nämlich die in den Zeilen 3 bis 5 und 7 bis 11) einen deutlich fremdsprachlichen Charakter. Die fraglichen Wörter werden nicht deutsch ausgesprochen, sondern so wie in ihrer Herkunftssprache, in diesen Fällen überwiegend wie im Französischen. Insofern belegen diese Wörter Korrespondenzen der französischen Graphematik, nicht aber unbedingt solche der deutschen. Deshalb setze ich z.B. fur die deutsche Graphematik keine Korrespondenzregel an, bei der der Buchstabe mit dem Phon [j] korrespondiert, auch wenn Wörterbücher des Deutschen Schreibungen wie enthalten, die diese Korrespondenz zu belegen scheinen. Vielmehr klassifiziere ich die genannten Daten als fremdsprachliche Wörter. Wie in Abschnitt 2.4 angenommen, scheide ich Wörter, die aus einer Fremdsprache stammen, ihre fremdsprachliche Schreibung mitbringen und zumindest annäherungsweise oder teilweise ihre quellsprachliche Aussprache behalten haben, aus der für die deutsche Graphematik relevanten Datenbasis aus. Eine solche Einschränkung ist prinzipiell sicher unabdingbar, wenn auch in Einzelfallen die jeweilige Zuordnung eines Worts zum einen oder anderen Wortschatzbereich strittig sein wird. Aus einem weiteren Grund geben die meisten Daten in (27) keinen Anlass zur Formulierung spezifischer Korrespondenzen des Buchstabens im Deutschen. Im Beispiel korrespondiert nämlich der Buchstabe geradlinig mit [1]. Ungewöhnlich ist hier möglicherweise, dass dem Buchstaben kein eigenes phonologisches Element entspricht, aber dies ist im Rekodierungsmodell unter den Korrespondenzen des Buchstabens zu behandeln. Die Aufstellungen in Muthmann (1988) sind also für die Belange einer graphematischen Analyse zu weit gefasst und müssen deshalb mit geeigneten Kriterien bewertet und reduziert werden. Auf der anderen Seite muss damit gerechnet werden,
56 dass bestimmte graphematische Korrespondenzen von Muthmanns Aufstellungen nicht abgedeckt werden. Grundsätzlich eignen sie sich aber gut als Grundlage einer Analyse des Korrespondenzpotentials der deutschen Graphematik. Zwei der in (27) aufgeführten Fälle werden aber tatsächlich nicht von der Korrespondenzregel für erfasst, obgleich sie in den relevanten Wortschatz des Deutschen fallen. Dies ist zunächst der Buchstabenname von als [εΐ] (Zeile 1 in (26)). Zumindest für alle Konsonantenbuchstaben gibt es eine solche Aussprachemöglichkeit, die nicht ein einzelnes Phon darstellt, sondern ein ganzes Wort. Um als phonologisch mögliches Wort im Deutschen zu figurieren, muss eine Lautfolge einen Vollvokal enthalten. Buchstabennamen müssen genau diese Bedingung erfüllen, um als eigenständige Wörter äußerbar zu sein, weshalb sie neben dem Lautwert eines Korrespondenten des Konsonantenbuchstabens (bei dem es sich häufig, aber nicht notwendig, um den klassenbestimmenden Defaultkorrespondenten handelt) immer auch mindestens einen zusätzlichen Vollvokal enthalten. Auch in Abkürzungen kommt Buchstaben oft nicht der einfache Lautwert zu, sondern der vollständige Buchstabenname wie z.B. in < L K W > mit der phonologischen Repräsentation ['el.ka.ve]. Solche Aussprachen als Buchstabennamen werde ich bei der Aufstellung der folgenden Korrespondenzregeln nicht beachten unter der Annahme, dass in solchen Fällen nicht die phonologische Korrespondenz eines Buchstabens evoziert wird, sondern Buchstaben als Wörter mit jeweils konventionell festgelegter Lautung ausgesprochen werden, also in logographischer Funktion so wie Ziffern und nicht in phonographischer Form. Tatsächlich lässt sich der Buchstabenname nicht unmittelbar aus der Buchstabenschreibung ableiten, sondern nur mittels Rückgriffs auf lexikalische Information, wie die Vielzahl strukturell unterschiedlicher Buchstabennamen zeigt (z.B. [be], [ha], [jot], [ku], [fau], [iks], [ Yp.si.lon], [tset]). 1 Ein weiterer Fall einer Korrespondenz von , der nicht durch die kontextfreie Korrespondenzregel in (26) abgedeckt ist, nämlich derjenige in Zeile 6 in (27), weist auf eine charakteristische Eigenart der deutschen Graphematik hin, die in Abschnitt 3.5 ausgiebig erörtert und über die Formulierung einer graphematischen Beschränkung analysiert werden soll. Die genaue Erfassung dieses Phänomens der Doppelschreibung von Buchstaben hat weitreichende Konsequenzen für die Modellierung der Graphematik des Deutschen. An dieser Stelle führe ich zunächst das Konzept eindeutiger kontextfreier Korrespondenzregeln weiter aus. Die folgende Liste zeigt, für welche Buchstaben ich im Deutschen eine derartige Regel ansetze: (28) Eindeutige a. b. c. d. e. f. g·
kontextfreie Korrespondenzregeln - > [f] ^ [j] — [k] [1] -> [m] -> [k] ->· [ks]
Maas (2000: 668-672) präsentiert interessante Überlegungen zur Funktionalität der Buchstabennamen im Deutschen.
57 Wie im Fall des Buchstabens zu sehen ist, kann es sich bei dem korrespondierenden Element auch um eine Phonfolge handeln. Für den Buchstaben hat die Einordnung als Element dieser Klasse erhebliche Folgen für seine graphematischen Auftretensmöglichkeiten, die später im Zusammenhang mit der Diskussion der phonologischen Auslautverhärtung deutlich werden (vgl. Abschnitt 3.2.2). Die Menge der eindeutigen kontextfreien Korrespondenzregeln wird sich bei der Analyse fester Buchstabenverbindungen erhöhen (vgl. Abschnitt 3.7). Angesichts des Umstands, dass nur sieben Buchstaben als eindeutig kontextfrei korrespondierend eingeschätzt werden, die deutsche Graphematik aber 21 Konsonantenbuchstaben enthält, ist deutlich, dass auch andere Arten von Korrespondenzregeln für die deutsche Graphematik bedeutsam sein müssen. Gleichwohl könnte im Prinzip eine Graphematik so gestaltet sein, dass sie ausschließlich auf eindeutige kontextfreie Korrespondenzregeln vertraut. Dies wäre eine außerordentlich einfache Graphematik. Dass die deutsche Graphematik komplexerer Natur ist, hat einerseits Ursprünge in der diachronen Entwicklung des deutschen Schriftsystems. Andererseits sind damit aber auch systematische Vorteile verbunden, weil ein System, das ausschließlich über eindeutige kontextfreie Korrespondenzregeln verfugen würde, Schreibungen von Wurzeln in unterschiedlichen morphologischen Kontexten nicht konstant halten könnte, für den Fall, dass diese Wurzeln phonologisch variieren. Dieses für das deutsche Schriftsystem charakteristische Prinzip der Wurzelkonstanz wird insbesondere in Abschnitt 6.1 im Mittelpunkt der Diskussion stehen. Wenn die in (28) aufgeführten Buchstaben in einem bestimmten Wort eine andere Korrespondenz als die genannte haben, sollte es sich bei dem fraglichen Wort um ein fremdsprachliches Wort handeln. Wenn ein solches einschlägiges Wort aber nicht als fremdsprachlich klassifiziert und damit aus dem relevanten Datenbereich ausgesondert werden kann, erklärt die gegebene Analyse die dann auftretende Korrespondenz für unregelmäßig. Tatsächlich existieren im Deutschen solche Daten. Günther (1988: 94) weist auf die Wörter doofe, Fünfer, Elfer und Zwölfer hin, bei denen der Buchstabe mit dem Phon [v] korrespondiert. Diese Lautungen lassen sich aus der gegebenen einzigen Korrespondenzregel für nicht herleiten. Daraus kann man entweder folgern, dass die Korrespondenzregel falsch (bzw. unvollständig) ist oder dass die Daten graphematisch unregelmäßig sind. Ich nehme letztere Position ein und folge damit im Prinzip Günther (1988: 97). Weiterführende Analysen mögen freilich zeigen, dass einige der hier angesetzten eindeutigen kontextfreien Korrespondenzregeln doch über eine bestimmte Variation verfügen. Für den Buchstaben ist die Ansetzung einer eindeutigen kontextfreien Korrespondenzregel zwar graphematisch zutreffend, weil es tatsächlich keine Ausnahmen hierzu gibt, aber sie ist auch in gewisser Weise merkwürdig, weil im Deutschen eigentlich nur vor dem Buchstaben vorkommt. Im Kernwortschatz findet sich diese Schreibung in den meisten Fällen am Wortanfang (z.B. ), seltener im Wortinneren (z.B. ) und nie am Wortende. Dass dem Buchstaben im Kontext nach eine ungewöhnliche Korrespondenz zukommt, lässt sich in seiner eigenen Korrespondenzregel leicht erfassen (vgl. (77)); die massiv eingeschränkte Distribution von ist in einer eindeutigen kontextfreien Korrespondenzregel aber nicht aufgehoben. Hierzu ist eine orthographische Beschränkung anzusetzen mit dem Effekt, dass der Buchstabe im einschlägigen Teilbereich des Wortschatzes (der womöglich Eigennamenschreibungen nicht erfasst) an den Buchstaben gekoppelt ist. Graphematisch ist die gegebene -Regel aber adäquat. Insbesondere gibt es im Rekodierungsmodell keinen Anlass, die Buchstabenfolge als
58 feste Buchstabenverbindung anzusetzen, wie dies in analoger Weise in den einschlägigen Arbeiten durchgängig getan wird, z.B. bei Duden (1990: 86) und Eisenberg (1998a: 291). Schließlich können die Korrespondenzen dieser Buchstabenfolge schon über die Einzelkorrespondenzen erklärt werden. Weiterhin existieren einige Fremdwörter im Deutschen, bei denen der Buchstabe einem anderen als dem Buchstaben vorangeht und dabei jeweils die in der -Regel vorgesehene Korrespondenz zu [k] aufweist. Duden (1990) enthält drei solche Wörter, die mit beginnen und nicht als fremdsprachlich markiert sind, nämlich Qatar, Qatifund Qindar. Auch im Deutschen vertretene Familiennamen wie Leclerq fallen in diese Gruppe. Diese Wörter sollten nicht als fremdsprachliche Wörter aussortiert werden, insofern sie nicht über ihre quellsprachliche, sondern über eine eingedeutschte Aussprache verfugen.
3.2 Inhärent geordnete Korrespondenzregeln In der Graphematik des Deutschen finden sich nicht nur eindeutige Korrespondenzregeln, sondern auch solche, die mehr als ein korrespondierendes Phon für einen Buchstaben vorsehen. Solche konkurrierenden Korrespondenzen können eine Quelle von Unterdeterminiertheit sein; sie müssen es aber nicht. In diesem Abschnitt möchte ich solche Korrespondenzregeln besprechen, bei denen einem Buchstaben mehr als ein korrespondierendes Phon zugeordnet ist (und zwar bei gleicher Kontextbeschreibung), die aber dennoch nicht graphematisch unterdeterminiert sind, weil sie mittels eines genauer zu bestimmenden Bezugs zur phonologischen Komponente der Grammatik eindeutige Ergebnisse liefern. Auf theoretischer Seite behandelt dieser Abschnitt demzufolge das Verhältnis von Graphematik und Phonologie, und zwar anhand der Frage, wie die Graphematik des Deutschen mit dem phonologischen Phänomen der Auslautverhärtung umgeht. Dabei reflektiere ich auch die für das Rekodierungsmodell getroffene Annahme, dass graphematische Formen in Beziehung zu phonologischen Oberflächenrepräsentationen stehen und nicht, wie sonst üblicherweise angesetzt wird, zu zugrundeliegenden Repräsentationen bzw. zu den zugrundeliegenden Repräsentationen nahen Formen, was gerade mit Bezug auf die Auslautverhärtung für selbstverständlich und unabdingbar gehalten wird.
3.2.1
Auslautverhärtung und grammatische Bezugsebene der Graphematik
In einer traditionellen derivationellen Sichtweise bezeichnet Auslautverhärtung den Umstand, dass zugrundeliegend stimmhafte Obstruenten an der Oberfläche, also in der phonetischen Transkription, stimmlos erscheinen. So bildet in dieser Art der Phonologiekonzeption die Regel der Auslautverhärtung eine zugrundeliegende Form wie /hund/ auf die Oberflächenform [hunt] ab, indem der stimmhafte Obstruent, der in diesem Beispiel das letzte Element der zugrundeliegenden Repräsentation ist, in einem bestimmten Kontext (der in einschlägigen Theorien übrigens unterschiedlich festgesetzt wird) an der Oberfläche zu einem stimmlosen Obstruenten transformiert wird.
59 In einer deklarativen Reinterpretation dieses Phänomens lässt sich zunächst feststellen, dass die potentiell bedeutungsunterscheidenden Einheiten [d] und [t] bzw. allgemeiner die phonologischen Klassen der stimmhaften Obstruenten gegenüber der Klasse der stimmlosen Obstruenten auf der Ebene der phonologischen Repräsentation über unterschiedliche Distributionseigenschaften verfugen. Gemeinsam ist beiden Teilklassen, dass sie nicht als Silbengipfel fungieren können. Während aber stimmlose Obstruenten ansonsten in allen silbenstrukturellen Positionen zugelassen sind, dürfen stimmhafte Obstruenten nur im Silbenonset und in ambisilbischer Position auftreten, nicht aber ausschließlich im Silbenreim. Angesichts der Variation bei der Realisierung eines Lexems wie HUND, das durch Grammatische Wörter wie [hunt] und [hun.do] ausgedrückt werden kann, lässt sich eine lexematische Repräsentation als /hund/ annehmen. Wenn das letzte Element der lexematischen Repräsentation auf der Ebene der phonologischen Repräsentation in eine Position im Silbenreim gerät, kann es nicht durch den Default realisiert werden, nämlich durch den stimmhaften Obstruenten [d], weil dieser ja gerade in der fraglichen Position ausgeschlossen ist. Ersatzweise springt dann das phonologisch als nächst ähnlich bewertete Phon ein, nämlich das [t] bzw. allgemeiner das stimmlose Gegenstück zu den stimmhaften Obstruenten. Anhand solcher Auslautverhärtungsdaten lässt sich die Frage diskutieren, ob die phonologische Oberflächenrepräsentation der Bezugspunkt der Graphematik ist oder ob es sich hierbei um zugrundeliegende lexematische Repräsentationen handelt. Im Sinne der phonologischen Skizze in Abschnitt 2.1.1 lautet die Frage also, ob Buchstaben mit Phonen oder mit Phonemen korrespondieren. Da, wie gesehen, für das Nomen Hund aufgrund seiner Pluralform Hunde eine lexematische Repräsentation angesetzt werden kann, bei der die Stimmhaftigkeitsalternation des Plosivs auf die stimmhafte Variante zurückgeführt und die stimmlose Realisierung in der Singularform durch Auslautverhärtung erklärt wird, liegt es nahe, die graphematische Repräsentation unmittelbar auf diese abstrakte Repräsentation /hund/ zu beziehen statt auf die Oberflächenform [hunt]. Nach Einschätzung von Sternefeld (2000: 36) haben insbesondere solche Auslautverhärtungsdaten Bierwisch (1972) dazu geführt, orthographische Formen derivationell aus zugrundeliegenden Repräsentationen abzuleiten. Eine detaillierte Untersuchung der deutschen Graphematik auf der Basis solcher phonembezogener Korrespondenzen (freilich auch in Richtung von Phonemen zu Buchstaben) bieten Nerius et al. (2000: Kap. 4.1.2). Auch solche derivationelle Theorien, die orthographische Formen nicht unmittelbar aus zugrundeliegenden Repräsentationen, sondern aus bestimmten Zwischenrepräsentationen ableiten, gehen davon aus, dass für die Eingabe der orthographischen Derivation grammatische Formen vor Anwendung der Auslautverhärtungsregel vorliegen. So zweigt für Wiese (1987) im Rahmen einer Konzeption der Lexikalischen Phonologie die orthographische Derivation auf der Ebene der lexikalischen Repräsentation ab, bei der schon viele morphologische und phonologische Regeln auf zugrundeliegende Repräsentationen angewendet wurden, aber gerade nicht die ausnahmslos wirkenden phonologischen Regeln, die einer sogenannten 'postlexikalischen' Ebene zugeordnet werden. Hierzu gehört die Regel der Auslautverhärtung. Sproat (2002) diskutiert ein ähnlich gelagertes Phänomen im Niederländischen und setzt auch hier eine für die orthographische Derivation relevante Zwischenrepräsentationsebene an ('orthographically relevant level'), bei der in der Orthographie nicht markierte Auslautverhärtung phonologisch noch nicht generiert wurde.
60 Gerade im Phänomenbereich der Auslautverhärtung existieren aber Daten, die dafür sprechen, dass sich die Graphematik des Deutschen weder auf zugrundeliegende Repräsentationen noch auf irgendwelche Zwischenrepräsentationen bezieht, sondern auf phonologische Oberflächenrepräsentationen, also im Einklang mit meiner in Kap. 1 dargelegten Konzeption der Graphematik, wonach es deren Funktion ist, phonologische Repräsentationen rekodierbar zu machen. Vorläufig möchte ich die Buchstaben als Buchstaben für stimmhafte Obstruenten klassifizieren (was im einzelnen noch zu motivieren sein wird). 2 Diese Buchstaben finden sich nun auch in solchen Schreibungen, bei denen das entsprechende Phon nicht auf ein stimmhaftes Phonem (im Sinne eines Elements der lexematischen Repräsentation) zurückgeführt werden kann. Beispielsweise wird die Präposition ab invariant [ap] ausgesprochen, sodass sich kein synchroner Grund für eine lexematische Repräsentation als /ab/ ergibt, sondern vielmehr von der Form /ap/ ausgegangen werden muss. Derartige Daten sind nicht so selten, wie es auf den ersten Eindruck erscheinen mag, was folgende Belege veranschaulichen mögen, bei denen die fraglichen Buchstaben durch Unterstreichung markiert sind: (29)
Buchstaben für stimmhafte Obstruenten ohne Bezug auf stimmhafte Phoneme a. ab, ob, und, weg b. seid, sind c. Erbse, Fug, glubschen, grabschen, hübsch, Krebs, Magd, Obst, Plebs, Probst, Stadt, Vogt, widmen d. Apartheid, Bond, Brigg, bugsieren, Humbug, Kebab, Klub, Litewka, obszön, Smaragd, Smog, Wodka, Yard e. ad-, subf. Arnold, Edgar, Hiltrud, Ludwig, Magda; Heidt, Brand, Mugdan, Reinhardt, Steeb Aidhausen, Augsburg, Bagdad, Beeghof, Dürbheim, Magdeburg, Mönchengladbach
Diese Fälle entstammen recht unterschiedlichen Gruppen des deutschen Wortschatzes. In (29a) stehen Wörter aus unflektierbaren Klassen (Präpositionen, Konjunktionen, Adverbien), bei denen es keine verwandten Wortformen geben kann, in denen der finale Obstruent in einer silbeninitialen Position erscheint. Die Verbformen in (29b) besitzen zwar eine Reihe verwandter Wortformen, aber keine, die die Stimmhaftigkeit der korrespondierenden Phone der unterstrichenen Buchstaben motivieren könnten. Auch den Nomen, Adjektiven und Verben in (29c und d) fehlen aus unterschiedlichen Gründen solche Vergleichsformen, wobei ich erstere Gruppe näherungsweise als heimische Wörter und letztere als (assimilierte) Fremdwörter einschätze. Die Präfixe in (29e) ähneln in ihrem Verhalten den unflektierbaren Wortarten. In (29f) finden sich schließlich Namen verschiedener Art (Vornamen, Nachnamen und Ortsnamen), deren Anzahl übrigens sehr groß ist. Sicherlich lassen sich die dokumentierten Schreibweisen in vielen Fällen so motivieren, dass sie diachron auf Schreibungen zurückgeführt werden können, bei denen die fraglichen Buchstaben für stimmhafte Obstruenten tatsächlich einmal mit einem stimmhaften Obstruenten korrespondierten. Gerade für die aus dem Englischen stammenden Fremdwörter wie Humbug ist dies evident, denn die englische Phonologie kennt keine Auslautverhärtung, sondern erlaubt das Auftreten stimmhafter Obstruenten auch im Silbenreim. Für eine
2
In Abschnitt 3.8 werde ich auch den Buchstaben als einen Buchstaben für stimmhafte Obstruenten analysieren.
61 synchrone Analyse der Graphematik des Deutschen ist aber die Frage relevant, welche lexematischen (zugrundeliegenden) Repräsentationen auf der Basis der deutschen Grammatik motiviert werden können. Dies sind in allen aufgeführten Fällen solche, die an der fraglichen Stelle ein Phonem besitzen, das nur stimmlos realisiert werden kann. Damit können die genannten Schreibungen auch dann nicht erklärt werden, wenn die Graphematik in Beziehung zu zugrundeliegenden Repräsentationen stehen soll. Mithin müssten alle aufgeführten Schreibungen als graphematisch unregelmäßig klassifiziert werden, was angesichts der Heterogenität des Beispielmaterials nicht überzeugen kann. Wenn für eine Schreibung wie die der Präposition ab als Korrespondenzform in jedem Fall nur eine mit stimmlosem Obstruenten als finalem Element in Frage kommt, gleichgültig ob die phonologische Oberflächenrepräsentation oder die zugrundeliegende lexematische Repräsentation als Bezugsebene gewählt wird, können Auslautverhärtungsdaten nicht als Evidenz dafür genommen werden, dass zugrundeliegende Repräsentationen in schriftlichen Formen aufgehoben sind. Vielmehr deuten diese Daten darauf hin, dass die phonologische Oberflächenrepräsentation die Bezugsebene der Graphematik sein muss. Dafür spricht auch die Vermutung, dass die diachrone Änderung von Schreibungen dadurch motiviert ist, dass die Beziehung zwischen Schreibung und Lautung unter Beibehaltung der alten Schreibung gestört wäre. Immerhin wurde das Adjektiv hübsch im Mittelhochdeutschen geschrieben. Der Verlust des Buchstabens wird gemeinhin so interpretiert, dass die korrespondierende Lautung im Mittelhochdeutschen zweisilbig war, während sie im Neuhochdeutschen einsilbig ist. Dies impliziert, dass die Graphematik des Neuhochdeutschen (möglicherweise auch die des Mittelhochdeutschen) keine reguläre Beziehung zwischen der Schreibung und der Lautung [hypj] (bzw. zu einer entsprechenden zugrundeliegenden Form) herstellen kann. Nur deshalb kann der Verzicht auf den Buchstaben als graphematisch sinnvoll angesehen werden. Wenn nun der Buchstabe in der aktuellen Schreibung keine Korrespondenz zum entsprechenden Phon [p] bzw. zum entsprechenden Phonem /p/ etablieren könnte, wäre zu erwarten, dass sich die Schreibung von hübsch weiter zu entwickeln würde. Analoges müsste auf alle Schreibungen in (29) zutreffen. Da dies nicht zu beobachten ist, muss angenommen werden, dass die aktuelle Graphematik eine Korrespondenz von Buchstaben für stimmhafte Obstruenten auch zu stimmlosen Obstruenten bereitstellt und die Schreibungen in (29) mithin in diesem Aspekt graphematisch nicht unregelmäßig sind.
3.2.2
Korrespondenzregeln für Buchstaben für stimmhafte Obstruenten
Für das graphematische Korrespondenzpotential ergibt sich aus diesen Überlegungen, dass beispielsweise der Buchstabe nicht nur mit dem Phon [b], sondern auch mit dem Phon [p] korrespondieren kann, wie dies z.B. auch Duden (1990: 65) ansetzt. Dabei ist die Frage zu klären, in welchem Verhältnis diese beiden Korrespondenzen zueinander stehen, also wann die eine greift und wann die andere. Hierbei ist der Bezug zur phonologischen Komponente der Grammatik wesentlich, auch wenn er allein nicht hinreichend ist. Dies liegt daran, dass die Korrespondenz von zu [p] in manchen solcher Positionen ausgeschlossen ist, für die die Phonologie keinen ausschließenden Grund liefert. Nicht zugelassen ist nämlich die Korrespondenz von zu [p] in einer Schreibung wie , die nicht als [pari] rekodiert werden darf, obwohl dies eine phonologisch mögliche Form ist.
62 Zur Analyse dieser Zusammenhänge liegt es nahe, das Konzept der graphematischen Silbe mit ihren Subdomänen graphematischer Silbenonset und graphematischer Silbenreim als Erklärungsbasis heranziehen zu wollen. Da solche Ansätze, die mit dem Schreibsilbenkonzept arbeiten wie Eisenberg (1989), Ossner (1996) und Primus (2003), aber immer Phoneme als Bezugsgrößen nehmen und nicht Phone, werden entsprechende Auslautverhärtungsprobleme nicht akut. Hierbei sind allerdings erhebliche theoretische Widersprüche zu vermerken. Die phonologische Silbe wird gewöhnlich als eine Erscheinung der Oberflächenrepräsentation angesehen, die nicht in zugrundeliegenden Repräsentationen verankert ist, sondern in prädiktabler Weise eingeführt wird, beispielsweise über Regeln, nämlich einen sogenannten Silbifizierungsalgorithmus (vgl. z.B. Yu 1992a: 25f.). Wenn Ossner (1996: 382) der mutmaßlichen zugrundeliegenden Repräsentation /vartsn/ des Worts warten eine Silbenstruktur zuordnet, befindet er sich damit nicht im Einklang mit Annahmen der Lexikalischen Phonologie, auf die er sich explizit bezieht, da weder das Schwa als Epentheseelement zugrundeliegend verankert ist noch der Infinitivmarker -n bereits zugrundeliegend mit dem Verbstamm verknüpft ist. Primus (2003: 22) errichtet phonologische Silbenstrukturen zwar über phonologischen Oberflächenrepräsentationen und bezieht gewöhnlich auch die graphematische Silbenstruktur auf phonologische Oberflächenformen wie für den Infinitiv fallen (2003: 35), für Auslautverhärtungsdaten wie Tag ordnet sie in inkonsistenter Weise aber der zugrundeliegenden Repräsentation /tag/ eine phonologische Silbenstruktur zu, die dann mit der graphematischen Silbenstruktur korrespondieren soll. Deshalb bin ich gezwungen, selbst eine entsprechende Argumentation zu konstruieren, die also versucht, die graphematische Silbe in Beziehung zu phonologischen Oberflächenrepräsentationen zu setzen. Angenommen, die graphematische Silbe wäre unabhängig definiert und spiegelte sich in ihrer Ausdehnung in der Worttrennung wider. Dann läge die Hypothese nahe, dass Buchstaben für stimmhafte Obstruenten in solchen Fällen mit stimmhaften Obstruenten korrespondieren, bei denen die Buchstaben im graphematischen Silbenonset stehen, mit stimmlosen Obstruenten dagegen, wenn sie im graphematischen Silbenreim stehen. Die Schreibung würde danach genau eine Schreibsilbe umfassen, was daran zu erkennen ist, dass sie nicht getrennt werden kann. Dabei bestünde der Onset aus dem Buchstaben und der Reim aus den übrigen beiden Buchstaben. Der Buchstabe dürfte hier folglich als Onsetelement mit einem stimmhaften Obstruenten korrespondieren, nicht aber der Buchstabe , da er im Silbenreim steht. Ihm käme dann die Korrespondenz zu einem stimmlosen Obstruenten zu, womit die korrespondierende Lautung [gap] zu rekodieren wäre. Gegen die Attraktivität dieses Ansatzes sprechen aber theoretische und empirische Argumente. Theoretisch ist an diesem Erklärungsansatz unbefriedigend, dass Auslautverhärtung einmal phonologisch und dann in analoger Weise noch einmal graphematisch erklärt werden müsste. Eine solche graphematische Analyse würde also keinen Gewinn daraus ziehen, dass Auslautverhärtung schon unabhängig phonologisch gegeben ist. Schwerer wiegen sicher Datenbereiche, die auf diese Weise nicht ohne weiteres erfasst werden können. Hier sind zum einen Fälle zu nennen, bei denen stimmhafte Obstruenten in der phonologischen Repräsentation in ambisilbischer Position auftreten wie bei Widder, das phonologisch als [vidE] zu repräsentieren ist. Ambisilbizität gibt es aber im Schreibsilbenkonzept nicht, denn wie die Trennungsschreibung zeigt, gehören Buchstaben immer eindeutig nur zu genau einer graphematischen Silbe. Damit stünde hier das erste zwar im Silbenreim, korrespondierte aber mit einem stimmhaften Obstruenten. Primus (2003:
63 44) geht in ihrer Analyse von der Annahme aus, dass bei Doppelschreibungen von Konsonantenbuchstaben nur der hintere der gleichen Buchstaben eine Phonkorrespondenz aufweist, womit sie die angesprochenen Daten in ihrem Modell angemessen erklärt, allerdings, wie erwähnt, bei den einschlägigen Daten bezogen auf die zugrundeliegende Phonemebene. Ob dies in ein phonbezogenes Modell zu übertragen, wäre im Zusammenhang mit den in Abschnitt 3.5 zu analysierenden Doppelschreibungen von Konsonantenbuchstaben zu überlegen. Für die folgenden Fälle hilft eine Analyse der angedeuteten Art aber nicht. Hier geht es um Daten, bei denen die Konzepte der phonologischen Silbe und der graphematischen Silbe noch weiter auseinanderklaffen als bei den phonologisch ambisilbischen Elementen. Eine Schreibung wie ist auf der Basis eines Schreibsilbenkonzepts in zu zerlegen. Der Buchstabe für den stimmhaften Obstruenten steht damit im graphematischen Silbenreim und müsste mit einem stimmlosen Obstruenten korrespondieren. Dies führt zur Lautung [at.1B], die umgangssprachlich möglich sein mag. Duden (1990) bietet aber als einzige Option eine Lautung mit stimmhaftem Obstruenten als [α.die] an. Diese Korrespondenz ist jedoch unter Einbeziehung des Konzepts einer graphematischen Silbe nicht geradewegs herleitbar, da die graphematische Silbengrenzziehung nicht in einer Weise variabel sein kann, wie es die Grenzziehung phonologischer Silben ist. Im Folgenden suche ich nach einer adäquaten Analyse der angesprochenen Daten im Rahmen des Rekodierungsmodells. Dabei gehe ich von der Beobachtung aus, dass Auslautverhärtung in der Orthographie des Deutschen nicht markiert wird. Wenn ein Obstruent in irgendeiner Wortform eines Lexems stimmhaft realisiert wird, wird in der orthographischen Repräsentation der entsprechende Buchstabe für den stimmhaften Obstruenten gewählt, und zwar insbesondere auch in solchen Realisierungsweisen des Lexems, in denen dieser Obstruent stimmlos realisiert wird. Für die Graphematik bedeutet dies, dass Buchstaben für stimmhafte Obstruenten normalerweise (abgesehen von ) auch den entsprechenden stimmlosen Obstruenten unter ihren Korrespondenten haben müssen. So korrespondiert beispielsweise der Buchstabe nicht nur mit [g], sondern auch mit [k]. Deshalb ist eine mögliche Schreibung der phonologischen Form [vek]. Wenn ich den Buchstaben als einen Buchstaben für einen stimmhaften Obstruenten klassifiziere, impliziert dies, dass die Korrespondenz zu [g] eine vorrangige Stellung einnimmt, während die Korrespondenz zu [k] einen anderen, nachgeordneten Status hat, der noch genauer spezifiziert werden muss. Zugleich muss die Graphematik einen Mechanismus bereitstellen, der ausschließt, dass z.B. in einem Wort wie galt mit [k] korrespondiert. Für diejenigen Sprecher, die das Wort gucken initial mit stimmlosem Plosiv aussprechen (Duden (1990: 345) schreibt allerdings eine Lautung mit initialem stimmhaften Plosiv vor), liegt hier eine Instanz dieser Korrespondenz vor, die ich als graphematisch unmöglich ausschließen möchte. Für den Fall gucken mit der Aussprache [kuksn] bedeutet dies, dass ich ihn als unregelmäßig und von der Graphematik nicht abgedeckt einstufe. Eine einfache Lösung zur Erklärung der skizzierten Korrespondenzen ist die folgende: Die Korrespondenzregel für den Buchstaben enthält zwei unterschiedliche kontextfreie Korrespondenzen, die aber nicht gleichwertig behandelt werden, sondern in einer qualitativen Reihenfolgebeziehung zueinander stehen. Dabei ist die Korrespondenz zu [g] die primäre Korrespondenz, die den Default darstellt und die Klassenzugehörigkeit des Buchstabens bestimmt, während die Korrespondenz zu [k] als sekundär eingestuft wird. Diese Abstufung soll implizieren, dass immer dann die primäre Korrespondenz gewählt wird, wenn
64 auf diese Weise ein phonologisch wohlgeformtes Ergebnis erzielt wird. Deshalb kann in der Schreibung nicht die sekundäre Korrespondenz des zu [k] aktiviert werden, weil die primäre Korrespondenz zu [g] schon zu einem phonologisch zugelassenen Ergebnis fuhrt. Bei einer Schreibung wie kann das aber nicht mit dem stimmhaften Obstruenten korrespondieren, weil solche Phone am Wortende (genauer: im phonologischen Silbenreim) nicht zugelassen sind. Nur unter diesen Umständen springt die sekundäre Korrespondenz ein, und der Buchstabe darf und muss also in diesem Kontext als ein stimmloser Obstruent rekodiert werden. 3 Sekundäre Korrespondenzen stellen also gewissermaßen Notfalllösungen dar, wobei die Phonologie entscheidet, wann ein Notfall vorliegt. Diese Erklärung vertraut folglich in starkem Maß auf vorgeschaltete phonologische Information und trachtet nicht danach, die phonologische Auslautverhärtung noch einmal mit graphematischen Mitteln zu erklären. Sie nimmt nicht einmal explizit Bezug auf Auslautverhärtung, sondern fuhrt nur allgemein phonologische Wohlgeformtheit als Information in die graphematische Komponente ein. Eine solche Art einer Korrespondenzregel möchte ich als 'inhärent geordnet' charakterisieren, weil die primäre Korrespondenz immer Vorrang hat und die sekundäre Korrespondenz nur nachgeordnet, also bei Intervention der Phonologie, aktiviert werden kann. Da ich beide Korrespondenzen einer einzigen Regel zuordne, kann sich das Problem extrinsischer Regelordnung nicht ergeben. Dafür definiere ich den Regelbegriff dergestalt, dass alle Korrespondenzen, die über die gleiche Eingabe verfügen, als eine Regel gelten. Insofern kann es für einen Buchstaben (oder für eine feste Buchstabenverbindung) immer nur genau eine Regel geben. Innerhalb einer Regel kann es sehr wohl eine Ordnung geben, und zwar insbesondere auch dann, wenn zwei distinkte Korrespondenzen über die gleiche Kontextbeschreibung verfügen. Als Beispiel führe ich die inhärent geordnete Korrespondenzregel fiür den Buchstaben auf. Hierbei gehören die Kennzeichnungen 'primär' und 'sekundär' zu den konstitutiven Informationsbestandteilen der Regel: (30)
Korrespondenzregel a. —> b. —>
für [d] [t]
{primär) (sekundär)
Mit dieser Regelkonzeption lassen sich die Adler-Daten in ihrer Unterdeterminiertheit erfassen: Phonologisch möchte ich die mögliche Variation in der Aussprache ([d] oder [t]) zwei distinkten Sprachregistern zuordnen. Dabei ist die wesentliche Regel, die zu einer phonologisch unterschiedlichen Silbengrenzziehung führt, die der Maximierung des Onsets. Nach dieser Regel stehen intervokalische Konsonanten dann im Onset der Hintersilbe, wenn dadurch beide betroffene Silben wohlgeformt sind (vgl. für eine deklarative Formulierung dieser Bedingung Neef 1996a: 100). Die beiden Register unterscheiden sich nun dadurch, dass das Konsonantencluster [dl] im Onset in einem Register zugelassen ist, im anderen aber nicht. Wenn es zugelassen ist, steht die Silbengrenze vor diesem Cluster, andernfalls zwischen den beiden Konsonanten, mit der Folge, dass der Plosiv dann stimmlos ausgesprochen wird (vgl. zu solcher Variation auch Yu 1992b). Die graphematische Rekodierung sieht dann so aus, dass der Buchstabe als [d] rekodiert wird, wenn dies 3
Der Frage, was passiert, wenn auch der sekundäre Korrespondent zu phonologischer Ungrammatikalität fuhrt, ist Abschnitt 3.9 gewidmet.
65 phonologisch möglich ist, und nur dann als [t], wenn die Phonologie die Defaultrealisierung unterbindet. Auf diese Weise können die Adler-Daten ohne die Spezifizierung besonderer graphematischer Domänen erklärt werden. Zugleich nimmt das Modell das phonologisch notwendige Wissen als gegeben und baut darauf auf. Dass Buchstaben für stimmhafte Obstruenten auch eine Korrespondenz zu einem stimmlosen Obstruenten etablieren können, liegt gerade in der phonologischen Auslautverhärtung begründet: Weil im Deutschen stimmhafte Obstruenten nicht im Silbenreim vorkommen können, können Buchstaben fur stimmhafte Obstruenten nicht falsch rekodiert werden, wenn sie Positionen im phonologischen Silbenreim betreffen (zu einem analogen Fazit kommt auch Maas 2000: 514). Orthographisch kann dies dann für stammkonstante Schreibungen genutzt werden. Für diese Argumentation ist es wichtig zu sehen, dass die deutsche Graphematik eine Graphematik für die phonologische Komponente einer bestimmten Grammatik ist, nämlich für die des Deutschen. Bezogen auf eine Sprache, die nicht über Auslautverhärtung verfügt wie z.B. das Englische, wäre eine Graphematik nach Art der deutschen nicht vorstellbar. Im Englischen ist schließlich das Auftreten stimmhafter Obstruenten phonologisch nicht stärker eingeschränkt als das stimmloser Obstruenten. Eine Schreibung wie kann dort deshalb auf eine Lautung mit einem finalen Obstruenten verweisen, der stimmhaft ist. Da diese Form im Englischen phonologisch lizensiert ist, gibt es keinen Grund, eine sekundäre Korrespondenz zu einem stimmlosen Obstruenten aufzurufen, und zwar weder in diesem graphematischen Kontext noch in irgendeinem anderen, eben weil aufgrund der prinzipiell gleichen Distribution stimmhafter und stimmloser Obstruenten die Anwendung des Defaults immer schon zu einem phonologisch lizensierten Ergebnis führt. Insofern wird niemals eine sekundäre Variante der Korrespondenzregeln für stimmhafte Obstruenten angewendet, was nichts anderes bedeutet, als dass sekundäre Varianten dieses Typs überhaupt nicht in der Graphematik des Englischen enthalten sind. Der Aussprache-Duden (1990) vertraut in seiner der Rekodierungsanalyse artverwandten Modellierung dagegen weniger auf phonologisches, dafür stärker auf morphologisches Wissen. Die entsprechende -Regel sieht nach Duden (1990: 68) folgendermaßen aus, wobei ich die Darstellung geringfügig angepasst und um die gegebenen Beispiele reduziert habe: (31) Korrespondenzregel für nach Duden (1990: 68) a. —» [d] / i) am Wortanfang ii) im Wortinneren vor Vokal, vor [η, 1] iii) vor 1, n, r, wenn sie zum Stamm gehören oder eine Nebenform d + e hat [sie] b. —> [t] / i) am Wortende ii) vor stimmlosen Konsonanten und vor g, m, n, v, w iii) vor den Ableitungssilben -bar, -chen, -haft [etc.]
Dieser Teil der Duden-Regel bezieht sich auf denselben Ausschnitt des Wortschatzes wie meine Rekodierungsanalyse und bietet insofern eine gute Vergleichsbasis.4 Die Regel
4
Die vollständige Dudenregel umfasst noch einen Hinweis auf das Verhalten im Präfix ad- (der freilich redundant ist, weil im Vorspann der Regelaufstellung (Duden 1990: 60) Präfixe für Zwecke der Aussprache mit ganzen Wörtern gleichgestellt werden) und auf nicht-assimilierte Fremdwörter wie Boulevard.
66 nimmt dieselben beiden Korrespondenten an wie meine entsprechende Regel in (30), ist aber offenkundig hinsichtlich der jeweiligen Kontextbeschreibung wesentlich komplexer. Die Kontextbeschreibungen weisen eine gewisse Unschärfe auf. Bei den jeweils ersten Klauseln in (31a und b) ist nicht klar, um was für eine Art von Kontext es sich handeln soll, weil mit Wort sowohl eine phonologische als auch eine morphologische oder eine graphematische Einheit gemeint sein kann. In diesem Fall ist die Unschärfe aber nicht störend, da die Extension dieser Domänen unter allen drei Perspektiven gleich ist, wie aus dem Vorspann zum Regelteil (Duden 1990: 60) deutlich wird, wo im Grunde genau eine PWDomäne definiert wird. Während die zweite Klausel in (31a) eindeutig eine phonologische ist, stellt die zweite Klausel in (31b) eine merkwürdig gemischte dar, weil hier sowohl phonologische Einheiten, nämlich stimmlose Konsonanten, als auch graphematische Einheiten, nämlich bestimmte Buchstaben, genannt werden. Die aufgelisteten Konsonantenbuchstaben stellen dabei eine unbefriedigend unnatürliche Teilklasse dar. Weiterhin sind die Kontextbeschreibungen insgesamt unvollständig. Offen bleibt, wie ein auszusprechen ist, das einem anderen Buchstaben für stimmhafte Konsonanten als den in der besagten Klausel genannten vorangeht. Dies gilt zwar nicht für den Fall, dass dem ein folgt, denn diese Buchstabenfolge wird an anderer Stelle als Einheit behandelt (Duden 1990: 69), wohl aber generell, wenn die Buchstaben oder folgen. Wenn es, wie es scheint, keine derartigen Schreibungen im deutschen Wortschatz gibt, ist der Fall für eine Aussprachelehre unproblematisch, aber nur solange kein neues Wort mit der fraglichen Konstellation in den Wortschatz eindringt. Angesichts der Offenheit des Wortschatzes ist insbesondere die Buchstabenfolge nicht rundweg auszuschließen. Für eine andere Gruppe von Buchstaben für stimmhafte Konsonanten, nämlich für und , ist die Aussprache nur dann ungeregelt, wenn sie nicht zum Stamm gehören, denn andernfalls kommt dem vorangehenden gemäß Klausel (31a iii) die stimmhafte Aussprache zu. Schließlich ist die Regelformulierung zumindest in einem Punkt widersprüchlich, denn laut Klausel (31b ii) wird vor immer stimmlos ausgesprochen, laut Klausel (31 a ii) vor aber genau dann stimmhaft, wenn dieses zum Stamm gehört. Diese Widersprüchlichkeit ist unabhängig von der Frage, ob sich überhaupt Daten vorstellen lassen, an denen sie manifest werden kann. Für eine theoretische Analyse halte ich infolgedessen die Regelformulierung in (31) für ungeeignet, nicht zuletzt auch deshalb, weil sie wichtige Generalisierungen verpasst, indem etwa alle konsonant-initialen Suffixe einzeln aufgezählt werden, was an vielen Stellen der Regelformulierung für andere graphematische Einheiten wiederholt werden muss. Daraus lässt sich freilich nicht geradewegs der Umkehrschluss ziehen, dass meine Rekodierungsanalyse unmittelbar als praxisorientierte Aussprachelehre zu verwenden sein könnte. Immerhin stellt sich dann das große Problem, dass zunächst genügend phonologische Grundlagen bereitgestellt werden müssen, ehe eine Korrespondenzregel wie (30) eine hinreichende Aussagekraft besitzt. Damit kehre ich zur Rekodierungsanalyse von Buchstaben für stimmhafte Obstruenten zurück. Wenn alle solche Buchstaben neben einer Defaultkorrespondenz zu einem stimmhaften Obstruenten auch über eine Korrespondenz zu einem stimmlosen Obstruenten verfügen, wäre zu überlegen, ob diese Regularität nicht über eine generelle Regel erfasst werden könnte, statt sie in jeder einzelnen Korrespondenzregel für stimmhafte Obstruenten aufzunehmen. Hierfür müsste allerdings ein phonologisches Merkmalssystem formuliert werden, mittels dessen eindeutig vorhersagbar wäre, welches der einem stimmhaften Obstruenten
67 entsprechende stimmlose Obstruent ist. Dies ist für die phonologische Analyse ohnehin notwendig, wenn das Verhältnis von phonologischer zu lexematischer Repräsentation erfasst werden soll. Der Einfachheit halber erspare ich mir im Kontext der Analyse der deutschen Graphematik eine Auseinandersetzung mit dieser Problematik und verlasse mich vielmehr auf die Lösung, den stimmhaften Korrespondenten in jeder einzelnen Korrespondenzregel für stimmhafte Obstruenten aufzuführen. Bei der Suche nach einer Übergreifenderen Analyse wäre das Verhalten des Buchstabens zu bedenken. Diesen habe ich in (28) der Klasse der Buchstaben mit eindeutigen kontextfreien Korrespondenzen zugeordnet. Wenn das Phon [j] phonologisch ein stimmhafter Obstruent ist, gehört der Buchstabe zur Klasse der Buchstaben für stimmhafte Obstruenten. Da [j] aber nicht auslautverhärtet werden kann, 5 verfügt er über keinen sekundären Korrespondenten. In meiner Analyse ist dies gewissermaßen eine graphematische Besonderheit des ; dies könnte sich aber auch als unmittelbare phonologische Konsequenz ergeben. Gegen eine automatische Zuweisung sekundärer Korrespondenten spricht aber möglicherweise das Verhalten des Buchstabens , den ich in Abschnitt 3.3 diskutieren werde. Eine inhärent geordnete Korrespondenzregel mit einer primären Korrespondenz, die als Default dem Buchstaben seinen Klassennamen gibt, und einer sekundären Korrespondenz, die dann aktiv wird, wenn die primäre Korrespondenz aufgrund phonologischer Beschränkungen nicht gewählt werden kann, ist für die meisten Buchstaben für stimmhafte Obstruenten zu formulieren, und zwar für , und sowie für und . Dabei verfügen alle diese Buchstaben außer und dem bereits erfassten über weitere Besonderheiten, die an geeigneter Stelle thematisiert werden. An dieser Stelle formuliere ich abschließend nur die -Regel, die der -Regel gleicht: (32) Korrespondenzregel für a. —» [b] b. —> [p]
(primär) (sekundär)
Auch andere Konsonantenbuchstaben als nur die für stimmhafte Obstruenten können in ihrem Korrespondenzverhalten mit dem Konzept inhärent geordneter Korrespondenzen erklärt werden. Ein einschlägiger Fall ist der Buchstabe , der freilich mit weiteren Besonderheiten verknüpft ist, weshalb ich ihn ebenfalls erst später bespreche (vgl. Abschnitt 3.4).
3.2.3
Eine dreifach inhärent geordnete Korrespondenzregel
Ein weiterer Fall ist der Buchstabe , für den sich zeigen lässt, dass in seiner Korrespondenzregel eine inhärente Ordnung zwischen drei unterschiedlichen Korrespondenten vorliegt. Der Buchstabe verfügt einerseits über einen klaren primären Default, nämlich [n], daneben aber über zwei weitere Korrespondenten, nämlich [η] und [m]. Dabei ist die Datenlage für den velaren Nasal relativ klar: Phonologisch ist der Nasal [n] nicht möglich, wenn er im Silbenreim steht und ihm ein velarer Plosiv unmittelbar benachbart ist. Dies 5
Jedenfalls kann ich mir für das in Duden (1990) mit der Aussprache [Jvo.jan] aufgeführte Verb schwojen keine deutsche Aussprache fur Flexionsformen wie er schwojt vorstellen, die ich deshalb als ungrammatisch markieren würde.
68 zeigen Wörter wie Bank, Bianca, einer Aussprache ohne Schwa als Regularität explizitlautlich nicht, der Phrase in Köln mit möglicher
Delinquent, Sphinx und Ungarn einerseits und Wagen in [va.gr]] andererseits. Über Wortgrenzen hinweg gilt diese wohl aber umgangssprachlich wie bei einkaufen oder bei Nasalassimilation.
Dass auch der labiale Nasal [m] als eine nachrangige kontextfreie Korrespondenzmöglichkeit anzusehen ist, lässt sich an explizitlautlichen Daten weniger gut erkennen. Hierfür wären Wörter einschlägig, bei denen der Buchstabe unmittelbar neben einem Buchstaben steht, der mit einem labialen Plosiv korrespondiert, also neben oder
. Solche Wörter sind, jedenfalls ohne PW-Grenze, im Deutschen ausgesprochen rar. Duden (1990: 80; 381) enthält immerhin das Wort Ihn, geht allerdings davon aus, dass der Buchstabe grundsätzlich nicht mit [m] korrespondieren kann und ordnet dem besagten Wort konsequenterweise die Aussprache [ibn] zu. Ich halte diese Aussprache aber für mit der deutschen Phonologie nicht vereinbar, sondern gehe hier von zwangsläufiger Nasalassimilation aus, und zwar von der Lautung [i.bm]. Analog zum Fall Wagen gibt es freilich auch für den labialen Nasal eine Reihe einschlägiger Daten wie geben, dem in Standardlautung die phonologische Form [ge.bm] zukommt. Phonologisch bedeutet dies, dass der alveolare Nasal [n] nicht im Silbenreim stehen darf, wenn er einem labialen Plosiv benachbart ist; dann assimiliert er zum labialen Nasal. Umgangssprachlich ist auch dies über PW-Grenzen hinaus möglich wie bei einpudern mit der Aussprache [ {aim {pu.den}}]. Graphematisch folgt daraus, dass auch [m] ein Korrespondent von ist. Wenn der Buchstabe neben dem Default über zwei weitere kontextfreie Korrespondenzen verfugt, ist zu klären, in welchem Verhältnis diese beiden Einheiten zueinander stehen. Denkbar ist, dass sie entweder gleichgeordnet sind oder dass sie in einer inhärenten Ordnung stehen. Hierbei ist das phonologische Verhalten des labialen Nasals wichtig. Dieser Nasal ist phonologisch nämlich auch in Umgebungen erlaubt, wo die anderen beiden Nasale auftreten, insbesondere in einer Position im Silbenreim adjazent zu einem alveolaren oder einem velaren Plosiv (vgl. Amt bzw. Imker). Daraus lässt sich ableiten, dass das Phon [m] den anderen beiden kontextfreien Korrespondenten des nachgeordnet ist. Wenn es dem Korrespondenten [n] nicht nachgeordnet wäre, müsste eine Schreibung wie auch als [hamt] zu rekodieren sein, und wenn es dem Korrespondenten [η] nicht nachgeordnet wäre, müsste eine Schreibung wie auch als ['im.go] rekodiert werden können. Beides ist aber faktisch ausgeschlossen, was dadurch modelliert werden kann, dass [m] der tertiäre Korrespondent von ist. Phonologisch gesehen sind, wie gesagt, die Nasale [n] und [η] ausgeschlossen, wenn sie im Silbenreim adjazent einem labialen Plosiv stehen (vgl. auch Wiese 1996: 218). Nur in diesem phonologischen Kontext kann die Rekodierung des Buchstabens zur Lautung [m] führen. Dies besagt folgende Korrespondenzregel für : (33) Korrespondenzregel a. —> b. —> c. —»
für (unvollständig) [n] (primär) [q] (sekundär) [m] (tertiär)
Lediglich Schreibungen wie fallen nicht unter den Skopus dieser Regel. Diesen Bereich bespreche ich in Abschnitt 3.7.1, wobei ich die -Regel um eine kontextbedingte Teilregel ergänzen werde. Eine weitere dreifach inhärent geordnete Korrespondenzregel ist dem Buchstaben zugeordnet, der Thema von Abschnitt 3.8 ist.
69 3.3
Unterdeterminierte Korrespondenzregeln
Während inhärent geordnete Korrespondenzregeln zu einer graphematisch eindeutigen Korrespondenz fuhren, weil nur die höchstrangige Korrespondenz, die zu einem phonologisch möglichen Ergebnis führt, gewählt werden darf, zeigen einige Buchstaben ein graphematisch unterdeterminiertes Verhalten in dem Sinne, dass zwei korrespondierende Phone zur Verfugung stehen, ohne dass für jeden Kontext eindeutig vorhergesagt werden könnte, welcher dieser Korrespondenten jeweils einschlägig ist. Der Buchstabe bietet ein Beispiel hierfür. Der Versuch, ihn analog zu den im letzten Abschnitt besprochenen Fällen als Buchstaben für einen stimmhaften Obstruenten zu klassifizieren und ihn über eine inhärent geordnete Korrespondenzregel zu erklären, schlägt schnell fehl, weil in manchen Positionen, in denen der danach primäre Default [v] phonologisch möglich ist, auch der vorgeblich sekundäre Korrespondent [f] auftreten kann. Eindeutig ist dies in einer wortinitialen Position zu beobachten, wie ein Vergleich der Wörter Vater und Vase belegt. Hier liegen graphematisch wie phonologisch gleiche Kontexte vor, aber es werden unterschiedliche Korrespondenzen für aktiviert. Deshalb ist das Korrespondenzpotential des Buchstabens als im strikten Sinn unterdeterminiert zu charakterisieren. Dies drücke ich mit folgender Notation aus, in der die beiden Korrespondenten aussagenlogisch disjunktiv verknüpft sind, wofür ich das Zeichen ' v ' benutze: 6 (34) Korrespondenzregel für
->·
[f] ν [v]
Diese Notation impliziert, dass nicht als Buchstabe für einen stimmhaften Obstruenten zu klassifizieren ist, sondern als einer für einen stimmhaften und einen stimmlosen Obstruenten zugleich, also als ein Buchstabe, der für ein phonologisch zu begründendes Klassenmerkmal Stimmhaftigkeit unterspezifiziert ist. Aus phonologischen Gründen ist die Korrespondenzmöglichkeit zum stimmhaften Obstruenten [v] freilich manchmal blockiert, weil stimmhafte Obstruenten nicht ausschließlich im Silbenreim stehen können, wie ich im letzten Abschnitt unter dem Stichwort Auslautverhärtung diskutiert habe. Wegen dieses phonologischen Filters ist die mögliche Schreibung - abgesehen von der Unschärfe der Vokalbuchstabenrekodierung - doch eindeutig als [taf] zu rekodieren, während die Schreibung in unterdeterminierter Weise zwischen [vat] und [fat] schwankt. Wenn die Graphematik im Kern die Funktion hat, phonologische Repräsentationen aus schriftlichen Repräsentationen erkennbar zu machen, sind unterdeterminierte Korrespondenzregeln wie die für als graphematisch schlecht zu bewerten. Zwar ist die Rekodierbarkeit prinzipiell gegeben, aber sie ist nicht eindeutig. Eine optimale Graphematik müsste im Grunde das Ziel verfolgen, eine solche unterdeterminierte Korrespondenz auszumerzen. Die Graphematik des Deutschen ist in diesem Sinne weit davon entfernt, eine optimale, also eindeutige Graphematik zu sein. Vielmehr ist Unterdeterminiertheit das prägende Kennzeichen dieses Systems. Für ein natürlich gewachsenes System ist dies vielleicht auch nicht überraschend. Wie die weitere Analyse der Korrespondenzmöglichkeiten zeigen wird, besitzt die Hälfte der graphematischen Grundeinheiten des Deutschen, also der Buchstaben 6
Bezogen auf die zugrundeliegende Phonemebene formuliert Günther (1988: 96) eine im Prinzip gleiche Regel.
70 und der festen Buchstabenverbindungen, eine Korrespondenzregel, die zumindest eine unterdeterminierte Teilregel enthält. Der Überblick über alle Korrespondenzregeln im Anhang vermag dies zu belegen. Insbesondere verfugen sämtliche Vokalbuchstaben über eine unterdeterminierte Regel, da jeder Vokalbuchstabe zumindest mit zwei Vokalen korrespondiert, nämlich mit einem zentralisierten und einem peripheren. Dabei ist in vielen Kontexten die Phonologie nicht in der Lage, eine eindeutige Rekodierung zu gewährleisten. Immerhin sorgt aber die Graphematik mit bestimmten sekundären Mitteln dafür, dass viele Schreibungen, die auf der Basis der Korrespondenzregeln als unterdeterminiert zu bewerten wären, letztlich doch eindeutig sind. Die fraglichen Mittel der Dehnung und der Schärfung werden in den Kap. 4 und 5 untersucht. Für den Buchstaben sind analoge graphematische Mittel nicht zu finden. Immerhin macht die Orthographie des Deutschen von dieser Unterdeterminiertheit zumindest in wortinitialer Position in gewisser Weise funktionalen Gebrauch, indem heimische Wörter wortinitial die Korrespondenz zu [f] wählen und Fremdwörter die zu [v] (vgl. Günther 1988: 96). 7 Entsprechend weisen -initiale Wörter, die bereits in alt- und mittelhochdeutscher Zeit belegt sind, überwiegend eine Aussprache mit stimmlosem Obstruenten auf, während spätere Entlehnungen dominant mit stimmhaftem Obstruenten gesprochen werden. In wortmedialer Position ist die Unterdeterminiertheit zu einem weitaus geringeren Maß feststellbar. Wenn der Buchstabe mit einem Phon korrespondiert, der eine wortmediale Onsetposition besetzt, dominiert eindeutig die Korrespondenz zu [v]. Lediglich für die folgenden Fälle (zu denen z.T. auch morphologische Ableitungen existieren wie nervig oder Entlarvung) gibt es auch eine Rekodierung des als [f]: (35) Korrespondenz von zu [f] in wortmedialer Onsetposition (auf der Basis von Muthmann 1988) a. nur [f]: Frevel, Gleve, Larve, nerven b. [f] oder [v]: Arve, hieven, Kurve, Lokomotive, luven, Pulver, Sklave
Dies ist eine recht kleine Gruppe. Von den Daten der Gruppe (35a) verfugt immerhin eines (nämlich Gleve) auch über eine Schreibvariante mit . Von den Daten der Gruppe (35b) spreche ich selbst nur eines mit stimmlosem Obstruenten, nämlich hieven (vgl. auch Günther (1988: 96) zu luven). Orthographisch lässt sich diese geringe Datenanzahl mit dem Hinweis begründen, dass im heimischen Wortschatz das Phon [f] in wortmedialer Onsetposition bevorzugt mit dem Buchstaben verschriftet wird wie bei schlafen. Damit scheidet der heimische Wortschatz praktisch als mögliche Datenquelle aus. Im Fremdwortschatz dagegen wird ohnehin nur die Korrespondenz zu [v] genutzt, sodass auch hier keine Daten zu erwarten sind. Duden (1990: 94) suggeriert übrigens, die unterschiedlichen Korrespondenzen korrelierten im Fremdwortbereich mit Frequenz, indem die Korrespondenz zu [f] bei 'einigen wenigen häufig gebrauchten Fremdwörtern' anzutreffen sei. Das gegebene Beispiel Larve vermag im Vergleich zu den Kontrastfällen aktive oder nervös diesbezüglich aber nicht zu überzeugen.
7
Eisenberg (1998a: 291) rechnet das nicht zum Kernbestand, sondern nur zum 'erweiterten Grapheminventar' des Deutschen. Aus seiner schreiberorientierten Perspektive hat dies den Vorteil, dass -haltige Schreibungen sogleich als markiert ausgewiesen sind. Für eine Graphematik in meiner Konzeption gibt es freilich keine Handhabe, den Buchstaben auszusondern.
71 Für die Zuordnung von Wörtern zur Klasse heimische Wörter gegenüber Fremdwörter bedeutet die von mir präferierte Charakterisierung übrigens, dass Eindeutschungstendenzen zu beobachten sein müssten, bei denen sich entweder die Schreibung von nach ändert (dies ist der für den heimischen Wortschatz charakteristische Buchstabe zur Rekodierung des [v]) oder bei denen die Lautung von [v] nach [f] tendiert. Die Daten in (35b) mögen Belege für Letzteres sein. Auch im Eigennamenwortschatz lässt sich eine analoge Aufteilung in heimische und fremde Rekodierungen beobachten. So werden nach Duden (1990) deutsche Ortsnamen, die mit beginnen, bevorzugt mit [f] gesprochen (z.B. Vacha, Villingen, Vlotho), während entsprechende fremde Ortsnamen in deutscher Aussprache eher mit [v] gesprochen werden (z.B. Valletta, Vincr, beide Möglichkeiten werden für Vaduz angegeben). Im Wortinneren dominiert bei deutschen Ortsnamen dagegen die Korrespondenz zu [v] (Ovelgönne, Greven, Ravensburg, aber: Cuxhaven, Havelberg), ebenso wie bei Vornamen (Valentin, Vera, Viktor).
3.4
Nullkorrespondenzen
Buchstaben verfügen nicht nur über Phone als Korrespondenten, sondern ihnen kann auch eine phonologische Korrespondenz gänzlich mangeln. Dies bezeichne ich als 'Nullkorrespondenz'. Der deutlichste Fall hierfür ist der Buchstabe . In nur relativ wenigen Vorkommenspositionen korrespondiert dieser Buchstabe mit einem Phon, und zwar mit [h]. Dies korreliert mit dem Umstand, dass die Distribution dieses Phons phonologisch eingeschränkt ist. Im Deutschen kann das [h] nur im Silbenonset auftreten, und zwar nur allein und nicht in Verbindung mit einem anderen Phon. Weitergehende Distributionsbeschränkungen für das [h] hängen von stilistischen Ebenen ab (vgl. hierzu auch Wiese 1996: 60; Neef 2000): (36)
Phonologische Distribution des [h] a. Hose, Holunder, hineinlaufen b. Bahnhof, gehören c. Freiheit, sprunghaft, sicherheitshalber d. Sahara, subtrahieren, amharisch, Johannes, Itzehoe, Schanghai, ahoi e. Ahorn, Uhu, Alkohol, Johann, Tophinke, Scheherazade, Bethlehem, Teheran
Am Anfang eines Grammatischen Worts (36a) ist das Phon [h] in allen Sprachregistern möglich und invariabel (anders als im Französischen bzw. in französisch ausgesprochenen Fremdwörtern im Deutschen wie Hautevolee). Wenn demgemäß ein Graphisches Wort mit dem Buchstaben beginnt, gefolgt von einem Vokalbuchstaben, wird hier immer die Korrespondenz zum Phon [h] aktiviert. In Positionen innerhalb eines Grammatischen Worts lässt sich häufig Variation beobachten in dem Sinne, dass in einem höheren Sprachregister (in der Explizitlautung) ein [h] gesprochen wird, in einem niedrigeren Register (in der Standardlautung oder der Umgangslautung) dagegen nicht. Mit der Verwendung dieser Termini für verschiedene Stilregister des Deutschen orientiere ich mich an Eisenberg (1998b: 45-53). Dabei nehme ich an, dass die Graphematik neutral ist gegenüber der Frage, welches Stilregister durch graphematische Repräsentationen
72 rekodierbar gemacht werden soll. Das bedeutet, grundsätzlich kann jede phonologische Form jeder Lautungsstufe in einer graphematischen Form verankert sein. Dies sieht man z.B. an Versuchen, umgangssprachliche Daten zu verschriften. Solche Verschriftungen sind geeignet, die in einem Kontext tatsächlich gesprochenen Formen (auf der Ebene der phonologischen Repräsentation) rekodierbar zu machen, um den Preis, gegen orthographische Konventionen zu verstoßen. Die Orthographie nämlich bezieht sich mit ihren konventionellen und kontextinsensitiven Repräsentationen auf genau eine grammatische Stilebene, und dies ist die Explizitlautung (vgl. hierzu auch Kohrt 1987: 322-326). Sinnvoll ist die Beschränkung auf diese Ebene vor allem deshalb, weil die Explizitlautung diejenige Repräsentationsebene ist, auf der die Grammatikalität sprachlicher Ausdrücke berechnet wird, während andere Formen in ihrer Grammatikalität hiervon abhängen (vgl. Neef & Neugebauer 2002). Die Explizitlautung besitzt also auch grammatisch einen herausgehobenen Status und ist in diesem Sinne unabhängig motiviert. Abhängigkeitstheoretische Modelle, die auf eine Analyse der Orthographie zielen, sind folglich gut beraten, explizitlautliche Formen als Eingabeelemente zu wählen. Für die graphematische Analyse des ist also die Frage primär, in welchen grammatischen Positionen das Phon [h] stehen kann. Möglich ist es am Anfang eines Phonologischen Worts (36a und b) sowie am Anfang eines Suffixes (36c). Im Onset einer betonten Silbe, die sich innerhalb einer Wurzel befindet, ist das [h] nicht möglich in heimischen Wörtern, wohl aber in Fremdwörtern, Eigennamen und Interjektionen (36d). Bei denselben lexikalischen Gruppen findet sich das [h] wurzelintem auch im Onset einer unbetonten Silbe (36e). Hier gibt es auch zwei heimische Fälle, nämlich die Wörter Ahorn und Oheim, die zwar nicht semantisch, aber prosodisch als Komposita fungieren (und deshalb auch als 'Pseudokomposita' bezeichnet werden), was dadurch motiviert werden kann, dass die jeweils zweiten Silben über die Lautung existierender Wörter verfügen. Hinzu kommen die Onomatopoetika Uhu, Schuhu, Buhu, Huhu (Kluge 1995: 845). In anderen grammatischen Kontexten (also in phonologischen Kontexten in Abhängigkeit von Teilklassen des Wortschatzes) ist das Phon [h] nach dieser Analyse phonologisch ausgeschlossen. Dies kann sich das Schriftsystem so nutzbar machen, dass der Buchstabe auch in solchen graphematischen Kontexten steht, wo er aus phonologischen Gründen nicht als [h] rekodiert werden kann. Dann kommt ihm in sekundärer Weise eine Nullkorrespondenz zu. Bei der folgenden Übersicht nehme ich Schreibungen mit Buchstabenfolgen wie und aus, die ich später als feste Buchstabenverbindungen analysieren werde. Außerdem gelten die Ausführungen, wie in Abschnitt 2.3.2 begründet, nur für Wörter ohne interne PW-Grenze. Wenn das [h] also grammatisch ausgeschlossen ist, findet sich der Buchstabe dennoch häufig in folgenden korrespondierenden Positionen, und zwar in als heimisch zu klassifizierenden Wörtern: -
vor dem Buchstaben für den Silbengipfel einer Reduktionssilbe, die über einen phonologisch leeren Silbenonset verfugt (, , ) - vor dem Buchstaben für den Silbengipfel einer unbetonten Vollsilbe, die über einen phonologisch leeren Silbenonset verfugt (, ) - vor Konsonantenbuchstaben (, , , , , ) - am Wortende (, ) Verschleiert werden manche dieser Regularitäten dadurch, dass in einer Überlautung (im Sinne von Eisenberg 1998b: 46f.) der Buchstabe immer dann mit segmentaler Korrespondenz rekodiert werden kann, wenn das korrespondierende Phon auf diese Weise allein
73 im Silbenonset steht. Dies führt manche Autoren wie Ossner (2001: 326ff.) dazu, dem auch in Schreibungen wie und eine phonographische Basis zuzuschreiben (vgl. dagegen aber Eisenberg 1998a: 299; Neef & Primus 2001). Ich klassifiziere eine Aussprache der Schreibung als [e.ha] als schriftgeleitete Aussprache, also als von der Schreibung geleitete Modifikation der Lautung, die auf diesem Wege möglicherweise phonologische Regeln überschreiben kann. Schriftgeleitete Aussprachen sind danach Rekodierungen strikt nach den Defaultkorrespondenzen in Kontexten, wo dieser Default nach Maßgabe der grammatischen Basis eigentlich nicht einschlägig ist. Daraus lässt sich ableiten, dass der Buchstabe immer dann mit dem Phon [h] korrespondiert, wenn die grammatische Basis dies zulässt, während ansonsten immer eine Nullkorrespondenz einschlägig ist. Infolgedessen formuliere ich für den Buchstaben eine inhärent geordnete Korrespondenzregel mit einem primären Default und einer zweiten, sekundären Korrespondenzmöglichkeit: (37) Korrespondenzregel für a. —> [h] b. —> [...]
[primär) (sekundär)
Dieser sekundäre Korrespondent für den Buchstaben ist also gewissermaßen ein phonologisches Nichts, das ich durch drei Punkte in der phonologischen Repräsentation notiere. Konsequenterweise kann die Phonologie das Auftreten dieses Korrespondenten nicht beschränken, sodass sichergestellt ist, dass eine der beiden in der -Regel vermerkten Korrespondenzmöglichkeiten immer gewählt werden kann. In (68) werde ich allerdings die Möglichkeiten der Nullkorrespondenz für geringfügig beschränken. Dass der Buchstabe selten in Doppelschreibung vorkommt, hängt primär damit zusammen, dass das Phon [h] nicht ambisilbisch auftritt (vgl. Neugebauer 2001: 54). In der Orthographie vor 1996 wurde diese phonologisch begründete Lücke zu einer generellen -Beschränkung generalisiert, indem innerhalb von Wörtern diese Schreibung verboten war, auch wo sie orthographisch eigentlich zu erwarten wäre wie bei oder (vgl. Maas 2000: 510). Abgesehen von Interjektionsschreibungen wie findet sich in der aktuellen Orthographie ein doppelt geschriebens nach Vokalbuchstaben und ohne PWGrenze nur dann, wenn das zweite den ersten Buchstaben eines Suffixes markiert wie in . Dies werde ich im nächsten Abschnitt weiter ausführen. Mit dem Buchstaben verfugt die Graphematik des Deutschen über einen Konsonantenbuchstaben, der in vielen graphematischen Kontexten ausschließlich mit Null korrespondieren kann. Insofern eignet sich dieser Buchstabe besonders gut zur Übernahme graphematischer Funktionen, die nicht unmittelbar mit der segmentalen phonologischen Basis verbunden sind. Hier ist zuerst die Dehnungsfunktion zu nennen, die ich in Abschnitt 5.2 besprechen werde. In der einschlägigen Literatur werden dabei häufig zwei Arten des unterschieden und dasjenige mit Nullkorrespondenz als 'stummes ' bezeichnet (vgl. z.B. Kohrt 1989, Primus 2000a). Im Rekodierungsmodell gibt es nur einen einheitlichen Buchstaben , dem allerdings zwei unterschiedliche Korrespondenzen zukommen. Diese Eigenschaft teilt das allerdings mit vielen anderen Buchstaben. Besonders bei Fremdwortschreibungen wird das auch in Verbindung mit anderen Konsonantenbuchstaben benutzt, ohne deren Korrespondenzen zu berühren. Hier dient das also orthographisch dazu, den Fremdwortstatus zu kennzeichnen (Kohrt 1989: 206). Die folgende Aufstellung zeigt, dass das in dieser Funktion in Verbindung mit einer
74 Mehrzahl der Konsonantenbuchstaben anzutreffen ist. Mangels besseren Materials greife ich für einige Buchstaben dabei auf geographische Namen fremder Herkunft zurück in der Annahme, dass diese auch nach den Regeln der deutschen Graphematik rekodiert werden können, dass sie also nicht zwangsläufig als fremdsprachliche Wörter einzuschätzen sind, womit sie für die Graphematik des Deutschen irrelevant wären. Gerade Namenwörter gelangen häufig nur über die Schrift in die deutsche Sprache, ohne dass unabhängig von der Schreibung bekannt ist, wie diese Wörter in der jeweiligen Quellsprache ausgesprochen werden. In diesen Fällen handelt es sich dann konsequenterweise nicht um fremdsprachliche Wörter im in Abschnitt 2.4 definierten Sinn, sondern um Schriftaussprachen. Diese sind generell für die Ermittlung der Regularitäten einer Graphematik besonders erhellend. (38)
Folgen aus Konsonantenbuchstabe
+ mit Nullkorrespondenz
für (Basis: Muthmann
1988, Duden 1990, 1994, 2000, Atlas 1985, BKG 2002; vgl. auch Kohrt 1989: 202)
Bhagvan
Pharma. Dhaun, Dhron, Dhünn, Buddha
(An) Fheoir (Fluss in Irland)
Ghetto. Joghurt. Bodelschwingh. Steegh. Loogh
Jhering, Jheringsfehn
Khaki, Gurkha, Sikh
Lherzolith. Lhasa. Malheur
(An) Mhumha (Region in Irland)
Nha Trang (Stadt in Vietnam)?
?
Rheuma, Rheda, Rhein. Myrrhe, Katarrh
lässt sich das Konzept der Kontextabhängigkeit illustrieren. Hierbei geht es genauer um eine kontextbedingte Nullkorrespondenz. So kann der Schreibung die Lautung [fo.ta] entsprechen. Graphematisch ist der Kontext fur die mögliche Nullkorrespondenz leicht zu beschreiben, denn sie ist nur am Wortanfang unmittelbar vor dem Buchstaben möglich. Ausgeschlossen ist etwa eine Rekodierung der Schreibung als [tsof] oder als [kas.fan]. Allerdings kann die Schreibung auch als [pfo.ta] rekodiert werden. Grammatisch gesehen liegt hier stilistische Variation vor, wobei die Lautung mit initialer Affrikate als explizitlautlich und die mit initialem Einzelkonsonanten als umgangssprachlich charakterisiert werden kann. Duden (1990: 57f.) fuhrt diese Variation jedoch nicht bei den Charakteristika der Umgangslautung auf. Alternativ könnte die Variation auf dialektale-Unterschiede zurückgeführt werden.
82 Dann würde dieser Datenbereich freilich nicht in den Kontext dieser Arbeit gehören. Unklar ist ebenfalls, ob die vorgegebene grammatische Variation graphematische Unterdeterminiertheit verlangt oder ob umgekehrt vielmehr die graphematische Unterdeterminiertheit Ursache für die grammatische Variation ist. Die Graphematik kann diese Unterdeterminiertheit jedenfalls über die Ansetzung einer inhärent unterdeterminierten Korrespondenzregel in einem spezifischen graphematischen Kontext modellieren, und zwar in der folgenden Art: (42) Korrespondenzregelflir
a.
b.
—>
[ ρ ] v [··•]
/
[p]
{primär)
PW^CP»
Ausschlaggebend ist also allein der graphematische Kontext. Wenn das Vorkommen des Buchstabens
so interpretiert wird, dass er am Anfang einer PW-Domäne steht, und wenn ihm zugleich der Buchstabe < f > unmittelbar folgt, dann schwankt er zwischen zwei Korrespondenzweisen. In allen anderen Kontexten ist die Korrespondenz des Buchstabens
eindeutig.
3.6.1
Eine Korrespondenzregel mit unvollständiger Kontextabdeckung
Als Nächstes betrachte ich den Buchstaben , für den ich annehmen möchte, dass er graphematisch über eine unvollständige Kontextabdeckung verfügt. Wenn dieser Buchstabe in Schreibungen des Deutschen auftaucht, wird er ausnahmslos als [s] rekodiert. Dies könnte die Annahme nahe legen, für diesen Buchstaben sei eine eindeutige kontextfreie Korrespondenzregel zu formulieren und das würde mithin in die Liste der eindeutigen Buchstaben in (28) fallen. Allerdings ist das niemals am Wortanfang zu beobachten. Dies korreliert mit dem Umstand, dass dieser Buchstabe als einziger im deutschen Alphabet über keine Großbuchstabenvariante verfügt. Zur Analyse dieses eingeschränkten Vorkommens ließe sich eine orthographische Beschränkung formulieren, die den Buchstaben am Wortanfang ausschließen würde. Unter dieser Sicht wäre aber zu erwarten, dass sich im peripheren Wortschatz, auf den die Orthographie weniger Zugriff hat, sehr wohl Schreibungen finden lassen sollten, die mit beginnen. Fremdwörter mögen hierfür keine günstige Quelle sein, weil der Buchstabe dem deutschen Alphabet eigentümlich ist und er gerade nicht über den Import fremder Wörter in den deutschen Wortschatz gelangen kann. Bedenklich ist aber, dass auch Eigennamen und Interjektionen niemals mit beginnen. Für Eigennamen ließe sich argumentieren, dass deutsche Wörter phonologisch gesehen nicht mit dem einzig möglichen Korrespondenten des Buchstabens beginnen dürfen, wenn unmittelbar ein Vokalphon folgt (vgl. hierzu Abschnitt 3.8). Vor oder nach einem Konsonantenphon darf das stimmlose Phon [s] aber sehr wohl am absoluten oder relativen Wortbeginn erscheinen, ohne dass entsprechende Wortschreibungen hier den Buchstaben aufweisen könnten. Für Interjektionen, die sich phonologischen Beschränkungen gerne entziehen, ließe sich ohne weiteres die Form denken als Verschriftung derjenigen Interjektion, mit der um Ruhe gebeten werden kann. Doch auch diese Schreibung ist ausgeschlossen. Daher scheint es mir angebracht, die beschränkte Distribution des Buchstabens
83 nicht in die Orthographie abzuschieben, sondern hierin eine graphematisch verwurzelte Regularität zu sehen. In einem weiteren Aspekt unterscheidet sich das von allen anderen Buchstaben. Es darf nämlich weder in Doppel- noch in Mehrfachschreibung auftreten. Während andere Buchstaben für stimmlose Obstruenten typischerweise über Doppelschreibungen im deutschen Kernwortschatz verfugen wie z.B. im Wort hatten, ist eine analoge Schreibung wie gänzlich ausgeschlossen. Auch hierin sehe ich eine fundamentale graphematische Eigenschaft, die folglich in der Korrespondenzregel zu notieren ist. Der Buchstabe zeichnet sich folglich dadurch aus, dass er als einziger Buchstabe des Deutschen nicht über einen Defaultkorrespondenten verfügt, der als Default in allen solchen Positionen rekodiert werden kann, die nicht schon durch spezifischere Teilregeln erfasst werden. Vielmehr besitzt er ausschließlich eine kontextbeschränkte Korrespondenzregel, die folgendermaßen formuliert werden kann: (43) Korrespondenzregel für
->
[s]
/
[VOK.] * _
-,
Hierbei benutze ich die bislang nur als Notationsmöglichkeiten angedeuteten graphematischen Merkmale. Solche Merkmale dienen dabei allein klassifikatorischen Zwecken, nämlich als Abkürzung für eine Menge von Einheiten, in diesem Fall von Vokalbuchstaben. Dabei sind Vokalbuchstaben als solche Buchstaben definiert, die per Default eine Korrespondenz zu einem Vokalphon aufbauen. Das Merkmal ist privativ gemeint, d.h. ein Element in der Repräsentation verfügt entweder über dieses Merkmal, oder es verfugt nicht darüber. Die privative Konzeption erlaubt es, Vokalbuchstaben von allen anderen Einheiten der graphischen Repräsentation abzusetzen, insbesondere nicht nur von Konsonantenbuchstaben, sondern auch von Interpunktionszeichen und Leerzeichen. Damit ist es möglich, alle Einheiten der graphischen Repräsentation, die nicht in die Klasse der Vokalbuchstaben fallen, als eine einheitliche Klasse anzusprechen, nämlich mittels der Notation '—{νοκ]'. Dies wird z.B. unten in Korrespondenzregel (47) genutzt werden. In der -Regel nutze ich die Negationsfunktion zur Kennzeichnung des rechten Kontexts, der also aus allen graphischen Elementen bestehen darf mit Ausnahme des Buchstabens selbst. Der Stern in der ersten Zeile der -Regel soll ausdrücken, dass zwischen dem Element mit dem Merkmal [VOK] und dem fokussierten Element beliebig viele Buchstaben (einschließlich keines Buchstabens) stehen können. Der Buchstabe kann also weder absolut wortinitial noch als Teil einer wortinitialen Konsonantenbuchstabenfolge noch vor einem gleichen Buchstaben stehen. Dies hat insbesondere Konsequenzen für die Korrespondenzregel des Buchstabens , dem Abschnitt 3.8 gewidmet ist.
3.6.2 Kontextabhängigkeit mit inhärent geordneten Korrespondenzen Ein Zusammenspiel von kontextabhängigen Korrespondenzregeln mit inhärent geordneten Regeln, das letztlich zu einer vollständigen Kontextabdeckung führt, zeigt sich beim Buchstaben . Dieser korrespondiert normalerweise mit [v] wie in . Da damit ein Buchstabe für einen stimmhaften Obstruenten ist, sollte er auch über einen sekundären Korrespondenten verfügen, nämlich die auslautverhärtete Form [f]. Unter den heimischen Wörtern lässt sich diese Korrespondenz nur selten beobachten wie in den Wörtern Löwchen
84 oder stowt (3. Ps. Sing. Präs.). Bei Eigennamen ist diese sekundäre Korrespondenz verbreiteter, wie folgende Daten zeigen, die überdies Fremdwörter enthalten und weitere Korrespondenzen des Buchstabens illustrieren: (44)
Wurzelfinale Korrespondenzen von a. —> [f] Bogislaw, Lew, Kiew, Tschechow, Gorbatschow b. —» ? Squaw, Interview, Show c. —>[...] Basedow, Pankower, Bungalows, Salchow
Die durchweg aus dem Russischen stammenden Wörter in (44a) sollten nicht als fremdsprachliche Wörter klassifiziert werden, weil sie in ihrer Herkunftssprache nicht mit dem lateinischen, sondern mit dem kyrillischen Alphabet verschriftet werden. Transliterationen wie die hier vorliegenden scheinen mir in recht klarer Weise die systematischen Korrespondenzen der Zielsprache zu offenbaren. Anders sieht es bei den Fällen in (44b) aus, die als fremdsprachliche Wörter die Korrespondenzen der englischen Quellsprache dokumentieren, nicht unbedingt aber auch die des Deutschen. Indigene Korrespondenzen zeigen sich hinwiederum in (44c), wo dem eine Nullkorrespondenz zukommt. Diese Art der Korrespondenz findet sich bevorzugt in Eigennamen und nur selten in Appellativa. Da im gleichen graphematischen Kontext auch die sekundäre Defaultkorrespondenz zu [f] aktiviert werden kann, was Wörter wie Tschechow belegen, muss im fraglichen graphematischen Kontext, und zwar genau nach dem Buchstaben , von bedingter Unterdeterminiertheit ausgegangen werden. Im Übrigen ist für nach in geeigneten Kontexten auch die primäre Korrespondenz zu [v] möglich wie in Charkower oder in baldowern. Dies erfasst folgende Korrespondenzregel: (45) Korrespondenzregel für a. -> [ν] ν [f] ν [...] / [νοκ]* b. —> [v] (primär) c. —> [f] (sekundär) Dass die erste Korrespondenz, wie der Formulierung in (45) zu entnehmen ist, von der Existenz eines vorangehenden Vokalbuchstabens abhängig ist, scheinen mir deutsche Eigennamen wie Löwin oder Wowereit zu belegen, wo dem Buchstaben immer eine eigene Lautkorrespondenz zukommen muss. Unter dem Einfluss des Englischen mag diese Einschränkung aber äus dem Deutschen verdrängt werden, wenn Wörter wie Bowle oder Show - assimiliert gesprochen mit peripherem Vokal statt mit Diphthong - auch graphematisch bereits als Fremdwörter und nicht mehr als fremdsprachliche Wörter klassifiziert werden. Durch die Regelformulierung in (45) wird allerdings noch nicht ausgedrückt, dass der Buchstabe seinerseits in seinem Korrespondenzpotential auf einen peripheren Vokal festgelegt ist, wenn der Buchstabe mit Null rekodiert wird. Diese als Dehnung zu bezeichnende Regularität wird in Abschnitt 5.2 ausfuhrlich analysiert. Dabei wird sich die angedeutete Einschränkung des Korrespondenzpotentials des Vokalbuchstabens geradlinig aus der dort formulierten Dehnungsbeschränkung ergeben, sodass die Buchstabenfolge nicht als feste Buchstabenverbindung angesetzt werden muss. Ein weiterer Buchstabe, der eine kontextbedingte Korrespondenz mit inhärent geordneten Korrespondenzen verbindet, ist der Buchstabe . Dieser ist ein Buchstabe für einen stimmhaften Obstruenten mit einem primären Defaultkorrespondenten [g] und einem sekundären Korrespondenten [k], der sich in Auslautverhärtungsdaten zeigt. Allerdings ver-
85 fügt in bestimmten Kontexten mit [9] oder [x] über weitere Korrespondenzmöglichkeiten, wie die folgenden Daten belegen (nach Wiese 1996: 206): (46)
Variable Korrespondenzen von (phonologische Spirantisierung) a. König, Königs, lustig b. Teig, Weg, lüg c. Talg, Sarg d. Zug, zog, Tag
Phonologisch wird das fragliche Phänomen als g-Spirantisierung bezeichnet. Wie Wiese (1996) bemerkt, ist die kontextuelle Breite dieses Phänomens in starkem Maße dialektabhängig. Während im Standardhochdeutschen für alle Fälle in (46) auch eine Aussprache mit [k] möglich ist, finden sich frikativische Aussprachen des fraglichen Elements verbreitet in verschiedenen Dialekten oder dialektal gefärbten Versionen des Standardhochdeutschen (ungefähr in abnehmender Häufigkeit von (46a) nach (46d)). Phonologisch fällt auf, dass das anzunehmende Phonem nur dann über zwei Aussprachevarianten verfugt, wenn es mit einem Phon im phonologischen Silbenreim korrespondiert. In Korrespondenz mit einem Onsetelement wird es immer als [g] realisiert. Dies deutet an, dass es sich phonologisch hierbei um eine spezielle Form der Auslautverhärtung handelt, und zwar in dem Sinne, dass ein zugrundeliegendes Phonem lg/ über drei verschiedene Allophone für die Silbenreimposition verfugt, nämlich [k], [5] und [x]." Wie diese Allophone verteilt sind, ist eine Angelegenheit der Phonologie des jeweiligen Dialekts bzw. der jeweiligen Ausprägung des Standardhochdeutschen. Wichtig ist hierbei, dass im Gegensatz zu stimmhaften Obstruenten das Auftreten des [k] im Silbenreim phonologisch nicht ausgeschlossen ist, wenn das Phonem /g/ als Frikativ realisiert wird. Das heißt, auch fur ein Sprachregister, das die Nennform des Lexems KÖNIG als ['ktf.nig] ansetzt, ist der Silbenreim [nik] phonologisch nicht verboten, wie die entsprechende Aussprache eines Worts wie Panik belegt. Insofern geht es bei der Spirantisierung um eine Frage der Auswahl von Allophonen. Dies ist jedoch keine Frage, die von der Graphematik zu klären ist. Vielmehr muss diese nur in geeigneter Weise die entsprechenden Korrespondenten bereitstellen. Wenn ausschließlich die Daten mit als für eine Analyse der Standardsprache einschlägig angesehen werden (wie dies z.B. Wurzel (1981: 957f.) und Duden (1990: 75) nahelegen), ist die Korrespondenzregel folgendermaßen zu formulieren: (47) Korrespondenzregel für (unvollständig) a. —• [k] ν [9] ν [x] / [vok] * b. —• [g] (primär) c. —> [k] (sekundär)
-.[νοκ]
Diese Korrespondenzregel ist unvollständig, weil zur Erklärung der Buchstabenfolge für den Buchstaben zusätzlich eine Nullkorrespondenz anzunehmen ist. Dies werde ich in Abschnitt 3.7.1 ergänzen. Die Teilregel (47a) ist in doppelter Hinsicht komplex, weil auf der Ausgabeseite eine dreifach unterdeterminierte Phonauswahl aufgeführt ist und weil die Kontextbeschreibung einen sehr spezifischen Kontext vorgibt. Dabei indiziert die Information ' - . [ v o k ] ' , dass dem fraglichen irgendetwas folgen darf, nur kein Vokalbuchstabe. " Auf dieser Basis deutet Günther (1988: 87) eine Korrespondenzanalyse vom Phonem zum Graphem für die zugrundeliegende Lautung /-ig/ an.
86 Möglich sind also Konsonantenbuchstaben einerseits oder Leerzeichen oder Interpunktionszeichen andererseits. Diese komplexe Charakterisierung ist möglicherweise der Datenlage angemessen, weil es sich hierbei auch um ein für die deutsche Grammatik ungewöhnliches Phänomen handelt. Immerhin genügt diese lineare Konzeption für eine beschreibungsadäquate Analyse. Insbesondere gibt es keine Notwendigkeit, das Konzept einer Schreibsilbe hierfür heranzuziehen. U m auch die anderen Daten in (46) erfassen zu können, die eher als Substandard zu klassifizieren sind, müsste die erste Teilregel der -Regel so modifiziert werden, dass der linke Kontext nicht nur , sondern allgemeiner ein Element der Klasse der Vokalbuchstaben sowie den Buchstaben oder enthält. Dies ist graphematisch keine natürliche Klasse, weil die Nasalbuchstaben und fehlen. Tatsächlich ließe sich die Regel aber auf die Klasse aller Vokalbuchstaben plus Sonorantenbuchstaben ausdehnen. Für die Buchstabenfolge gibt es ohnehin keine Daten, sodass die Regel ohne Verlust auf dieses Element ausgeweitet werden könnte. Nach dem Buchstaben kann der Buchstabe tatsächlich allerdings niemals als [5] oder [x] rekodiert werden. Dies müsste aber nicht eigens ausgeschlossen werden, wenn, wie ich in Abschnitt 3.7.1 annehmen werde, für den spezifischeren Kontext nach dem Buchstaben eine eigene Teilregel anzusetzen ist, die in indirekter Weise eine Spirantisierungskorrespondenz des Buchstabens nach verbietet. Ob die skizzierte Erweiterung der -Regel aber für eine Charakterisierung der standardhochdeutschen Graphematik angemessen ist, ist fraglich. Immerhin sind hier wohl eher Fragen der dialektalen Rekodierung angesprochen, während ich die Graphematik zwar für verschiedene Stilregister offen halten möchte, aber eben nur für Register des Standardhochdeutschen. Generell ist aber die Abgrenzung von Standard zu Dialekt schwierig. Aus der -Regel in (47) folgt, dass ich sämtliche Fälle der Korrespondenz des Buchstabens zum Phon [3] als unregelmäßig einschätze. In Abschnitt 2.1.2 habe ich dieses Phon nur unter Vorbehalt dem System der deutschen Phonologie zugeordnet. Die folgenden Daten zeigen, dass unterschiedliche Buchstaben oder Buchstabenfolgen dazu genutzt werden, dieses Phon rekodierbar zu machen: (48) Rekodierungsmöglichkeiten für das Phon [3] (nach Muthmann 1988: 101) a. —» [3] Genie, Regie, Rage, arpeggieren b. —> [3] Georgette, Orangeade c. —» [3] Journalist, Sujet d. —• [3] Dschungel. Radscha Von diesen unregelmäßigen oder fremden Korrespondenzbeziehungen ist vermutlich die in (48a) diejenige mit der höchsten Typenfrequenz im Deutschen. Dennoch möchte ich sie nicht in das System der indigenen Korrespondenzregeln des Deutschen aufnehmen. Dies hätte nämlich zur Konsequenz, dass sehr viele Schreibungen mit dem Buchstaben als unterdeterminiert ausgewiesen werden würden. Da der Buchstabe in wortinitialer und in intervokalischer Position mit dem Phon [3] korrespondieren kann, in denselben Position aber auch mit [g], wären nach dieser Modifikation auch Schreibungen wie und als unterdeterminiert zu bewerten, da ihnen regulär jeweils zumindest zwei unterschiedliche Lautungen zugeordnet werden würden. Für das System der deutschen Graphematik überzeugender scheint mir die Ansicht, dass Schreibungen wie und eigentlich als [ge.ni] (mit beiden Akzentmöglichkeiten) bzw. als [Ra.gs] rekodiert werden. Die tatsächliche Rekodierung der Wörter Genie und Rage ist somit unregelmäßig.
87 3.6.3
Eine Beschränkung fur das Aufeinandertreffen gleicher Phone
Einen Fall einer unterdeterminierten kontextabhängigen Korrespondenzregel, der Anlass zur Formulierung einer weiteren übergreifenden Beschränkung gibt, bietet der Buchstabe . Normalerweise korrespondiert dieser Buchstabe mit dem Phon [t]. Unter bestimmten Umständen liegt allerdings die Korrespondenz zu [ts] vor. Hierfür muss dem der Buchstabe sowie ein weiterer Vokalbuchstabe unmittelbar folgen. Dabei ist in dieser Konstellation die Korrespondenz des unterdeterminiert, da es mit [i] oder mit [j] korrespondieren kann. In manchen solcher Wörter liegt dann aber dennoch die Korrespondenz zu [t] vor: (49)
Unterdeterminiertheit a. b. c. d. e.
-»m Bastion Quaestio Hostie Kantianer Knautie
der Buchstabenfolge
-ro Ration Laudatio Aktie Tertianer Knautie
Die Korrespondenz zu [ts] ist nicht möglich, wenn dem der Buchstabe vorausgeht. Dies könnte auch in einer phonologischen Beschränkung begründet sein, was ich allerdings angesichts der eingeschränkten Datenlage nicht zu beurteilen vermag. Ansonsten blockieren offenbar Eigennamen die Korrespondenz zu [ts], wie der Fall Kantianer belegt. Dass Duden (1990: 427) für Knautie beide Aussprachemöglichkeiten ansetzt, unterstützt diese Sicht, denn es ist zu vermuten, dass nur manche Sprecher den Namen dieser Blume auf den Namen des Botanikers Knaut zurückführen (vgl. Duden 1994: 728). Da ich im Rahmen der Rekodierungsanalyse Variationen, die auf Teilbereiche des Wortschatzes bezogen sind, nicht in der graphematischen Komponente entscheide, sondern in der orthographischen, setze ich folglich für die graphematische Analyse des Unterdeterminiertheit im fraglichen Kontext an: (50)
Korrespondenzregel a. -> b. —>
für [t] ν [ts] [t]
/
[vok] * -n (primär)
[νοκ]
Die Kontextbeschreibung in (50a) sorgt dafür, dass bei Schreibungen wie oder nur der Default für einschlägig ist. Weiterhin müssten für eine Buchstabenfolge wie beide Korrespondenzmöglichkeiten für einschlägig sein, wobei die Korrespondenz zu [t] in erster Linie dadurch gewonnen werden kann, dass hier die Mehrfachbuchstabenbeschränkung (40) aktiviert wird, die die Korrespondenz vom ersten der gleichen Buchstaben aus berechnet. Wenn die Korrespondenzregel für damit adäquat beschrieben ist, folgt daraus, dass die graphematische Rekodierung über die Eigenschaft verfügen muss, zumindest zwei Buchstaben vorauszuschauen, um die Korrespondenz eines Buchstabens ermitteln zu können. 12 Auch für die feste Buchstabenverbindung und für Schär-
12
Walther (1999: 37) benutzt einen entsprechenden Vorausschauwert zur computerlinguistischen Modellierung von deutschen /-Bildungen. Sproat (2000: 214) diskutiert für die computerlinguisti-
88 fungsdaten wie wird sich ein Vorausschauwert von 2 zeigen. Dies ist ein struktureller Wert für das Schriftsystem des Deutschen, mit dem Schriftsysteme verglichen werden können. Das bedeutet nicht, dass sich Leseprozesse automatisch an diesem Wert orientieren müssen, sondern dass das System so funktioniert, dass eine Vorausschau über die nächsten beiden Buchstaben im Prinzip einkalkuliert werden muss, um zur treffenden Rekodierung zu kommen. Allerdings gilt dieser Wert nur innerhalb eines Worts; um innerhalb von graphischen Wörtern PW-Grenzen festlegen zu können, muss sicherlich weiter als zwei Buchstaben vorausgeschaut werden. Dies geht aber über die strikt graphematische Analyse hinaus. In einem bestimmten graphematischen Kontext erzeugt die -Regel (50) falsche Ergebnisse. Unter Vorwegnahme der Rekodierungsmöglichkeiten noch nicht besprochener Buchstaben ordnet das bislang formulierte Modell der Schreibung nämlich die Lautung *[platts] zu. Diese Lautung ist wegen der Geminate phonologisch ungrammatisch. Um die korrekte Lautkorrespondenz zu erfassen, könnte die Regel für den Buchstaben so erweitert werden, dass ihm eine Nullkorrespondenz zukommt, wenn er im Kontext vor dem Buchstaben erscheint. Dies wäre eine adäquate Modellierung, weil die Buchstabenfolge immer als [ts] rekodiert wird. Insbesondere ist diese Buchstabenfolge in ihrem Korrespondenzverhalten nicht unterdeterminiert, was durch eine kontextbedingt Nullkorrespondenz ausgedrückt werden kann. Allerdings legen einige Daten den Verdacht nahe, dass es sich hierbei um eine weitergehende Regularität handelt. Analog zur Buchstabenfolge wird nämlich auch die Folge in einem Wort wie Stadt so rekodiert, dass als korrespondierende Lautung ein Phon weniger als nach den Einzelregeln zu erwarten ausgewiesen wird. Im Eigennamenwortschatz lassen sich noch weitere ähnliche Fälle finden: Reduzierte Formen bei a. -» [ts] b. -> [t] c. -> [ks] d. -» [k] e. -> [k] f. —> [p]
Geminatenrekodierung (u.a. nach Atlas 1985, BKG 2002) Platz, Katze; Tzena Stadt, lädt, verwandt; Arndt; Baindt, Haardt, Norderstedt, Todtnau Exsudat; Xsara akquirieren Auligk, Burgk, Cörmigk, Elsnigk, Niemegk, Tegkwitz, Woldegk ?
Während von diesen Buchstabenpaaren nur und im heimischen Wortschatz auftreten, lassen sich im Fremdwortschatz Beispiele für die anderen Paare finden, jedenfalls unter der Annahme, dass die Buchstabenfolgen in (51c) und, was sicherlich überzeugender ist, in (5 ld) synchron nicht als Präfixe zu klassifizieren sind und die fraglichen Strukturen mithin keine PW-Grenze enthalten. Für den Fall (51f) habe ich keine Daten gefunden, nehme aber an, dass die angegebene Rekodierungsmöglichkeit systematisch gegeben ist. Für die Fälle (51b, d, e und f) müsste die umgekehrte Reihenfolge der Buchstaben dieselbe Korrespondenz haben können. Einschlägig könnte hierfür das Wort Ginkgo sein, jedenfalls für den Fall, dass die Phonologie des Deutschen die primär zu rekodierende Lautung fgiqk.go] für ungrammatisch erklärt. Dann könnte die tatsächliche Lautung ['giq.ko] als regelmäßige Korrespondenz angesehen werden.
sehe Sprachsynthese des Englischen ein Umschaufenster von zwei mal vier Buchstaben (immerhin über PW-Orenzen hinweg).
89 Alle Fälle in (51) zeichnet aus, dass die Rekodierung der distinkten Einzelbuchstaben die Folge zweier adjazenter identischer Konsonantenphone erzeugt. Eine solche Folge ist aufgrund der Geminatenbeschränkung immer ungrammatisch. Insofern muss die Graphematik nicht dafür sorgen, dass die entsprechenden Rekodierungen ausgeschlossen sind. Sehr wohl muss sie aber dafür sorgen, dass die tatsächlich möglichen Rekodierungen theoretisch zugelassen sind. Hierfür ist eine Beschränkung zu formulieren mit dem Effekt, dass für den Fall, dass die Rekodierung einer Schreibung ohne PW-Grenze zum Aufeinanderstoßen zweier gleicher Phone führt, dieses Phonpaar als ein Phon realisiert werden kann: (52) Beschränkung für das Aufeinandertreffen gleicher Phone Wenn eine Buchstabenfolge so rekodiert werden kann, dass gleiche Phone in adjazenter Position stehen, können diese Phone einem einzigen Phon entsprechen.
Diese Beschränkung sorgt also dafür, dass einer Schreibung wie nicht nur die Lautung *[platts] entspricht, sondern auch die Lautung [plats]. Der phonologische Filter sortiert die erste Lautungsmöglichkeit als ungrammatisch aus, sodass in eindeutiger Weise die zweite verbleibt. Sie sorgt weiterhin dafür, dass eine konstruierte Schreibung wie als [plat] rekodiert werden kann, was mir faktisch möglich zu sein scheint. Die Mehrfachbuchstabenbeschränkung in (40) vermag dies nicht zu leisten, weil hier keine Folge gleicher Buchstaben vorliegt, dafür aber ein intervenierender Buchstabe mit Nullkorrespondenz. Dies mag als marginales Argument dafür gelten, dass beide genannten Beschränkungen unabhängig voneinander in der Graphematik des Deutschen anzusetzen sind. Beschränkung (52) erfasst nach ihrer Formulierung nicht nur Konsonantenbuchstaben, sondern auch Vokalbuchstaben. Dies entspricht dem Verhalten der einschlägigen Daten, da, wie in Abschnitt 3.5.2 besprochen, die Schreibung sowohl mit der Lautung [tso] als auch mit der Lautung [tso.o] korrespondiert. Die erste Korrespondenz ergibt sich aus der Anwendung von Beschränkung (52), die zweite unter Ignorierung dieser Beschränkung. Als Kann-Beschränkung formuliert, toleriert Beschränkung (52) grundsätzlich zwei distinkte Ausgaben, wobei weiterhin die phonologische Komponente zu beachten ist, die für Konsonantenbuchstaben immer eine Rekodierungsart ausschließt. Allerdings habe ich in Abschnitt 3.5.2 die graphematischen Eigenschaften der Schreibung schon mittels einer anderen Beschränkung erklärt, nämlich mittels der Mehrfachbuchstabenbeschränkung in (40), sodass an dieser Stelle zu bedenken ist, in welchem Verhältnis diese beiden Beschränkungen zueinander stehen. Grundsätzlich nehmen die beiden fraglichen Beschränkungen eine unterschiedliche Perspektive ein: Die Mehrfachbuchstabenbeschränkung nimmt eine bestimmte graphematische Konstellation als Anwendungsbedingung, nämlich das adjazente Auftreten gleicher Buchstaben, während die Beschränkung für das Aufeinandertreffen gleicher Phone in (52) von einer phonologischen Konstellation abhängt. Theoretisch ist diese grundsätzlich unterschiedliche Art der Konzeption von Beschränkungen sicher unattraktiv, sodass der Antrieb besteht, eine der beiden Beschränkungen auf die andere zurückzuführen. Hierbei ist sogleich deutlich, dass die Rekodierung von Buchstabenfolgen wie nicht auf die Mehrfachbuchstabenbeschränkung zurückgeführt werden kann, weil hier j a unterschiedliche Buchstaben vorliegen. Also bietet sich die umgekehrte Strategie an, also der Versuch, das Rekodierungsverhalten von Folgen gleicher Buchstaben auf die Beschränkung für das Aufeinandertreffen gleicher Phone zurückzuführen. Zu einem beträchtlichen Umfang werden Folgen gleicher Buchstaben tatsächlich auch von dieser Beschränkung in (52) erfasst. Dies gilt nicht nur, wie angesprochen, für Vokal-
90 buchstabenfolgen, sondern auch für viele Konsonantenbuchstabenfolgen. Eine Schreibung wie kann auf der Basis der gegebenen Beschränkungen nämlich einerseits deshalb als [bal] rekodiert werden, weil hier zwei gleiche Buchstaben vorliegen, für deren Rekodierung gemäß Beschränkung (40) das Potential des ersten der beiden gleichen Buchstaben einschlägig sein kann, andererseits aber auch deshalb, weil die Anwendung der buchstabenbezogenen Korrespondenzregeln zum Aufeinandertreffen zweier gleicher Phone fuhrt, die gemäß Beschränkung (52) zu einem Phon reduziert werden können. Für bestimmte Buchstabenfolgen, die von Beschränkung (40) erfasst werden, ist aber fraglich, ob sie auch von Beschränkung (52) oder einer gegebenenfalls modifizierten Version dieser Beschränkung erklärt werden können. Hierbei geht es um solche Buchstaben, denen nicht ein einzelnes Phon, sondern eine Phonfolge entspricht, also um die Buchstaben und . Dass die Schreibung als [meks] zu rekodieren ist, ergibt sich nicht aus Beschränkung (52), da bei der Rekodierung nach den Einzelbuchstaben als *[meksks] nicht zwei gleiche Phone in adjazenter Position stehen und folglich die Phonfolge [ksks] nicht zu [ks] reduziert werden kann. Da Beschränkung (52) nicht in einfacher Weise auf diesen Fall ausgeweitet werden kann, gehe ich im Weiteren davon aus, dass beide diskutierte Beschränkungen (40) und (52) konstitutive Elemente der Graphematik des Deutschen darstellen. Beschränkung (52) hat das Potential, mehr Buchstabenfolgen als die in (51) aufgeführten zu erklären. Im nächsten Abschnitt werde ich das Korrespondenzverhalten der Buchstabenfolge mittels dieser Beschränkung erfassen. In diesem Abschnitt möchte ich mich abschließend der Buchstabenfolge widmen und zeigen, dass ihr Verhalten nicht vollständig aus Beschränkung (52) ableitbar ist und vielmehr eine spezifische -Regel zu formulieren ist, die eine diesem Datum gewidmete kontextbedingte Teilregel enthält. Die Buchstabenfolge findet sich nur in relativ marginalen Daten, nämlich in den folgenden Eigennamen oder Ableitungen aus Eigennamen: (53)
Beispiele der Buchstabenfolge (nach Duden 2000) a. Weizsäcker b. Zschokke, Zschopau; leibnizsch c. Groitzsch, Lommatzsch, Nietzsche
In (53a) kommt der Buchstabenfolge die gleiche Korrespondenz [ts] zu wie dem Buchstaben allein. Da die Phonfolge [tts] innerhalb eines Phonologischen Worts ungrammatisch ist, sorgt Beschränkung (52) für die korrekte Rekodierung. Bei den Daten in (53b) gelingt ihr dies aber nicht, da hier die Buchstabenfolge mit [tj] korrespondiert. Beschränkung (52) ist hier nicht einschlägig, da die einzelnen Korrespondenzregeln die Phonfolge [tsj] ergeben würden, in der nicht zwei gleiche Phone aufeinandertreffen. Hier ist demnach nur die Analyse denkbar, nach der dem Buchstaben im Kontext vor dem Buchstaben die Korrespondenz zu [t] zukommt, und zwar unabhängig von der Rekodierung des selbst. Ob diese Analyse auch für die Schreibung gilt, ist mir unklar; jedenfalls enthält Duden (1990) diese Form nicht, dafür aber die alternative Schreibung mit eindeutiger Lautkorrespondenz. Für den Fall als Beispiel für die Daten in (53c) bedeutet dies, dass die intervokalische Konsonantenfolge [tj] so rekodiert wird, dass die Buchstabenfolge die Korrespondenz zu [J] bereitstellt, während der voranstehende Buchstabe hier mit [t] korrespondiert. Da auch der Buchstabe diese Phonkorrespondenz aufweist, wird Beschränkung (52) aktiv und reduziert
91
die Phonfolge mit Geminate zu einer einfachen Form. Die Korrespondenzregel für die Buchstaben ist somit wie folgt anzusetzen: (54) Korrespondenzregel flir a.
b.
3.6.4
->
[t]
/
—>
[ts]
(primär)
Korrespondenzbestimmung bei fremdsprachlichem Einfluss
In diesem Abschnitt möchte ich zeigen, dass die Buchstabenfolge in ihrem Korrespondenzpotential ebenfalls über die Beschränkung für das Aufeinandertreffen gleicher Phone in (52) gesteuert wird. Da der Buchstabe in eindeutig kontextfreier Weise mit dem Phon [k] korrespondiert, verlangt diese Analyse, dass auch der Buchstabe mit diesem Phon korrespondiert, wenn auch nicht notwendig in eindeutig kontextfreier Weise, so doch zumindest als primärer Default. Allerdings sind die Korrespondenzen des Buchstabens im Rahmen der Graphematik des Deutschen nicht problemlos zu ermitteln, da er im heimischen Wortschatz nur in eingeschränkten Kontexten vorkommt, nämlich vor den Buchstaben und . Andere Vorkommen von sind auf Bereiche außerhalb des heimischen Wortschatzes begrenzt, und hier ist es manchmal nicht leicht zu entscheiden, ob ein bestimmtes Korrespondenzverhalten noch zur deutschen Graphematik gehört oder schon als fremdsprachlich angesehen werden sollte. Fraglich ist z.B. der Status der Korrespondenz zu [s] wie in City und forcieren oder der zu [tj] in Cecco, Boccia und Cisar. Zwei weitere Korrespondenzen möchte ich allerdings als indigen bezeichnen: Steht das vor einigen bestimmten Vokalbuchstaben, korrespondiert es mit [ts], vor anderen Vokalbuchstaben dagegen mit [k]. Die Verteilung ist nicht vollständig eindeutig, aber die folgenden Daten auf der Basis von Duden (1990) geben insgesamt ein recht klares Bild: (55) Korrespondenzen von vor Vokalbuchstaben a. b. c. d. e. f. gh. i.
—»
— • - >
- > — > - > - >
[k] / [ts] / [k] [ts] [ts] [ts] [k] [ts] [k] [ts] [k] [k] [ts]
/ / / / / / / / / / / _
Caedmon. Caetani. Cafe. Castrop. Avocado, Bianca Caelius. Caesar (Cämmerswalde) Cacilia. Cälius, Cäsar Celle. Celsius, Barcelona, Circe, Ceilometer, Ceylon Ciborium, Circe, Cismar, Acidum, Baucis, Cäcilia Coburg. Computer. Chicorree, Disco, Monaco Coelin Cölln. Cöpenick, (Cölbe, Cölpin, Cörmigk, Cösitz) Cölestin, Cölius, Cömeretium Cuba. Cues. Cuxhaven. Ecuador Cyanat. cyklisch, Cvpern. Scylla
Auf den ersten Blick sieht dies nach einer phonologisch bedingten Verteilung aus: Wird der dem Buchstaben folgende Vokalbuchstabe mit einem phonetisch vorderen Vokal rekodiert, korrespondiert er mit [ts], wird der folgende Buchstabe mit einem phonetisch zentralen oder hinteren Vokal rekodiert, korrespondiert er mit [k]. Allerdings widersprechen einige Daten dieser Generalisierung. Zum einen führt in einigen Fällen auch ein nachfol-
92 gender vorderer Vokal zu einer Korrespondenz des zu [k], nämlich bei Caedmon und den deutschen Ortsnamen Cämmerswalde und Cölln sowie ähnlichen Fällen in (55f). Einschränkend ist hierbei zu sagen, dass die in Klammern gesetzten Ortsnamen B K G (2002) entstammen, wo sie ohne Ausspracheangabe aufgeführt sind. Ich habe die jeweilige Aussprache nach eigener Intuition eingeordnet. Weiterhin korrespondiert der Buchstabe auch dann mit [ts], wenn er zwar vor dem Buchstaben steht, ohne dass dieser aber mit einem vorderen Vokal korrespondiert, nämlich in einem Wort wie Circe, wo das mit dem Reduktionsvokal Schwa korrespondiert, der nicht in die Klasse der vorderen Vokale fällt. Gegen eine synchrone phonologische Bedingtheit spricht schließlich auch, dass im Deutschen weder die Affrikate [ts] wortinitial vor vorderen Vokalen ausgeschlossen ist (zehn, ziehen, zögern) noch der Obstruent [k] vor anderen Phonen als nicht-vorderen Vokalen blockiert ist (Kahn, Kuchen; Klasse). Insofern liegt hier möglicherweise eine fossilierte phonologische Regularität des Lateinischen zugrunde, die aber synchron im System des Deutschen wohl eher rein graphematisch zu beschreiben ist. Untermauert wird diese Sicht dadurch, dass insbesondere bei den Umlautbuchstaben, die es im Lateinischen nicht gibt, Unklarheiten vorherrschen. Für den Buchstaben halte ich die Korrespondenz des vorangehenden zu [k] wie in Cölln für eher in der deutschen Graphematik verankert als die zu [ts]. Auch scheinen mir konstruierte Schreibungen wie oder auch jeweils fur eine Korrespondenz des zu [k] zu sprechen, sodass ich hierin graphematisch verankerte alternative Schreibungen zu den geographischen Namen Küstrin und Kärnten sehe. In analoger Weise scheinen mir dagegen die Schreibungen , und nicht auf die gleichen Lautungen verweisen zu können wie die Schreibungen der geographischen Namen Kehl, Kiel und Kyll. Deshalb setze ich für die nachfolgenden Vokalbuchstaben , und die kontextbedingte Korrespondenz des Buchstabens zu [ts] an, während ich ansonsten von einer Korrespondenz des zu [k] ausgehe. Dies impliziert, dass ich z.B. die Schreibung des Worts Cäsar für graphematisch unregelmäßig halte. Dies ist bereits ein gewisses Argument dafür, dass die Korrespondenz des Buchstabens zu [k] als Default angesehen werden kann. Aussagekräftiger für diese Analyse ist das Auftreten des Buchstabens in anderen graphematischen Kontexten, also am Wortende, wo ausschließlich die Korrespondenz zu [k] zu beobachten ist (Cognac, chic, Comic, metallic), und vor Konsonantenbuchstaben, wo verschiedene Korrespondenzen möglich sind: (56) Korrespondenzen von vor Konsonantenbuchstaben a.
b. c. d. e.
f.
[k] -> [tj] [k] -> [k] [k] —> [k] -> [tj] [k]
Accra, Broccoli, Loccum, Piccolo, Staccato, Zucchini Cappuccino Chamäleon, Chemnitz, Chor, Chöre, Chlor, Christ; Dachs Claudia, clever, Clip, Clown, Club, Raclette, Acryl, Cranach, Creme, Lucretia, scratchen Callanetics, Synthetics Csardas, Csokor Action, Benedictus, Fact, Fructose, Lactat, Sanctus, Victoria
Der Buchstabe kommt nicht vor allen Konsonantenbuchstaben vor; wenn er auftritt, dominiert eindeutig die Korrespondenz zu [k], während die anderen aufgeführten Korrespondenzen einen fremden Status haben. Als fremdsprachlich schätze ich auch mögliche
93 Nullkorrespondenzen wie in Bacchus, Connecticut und Debreczin ein. Interessanterweise lässt sich die Korrespondenz des zu [k] auch vor dem Buchstaben beobachten. Im nächsten Abschnitt werde ich die Buchstabenfolge als feste Buchstabenverbindung analysieren und in diesem Zusammenhang auf diese Daten zurückkehren. Aus diesen Uberlegungen ergibt sich für den Einzelbuchstaben eine relativ einfache Korrespondenzregel, die über einen Default und eine kontextbeschränkte Korrespondenz verfugt: (57) Korrespondenzregel für a. —> [ts] b. —> [k]
/ ν ν (primär)
Allerdings ist mit dieser Analyse nicht erklärt, warum die Buchstabenfolge nur am Wortanfang und vor mit dem Default fur den Buchstaben und der sekundären Nullkorrespondenz für den Buchstaben als [k] rekodiert werden kann. Theoretisch wäre nämlich zu erwarten, dass auch Schreibungen wie oder mit einem finalen [k] zu rekodieren sind. Dies ist jedoch prinzipiell unmöglich, wozu in (68) eine erklärende Beschränkung formuliert werden wird. An dieser Stelle ist die Korrespondenz der Buchstabenfolge zu [k] graphematisch erklärt, da hier ebenso wie der Buchstabe gemäß seinem Default als [k] zu rekodieren ist, sodass sich eine phonologisch unterbundene Doppelung eines Konsonantenphons ergibt, die graphematisch infolge von Beschränkung (52) auf ein Einzelphon reduziert werden kann.
3.7
Korrespondenzregeln für feste Buchstabenverbindungen
Manche Buchstaben tauchen nicht nur in der für sie spezifischen Korrespondenzregel auf, sondern zusätzlich in Verbindung mit bestimmten anderen Buchstaben, und zwar genau dann, wenn sich die Korrespondenz dieser Buchstabenfolge nicht aus den Korrespondenzen der beteiligten Einzelbuchstaben ergibt. Solche Buchstabenfolgen bezeichne ich als 'feste Buchstabenverbindungen' und behandele sie als Einheiten der Graphematik. In diesem Abschnitt betrachte ich die meisten festen Buchstabenverbindungen aus Konsonantenbuchstaben. Eine weitere rein konsonantische feste Buchstabenverbindung, nämlich , werde ich bei der Besprechung der Korrespondenzen von in Abschnitt 3.8 ansetzen. Außerdem verfugt die deutsche Graphematik im Bereich der Vokalbuchstaben über einige solche feste Buchstabenverbindungen. Diese sind Thema von Kap. 5.
3.7.1
Ein mutmaßlicher Fall
Feste Buchstabenverbindungen spielen auch in anderen Analysen der deutschen Graphematik eine tragende Rolle. Normalerweise werden sie als 'Mehrgraphen' bezeichnet und der Klasse der Grapheme zugeschlagen. So setzt Günther (1988: 85) als Konsonantengrapheme neben einer Reihe von einfachen Graphemen die Mehrgraphen , und an (genauso z.B. Eisenberg 1998a: 291). Methodisch ist bei diesem Ansatz allerdings problematisch, dass Günther Grapheme einerseits rein paradigmatisch als 'kleinste bedeutungsun-
94 terscheidende Einheiten des Schriftsystems einer Sprache' definiert wissen möchte (1988: 77), dass er andererseits aber syntagmatische Faktoren wie Distribution und Trennbarkeit mit einbezieht, um Mehrgraphen zu legitimieren. Der rein paradigmatischen Definition folgend, müsste Günther ausschließlich Einzelbuchstaben als Grapheme ansetzen, weil sich für jeden Buchstaben seine potentiell bedeutungsunterscheidende Funktion nachweisen lässt (wie z.B. durch Günthers eigenes 'merkwürdiges' Minimalpaar vs. (1988: 83)). 13 Dabei muss natürlich nicht in jedem Kontext tatsächliche Bedeutungsunterschiedenheit vorliegen, wie das Paar vs. einerseits zeigt, in dem der Buchstabe keinen Beitrag zur Bedeutungsunterscheidung liefert, und das Paar vs. andererseits, wo rein orthographische Variation vorliegt in dem Sinne, dass beide Schreibungen, die graphematisch geeignet sind, die gleiche Lautung rekodierbar zu machen, orthographisch zur Verschriftung desselben Lexems genutzt werden. Anders verfahren Nerius et al. (2000: 107) in diesem Punkt. Sie unterscheiden zwischen materiellen Einheiten der schriftlichen Ebene (die sie 'Grapheme' nennen und zu denen sie Buchstaben wie auch Ziffern und Interpunktionszeichen zählen) und abstrakten Einheiten, die eine Beziehung zu einer Einheit der phonologischen Ebene eingehen ('Phonographeme' oder 'Buchstabenverbindungen' genannt). Letztere können aus einem oder aus mehreren Buchstaben bestehen. Da die Buchstabenfolgen und jeweils auf das Phonem /a/ verweisen können, konstituieren beide Folgen Phonographeme. Die Anzahl solcher aus mehreren Buchstaben bestehenden Phonographeme ist mit 38 sehr hoch. Dabei gehen Nerius et al. allerdings nicht konsequent vor, da sie gelegentlich auch solche Buchstabenfolgen als Phonographeme einschätzen, die nicht zu einem Phonem in Beziehung stehen, sondern zu einer Phonemverbindung, und zwar mit der schwachen Begründung, dass 'sonst ungewöhnliche Zuordnungen vorgenommen werden müssten' (2000: 110). Hierbei geht es einerseits um Diphthongschreibungen, andererseits um die Buchstabenfolgen und . Am Beispiel der Buchstabenfolge möchte ich nun demonstrieren, wie unterschiedliche theoretische Ansätze zu differierenden Bewertungen dieser Folge kommen können, und dabei insbesondere begründen, warum im Rekodierungsmodell keine feste Buchstabenverbindung darstellt. Für Nerius et al. (2000: 123) ist in eindeutiger Weise ein Phonographem, da es auf das Phonem /η/ verweisen kann. Für Günther (1988) ist eine bloße Folge von Buchstaben, weil sich Minimalpaare konstruieren lassen, die die Distinktivität der Einzelbuchstaben belegen kann (z.B. vs. ; vs. ). Eisenberg bezieht sich in seinen Arbeiten prinzipiell auf die dem autonomen Paradigma der Schriftsystemforschung zuzuordnenden methodischen Überlegungen Günthers, kommt bei der Bewertung der Folge aber zu uneinheitlichen Ergebnissen, indem er sie einmal als Mehrgraph einschätzt (1996: 1452), einmal nicht (1998c: 60). Diese Unentschiedenheit findet sich auch innerhalb eines Texts, denn in Eisenberg (1998a: 291) fehlt in der Liste der Konsonantengrapheme, bei der Auflistung der Graphem-Phonem-Korrespondenzen (1998a: 292) steht es aber in einer Gruppe mit allen Konsonantengraphemen (als einziges mutmaßliches Nicht-Graphem). Das Besondere an ist, dass es in einer Korrespondenzbeziehung zu einer einfachen phonologischen Einheit steht, dass es aber in
13
Günther (1988: 85) sieht seine Argumentation durchaus selbstkritisch. An anderer Stelle (1988: 86) diskutiert er die Frage, ob Groß- und Kleinbuchstaben unterschiedliche Grapheme darstellen. Er verneint dies, obwohl nach seiner eigenen Ansicht die Minimalpaarmethode eigentlich dafür spricht.
95 Wortschreibungen getrennt werden kann. Diese ungewöhnliche Verbindung von Eigenschaften mag zur schwankenden Einschätzung dieser Buchstabenfolge beitragen, obgleich sich z.B. die Buchstabenfolge wie in sehen genauso verhält. Ob aber eine Einheit ist oder nicht, sollte sich aus möglichst eindeutigen defmitorischen Vorgaben ergeben. Wirkliche Probleme für die theoretische Behandlung ergeben sich nur dann, wenn die Definition auf uneinheitlichen Vorgaben beruht bzw. wenn die Definition nicht substantiell in der Theorie verankert ist, sondern auf Symptome zurückgreift. Im Rekodierungsmodell gibt es nur einen einzigen Grund dafür, dass eine Folge von Buchstaben als graphematische Grundeinheit, nämlich als feste Buchstabenverbindung angesehen werden kann und muss, nämlich derjenige, dass eine Folge von Buchstaben über ein Rekodierungspotential verfügt, das sich grundsätzlich nicht aus dem Rekodierungspotential der Einzelbuchstaben ableiten lässt (vgl. Abschnitt 2.2.2). Folglich ist eine Analyse der Korrespondenzen von Einzelbuchstaben Voraussetzung dafür, eine Buchstabenfolge zu einer festen Buchstabenverbindung zu erklären. Die Korrespondenzen der fraglichen Buchstaben und habe ich in den vorangehenden Abschnitten geklärt. Der Buchstabe verfugt als Buchstabe für einen stimmhaften Obstruenten über einen primären Defaultkorrespondenten [g] und einen sekundären Korrespondenten [k] sowie kontextbedingt über die beiden Korrespondenten [5] und [x] (vgl. (47)). Für den Nasalbuchstaben habe ich in (33) drei gestufte Defaultkorrespondenten identifiziert, nämlich [n] als primären Korrespondenten, [q] als sekundären und [m] als tertiären. Da ich an den genanten Stellen Schreibungen mit der Buchstabenfolge nicht berücksichtigt habe, könnte es sein, dass deren Analyse eine Modifizierung der beiden fraglichen Korrespondenzregeln verlangt. Nur wenn auch dies nicht für eine adäquate Rekodierung ausreicht, muss als feste Buchstabenverbindung angesehen werden. Da [η] immerhin schon unabhängig von der Frage der Buchstabenfolge ein möglicher Korrespondent von ist, liegt es nahe, die Korrespondenz der Buchstabenfolge über diese etablierte Korrespondenz erklären zu wollen. Dazu muss dem Buchstaben über das bisherige Potential hinaus eine Nullkorrespondenz zugeschrieben werden. Diese Nullkorrespondenz ist kontextuell eingeschränkt, da sie nur nach dem Buchstaben möglich ist. Allerdings kann der Buchstabe nach dem Buchstaben durchaus mit seinen Defaultkorrespondenten rekodiert werden. Tatsächlich wird die Buchstabenfolge nicht immer als [η] rekodiert, sondern auch als [qg] wie im Wort Ingo oder als [qk] wie in einer möglichen (vermutlich norddeutsch markierten) Aussprache eines Worts wie lang als [laqk] (vgl. Meinhold & Stock 1980: 131). Dass ein Wort wie Inge nicht mit [qg] rekodiert werden kann, ist phonologisch bedingt, weil Reduktionssilben im Deutschen generell nicht mit [g] beginnen dürfen, wenn diesem Obstruenten ein [q] vorausgeht. Vollsilben dürfen dies dagegen schon (vgl. Singer nicht als *[ziq.gE], aber Singapur als [ziq.ga.puß]). Die Buchstabenfolge ist damit graphematisch unterdeterminiert. Dies lässt sich mit einer modifizierten Version der -Regel in (47) erfassen. Dabei ist für den Kontext nach dem Buchstaben eine besondere Art der Korrespondenz vorzusehen, die unterdeteminiert ist hinsichtlich dreier möglicher Korrespondenten. Dies zeigt Zeile a. in folgender Regel:
96 (58) Korrespondenzregel a. -> b. -> c. —> d. —>
für [g] ν [k] ν [...] [k] Ν [5] Ν [x] [g] [k]
/ / [VOK] * (primär) (sekundär)
-π[νοκ]
Allerdings reicht diese Modifikation nicht aus. Hierbei ist das Korrespondenzverhalten des Buchstabens zu bedenken. Tatsächlich ist die Korrespondenz der Buchstabenfolge nicht unterdeterminiert hinsichtlich der Korrespondenzen des Buchstabens , der nämlich vor dem Buchstaben immer mit [q] korrespondiert. Über die bisherige Formulierung der -Regel in (33) ist dies nur insoweit modelliert, da die Phonologie dafür sorgt, dass an der fraglichen Position in der Schreibung nicht auch eine Korrespondenz mit dem Phon [n] möglich ist, bei dem es sich um den primären Korrespondenten handelt. Dass die Buchstabenfolge niemals als [ng] oder [nk] rekodiert werden kann, ist tatsächlich phonologisch bedingt und kann deshalb graphematisch in indirekter Weise über Defaults erfasst werden. Nach dieser Analyse müsste aber auch als bloßes [n] rekodiert werden können. Wenn nämlich der Buchstabe nach mit Null rekodiert wird, besteht für den Buchstaben zumeist kein Grund mehr, auf den sekundären Korrespondenten [η] zurückzugreifen, weil der primäre Korrespondent [n] in dieser Konstellation immer dann den Vorzug erhalten müsste, wenn der dem nachfolgende Buchstabe eine Korrespondenz aktiviert, die das Auftreten des Phons [n] gestattet. In einer Schreibung wie beispielsweise kann zwar dem eine Nullkorrespondenz zugeordnet werden, da dieser Buchstabe ja dem Buchstaben folgt. Dieses muss nun aber als [n] rekodiert werden, da die Lautfolge [zint] phonologisch zugelassen ist. Lediglich in einer marginalen Ortsnamenschreibung wie müsste auch dann dem die Korrespondenz zu [q] zugeordnet werden, da die Rekodierung des nachfolgenden Buchstabens dies verlangt. Für den Fall, dass der Buchstabe mit Null rekodiert wird, muss also ausgeschlossen werden, dass der voranstehende Buchstabe auf seinen primären Korrespondenten zurückgreifen kann. Dies ist einfach dadurch zu leisten, dass dem Buchstaben seinerseits auch eine kontextbedingte Korrespondenz zugeschrieben wird, nämlich die zu [q] vor dem Buchstaben . Dies findet sich in der ersten Zeile der modifizierten -Regel: (59) Korrespondenzregel a. -> b. —> c. —> d. —>
für [η] [n] [q] [m]
/
(primär) (sekundär) (tertiär)
Weil kontextbedingte Teilregeln immer ausschließenden Vorrang vor Defaultregeln haben, kann die Buchstabenfolge niemals mit [n] korrespondieren. Somit lässt sich das Korrespondenzverhalten der Buchstabenfolge über modifizierte Versionen der Regeln der Einzelbuchstaben erklären. Aus diesem Grund ist die Buchstabenfolge keine feste Buchstabenverbindung. Dass diese Analyse möglich ist, hängt vor allem mit dem Umstand zusammen, dass für den ersten der beteiligten Buchstaben in diesem Kontext immer nur eine einzige Art der Rekodierung möglich ist. Dies ist anders bei den folgenden Fällen, die tatsächlich im Rahmen des Rekodierungsmodells als feste Buchstabenverbindungen angesehen werden müssen.
97 3.7.2
Prototypische Fälle
Konsonantische Buchstabenfolgen, die als feste Buchstabenverbindungen zu klassifizieren sind, enthalten häufig den Buchstaben als hinteres Element. Wie der -Regel in (37) zu entnehmen ist, kann das Korrespondenzverhalten dieses Buchstabens dadurch erfasst werden, dass zwei inhärent geordnete Defaults angesetzt werden: Immer, wenn die Phonologie es erlaubt, korrespondiert der Buchstabe mit dem Phon [h], sonst mit Null. Logischerweise kann es keine Kontexte geben, wo dieser sekundäre Korrespondent aus phonologischen Gründen ausgeschlossen ist. In der Aufstellung (38) ist zu sehen, dass die meisten Verbindungen eines Konsonantenbuchstabens mit dem Buchstaben zu denselben Korrespondenzen führen, die für den fraglichen Konsonantenbuchstaben allein gelten. Die dort ausgesparten Buchstabenfolgen , und analysiere ich ebenso wie die Dreierkombination im Folgenden als feste Buchstabenverbindungen. Die Buchstabenfolgen und können als prototypische Fälle dafür genommen werden, dass bestimmte Buchstabenfolgen über einen besonderen Status im Schriftsystem des Deutschen verfugen. Jede Analyse, die überhaupt solche mehrbuchstabigen Grundeinheiten ansetzt, zählt zumindest diese beiden Fälle zur fraglichen Gruppe. Dabei sind die Korrespondenzmöglichkeiten der Buchstabenfolge besonders vielfältig. Folgende Daten geben einen Überblick über die anzutreffenden phonologischen Entsprechungen: (60) Korrespondenzen der Buchstabenfolge a. b. c. d. e.
[9] - > [x] —> [k] —> [J] - » [tf]
Chemie, reichen, Storch, Milch, Mönch, Kuhchen, Masochismus Buch, Dachs, Kuchen, Masochismus; Chasan Chamäleon, Chemnitz, Chiemsee, Chor, Chur, Chlor, Christ; Dachs Charge, Charlotte, Chef, Chicoree, Chicago, Cochon Chinchilla, Chief, Couch
Hier zeigt sich wiederum das Problem der Abgrenzung zwischen indigenen und fremdsprachlichen Korrespondenzen. Ich möchte die letzten beiden Korrespondenzen als Fremdkorrespondenzen aussondern und nur die ersten drei Möglichkeiten als systemkonform bewerten. 1 4 Dabei bilden die ersten beiden Korrespondenzen zu [9] und [x] den Kern des Korrespondenzpotentials der Buchstabenfolge . Wie bei der Analyse des Verhaltens von nehme ich an, dass dies als inhärent unterdeterminierte Korrespondenzregel zu modellieren ist. Da die beiden korrespondierenden Phone zu einem recht großen Ausmaß phonologisch komplementär distribuiert sind (vgl. Abschnitt 2.1.2), ist in den meisten Fällen auf der Basis der Phonologie eine jeweils eindeutige Rekodierung gewährleistet. Genau in den Fällen aber, wo keine phonologische komplementäre Distribution vorliegt, zeigt sich die graphematische Unterdeterminiertheit, weil Schreibungen mit der Buchstabenverbindung dann auf beide Phone gleichermaßen verweisen können. Derart unterdeterminiert sind solche Schreibungen, die auf phonologische Konstellationen verweisen, bei denen das Phon [5] auch nach einem nicht-vorderen Vokal stehen kann. Hierbei gibt es zwei Typen, nämlich Schreibungen wie einerseits mit der Eigenschaft, dass das
14
Von den in Muthmann (1996: 457) gegebenen Fällen von Wörtern, die mit [9] beginnen sollen, würde ich selbst als rheinisch gefärbter Sprecher nur chthonisch mit diesem Laut aussprechen, während die meisten anderen Fälle bei mir mit [J] beginnen (Chemie, China, Chirurg) (ohne dass ich wortintern als [J] rekodieren würde) oder mit [k] (Charisma, Choreus, Chrisma).
98 Phon [5] in der korrespondierenden Lautung im Onset einer betonten Silbe vor einem vorderen Vokal steht, und Schreibungen wie andererseits, wenn in der korrespondierenden Lautung das Suffix [93η] angesetzt werden kann (hier dann also in der Lesart, dass eine Diminutivform zum Namen des Gottes Ra vorliegt). Diese Daten zeigen, dass es nicht adäquat ist, das Verhalten der festen Buchstabenverbindung mittels des Konzepts einer inhärent geordneten Korrespondenzregel beschreiben zu wollen (analog zu den Buchstaben für stimmhafte Obstruenten). In den zuletzt genannten beiden phonologischen Kontexten sind sowohl [5] als auch [x] lizensiert. Insofern würde eine inhärent geordnete Korrespondenzregel die falschen Voraussagen machen, weil danach hier immer nur dasjenige Phon erscheinen sollte, das den Status des primären Korrespondenten innehätte, welcher auch immer das wäre. Die Korrespondenzregel für sieht danach folgendermaßen aus:15 (61) Korrespondenzregel für —» [5] ν [x] Wie Einzelbuchstaben verfugen feste Buchstabenverbindungen also über Korrespondenzregeln, die ihnen eine spezifische lautliche Korrespondenz zuordnen. Anders als Buchstaben sind sie aber komplex, weil sie aus mehr als einem Buchstaben bestehen. Insofern ist ihre Existenz nicht materiell vorgegeben, sondern argumentativ und damit theorieabhängig zu begründen. Angesichts der theoretischen Vorgabe, dass die Korrespondenzen von Buchstabenfolgen möglichst mittels Korrespondenzregeln für Einzelbuchstaben zu beschreiben sind und nur im Notfall das Konzept der festen Buchstabenverbindung bemüht werden darf, ist gewährleistet, dass die Anzahl der festen Buchstabenverbindungen möglichst klein gehalten wird. Um zu motivieren, dass tatsächlich eine feste Buchstabenverbindung darstellt, ist zu zeigen, dass sich die aufgeführten Korrespondenzen nicht über die Korrespondenzen der Einzelbuchstaben erklären lassen. Angenommen, die buchstabenbezogene Regel für in (57) würde so umgestaltet, dass vor dem Buchstaben in unterdeterminierter Weise die Korrespondenz entweder zu [k], zu [9] oder zu [x] zugelassen wäre. Dann könnte die Buchstabenfolge auf sechserlei Art rekodiert werden, nämlich einerseits mittels der Nullkorrespondenz für als [k] wie in Chor, als [9] wie in dich und als [x] wie in Dach, andererseits aber auch mittels der Korrespondenz des zu [h] als [kh], [9h] und [xh]. Für den ersten dieser Fälle können mit Mühe Beispiele gefunden werden. Muthmann (1988) führt zwar keinerlei Wörter mit den Suffixen -heit, -haft und -halber auf, bei denen der Buchstabe dem suffixinitialen Buchstaben vorausgeht. Diese Lücke ist aber primär dadurch bedingt, dass der deutsche Wortschatz nur sehr wenige für diese Suffixmuster mögliche Basen enthält, die mit einem finalen geschrieben werden. Insgesamt enden nur 40 Wörter in Muthmanns Datenbasis mit . Hiermit lassen sich möglicherweise Wörter wie comichaft, cognachalber und Metallicheit konstruieren. Diese Wörter können nun an der entscheidenden Stelle mit [kh] rekodiert werden, unmöglich aber mit [9h] oder [xh]. Um diese prinzipiell untersagten Rekodierungsmöglichkeiten auch theoretisch auszuschließen, müsste eine Regelkonspiration angenommen werden in der Art, dass die Regel 15
Sollten die Bemerkungen in der vorigen Fußnote bereits den Standarddialekt charakterisieren, müsste der -Regel eine kontextbedingte Teilregel für den Wortanfang vor einem Vokalbuchstaben mit der Korrespondenz zu [J] vorangestellt werden.
99 für den Buchstaben weiß, was die Regel für den Buchstaben macht, um selbst zur richtigen Korrespondenz zu kommen. Insbesondere müsste die -Regel auf ihre Option der Korrespondenz zu [ς] und [x] verzichten für den Fall, dass die -Regel die Phonkorrespondenz statt der Nullkorrespondenz wählt. Da eine solche gegenseitige Rekodierungsbedingtheit theoretisch nicht zu erfassen ist, bleibt nur die Lösung über eine feste Buchstabenverbindung. Damit bietet die gegebene Analyse der Buchstabenfolge vier mögliche Korrespondenzen an: Nach der Regel als feste Buchstabenverbindung sollten sich Fälle mit [9] und [x] finden lassen, nach den Regeln für die Einzelbuchstaben sollten sich Fälle mit [k] und [kh] finden lassen. Letzteres ist, wie gesehen, nur marginal möglich, wenn ein entsprechendes Suffix beteiligt sind. Die weitere Unterdeterminiertheit der Buchstabenfolge lässt sich aber recht gut belegen. Am Wortanfang kann sie (außer in fremdsprachlichen Wörtern wie Chasari) aus phonologischen Gründen nicht mit [x], wohl aber mit [k] oder [5] korrespondieren. In (60) sind Beispiele fur beide Typen aufgeführt. Die Unterdeterminiertheit spiegelt sich auch in dialektaler Variation wider, wenn die Buchstabenfolge als [k] rekodiert wird, wo standardsprachlich [ς] vorliegt wie in süddeutsch [ke.'mi] für Chemie, oder umgekehrt, wenn norddeutsch der geographische Eigenname Chiemsee initial mit [9] gesprochen wird, wo Duden (1990) als Standard [k] vorgibt. Auch wortmedial kann die Buchstabenfolge auf beiderlei Arten rekodiert werden, allerdings nur wenn der Buchstabe folgt. Diese Buchstabenfolge schwankt zwischen der Rekodierung als [9s] oder [xs] einerseits und fks] andererseits. Die Schreibungen (als Genitiv von Sech oder als Zahlwort) und (als Genitiv von Dach oder als Tierbezeichnung) sind Belege dieser Unterdeterminiertheit. 16 . Während ich zunächst die Korrespondenz von zu [k] kontextfrei zulasse, wird Beschränkung (68) in der Lage sein, dies auf das tatsächlich zu beobachtende Maß einzuschränken. Der andere prototypische Fall einer festen Buchstabenverbindung ist , für den ich bereits in Abschnitt 2.2.2 ausgeführt habe, dass seine Korrespondenz zu [J] nicht über die Korrespondenzregeln für Einzelbuchstaben modelliert werden kann. Ein solcher Versuch müsste davon ausgehen, dass der Buchstabe kontextbedingt vor mit [J] korrespondiert. Zugleich müsste aber für den Buchstaben genau in diesem Fall eine Nullkorrespondenz verlangt werden, um auszuschließen, dass die Buchstabenfolge beispielsweise als [J9] rekodiert wird. Statt eine Regelkonspiration zu stipulieren, die die Anwendung zweier bestimmter Regeln im Tandem vorschreiben würde, vertraue ich wiederum auf das Konzept fester Buchstabenverbindungen. Dies hat den erwünschten Nebeneffekt, dass Buchstabenfolgen, die auch als feste Buchstabenverbindungen rekodiert werden können, graphematisch als inhärent unterdeterminiert ausgewiesen werden, soweit nicht der phonologische Filter beschränkend eingreift. Die Buchstabenfolge kann auf dieser theoretischen Grundlage nämlich entweder nach Maßgabe der Regel für die feste Buchstabenverbindung als [J] rekodiert werden, zugleich aber auch mit den Einzelregeln für und als [S9], wie in den Wörtern Röschen, Schisma und Eschatologie belegt. Eine Rekodierung nach den Regeln für die drei Einzelbuchstaben als [sk] ist wohl nur in einem fremdsprachlichen Wort wie Scherzo möglich und wird später durch Beschränkung (68) untersagt. Die phonologische Basis sorgt im Verbund mit dem aktuellen Wortschatz in vielen Fällen für 16
Für mich lassen auch die Schreibungen und beide Arten von Aussprachen zu.
100 eine eindeutige Rekodierung, aber die Graphematik stellt im Prinzip diese unterschiedlichen Rekodierungsmöglichkeiten bereit. Wenn Buchstabenfolgen auf zweierlei Art rekodiert werden können, stellt das Konzept der festen Buchstabenverbindung eine mögliche Art der Modellierung dar (neben inhärent unterdeterminierten Korrespondenzregeln). Muthmann (1988: 106) nennt als weitere Möglichkeit die Korrespondenz von zu [3]. Diese ist auf den Kontext nach dem Buchstaben beschränkt und tritt nur in nichtheimischen Wörtern auf. Möglicherweise sind all diese Fälle als fremdsprachlich einzuordnen, sodass für eine eindeutige kontextfreie Korrespondenzregel anzusetzen wäre. Ich gehe angesichts der folgenden Daten aber davon aus, dass hier zwei unterschiedliche Falltypen anzusetzen sind: (62) Korrespondenzen der Buchstabenfolge (nach Duden 1990, 2000) a. —> [d3] Dschafar, Dschebel, Dscherba, Dschinn, Dschungel, Dschunke b. —> [d3] Aserbaidschan, Dobrudscha, Dredsche, Fidschi, Fudschijama, Hadschi, Hedschra, Hodscha, Kambodscha, Kilimandscharo, Maharadscha, Radscha, Seldschuke, Tadschike c. —> [tj] freudsche, Freundschaft, Hadsch, Mandschurei, Tadsch Sämtliche Wörter, die mit der Buchstabenfolge beginnen, werden laut Duden (1990) initial mit [d3] realisiert. Dies spricht dafür, die Korrespondenzregel für die feste Buchstabenverbindung um eine kontextbedingte Zeile zu erweitern und Wörter wie Dschungel als graphematische Fremdwörter zu klassifizieren, nicht aber als fremdsprachliche Wörter. In wortinterner Position sieht dies freilich anders aus. Wie die Fälle in (62b und c) belegen, ist hier Variation zu beobachten zwischen einer stimmhaften und einer stimmlosen Korrespondenz. Dies könnte technisch durch eine inhärent unterdeterminierte Korrespondenzregel erfasst werden. Ich bevorzuge jedoch eine Analyse, die die Daten in (62b) als fremdsprachliche Daten aussondert und nur die Daten in (62c) als in der Graphematik des Deutschen verankert betrachtet. Auch wenn Duden (1990) für die Fälle in (62b) durchweg eine stimmhafte Aussprache ansetzt, ist nach meinen Beobachtungen in vielen Fällen eine Variation zwischen einer stimmhaften und einer stimmlosen Aussprache zu beobachten (die Duden 1990 nur für den Fall Mandschurei ansetzt). Die Tendenz zu einer stimmlosen Aussprache möchte ich daher mit Assimilierungstendenzen in Richtung der Klasse der Fremdwörter interpretieren. Eine Schreibung wie wäre damit regulär als [Rat.Ja] zu rekodieren. Für die feste Buchstabenverbindung ist demzufolge eine eigene Korrespondenzregel in die Graphematik aufzunehmen, die folgendermaßen lautet: (63) Korrespondenzregel für a. —> [3] b. [J]
/ pw (primär)
Feste Buchstabenverbindungen werden übrigens nicht von der Mehrfachbuchstabenbeschränkung (40) berührt, weil diese buchstabenbezogen formuliert ist, wohl aber von der Beschränkung für das Aufeinandertreffen gleicher Phone (52). Damit müsste eine Schreibung wie als [taj] rekodiert werden können, weil hier Buchstabenfolgen enthalten sind, deren Rekodierung dazu führt, dass gleiche Phone in adjazenter Position stehen, und zwar dadurch, dass die Buchstabenfolge zweimal als feste Buchstabenverbindung genommen und dementsprechend rekodiert wird. Ob dieses theoretische Ergebnis
101 empirisch haltbar ist, lässt sich mit den in dieser Untersuchung angewendeten Methoden nicht ermitteln, weil es im Deutschen keine Schreibungen gibt, die die fragliche Struktur aufweisen. Angesichts dieses Fehlens interner Evidenz wäre zu überlegen, inwiefern externe Evidenz hier zu vertiefter Einsicht beitragen könnte, also in diesem speziellen Fall die Frage, wie kompetente Schriftbenutzer des Deutschen solche Buchstabenfolgen intuitiv rekodieren.
3.7.3
Problematische Fälle
Abschließend betrachte ich Fälle, die nicht ohne Probleme als feste Buchstabenverbindungen zu klassifizieren sind. Ich beginne mit der Buchstabenfolge . Der Buchstabe
korrespondiert per Default in allen Kontexten mit [p]. Lediglich vor dem Buchstaben ist in wortinitialer Position auch eine Nullkorrespondenz möglich (vgl. (42)). Die Buchstabenfolge allerdings korrespondiert in unerwarteter Weise häufig mit [f]. Diese Korrespondenz illustrieren die folgenden Beispiele, bei denen die Buchstabenfolge in verschiedenen Positionen im Wort vorkommt. Dabei gebe ich Beispiele aus dem appellativischen und dem proprialen Wortschatz: (64)
Schreibungen a. b.
mit
Phantom, Physik, anglophil, Atmosphäre, Paragraph, Triumph Philippinen, Philadelphia, Dautphe, Euphrat, Laasphe, Netphen Philip, Stephan, Sophie, Ralph, Christoph, Joseph; Phau, Stoph
Zu demonstrieren ist wiederum, dass sich die Korrespondenz von zu [f] nicht aus der Korrespondenz der enthaltenen Einzelbuchstaben herleiten lässt. Dabei ist zu beachten, dass die Buchstabenfolge nicht zwangsläufig als [f] zu rekodieren ist. Wenn die grammatische Basis dem Buchstaben die Korrespondenz zum Phon [h] erlaubt, kann die Buchstabenfolge auch mit [ph] korrespondieren. Voraussetzung dafür ist, dass das Phon [h] am Anfang eines Suffixes steht wie in der Schreibung . An dieser Stelle gilt es folglich zu bedenken, wie dieses Korrespondenzverhalten über die Regeln für die Einzelbuchstaben zu modellieren sein könnte. Unproblematisch ist dabei die Regel für den Buchstaben : Dieser wird genau dann seinem primären Default gemäß als [h] rekodiert, wenn die Grammatik es erlaubt. Dies gilt genau nur für suffixinitiale Positionen. Ansonsten kommt dem seine sekundäre Korrespondenz zu, nämlich Null, weil das Phon [h] nicht in Verbindung mit einem anderen Konsonanten stehen kann, infolgedessen auch nicht mit dem Phon [p]. Problematisch ist aber die Modellierung der Korrespondenzen für den Buchstaben
. Dieser wird nämlich genau dann seinem Default gemäß als [p] rekodiert, wenn das nachfolgende als [h] rekodiert wird, und als [f], wenn dem nachfolgenden eine Nullkorrespondenz zukommt. Nach einem ersten Analyseversuch könnte hierfür in die
Regel eine kontextbedingte Teilregel dergestalt integriert werden, dass der Buchstabe
in unterdeterminierter Weise entweder mit dem Phon [p] oder mit dem Phon [f] korrespondiert, wenn er im Kontext vor dem Buchstaben steht. Damit wären die verbuchten Korrespondenzmöglichkeiten der Buchstabenfolge erfasst, aber es wären mehr als diese durch das Modell lizensiert, da die Folge nun auch einerseits mit [p] und andererseits mit [fh] korrespondieren dürfte. Insbesondere die letztere Option ist faktisch aber
102 grundsätzlich ausgeschlossen: Die erwähnte Schreibung kann prinzipiell nicht mit der Lautung ['plumf.hait] korrespondieren, auch wenn das Phon [h] hier in einer phonologisch lizensierten Position, nämlich suffixinitial steht. Hier liegt also wiederum eine wechselseitige Bedingtheit der Rekodierung vor: Der Buchstabe
darf als [f] rekodiert werden, wenn er vor dem Buchstaben steht, aber nur, wenn dieser als Null rekodiert wird, denn die Rekodierung dieses Buchstabens als Phon [h] verlangt vom Buchstaben
, dass dieser mit dem Phon [p] rekodiert wird. Im Rekodierungsmodell ist diese vorgebliche Regelkonspiration dadurch zu erfassen, dass der Buchstabenfolge eine eigene Korrespondenzregel zugeschrieben wird und diese Folge mithin als feste Buchstabenverbindung fungiert. Damit wird die Buchstabenfolge prinzipiell analog zur Buchstabenfolge analysiert. Eine solche Gleichbehandlung von und findet sich im Grundsatz auch in anderen Schriftsystemanalysen des Deutschen, mit der Einschränkung, dass dann die Buchstabenfolge explizit als Einheit des Fremdwortschatzes ausgewiesen wird (z.B. Kohrt 1989: 203, Eisenberg 1998a: 337; Nerius et al. 2000: 126). Die fragliche Korrespondenzregel fiir ist anders als die fur eindeutig und kontextfrei: (65) Korrespondenzregel fiir [f] Damit kann die Buchstabenfolge auf zweierlei Weise rekodiert werden, nämlich einmal gemäß der Korrespondenzregel fiir die feste Buchstabenverbindung als [f] und einmal nach den Korrespondenzregeln für die Einzelbuchstaben. Angesichts der inhärenten Ordnung der -Regel in (37) ergeben sich dadurch allerdings zwei unterschiedliche Korrespondenzen: Nach dem primären Default korrespondiert mit [h] wie im besprochenen Wort Plumpheit, nach dem sekundären Default aber auch mit Null, sodass der Buchstabenfolge auch die Korrespondenz zu [p] zukommen sollte. Die Datenlage spricht allerdings dafür, dass dies prinzipiell ausgeschlossen ist. Unter den in Duden (1990) enthaltenen Wörtern, die mit beginnen, wird diese Korrespondenz zu [p] nur wenigen als thailändisch markierten Wörtern wie Phattalung (genau genommen die Korrespondenz zu einem aspirierten [p]) zugeordnet, die als fremdsprachlich aussortiert werden können. Gleiches gilt wohl fur den kambodschanischen Ortsnamen Phnom Penh, für dessen ersten Bestandteil Duden (1990: 578) die Aussprache [pnom] ansetzt. Weitere Fälle mit einer Korrespondenz von zu [p] in wortinitialer Position sind in dieser Quelle nicht enthalten. 17 Die theoretische Erfassung dieser Einschränkung der Korrespondenzmöglichkeiten erfasst die Beschränkung in (68). Die Regeln, die die Rekodierung des Buchstabens
betreffen, interagieren in interessanter Weise mit der Mehrfachbuchstabenbeschränkung in (40). Auch wenn die Phonologie die Abfolge zweier gleicher Konsonantenphone in einem Phonologischen Wort verbietet, können doch zwei aufeinanderfolgende Buchstaben
über jeweils eigene Phonkorrespondenzen verfügen, nämlich dann, wenn dem zweiten
ein folgt und damit seine Korrespondenz zu [f] auf der Basis einer festen Buchstabenverbindung erlaubt ist. Dies lässt sich zumindest in einer Wurzel im Wortschatz des Duden (2000) beobachten, nämlich bei Sappho. Nach meiner Analyse führt die Anwendung der -Regel hier zur Lautung [zap.fo], die der Duden (1990) als Normalaussprache angibt. Allerdings wird dort 17
Dass Pharyngospasmus mit [p] beginnen soll, ist wohl ein Versehen (Duden 1990: 577).
103 als Nebenform auch [zafo] aufgeführt. Dies ist nach meiner Analyse keine graphematische Rekodierungsmöglichkeit, weil ein beliebiger Buchstabe nur dann eine Nullkorrespondenz etablieren kann, wenn er einem gleichen Buchstaben folgt, nicht aber, wenn er einem gleichen Buchstaben vorangeht. Damit ist keine graphematische Schreibung für die Lautung [zafo]. Ähnlich wie verhält sich die Buchstabenfolge . Die Korrespondenzen des Einzelbuchstabens sind Thema des nächsten Abschnitts. Die dort vorgestellte Regel wird eine sein, die die Korrespondenzen der folgenden Wörter nicht erfassen kann: (66)
Schreibungen mit a. englisch: Shampoo, Sheriff, Sherry, Shop, Shorts, Squash b. japanisch: Geisha, Shinto, Shogun, Sushi, Yamashita c. chinesisch: Fengshui, Sheng d. Ortsnamen: Kinshasa, Shanghai
Im heimischen Wortschatz taucht die Buchstabenfolge nur auf, wenn eine PW-Grenze sie zerteilt oder wenn der Buchstabe als initiales Segment eines Suffixes interpretiert wird wie in Weisheit. Dann kommt ihr die Korrespondenz [sh] zu. In anderen Bereichen des Wortschatzes finden sich Beispiele unterschiedlicher Herkunft mit der Buchstabenfolge , die dann immer mit dem Phon [J] korrespondiert. Wie bei der Diskussion um feste Buchstabenverbindungen durchgängig zu beobachten ist, scheidet eine Rekodierung der Buchstabenfolge als [Jh] prinzipiell aus. Dies zu modellieren vermag die Ansetzung von als fester Buchstabenverbindung, so wie es im Grundsatz auch Kohrt (1989: 218) vorsieht. (67)
Korrespondenzregel -
für [f]
Angesichts der marginalen Datenlage könnte dies auch als Fremdkorrespondenz eingeschätzt werden in dem Sinne, dass sie nur in fremdsprachlichen Wörtern auftaucht und damit nicht zur Graphematik des Deutschen gehört. Dagegen spricht aber, dass Schreibungen mit aus recht unterschiedlichen Sprachen stammen und insbesondere in transliterierten Formen erscheinen. Deshalb nehme ich an, dass es sich hierbei um einen relevanten Aspekt der deutschen Graphematik handelt. Wie bei auch besagt die Analyse aber, dass die Buchstabenfolge auch mit einer Nullkorrespondenz für , also einfach nach der zu formulierenden -Regel zu rekodieren sein sollte. Hierbei geht es, wie zu sehen sein wird, in erster Linie um die korrespondierenden Phone [s] und [z]. Unter den mit beginnenden Wörtern ordnet Duden (1990) nur dem als spanisch markierten Wort Shimose eine entsprechende Lautung zu. Deshalb muss auch diese Korrespondenz theoretisch ausgeschlossen werden. Zur Modellierung des Falls, dass bestimmte per Default angesetzte Korrespondenzen letztlich doch nicht möglich sind, lässt sich im Rekodierungsmodell das Konzept der graphematischen Beschränkung heranziehen. Zumindest nach den Buchstaben
und steht dem zwar seine Lautkorrespondenz, nicht aber seine Nullkorrespondenz zur Verfügung. Dies ließe sich in direkter Weise so als Beschränkung formulieren. Zu überlegen ist aber, ob hier nicht eine allgemeinere Regularität im Hintergrund steht. Der Grund für die unterbundene Nullkorrespondenz könnte darin gesehen werden, dass die betroffene Buchstabenfolge auch als feste Buchstabenverbindung zu rekodieren ist. Dann müssten sich
104 allerdings die Fälle und analog verhalten. Für trifft dies zu, wenn die Rekodierung der Schreibung mit initialem [sk] als Fremdkorrespondenz angesehen wird. Für gilt dies auch, außer in zwei besonderen Kontexten, nämlich initial (wie in Chor) und vor dem Buchstaben (wie in Wachs·, vgl. (60c)). Mit der folgenden relativ komplexen Beschränkung werden all diese Fälle abgedeckt: (68)
Beschränkung der Nullkorrespondenz von Der Buchstabe kann nicht als Null rekodiert werden, wenn er Teil einer Buchstabenfolge ist, die auch als feste Buchstabenfolge gilt, außer in folgenden Kontexten: a. pw[_ b.
Bei der Analyse von Vokalbuchstabenfolge in Kap. 5 wird sich zeigen, dass hier durchweg eine Konkurrenz von Rekodierungen als festen Buchstabenverbindungen und einer nach den Korrespondenzen der Einzelbuchstaben herrscht, und dies auch dann, wenn für einen beteiligten Buchstaben eine Nullkorrespondenz möglich ist (vgl. v.a. Abschnitt 5.2.4). Insofern ist das durch die Beschränkung (68) erfasste Verhalten tatsächlich spezifisch für den Buchstaben .
3.8
K o m p l e x e Korrespondenzregel: D i e K o r r e s p o n d e n z e n v o n < s >
Einen besonders komplexen Fall einer Korrespondenzregel bietet der Buchstabe . Auf der Grundlage des entwickelten theoretischen Instrumentariums möchte ich die Problematik dieses Buchstabens ausfuhrlich erörtern. Dabei werde ich zu einer recht einfachen Formulierung der Regel kommen, die in starkem Maße auf unabhängig motiviertes phonologisches Wissen vertraut. Gründe für die Vielschichtigkeit des Buchstabens können in seiner historischen Entwicklung im Deutschen gefunden werden (vgl. Noack 2000: 151155), die aber fur die synchrone Analyse des graphematischen Systems nicht erklärungsrelevant sind. Grundsätzlich verfügt der Buchstabe über die drei korrespondierenden Phone [ζ], [s] und [J], Einem Überblick über diese Korrespondenzvielfalt dient die folgende Tabelle, die anhand von Beispielen die Distributionsmöglichkeiten der drei fraglichen Phone belegt, untergliedert nach einschlägigen graphematischen Kontexten. 18 Die Kontextbeschreibungen sind dabei so gemeint, dass sie von links nach rechts in ihrer Spezifizität abnehmen. So soll Kontextbeschreibung II nicht implizieren, dass der Buchstabe vor einem beliebigen Konsonantenbuchstaben steht, sondern vor einem beliebigen Konsonantenbuchstaben außer
und , welche ihrerseits schon in Kontext I abgehandelt sind. Die Kontexte VI und VII betreffen infolgedessen nur solche Konstellationen, wo dem ein Vokalbuchstabe folgt, da die Positionen mit folgendem Nicht-Vokalbuchstaben schon von Kontext V erfasst
18
Maas (2000: 535) entwirft aus lautbasierter Sicht zwei recht ähnliche Tabellen und kommt zu dem Ergebnis, dass [z] und [s] phonologisch komplementär verteilt sind außer in intervokalischer Position. Allerdings diskutiert er den durch fasle illustrierten Kontext dabei nicht.
105 werden. Die Buchstabenfolgen und können auch als feste Buchstabenverbindungen rekodiert werden, was im letzten Abschnitt diskutiert wurde. (69) Korrespondenzmöglichkeiten von
PW
[i] Ν [J]
—>
[i] ν [i]
/
[ V O K ] * [KONS]
[ΝΟΚ]
(primär)
Teilweise ähnliche Korrespondenzen wie weist der Vokalbuchstabe auf, der zumindest in assimilierten Fremdwörtern und in heimischen Eigennamen anzutreffen ist. Allerdings sind die Korrespondenzen für noch vielfältiger, wie folgende Daten belegen: (79) Korrespondenzen von a. [i] Ysop, Yvonne, Schwyz, Embryo, Zylinder, Hobbyist, Poly b. — [i] Ybbs, Bayern, Ceylon, Boykott, Bullay, Norderney, Nestroy c. -> [y] Ymir, Ypern, Ysop, Acryl, Lyrik, Polyp, Psyche, Zylinder, My d. — [γ] Yggdrasil, Ypsilon, Amaryllis, Gymnasium, Tethys e. — [ j] Yacht, Yen, Yucca, Papaya, Ayurveda, Cayenne, Coyote Diese Daten decken nicht die ganze Vielfalt der Korrespondenzen des ab. Ausgelassen habe ich Korrespondenzen wie in den Wörtern Nylon, Essay oder Mayday, die ich als fremde Korrespondenzen aus dem graphematischen Datenbereich des Deutschen ausschließen möchte. Ob auch einige der in (79) aufgeführten Daten als fremdsprachlich auszussondern sind, ist schwer zu entscheiden, weil Vergleichsdaten aus dem heimischen Kernwortschatz fehlen. Vorsichtshalber bewerte ich alle aufgeführten Daten als relevant. Offensichtlich ist die Rekodierung des Buchstabens dann zu einem gewissen Teil unterdeterminiert, wie z.B. das Wort Zylinder zeigt, für das Duden (1990) zwei unterschiedliche Aus Sprachemöglichkeiten notiert. Allerdings ist nicht in allen graphematischen Kontexten mit durchgehender Unterdeterminiertheit zu rechnen, was nun im Einzelnen bedacht werden soll. Wortinitial treten alle fünf in (79) aufgeführte Korrespondenten des Buchstabens auf. Wenn allerdings der zweite Buchstabe ein Vokalbuchstabe ist, korrespondiert das eindeutig mit dem konsonantischen Phon []]. Umgekehrt ist dieses Phon nur dann ein möglicher Korrespondent für , wenn diesem ein Vokalbuchstabe folgt. Dies ist als eine kontextbedingte Korrespondenz zu erfassen. Interessanterweise sind auch am Wortende manche der korrespondierenden Phone ausgeschlossen. Für den Frikativ [j] ist dies bereits phonologisch bedingt, da dieses Phon generell nicht im Silbenreim stehen darf und somit auch nicht am Wortende. Auch zentralisierte Vokale dürfen prinzipiell nicht am Wortende stehen, es sei denn sie fungieren als Zweitelemente eines Diphthongs. Dies kann von den fraglichen Phonen aber nur das [i] sein, wie es in den Eigennamenschreibungen , und belegt ist, nicht aber das [Y], sodass das Ausbleiben des letzteren Phons als korrespondierenden Elements für ein wortfmales ebenfalls phonologisch bedingt ist. Allerdings gehen die Einschränkungen für die wortfinale Korrespondenz weiter, als es die phonologische Basis erwarten lässt. In einem mehrsilbigen Wort korrespondiert ein wortfinales , das einem Konsonantenbuchstaben folgt, nämlich immer mit [i] und nicht mit dem phonologisch ebenfalls erwartbaren [y], während es in einsilbigen Wörtern genau umgekehrt zu sein scheint. Hierfür liegen jedoch nur die beiden aus dem Griechischen stammenden Buchstabennamenwörter My und Ny als Belege vor. Auch die Ortsnamendatenbank BKG (2002) liefert kein weiteres einschlägiges Material, sodass die Analyse in diesem Bereich nur schwach begründet ist. In der zu formulierenden Korrespondenzregel für erfasse ich diese Regularitäten so, dass ich das Ende des Graphischen Worts als einschlägige Domäne ansetze. Das orthographische Konstanzprinzip überträgt
122
dann die wortfinale Korrespondenz des z.B. in auch auf die entsprechende Pluralschreibung . Ein weiterer Kontext, in dem die Korrespondenzen des graphematisch bedingt sind, ist dadurch charakterisiert, dass dem unmittelbar ein Vokalbuchstabe vorausgeht. Dann können nur die Phone [ι] und [j] mit dem korrespondieren, wie die Wörter Bayern und Papaya belegen. Dass das [j] dabei einschränkend verlangt, dass dem zugleich unmittelbar ein Vokalbuchstabe folgt, ist phonologisch begründet, weil dieser Konsonant ein unmittelbar folgendes Vokalphon benötigt und weil zugleich nur Vokalbuchstaben das Vermögen haben, eine Korrespondenz zu einem Vokalphon zu etablieren. Dies muss also nicht in der Korrespondenzregel für den Buchstaben erfasst werden. Für andere graphematische Kontexte setze ich in unterdeterminierter Weise vier Vokalphone als mögliche Korrespondenten an, ohne dass die graphematische Korrespondenzregel für hier eine genauere Bestimmung zu leisten vermag. Freilich wirken sich sowohl die Phonologie als auch die später zu formulierenden graphematischen Beschränkungen hier punktuell klärend aus. In jedem Fall weist die Korrespondenzregel den Buchstaben als Vokalbuchstaben aus. Die folgende Regelformulierung, die gegenüber der in Neef (2003: 99) vorgeschlagenen Regel eine Neuformulierung darstellt, ist hochgradig komplex, wobei die in den ersten vier Zeilen spezifizierten Kontexte distinkt sind und der massiv unterdeterminierte Default in der fünften Zeile für alle anderen Kontexte einschlägig ist: (80) Korrespondenzregel für -»
[j]
/
b.
a.
-
[i]v[j]
/
[vok] _
c.
->
[y]
/
* - , [ ν ο κ ] [KONS] _
[i]
/
[VOK] * [KONS]
d.
e.
—>
[i] ν [ι] ν [y] ν [γ]
P W
GW >ow
(primär)
Die Notationsvariante in der dritten Zeile soll besagen, dass dem konsonantischen Element, das dem vorausgeht, selbst beliebig viele Elemente vorausgehen dürfen, dass diese aber allesamt nicht-vokalischer Natur sein müssen. Damit ist in linearer Weise notiert, dass das Wort nur über einen einzigen Vokalbuchstaben verfügt, nämlich das . Zuletzt betrachte ich den Vokalbuchstaben . Abgesehen von Fremdkorrespondenzen zu [i] oder [i] wie in Review oder Encoder lassen sich für diesen Buchstaben auf den ersten Blick vier indigene Korrespondenzmöglichkeiten feststellen. Wie für Vokalbuchstaben typisch handelt es sich hierbei zunächst um ein Paar zweier Vollvokale, nämlich das zentralisierte [ε] wie in und das periphere [e] wie in , wobei die Schreibung im aktuellen Wortschatz tatsächlich mit beiden Phonen rekodiert wird. Hierbei handelt es sich also um die inhärent unterdeterminierten Defaultkorrespondenten. Die erste Besonderheit des liegt darin, dass darüber hinaus auch ein Reduktionsvokal in sein Korrespondenzpotential fällt, nämlich das Schwa wie in badet oder in Hase. Generell scheint es nicht möglich zu sein, einschränkende Kontexte für die Rekodierung des als Schwa anzugeben, sodass auch dieses Phon als kontextfreier Default angesetzt werden muss. Für den Fall, dass das der einzige Vokalbuchstabe in einem Wort ist, kann ihm freilich nicht die Korrespondenz zu Schwa zukommen. Dies liegt in der Phonologie begründet, weil ein Phonologisches Wort im Deutschen über zumindest einen Vollvokal verfügen muss. Die genannte Kontexteinschränkung muss daher nicht in die graphematische Korrespondenzregel des aufgenommen werden. Ähnliches gilt für die wortinitiale Position: Da ein Wort
123 nicht mit Schwa beginnen kann (außer fremdsprachliche Wörter wie Amendment, vgl. Muthmann 1996: 76), verwundert es nicht, dass der Buchstabe nicht mit Schwa korrespondieren kann, wenn er wortinitial steht. In Neef (2003: 103f.) habe ich allerdings eine mutmaßlich einschlägige Beschränkung für das Auftreten der kontextfreien Korrespondenten des formuliert, wonach der Buchstabe dann nicht mit dem peripheren Vokal [e] korrespondieren darf, wenn er am Wortende steht (der zentralisierte Vollvokal [ε] scheidet hier ja schon aus phonologischen Gründen aus). Wenn ein Wort phonologisch mit [e] endet, muss es gewöhnlich anders geschrieben werden als mit einem einfachen finalen , nämlich beispielsweise , oder notfalls auch , wobei das Akzentzeichen die Schreibung als fremdsprachlich ausweist. Eingedeutscht kann hier nicht geschrieben werden, sondern nur . Allerdings existieren auch einige Wörter, bei denen gerade in wortfinaler Position der Buchstabe die Korrespondenz zum peripheren Vollvokal entfaltet: (81)
Wortfinales korrespondiert mit [e] a.
ade, he, juche, juhe, je, oje, herrje, ne, jemine
b.
(in) spe, re, (per) se; Mobile, Faksimile, Aloe
c.
Epagoge, Morphe, Akme, Koine; vide, vale, amabile, Kantabile, privatissime, A v e
Die Gesamtzahl solcher Wörter in Muthmann (1988) liegt bei knapp 100, wobei gut ein Viertel von ihnen auch über eine Aussprachevariante mit finalem Schwa verfügt, die dann möglicherweise als Schriftaussprache zu klassifizieren ist, also im Einklang mit einer generellen Regularität. Demgegenüber stehen rund 23.000 Wörter in Muthmann (1988), bei denen das wortfinale mit Schwa korrespondiert. Dabei ist zu bedenken, dass von der Nennform abweichende Flexionsformen in diesem Wörterbuch nicht verzeichnet sind, sodass sich die Zahl der existierenden Grammatischen Wörter noch deutlich erhöht (etwa durch fast alle Verben in der 1. Ps. Sg. Präs.). Einige der Daten in (81) wie , oder belegen die erwähnte phonologisch bedingte Einschränkung der Korrespondenz von zu Schwa, weil hier das der einzige Vokalbuchstabe im Wort ist. Insofern kann die fragliche Beschränkung nicht so formuliert werden, dass ein wortfinales grundsätzlich nicht mit einem Vollvokal korrespondieren darf, sondern nur dann, wenn im Wort ein weiterer Vokalbuchstabe vorausgeht. Generell ist zu beobachten, dass die Daten in (81) eher randständigen Bereichen des deutschen Wortschatzes angehören. Bei den Wörtern in (81a) handelt es sich um Interjektionen und bei den anderen um Fremdwörter, die entweder einigermaßen geläufig (81b) oder marginal sind (81c). Dennoch können sie nicht als fremdsprachlich aus der graphematischen Analyse ausgeschlossen werden, weil sie überwiegend dem Lateinischen entstammen und damit nur über ihre Schreibung vermittelt sind oder weil sie, wie im Falle von Mobile, nicht wie in der Quellsprache (dem Englischen) ausgesprochen werden, sondern als lautlich eingedeutscht zu klassifizieren sind. Hieraus lässt sich schließen, dass es sich bei der angesprochenen Beschränkung für die wortfinale Korrespondenz des Buchstabens nicht um eine strikte Beschränkung für den Gesamtschatz deutscher Wörter handelt, also nicht um eine Beschränkung der Graphematik des Deutschen. Die unterschiedliche Nutzung der graphematischen Korrespondenzmöglichkeiten in Abhängigkeit von Wortschatzebenen ist in der orthographischen Analyse zu erfassen. Besonders interessant ist die vierte Korrespondenzmöglichkeit des , und das ist die Korrespondenz mit Null. Diese zeigt sich in Schreibungen wie , wenn ihr die Lautung
124 [ni] zugeordnet wird, und in Schreibungen wie mit der korrespondierenden Lautung [fa.tB], Die Funktion dieser Nullrekodierungen werde ich in den Abschnitten 5.2.4 und 5.4.1 untersuchen; an dieser Stelle geht es nur um die Frage, ob es kontextuelle Einschränkungen für die Nullkorrespondenz des gibt. Zu einem gewissem Ausmaß kann hierbei wiederum auf die Phonologie zur Erklärung zurückgegriffen werden, wenn etwa der einzige Vokalbuchstabe in einem Wort ist, womit zwangsläufig nur eine Rekodierung als Vollvokal in Frage kommt. Generell scheint es so zu sein, dass der Buchstabe nur dann mit Null korrespondieren darf, wenn er entweder einem Vokalbuchstaben folgt oder einem Sonorantenbuchstaben vorangeht. In diesen Kontexten sind aber auch die anderen drei Korrespondenzen möglich. So kann nach einem Vokalbuchstaben das mit einem Vollvokal korrespondieren (wie in Klient oder Israel) oder mit Schwa (wie in Böe). Dieselben Korrespondenzen sind in noch weiterem Ausmaß auch vor Sonorantenbuchstaben möglich (vgl. Wert, Geld und atmen), sodass folgende Formulierung der -Regel angemessen zu sein scheint: (82) Korrespondenzregel für (unvollständig) a. —> [e] ν [ε] ν [a] ν [...] b. —> [e] ν [ε] ν [g]
/ [νοκ] (primär)
ν
[SON]
In Abschnitt 5.4.1 werde ich angesichts der Frage des Verhältnisses von graphematischer Vokalbuchstabenzahl zu phonologischer Silbenzahl eine Beschränkung formulieren, die eine Beziehung zwischen der möglichen Nullkorrespondenz des Buchstabens und dem Silbengipfelstatus des Korrespondenten eines dem benachbarten Buchstabens herstellt (vgl. (126)). Bei der Besprechung von Diphthongschreibungen wird die Korrespondenzregel für außerdem um eine Zeile zu erweitern sein.
4.2
Schärfung
Für Peter Eisenberg zum 65.
Geburtstag
Wenn die Vokalbuchstaben des Deutschen durchweg mit Paaren von Vokalphonen korrespondieren, die in zwei distinkte phonologische Klassen fallen, ließe sich für die Graphematik eine Strategie zur Disambiguierung vorstellen, wonach die eine der beiden phonologischen Vokalreihen graphematisch immer durch ein bestimmtes zusätzliches Zeichen markiert wird, während die andere Vokalreihe unmarkiert bleibt. Die Daten in (74) wie Mond vs. Gold zeigen aber schon, dass eine solche Markierung zumindest nicht konsistent vorgenommen wird. Allerdings stellt die Graphematik verschiedene Mittel bereit, um eine relativ eindeutige Rekodierung von Vokalbuchstaben zu ermöglichen. Die Orthographie macht hiervon freilich nur in begrenztem Ausmaß Gebrauch. Wenn der graphematische Kontext Mittel enthält, die die Korrespondenz eines Vokalbuchstabens eindeutig auf einen peripheren Vokal festlegen, spricht man traditionellerweise von einer Dehnungsmarkierung. Die häufigsten Dehnungszeichen sind zusätzliche Vokalbuchstaben sowie der Konsonantenbuchstabe . Diese Markierungsmöglichkeiten sind Thema von Abschnitt 5.2. Die kontextuelle Festlegung auf einen zentralisierten Vokal dagegen wird häufig als Schärfung
125 bezeichnet. Die deutlichste Schärfungsmarkierung ist die Doppelschreibung eines Konsonantenbuchstabens. Hiermit befasse ich mich im Folgenden. Im Bereich der Graphematik stellt die Doppelschreibung von Konsonantenbuchstaben innerhalb von Wurzelschreibungen denjenigen Aspekt des deutschen Schriftsystems dar, der die größte Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat und gerade in letzter Zeit besonders intensiv diskutiert wird. Entsprechend ist die terminologische Vielfalt zu diesem Phänomen, das häufig als 'Konsonantenverdopplung' (Eisenberg 1998a; Ramers 1999a) oder als 'Gelenkschreibung' bezeichnet wird (Primus 2000a: 18), oder die betroffenen graphematischen Einheiten werden in den Vordergrund gerückt und 'Doppelkonsonantengrapheme' (Eisenberg 1998c: 68) oder 'Schreibgeminaten' (Prinz & Wiese 1990: 82; Sternefeld 2000) genannt. Der traditionelle Terminus für dieses Phänomen ist 'Schärfung', wozu Maas (2002) eine Begriffsgeschichte liefert. Natürlich werden nicht all diese Termini äquivalent gebraucht, aber auch ein und derselbe Terminus kann verschiedene Lesarten haben. Ich bevorzuge den Terminus 'Sehärfling', weil er mir hinreichend neutral zu sein scheint. Im Gegensatz dazu verlangt der Terminus 'Doppelkonsonantengraphem' die Verwendung des Terminus 'Graphem', und von 'Gelenkschreibung' zu sprechen impliziert eine bestimmte Art der phonologischen Analyse, die zumindest strittig ist. Bei 'Konsonantenverdopplung' ist der Bezug auf die schriftliche Ebene nicht deutlich gegeben. Zugleich engt dieser Terminus genau wie 'Schreibgeminate' das Phänomen auf doppelt geschriebene Konsonantenbuchstaben ein. Da es nicht ausgeschlossen ist, dass die Verdopplung von Konsonantenbuchstaben als Sonderfall eines generelleren Phänomens angesehen werden kann (wofür viele existierende Analysen einschließlich der folgenden letztlich plädieren), bietet sich ein relativ nichtssagender Terminus wie 'Schärfung' besonders gut für die linguistische Analyse an.1 Überdies drückt er eine gewisse Verwandtschaft zum Terminus 'Dehnung' aus. Die folgende Analyse greift die Ergebnisse der Überlegungen in Neef (2002) auf, geht aber wesentlich darüber hinaus. Die Gründe für das starke Interesse an Schärfung sind vielfaltiger Natur. Im Schrifterwerb zeigen sich relativ große Schwierigkeiten der Schriftlerner bezüglich der korrekten Schärfungsschreibungen, sodass die Didaktik sich hier herausgefordert sieht (vgl. den Sammelband von Tophinke & Röber-Siekmeyer (eds.) 2002, aber auch Maas 2000: 675682). Dabei erweist es sich als günstig, dass Schärfungsschreibungen im Grunde relativ regulär sind, sodass es erfolgsversprechend scheint, hier einen gewissen didaktischen Aufwand zu betreiben (im Gegensatz etwa zu Dehnungsschreibungen, denen aus der Perspektive des Schreibers eine wesentlich größere Unregelmäßigkeit innewohnt). Für die Theoriebildung stellt Schärfung besonders dann eine Herausforderung dar, wenn Schreibungen aus Lautungen abgeleitet werden sollen, weil hier in der Schreibung Elemente vorhanden sind, die nicht isomorph aus der Lautung hergeleitet werden können. Dabei drängt sich sogleich die Frage nach dem phonetischen Hintergrund von Schärfung auf, der in spezifischen Lauteigenschaften von zentralisierten Vokalen gegenüber peripheren Vokalen vermutet wird. Diese Lauteigenschaften sind aber in der Standardsprache anderer Natur als in vielen Dialekten (vgl. Spiekermann 2000), sodass Schärfung beispielsweise relativ zum Schweizer-
Dass Dehnung und Schärfung ursprünglich als phonetische Kategorien verstanden wurden, belegt ein Zitat von Adelung (1788: 213): „Die längere Verweilung der Stimme auf einem Vocale gibt den gedehnten, und die kürzere den geschärften Accent."
126 deutschen anders zu motivieren sein scheint als zum Standarddeutschen (vgl. Gallmann 1997; Lindauer 2002). Nicht zuletzt richtet sich das Interesse der Orthographiereformer auf Schärfung, sodass überprüft werden kann, ob die willentliche Veränderung der Orthographie respektive der orthographischen Regeln zu einer größeren Konsistenz des Datenbereichs fuhrt (vgl. Noack 2000, 2002). Im Kontext der Orthographiereform von 1996 hat dabei die Debatte um zwei alternative Regelformulierungen zum Schärfungsphänomen eine prominente Rolle gespielt, wie im Nachhinein die heftige Debatte zwischen Ramers und Eisenberg offengelegt hat (Ramers 1999a und b, Eisenberg 1999, 2000), in die in nicht unerheblichem Maß außerlinguistische Faktoren hineingespielt haben. Freilich ist nicht zu erwarten, dass eine Regelformulierung, die auf die Belange von linguistisch nicht versierten Sprachbenutzern abgestellt ist, unmittelbar in ein theoretisch ausgearbeitetes Modell übernommen werden kann, noch dazu sie vermutlich nur für einen eingeschränkten Bereich des Wortschatzes, vorrangig die heimischen Wörter, Gültigkeit haben wird. Umgekehrt muss eine Schärfungsanalyse, die sich aufgrund bestimmter theoretischer Prämissen ergibt, nicht automatisch in didaktischen und anderen anwendungsbezogenen Kontexten bestehen können, wiewohl natürlich wünschenswert wäre, wenn didaktische Regelformulierungen auf der Basis solcher theoretischer Modellierungen gewonnen werden könnten.
4.2.1
Typen von Schärfungsanalysen
Die folgende Schärfungsanalyse im Rekodierungsmodell verfolgt primär theoretische Ziele. Dabei werde ich eine Analyse vorschlagen, die Momente beider in der Reformdebatte diskutierten Regeltypen aufnimmt und zu einem gewissen Grad zusammenfuhrt. Die beiden angesprochenen Erklärungsparadigmen für Schärfungsdaten lassen sich mit Sternefeld (2000: 37) wie folgt zusammenfassen, wobei hier interessanterweise Formulierungen vorliegen, die eine Rekodierungsperspektive suggerieren, obgleich die einschlägigen Modelle, die hierunter subsumiert werden, typischerweise eine Überfuhrung der Lautung in die Schreibung zu leisten versuchen: 2 (83)
Regeltypen für die Analyse von Schärfung (Sternefeld 2000: 37) Regel A: Doppelkonsonanzschreibung signalisiert die Kürze bzw. Ungespanntheit des vorangehenden Vokals. [...] Regel B: Doppelkonsonanzschreibung kennzeichnet den Konsonanten selbst als ambisilbisch.
Irreführenderweise wird der erste Regeltyp als 'akzentbasiert' charakterisiert (Ramers 1999a: 53), weil er nur auf betonte Silben zielt. Diese Eigenschaft kommt aber genauso dem zweiten Regeltyp zu, den Ramers (1999a: 57) als 'silbenbasiert' etikettiert. Wenn man akzeptiert, dass sich Regeln dieses Typs Β generell dadurch auszeichnen, dass sie auf sil-
2
Angesichts dieser Charakterisierung verwundert es, dass Sternefeld (2000: 51) als entscheidenden Punkt für seine eigene Analyse herausarbeitet, „dass die Geminatenschreibung keine eigenständige graphematische Repräsentation der Silbe erfordert, wie dies in allen mir bekannten bisherigen Ansätzen der Fall ist." Regeln des Typs Α erklären Schärfung gerade ohne den Bezug auf die Silbe, gleichgültig welcher modaler Art, wie Sternefeld selbst an anderer Stelle (2000: 38) anmerkt.
127 benstrukturelle Eigenschaften rekurrieren, ist es sinnvoller, demgegenüber den ersten Regeltyp als 'segmentbasiert' auszuweisen, weil hier segmentale Eigenschaften im Vordergrund stehen. Unter den Regeltyp Α fallen beispielsweise Arbeiten von Äugst (z.B. 1985: 61) und die Formulierung der Amtlichen Regelung der deutschen Rechtschreibung (Duden 2004: 1114), daneben z.B. Lindauer (2002: 205) auf der Basis des Schweizerdeutschen. Die wichtigsten Vertreter von Regeltyp Β sind Eisenberg (z.B. 1998a: 297f.) und in anders gelagerter Form Maas (2000: 463), nämlich bezogen auf das Silbenschnittkonzept statt auf Ambisilbizität. Sowohl Regeltyp Α als auch Regeltyp Β werden üblicherweise in einer eingabeorientierten Perspektive interpretiert, also zur Beantwortung der Frage, wie lautliche Formen in schriftliche Formen überführt werden können. Ich möchte im Folgenden nicht im Detail die Meriten der einzelnen Ansätze herausarbeiten, sondern überlegen, ob sie als Ausgangspunkt für eine Schärfungsanalyse im Rekodierungsmodell dienen können. Dabei setze ich grundsätzlich bei Regeltyp A an. Um dies zu motivieren, erörtere ich zunächst Regeltyp B, um zu zeigen, inwiefern eine derart gelagerte Konzeption problematisch ist, und zwar einmal aus grundsätzlichen Erwägungen und einmal aus der speziellen Perspektive des Rekodierungsmodells. Beispielhaft für den Regeltyp Β betrachte ich die Schärfungsregel von Eisenberg (1998a): (84) silbenbasierte Schärfungsregel (Eisenberg 1998a: 297) Ein Doppelkonsonantengraphem erscheint immer dann, wenn im phonologischen Wort ein ambisilbischer Konsonant (Silbengelenk) auftritt. Verdoppelt wird das Graphem, das dem ambisilbischen Konsonanten phonographisch entspricht. Diese Regel nimmt also einen phonologischen Konsonanten in einer bestimmten silbenstrukturellen Konfiguration als Eingabe und überführt ihn in spezifischer Form in eine graphematische Repräsentation. Ein unmittelbarer Vorteil dieser Regel gegenüber Regeltyp Α besteht darin, dass die Schärfungsschreibung, die ja immer Konsonantenbuchstaben betrifft, unmittelbar aus Eigenschaften des entsprechenden phonologischen Konsonanten abgeleitet wird, statt dass Eigenschaften eines benachbarten Vokals fokussiert werden. Huneke (2002: 85) schätzt als weiteren Vorteil einer solchen Analyse, dass „nach dieser Auffassung im Geschriebenen die Information darüber [bewahrt wird], dass scharfer Silbenschnitt mit einem ambisyllabischen Konsonanten (Silbengelenk) vorliegt. Dies ist eine sinnvolle Information an die Leser eines Textes, die sie zum schnelleren Erfassen der zu lesenden Wörter nutzen können." Dies ist quasi eine Interpretation von Eisenbergs Modell aus Rekodierungssicht. Allerdings verwundert daran (neben der unzutreffenden Gleichsetzung von Ambisilbizität und Silbenschnitt, die sich freilich auch bei Eisenberg (2002: 124) finden lässt), dass die graphematische Markierung von Ambisilbizität rekodierungsfördernd sein soll, während die Vokalqualität des vorangehenden Vokals einer solchen Markierung wohl nicht zu bedürfen scheint. Tatsächlich aber ist Ambisilbizität nicht bedeutungsunterscheidend und damit nicht von primärer Relevanz für die Rekodierung, wenn diese auf bedeutungsunterscheidende Einheiten abzielen soll. Jedenfalls sollten in Schreibungen in erster Linie die bedeutungsunterscheidenden Einheiten bewahrt sein, denn ihr Erkennen ermöglicht das Verstehen eines Texts. Andere Arten von Informationen können zusätzlich markiert werden, haben dann aber nicht mehr als eine nachgeordnete Funktion zur Verstehensbeförderung.
128 Dass Ambisilbizität tatsächlich nicht bedeutungsunterscheidend ist, kann man daran sehen, dass sich keine entsprechenden Minimalpaare bilden lassen. Zwei Wörter können sich nicht allein dadurch unterscheiden, dass im einen ein Konsonant ambisilbisch ist, im anderen aber nicht. Zwar unterscheiden die distinkten Lautungen [be.tan] und [beten] Bedeutungen, aber diese Lautungen unterscheiden sich voneinander nicht nur dadurch, dass das [t] einmal nur in der zweiten Silbe steht, das andere Mal aber in beiden, sondern auch durch eine unterschiedliche Vokalqualität des vorangehenden Vokals. Diese ist unabhängig motiviert phonologisch distinktiv und deshalb nicht über ein gemeinsames Transkriptionssymbol für beide fraglichen Vokale zu nivellieren, wie ich in Abschnitt 2.1.2 dargelegt habe. Immerhin unterscheiden auch die Lautungen [bet] und [bet] Bedeutung, und hier liegt der lautliche Unterschied eindeutig nur im mittleren Segment, also im Vokal, und nicht in silbenstrukturellen Eigenschaften des folgenden Segments. Dass sich keine Minimalpaare finden lassen, die die Distinktivität von Ambisilbizität belegen könnten, liegt an syntagmatischen Eigenschaften von Vokalphonen im Deutschen. Mit der Annahme, dass im Reim von Vollsilben immer zumindest zwei Strukturpositionen auf der Skelettschicht besetzt sein müssen, lässt sich erklären, warum Wörter im Deutschen nicht mit einem zentralisierten Vollvokal enden können, wenn für solche zentralisierte Vokale die Assoziation mit einer einzigen Skelettposition angesetzt wird, für periphere Vokale aber die mit zwei Positionen. Auf diese Beschränkung werde ich in den folgenden Abschnitten häufig rekurrieren, da sie für die Rekodierung von Vokalbuchstaben und insbesondere für die Rekodierung von Vokalbuchstabenpaaren von großer Bedeutung ist. Zu Referenzzwecken bezeichne ich sie im Folgenden als Minimalitätsbedingung für Vollsilben. Daraus ergibt sich, dass auch wortinterne Silben nicht mit einem zentralisierten Vokal in Silbengipfelposition enden dürfen, weil dann ja gerade die zweite Reimposition frei ist. Konsonanten haben im Deutschen die Möglichkeit, Skelettpositionen in zwei aufeinanderfolgenden Silben zu besetzen, einmal zur Erfüllung der genannten Minimalitätsbedingung für Vollsilben, das andere Mal zur Erfüllung des Prinzips der Onsetmaximierung, wonach ein Onset nicht leer sein darf, wenn dem Silbengipfelelement der fraglichen Silbe linear ein Segment vorangeht, das im Prinzip in einem Silbenonset stehen darf. 3 Aus dieser Analyse folgt, dass Ambisilbizität nicht erzwungen wird, wenn die Vordersilbe eine Reduktionssilbe statt einer Vollsilbe ist (z.B. die mittleren Silben in [hu.ga.'nota]) oder wenn die zweite Reimposition der Vordersilbe bereits durch ein anderes Element gefüllt ist, sei es durch die zweite strukturelle Position, die jedem peripheren Vokal zukommt (z.B. in [be.tan]), sei es durch einen nicht-silbischen zentralisierten Vokal (also ein Diphthongbestandteil wie in [bau.tan]) oder sei es durch einen Konsonanten, der nicht den Onset der Hintersilbe füllen muss, was häufig dann gilt, wenn ein zweiter Konsonant zur Verfugung steht, der dies bereits leistet (z.B. in [bin.dan]). Genau genommen verlangt das Prinzip der Onsetmaximierung aber nicht nur, dass ein Silbenonset nach Möglichkeit gefüllt sein muss, sondern darüber hinaus, dass so viele Konsonanten wie möglich im Onset der Hintersilbe stehen. Dies ist z.B. erklärungsrelevant für die phonologische Struktur der Wortform der 1. Ps. Sg. Präs. zögre. Die Onsetmaximierung 3
Diese Regularitäten werden in ähnlicher Weise in vielen aktuellen Standardwerken zur deutschen Phonologie beschrieben, z.B. in Wiese (1996: 33-56). Eine Konzeption in deklarativem Format findet sich in Neef (1996a: 96-105; 2004b).
129
erklärt hierbei die Silbenstruktur [ts0.gRa] mit einem stimmhaften [g], während ohne dieses Prinzip auch eine Form mit stimmlosem [k] als [ts0k.R9] zu erwarten wäre. Eine Voraussetzung für diese Applikation der Onsetmaximierung ist, dass die fragliche Konsonantenfolge einen sprachspezifisch erlaubten Onset bilden kann. So ist zwar [gR] ein möglicher Silbenonset, der sich in heimischen Apellativa wie groß finden lässt, nicht aber [nd], weshalb in einem Wort wie binden der Onset der Hintersilbe nur aus einem einzelnen Konsonanten bestehen kann. Wenn eine Konsonantenfolge also einen möglichen Onset darstellt, kann demzufolge ein Konsonant nach einem zentralisierten Vokal auch dann ambisilbisch sein, wenn ihm ein weiterer Konsonant folgt. Dies ist etwa für [hopfan] oder [hetsan] sogar dann plausibel, wenn man Ambisilbizität in erster Linie phonetisch fundiert wissen möchte. Aber auch für intervokalische Konsonantenfolgen wie [ks], [ps] oder [pl] ist gegebenenfalls konsequenterweise Ambisilbizität anzusetzen, etwa in den Lautungen [vaksan] oder [ap'laus], Ambisilbizität ist damit nicht einmal für den Kernwortschatz, wie es Eisenberg (2002: 124) annimmt, auf einen internuklearen phonologischen Konsonanten beschränkt. Da in solchen Konstellationen, bei denen auf einen zentralisierten Vokal ein Konsonantenpaar folgt, das gemeinsam einen Onset bilden kann, häufig keine korrespondierende Doppelschreibung von Konsonantenbuchstaben vorliegt ( statt *, statt *Stöppsel>), verlangt dies nach einer Zusatzbestimmung in solchen Erklärungen von Schärfungsschreibungen, die sich des phonologischen Konzepts der Ambisilbizität bedienen. Zumindest ist es nicht so, dass Ambisilbizität grundsätzlich zu einer Schärfungsschreibung führt. Tatsächlich betrachtet Eisenberg (1998a: 297) die Schärfungsregel in (84) auch nur als Grundregularität, die auf theoretischer Ebene in zweifacher Weise durch Zusatzbestimmungen einschränkt wird. Die erste Einschränkung betrifft 'Mehrgraphen' wie , die explizit vom Verdopplungsgebot ausgenommen werden. Außerdem soll die Regel nicht für solche Gelenke gelten, denen eine Graphemfolge entspricht (Eisenberg 1998a: 298). In einer derivationellen Konzeption lässt sich dieser Ansatz widerspruchslos interpretieren, wenn zwischen zwei Arten von Gelenkschreibungen unterschieden wird: 'zugrundeliegende' Gelenkschreibungen wie ergeben sich unmittelbar aus der Anwendung der Korrespondenzregeln, die phonologische Segmente in Grapheme überführen, 'epenthetische' Gelenkschreibungen ergeben sich durch die Anwendung der besagten GPK-Regeln zuzüglich der derivationell nachgeordneten Schärfungsregel in (84). Zentral ist hierbei also das Konzept der Regelordnung, was die unmittelbare Übertragbarkeit des Ansatzes in das Rekodierungsmodell verhindert. Allerdings lassen sich alternative Wege vorstellen, wie der silbenbasierte Ansatz mit einer Rekodierungsanalyse harmonisiert werden könnte. Aufgrund der skizzierten syntagmatischen phonologischen Rahmenbedingungen, die in einer anderen Terminologie auch von Eisenberg selbst (1998a: 129) so eingeschätzt werden, markiert Ambisilbizität in indirekter Weise immer, dass das vorangehende Segment ein silbischer zentralisierter Vokal ist. Damit könnte Schärfung so eingeschätzt werden, dass sie letztlich zur Determinierung von Vokalqualitäten dient, die durch die einschlägigen Korrespondenzregeln für Vokalbuchstaben grundsätzlich inhärent unterdeterminiert sind. Dies könnte dergestalt in Korrespondenzregeln des Rekodierungsmodells gefasst werden, dass ein doppelt geschriebener Konsonantenbuchstabe mit einem Konsonantenphon in einer bestimmten Silbenstrukturposition korrespondiert, nämlich mit einem ambisilbischen Konsonanten. Allerdings bestimmen Korrespondenzregeln im Rekodierungsmodell die Korrespondenz zu phonologischen Segmenten oder Segmentfolgen, nicht aber syntagmatische Eigenschaften solcher Segmente.
130 Ohne eine substantielle Veränderung des Konzepts von Korrespondenzregeln wäre dieser Ansatz also nicht integrierbar. Alternativ wäre deshalb zu überlegen, ob hier eine graphematische Beschränkung formuliert werden kann, wonach einem doppelt geschriebenen Konsonantenbuchstaben untersagt wird, eine Korrespondenz zu einem Konsonantenphon in tautosyllabischer Position zu etablieren. Im Prinzip gehe ich davon aus, dass Beschränkungen auf diese Art phonologisch-struktureller Information Bezug nehmen können. Für die Schärfungsproblematik ist eine solche Analyse aber empirisch inadäquat. In vielen Schreibungen erlaubt nämlich ein doppelt geschriebener Konsonantenbuchstabe ohne weiteres die Korrespondenz zu einem tautosyllabischen Konsonanten, und zwar in einer Art, dass ein doppelt geschriebener Konsonantenbuchstabe über genau die gleichen Korrespondenzen verfugen kann wie ein einfach geschriebener Konsonantenbuchstabe, wie das Paar vs. belegt. Im Grundsatz scheint mir damit der silbenbasierte Ansatz keine mögliche Grundlage für eine Rekodierungsanalyse zu sein. Eisenbergs eingabeorientierter Ansatz funktioniert in diesem Punkt trotzdem, weil er nicht vorschreibt, dass jeder Doppelkonsonantenbuchstabe auf Ambisilbizität zurückzuführen ist. Hier ist das Prinzip der Konstanzschreibung bestimmter morphologischer Einheiten einschlägig. Für Eisenbergs Analyse genügt es, dass ein Stamm in einer designierten Flexionsform über einen ambisilbischen Konsonanten verfugt (abgesehen von den geschilderten Problemen mit Ambisilbizität bei Konsonantenpaaren). Dieser fuhrt zu einer Schärfungsschreibung, die dann über Stammkonstanz an die Schreibungen der gesamten Wortfamilie vererbt wird. 4 Da aus Rekodierungssicht ein solches Konstanzprinzip aber der Orthographie zugeordnet wird und nicht in die graphematische Basis hineinspielt, wie ich in Kap. 1 dargelegt habe, kann diese Analyse nicht in das Rekodierungsmodell übertragen werden. In diesem Ansatz leistet die Graphematik vielmehr eine Überführung von graphematischen Repräsentationen in phonologische Repräsentationen. Für die Schreibungen und muss das Modell eine Rekodierung der gleichen phonologischen Form [hast] gewährleisten. Dies ermöglicht die Mehrfachbuchstabenbeschränkung (40), die der Buchstabenfolge potentiell die gleiche Korrespondenz zuschreibt wie dem Einzelbuchstaben , wodurch die identische phonologische Form beider Schreibungen hergeleitet werden kann.
4.2.2
Unterdeterminierte Rekodierungskontexte für Vokalbuchstaben
Schärfungseigenschaften sind auf diese Weise freilich noch nicht erklärt, denn aus dem Umstand, dass eine Schreibung wie als [hast] rekodiert werden kann, lässt sich kein Grund erkennen, warum überhaupt eine Schreibung mit doppeltem Konsonantenbuchstaben sinnvoll sein könnte. Hier bietet es sich an, im Geiste des Regeltyps Α in (83) Schärfungsschreibungen unmittelbar auf die Funktion zu beziehen, die Korrespondenzmöglichkeiten von Vokalbuchstaben einzuschränken. Wie die Wortpaare des Typs Mond vs. Gold in (74) zeigen, können einfache Vokalbuchstaben im Prinzip sowohl auf einen peripheren wie auf einen zentralisierten Vokal verweisen. Die dort gegebenen Beispiele zeichnen sich dadurch aus, dass dem Vokalbuchstaben mindestens zwei Konsonantenbuchstaben folgen. 4
Probleme dieser Sicht fur ein eingabeorientiertes Modell diskutiere ich in N e e f (2002: 175-176).
131
In dieser Konstellation lässt sich die Tendenz erkennen, dass in Schreibungen von morphologisch einfachen Wörtern, also in reinen Wurzelschreibungen, die fraglichen Vokalbuchstaben bevorzugt mit zentralisierten Vokalen korrespondieren. Diese Tendenz hat jedoch keineswegs den Status einer Regel, denn die Zahl der Wörter mit gleicher graphematischer Struktur, bei denen der Vokalbuchstabe jedoch mit einem peripheren Vokal korrespondiert, ist (entgegen z.B. Äugst 1989: 3) nicht vernachlässigbar klein, wie die folgende unvollständige Liste mit 173 Fällen belegt (wobei einige der aufgelisteten Wörter allerdings auch eine Aussprachevariante mit zentralisiertem Vokal besitzen): (85)
Wörter mit einfachem Vokalbuchstaben für peripheren Vokal plus 2 Konsonantenbuchstaben a.
Adler, Adresse, adrett, Afra, Allegro, Allotria, Anakoluth, Aprikose, April, Art, Arzt, Äther, atmen, ätsch, Barsch, Bart, begegnen, Blust, Börse, Bratsche, Bustrophedon, damals, Diplom, Duplikat, duster, düster, Dynastie, ebnen, Ephraim, Erde, erst, Erz, Februar, Geburt, Gedöns, Grätsche, Gudrun, Harz, Herd, Herde, husten, Hybris, Hydra, Hygrometer, Iglu, Jagd, Joghurt, Jost, Karbatsche, Kardätsche, Kartätsche, Kebse, Keks, Kloster, Knatsch, Knust, knutschen, Koblenz, Kobra, Koks, Kothen, Krams, Krebs, Latsch, Latsche, Lepra, Lithium, Livree, Lotse, Magd, Metronom, Mithras, Mond, Mythos, nächst, Natron, nebst, Nephritis, Nüster, Nutria, Nutsche, Obrigkeit, Obst, Ostern, Österreich, Papst, Pentathlon, Persiflage, Pferd, Phädra, piksen, Plüsch, plustern, Probst, prosten, prusten, Pups, pusten, Quarz, Ratsche, Ratsche, regnen, rösten, Rubrum, Rübsen, Ruthenium, Schlaks, Schuster, Schwarte, Schwert, segnen, Sophrosyne, Städte, stets, Stuprum, Tatsche, Tethys, Tratsch, Triplum, Troglodyt, Trost, Typhlitis, Vogt, Watsche, watscheln, werden, Wert, Wuchs, Wust, wüst, zart, Zebra, Zitrone, Zitrus, Zypresse b. äks, Anapäst, Emd, Flatsch, funsch, kladderadatsch, Latsch, Lulatsch, Nutsch, Ost, Plebs, Pöks, Raft, Rost, Stert, Yard; Aerolith, Akolyth, Allopath, Anakoluth, Sikh c. Abraham, Abrakadabra, Abraxas, Adrenalin, afro-, Agnostiker, Agrasel, Atrium, apropos, Eklat, eklatant, eklektisch, Eklipse, Oblate, obligat, Obrist, Utrum
Hierbei habe ich unter (85a) Wörter aus verschiedenen Quellen zusammengetragen, die in expliziter Weise Daten der fraglichen Struktur auffuhren (v.a. Duden 1990: 60-95). Unter (85b) finden sich weitere, systematisch gewonnene Daten, und zwar aus dem Rückläufigen Wörterbuch von Muthmann (1988). Für diese Aufstellung habe ich einmal alle Einträge durchgesehen, die mit einem Buchstaben für einen koronalen Obstruenten enden, denn dies ist phonologisch die einzige Konstellationen, bei der auf einen peripheren Vokal ein Konsonantencluster folgen kann. Andererseits habe ich Schreibungen mit finalem betrachtet (soweit dieser Buchstabe nicht Teil einer festen Buchstabenverbindung ist), denn auch diese graphematische Struktur vermag die Voraussetzungen für die gesuchte phonologische Konstellation zu erfüllen, da kontextfrei mit Null rekodieren kann. Für die weiteren Daten in (85c) habe ich schließlich im Phonologischen Wörterbuch von Muthmann (1996) alle Einträge geprüft, die mit einem peripheren Vokal beginnen und auf die ein Konsonantencluster folgt. Für eine vollständigere Datenerhebung müssten in systematischer Weise auch mediale Positionen erfasst werden, und es müssten Namensdatenbanken über die sporadischen Angaben in (85) hinaus berücksichtigt werden (vgl. Dresden, Nils). In genau einem Fall der Daten in (85) existiert für dieselbe Schreibung auch das Lexem, das einen zentralisierten Vokal besitzt, nämlich im Fall (vgl. (75)). Drei Typen von Daten habe ich bei der Zusammenstellung der Liste in (85) ausgespart, weil sie von solchen Untersuchungen für irrelevant gehalten werden, die davon ausgehen, dass ein Vokalbuchstabe, der von mindestens zwei Konsonantenbuchstaben gefolgt wird,
132 immer nur mit einem zentralisierten Vokal korrespondieren kann. Einmal sind dies Wörter, bei denen dem fraglichen Vokalbuchstaben eine feste Buchstabenverbindung folgt wie , oder oder auch die Buchstabenfolge und dann unmittelbar ein Vokalbuchstabe. Wenn die fragliche Generalisierung aber buchstabenbezogen zu formulieren ist, wie ich es annehme, gibt es keinen Grund, diese Daten zu ignorieren. Vielmehr zeigt sich auch hier eine massive Unterdeterminiertheit in dem Sinne, dass die graphematische Form keinen Hinweis darauf liefert, ob ein Vokalbuchstabe mit einem peripheren oder einem zentralisierten Vokal korrespondieren soll. Für die Buchstabenfolge gibt es solche Daten nicht, was freilich phonologisch bedingt ist, da der einzige Korrespondent dieser Buchstabenfolge, nämlich der velare Nasal [η], ausschließlich nach silbischen zentralisierten Vokalen auftreten kann. Für die genannten festen Buchstabenverbindungen sind aber genügend Fälle zu entdecken, bei denen beide Arten von Korrespondenzen im Wortschatz des Deutschen vertreten sind. Die folgende Liste enthält hierfür beispielhaft die Buchstabenfolge , und zwar teilweise mit Korrespondenz zu einem zentralisierten und teilweise zu einem peripheren Vokal. In gewissem Ausmaß variiert dabei die Aussprache ein und desselben Worts. Allerdings enthält die Liste keine Homogramme des Typs : (86)
Unterdeterminiertheit der Buchstabenfolge (Basis: Duden 2000) a. zentralisierter Vokal b. peripherer Vokal Baruch juchten Buch Bruch juchzen Buche Buchs Luchs Eunuch Buchse Lucht Fluch Bucht Pomuchel Huchen Ducht Schlucht Kuchen Flucht schluchz Luch Frucht Schwuchtel Ruch Fuchs Spruch suchen Sucht Truchsess Fuchtel huch Wucht Tuch Juchart Zucht Wucher juchen Wuchs
Weiterhin habe ich in (85) auch morphologisch komplexe Wörter ausgelassen. Für die graphematische Komponente des Rekodierungsmodells ist diese Einschränkung aber nur von begrenzter Relevanz. Immerhin ist die morphologische Struktur von Wörtern nur insoweit rekodierungssteuernd, dass PW-Grenzen erkannt werden müssen (vgl. Abschnitt 2.3.2). Insbesondere vor Suffixen setze ich keine PW-Grenze an, sodass flektierte und derivierte Wörter mit Suffixen graphematisch in eine Klasse mit morphologisch einfachen Wörtern fallen. Unterdeterminiert können folglich auch solche Schreibungen sein, die über diese Art morphologischer Strukturiertheit verfugen. Besonders in diesem Bereich gibt es massenhaft Beispiele, bei denen ein Vokalbuchstabe vor zwei Konsonantenbuchstaben mit einem peripheren Vokal korrespondiert. Insbesondere lassen sich hier auch Homogramme finden, wozu die folgenden Fälle nur einen kleinen Einblick geben:
133 (87) Homogramme mit unterschiedlicher morphologischer Struktur a. zentralisierter Vokal b. peripherer Vokal
(die) Front (der) Gast (die) Kost (die) Last (die) Pest (das) Pult (die) Rast (der) Spurt
(sie) fron-t (er) gas-t (du) kos-t (ihr) las-t (er) pes-t (sie) pul-t (du) ras-t (er) spur-t
Schließlich habe ich bei der Zusammenstellung in (85) Wörter ausgespart, bei denen auf einen einfachen Vokalbuchstaben der Konsonantenbuchstabe plus mindestens ein weiterer Konsonantenbuchstabe folgt (, ). Der Buchstabe fallt in diesem Kontext nämlich nicht in eine Klasse mit den übrigen Konsonantenbuchstaben, sondern fungiert selbst als Dehnungszeichen, das die Korrespondenz des vorangehenden Vokalbuchstabens determiniert. In gewissem Ausmaß verhält sich hier das ähnlich, nämlich in einem Wort wie Basedows (vgl. Abschnitt 5.2.1). Dehnungszeichen stellen genauso wie Schärfungszeichen Determinierungsstrategien dar, um die inhärente Unterdeterminiertheit von Vokalbuchstaben zu überwinden.
4.2.3 Die Schärfungsbeschränkung Als Fazit aus den bisherigen Beobachtungen ergibt sich, dass die inhärent unterdeterminierten Korrespondenzen der Vokalbuchstaben nicht konsistent graphematisch determiniert werden, wenn auf einen Vokalbuchstaben mindestens zwei Konsonantenbuchstaben folgen. Wenn auf einen Vokalbuchstaben andererseits kein Konsonantenbuchstabe, sondern unmittelbar eine PW-Grenze folgt, dann ist die Korrespondenz dieses Vokalbuchstabens rein phonologisch determiniert. Da am phonologischen Wortende silbische zentralisierte Vokale im Deutschen ausgeschlossen sind, kann konsequenterweise ein Vokalbuchstabe vor einer PW-Grenze (und insbesondere am Ende eines Graphischen Worts) nicht auf einen silbischen zentralisierten Vokal verweisen, wohl aber auf alle anderen Typen von Korrespondenten, nämlich auf einen peripheren Vokal (, ), auf einen nicht-silbischen zentralisierten Vokal (, ), auf Schwa () oder auf Null (). Graphematisch interessant sind die übrigen Konstellationen, nämlich einerseits Folgen von zwei Vokalbuchstaben und andererseits Folgen von einem Vokalbuchstaben plus genau einem Konsonantenbuchstaben (jeweils ohne intervenierende PW-Grenze). Bei Folgen zweier Vokalbuchstaben kann die Korrespondenz des vorderen Vokalbuchstabens nicht durchgängig phonologisch determiniert sein, weil der hintere Vokalbuchstabe mit Null korrespondieren kann, insbesondere dann, wenn es sich hierbei um denselben wie den vorderen Buchstaben handelt oder um den Buchstaben . Dieses Thema wird in Kap. 5 erörtert. Im Folgenden betrachte ich das Rekodierungsverhalten von Folgen eines Vokalbuchstabens plus genau einem Konsonantenbuchstaben. Wichtig ist dabei, dass das hierauf folgende Element kein Konsonantenbuchstabe ist, sondern etwas anderes, also entweder ein Vokalbuchstabe oder eine Domänengrenze.
134 Wenn der Folge von Vokalbuchstabe plus einfacher Konsonantenbuchstabe eine PWGrenze folgt, korrespondiert der Vokalbuchstabe zumeist mit einem peripheren Vokal oder mit einem nicht-silbischen zentralisierten Vokal (als Zweitelement eines Diphthongs), im Falle des auch mit Schwa, aber nur selten mit einem silbischen zentralisierten Vokal. Allerdings gibt es für diesen selteneren Fall doch eine Reihe von Belege, die zumindest von segmentbasierten Schärfiingsregeln (Regeln des Typs Α in (83)) als Ausnahmen zu klassifizieren sind. Die Abgrenzung von heimischen Wörtern gegenüber Fremdwörtern erfolgt in der folgenden Liste nur tentativ: (88)
Vokalbuchstabe korrespondiert mit zentralisiertem Vokal im Kontext [KONS] > PW a. heimische Wörter offener Klassen betont: April, Bus, Jux, Klub; bin, hat unbetont: Bischof, Bräutigam, Eidam, Iltis, König, Kürbis, Wittib, Ypsilon b. geschlossene Klassen betont: ab, an, bis, das, des, hin, in, man, mit, ob, um, was, weg an-, des-, dis-, ex-, |n-, kon-, non-, sub-, ununbetont: er-, -ig, -in, -nis, -weg c. Fremdwörter betont: Chef, fit, Flop, Hotel, Mob, Relief, Sex unbetont·. Albatros, Ananas, Atlas, Globus, Graphik, Mythos, Rhythmus, Spatium d. Eigennamen betont: Cham, Jan, Nordenham, Prüm, Rex, Sif unbetont: Baltrum, Bendix, Cottbus, Fuhrhop, Hugin, Phillip, Portugal, Potsdam
Zur Erklärung von Schärfungsschreibungen habe ich in Neef (2002: 188) eine Beschränkung formuliert, die im Kern besagt, dass ein einfacher Vokalbuchstabe dann nicht mit einem zentralisierten Vokal korrespondieren darf, wenn ihm weniger als zwei Konsonantenbuchstaben unmittelbar folgen. Dadurch wären allerdings sämtliche Daten in (88) als Ausnahmen ausgewiesen. Um diesen Effekt etwas abzumildern, habe ich zweierlei Einschränkungen für die Schärfungsbeschränkung angesetzt: Zum einen soll sie nicht für geschlossene Klassen, nicht-assimilierte Fremdwörter und Eigennamen gelten. Als Skopus der Regel verbleibt damit eine recht heterogene Gruppe des Wortschatzes, nämlich eine Verbindung aus heimischen Wörtern offener Klassen (also Nomen, Verben und Adjektive) und assimilierten Fremdwörtern. Zum anderen sollen unbetonte wortfinale Silben nicht von der Beschränkung betroffen sein. Damit zeichnet sich diese Formulierung einer Schärfungsbeschränkung durch eine recht hohe Komplexität aus. An Attraktivität büßt sie weiterhin deshalb ein, weil selbst in der Gruppe der heimischen Wörter offener Klassen eine Reihe von Ausnahmen zu entdecken sind, wie in (88a) belegt, sodass die ohnehin eingeschränkte Schärfungsbeschränkung selbst im engsten Zuschnitt nicht volle Gültigkeit besitzt. Weiterhin ist vor dem Hintergrund des hier formulierten Rekodierungsmodells zu bemängeln, dass die Beschränkung für bestimmte Teilbereiche des Wortschatzes sensitiv ist. Bei einer strikten Unterscheidung von Graphematik und Orthographie sollte eine graphematische Schärfungsbeschränkung hierauf verzichten können, indem sie einen generellen Rahmen für die Rekodierungsmöglichkeiten von Vokalbuchstaben vorgibt. Dass orthographisch geregelte Schreibungen nur von einem Teil der graphematisch zugelassenen Möglichkeiten Gebrauch machen, sollte über originär orthographische Beschränkungen zu er-
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klären sein. In diesem Sinne trachte ich im Folgenden nach einer umfassenderen und zugleich einfacheren Formulierung einer graphematischen Schärfungsbeschränkung. Die wesentlichen Daten für eine solche Analyse liefert die letzte noch zu betrachtende Konstellation, wenn nämlich einem Vokalbuchstaben—genau ein Konsonantenbuchstabe folgt, der unmittelbar einem weiteren Vokalbuchstaben vorangeht. In solchen Fällen ist der erste Vokalbuchstabe in weitaus stärkerem Maße auf die Korrespondenz zu einem peripheren Vokal festgelegt. Allerdings finden sich auch in dieser Konstellation einige Fälle, bei denen die Korrespondenz zu einem silbischen zentralisierten Vokale aktualisiert wird (dabei ignoriere ich die anderen möglichen Korrespondenztypen wie die zu Schwa wie in goldene oder die zu einem nicht-silbischen zentralisierten Vokal wie in braune): (89)
Vokalbuchstabe korrespondiert mit zentralisiertem Vokal im Kontext [KONS] [νοκ] a. heimische Wörter offener Klassen betont: Mama, Hexe, Papa unbetont: b. Fremdwörter betont: Ananas, Anorak, City, Exitus, Januar, Kamera, Limit, Mini, Pony, Roboter unbetont: Examen, Lokomotive, Roboter, Universität c. Eisennamen betont: Axel, Litauen, Magath, Monaco, Ramelow, Stefan, Valentin, Vatikan unbetont: Alexandra
Hierbei ist zunächst das Verhalten des Buchstabens auffallig. Die Anzahl entsprechender Wörter ist wesentlich größer als in (89) aufgeführt. Der einem vorangehende Vokalbuchstabe korrespondiert in allen Fällen mit einem zentralisierten Vokal, und zwar zumeist mit einem in Silbengipfelposition, seltener mit einem nicht-silbischen wie in Deixel und feixen. Wenn phonologisch dem korrespondierenden Konsonantencluster [ks] ein peripherer Vokal vorangeht, kann dieses Cluster nicht mit verschriftet werden (vgl. Keks, Koks, piksen, quieksen, staksen, Wuchs, zunächst). Venezky (1999: 75) erwägt angesichts analoger Beobachtungen im Englischen, den Buchstaben als komplexe graphematische Einheit ('compound unit') zu behandeln, was ansonsten nur für Folgen von mindestens zwei Buchstaben angesetzt wird. Abgesehen von Schreibungen mit , die offenbar einen gesondert zu behandelnden Spezialfall darstellen, bleiben nur relativ wenige und überwiegend periphere Daten, die die diskutierte Korrespondenzmöglichkeit belegen. Diese möchte ich als hinsichtlich Schärfung tatsächlich unregelmäßige Fälle bewerten. Diese Einschätzung wird durch das Verhalten einiger Beispiele aus (88) untermauert, nämlich wenn die fraglichen Wurzeln in komplexeren morphologischen Strukturen auftreten:
136 (90)
Morphologische Ärztin
Variation zu Basen mit [VOK] [KONS] > G w Ärztinnen c. April
Kenntnis
Kenntnisse
Albatros
Albatrosse
Ananas
Ananasse
Bus fit
Busse fitter
Globus
Globusse
Iltis
Iltisse Kürbisse
Kürbis
Bischof Bräutigam Chef Eidam
d.
Aprile Bischöfe Bräutigame Chefin
Relief
Eidame Reliefe
Wittib
Wittibe
Graphik König
Graphiker Könige
Bei den Daten in (90a und b) liegt in der morphologisch abgeleiteten Form nicht die erwartbare graphematische Konstellation eines von zwei Vokalbuchstaben umgebenen Konsonantenbuchstabens vor, sondern der Konsonantenbuchstabe wird verdoppelt. Dies kann als Effekt einer Beschränkung interpretiert werden, die es einem Vokalbuchstaben verbietet, mit einem silbischen zentralisierten Vokal zu korrespondieren, wenn er vor der Folge eines Konsonantenbuchstabens und eines Vokalbuchstabens steht. Hierin sehe ich den Kern der Schärfungsbeschränkung. Die Daten in (90c) verstoßen folglich gegen diese Beschränkung. Bei den Schreibweisen folge ich Duden (2004), bei der Bewertung der Aussprache Duden (1990). Hier wird immerhin für einige Fälle wie Bischöfe auch eine periphere Aussprache des vorletzten Vokals zugelassen. Andere Schreibungen wie , und erscheinen mir hochgradig merkwürdig und im Grunde nicht geeignet, die intendierte Lautung rekodierbar zu machen. Die Daten in (90d) sind regelmäßig unter der Annahme, dass hier phonologische Variation vorliegt. Eine solche phonologische Variation nimmt Duden (1990) immerhin für Fälle des Typs Graphiker an und Eisenberg (2002: 126) für Fälle des Typs König: Dabei korrespondiert dann also der Vokalbuchstabe in der Wortform, die mit einem Konsonantenbuchstaben endet, mit einem silbischen zentralisierten Vokal, während die Form, bei der ein weiterer Vokalbuchstabe folgt, einen korrespondierenden peripheren Vokal aufweist. Bei vielen Fällen in (90) liegt übrigens Ambisilbizität bei einer unbetonten Vordersilbe vor. Die meisten Ansätze zu Schärfungsschreibungen gehen demgegenüber davon aus, dass phonologische Ambisilbizität (und infolgedessen Schärfungsschreibung) nur bei betonter Vordersilbe auftritt. Diese Einschätzung vereint segmentbasierte Ansätze wie dem der Amtlichen Regelung (Duden 2004: 1113) mit silbenbasierten wie dem von Eisenberg (1997: 332). Auch einschlägige phonologische Arbeiten vertreten überwiegend diese Ansicht wie z.B. Ramers (1992) und aktuell Fery (2003: 215). Die Daten in (90) deuten aber daraufhin, dass eine solche Einschränkung für die deutsche Phonologie keine Gültigkeit besitzt, wie z.B. auch Wiese (1996: 36) oder - beschränkt auf den Fremdwortbereich - Eisenberg (2002: 130) annehmen. Die eingeschränkte Sicht auf Ambisilbizität hängt vermutlich damit zusammen, dass für die Beurteilung phonologischer Regularitäten vorzugsweise nur reine Wurzelwörter oder höchstens komplexe Stämme, nicht aber flektierte Wörter herangezogen werden, ebenso wenig wie Fremdwörter. Erst eine Ausweitung der Datenbasis in der angedeuteten Richtung liefert aber eine hinreichende Zahl mehrsilbiger Wörter, an denen überprüft werden kann, ob Ambisilbizität auch bei unbetonter Vordersilbe möglich ist. Die hierfür aussagekräftigen Wörter müssen nämlich mindestens zwei Vollsilben enthalten, da Ambisilbizität nur nach einem Vollvokal auftreten kann und dieser nur unbetont sein kann,
137 wenn im selben Wort ein anderer Vollvokal die Betonung trägt. Ein genügend weiter Blick belegt aber deutlich, dass Ambisilbizität nicht von Betonung abhängig ist. Aus diesen Beobachtungen lässt sich schließen, dass ein Vokalbuchstabe nicht mit einem silbischen zentralisierten Vokal korrespondieren darf, wenn dem Vokalbuchstaben unmittelbar ein Konsonantenbuchstabe und dann ein Vokalbuchstabe folgt. In dieser graphematischen Konstellation sind alle anderen einschlägigen Korrespondenzen von Vokalbuchstaben dagegen möglich (abgesehen von denen zu konsonantischen Phonen, die aber ohnehin einen folgenden Vokalbuchstaben voraussetzen). So kann ein Vokalbuchstabe dann mit einem peripheren Vokal korrespondieren (wie in ) oder mit einem nicht-silbischen zentralisierten Vokal (wie in ) oder mit Schwa (wie in ) oder mit Null (wie in ). Deshalb formuliere ich die Schärfungsbeschränkung wie folgt: (91)
Schärfungsbeschränkung Ein Vokalbuchstabe kann nicht mit einem silbischen zentralisierten Vokal korrespondieren, wenn ihm unmittelbar ein Konsonantenbuchstabe (außer ) und dann ein Vokalbuchstabe folgt.
Auf der Eingabeseite dieser Beschränkung müsste eigentlich nicht festgelegt werden, dass es sich bei dem fraglichen Buchstaben um einen Vokalbuchstaben handelt, weil Konsonantenbuchstaben ohnehin nicht mit Vokalen korrespondieren können und damit die Beschränkung zwangsläufig immer erfüllen würden. Ich wähle die gegebene Formulierung nur der Deutlichkeit halber und werde dies ebenso bei weiteren Beschränkungen handhaben, die die Korrespondenzen zu vokalischen Phonen betreffen. Generell ist bei der Schärfungsbeschränkung der Kontext vor dem fraglichen Vokalbuchstaben irrelevant, also insbesondere die Frage, ob diesem Buchstaben ein weiterer Vokalbuchstabe vorangeht oder nicht. Auf der anderen Seite verlangt die Beschränkung, dass die beiden folgenden Buchstaben für die Rekodierung überblickt werden. Hier zeigt sich also derselbe systematische Vorausschauwert von zwei Buchstaben, wie er sich auch in Abschnitt 3.7.2 für die Korrespondenzregeln fester Buchstabenverbindungen als einschlägig erwiesen hat. Die Probleme, die die wortfinale Position der in Neef (2002: 188) formulierten Beschränkung macht, sind durch die Schärfungsbeschränkung in (91) dadurch behoben, dass nicht verlangt wird, dass dem fraglichen Vokalbuchstaben zwei Konsonantenbuchstaben folgen müssen, sondern dass im Grunde auch ein einzelner Konsonantenbuchstabe ausreicht, aber nur dann, wenn danach nicht unmittelbar ein Vokalbuchstabe folgt, sondern beispielsweise das Wortende. Damit kann der Vokalbuchstabe in einer Schreibung wie sehr wohl in regulärer Weise mit einem silbischen zentralisierten Vokal korrespondieren. Wesentliche Unterschiede zwischen den beiden Schärfungsbeschränkungen betreffen freilich die Konstellation, bei der auf den betroffenen Vokalbuchstaben gar kein Konsonantenbuchstabe folgt, sondern entweder ein Vokalbuchstabe oder das Wortende. Die Beschränkung in Neef (2002) verbietet in solchen Fällen die Korrespondenz zu einem silbischen zentralisierten Vokal, während die neue Formulierung in (91) sich hierzu nicht äußert. Für den zweiten Fall muss sie dies auch nicht, denn wenn ein Vokalbuchstabe am Wortende steht, kann dieser wegen der Minimalitätsbedingung für Vollsilben ohnehin nicht mit einem silbischen zentralisierten Vokal enden. 5 Für den ersten Fall, also wenn der Vo5
Auch wenn z.B. Becker (1998: 86) eine Aussprache von Auto als [auto] für 'durchaus möglich' hält.
138
kalbuchstabe einem anderen Vokalbuchstaben vorangeht, tut die Schärfungsbeschränkung in (91) gut daran, die Korrespondenz zu einem silbischen zentralisierten Vokal nicht zu unterbinden, denn bei Diphthongschreibungen liegt genau dieser Kontext vor. So geht der erste Vokalbuchstabe in der Schreibung unmittelbar einem Vokalbuchstaben voran und korrespondiert doch mit einem silbischen zentralisierten Vokal. Nach der in Neef (2002) formulierten Beschränkung wäre dies fälschlicherweise ausgeschlossen, weil dem ersten Vokalbuchstaben in diesem Beispiel weniger als zwei Konsonantenbuchstaben folgen und damit die faktisch vorliegende Korrespondenz theoretisch verboten wird. Insofern ist die Formulierung in (91) der Beschränkung in Neef (2002) empirisch überlegen. Als Nächstes bespreche ich Konsequenzen, die die Schärfungsbeschränkung für die Orthographie hat. Wenn diese dadurch ausgezeichnet ist, dass sie zumindest für Wurzeln soweit wie graphematisch möglich konstante Schreibweisen verlangt, dürfen Wurzelschreibungen, deren letzter Vokalbuchstabe mit einem silbischen zentralisierten Vokal korrespondieren soll, nicht mit einem einfachen Konsonantenbuchstaben enden. Zwar würde eine derart gelagerte Schreibung wie etwa mit der korrespondierenden Lautung [bus] für sich genommen nicht gegen die Schärfungsbeschränkung in (91) verstoßen. Morphologische Operationen der Flexion und der Derivation fuhren aber vor allem für die flektierenden Wortarten häufig dazu, dass an Wurzelschreibungen solche Buchstabenfolgen angefugt werden, die mit einem Vokalbuchstaben beginnen. Unter Beibehaltung des Konstanzgebots folgt damit für die Schreibung der Pluralform von Bus, dass diese eigentlich lauten müsste. In dieser Schreibung kann der erste Vokalbuchstabe aber wegen der Beschränkung (91) nicht mit einem silbischen zentralisierten Vokal korrespondieren, was freilich intendiert ist. Für das Schriftsystem stehen angesichts dieser Problematik verschiedene Lösungswege offen (unter Aussparung von Änderungen der Lautung): Eine Möglichkeit ist es, die morphologisch erweiterten Wurzelschreibungen ohne besondere Modifikation als korrekt auszuweisen. Damit würde freilich eine Schreibung wie eine graphematisch unregelmäßige Form darstellen, weil sie nicht nach den Bedingungen des graphematischen Systems rekodierbar ist. Wenn fremde Wörter in das deutsche Schriftsystem integriert werden, ist genau eine solche Situation zu erwarten. In dieser Art würde ich das Wort Chef einordnen, das sich grammatisch noch nicht völlig integriert hat, da in seinem Flexionsparadigma nur unsilbische Flexive enthalten sind, sodass bei den entsprechenden Schreibungen an die Wurzelschreibung kein Vokalbuchstabe unmittelbar angefugt wird. Die orthographische Konstanzbedingung führt dann zur graphematisch unregelmäßigen Schreibung für die derivierte Form . Diese müsste in graphematisch regulärer Form eigentlich geschrieben werden, die Wurzel mithin unter Einhaltung des Konstanzprinzips . Ein anderer Lösungsweg wäre es, die Konstanzbedingung zu verletzen. Das Lexem Bus beschreitet genau diesen Weg, indem in der flektierten Form die Wurzelschreibung nicht eindeutig abgebildet wird. Dafür gelingt in beiden Fällen eine graphematisch reguläre Rekodierung. Bei der Integration fremder Wörter lässt sich auch diese Strategie erkennen. So wird das aus dem Englischen stammende Wort Mob im Deutschen wie im Englischen geschrieben, obgleich das hieraus abgeleitete Verb mobben zwei Konsonantenbuchstaben nach dem ersten Vokalbuchstaben enthält. In anderen Fällen wird diese im Verb angesichts Beschränkung (91) notwendige Doppelschreibung auf die basierende Wurzel zurückvererbt wie etwa bei Mopp, zu dem das Verb moppen existiert und das bis zur letzten Orthographiereform mit nur einem Konsonantenbuchstaben geschrieben wurde. In
139 diesem Bereich wird die Möglichkeit, Wurzelschreibungen zu erweitern, allerdings überlagert von einer orthographischen Beschränkung, die es graphischen Wörtern verbietet, mit einer Doppelschreibung von Buchstaben für stimmhafte Obstruenten zu enden (vgl. Neef 2003: 113-116). Deshalb kann das Wort Mob nicht geschrieben werden, obwohl das Verb mobben dieselbe Wurzel enthält. Diese Beschränkung fugt sich freilich nicht natürlich in das deutsche Schriftsystem, weshalb sie über reformerische Maßnahmen ohne weiteres aufhebbar sein sollte. Die für die deutsche Orthographie charakteristische Art, die Beschränkung in (91) und zugleich das Konstanzgebot zu befolgen, liegt bekanntermaßen darin, Wurzelschreibungen, für deren Rekodierung ein einzelner finaler Konsonantenbuchstabe ausreichen würde, um einen Konsonantenbuchstaben zu erweitern, wenn der letzte Vokalbuchstabe mit einem silbischen zentralisierten Vokal korrespondieren soll. Deshalb wird die Wurzel des Lexems BALL mit einem doppelten finalen Konsonantenbuchstaben geschrieben, obwohl die Schreibung genügen würde, die reine Wurzel, wie sie im Nominativ Singular vorliegt, rekodierbar zu machen. Schärfungsschreibungen werden damit also nicht, wie ich es in Neef (2002) angenommen habe, dadurch bedingt, dass auf einen Vokalbuchstaben unbedingt zwei Konsonantenbuchstaben folgen müssen, wenn der Vokalbuchstabe mit einem silbischen zentralisierten Vokal korrespondieren soll. Vielmehr ist die fragliche Korrespondenz nur ausgeschlossen, wenn auf den Vokalbuchstaben genau ein Konsonantenbuchstabe und dann unmittelbar ein Vokalbuchstabe folgt. Über die orthographische Konstanzforderung werden Schärfungsschreibungen dann auch an solche Wortformen vererbt, bei denen bei Einfachschreibung kein Verstoß gegen die Beschränkung in (91) vorliegen würde. Eisenberg (2002) macht in diesem Zusammenhang auf wichtige Daten des Fremdwortbereichs aufmerksam, bei denen sich Aussprachevarianten beobachten lassen, die orthographisch problematisch sind: (92)
Fremdwörter mit Aussprachevariation (Eisenberg 2002: 128-133) a. Fabriken, Kredite, Institute b. Material, definitiv, generell, Revolution, Abitur, Privatisierung, Volumen c. Ballast, Terrasse, Zinnober, Kollege
Zu diesen Daten nimmt Eisenberg (2002) an, dass jeweils zwei alternative Aussprachevarianten existieren, einmal mit peripherem und einmal mit zentralisiertem Vokal. Dies betrifft bei den Daten in (92a) immer die vorletzte Silbe, bei der es sich um die betonte Silbe handelt, in (92b und c) dagegen die jeweils erste Silbe, die ihrerseits unbetont ist. Der Aussprache-Duden (1990) gibt dagegen für alle Fälle nur jeweils eine Aussprachemöglichkeit vor, und zwar eine mit peripherem Vokal bei den Daten in (92a und b) und eine mit zentralisiertem Vokal bei (92c) (wobei für die a-Laute freilich nicht zwei Qualitäten unterschieden werden). Dies kann man so interpretieren, dass die vom Duden (1990) angesetzten Aussprachen die Standardlautung darstellen, die genau in den orthographischen Repräsentationen aufgehoben sind, während die von Eisenberg (2002) als alternativ angenommenen Aussprachen einem Substandard angehören, wobei substandardsprachliche Aussprachen nicht unbedingt aus Schreibungen rekodierbar sein müssen. Diese Ansicht könnte sich aber als zirkulär erweisen in dem Sinne, dass die Aussprachevorgaben des Duden (1990) letztlich schriftgeleitet sind, wie Becker (1998: 89) kritisiert. Deshalb scheint es klüger zu sein, wie Eisenberg (2002) die konstatierten Aussprachevarianten als prinzipiell gleichwertig einzustufen. Seine Bewertung der Datenlage lautet wie folgt:
140 Eine systematische Korrelation von Ambisilbizität und graphematischer Gemination würde bei den Fremdwörtern zu einer phantastischen Zahl von Schreibvarianten fuhren. Was eine phonologisch-prosodische Fundierung betrifft, wird Gemination in der betrachteten Domäne generell vermieden. (Eisenberg 2002: 131)
Für ein Wort wie Kollege nimmt Eisenberg demzufolge wohl an, dass nach der lautlichen Basis eigentlich die beiden Schreibungen und koexistieren müssten, was aber der Orthographie missfällt. Implizit vertritt er damit wie ich die Auffassung, dass die Orthographie vom Konstanzgedanken geprägt ist und für eine Wurzel nur eine Schreibung bereitstellen möchte, womit nicht nur phonologisch oder morphologisch bedingte Variation orthographisch ausgeschaltet wird, sondern eben auch stilistische Variation. Aus Rekodierungssicht liegt deshalb die Einschätzung auf der Hand, dass in den Schreibungen in (92) nur jeweils eine der beiden zu konstatierenden Aussprachen aus der graphematischen Repräsentation rekodiert werden kann, nämlich diejenige, die der Duden (1990) als Standard definiert, während die andere Form zwar eine mögliche Aussprache des betreffenden Worts darstellt, die aber gerade nicht in der Schreibung aufgehoben ist. Nur auf diese Weise kann erfasst werden, dass die Daten in (92) merkwürdig und problematisch sind, also dadurch, dass die alternativen Lautungen gegen eine graphematische Beschränkung verstoßen, im vorliegenden Fall zumindest für die Daten in (92a und b) gegen die Schärfungsbeschränkung in (91). Für die Daten in (92c) wird noch eine Beschränkung zu formulieren sein, vor deren Hintergrund sie sich als graphematisch ausnahmshaft erweisen werden (vgl. (94)). Wenn dagegen, wie Eisenberg es anzunehmen scheint, für Fremdwörter die Rekodierung des betrachteten phonologischen Aspekts nicht von Belang sein sollte, müsste ich davon ausgehen, dass die Schreibungen in (92) durchweg unterdeterminiert sind und einfach eine Rekodierung beider Lautungen möglich ist. Damit müssten diese Daten aber genauso funktionieren wie Homogrammschreibungen wie oder . Dies scheint mir aber den fraglichen Daten nicht gerecht zu werden. Das heißt, eine Schreibung wie kann (fur den aktuellen Aspekt) graphematisch nur als [vo.lu.mon] rekodiert werden, während die Lautung [volu.mgn] nicht im graphematischen Lösungsraum_enthalten ist. Wenn das Wort Volumen dennoch so ausgesprochen werden kann, stellt dies eine graphematisch nicht lizensierte Korrespondenzform dar wegen des Verstoßes gegen die Beschränkung in (91). Allerdings ist die Graphematik des Deutschen prinzipiell nicht darauf eingestellt, solche Variationen der Aussprache eines Vokals zwischen einer peripheren und einer zentralisierten Version rekodierbar zu machen. Da solche Fälle unter den heimischen Wörtern kaum üblich sind, ist dieser Mangel der Graphematik möglicherweise verständlich. Immerhin stellt aber der Fall König eine einschlägige Instanz dar (vgl. (90d)), ebenso wie das Wort Stadt.
4.2.4 Die Distribution von Schärfungsschreibungen Insgesamt stellt die vorgeschlagene Analyse in (91) gewissermaßen eine Synthese der beiden in (83) vorgestellten Regeltypen fur Schärfungsdaten dar. Im Sinne segmentbasierter Regeln dient die Schärfungsbeschränkung in (91) dazu, die Qualität vokalischer Segmente graphematisch eindeutiger zu machen, als sie durch die inhärent unterdeterminierten Korrespondenzregeln für Vokalbuchstaben vorgegeben ist. Allerdings fuhrt diese Beschrän-
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kung nicht dazu, dass die Korrespondenz von Vokalbuchstaben eindeutig auf periphere Vokale festgelegt wird, sondern es wird vielmehr nur eine mögliche Korrespondenzart ausgeschlossen, nämlich die zu silbischen zentralisierten Vokalen. Ein gewisses Maß an Unterdeterminiertheit bleibt auf diese Weise erhalten. Andererseits spielt das orthographische Konzept der Konstanzschreibung für orthographisch bedingte Schreibungen nach dieser Analyse eine Rolle, weil die Doppelschreibung von Konsonantenbuchstaben wie in nicht dadurch motiviert ist, dass die Einfachschreibung die korrespondierende Lautung nicht rekodierbar machen könnte. Vielmehr gehören sowohl als auch in den graphematischen Lösungsraum fur die Lautung [mop]. Damit ähnelt diese Analyse dem Regeltyp Β in (83), insbesondere den hierunter fallenden Ansätzen von Eisenberg (1998a) und Maas (2000), die ebenfalls für Schreibungen wie die Doppelschreibung des Konsonanten nicht unmittelbar aus ihrer Schärfungsregel ableiten, sondern vermittelt über das Konstanzgebot aus anderen Schreibungen. Allerdings bezieht sich Eisenberg (1998a) dabei auf sogenannte 'prosodisch determinierte Explizitformen' (die Maas (1992: 304) 'Stützformen' nennt). Die Argumentation verläuft dabei so, dass eine Doppelschreibung eines Konsonanten in einer Wurzel genau dann vorliegen soll, wenn es im morphologischen Paradigma dieser Wurzel zumindest eine Wortform gibt, bei der die einschlägige Schärfungskonstellation gegeben ist, im Falle von Eisenberg (1998a) also eine phonologisch ambisilbische Position. In Neef (2002: 175f.) habe ich darauf hingewiesen, dass eine solche Konzeption problematisch ist, weil für eine Reihe von Wurzelschreibungen mit verdoppeltem Konsonantenbuchstaben keine entsprechende Stützform mit Ambisilbizität gefunden werden kann (z.B. Puff, Mastiff).6 Die Rekodierungsanalyse verfährt in diesem Punkt vorsichtiger, indem sie nur die graphematischen Rahmenbedingungen expliziert, die Schärfungsschreibungen motivieren können, ohne für jeden Einzelfall festzuschreiben, dass eine Schärfungsschreibung vorliegen muss. Hierfür ist die orthographische Komponente des Modells zuständig. Einige Aspekte der Distribution von Schärfungsschreibungen, die für andere Analysen Ausnahmen oder zumindest durch distinkte Unterregeln zu klärende Besonderheiten darstellen, folgen zwanglos aus der gegebenen Schärfungsanalyse. Ein erster Bereich ist das Ausbleiben der Verdopplung von solchen Buchstabenfolgen, die mit einem einfachen Konsonantenphon korrespondieren: (93) Konsonantenbuchstabenfolgen mit Einfachkorrespondenz ohne graphematische Verdopplung a.
*
* b.
* c.
* d.
* e.
Sekt Halm im an Zopf ägual Herz
[KONS]
ist Matsch Dubrovnik Gorbatschow Hexe Skizze
Lediglich für und habe ich keine einschlägigen Fälle gefunden. Dabei lässt sich die Lücke des unabhängig erklären: Dieser Buchstabe hat nur eine einzige Korrespondenzmöglichkeit, nämlich die zu [j] (vgl. Abschnitt 3.1). Da dieses Phon keinesfalls im
162 Silbenreim auftreten darf, auch nicht in ambisilbischer Position, ergibt sich, dass der dem Buchstaben vorangehende Vokalbuchstabe nicht mit einem silbischen zentralisierten Vokal korrespondieren darf. Schließlich verlangt ein solchcr Vokal im Deutschen zumindest noch ein weiteres Element im Silbenreim. Phonologisch verhält sich das Phon [h] hier genau wie [j]. Der Buchstabe hat aber andere Eigenschaften als der Buchstabe , denn er kann nicht nur mit dem genannten phonologisch eingeschränkt distribuierten Phon korrespondieren, sondern auch mit Null. Für eine Nullkorrespondenz aber kann schlechterdings keinerlei phonologische Beschränkung einschlägig sein. Insofern kann der Buchstabe in keinem graphematischen Kontext phonologisch begründete Rekodierungsschwierigkeiten bereiten. Dass der Buchstabe dem unmittelbar vorangehenden Vokalbuchstaben seine Korrespondenz zu einem silbischen zentralisierten Vokal verbietet, ist folglich weder durch phonologische Regularitäten noch durch die bislang formulierten graphematischen Korrespondenzregeln erklärt. Vielmehr stellt dies eine spezifische Regularität des Schriftsystems dar, die den Buchstaben als Dehnungszeichen auszeichnet. Im Grunde könnte dies in die Korrespondenzregeln für Vokalbuchstaben eingearbeitet werden, allerdings mit der Konsequenz, dass dieselbe Einschränkung in jede einzelne der acht Vokalbuchstabenregeln aufzunehmen wäre (Nerius et al. (2000: 120f.) tun dies im Prinzip). So könnte beispielsweise in der Korrespondenzregel für den Buchstaben vermerkt werden, dass dieser Buchstabe unbedingt mit dem peripheren Vokal [α] korrespondiert, wenn er dem Buchstaben vorangeht. Damit würde jedoch der Zusammenhang zwischen diesen Einzelbeobachtungen nicht erfasst. Deshalb bietet sich die Formulierung einer Beschränkung an, die die durch die Gesamtheit graphematischer Korrespondenzregeln vorgegebenen Rekodierungsmöglichkeiten in spezifischer Weise einschränkt. Diese Beschränkung betrifft tatsächlich die Graphematik generell und nicht nur den orthographisch geregelten Teil des Wortschatzes. Immerhin scheint es auch im Eigennamenwortschatz keine Gegenbeispiele gegen die Dehnungsfunktion des zu geben. Jedenfalls müssen Eigennamen wie Ohm, Bohmte oder Mihla an fraglicher Stelle wohl notwendig mit einem peripheren Vokal rekodiert werden und keinesfalls mit einem silbischen zentralisierten Vokal. Möglicherweise ist Dehnung aber mehr als der Ausschluss der Korrespondenz eines Vokalbuchstabens zu einem silbischen zentralisierten Vokal. Nur wenn dies zutrifft, gibt es einen Grund dafür, Dehnung als ein besonderes graphematisches Phänomen zu betrachten; andernfalls wäre es lediglich eine spezifische Art der Schärfung. Deshalb bedenke ich als Nächstes, ob auch andere Korrespondenzmöglichkeiten von Vokalbuchstaben durch ein folgendes unterbunden werden. Hierzu betrachte ich zunächst Korrespondenzen zu Konsonanten. Dies betrifft die Vokalbuchstaben sowie und , die mit den Konsonanten [v] bzw. []] korrespondieren können, allerdings nur, wenn unmittelbar ein weiterer Vokalbuchstabe folgt wie in Quark, Nation oder Papaya (was explizit in den entsprechenden Zeilen der fraglichen Korrespondenzregeln in Abschnitt 4.1 vermerkt ist), und jedenfalls nicht, wenn der Buchstabe folgt. Damit fallen diese Korrespondenzen aus dem Bereich möglicher Konstellationen für eine Dehnungsmarkierung mit heraus. Weiterhin verfugt der Buchstabe über besondere Korrespondenzmöglichkeiten, nämlich zu Schwa und zu Null. Zumindest die Korrespondenz zu Schwa ist nicht prinzipiell ausgeschlossen, wenn der Buchstabe auf den Buchstaben folgt:
163 (110) Korrespondenzen der Buchstabenfolge a. Zeh, Taipeh b. probehalber, reklamehaft c. Hottehü; Buxtehude, Eckehard d. Bethlehem
Wohl ist bei Daten des Typs (110a) die Korrespondenz zu Schwa ausgeschlossen, was im Fall von nicht eigens graphematisch erklärt werden muss, da die fragliche Korrespondenz hier phonologisch dadurch unterbunden ist, dass nur ein Vokal im Wort enthalten ist und dieser damit aus phonologischen Gründen ein Vollvokal sein muss. Im Fall dagegen ist dieses phonologische Argument nicht einschlägig. Phonologisch ist hier nur die Korrespondenz zum zentralisierten Vokal [ε] ausgeschlossen, während die anderen Korrespondenten des im Prinzip möglich sein sollten. Graphematisch scheidet die Korrespondenz zu [a], die nur vor den Buchstaben und möglich ist, ebenso aus wie die Nullkorrespondenz, die sich gemäß der Korrespondenzregel für in (105) nur in Nachbarschaft eines Buchstabens für einen Vokal oder einen Sonoranten entfalten kann. Damit ist die Schreibung theoretisch nunmehr nur noch unterdeterminiert hinsichtlich der Frage, ob der Buchstabe mit Schwa oder mit dem peripheren Vollvokal [e] korrespondiert. Faktisch ist Schwa freilich ausgeschlossen, was folglich durch eine graphematische Beschränkung zu erklären ist. Wichtig ist dabei, dass für den Buchstaben in dieser Konstellation nur die Nullkorrespondenz in Frage kommt, weil in wortfinaler Position die Korrespondenz zu [h] phonologisch ausgeschlossen ist. Das ist bei den anderen Daten in (110) nicht der Fall; hier korrespondiert mit [h], und genau in diesem Fall kann auch der Buchstabe mit Schwa korrespondieren, wenn er einem solchen vorausgeht. Dabei geben die Daten in (11 Ob) Beispiele für Schwa vor Suffixen, die mit [h] beginnen, und die Fälle in (110c) steuern Daten aus dem peripheren Wortschatz bei, nämlich aus der Kindersprache bzw. aus dem Eigennamenwortschatz. Der Fall in (llOd) ist nur dann einschlägig, wenn hier überhaupt eine schwahaltige Aussprache angesetzt wird; Duden (1990) beispielsweise gibt stattdessen einen peripheren Vokal vor. Mir scheint die Aussprache der Schreibung als [bet.ta.hem] aber durchaus üblich zu sein, womit dies als Fall einer Schriftaussprache einen guten Beleg für die Korrespondenz von zu Schwa vor abliefern würde, besonders auch deshalb, weil die letzte Silbe keinen Suffixstatus hat. Über PW-Grenzen hinweg ist diese Korrespondenz ohnehin möglich wie etwa in . Zuletzt prüfe ich in diesem Zusammenhang die Möglichkeit der Nullkorrespondenz von Vokalbuchstaben vor . Da der Buchstabe nach Vokalbuchstaben grundsätzlich mit Null korrespondieren kann, könnte es Konstellationen geben, in denen ein solches mit Null korrespondierendes einem vorangeht. Dies ist tatsächlich im heimischen Kernwortschatz möglich wie in Schreibungen des Typs . Da hierbei auch die Dehnungsfunktion von Vokalbuchstaben betroffen ist, verfolge ich diese Daten erst in einem späteren Abschnitt (5.2.4). Die Mehrfachbuchstabenbeschränkung (40) erlaubt Vokalbuchstaben grundsätzlich eine Nullrekodierung, wenn sie einem gleichen Buchstaben folgen. Auch in einer solchen Konstellation könnte ein nachfolgen. Hierfür sind allerdings weder in Duden (2000) noch in der Ortsnamendatenbank BKG (2002) Belege zu finden. Der Familienname Maahn5 illustriert jedoch, dass die Rekodierung einer solchen Buchstabenfolge 5
Wolf Maahn ist ein zeitgenössischer deutscher Popsänger.
164 unproblematisch zu sein scheint. Der Buchstabe verbietet einem vorangehenden Vokalbuchstaben also nicht die Nullkorrespondenz. Damit lässt sich die Dehnungsfunktion des zusammenfassend wie folgt charakterisieren: Immer wenn einem Vokalbuchstaben ein unmittelbar folgt, kann der Vokalbuchstabe keine Korrespondenz zu einem zentralisierten Vokal in Silbengipfelposition etablieren. Möglich ist die Korrespondenz zu einem peripheren Vokal (wie in ). Hierin gleicht das dem , wenn dieses nämlich nach dem Vokalbuchstaben kontextuell beschränkt mit Null korrespondieren darf wie in . Dass der Buchstabe seinerseits nicht mit dem peripheren [o] korrespondieren darf, ist in den fraglichen Korrespondenzregeln nicht festgeschrieben und wartet deshalb noch auf eine Erklärung, die der anstehenden Dehnungsbeschränkung anheim fällt. Weiterhin kann ein Vokalbuchstabe vor mit einem nicht-silbischen zentralisierten Vokal (nämlich als Zweitbestandteil eines Diphthongs wie in ) oder mit Null korrespondieren (wie in ). Korrespondenzen von Vokalbuchstaben zu Konsonanten sind in diesem Zusammenhang aus strukturellen Gründen nicht einschlägig. Wesentlich für die Charakterisierung von Dehnung ist die Bewertung der Korrespondenzmöglichkeit zu Schwa. In der Buchstabenfolge kann der Buchstabe nur dann mit Schwa korrespondieren, wenn der Buchstabe nicht mit Null, sondern mit [h] korrespondiert. Wenn der Buchstabe generell als Dehnungszeichen angesehen wird, fallt das Schwa nicht unter die von Dehnungszeichen ausgeschlossenen Korrespondenzmöglichkeiten. Wenn der Buchstabe aber nur dann als Dehnungszeichen gilt, wenn ihm eine Nullkorrespondenz zukommt (und dies ist die traditionelle Sicht von Dehnung), dann ist auch die Korrespondenz zu Schwa ausgeschlossen. An dieser Stelle ist keine unabhängig motivierte Entscheidung fur die eine oder die andere Sicht möglich. Die Einbeziehung von Vokalbuchstaben mit Dehnungsfunktion kann hier aber als Entscheidungshilfe dienen.
5.2.2
Doppelvokalschreibungen
Doppelvokalschreibungen stellen eine homogene Gruppe von Vokalbuchstabenpaaren dar, die mit der Dehnungsfunktion verknüpft sind. Im Kernwortschatz des Deutschen finden sich nur verhältnismäßig wenige Fälle diesen Typs, die sich auf drei der neun denkbaren Fälle beschränken. Die folgende Belegliste basiert auf Maas (2000), der seiner Untersuchung den Rechtschreib-Duden zugrunde legt. Ich habe zwei Gruppen von bei Maas verzeichneten Daten ausgenommen, nämlich Wörter wie Tweed, Zoom oder Cartoon, die die Aussprache ihrer Quellsprache beibehalten haben und deshalb als fremdsprachliche Wörter von der Betrachtung auszuschließen sind, sowie Eigennamenwörter wie Aachen, Saale oder Beethoven, die in Maas' Liste nur fragmentarisch enthalten sind und die ich im Anschluss separat besprechen werde.
165 (111) Doppelvokalschreibungen mit einfacher Korrespondenz (basierend auf Maas 2000: 499) a. —• [α] Aal, Aas, Aast, alaaf, Baas, Haar, Maar, Maat, Paar, Saal, Saat, Staat, Waag, Waage b. —> [o] Boofke, Boot, Boskoop, doof, Kloot, Koofmich, Koog, Moor, Moos, Noor, Soor, Woog, Zoo c. —> [e] Allee, Armee, Gelee, Idee, Paneel; Frikassee, Frottee, Kaffee, Porree Beere, Beet, Fee, Galeere, Heer, Klee, leer, Meer, See, Schnee, Seele d. , keine e. keine f. , , keine
Die Listen für und sind hier vollständig wiedergegeben. Von den 14 Fällen mit sind etwa fünf nur in bestimmten Dialektregionen oder bestimmten Fachsprachen geläufig, von den 13 Fällen mit trifft dies sogar auf etwa acht Wörter zu. Damit haben diese Schreibungen im Kernwortschatz des Deutschen eine sehr geringe Typenfrequenz. Für die Vokalbuchstabenfolge liegt die Datenlage anders. In (111c) ist nur eine Auswahl der 72 bei Maas verzeichneten Fälle aufgeführt. 6 Diese höhere Frequenz der Schreibungen mag damit zusammenhängen, dass der Buchstabe angesichts seiner vielen unterschiedlichen Korrespondenzmöglichkeiten eine besonders problematische Quelle der Unterdeterminiertheit darstellt. Unter der Annahme, dass die Doppelschreibung nicht mit Schwa korrespondieren kann (was noch im Einzelnen zu diskutieren und in die Analyse zu integrieren sein wird), führt sie zu einer Verbesserung der Eindeutigkeit der Rekodierung. Für die anderen denkbaren Doppelvokalschreibungen sind im angesetzten Kernbereich des Wortschatzes keine Fälle zu entdecken. In der Literatur finden sich Argumente dafür, warum das Schriftsystem des Deutschen gut beraten ist, auf die nicht-belegten Doppelvokalschreibungen zu verzichten. Zur Frage, warum und nicht als orthographische Schreibungen für jeweils einen peripheren Vokal möglich sind, ist vor allem folgende ästhetische, möglicherweise wahrnehmungspsychologisch verankerte Begründung von Eisenberg (1998a: 302) zu nennen, die auch von anderen Autoren nachvollzogen wird (z.B. Nerius et al. 2000: 114, Primus 2000a: 20f.): „ und werden nicht verdoppelt, weil das zu gestaltlosen und zudem von , und weiteren Buchstaben schlecht trennbaren Strichfolgen fuhren würde."
Weder ästhetische Urteile, die schwer objektivierbar sind, noch anwendungsbezogene Argumente halte ich für sinnvolle Begründungen, wenn es gilt, die Eigenarten eines bestimmten Systems zu analysieren. Solche Randbedingungen sollten allenfalls marginal einflussreich sein, eher unbeständige Charakteristika von Systemen betreffen und von unvollständiger Reichweite sein. Originäre schriftsystematische Argumente sollten sich auf die Systemeigenschaften selbst beziehen und nach Möglichkeit das System von innen heraus erklärbar werden lassen. Gegen die Einschlägigkeit von Eisenbergs Argument spricht im Besonderen einerseits, dass das Aufeinandertreffen dieser Buchstaben sehr wohl möglich ist, wenn die Korrespondenz zu zwei distinkten Vokalen gemeint ist (z.B. , ; vgl. auch (114) unten). Andererseits zeigt beispielsweise das Finnische, dass entsprechende Doppelvokalschreibungen sehr wohl diskriminierbar sind, wenn man daran gewöhnt ist. In dieser Sprache können nämlich Wörter des lexikalischen Wortschat-
6
Muthmann (1988) enthält übrigens noch mindestens 15 weitere einschlägige Wörter.
166 zes ohne weiteres mit den fraglichen Doppelfolgen geschrieben werden, die jeweils mit einem einfachen Vokal rekodiert werden (vgl. ' f ü n f , 'Wind'). Für eine Regularität, die primär ästhetisch begründet sein soll, wäre es auch erstaunlich, dass sie keinerlei Ausnahmen zeigt. Hierzu trägt sicher bei, dass diejenigen Sprachen, aus denen das Deutsche den Großteil seiner Lehnwörter bezogen hat, nämlich Griechisch, Latein, Französisch und Englisch,7 ebenfalls keine Doppelschreibungen von und mit korrespondierender einfacher Lautung aufweisen. Allerdings lässt sich auch eine stärker funktional verankerte Begründung fur das Fehlen von und mit tautosyllabischer Rekodierung finden. So geht Primus (2003: 42) davon aus, dass vokalische Dehnungsbuchstaben (zu denen die Zweitbestandteile von Doppelvokalschreibungen zählen) und Zweitbuchstaben von Diphthongschreibungen in komplementärer Distribution stehen, dass also ein bestimmter Vokalbuchstabe nur eine dieser beiden Funktionen übernehmen kann. Immerhin sind, wie in (100) zu sehen, die Buchstaben und diejenigen, die als Zweitbestandteile von Diphthongschreibungen möglich sind. Damit tragen diese Buchstaben schon eine gewisse funktionale Belastung für die Kennzeichnung festgelegter Korrespondenzen von Vokalbuchstabenpaaren, die einer Verwendung als Zweitbestandteil in Doppelvokalschreibungen orthographiesystematisch im Wege stehen könnte. Dieses Argument weist folglich Doppelschreibungen von und nicht als grundsätzlich dispräferiert aus, sondern bezieht sich nur auf spezifische Rekodierungen von Zweitelementen in Vokalbuchstabenpaaren. Von Primus (2000a: 20; 2003: 40) stammen auch Versuche, die eingeschränkten Konstruktionsmöglichkeiten von Doppelvokalschreibungen im heimischen Wortschatz, dabei insbesondere das Ausbleiben der Verdopplung von Umlautbuchstaben, sowie allgemeiner die Funktionsweise solcher Schreibungen in einem expliziten Modell in formalisierter Weise zu erklären. Abgesehen von gewissen theoretischen Inkonsistenzen8 und dem Bezug auf das Konzept der Schreibsilbe, auf dessen Problematik ich in dieser Arbeit schon mehrfach hingewiesen habe, ist eine solche Analyse für Zwecke einer Graphematik in meinem Sinne deshalb nicht einschlägig, weil sie nicht die Rekodierungseigenschaften von Buchstabenfolgen untersucht, sondern auf die eingeschränkte Nutzung von Markierungsmöglichkeiten im heimischen Kernwortschatz abzielt. Für die Ermittlung des graphematischen Korrespondenzpotentials ist also eine Ausweitung der Wortschatzbasis erforderlich. Die folgende Aufstellung einschlägiger heimischer Ortsnamenschreibungen auf der Basis des BKG (2002) zeigt, in welchem Umfang mit Doppelvokalschreibungen in heimischen geographischen Namen zu rechnen ist. Bei der Angabe einer ungefähren Gesamtzahl habe ich solche Ortsnamen ausgenommen, die auch im appellativischen Wortschatz vorkommen (z.B. Haar), ebenso wie entsprechende Kompositionsstrukturen wie Freiimfelde oder Auufer. Überdies habe ich wiederkehrende Namensbestandteile nur einmal gerechnet:
7
8
Venezky (1999: 186-191) zählt die Schreibungen und zu den 'major secondary patterns' im Englischen und zu den 'minor secondary patterns', während andere Doppelvokalschreibungen im Englischen nicht existieren. Beispielsweise legt die Analyse in Primus (2000a: 20) nahe, dass nicht nur die Schreibung als [di] rekodiert werden kann, sondern fälschlicherweise auch die Schreibungen und .
167 (112) Doppelvokalschreibungen a. b. c. d.
in heimischen Ortsnamen (basierend auf BKG 2002) Aach, Aachen, Gaarz, Haag, Laasphe, Naab, Saale, Zaatzke Brook, Hoog, Joost, Loope, Oos, Quoos, Sooden, Zootzen Beek, Eesch, Heessen, Rees, Scheeßel, Seelze, Zweedorf keine Hollbüllhuus, Schobüllhuus, Niehuus, Suurhusen
e.
keine
f.
keine
, ,
ca. 130 ca. 50 hunderte
Auch bei den heimischen Ortsnamenschreibungen treten bevorzugt die drei Doppelvokalschreibungen auf, die im Kernwortschatz belegt sind, allerdings in weitaus größerer Anzahl. Marginalen Status haben sicher die Daten mit , bei denen es sich um friesische Namen handelt. Dennoch möchte ich ihnen für die graphematische Analyse eine gewichtige Relevanz zuschreiben, und zwar deshalb, weil sich eine Rekodierung dieser Buchstabenfolge als einfaches [u] in natürlicher Weise ergibt. Wenn eine tautosyllabische Rekodierung von nicht in der Graphematik des Deutschen verankert wäre, ließe dies erwarten, dass für ein Wort wie Hollbüllhuus standardmäßig nur eine heterosyllabische Rekodierung der fraglichen Doppelvokalschreibung in Frage käme. Tatsächlich scheint mir dies nicht so zu sein. Vielmehr nehme ich an, dass auch für die anderen nicht belegten Doppelvokalschreibungen eine Rekodierung als einfaches Vokalphon nachzuweisen ist, auch wenn die heranzuziehenden Wortbeispiele noch marginaleren Status haben als die Daten mit . Immerhin geht es einer graphematischen Analyse nicht um die Analyse des bestehenden Wortschatzes, sondern um eine Erfassung möglicher Daten, genauso wie es für Analysen der sprachsystematischen Grammatik üblich ist. Eine mögliche Schreibung ist unter graphematischer Perspektive jede Folge von Buchstaben des deutschen Alphabets. Dass ich mich bei der Wahl des Belegmaterials bevorzugt auf existierende Wörter beziehe, hat methodische Gründe, weil existierende Wörter über verbuchte Rekodierungen verfügen und ich damit nicht allein auf meine eigene muttersprachliche Intuition angewiesen bin. Das folgende Belegmaterial ist unsystematisch und zufallig zustande gekommen, insbesondere durch die Beobachtung, wie einschlägige Namen aus fremden Sprachen von Deutschsprechem ausgesprochen werden. Daraus schließe ich auf das Rekodierungspotential der deutschen Graphematik unter der Annahme, dass die fraglichen Sprecher den Daten in geschriebener Form begegnet sind, also nicht in einer möglicherweise fremdsprachlichen Aussprache, und diese in produktiver Weise rekodiert haben. Zusätzlich sagt mir meine eigene Kompetenz, dass hier eine Einfachrekodierung der fraglichen Doppelvokalschreibungen möglich ist. Für habe ich das friesische Wort Biikenbrennen und den dänischen Eigennamen Piil10 gehört und fur den finnischen Namen Myylläu und die aus dem Russischen transferierte Namensschreibung Sandomirskyy,12 Noch schwieriger ist die
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Mit Biikenbrennen wird ein nordfriesischer Brauch bezeichnet, der in dem deutschen Spielfilm 'Biikenbrennen - Der Fluch des Meeres' von Sebastian Niemann aus dem Jahre 1999 thematisiert wird. 10 Jakob Piil ist ein zeitgenössischer dänischer Profiradfahrer. " Mika Myyllä ist ein zeitgenössischer finnischer Profiskiläufer. Im Finnischen können übrigens auch Wörter des lexikalischen Wortschatzes die Buchstabenfolge aufweisen wie z.B. 'Fahrt'. 12 Dies ist der Name eines meiner Studenten.
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Bewertung von Schreibungen mit doppelten Umlautbuchstaben. In der Orthographie des kölnischen Stadtdialekts finden sich solche Schreibungen massenhaft. Bhatt (2002: 12) fuhrt z.B. die Wörter wääde ' werden', jöömere 'jammern' und Füür 'Feuer' auf und ordnet ihnen explizit eine Lautung mit entsprechendem einfachen Vokalphon zu (vgl. auch den Namen der kölnischen Musikband Bläck Fööss mit einsilbiger Aussprache des zweiten Namenbestandteils). Natürlich kann von der Graphematik des Kölschen nicht unmittelbar auf die Graphematik des Standarddeutschen geschlossen werden; allerdings lassen sich auf diese Weise zumindest Daten finden, die einer standarddeutschen Rekodierung zugeführt werden könnten. Eine andere Quellsprache könnte das Finnische sein, das Wörter wie kääntää 'wenden' oder Kööpenhamina 'Kopenhagen' besitzt. In all diesen Fällen halte ich eine Rekodierung der Doppelvokalschreibungen als einfaches Vokalphon nach Maßgabe der deutschen Graphematik für ohne weiteres möglich. Daraus möchte ich schließen, dass die Graphematik des Deutschen die Rekodierung sämtlicher Doppelvokalschreibungen als einfaches Vokalphon erlaubt, auch wenn sich im Wortschatz des Deutschen nur wenige solche Typen verbucht finden. Im Rekodierungsmodell muss zur Erklärung dieser Korrespondenzmöglichkeiten keine spezifische Regel angenommen werden, weil die Daten bereits durch die in Abschnitt 3.5.2 formulierte Mehrfachbuchstabenbeschränkung abgedeckt sind, die ich an dieser Stelle wiederhole. (113)
Mehrfachbuchstabenbeschränkung In eine Folge gleicher Buchstaben können alle nicht-initialen Buchstaben als Null rekodiert werden.
Diese Beschränkung gilt also für Konsonantenbuchstaben und Vokalbuchstaben gleichermaßen. Außerdem erfasst sie, wie bereits mehrfach angemerkt, nicht nur Zweierfolgen, sondern auch längere Sequenzen gleicher Buchstaben, wie sie sich in expressiven Interjektionsschreibungen wie oder finden lassen. Da es für jeden möglichen Buchstaben auch noch eine spezifische Korrespondenzregel gibt, ist die Nullkorrespondenz für alle nicht-initialen Elemente der fraglichen Folgen technisch nicht die einzige Korrespondenzmöglichkeit, jedenfalls soweit die Phonologie hier nicht interveniert. Tatsächlich zeigen sich im Wortschatz des Deutschen einige Fälle, bei denen Folgen gleicher Vokalbuchstaben nicht tautosyllabisch, sondern heterosyllabisch rekodiert werden. Die folgende Gruppe in (114a) umfasst nur Eigennamen, und zwar aus dem arabischen Sprachraum. Die Anzahl der Wörter in (114b) ist zwar einigermaßen groß, aber es finden sich hier fast ausschließlich Wörter, die speziellen Fachwortschätzen zuzuordnen sind. In Hinblick auf die Eindeutigkeit der Rekodierung problematischer ist mit Sicherheit die Gruppe der Schreibungen mit in (114c), denn hier sind Wörter des Kernwortschatzes vertreten. Außerdem wird der zweite Buchstabe hier nicht nur als Vollvokal rekodiert, sondern auch als Schwa {Ideen) oder als Null (Eritreer). Letzteres trifft im Fall verschrieen auch auf das erste zu. In (114d) sind vor allem Beispiele für Suffigierungen aufgeführt. Da es, wie erwähnt, relativ viele -initiale Suffixe gibt, sind die entsprechenden Fälle von heterosyllabischer -Rekodierung vergleichsweise häufig, während es für nur ein einziges entsprechendes Suffix gibt. Dafür wird die Gruppe der heterosyllabischen Fälle angereichert durch eine Gruppe lateinischer Lehnwörter, die teilweise Eingang in den Standardwortschatz gefunden haben. Für die anderen Buchstabenpaare in (114e-f) lassen sich keine Beispiele finden, was möglicherweise mit der Marginalität dieser Buchstaben in den einschlägigen Quellsprachen für Entlehnungen ins Deutsche zu begründen ist.
169 (114) Vokalbuchstabenpaare mit heterosyllabischen Korrespondenzen V (basierend auf Duden 2004) a. Isaak, Kaaba, Kanaan, Nausikaa b. Azoospermie, Bootes, Hämatozoon, Heliozoon, Heroon, Hydrozoon, Kalkoolith, Laokoon, Metazoon, Oogenese, Oolith, Oologie, Protozoon, Spermatozoon, Sporozoon, Zoologe c. Eritreer, ideell, Ideen, Kollektaneen, Museen, reell, Schlierseer, verschrieen Orchidee, Azalee, Guinee, Kaktee, Trachee, d. Frei-in, li-ieren, Koni-in, Schafi-it, Schi-ismus Duumvir, Individuum, Kontinuum, Perpetuum, Residuum, Triduum, Vakuum; Genugtu-ung, Verdau-ung, Streu-ung e. keine f. keine keine keine
5.2.3 Die Dehnungsbeschränkung Doppelvokalschreibungen zeichnen sich, wie gesehen, dadurch aus, dass der zweite zweier gleicher Vokalbuchstaben über eine Nullkorrespondenz verfugt, die über die Mehrfachbuchstabenbeschränkung motiviert ist. Die ersten der gleichen Vokalbuchstaben müssten nach der bisherigen Analyse im Prinzip über die gleichen Korrespondenzmöglichkeiten verfugen wie in anderen Kontexten, weil sich fiir den vorderen der beiden Buchstaben nichts ändert. Dies ist allerdings eine empirisch falsche Konsequenz, denn Doppelvokalschreibungen sind auf die Korrespondenz zu einem peripheren Vokal festgelegt. Hierzu gilt es folglich, eine Beschränkung zu formulieren, die diese eingeschränkte Korrespondenz erfasst und nach Möglichkeit auch das Dehnungsverhalten der Konsonantenbuchstaben und erklärt. Für die betrachteten Doppelvokalbuchstabenschreibungen ist zunächst zu bedenken, ob in dieser Konstellation die Korrespondenz zu zentralisierten Vokalen ausgeschlossen wird oder ob eine stärkere Einschränkung gilt, wonach die Korrespondenz tatsächlich auf periphere Vokale festgelegt wird. Der Unterschied dieser beiden Formulierungsmöglichkeiten liegt darin, wie sich die Korrespondenzmöglichkeiten zu Schwa und zu Null verhalten. Offensichtlich kann die Buchstabenfolge nicht ausschließlich mit Schwa korrespondieren in dem Sinne, dass das erste seine Korrespondenz zu Schwa aktiviert, während dem zweiten eine Nullkorrespondenz zukommt. Für das zweite zweier adjazenter Vorkommen des Buchstabens ist eine Korrespondenz zu Schwa möglich, aber nur dann, wenn das erste mit einem Vollvokal korrespondiert wie in (vgl. (114c)). Ebenfalls ausgeschlossen ist die Korrespondenz der gesamten Buchstabenfolge mit Null (außer wenn sie einem gleichen Vokalbuchstaben folgt wie in den expressiven Schreibungen bzw. ). Genau dies ergibt sich freilich aus der kontextbeschränkten Nullkorrespondenz für , weil dieser Buchstabe nur dann mit Null korrespondieren kann, wenn ihm ein Vokalbuchstabe vorausgeht oder er selbst einem Sonorantenbuchstaben vorausgeht; beides unterbindet die Nullkorrespondenz des ersten Elements eines Vokalbuchstabenpaars (wenn also kein weiterer Vokalbuchstabe unmittelbar vorausgeht). Explizit auszuschließen ist damit die Korrespondenz des zu Schwa vor einem Dehnungszeichen.
170 Als Nächstes prüfe ich Möglichkeiten, die Reichweite der gesuchten Beschränkung weiter zu fassen. Wie die Daten in (114) zeigen, kann ein Vokalbuchstabe auch einem gleichen Vokalbuchstaben folgen, ohne über eine Nullkorrespondenz zu verfugen (z.B. in Isaak, Kaktee, liieren, Genugtuung). Dass der erste dieser doppelten Vokalbuchstaben dann nicht mit einem zentralisierten Vokal korrespondieren kann, muss nicht eigens graphematisch erklärt werden, sondern folgt aus der phonologischen Minimalitätsbedingung für Vollsilben. Graphematisch erklärt werden muss dagegen der Umstand, dass in einer Schreibung wie der erste Vokalbuchstabe nicht mit einem zentralisierten Vokal korrespondieren kann, wenn der zweite mit Null korrespondiert, auch wenn die entsprechende Lautung [zat] phonologisch wohlgeformt ist. Hierzu bietet es sich also an, die Information, dass ein Buchstabe sein Korrespondenzpotential zu Null aktiviert, in die Formulierung der Beschränkung einzubauen. Auf diese Art kann auch die Dehnungsfunktion des mit einbezogen werden, und zwar in der eingeschränkten Interpretation, dass Dehnung nur dann vorliegt, wenn dem eine Nullkorrespondenz zukommt und keine Lautkorrespondenz. Dies leistet die folgende Dehnungsbeschränkung·. (115) Dehnungsbeschränkung Ein Vokalbuchstabe kann nicht mit einem silbischen zentralisierten Vokal oder mit Schwa korrespondieren, wenn der unmittelbar folgende Buchstabe mit Null rekodiert wird.
Welcher Art der folgende Buchstabe ist, wird in der Beschränkung offen gelassen; wichtig ist nur, dass dieser Buchstabe über eine Nullkorrespondenz verfugen kann und diese Nullkorrespondenz in der gegebenen Konstellation tatsächlich aktualisiert. Nullkorrespondenzen sind möglich für jeden Buchstaben, der einem gleichen Buchstaben folgt. Für die Dehnungsbeschränkung kommen dabei nur Vokalbuchstaben in Frage, weil der zu dehnende Buchstabe selbst ein Vokalbuchstabe ist. Damit wird die Dehnung von Doppelvokalbuchstaben erfasst. Außerdem kann der Konsonantenbuchstabe mit Null korrespondieren, und dies genau charakterisiert seine Dehnungsfunktion (wenn er einem Vokalbuchstaben folgt). Hier reiht sich ebenfalls der Konsonantenbuchstabe als Dehnungszeichen ein. Da dieser in einem bestimmten Kontext, und zwar nach , mit Null korrespondieren kann, sollte er hier seine Dehnungskraft aktivieren können. Dies ist tatsächlich der Fall, denn der Buchstabe muss in einem Wort wie Basedow mit einem peripheren Vokal korrespondieren, wenn als Null rekodiert wird, und dies gilt auch in der Pluralform Basedows, obgleich hier phonologisch ein silbischer zentralisierter Vokal als Korrespondent des möglich wäre. Wird das nicht mit Null rekodiert, steht dem die Korrespondenz zu einem silbischen zentralisierten Vokal frei wie in Gorbatschow. Schließlich kann auch der Buchstabe mit Null korrespondieren, weshalb er ein legitimes Dehnungszeichen darstellen sollte. Dies diskutiere ich im folgenden Abschnitt. Zuvor möchte ich noch prüfen, wie die Dehnungsbeschränkung mit anderen bislang besprochenen Beschränkungen interagiert. Ich beginne mit der Schärfungsbeschränkung (91) aus Abschnitt 4.2.3, nach der ein Vokalbuchstabe nicht mit einem silbischen zentralisierten Vokal korrespondieren kann, wenn ihm unmittelbar ein Konsonantenbuchstabe und dann ein Vokalbuchstabe folgt. Beide Beschränkungen verbieten also einem Vokalbuchstaben die Korrespondenz zu einem zentralisierten Vokal, wenn sich dieser in Silbengipfelposition befindet. Insofern liegt die Überlegung nahe, Dehnung und Schärfung in einer einheitlichen Beschränkung zu erfassen. Hierbei erweist es sich aber als hinderlich, dass die Dehnungsbeschränkung überdies auch die Korrespondenz zu Schwa unterbindet. Dies gilt für Schär-
171 fiing gerade nicht, denn wenn dem Vokalbuchstaben genau ein Konsonantenbuchstabe und dann ein Vokalbuchstabe folgt, ist seine Korrespondenz zu Schwa ohne weiteres möglich wie in der Schreibung . Der einzige Weg, Dehnung und Schärfung zu vereinheitlichen, bestünde darin, die Beschränkung für Schwa aus der Dehnungsbeschränkung herauszunehmen. Dann könnten zwei Konstellationen genannt werden, in denen die Korrespondenz zu einem silbischen zentralisierten Vokal nicht möglich ist. Die Nachteile einer solchen Aufspaltung sind zweierlei Art: Zum einen ist die Art der beiden Kontextbeschreibungen fundamental unterschiedlicher Art, denn während für Schärfung lediglich die lineare Abfolge von Instanzen bestimmter Buchstabenklassen relevant ist, bezieht sich Dehnung auf die aktualisierte Korrespondenz eines beliebigen Buchstabens. Zum anderen wäre damit nicht erfassbar, dass der Buchstabe nicht mit Schwa korrespondieren darf, wenn er einem Buchstaben vorangeht, der mit Null korrespondiert. Immerhin betrifft diese Regularität nicht nur den Buchstaben als Folgeelement wie in der Schreibung , in der nicht mit Schwa korrespondieren kann, obwohl dies phonologisch zulässig wäre, sondern auch den Buchstaben selbst wie in . Die Dehnungsbeschränkung in (115) besagt nämlich auch, dass die Buchstabenfolge nicht mit Schwa korrespondieren darf. Dies ist ein zu explizierendes Faktum, was gerade die relativ hohe Frequenz von Schreibungen mit wortfinalem begründet, die nur dann funktional ist, wenn nicht mit Schwa korrespondieren kann. Insofern wäre hierfür eine gesonderte Beschränkung zu formulieren, sodass in jedem Fall zwei Beschränkungen für den Gesamtbereich der Dehnungs- und Schärfungsdaten notwendig sind. Dabei scheint mir die gegebene Aufteilung der Arbeit auf eine Schärfungsbeschränkung und eine Dehnungsbeschränkung überzeugender. Allerdings unterscheiden sich die möglichen Nullkorrespondenzen von und noch in einem weiteren Aspekt, nämlich in ihrem Verhältnis zu Diphthongschreibungen. Unproblematisch ist hierbei das Verhältnis der Dehnungsbeschränkung zu den Diphthongschreibungen selbst. Von den drei in Abschnitt 5.1 diskutierten Typen von Diphthongschreibungen funktioniert nämlich keine so, dass einem Buchstaben eine Nullkorrespondenz zukommt. Insofern kann nach Maßgabe der Dehnungsbeschränkung in Buchstabenfolgen wie oder der erste Buchstabe immer als silbischer zentralisierter Vokal rekodiert werden. Außerdem kann einer Diphthongschreibung ohne weiteres das Dehnungszeichen folgen. Wenn in einer Schreibung wie das mit Null rekodiert wird, kann das weiterhin als nicht-silbischer zentralisierter Vokal rekodiert werden, da die Dehnungsbeschränkung nur zentralisierte Vokale in silbischer Position betrifft. Außerdem kann auch eine expressive Schreibung wie so adäquat rekodiert werden: Die ersten beiden Buchstaben ermöglichen die Rekodierung des Diphthongs [au], die beiden folgenden Vorkommen des können mit Null rekodiert werden, weil sie jeweils einem gleichen Buchstaben folgen, und das erhält seine kontextfreie Nullkorrespondenz (während die Korrespondenz zu [h] phonologisch ausgeschlossen ist). Dabei korrespondieren diejenigen Buchstaben, die nun einem Buchstaben mit Nullkorrespondenz vorausgehen, entweder selbst mit Null oder mit einem nicht-silbischen zentralisierten Vokal, und dies sind Korrespondenzen, die nicht von der Dehnungsbeschränkung betroffen sind. Weitere Probleme könnten bei der Interaktion der Dehnungsbeschränkung mit der Beschränkung für das Aufeinandertreffen gleicher Phone (52) auftreten. Gemäß dieser Beschränkung können zwei rekodierte Phone als ein einziges Phon erscheinen, wenn eine Buchstabenfolge so rekodiert worden ist, dass zwei gleiche Phone in adjazenter Position
172 stehen. Dies betrifft z.B. die Buchstabenfolgen und , die auf der Basis der individuellen Korrespondenzregeln als [kk] bzw. als [tts] rekodiert werden. Die genannte Beschränkung reduziert diese Phonfolgen zu [k] bzw. zu [ts] wie in den Schreibungen bzw. . Wenn dies als eine Art der Nullrekodierung gelten würde, wäre die Analyse intern widersprüchlich: Als Schärfungsschreibung würde die Buchstabenfolge die Korrespondenz des vorangehenden im Fall auf einen silbischen zentralisierten Vokal festlegen; nach der Dehnungsbeschränkung wäre diese Korrespondenzmöglichkeit für das aber gerade ausgeschlossen. Dass in der Beschränkung für das Aufeinandertreffen gleicher Phone nicht von einer Nullrekodierung die Rede ist, lässt sich nicht als Spitzfindigkeit der Art der Formulierung abtun. Vielmehr ist der von dieser Beschränkung erfasste Tatbestand von fundamental anderer Art als eine Nullrekodierung. Immerhin geht es hierbei nicht darum, dass ein Buchstabe in irgendeiner Weise rekodiert wird, sondern beschränkt wird das Ergebnis eines Rekodierungsprozesses. Ausschlaggebend für die Applikation dieser Beschränkung ist mithin nicht ein graphematischer Kontext, sondern eine bestimmte phonologische Konstellation als Ergebnis einer Rekodierung. Auch in einem anderen Datenbereich führt die Formulierung derjenigen Generalisierungen, die das Korrespondenzpotential von Vokalbuchstaben betreffen, in Form von Beschränkungen dazu, dass dadurch keine Konstellationen für widersprüchliche Rekodierungen vorausgesagt werden. Das wäre anders, wenn die Datenbereiche alternativ mittels Bedingungen erfasst werden würden, etwa in der Art, dass Schärfungsschreibungen Vokalbuchstaben auf die Korrespondenz zu silbischen zentralisierten Vokalen festlegen würden und Dehnungszeichen in umgekehrter Weise Vokalbuchstaben auf die Korrespondenz zu peripheren Vokalen. Der Eigennamenwortschatz zeigt, dass eine solche Analyse inadäquat wäre. Immerhin existieren Ortsnamenschreibungen wie und , bei denen ein Vokalbuchstabe unmittelbar vor einer Schärfungsschreibung mit einer anderen phonologischen Einheit als einem silbischen zentralisierten Vokal korrespondiert, nämlich mit einem nicht-silbischen zentralisierten Vokal bzw. mit Null. In diesen Fällen sind Schärfungsschreibungen nicht funktional, denn auch bei Einfachschreibung des fraglichen Konsonantenbuchstabens wäre die Rekodierung in gleicher Weise eindeutig (bzw. in gleicher Weise zweideutig, weil beide Vokalbuchstabenpaare im Prinzip immer auch heterosyllabisch rekodiert werden können). Zugleich stören sie aber nicht die Rekodierung, was durch die gegebenen Formulierungen in Beschränkungsform modelliert ist. Hierbei ist es übrigens wesentlich, dass der erste zweier (oder mehrerer) gleicher Buchstaben eine Lautkorrespondenz etabliert und nicht der letzte. Andernfalls würde in einer Schreibung wie vor der Schärfungsschreibung ein Vokalbuchstabe stehen, dem keine Nullkorrespondenz zukäme. Die Korrespondenzbeschränkung vor Schärfungsschreibungen (94) würde diesem Vokalbuchstaben die Korrespondenz zu einem peripheren Vokal (ebenso wie zu Schwa) verbieten, sodass nur mehr eine Korrespondenz zu einem zentralisierten Vokal als Option verbliebe. Dies wäre faktisch unzutreffend, denn bei einem Aufeinanderstoßen von Dehnungsschreibungen und Schärfungsschreibungen gewinnt gewissermaßen die Dehnungsfunktion. Dies ist im entworfenen Modell in adäquater Weise erfasst. Damit ist auch ein wichtiges Argument dafür gefunden, warum die in Abschnitt 3.5.2 formulierte Mehrfachbuchstabenbeschränkung (40) Phonkorrespondenzen vom ersten Element aus entwickeln muss.
173 5.2.4
Heterosegmentale vokalische Dehnungszeichen
Als Dehnungszeichen können nach der bisherigen Analyse solche Buchstaben fungieren, die unmittelbar einem Vokalbuchstaben folgen und dabei selbst eine Nullkorrespondenz aktivieren. In dieser Konstellation bewirken sie eine Einengung der Korrespondenzmöglichkeiten des vorangehenden Vokalbuchstabens in dem Sinne, dass dieser nun weder mit einem silbischen zentralisierten Vokal noch mit Schwa korrespondieren kann. In erster Linie bedeutet dies, dass Dehnungszeichen Vokalbuchstaben auf eine Korrespondenz zu peripheren Vokalen festlegen. Wie im letzten Abschnitt ausgeführt, kann dann aber auch die Korrespondenz zu einem nicht-silbischen zentralisierten Vokal oder zu Null vorliegen. Diese Analyse lässt erwarten, dass der Buchstabe generell als Dehnungszeichen wirken kann, wenn es zutreffend ist, dass er nach Vokalbuchstaben grundsätzlich mit Null korrespondieren kann, so wie ich es in seiner entsprechenden Korrespondenzregel angesetzt habe. Die folgende Liste in (116) belegt, dass das tatsächlich zumindest für alle primären Vokalbuchstaben als Dehnungszeichen fungiert (wobei ich den Terminus 'primärer Vokalbuchstabe' lediglich zu deskriptiven Zwecken einsetze zur Abgrenzung von den Umlautbuchstaben und von ): (116) Dehnungszeichen jür primäre Vokalbuchstaben a. b. c. d. e.
—> -> -> —> ->
[e] [i] [α] [ο] [u]
Fee, Allee, Kaffee, Beet, Seele, Galeere (vgl. (111c)) die, hier, sieben, Knie, Vieh, halbieren Laer, Baesweiler, Raesfeld Coesfeld, Itzehoe, Oer, Oldesloe, Soest Kues, Buer
Der Buchstabe kann also nach einem Vokalbuchstaben seine Nullkorrespondenz aktivieren. Aufgrund der Dehnungsbeschränkung (115) fungiert er dann als Dehnungszeichen. Die originäre Dehnungsfunktion des zeigt sich vor allem in Verbindung mit dem Vokalbuchstaben . Während nach Zählungen von Naumann (1989: 92) im heimischen Wortschatz nur etwa 1% der betonten peripheren Vokale [e] mit verschriftet werden, liegt der Wert für die Verschriftung des betonten peripheren Vokals [i] mit bei 78%. Unter Einbeziehung assimilierter Fremdwörter wird dieser Wert wohl kleiner werden, weil Dehnungszeichen in diesem Bereich des Wortschatzes generell selten sind, aber angesichts der hohen Frequenz des Fremdsuffixes -ier mit diesem Dehnungszeichen wird die Abnahme des Werts nicht dramatisch ausfallen. Diese große Häufigkeit von führt viele Autoren wie Eisenberg (1998a: 291) dazu, diese Buchstabenfolge als originäres Vokalgraphem des Deutschen anzusetzen, und zwar als einziges vokalisches Graphem aus mehr als einem Buchstaben. Allerdings ist Frequenz kein systematisches Argument, sondern nur ein relatives. Um Frequenz systematisch als Argument verwenden zu können, müsste ein Grenzwert festgelegt werden, und ein solcher Grenzwert wiederum könnte nur auf der Basis eines festgelegten Wortschatzes zu Entscheidungszwecken eingesetzt werden. Im Rekodierungsmodell gibt es klare, systematische Kriterien dafür, ob eine Buchstabenfolge als feste Buchstabenverbindung einzuschätzen ist oder nicht. Da sich die Rekodierung der Buchstabenfolge als Phon [i]_g£radlinig aus den Korrespondenzregeln der beiden beteiligten Buchstaben ergibt, gibt es keinen Grund, als feste Buchstabenverbindung anzusetzen. Überdies belegen die Daten in (116c-e), dass im Eigennamenwortschatz, und zwar im Besonderen bei Ortsnamenschreibungen, das auch für die anderen
174 drei primären Vokalbuchstaben als Dehnungszeichen fungieren kann. Dies ist freilich nur eine Rekodierungsmöglichkeit einer Vokalbuchstabenfolge wie wie in , denn hier ist auch eine Korrespondenz mit einem Umlautvokal wie bei möglich. Diese Umlautdaten sind Thema des nächsten Abschnitts (vgl. (123)). Prinzipiell zeigen die in (116) aufgeführten Daten, dass das mit seiner etablierten Nullkorrespondenz ein adäquates Dehnungszeichen fur die fünf primären Vokalbuchstaben ist. Im Kernwortschatz wird diese Markierungsmöglichkeit interessanterweise nur dann genutzt, wenn die fragliche Buchstabenfolge nicht auch als aufgelöste Umlautschreibung rekodiert werden könnte (vgl. Abschnitt 5.3). Im Grunde wäre natürlich zu erwarten, dass auch die sekundären Vokalbuchstaben, also einerseits und die Umlautbuchstaben andererseits, durch den Buchstaben gedehnt werden können. Der Grund dafür, dass ich in (116) keine solchen Daten aufgeführt habe, liegt lediglich darin, dass ich hier in unsystematischer Weise Ortsnamenschreibungen mit Vokalbuchstaben plus gesucht habe und deren Aussprache anhand Duden (1990) überprüft habe. In systematischerer Weise ist die Datenbank BKG (2002) dazu geeignet, entsprechende Schreibungen deutscher Ortsnamen zu finden. Tatsächlich sind hier einige einschlägige Fälle verzeichnet: (117) Dehnungszeichen a. b. c.
d.
für sekundäre Vokalbuchstaben (nach BKG 2002) keine Böel (Kreis Schleswig-Flensburg) Böen (Kreis Cloppenburg) Brüel (Kreis Parchim) Büecke (Kreis Soest) Büenfeld (Hochsauerlandkreis) Lüerdissen (Kreis Holzminden) Lüerdissen (Kreis Lippe) Lüerte (Kreis Oldenburg) Pye (Stadt Osnabrück)
Problematisch an diesen Daten ist allerdings, dass ich nicht sicherstellen kann, dass bei diesen Ortsnamen der Buchstabe tatsächlich als Dehnungszeichen fungiert. Immerhin könnte hier das auch mit einem Vollvokal korrespondieren, wie es für die Schreibung naheliegend ist, wenn hier eine Kompositumsstruktur mit dem Hinterglied Ecke angesetzt wird. Außerdem wäre eine Korrespondenz mit Schwa denkbar, wie es für die Schreibung im appellativischen Wortschatz typisch ist. Zumindest belegen diese Daten, dass die fraglichen Schreibungen hochgradig unterdeterminiert sind, weil aus der Schreibung mehr als eine Lautung rekodiert werden kann. Nur wer die für jeden Einzelfall zutreffende Lautung kennt, kann diese Ortsnamenschreibungen richtig rekodieren. Im schlechtesten Fall stellt sich heraus, dass in allen Fällen in (117) der Buchstabe tatsächlich als Schwa oder als Vollvokal rekodiert werden muss, sodass hier keine Instanzen für als Dehnungszeichen vorliegen. Immerhin enthält Duden (1990) aber genau einen der Ortsnamen in (117) und ordnet ihm eine Lautung zu. Hierbei handelt es sich um Brüel, das danach einsilbig mit peripherem Vokal [y] zu sprechen ist. Damit ist also zumindest bei einem Datum die Dehnungsfunktion des nach einem Umlautbuchstaben belegt. Daraus leite ich die Vermutung ab, dass der Buchstabe durchgehend als Dehnungsbuchstabe genutzt werden kann, wobei die meisten solcher Schreibungen auf den Eigennamenwort-
175
schätz begrenzt sind, während die Orthographie für den Kernwortschatz nur die Schreibungen und toleriert. Auch die in (116) enthaltenen Buchstabenfolgen sind natürlich prinzipiell unterdeterminiert. Auf die Folgen , und gehe ich diesbezüglich im folgenden Abschnitt genauer ein. Für habe ich entsprechende Daten bereits in (114c) aufgeführt (z.B. /deen). An dieser Stelle illustriere ich die Unterdeterminiertheit der Buchstabenfolge . Trotz der erheblichen Frequenz dieser Folge mit einer Dehnungsrekodierung ist es - anders als bei den meisten bislang besprochenen Vokalbuchstabenpaaren - nicht der Fall, dass diese Art der Rekodierung ein solches Übergewicht hat, dass andere Rekodierungen als markierte Fälle praktisch bedeutungslos sind. Im Gegenteil bereitet gerade die Rekodierung der Buchstabenfolge die größten Probleme, wie folgende Aufstellung andeutet, die ihre massive Unterdeterminiertheit belegt: (118) Vokalbuchstabenfolgen mit unterdeterminierten Korrespondenzen: a.
->
[i]
Papier
[pa.'pie]
Magier
['ma.gi.E]
Knie
[kni]
b.
—>
Μ
Ferien
['fe.Ri.sn]
Knie
[kni.g]
c.
—•
Klient
[kli.'ent]
Vietnam
[vi.et.'nam]
d.
->
[ie] [ie]
Lien
[Ii. e n ]
e.
—•
[']
Eier
[ai.e]
f.
—*
[13]
Haie
[hai.g]
g· h.
->
Ü]
Flibustier
[fli.'bus.tje]
—>
Spaniel
[Jpon.jsl]
i.
—>
Patient
[pa.'tsjent]
j·
-»
[p] Üe] [je]
Karriere
[kaE.'je.Rs]
Diese Rekodierungsvielfalt liegt einerseits darin begründet, dass der Buchstabe über vier verschiedene Korrespondenzen verfugt, die allesamt nach dem Buchstaben realisiert werden können: Die Nullkorrespondenz in (118a, e, g) sowie die Korrespondenz mit dem Reduktionsvokal Schwa in (118b, f, h), mit dem zentralisierten Vollvokal in (118c, i) und mit dem peripheren Vollvokal in (118d, j). Bei der Nullkorrespondenz ist zu unterscheiden, ob das nur als Dehnungszeichen für den Buchstaben fungiert wie in der ersten Zeile von (118a) oder zugleich die Silbischkeit eines vokalischen Rhotikums markiert wie in der zweiten Zeile. Überdies ist auch der Buchstabe unterdeterminiert, weil er vor nicht nur mit einem peripheren Vokal korrespondieren kann (118a-d), sondern auch mit einem zentralisierten Vokal (118e-f) und mit dem Konsonanten [j] (118g—j). Die für den Vokalbuchstaben in seiner Korrespondenzregel verankerte Rekodierungsmöglichkeit zum zentralisierten Vokal [i] ist vor dem Buchstaben aber nur möglich, wenn es sich um ein nicht-silbisches Vorkommen dieses Phons handelt, also um das Zweitelement eines Diphthongs. Dass hierbei Daten fehlen, die die Konstellation belegen, bei der auf das zentralisierte [i] als Zweitelement eines Diphthongs unmittelbar einer der Voll vokale [ε] oder [e] folgt, schätze ich als zufällige Lücke im von mir betrachteten Wortschatzausschnitt ein. Die Möglichkeit für , vor mit einem silbischen zentralisierten Vokal zu korrespondieren, ist überwiegend phonologisch ausgeschlossen, nämlich für den Fall, dass das als Vokal rekodiert wird. Da eine Vollsilbe nicht mit einem silbischen zentralisierten Vokal enden kann, muss nämlich der Buchstabe dann als peripherer Vokal rekodiert
176 werden (es sei denn, das korrespondierende Phon käme als Erstelement eines Diphthongs in Frage, was aber im Deutschen phonologisch ausgeschlossen ist). Graphematisch zu erklären ist, warum der Buchstabe auch dann nicht als silbischer zentralisierter Vokal rekodiert werden kann, wenn ihm gar kein Vokal, sondern ein Konsonant folgt, wenn also der Buchstabe als Null rekodiert wird (und dann ein als Konsonant rekodierbarer Buchstabe folgt). Immerhin könnte die Schreibung auch mit einem zentralisierten Vokal in der Hintersilbe als [pa.'pre] gesprochen werden, ohne dass ein phonologisch verbotenes Ergebnis erzielt würde. Diese Art der Rekodierung ist freilich graphematisch unterbunden, und zwar durch die Dehnungsbeschränkung. Während im Kernwortschatz der Bestand an heterosegmentalen vokalischen Dehnungszeichen mit dem erschöpft ist, kann im Eigennamenwortschatz schließlich auch der Buchstabe eine Dehnungsfunktion übernehmen, und zwar genau dann, wenn er dem Buchstaben folgt: 13 (119) Dehnungszeichen
—• [o]
Broich, Floisdorf, Moitzfeld, Roisdorf, Troisdorf, Voigtsdorf
Im Namenwortschatz gibt es Fälle, bei denen der Buchstabe einem anderen Vokalbuchstaben als dem folgt. Dann werden mit solchen Buchstabenfolgen bei tautosyllabischer Rekodierung aber Diphthonge markiert (z.B. Mainz, Leipzig) oder Umlautvokale (z.B. Duisburg). Wenn der Buchstabe auch nach bzw. eine Nullkorrespondenz annehmen und mithin als Dehnungszeichen fungieren könnte, würde dies zu erheblicher Unterdeterminiertheit fuhren. Für die Buchstabenfolge mag diese Unterdeterminiertheit geringer sein, weil sie seltener zur Diphthongrekodierung genutzt wird. Allerdings findet sich diese Beziehung gerade im Eigennamenwortschatz (vgl. (97d)), sodass bei einem Ortsnamen wie Roisdorf nicht erkenntlich ist, ob hier ein Diphthong oder ein peripherer Vokal zu rekodieren ist. Offensichtlich taugt der Buchstabe im synchronen System der deutschen Graphematik nur nach dem Buchstaben als Dehnungszeichen, sodass hier nicht von einer generellen Nullkorrespondenz fur auszugehen ist. Vielmehr setze ich hierfür eine kontextbeschränkte Sonderkorrespondenz an, die in einer erweiterten Fassung der Korrespondenzregel für zu notieren ist. Dabei ergibt sich die auf das wirkende Dehnungseigenschaft des aus der Dehnungsbeschränkung (115). (120) Korrespondenzregel für a. [i] ν [ι] ν [...]
/
b.
—>
[ j ] Ν [i]
/
[VOK] * [KONS]
c.
—•
[i] ν [i]
(primär)
[VOK.]
Die Buchstabenfolge lässt damit vier unterschiedliche Rekodierungen zu: als peripherer Vokal mit Dehnungszeichen {Troisdorf), als Diphthong (Boiler) oder als zwei heterosyllabische Vollvokale (vgl. (98d)), wobei der erste Vokal immer peripher sein muss, während der zweite entweder zentralisiert (Maoist) oder peripher (kolloid) ist. Die Schreibung existiert in beiden dieser zuletzt genannten Rekodierungen mit den Bedeutungen 'Heldin' bzw. 'Rauschgift'.
13
Im Ortsnamen Oeynhausen hat der Buchstabe eine entsprechende Dehnungsfunktion. Dies ist aber möglicherweise ein isolierter Fall.
177 5.3
Bisegmentale Umlautschreibungen
Als letzten Typ von Vokalbuchstabenpaaren mit spezifischer Rekodierung untersuche ich bisegmentale Schreibungen für Umlautvokale. Wie im letzten Abschnitt angesprochen, kann die Buchstabenfolge zwar nicht mit einem peripheren Vokal [u] rekodiert werden, wobei dem dann eine Dehnungsfunktion zukäme, dafür aber als Umlautvokal [y]. Diese Art der Rekodierung findet sich ausschließlich im Eigennamenwortschatz des Deutschen, wobei die folgende Liste Beispiele aus dem Bereich der Ortsnamen gibt: 14 (121) Bisegmentale Umlautschreibungen 1 (basierend auf BKG 2002) a. Buir, Duisburg, Duisdorf, Gruiten, Juist b. Druisheim, Duisenburg, Feldhuisen, Gruibingen, Guissen, Huisberden, Huisheim, Kluis, Longuich, Luigendorf, Luizhausen, Nuifra, 15 Pruihausen, Ruit, Ruitsch, Schuir, Thuine, Thuisbrunn, Truilz, Uichteritz, Uiffingen, Uigendorf, Uissigheim, Uthuisen, Wuischke
Lediglich bei den Daten in (121a) kann ich aufgrund eigener Erfahrung bzw. aufgrund der Angaben in Duden (1990) der Buchstabenfolge die Lautung [y] zuordnen. Bei den Daten in (121b) scheint mir diese Lautkorrespondenz zumindest möglich zu sein, aber es könnten hier auch jeweils andere Korrespondenzen zu aktualisieren sein (als Diphthong oder als heterosyllabische Folge zweier Vollvokale). Gerade Namenschreibungen erweisen sich damit als in hohem Grade unterdeterminiert. Eine Determinierung ist hier über Regeln nicht zu leisten. Da die Korrespondenz zu [y] weder im Korrespondenzpotential von noch in dem von vorgesehen ist, muss die Buchstabenfolge mit dieser Korrespondenz als feste Buchstabenverbindung angesehen werden. Die sicheren Daten (121a) weisen dabei ausschließlich eine Korrespondenz zu einem peripheren Vokal auf und nicht zu einem zentralisierten. Auch bei den unsicheren Daten (121b) scheint für den Fall, dass eine tautosyllabische Rekodierung zutreffend ist, die mit peripherem Vokal wahrscheinlicher zu sein als die mit zentralisiertem, abgesehen von den Namen, die eine Schärfungsschreibung enthalten, also Guissen, Uiffingen und Uissigheim. Das entwickelte theoretische Modell verbietet freilich in diesen Kontexten nicht die Rekodierung der fraglichen Vokalbuchstaben als peripherer Vokal, weil die einschlägige Korrespondenzbeschränkung vor Schärfungsschreibungen (94) buchstabenbezogen formuliert ist. Damit darf zwar das nicht mit einem peripheren Vokal korrespondieren, wohl aber das . Streng genommen ist also eine feste Buchstabenverbindung einem anderen Buchstaben niemals vollständig adjazent. Zugleich liegt hier aber auch kein Dehnungskontext vor, weil der Buchstabe nicht als Null rekodiert wird, sondern das Vokalbuchstabenpaar als Ganzes einer Rekodierung zugeführt wird. Aufgrund der unklaren Datenlage nehme ich vorläufig an, dass die feste Buchstabenverbindung auf eine Korrespondenz zu einem peripheren Vokal festgeschrieben
14
15
Im Ortsnamen (Neukirchen-)Vluyn kann dem Buchstaben dieselbe Funktion wie in den gegebenen Fällen dem zugeschrieben werden. Auf der Homepage der Gemeinde Neu-Nuifra ist zu lesen: „Der Ort hat einen schwierigen Namen: sowohl das ' u ' als auch das 'i' wird ausgesprochen." Dies spricht wohl gegen eine Aussprache als [y]. Zugegriffen am 4.03.2005 von .
178
ist, während die Korrespondenz zum zentralisierten [Y] nicht vorgesehen ist. Die folgende Regelformulierung erfasst dieses Verhalten von : (122) Korrespondenzregel
—
Jür [y]
Während diese Art der Schreibung, wie gesagt, auf den Eigennamenwortschatz beschränkt ist, findet sich eine ähnliche Markierungsmöglichkeit auch im Kernwortschatz. Wenn aus technischen Gründen bei der Anfertigung eines schriftlichen Texts keine Umlautbuchstaben - die immerhin nicht zum Kernbestand des lateinischen Alphabets gehören - verwendet werden können, werden diese Umlautbuchstaben nicht einfach durch die Grundbuchstaben ohne Trema ersetzt, da dann in eindeutiger und zugleich fälschlicher Weise eine Korrespondenz zu einem unumgelauteten Vokal etabliert werden würde. Stattdessen werden die Umlautbuchstaben aufgelöst in die Vokalbuchstabenfolge Basisvokalbuchstabe plus . (123) Bisegmentale Umlautschreibungen 11 a. —* [ac] ν [e] ν [ε] b.
—>
[0] ν [ce]
c.
—•
[y] Ν [Y]
Baer (statt Bär), haette (statt hätte) Aehrental hoer (statt hör), Hoelle (statt Hölle) Laboe, Moers, Oestrich, Oeynhausen Tuer (statt Tür), Muell (statt Müll) Uelzen, Uerdingen, Uetersen
Orthographisch liegen hier also Ersatzschreibungen vor, die aber nur deshalb als Ersatz dienen können, weil sie graphematisch lizensiert sind. Im Eigennamenwortschatz treten solche Rekodierungen auch bei verfügbaren Umlautbuchstabcn auf, sodass die entsprechenden Schreibungen notgedrungen unterdeterminiert sind. Immerhin wäre durchgehend auch eine Rekodierung mit als Dehnungszeichen möglich (vgl. (116)). Ohne Kenntnis der richtigen Aussprache lässt sich aus einer Schreibung wie oder nicht ableiten, ob der finale Vokal ein umgelauteter Vokal ist oder ein nicht-umgelauteter. Genau in den Umgebungen, wo aufgelöste Umlautmarkierung und Dehnungsfunktion konkurrieren, also nach , und , ist die Dehnungsfunktion im appellativischen Wortschatz nicht möglich (abgesehen von marginalen Fremdwortschreibungen wie oder ), was dazu beiträgt, dass der orthographisch geregelte Teilbereich des deutschen Wortschatzes weniger stark unterdeterminiert ist als es die Graphematik vorgibt. Mit denselben Argumenten wie bei der bisegmentalen Umlautschreibung nehme ich an, dass auch die drei in (123) enthaltenen Regeln feste Buchstabenverbindungen konstituieren. Anders als bei ist in diesen Fällen aber eindeutig auch die Korrespondenz zu einem zentralisierten Vokal möglich, und zwar auch in Eigennamenschreibungen (vgl. Oestrich, Uelzen). Die bisegmentalen Umlautschreibungen in (123) können in einem orthographisch lizensierten Text nicht beliebig neben einfachen Umlautbuchstaben verwendet werden, sondern hier ist konsistent die eine oder die andere Art der Schreibung zu wählen. In Texten, die Umlaute durchweg in bisegmentaler Form notieren, sind diese Schreibungen dann unterdeterminiert, weil die entsprechenden Buchstabenfolgen zwar nicht als Dehnungsschreibungen interpretiert werden können (außer bei Eigennamenschreibungen), wohl aber mit heterosyllabischen Vokalfolgen korrespondieren können. Diese Unterdeterminiertheit belegen folgende Daten:
179 (124) Vokalbuchstabenpaare mit heterosyllabischen Korrespondenzen VI a.
b.
aerisch, Dekaeder, Israel, kafkaesk, Maestro, Michael, Spaer Aloe, Benzoe, Chloe, echoen, Heroe, Noetik, Oboe, Poesie, Troer
c.
aktuell, diminuendo, Duell, Duett, Genuese, Influenz, Kerguelen, kongruent, Lues, Manuel, Nauruer, pueril, Statue, Suez, Tuer, Venezuela
5.4
Vokalbuchstaben und p h o n o l o g i s c h e Silbenzahl
Zuletzt möchte ich den Zusammenhang von graphematischer Repräsentation und korrespondierender Silbenzahl besprechen. Insbesondere werde ich die Fragen beantworten, ob eine Lautung mehr Silben haben kann als die entsprechende Schreibung Vokalbuchstaben besitzt, und ob eine Lautung weniger Silben haben kann als die entsprechende Schreibung ununterbrochene Folgen von Vokalbuchstaben besitzt. Auf die Relevanz dieser Fragestellung weist eine von Maas (1999: 265) formulierte Regel hin, wonach eine Korrelation zwischen Vokalbuchstaben in einem Graphischen Wort und Silbenzahl im korrespondierenden Grammatischen Wort besteht: (125) Orthographische Regel der Vokalbuchstabenmarkierung für Silben von Maas (1999: 265) Die Orthographie des Deutschen hat eine kategorische Regel, die für jede Silbe ein Vokalzeichen als Markierung des Silbenkerns verlangt; wenn kein anderes Vokalzeichen vorhanden ist, tritt dafür < e > ein.
An dieser Formulierung ist möglicherweise problematisch, dass dem Buchstaben unmittelbar das Vermögen zugesprochen wird, einen Silbenkern markieren zu können. Segmental korrespondiert dem Buchstaben in einem Wort wie auf lautlicher Seite aber kein spezifisches Phon. Eisenberg (1998a: 294) ist hier genauer, wenn er das als 'einen Markierer fur Silbizität überhaupt' bezeichnet, dem damit implizit das Potential einer Nullkorrespondenz zugeschrieben wird. Auf phonologischer Ebene können naturgemäß nur Segmente Silbengipfel sein. In jedem Fall besagt Maas' Regel, dass eine Schreibung, die im Zielbereich der Orthographie liegt, mindestens so viele Vokalbuchstaben besitzen muss, wie die korrespondierende Lautung Silben besitzt. Dabei kommt dem Buchstaben eine Sonderrolle zu, denn wenn er als Null rekodiert wird, kann er markieren, dass der Buchstabe vor oder hinter dem mit einem Segment korrespondiert, das in einer Silbengipfelposition steht. Im Folgenden überlege ich zunächst, ob eine Nullrekodierung des notwendig eine Silbengipfelrekodierung eines benachbarten Buchstabens impliziert und wie diese spezifische Rolle des im Rekodierungsmodell erfasst werden kann. Danach frage ich, inwieweit Regel (125) für die Graphematik des Deutschen relevant ist oder ob die Graphematik nicht auch den Fall zulässt, dass eine Schreibung weniger Vokalbuchstaben besitzt als die entsprechende Lautung Silben hat. Hier geht es also um die Frage, ob durch die Anzahl von Vokalbuchstaben eine Obergrenze von Silben in der entsprechenden phonologischen Form festgelegt ist. In umgekehrter Weise überlege ich abschließend, ob es auch eine ähnlich gelagerte Untergrenze gibt, ob sich also aus der Anzahl von Vokalbuchstaben in einer Schreibung eine Aussage über die Mindestanzahl von Silben der korrespondierenden Lautung treffen
180 lässt. Dies ist für die Graphematik des Deutschen nicht zuletzt deshalb von Bedeutung, weil die Anzahl von Reduktionssilben potentiell bedeutungsunterscheidend ist, wie ich in Abschnitt 2.1.4 anhand des Minimalpaars sehr vs. Seher demonstriert habe.
5.4.1 Eine Beschränkung der Nullkorrespondenz von Dass eine Nullrekodierung des mit Silbengipfeleigenschaften verknüpft sein könnte, ergibt sich auf theoretischer Ebene nicht aus der Korrespondenzregel für in (105). Dort ist lediglich vermerkt, dass eine Nullkorrespondenz des auf einen bestimmten graphematischen Kontext bezogen ist, und zwar ist sie möglich, wenn entweder ein Vokalbuchstabe vorangeht oder ein Sonorantenbuchstabe folgt. Tatsächlich ist sie aber in einer solchen Konstellation nur unter eingeschränkten Bedingungen möglich, die die Formulierung einer weiteren graphematischen Beschränkung nötig macht. Hierbei geht es um solche Fälle, bei denen die graphematischen Kontextbedingungen für die Nullkorrespondenz des gegeben sind, diese Nullkorrespondenz aber faktisch ausgeschlossen ist. Eine genauere Betrachtung der Daten zeigt, dass die Nullkorrespondenz für die Rekodierung eines benachbarten Buchstabens als Silbengipfel voraussetzt, sodass letztlich die Nullkorrespondenz des zwangsläufig die Silbischkeit des Korrespondenten eines der benachbarten Buchstaben anzeigt. Dies lässt sich an Vorkommen des Buchstabens nach einer Diphthongschreibung illustrieren. Zwar kann das in einer Schreibung wie mit Null korrespondieren, nicht aber in einer wie , obwohl in beiden Fällen ein Vokalbuchstabe vorangeht und damit nach der bisherigen Analyse eine Nullkorrespondenz erlaubt sein müsste. Die Ursache für diese Unterschiede liegt nicht im wortfinalen Auftreten des im zweiten Fall, denn in einer Schreibung wie kann ein wortfinales mit Null rekodiert werden. Zudem ist in einer Schreibung wie die Nullrekodierung des blockiert, obwohl dem ein Vokalbuchstabe vorangeht und es nicht wortfinal steht. Die wesentliche Bedingung für eine Nullkorrespondenz des ist somit, dass ein unmittelbar benachbarter Buchstabe als Silbengipfel rekodiert wird, also entweder der vorangehende wie in oder der folgende wie in . Es können auch beide benachbarte Buchstaben phonologischen Silbengipfeln entsprechen wie in der Schreibung . Grundsätzlich gleichgültig ist es, ob der Buchstabe vor oder der nach dem derjenige ist, der mit einem Silbengipfel korrespondiert. Wenn das mit Nullkorrespondenz einem Vokalbuchstaben folgt, kann dieser mit einem Silbengipfel korrespondieren wie im Fall oder mit einem nicht-silbischen Phon wie in . Dann muss natürlich der nachfolgende Buchstabe als Silbengipfel rekodiert werden. Wenn auf der anderen Seite das mit Nullkorrespondenz einem Sonorantenbuchstaben vorangeht, kann dieser als Silbengipfel rekodiert werden, wie gerade im Fall gesehen, aber auch in Schreibungen wie oder , wo dem fraglichen ein Sonorantenbuchstabe bzw. ein Obstruentenbuchstabe vorangeht. Es ist aber auch möglich, dass der dem mit Null rekodierten nachfolgende Sonorantenbuchstabe nicht als Silbengipfel rekodiert wird, wenn diese Funktion der dem vorangehende Buchstabe erfüllt. Das kann ein Vokalbuchstabe sein wie in oder ein Sonorantenbuchstabe wie in . Diese Einschätzung beruht auf der Annahme, dass ausschließlich Sonoritätseigenschaften über die Frage entscheiden, welcher Sonorant in einer Reduktionssilbe als Silbengipfel fungiert (vgl. hierzu
181 Neef & Neugebauer 2002). Daraus ergibt sich, dass eine Schreibung wie unterdeterminiert ist, weil ihr sowohl die einsilbige Lautung [JIB] als auch die zweisilbige Lautung [Ji.B] entsprechen kann, was sich an diesem speziellen Beispiel im aktuellen Wortschatz des Deutschen bestätigt, aber unter den skizzierten Umständen grundsätzlich möglich ist. Voraussetzung für eine Nullrekodierung des ist also nicht allein die in der Korrespondenzregel (105) vermerkte Kontextbedingung, wonach das entweder einem Vokalbuchstaben folgen oder einem Sonorantenbuchstaben vorausgehen muss. In darüber hinausgehender Weise ist diese Nullkorrespondenz ausgeschlossen, wenn zwar ein Vokalbuchstabe vorangeht, dieser aber nicht als Silbengipfel rekodiert wird wie in den Fällen oder . Auch ein nachfolgender Vokalbuchstabe würde nicht zu einer Lizensierung der Nullrekodierung fuhren. Entsprechende Daten lassen sich zwar in Duden (2004) nicht finden (jedenfalls nicht ohne PW-Grenze), aber sie lassen sich konstruieren. In einer angenommenen Schreibung wie sollen die ersten beiden Vokalbuchstaben als Diphthong rekodiert werden. Damit ist der dem vorangehende Buchstabe ein Vokalbuchstabe, der aber nicht als Silbengipfel rekodiert wird. Hierbei nehme ich nun an, dass für den Buchstaben selbst keine Nullrekodierung möglich ist, auch wenn der nachfolgende Buchstabe als Silbengipfel rekodiert werden würde. Kurz gesagt nehme ich an, dass die Schreibung nicht mit der Lautung [bau.i] korrespondieren kann, aber mit [bau.ai]. Ein solcher Zusammenhang ist im Rekodierungsmodell prinzipiell nicht in einer Korrespondenzregel zu erklären. Korrespondenzregeln erfassen lineare Abfolgen von Buchstaben in graphematischen Kontexten. Der Bezug zu spezifischen Arten der Rekodierung von Buchstaben ist dagegen in dieser Konzeption nur in Beschränkungen möglich. Die folgende Beschränkung leistet die gesuchte Einschränkung der Korrespondenz des mit Null: (126) Beschränkung der Nullkorrespondenz von Der Buchstabe kann sein spezifisches Korrespondenzpotential zu Null nur dann entfalten, wenn ein ihm vorangehender Vokalbuchstabe oder ein ihm adjazenter Sonorantenbuchstabe mit einem Phon in Silbengipfelposition korrespondiert.
Lediglich Nullkorrespondenzen, die sich über die Mehrfachbuchstabenbeschränkung (40) ergeben, unterliegen nicht dieser Beschränkung, sodass in expressiven Schreibungen wie das finale mit Null korrespondieren kann, auch wenn der ihm unmittelbar vorausgehende Buchstabe nicht mit einem Silbengipfel korrespondiert, sondern ebenfalls mit Null. Aufbauend auf dieser Beschränkung drängt sich die Frage auf, ob die Korrespondenzregel für den Buchstaben , wie sie in (105) formuliert ist, nun vereinfacht werden kann, indem die Zeile, die die Nullkorrespondenz nur fur die besagten Kontexte nach einem Vokalbuchstaben bzw. vor einem Sonorantenbuchstaben zulässt, gestrichen werden kann. Die Annahme wäre dabei, dass stattdessen die Beschränkung (126) im Verbund mit phonologischen Beschränkungen eine Erklärung der Datenverteilung sichern würde, sodass in der Korrespondenzregel für die Nullkorrespondenz als kontextfreier Default bewertet werden könnte. Dies ist aber nicht so: Nach Beschränkung (126) sollte als Null rekodierbar sein, wenn ein vorangehender Sonorantenbuchstabe in Silbengipfelposition steht. Zwar trifft dies bei einer Schreibung wie mit der entsprechenden Lautung [fo.ln] zu, nicht aber bei einer Schreibung wie , obwohl die vermutete Lautung [ba.tn] phonologisch wohlgeformt ist. Der Punkt ist, dass in dieser Schreibung dem kein Sonoran-
182 tenbuchstabe folgt. Dies muss also über die Beschränkung (126) hinausgehend in der graphematischen Analyse festgelegt werden, und genau dies leistet die besagte Klausel der Korrespondenzregel für in (105), die ich deshalb in dieser Form belasse.
5.4.2
Konsonantenbuchstabenfolgen mit Silbenkorrespondenz
In diesem Abschnitt verfolge ich die Frage, ob die von Maas formulierte Regel (125) für die Graphematik gilt. Maas selbst bezeichnet die Regel als orthographisch, ohne dabei aber eine strikte Trennung von der Graphematik im Sinne einer Rekodierungsanalyse zu implizieren. Im Rahmen meiner Konzeption der Schriftsystemanalyse würde diese Einschätzung bedeuten, dass lediglich der orthographisch geregelte Kernwortschatz diese Regel befolgen müsste, während Schreibungen peripherer Elemente des Wortschatzes durchaus dagegen verstoßen könnten. Tatsächlich finden sich im peripheren Wortschatz Fälle, bei denen Buchstabenfolgen, denen in der korrespondierenden phonologischen Repräsentation eine Silbe entspricht, keinen Vokalbuchstaben enthalten. Hierbei sind verschiedene Typen zu unterscheiden: (127) Silben ohne Vokalbuchstaben in der korrespondierenden Schreibung I a. b. c. d.
e.
Beisl, Brettl, Christkindl, Dampfl, Dirndl, Hendl, Kappl, Madl, Scherzi, Schlankl Gaur, Giaur, Zentaur Hansl, Rosl; Baur, Ertl, Loibl, Meyr, Saur, Schiedermair Bichl, Egglham, Eschlkam, Fuschl, Großmugl, Grundlsee, Hacklberg, Haidlfing, Iglbach, Ischl, Kastl, Marklkofen, Marktl, Nandlstadt, Zwettl Montabaur, Steyr Großaign, Poign, Teugn, Unterstrogn Daran zweifl' ich nicht. Sie saß a u f m Tisch. Wir gehen in'n Zirkus. 's ist schon spät.
Die Daten in (127a) stellen eine Auswahl der in Muthmann (1988) aufgeführten Fälle dar, bei denen einem wortfinalen weder ein Vokalbuchstabe noch ein , ein oder ein vorausgehen. Während in diesem Korpus keine analogen Daten mit einem finalen Nasalbuchstaben aufgeführt sind, gibt es drei relevante Wörter mit finalem (127b). Unter den Personennamenschreibungen existieren hierzu passende Daten, wobei ich in (127c) einige Vornamen und Familiennamen aufführe (die überwiegend in Duden 1990 enthalten sind). Für den finalen Buchstaben ist die Anzahl der Fälle unter den Ortsnamen des deutschen Sprachraums recht groß. Eine auf der Basis von BKG (2002) und Atlas (1985) gewonnene Auswahl ist in (127d) aufgelistet. Erheblich seltener sind dagegen entsprechende Daten mit bzw. ; für letzteren Buchstaben in wortfinaler Position existieren in BKG (2002) nur die vier aufgeführten Fälle. Die Beispiele in (127e) sind klitisierte Formen aus Duden (2004: 26), die über entsprechende Formen in expliziter Schreibung verfügen. Dabei wird die Schreibung gemäß dem graphematischen Lösungsraum für die aktuelle substandardsprachliche Aussprache gewählt und die Differenz zur Standardschreibung durch Apostroph markiert.
183 Abgesehen von den Klitisierungsfällen sind die meisten in (127) aufgeführten Daten als bairisch zu klassifizieren. Die Ortsnamen finden sich mit Ausnahme von Montabaur ausschließlich in Ober- und Niederbayern sowie in Oberösterreich. Nur die Daten in (127b) sind hochsprachlicher Natur, fallen allerdings in den Bereich der Fremdwörter. Dabei bereiten gerade die mit oder endenden Schreibungen kaum Rekodierungsprobleme. Eine Schreibung wie kann nicht anders als [bRetl] rekodiert werden, wobei sich die eindeutige Vokalqualität aus der Schärfungsschreibung ergibt und die phonologische Silbenstruktur durch die phonologische Basis, genauer durch die Minimalitätsbedingungfiir Vollsilben und die Sonoritätsbedingung bestimmt ist.16 Dies zeigt, dass der Buchstabe in einer solchen Schreibung nicht notwendig ist, um die intendierte Lautung rekodierbar zu machen. In anderen graphematischen Kontexten kann dies sehr wohl sinnvoll sein, nämlich dann, wenn in der Lautung ein silbischer Lateral einem sonoreren Element folgt, also einem Vokal. So eignet sich eine Schreibung wie nicht zur Verschriftung der zweisilbigen Lautung [knoi.l], weil die graphematische Komponente lediglich die einsilbige Form [knoil] zuordnet. Dies liegt daran, dass die formulierten Korrespondenzregeln keinen Bezug auf den Status eines korrespondierenden Phons hinsichtlich Silbischkeit nehmen. In den formulierten Beschränkungen dagegen ist eine solche Art der Information aufgehoben. Insbesondere die Beschränkung der Nullkorrespondenz von in (126) ist hier einschlägig. Für eine Schreibung wie besagt sie nämlich, dass ein adjazenter Buchstabe mit einem Silbengipfel korrespondieren muss, wenn das mit Null korrespondiert. Dass das dies überhaupt darf, ist in seiner Korrespondenzregel festgeschrieben, wobei die fragliche Schreibung beide Kontextbedingungen erfüllt, weil sowohl ein Vokalbuchstabe vorausgeht als auch ein Sonorantenbuchstabe folgt. Wenn das hier mit Null rekodiert wird, muss folglich entweder das oder das mit einem Phon in Silbengipfelposition korrespondieren. Für das ist dies nicht möglich, wenn die Buchstabenfolge als Diphthong rekodiert wird, weshalb also das als silbischer Lateral zu rekodieren ist, womit aus der Schreibung die Lautung [knoi.l] rekodiert werden kann. Dies ist freilich nicht die einzige Möglichkeit: Das könnte auch als silbischer Vollvokal rekodiert werden, womit dann das am ehesten als Dehnungszeichen fungieren könnte. Außerdem könnte das auch als Schwa rekodiert werden, womit dann eine Silbischkeit des Laterals nicht mehr graphematisch erzwungen wäre. Bei den Fällen in (127), die mit dem Buchstaben enden, fällt auf, dass der vorangehende Buchstabe immer ein Vokalbuchstabe ist, während bei den Daten mit dem finalen gerade kein Vokalbuchstabe vorangeht. Daraus lässt sich zweierlei erkennen: Zum einen kann auch ein bairischer Ortsname wie Altomünster nicht geschrieben werden, weil, wie es in der entsprechenden Korrespondenzregel für in (73) formuliert ist, nach einem Buchstaben wie der Buchstabe nur mit dem konsonantischen Phon [R] korrespondieren kann und nicht mit dem vokalischen [e]. Weil aber das konsonantische [R] aus phonologischen Gründen nicht als Silbengipfel fungieren kann, kann die Schreibung nicht wie gewünscht rekodiert werden. Zum anderen ergibt sich gerade bei einer Schreibung wie die Zweisilbigkeit der korrespondierenden lautlichen Form in direkter Weise, wenn die Buchstaben als Diphthong rekodiert werden. Phonologisch 16
Primus (2003: 32) erfasst die Eigenart dieser Schreibungen dadurch, dass sie als phonologisch zweisilbig, aber graphematisch einsilbig analysiert.
184 kann nämlich weder ein [R] noch ein [E] tautosyllabisch einem Diphthong folgen, sodass das Wort in jedem Fall zweisilbig rekodiert werden muss. Da wiederum das [R] nicht allein eine Silbe bilden kann, das [b] aber schon, muss folglich der Buchstabe vokalisch rekodiert werden. ist deshalb graphematisch genauso eindeutig wie . Die Orthographie verlangt aber für einen zentralen Teilbereich des Wortschatzes, wie von Maas (1999) formuliert, hier immer noch zusätzlich den Vokalbuchstaben . Nach der vorgelegten Konzeption der Graphematik sind solche -haltigen Schreibungen dazu geeignet, die gewünschten Rekodierungsergebnisse zu erzielen, unabhängig von der Frage, ob eine entsprechende Form ohne dieselben Ergebnisse erzielen würde. In anderer Hinsicht fuhrt die orthographische Regel in (125) auch zu graphematischen Vorteilen, nämlich zu größerer Determiniertheit. Eine Schreibung wie ist nämlich unterdeterminiert hinsichtlich der Frage, ob der Vokalbuchstabe als zentralisierter oder als peripherer Vokal zu rekodieren ist. Anders ist dies bei der orthographisch lizensierten Schreibung . Hier ist die Korrespondenz des zu einem zentralisierten Vokal ausgeschlossen, und zwar aufgrund der Schärfungsbeschränkung (91), die auf eine Konstellation rekurriert, in der einem Vokalbuchstaben ein Konsonantenbuchstabe und dann unmittelbar ein Vokalbuchstabe folgt. Erst die orthographische Forderung nach einer Markierung von phonologischen Silben durch Vokalbuchstaben gewährleistet, dass in großem Umfang Konstellationen vorliegen, bei denen die Schärfungsbeschränkung in determinierender Weise greifen kann.
5.4.3
Die Signifikanz ununterbrochener Folgen von Vokalbuchstaben
Die orthographische Regel in (125) hat den Effekt, dass die Silbenzahl einer Lautung nicht größer sein kann als die Anzahl der Vokalbuchstaben in der entsprechenden orthographisch lizensierten schriftlichen Repräsentation. In ähnlicher Weise ergibt sich aus der graphematischen Analyse auch eine Mindestzahl an Silben einer Lautung im Verhältnis zur Anzahl der Vokalbuchstaben in der entsprechenden Schreibung, und zwar diesmal unabhängig von Fragen der orthographischen Konventionalisierung. Einer graphematischen Repräsentation korrespondiert nämlich immer eine phonologische Form, die mindestens so viele Silben umfasst, wie die Schreibung ununterbrochene Folgen von Vokalbuchstaben besitzt. Dabei gelten auch Einerfolgen als solche Vokalbuchstabenfolgen. Als Unterbrechungen zählen nur Konsonantenbuchstaben, unter der für die gesamte Analyse gültigen Annahme, dass Regeln und Beschränkungen nur innerhalb einer PW-Domäne applizieren. So kann einer Schreibung wie eine einsilbige wie eine zweisilbige phonologische Form entsprechen, während für eine Schreibung wie nur eine zweisilbige korrespondierende Lautung möglich ist. Zur Illustration formuliere ich diese Beobachtung wie folgt: (128) Beobachtung zum Verhältnis von Vokalbuchstabenfolgen undphonologischer
Silbenzahl
Die einer graphematischen Repräsentation korrespondierende Lautung hat mindestens so viele Silben, wie die graphematische Repräsentation ununterbrochene Folgen von Vokalbuchstaben besitzt.
Zunächst will ich belegen, dass diese Beobachtung bereits durch die formulierte Rekodierungsanalyse erklärt ist, bevor ich ihre Auswirkungen auf die Fremdwortintegration, das Prinzip der orthographischen Konstanzschreibung und die silbentrennende Funktion von
185 Konsonantenbuchstaben erörtere. Vokalbuchstaben habe ich als solche Buchstaben definiert, die per Default mit einem Vokal korrespondieren. Phonologisch gesehen besetzen Vokale zumeist die Silbengipfelposition und konstituieren damit Silben. Nur wenn Vokalbuchstaben mit Phonen in nicht-silbischer Position korrespondieren, kann es dazu kommen, dass eine Schreibung über weniger korrespondierende Silben als Vokalbuchstaben verfügt. Diese Fälle sind also entscheidend für die zu diskutierende Beobachtung. Hierbei sind drei Fälle zu unterscheiden: Vokalbuchstaben können mit nicht-silbischen Vokalen, mit Konsonanten oder mit Null korrespondieren. Diese Fälle gehe ich nun im Einzelnen durch. 1. Wenn Vokalbuchstaben mit nicht-silbischen Vokalen korrespondieren, bedeutet dies, dass es sich phonologisch um Zweitelemente von Diphthongen handelt. Diphthongschreibungen sehen aber immer so aus, dass sie aus einem adjazenten Paar zweier Vokalbuchstaben bestehen. Damit korrespondiert diese Vokalbuchstabenfolge immer mit einer Silbe, auch wenn der zweite der beiden Vokalbuchstaben keine eigene Silbenkorrespondenz etabliert. 2. Vokalbuchstaben können zwar mit Konsonanten korrespondieren, aber nur wenn ihnen unmittelbar ein weiterer Vokalbuchstabe folgt. Einschlägig sind hier Fälle wie oder . Dabei muss dann der zweite der beiden Vokalbuchstaben eine Silbenkorrespondenz etablieren, wobei wiederum das Vokalbuchstabenpaar tautosyllabisch rekodiert wird. 3. Ein Vokalbuchstabe kann unter zweierlei Bedingungen mit Null korrespondieren: Entweder er folgt einem gleichen Vokalbuchstaben. Dann etabliert das erste Element der ununterbrochenen Folge gleicher Vokalbuchstaben die Korrespondenz zu einem phonologischen Vokal und gewährleistet damit, dass die fragliche Vokalbuchstabenfolge mit einer Silbe korrespondiert. Oder es handelt sich um den Buchstaben , wenn dieser entweder einem Vokalbuchstaben folgt oder einem Sonorantenbuchstaben vorangeht. Dann muss aber ein adjazenter Buchstabe mit einem silbischen Phon korrespondieren, wie es explizit in der Beschränkung der Nullkorrespondenz von (126) festgelegt ist, womit sichergestellt ist, dass auch der Vokalbuchstabenfolge, die dieses enthält, zumindest eine Silbe entspricht. Diese Überlegungen zeigen, dass es sich bei der Beobachtung (128) nicht um eine konstitutive Regel oder Beschränkung der deutschen Graphematik handelt, sondern dass sie aus unabhängigen Elementen der Graphematik ableitbar ist. Die Wirksamkeit dieser Regularität kann man z.B. daran erkennen, wie Schreibungen aus solchen fremden Quellorthographien integriert werden, die diese Regularität nicht kennen. Hierfür ist ein Blick auf das Englische einschlägig. 17 Während das Graphische Wort im Deutschen eine zweisilbige Aussprache haben muss, korrespondiert dieselbe Schreibung im Englischen mit der einsilbigen Aussprache [ne:m]. Der zweiten (Einer-) Folge von Vokalbuchstaben entspricht damit keine eigene Silbe. Offensichtlich erlaubt der Buchstabe im Englischen auch dann eine Nullkorrespondenz, wenn er am Wortende steht, ohne dass ihm ein Vokalbuchstabe vorausgeht. Deshalb sind Probleme zu erwarten, wenn Schreibungen aus dem Englischen ins Deutsche integriert werden sollen. Langner (1995) hat in diesem Kontext untersucht, wie 17
In N e e f (2004c) vergleiche ich in ausführlicher Weise die Graphematik des Deutschen mit der des Englischen hinsichtlich der Frage nach dem Verhältnis von Vokalbuchstabenzahl und korrespondierender Anzahl phonologischer Silben.
186 sich englische Lehnwörter im 20. Jahrhundert an die deutsche Sprache angepasst haben. Hierbei unterscheidet sie im Prinzip drei Gruppen: (129) Englische Lehnwörter (basierend auf Langner 1995: 120f.) a. englische Aussprache und Schreibung beibehalten: stummes Choke, Bordcase, Tapedeck b. englische Schreibung beibehalten, aber —> [s] oder [e] Bilge, Mobile, Lokomotive c. englische Schreibung modifiziert: Tilgung des finalen Radom, Nonsens, Detektiv
Die erste Gruppe ist mit 275 Fällen die weitaus größte. Sie ist dadurch ausgezeichnet, dass die englische Aussprache im Deutschen beibehalten wird. Damit zählen diese Fälle im Deutschen als fremdsprachliche Wörter, die für die Untersuchung der Graphematik des Deutschen nicht einschlägig sind. Besonders für Entlehnungen nach dem zweiten Weltkrieg beobachtet Langner diese Konservierung der Quellaussprache als typisches Verhalten, was sicher mit der zunehmenden Englischkompetenz der deutschen Bevölkerung zusammenhängt. Einsicht in die Graphematik des Deutschen gewähren dagegen die anderen beiden Gruppen in (129). Bei den Fällen in (129b) wird ein im Englischen stummes im Deutschen gesprochen, und zwar als Schwa oder als peripherer Vollvokal. Damit sind diese Fälle als Schriftaussprachen zu klassifizieren: Die graphematische Form modifiziert in spezifischer Weise die Aussprache des jeweiligen Worts. Gesteuert wird diese Ausspracheveränderung genau durch die Beobachtung (128), denn das wortfinale konstituiert in diesen Fällen jeweils eine distinkte Folge von Vokalbuchstaben und muss deshalb die Korrespondenz zu einer eigenen Silbe etablieren. Analog verhalten sich die Fälle in (129c), die dadurch eine Übereinstimmung mit der Beobachtung (128) erreichen, dass der Vokalbuchstabe, der in der englischen Lautung keinen segmentalen Widerhall findet, in der deutschen Schreibung entfällt (vgl. engl. und dt. ). Damit kann die Lautung im Deutschen zumindest hinsichtlich der Silbenzahl dem englischen Vorbild folgen. In Analogie zum Terminus Schriftaussprache kann man dies als Lautschreibung klassifizieren, wobei allerdings die Lautung nur in solchen Aspekten unverändert bleibt, bei denen nicht gegen Regularitäten der deutschen Phonologie verstoßen wird. So kann beispielsweise die im Englischen stimmhafte Aussprache des finalen Obstruenten von nicht nachvollzogen werden, weil im Deutschen Obstruenten im Silbenreim nicht stimmhaft sein dürfen (Auslautverhärtung). Auch synchrone Daten der deutschen Graphematik vermögen die Adäquatheit der Beobachtung (128) zu belegen. Wenn die deutsche Orthographie dadurch geprägt ist, dass Einheiten, insbesondere Wurzeln, immer konstant geschrieben werden, solange durch die konstante Schreibung nicht die Rekodierbarkeit verhindert wird, lassen sich Schreibungen der folgenden Art aus der genannten Beobachtung erklären: (130) Verstöße gegen das orthographische graphematische Wurzel a. segel b. sammel
Konstanzprinzip I konstante Derivation *Segeler *Sammelung
korrekte Derivation Segler Sammlung
Wenn die graphematischen Wurzeln tatsächlich so angesetzt werden können, wie sie sich im Infinitiv als Nennform ohne den Infmitivmarker finden, dann wäre für die Derivati-
187 onen eine konstante Schreibung wie in der mittleren Spalte aufgeführt zu erwarten. Dass diese nicht korrekt sind, kann mit der Beobachtung (128) begründet werden, denn diese Schreibungen verweisen jeweils eindeutig auf eine dreisilbige Form, obgleich die zutreffende Aussprache zweisilbig ist. Deshalb muss das entfallen. Analoge Daten werden z.B. auch von Nerius et al. (2000: 154) besprochen, die eine Erklärung darin sehen, dass 'Phonem- und Graphemfolgen möglichst parallel und aufeinander beziehbar gehalten werden sollen'. Die von mir formulierte Beobachtung liefert einen exakten Maßstab dafür, was mit 'möglichst parallel' gemeint sein kann. Insbesondere geht es darum, dass nur solche Schreibungen in einem morphologischen Paradigma gewählt werden können, die im graphematischen Lösungsraum für die jeweiligen Lautungen enthalten sind. Da es für die Lautungen [ze.galn] und [ze.glc] keine Schnittmenge gibt, die eine Konstanzschreibung der enthaltenen Wurzel erlaubt, ist die Orthographie in diesem Punkt gezwungen, auf eine Konstanzschreibung der Wurzel zu verzichten, und zwar infolge der Beobachtung (128). Schließlich lässt sich aus der Beobachtung (128) die silbentrennende Funktion des Buchstabens ableiten. Schon Kohrt (1989: 194f.) geht davon aus, dass diese Funktion epiphänomenaler Natur ist. Dass Buchstaben das Vermögen haben, Silben zu trennen, kann eine sinnvolle Formulierung sein, wenn es sich um Schreibsilben handelt. Wenn damit aber phonologische Silben gemeint sind, handelt es sich im besten Falle um eine abkürzende Redeweise (vgl. Kohrt 1989: 193). Gemeint sein kann mit dieser Formulierung, dass der Buchstabe anzuzeigen vermag, dass die beiden Vokalbuchstaben, die ihn umgeben, mit phonologischen Segmenten korrespondieren, die in unterschiedlichen phonologischen Silben stehen. Diese Eigenschaft kommt aber jedem einzelnen Konsonantenbuchstaben zu, der zwischen zwei Vokalbuchstaben steht, und zwar infolge der Beobachtung (128), die ja gerade diesen Tatbestand erfasst. Die Besonderheit des ist nur, dass er als einziger Konsonantenbuchstabe in dieser Konstellation eine Nullkorrespondenz haben kann (aber nicht muss; vgl. Drehung vs. Sahara).
6
Skizze einer systematischen Orthographie
Wissenschaftliche Untersuchungen zu Fragen geschriebener Sprache setzen üblicherweise die Begriffe geschriebene Sprache und Orthographie gleich. In Kap. 1 habe ich dafür argumentiert, dass innerhalb des Bereichs der geschriebenen Sprache zwei Teilbereiche unterschieden werden müssen, nämlich auf der einen Seite eine Graphematik und auf der anderen Seite eine Orthographie. Nachdem ich in ausführlicher Weise die Graphematik des Deutschen im Rahmen des Rekodierungsmodells analysiert habe, schließt sich in natürlicher Weise die Frage an, wie innerhalb dieser theoretischen Konzeption orthographische Phänomene analysiert werden können. Dies möchte ich in diesem Kapitel skizzieren. Dafür definiere ich zunächst die systematische Orthographie relativ zum etablierten Prinzip morphologischer Konstanz, bevor ich anhand eines aussagekräftigen Beispiels auf der Basis eines graphematischen Lösungsraums einschlägige orthographische Beschränkungen formuliere. Diese Beschränkungen gelten für unterschiedliche Teilbereiche des Wortschatzes, wobei erst am Ende der Analyse die Ebene des Kernwortschatzes betrachtet werden kann. Auch hierin unterscheidet sich das vorgestellte Modell von traditionellen Analysen zum Schriftsystem, weil diese nämlich vorrangig nur den Bereich des Kernwortschatzes anvisieren. Nach meiner Konzeption ist es methodisch unmöglich, die Orthographie des Kernwortschatzes isoliert zu betrachten. Vielmehr muss zunächst die gesamte Graphematik modelliert werden und darauf aufbauend die (systematische) Orthographie des deutschen Wortschatz von außen nach innen, bis zuletzt der Kernwortschatz erreicht werden kann.
6.1 Orthographie und die Konstanzschreibung morphologischer Einheiten Schriftsysteme sind abhängig von ihnen vorgelagerten Sprachsystemen. Ein alphabetisches Schriftsystem umfasst zumindest eine Graphematik, die klärt, in welchem Verhältnis schriftliche Repräsentationen zu phonologischen Repräsentationen stehen. Insbesondere gehe ich davon aus, dass die Theorie der Graphematik zu klären hat, wie graphematische Repräsentationen mit phonologischen Repräsentationen korrespondieren. Die graphematische Repräsentation ist eine um Informationen zu Grenzen eines potentiellen Wortbeginns angereicherte schriftliche Repräsentation. Die phonologische Repräsentation ist eine lautliche Oberflächenrepräsentation, auf der alle potentiell bedeutungsunterscheidenden Einheiten (segmentaler und suprasegmentaler Natur) verzeichnet sind. Der zentrale Begriff des vorgeschlagenen Modells der Graphematik ist der der Rekodierung. Der Grundgedanke dabei ist, dass jeder geschriebenen Form, die ausschließlich aus Buchstaben des deutschen Alphabets (als einer modifizierten Version des lateinischen Alphabets) besteht, in regelhafter Weise eine oder mehrere phonologische Repräsentationen zugeordnet werden können. Das Rekodierungsmodell ist somit ein Regelsystem, das eine graphematische Form als Eingabe nimmt und diese durch die Anwendung von Korrespondenzregeln für Buchstaben und für feste Buchstabenverbindungen in einem Schritt in kategorischer Weise in eine oder mehrere phonologische Repräsentationen überführt. Hierbei können sich graphematische
189 Beschränkungen als Filter über der Ergebnismenge auswirken. Wenn einer graphematischen Form auf diese Weise mehr als eine phonologische Form zugeordnet wird, ist sie unterdeterminiert. Die Graphematik in diesem Sinne ist konstitutiv für phonographische (also alphabetische wie syllabische) Schriftsysteme. In direkter Weise beantwortet die Graphematik mithin die Frage, wie eine Schreibung in eine Lautung überführt werden kann. In indirekter Weise beantwortet sie dabei auch die umgekehrte Fragestellung, nämlich welche Schreibung für eine bestimmte vorgegebene Lautung zur Verfügung steht. Eine mögliche Schreibung für eine beliebige Lautung ist jede Schreibung, die es ermöglicht, die fragliche phonologische Repräsentation zu rekodieren. Das graphematische System definiert auf diese Weise die Menge aller möglichen Schreibungen fur eine bestimmte Lautung. Diese Menge bezeichne ich als den graphematischen Lösungsraum für eine bestimmte Lautung. Wie ich in Kapitel 1 anhand der Lautung [val] besprochen habe, kann der graphematische Lösungsraum für eine Lautung mehr als eine mögliche Schreibung enthalten. Tatsächlich gehe ich davon aus, dass der graphematische Lösungsraum prinzipiell unbegrenzt groß ist, insofern auch eine Schreibung wie dazu geeignet ist, die Lautung [val] rekodierbar zu machen. Somit gehört auch sie zum graphematischen Lösungsraum für diese Lautung. Die Orthographie verfolgt nun eine gänzlich anders gelagerte Fragestellung als die Graphematik. Wenn ein Schriftsystem über eine Orthographie verfügt, werden Wörtern bestimmte, typischerweise eindeutige Schreibungen zugeordnet. Es geht also nicht um die Relation von Schreibungen zu Lautungen, sondern um die Relation von Wörtern zu Schreibungen. Ein Wort in diesem Sinne ist eine Realisierung eines Lexems. Es verfügt über eine bestimmte Lautform, umfasst aber weiterreichende Informationselemente als eine Lautung, nämlich grammatische Informationen wie Wortart oder Flexionskategorie sowie Informationen zur Bedeutung. Das Wort Wal beispielsweise kann die Flexionsform Nominativ Singular des nominalen Lexems WAL repräsentieren. Die Lautung dieses Worts ist [val]. Die Orthographie ordnet diesem Wort eine bestimmte, konventionell festgelegte Schreibung zu. Im Normalfall wählt sie dabei einen Kandidaten aus dem graphematischen Lösungsraum der fraglichen Lautung aus. Allerdings ist der Orthographie durchaus die Kraft zu eigen, eine Wortschreibung für konventionell zu erklären, die nicht im graphematischen Lösungsraum enthalten ist. Eine solche Schreibung ist dann graphematisch nicht lizensiert. Typischerweise haben solche graphematisch nicht verankerten Schreibungen historische Ursachen. Prägend für die Orthographie ist damit der Konstanzgedanke: Ein bestimmtes Wort soll möglichst in jedem Auftretenskontext konstant geschrieben werden. Die Orthographie des Deutschen verlangt Konstanzschreibung nicht nur von Wörtern, sondern auch von kleineren morphologischen Einheiten, nämlich insbesondere von Wurzeln. Solche Wurzeln sind in lautbezogenen Abteilungen lexematischer Repräsentationen aufgehoben. So verlangt die Orthographie des Deutschen nicht nur, dass das Wort Wal (als Nominativ Singular des Lexems WAL) immer und nicht etwa oder geschrieben wird, sondern auch, dass die Wurzel des Lexems WAL konstant geschrieben wird, auch wenn sie in anderen Wortformen auftaucht. So muss auch das Wort Wale als Nominativ Plural des Lexems WAL geschrieben werden und nicht etwa oder . Hierin unterscheidet sich die deutsche Orthographie z.B. von der niederländischen Orthographie, die Konstanzschreibung auf der Ebene des Grammatischen Worts fordert. So wird die Wurzel des Lexems RAAM 'Rahmen' im Nominativ Singular anders geschrieben als im Nomi-
190 nativ Plural (raam vs. ram-en). Die durchgehende Schreibung als wäre graphematisch schlecht, weil der Schreibung im Niederländischen nur die Lautung [Ram] und nicht die intendierte Lautung [Ram] entsprechen kann. Die konstante Schreibung wäre aber graphematisch in allen Kontexten unproblematisch. Dennoch wird sie im Niederländischen typischerweise nicht gewählt. Das Prinzip der Konstanzschreibung von Wurzeln hat im Deutschen freilich Grenzen: Die Konstanzforderung wird gewöhnlich nur insoweit durchgesetzt, als die fragliche Schreibung die Rekodierung der phonologischen Form des fraglichen Worts erlaubt. Die Konstanzschreibung muss also graphematisch lizensiert sein. Die folgenden Beispiele zeigen an, wo das Konstanzprinzip im Deutschen an seine graphematischen Grenzen stößt. Viele dieser Beispiele habe ich bereits in den vorangegangenen Kapiteln angesprochen. (131) Verstöße gegen das orthographische Konstanzprinzip II eraphematische Basis konstante Ableitung gut *gut-er a. sei *sei-t bleib *bleib-te Villa *Villa-en b. segel *Segel-er c. sammel *Sammel-ung Hand *Hand-e d. e. Saal *Saal-e Boot *Boot-chen f. Bus *Bus-e Ananas *Ananas-e fit *fit-er Ärztin *Ärztin-en g· Kenntnis *Kenntnis-e h. los *los-st Knie *Knie-e
korrekte Ableitung besser ist blieb Villen Segler Sammlung Hände {nicht: Hende) Säle (nicht: Sääle) Bötchen (nicht: Böötchen) Busse Ananasse fitter Arztinnen Kenntnisse lost Knie
Bei suppletiven Fällen (131a) besteht schon auf der phonologischen Seite kein regulärer Zusammenhang zwischen verschiedenen Allomorphen, die insbesondere nicht auf eine gemeinsame abstrakte Form (als einheitliche lexematische Repräsentation) zurückgeführt werden können. Die Graphematik kann daher hier auf keinerlei Regularitäten aufbauen, sodass die Orthographie gut beraten ist, auf eine wurzelkonstante Schreibung zu verzichten, da eine entsprechende Schreibung wie nicht in regulärer Weise als [besß] rekodiert werden kann. In diese Gruppe fallen auch die unregelmäßigen Verben. Auch wenn hier bestimmte Muster von Ablautreihen erkannt werden können (vgl. z.B. Duden 1998: 127), sind diese synchron doch durchgehend als grammatisch unregelmäßig anzusehen, und die Graphematik bietet keine Basis für wurzelkonstante Schreibungen. Grammatisch weniger unregelmäßig ist der Fall in (131b), der sich dadurch auszeichnet, dass ein sinnvollerweise als wurzelfmal anzusehendes Element in einer abhängigen Flexionsform getilgt ist. Solche Tilgungen sind phonologisch unregelmäßig (wenn sie auch morphologisch ein homogenes Muster darstellen mögen) und graphematisch nur so nachzuzeichnen, dass der korrespondierende Buchstabe in der Schreibung ebenfalls getilgt wird. Verwandt sind hiermit die Fälle in (131c), auch wenn grammatisch gesehen hier das dem korrespondierende Schwa in theoretischen Analysen überwiegend als in der zugrunde-
191 liegenden Form nicht verankert angesehen und stattdessen als Epentheseelement bewertet wird. Die entsprechende Wurzelschreibung orientiert sich allerdings nicht an zugrundeliegenden Formen, was im Rekodierungsmodell dadurch modelliert ist, dass sich die Graphematik generell auf phonologische Oberflächenrepräsentationen bezieht. Es geht also immer um phonologisch realisierte Wurzeln. Freilich kann die Wurzel des Verbs SEGELN auch ohne Schwa als [ze.gl] realisiert werden. Dennoch fordert die Schreibung hier einen Vokalbuchstaben. Dies liegt nicht allein daran, dass sich orthographische Schreibungen immer auf eine explizitlautliche Realisationsform beziehen. Auch die Schreibung der Wurzel des Verbs ZÖGERN verlangt den Buchstaben an entsprechender Stelle, obwohl die Wurzel phonologisch auch explizitlautlich ohne ein Schwa realisiert wird, nämlich [ts0.gB]. Allerdings sieht die explizitlautliche Form der 1. Ps. Sg. Präs. [ts0.ga.R3] hier ein Schwa vor, sodass auf diesem Wege die Konstanzforderung zur Motivierung der -haltigen Wurzelschreibung instrumentalisiert werden könnte. Als alternativer Erklärungsansatz wäre für ein ausgearbeitetes Orthographiemodell die von Maas (1999: 265) vorgeschlagene Orthographische Regel der Vokalbuchstabenmarkierung fiir Silben (125) zu bedenken. Die Daten in ( 1 3 l d und e) betreffen die Umlautproblematik. Umlaut ist im gegenwärtigen Deutschen keine phonologische Regularität, sondern eine, die nur für bestimmte morphologische Kategorien Gültigkeit besitzt. Darauf aufbauend gibt es keine graphematischen Regeln, die einem bestimmten Buchstaben sowohl die Korrespondenz zu einem primären Vokal als auch die zu seinem umgelauteten Gegenstück erlauben würde. Eine Schreibung wie kann nicht als [hen.da] rekodiert werden und scheidet deshalb graphematisch als eine mögliche Schreibung dieser Lautung aus. Dennoch kann das Konstanzgebot fiir die Auswahl der korrekten Schreibung verantwortlich gemacht werden. Immerhin genügen die Schreibungen und gleichermaßen zur Rekodierung der fraglichen Lautung. Die Orthographie bewertet offensichtlich Umlautbuchstaben als den entsprechenden primären Vokalbuchstaben ähnlicher als andere Buchstaben. Die Schreibung wird also so bewertet, dass sie die Konstanzforderung besser erfüllt als die Schreibung . Dies müsste in die orthographische Analyse integriert werden. 1 Darauf aufbauend wäre zu erwarten, dass die Pluralform von Saal in halbwegs konstanter Form geschrieben wird (vgl. (13le)). Die orthographisch korrekte Form weicht stärker von der Wurzelschreibung ab, indem ein Vokalbuchstabe gestrichen wird. Wenn es zutrifft, wie ich in Abschnitt 5.2.2 angenommen habe, dass eine Schreibung wie graphematisch als [zae.ta] rekodiert werden kann, muss eine spezifisch orthographische Beschränkung dafür zuständig sein, dass diese Schreibung dennoch nicht als Pluralform für das Lexem SAAL gewählt werden kann. Eine solche Beschränkung kann darauf verweisen, dass ein Umlautbuchstabe (bzw. allgemeiner das Trema als distinktiver Bestandteil von Umlautbuchstaben) in einem bestimmten Teilbereich des Wortschatzes notwendigerweise auf einen phonologischen Silbengipfel verweist (vgl. Neef 2003: 108 sowie Primus 2003: 43 für eine formalisierte Analyse im Rahmen ihres Schreibsilbenmodells). Die Konstanzverstöße in (131f und g) sind von gänzlich anderer Art, denn sie sind nicht graphematisch bedingt. Vielmehr könnte die Orthographie in all diesen Fällen konstante Schreibungen der jeweiligen morphologischen Einheiten durchsetzen. Zwar sind die in der mittleren Spalte aufgeführten Wortschreibungen infolge der Schärfungsbeschränkung (91) 1
In Primus (2004) finden sich einschlägige Überlegungen zur internen Komplexität der Umlautbuchstaben.
192 graphematisch auszuschließen, aber die in der rechten Spalte verzeichneten Versionen der Schreibung der fraglichen Wurzeln bzw. Suffixe würden sich graphematisch gesehen ohne weiteres als Basischreibungen eignen. Tatsächlich zeichnet sich orthographischer Wandel (insbesondere die Integration von Fremdwörtern) oft dadurch aus, dass Schreibungen in diese Richtung modifiziert werden, so wie im Rahmen der Reform von 1998 die Schreibung zu verändert wurde mit Hinweis auf die verwandte Form . Bei den Fällen in (131 f) sehe ich keinen Grund, warum die aktuelle Orthographie hier nicht konsistenter vorgeht. Bei den Fällen in (131g) könnte dies daran liegen, dass die Orthographie des Deutschen zwar Wurzeln dem Konstanzgebot unterwirft, nicht aber Affixe. Wenn das Konstanzgebot tatsächlich diese eingeschränkte Reichweite hätte, gäbe es keinen Grund, eine Schreibung wie in zu ändern, obwohl auch nichts dagegen sprechen würde, außer möglicherweise der Umstand, dass hier ein Buchstabe mehr vorliegt als in der aktuellen Schreibung. Auf eine Beschränkung des Konstanzgebots auf Wurzeln deuten schließlich auch die Daten in (131h) hin. Grammatisch gesehen zeichnet sich die verbale morphologische Kategorie der 2. Ps. Sg. Präs. dadurch aus, dass die Wortform mit der Phonfolge [st] enden muss. Dabei ist dies keine Endung, die einer Basis hinzugefügt werden muss, sondern sie kann auch durch in der Basis vorhandenes Material geliefert werden. Da der Verbstamm des verbalen Lexems LOSEN bereits ein [s] bereitstellt, genügt der 2. Ps. Sg. Präs. dieses Phon als eins der notwendigen Endungssegmente. 2 Die Orthographie verzichtet in analoger Weise darauf, das Suffix zur Markierung der 2. Ps. Sg. Präs. in konstanter Weise als zu repräsentieren, sondern schwankt je nach Bedarf zwischen , oder auch Null wie im Fall du barst. Graphematisch gesehen ist dieser Schritt notwendig, weil eine Schreibung wie mit konstanter Suffixform wegen der Korrespondenzbeschränkung vor Schärfungsschreibungen (94) nicht dazu geeignet wäre, die Lautung [lost] mit peripherem Vokal rekodierbar zu machen. Ob der andere in (131h) aufgeführte Fall der Pluralschreibung in ähnlicher Weise graphematisch bedingt ist, bliebe genauer zu untersuchen. Diese Datenbesprechung zeigt, inwieweit das orthographische Konstanzgebot graphematisch begrenzt wird und in welchen Bereichen unter den Konstanzverstößen auf der anderen Seite Reformbedarf besteht. Die Orthographiereform von 1998 hat immerhin durch die Veränderung der -Schreibungen zu einer ausgedehnteren Durchsetzung des Konstanzprinzips geführt, indem etwa ein Verb wie LASSEN jetzt durchgehend mit geschrieben wird und nicht mehr in manchen Formen auch mit (vgl. alt vs. neu ). Wenn die Orthographie als fakultative Teilkomponente eines phonographischen Schriftsystems in dieser Weise über ein Konstanzgebot definiert werden kann, ist deutlich, dass eine genauere theoretische Fixierung dieses Gebots zu den dringlichsten Aufgaben einer systematischen theoretischen Durchdringung der Orthographie gehört.
2
In Neef (1996a: 169-178) habe ich diese morphologische Kategorie genau genommen so analysiert, dass sie nicht unmittelbar den Verbstamm, sondern die Wortform der 3. Ps. Sg. Präs. als Basis nimmt.
193 6.2
Der graphematische Lösungsraum für den orthographischen Wortschatz
Im Folgenden werde ich anhand eines besonders aussagekräftigen Beispiels exemplarisch andeuten, wie eine Theorie der Orthographie auf der Grundlage der Rekodierungsanalyse der Graphematik konzipiert werden kann. Die Orthographie ist danach ein System von Beschränkungen, das die Menge möglicher Schreibungen aus der Vorgabe des graphematischen Lösungsraums in massiver Weise einschränkt, in idealer Weise bis auf eine Einermenge. Dabei setze ich die Beschränkungen als sensitiv für bestimmte Teilklassen des Wortschatzes an. Während für periphere Bereiche des Wortschatzes wie Eigennamen und mehr noch Interjektionen die wenigsten orthographischen Beschränkungen gelten, unterliegt der heimische Kernwortschatz den strengsten Anforderungen. Theoretisch kann ein Beschränkungssystem nur funktionieren, wenn es über einer gegebenen Datenmenge operiert. Während in der Optimalitätstheorie (Prince & Smolensky 1993) hierfür ein unrestringiert generierendes Modul GEN angesetzt wird, liefert die vorgestellte Rekodierungsanalyse der Graphematik genau eine solche wohldefinierte Eingabemenge. Interessanterweise vermag die Graphematik im Rekodierungsmodell eine solche Kandidatenmenge zu bestimmen, ohne im üblichen Sinn generativ zu sein. Die Wirkungsweise eines orthographischen Auswahlverfahrens auf der Grundlage eines graphematischen Lösungsraums demonstriere ich anhand eines einzelnen Beispiels, und zwar anhand der Lautung [Rait], bei der es sich um eine wohlgeformte phonologische Repräsentation des Deutschen handelt. Der graphematische Lösungsraum für diese Lautung lässt sich nur in indirekter Weise aus der graphematischen Analyse gewinnen. Unter der stillschweigenden Voraussetzung, dass graphematische Repräsentationen und phonologische Repräsentationen in einem Verhältnis linearer Isomorphie stehen, gilt es als Erstes zu überlegen, auf welche Art das Phon [R] rekodierbar gemacht werden kann. In den Korrespondenzregeln fur Buchstaben und feste Buchstabenverbindungen taucht dieses Phon nur ein einziges Mal auf der Ausgabeseite auf, nämlich in der Regel für den Buchstaben . Damit ist sichergestellt, dass nur der Buchstabe geeignet ist, das Phon [R] rekodierbar zu machen. Jede graphematisch mögliche Schreibung der Lautung [Rait] muss also den Buchstaben enthalten. Angesichts der in Abschnitt 3.5.2 eingeführten Mehrfachbuchstabenbeschränkung (40) sind freilich nicht nur Schreibungen mit einem einzelnen Vorkommen des Buchstabens potentielle Schreibungen für die Lautung [Rait], sondern auch solche, die in ununterbrochener Reihenfolge eine größere Anzahl dieses Buchstabens enthalten. Unter den Interjektionsschreibungen lassen sich entsprechende Fälle wie finden. Die Mehrfachbuchstabenbeschränkung ist dafür verantwortlich, dass der graphematische Lösungsraum zu jeder phonologisch lizensierten Lautung des Deutschen unbegrenzt groß ist. Nur Lautungen, die genau aus einem zentralisierten Vokal bestehen, besitzen eine einzige graphematisch zugelassene Schreibung. Allerdings sind solche Lautungen phonologisch unzulässig und nur für Interjektionen denkbar. Beispielsweise kann die Interjektion [D] nur geschrieben werden. Dies liegt daran, dass nur der Buchstabe eine Korrespondenz zum Phon [o] zu etablieren vermag und dass zugleich die formulierten Beschränkungen der Graphematik des Deutschen diese Korrespondenz im gegebenen Kontext nicht blockieren. Für möglicherweise dem vorangehende Buchstaben sind gemäß der graphematischen Analyse keine Nullkorrespondenzen verfügbar, sodass solche Schreibungen ausscheiden.
194 Für dem folgende Buchstaben wären durchaus Nullkorrespondenzen zugänglich (und zwar in den Fällen , und ). Dann dürfte der Buchstabe initiale selbst wegen der Dehnungsbeschränkung (115) aber nicht als silbischer zentralisierter Vokal rekodiert werden. Allein die Schreibung kann folglich als [D] rekodiert werden und ist damit eine graphematisch mögliche Schreibung dieser Lautung. Natürlich neigt diese Schreibung eher dazu, als fo] rekodiert zu werden, weil dies zu einem phonologisch wohlgeformten Resultat fuhrt. Der normale Fall ist also derjenige, dass einer Lautung unendlich viele Möglichkeiten der Verschriftung zur Verfügung stehen. Da es offenkundig unmöglich ist, einen unendlich großen Lösungsraum zu präsentieren, formuliere ich eingangs einige orthographisch relevante Beschränkungen, die den Lösungsraum für [Rait] auf ein übersichtliches Maß reduzieren. In Wortschreibungen ohne PW-Grenze können im Wortschatz des Deutschen nur dann mehr als zwei gleiche Buchstaben aufeinanderfolgen, wenn es sich um Interjektionen handelt. Das Schriftsystem behandelt Interjektionen also in besonderer Weise, so wie dies auch das Sprachsystem tut, denn ein typisches Kennzeichen von Interjektionen ist, dass sie sich grammatischen Regularitäten aller Art entziehen. Zur Modellierung dieser Besonderheit unterteile ich den Wortschatz des Deutschen zunächst in zwei Teile, nämlich in Interjektionen auf der einen Seite und den Rest auf der anderen Seite. Diesen Restbereich bezeichne ich als orthographischen Wortschatz. Damit drücke ich aus, dass die Orthographie des Deutschen keinen Zugriff auf Interjektionen hat, wohl aber auf den übrigen Teil des Wortschatzes. Einschränkend erinnere ich an die in Abschnitt 2.4 getroffene Festlegung, dass fremdsprachliche Wörter, also solche Wörter, die sich hinsichtlich des Verhältnisses von Schreibung und Lautung an ihre Quellsprache halten, ohne unabhängig verbuchte Muster des deutschen Schriftsystems widerzuspiegeln, nicht zum deutschen Wortschatz in diesem Sinne zählen und von daher von Regularitäten des deutschen Schriftsystems nicht erfasst werden. Naheliegenderweise können auch Wörter fremder Herkunft, insbesondere Eigennamen, in diesen Bereich außerhalb des orthographischen Wortschatzes fallen, und zwar genau dann, wenn sie nach Maßgabe der deutschen Graphematik rekodiert werden. So kann der Name der irakischen Stadt Um Kasr zwar mittels der deutschen Graphematik regelhaft als [um.ka.zR] rekodiert werden, aber es ist nicht zu erwarten, dass die Orthographie des Deutschen Zugriff auf diese Schreibung hat (noch dass die nach der Schrift rekodierte Lautung der arabischen Aussprache entspricht). Schreibungen für Interjektionen schöpfen also aus dem gesamten graphematischen Lösungsraum für eine Lautung, während andere Teilbereiche des deutschen Wortschatzes nur auf eine Teilmenge dieses Lösungsraums Zugriff haben. Diese Teilmengen werden dadurch definiert, dass orthographische Beschränkungen bestimmte Mitglieder des graphematischen Lösungsraum aus den für einen Wortschatzbereich orthographisch möglichen Schreibungen aussondern. Orthographische Beschränkungen gelten damit für Teilbereiche des Wortschatzes, die unterschiedlich abgemessen sein können. Dabei gehe ich davon aus, dass diese Teilmengen in einem echten Inklusionsverhältnis zueinander stehen. In diesem Sinne ließe sich eine Beschränkung für den orthographischen Wortschatz formulieren, wonach für diesen Bereich nur solche Schreibungen zugelassen wären, die nicht mehr als zwei gleiche Buchstaben in ununterbrochener Reihenfolge enthalten. Damit würde ein großer Teil graphematisch möglicher Schreibungen ausgefiltert werden. Allerdings verbliebe damit für viele Lautungen immer noch eine unendliche Menge zugelassener Schreibungen, weshalb ich die anvisierte Beschränkung restriktiver fassen möchte. Ursache der verbleibenden
195 Unendlichkeit ist die Beschränkung für das Aufeinandertreffen gleicher Phone (52), die in Abschnitt 3.6.3 als eine weitere graphematische Beschränkung eingeführt wurde. Sie hat den Effekt, dass die Lautung [Rait] beispielsweise als verschriftet werden kann, da die letzten acht Buchstaben jeder für sich als [t] rekodiert werden kann und somit die Gesamtfolge wegen der genannten Beschränkung als ein einzelnes Phon. Im orthographischen Wortschatz sind solche Schreibungen durchgängig ausgeschlossen. Die folgende Beschränkung filtert beide Datenbereiche in einem Zug aus: (132) Orthographische Beschränkung: Adjazente Buchstaben mit gleicher Rekodierung Die adjazente Schreibung von mehr als zwei Buchstaben oder festen Buchstabenverbindungen, die mit demselben Phon rekodiert werden, ist ausgeschlossen. Geltungsbereich: Orthographischer Wortschatz
Die ausdrückliche Nennung von festen Buchstabenverbindungen schließt Fälle wie aus und verdeutlicht zugleich, dass die Einfachrekodierung der festen Buchstabenverbindung durch die Beschränkung nicht untersagt wird. Wichtig an der Formulierung ist weiterhin, dass sie sich auf von der Graphematik tatsächlich lizensierte Rekodierungen bezieht. Als mögliche Schreibungen im orthographischen Wortschatz sind damit nicht nur Mehrfachschreibungen gleicher Buchstaben ausgeschlossen sowie die angesprochenen Fälle wie , sondern auch Doppelfolgen gleicher Buchstaben, die von einem mit Null rekodierten umgeben oder durchsetzt sind, also z.B. die Fälle , und . Dergleichen scheint mir fur Schreibungen im orthographischen Wortschatz, insbesondere auch im Eigennamenwortschatz, nicht möglich zu sein, und wird damit adäquaterweise durch die gegebene Beschränkung ausgefiltert. Dabei ist die Schreibung nicht rundweg ausgeschlossen, denn immerhin existieren ja heimische Wörter wie Plattheit. Hier wird aber der Buchstabe nicht mit Null rekodiert, womit die Schreibung nicht von Beschränkung (132) betroffen wird. Für jede von der Phonologie des Deutschen zugelassene Lautung, die weder als Interjektion noch als fremder Eigenname fungieren will, die also einem Wort des orthographischen Wortschatzes zugeordnet ist, verbleibt damit nurmehr eine endliche Menge von graphematisch möglichen Schreibungen. Ein weiteres Kennzeichen orthographischer Schreibungen ist, dass am Wortanfang zwar zwei gleiche Vokalbuchstaben stehen dürfen wie in Aal oder Oos, aber anders als im Wortinneren nicht zwei gleiche Konsonantenbuchstaben. Zu dieser Generalisierung gibt es unter den Eigennamen Ausnahmen wie Lloyd und Lleyton. Mit diesen Ausnahmen kann theoretisch wie folgt verfahren werden: Die anvisierte Beschränkung könnte für den orthographischen Wortschatz ohne Eigennamen gelten. Dann wäre aber zu erwarten, dass mehr Eigennamenschreibungen mit zwei gleichen Buchstaben beginnen. Alternativ könnte der Beschränkung eine Reichweite über den gesamten orthographischen Wortschatz zugeschrieben werden, wobei allerdings der Buchstabe ausgenommen wäre. Ich setze eine dritte Lösung an, indem ich tatsächlich Paare gleicher Konsonantenbuchstaben am Wortanfang für den gesamten orthographischen Wortschatz verbiete. Damit fallen die genannten Wörter Lloyd und Lleyton aus dem Bereich des orthographischen Wortschatzes heraus und gelten als fremde Eigennamen. Solche Ausnahmen wird es auch in anderen Fällen geben. Dies liegt daran, dass ich Wortschatzbereiche in erster Linie definitorisch ansetze und nicht danach, dass alle mutmaßlichen Elemente solcher Bereiche den einschlägigen Beschränkungen tatsächlich entsprechen müssen. Allerdings erzeugt die Bewertung einer Schreibung als orthographisch unregelmäßig einen theoretischen Reform-
196 druck: Wenn eine Schreibung einem zentraleren Wortschatzbereich zugehören möchte, muss sie sich gegebenenfalls ändern und den zusätzlich gültigen Beschränkungen anpassen. Dies ist typisch für die orthographische Integration von Fremdwörtern, die dem Kembereich des Wortschatzes zustreben. Ein Beispiel hierfür ist die Veränderung der Schreibung zu , die als Übergang von der Klasse der fremdsprachlichen Wörter in den heimischen Kernwortschatz bewertet werden kann. Wie für wortinterne Folgen gleicher Buchstaben ist auch in diesem Fall zu überlegen, ob nicht eine allgemeinere Formulierung adäquater ist, die auf die Rekodierung zweier Konsonantenbuchstaben als gleiche Phone Bezug nimmt. Damit könnte erfasst werden, dass Wortschreibungen z.B. nicht mit beginnen dürfen. Die in Abschnitt 3.6.2 erwähnten Ausnahmen von dieser Beschränkung wie Xsara und Tzena müssten dann als fremde Eigennamenschreibungen ausgesondert werden. Dies halte ich für plausibel. Damit setze ich für den orthographischen Wortschatz folgende weitere Beschränkung an, die u.a. dafür sorgt, dass die Lautung [ R a i t ] im orthographisch geregelten Bereich nicht als verschriftet werden kann: (133) Orthographische Beschränkung: Wortinitiale Konsonantenbuchstaben mit gleicher Rekodierung Die adjazente Schreibung von zwei Konsonantenbuchstaben am Wortanfang, die mit demselben Phon rekodiert werden können, ist ausgeschlossen. Geltungsbereich: Orthographischer Wortschatz Wenn ein Wort zu verschriften ist, das über die Lautung [Rait] verfügt und dem orthographischen Wortschatz zuzuordnen ist, lässt sich nun ein endlicher graphematischer Lösungsraum bestimmen, aus dem diese Schreibung zu wählen ist. Dabei ist bislang deutlich geworden, dass diese Schreibung den Buchstaben enthalten muss. Allerdings muss dieser Buchstabe nicht der erste Buchstabe sein, obwohl das korrespondierende Phon [R] das erste der entsprechenden Lautung ist. Der Grund hierfür liegt darin, dass manche Buchstaben eine Nullrekodierung zulassen. Für zwei Buchstaben ist dies auch am Wortanfang möglich, nämlich für den Buchstaben
, allerdings nur, wenn er dem Buchstaben vorangeht, und für den Buchstaben , und dies sogar als sekundärer Default. Die Graphematik des Deutschen erlaubt zwar eine Rekodierung entsprechender Schreibungen wie z.B. des Namens Hrbaty3 als [R.ba.ti], aber die Orthographie des Deutschen erlaubt keine Schreibungen, die mit dem Buchstaben beginnen, wenn diesem eine Nullkorrespondenz zukommt. Dies erfasst die folgende Beschränkung: (134) Orthographische Beschränkung: Wortinitiales mit Nullrekodierung Die Schreibung des Buchstabens am Wortanfang ist ausgeschlossen, wenn er mit Null rekodiert wird. Geltungsbereich. Orthographischer Wortschatz Gemäß seiner graphematischen Korrespondenzregel wird der Buchstabe immer dann mit Null rekodiert, wenn eine Rekodierung mit dem anderen, primären Defaultkorrespondenten [h] zu einem phonologisch ungrammatischen Ergebnis führt. Praktisch ergibt sich hieraus die Konsequenz, dass Wörter des orthographischen Wortschatzes nicht mit dem Buchstaben beginnen dürfen, wenn diesem ein Konsonantenbuchstabe folgt. 3
Dominik Hrbaty ist ein zeitgenössischer slowakischer Tennisspieler.
197 Da der Buchstabe kontextfrei als Null rekodiert werden kann, müsste ihm auch in Doppelschreibung eine solche Nullkorrespondenz zukommen können. Dies lässt sich allerdings im deutschen Wortschatz nicht beobachten. Wenn eine Schreibung zwei adjazente Vorkommen des Buchstabens enthält, wird der hintere immer mit dem Phon [h] rekodiert, sei es bei intervenierender PW-Grenze wie in Leihhaus oder bei einer morphologischen Suffixstruktur wie in Jähheit. Insofern kann für den orthographischen Wortschatz die Doppelschreibung von bei Nullrekodierung ausgeschlossen werden: (135) Orthographische Beschränkung: Doppelschreibung des mit Nullrekodierung Die Doppelschreibung von mit Nullrekodierung ist ausgeschlossen. Geltungsbereich: Orthographischer Wortschatz Aus dem Zusammenspiel dieser Beschränkungen mit der graphematischen Basis ergibt sich, dass eine orthographisch mögliche Schreibung der Lautung [Rait] mit dem einzelnen Buchstaben beginnen muss. Diesem Konsonantenbuchstaben kann der einzelne Buchstabe mit Nullkorrespondenz folgen. Der nächste Buchstabe muss dann auf jeden Fall die Rekodierung des ersten Diphthongbestandteils ermöglichen. Im orthographischen Wortschatz vertretene Schreibungen von Diphthongen bestehen immer aus zwei Buchstaben. Weitgehend folgt dies bereits aus der graphematischen Basis, die insbesondere eine Mehrfachschreibung des ersten Buchstabens einer Diphthongschreibung untersagt. In der potentiellen Schreibung kann nämlich der erste der beiden gleichen Vokalbuchstaben infolge der graphematischen Dehnungsbeschränkung (115) nicht mit einem silbischen zentralisierten Vokal korrespondieren. Damit ist in dieser Schreibung das erste auf die Korrespondenz zu einem peripheren Vokal festgelegt, womit die Rekodierung eines Diphthongs nicht mehr möglich ist. Da der zweite Vokal eines Diphthongs nicht silbisch ist, müssten immerhin solche Schreibungen zugelassen sein, bei denen der Buchstabe für den zweiten Diphthongbestandteil mehrfach auftritt. Im orthographischen Wortschatz ist dies durch die orthographische Beschränkung in (132) auf das doppelte Auftreten des fraglichen Buchstabens begrenzt. Die Schreibung müsste somit zur Rekodierung von [Rait] genutzt werden können. Tatsächlich findet sich mit eine analoge Schreibung im Bereich fremder Eigennamen, und auch eine Interjektionsschreibung wie ist denkbar. Für den orthographischen Wortschatz ist diese Möglichkeit allerdings auszuschließen, wofür ich folgende Beschränkung vorschlage: (136) Orthographische Beschränkung: Nullrekodierung nach unsilbischen Vokalen Die Rekodierung eines Buchstabens als Null mittels der Mehrfachbuchstabenbeschränkung ist ausgeschlossen, wenn der vorangehende mit einem nicht-silbischen Vokal rekodiert wird. Geltungsbereich: Orthographischer Wortschatz Alternativ könnte für den fraglichen Datenbereich daran gedacht werden, die Nullkorrespondenz eines Buchstabens nach einem mit nicht-silbischem Vokal rekodierten Buchstaben generell zu verbieten. Dies wäre aber empirisch inadäquat angesichts der Möglichkeit von Schreibungen wie . Auch ein entsprechendes Verbot der Nullrekodierung nur fur Vokalbuchstaben wäre unzutreffend, weil in der Schreibung die Nullkorrespondenz des im fraglichen Kontext zugelassen ist. Zwar trifft es zu, dass der Buchstabe nach einer Diphthongschreibung nicht mit Null rekodiert werden kann, wenn der ihm selbst nachfolgende Buchstabe nicht als Silbengipfel rekodiert wird; dies ergibt sich jedoch bereits aus der Beschränkung der Nullkorrespondenz von (126). Deshalb scheint der
198 B e z u g der gegebenen orthographischen Beschränkung auf die schränkung angemessen zu sein.
Mehrfachbuchstabenbe-
Nach der Analyse der Diphthongschreibungen in Abschnitt 5.1 verbleiben damit genau vier Möglichkeiten fur die Verschriftung des Diphthongs in der Lautung [Rait], nämlich , , < e y > und . Diese Buchstabenpaare dürfen nicht durch den Buchstaben voneinander getrennt werden, selbst wenn diesem eine Nullkorrespondenz zugeordnet wird, weil dann wiederum w e g e n der graphematischen Dehnungsbeschränkung (115) der erste Vokalbuchstabe mit einem peripheren Vokal zu rekodieren wäre und somit die Rekodierung der Lautung [Rait] nicht möglich wäre. Vor und hinter den beiden Vokalbuchstaben für den Diphthong kann aber ohne weiteres der Buchstabe mit Nullkorrespondenz stehen. Das finale Phon [t] kann gemäß der bisherigen graphematischen und orthographischen Analyse mit einem einfachen Vorkommen der Buchstaben oder verschriftet werden (gegebenenfalls zuzüglich einem einmaligen Auftreten des mit Null rekodierten Buchstabens ) oder mit einem doppelten oder mit einer Zweierkombination dieser beiden Buchstaben. Unter diesen Zweierkombinationen ist die Folge unauffällig, nicht aber die Folge
(58)
(37)
—•
—>
[q]
—> —» —>
[n] [η] [m]
Korrespondenzregel für
[ο] ν [o]
/
_
(primär) (sekundär) (tertiär)
[νοκ]
229
(123b)
Korrespondenzregel flir
—• [oe] ν [0]
(76d)
Korrespondenzregel für
—• [0] ν [oe]
(42) a. b.
Korrespondenzregel für
[ p ] v [··•] [p]
(65)
Korrespondenzregel für
[f]
(28f)
Korrespondenzregel für
[k]
(73) a.
Korrespondenzregel für
—> [R] Ν [E] -
(71)
(63)
W
Korrespondenzregel für -> [s] a. b. [ζ] ν [s] c. [z] d. [s]
Korrespondenzregel für a. -> [3] b. [J]
(67)
Korrespondenzregel für
[J]
(70)
Korrespondenzregel für
—> [s]
(43)
Korrespondenzregel für
-> [s]
(50)
Korrespondenzregel für a. -»· [t] ν [ts] b. Μ
/ PW < (primär)
/
[VOK] ()
(primär)
/
[KONS]
/ [VOK] (primär) (sekundär)
/
PW
/
[VOK] * _
-,
/ [ V O K ] * -, (primär)
[ V O K ]
230
(77)
Korrespondenzregel für a. [v] b. [u] ν [ü]
(123c)
Korrespondenzregel für
—• [υ] ν [y]
(122)
Korrespondenzregel für
[y]
(76e)
Korrespondenzregel für
— [y] ν [Y]
(34)
Korrespondenzregel für
-> [f] ν [v]
(45)
Korrespondenzregel für a. —• [ν] ν [f] ν [...] b. —• [v] c. —> [f]
(28g)
[VOK]
/
[VOK] * (primär) (sekundär)
Korrespondenzregel für
-> [ks]
(80) a. b. c. d. e. (54)
/
(primär)
Korrespondenzregel für
-> [j] ->·
[ι] ν [}] [y] [i] [i] ν [ι] ν [y] ν [γ]
Korrespondenzregel für a. [t] b. [ts]
/
pW
ow >GW
Liste der graphematischen Beschränkungen
(40)
Mehrfachbuchstabenbeschränkung In einer Folge gleicher Buchstaben können alle nicht-initialen Buchstaben als Null rekodiert werden.
(52) Beschränkung für das Aufeinandertreffen gleicher Phone Wenn eine Buchstabenfolge so rekodiert werden kann, dass gleiche Phone in adjazenter Position stehen, können diese Phone einem einzigen Phon entsprechen. (115)
Dehnungsbeschränkung Ein Vokalbuchstabe kann nicht mit einem silbischen zentralisierten Vokal oder mit Schwa korrespondieren, wenn der unmittelbar folgende Buchstabe mit Null rekodiert wird.
(91) Schärfungsbeschränkung Ein Vokalbuchstabe kann nicht mit einem silbischen zentralisierten Vokal korrespondieren, wenn ihm unmittelbar ein Konsonantenbuchstabe (außer ) und dann ein Vokalbuchstabe folgt. (94) Korrespondenzbeschränkung vor Schärfüngsschreibungen Ein Vokalbuchstabe kann nicht mit einem peripheren Vokal oder mit Schwa korrespondieren, wenn ihm unmittelbar eine Schärfungsschreibung folgt. Schärfunesschreibuneen sind Foleen gleicher Konsonantenbuchstaben, wenn sie nach der Mehrfachbuchstabenbeschränkung rekodiert werden, sowie , und . (126) Beschränkung der Nullkorrespondenz von Der Buchstabe kann sein spezifisches Korrespondenzpotential zu Null nur dann entfalten, wenn ein ihm vorangehender Vokalbuchstabe oder ein ihm adjazenter Sonorantenbuchstabe mit einem Phon in Silbengipfelposition korrespondiert. (68) Beschränkung der Nullkorrespondenz von Der Buchstabe kann nicht als Null rekodiert werden, wenn er Teil einer Buchstabenfolge ist, die auch als feste Buchstabenfolge gilt, außer in folgenden Kontexten: a. p W [_ b.
Sachregister
39-40, 76, 79, 93, 96, 121, 152-153, 160-
74
161, 164, 174, 178, 180, 186 165, 167, 169 173, 175, 178-179
22, 39, 62-64, 67, 74, 84-86, 95-96, 105, 144
94
74
150-152, 157, 159
88, 146
150-152, 156, 159, 171, 183 150-152, 159
39, 41, 50, 67, 71-74, 76, 78-79, 91-93, 97-99, 101-104, 115-116, 124, 131, 133,
39-40, 91, 119, 153 165, 167, 169
146, 161-164, 169-171, 182, 187 73-74, 146
174 153-154, 156-159, 183
39-40, 85-87, 91-93, 96, 120-121, 149152, 157-159, 162-163, 165-166, 168, 171,
39, 59,61-62, 66-68, 107
173, 175-177, 181
74
143-144, 173, 175
88
165-169
< c > 3 9 , 4 1 , 9 1 - 9 3 , 9 8 - 9 9 , 104
39-40, 56-57, 63, 66-67, 86, 145, 161-162
145
74
41, 50, 72, 74, 93, 97-99, 102, 104, 119,
145
132, 141, 144, 147, 156 144
39, 5 6 , 9 1 , 9 3 , 9 6 , 105, 108
90-91, 93, 143-147, 172
74 145
39, 62, 64-67, 100, 113-114
88
66 74
39, 54-56, 66, 75-76, 86, 92, 182-183
100
55, 74
88, 146
55, 75, 77
39-40, 55, 61, 76, 79, 91-94, 122-124,
39, 56, 86, 165
133-134, 143-144, 149, 153-154, 157-159,
86
162-165, 168-171, 173-176, 178-187
74
165, 167-169, 171, 173, 175 95, 163-164 151, 157-159, 171
39, 66-68, 86, 95-96, 110, 144, 165, 182183,186
153-157, 159
85, 94-96, 132, 141, 144, 147
155
74
155 157-159
39-40, 50, 52, 76, 84,91, 119, 150-151,
39-40, 56-57, 70, 81-82, 101
173-175, 178-179
159, 164, 170, 176, 178
233 150-152, 156, 159, 176
39, 68, 81-82, 101-105, 108-109
150-151
129, 145 74, 97, 101-103, 132, 141, 144
39-40, 91, 119, 159 174
39, 56-58, 119-120, 152
165, 167, 169
74 57, 93-94, 119, 155
39, 67, 69-71,97, 119
155
74 145
39, 50, 66, 86, 92, 114-116, 155-156, 182184 74
39, 67, 71, 83-84, 133, 164, 169-170 74 145
16, 36, 38-39, 41, 47, 67-68, 83, 87, 9093,99, 103-112, 130, 156 13, 36, 38,41-42, 72, 86-87, 90, 93, 97,
39, 56-57, 78-80, 90, 135, 137, 145-147 74
99-100, 104-105, 109, 129, 132, 141, 144,
88
149
145
108 74, 97, 103, 105 38, 106, 110-111, 130, 172
39-41, 49, 91-93, 121-122, 150-152, 157159, 162-163, 173-174
109
174
93, 107-108
165, 167, 169
38-39, 41, 84-85, 108-109, 112-113, 147-
39, 78-80, 88, 90-91, 108, 146
148 82-83, 110-111
74 90 90
39, 41, 47, 74, 76, 87-88, 90, 92, 104-105, 108-109, 120, 183
145
234 Abhängigkeit des Schriftsystems vom Sprachsystem 5, 7, 15, 18 Abhängigkeitsmodell 39, 74, 76 Abhängigkeitstheorie 36, 72 Abkürzung 56, 112 Ablaut 190 Ableitbarkeitshypothese 6-7 Ableitbarkeitsmodell 7, 9, 18, 20, 112 Affix 22, 48, 112 Affrikate 25, 81, 92 Akronym 112 Akzent 22, 29, 34-35, 86; siehe auch Betonung; Wortakzent akzentbasierte Schärfungsregel 126 Akzentzeichen 11, 123 Allophon 29, 32-33, 85, 120 Alphabet siehe deutsches Alphabet; Fingeralphabet; kyrillisches Alphabet; lateinisches Alphabet; Morsealphabet alphabetisches Schriftsystem 7, 9, 11, 15-16, 36, 188-189, 208 Ambisilbizität 33, 59, 62-63, 73, 77, 106, 110, 126-130, 136-137, 140-142, 145, 162 Amtliche Regelung der deutschen Rechtschreibung 3, 127, 136 Apostroph 14-15,46, 182 appellativischer Wortschatz 101, 145, 166, 174, 178, 200 Approximant 29 Arabisch 168, 194 artikulatorisches Merkmal 28 assimiliertes Fremdwort 3, 19, 21-22, 60, 121, 134, 154, 160, 173, 202, 205; siehe auch nicht-assimiliertes Fremdwort Assimilierung 51, 84, 100, 109, 205 aufgelöste Umlautschreibung 174, 178 Ausgabeelement 53-54 Ausgabeseite 42, 53-54, 85, 193 Auslautverhärtung 57-65, 67, 69, 83-85, 105, 112, 186, 202,210 Aussprachelehre 19, 48, 66 Aussprachevariation 139 automatische Sprachanalyse 19 Autonome Deklarative Phonologie 25-28, 30 autonomes Paradigma 94 Autonomiehypothese 7-8
Bairisch 183 bedeutungsunterscheidend 17, 24-36, 53, 59, 94, 127-128, 160, 180, 188, 207-209; siehe auch potentiell bedeutungsunterscheidend Beschränkung 2-3,44-45, 78, 89, 181, 207; siehe auch graphematische Beschränkung; orthographische Beschränkung Beschränkung der Nullkorrespondenz von (vgl. 126) 124, 155, 180-183, 185, 197 Beschränkung der Nullkorrespondenz von (vgl. 68) 73, 93, 99, 102, 104, 213-214 Beschränkung für das Aufeinandertreffen gleicher Phone (vgl. 52) 87, 89-91, 93, 100, 145-146, 171-172, 195 Betonung 22, 25, 35, 116, 137, 208; siehe auch Betonung; Wortakzent Betonungszeichen 35 Bindestrich 14,46-47, 50 Bindestrichschreibweise 50 bisegmentale Umlautschreibung 177-178 Blindenschrift 37 Buchstabe 13, 17, 36-42 Buchstabe für stimmhafte Obstruenten 60-63, 65-67, 69, 83-84, 95, 98, 105-107, 110-112, 114, 139, 142, 198 Buchstabe fur stimmlose Obstruenten 83, 106, 198 Buchstabenfolge 13, 17, 37-38,41-42 Buchstabeninventar 38-39 Buchstabenkörper 13 Buchstabenname 56 Buchstabenverbindung 42, 74-75, 94; siehe auch feste Buchstabenverbindung Chinesisch 16, 75, 103 Comic 78,92,98, 145 computerbasierte Implementierung 2, 19, 43, 87-88, 198 Computerlinguistik 19, 43, 215 constraint 44 Dänisch 167 Datengewinnung 54 Default 13, 18; siehe auch kontextfreier Default; Normalschreibung; primärer Default
235 Dehnung 76,84, 117, 125, 160-162, 164, 170171 Dehnungsbeschränkung (vgl. 115)84, 161, 164, 169-173, 176, 194, 197-198, 210 Dehnungsfunktion 73, 162-164, 170, 172-174, 176-178 Dehnungskontext 161, 177 Dehnungsmarkierung 124, 160-162 Dehnungszeichen 21-22, 124, 133, 160-162, 164, 169-176, 178, 183, 201; siehe auch heterosegmentales Dehnungszeichen Deklarative Phonologie 25 deklarative Wohlgeformtheitsbedingung 25 Dekodieren 7 Dependenzhypothese 6-9 derivationelle Grammatikkonzeption 6, 26, 43 derivationelle Phonologie 43-44, 58 derivationelle Transkription 34 derivationelles Ableitbarkeitsmodell 7, 18, 24, 59, 129 deutsches Alphabet 17, 37, 82, 167, 188, 206207 diachrone Entwicklung 7, 57, 60-61, 142 diachrone Methode 4, 9 diakritisches Zeichen 22, 33, 38, 208, 215 dialektale Schreibung 205 dialektale Variation 12, 81, 85-86, 99, 109, 114, 125, 165 Didaktik 2, 125-126, 204,215 Diphthong 25, 32-33, 79, 149-150, 159, 175 Diphthongschema 149, 158 Diphthongschreibung 94, 138, 143, 149-159, 166, 171, 180, 185, 197-201 Disjunktion 69 Distribution 28, 31, 33, 94; siehe auch komplementäre Distribution Distributionsklasse 28, 31 Domänengrenze 46, 133 Doppelkonsonantengraphem 125, 127 Doppelkonsonantenschreibung 75, 77, 144145 Doppelschreibung von Konsonantenbuchstaben 63,73-74, 79-81,83, 110-111, 125, 129, 138-139, 141-142, 145-146, 197, 200201
Doppelschreibung von Vokalbuchstaben 164169 Dreifachschreibung 77 Eigenname 3, 14, 19, 21, 51-52, 54, 57, 72, 80-82, 84, 87, 90, 108, 112-113, 134-135, 142, 147, 151, 154, 158, 162, 164, 167-168, 193-195, 197, 200-202, 205, 207; siehe auch Familienname; geographischer Name; heimischer Eigenname; indigener Eigenname; Markenname; Nachname; Ortsname; Personenname; Produktname; Vorname Eigennamenschreibung 57, 111, 121, 149, 152, 178, 195-196, 198,210 Eigennamenwortschatz 71, 88, 108, 111, 143, 146, 151, 156-158, 162-163, 172-173, 176178, 195,200 eindeutige kontextfreie Korrespondenzregel 53-57, 67, 75, 80, 82,91, 100, 102 Eindeutschung 71, 107, 155, 201, 214 Eingabeelement 45, 53-54, 72, 78 Eingabeseite 42-43, 53, 137 Einheitsorthographie 12 empirische Überprüfung 80 Englisch 2, 8, 14, 22-23, 43, 45, 51-52, 60, 65, 84, 88, 103, 107, 123, 135, 138, 166, 185186, 200, 208 Epentheseelement 62, 191 epenthetische Gelenkschreibung 129 Ersatzschreibung 178 Ersetzungsregel 43 Explizitform siehe prosodisch determinierte Explizitform Explizitlautung 32, 34, 68, 71-72, 81, 191 expressive Schreibung 149, 168-169, 171, 181; siehe auch Interjektion externe Evidenz 1, 101; siehe auch interne Evidenz Extrasilbizität 80 extrinsische Regelordnung 44, 64 Fachsprache 165 Fakultativität 116 Falsifizierbarkeit 44-45 Familienname 10-11, 58, 163, 182, 199-200
236 feste Buchstabenverbindung 17, 41-42, 47, 58, 74-75, 84, 93-105, 108, 132, 137, 144, 153-
GPK-Regel 43, 45, 129; siehe auch GraphemPhonem-Korrespondenzregel
158, 173, 177-178, 195, 202, 210-211, 213-
Grammatik 5-6, 26
214
Grammatisches Wort 10
fester Stimmeinsatz 29
Graph 38
Fingeralphabet 37
Graphem 13, 17, 35-38, 42, 125, 127, 173;
Finnisch 165, 167-168 Französisch 16, 51, 55, 71, 112, 154-155, 158, 166 Fremdkorrespondenz 97, 103-104, 122, 149 fremdsprachliche Korrespondenz 91-93, 97, 151 fremdsprachliches Wort 51-52, 55, 57-58, 74-
siehe auch Doppelkonsonantengraphem; Phonographem; Vokalgraphem Graphematik 1-2, 5-6, 8-9, 11-12, 15 graphematisch lizensierte Schreibung 2, 10, 12, 23, 156, 202 graphematische Beschränkung 18-19, 75, 103, 130,213
75, 84, 99-100, 102-103, 106-107, 109,
graphematische Form 16
115, 119, 121, 123, 151, 158, 160, 164,
graphematische Gemination 126, 140
167, 186, 194, 196, 200, 204-205, 207
graphematische Klasse 40, 86, 144
Fremdwort 73, 136, 139, 200, 202, 205; siehe auch assimiliertes Fremdwort; nichtassimiliertes Fremdwort Fremdwortintegration 184 Fremdwortschatz 70, 88, 102, 215 Fremdwortschreibung 73, 159, 178 Friesisch 167 Frikativ 28-30 functional unit 17
graphematische Repräsentation 16-18, 44, 50, 5 3 , 5 9 , 7 1 , 126, 184, 188 graphematische Silbe 62-63, 126; siehe auch Schreibsilbe graphematische Unterdeterminiertheit 20-21, 48, 69, 82, 97, 99, 116-117, 119, 207-211 graphematischer Lösungsraum 2-3, 12, 15, 23, 140-141, 182, 187-189, 193-194, 196, 198199, 202-205,214-215 graphematisches Merkmal 83
Gebärdensprache 6-7, 26
Graphemik 8
gebundene Wurzel 49, 142
Graphem-Phonem-Korrespondenzregel 43, 54,
Gelenkschreibung 125, 129; siehe auch e-
94; siehe auch GPK-Regel
penthetische Gelenkschreibung; zugrunde-
Graphetik 37
liegende Gelenkschreibung
graphisches Morphem 46
Geminatenbeschränkung 75, 77, 79-80, 89 Gemination 77, 80, 88, 91, 211; siehe auch
Graphisches Wort 46-51, 71, 88, 121, 133, 139, 179, 185, 207-208
graphematische Gemination; Schreibgemi-
graphisches Wortsegment 46
nate
Griechisch 19, 51, 121, 152, 166
Geminationsregel 45, 76
Großbuchstabe 7, 13-15, 37-39, 82, 94
Generative Linguistik 4, 6, 17, 25-27, 44
Großschreibung am Satzanfang 13, 37, 46
generative Phonologie 43-44
Großschreibungsbedingung 13-14
geographischer Name 11, 74, 92, 99, 166 geschlossene Klasse 134, 142
Härtezeichen 40
geschriebene Sprache 1-2, 4, 8, 188
heimischer Eigenname 19, 121, 200, 205
Gespanntheit 31, 126, 209
heimischer Kemwortschatz 3, 121, 144, 158,
gesprochene Sprache 1-2, 6, 19, 26-27, 207, 215 glottaler Plosiv 29
160, 163, 193, 196 heimischer Wortschatz 19, 22, 70-71, 80, 88, 91, 103, 146, 157-158, 166, 173,202-203, 205,215
237 Hervorhebungsfunktion 14 Hessisch 109 heterosegmentales Dehnungszeichen 176 heterosyllabische Korrespondenz 152, 154, 158, 169, 179 historische Kontinuität 7 Homogramm 20-21,47-48, 50, 118, 132-133, 140, 209-210 idiosyncratic spelling 23 Ikonizität 39, 78 incomplete coverage 20 indigene Korrespondenz 84, 86, 91, 97, 120, 122, 154 indigener Eigenname 205 inhärent geordnete Korrespondenzregel 64, 67-69, 73, 83-84, 97-98, 107, 109, 111-114 Inklusionsverhältnis 194 Interjektion 3, 19, 72-73, 78, 81-82, 123, 145146, 150-151, 158-159, 168, 193-195, 197, 205; siehe auch expressive Schreibung interne Evidenz 1, 101; siehe auch externe Evidenz Interpunktionszeichen 7, 14, 38,46, 83, 86, 94 Intonation 25, 33, 35, 47, 53 IPA 25, 27, 29 Irakisch 115, 194 Isomorphiehypothese 4 Italienisch 51 Japanisch 103 Junggrammatiker 4, 37 Kambodschanisch 102 Kandidatenmenge 193 Kernwortschatz 57, 83, 129, 143, 151, 164168, 174-176, 178, 182, 188, 200-203, 205, 210, 214; siehe auch heimischer Kernwortschatz Kindersprache 163 Klammer 46 Klasse siehe graphematische Klasse; offene Klasse; phonologische Klasse Kleinbuchstabe 7, 13-15, 37-39, 94 Klitisierung 182-183 Koartikulation 27
Kölsch 168 komplementäre Distribution 17, 33, 97 Kompositum 17, 47-48, 51, 72, 118, 142-148, 174, 207-208 Konsonant 25, 28 Konsonantenbuchstabe 10,40, 53-54; siehe auch Doppelschreibung von Konsonantenbuchstaben Konsonantenverdopplung 125 Konstanzprinzip 12, 23, 48, 121, 130, 138139, 142, 156, 186, 190-192, 203, 214; siehe auch morphologische Konstanz; morphologisches Prinzip; Stammkonstanz kontextabhängige Korrespondenz 81, 83, 87, 93, 111, 149, 153, 157-159 kontextfreier Default 122, 148, 181 kontinuierliches Schallereignis 27 konventionelle Orthographie 3, 9, 203-204, 215 Korrespondenz siehe Fremdkorrespondenz; fremdsprachliche Korrespondenz; heterosyllabische Korrespondenz; indigene Korrespondenz; kontaxtabhängige Korrespondenz; Nullkorrespondenz; primäre Korrespondenz; sekundäre Korrespondenz; tertiäre Korrespondenz Korrespondenzbeschränkung vor Schärfungsschreibungen (vgl. 94) 144, 147, 161, 172, 177, 192,213 Korrespondenzregel 18, 20, 22-24, 42-43, 45; siehe auch eindeutige kontextfreie Korrespondenzregel; Graphem-PhonemKorrespondenzregel; inhärent geordnete Korrespondenzregel; unterdeterminierte Korrespondenzregel kyrillisches Alphabet 84 Laryngal 29 Latein 19,51,92, 123, 152, 154, 166, 168 lateinische Schrift 112 lateinisches Alphabet 17, 39, 51, 84, 178, 188 Lautkette 9, 11 Lautschreibung 186 Lautung 7, 11, 42 Leerzeichen 46, 83, 86 Lehnwort 166, 168, 186
238 Lernbarkeit 1, 7 Lesen 7 Leseprozess 88 Lesexperiment 80 Lexem 10, 16, 26 lexematische Repräsentation 26-28 Lexikalische Phonologie 4, 43, 59, 62 lexikalische Repräsentation 26 lexikalisch-phonologische Repräsentation 45 lexikalisch-phonologisches Prinzip 35 Lexikon 5, 26 Ligatur 13 lineare Isomorphie 193 Linearität 119, 122 listing rule 45 logographische Funktion 56 logographisches Schriftsystem 16 major rule 45 major secondary pattern 166 Majuskel 38 Markenname 80 Markierer für Silbizität 179 Mehrfachbuchstabenbeschränkung (vgl. 40) 78-79, 81, 87, 89-90, 100, 102, 130, 142, 145-147, 149, 163, 168-169, 172, 181, 193, 198,210,213 Mehrgraph 93-94, 129 Merkmal siehe artikulatorisches Merkmal; graphematisches Merkmal; privatives Merkmal; phonologisches Merkmal Merkmalsanalyse 144 Minimalitätsbedingung für Vollsilben 128, 137, 151, 153, 157, 170, 183,212 Minimalpaar 29-32, 34, 39, 94, 128, 180 Minimalpaaranalyse 30 Minimalpaarmethode 28, 39, 94 minor secondary pattern 166 Minuskel 38 Mittelhochdeutsch 61, 70, 111, 142 mögliche Schreibung 9-12 Morphem 15-16, 48, 50; siehe auch graphisches Morphem morphologische Information 17, 48-49, 113 morphologische Kategorie 49, 191 morphologische Konstanz 12, 188
morphologische Struktur 14, 29, 47, 50, 79, 118, 132-133, 135 morphologische Variation 12, 136, 140 morphologisches Prinzip 214 Morsealphabet 37 muttersprachliche Kompetenz 80 Nachname 60 Nasalassimilation 68 Negation 40, 83 Nennform 13, 123 Neuhochdeutsch 61 nicht-assimiliertes Fremdwort 19, 29, 65, 75, 134,214 Niederländisch 13, 43, 59, 148, 189-190 Norddeutsch 31, 95, 99, 109 Norm 1, 19 Normalschreibung 13, 15; siehe auch Default Nullbuchstabe 40 Nullkorrespondenz 40-41, 71-74, 81, 84-85, 88-89, 93, 95-96, 98, 101, 103-104, 124, 143, 162-164, 169-176, 180-181, 194, 196198, 200-202,210,215 Nullphonem 76 Oberflächenphonologie 28 Oberflächenrepräsentation 17, 27-30, 35, 4445,58-62, 188, 191,207 Oberflächentreue 44-45 Obstruent 28 Oder-Verknüpfung 110 offene Klasse 134-135 offenes System 20-21, 52, 80, 210 Ökonomie 6 Onomatopoetikum 72 Onsetmaximierung 128-129 Ontogenese 5 Optimalitätstheorie 4, 44, 193 Ordnungsproblematik 44-45, 78 orthographically relevant level 59 Orthographie 2,5,8-9,11-12, 19, 189, 192-193, 206, 214; siehe auch Einheitsorthographie; konventionelle Orthographie; systematische Orthographie orthographisch falsche Schreibung 10, 13
239 orthographisch konventionelle Schreibung 2, 9, 18, 23 orthographisch richtige Schreibung 2, 9, 13, 18, 2 0
orthographische Beschränkung 57, 82, 134, 139, 188, 191, 193-204 orthographische Konvention 72, 184 orthographische Repräsentation 13,45, 63, 139 orthographische Variation 12, 94, 192 orthographischer Wortschatz 194-200, 205 orthographisches Aus wähl verfahren 3, 193, 204 Ortsname 60, 71, 92, 96, 102-103, 106, 108, 115, 145-146, 166-167, 172-174, 176-177, 182-183, 199-200,210 paradigmatische Eigenschaft 25 peripherer Vokal 30-31 peripherer Wortschatz 81-82, 108, 163, 182 Personenname 52, 182 PGK-Regel 43 Phon 17,27-28 Phonem 17, 27-28; siehe auch Nullphonem Phonetik 24, 26,31,37,39 Phonetik-Hypothese 26 phonetische Ebene 26-27 phonetische Eigenschaft 28 phonetische Repräsentation 16-17 phonetische Transkription 7, 25, 27, 44, 58, 207 Phonographem 17, 38, 74, 94 phonographische Diphthongschreibung 150, 152 phonographisches Schriftsystem 16, 192 Phonologie 5, 24-26 phonologische Ähnlichkeit 59, 117 phonologische Form 16 phonologische Klasse 31, 59 phonologische Konstruktion 32, 79 phonologische Oberflächenstruktur 17 phonologische Repräsentation 2, 7, 15-18, 2527 phonologische Tiefenstruktur 17 phonologische Transkription 27, 34
phonologische Ungrammatikalität 64, 80, 113, 209 phonologische Wohlgeformtheit 52, 64, 105, 112
phonologischer Filter 69, 79, 89, 99, 112, 209, 211-214 phonologisches Inventar 24-25, 28 phonologisches Merkmal 40, 69 phonologisches Merkmalssystem 66 phonologisches Prinzip 18 Phonologisches Wort 34, 49-50 Phrasenkompositum 50 Phylogenese 5 Plosiv 25, 28-29 Polygraphie 12 Postaspirierung 29 postlexikalische Ebene 59 potentiell bedeutungsunterscheidend 25-30, 32 potentieller Wortbeginn 11, 34, 48, 208; siehe auch PW-Grenze Präfigierung 48, 51, 118, 148 Präfix 34,48-50, 60, 65, 77, 88, 117, 142, 208 Präglottalisierung 29,49 Präzedenz 11 primäre Korrespondenz 63-64, 67, 113, 209 primärer Default 40-41, 67 primärer Vokalbuchstabe 173-174, 191 primäres Zeichensystem 7 Prinzip siehe Konstanzprinzip; lexikalischphonologisches Prinzip; morphologisches Prinzip; phonologisches Prinzip; Rekodierungsprinzip privatives Merkmal 31,40, 54, 83 Produktivität 112 Produktname 112 proprialer Wortschatz 101 prosodisch determinierte Explizitform 141 Pseudokompositum 72 Psycholinguistik 1,215 Punkt 46 PW-Grenze 34,48-51, 53, 208; siehe auch potentieller Wortbeginn rare spelling 45 Rechtschreibung 1 Reduktionssilbe 32
240 Reduktionsvokal 25, 30, 32 Reform der Rechtschreibung 1-3, 14, 23, 1 ΙΟΙ 11, 126, 138-139, 143, 192 Regelkonspiration 98-99, 102 Regelordnung 129; siehe auch extrinsische Regelordnung; intrinsische Regelordnung regionale Variation 119 Rekodierung 7 Rekodierungsmodell 18 Rekodierungsprinzip 16 relevanter Wortschatz 51, 56 Repräsentation siehe graphematische Repräsentation; lexematische Repräsentation; Oberflächenrepräsentation; orthographische Repräsentation; phonetische Repräsentation; phonologische Repräsentation; sprachsystematische Repräsentation; zugrundeliegende Repräsentation; Zwischenrepräsentation Repräsentationsebene 16,25-27 rewrite rule 43 Russisch 40, 43, 84, 167 Schärfung 76, 117, 124-126, 129, 147 Schärfungsbeschränkung (vgl. 91) 133-140, 142-143, 147, 149, 161, 170-171, 184, 191, 210
Schärfungsmarkierung 125, 147 Schärfungsregel siehe akzentbasierte Schärfungsregel; segmentbasierte Schärfungsregel; silbenbasierte Schärfungsregel Schärfungsschreibung 111, 125, 127, 129-130, 134, 136, 139, 141-147, 172, 201 Schärfungszeichen 21-22, 133 Schreibgeminate 125 Schreibsilbe 46-47, 62-63, 86, 114, 119, 166, 187, 191; siehe auch graphematische Silbe Schreibung 11,43; siehe auch dialektale Schreibung; Diphthongschreibung; Doppelkonsonantenschreibung; Eigennamenschreibung; Ersatzschreibung; expressive Schreibung; Fremdwortschreibung; Gelenkschreibung; graphematisch lizensierte Schreibung; Lautschreibung; mögliche Schreibung; Normalschreibung; orthographisch falsche Schreibung; orthographisch
konventionelle Schreibung; orthographisch richtige Schreibung; Schärfungsschreibung; Umlautschreibung; Wurzelschreibung Schreibvariante 12-13, 70, 140, 152 Schreibvariation 155 Schrift siehe Blindenschrift; lateinische Schrift; Sonderschrift Schriftaussprache 52, 74, 108, 112, 115, 123, 163, 186, 208 Schrifterwerb 9, 125, 204 schriftgeleitete Aussprache 73 Schriftlinguistik 1,4, 6 , 8 , 2 1 6 Schriftsystem 1-3, 5-7; siehe auch alphabetisches Schriftsystem; logographisches Schriftsystem; phonographisches Schriftsystem; syllabisches Schriftsystem Schwäbisch 109 Schweizerdeutsch 125-127 segmentale Information 25 segmentbasierte Schärfungsregel 126, 134 sekundäre Korrespondenz 63-64, 67, 113, 209 sekundärer Vokalbuchstabe 174 sekundäres Zeichensystem 7 Silbe siehe graphematische Silbe; Reduktionssilbe; Schreibsilbe; Vokalbuchstabenmarkierung für Silben; Vollsilbe silbenbasierte Schärfungsregel 126-127, 129, 141, 142 Silbengelenk 127 Silbengrenze 33-34, 47, 50, 208 Silbenschnitt 127 silbentrennende Funktion 184, 187 silbentrennendes 76 Silbenzahl 33-34, 120, 124, 179, 184, 186 Silbifizierungsalgorithmus 62 Slowakisch 196 Sonderschrift 37 Sonorant 25, 28-30 Sonorität 32-33, 77, 79-80, 145, 180 Sonoritätsbedingung 183 Sonst-Fall 108 Soziogenese 5 Spanisch 22, 51, 103,208 SPE-Phonologie 4, 43-44 Spirantisierung 85-86 Sprachsynthese 88
241 Sprachsystem 5 sprachsystematische Repräsentation 6, 8, 15, 18
Sprechsprache 5-6, 16 Stamm 26, 33, 49 Stammalternation 33 Stammkonstanz 12, 130, 214 Standardlautung 19, 34, 68, 71, 139 Stern 77, 83 stilistische Variation 12, 29, 81, 140 Stilregister 15, 71, 86 Stimmhaftigkeit 69 Stimmhaftigkeitsalternation 58-59, 63, 65, 105, 203 Strukturalismus 4, 17, 25, 27 stummes 73 Stützform 141-142 Substandard 86, 139, 182 Suffigierung 49, 51, 168 Suffix 48-50, 66, 72, 79, 106, 132 Suppletion 190 suprasegmental 33, 188, 208 syllabisches Schriftsystem 16, 189 Symbol 38 synchronische Methode 4 syntagmatische Eigenschaft 25, 32, 94, 128129, 149 systematische Orthographie 3, 188, 203-204, 215 systematische Unterdeterminiertheit 22, 208 Teilbereiche des Wortschatzes 3, 11, 51, 87, 134, 188, 194, 203-205,215 tertiäre Korrespondenz 68, 95-96, 109, 111, 113 Textorthographie 14 text-to-speech-synthesis 19,215 Tilgung 186, 190 Transformationsregel 42-43, 45, 53 Transkription siehe derivationelle Transkription; phonologische Transkription; phonetische Transkription Transliteration 84, 103, 167 Trema 39, 178, 191 Trennstrich 14,46, 50, 209 Tschechisch 108, 115
Überlautung 72 Überschrift 14, 46 Umgangslautung 71,81 umgangssprachlich 15, 63, 68, 72, 81 Umgebungsspezifizierung 53 Umlaut 159-160, 174, 176-178, 191 Umlautbuchstabe 39, 92, 159, 166, 168, 173174, 191,214-215 Umlautschreibung siehe aufgelöste Umlautschreibung; bisegmentale Umlautschreibung unflektierbare Wortart 60 Unregelmäßigkeit 3, 22-23, 57, 116 unsilbischer Vokal 33, 120, 197 unterdeterminierte Korrespondenzregel 69, 82, 97 Unterdeterminiertheit 19-22, 42, 45, 58, 64, 69-70, 82, 84, 112, 115-116, 208-211; siehe auch graphematische Unterdeterminiertheit; systematische Unterdeterminiertheit unvollständige Kontextabdeckung 82, 112, 146 Variation siehe Aussprachevariation; dialektale Variation; morphologische Variation; orthographische Variation; regionale Variation; Schreibvariation; stilistische Variation Vokal 28; siehe auch peripherer Vokal; Reduktionsvokal; unsilbischer Vokal; Vollvokal; zentralisierter Vokal Vokalbuchstabe 10, 24, 39-40; siehe auch Doppelschreibung von Vokalbuchstaben; primärer Vokalbuchstabe; sekundärer Vokalbuchstabe Vokalbuchstabenmarkierung für Silben 179, 191 Vokalbuchstabenpaar 128, 150, 152-154, 157160, 164, 166, 169, 172, 175, 177, 179, 185 Vokalbuchstabentripel 148 Vokalbuchstabenzahl 124, 185 Vokalgraphem 39, 173 Vokallänge 11,31,35 Vokalqualität 127-129, 183 Vollsilbe 32 Vollvokal 24-25, 30-31 Vorausschauwert 87-88, 137
242 Vorname 60, 71, 115, 182 Weichheitszeichen 40 Weißrussisch 43 Wort 50; siehe auch fremdsprachliches Wort; Fremdwort; Grammatisches Wort; Graphisches Wort; Lehnwort; Phonologisches Wort Wortakzent 33-34, 50, 208 Wortdesign 49 Wortende 40 Wortform 26 Wortorthographie 14 Wortschatz 11, 19-21,51, 188,204-205,207; siehe auch appellativischer Wortschatz; Eigennamenwortschatz; Fremdwortschatz; heimischer Wortschatz; orthographischer Wortschatz; peripherer Wortschatz; propri-
aler Wortschatz; relevanter Wortschatz; Teilbereiche des Wortschatzes Wortschatzerweiterung 52 Worttrennung 14, 46, 50, 62 Wortzwischenraum 7 Wurzel 16, 34, 48-50, 189, 191-192; siehe auch gebundene Wurzel Wurzelschreibung 57, 125, 131, 138-139, 141, 191 Zeichensystem siehe primäres Zeichensystem; sekundäres Zeichensystem Zeilenende 14 zentralisierter Vokal 30-31 Ziffer 38, 56, 94 zugrundeliegende Gelenkschreibung 129 zugrundeliegende Repräsentation 26, 44, 5862, 112 Zwischenrepräsentation 44-45, 59-60