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German Pages [293] Year 1995
Die Gemeinschaft, der Tod, das Abendland
Domenico Losurdo
Die Gemeinschaft, der Tod, das Abendland Heidegger und die Kriegsideologie
Aus dem Italienischen von Erdmuthe Brielmayer
Verlag J.B. Metzler Stuttgart· Weimar
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Losurdo, Domenico: Die Gemeinschaft, der Tod, das Abendland : Heidegger und die »Kriegsideologie« / Domenico Losurdo. Aus dem Ital. von Erdmuthe Brielmayer. - Stuttgart; Weimar: Metzler, 1995 Einheitssacht.: La communita, la morte, l'occidente -cdt.» ISBN 978-3-476-01299-9
Redaktion der deutschen Ubersetzung: Stefan Stuckmann ISBN 978-3-476-01299-9 ISBN 978-3-476-03593-6 (eBook) DOI 10.1007/978-3-476-03593-6
Dieses Werk einschlieBlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschutzt, Jede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzuHissig und strafbar. Das gilt insbesondere fur Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen Titel der italienischen Originalausgabe: La communita, la morte, l'Occidente. Heidegger e I'videologia della guerra« © 1991 Bollati Boringhieri editore © 1995 Springer-Verlag GmbH Deutschland Ursprunglich erschienen bei J. B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH in Stuttgart 1995
BIN VERLAG DER
SPEKTRUM FACHVERLAGE GMBH
Inhalt I
Ein »grofier und wunderbarer« Krieg 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Die Gemeinschaft und der »Kr iegssczia lismu sDie Kriegsideologie auBerhalb Deutschlands Krieg und »medit a t io mortisDas Opfer, der Tod und die Gemeinschaft.. .............. Das Ende der biirgerlichen Sicherheit Dem Schicksal gehorchen
1 6 11 17 21 23
II Der Krieg, die Gemeinschaft und der Tod: Jaspers und Heidegger 1. Jaspers und die Kriegsideologie 2. Jaspers und die Machtergreifung 3. Jaspers und die Gemeinschaft des Bodens 4 . Heidegger, die Kameradschaft und die Gemeinschaft .. 5. Der Philosoph, die »Abgr u nde des Daseinsund der »u r s pru nglich e Mut6. Der freischwebende Intellektuelle: Heidegger als Kritiker Mannheims 7. Wertfreiheit und Liberalismus: Heidegger Kritiker Webers 8. Sein und Ze it und die Kriegsideologie
27 32 38 40 43 45 47 52
III Deutsche, Europaer, Zigeuner und Papuas 1. »Gesch icht lich keit - und Negation des Allgemeinbegriffs Mensch
v
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2. »Geschicht lich keit«, Differenz, »Kam pf« 69 3. »Geist« und subversiver Intellektualismus 73 4. »Det r an szen dent a lisier u ng« und Deuniversalisierung des Subjekts 78 5. Kritik und Neuinterpretation der Geschichtlichkeit: Husserl 83 6. »Geschich t lich keit« und Autonomie der Theorie: HusserI contra Heidegger 88 7. Abendland, Westen, Osten 92 8. Deutsche Geschichtlichkeit und Einheit des Abendlandes 95 9. Die aus der »Geschichtlrchkeit« Ausgeschlossenen: Zigeuner, Papuas und Hottentotten 100 10. Das »metaphysische Volk« und die Rettung des Abendlandes 104
IV
Der Krieg, die Revolution, das Komplott 1.
2. 3. 4. 5.
Die Oktoberrevolution und das »j u disch -bolsch ewistisch e« Komplott Der Jude , die Zivilisation und die Revolution Die Juden und die Gemeinschaft ohne Boden Abendland und Judentum: Jaspers und Heidegger Schmitt und die Theorie des judischen Komplotts ..
111 113 120 123 129
V
Zwischen »Blut und Boden« und reaktionarem Modernismus 1. Die ideologischen Widerspriiche des Dritten Reichs 2. Nietzsche, der Wille zur Macht und der Kampf gegen den Nihilismus 3. Maschine und Vermassung: Heidegger und Japsers VI
135 143 150
4. Totalitat, berechnendes Denken und Vermassung
158
VI
Untergang und Verklarung des Abendlandes 1. Die Kritik des Ideals vom ewigen Frieden 2. Blitzkriege, neue Ordnung und vollendeter Nihilismus 3. Das Imperium, das Reich und das ursprungliche Griechentum 4. Heidegger und Spengler: Kultur und Zivilisation 5. Verteidigung der »Geschicht.lichkeit« und Neuinterpretation des Krieges 6. Deutschland, die »Schuld« und die planetarische Bilanz des Willens zur Macht 7. Heidegger, Junger, Schmitt
165 169 177 183 189 194 202
VII
Heidegger, der zweite Dreifiigjahrige Krieg und die Kritik der Moderne 1. Ein unpolitischer Philosoph? 2. Zwei einander entgegengesetzte Kritiken der Moderne 3. Horkheimer, Adorno und die Dialektik der Aufklarung 4. Husserl, die Moderne und die Aufklarung 5. Heidegger, Croce, Gentile und der Liberalismus .. 6. Liberale Tradition und Kritik der Moderne 7. Radikaler Antimodernismus und Unzeitgemaflheit: Nietzsche und Heidegger 8. Heidegger und seine Zeit Anmerkungen
209 216 220 227 230 232 239 247 249
VII
I
Ein »groBer und wunderbarer« Krieg
1. Die Gemeinschaft und der »KriegssozialismusDer Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde von nicht wenigen europaischen Intellektuellen als erneuter Beweis fur die uniiberwindbare Krise nicht nur des historischen Materialismus, sondern auch einer jeden »ein seitigan naturalistischen Denk- und Fuhlweise« (Husserl) angesehen. War das Versagen einer okonomischen und materialen Erklarung der Welt und ihrer Geschichte nicht offenkundig im Angesicht eines Krieges, der sich vielen Publizisten als ein Kampf entgegengesetzter Ideale und Weltanschauungen, ja soga r als ein Religions- und 'Gla uben skr ieg darstellter! Welchen Sinn hatte es , weiterhin von Klassenkampf oder auch nur von materiellen Interessen zu sprechen bei einem Konflikt, der doch jede materielle Dimension zu iibersteigen und die Uberlegenheit des Geistigen iiber das Okonomische zu be wei sen schien? Welchen Sinn hatte diese Rede angesichts der Erfahrung einer nationalen Gemeinschaft, wunderbar und aufs innigste vereinigt in der Stunde der Gefahr? Es geht urn eine geradezu mystische Erfahrung: Stefan Zweig hat diese Stimmung wahrerid der ersten Kriegstage eindrucksvoll geschildert. Wir befinden uns in Wien: »Wie nie fuhlten Tausende und Hunderttausende Menschen, was sie besser im Frieden hatten fuhlen sollen: daB sie zusamrnengehorten C..) und daB jeder aufgerufen war, sein winziges Ich in diese gliihende Masse zu schleudern, urn sich dort von aller Eigensucht zu lautern. AIle Unterschiede der Stande, der Sprachen, der Klassen , der Rel i1
Ein »g rolier und uiunderbarer« Krieg
gionen waren uberflutet fur diesen einen Augenblick von dem strornenden Gefuhl der Brtiderlichkeit C.. ). Jeder einzelne erlebte eine Steigerung seines Ichs, er war nicht mehr der isolierte Mensch von friiher, er war eingetan in eine Masse, er war Volk, und seine Person, seine sonst unbeachtete Person hatte einen Sinn bekommen.sZu diesem Zeitpunkt sind wir noch weit entfernt vom Klima, das sich dem »Un t er ga ng des Abendlandes- nahe sah und das sich spater immer weiter verbreiten wird. Unter dem Zauber der ersten Tage und Monate des Krieges mussen alle -ba n a u sis ch en- und -pr osa is ch en- Weltanschauungen zerbrechen, die nicht in der Lage sind, die einzigartige Erfahrung der Einheit und der geistigen Gemeinschaft innerhalb der abendlandischen Nationen, die gegeneinander einen Kampf urn Leben und Tod fuhren, zu verstehen und zur Geltung zu bringen. Auch fur Max Weber, des Spiritiualismus' in all seinen Formen unverdachtig, hat es keinen Sinn, den Krieg mit dem ZusammenstoB einander entgegengesetzter »wir t schaftlicher Interessen« zu erklaren; naturlich seien auch »M a ch t lrit e r e s ae n« im Spiel, diese wiesen aber eine kulturelle und geistige Tiefendimension auf, die nicht auf die Sphare der Okonornie zuruckzufuhren sei. Zumindest fur Deutschland gelte, daB es »u m seiner Ehre willen « und weil es die Stimme des »Sch ick sa ls« vernommen habe , in den Krieg gezogen sei, eingedenk der Gefahr der militarischen Niederlage.f Nach den engstirnigen MaBstaben wirtschaftlicher RechnungsfUhrung mag man vielleicht die Absichten der Franzosen erklaren kormen , aber »wer bei uns ein ahnliches Kriegsziel hatte, der ware gar kein Deutscher; die deutsche Existenz ist unser Kriegsziel, nicht der Profit" .4 U mso mehr zeigt sich der Krieg daher »gr of und wunderbar tiber alles Erwarten«, »Gr oll und wunderbar« ist ein Ausdruck, den Weber in seinen Beschreibungen des Krieges durchgangig bemuht, und er behalt fur ihn seine Giiltigkeit, unabhangig davon, wie dieser Krieg einmal ausgehen wi rd.f Neben der politischen, okonomischen und militarischen Macht Deutschlands stehen also andere, hohere Werte auf dem Spiel. Urn diese zu verstehen, greifen wir auf das Zeugnis 2
Die Gemeins chaft und der »Kriegss ozialism us«
Marianne Webers zuriick, die die Erfahrungen ihres Ehemannes als Leiter eines Lazaretts im Bezirk Heidelberg beschrieben hat. Hier fand er die Aufgabe, diejenigen zu versorgen und zu heilen, die sich »dem Ganzen riicksichtslos preisgegeben- haben. In dieser Arbeit festigte sich das Gefiihl einer beispiellosen Sympathie: »Wie wunderbar sind diese ersten Monate! Das ganze innere Leben auf einfache, groBe und gemeinsame Linien gebracht. Alles Unwichtige zerfallt. Jeder ist guten Willens. Jeder Tag bringt Tat und Spannung. Das Personliche ist aufgehoben im Uberpersonlichen: Es ist der Hohepunkt des Daseins. sf Von dieser Erfahrung durchdrungen, erschafft sich die deutsche Nation in einem mystischen Volkskorper neu. Mit dem Kriegsausbruch schlagt »die Stunde der Entselbstung, der gemeinsamen Entriickung in das Ganze. HeiBe Liebe zur Gemeinschaft zerbricht die Schranken des Ich. Sie werden eines Blutes, eines Leibes mit den andern, zur Bruderschaft vereint, bereit, ihr Ich dienend zu vernichten. «? Das ist die Sprache der mystischen Erfahrung. Eine Erfahrung, an die sich Marianne Weber noch nach J ahren bewegt erinnert, obwohl der mystische Korper der deutschen Nation schon vor dem militarischen Zusammenbruch Deutschlands zerfallen war. Mystische Akzente finden sich auch bei Scheler (»Wir waren nicht mehr, was wir so lange waren: allein-J'), und in einem Brief Husserls, der uns nur in der englischen Ubersetzung seines amerikanischen Empfangers vorliegt. Wiederum ist Gegenstand der Verherrlichung die Einheit, die sich mit dem Kriegsausbruch herausgebildet hatte, und deren hochster Ausdruck die Gemeinschaft der Soldaten an der Front darstellt: »The feeling that every death means a sacrifice voluntarily offered gives a loftly dignity and raises the individual suffering into a sp here above all individuality. We hardly live any longer as private persons. Ev eryone experiences concentrated in himself the life of the whole nation, and this gives to every experience its tremendou s momentum. All the tense, passionate striving, all the endeavoring, all the sorrowing, all the conquering, and all the dying of the soldiers in the field - all enter collectively into the feeling and suffering of everyone of us. ,,9 3
Ein »grolier und tounderba rer« Kri eg
Dieses Pathos der Gemeinschaft und des Ganzen bleibt keineswegs auf die deutsche oder germanische Kultur beschrankt. Auch in anderen Landern wird der Krieg, zumindest im Anfangsstadium, als »Gelegen h eit zur Abschaffung der Klassenstruktur- empfunden.I? Sogar im klassischen Land des Liberalismus fuhren die Kriegsanstrengungen dazu, eine Art »Kr iegs sozia lismus« einzufiihren .U Eine amerikanische Beobachterin (Edith Warton) beschreibt ihrerseits die Atmosphare in Paris, Ende Juli 1914 so: »Bis vor zwei Tagen fiihrten die Pariser, jeder fur sich, ein Leben, das den anderen gegeniiber gleichgiiltig war oder sogar in offenem Gegensatz zu ihnen stand, sie waren sich so fremd, als handelte es sich urn Feinde jenseits der Grenzen (.. .). Jetzt drangen sie sich zusammen, umarmen sich in einer instinktiven Sehnsucht nach nationaler Gemeinschaft« - eine organische Gemeinschaft, die auch diejenigen inkorporiert, die kurz zuvor als »gefa h r liche Klassen- nicht nur galten, sondern es auch wirklich waren.lf Zumindest in der Anfangsphase des Krieges scheinen der Tod und das Opfer diese wunderbare nationale Gemeinschaft noch we iter zu festigen. So erinnert Marianne Weber aus dem Krieglazarett: »U n za h lige der einfachen Sohne des Yolks haben noch nie so viel Liebe gespiirt wie hier.«13 Sie hatte einige Jahre zuvor dem Marxschen Sozialismus, der nicht in der Lage sei, »die Freiheit und Einheit un serer Nation- zu empfinden, den Fichteschen Sozialismus entgegengesetzt, der, ganz vorn nationalen Sinn der Gemeinschaft und der »Gesam t h eitdurchdrungen, den Staat nicht als Instrument der Klassenunterdriickung, sondern als »Wach t er des unbedingt notwendigen Gemeinschaftsverhaltnisses« auffasse.U Der Krieg scheint den endgiiltigen Triumph dieser Gemeinschaft und dieses geistigen Reichtums iiber den marxistischen »Ma t er ialismu s« zu kennzeichnen, den Marianne Weber schon zur Jahrhundertwende als eine Form von »Dogmat ism u s- kritisiert hatte.lf Damit ist ein zentrales Element der sogenannten »Kr iegsideologie- herausgestellt. Der Terminus selbst geht auf Thomas Mann zuruck.w der mit den Betrachtungen eines Unpolitischen einen wichtigen Beitrag zu ihrer 4
Die Gemein schaft und d er »K rieg ssozialism us«
Entwicklung geleistet hatte. Dort hatte er Marx als den radikalsten Kritiker der »Gemein sch a ft sidee- ausfindig gemacht, die in Deutschland mit »volk sr om a n t isch en« oder besser »volk isch e n- Motiven hoch aufgeladen war, und die si ch selbst in radikalstem Gegensatz zur »sozia list isch en Gesellschaftsidee- definierte!? (Sozia lism u s gilt hier mit Marxismus synonym). 1928 distanziert sich Mann von jener »Kriegsideologie«, die er noch zehn Jahre vorher mitentwickelt hatte. Wenn Thomas Mann die »Gernein sch a ft aidee« der »sozialistischen Gesellschaftsidee- entgegenstellt, greift er die seinerzeit von Tonnies vorgenommene Unterscheidung zwischen Gemeinschaft und Gesellschaft wieder auf. Diese Unterscheidung oder Entgegensetzung hat wahrend des Ersten Weltkriegs in Deutschlands Publizistik Konjunktur; so auch bei Max Scheler, der, als er die »Ka t egor ientafel des englischen Denkens- aufstellt, diesem vorwirft , Gemeinschaft und Gesellschaft zu verwechseln.lf Deutschland formiert sich zur Gemeinschaft, al s Gesellsch a ft en sin d hingegen seine Feinde verfaBt. In der deutsch e n Kultur, Publizistik und tiffentlichen Meinung wird daher der Triumph der vorn Krieg zusammengeschmiedeten »Gem ein sch a ft« fast einhellig als der endgultige Untergang nicht nur des Marxismus , sondern auch der »Ideen von 1789« betrachtet, denen die »I dee n von 1914« entgegenstehen. 19 Der »n a t ion a le Staatssozialismus « - urn einen Ausdruck zu gebrauchen, den wir bei Croce finden werden - siegt nicht nur tiber den marxistischen Sozialismus, sondern auch tiber den Liberalismus und tiber die Demokratie. Ganz unabhiingig von den Kriegsereignissen scheint sich die Kontrastierung einer stark von »a r ist okratischen- und »k u lt isch en« Elementen bestimmten »Gemeinschaft- und einer nicht allein demokratischen, sondern vor allen Dingen profanen »Gesellschaft- herauszubilden, die - wie Mann anmerkt - ihren vollkommensten und abstoBendsten Ausdruck im marxistischen Sozialismus findet, der mehr noch als der Liberalismus und die Demokratie der Authentizitiit des nationalen deutschen Wesens fremd sei. 20
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Ein »g rofler und uiunderbarer« Krieg
2. Die Kriegsideologie auBerhalb Deutschlands Urn einem Mifiverstandnis vorzubeugen: nicht nur in Deutschland entwickelt und verbreitet sich die Kriegsideologie. Wir haben schon auf die Appelle an die Einheit und auf die einmiitig unterstiitzte Mobilmachung in Frankreich und England hingewiesen. Zur besseren Klarung des Phanomens, scheint es sinnvoll, sich eingehender mit Italien als Beispiel zu beschaftigen, wobei wir nicht von relativ unbedeutenden Autoren, sondern von Stellungnahmen wichtiger Philosophen des 20. Jahrhunderts ausgehen wollen. In den Kriegsjahren formuliert Benedetto Croce radikal seine Kritik an den »t r ugerisch en VerfUhrungen C..) der Gottin Gerechtigkeit und der Gottin Menschlichkeit- und ebenso an den »naturrechtlichen, unhistorischen und demokratischen Schalheiten, den sogenannten Idealen von 1789«.21 Auch der neapolitanische Philosoph beteiligt sich also an der Kampagne gegen die »Ideen von 1789«, die die bevorzugte Zielscheibe der deutschen Kriegsideologie bildeten. Auch er scheint ihnen das Ideal einer im Innersten organisch geeinten Gemeinschaft entgegenzustellen, die die gemeinsame Erfahrung der Gefahr und des Krieges zusammengeschmiedet hatte; auch er scheint ihnen die in Deutschland verherrlichten sogenannten »Ideen von 1914« entgegenzusetzen. Noch vor diesem Zeitpunkt, aber bereits mit Blick auf den Krieg in Lybien, hatte sich Croce dariiber beklagt, daB die vom Marxismus beeinfluflte sozialistische Bewegung »d a s BewuBtsein der sozialen Einheit« untergraben habe. Dadurch habe sich eine »a llgem eine Dekadenz des Gefuhls fur die soziale Disziplin . breitgemacht: »die Individuen fuhlen sich nicht mehr als ein groBes Ganzes, als Teil eines groBen Ganzen, dem sie unterworfen sind und an dem sie mitarbeiten, indem sie ihren Wert aus der Arbeit schopfen, die sie im Ganzen leisten.«22 Einige Jahre spater - Italien war noch nicht in den Krieg eingetreten - blickt Croce voller Bewunderung und vielleicht auch ein biBchen neidisch auf die Zurschaustellung der nationalen Einheit in Deutschland, wo die Begei6
Die Kri egsideologie aufJerhalb Deutschlands
sterung und der patriotische Appell das ganze Yolk angesteckt und fur aIle Zeiten - so die allgemeine Wahrnehmung - jede Spur eines sozialen Konflikts und noch mehr den von Marx favorisierten Klassenkampf hinweggefegt hatten. Gerade Deutschland, in dem sich so problemlos und tief die patriotische Integration der sozialistischen Bewegung verwirklicht zu haben schien, gilt dem neapolitanischen Philosophen als ein Modell, das weit tiber die Kriegsereignisse hinaus Geltung hat. An einen Freund schreibt er am 22. Dezember 1914: »Wie du weiBt, habe ich mich seinerzeit fur den Marxschen Sozialismus und spater fur den syndikalistischen Sozialismus Sorels begeistert; ich erhoffte mir sowoh l von dem einen als auch von dem anderen die Erneuerung des gegenwartigen sozialen Lebens, und in beiden Fallen habe ich der Auflosung und dem Dahinschwinden jenes Ideals der Arbeit und der Gerechtigkeit beigewohnt. Jetzt aber gibt es die Hoffnung auf eine entschieden in die historische Tradition eines nationalen Staatssozialismus eingereihte und eingewurzelte proletarische Bewegung; und ich glaube, daB das , was die Demagogen Frankreichs, Englands und Italiens, (die nicht dem Proletariat und den Werktatigen, sondern - wie der von mir bewunderte Freund Sorel sagt - den noceurs den Weg eroffnen ), gar nicht oder ziemlich schlecht und ohne Aussicht auf Erfolg vor a n br in gen, Deutschland vielleicht verwirklichen wird , das damit den anderen Volkern als Beispiel und Modell dienen konnte. Daher beurteile ich die Entscheidung der deutschen Sozialisten ganz anders als die der italienischen und ich glaube, daB die deutschen Sozialisten, die s ich in Ubereinstirnmung mit dem deutschen Staat und seiner eisernen Disziplin befunden haben, die wahren Protagonisten der Zukunft ihrer Klasse sein werden. «23 Der von Croce gebrauchte Begriff »n a t ion ale r Staatssozialismus- - zur Charakterisierung der von militarischer Disziplin und von der Erfahrung des Krieges zusamengeschweiBten Gemeinschaft - gemahnt an die Kategorien »St a a t s sos ia lism u s«, «N ationalsozialismus«, »Kr iegs sozia lismus«, die damals in Deutschland en vogue waren. Die beiden letztgenannten zieren einen Buchtitel Plenges, der 7
Ein »groller und uiunderbarer« Krieg
sich damit als wichtiger Protagonist der Entgegensetzung zwischen den »Ideen von 1914« und den »Ideen von 1789« einen Namen machte.Ps Der zitierte Brief enthalt aber noch weitere bemerkenswerte Ausdruckweisen: »E r neu erung des gegenwartigen sozialen Lebens«. Yom Krieg erwartet man sich we it mehr als nur den militarischen Sieg und einige weltpolitische Vorteile. Und weiter: »H ist or ische Tradition«, Der Krieg und die Gefahr provozieren eine eifrige Suche nach den Wurzeln der Nation, einen erneuerten Kult des Verwurzeltseins in der organischen Gemeinschaft, die ihre Feuertaufe in dem schrecklichen Konflikt erlebt hat (von analoger Bedeutung und Funktionalitat ist das Thema »Gesch ich t lichk eit - in der deutschen Kriegsideologie, auf das wir sparer noch zu sprechen kommen warden). Nicht nur in Deutschland, sondern in allen kriegfuhrenden Landern, auch in denen mit gefestigten liberalen Traditionen, begtinstigen und erfordern die fortwahrenden Mobilisierungsanstrengungen den Rtickgriff auf eine Gemeinschafts-Ideologie, die Millionen von Menschen bedingungslose Opfer abzuverlangen vermag. In den Augen Croces tun die italienischen Sozialisten, ob als unverbesserliche Pazifisten oder Marxisten, falsch daran, sich diesem neuartigen Gemeinschaftsgefiihl zu verschlieBen und nicht in den allgemeinen Jubel tiber die mit hohem Blutzoll bezahlte Eroberung von Gorz einzustimmen. Sie werden u.a. der »rnor a lisch en Unernpfindlichkeit- und der »geist igen Blindheit und Stumpfheit- bezichtigt. Mit ihrem SelbstausschluB aus der sowohl moralischen wie auch geistigen und historischen Gemeinschaft der Nation vergaBen sie, »dafi die Geschichte sowohl jetzt als auch in der Vergangenheit das Vaterland, die Verteidigung des Vaterlands und den Ruhm des Vaterlands an die erste Stelle setzt, wahrend nur an zweiter Stelle und im Inneren des Vaterlands die Gegensatze zwischen Parteien und Klassen stehen«.25 Noch im Jahre 1928 - zehn Jahre nach Kriegsende und sechs Jahre nach der faschistischen Machtubernahme, ebenfalls auf der Woge eines Krieges - kritisiert Croce, obwohl nun selber in der Opposition, weiterhin die italienischen Sozialisten, weil sie zu Zeiten des Konflikts 8
Die Kriegsideologie aufJerhalb Deutschlands
"tiber das Vaterland und gegen das Vaterland andere Ideale stellten« und sich damit »ideell von dem Yolk trennten, dem sie angehorten«. Bei gleicher Gelegenheit ruft er voller Uberzeugung die »n a t ion a le Eintracht- oder den »n a tionalen und gemeinsamen Geisteszustand- ins Gedachtnis , die dem Eintritt Italiens in den »S ch rnelzofen- des Krieges vorangegangen war. 26 Metaphorisch steht hier der Krieg fur die Verschmelzung der Individuen mit der Gemeinschaft bzw. dem »Volk- ein. Man kann daher verstehen, weshalb Gramsci dem neapolitanischen Philosophen im Jahr 1916 vorwirft, »eine bodengebundene Vorstellung vom Vaterland und der Nationzu haben; eine Vorstellung, ahnlich derjenigen Barres', des erbitterten Feindes des deracinement und der deracines,27 jener Entwurzelung, die gleichfalls eine bevorzugte Angriffsflache der deutschen Publizistik nach dem Ersten Weltkrieg bildet - wie wir noch sehen werden. Auch der Ausdruck »boden gebu n dene Vorstellung- verdient Beachtung. Der Kult urn das vaterlandische Territorium (und darum handelt es sich, so Gramsci, denn in Kriegszeiten verwandelt es sich und seine Grenzen in »ein Ding aus Fleisch und Blut«28) ist wesentlicher Bestandteil der »Blu t -u n d-Boden -I deologie«, die sich zu dieser Zeit in Deutschland immer we iter verbreitet. Zwar trennt Croce eine Kluft von dieser Ideologie, dessen idealistische Bildung allein schon gegen jeden Naturalisierungsversuch der Geschichte immunisiert. Dennoch dient seine nur kurz angerissene Polemik, gerade wegen ihrer Scharfe, dazu, die Analogien in der ideologischen Entwicklung der verschiedenen kriegsfuhrenden Lander deutlicher hervortreten zu lassen. Einen noch grofseren EinfluB hat die Kriegsideologie auf Giovanni Gentile ausgeubt, Schon im Herbst 1914 halt er einen Vortrag tiber die »P h ilosoph ie des Krieges«, in dem er nicht nur von der wiedergefundenen Gemeinschaft, dem »hlutigen Band«, das aIle Burger eng zusammenhalt, spricht, sondern auch den Krieg als »absolute Tat« verherrlicht: »Du r ch den Schmerz Iautert sich der menschliche Geist, steigt zu seinem Schicksal auf und ist so in der Lage, die »spir ituelle Wirklichkeit« zu erfassen, 9
Ein »grolier und uiunderbarer« Krieg
die »k ein stilles Wasser, sondern eine brennende Flamme ist«.29 Dies sind Themen, die in der deutschen Kultur weit verbreitet waren. Die hier nahegelegten Analogien diirfen jedoch nicht verabsolutiert werden, relevanter sind vielmehr die Differenzen und Diskontinuitaten in der ideologischen Verarbeitung und Promotion des Krieges. Nicht allein wegen der auBerordentlichen Bedeutung, die die Verherrlichung der Gemeinschaft in Deutschland hat und die dort auf eine lange unheilvolle Tradition zuriickblikken kann. Wichtiger noch ist ein weiterer Unterschied. Selbst wenn sich Croce in Italien fur eine patriotische Mobilmachung einsetzt, weigert er sich, den Krieg in ein geistiges Prinzip zu verwandeln. Er begreift diesen nur als Ausdruck fur den ZusammenstoB zweier unterschiedlicher, einander entgegengesetzter Lebens- und Machtwillen; in Frankreich wird der Krieg von einer sehr breiten Front, die auch viele Intellektuelle in ihren Reihen zahlt, als eine Art Kreuzzug fur die Demokratie und die Ideale der Franzosischen Revolution propagiert (und das, obwohl auch das zaristische RuBland der Entente angehorte). In Deutschland hingegen finden wir neben den Rechtfertigungen, die unter Berufung auf Nietzsche den Willen zur Macht unterstreichen oder die Notwendigkeit hervorheben, die Ehre, die Selbstandigkeit und die nationale Wiirde , sowie die kulturellen und materiellen Interessen des Landes zu verteidigen, ein spezifisches, mit besonderer Bedeutung aufgeladenes Thema: die spiritualistische Verklarung des Krieges und der Todesnahe im betonten Gegensatz zur Banalitat und geistigen Armut, zur Zerstreuung und zur Philisterhaftigkeit des normalen alltaglichen Lebens.
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Krieg und »med itatio mortis «
3. Krieg und »medit atio mortis« Es ist sicher nicht nur die Erfahrung der »Gem ein sch a ft «, die , zumindest zu Anfang, der Masse des Volkes und vielen Intellektuellen (da r u n t e r solchen Beriihmtheiten wie Max Weber) den Ersten Weltkrieg »groB und wunderbar- erscheinen liiBt. Gerade Max Weber bedauert es, die Fronterfahrung nicht personlich machen zu konnen , er, der sich gegeniiber seiner Mutter als der »von Deinen Sohnen am meisten kriegerisch veranlagte- bezeichnet. Trotz seiner Tragodien und ScheuBlichkeiten »Ioh n t [es] sich ihn zu erleben - noch mehr wiirde es sich lohnen dabei zu sein, aber leider kann man mich im Feld nicht brauchen ... «, Aber auch die mehr oder weniger biirokratische Arbeit in einem Lazarett in der Etappe errnoglicht die Teilhabe an diesem mit Spiritualitat angefUllten Augenblick: »Da s Leben bringt auch so immer Vieles, was es wert macht, gelebt zu werden. e-? Das Lazarett scheint sogar, wegen des tagtaglichen Dramas, das sich in ihm abspielt, ein privilegierter Beobachtungsposten zu sein: »Die Probe darauf, daB wir ein groBes Kulturvolk sind, haben wir abgelegt: Menschen, die inmitten einer raffinierten Kultur leben, die dann trotzdem drauBen dem Grausen des Krieges gewachsen sin d (wa s fur einen Senegalneger keine Leistung istl ), und die dann trotzdem so zuriickkommen, so grundanstiindig, wie die groBe Mehrzahl unserer Leute, - das ist echtes Menschentum .... «3 1 Die Erfahrung und die Spannung des Krieges scheinen sogar der Gesundheit Webers wohlzubekommen. Nach einem langen Tag harter Arbeit drehen sich auch die hauslichen Gespriiche in den MuBestunden urn das Thema des Krieges. Marianne Weber berichtet: »Oft finden sich auch Freunde von der Front ein, die als Verwundete eine Zeitlang in der Heimat verbringen. Dann sind sie Mittelpunkt. Sie konnen nie genug erziihlen. Denn in jedem spiegeln sich die Ereignisse anders, jeden umleuchtet das Gluck neu geschenkten Lebens und der Hingabe an ein hohes Ziel. Der Anblick ihrer straffen Gestalten ist herrlich. Mancher - noch vor kurzem Jiingling - erscheint nun in der Uniform als Mann. Meist sind die Zuge der Beurlaubten eigentiimlich gespannt, sie kunden 11
E in »grofier und iounderbarer« Krieg
stete innere Wachheit, schwere Verantwortung und die Erlebnisse in der Nahe des Todes.«32 Hier verbindet sich das Thema der Gemeinschaft, »der Hingabe an ein hohes Ziel «, mit dem Thema der formierenden und padagogischen Wirkungskraft der »Nahe des Todes« . Natiirlich kann man Spuren dieses Themas auch in der Kriegsideologie der Lander der Entente finden, aber im Bereich der deutschen Kultur wird es zu einem tragenden Pfeiler dieser Ideologie. Man konnte behaupten, daB jetzt die Todesnahe einen integrierenden Bestandteil der wahren Bildung ausmache: ein klassisches Motiv, das in der neuen Kriegssituation wiederaufgenommen und neu interpretiert wird. Dies besonders zu Weihnachten, dem traditionellen Zeitpunkt fur die Sammlung des deutschen Geistes: »Das erste Kriegsweihnachten war iiberall tief eingetaucht in Liebe, Poesie und Feier'lichkeit«. Max Weber wendet sich an die Soldaten im Fronturlaub, die sich urn den Weihnachtsbaum versammelt haben: »Er weiB : sie miissen noch einmal ins Feuer. Seine Stimme ist Orgelton . Er spricht von der Grofle des Schlachtentodes: Im Alltag kommt der Tod zu uns a ls Unverstandener, als vernunftwidriges Schicksal, dem kein Sinn abzuringen ist. Wir miissen ihn einfach hinnehmen. Aber von Euch weiB jeder, weshalb und wofur er stirbt, wenn ihn das Los trifft. Wer drauBen bleibt, ist Saatgut der Zukunft. Der Heldentod fur Freiheit und Ehre unseres Volkes ist hochste Leistung, wirksam fur Kinder und Kindeskinder.ev'' Nur in Teilen ahnelt diese Rede den iiblichen Appellen an die Opferbereitschaft, die typisch ist fur die Kriegsrethorik aller Lander. Das Schlachtfeld wird zum Weiheort, urn den wahren Sinn des Lebens zu erfassen, es verhindert die Todesverdrangung des alltaglichen Lebens und verleiht damit der menschlichen Existenz eine einzigartige Tiefe und Inten-
sitat. Dies sind Themen, die noch deutlicher in einem Vortrag Husserls vom November 1917 zur Sprache kommen. Darin wiirdigt Husserl den EinfluB des Krieges (»die ser Krieg, dieses iiber alles Begreifen groBe und schwere Schicksal unserer deutschen Nation«) auf das geistige Leben: »Ideen und Ideale sind wieder auf dem Marsch, sie finden wieder 12
Krieg und »med itatio mortis«
offene Herzen. Die einseitige naturalistische Denk- und Fuhlweise verliert ihre Kraft. Not und Tod sind heute Erzieher. 1st doch der Tod seit Jahren kein Ausnahmeereignis mehr, das sich durch prunkvolle feierliche Konventionen, unter gehauften Blumenkranzen verdecken und in seiner ernsten Majestat verfalschen laBt. Der Tod hat sich sein heiliges Urrecht wieder erstritten. Er ist wieder der groBe Mahner in der Zeit an die Ewigkeit. Und so sind uns denn auch wieder Sehorgane fur den deutschen Idealismus erwachsen.s''< Der Krieg fuhrt im Laufe der Jahre dazu, ihn als eine selbstverstandliche, gesunde und unhintergehbare meditatio mortis zu verstehen; er ist eine Art geistiger Ubung, die es ermoglicht, der alltaglichen Banalitat und Zerstreuung zu entfliehen und den authentischen Sinn des Lebens zuruckzugewinnen. Dies ist auch die Meinung Simmels und Schelers : Fur Simmel stellt der Krieg (gerade in der Todesnahe, die er mit sich bringt), die »a bsolu t e Situation- dar, die jenseits der Banalitat des alltaglichen Lebens, das immer dem »Kom pr om ifi« und dem »Gesichtspunkt der Quantitat« verhaftet bleibt, die »a bsolu t e Entscheidung« erfordert. In ihr wird die Macht der »Ideen« als »hochste Instanz« auch fur denjenigen hervorgehoben, der »das Wort Idee nie gehort oder verstanden hat«.35 Und Scheler befindet: »Der Krieg stellt das wahre , das der Wirklichkeit angemessene Verhaltnis von Leben und Tod fur unser BewuBtsein wieder her«; der Krieg setzt dem gewohnlichen Nicht-Sehen oder besser dem Nicht-Sehen-Wollen des Todes ein Ende, setzt seiner »Ver dr a n gu ng und Verdunkelung- durch die »t a u sch en den Schleier einer zur stumpfen Gewohnheit gewordenen Lebenspraxis - ein Ende. 36 Die »medit a t io mortis- resultiert aus der von Scheler theoretisch gefaBten »Met a ph ysik des Krieges -s" . Zur Bestatigung des in der deutschen Kultur tief verwurzelten Themas des Krieges als »m edit a t io mortis«, se i hier das Beispiel Freuds angefuhrt, der, obwohl er der Kriegsideologie eigentlich fernsteht, im Jahre 1915 einen Artikel veroffentlicht, der offen dem Zeitgeist huldigt. Es lohnt sich daher, diese Abhandlung ausfuhrlich zu zitieren: »Wir haben die unverkennbare Tendenz Coo .) den Tod
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Ein »grofier und uiunderbarer« Krieg
beiseite zu schieben, ihn aus dem Leben zu eliminieren. Wir haben versucht, ihn todzuschweigen C.. ) Wir betonen regelmafiig die zufallige Veranlassung des Todes, den Unfall , die Erkrankung, die Infektion, das hohe Alter und verraten so unser Bestreben, den Tod von einer Notwendigkeit zu einer Zufalligkeit herabzudrucken.« In dieser Todesverdrangung ist die Niichternheit und die Trockenheit unseres Lebens begriindet: »Da s Leben verarmt, es verliert an Interesse, wenn der hochste Einsatz in den Lebensspielen, eben das Leben selbst nicht gewagt werden darf C..). Die Neigung, den Tod aus der Lebensrechnung auszuschlieBen, hat so viele andere Verzichte und AusschlieBungen im Gefolge. Und doch hat der Wahlspruch der Hanse gelautet: Navigare neces se est, vivere non necesse! Seefahren muB man, leben muB man nicht! «, Der Krieg setzt dieser das ge istige Leben verfalschenden Verdrangung ein Ende: »Es ist evident, daB der Krieg diese konventionelle Behandlung des Todes hinwegfegen muB. Der Tod laBt sich jetzt nicht mehr verleugnen. Die Menschen sterben wirklich, auch nicht mehr einzeln, sondern viele, oft Zehntausende an einem Tage. Es ist auch kein Zufall mehr C..) Das Leben ist freilich wieder interessant geworden, es hat seinen vollen Inhalt wieder bekommen.e-f Freud betrachtet den Krieg als das Ereignis, das das Artifizielle und Kultiirliche zerstort und zum Authentischen zuriickfiihrt: »E r streift uns die Kulturauflagerungen ab und laBt den Urmenschen in uns wieder zum Vorschein kommen« . Diese Lehre darf nicht mehr vergessen werden. Und wei 1 der Krieg sich nicht eliminieren laBt: »Da erhebt sich denn die Frage: Sollen wir nicht diejenigen sein, die nachgeben und sich ihm anpassen? C..) Ware es nicht besser, dem Tod den Platz in der Wirklichkeit und in unseren Gedanken einzuraumen, der ihm gebiihrt C.. )?« Fiir Freud steht zweifellos fest: »S i vis vitam, para mortem. Wenn du den Frieden erhalten willst, so riiste zum Kriege.«39 Hervorzuheben ist der Fall Wittgensteins, der sich beim Ausbruch des Konflikts als Freiwilliger gemeldet hatte und schnell eine furchtbare Enttauschung erlebt. Er fuhlt sich von HaB und »von Gemeinheit-sv umgeben (die regular eingezogenen Truppen hatten keinerlei Sympa14
Kri eg und »med itatio mortis-
thie fur die Freiwilligen, die meist Intellektuelle burgerlicher Herkunft waren), denkt sogar an Selbstmordvl . Und dennoch scheint die Begegnung mit dem Tod auch auf Wittgenstein eine lauterride und padagogische Wirkung auszuuben: »J et zt ware mir Gelegenheit gegeben, ein anstandiger Mensch zu sein, denn ich stehe vor dem Tode. Wert e< und der -Ganzheiten-« machten. 122 Mit dieser Position befindet sich Heidegger im Widerspruch zu einer bedeutenden kulturellen Stromung des Nazismus, die ganz in der Tradition der Kriegsideologie, die Machtergreifung von 1933 als den Triumph der »germanischen Weltanschauung« gefeiert hatte. Die Gleichstellung von Philosophie und Weltanschauung 123 ist fur Heidegger inakzeptabel, wei I sie seiner Meinung nach viel zu kurz greift: Die Geschichte des Abendlandes insgesamt musse, vom ursprtinglichen Griechentum und seinen spateren Verfalschungen an , neu tiberdacht werden. Es gilt, ein »ursprungliches- Denken zurtickzugewinnen, das befahigt ist, die Geschichte der vergangenen Jahrhunderte und Jahrtausende in Frage zu stellen, zur Rettung und Wiedergeburt des Abendlandes, dessen -heiliges HerzDeutschland ist. Der Kriegsideologie gegentiber nimmt Heidegger also einerseits eine Problematisierung, anderseits eine Radikalisierung vor. Der Philosoph hutet sich davor, die nationalen Stereotypen in Frage zu stellen, die sich von 1914 an stark verbreitet und einen Anschein kultureller Wurde erworben hatten. Der Amerikanismus war fur Heidegger immer ein Synonym fur Oberflachlichkeit, Vermassung 124 und »Geschichtslosigkeit- (vgl. unten, Kap. VI, 5). Heidegger blieb so sehr an die Stereotype der Kriegsideologie gebunden, daf er 1942 den aktuellen Krieg als entscheidenden Kampf zwischen der (deutschen) »Geschichtlichkeitund der »Gesch ich t slosigk eit- (der Feinde Deutschlands) interpretierte.l 25 Nur daB jetzt die Kritik des Amerikanis49
Ja spers und Heidegger
mus, des »amerikanischen Menschen- und der »am erik a nischen Scheinphiloeophie-Uf den Ausgangspunkt fur ein mitleidsloses Neu-Uberdenken der Geschichte des Abendlandes und der Moderne bildet, dem der »heutige Menschals solcher verdachtig ist.l 27 In der Perspektive dieses Neu-Uberdenkens zeigt die Sombartsche Auffassung, die den ZusammenstoB der Weltmachte als den Kampf zwischen der heroischen, deutschen und der merkantilen, angelsachsischen Weltanschauung interpretiert, ihre Oberflachlichkeit, denn sie sieht nicht das Eindringen der Moderne und d.h. des Amerikanismus in Deutschland selbst,128 in jenes Land, das ja zur Erneuerung des Abendlandes berufen sei, und das als einziges zu dieser Aufgabe berufen werden konne. Vor allem bleibe der Diskurs tiber die verschiedenen Weltanschauungen selbst in der Moderne gefangen, selbst dann noch , wenn er zwischen ihnen einen todlichen Kampf in Gang bringt. Ganzlich der Moderne verhaftet ist der Webersche und Mannheimsche Diskurs, der beansprucht, diesen Kampf in die Objektivitat der »wertfreien - Wissenschaft oder dank der Vermittlung »fr eischweberider- Intellektueller zu transzendieren. Insbesondere Webers Position bringt das Wesen der Moderne eminent zum Ausdruck, die , Heidegger zufolge, durch die metaphysische Polaritat zwischen dem Subjekt und der Objektivitat der Wissenschaft gekennzeichnet ist. »Da rin liegt begrtindet, daB die -Welt- noch niemals so objektiv erfahren und gestaltet wurde wie im Zeitalter der Subjektivitat«; der »Liber a lism u s- ist am Ende des neunzehnten Jahrhunderts die Weiterentwicklung und »Abartung- der libertas, als »unbedingte Selbstgesetzgebung des Menschen«, zu der sich die »Neu zeit - bekennt. 129 Der Diskurs der Weltanschauungen hat die Metaphysik der Subjektivitat zur Grundlage und bringt deshalb als seinen komplernentaren Pol die Wertfreiheit oder die »St a n dpunktsfreiheit- hervor. Das radikale In-Frage-stellen der Moderne bedeutet eine radikale Kritik dieses Diskurses. »Der Standpunkt der Standpunktsfreiheit- fuhrt die Philosophie auf »sogenannte Standpunkte als etwas letztes Vorfindliches- zuruck, d.h. er reduziert die Philosophie letztlich auf Weltanschauung. »Aber der Standortcharak-
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Wertfreiheit und Liberalismus
ter [ein Ausdruck Mannheims', der hier Weber gleichgestellt wird,130] als wesentliche und unumgangliche Mitgift jedes echten Philosophierens wird nicht dadurch in seiner vermeintlichen und befiirchteten Schadlichkeit und Gefahrlichkeit behoben, daB man ihn schlankweg leugnet und verleugnet, sondern nur so, daB man den Standortcharakter aufsein urspriingliches Wesen und seine Notwendigkeit hin durchdenkt und begreift, d.h. die Frage nach dem Wesen der Wahrheit und des Daseins des Menschen von Grund aus neu stellt und beantwortet, und zu einer urspriinglicheren Grundhaltung des Philosophierens erzieht.«131 Statt die verschiedenen Weltanschauungen und philosophischen Positionen zu transzendieren, sind Wahrheit und wissenschaftliche Objektivitat vielmehr selbst Ausdruck der Metaphysik der Subjektivitat und der Moderne. Es muB also darum gehen, ein fur allemal die »romische(d .h . moderne) Konzeption der Wahrheit als rectitudo (berechnendes Denken und Herrschaft des Menschen iiber die Natur) zu liquidieren, urn die aletheia des urspriinglichen Griechentums (die Wahrheit als Offenbarung des Seins) zu rekonstituieren. 132 Hier wird Heideggers Kritik an der Kriegsideologie deutlich. Es geniigt nicht, an die Gemeinschaft zu appellieren, urn sich vom Erbe der Neuzeit zu befreien: »Die Betonung der Gemeinschaft gegeniiber der Eigensucht des Einzelnen ist, metaphysisch gedacht, nicht Uberwindung des Subjektivismus, sondern erst seine Erfiillung. «133 Die Auflosung des Subjektivismus und Individualismus, und in diesem Sinn die Wiedergewinnung der echten »Gerneinschaft«, ist wei taus problematischer und komplexer und erfordert weitaus dramatischere Revisionen und Entscheidungen als es den Anhangern der Kriegsideologie erscheinen mochte. Letztere bleibt jedoch, wenn auch mit vielfaltigen Vermittlungen und Abwandlungen, weiterhin prasent und wird in gewissem Sinn sogar noch radikalisiert. Das zeigt sich z.B . in dem seit dem Ersten Weltkrieg propagierten Antagonismus zwischen Deutschland als dem einzig legitimen Erbe des Griechentums und dem -r omischen- Westen, zu dem auch Amerika gehort, (vgl. unten, Kap. VI, 3) Fiir Heidegger bringt Rom die tiefgreifen-
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Ja spers und Heidegger
de Krise des Abendlandes zum Ausdruck, es ist der eigentliche Ausgangspunkt der ruinosen Entwicklung der Neuzeit. In Deutschland liegt demgegeniiber die einzige Meglichkeit und Hoffnung auf Rettung, wenn es ihm gelingt, das Erbe des urspriinglichen Griechentums entschieden und ohne Zogern zu ergreifen: Die verschiedenartigen und mannigfaltigen Formen der Moderne gelte es zu liquidieren, einschlieBlich der »Iiber a len - Philosophie der Weltanschauungen, die doch fur so viele Ideologen der Kriegsideologie die geeignete Plattform zu sein schien, urn dem Wesen und der Mission Deutschlands theoretischen Ausdruck zu verleihen.
8. Sein und Zeit und die Kriegsideologie Jiirgen Habermas hat die These aufgestellt, daB bei Heidegger etwa erst seit 1929, dem Beginn der »Weltwirt-
schaftskrise«, »eine Verweltan schaulichung der Theorie einsetzt. Seitdem dringen Motive einer unklaren, jungkonservativen Zeitdiagnose in die Herzkammern der Philosophie seIber ein«.l34 Diese Lesart, die es Habermas ermoglicht, Sein und Zeit auf der Ebene der reinen »Th eorie - anzusiedeln, ist nicht iiberzeugend. Zunachst lauft man Gefahr, in einen okonomistischen Reduktionismus zu verfallen, wenn man eine zu enge Beziehung zwischen Wirtschaftskrise und -j u ngk on servat iver« Wende herstellt. Zur Unterstiitzung seiner These zitiert Habermas die oben schon erwahnte Stelle aus den Vorlesungen von 1929-30, die das an Bequemlichkeit und Gefahrlosigkeit orientierte philisterhafte Ideal des Lebens scharf kritisiert. Heidegger verweist hier jedoch ausdriicklich auf die Kriegsideologie, wenn er sich dariiber beklagt, daB dieses Ideal trotz der Lehre, die »ein solches Ereignis wie der Weltkrieg« erteilt hatte, weiterhin standhalt.F" Auch die folgenden Vorlesungen bezichtigen die Gegenwart der totalen Empfindungslosigkeit vor der »fu r ch t ba r en Stimme
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Sein und Zeit und d ie Kriegsideologie
des Weltkriegs-, der doch den »Tod des moralischen Gottes« der Christenheit offenbart habe , auf den sich beide Seiten im Kampfberufen hatten.Pf Aber der Tod des Christentums kiindigt auch den Tod seiner Surrogate - der Demokratie.P? des »P a zifismu s-, des Sozialismus und des »a llgernein en Gluckszustands- oder »Gluckes der Meist en- - an.l 38 Ideale, die alle die Gefahr, das Risiko und die Unsicherheit aus der Existenz zu verdrangen suchen und die daher vom Mythos der »Sich er h eit « und von der Lebensauffassung des Philisters gekennzeichnet sind. Auch die christlichen Kirchen , darum bemuht, »Heilssicherheit-P? zu verbreiten, sind integraler Bestandteil dieser Welt der Sicherheit, deren Inkonsistenz und Leere durch das Geschehen des Ersten Weltkriegs endgiiltigt bloBgelegt wurden. Die Kontinuitat der Kriegsideologie wird hier erneut offensichtlich, und es ware erstaunlich, wenn Heidegger bis zum Jahr 1929 von deren EinfluB unberiihrt geblieben ware! Im iibrigen weist Habermas selbst auf die »rnerkwu r digen Konnotationen« hin, die Begriffe wie »Sch ick sa l und Geschick- in Sein und Zeit haben.U'' Tatsachlich stoBen wir dort auf alle Schliisselworte der Kriegsideologie: »Gemeinschaft«, »Tre ue«, »Geschick«, In Se in und Zeit wird das Geschehen der Gemeinschaft durch den spezifischen Terminus »Gesch ick« hervorgehoben, in dessen Bereich die »ein zelnen (. ..) Schicksale im vorhinein schon geleitet« sind. 141 Hieraus er k lart sich das Pathos der »Tr eue zum Wiederholbaren-P'Geist< , das ist der Geist der Zeit, der Geist des Neuen, der Geist der Demokratie«,58 der unkritischen Verherrlichung der Moderne und der philisterhaften Akkomodation. Gerade wegen dieser seiner Auflosungskraft und weil er Ursache und Ausdruck der Nivellierung und Entwurzelung ist, wird Geist schlieBlich zum Synonym auch fur »Revolut ion «; nicht zufallig haben sich auf ihn die Jakobiner bei ihr em fanatischen Zerstorungswerk berufen 59. Diese engagierten »Lit cr a t en- und Intellektuellen des demokratischen Universalismus, der Zivilisation und des Umsturzes verurteilen ihre Gegner gern als »Ver r a t er am Geist«.60 Sie werden jedoch ihrerseits von Ernst Junger des »H ochverr at s des Geistes gegen das Leben« bezichtigt. 61 Diese Verurteilung durchzieht auch wie ein roter Faden, vom Titel angefangen, ein beruhmtes Buch von Klages,62 auf dessen groBen EinfluB Thomas Mann im Jahre 1930 hinweist. Wahrend Deutschland mit langen Schritten auf die Katastrophe zugeht, richtet der groBe Schriftsteller, der inzwischen fest auf dem Boden der Demokratie steht, einen »Appell an die Vernunft«, in dem er seine Mitburger auffordert, sich nicht weiterhin von der These mitreiBen zu lassen, die sich anmaBt, den »Geist« (und die »I nt ellekt u ellen«, die ihn verkorpern) als »leben smorderisch« zu verurteilen.ff Klages wird hingegen mit offener Sympathie von Rosenberg zitiert, der hochstens einige Vorbehalte formuliert , weil die Verurteilung des »Geist es« in dem fraglichen Buch auch die »Ver n un ft « und sogar den »Willen« miteinzubeziehen scheint (die dagegen 74
»Geist« und subversiver Int ellektualismus
bei Ariern und Germanen ursprunglich gesund und nicht von einem abstrakten, oden und zersetzenden Intellektualismus vergiftet seien).64 Rosenberg nimmt Klages Kontraposition von »Geist- und »S eele - auf (wenn auch neuinterpretiert als »Ra sse von innen gesehen«, wie umgekehrt die Rasse die »Au llen seit e der Seele« sei)65, und verurteilt so mit noch goBerer Entschiedenheit gemeinsam mit dem »Geist- eine wurzellose und zuinnerst subversive Intellektualitiit. Dieses Thema kehrt bei Heyse wieder, fur den der »m oder n en Idee des Geistes, die sich von aller Existenz loslost- die »gesch ich t lich e Gemeinschaft- entgegensteht. 66 Mit Hitlers Machtiibernahme - bemerken seine Anhanger und Bewunderer gelegentlich mit offener Genugtuung sei der »Geist - ein »An a ch r on ism u s- geworden.f? Naturlich wird der Terminus Geist nicht immer so eindeutig negativ benutzt. SchlieBlich kann man, urn es mit Ernst Junger zu sagen, auf den »H och ver r a t des Geistes gegen das Leben- mit einem »H och ver r a t des Geistes ge gen den -Geist -« antworten. 68 Man konnte und man muBte Kultur gegen Kultur setzen: Die »geist igen Waffen- durften nicht Monopol des Feindes bleiben. Und dennoch bleibt weiterhin, gerade wegen seiner Zweideutigkeit, ein Verdachtsmoment auf dem Terminus Geist. Von hier muB man ausgehen, urn Heideggers Rektoratsrede zu verstehen. In ihr hat man eine vollkommene Verherrlichung des Geistes lesen wollen , und gerade diese Verherrlichung konne die Begegnung des Philosophen mit dem Nazismus erkliiren.69 Zumindest was den Nazismus betrifft, glauben wir, be wiesen zu haben , daB die Dinge anders , ja sogar gegenteilig liegen. Zu analogen SchluBfolgerungen gelangen wir bei der erneuten Lekture der Rektoratsrede, die ganz durchdrungen ist vorn HaB oder vom MiBtrauen jenem »Geist- gegenuber, gegen den schon die Kriegsideologie zu Felde gezogen war. Hatte Thomas Mann im Jahre 1918 den Nachfolgern der philosophes die standige Kontraposition zwischen »Geist - und »Ma ch t« vorgeworfen, und ebenso die fur den Geist typische »Wu r zel- und Wesenlosigkeitverurteilt, so prangert Heidegger seinerseits die »Ver got zung eines boden- und machtlosen Denkens- an (vgl. oben, Kap. II, 6 ). Junger hingegen verachtet zwar den »H och ver75
Deutsche, Europiier; Zigeuner und Papuas
rat des Geistes gegen das Leben«, spricht jedoch positiv tiber den »Geist, der zur Geschichte ein Verhaltnis besitzt«.70 In der Rektoratsrede wird standig von »Welt « oder von »geistig-geschichtlichem Dasein« gesprochen 71; der Geist kann nur dann einen positiven Wert haben, wenn er der Geschichtlichkeit untergeordnet ist. Gegen jeden Anspruch auf die Selbstandigkeit des Geistes betont Heidegger wiederholt die »Uber m a ch t aller weltbildenden Machte des menschlichen Daseins- oder des »mens chlich -geschichtlichen Daseins«, in erster Linie »Na t u r, Geschichte, Sprache, Yolk, Sitte, Staat- usw., und auBerdem die »er dund bluthaften Krafte«.72 Wenn der Geist dagegen versucht, sich zur »Welt ver n u nft« zu erheben und »Wesenh eiten und Werte an sich« zu formulieren, urn damit ein auflosendes Werk »verstandesmafiiger Zergliederung« auszufuhren, dann wird er scharf zurtickgewiesen, in Anfuhrungszeichen gesetzt und zu Respekt vor der Geschichtlichkeit und vor dem »volklich-staatlichen Dasein- aufgefordert.P In einem weiteren Beitrag der Rektoratsperiode verktindet der Philosoph triumphierend das Ende jenes »Begriffs des -Geistes- und der -ge i st.ige n Arbeit-, in dem bisher der -Gebildete- gelebt hat- und das Aufkommen von etwas vollig anderem, von einem Geist - ohne Anfuhrungszeichen -, der in enger Gemeinschaft mit dem »deutschen Dasein« stehe und sich deshalb durch »Opferbereitschaft«, »E n t sch lossen h eit « und »entscheidungsgemafien Einsatz« auszeichne.Zs Erneut ist Gegenstand der Angriffe der mit Entwurzelung gleichgesetzte Geist, der, statt »bodenstandig« zu sein, »fr eisch webend« in der Leere verlorengegangener Geschichtlichkeit und Bodenstandigkeit sich bewegt. .A.hnliches gilt auch fur die Einfiihrung in die Metaphysik aus dem Jahre 1935: Auch hier hat die Geschichtlichkeit Vorrang vor dem »Geist«, der fest in ein Dasein eingefugt ist, das universalistischen Abschweifungen keinen Raum laBt. In diesem Sinn kann dann weiterhin von »geistig-geschichtlichem Dasein-J f die Rede sein; das auch in polemischer Absetzung von Marx und vom historischen Materialismus, die sich anmaBen, den Geist zum »Uberbau« abzuwerten?". Nach wie vor wird jedoch voller Ab-
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»Geist« und subversiver Intellektualismus
scheu auf denjenigen Geist geblickt, der sich als »Irit ell igenz« manifestiert?", d.h. in der Schicht entwurzelter und subversiver Intellektueller seinen Ausdruck findet , bei den von »Eit elkeit- erfaBten »Lit er a t en«, wie Heidegger sie ein paar Jahre vorher definiert hatte 78 oder bei den »Bodenlosen«, wie er sie in einer nachfolgenden Vorlesung bezeichnet 79. Halt man sich diese zwei verschiedenen Bedeutungen und Aspekte des Terminus »Geist- vor Augen, so wird die Kontinuitatslinie in der Entwicklung Heideggers deutlich. Schon vor Sein und Zeit stellt der Philosoph die je konkrete »geistesgeschichtliche Situation- jedem Versuch eines allgemeinen Diskurses tiber den Menschen entgegen (vgl. oben, Kap . III, 1). 1929 ruft er dazu auf, dem »deutschen geistigen Leben- wieder Wurzeln zu geben, urn es vor der »Verj udung- zu bewahren (vgl. unten Kap. IV, 4): »Geist und »geistig- haben nur in dem AusmaB eine positive Bedeutung, in dem sie Verwurzelung im Boden und in der eigenttimlichen Geschichtlichkeit eines Volkes zeigen, und in diesem Fall muB die Bodenstandigkeit gegen die zersetzen de 'I'atigkeit entwurzelter Intellektueller verteidigt werden. 1940 verurteilt Heidegger die »burgerliche Bil dung und -Geistigk eit-«, die angesichts der blitzartigen Siege Nazideutschlands die Nase rumpft und sie ausschlieBlich der technischen Leistungsfahigkeit der deutschen Kriegsmaschinerie zuschreibt (vgl. unten, Kap. VI, 2): Der an universalen Werten orientierte »Geist«, der den Anspruch erhebt, sich der »Ma ch t- entgegenzustellen oder ihr gar zu befehlen, bleibt ganz nach dem Muster der Kriegsideologie Ziel der Verunglimpfung. In diesen Zusammenhang laBt sich die Rektoratsrede muhelos einreihen. Zwar erklart Heidegger in Sein und Zeit, es sei besser, den Gebrauch der Kategorie »Geist«, aber auch die Kategorien »Subjekt- und »Seele- zu vermeiden. Insbesondere umgeht er aber die Kategorie »Mensch«, wegen der schon bekannten Ablehnung des Allgemeinbegriffs Mensch, der in seinen Augen nichts weiter ist, als dessen »ch r ist lich e Definition«, die »im Verlauf der Neuzeit enttheologisiert- wurdef". Wir haben es mit der Formulierung eines Themas zu tun, das auf den Spuren Nietzsches 77
Deutsche, Europiier; Zig eun er und Papuas
in den Jahren von der Machtergreifung bis zu den Blitzsiegen Deutschlands in der ersten Kriegsphase immer weiter entwickelt und radikalisiert wird (vgl. unten, Kap. V, 2 ), also in jenen Jahren , in denen Heidegger sich am starksten mit der Nazipartei und dem Naziregime kompromittiert.
4. »Detranszendentalisierung« und Deuniversalisierung des Subjekts Die These, Sein und Zeit sei allein auf dem Gebiet der reinen »Th eor ie- zu verorten, erweist sich als unhaltbar. Zunachst bezieht sich Heidegger selbst auch nach 1933 (oder nach 1929, das Jahr der Wende nach Haberrnas), fortgesetzt auf dieses Werk. Dies gilt im besonderem MaGe fur die zwischen 1936 und 1938 geschriebenen Beitriige zur
Philosophie , die von Anfang bis Ende von einer besorgten Klage tiber die »F lu ch t der Getter- aus der modernen Welt gepragt sind (vgl , unten , Kap. V, 3), davon also , was Habermas als »ein e unklare jungkonservative Zeitdiagnosebezeichnen wurde. Auf S ein und Zeit beruft sich Heidegger auch im Verlauf seiner scharfen Polemik gegen das liberale Ideal der Wertfreiheit oder »St a n dpu n k t fr eih eit (vgl. oben, Kap. II, 7 ). 81 Ganz zu schweigen von der durch Lowith bezeugten Verbindung, die Heidegger 1936 zwisch en der Kategorie »Gesch ich t lich k eit-V , die eine zentrale Rolle in Sein und Zeit spielt, und seinem Engagement an der Seite des Nazismus herstellt. Dieser hatte sich ja seinerseits, in den Werken einiger seiner Ideologen, der fraglichen Kategorie weitlich und geschickt bedient (vgl. oben, Kap . 3, 1). Es geht hier nicht urn eine ideologiekritische Reduktion von Heideggers Hauptwerk, sondern darum, den problematischen Charakter der unscharfen Trennungslinie zwischen Theorie und Ideologie zu erfassen (vgl. unten, Kap. VII, 7). Was Habermas an Heideggers Philosophie am mei78
»Detranszendentalisierung« des Subjekt s
sten beeindruckt, ist die »Uber win dung des Subjekts- oder besser die »Detranezend en talisierung des weltkonstituierenden Ich«: In diesem »n eu en Anfang- findet sich der »wohl tiefste Einschnitt in der deutschen Philosophie seit Hegek 83 Dies sei der theoretische, nicht auf den darauffolgenden ideologischen Diskurs reduzierbare Kern. Ein kurzer Blick auf die Wirkungsgeschichte geniigt jedoch, urn die so formulierte Unterscheidung/Entgegensetzung problematisch erscheinen zu lassen. Gerade auf das von Habermas so herausgestellte philosophische Motiv haben sich haufig Naziautoren und -ideologen berufen, urn jedwede Form neutraler Einstellung oder die wissenschaftliche Objektivitat als widerspriichlich und unhaltbar anzuprangern. Christoph Steding z.B. greift ausdriicklich auf die in Sein und Zeit enthaltene Analyse des Menschen als In-der-Welt-sein zuriick. 84 Steding, damals iiberzeugter Nationalsozialist, weist nicht nur die Kategorie der »Wer t freiheit- zuriick und polemisiert scharf gegen die »fr eischwebende Spekulation«, sondern unterstreicht auch notorisch die liberalen Implikationen der Weberschen Anschauung, der er wiederholt S ein und Zeit entgegenstellt85. Auf die Kategorie In-der- Welt-Sein scheint, zumindest implizit, selbst ein erstrangiger Ideologe des Dritten Reiches wie Franz Bohm Bezug zu nehmen, wenn er Descartes als »weltlos- kritisiert86 und dann hinzufugt, daB die Subjekt-Objekt Trennung der wahren deutschen Kultur und Philosophie fremd sei. 87 Bezeichnenderweise gilt Descartes aber nicht nur als »welt los«, sondern auch als »gemeinschaftslos«; dariiber hinaus gehe seine Philosophie in die »Zer st or ung und Entrechtung der Geschichtlichkeitiiber.88 Fugt man all dem hinzu, daB Zielscheibe der Polemik nicht nur Descartes, sondern auch Rousseau und alle gleichzeitig »welt losen- und »ent wu r zelt en- Intellektuellen sind,89 dann gelangen wir zu dem SchluB, daB hier die Kategorie In-der-Welt-sein ein Synonym ist fur die »Wurzeln«, fur die Einfugung in eine bestimmte »Gemeinschaft- und »Gesch ich tlich keit «, Durch zahlreiche Motive ist die Gegenwartigkeit von S ein und Zeit im ideologischen Diskurs im Umkreis des Nazismus transparent; das 79
Deutsche, Europiier, Zigeuner und Papuas
gilt insbesondere fur den in der Polemik gegen die abstrakte Subjektivitat des Cartesianismus vorgebrachten Anspruch des »je eigenen- Charakters des Lebens und der menschlichen Existenz, die noch vor jedem Begriff oder Problem »d a ist«.90 In den gleichen Kontext ist Carl Schmitt als Theoretiker des Dritten Reichs einzufugen, der darum bemuht ist zu beweisen, daB die »Sein sgebun denh eit« oder besser die »Sit u at ion sgebu ndenh eit« jedes Wissens die Formulierung echter allgemeiner Normen und die Abstraktion von der »Gemein sch a ft«, der das Individuum »existentiell« angehare, unmoglich mache. Die Seins- oder Situationsgebundenheit bringe unmittelbar eine nicht transzendierbare »Volk sgebun denh eit « und sogar eine Rassengebundenheit mit sich. Es gebe also keinen Raum fur »Obj ektivit a t« jedwelcher Art 91 und noch weniger fur freischwebende Intellektuelle. Von Koketterien mit einigen Mannheimschen Begrifflichkeiten und Ausdrucksweisen einmal abgesehen, gelangt auch Schmitt in jener Zeit zu ganz ahnlichen SchluBfolgerungen wie Bohm und Steding. Letzteren hatte Schmitt rezerisiertv-, und es ist davon auszugehen, daB er den bereits erwahnten Riickgriff auf Sein und Zeit (und die Kategorie des In-der-Welt-seins) in den Angriffen gegen jedes Streben nach Universalitat, nach Objektivitat und nach Neutralitat kannte. Dies ist jedoch auch Heideggers eigene Position. Wie schon gesagt, hatte er sich in seiner Polemik gegen Weber und die Standpunkt- und Wertfreiheit ausdrucklich auf sein Hauptwerk berufen. Man muB hinzufugen, daB die Auseinandersetzung mit dieser Kategorie einen wesentlichen Bestandteil der geistigen Entstehungsgeschichte von Sein und Zeit bildet. Wenn wir uns die Vorlesung vom Sommersemester 1923 vornehmen, sehen wir, daB Heidegger der Polemik gegen das »Vorurteil der Standpunktfreiheit« einen Paragraphen gewidmet hat. Dies Vorurteil wirke sich deshalb »ver h a ngnisvoll« aus, weil es im Namen der »scheinba r hochsten Idee der Wissenschaftlichkeit und Objektivitiit die Kritiklosigkeit zum Prinzip erhebt und eine grundsiitzliche Blindheit verbreitet«, In Verbindung mit der Trennung von Subjekt und Objekt ver80
»Detranszendentalisierung« des Subjekts
hindert es das Verstandnis des »fa k t is ch en Lebens (Da seins)«.93 Dies sind eindeutig die Themen von Sein und Zeit , in dem es also von Anfang an darum geht, einige fundamentale Satze der Philosophie (die Subjekt-Objekt Trennung und die daraus hervorgehende Herausbildung eines objektiv und wertfrei untersuchbaren Objekts; die sich somit ergebende Moglichkeit zur Transzendierung der nicht eliminierbaren Pluralitat der Werte ) zu widerlegen, gegen deren konstitutive Funktion fur die moderne Welt und deren inakzeptabele liberale Implikationen Heidegger spater angehen wird (vgl. oben, Kap. II, 7). 1m Licht dieser Betrachtungen konnen wir vielleicht die Bedeutung einer sibyllinischen Bemerkung aus der Vorlesung vom Sommersemester 1923 interpretieren: »F r eistandiger Standpunkt = Subjektsein verdorberi-vs. In den Augen Heideggers scheint der Webersche Mensch den liberalen und modernen Menschen in seiner Entwurzelung zu verkorpern. Nicht nur bei Steding, Bohm und Schmitt, sondern auch auf der politischen Gegenseite sind die Kategorien In-der-Welt-sein und »Gesch ich t lich k eit - auf das Interesse Mannheims gestoBen und haben bekanntlich Zustimmung vor allem beim jungen Marcuse gefunden.95 Dessen anfanglicher Enthusiasmus scheint auf der Verwechslung zweier einander entgegengesetzten Kritiken am »a bst r a k ten- Objekt zu beruhen: Einerseits der letzten Endes auf Burke zuriickgehenden, und andererseits der Marxschen Kritik (die sich hier auf Hegel beruft). Marx lehnt die Ausarbeitung des Allgemeinbegriffs Mensch keineswegs ab , sondern will ihn vielmehr auch in der Konkretheit der wirtschaftlich-sozialen Verhaltriisse verwirklichen.Pf Es ist nicht ganz klar, ob sich Marcuse dieser Verwechslung voll und ganz bewuBt geworden ist. Nach der Rektoratsrede Heideggers und dessen immer deutlicher werdenden Engagements an der Seite der Nationalsozialisten reagiert Marcuse und artikuliert das Bedurfnis, eine kritische Uberprufung der Kategorie Geschichtlichkeit vorzunehmen. Dabei verleugnet er nicht seine vormalige Anerkennung Heideggers: »Der Sinn des philosophischen Existentialismus war es , gegeniiber dem abstrakten -logi-
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Deutsche, Europiier; Zigeuner und Papuas
schen- Subjekt des rationalen Idealismus die volle Konkretion des geschichtlichen Subjekts wiederzugewinnen, also die von Descartes bis Husserl unerschtitterte Herrschaft des 'ego cogito- zu beseitigen. Die Position Heideggers bis -S ein und Zeit , bezeichnet den weitesten VorstoB der Philosophie in dieser Richtung. « Es handelt sich im wesentlichen urn dieselbe Anerkennung, die Mannheim, wie schon gesagt, der -ph a n om en ologischen Schule« (Sch eler und Heidegger) wegen ihrer »Opposition gegen den modernen Intellektualismus« erweist, und die man spater - unter Bezugnahme in erster Linie auf Heidegger und in emphatischerem Ton - bei Habermas wiederfindet. Marcuse macht 1934 jedoch nicht bei dieser Anerkennung halt. Er betont gerade die Grenze der Kategorie »Gesch ich t lich k eit« bei Heidegger: Sie vermeide, »sich die geschichtliche Situation des von ihr angesprochenen Subjekts auf ihre materiale Faktizitat hin naher anzusehen. Hier horte die Konkretion auf, hier begntigte sie sich mit der Rede von der -Schick salsverbu n denh eit- des Volkes, vom -E r be-, das jeder Einzelne zu ubernehmen hat, von der Gemeinschaft der -Ge n e r a t ion- wiihrend die anderen Dimensionen der Faktizitat unter den Kategorien des -Ma ndes -Geredes- abgehandelt und auf diese Weise dem -u n eigentlichen- Existieren zugewiesen wurden. ef? 1934 wird sich Marcuse tiber die gefahrlichen politischen Implikationen der Heideggerschen »Gesch ich t.lich keit« klar. In vorsichtigen Andeutungen beschreibt er die beunruhigende Entwicklung dieser Kategorie von S ein und Zeit bis hin zur Rektoratsrede: »Au ch der Existentialismus sieht in den -er d- und bluthaften Kraften- die eigentlichen geschichtlichen Machte.« Vor allem von diesem Ergebnis aus geht Marcuse auf die der Kategorie Gesch ich tl ich k eit zugrundeliegende theoretische Zweideutigkeit und Unzulanglichkeit zuruck und bemerkt in Sein und Zeit die Gegenwartigkeit zweier miteinander verkntipfter ideologischer Elemente: die Verherrlichung der organischen Gemeinschaft und die antidemokratischen Implikationen der Kategorien des »Ma n « und des »Ger edes « (mit diesem letzten Element hat sich sparer Lukacs ausgiebig auseinandergesetzt) .
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Kritik und Neuinterpretation der Geschichtlichkeit
Die Wirkungsgeschichte eines Autors und eines Werkes kann das Problem seiner Interpretation allein nicht losen, aber sie kann im vorliegenden Fall dazu dienen, sich vor einer zu schematischen Abgrenzung von Theorie und Ideologie in acht zu nehmen. Habermas begeistert sich fur die Detranszendentalisierung des Subjekts, die jedoch gleichzeitig seine Deuniversalisierung bedeutet. Zieht der erste Aspekt die Aufmerksamkeit des jungen Marcuse auf sich, so erklart der zweite die Begegnung mit dem Nazismus. Und vor allem dieser zweite Aspekt fuhrt zum Bruch zwischen HusserI und seinem Schuler.
5. Kritik und Neuinterpretation der Geschichtlichkeit: HusserI Schon im Jahre 1923 wirft Heidegger der Phanomenologie ihre Geschichtslosigkeit vor, sie verliere die Dimension der »Bodenst a ndigkeit -cf" Der Bruch mit HusserI voHzieht sich wohl auch wegen der politischen Implikationen dieser Kritik, denn Husserls Philosophie ist mit ihrer auf die »Entwicklung der Menschheit«, auf die »ga nze Menschheit« gerichteten Aufmerksamkeit von universalistischen Akzenten erfullt. Dies gilt sogar fur die Vorlesungen oder besser politischen Predigten der Kriegsjahre's', wobei es sich urn einen Universalismus handelt, der im Ersten Weltkrieg unter der geistigen Fuhrung Deutschlands und in den Jahren zwischen den beiden Kriegen unter der des Abendlandes insgesamt steht. Vor allem nach 1918 konzentriert HusserI seine Aufmerksamkeit auf dieses Therna. Man konnte sagen, er habe jetzt vor, einen der Eckpfeiler der Kriegsideologie ins Wanken zu bringen: Er beschreibt namlich den EntwicklungsprozeB der Neuzeit im Zeichen des »Kampfes zwischen der erwachten Vernunft und den Machten der historischen Wirklichkeite.lv? Es ist ein Kampf, der sich fortsetzt in der Bemuhung, »ein e erste Internationalitiit aus Bildung anstatt aus blo83
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Ber Macht" herzustellen.U'! diese »vollig neuartige Internationalitat- stellt sich dar als »Ver bu n den h eit durch den Geist der Autonomiev.U'f Internationalitiit : Der von Husserl gebrauchte Terminus zielt auch darauf ab, Verwechslungen mit den bestehenden kommunistischen und sozialistischen Internationalen zu vermeiden. Interessanterweise zogert HusserI aber nicht, seinen Standpunkt, wenn auch nur metaphorisch, »kommunistisch- zu nennen. Da die philosophische Gemeinschaft, die den Leitfaden der europaischen Geschichte in ihren Hohepunkten bildet, die sozialen und nationalen Barrieren in voller Freiheit und Autonomie ungezwungen iiberschreitet, sei sie »sozu s age n kornmunistisch« wahrend die Zwangsgemeinschaft, die sich im Mittelalter unter der Vorherrschaft der »P r iest er « herausbildet, als »im per ialist isch« zu bezeichnen seP03 Auch in der Gegenwart gehe es darum, eine »u n iver sa le Willensverbindung- zu realisieren, »die Willenseinheit herstellt, ohne daB eine imperialistische Willensorganisation da ist«; es gehe also darum, eine »kommunistische Willenseinheit- gegeniiber einer »im per ia list isch en« zu wahlen , 104 Es braucht kaum darauf hingewiesen zu werden, daB die Termini »In t er n a t ion ale« und »Kom m u n ism u s« sowohl dem Nazismus als auch Heidegger verhaBt waren , der im Kommunismus und seinem Atheismus den Gipfelpunkt des modernen Auflosungsprozesses der »Gesch ich t lich keit« erblickt, da »ein geschichtliches Dasein ohne den Gott und ohne die Getter nicht moglich ist« (vgl. unten, Kap. V, 2). Auch Husserl sieht sich in der letzten Phase seiner Entwicklung und seines Lebens mit dem Thema Geschichtlichkeit konfrontiert. Formuliert er Anfang der zwanziger Jahre noch eine eindeutig aufklarerische Auffassung, mit der schon besprochenen Entgegensetzung zwi schen der Vernunft und den historisch-empirischen, der Vernunft mehr oder weniger verschlossenen Machten, so unterzieht er in den darauffolgenden Jahren, und vor allem nach 1933, die Kategorie Geschichtlichkeit einer radikalen Neuinterpretation. Sie nimmt ja nun in der Philosophie seines ehemaligen Schiilers eine zentrale Stellung ein und gehort inzwischen zum ideologischen Arsenal des 84
Kritik und Neuinterpretation der Geschichtlichkeit
Regimes. Husserls entschiedenes Beharren auf dem Recht der »P hilosoph ie, der Wissenschaften, in die konkrete Geschichtlichkeit der Menschheit einzugreifen und ihr einen vollig neuen Daseinsstil, narnlich den eines durch philosophische Vernunft sich vergeistigenden und immer mehr befriedigenden Daseins zu geben«, steht in diesem Kontext. 105 Im Jahr 1934 wird die Polemik gegen den Nazismus immer deutlicher. Die Machtergreifung, die Heidegger und vielen anderen verheiBungsvoll erschien, wirft in der Zeitdiagnose Husserls dagegen einen beunruhigenden Schatten auf die Philosophie : »In der eminenten Gefahr eines Coo .) Absterbens der Philosophie, und damit notwendig des Absterbens eines Europa aus dem Geiste der Wahrheit, stehen wir in der Gegenwart. e-Pf Die Kriegsideologie noch iiberbietend, sprach das neue Regime den »Ideen von 1789« und jeder anderen universalistischen Philosophie das Recht ab , sich in die unbeugsame Eigentiimlichkeit der deutschen Kultur und des deutschen Wesens einzuschalten. Deshalb erscheinen Husserl diejenigen Philosophen, die dazu entschlossen sind, sich als »F unkti ona r eeiner universalen Rationalitat zu betrachten, »vorerst vollig isoliert-I?". Allerdings durfen sie deshalb keineswegs auf die »Kritik- und auf die »ep och e hinsichtlich aller histor isch en Traditionen- verzichten, noch das Ziel aus den Augen verlieren, das die »eur opa isch e Kultur- vor sich hat: das Ziel der Errichtung der »Allgemeinschaft der irdischen Menschheit aus dem Geiste der autonomen Vernunft« , in der »als unselbstandige Momente die historischen Aufgaben aller einzelnen N ationen« ihren Platz tinden. Ohne diese universale und rationale Spannung wurde die europaische Philosophie sich selbst und auBerdem ihre Wurzeln - die »griechisch e Geschichtlichkeit- - verleugnen. 108 Man gewinnt den Eindruck, daB die Polemik gegen den Nazismus auch Heidegger und die ihm nahestehende oder von ihm beeinfluBte Kultur zur Zielscheibe hat. Dies lassen die von Husserl benutzten Begriffe - nicht nur der der »Geschichtlichkeit- - vermuten. Der Rechtsphilosophie wird, wie wir gesehen haben, der Anspruch zuerkannt, in 85
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die »konkrete Geschichtlichkeit- einzugreifen, deren -Da sein - also von Grund auf zu andern, Dieser Terminus taucht wiederholt auf: »Die Philosophie ist das Organ eines neuartigen historischen Daseins der Menschheit, des Daseins aus der Autonomie.« Das erinnert an die Sprache von Sein und Zeit. Und wenn wir schlieBlich lesen, daB auch die »P r oblerne der sogenannten Existenz, der individuellen sowie der nationalen« zur » universalen Theorie, d. i. der Philosophie« gehoren.U'? finden wir unseren Verdacht bestatigt. Das von Heidegger emphatisch betonte Dasein, dessen absolute Einmaligkeit und Nicht-Zuriickfiihrbarkeit auf allgemeine Regeln in seinem Da begrundet liegt, kann fur Husserl dagegen ohne weiteres Gegenstand einer von der philosophischen Universalitat geleiteten, radikalen Transformation werden. Dies ist der Ausgangspunkt fur die Auseinandersetzung, die der Begriinder der Phanomenologie mit Heidegger iiber die Kategorie Geschichtlichkeit fuhrt, welche in den Augen Husserls nicht nur philosophisch diskutierbar, sondern vor allem politisch kompromittiert ist. Die fur nicht transzendierbar gehaltene Geschichtlichkeit ist in Wirklichkeit, nach Husserl, eine unrechtmaliig auf die Natur reduzierte Geschichtlichkeit. Wenn wir es vermeiden, dem Terminus »Leben« einen »physiologisch en Sinn« zu geben und wenn wir es dagegen als ein »gei st ige Gebilde leistendes Leben, C..) kulturschaffend in der Einheit einer Geschichtlichkeit« verstehen, dann wird es klar, daB es dazu in der Lage ist, sich in »Gemeinschaften verschiedener einfacher oder aufgestufter Gestalten, wie Familie, Nation, Ubernation« auszudriicken. 110 Eine Ubernation ist nicht schon als solche die Verneinung der Geschichtlichkeit. Zusammen mit der »F a milie«, dem »Volk« gehort auch die »Volk er gem ein sch a ft« zu den »Wesen s st r u k t u r en der menschlichen Geschichtlichkeit- oder kann zu ihnen gehoren.U! Letztere darf selber nicht ahistorisch verstanden werden: »E in e Revolutionierung der Geschichtlichkeit«, die in der »Gesch ich t e des Entwerdens des endlichen Menschenturns im Werden zum Menschentum unendlicher Aufgaben« bestehen kann, ist moglich und kann eintreten.Uf
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Kritik und Neuinterpretation der Geschichtlichkeit
HusserI schreibt dem ProzeB der Internationalisierung im Bereich des Abendlandes positive Bedeutung zu . »Da s geistige Telos des europaischen Menschentums- sehlieBt am Ende aueh »das besondere Telos der Sondernationen- mit ein. Diese Behauptung - stellt HusserI ausdriieklich klar - ist »n ich t eine spekulative Interpretation unserer Gesehiehtliehkeit C..) sondern Ausdruek einer in vorurteilsloser Besinnung aufsteigenden lebendigen Vorahnung« . HusserI halt diesen ProzeB fur eine schon angebroehene Wirklichkeit. »Die historisehe Mensehheit gliedert sieh [andererseits] nieht immerfort gleicherweise«, und die extreme Abstufung von »H eim a t lich k eit und Fremdheit- in bezug auf die geographische Entfernung und die historische Entwieklung ist eine »Gr u n dk a t egor ie aller Geschichtlichkeitv.Uf Besonders innerhalb Europas (das, wie wir noeh sehen werden , fur HusserI praktisch mit dem Abendland zusammenfallt), uberlallt die »Fremdheit- immer mehr der »H eim a t lich k eit- den Platz. Diese Diagnose ist bemerkenswert. Im Gegensatz zu dem, was die vielen besorgten Stimmen einer eindeutig konservativen oder reaktionaren Kulturpolitik proklamierten, ist die Entwicklung der Neuzeit und des modernen Europa keineswegs eine Entwieklung, die zur Heimatlosigkeit, zum VerIust der Wurzeln und der Gesehiehtliehkeit fuhrt , sondern der Ubergang von einer engeren zu einer weiteren Gesehichtlichkeit. Andererseits besteht die »Revolu t ion ier u ng der Geschicht.lichkeit- nieht nur in der Versetzung der geographisehen Grenzen. Es gibt eine viel tiefergehende und weitreichendere »Umstellung« . Die Herausbildung und Verwurzelung der Philosophie und des theoretisehen Geistes im BewuBtsein der Mensehen bringen die naturalistisehe Fixierung der Gesehiehtliehkeit in die Krise . Wenn wir eine »u n iver s a le Betrachtung der Gesehiehtliehkeit menschliehen Daseins in allen seinen Gemeinsehaftsformen und in ihren historisehen Stufen- anstellen, dann zeigt sich bald eine von HusserI aullerst geringschatzig betraehtete »er st e Historizitat«: »Wir spreehen in dieser Hinsicht von der natiirliehen, urwiiehsigen Einstellung, von der des urspriinglich natiirliehen Lebens«, die von 87
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Unbeweglichkeit und Stillstand gekennzeichnet ist,l14 Diese Polemik scheint gegen die Theoretiker einer unbeweglichen Geschichtlichkeit und vor allem gegen die Blut und Boden-Fanatiker gerichtet zu sein. Auch unabhangig von ihren etwaigen rassistischen Merkmalen ist diese Ideologie Ausdruck einer naturalistischen und »ur wu ch sigen« Haltung, die sich auch bei den »hoheren Kulturen- und das ist ein Punkt, den Husserl mit Blick auf das Deutschland jener Jahre hervorzuheben scheint - zeigen kann. Und dennoch kann diese Urwtichsigkeit der Geschichte nicht widerstehen: »In einer der historisch faktischen Menschheit naturlichen Einstellung«, stellt sich fruher oder spater eine Situation her, die eine »Um st ellung- unvermeidlich macht.Uf Hat man sich erst einmal von diesem primitiven N aturalismus befreit, bildet sich keine »ernpir isch e Geschichtlichkeit-U", sondern eine »absolu t e Geschichtlichkeit- einer »t r a n szendent a lefn ] Subjektgemeinschaft-.U? An diesem Punkt wird der Gegensatz nicht nur zur Blut und Boden-Ideologie, sondern auch zur Heideggerschen Geschicht.lichkeit offensichtlich. Beides darf nicht miteinander verwechselt oder gleichgesetzt werden; Tatsache ist jedoch, daB HusserI, bei seiner Abrechnung mit dem Nazismus zugleich eine zentrale Kategorie seines ehemaligen Schulers attackiert.
6. »Geschichtlichkeit« und Autonomie der Theorie: HusserI contra Heidegger Eng verbunden mit der Polemik tiber die Geschichtlichkeit ist die Polemik tiber die Funktion der Theorie. In seiner Rektoratsrede wendet sich Heidegger entschieden gegen diejenigen, die die Griechen als »Vor bild- fur die »st h eor et isch e- Haltung- hinstellen. »Aber was ist die theoria fur den Griechen? Man sagt: die reine Betrachtung, die nur der Sache in ihrer Fiille und Forderung verbunden
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»Gesch ichtlichkeit« und Autonomie der Theorie
bleibt. Dieses betrachtende Verhalten soIl unter Berufung auf die Griechen urn seiner selbst willen geschehen. Aber diese Berufung auf die Griechen hat Unrecht. v-Jf Der Sprachduktus laBt vermuten, daB es Heidegger hier urn die Position eines ganz bestimmten Autors zu tun ist. Urn wen geht es? Schon in den zwanziger J ahren hatte HusserI »den ewigen Ruhm der griechischen Nation- gepriesen, die "von der reinen Liebe zur sachlichen Erkenntnis- bewegt, »eine Philosophie als eine Kulturgestalt eines rein theoretischen Interesses- begrundet und »einer autonomen Kultur theoretischer Vernunft- den Weg bereitet habe.U? Diese Stelle ist einem zunachst unverOffentlichten Artikel entnommen, uber dessen Grundideen Heidegger jedoch ohne weiteres durch seine Beziehungen zu seinem (Ex-) Lehrer unterrichtet sein konnte (bekanntlich bedankt sich der Autor von Sein und Zeit bei Husserl auch fur die »fr eiest e Uberlassung unveroffentlichter Untersuchungen«120). Zwei Jahre nach Heideggers Rektoratsrede gibt Husserl eine entschiedene Reformulierung seiner Position: Er schreibt den Griechen das Verdienst zu, als erste »eine rein -t h eor etische- Einstellung« entwickelt zu haben, die darauf abzielt, »Th eori a und nichts als Theoria- auszuarbeiten, die auf diese Weise zum »Eigen zweck- wird. 121 Kehren wir nun zur Rektoratsrede zuruck: »Den Griechen ist die Wissenschaft nicht ein -Kult urgu t-, sondern die innerst bestimmende Mitte des ganzen volklich-staatlichen Daseins« .122 Im schon zitierten Artikel betont HusserI dagegen, die Theorie, die Wissenschaft und die Philosophie bildeten bei den Griechen ein »obj ekt ives Guterreich, nach dessen auBertheoretischer Nutzlichkeit nicht gefragt wird«.123 Nicht, daB es fur HusserI ke ine Beziehung zwischen Theorie und Praxis gabe, aber es handelt sich urn eine Beziehung neuer Art, die sich mit dem Auftreten eines rein theoretischen Interesses einstellt: Die »Philosophie ist eine Funktion der vernunftigen Praxis, sie ist das ihr die wahren Ziele zur Erkenntnis bringende Organ. Dem echten Wissen folgt das Handeln. «124 Nachdem sich also die reine Theorie von der Empirie der Lebens- und Naturpraxis unabhangig gemacht hat, legt sie die Normen und Wer89
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te einer auf universaler Rationalitat gegrundeten Praxis fest. Diese Transzendierung der Geschichtlichkeit in den Normen und Werten ist fur Heidegger inakzeptabel, der deshalb erwidert, daf die Griechen keirreswegs darauf abzielten, "die Praxis der Theorie anzugleichen, sondern umgekehrt, die Theorie selbst als die hochste Verwirklichung echter Praxis zu verstehen« .125 Die Theorie respektive die Philosophie, weit entfernt von reiner Kontemplation universaler Werte und Normen, ist in einer konkreten Geschichtlichkeit verwurzelt, deren begrundende und bestimmende Kraft sie zugleich ist. Wohl mit Blick auf die Rektoratsrede schreibt Husserl, daB die theoretische Einstellung, die sich zum erstenmal im alten Griechenland herausgebildet hat, »ganz und gar unpraktisch- ist, »sie beruht also auf einer willentlichen Epoche von aller naturlichen und damit auch hoherstufigen, der Naturlichkeit dienenden Praxis im Rahmen ihres eigenen Berufslebens«. Dies bedeutet jedoch nicht, daB sich nun Abgrunde zwischen Theorie und Praxis auftaten, denn die Theorie nimmt die "Form einer neuartigen Praxis [an], der der universalen Kritik alles Lebens und aller Lebensziele, aller aus dem Leben der Menschheit schon erwachsenen Kulturgebilde und Kultursysteme- und zielt darauf ab, "in einer neuen Weise der Menschheit C.. ) zu dienen«126 und nicht etwa, wie der Autor der Rektoratsrede meinte, einem bestimmten Staat und einem bestimmten Yolk. Husserls Polemik gegen die ruinose Wandlung, die im europaischen »Zeitgeist- stattgefunden und zur Liquidierung des besten Erbes der rationalistischen und aufklarerischen Tradition gefuhrt hat, scheint auch Heidegger einzubeziehen: »Der ursprungliche Sinn der Philosophie als theoretischer Welterkenntnis, der Sinn der Einzelwissenschaften als Zweige der Philosophie wird aufgegeben. Reine Theorie, abstraktes begriffliches Denken, Intellektualismus sind Worte , die in weiten Kreisen einen verachtlichen Beigeschmack erhalten und vor allem in der Jugend, die sich fur berufen halt, neue Ideale an die Stelle der vermeintlich fur immer erledigten zu setzen.«127 Die Rede von der Krise der Ideale bei der »J ugen d- ist urn so bedeutsamer, wenn man berucksichtigt, daB Hei90
»Gesch ichtlichheit« und Autonomie der Theorie
degger die Wende in Deutschland durch die »j u nge und jungste Kraft des Volkes« sich vollziehen sieht. 128 Wenn Heidegger seinerseits davon spricht, die wahre Bedeutung der Theorie und der Wissenschaft bei den Griechen konne gewiB nicht von den »int er n a tion a len Organisationen- aus erfaBt werden,129 so ist dies vorrangig als Wendung gegen Husserl zu verstehen, denn dieser besteht ausdrucklich, wie wir wissen, auf der wichtigen Rolle der weltweiten wissenschaftlichen Gemeinschaft und auf der »Internationalitat aus Bildung«. Darauf zu bestehen, die Wissenschaft als einen autonomen »Kulturwert- zu betrachten, ist fur Heidegger gleichbedeutend mit einer »r ea kt ion a r eln l Deutung der Wissenschaft- selbst,130 nicht nur weil damit eine kulturelle Tendenz wiederaufgenommen wird, die inzwischen ihre Vitalitat verloren hat, sondern vielleicht auch deshalb, weil es in eindeutigem Widerspruch zur nationalsozialistischen Revolution in Deutschland steht. Die zitierten Textstellen entstammen einer der ersten Vorlesungen des Sommersemesters 1935. Im Horsaal bereits ausgesprochen, war diese auch politisch motivierte Verurteilung Husserl vielleicht schon bekannt, als er auf einer Konferenz im Mai desselben Jahres in Wien einen Vortrag halt. Nachdem er seinen Standpunkt zur rationalistischen Tradition deutlich gemacht hatte, die zu reformieren und zu erneuern, aber keineswegs zu liquidieren sei, fugte er hinzu: »Es mochte mir scheinen, daB ich, der vermeintliche Reaktionar, weit radikaler bin und weit mehr revolutionar als die sich heutzutage in Worten so radikal Gebardenden.et-'! Ob Heideggers Vorlesungen ihm nun bekannt waren oder nicht, so nimmt der Vortrag doch in jedem FaIle die Theoretiker einer in den Augen Husserls zu eng gefaBten und unbeweglichen »Geschichtlichkeit- aufs Korn. Zugleich verteidigt er sich gegen die Anschuldigung, sich angeblich zu einem "in weltfremder Theorie sich verlierenden Intellektualismus- bekennen zu wollen, und dabei das Ideal eines »den Schicksalen uberlegenen (.. .) Menschentums- zu verfolgen, das sich mit der reinen wissenschaftlichen Kontemplation »befr iedi gt« .132 Bekanntlich ist »Schicksal- ein Schlusselwort fur die Kriegsideologie und fur Sein und 91
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Zeit (gerade in engem Zusammenhang mit der Kategorie »Geschich t lichk eit«) und es spielt eine wichtige Rolle auch in der Rektoratsrede, die tief vom Pathos des »deutschen Schicksals« durchdrungen ist, vor dem sich das bloB theoretische Wissen beugen und seine eigene »V nkraft« einsehen mtisse.l 33 Hatte Husserl in dem oben schon zitierten Text aus dem Jahre 1922-23 die Vernunft im Kampf gegen die »Ma ch t e der historischen Wirklichkeit« gesehen, so besteht die Rektoratsrede wiederholt auf der entscheidenden »Uberma ch t aller weltbildenden Machte des menschlichen Daseins«, der »Ma ch t e des Daseins«, des »rnenschlich-geschichtlichen Daseins«, des »deut sch en Wesens« tiber das theoretische Wissen. 134 Fur HusserI scheint all das eine Abdankung der Vernunft zu bedeuten: Die Anschuldigung des Intellektualismus und der Indifferenz dem »Schick sal« gegentiber weist er zuruck und erklart, sich sehr wohl fur die Geschichtlichkeit interessieren zu wollen, die er einer positiven und fruchtbaren »Revolu tionierung« unterziehen mochte. In diesem Sinne durfe er fur viel »revolutionarer« als seine Kritiker gelten, die bei einer statischen und naturalistischen Anschauung der Geschichtlichkeit stehengeblieben seien.
7. Abendland, Westen, Osten Gegen Ende des Ersten Weltkriegs tritt ein neues Element zu den »Ideen von 1914« hinzu: Der Kampf gegen die Oktoberrevolution. Am Tag seiner Abdankung erklart Wilhelm II. in Spa, daB es angesichts der Gefahr, die ganz Europa bedrohe, absurd ware, den Krieg fortzufuhren . Vnd man konne nur hoffen, daB der Feind schlieBlich der Gefahr gewahr werde, die die europaische Kultur bedrohe, wenn Deutschland dem Boischewismus ausgesetzt, oder so harten Friedensbedingungen unterworfen wurde, die dessen Sieg begtinstigen konnten. Der Waffenstillstand ist noch nicht unterzeichnet, und schon sieht sich der Kaiser 92
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- oder Ex-Kaiser - des im Sterben liegenden Zweiten Reichs an der Spitze eines Kreuzzugs gegen den Bolschewismus und die aus dem Osten kommende Gefahr. 135 Dieses Motiv wird neu in den Korpus der Kriegsideologie aufgenommen und gerat teilweise in Widerspruch zu den alten Topoi. Wahrend auf der einen Seite weiterhin der seichte »Rationalismus- und der noch seichtere (romanische bzw. angelsachsische) »Empirismus- der Lander westlich von Deutschland verurteilt wird,136 tritt andererseits das Pathos der Einheit des authentischen Abendlandes in den Vordergund , das sich in Entgegensetzung zur Bedrohung aus dem Osten definiert. Diesen Widerspruch versucht man gelegentlich aufzulosen, indem man sprachlich zwischen dem »liberalen- oder »romanisch-angelsachsischen- »West en - t-'? und dem Abendland im vollen und starken Sinn unterscheidet, als dessen Mittelpunkt und Fuhrung Deutschland angesehen wird. SoUte es in der Bilanz, die die deutsche Kultur tiber den Ersten Weltkrieg aufsteUt, eine gewisse selbstkritische Reflexion geben, so betrifft sie nicht den Krieg als solchen, sondern die Spaltung und die Krise des Abendlandes. 1931 merkt Jaspers an: »Politik als das egoistische Rechnen eines Staatsgebiets sieht alle anderen als je nach der Konstellation beliebig austauschbare Bundesgenossen und Feinde. Gegen den geistig und geschichtlich Nachsten setzt sie sich in Bundnis mit den Fremdesten C oo). England und Frankreich haben indische und schwarze Truppen an den Rhein gefuhrt. Deutschland wurde kaum die russische Bundesgenossenschaft ausschlagen, wenn sie ihm Chancen bote, seine Freiheit zuruckzugewinnen.e- e'' Das Abendland ist dabei, sich selbst zu zerstoren. GewiB - unterstreicht Spengler - ist der Appell an die farbigen Bevolkerungen anlafrlich innerer Konflikte des Abendlandes nichts unbedingt Neues: Die Englander hatten seinerzeit bei ihrem Versuch, die aufstandischen amerikanischen Kolonien niederzuzwingen, auf indische Stamme zurtickgegriffen, und vor allem, im Verlauf der Franzosischen Revolution, haben »die Jakobiner die Neger von Haiti fur die -Men sch en r ech t e- in Bewegung« gesetzt. Farbige Bevolkerungen »in Masse- einzusetzen, wie im 93
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Ersten Weltkrieg geschehen, stelle aber einen qualitatiyen Sprung dar, der zu einer radikalen Verschiebung der Krafteverhaltnisse zum Schaden des Abendlandes gefuhrt habe. 139 Die Lage sei urn so besorgniserregender, als Frankreich auch nach dem Krieg sein Bundnis mit den farbigen Be viHkerungen seiner afrikanischen Kolonien aufrechterhalte, und das Vertrautwerden der Schwarzen mit der abendlandischen Kriegstechnik und -k u n st die weiBe Macht nachhaltig untergrabe. 140 »Nich t Deutschland, das Abendland hat den Weltkrieg verloren, als es die Achtung der Farbigen verlor.«141 Vor allem die westlichen Demokratien seien es, betont auch Jtinger, die jetzt Gefahr liefen, mit dem Verlust ihrer Kolonialherrschaft »die Kriegsanleihen an Blut und Arbeitskraft- zu bezahlen, die sie von den farbigen Volkern in den Jahren 1914-18 erhalten hatten.142 Siegreich sei aus dem Krieg hochstens RuBland hervorgegangen, klagt Spengler, ein Land, das mit der Oktoberrevolution die »sweifse- Maske- abgelegt habe, urn »wieder eine asiatische, -mongolische- Grolimacht« zu werden, von »br enn en dern HaB gegen Europa- beseelt. Wie die an die Kolonialvolker und -Iander gerichtete Aufforderung zur Erhebung zeige, sei RuBland inzwischen integrierender Bestandteil der -gesa m t en farbigen Bevolkerung der Erde«, die es »im Gedanken des gemeinsamen Widerstands durchdrang« und zum Kampf gegen die »weifie Menschheit« aufforderte. 143 Es sei also ein wahres Ungluck, daB Frankreich, nur urn Deutschland zu schwachen und zu zerstiickeln, nicht davor zurtickschreckt, einerseits die revolutionare Agitation der deutschen Kommunisten zu untersttitzen (dabei zumindest objektiv Komplize der Sowjetunion) und sich anderserseits mit den farbigen Bevolkerungen verbtinde: Das »eu r opaisch -a fr ika nisch e Frankreich«144 trage also im Endeffekt dazu bei, daB eine todliche Gefahr tiber dem Abendland liege. Der unseligen Spaltung, die im Ersten Weltkrieg entstanden ist (und die auch nach dem Krieg noch andauert), stellt Jaspers »ein e Politik, getragen von einem gesch ichtlichen Bewuf3t sein de s Ganeen « entgegen, die »j edoch heute schon tiber jeden einzelnen Staat hinaus die kommen94
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den Interessen des Menschseins sehen [wurde], das in Gegensatzen abendlandischen und asiatischen Wesens, europaischer Freiheit und russischen Fanatismus unbestimmt sich vorzeichnet. Solche Politik wiirde die tiefe menschliche und geistige Verbundenheit deutschen Wesens mit angelsachsischem und romanischem nicht vergessen und vor dem Verrat schaudern, der hier bis heute immer wieder begangen worden ist.«145 In diesem Zusammenhang und immer mit Bezug auf die tragische Erfahrung der Spaltung des Abendlandes, klagt Jaspers dariiber, daB der Krieg »nicht [mehr] Glaubenskampf, sondern Interessenkampf, nicht der Kampf echter Kulturgemeinschaften, sondern von Staatsgebieten- sei. »Du r ch ihn wird keine geschichtliche Entscheidung gefunden wie im Sieg der Griechen iiber die Perser, welcher die Existenz der abendlandischen Persbnlichkeit bis heute fundiert, und wie im Sieg der Romer iiber die Karthager, welcher sie sicherte. «146 Das neue Persien, das das Abendland bedroht, ist offensichtlich die Sowjetunion. Jaspers schlagt apokalyptische Tone an: »Es beginnt heute der letzte Feldzug gegen den Adel C..). Die friiheren politischen Aufstande konnten gelingen, ohne den Menschen zu ruinieren; dieser wiirde, wenn er gelange, den Menschen selbst zerstoren. e-v?
8. Deutsche Geschichtlichkeit und Einheit des Abendlandes Der Appell an die Rettung des Abendlandes ist der Leitfaden fur Heideggers Zustimmung zum Nationalsozialismus und seiner folgenden Loyalitat gegeniiber dem Regime. Wiederholt klingt das Pathos an vom »abendlandischen Menschen«, vom »a bendla n disch en Dasein- und von der »geist igen Kraft des Abendlandese.Hf Es gehe darum heiBt es im Jahre 1937 - »der drohenden Entwurzelung des Abendlandes- entgegenzutreten, die »Bedr oh ung des Abendlandes- abzuwenden, seine »Ret t u ng- zu verwirkli-
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chen. 149 Heidegger selbst wird nach der Niederlage Deutschlands darauf hinweisen, er habe sich dem Nazismus mit Blick auf die »geschichtliche Lage des Abendlandes«, aufgrund »abendla n disch er Verantwortungv.U? in der Hoffnung angeschlossen, daf Hitler seiner »abendlandischen Verantwortung« gewachsen gewesen ware 151. Nicht viel anders ist Carl Schmitts Haltung. Unter Berufung auf die »gr olle Reichstagsrede- Hitlers vom 7. Marz 1936, in der »der Fuhrer und Reichskanzler Hitler« von den europaischen Nationen als einer »F a milie« und von Europa als einem »H a u s- gesprochen hatte, betont Schmitt die »nationale und volkische Verwandtschaft dieser europaischen Volker- in Kontraposition zu Volkern, die Europa und dem Abendland fernstunden, handle es sich dabei nun urn Abessinien - dem das faschistische Italien mit Recht die »zivilisat or isch e Homogenitat« abgesprochen habe - oder urn die UdSSR, die von den Feinden Deutschlands ungluckseligerweise in die »Gemeinschaft europaischer Volker« eingefuhrt worden war. 152 Schmitt protestiert gegen den Beistandspakt, den Frankreich am 2. Mai 1935 mit der Sowjetunion abgeschlossen hatte, die bereits zuvor Mitglied des Volkerbundes und seines Rates geworden war; d.h. er protestiert gegen die Auflockerung der gleich nach der Oktoberrevolution vollzogenen Aussperrung. In eben diesen Kontext mull die von Heidegger im Sommersemester 1935 aufgestellte Behauptung eingereiht werden, daf Europa »in heilloser Verblendung immer auf dem Sprunge [sei], sich selbst zu erdolchen« .153 Urn der todlichen Gefahr, die aus dem Osten und von den farbigen Bevolkerungen her droht, besser entgegentreten zu konnen , wird das Abendland zur Einheit aufgerufen. Man bewiese wenig historischen Sinn, wollte man aus diesen Texten, selbst wenn sie die Notwendigkeit der (europaischen) Volkerverstandigung betonen, einen Gegensatz zu den nazistischen Losungen und Programmen herauslesen: 154 Das Pathos der europaischen und abendlandischen Gemeinschaft und sogar der Appell, die Eigentiimlichkeit eines jeden (europaischen) Volkes zu respektieren , sind Themen, die sich in jenen Jahren ausfuhrlich in den Reden Hitlers auffinden lassen. Heidegger verbin-
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det zwar in einem Aufruf seine Unterstiitzung fur die Entscheidung der neuen nazistischen Regierung, aus dem Volkerbund auszutreten,155 mit der Erklarung, der deutsche Wille, seine »vclkische Selbstverantwortung« zu be haupten, bedeute keine »Abkeh r von der Gemeinschaft der Volker«, Aber auch in einer Rede Hitlers vom 21. Marz 1933 kann man lesen: Das deutsche Yolk hat »da s Gefiihl seiner Kraft nie gelost von der tief empfundenen Verantwortung fur das Gemeinschaftsleben der europaischen Nationen«. In seinem Appell spricht Heidegger von dem »offenen und mannhaften Aufsich- und Zueinanderstehen der Volker und der Staaten«, FolgendermaBen faBt eine Propagandaschrift des Dritten Reichs eine Stelle der Hitlerrede vom 17. Mai 1933 zusammen: »Ger a de der N ationalsozialismus, der als nationale Bewegung dem eigenen Volkstum verschworen sei, achte aus seiner Weltanschauung heraus die nationalen Rechte der anderen Volker. «156 Es geht hier natiirlich nicht darum, die Positionen des Philosophen auf das Niveau eines auch in der Kunst des Liigens bewanderten Politikers herabzusetzen, dem es darum ging, die Bestimmungen des Versailler Vertrages abzubauen und Deutschland wiederaufzuriisten, und zwar im Namen der Gleichberechtigung mit den Siegermachten des Ersten Weltkriegs, deren militarische Intervention er vermeiden wollte. Dennoch ist es absurd, in Heideggers Appell zur Unterstiitzung Hitlers im Kampf gegen den Volkerbund ein politisches Gegenprogramm lesen zu wollen. Bedeutsam ist demgegeniiber die geringschatzige Ablehnung des Ideals einer »haltlosen, unverbindlichen Weltverbruderung«, die sich im Text Heideggers findet. Es ist daher notwendig, wiederum von der Kriegsideologie auszugehen, die bekanntlich die Zivilisation und die Entente beschuldigt hatte, einen aggressiven und jedenfalls die nationalen Besonderheiten wenig beachtenden Universalismus voranzutreiben. Auch dieses Motiv wird vom Nazismus iibernommen. Dem christlich-modernen Universalismus, der sich schon mit dem Niedergang der Antike abzuzeichnen beginnt und der nur in Deutschland auf Opposition stoBt, ist nach Bohm anzulasten, daB er 97
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eine ungestiime und unheilvolle Einebnung vornimmt, die »jede Besonderheit volkhafter Pragung und personlicher Eigenart- ausloscht oder ausloschen will. 157 Auch Heyse meint, der Universalismus, dessen Wurzeln auch er bereits in der Spatantike und im Christentum aufsucht, 10sche fortschreitend »die individuellen Unterschiede der Menschen und der Volker- aus. 158 Allgegenwartig ist dann das Thema mit einer deutlich politischen Dimension bei Schmitt. Universalismus ist hier ganz einfach gleichbedeutend mit Interventionismus und »Welt-Einmischungsanspruch«.159 Nach dieser Auffassung sind die allgemeinen Menschenrechte nichts weiter als die theoretische Grundlage des Imperialismus, und gegen diesen wird »die Heiligkeit einer nichtuniversalistischen, volkhaften, volkerachtenden Lebensordnung- hochgehalten. 160 Vor Augen hat Schmitt hier natiirlich die kriegsideologische Funktionalisierung der Menschenrechte durch die Lander der Entente, eine Kreuzzugs-Ideologie, in deren Namen das millionenfache Opfer im Kampf gegen Deutschland gerechtfertigt wurde. Die Verurteilung dieser Ideologie durch den deutschen und nationalsozialistischen Politologen fallt allerdings recht einseitig aus, dient es doch ausschlieBlich der Rechtfertigung des Anspruchs des Dritten Reichs, sich nach Osten auszudehnen, urn dort eine groBe, imperiale und hegemoniale Sphare, ohne Einmischung von auBen zu schaffen. Nicht umsonst wird in den Schriften dieser Zeit und ausdriicklich schon im Titel einer der hier angefuhrten Beitrage die Verurteilung des »Universalismus- im Namen des kulturellen und Lebens-»GroBraums« Deutschlands ausgesprochen. Aufrechterhalten bleibt jedenfalls am Vorabend des Zweiten Weltkriegs ein aus dem Ersten iibernommener Topos. Kehren wir zu Heyse zuriick: »