Die Geburt, das Leiden und die Auferstehung Jesu Christi: In zwölf Reden 9783111642369, 9783111259512


230 42 7MB

German Pages 144 Year 1821

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
Vorrede
Einleitung
Erste Rede. über die Worte: Jesus Christus der Sohn Gottes wird zu Bethlehem geboren
Zweite Rede
Dritte Rede
Vierte Rede
Reden am ersten Weihnachtstage
Erste Rede. Bon den Quellen des Erlösers
Zweite Rede. Von den drei Mischungen
Dritte Rede. Dom Orte, der Zeit und anderen Umständen bei der Geburt des Herrn
Vierte Rede. Wie die Hirten Joseph und Maria fanden und das Kind in der Krippe
Fünfte Rede. Ueber die Worte des Apostels: Gelobet fei Gott und der Vater unsers Herrn rc
Das Leiden Jesu Christi in zwei Reden des heiligen Bernhard
Erste Rede. In der h. Char-Woche
Zweite Rede. am Charsreltage über das Leiden des Herrn
Hymne des h. Bernhard zu Jesu am Kreuze
Die Auferstehung Jesu Christi
Rede am Oster-Morgen
Recommend Papers

Die Geburt, das Leiden und die Auferstehung Jesu Christi: In zwölf Reden
 9783111642369, 9783111259512

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Die Geburt, das Leiden und

-ie Auferstehung

Jesu

C h r i st i in zwölf Reden

aus dem Lateinischen e e«

heiligen Bernhard durch

C. H. Burchard.

Berlin 1821. Gedruckt und verlegt bei G. Reimer.

Vorrede. Xht hier folgenden Nebers,Hungen von zwölf Reden deS h. Bernhard, Abts von Clatvaux, liefere ich eben so zur Erbauung christlicher Gemüther, au den ver­ schiedenen kirchlichen Festtagen, denen sie gewidmet find, alS zum Beweist, in welcher Lieblichkeit und Höhe sich die Gnade Gottes, in einem gänzlich von derselben durchdrungenen Gemüthe, abspiegelt. Ge­ rade in dieser Zeit, wo man gewöhnlich das Geistiiche nur für den Ausfluß unterer Seelenkräft, hält und menschliche Kunst und Wissen weit über di, Fälle des göttlichen Geistes stellt, mögen diese Reden zeigen, wie der Liebe in Jesu Christo alle höheren geistigen Ga­ ben zu Gebote stehen, ja durch solche erst Gestalt jmb Wesen gewinnen. Eine Exegese wie sie sich hier ent­ faltet, die aus jedem Worte des Textes die süßeste Rede und die verborgensten Geheimnisse hervorruft, «ine solche Bekanntschaft mit der h. Schrift, welche alle ihre einzelnen Theile vollständig in fich.hinübergetragrn und daraus ein großes g-ißlge Ganz, gebildet hat, endlich diese Kraft und Stärke der Beredtsamkekt, dir bei dem höchsten Aufschwünge der Seele, jede Ge­ setze und Forderungen der Rhetorik jerfüllt, bitter kei­ nen geringen Gegenstand der Bewunderung, auch dem weltlichen Gemüthe dar. Nichts wäre dabei' wünfchenswirther als aus diesen Goldgruben der Vorzeit so viel wie möglich zu Tage zu fördern. Den Plan dieser Uebersttzung selbst betreffend so enthält sie in zusammenhängenden Cyclus Reden auf die Geburt, das Leiden und d«e Auferstehung des Herrn; nämlich vier Reben auf den Vorabend oder

IV

die Mgilke des ersten Weihnacktstages, fünfe auf diesen selbst, eine Rede in der Charwoche und eine am Cyarfreitage, endlich die letz-e Rebe am Ostermorgen ober bei der Auferstehung Jesu Christi. Alle vorkommenden Schriftstellen find übrigens möglichst treu nach der Vulgata oder der von der ka­ tholischen Kirche angenommenen Bibel-Uebersetzung ge­ geben, als welche sämmtlichen Reden jum Grunde liegt; auf diese Übersetzung beziehen stchdaher auch die Citate, die namentlich in den Psalmen von den gewöhnlichen, hier zu Lande gebräuchlichen deutschen Bibel -Uebrrfetzungen, abweichen. Die von mir jeder Rede vorausgesch'ckten Einlei­ tungen, haben nur den Iweck, ganz kurz zuvor den HauptgesichtSpunkt, von welchem der Redner ausgeht, dem Leser vor Augen zu führen; bei welcher Gelegen­ heit ich nur nod) hinsichtlich sämmtlicher Reden bemerke, daß sie von dem heiligen Bernhard, als Abt zu Clair­ vaux, in dem dortigen Kloster, vor seinen Mönchen gehalten wurden, auf welches Verhältniß daher meh­ rere Stellen Bezug haben.

Geburt Jesu Christi t tt neun Reden des heiligen Bernhard.

Einleitung.

3Jie vier folgenden Reden aus den Doraden- oder di« Di» gilt« der Geburt des Herrn, haben überall eine würdige Vorbereitung zu dem hohen Feste des folgenden Tages zum Gegenstände, und sie beschäftigen sich daher theils mit die­ ser Vorbereitung selbst, theils zeigen sie u.n solche noch wirksamer zu machen dir Wunder und Herrlichkeit der im Fleische erschienenen göttlichen Majestät. Und zwar mag man die erste dieser Reden als rin« liebliche Einleitung des Ganzen, als einen freudigen Lob­ gesang der von der Ankunft ihres Erlösers und Heilandes ganz entzückten Seele betrachten. Es ist nicht «in« voll­ ständige und ausführliche Auslegung der Textes-Worte: Jesus Christus der Sohn Gottes wird zu BethlehrminJudageboren, sondern diese Worte scheinen nur A »



4



in mannichfachen Modulationen gleichsam wie das Thema, bas einer musikalischen Ausführung zum Grunde liegt, in der Rede zu wiederhallen, und so recht eigentlich die große Sü­ ssigkeit zu zeigen- welche die Ankunft Gottes auf Erden mit sich führt.

5

Erste

Rede

über die Worte: Jesus Christus der Sohn GotteS wird ju Bethlehem geboren.

“ine Feeudenstimme erscholl in unseren Sanden, die Stimme des Jubels und Heils in den Wohnungen der Sünder! Ein gutes Wort ist gehört, ein Wort des Trostes, eine Rede der Lieblichkeit, aller Annahme würdig. Jubelt lo­ bend ihr Berge und alle ihr Bäume des Waldes klopfet mit den Händen vor dem Antlitze Gottes, denn er kommt! Höret ihr Himmel und mit den Ohren vernimm es Erde, es staunen und loben alle Kreaturen, aber du am meisten Mensch: Jesus Christus der Sohn Gottes wird zu Bethlehem in Juda geboren! Wer ist so steinernen Herzens, dessen Seele nicht gerührt wird von solchem Worte? Was könnte süßeres ver­ kündet, was lieblicheres empfohlen werben? Wann ist sol­ ches je vernommen, oder wann empfing je die Welt dem ähnliches? Jesus Christus der Sohn Gotte» wird zu Beth­ lehem in Juda geboren! O kleines Wort von dem ver­ kleinerten Worte, doch im himmlischer Lieblichkeit verkün­ det! Es müht fich das Herz die Menge honigreicher Sü­ ßigkeit weiter zu geben, allein es findet keine Worte. Doll solcher Gnade nämlich ist btefe Rede, daß fich augen­ blicklich der Sinn mindert, so man auch nur einen Buch-

6 staben daran ändert: Jesus Christus, der Sohn Gottes wird z-r Bethlehem geboren. O Geburt von Heiligkeit umflossen! Der Welt zur Verherrlichung; durch die Größe gespendeter Gnade den Menschen lieblich; durch die Tiefe heiliger Geheimnisse auch den Engeln «nerforschlich, und in diesem allen wunderbar durch besondern Glanz der Neuheit, da eine ähnliche we­ der vorher noch nachher gefunden ward. O einzig'schmerz­ lose Geburt; allein sonder Scham und sonder Sünde, de» Tempel der Jungfräulichkeit wohl heiligend nicht verletzend! Geburt über die Natur doch für die Natur! über sie ge­ stellt durch die Hohe des Wunders, um sie herzuftellen durch die Tiefe des Geheimnisses. Brüder, «er wird ihr« Geschlechter aussagen? Ein Engel verkündet, die Äraft desHöchsten überschattet, der h. Geist kommt hernieder, die Jungfrau glaubt, em­ pfängt durch den Glauben, bleibt Jungfrau! Wer staunte nicht? Der Sohn des Höchsten wird geboren, Gott aus Gott, gezeugt vor alter Zeit, das Wort wird ein Kind geboren, und wer staunt nicht noch mehr? Und nicht etwa unthätig diese Geburt oder nutzlos dir Herablassung der Majestät, so Jesu« Christus der Sohn Gottes zu Bethlehem in Juda geboren wird. Ihr im Staube stehet auf und lobsinget! den« flehe der Herr wird kommen zur Erlösung, Er kommt mit Heil, er kommet mit Salbung, er kommet in EhrenDenn nicht ohne Heil Jesus, nicht «hneSalbung Chri­ stus, nicht ohne Ehren kommt der Sohn Gotte«, so er nämlich selbst da« Heil, selbst Salbung und Ehre ist, wie geschrieben steht: Ein weiser Sohn ist seine« Vater« Ehr,. (Sprüchw. io.) Glückliche Seele, welche die Frucht seine» Heil« ko­ stete, di« gezogen wird und läuft in dem Gerüche seiner

7 Salben, daß fie seine Herrlichkeit sehe, «ine Herrlich« feit als des eingebohrnen Sohnes vomVater! Athmet auf Verlorne! Jesus kommt zu suchen und ge­ recht zu -machen was verloren gegangen war. Geneset ihr Kranken! Christus kommt der die zerschlagenen Herzen mit dem Balsam seiner Barmherzigkeit heilet. Frohlocket ihr Ehrgeitzigen! Gottes Sohn steigt herab zu euch um euch zu Miterben seines Reichs zu machen. Deshalb be« schwöre ich Dich Herr, heile mich und ich werde gesund; erlöse mich, und ich bin gerecht; verherrliche mich, und ich bin voll Ehren. Den» dann wird meine Seele den Herrn loben und alles was in mir ist feinen heiligen Namen, da Du gnädig bist allen mei­ nen Sünden, da Du heilest alle meine Schwach­ heiten, da Du mein Verlangen sättigest mit Gütern. (Psalm 105 D. 1, 3 und 4) Dies Dreies nämlich Geliebteste, verkündet sich mir deutlich hierin, daß Christus der Sohn Gottes geboren ist. Denn warum nennen wir seinen Namen Jesus, wo er nicht selbst sein Volk heilte von seinen Sünden? Oder weshalb wollt« er Christus genannt werden, so nicht das Joch der Mühseligkeit vor dem Antlitze der Salbung ent­ wiche? Weshalb ist Gotte« Sohn Mensch geworden, so er nicht Menschen zu Gottes Söhnen machte ? Wer aber mag seiner Macht widerstehen? «en Jesus rechtfertigt, «er ist's, der ihn verdamme? «en Christus heilt, «er will ihn verwun­ den? wen der Sohn Gottes erhöhet, «er mag ihn er­ niedrigen? Jesus also wird geboren und freuen soll fich jeder, den das Bewustseyn seiner Sünden zur ewigen Brrdammniß vrrurtheilt. Denn die Heiligkeit Jesu geht über jede Große und Zahl der Sünde. Christus wird geboren und es frohlocke, in dem langwieriges Uebel wurzelte, denn vor dem Antlitze Christi des Gesalbten mag auch noch so lange Seelenkrankheit nicht bleiben können. Gottes Sohn

8 wirb geboren und es jubele, der nach Vielem verlanget, denn ein großer Geber ist gekommen. Brüder, dieser ist der Erbe! empfangen wir ihn demüthigst, damit auch unstr di« Erbschaft sei; denn «er seinen eigenen Sohn giebt, «ie hätte er uns nicht zugleich alle« mit Ihm geschenkt? Keiner entferne sich , keiner zögere, »ft haben ein zu glaub» hafte« Zeugniß: da« Wort ist Fleisch geworden und wohnte unter uns. (Joh. 1.) Der «ingeborne Sohn Gotte« »erlangte Brüder, um unter vielen Brüdern selbst der Erstgeborne zu seyn. Damit auch der Kleinmuth menschlicher Schwachheit nicht zweifele, ward er gern selbst der Menschen Bruder, der Sah« eine« Menschen, ward er Mensch. Und hält auch der Mensch die« unglaublich, so zeigen di« Auge» den.Glauben, denn Jesu« Christus der Sohn Gottes wird zu Bethlehem in Juda geboren. Und schauet die Herablassung! Nicht zu Jerusalem der Königsstadt, sondern zu Bethlehem, welche die kleinste ist unter dem tausenden in Juda. £) kleine«Beth­ lehem, doch jetzt groß gemacht vom Herrn, e« hat dich groß gemacht, der groß in dir klein geworden ist. Freue dich Bethlehem und auf allen deinen Straßen singe man heute ein festliches Halleluja! Welche Stadt, so sie e« hört, be. neidet dir nicht jenen köstlichen Stall und jene herrliche Krippe? Auf der ganzen Erde schon ist dein Name geprie­ sen und glücklich sagen dich alle Geschlechter. Allenthalben verkündet man deinen Ruhm, Gottesstadt, und überall tönt dein Lob, weil in dir der hohe Mensch geboren ward und er selbst dich gründete. Allenthalben, sage ich, predigt man, allenthalben erschallt e«r Jesu« Christus der Sohn Gottes wird zu Bethlehem in Juda geboren. Und yicht umsonst wird hinzugefügt, in Juda, so wie un« der Verheißung an die Väter erinnern. Es wird da« Scepter von Juda nicht ent« «ndetwrrden, noch

9

fett Herrschaft von feiner Hüfte (».BuchMose -z.), bis daß der Held komme, und nach Ihm werden die Völ­ ker verlangen. Denn das Heil kommt aus den Juden, aber ein Heil bis an die Enden der Erde. Denn Juda, spricht er; Du bist's, dich werden deine Brüder lo­ ben, deine Hand wird deinen Feinden auf dem Halse sein; und so alle« übrige, was wir von jenem Juda irgend lesen, doch in Christo erfüllet finden. Denn Er selbst, der Löwe vom Stamme Juda, von dem noch hinzugesügr wird: Juda ist ein junger Lowe, du bist hoch gekommen, mein Sohn, zu großen Sie­ gen. Herrlich als Sieger Christus, her ehe Er Vater und Mutter sprechen konnte, Samaria zu Paa­ ren trieb. (Esaia s.) Herrlich als Sieger Christus, der in die Höhe hinaufstieg und gefesselt da« Gefängniß davon führte, (Psalm 68 B. 19.) den­ noch nichts fortnahm, sondern vielmehr die Menschen mit Gütern beschenkte. An diese und ähnliche versteckte Weissagung in Christo erfüllt (so wie sie denn auch von Ihm vorhergesagt wurde) erinnern daher die Wörter zu Bethlehem in Juda und man darf nicht mehr fragen ob von Bethlehem etwas Gute­ kommen könne. Wenigstens Hinsicht» unserer, so sehen wir auch hieraus, welche Aufnahme der wünscht, der zu Beth­ lehem geboren sein wollte. Denn es glaubten vielleicht ei­ nige, es bedürfte köstlicher Palläste, um den Herrn der Herrlichkeit in Ehren zu empfangen; doch nicht deshalb kam er'von seinem königlichen Sitze. Langes Leben ist zu seiner rechten Hand, zu seiner linken Reich­ thum und Ehre. (Sprüchw. 3.) An allen diesem war ewige Fülle im Himmel und nur die Armuth fand man dort nicht. Solche begehrte daher der Sohn Gotte«, als Er hinab stieg und sie erwählte, um sie auch uns durch seine Wahl anzupreiftn. Schmücke dein Lager Zion; aber



io

---

mit Demuth und Armuth. Denn in diesen Windeln gefällt er sich und in diese Seide weite er nach Ma­ nag Zeugniß gehüllt werden. Ägypten - Landes Opfer opfert Eurem Gotte! Betrachtet endlich, was zu Beth­ lehem in Juda geboren ward und suchet wie ihr Bethlehem I u d er gefunden werdet, daß eure Aufnahme Ihn nicht entehret. Denn Bethlehem bedeutet das Haus des Brodes, Juda aber sagt: Buße. So du daher mit der Speise des göttlichen Wortes deine Seele zu erfüllen den­ kest, nimm gläubig und wenn auch nicht in würdiger doch mit möglichster Andacht, jenes Brod, welches vom Him­ mel streg und der Welt das Leben gab, nämlich den Leib des Herrn Jesu, daß den alten Schlauch deines Körpers jenes neue Fleisch der Auferjjehung erhalte und stärke, so weit er den neuen Wein darinnen durch diesen Leim befestigt be­ wahren kann. Lebst du endlich aus dem Glauben, so darfst du auch nicht seufzen, daß du vergäßest dein Brod zu essen: (Psalm 102 D. 5) Du bist Bethlehem ge­ worden, gewiß würdig, den Herrn zu empfahen, so nur nicht Buße mangelt. Dein Juda, deine Heiligung nämlich, sei Buße und Reinheit anzuzrehen, welches Ge­ wand Christus von seinen Dienern vorzüglich empfing. Auch empfiehlt beides kurz der Apostel mit den Worten: so man von Herzen glaubet, wird man gerecht und so man mit dem Munde bekennet, wird man selig (Römer 10.). Gerechtigkeit also im Herzen ist das Brod im Hause, da Gerechtigkeit Brod ist. Denn selig sind die da hungert und durstet nach der Gerechtig­ keit, sie sollen satt werden. IrN Herzen bewahre daher Gerechtigkeit und zwar/die Gerechtigkeit aus dem Glauben, denn solche allein hat Ruhm vor Gott; zu­ gleich aber thue reuige Buße, um sicher den, der in Beth­ lehem Juda geboren roü;b, zu empfahen, Jesum Chnstum den Sohn Gottes. Amen.

11

Zweite Rede. t ward Fleisch (Joh.i.). Doch was Wunder, wenn bis. heute ip der Kirche gesagt wird: Christus der Sohn Gottes wird geboren, da doch schon lange vorher (Zweifels ohne durch ihn selbst) gesagt ist: Uns ist ein Kind geboren. Schon ehe­ mals ward dies Wo.rt gehört, und keiner der Heiligen hat je es verworfen, denn Jesus Christus der Sohn Gottes, gestern, und heute, und in alle Ewigkei t. Dies war es wahrlich «ovo» der erste'Mensch schon verkündete, das große Geheimniß, so nachdem der Apostel, in Christo und seiner Kirche noch klarer aussprach mit den Worten: Um des willen wird ern Mensch verlas-

38 fen Vater unb Mutter und ftinemWeibe anhan­ gen, und werden zwei in einem Fleische sein (Epheser 5., i. B. Mose »4,)> Deshalb „freute sich nicht minder Abraham, der Vater aller Gläubigen, daß er die­ sen T.-g sehen würde und er sah ihn und ward froh. Denn wie sonst hätte er seinem Knecht, al« er ihm hei dem Gotte de« Himmels schwur, seine Hand unter seine Hüfte legen lassen, härte er nicht wahrhaftig vvrausgesehen, wie der Gott des Himmels aus dieser Hüfte geboren werden würde? Solchen Rath seine« Herzen« enthüllte auch der Herr dem Manne nach seinem Herzen, dem er Wahrheit schwur und den er nicht täuschen wollte da er spricht: Ich will Dir auf deinen Stuhl setzen dir Frucht dei­ ne« Leihe« (Psalm 131.); Darum geschah die Geburt in Bethlehem Zuda der Stadt David«, gewißlich zur Wahr­ haftigkeit Gotte», um hie Verheißungen an die Väter zu erfüllen. Und solche warb auch vielfach und in mancherlei Weise den übrigen Vätern und Propheten offenbaret. Ferne aber, daß die ehemals Gott liebten, etwa jene« Wort gleichgültig aufnahmen, wenn man nicht gleichgültige nennt, da jener ruft; O mein Herr sende, welchen Du senden willst (2. Mose 4.); oder von sich stoßen, die Worte: Ach daß Du den Himmel zerrissest unb führest herab, und andere« ähnliche«? Dasselbe sahen und horten die Apostel und ihr« Hände suhlten da« Wort de« Lebens, zu denen Er besonders sprach: Selig die Augen die sehen was Ihr sehet (Matth. 15.). End­ lich aber ist zuletzt auch uns im Glauben dasselbe aufbebewahrt und wie Vlaubensbehältern übergeben, nach seinen eigenen Worten: Selig die nicht sehen und doch glauben (Joh. 20.). Denn solche« ist unser Theil an dem Worte de« Lebens. Und wahrlich nicht zu verachte« da hieraus da« Leben kommt: und hieraus die Welt überwunden ward (Habacuc a,). Denn der Gr-

39

rechte lebet seine» Glauben» und unser Glaube ist der Sieg der die Welt überwunden hat (Jo­ hanne» 5.). Die» ist e», so gleich einem Bilde der Ewig­ keit , Vergangenheit, Gegenwart und Aukunft'in unserem Busen umschließt, daß nicht» ihm vorübergeht, ent­ geht oder vorgeht. Daher jubeltet ihr mit Recht zum Zeugniß eure» Glauben», al» die Stimme dieserBothschaft zu euren Ohren drang, ihr sagtet Dank, und ganz hinge­ sunken betetet ihr an: al» liefet ihr unter den Schat­ ten seiner Flügel und hofftet unter seinem Ge­ fieder (Psalm go). Oder rufet ihr ein jeglicher, al» ihr von der Geburt de» Heilande» vernähmet, in eurem Her­ zen die»: Da» ist meine Freude, daß ich mich zu Gott halte? (Psalmr?».)? oder noch mehr jene« von demselben Propheten: Gott ist meine Seele unterge» den. Unglücklich als» der nuf zum Scheine niederfällt, da» Herz kalt, nur den Körper niedrigt; denn solcher er­ niedrigt böe lich und sein Innerste» ist voller Betrug. Wer nämlich sein Elend weniger achtet, fühlt da» Übel weniger, scheuet die Gefahr weniger, eilt minder andächtig zu den Gnadenmitteln de» erstandenen Heiles, unterwirft sich min­ der inbrünstig Gott und ruft minder gläubig: Herr Du bist unsere Zuflucht für und für (Psalm ög.); des­ sen Gebet daher ist minder angenehm, dessen Knieen min­ der wahrhaftig, dessen Erniedrigung minder aufrichtig, des­ sen Glaube auch minder überwindend, ja weniger lebendig. Doch wie spricht er: Selig sind die nicht sehen und doch glauben? al» schiene selbst der Glaube nicht auf gewisse Weise sehen. Indeß merket wem und wann diese» gesagt ist, nämlich dem vorgeworfen ward, zu glau­ ben, nachdem er gesehen hutte. Denn nicht ist gleich, erst sehen und glauben und durch den Glaube» sehen. Sonst wie ließe sich glauben, daß Vater Abraham diesen Tag im Glauben gesehen hatte? Selbst indeß, daß wir in

4o Iflitigee Nacht siegen: Heiliget euch und seid bereit, kenn morgen werdet ihr die Herrlichkeit Gottest in euch sehen, was ist es anders als im Herzen schauen, in frommer Andacht und ungefärbten Glauben, jenes große Geheimniß großer Liebe darstellen und verehren, was of­ fenbaret ist im Fleisch«, gerechtfertiget im Gei­ ste, erschienen den Engeln, gepredigt den Vol­ kern, geglaubt von der Welt, erhöhet in Herr­ lichkeit (i, Timoth. 3.). Stets also neu, was stets erneuet und niemals alt, das an Früchten nicht aufhört und in Ewigkeit nicht ver­ gehet. Den» die» ist das Heilig«, da» nicht gegeben wird di« Verwesung zu sehen. Dieser der neue Mensch, der keine« Ackers je fähig, auch die, deren Gebeine alle ver­ altet sind, zur wahrhaftigen Erneurung des Lebens wandelt. Deshalb heißt «s auch, s- ihr darauf merket in der heutigen so trefflichen Bolhschaft ganz paffend nicht; es ist geboren worden, sondern: eS wird geboren. Jesu» Christus wird zu Bethlehem Zudq geboren. Denn gleich täglich geopfert, so lange wir seinen Tod verkünden, so scheint er auch geboren zu werben so lange wir gläubig seine Geburt verwirklichen. Am morgende» Tage werden wir die Herrlichkeit Got­ te» also sehen, jedoch in uns, nicht in Ihm selbst, ge­ wißlich die Herrlichkeit in der Niedrigkeit, die Kraft in der Schwachheit, Gott im Mensche«. Er selbst nämlich ist Emanuel d. h. Gottmituns und noch offenbarer wird es euch gesagt; da» Wort ward Fleisch und wohnet« unter un» (Joh. 1.). Endlich seit dem und immerfort sahen wir sein« Herrlichkeit, eine Herrichkejt wie des Eingehornen vom Bater, gewiß ch voller Gnade und Wahrheit. Dein nicht die



4l



Herrlichkeit in Macht oder Glanz, sondern eine Herrlich­ keit der väterlichen Liebe, eine Herrlichkeit der Gnade, wovon der Apostel sprich^ zum Lobe seiner herrlichen Gnade (Epheser I.). So also wird er geboren. Allein wo glaubt ihr wohl? In Bethlehem Juda und nicht dürfen wir daher Bethle­ hem vorbeigehen. Gehen wie hin gen Bethlehem, sprachen die Hirten, nicht gehen wir hindurch. Denn so es auch ei« ärmlicher Flecken ist, so es auch die kleinste scheint in Juda, so paßt es für den, her reich, unsernthalben arm ward, und"der ein großer und «in Herr von unendlicher Ehre, ein Kind uns geboreq ist. Auch sprach er: selig sind die da geistlich armsind, denn das Himmelreich ist ihr (Matth. 5.), und eben (#: sh ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kin­ der, so «erdet ihr nicht in VaS Himmelreich kom­ men (Matth. ie.). Darum auch erwähnte er den Stall und die Krippe, gewiß ein schmutziges Haus und der Auf­ enthalt der Thiere, damit du flehest, daß dieser es ist, welcher den Armen au» dem Schlamm« aufrichtet und Menschen und Thiere erretet. Mochten doch aber auch wir Bethlehem Juda erfun­ den werden, daß er auch uns seiner Geburt würdigte, auch wir ihn zu hören verdienten. Denn nur euch, die Gott fürchten, wird die Sonne der Gerechtigkeit aufgehen; viel­ leicht nämlich ist «s, dessen ich oben gedachte, daß die Herr­ lichkeit Gottes in uns zu sehen, Heiligung und Bereitung nöthig sei. Denn auch nach dem Propheten war Juda seine Heiligung (Psalm 113.), weil nämlich durch dar Bekenntniß unserer Sünde« alles wie gewaschen wird; Hau« de» Brodes so Bethlehem heißt, scheint hingegen die Bereitung anzuzeigen. Denn wie ist der bereit sol­ chen Geist zu empfangen, der da spricht, es ist kein Brod in meinem Hause (Esaia 3.); der endlichunver-

42

bereitet mitten in der Nacht an die Thüre des Nachbarn klopfen muß und sagen: denn esistmein Freund zu mir kommen von der Straß« und ich habe nicht, das ich ihm vorlege. Sein Herz ist bereit auf de» Herrn zu hoffen (Lucas n.), sagt der Prophet, ohne Zweifel von dem Gerechten sprechend, sein Herz ist stark und fsirchtet sich nicht. Ein Herz aber so nicht stark ist, ist nicht bereitet und mir wissen, daß nach dem Zeug­ niß desselben Propheten, das Brod des Menschen Herz stärke (Psalm io5), und also ist unvorbereitet, trocken und matt das Herz deffen, welcher vergessen hat sein Brod zu esse» Er ist aber bereit und nicht zerstreut, um die Gebote des Lebens zu halten, wer vergißt dessen was hinter ihm, und strebt nach dem, was vor ihm ist. Hierbei nämlich magst du se­ hen, wie manche« du fliehen mußt und wie wünschen«werth manche Vergessenheit ist. Denn nicht der ganz« Stamm Manassr ging, über den Jordan, noch auch der ganze wählte sich seinen Auffenthalt diesseits. Dee «ein« vergaß seines Herrn und Schöpfers, der andere behielt ihn stets im Auge und vergißt sein Volk, wie daS väterliche Haus. Je­ ner nämlich vergißt das Himmlische, dieser aber was über der Erde, dieser die Gegenwart, jener die Zu­ kunst, dieser was sichtbar, endlich dieser was sein ist, jener was Jesu Christi! Beide Manasse, beide ver­ gessend, aber einer Jerusalems her andere Babylons, der eine von ihnen vergißt das hinderlich und dieser ist be­ reitet; der andere, was hilft und was zu vergessen schäd­ lich, und dieser ist ganz unvorbereitet die Herrlichkeit Gottes in sich zu schauen. Denn nicht ist er das Hau» des Bpodes, in welchem der Heiland geboren werden soll, nicht jener Manasse, dem erscheinet, der Israel regiert und über dem Chcrubien sitzt. Offenbare dich, spricht er, vor Efraim, Benjamin und Manasse (Psalm 7g).

-

43

-

Jene drei, glaube ich, sind es, die erlöset werden sollen, welche auch ein anderer Prophet durch Noe, Daniel und Hiob bezeichnet, und die eben so durch jene drei Hirten verstanden werden, denen hei der Geburt deS Engels des großen Rathes, große Freude der Engel verkündet. Doch schaue, vielleicht sind es auch die drei Weisen, die nicht mehr vom Morgen sondern auch vom Abend kommen, und niederfallen mit Abraham, Isaak und Jakob. Denn nicht unpassend scheint Eprahim, als Fruchtbarkeit bedeutend, auf die Darbringung des Weihrauchs zu zielen, weil wer­ thes. Rauchwerk zum süßen Geruch darzubringen, denen angehört, welche der Herr gesetzt hat, daß sie gehen und Frucht bringen sollen, d. h. den Priestern der Kirche. Eben so soll mit der Rechten der Sohn Benjamin das Gold dar­ bringen, nämlich die Güter dieser Welt, damit das gläu­ bige Volk zur Rechten gestellt, am Tage des Gerichts die Worte Horen dürfe: denn ich bin hungrig gewesen und ihr hqbt mich gespeiset u. s. w. Man affe end­ lich, so er derjenige fe-jn will, dem Gott erscheinen soll, bringe den Myrrhen der Abtödtung, welche vorzüglich von unserem Stande erfordert wird. Und dies darum, damit wir nicht zu jenem Theile des Stammes Manasse gehören, der diesseits des Jordan stehen blieb, sondern vielmehr ver­ gessen was hinten ist, und forschen und streben nach tcm was vor uns liegt. Nun aber laßt uns zurückkehren nach Bethlehem und sehen das Wort das ward, das der Herr machte und zeigte. Haus des Brodtes heißt es, ypje ich schon sagte, und gut lst es uns dort zu fein, denn wo das Wort des Herrn sich findet, da fehlt gewißlich das Brod nicht welches das Herz stärket, nach den Worten des Propheten: Stärke mich mit deinen Worten. Und wahrlrch in dem Worte, daß aus dem Munde Gortes gehet lebt der Mensch lebet in Christo und Christus in ihm; da geht er auf, da erscheint

44 ffr; den» Er liebt kein schwankendes, kern schwaches Herz, sondern ein festes und starkes. So jemand entgegnet, so jemand zweifelt, so er rpanft und denkt zurückzufallen in dxn Koth, zurückgehen zum Auswurf, sein Gelühk« zu ver­ lassen, feinen Borsatz zu andern, da ist jenes Bethlehem nicht bas Haus des Brsdes. Denn allein Hunger und Heißhunger treibt ihn nach Aegypten die Schwein« zu hü« txn und Treber zu begehren, und zwar weil er weit vom Hause des Brodes, vom Hause des Vaters ist, jn welchem selbst die Tagelöhner am Brode die Fülle haben. Nicht also in solchem Herzen wird Christus geboren, dem die $caft des Glaubens mangelt, gewißlich Brod des Lebens nach dem Zeugniß der Schrift: denn der Gerechte lebt aus dem Glauben (Habae. ».), weil nämlich das wahr­ haftige Leben der Seele (welches Er selbst ist) hier nur durch den Glauben in unseren Herzen wohnen kann. Sonst, wie wird in ihm Christus geboren, wie geht ihm da» Heil auf, wenn wahr und gewiß der Spruch ist, daß nur der selig sein wird, der ausharret bis ans Ende? (Math, io.), denn daß gewiß nicht Christus in ihm ist, M»ch er zu denen gehört, von welchen es heißt: ihr habet di« Salbung von dem Heiligen, da» zeigt am meisten, da selbst sein Herz verdorrte und er vergaß sein Brod zu esse« (Psalm 101.). Noch viel weniger aber gehört er zu den Kindern Gottes, dessen Geist nur über den Friedsamen und Demüthigen, der mit Furcht und Zit« ter» sein Wort vernimmt ruhet; auch kann die Ewigkeit nichts gemein haben, mit solchem Uebelstand und das, was ist, mir dem, was nie Stand hat. Uebrigens sind wir gleich stark, sind wir gleich fest im Glauben, sind wir gleich bereit, haben wir gleich des ProdeS sattsam aus der Hand desjenigen, zu welchem wjr täglich bitten, mit den Worten; und unser täglichesBrod gieb unsheute so sollen wjr doch eben so nothwendig hinzufügen und

45 »ergitb uns unsere Schuld. Sonst s» wir sagten wie hätten keine Sünde, so betrögen wir UNS selbst und die Wahrheit ist nicht in un» (1. JLH. i.). Denn gewiß ist er die Wahrheit als bet nicht blos in Bethlehem, sondern in Bethlehem Juda g-eboreU wird Jesus Christus der Sohn Gottes. Stellt» wir uns daher auch wenig vor, das Antlitz des Herrn, nun bereitet und grheiliget zugleich erfunden, und Bethlehem Juda, also die Geburt des Herrn selbst in uns zu seheN, gewüldigtk zu wrrden. Uebrigens, so eine Seele Vis dahin sich erhebt (was nämlich uns besonders angeht), daß sie Jungfrau, Mutter, Meerstertt »oller Gnade«, UNd ii-ber sie kommend der heilige Geist in ihr ist, so dürfte er st« würdigen nicht nur in ihr, sondern auch aus ihr, zu gebühre». Obgleich wahrlich niemand sich hiezu berufen fühlen mag, dem Er es nicht durch son­ derbare Erwählung und gleichsam durch Fingerzeig gesagt hat, sprechend: Siehe das ist mein« Mutter und mein Bruder (Math. is.). Denn höret Eine» dieser: Meine liebe« Kinder, sagt er, welche ich übermahl gebühre, bis Christus in Euch eine Gestalt gewinne (Ga­ lat 4.). Wenn nun Christus in ihnen geboren zu werden schien, so er «ine Gestalt in ihnen gewann, wie sollte man auch nicht gleicherweise ihn denselben grbährend nennen, der in jenem selbst gebühr? Freilich du gottlos« Synagoge, vertratest bei der Geburt dieses Sohnes die MutterStelle, aber nicht Mutter - Liebe. Au» deinem Schoße gezogen, warfst du Ihn zur Stadt hinaus und erhöhttest Ihn über der Erde, als wollest Du der Kirche der Heide« wie der Kirche bet Altväter fügen, die im Himmel ist: Weder mir noch Euch bleibe Er, sondern Er werde ge­ theilt. Er werde getheilt, sage ich, nicht zwischen bei­ den sondern von beiden. Denn ausgestoßen, erhöhet und erhoben und gerade so viel, daß Er weder in euren Mauern

-

46

-

noch auf bet Erde wär, hattest du Ihn überall mit Waf­ fen Umzogen, damit Er nicht etwa hier oder dort hinan­ entwiche und nur von Dir geschieden, zu keiner jener bei­ den gelange. Ö! grausame Stiefmutter, eine unreife Ge­ burt waltest du bewirke», wenn niemand da wärt den Ausgeworfenett zu empfange». Doch stehe, schau» wa» hast du gewonnen? Do« allen Seiten gehen die Tö'chterSions hervor, daß sie den König SaloMon in der Krone sehen, mit welcher DuJhngekrönt hast (HohesLied s). Die Mutter verlassend, wird Er feinem Weibe anhange«, daß zwel sind in ei­ nem Fleische, und äus der Stadt vertrieben und von der Erde erhöhet, ziehet Er alles nach sich (Ioh. 18.), der ist über alles, Gott gebenedeiet in Ewig­ keit. Amen.

47

Reden am ersten Wcihoachtstage. AJiefünf folgenden Reden bilden hn Ganzes und wenn uns di« vorhergegangenen zu dem großen Geheimnisse der Geburt Jesu Christi vorbereiten sollten, so wird uns hier dasselbe vor Augen geführt und näher entwickelt. Daher ist die erste Rede, welche die ganze christliche Fülle und Lieb­ lichkeit der Person Jesu Christi bezeichnet, als Eingang und Einleitung dazu anzusehen; die zweite führt uns in der Geburt des Herrn, das Erlösungswerk nach seinen in­ neren Gründen vor Augen, die dritte und vierte zeigen es uns nach seiner Offenbarung in der Außenwelt, die fünfte Rede endlich, schließt das ganze mit einer Lob- und Dank­ sagung, für die durch dir Erlösung uns gewordenen göttli­ chen unendlichen Barmherzigkeiten. Was nun noch besonders die erste hier folgende Rede, anbetrifft, so «erben die vorzüglichsten Eigenschaften Jes« Christi sinnbildlich unter vier Quelle» dargestellt. Näm­ lich die Barmherzigkeit, die Weisheit, dir Gnade des hei­ ligen Geiste« und der Ehrgeiz und Eifer um göttliche Dinge, al« gleichsam das Fundament des ganzen Lebens in Christo. Denn ohnr Barmherzigkeit ist kein« Berufung, ohn« gött-

48 liche Weisheit findet man nicht die Wahrheit, ohne gött­ liche Gnade mangelte jede Freudigkeit im Geiste, ohne den göttliche« Eifer wäte die Ausdauer ohnmöglich die doch allei« krönet. Uebrigrns läßt der heilige Bernhard di« letztere» drei Tugenden, dorzugsweif« den einzelnen drei Ständen der Christenheit zugetheilk werden, nämlich den Prälaten und Priestern, welche unter dem Bilde des Noe als da» Schiff der Kirche führend bargestellt find, den göttlichen Eifer; den Mönchen und Klosterleuttn als welche der Prophet Daniel hinsichtlich feines unter Gebet und Entfaltung ge­ theilten Lebens bezeichnet die Gnade, und endlich den Layen und Weltlichen, die das in mannichfachen Schicksa­ len aufgrregte Leben des Hiob andeutrt, die Weisheit.

49

Erste Rede. Doa bea Quellen des Erlösers. wroß zwar Geliebteste! ist die heutige Feier der Geburt des Herrn, doch des Tages Kürze, zwingt auch die Rede zu kürze». Auch nicht zu verwundern, daß wir unsere Worte beschränken, so Gott der BaterHäs Wort beschränkte. Oder wollt ihr wissen, wie groß und wie klein er eS machte? Himmel «ad Erde (sagt dieses Wort) erfülle ich (Jerem. a3.) Jetzt ist es Fleisch geworden, liegt im en­ gern Raum der Krippe. Don Ewigkeit zu Ewigkeit, spricht der Prophet, bist Du Gott (Psalm 92.), und stehe er ist das Kind eines einzigen Tages geworden. Wo­ zu die» Brüder, oder was machte nothwendig, daß der Herr der Herrlichkeit sich so erniedrigte, sich so demüthigte, sich so verkleinerte, wenn nicht um sich Euch gleich zu ma­ chen? Schon ruft er durch das Beispiel selbst, was et »ächstdem in Worten predigen wollte. Lernet von mir weil ich sanftmüthig bin und von Herze» demüthig (Math. 15.), damit wahrhaftig erfunden werde, der da spricht: Und Jesus fing an zu thun und zu lehren (Apostel-Geschichte 1.). Deshalb be­ schwöre ich Euch und bitte aus allen Kräften, geliebte Drü­ ber! lasset euch nicht umsonst ein solch köstlich Beispiel gege­ ben seyn, sondern werdet Ihm gleich und erneuert euch tm D

50

Griffe tut« Seelen. Lernet Demuth, welch« die Tugend gründet und stärket, suchet sie, di« allein eure Serien er­ rettet. Denn was ist unwürdiger, was mehr zu verab­ scheuen, was strafwürdiger, als, da der Mensch den Gott des Himmels zum Kinde geworden sieht, er noch unter­ nimmt, sich auf Erden zu brüsten? Unerträglich ist da« Erfrechen, daß wo die Majestät sich erniedrigte, der Wurm flchaufblafe und stolziere. Dies ist r« daher, weshalb sich ent­ äußerte, da er Knechtes Gestalt annahm, der an Gestalt Gott dem Vater gleich war (Phil. 2.); je­ doch sich entäußert« nur der Majestät und Macht, nicht der Gütigkeit und Barmherzigkeit. Denn wie spricht der Apostel? Es erschien, sagt er, die Freundlichkeit und die Menschheit Gottes Unsers Heilandes (Tit. s.). Es war vorher die Macht erschienen in der Schöpfung der Dinge; es erschien die Weisheit in ihrem Regiment«, aber die Güte der Barmherzigkeit erschien nur am meisten, in der Menschheit. In Zeichen und Wundern hat sich die Macht den Juden kund gethan, weshalb ihr im Gesetze zum öfter» findet: Ich der Herr! Ich Äott! Auch den Weltweisen, die da die Fülle haben nach ihrer Art hatte sich die Majestät verkündet, «eil nach de« Apo­ stel« Worten: daß Gott sei, ihnen offenbar ist. (Röm. 1.). Doch wie die Juden von jener Macht gedrückt wurden, so auch di« Weltweisen, welche die Majestät erforschten, wurden von ihrer Herrlichkeit danieder ge­ worfen. Macht zwingt zur Unternehmung, Majestät zur Bewunderung; keine von beiden zur Nachahmung. E« er­ scheine also, Herr, Deine Freundlichkeit, welcher der Mensch, nach Deinem Bilde geschaffen, sich gleich machen könne; denn Herrlichkeit, Macht und Weisheit können wir nicht erreichen, noch nützt «s, darum zu «fern. Wie lange bleibt Drin« Barmherzigkeit allein bei den Engeln und alle«

5i

fibtigt mit bem ganzen menschlichen Geschlechte unterliegt

bem Gerichte. Herr Deine Güte reicht so weit bei Himmel ist, Deine Wahrheit bis zu ben Wolken,

unb

bi« ganze Erbe

nebst ben Fürsten ber Luft verbammenb (Ps. 35.).

Erweitere biese Barmherzigkeit ihre Gränzen! werfe sie ihre Seile aus!

walte sie mächtig

entfalte sie ihren Busen!

von einem @nbt 411m anbern, um alles liebreich zu orbnen! Ala Richter ist Deine Brust verschlossen,

löse den Gürtel

»nb komme im Flusse ber Gnade, im Ueberrnaaß ber Liebe! Mensch was fürchtest du,

was zitterst du vor feinem

Angrflchte, da Gott kommt? Er kommt nicht zu richten die Erbe, sonbera sie zu erlösen.

Vor Zeiten verführte Dich

der treulose Knecht, bas Königliche Diadem hinterrücks zu rauben unb auf Dein Haupt zu fetzen.

Beim Raube er­

tappt, wir häftest Du nicht fürchte» sollen, wie nicht vor

seinem Antlitz« fliehen? Schwerbt.

benn schrecklich blitzt bas feurige

Nun in die Verbannung geworfen, ißt bu im

Schweiße Deines Angesichts bei» Drod(i. B.

Mose 3.).

Unb stehe man hört eine Stimme auf Erben:

„brr Hrrr komme".

nem Geiste,

Wo sollst bu hingehen vor fei­

und wo sollst bu hinfliehen vor sei­

nem Angesichte? (Psalm-,i3&).

Fliehe nicht, fürchte

dich nicht, er kommt nicht bewaffnet; er will nicht straf«»',

er will erretten.

Unb damit bu auch jetzt nicht etwi»

sprächest, ich hörte Deine Stimme unb barum ver­ steck« ich mich (1. Mose 3.),

unb kann nicht rufen.

stehe so ist er «in Kintz

Denn brr Ruf eines Flüchtlings

erregt wohl Mitleid, aber nicht Schrecken.

jemanb schrecklich, Dir ist er es nicht.

Oder ist Er

Ein Kindlein ist er

worden; mit Windeln umhüllt die jungfräulich« Mutter die zarten Glieder, und noch zitterst bu vor Furcht? Siehe

hierin vielmehr,

baß er nicht kommt dich zu verderben,

sondern zu erretten, nicht zu binden, sondern zu befreien. D »

52 &c den un­ befleckten Körper annahm. Endlich billig folgt auf die Liebe und Demüthigung die Verherrlichung, weil sie ohne Liebe nicht nützen kann, und Niemand erhöhet wird als der sich selb^ erniedriget (Luc. 14übe», gleich Dir, und in beiden Deinen Ruhm zu suchen, so daß ich meine Linke mit dem Nagel der Mäßigkeit und meine Recht« mit dem Nagel der Gerechtigkeit, an jenes erhabene Kreuz geheftet zu haben scheine. Hilf meiner Seele getreulich in Deinen Geboten zu bleiben, und all mein Denken auf Dich zu richten, da Du meinen rechten Fuß mit dem Nagel der Klugheit, an «den jenes Holz des Leben» heftest. Hilf, daß nicht mein Geist unglücklich ergriffen, vorn gefährlichen Glücke de« ver­ gänglichen Lebens, verweichlicht werde, noch im Unglück der Gegenwart untergehe, und der Nagel der Stärke, wird auch meinen linken Fuß am Kreuze festhalten. Damit ich aber eben so den Dornen Deines Hauptes ähnlich sehe, so gieb, bitte ich, meiner Seele heilsamen Schmerz der Buße, fremdes Mitleid und den Stachel bren­ nenden Eifers «ach Deiner Gerechtigkeit, damit ich vom dreifachen Dorne durchbohrt werde. Woll« auf dem Rohre, meinem Munde den Schwamm darreiche« und mich de« Essigs Bitterkeit kosten lassen. Wolle durch Dein Wort mir zu schmecken und zu sehr« geben, daß der Schein die­ ser Welt leer ist, wie Schwamm, und alle ihre Lust bitter wie Essig. So «erde mir Vater allenthalben auf Erde« jener Kelch Babylon« bitter, verführe mich nicht, durch jene falsche Süßigkeit, wie diejenigen, welche Dunkel ffit Licht, Licht für Dunkel, Bitteres für Süße« und Süß

V

115



für Bittere» halten. Wein mit Myrrhen und Talle ververmischt, laß mich meide«, weil Du davon nicht trinken wolltest, indem er dir ungeheure Bitterkeit des Mundes und der Bosheit Deiner Mörder bezeichnete. Mache Dei­ nen Knecht gleich, Herr, der sterbenden Traube voll Leben, indem Du mich nach dem Fleische sterben löstest, leben aber nach dem Geiste'de« Gerechtigkeit. Um indeß mich voll­ kommen des Bildes der Gekreuzigten zu rühmen, so drücke auch da» mir ein, was die wahnsinnige Wuth der Böse­ wichte, selbst nach Deinem Tode, Dir noch anthat. Die Kraft und da» Leben Seins» Worte», durchdringender al» die schärfeste Lanze, verwunde mein Herz und schiibe Meint Seele von einander und führe statt Blut und Wassvt aU# meiner Seite Deine Liebe, Herr, und di« Lipide de» Nächsten. Zuletzt hülle in reine Linnen de» ErstltNgMki de» meinen Geist, in welchem ich ruhen kann beim Aus­ gange und Eingänge in den Ort der Wunder, und wo Du inich verbirgst bi« Dein Zorn vorübergeht. Am dritte« Tage abernach dem Tage derArbeit, nach dem Tage der Strafe, frühe am Ersten de» Sabbaths, wecke mich Elen­ den auf, zur Ewigkeit unter Deinen Kindern, damit ich in meinem Fleische Deine Klarheit schau« und trfüllet «erde mit der Freude Deines Antlitzes! O! mein Heiland mein Gott, laß, ich flehe, lasse di« Zeit kommen, daß was ich jetzt glaube, ich'endlich mit offenen Augen erblicke, was ich nun hoffe und von ferne begrüße, ergreife und halte; wonach ich nach Kräften jetzt verlange mit den Armen meiner Seele umfange und herz« und in den Abgrund Deines Meere» ganz versenkt «erde, o! mein Heiland und mein Gott; denn wohl spricht mein« Seele, Gott mein Heiland, und verherrliche Seinen Nahmen, «eil Er heilig ist und der heiligsten Wonne voll. O wie gut und lieblich bist Du Herr Jesu der Seele «elch« Dich sucht! Jesu Retter des Verlornen! Heiland derEr» H8

116

kauften! Hoffnung der Verdammten! Stark« de« Müh­ selige»! Stütze der geängstigten Herzen! süßer Trost und lieblich« Erquickung der Seele, die in Thränen und Schweiß Dir nachläuft! Krone der Triumphirenben! einziger Lohn und Freude aller im Himmel Wohnenden! reichster Quell aller Gnaden! grpßer Sohn des höchsten Gotte« und höch­ ster Gott! e« soll Dich loben, alle« was im Himmel ist oben und guf der Erden unten. Herrlich bist Du und herr­ lich ist Dein Name! O unvergänglicher Glanz des erhübe«en Gottes und reinste Klarheit de« ewigen Lichtes, Leben so alles Lebe» lebendig macht, leuchtendes Licht, Licht das alle« Licht erleuchtet und im ewige» Glanze erhält. Tau­ send und übermahl tausend Lichter stehen strahlend von der erste« Frühe ja» vor Deinem göttlichen Throne. O ewig wesentliches und unzugängliches klares und liebliches Was­ ser jener Quelle, die allen sterblichen Augen verborgen, die sich ergießt ohne Anfang, deren Tiefe unergründlich, deren Preite unermeßlich, deren Füll« unerforschlich, deren Ruhe unerschütterlich. Es gebar Dich aus seiner undurchdringli­ chen Tiefe das Herz des allerhöchsten Gottes; Leben da« Leben, Licht das Licht, Ewiges das Ewige, Un­ ermeßliches das Unermeßliche und in Allem Ihm Gleiche; und von Deiner Fülle haben wir Alle erhalten. Denn Du spendende Quelle alles Guten, sonderst den köstlichen Strom siebenfacher Gnade aus Deinen Schätzen, und läßt Dich herab durch seine liebliche Süßigkeit das Salz diese« un­ ser« Meere«, da« ist unsere Schwachheit zu sonstigen. Ein Strom vom Freudenöl, ein Strom des remste» Wernes, «i» gewaltiger Fluß voll Feuerkräfte; der heilige Geist aus Dir und dem Vater gleich beiden, wird über den Erdkreis ausgegossen, alle« erfüllend, alles begreifend; der Geist von Dir, der Geist vom Vater einer aus beiden, einigend beide, ja unzertheitbare« Mittel beider; einendes Band, unauf­ lösliche Verknüpfung und Friede der alle Sinne übersteigt

117

Dir» ist der Strom Deiner Wollust, Herr, womit Du jene liebliche und herrliche Stadt Jerusalem, die oben ist, fort und fort tränkest, sie von freudigem Rausche glühen läßt, daß jene flammenden Diener des Lichts, unaufhörlich mit jubelnder Stimme und bei festlichem Klange Dir Hymnen singen, und von dessen Tropfen, sehnsuchtsvoll, die durstigen Kehlen Deines in der Fremde lebenden Volkes, genetzt zu «erden verlangen. O! laß Vater, die Hündlein aus den Brokken saugen welche von ihre» Herrn Tisch fallen! Träufelt ihr Himmel von oben und dir Wolken regnen Gerechtigkeit (Esaia 45.), die Du Gott verlangen machst. Erhabener Erstling Deine» Volkes! Ruhm unserer Feier! reinige, wir bitten Dich, mit jenem Feuerthau, erneue, erleuchte, entflamm», er­ hebe und stärke, und einige Dir da» Herz Deiner Gläubi­ gen, daß sie eins sind, ein« wissen, eine» gleichmüthig er­ greifen, suchen und sehen, und lobpreisen, Dich, Gott der Götter in Sion! Der untheilbaren Dreieinigkeit, Ruhrq Dank Ehre und Herrschaft in Ewigkeit. Amen.

ii8

Hymne des h. Bernhard 8«

Jesu am Kreuze.

(Salve mundi salutare, salve, salve Jesu care.)

O! willkommen Jesu Süße Dich, mein Heiland ich begrüße Sieh! Du kennst mein groß Verlangen, Dich am Kreuze zu umfangen, Dazu helf' Dein' Gütigkeit.

Ja, als wärst Du selbst zugegen, Tret ich, gläubig Dir entgegen. O! wie heilig ich Dich sehe, Sieh'! zu Deinen Füßen fleheZur Vergebung sey bereit!



119



Dor dem Kreuze fall' ich nieder, Und umschlinge Deine Glieder. Wollst mich Jesu nicht verachten, Sondern mitleidsvoll betrachten, Durch Dein' groß' Barmherzigkeit, O! wie arm und wie verlassen! Wie am Kreuz zum Spott gelassen! Bist in Hohn und Schmach gezählet, Da Du selbst doch hast erwählet. Deines Leibes bittre- Leid.

Welche Lieb' hat Dich bezwungen, Welcher Schmerz Dir abgedrungen, Daß Du ganz Dich' hingegeben Dargebracht Dein süßes Leben, Und vom Tode uns befreit.

Deine Lieb', die höchste Liebe Unbesiegt vom Tode bliebe. O! wie groß ist Dein Erbarmen, Da mich hältst in Deinen Armen, Scheuchst der Hölle Aengsten weit.

Welche Antwort kann Dir geben Mein so sündig Herz und Leben, Wie vergelt' ich dem Geliebten. Der den Tod wählt, den betrübten, Daß i ch zwiefach ihn nicht leid'.

Euch umfang ich heil'ge Hände, All mein Seufzen zu Euch sende; Denke vielfach solcher Qualen Will mit Kuß und Thränen zahlen Blut- und Nägel-Bitterkeit.

120

Süßes Herz so voller Güte, Steinige mein bös Gemüthe, So von Eitelkeit verblendet, Mach es fromm zu Dir gewendet, Lreib aus ihm die Kälte weit. So dann lässest diesem Leben Mich' mein Jesu Abschied geben.' Ach! Geliebter mir erscheine, Zeig Dich mir in Deiner Reine, Mit dem Kreuz der Seeligkeit.

Die

Auferstehung Jesu Christi.

123

Rede am Oster-Morgen.

^5n keiner der vorhergehenden Reden, so ausgezeichnet sie sind, entwickelt sich vielleicht eine solche Fülle und Kraft geistlicher Gaben, wie in der folgenden. Welch eine Anwendung und Auslegung der Stelle der Ostend, des h. Johannes: E s hat überwunden der Lowe vom. Stamm Juda? Es überwand am Kreuze das Lamm und es erstand aus dem Grabe der Löwe, Jesus Christus, de; Sohn Gottes, oder die ganze Ursache und Kraft der Auferstehung des Heilandes, beruhte in dem Gehorsam seines Todes am Kreuze, beide bedingten sich nothwendig; das ist der Haupte Gedanke, welcher in dem ersten Theile der Rede, mit unbe­ schreiblicher Zartheit und Lieblichkeit uns vor dir Seele geführt wird. Dabei sind Juden, oder die Ungläubigen, und Chri­ sten, oder die Gläubigen, die einen, als welche Zeichen ei­ nes irdischen Königs verlangen, die anderen, welche auf Wunder des himmlischen Kenigs hoffen, höchst sinnreich einander entgegengesetzt. Die Juden können den Tod ih­ res Erlösers am Kreuze nicht begreifen, die Christen um­ fangen ihn freudig im Glauben der Auferstehung. Die Wunder aber dieser Auferstehung selbst: nämlich aus dem verschlosienem Grabe, aus eigener Kraft Jesu

124 Christi; und nach dreien Tagen beschließt der Heilige, mit der Fortsetzung der obigen Stelle der Offenbarung, da es heißt: würdig der Löwe das Buch zu öffnen und die sieben Siegel zu lösen, indem er zeigt daß Je, sus Christus und seine Menschheit dies Buch und seine sieben Siegel war, und daß die Auferstehung, jenes öffnete und diese lösete. Nachdem dergestalt die Auferstehung so nach ihren in­ nern Gründen wie der äußeren Offenbarung nach, in der Sinnenwelt, dargestellt worden, entwickelt der zweite Theil der Rede, worin sie selbst bestand: nämlich in der Auffahrth des Sohnes Gottes zum Water in dem Hinüberwandern in dies himmlische Galiläa. Auch wir sollen daher unserm Gotte und Meister Nachfol­ gen, indem wir aus dem Grabe unserer Sünden durch Buße und Ablegung aller Bosheiten auferstehen, um dergestalt zur Seeligkeit des ewigen Lebens zu gelangen.

Es hat überwunden der Lowe vom Stamme Juda! Dollständig hat der Göttliche das Böse überwun­ den, muthig ausgerungen vom Anfang bis zum Ende und alles lieblich hinausgeführt. Jedoch nur für uns muthig, für uns lieblich am Kreuze überwand Er den Hohn der Juden, fesselte die gewappneten Krjeger an der Thür des Grabes und triumphirte über die Macht des Todes selbst. Denn wo bleibt nun Euer Spott o! Juden, wo die Lüge »seiner Gefangenschaft, wo dein Sieg, Tod? Beschämt steht der Spötter, dec Räuber selbst ist beraubt. Eine ganz neue Weise von Herrschaft; der Tod der bisher Sieger war erbebt. Wie nun, Juden, da ihr noch vor zweien Tagen vor dem Kreuze das gottlose Haupt er-

125

hobt und das göttliche Haupt Christi mit Lästerungrrt be­ legtet? Ist Er Christus, hieß es, und König in Israel, so steige Er herab vom Kreuze (Mat.27.). £) giftige Zunge, boshaftes Wort, schändliche Rede. Nicht so sprachst du kurz zuvor Caiphas, al« du sagtest: es ist besser daß Ein Mensch für das Volk sterbe, als daß das ganze Volk umkomme (Joh. 11.). Jedoch jenes redetest du nicht aus dir, weil es Lüge war, und d« sprachst es nicht selbst: Wenn Er König in Israel ist, so steige Er herab vom Kreuze. Wenn nämlich auch dein, war es noch weit mehr dessen, bei dem vom Anfänge an alle Lüge. Denn wie läßt sich folgern, daß wer König in Israel ist Herabstiege und nicht vielmehr hinaufsteige? So gedachtest du nicht, alte Schlange, wie du verwirrt ein­ stens entwichtst, da du dich erkühntest zu sagen: dies al­ les will ich dir geben, so du niederfällst und mich anbetest (Matth. 4.). Begegnete es dir so Israel, daß weil du hörtest der Herr «erde vom Holze regieren, daß du den König verleugnetest, da er am Holze blieb? *) Vielleicht vernahmst du es aber nicht, weil nicht den Ju­ den sondern den Heiden solche Verkündigung gehörte. Sa-

♦) 3m Original stehet:

sic tibi Judeee excidit quod audisli quia dominus regnavit a ligno; wobei wir bemerken, daß der Text des gssten Psalms, wie er dem h. Bernhard vorgelegen hat,

diesen Zusatz a ligno

enthalten haben muß, der sich in den heutigen Ausgaben der

Bulgata nicht befindet, wo e« bloß heißt: dicite in gentibus

quia dominus regnaut.

Solloquns,

Indeß noch EraSmuS in seinem

erwähnt dieser LeSart und wie bekannt stützt

sie sich ursprünglich auf ein Citat des JustinuS Martyr au«

den Psalmen und scheint hiernach, da« hindurch für richtig anerkannt zu seyn.

ganze Mittelalter

126

get unter den Heiden, spricht Er, baß der Herr König seyn wirb am Holze. Deshalb schrieb billig ein heidnischer Landpfleger de» König« Titel auf das Holz, und die Juden konnten nicht, wie sie wollten diese In­ schrift vernichten, oder den Tod des Herrn und unsere Erlösung hindern. Er steige herab, riefen sie, wie Er König in Israel ist. Ja eben wen Er König in Israel ist, kann Er den Tikel feines Reiches nicht verlas sen, kann Er die Ruthe seiner Herrschaft nicht wegthun, welche aufihren Schultern ruhet, wie Esaia weissaget (Esaia g.). Schreibe nicht, tiefen die Juden dem Pilatus zu, Kö­ nig der Juden, sondern daß Er gesagt hat: Ich bin ein König der Juden (Joh. 19.). Aber PilatuS: Was ich geschrieben habe, das habe ich geschrie­ ben. Hat aber Pilatus geschrieben, was er schrieb, wie sollte nicht EhristuS vollenden, was Er angefangen hatte? Denn Er selbst richtet es aus und wird «ns er­ lösen. Jedoch sprachen.sie: anderen hat Er geholfen sich selber kann Er nicht helfen (Luc. 23.). Aller­ dings , aber so Er Herabstiege, wird Er keinem helfen. Denn da nicht erlöset wird, der nicht bis ans Ende aus­ harret, wie viel weniger konnte ein solcher der Erlöser selbst sein? andern also wollte Er nur helfen, denn Ec bedurfte der Hülfe nicht, da Er selbst das Heil war. Nur unsere Erlösung whrkte Er und mochte das Opfer am Abende der Welt, die Hostie des Heils, nicht unvollendet lassen. Er kennet deine Gedanker Listiger. Er wollte dir nicht Gele­ genheit geben, uns den Sieg der Ausdauer zu entreißen, der da alleine krönet; nicht den Mund seiner Diener ver­ stummen , welche die Kleinmüthigen trösten und zu jegli­ chem sprechen: Weiche nicht von deinem Platze, wa« sonder Zweifel geschah, so sie antworten konnten: Christus

127

habe ihn verlassen. Denn eitel sind di« Gedanken der Menschen und zum Bosen geneigt. Ohne Ursache, hältst du Boshafter deine Pfeile im Köcher bereit, und überschüttest di« Seufzer der Jünger mit dem Hohngeschrei der Juden. Denn jene sind ooll Verzweiflung, diese voll Uebermuth.; doch Christo schaden beiderlei Waffen nicht, weil Er zu einer andern Zeit seine Jünger stärket, zu einer andern seine Feinde verni chtet. Indessen bekundet Er die Geduld, empfiehlt die Demuth, erfüllt den Gehorsam und vollendet die Liebe; denn mit solchen 4 Edelsteinen der Tugend sind die vier Arm« des Kreuzes sezieret, und unter ihnen fleht die Liebe Oben, den Gehorsam zur Rechten, die Geduld zur Linken, die Wurzel aller Tugend, die Demuth am Fuße. Hiemit ward der Triumpf in der Bollbringung des sittli­ chen Leidens verherrlicht, da Er demüthig unter dem Hohne der Juden, geduldig unter Wunden, innerlich mit Wor­ ten, äußerlich von Nägeln durchbohrt ward. Doch auch die Liebe sah man erfüllt weil Er für seine Fre unde da» Leben ließ, und der Gehorsam vollbracht, als Er mit geneigtem Haupt seinen Geist aufgab und ge­ horsam ward bis zum Tode; dieser Gaben strebten diejenigen die Kirche Christi zu berauben, diesen Ruhm ihr zunehmen, welche riefen: Wenn Er König in Israel ist, so steige Er vom Kreuze herab. Wahrhaftig nur um deshalb, daß kein Zeichen des Gehorsams, kein Sporn zur Liebe, kein Beispiel der Geduld und Demuth offenbar werde, sondern daß sie jene Erblichen Worte, sü­ ßer als Honig aus dem Evangelw verrilgtcn: Niemand hat größere Liebe denn die, daß er das Lebe» lässet für seine Freunde (Joh. 15.), und zum Daker: Ich habe das Werk vollendet, so Du mir gegee ben hast, daß ich es thun sollte (Joh. 17.); so wie zu den Jüngern: Lernet von mir, denn ich bin



I2Ü

-----

fanftmüthig und von Herzen demüthig (Mat. 11.). Und wenn ich erhöhet werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen (Jvh. 12.). Denn da« schmerzet die giftige List der Schlange, baß in der Wüste eine eherne Schlange errichtet worden, de­ ren Anblick die Wunden heilet, welche sie schlug (4. Mose 2i.). Wer sonst ander« hätte die Frau de« Pilatus zu ihm senden lassen und sagen: Habe Du nicht« zu schaf­ fen mit,diesem Gerechten denn ich hab »heute viel erlitten im Gesichte um seinetwegen? (Mat. »■).) Schon da also fürchtete der Böse, noch mehr aber jetzt, al« er sich durch die Kraft de« Kreuze« entkräfte« sieht. Doch zu spät kommt feine Reue, und die er zum Kreuzigen an­ getrieben, läßt er nun Ihn versuchen, daß Er vom Kreuze Herabsteige. Ist Er wirklich König in Israel, ru­ fen sie, so steige Er herab vom Kreuze und wir wollen Ihm glauben. Gewiß Schlangen-List- und Erfindung de« bösen Geistes. Der Teufel hafte die Worte de« Erlösers gehört: Ich bin tiicht gesandt denn nur zu den Schaafen von dem HauseZsrael, und Ihm war die Begierde bewußt, mit welcher der Herr das Heil diese« Volkes suchte, deshalb, indem er nur zu boshaft die Zungen der Spötter lenkte, ließ er sie sagen: Er steige herab und wir glauben; als wenn Ihn garnichts hin­ dere herabzusteigrn, da Zhn doch nur nach ihrer Grausam­ keit verlangt«. Aber wa« treibt der Hinterlistig« oder «em stellt er nach? Demjenigen an welchem der Böse keinen Theil hat, und dem der Sohn der Lüge nicht zu schaden vermag; doch der aller Herzen kennt läßt sich durch eitles Ver­ sprechen nicht überreden, noch der Allersanftmüthigste durch Hohn und Schimpf bewegen. Denn dahin zeigen seine verführerischen Worte, nicht, daß sie selbst glauben sollten, sondern auch etwa unser Glaube jedenfalls ver­ loren

»29 loten gingen. So e« nämlich heißt: die Werke Gottes find vollkommen (Mose 5.), wie würden wir den Gott bekennen, ter das Werk des Heiles unvollkommen gelassen hätte? Doch höret was hiezu Christus durch den Prophe­ ten spricht: Ihr suchet Zeichen, Juden, sehet mich am Tage meiner Auferstehung. So ihr glauben wollt, habe ich schon größere Dinge offenbaret, und vielfache Wander gethan; doch Gestern tytb ehr Gestern machte ich ge­ sund, heute muß ich Größeres vollbringen. Oder war es nicht mehr wenn ihr sahet, aus den Leibern Besessener Teufel austk